Brandbestattung und Bronzemetallurgie: Die Urnenfelderkultur in Niederösterreich (1300-800 v. Chr.) 9783700182764, 3700182767

The Urnfield Culture brought the Bronze Age era to a close. In this volume, man is subjected to a comprehensive examinat

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German Pages 349 [353] Year 2021

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Titelei
Inhaltverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung
2. Zur Umwelt
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
4. Wohnen und Wirtschaften
5. Pflanzennutzung
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
7. Bergbau und Rohstoffe
8. Bewaffnung und Kampfesweise
9. Aufbrüche ins Jenseits
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
11. Gesellschaft, Kult und Religion
12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist
13. Abkürzungen von Zeitschriften und Reihen
14. Kurzbiografien der Autoren
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Brandbestattung und Bronzemetallurgie: Die Urnenfelderkultur in Niederösterreich (1300-800 v. Chr.)
 9783700182764, 3700182767

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ISBN: 978-3-7001-8276-4

Made in Europe

Brandbestattung und Bronzemetallurgie

Archäologie Niederösterreichs Begründer: Ernst Lauermann Reihenherausgeber: Franz Pieler für die Abteilung Kunst und Kultur des Amtes der NÖ Landesregierung

Brandbestattung und Bronzemetallurgie Die Urnenfelderkultur in Niederösterreich (1300 – 800 v. Chr.) Michaela Lochner (Hrsg.)

Mit Beiträgen von: Katharina Adametz Ruth Drescher-Schneider Monika Griebl Andreas G. Heiss Irmtraud Hellerschmid Daniela Kern Susanne Klemm Günter Karl Kunst Ernst Lauermann Michaela Lochner Marianne Mödlinger Michaela Popovtschak Silvia Renhart Hans-Peter Stika Sigrid Strohschneider-Laue Peter Trebsche Karin Wiltschke-Schrotta

Impressum

Vorderes Umschlagbild: Höhensiedlung Thunau am Kamp, Auswahl von Gefäßkeramik (Foto: N. Sauter/IUHA), vgl. Abb. 03_22. Hinteres Umschlagbild: Bronzedepot von Haslau (Foto: N. Weigl, NÖ-Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte), vgl. Abb. 08_09.

Redaktion: Michaela Lochner Lektorat: Sigrid Strohschneider Laue, Peter Hiess

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die verwendete Papiersorte in dieser Publikation ist DIN EN ISO 9706 zertifiziert und erfüllt die Voraussetzung für eine dauerhafte Archivierung von schriftlichem Kulturgut.

Alle Rechte vorbehalten. ISBN: 978-3-7001-8276-4 EPUB-Link: epub.oeaw.ac.at/8276-4 Copyright © Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2021 https://verlag.oeaw.ac.at

Grafische Gestaltung: Thomas Reinagl, Wien Druck und Bindung: Print Alliance, Bad Vöslau Made in Europe

Inhaltverzeichnis

Vorwort

Grußwort der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner Vorwort des Reihenherausgebers Franz Pieler Vorwort der Bandherausgeberin Michaela Lochner

1. Einleitung (Michaela Lochner)

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15

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16

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1.1 Ein kurzer Abriss der Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.2 Chronologisch-kulturhistorischer Überblick

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22

1.3 Typologischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Exkurs Keramiktypologie: Grundform – Typ – Variante

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23

1.4 Absolute Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.5 Literatur

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2. Zur Umwelt (Michaela Popovtschak/Andreas G. Heiss/Ruth Drescher-Schneider) Glossar: Zur Umwelt

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28

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28

2.1 Wie ist das Wetter heute? – Grundlegendes zum Klimaverständnis

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2.1.1 Regional unterschiedliche Einflüsse … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1.2 … führen zu vielfältigen lokalen Verhältnissen

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29

2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.1 Urlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.2 Kulturlandschaft

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31

2.2.3 Naturlandschaft

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34

Exkurs: Die Robinie ist keine Akazie und kam erst im 17. Jahrhundert nach Europa 2.2.4 Unterschiede im pflanzlichen Bestand

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33

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36

2.3 Wie war es in der Urnenfelderzeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3.1 Vom Klima …

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41

2.3.2 … zur Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3.3 Urnenfelderzeitliche Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.4 Literatur

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3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen (Katharina Adametz/Michaela Lochner) 3.1 Haus und Hof

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3.1.1 Hausformen

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Exkurs: Hausbau und Hauskonstruktionen

46 46 46

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47

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48

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50

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51

3.1.2 Brunnen, (Speicher-)gruben, Wege, Zäune … Exkurs: Speichergruben 3.2 Flachlandsiedlungen

43

3.2.1 Siedlungsstruktur und Siedlungsgröße – archäologische Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.2.2 Siedlungskammer Unteres Traisental

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55

3.3 Höhensiedlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3.3.1 Höhensiedlung Thunau am Kamp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.3.2 Burgstall von Schiltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.3.3 Heidenstatt bei Limberg

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3.3.4 Höhensiedlung Oberleiserberg

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66 68

3.3.5 Höhensiedlung Stillfried an der March (Irmtraud Hellerschmid) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.4 Literatur

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5

Inhaltsverzeichnis

4. Wohnen und Wirtschaften (Daniela Kern/Michaela Lochner) 4.1 Einblick in einen Haushalt

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80

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80

4.1.1 Das Hanghaus von Thunau am Kamp

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80

4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2.1 Zur Funktion von Gefäßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2.2 Gebrauchsformen Sauggefäß

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85

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85

Backteller und tragbarer Feuerherd (Pyraune) Miniaturgefäß Siebgefäß

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85

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86

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Tonfässchen

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4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

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Glossar: Handwerk und Haushandwerk 4.3.1 Metallverarbeitung

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Einige Aspekte über Werkzeuge und Gegenstände zur Metallverarbeitung 4.3.2 Keramikherstellung

86 84 89 89 92

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93

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98

4.3.3 Textilherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Haus mit Webstuhl

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Glossar: Textilherstellung

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100 102

4.3.4 Holzverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4.3.5 Verarbeitung von tierischen Rohstoffen – Knochen, Geweih, Horn, Haut und Fell

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104

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105

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105

4.3.6 Steinverarbeitung 4.4 Literatur

5. Pflanzennutzung (Michaela Popovtschak/Andreas G. Heiss/Hans-Peter Stika)

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110

5.1 Wildpflanzen – Kulturpflanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.2 Was erforscht die Archäobotanik?

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5.2.1 Voraussetzungen zur Erhaltung archäobotanischer Funde

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111 111

Glossar: Pflanzennutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5.2.2 Bergung – Aufbereitung – Bestimmung – Interpretation

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Exkurs: Holzkohlereste – die am häufigsten geborgenen archäobotanischen Funde

115

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115

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115

5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen! 5.3.1 Fundstellen mit archäobotanischem Fundgut 5.3.2 Zum angebauten Getreide

114

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117

Glossar: Getreide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Gerste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Die Spelzweizen, Einkorn, Emmer und Dinkel

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118

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118

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118

„Neuer“ Typ Spelzweizen Nacktweizen

Echt-Rispenhirse und Kolbenhirse

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119

Sonderfall Saat-Hafer und Roggen

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119

5.3.3 Zu den angebauten Hülsenfrüchtlern Glossar: Hülsenfrüchte

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119

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120

5.3.4 Zu potenziellen Ölpflanzen

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121

5.3.5 Gesammelt, kultiviert oder gehandelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

6

Inhaltsverzeichnis

5.4 Was können archäobotanische Fundensembles aussagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 5.4.1 Pflanzenreste aus der Höhensiedlung Stillfried an der March . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Exkurs: Bronzezeit-Risotto

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5.4.2 Pflanzenreste aus der Höhensiedlung Thunau am Kamp

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124 126

5.5 Einblicke in die Situation von Ackerbau und Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5.5.1 Neuerungen zeichnen sich ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5.5.2 Zur Bedeutung von Ackerbeikräutern

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Exkurs: Wenn zu viel Kornrade und Mutterkorn im Essgetreide enthalten waren … 5.5.3 Hinweise auf Anbau, Ernte, Aufbereitung, Speicherung und Zubereitung 5.6 Literatur

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6. Zur Tier-Mensch-Beziehung (Günter Karl Kunst) 6.1 Tierreste als archäologische Quellen

129 130 131 133

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140

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140

6.1.1 Erscheinungsformen von Tierresten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 6.1.2 Tierreste in archäologischen Befunden

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142

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143

.................................................................................................................................................................................

144

6.1.3 Tierreste als archäologische Objekte 6.2 Tierreste aus der Urnenfeldzeit

6.2.1 Allgemeines und Haustiere

.......................................................................................................................................................................

144

6.2.2 Wildtierfauna und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 6.3 Tiernutzung und Abfallverhalten in verschiedenen Siedlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.3.1 Unterradlberg

.................................................................................................................................................................................................

6.3.2 Unterhautzenthal 6.3.3 Oberleiserberg

..........................................................................................................................................................................................

................................................................................................................................................................................................

6.3.4 Thunau am Kamp und Stillfried an der March

...................................................................................................................................

6.4 Archäologische Sondersituationen – Wirtschaftszonen und Kultbereiche 6.4.1 Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil

149 150 151 152

.............................................................................................

152

.........................................................................................................................................................

152

6.4.2 Hinweise auf Rituale? Die Tierdeponierungen von Stillfried an der March Exkurs: Pathologische Veränderungen an Wildtierresten

...........................................................................

154

.........................................................................................................

156

6.5 Tierreste im Totenbrauchtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.5.1 Totenspeisen und Symbole – das Gräberfeld Franzhausen-Kokoron

.......................................................................................

157

Fleischbeigaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Symbolische Beigaben – Astragalsätze

............................................................................................................................................

163

6.6 Beispiele für Bearbeitungen von Knochen, Geweihen und Zähnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6.6.1 Unterradlberg

.................................................................................................................................................................................................

6.6.2 Oberleiserberg

...............................................................................................................................................................................................

6.6.3 Prigglitz-Gasteil

..............................................................................................................................................................................................

6.6.4 Pixendorf und Maissau

166 167

................................................................................................................................................................................

167

..............................................................................................................................................................................

168

...............................................................................................................................................................................................................................

169

6.7 Zusammenfassung und Ausblick 6.8 Literatur

166

7

Inhaltsverzeichnis

7. Bergbau und Rohstoffe (Susanne Klemm/Peter Trebsche)

..........................................................................................................................

172

7.1 Prähistorische Kupfergewinnung (Susanne Klemm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Exkurs: Montanarchäologische Forschungen in Österreich 7.1.1 Vom Erz zum Metall

.....................................................................................................

173

......................................................................................................................................................................................

173

7.1.2 Prospektion und naturwissenschaftliche Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 7.1.3 Urgeschichtliche Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich

.................................................................................

176

Die Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Die Kupfervorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 7.1.4 Archäologische Forschungen und Ergebnisse – die Bergbaureviere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Exkurs: Montanarchäologische Forschungen in Niederösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Bergbaureviere Prein-Breitenstein, Kleinau-Großau und Höllental-Kaiserbrunn Exkurs: Schlacken – Abfall der Kupfererzverhüttung

............................................................

180

..................................................................................................................

183

Revier Payerbach-Grillenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Revier Prigglitz-Gasteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Reviere Sieding und Gadenweith . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Reviere Schrattenbach-Stixenstein und Flatz Revier Hafning-Kulm

.................................................................................................................................

184

.................................................................................................................................................................................

184

Gab es weitere prähistorische Bergbaureviere im südöstlichen Niederösterreich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 7.1.5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich (Peter Trebsche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 7.2.1 Regionale Siedlungsstrukturen

...............................................................................................................................................................

186

Metallverarbeitung im Siedlungsbereich

.........................................................................................................................................

188

7.2.2 Die Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil

.........................................................................................................................................

189

Grabungen F. Hampl, R. Mayrhofer 1956 und 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Fundbergungen 1999–2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Grabungen 2010–2014

...........................................................................................................................................................................

7.2.3 Aktivitäten in der Bergbausiedlung

.......................................................................................................................................................

190 194

7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe (Peter Trebsche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 7.3.1 Zinn

.....................................................................................................................................................................................................................

7.3.2 Gold

....................................................................................................................................................................................................................

199

...................................................................................................................................................................................................................

203

7.3.3 Eisen

198

7.3.4 Grafit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 7.4 Literatur

...............................................................................................................................................................................................................................

8. Bewaffnung und Kampfesweise (Ernst Lauermann/Marianne Mödlinger)

.......................................................................................

214

............................................................................................................................................................................

214

................................................................................................................................................................................................................

216

8.1 Schriftliche und bildliche Quellen 8.2 Die Bewaffnung

208

8.2.1 Offensivwaffen

...............................................................................................................................................................................................

218

Schwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Dolch

...............................................................................................................................................................................................................

Pfeil und Bogen

...........................................................................................................................................................................................

220 220

Wurfspeer und Stichlanze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Axt und Beil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

8

Inhaltsverzeichnis

8.2.2 Defensivwaffen

..............................................................................................................................................................................................

223

Schild

..............................................................................................................................................................................................................

223

Panzer

.............................................................................................................................................................................................................

224

Helm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Beinschiene

..................................................................................................................................................................................................

226

8.2.3 Pferdegeschirr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 8.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 8.4 Literatur

...............................................................................................................................................................................................................................

9. Aufbrüche ins Jenseits (Michaela Lochner) 9.1 Bestattungswesen und Grabritus

229

............................................................................................................................................................

232

.............................................................................................................................................................................

232

9.1.1 Phänomen Brandbestattung

....................................................................................................................................................................

9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur

.........................................................................................................................................................

233 233

9.2.1 Gräberfeld Pitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 9.2.2 Gräberfeld Baierdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 9.2.3 Gräberfeld Horn

.............................................................................................................................................................................................

9.2.4 Gräberfeld Inzersdorf ob der Traisen 9.2.5 Gräberfeld Hollabrunn

238

....................................................................................................................................................

240

................................................................................................................................................................................

243

9.2.6 Gräberfeld Sommerein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 9.3.1 Gräberfeld Hadersdorf am Kamp

............................................................................................................................................................

9.3.2 Gräberfeld St. Andrä vor dem Hagenthale

..........................................................................................................................................

249 250

9.3.3 Gräberfeld Franzhausen-Kokoron

...........................................................................................................................................................

251

9.3.4 Gräberfeld Stillfried an der March

.........................................................................................................................................................

254

9.4 Ausblick

................................................................................................................................................................................................................................

257

9.5 Literatur

................................................................................................................................................................................................................................

257

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche (Karin Wiltschke-Schrotta/Silvia Renhart)

..................................

260

10.1 Anthropologische Zugänge zur Urnenfelderzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 10.1.1 Bewährte Methoden und neue archäometrische Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 10.1.2 Neuinterpretationen von Befunden aus Stillfried an der March . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Glossar: Archäometrie – Anthropologie

...........................................................................................................................................

262

............................................................................................................................................

263

.......................................................................................................................................................

265

10.2 Der Ablauf der Totenverbrennung im Experiment 10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder

10.3.1 Zur anthropologischen Auswertung des Gräberfeldes Franzhausen-Kokoron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 10.4 Skelette statt verbrannter Knochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 10.5 Krankheiten und Mangelerscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 10.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 10.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

9

Inhaltsverzeichnis

11. Gesellschaft, Kult und Religion (Monika Griebl)

.............................................................................................................................................

282

11.1 Einführung in die Welt der späten Bronzezeit Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Exkurs: Zeremonialwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 11.2 Urnenfelderzeitliche Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 11.3 Kult und Religion

...........................................................................................................................................................................................................

11.3.1 Opferritual – von Verzicht und Zerstörung Exkurs: Ritual

285

.......................................................................................................................................

285

...............................................................................................................................................................................................

286

11.3.2 Bronzehorte: tonnenweise erzeugt und aus dem Verkehr gezogen

.......................................................................................

287

Stellen der Niederlegungen von Bronzehorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Brucherzhorte

..............................................................................................................................................................................................

288

Personengebundene Horte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 11.3.3 Gewässerfunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 11.3.4 Keramikgefäßdepots – für Trinkgelage?

...........................................................................................................................................

295

11.3.5 Orte – Gaben – Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Ritualorte – Kultplätze – Kultbauten

..................................................................................................................................................

Verbrennen von Opfergaben – der direkte Draht zum Himmel Exkurs: Brandopferplätze

298

................................................................................................

298

.......................................................................................................................................................................

299

Exkurs: Gerste im Kultzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Festessen – Kultmahl – Ahnenkult . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Rituale bei der Errichtung von Bauten (Bauopfer)

........................................................................................................................

Menschliche Sonderbestattungen in Siedlungen – geregelte Ausnahmen?

.....................................................................

302

......................................................................................................................................................

306

.......................................................................................................................................................................

308

Tierniederlegungen in Siedlungen 11.3.6 Religiöse Kommunikation

302

Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Figürliche Kunstäußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Exkurs: Libationen – Trankopfer

...........................................................................................................................................................

Exkurs: Schamanismus und Analogie- oder Sympathiezauber

...............................................................................................

317 319

11.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 11.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist (Sigrid Strohschneider-Laue)

...................................................

334

.........................................................................................

334

....................................................................................................................................................................................

335

12.1 Archäologie – Arbeiten zwischen sprudelnden und versiegenden Quellen 12.1.1 Funde und Befunde

12.1.2 Auffinden – ausgraben – aufarbeiten – ausstellen 12.2 Das Fassbare: Der Hang zur Konformität

......................................................................................................................

..............................................................................................................................................................

335 337

12.3 Das Unfassbare: Gedanken, Ideen und Philosophien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 12.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

10

Inhaltsverzeichnis

13. Abkürzungen von Zeitschriften und Reihen 14. Kurzbiografien der Autoren

......................................................................................................................................................

344

............................................................................................................................................................................................

346

11

Vorwort

Grußwort der Landeshauptfrau

Archäologie beschäftigt sich mit den materiellen Hinterlassen-

Die mächtigen Wallburgen von Thunau am Kamp und Stillfried an

schaften alter Kulturen, von denen eine große Faszination aus-

der March oder das Bergbaurevier von Prigglitz-Gasteil sind nur

geht. Niederösterreich bildet nicht nur das historische Kernland

einige der Spuren, die sie in Niederösterreich hinterlassen hat.

Österreichs, es ist auch reich an bedeutenden archäologischen

Die Beiträge bieten einen umfassenden Überblick auf hohem

Fundstellen aus der Ur- und Frühgeschichte.

wissenschaftlichem Niveau und sind zugleich allgemein ver-

Bei Forschungen und Ausgrabungen sind in unserem Bundesland

ständlich formuliert. Die ansprechende graphische Gestaltung

zahlreiche spannende Details und interessante Funde zutage ge-

trägt ebenfalls dazu bei, dass dieses Buch attraktiv für alle ist,

kommen, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregten.

die sich für Archäologie und die Urgeschichte Niederösterreichs

Sehr wichtig ist es mir, dass Forschungsergebnisse auch ent-

begeistern.

sprechend publiziert werden und das Wissen geteilt wird. Die vorliegende Publikation erscheint in der von der Abteilung für Kunst und Kultur des Amts der NÖ Landesregierung herausgegebenen Reihe „Archäologie Niederösterreichs“ und widmet sich der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur. Johanna Mikl-Leitner Landeshauptfrau

13

Vorwort

Vorwort des Reihenherausgebers

In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit nehmen sich die sichtba-

ersten stadtartigen Siedlungen in Mitteleuropa sah und in der

ren Hinterlassenschaften aus der Urgeschichte Mitteleuropas –

die Bronzemetallurgie zum bestimmenden Motor wirtschaftli-

etwa im Vergleich zu den immer noch imposanten Ruinen der rö-

cher und gesellschaftlicher Entwicklung und überregionaler Ver-

mischen oder griechischen Antike – meistens sehr bescheiden

netzung wurde. Die interdisziplinären Beiträge zur Anthropo-

aus. Funde von Tonscherben und Bruchstücken von Geräten aus

logie, Botanik, Zoologie, zum Klima sowie soziologischen und

Stein, Knochen oder Metall sind oft die einzigen Hinweise darauf,

religionswissenschaftlichen Überlegungen vermitteln ein leben-

dass an einem Platz vor Jahrtausenden Menschen gelebt hatten.

diges und umfassendes Bild der Spätbronzezeit. In zahlreichen

Die Spuren von Siedlungen, Palästen, Befestigungsanlagen oder

Exkursen wird es den Leserinnen und Lesern überdies ermög-

Kultbauten sind meist nur mehr für den Spezialisten erkennbar,

licht, die Hintergründe mancher Rekonstruktionen zu erfahren

wenn sie bei Ausgrabungen ans Licht kommen.

oder tiefer in die Fachdiskussionen einzusteigen.

Die Urnenfelder-Kultur der Spätbronzezeit, auch als die „Zeit der

Ich freue mich sehr, dass nun der dritte Band der Reihe „Archäo-

Wallburgen und Brandgräber“ bezeichnet, stellt hier eine Aus-

logie Niederösterreichs“ vorliegt und möchte der Bandheraus­

nahme dar, zumal noch etliche weithin sichtbare Monumente

geberin Michaela Lochner und ihrem AutorInnnenteam herzlich

und Wallanlagen erhalten sind. Mächtige Befestigungsanlagen

für die mit großem Eifer und Hartnäckigkeit geleistete Arbeit

wie Thunau am Kamp, Stillfried an der March, Schiltern oder

danken.

Hausenbach zeugen von untergegangenen stadtartigen Siedlun-

Dieses Buch ist eine wichtige Standortbestimmung für die Er-

gen und vielleicht sogar Machtbereichen, von denen allerdings

forschung der Urgeschichte Niederösterreichs und ein weiterer

keinerlei bildliche oder schriftliche Überlieferungen auf uns ge-

Meilenstein für die Vermittlung von Methoden und Ergebnissen

kommen sind.

der modernen Archäologie an ein breiteres Publikum, dem ich

Der vorliegende Band stellt die Zusammenfassung und Synthese

viel Freude bei der Lektüre wünsche!

der archäologischen Forschungen zur Urnenfelder-Kultur in Nieder­österreich dar, einer faszinierenden Epoche, die den Aufstieg der

Franz Pieler

15

Vorwort

Vorwort der Bandherausgeberin

Brandbestattung und Bronzemetallurgie – Die Urnenfelderkultur

material erforderte, andererseits für das herzliche Gesprächs­

in Niederösterreich ist der dritte Band der Reihe Archäologie

klima und das Engagemente für das Projekt, das schluss­endlich

Niederösterreichs, die von Ernst Lauermann initiiert und von

in diesem von uns allen getragenen Buch mündet.

Franz Pieler herausgegeben wird. Dieses Buch widmet sich der

Darüber hinaus ist allen Kolleginnen und Kollegen sowie Institu-

späten Bronzezeit, der sogenannten Urnenfelderkultur. Sie ist

tionen ganz herzlich zu danken, die – im Text oft nur als Fußnote

der letzte Abschnitt der prähistorischen Epoche Bronzezeit, der

angeführt – bei Recherchen behilflich waren sowie Abbildungen

zeitlich zwischen 1300 und 800 v. Chr. angesetzt ist.

und Pläne zur Verfügung stellten.

Der Schwerpunkt der Darstellungen liegt innerhalb der moder-

Wer sind nun die Verfasserinnen und Verfasser des Buches? Viele

nen politischen Grenzen Niederösterreichs. Grenzen, die es vor

kenne ich bereits seit vielen Jahren seit dem Studium und durch

rund drei Jahrtausenden noch nicht gab. Die Brandbestattung

die Zusammenarbeit in Forschungsprojekten. Es ist mir ein An-

und Bronzemetallurgie im Titel repräsentieren zwei wesentliche

liegen, sie aus meiner persönlichen Sicht und in Bezug auf ihre

Charakteristika der Urnenfelderkultur. Sie sind für den gesam-

Beschäftigung mit der Urnenfelderkultur (zusätzlich zu den bio-

ten mittel- und zentraleuropäischen Raum typisch. Der Blick über

graphischen Daten am Ende des Buches) vorzustellen.

die Grenzen und die Einbeziehung der Nachbarregionen schafft

Beginnen möchte ich mit Daniela Kern, die kurz vor Fertigstel-

ein Gesamtbild, das Klima, Umwelt, Wirtschaft, Kultur, Gesell-

lung des Buches im Oktober 2020 plötzlich von uns gegangen ist.

schaft und Religion vereint. Er streicht die Gemeinsamkeiten he-

Alle, die sie gekannt haben, werden ihr fröhliches, helles Lachen

raus, die die Menschen über weite Strecken verbindet. Dadurch

vermissen. Mit Daniela verbindet mich eine lange Freundschaft

wird es möglich, die Besonderheiten von Niederösterreich zu er-

seit Beginn unseres gemeinsamen Studiums der Ur- und Früh-

kennen und sie in Beziehung zu Mitteleuropa zu bringen.

geschichte an der Universität Wien in den frühen 1980er Jahren.

Von allen beteiligten Autorinnen und Autoren wurde großer Wert

Unsere Mitarbeit an den Grabungen auf den Höhensiedlungen

auf die Darstellung von Grundlagen, Hintergrundinformationen

Thunau am Kamp und Oberleiserberg weckte in uns schon früh

und Definitionen gelegt. Daher sind in den einzelnen Kapiteln

das Interesse an der spä-ten Bronzezeit. Ihre Dissertation, die

weiterführende und vertiefende Exkurse sowie Glossare ein-

sie im Jahr 1989 abschloss, war die Auswertung eines Siedlungs-

geschoben.

terrains auf der unteren Holzwiese von Thunau am Kamp. Einige

Das Buch basiert auf der wissenschaftlichen Arbeit von insge-

Jahre später haben wir im Rahmen eines Forschungsprojektes

samt 17 Autorinnen und Autoren aus unter-schiedlichen Fachbe-

zur Bronzezeit auf dem Oberleiserberg wieder eng zusammen-

reichen, die einzelne Themen abgehandelt und Bild- und Plan-

gearbeitet. Ein fast fertiges Manuskript, das in den Mitteilungen

material zur Verfügung gestellt haben. Die Hauptautorinnen und

der Prähistorischen Kommission erscheinen sollte, bleibt nun

-autoren haben in zahlreichen redaktionellen Sitzungen chrono-

unvollendet. Letztlich war sie mir in den letzten Jahren immer

logische Fragen und Interpretationen diskutiert. Es sind neue

eine anregende und kompetente Gesprächspartnerin in Fragen

und teilweise noch unpublizierte Fundstellen vorgelegt sowie

der späten Bronzezeit. Nicht nur deswegen fehlt sie.

Bild- und Planmaterial gesichtet worden. Im Laufe der Produkti-

Katharina Adametz ist seit vielen Jahren auf archäologischen

on wurden Koautorinnen und Koautoren beigezogen.Und das al-

Ausgrabungen tätig. Derzeit ist sie bei der Grabungsfirma

les hat dann doch seine Zeit gebraucht. Und so möchte ich mich

ASINOE GmbH angestellt und leitet urgeschichtliche Ausgra-

bei alle Autorinnen und Autoren bedanken: Einerseits für den

bungen in Niederösterreich. Sie hatte sich nicht nur durch Gra-

jeweiligen Beitrag, der Recherche und Bereitstellung von Bild­

bung und Auswertung der Siedlung von Unterradlberg intensiv

16

Vorwort

mit der Urnenfelderzeit beschäftigt, sondern auch immer wieder

nach dem Abgang von Erika Kanelutti bei der entsprechenden

im Rahmen der UK-Gespräche an der Österreichischen Akademie

Auswertung half. Sein breiter Zugang zu archäozoologischen

der Wissenschaften (ÖAW) mit Vorträgen und Diskussionen aktiv

Fragestellungen zeigte sich in der Folge u. a. in der Auswer-

beteiligt.

tung der Speisebeigaben aus dem Gräberfeld von Franzhausen-

Irmtraud Hellerschmid kam in Jahre 2006 als wissenschaftliche

Kokoron.

Mitarbeiterin an die Prähistorische Kommission der Österrei-

Susanne Klemm ist eine der wenigen Wissenschaftlerinnen, die

chischen Akademie der Wissenschaften und hat mich tatkräftig

sich, nunmehr bereits seit vielen Jahren, in Ostösterreich inten-

bei der Aufnahme und Auswertung der Gräberfelder von Franz­

siv mit Fragen zum Kupferbergbau und zur Kupferverhüttung be-

hausen-Kokoron und Inzersdorf ob der Traisen unterstützt. Ab

schäftigt. Im Zuge dessen führte sie eine umfangreiche Grabung

2011 leitete sie ein von ihr eingereichtes FWF-Projekt zu Mensch-

in der Eisenerzer Ramsau durch. Einen Teil der Aufarbeitung die-

und Tierdepositionen in der Wallanlage von Stillfried an der

ser Fundstelle konnte sie an der Prähistorischen Kommission

March. Diese Fundstelle hatte sie bereits in früheren Jahren in

durchführen und hier lernte ich sie auch als sehr hilfreiche Kol-

Inventar- und Materialstudien bearbeitet und sie wurde auch

legin näher kennen.

Thema ihrer Dissertation.

Peter Trebsche hat uns, im Zuge von Exkursionen der Prähisto-

Die Hauptautorin der Kapitel Umwelt und Pflanzennutzung,

rischen Kommission, auf seiner Grabung in Prigglitz aktuelle

Michaela Popovtschak, und der später hinzugestoßene Andreas G.

Einblicke in die komplexen Siedlungsstrukturen einer urnenfel-

Heiss haben sich die Unterstützung von Ruth Drescher-Schneider

derzeitlichen Bergbausiedlung gegeben. Seine Ernennung zum

und Hans-Peter Stika geholt, um die stetig im Wandel befind-

Professor am Institut für Archäologien der Universität Innsbruck,

lichen Daten zum Klima und zu den Pflanzenarten sowie deren

wo er sich wieder verstärkt seinem weiteren Forschungsschwer-

Ökologie und Nutzungsgeschichte auf einer möglichst breiten

punkt Eisenzeit widmen kann, freut sicher nicht nur mich ganz

Basis abzuhandeln. Michaela Popovtschak habe ich im Zuge

besonders.

der Aufarbeitung des urnenfelderzeitlichen Fundmaterials aus

Trotz Ernst Lauermanns vielfachen Tätigkeiten, zuletzt als Landes­-

Thunau am Kamp näher kennengelernt. Sie hatte die systema-

archäologe, hatte er immer schon eine Schwäche für die Urnen­

tische Aufnahme und schließlich die Auswertung der archäo­

felderkultur, wie Grabungen, Fundstellenbearbeitungen oder

botanischen Reste von ausgewählten Fundverbänden als Dis-

systematische Vorlagen von Fundgruppen – aktuell sind es die

sertation übernommen und im Jahr 2003 in den Mitteilungen

urnenfelderzeitlichen Keramikdepots in Niederösterreich – zei-

der Prähistorischen Kommission veröffentlicht. In vielen Bespre-

gen. Als Initiator der Reihe Archäologie Niederösterreichs ist es

chungen haben wir den archäologischen Kontext und die chro-

ihm auch ein Anliegen Interessierten Wissenschaft zu vermitteln.

nologische Zuordnung der botanischen Proben zu den einzelnen

Trotz seiner Pensionierung werden wir wohl auch in Zukunft noch

Zeitperioden der Fundstelle diskutiert.

Einiges von ihm erwarten dürfen. Ernst Lauermann hat sich in

Seit 1994 ist Karl Kunst verantwortlich für den Bereich Archäo-

diesem Band dem Thema Bewaffnung gewidmet und dazu als

zoologie bei VIAS (Vienna Institute for Archaeological Science),

Koautorin Marianne Mödlinger gewonnen. Sie ist eine der pro-

einer interdisziplinären Forschungsplattform für Archäologie der

fundesten Wissenschaftlerinnen für die typologische als auch

Universität Wien. Der Beginn seiner urnenfelderzeitlichen „Kon-

archäometrische Bearbeitung von Waffen aus Metall in Europa.

takte“ begann wohl mit der Bearbeitung einer komplexen Sied-

Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen lernte ich Silvia

lungsgrube der Höhensiedlung von Thunau am Kamp, wo er mir

Renhart auf der Ausgrabung auf der Höhensiedlung von Thunau 17

Vorwort

am Kamp kennen. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich

Monika Griebl ist seit 2011 an der ÖAW tätig und war maßgeb-

eine enge Zusammenarbeit und Freundschaft. Sie führte u. a. die

lich an zwei Forschungsprojekten zu Stillfried an der March be-

anthropologischen Untersuchungen der Leichenbrände der von

teiligt, die am Institut OREA (dem Nachfolge-Institut der Prähis-

mir bearbeiteten Gräberfelder Franzhausen-Kokoron und Inzers-

torischen Kommission) durchgeführt wurden und die sie nun als

dorf ob der Traisen durch. Obwohl die finanzielle Situation oft

Hauptverantwortliche für den Druck in der Reihe Mittelungen der

nicht rosig war, konnte man sich auf ihre Hilfsbereitschaft ver-

Prähistorischen Kommission vorbereitet. Als Leiterin für eines

lassen. Ihre vielfältigen Tätigkeiten, u. a. als Universitätslektorin,

der Projekte (Ressourcensicherung) lernte ich sie als überaus

Kulturvermittlerin und Ausstellungsberaterin, halfen ihr, über

nette und hilfsbereite Kollegin kennen, die ihre wissenschaft-

die Runden zu kommen. Umso mehr freut es mich, dass sie nun

liche Expertise bereits in einigen wichtigen Publikationen, vor-

eine Anstellung als Anthropologin in der Abteilung Archäologie &

nehmlich zur Hallstattkultur, vorgelegt hatte. Federführend in

Münzkabinett des Universalmuseum Joanneum Graz erhalten

organisatorischen und wissenschaftlichen Belangen, konnte sie

hat.

letzteres Projekt zeitgerecht erfolgreich abschließen.

Gemeinsam mit Silvia Renhart machte sich Karin Wiltschke-

Neben ihren frühen Ausgrabungstätigkeiten u. a. in Stillfried an

Schrotta in diesem Buch auf die anthropologische Spurensuche.

der March und im Burgenland konnte sich Sigrid Strohschneider-

Auch sie beschäftigt sich seit viele Jahren mit urnenfelderzeitli-

Laue, nicht zuletzt auf Grund ihrer literarischen Ader, im Laufe

chen anthropologischen Hinterlassenschaften, v. a. mit den Son-

der Jahre ein breit gefächertes publizistisches Betätigungsfeld

derbestattungen aus der Höhensiedlung Stillfried an der March.

für Museen, Verlage und Online erarbeiten. Ein weiteres Anliegen

Durch ihre Tätigkeit als eine der Sammlungsleiterinnen an der

sind ihr Kulturvermittlung und Ausstellungsgestaltung v. a. in

Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums

Hinblick auf Menschen mit speziellen Bedürfnissen. Ihr Talent,

Wien hat sie darüber hinaus beste Kenntnisse über die Reste der

Texte zu strukturieren und zu lektorieren, kam letztlich auch

prähistorischen Menschen, da ein Großteil der entsprechenden

dieser Publikation zugute. Bereits von Anfang an, als die ersten

in Niederösterreich ausgegrabenen Funde im NHM verwahrt wird.

Manuskripte der Kolleginnen und Kollegen vorlagen, stand sie

Seit 2016 ist sie Leiterin der Abteilung und es ist ihr zudem ein

mir hilfreich zur Seite. Dafür sei ihr ganz besonders gedankt und

großes Anliegen, dass die noch nicht aufgearbeiteten und im De-

natürlich auch für ihren Beitrag, der als letztes Kapitel quasi eine

pot ruhenden Materialien einer wissenschaftlichen Bearbeitung

Zusammenfassung der aktuellen Forschungslandschaft Archäo-

zugeführt werden.

logie darstellt.

18

Vorwort

Ohne finanzielle, organisatorische und technische Unterstüt-

mie der Wissenschaften zu arbeiten und den Forschungsschwer-

zung kann ein solches Buchprojekt nicht zustande kommen.

punkt Späte Bronzezeit/Urnenfelderkultur zu betreiben.

So ist dem Verlag der ÖAW für die Unterstützung bei der Buch­

Förderlich war es für mich, dass Johannes-Wolfgang Neugebauer

produktion und dem Land Niederösterreich für die Finanzierung

(Bundesdenkmalamt), der leider bereits 2002 verstorben ist, mir

des Druckes zu danken. Das Land Niederösterreich hat außerdem

umfangreiches Fundmaterial aus seinen Ausgrabungen als For-

zur Erstellung der Manuskripte finanzielle Mittel bereitgestellt,

schungsgrundlagen zur Verfügung gestellt hat. Auch durch die

wenn die Autorinnen und Autoren keine Möglichkeit hatten, die-

Unterstützung bei der Restaurierung der Funde und der Sichtung

se im Rahmen eines Dienstverhältnisses abzufassen. Barbara

der Pläne, insbesondere der Gräberfelder Franzhausen-Kokoron

Horejs, Direktorin des damaligen Instituts für Orientalische und

und Inzersdorf ob der Traisen, hat er sehr geholfen. Außerdem

Europäische Archäologie der ÖAW, sei für die Einreichung dieses

durfte ich bei der von J.-W. Neugebauer initiierten Vorgänger-

Antrages an das Land Niederösterreich herzlich gedankt; eben-

serie der aktuellen Reihe mitarbeiten und im Band „Bronzezeit

so für die Möglichkeit, unsere Treffen in den Räumlichkeiten des

in Ostösterreich“ aus dem Jahr 1994 den Beitrag zur späten

Instituts OREA abzuhalten. Ein weiterer Dank gilt Franz Pieler,

Bronze­zeit verfassen. Damals war es ein Kapitel, heute kann die-

der die Aufgabe der Herausgabe und Betreuung der Reihen

sem Zeitabschnitt nun ein ganzer Band gewidmet werden. Die

Archäologie Niederösterreichs von Ernst Lauermann übernom-

Ausgrabungen der letzten 25 Jahre mit der damit einhergehen-

men hat und diese souverän und diplomatisch durchführt. In die-

den Materialfülle, die Verfeinerungen der Grabungsmethoden

sem Sinne möchte ich auch Peter Hiess für die Lektoratsarbeiten

und der Auswertungen ermöglichen uns heute ein differenzier-

und Thomas Reinagl für die grafische Gestaltung danken.

teres Bild dieser Epoche darzustellen. Ich hoffe, dass es uns al-

Etwas weiter in die Vergangenheit zurückblickend möchte ich

len gelungen ist, diese Fülle an Erkenntnissen sowie das aktu-

zwei Personen meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Be-

elle Bild der Urnenfelderkultur mit diesem Band aus der Reihe

ginnen will ich mit Herwig Friesinger, Professor am damaligen In-

Archäologie Niederösterreichs sowohl der Forschungsgemein-

stitut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien, der mein

schaft als auch interessierten Laien näherzubringen.

Interesse für die Urnenfelderkultur während meines Studiums geweckt und mich immer unterstützt hat. Insbesondere auch nach meinem Studium hat er mir die Möglichkeit gegeben, an der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akade-

Wien, März 2021

Michaela Lochner

19

1. Einleitung

1. Einleitung Michaela Lochner

tungsritus. Die Leichenbrände wurden überwiegend in Gefäßen

1.1 Ein kurzer Abriss der Forschungsgeschichte

verwahrt und oft in mehrere hundert Gräber umfassenden Nekro-

Zahlreiche niederösterreichische Heimatforscher – darunter

polen bestattet. Chronologisch gesehen ist die Urnenfelderkul-

sind Candid Pontz von Engelshofen, Josef Höbarth und Johann

tur in den jüngsten Abschnitt der Bronzezeit einzuordnen, der

Krahuletz besonders hervorzuheben – haben in der zweiten

in Mitteleuropa etwa dem Zeitraum von 1300 bis 800  v. Chr.

Hälfte des 19. Jh.s und in der ersten Hälfte des 20. Jh.s zur Er-

entspricht.1 Der räumlich große Kulturkreis war von regionalen

fassung der urzeitlichen Siedlungslandschaft Niederösterreichs

Gruppierungen geprägt und wird von der Forschung in mehrere

beigetragen. Ihre Sammlungen bilden die Basis des Urgeschichte

In der Spätbronzezeit bildete sich in Mitteleuropa mit der Urnenfelderkultur ein neuer Kulturkreis. Namensgebend waren die allgemein übliche Leichenverbrennung und der ähnliche Bestat-

Zeitabschnitte unterteilt.

museums Asparn a. d. Zaya und der Heimatmuseen in Horn und

Lebensgrundlage war zu dieser Zeit weiterhin die bäuerliche

Eggenburg.

Wirtschaftsweise, wobei sich die Differenzierung der Gesell-

Verstärkt in den Fokus der Wissenschaft rückte die Urnenfelder-

schaft aber intensivierte. Die Entwicklung des Bronzehandwerks

kultur in Niederösterreich durch die Forschungen von Richard

erreichte ihren Höhepunkt und die Haushalte verfügten über

Pittioni, der zwischen 1946 und 1976 Ordinarius am Institut für

eine Vielfalt an Keramikformen und -verzierungen. Die Handels-

Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien war.2 Im Jahr 1937

beziehungen waren weitreichend, die Bevölkerungszahlen in

veröffentlichte er eine grundsätzliche Gliederung der Urnen-

diesem klimatisch begünstigten Zeitabschnitt stiegen. Das Ende

felderkultur in einen älteren und einen jüngeren Abschnitt, die

der Spätbronzezeit stand bereits an der Schwelle zur Eisenzeit,

er mit entsprechendem Fundmaterial belegte. Im selben Jahr

wie vermehrte Funde von Eisengegenständen belegen. Der Be-

beschäftigte er sich in seiner Arbeit über die urzeitliche Kultur-

ginn der Eisenzeit wird mit 800/750 v. Chr. angesetzt, die Urnen-

entwicklung des Waldviertels in einem ausführlichen Kapitel mit

felderkultur wurde von der Hallstattkultur abgelöst.

diesem Zeitabschnitt.3 1954 erfolgte die erste zusammenfassen-

Der Wissensstand zur Urnenfelderkultur in Niederösterreich

de Darstellung der Urnenfelderkultur in Niederösterreich in sei-

wird durch Forschungsprojekte im Rahmen von wissenschaft-

ner Monografie zur Urgeschichte des österreichischen Raums.4

lichen Aufarbeitungen der Museumsbestände und Ausgrabun-

Diese Darstellung wurde von ihm zuletzt 1980 dem Forschungs-

gen stetig erweitert. Großflächige Ausgrabungen auf Baustellen

stand angepasst und mit neuen Fundstellen ergänzt.5

der ÖBB, ASFINAG und des Landes Niederösterreich haben zur

Friedrich Berg 6, Dissertant und später Leiter des Höbarth-

Quellenlage wesentlich beigetragen. Leider konnte die in den

museums und Helga Kerchler 7, Assistentin am Urgeschichts-

vergangenen Jahrzehnten anwachsende große Zahl an Ausgra-

institut, setzten in den 1950er- und 1960er-Jahren vor allem mit

bungen nicht im entsprechenden Maß durch Forschungsprojekte

der Auswertung von Gräberfeldern und Siedlungen neue Impul-

und Aufarbeitungen ausgewertet werden. Die aktuell vorliegen-

se. Gemeinsam mit Ernst Preuschen, Karl Zschocke sowie Franz

den Aufarbeitungen und Interpretationen wurden in diesen Band

Hampl8 widmete man sich damals bereits intensiv der Frage der

eingearbeitet.

1

20

Für den Zeitabschnitt zwischen der mittleren Bronzezeit und dem Beginn der Eisenzeit (Ha C) werden in der Literatur auch die Begriffe Urnenfelderzeit und jüngere Bronzezeit verwendet.

2

Friedmann 2011.

3

Pittioni 1937a und Pittioni 1937b.

4

Pittioni 1954.

5

Pittioni 1980a, 44–50; Pittioni 1980b, 113–123.

6

Berg 1952 (inkl. Darstellung des damaligen Forschungsstands); Berg 1957.

7

Kerchler 1960; Kerchler 1962.

8

Hampl 1976 (inkl. Darstellung des damaligen Forschungsstands).

1.1 Ein kurzer Abriss der Forschungsgeschichte

prähistorischen Kupfergewinnung in Niederösterreich (siehe

Die massive Erweiterung des Fundmaterials ab den 1980er-

Kap. 7, Pkt. 7.1.4). Heute werden diese montanarchäologischen

Jahren ermöglichte und bedingte neue Sichtweisen auf ein-

Forschungen in unserer Region durch Susanne Klemm und Peter

zelne Regionen Niederösterreichs wie das Traisental16, das

Trebsche fortgeführt (siehe Kap. 7).

Wein­viertel17 und das Waldviertel18. Als Vorläufer des hier vor-

Ab den 1970er-Jahren waren es Clemens Eibner  und Margarete

liegenden Bandes ist aus dieser Zeit die Überblicksarbeit zur Ur-

Kaus (geb. Strohschneider)10 , die sich an der Universität schwer-

nenfelderkultur in Ostösterreich zu nennen.19 Im Jahr 2000 er-

punktmäßig diesem Zeitabschnitt widmeten. Sie verfassten ne-

schien von Otto H. Urban eine zusammenfassende Darstellung

9

ben ihrer Lehrtätigkeit monografische Vorlagen von bedeu-

der Urnenfelderzeit im Rahmen der Urgeschichte Österreichs,

tenden Gräberfeldern sowie Siedlungen und aktualisierten in

in der mehrbändigen Reihe Österreichische Geschichte (Hrsg.

Überblicksarbeiten den Forschungsstand.11

Herwig Wolfram).20

Bei den ab Mitte der 1960er-Jahre laufenden Forschungsgrabun-

Am Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der

gen auf den großflächigen Höhensiedlungen in Thunau am Kamp,

Universität Wien (ehemals Institut für Ur- und Frühgeschichte)

dem Oberleiserberg und in Stillfried an der March legten Herwig

wurde die Lehrtätigkeit, die unseren Zeitabschnitt betrifft, von

Friesinger und Fritz Felgenhauer – beide ordentliche Professoren

den 1990er-Jahren bis zu ihrer Pensionierung 2019/20 v. a.

am Institut für Ur- und Frühgeschichte – den Schwerpunkt auf

durch Gerhard Trnka und Otto H. Urban abgedeckt, die zahlreiche

die Erforschung dieser Siedlungsform. Die Grabungskampagnen

entsprechende Seminararbeiten und Dissertationen betreuten.

sowie die laufenden Aufarbeitungen und Forschungsprojekte

Parallel dazu entstand ab 1998, initiiert durch Herwig Friesinger,

dauern teilweise bis heute an (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3.1–3.3.5).12

an der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Aka­

In den 1980er- und 1990er-Jahren lag ein weiterer Fokus der

demie der Wissenschaften ein neuer Forschungsschwerpunkt:

Ausgrabungstätigkeit, bedingt durch den Bau der Schnellstraße

Späte Bronzezeit/Urnenfelderkultur (Leitung bis 2018: Michaela

S33, auf großflächigen Notgrabungen im Unteren Traisental. Sie

Lochner). Ein wichtiger Impuls zur Intensivierung der Forschung

wurden vom Bundesdenkmalamt unter der Leitung von Johannes-

war 2003 das Symposium „Die Urnenfelderkultur in Österreich –

Wolfgang Neugebauer durchgeführt und von ihm in umfang-

Standort und Ausblick“, zu dem erstmals in Österreich viele

reichen Vorberichten dokumentiert.13 Von den zahlreichen For-

in- und ausländische Fachkollegen, die zu dieser Zeit­periode

schungsprojekten, die sich daraus ergaben, sind die Bearbei-

forschen, geladen waren.21 In der Folge fanden an der Prä­his­-

tungen der Gräberfelder Franzhausen-Kokoron und Inzersdorf ob

torischen Kommission regelmäßig Treffen zum wissen­schaft-

der Traisen (siehe Kap. 9, Pkt. 9.2.4 und 9.3.3) und der Siedlung

lichen Austausch über aktuelle Forschungen zur Urnenfelder-

Unterradlberg (siehe Kap. 3, Pkt. 3.2.2) hervorzuheben.

kultur statt. Forschungsprojekte 22, Online-Datenbanken23 sowie

Seit dem Jahr 2010 werden Notgrabungen in Niederösterreich,

die bis zu zweimal jährlich stattfindenden UK-Gespräche sind

die beim Straßenbau

seit dieser Zeit Drehpunkte der internationalen Urnenfelder-

14

sowie bei privaten und öffentlichen

Grundstücksaufschließungen durchgeführt werden müssen, ver-

kultur-Forschung.

stärkt durch Grabungsfirmen abgedeckt, die nach Vorgabe des

Mit der Eingliederung der Prähistorischen Kommission in das

Bundesdenkmalamts die Grabungstätigkeit, die Dokumentati-

2013 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften neu

on und die Restaurierung übernehmen. Die Dokumentationen sind in den Fundberichten aus Österreich analog und digital

16 Neugebauer 1993.

publiziert.15

17 Neugebauer 1995. 18 Lochner 1991; Lochner 2013. 19 Lochner 1994.

9

Eibner 1974a; Eibner 1980.

20 Urban 2000.

10 Kaus M. 1984; Kaus M. 1988/1989.

21 Lochner 2003.

11 Zur Darstellung des damaligen Forschungsstands: Eibner 1974b; Kaus M. 1985.

22 „Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung der Urnenfelder­ kultur“, „Der Oberleiserberg in der Bronzezeit“, „Die Konstruktion der ostalpinen Kupferhütte in der Bronzezeit“, „Ein Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit aus Franzhausen-Kokoron, NÖ“, „Ein Gräberfeld der älteren Urnenfelderzeit aus Inzersdorf ob der Traisen, NÖ“, „Tier- und Menschendepositionen. Kult in Stillfried?“, „Grabritual und Gesell­ schaft“, „Ressourcensicherung, Macht und Kult in Stillfried?“

12 Die Grabungen an diesen Fundstellen bilden die Grundlage für zahl­ reiche Seminar- und Dissertationsarbeiten. 13 Zusammenfassend: Neugebauer/Blesl 1998. 14 Siehe Begleitbuch zur Ausstellung: Wegzeiten. Archäologie und Straßenbau (Farka/Krenn/Stipek 2004). 15 Dazu BDA-Jahresberichte unter https://bda.gv.at/de/service/; Richtlinien für archäologische Maßnahmen: https://bda.gv.at/de/ publikationen/standards-leitfaeden-richtlinien/richtlinien-fuerarchaeologische-massnahmen/ (letzter Zugriff: Mai 2020).

23 http://epub.oeaw.ac.at/franzhausen-kokoron2/; https://www.oeaw.ac.at/orea/projekte/bronzezeit/ukpool/; https://www.oeaw.ac.at/oeai/oeaidigital/digital-resources-tools/ bibliographie-zur-urnenfelderzeit-in-oesterreich (letzter Zugriff: Februar 2021).

21

1. Einleitung

geschaffene Institut für Orientalische und Europäische Archäo-

Niederösterreich gehörte zusammen mit Südmähren, der Süd-

logie (OREA) können die Forschungen zur Urnenfelderkultur in

westslowakei, dem Burgenland, der Steiermark sowie Teilen West-

Mitteleuropa – mit einer geografischen Erweiterung nach Süd-

ungarns, Kroatiens und Sloweniens von ca. 1300 bis 800/750

osteuropa unter spezieller Berücksichtigung des Westbalkan-

v. Chr. zu einer kulturellen Einheit, die Mitteldonauländische

raums – fortgeführt werden. Am 1.1.2021 wurde OREA als eine

Urnenfelderkultur genannt wird.25 Sie entwickelte sich aus regio-

von drei archäologischen Abteilungen in das neue Österreichi-

nalen Hügelgräberkulturen und den wechselseitigen Kulturkon-

sche Archäologische Institut der ÖAW eingegliedert. Die 2015

takten mit den Nachbarregionen.

von Michaela Lochner eingerichtete Forschungsgruppe Urnfield

Generell kann man von einer älteren und einer jüngeren Urnen-

Culture Networks (UCN) – ab 2018 von Mario Gavranović geleitet –

felderzeit/ bzw. -kultur sprechen, wenn keine feinchronologi-

kann sich in diesem erweiterten Rahmen weiterhin der langfri-

sche Gliederung an der Fundstelle bzw. im vorhandenen Fund-

stigen Erforschung der Bronzezeit in Mittel- und Südosteuropa

material möglich ist. Darüber hinaus lassen sich innerhalb der

widmen. Die Entstehung und Ausbreitung der Urnenfelderkultur

Mitteldonauländischen Urnenfelderkultur mehrere Phasen und

und ihre wirtschaftlichen und religiösen Aspekte werden in ver-

Gruppen unterscheiden, die typologisch und teilweise auch in

schiedenen Regionalstudien in Österreich und auf dem Balkan

ihren gesellschaftlichen Ausformungen jeweils ein einheitliches

untersucht.24

Bild übermitteln. In Niederösterreich gilt nach wie vor die von Jiří Říhovský 195826

1.2 Chronologisch-kulturhistorischer Überblick

vorgenommene grundsätzliche Zweiteilung der Mitteldonauländischen Urnenfelderkultur in eine ältere (Velatitzer-)Phase27 mit der Baierdorf-Velatitz- und der Čaka-Kulturgruppe und eine jüngere (Podoler-)Phase mit der Stillfried-Gruppe28. Die von Hermann Müller-Karpe 1974 vorgeschlagene relativchronologische Gliederung in eine frühe, ältere, mittlere, jüngere-

Der Kernbereich der Urnenfelderkultur ab der Mitte des

und späte Urnenfelderzeit29 ergänzt das von ihm im Jahre 1959

13. Jh.s v. Chr. umfasste eine Zone zwischen den Karpaten, dem

anhand von südbayerischen Fundgruppen erarbeitete urnenfel-

nördlichen Balkan und den Ostalpen. Starke Beziehungen be-

derzeitliche Chronologiegerüst für Mitteleuropa:30 Die Stufen

standen zur Lausitzer Kultur, die im nordöstlichen Mitteleuropa

Bronzezeit D (Bz D: späte Hügelgräberzeit/frühe Urnenfelder-

beheimatet war.

zeit), Hallstatt A1 (Ha A1: ältere Urnenfelderzeit) und Hallstatt A2

Für das 12. und 11. Jh. v. Chr. sind Wanderbewegungen wie auch

(Ha A2: mittlere Urnenfelderzeit) entsprechen der älteren Phase.

kleinräumige Bevölkerungsverschiebungen anzunehmen. Zu-

Es folgt eine Übergangsphase Hallstatt A2/B1(Ha A1/B1) um ca.

sätzlich existierten kulturelle Beeinflussungen, als deren Träger

1050 v. Chr. und mit den Stufen Hallstatt B1–2 (Ha B1: jüngere

Händler und Wanderhandwerker gelten.

Urnenfelderzeit) sowie Hallstatt B3 (Ha B3: späte Urnenfelder-

Innerhalb der Urnenfelderkultur, die in ihrer größten Ausdeh-

zeit/frühe Hallstattzeit) die jüngere Phase, wobei Hallstatt B3/

nung im 11. Jh. v. Chr. vom nördlichen Mitteleuropa bis nach Süd-

C1 (Ha B3/C1) den fließenden Übergang in die ältereisenzeitli-

osteuropa, Italien und zur Iberischen Halbinsel reichte, können

che Hallstattkultur (Ha C–D) repräsentiert.

mehrere Gruppen und Zeithorizonte unterschieden werden. Sie lassen sich zumeist in nicht viel mehr als Keramikkreise fassen. Unterschiede in der wirtschaftlichen Grundlage, der gesellschaftlichen Ordnung oder Lebensweise sind dagegen schwieriger zu erkennen und erst in den letzten Jahren in den Fokus der Forschung gerückt.

25 Der Begriff wurde 1958 durch J. Říhovský eingeführt (Říhovský 1958, 117). 26 Říhovský 1958, Abb. 11. 27 Zur forschungsgeschichtlichen Entwicklung der Velatitzer-Phase: Lochner 1986, 274–279. 28 Říhovský 1966 529–534.

wissen eigenständigen Entwicklungen unterworfen waren.

29 Müller-Karpe 1974, Abb. 1. Die neue Stufengliederung wurde am Frankfurter Institut für Vor­ und Frühgeschichte erarbeitet und diente in der Folge in den Bänden der Reihe Prähistorische Bronzefunde (PBF) als Gerüst für die Einbindung regionaler Stufenbezeichnungen (z. B. Říhovský 1979, Abb. 1).

24 https://www.oeaw.ac.at/oeai/forschung/praehistorie-wanaarchaeologie/urnfield-culture-networks (letzter Zugriff: Februar 2021.

30 Müller-Karpe 1959, 182–225, Abb. 64; Die chronologische Gliederung der Spätbronzezeit Mitteleuropas geht grundsätzlich auf die Arbeiten Paul Reineckes zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Er unterteilte diesen Zeitraum aufgrund von Veränderungen im archäologischen Fundgut in die Stufen Bronzezeit D, Hallstatt A und Hallstatt B, wobei er die letzten beiden Zeitstufen wegen des vereinzelten Vorkommens von Eisengegenständen ursprünglich der Eisenzeit zurechnete.

Im 9. und 8. Jh. v. Chr. beschränkte sich die Kernzone der Urnenfelderkultur wieder auf Mitteleuropa, da die Randbereiche ge-

22

1.3 Typologischer Überblick

1979 ergänzte und verfeinerte J. Říhovský31 die von R. Pittioni bereits 1937 und 195432 aufgestellte Gliederung für den österreichischen Raum mit südmährischen Fundgruppen. Er definierte eine Übergangsstufe Blučina-Kopčany, in der noch teilweise hügelgräberzeitliches Formengut auftritt und die in Ostösterreich v. a.im Gräberfeld von Pitten fassbar wird. Die eigentliche ältere (Velatitzer-)Phase beginnt mit der Stufe Baierdorf-Lednice, ge-

Doppelkonus

Zylinderhalsgefäß

Kegelhalsgefäß

Trichterhalsgefäß

Flasche

Tasse/Schüssel

Schale

Topf

folgt von der entwickelten Stufe Velatice-Očkov und der jüngeren Stufe Oblekovice. Gut herausgearbeitet ist der Velatice-PodolÜbergangshorizont (Stufe Klentnice 1), der eine kontinuierliche Entwicklung erkennen lässt. In der jüngeren (Podol-)Phase kann feinchronologisch eine ältere Stufe Klentnice II und eine jüngere Stufe Brno-Obřany unterschieden werden. Der darauffolgende Abschnitt Podolí repräsentiert bereits ein Übergangsstadium zur Hallstattkultur.

1.3 Typologischer Überblick Aus der älteren (Velatitzer-)Phase sind an charakteristischen keramischen Formen vor allem doppelkonische und amphorenartige Behälter sowie Zylinderhalsgefäße und Tassen mit hochgezogenem Henkel mit dachförmigem Querschnitt zu nennen. Kennzeichnende Bronzeobjekte sind etwa Griffzungensicheln, Vollgriffmesser, Griffangelmesser und doppelschneidige Rasiermesser. Es werden Schmuckstücke, darunter Nadeln wie die Plattenkopfnadel, die Nadel vom Typ Paudorf und verschiedene Typen mit kugelförmigem, kegelförmigem und doppelkonischem Kopfteil sowie erstmals auch Fibeln (z. B. Violinbogenfibel) gefertigt. In geringerem Ausmaß sind Metallgefäße (z. B. Tassen vom

Abb. 01_01. Gefäßgrundformen der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur (PK/ÖAW 2008).

Typus Friedrichsruhe und Fuchsstadt), Angriffs- und Schutzwaf-

scheiben kann man sozusagen als Vorboten der nun folgenden

fen (Schwerter, Lanzenspitzen, Beinschienen) im Fundinventar

Eisenzeit ansehen.33

enthalten. mehr so scharf profiliert. Kegelhalsgefäße, flaschenförmige Be-

Exkurs Keramiktypologie: Grundform – Typ – Variante

hälter, Henkeltassen und flachkonische Schalen dominieren. Die

Der überwiegende Anteil am Fundmaterial aus urnenfelder-

Oberfläche wird oft aufwendig und vielfältig verziert. Auch die

zeitlichen Siedlungen und Gräbern besteht aus Keramik. In kaum

Bronzeobjekte verändern sich, manche Formen werden aufgege-

einer anderen Zeitperiode wurde solch eine große Formenviel-

ben und neue kommen hinzu: Große Griffdornmesser mit man-

falt erreicht. Aus heutiger Sicht ist der Vorteil der Gefäßkeramik,

nigfaltigen Ornamenten, halbmondförmige Rasiermesser, neue

dass sie neben ihrer rein funktionalen Form verschiedene Form-

Nadelvarianten wie die Vasenkopfnadeln mit kleinem Vasen-

und Verzierungsvarianten (Typen/Varianten) aufweist, die uns

In der jüngeren (Podoler-)Phase sind die Keramikformen nicht

kopf, Harfen- und Spiralbrillenfibeln. Unter den Metallgefäßen

eine zeitliche und regionale Einordnung ermöglichen. So ist ein

kommen Tassen vom Typus Stillfried und Eimer vom Typus Kurd

besonders wichtiger Arbeitsschritt in der Archäologie die typolo-

auf. Erste einzelne Gegenstände aus Eisen wie Messer und Zier-

gische Aufgliederung des Fundgutes anhand eindeutiger Merkmale, die Grundlage für die relativchronologische Datierung

31 Říhovský 1979, 3–13, Abb. 1. 32 Pittioni 1937a, 167 f.; Pittioni 1954, 403–444.

33 Siehe dazu diverse Bände der Reihe Prähistorische Bronzefunde (PBF).

23

1. Einleitung

mittels Kombinationsstatistik ist. Die Vielfalt erlaubt uns darü-

Für Ostösterreich haben sich seit der Synchronisierung durch

ber hinaus Einblicke in den Zeitgeist der Periode.

H. Müller-Karpe keine großen Verschiebungen in der absoluten

Bei den Gefäßen aus niederösterreichischen Fundstellen, die der

Chronologie ergeben, wohl auch aufgrund einer zu geringen

Mitteldonauländischen Urnenfelderkultur zugeordnet werden,

Anzahl an vergleichbaren kalibrierten C14-Daten und weil eine

lassen sich folgende Grundformen unterscheiden: Doppelkonus,

durchgehende Dendrochronologie-Kurve fehlt.42

Zylinderhalsgefäß, Kegelhalsgefäß, Trichterhalsgefäß, Flasche, Tasse/Schüssel, Schale und Topf (Abb. 01_01). Die Grundform

Bz D

13. Jh.

ca. 1300–1200 v. Chr.

umfasst das primäre Erscheinungsbild des Gefäßes als Hoch-

Ha A1

12. Jh.

ca. 1200–1100 v. Chr.

oder Breitform in Kombination mit der Gefäßgliederung. Aus

Ha A2

11. Jh.

ca. 1100–1050 v. Chr.

dieser Grundlage heraus gelangt man durch Erfassung weite-

Ha B1

10. Jh.

ca. 1050–950 v. Chr.

rer Details zur Aufgliederung in feinchronologische Typen und

Ha B2

9. Jh.

ca. 950–880 v. Chr.

Varianten.

Ha B3

8. Jh.

ca. 880–800 v. Chr.

Ha B3/C1

1.4 Absolute Chronologie

Ha C

ca. 800–750 v. Chr. 7. Jh.

Betrachtet man den gesamten mitteleuropäischen Raum, so ergeben sich in der Synchronisation der relativchronologischen

Die 1959 von H. Müller-Karpe erarbeiteten absolutchronolo-

Stufen voneinander abweichende absolutchronologische Daten.

gischen Daten zur Urnenfelderkultur basierten auf italischen

So werden nach wie vor die Definitionen und Abgrenzungen der

Grabfunden mit datierten mykenischen und ägyptischen Impor-

Stufen Ha  B1–B3 und der Übergangshorizont Ha  B3/C1 dis-

ten. Seither haben sich zahlreiche Wissenschaftler europaweit

kutiert.43 Aktuelle Forschungen am Westbalkan lassen im Kon-

mit dem Thema der absoluten Chronologie beschäftigt. Lothar

text mit Ostösterreich, Ungarn und Rumänien neue Erkenntnisse

Sperber erstellte 1987 eine Stufengliederung mit absoluten Daten

erwarten.44

34

für die Urnenfelderkultur im nördlichen Alpenvorland von der Schweiz bis Oberösterreich.35 Philippe Della Casa und Calista Fischer traten 1997 für einen Beginn der Stufe Bronzezeit D im 14. Jh. v. Chr. ein.36 Christopher F. E. Pare präsentierte in zwei umfangreichen Bänden neue Daten zur Chronologie im östlichen und westlichen Mitteleuropa zwischen dem 11. und 8. Jh. v. Chr.37 Als Diskussionsbeitrag zur absoluten Chronologie in der Ägäis ist die Arbeit von Bernhard Weninger und Reinhard Jung aus dem Jahr 2009 zu nennen.38 Ebenfalls von Bedeutung ist Margarita Primas mit ihrer Überblicksarbeit zum Strukturwandel in Zentraleuropa zwischen 2200 und 800  v. Chr. aus dem Jahr 2008.39 Biba Teržan und Matej Črešnar legten 2014 sämtliche Radiokarbondaten des slowenischen Fundmaterials der Bronzeund Eisenzeit in einem umfangreichen Band vor.40 Gábor Ilon veröffentlichte 2015 eine Studie über ein räumlich begrenztes Gebiet des Karpatenbeckens, namentlich West-Transdanubien.41 34 Müller-Karpe 1959, 226 und Abb. 64. 35 Sperber 1987; dazu: Randsborg 1992; ergänzend: Sperber 2017. 36 Della Casa/Fischer 1997. 37 Pare 1998; Pare 1999. 38 Weninger/Jung 2007; ergänzend: Eric H. Cline (Ed.), The Oxford Handbook of the Bronze Age Aegean [ca. 3000–1000 v. Chr.], Oxford 2010. 39 Primas 2008. 40 Teržan/Črešnar 2014. 41 Ilon 2015.

24

42 Vgl. z.B. Primas 2008, 4–8; Teržan/Črešnar 2014: Für Slowenien bildet nun das umfangreiche Datenmaterial eine breite Diskussionsgrund­ lage für die Einordnung von Fundstellen in ein absolutes Chonologiegerüst. 43 Vgl. Pare 1998, 294–299, 381–398; Sperber 1987, 253–259; Sperber 2017, 165–175. 44 Forschungsprojekte UCN: „South Connection“, “Macedonian Metals” und „Visualizing the unknown Balkans“: https://www.oeaw.ac.at/oeai/forschung/praehistorie-wanaarchaeologie/urnfield-culture-networks/ (letzter Zugriff: Februar 2021).

1.5 Literatur

1.5 Literatur Berg 1952: F. Berg, Ein urnenfelderzeitlicher Siedlungsfund aus GroßMeiseldorf, Ger. Bez. Ravelsbach, N.-Ö., ArchA 11, 1952, 54–70. Berg 1957: F. Berg, Grabfunde der frühen Bronzezeit und der älteren Urnenfelderzeit aus Leobersdorf, N.-Ö, ArchA 22, 1957, 14–31. Della Casa/Fischer 1997: P. Della Casa/C. Fischer, Neftenbach (CH), Velika Gruda (YU), Kastanas (GR) und Trindhøj (DK) – Argumen­ te für einen Beginn der Spätbronzezeit (Reinecke Bz D) im 14. Jahrhundert v. Chr., PZ 72/2, 1997, 195–233. Eibner 1974a: C. Eibner, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von St. Andrä v. d. Hgt., p. B. Tulln, NÖ. Aussagewert und Aussage­ grenzen von Brandbestattungen für eine historische Interpre­ tation. ArchA Beiheft 12 (Wien 1974). Eibner 1974b: C. Eibner, Die Erforschung der Urnenfelderkultur in den letzten fünfundzwanzig Jahren, Mitteilungen der Österreichi­ schen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte 25/2, 1974, 91–103. Eibner 1980: C. Eibner, Die Mehrfachbestattung aus einer Grube unter dem urnenfelderzeitlichen Wall in Stillfried an der March, NÖ, Fist 4, 1980, 107–142. Farka/Krenn/Stipek 2004: Ch. Farka/M. Krenn/M. Stipek, Wegzeiten. Archäologie und Straßenbau, Fundberichte aus Österreich, Ma­ terialhefte, Reihe A, Sonderheft 1 (Wien 2004). Friedmann 2011: I. Friedmann, Der Prähistoriker Richard Pittioni (1906 – 1985) zwischen 1938 und 1945 unter Einbeziehung der Jahre des Austrofaschismus und der beginnenden Zweiten Republik. ArchA 95, 2011, 7–99. Hampl 1976: F. Hampl, Die bronzezeitliche Kupfergewinnung in Niederösterreich. Forschungsstand Ende 1974 und Aufgaben. Das Experiment in der Urgeschichte. In: H. Mitscha-Märheim/H. Friesinger/H. Kerchler (Hrsg.), Festschrift für Richard Pittioni zum siebzigsten Geburtstag. II. Industriearchäologie und Me­ talltechnologie. Römerzeit, Frühgeschichte und Mittelalter, ArchA Beih. 14 (Wien, Horn 1976), 58–67. Hellerschmid/Kern/Lochner 2010: I. Hellerschmid/M. Lochner/D. Kern, Oberleiserberg – Stillfried – Thunau. Drei Höhensiedlungen der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur im Vergleich. In: B. Gediga/W. Piotrowski (Hrsg.), Rola głównych centrów kulturowych w kształtowaniu oblicza kulturowego Europy Środkowej we wczesnych okresach epoki żelaza [Rolle der wichtigen Kulturzentren in der Gestaltung des Kulturbildes Mitteleuropas in den frühen Perioden der Eisenzeit], Symposi­ um Biskupin 23. –25. 06. 2008, Archäologisches Museum in Biskupin, Biskupiner Archäologische Arbeiten Nr. 8, Polnische Akademie der Wissenschaften, Abteilung Wroclaw, Arbeiten der Archäologischen Kommission Nr. 18 (Biskupin – Wroclaw 2010), 238–297. Ilon 2014: G. Ilon, Zeitstellung der Urnenfelderkultur (1350/1300– 750/700 BC) in West-Transdanubien. Ein Versuch mittels Typo­ chronologie und Radiokarbondaten. In: R. E. Németh/B. Rezi (Eds.), Bronze Age Chronology in the Carpathian Basin, Pro­ ceedings of the International Colloquium from Târgu Mureş 2-4 October 2014, Bibliotheca Musei Marisiensis Seria Archaeologia 8 (Târgu Mureş 2015), 223–296.

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25

1. Einleitung

Randsborg 1992: K. Randsborg, Historical Implications. Chronological Studies in European Archaeology c. 2000-500 B.C., Acta Ar­ chaeologica 62, 1992, 89–110. Pare 1998: Ch. F. E. Pare, Beiträge zum Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit in Mitteleuropa. Teil 1: Grundzüge der Chronologie im östlichen Mitteleuropa (11.–8. Jahrhundert v. Chr.), Jahr­ buch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 45/1 (Mainz 1998). Pare 1999: Ch. F. E. Pare, Beiträge zum Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit in Mitteleuropa. Teil 2: Grundzüge der Chronologie im westlichen Mitteleuropa (11.–8. Jahrhundert v. Chr.), Jahr­ buch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 46/1 (Mainz 1999). Pittioni 1937a: R. Pittioni, Allgemeine Urgeschichte und Urgeschichte Österreichs (Leipzig, Wien 1937). Pittioni 1937b: R. Pittioni, Die urzeitliche Kulturentwicklung auf dem Boden des Waldviertels, Das Waldviertel. Zeitschrift für Heimatund Regionalkunde des Waldviertels und der Wachau 7 (Horn 1937), 5–59. Pittioni 1954: R. Pittioni, Urgeschichte des österreichischen Raumes (Wien 1954). Pittioni 1980a: R. Pittioni, Urzeit. Von etwa 80.000 bis 15 v. Chr. Geb. Geschichte Österreichs 1/1 (Wien 1980). Pittioni 1980b: R. Pittioni, Urzeit. Von etwa 80.000 bis 15 v. Chr. Geb. Geschichte Österreichs 1/2, Anmerkungen und Exkurse – mit einer Literaturübersicht über 25 Jahre Urgeschichtsforschung in Österreich 1954–1978 (Wien 1980). Primas 2008: M. Primas, Bronzezeit zwischen Elbe und Po. Struktur­ wandel in Zentraleuropa 2200–800 v. Chr., UPA 150 (Bonn 2008).

26

Říhovský 1958: J. Říhovský, Žárový hrob z Velatic I a jeho postavení ve vývoji velatické kultury [Das Brandgrab I von Velatice und seine Position in der Entwicklung der Velaticer Kultur], Památky archeo­logické 49/1, 1958, 67–118. Říhovský 1966: J. Říhovský, Počátky mladší (podolské) fáze středo­ dunajského okruhu kultury popelnicových polí, Památky archeologické 57, 1966, 529–534. Říhovský 1979: J. Říhovský, Die Nadeln in Mähren und dem Ostalpen­ gebiet, PBF 13/5, 1979. Sperber 1987: L. Sperber, Untersuchungen zur Chronologie der Urnen­ felderkultur im nördlichen Alpenvorland von der Schweiz bis Oberösterreich, Antiquitas Reihe 3, Band 29 (Bonn 1987). Sperber 2017: L. Sperber, Studien zur spätbronzezeitlichen Chronolo­ gie im westlichen Mitteleuropa und in Westeuropa, RGZM 136 (Mainz 2017). Teržan/Črešnar 2014: B. Teržan/M. Črešnar, Absolutno datiranje bronaste in železne dobe na slovenskem/Absolute dating of the bronze and iron ages in Slovenia, Katalogi in monografije/ Catalogi et monographiae 40 (Ljubljana 2014). Urban 2000: O. H. Urban, Spätbronzezeitliche Urnenfelderkultur – 14. bis 8. Jahrhundert v. Chr. In: O. H. Urban, Österreichs Geschichte bis 15 v. Chr. Der lange Weg zur Geschichte. Die Urgeschichte Österreichs (Wien 2000), 188–224. Weninger/Jung 2009: B. Weninger/R. Jung, Absolute Chronology of the End of the Aegean Bronze Age. In: S. Deger-Jalkotzy/E. A. Bächle (eds.), LH III C Chronology and Synchronisms III. LH III C Late and the Τransition to the Early Iron Age. Proceedings of the international Workshop held at the Austrian Academy of Sciences at Vienna, February 23rd and 24th, 2007, Veröffen­ tlichungen der Mykenischen Kommission 30 (Wien 2009), 373–416.

2. Zur Umwelt

2. Zur Umwelt Michaela Popovtschak, Andreas G. Heiss, Ruth Drescher­Schneider

Aktivitäten von Menschen belegen, sondern auch ehemals vor-

Glossar: Zur Umwelt

Ablagerungen in Böden können nicht nur die Anwesenheit und handene Umweltsituationen und diverse Wechselwirkungen.

Vom zonalen Makroklima lokal abweichende Gegebenheiten

Urnenfelderzeitliche Lebensumstände und Entwicklungen sind

werden azonal genannt. Bei einem Abschnitt bis zu 100 km wer-

umso besser rekonstruierbar, je konkreter Aspekte zu Siedlungs-

den sie als Mesoklima bezeichnet. Sie können eine Ebene, ei-

form und -dichte, Acker- und Weideland, Bewaldung, Wildtier-

nen Hügel oder Berg, eine Hangneigung und eine nord- oder süd-

bestand etc. erfassbar sind.

seitige Hanglage (Luv- und Leeseite) sowie auch nur eine Wiese

Als Basis einer Annäherung an urnenfelderzeitliche Umweltver-

Bereich beschreibt das Mikroklima. Bei bodennahen Luftschich-

hältnisse werden das aktuelle Klima und die aktuelle Vegetation

ten bis etwa 2 m Höhe erstreckt es sich über wenige Kilometer

des Gebiets dargestellt.1 Die klimatischen Gegebenheiten beein-

oder Meter und kann im Extremfall auch nur für ein Moospolster

oder einen Waldrand umfassen. Einen noch deutlich kleineren

flussen den Pflanzenbestand eines Standorts stark. Umgekehrt

gelten.

spiegelt dementsprechend die vorhandene Vegetation neben

Der Begriff Region veranschaulicht eine biogeografische Ein-

den jeweiligen Standortsfaktoren wie Bodenart, Bodentiefe und

heit, die durch geologische Geschichte, Großklima und Floren-

Wasserverfügbarkeit auch die einwirkenden Klimaverhältnisse

geschichte eine gewisse Eigenständigkeit zeigt.2 So lassen sich

wider.

beispielsweise verschiedene Klimaregionen unterscheiden.

Das Wachstum bestimmter Pflanzenarten und die sich dadurch

Die Vegetation ist eine standortabhängige, gesetzmäßige Ge-

bildenden Pflanzengesellschaften sind durch das Überwiegen

meinschaft verschiedener Pflanzenarten. Mit der Entwicklung

von Ozeanität oder Kontinentalität geprägt. Sie variieren in

(Sukzession) und Zusammensetzung der jeweils vorkommenden

Dauer, Intensität und Regelmäßigkeit von Sonneneinstrahlung,

Pflanzengesellschaften beschäftigt sich die Pflanzensoziologie.3

Früh- und Spätfrosten, Niederschlag (Feuchtigkeit) und Schnee-

Die Flora ist die Gesamtheit der Pflanzensippen (natürliche Ver-

bedeckung sowie in Temperatur, Länge der Vegetationszeit und

wandtschaftseinheit beliebiger Rangstufe) eines bestimmten

deren jahreszeitlicher Verteilung. Je nach geologischem Unter-

Gebiets, das in systematischer Ordnung dokumentiert ist.4

grund wirken diese Faktoren außerdem auf den Abbau organi-

Die pflanzliche Klimax-Gesellschaft entspricht dem Endstadi-

scher Materialien im Boden und dadurch auf Humusbildung,

um der natürlichen Vegetationsentwicklung auf durchschnittlich

Nährstoffangebote und Wasserhaltevermögen, die alle letztlich

günstigen Standorten, im Gleichgewicht mit dem (Groß-)Klima.

wiederum zum Bewuchs und folglich zur jeweiligen Vegetations-

Sie ist durch eine beständige Zusammensetzung der vorkom-

bildung beitragen.

menden Pflanzenarten charakterisiert.

Die Kenntnis solcher lokaler Voraussetzungen ermöglicht – etwa

Archäophyten sind sogenannte alteingebürgerte Pflanzen (Wild-

zusammen mit aussagekräftigen Untersuchungsergebnissen

pflanzen), die vor der Entdeckung Amerikas (Kolumbus, 1492)

von Pollenanalysen – Rückschlüsse auf frühere Zustände. Eine

durch menschliche Aktivitäten absichtlich oder unabsichtlich in

Rekonstruktion erfassbarer Pflanzenbestände macht dann in

neue Gebiete und auf neue Standorte eingebracht wurden. Die

weiterer Folge den Einfluss des Menschen nachvollziehbar.

meisten Archäophyten in Mitteleuropa stammen aus dem Mittel-

1

28

Vgl. Kohler-Schneider 2017, 164–170 und 366–369.

2

Vgl. Fink 1993.

3

Vgl. Mucina/Grabherr/Ellmauer 1993.

4

Vgl. Fischer/Adler/Oswald 2008; Holzner/Adler 2013, 2014 und 2015; Fischer/Fally 2000; Vitek/Mrkvicka/Adler et al. 2004.

2.1 Wie ist das Wetter heute? – Grundlegendes zum Klimaverständnis

meerraum und Vorderasien. Sie verbreiteten sich als Bestand-

auf einzelne Ereignisse großer Intensität. Durch subozeanische

teile der Ackervegetation mit dem Saatgut von Kulturpflanzen

Luftströmungen aus südöstlicher Richtung sind Einflüsse der

(siehe Kap. 5, Pkt. 5.1).

illyrischen Klimaregion bis in die mittelburgenländische Bucht

Im Unterschied zu den Archäophyten sind Neophyten sogenann-

vorhanden, während die submediterrane Klimaregion eigent-

te neueingebürgerte Pflanzen (Wildpflanzen), die nach der Ent-

lich erst im Südburgenland und den anschließenden Gebieten

deckung Amerikas eintrafen. Inzwischen in Mitteleuropa weit

der Steiermark deutlich erkennbar ist. Auswirkungen ihrer typi-

verbreitete und mitunter nicht unproblematische Neophyten

schen großen Sommerwärme und erhöhten Niederschläge im

sind etwa der aus Mexiko stammende, giftige Stechapfel (Datura

Frühjahr und Herbst (Tiefdruckeinflüsse) sind jedoch entlang der

stramonium) oder die invasiven Pflanzen Japan-Flügelknöterich

Thermenlinie bis Wien verfolgbar.

(Fallopia japonica) und Robinie (Robinia pseudacacia, siehe un-

Darüber hinaus können Relief, Häufigkeit und Stärke der auftre-

ten Exkurs).

tenden Winde, Nebel, Hochnebel und Inversionen von der gemäßigten Klimazone (zonal) abweichende, azonale Gegebenheiten bedingen. Voraussetzungen für ein azonales Meso- oder Mikroklima sind vielfach vorhanden. Immerhin reicht das Gebiet

2.1 Wie ist das Wetter heute? – Grundlegendes zum Klimaverständnis

von der (hoch)alpinen Region (Schneeberg 2.076 müA) im Westen bis zur Parndorfer Platte am Neusiedler See/Seewinkel, wo sich südöstlich von Apetlon (114 müA) die tiefstgelegene Stelle Österreichs befindet. In den bis zur (hoch)alpinen Klimaregion ansteigenden Höhenstufen sinken die Temperaturen kontinuierlich, während die Niederschlagsmengen steigen. Dies gilt

Im Gegensatz zum Wetter (eine Stunde oder einen Tag) und zur

nicht nur für die Alpen, sondern auch für die Böhmische Masse.

Witterung (einige Tage oder eine Jahreszeit) beschreibt das Kli-

Außerdem blockieren diese Gebirgszüge oft Luftströmungen –

ma die durchschnittlichen Verhältnisse von Temperatur, Nieder-

so hält etwa die Böhmische Masse Winde aus dem Norden weit-

schlag und Sonneneinstrahlung über mehrere Jahrzehnte oder

gehend ab. Jedoch können ebenso vergleichsweise niedrige

noch längere Zeitspannen. Weltweit gibt es vier Großklimazo-

Geländeerhebungen das Wettergeschehen beeinflussen, wie

nen (Makroklimata): Tropen, Subtropen, gemäßigte Zone und

etwa die Strengberge bei Haag.

Subpolargebiete.

2.1.1 Regional unterschiedliche Einflüsse … Der östliche Teil Österreichs liegt zwischen 14°42´ und 17°30´

2.1.2 … führen zu vielfältigen lokalen Verhältnissen Das typische sommerliche Niederschlagsmaximum nimmt von

Länge und zwischen 49°05´ und 47°30´ Breite. Seine Naturräume

Westen nach Osten ab (Abb. 02_01 und Klimadiagramme in

sind durch die gemäßigte (temperate) Klimazone Mitteleuropas

Abb. 02_02b). Die Hochlagen des Waldviertels und der Kalk-

geprägt. Gleichzeitig werden mehrere Klimaregionen unter-

alpen weisen mehr als 600 mm Jahresniederschlag auf. Dieser

schieden (Abb. 02_01).

sinkt im Weinviertel auf 500 bis 400 mm. Das Marchfeld ist eines

Dabei sind drei großräumige Luftströmungen von Bedeutung:

der trockensten und niederschlagsärmsten Gebiete Österreichs.

Aus dem Westen (Atlantischer Ozean) kommen atlantische, aus

Ähnliche Bedingungen sind unter speziellen lokalen Umständen

dem Süden (Mittelmeer) mediterrane und aus dem Osten (Fest-

jedoch bereits im pannonischen Randbereich anzutreffen, bei-

land) kontinentale Winde. So ist das Alpenvorland im westlichen

spielsweise im Horner Becken.

Niederösterreich noch atlantisch bestimmt und durch milde,

Das Zusammentreffen atlantischer und kontinentaler Luftströ-

regenreiche Sommer charakterisiert. Allerdings steigt der kon-

mungen ist beispielsweise um Wien zu beobachten. Die Jahres-

tinentale Einfluss nach Osten zu stetig. Die Sommer werden zu-

niederschlagsmengen erreichen im Westen der Stadt 750 mm,

nehmend wärmer und trockener, gleichermaßen aber auch die

während sie am Ostrand nur 600 mm betragen. Zudem sind zwi-

Winter kälter. Die subkontinentale pannonische Klimaregion

schen Stadtzentrum und Stadtrand heute oft Temperaturunter-

zeichnen bereits sommerliche warm-trockene Verhältnisse aus.

schiede von bis zu 7 °C festzustellen, doch sind diese weitgehend

Ihr Niederschlagsmaximum in dieser Jahreszeit beschränkt sich

eine Folge menschlicher Aktivitäten oder dadurch zumindest sehr 29

2. Zur Umwelt

Abb. 02_01. Zur Lage und Einflussrichtung der vier Klimaregionen, Auszug der Karte Klimatypen von Bobek/Kurz/Zwittkovits 1971; die Darstellung der klimati­ schen Gegebenheiten basiert auf einer kombinierten Auswertung der mittleren Jahressummen des Niederschlags, der Temperaturmittel des Monats Juli und Jänner sowie der mittleren Zahl der Tage mit mindestens 1 mm Niederschlag (Messwerte 1901–1950), siehe Zwittkovits 1983. Stark vereinfacht ausgedrückt, sind die Gebiete von Blau über Grün, Orange bis Hellrot zunehmend wärmer und niederschlagsärmer. (ÖAW/Freytag-Berndt und Artaria KG; Überarbeitung: M. Popovtschak).

stark beeinflusst.5 Allerdings intensivieren in manchen Gegenden, etwa im Wiener Becken und Nordburgenland, trotz Jahresniederschlagsmengen bis zu 500 mm häufig auftretende und oft hohe Windstärken erreichende Winde aus Westen, Norden und Südosten die Verdunstung und bewirken eine starke Austrocknung. Abhängig vom Ausmaß solcher Einflüsse variieren Kälte-, Wärmeund Trockenheitsphasen in einzelnen Gebietsabschnitten.

5

30

Anthropogen bedingter Temperaturanstieg in Städten/verbauten Gebieten durch Verkehr, Heizung, Licht etc., vgl. Ziska/Bunce/Goins 2004.

2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation

2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation Neben dem Klima beeinflussen die unterschiedlichen standortlichen Voraussetzungen, insbesondere die Bodenbeschaffenheit, den jeweiligen Pflanzenbestand und somit die Vegetation so-

ändernde Einflüsse durch erhöhten Wildverbiss und Pollenflug/ Samenverbreitung aus angrenzenden Forsten nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

2.2.2 Kulturlandschaft

wie eine bestimmte Flora. Da inzwischen auch der Mensch ein

Im Gegensatz dazu ist die Kulturlandschaft von Menschen gestal-

wesentlicher und oft vegetationsbestimmender Faktor wurde, ist

tet. Die Veränderungen des ursprünglichen Bewuchses schritten

die Unterscheidung zwischen Urlandschaft, Kulturlandschaft

umso weiter fort, je länger Begehung, Nutzung und Siedlungs-

und Naturlandschaft wichtig.

tätigkeit dauerten und je tiefgreifender sie waren. Mit dem An-

6

bau von Kulturpflanzen verbreiteten sich ab der Jungsteinzeit9

2.2.1 Urlandschaft Auf neu geschaffenen, unbelebten Bereichen/Böden setzt eine

auch neue Wildpflanzen (Archäophyten). Jagd, Sammeltätigkeit, Gewinnung von Brenn- und Bauholz, Ackerbau, Viehzucht mit Weidetätigkeit und Grünlandwirtschaft, Gärten und Obstbau, Handwerk, Bergbau, Wald- und Forstbau, Verkehrssysteme, Siedlungsausbau, Städte und Industrie führten zu intensiv

Vegetationsentwicklung (Primärsukzession) mit unterschiedlich

genutzten und oft dicht verbauten Landschaften (Abb. 02_04).

schnell ablaufenden Vegetationsänderungen (Stadien) ein. Je

Durch Begradigungen, Aufschüttungen, Sprengungen sowie Um-

nach Substrat, Relief und Lokalklima bilden sich auf bestimmten

leitungen von Bächen (Mühl- und Kehrbäche, Flussregulierungen

Standorten (Habitaten) entsprechende Klimax-Gesellschaften.

etc.) und Seen (Teiche, Staubecken etc.) wurde vermehrt auch

Diese Urlandschaft und die sich darin entwickelnde Vegetation

das Gelände künstlich strukturiert.

sind vom Menschen unbeeinflusst. Rückwirkend wird versucht, sich ihr in Form der möglichen (potenziellen) natürlichen Vegetation (Abb. 02_02a) anzunähern. In vielen Regionen bildete sich bei günstigen Bodenverhältnissen ein beständiger Baumbestand aus, ein Urwald. Im Osten

2.2.3 Naturlandschaft

Österreichs werden aktuell nur mehr wenige kleine Bestände als

Wird ein Gebiet nach Einflussnahme des Menschen wieder aufge-

urwaldartig eingestuft, etwa der Neuwald bei St. Aegyd und der

geben und dem sich darauf einstellenden pflanzlichen Bewuchs

Rothwald bei Lunz am See.7 Im Rothwald (Abb. 02_03) wird dies

und Tierleben überlassen, dann setzt eine Sekundärsukzession

den steilen und steinigen Hängen zugeschrieben, die für Bewirt-

ein. Die Vegetation regeneriert mittels der verfügbaren Diaspo-

schaftung zunächst als unzugänglich galten. Bedeutend waren

renbank, der noch keimfähigen Samen und Früchte im Boden

sicherlich auch jahrzehntelange Streitigkeiten um klösterliche

sowie aus benachbarten Beständen. Es bildet sich eine Natur-

Besitzrechte und zuletzt die bewusste Entscheidung, einen un-

landschaft (Abb. 02_05).10 Diese kann der Urlandschaft gleichen.

gestörten Wald zu bewahren.8 Trotzdem können vegetationsver6

Zur Definition der drei Begriffe siehe Ellenberg 1986, bes. 34–38.

7

Der Neuwald (900 bis 1.000 müA) am Lahnsattel bei St. Aegyd ist ein 20 ha umfassendes Naturschutzgebiet; der Rothwald (950 bis 1.600 müA) ist ein ca. 500 ha großes Naturschutzgebiet, wovon 4 km² als Österreichs einziges Wildnisgebiet der Kategorie Ia = strenges Naturreservat der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) entsprechen, siehe http://www.umweltbun­ desamt.at/umweltsituation und http://www.iucn.org (letzter Zugriff: Mai 2020); vgl. Kral/Mayer 1968. Das strenge Naturreservat Rothwald ist ein Rot-Buchen - Fichten - Tannen - Klimax-Wald, der seit 3.500 Jah­ ren besteht, siehe Brande/Erd/Erlenkeuser 2002, 73.

8

Bis 1782 der Kartause Gaming gehörig und nach mehreren kurzfris­ tigen Eigentümern seit 1875 im Besitz der Familie Rothschild, siehe dazu http://www.zobodat.at/pdf/Jb-Verein-Schutz-Bergwelt_44_1979_ 0079-0117.pdf und http://www.thomastrenkler.at/uncategorized/ die­rothschild­schaetze­nun­in­boston (letzter Zugriff: Mai 2020).

Möglicherweise sind inzwischen jedoch einige der ursprünglich vorhandenen Pflanzen ausgestorben oder abgewandert. Mitunter 9

Das Neolithikum begann vor etwa 10.000 Jahren im Vorderen Orient. Die ältesten landwirtschaftlichen Spuren dieser Epoche in Mitteleuro­ pa zeigen sich in der Linearbandkeramik vor etwa 7.000 Jahren.

10 Wie Studien über Sozialbrachen zeigen, stellen sich auf ungenützt liegenden Feldern vor allem die Holzgewächse später ein, als man im Waldklima Mitteleuropas annahm – vgl. Ellenberg 1986, 834; die Nationalparks (Verzicht auf wirtschaftliche Nutzung auf mindestens 75 % der Fläche) Thayatal (seit 2000, 1.330 ha groß), Donau-Auen (seit 1996, 9.300 ha groß) und Neusiedler See – Seewinkel (seit 1993, österreichischer Anteil 9.064 ha) werden der Kategorie II der IUCN zu­ gezählt, siehe dazu http://www.nationalparksaustria.at (letzter Zugriff: Mai 2020). Weiteres zu Naturschutzgebieten bis zu Naturdenkmälern, geschützten Baumgruppen und Einzelbäumen siehe beispielsweise: http://www.noe.gv.at und http://www.burgenland.at (letzter Zugriff: Mai 2020).

31

2. Zur Umwelt

32

2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation

 Abb. 02_02a. Die potenzielle natürliche Vegetation im Osten Österreichs. Auszug der Karte Wagner 1971, inklusive Legende. In der Karte sind die sechs Fundorte eingezeichnet, aus denen Bearbeitungen urnenfelderzeitlicher Pflanzenreste vorliegen (siehe Kap. 5, Tabelle 05_01), sowie die 14 aus­ gewählten Messstationen, von deren erhobenen Werten Klimadiagramme dargestellt sind (siehe Abb. 02_02b). (ÖAW/Freytag-Berndt und Artaria KG; Überarbeitung M. Popovtschak).

Abb. 02_02b. Neben Ortsnamen, Koordinaten und Höhenmeter üA der Messstellen ver­ anschaulichen die 14 Klimadiagramme die Mittelwerte der Temperatur in °C und der Niederschlagshöhe in mm der zwölf Monate (bei Diagramm 1 exemplarisch in Tabellenform beigefügt); zusätzlich sind TemperaturJahresmittel sowie Jahres-Niederschlagssumme vermerkt. Die Diagramme wurden erstellt mit GeoKLIMA, siehe Hanisch/Schulz 1998. (Messdaten: ZAMG 2002 [1971–2000]; Bearbeitung: A. G. Heiss).

33

2. Zur Umwelt

konnten sich auch neue Arten etablieren und den ursprünglichen Pflanzenbestand etwas bis stark verändern. Dies veranschaulicht beispielsweise die in der Urlandschaft Europas völlig fehlen-

Abb. 02_03. Die „Urwaldlandschaft aus dem Rothwald“, Federzeichnung Julius Mařák 1888 (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv PK1131_1392).

de, heute im Osten Österreichs zahlreich und oft das Baum- und Waldbild prägende Robinie. terien, die im Boden Stickstoff anreichern, besitzt er einerseits

Exkurs: Die Robinie ist keine Akazie und kam erst im 17. Jahrhundert nach Europa

in nährstoffarmen Böden einen Wachstumsvorteil. Andererseits wirkt er stark vegetationsverändernd, da unter Robinienhainen artenreiche Ökosysteme – vereinfacht ausgedrückt – zu stick-

Die Robinie/Falsche Akazie (Robinia pseudacacia, Abb. 02_06)

stoffreichen Holunder- und Brennnesselbeständen degradieren.

ist ein Neophyt, der in Niederösterreich und im Burgenland immer

Der Verbreitung förderlich ist außerdem, dass die Robinie viele

11

häufiger und gelegentlich sogar bestandsbildend wild vorkommt.

Ausläufer (Wurzelbrut) bildet und bei Schnitt mittels zahlreicher

Vielerorts als Bienenweide und schnell wachsender Holzlieferant

Stockausschläge schnell nachwächst. Abgesehen von den Blüten

sowie auch als Windfang gepflanzt, wird sie inzwischen als invasi-

sind alle Teile der bedornten Pflanze giftig, was sie u. a. vor Tier-

ve Pflanze bezeichnet. Der in Nordamerika heimische Baum wird

verbiss und -fraß schützt.12

bis 30 m hoch. Durch seine Wurzelsymbiose mit Knöllchenbak11 Die Robinie (sehr oft falsch als „Akazie“ angesprochen) wurde nach Jean Robin (1550 – 1629) benannt, dem Direktor am Jardin des Plantes in Paris, wo diese Bäume im 17. Jahrhundert erstmals auf europäi­ schem Boden gezogen wurden.

34

12 Roth/Daunderer/Kormann 2012, 621: „Die Giftinformationszentralen berichten … (dass bei) 4–5 Samen Vergiftungserscheinungen (auftreten können, mitunter aber auch) … 30 Samen … symptomlos vertragen wurden.“

2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation

Abb. 02_04. Satellitenbild der stark strukturierten Kulturlandschaft um Niederleis (Gebiet der Fundstelle Oberleiserberg) im Weinviertel (© Google Maps 2018).

Abb. 02_06. Der Neophyt Robinie/Falsche Akazie (Robinia pseudacacia), blühend (Foto: M. Popovtschak).

Auch geänderte Wildtierbestände oder Bodenqualitäten, etwa eine Degradation durch Nährstoffverlust, können die Bildung anderer Pflanzengesellschaften bewirken. Daher bleibt offen, ob das rekonstruierte Idealbild der potenziellen natürlichen Vegetation (siehe Abb. 02_02a) dem ursprünglichen Landschaftsbild gleicht, wie weit es sich diesem annähert und ob es sich auf heutigen Kulturflächen überhaupt noch entwickeln könnte. Konkrete Informationen über frühere Verhältnisse können nur Pollenanalysen liefern. Diese zeigen etwa für Teile des Wald- und Weinviertels ein ursprünglich häufigeres Vorkommen der Tanne (Abies) an, als die potenzielle natürliche Vegetation beschreibt.13 Abb. 02_05. Naturlandschaft im Wiener Prater mit bodendeckendem Bestand von Bär­Lauch (Allium ursinum). Der Prater ist ein etwa 700 ha großer, parkähnlicher Auwaldrest; seit 1766 ist er allgemein zugänglich, nach Jelem 1972, 69 (Foto: A. G. Heiss).

13 Siehe Rybníček/Rybníčkovă 1978; vgl. Davis/Collins/Kaplan 2015.

35

2. Zur Umwelt

2.2.4 Unterschiede im pflanzlichen Bestand Die eigentliche Klimax-Gesellschaft der gemäßigten Klimazone bilden sommergrüne Wälder mit Rot-Buche (Fagus sylvatica), Eichenarten (Quercus spp.) und Edel-Hainbuche (Carpinus be­ tulus). Die zonale Vegetation ist hauptsächlich vom Großklima beeinflusst. Stärker atlantisch geprägt sind Buchenmischwälder, während nach Osten Eichenmischwälder zunehmen. Im Gegensatz dazu bildet die azonale Vegetation Pflanzengesellschaften, die unabhängig von der Großklimazone auftreten, etwa in Auwäldern, an Sonderstandorten, den Höhenstufen der Gebirge und unter speziellen ökologischen Faktoren. Deshalb sind im zu betrachtenden Gebiet insgesamt viele verschiedene Vegetationsformen und eine sehr hohe pflanzliche Artenvielfalt vorhanden.14 Es werden sechs Florengebiete unterschieden.15 Den Klimaregionen vergleichbar kommen sie selten in einer Höhenlage vor, zeigen breite Überschneidungsbereiche und spezielle lokale Ausprägungen. Das mitteleuropäische (zentraleuropäische) Florengebiet umfasst das westliche Hügelland und die niedrigere (submontane) Bergstufe. Letztere ist ab Höhen von 250 bis 400 (500) m etwa an den Rändern der Böhmischen Masse und in den Tälern der Flüsse Schwarza und Pitten anzutreffen. Sie ist durch die RotBuche (Fagus sylvatica, Abb. 02_07) dominiert. Zum pannonischen Florengebiet zählen das Weinviertel bis Manhartsberg, das Marchfeld, das Wiener Becken, das Donautal westwärts mit Teilen der Wachau, das Traisental bis St. Pölten sowie das Kamptal und Taffatal bis Horn. Es schließt auch die Hainburger Berge ein, obwohl diese bereits subkarpatisch geprägt sind. Typisch sind Eichenwälder mit Zerr-Eichen (Quercus cerris, Abb. 02_08) und Trauben-Eichen (Quercus petraea); teilweise kommen auch Stiel-Eichen (Quercus robur, Abb. 02_09) vor. Mitunter ist Edel-Hainbuche (Carpinus betulus, Abb. 02_10) eingemischt. Neben Auenwäldern in den Flussniederungen bildet der Austritt von Grundwasser in der Feuchten Ebene (Laxenburg, Ebreichsdorf und um Bruck an der Leitha) südlich von Wien eine Ausnahme.

Abb. 02_07. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Rot-Buche (Fagus sylvatica), ● heimisch/indigen, ◒Status unsicher/unbekannt. (Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 66, map 284; reproduced by permis­ sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo­ gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).

Thermenlinie, Leithagebirge, Parndorfer Platte und Seewinkel bis zum mittleren Burgenland sind dagegen wieder vorwiegend

und Sekundärsteppen vorhanden. Allerdings sind echte Steppen

durch Trockenheit geprägt.

(Primärsteppen) nur kleinräumig ausgebildet.16 Es handelt sich

In dieser planar-collinen Stufe (bis 250–400 m [500 m]) kommt

dabei um Waldsteppen, die mit Flaum-Eichen-Buschwald durch-

in den Wäldern auch bereits die Flaum-Eiche (Quercus pubes­

mischt sind. Hingegen entstanden Sekundärsteppen auf ur-

cens) vor. Weiters sind pannonische Trockenrasen und Halb-

sprünglichem Waldgebiet. Nachdem diese durch Beweidung und

trockenrasen sowie bodenbedingte (edaphische) Primärsteppen

Holzentnahme gelichtet worden waren, konnten sich Steppenpflanzen aus den östlich angrenzenden Primärsteppen ausbrei-

14 Vgl. Mucina/Grabherr/Ellmauer 1993; Fischer/Adler/Oswald 2008. 15 Siehe Niklfeld 1993.

36

16 Auf ungünstigem Untergrund wie Fels, Schotter, Sand, Löß und Salz; vgl. Ehrendorfer-Schratt 2008.

2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation

Abb. 02_08. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Zerr-Eiche (Quercus cerris), ● heimisch/indigen, ◒ Status unsicher/unbekannt, ○ eingeführt/anthro­ pogen bedingt, ? unsicherer Beleg.

Abb. 02_09. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Stiel-Eiche (Quercus robur), ● heimisch/indigen, ○ eingeführt/anthropogen bedingt, × ausgestorben, ? unsicherer Beleg.

(Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 71, map 294; reproduced by permis­ sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo­ gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).

(Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 75, map 301; reproduced by permis­ sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo­ gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).

ten. Heute schreiten Versteppung und Flugsandbildung in Folge

Aktivitäten gefördert, sind ihre Habitate heute durch intensi-

der Regulierung von March und Donau insbesondere im March-

ven und vereinheitlichenden Acker- und Weinbau, durch Agrar-

feld fort. Weitere Sonderstandorte sind beispielsweise die groß-

wüsten mit nachfolgender Verbuschung und Wiederbewaldung

flächigere Salzvegetation am Steppensee Neusiedler See und

sowie diverse Bautätigkeiten gefährdet, wodurch schließlich die

die Schottersteppen im Steinfeld.

Vielfalt der Kulturlandschaft zusehends verarmt.17

Auf solchen Trocken- und Halbtrockenrasen wachsen etwa der Österreich-Lein (Linum austriacum, Abb. 02_11), FrühlingsAdonis (Adonis vernalis, Abb. 02_12) und Grauscheiden-Federgras (Stipa joannis, Abb. 02_13). Ehemals durch menschliche

17 Rote Listen gefährdeter Pflanzen Österreichs unter http://www.umwelt­ bundesamt.at/umweltsituation/naturschutz/artenschutz/rl_pflanzen (letzter Zugriff: Mai 2020) oder Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999.

37

2. Zur Umwelt

Abb. 02_11. Österreich­Lein (Linum austriacum), Damm bei Baumgarten an der March; gefährdete Pflanzenart (Foto: M. Popovtschak).

Abb. 02_10. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Edel-Hainbuche (Carpinus betulus), ● heimisch/indigen, ○ eingeführt/anthropogen bedingt, ? unsicherer Beleg.

Abb. 02_12. Frühlings­Adonis (Adonis vernalis), Eichkogel bei Mödling; gefährdete Pflanzenart (Foto: A. G. Heiss).

(Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 62, map 278; reproduced by permis­ sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo­ gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).

ostrand der Alpen reicht, in der mittelburgenländischen Bucht Im Mittelburgenland kommen bereits Pflanzenarten der subme-

festzustellen, etwa in Form der Hopfenbuche (Ostrya carpini­

diterranen, nach dem nördlichen Randgebiet der Mittelmeerlän-

folia) oder der Adria-Riemenzunge (Himantoglossum adriati­

der benannten Flora vor. Sie setzt Sommertrockenheit voraus

cum), einer Orchidee. Einzelne ihrer Vertreter kommen hingegen

und ist mit Edelkastanie (Castanea sativa, Abb. 02_14), Stein-

lokal auch weiter nördlich vor, darunter die Zerr- und Flaum-

weichsel (Prunus mahaleb), Zerr-Eiche (Abb. 02_08), Flaum-

Eiche oder die Schwarz-Föhre.18

Eiche (Quercus pubescens) und Schwarz-Föhre (Pinus nigra, Abb. 02_15) angezeigt. Außerdem sind Einflüsse des illyrischen Florengebietes, das vom gebirgigen Nordwestteil der Balkanhalbinsel bis zum Süd38

18 Die Schwarz-Föhre kommt vom südlichen Wienerwald bis Rax und Schneeberg am Nordostrand der Alpen (disjunktes Teilareal) vor. Sie wird als voreiszeitliches Relikt angesehen, das hier die jüngste Eiszeit überdauerte, während ihr Hauptverbreitungsgebiet die Balkan­ halbinsel ist.

2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation

Abb. 02_13. Grauscheiden­Federgras (Stipa joannis), Buschberg/Leiser Berge bei Mistelbach; gefährdete Pflanzenart (Foto: A. G. Heiss).

Über diesen Tallagen kann in der höheren Bergstufe (obermontan) bereits das subalpine Florengebiet (beginnt bei Höhen ab 1.500 bis 2.000 m) angetroffen werden. Es reicht vom natürlichen, geschlossenen Wald mit Gewöhnlich-Fichte (Picea abies, Abb. 02_16)19 bis zur Baumgrenze. Oberhalb der Baum- und Krummholzgrenze schließt das alpine Florengebiet an. Dabei sind ab Höhen über 1.900 bis 2.300 m (2.500 m) neben alpinen Pflanzenarten auch kleine Anteile arktisch-alpiner und alpisch-karpatischer Arten vorhanden. Zwei noch höher gelegene Höhenstufen, die subnivale (ab Höhen über 2.500–2.800 m) und die nivale (ewiger Schnee, ab Höhen über 2.800–3.100 m), werden erst in den weiter ansteigenden Gebirgslagen der benachbarten Bundesländer Steiermark und Oberösterreich erreicht.20 Somit ist eine Landschaft zwar primär durch die vorhandene Vegetation sichtbar, verschiedene Standortsfaktoren und kli-

Abb. 02_14. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Europa-Edelkastanie (Castanea sativa), ● heimisch/indigen, ◒ Status unsicher/unbekannt, ○ eingeführt/ anthropogen bedingt. (Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 67, map 286; reproduced by permis­ sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo­ gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).

matische Umstände sind jedoch für deren jeweilige Ausprägung ausschlaggebend. 19 Im Gegensatz zu zahlreichen Fichtenwäldern im collinen und montanen Bereich sind diese Bestände nicht aufgeforstet. 20 Die Pflanzengesellschaften ansteigender Höhenlagen sind Vegetati­ onszonen höherer geografischer Breiten ähnlich: Die Polarzone vermit­ telt zur Subnival-/Nivalstufe, die Zone der arktischen Tundren zur alpi­ nen Höhenstufe und die boreale Nadelwaldzone Taiga zur subalpinen und obermontanen Höhenstufe. Die mitteleuropäischen Formen unter­ scheiden sich dabei durch häufigere Niederschläge, höhere Sonne­ neinstrahlung und mehr Tageslicht im Winter von nördlicher gelegenen Entsprechungen.

39

2. Zur Umwelt

● Pinus nigra subsp. nigra

▲ P. nigra subsp. dalmatica

Abb. 02_15. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Schwarz-Föhre/Kiefer (Pinus nigra), ● und ▲: beide heimisch/indigen. (Auszug aus Jalas/Suominen 1973, 18, map 164; reproduced by permission of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biologica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).

40

Abb. 02_16. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Gewöhnlich-Fichte (Picea abies), ● heimisch/indigen, ◒ Status unsicher/unbekannt. (Auszug aus Jalas/Suominen 1973, 13, map 157; reproduced by permis­ sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biologica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt des fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).

2.3 Wie war es in der Urnenfelderzeit?

2.3 Wie war es in der Urnenfelderzeit?

im 8. Jh. v. Chr., die vorwiegend mit einer deutlichen Erhöhung der Niederschläge verbunden wird. Der kälteste Abschnitt dieser Phase wird zwischen 775 und 725  v. Chr. angenommen. Diese Veränderungen zeichnen sich etwa mit dem Auflassen der

2.3.1 Vom Klima …

Seeufersiedlungen in der Schweiz und Süddeutschland ab, wo bereits um 850  v. Chr. eine Höherlegung mehrerer Siedlungen festgestellt werden konnte, was einen Zusammenhang mit dem

Konkrete Angaben zum Wetter und Klima liegen als Aufzeichnun-

Klima nahelegt.24 Und tatsächlich spielt das Klima in der Sied-

gen instrumenteller Messungen, wie jener der Lufttemperatur

lungs- und Wirtschaftsgeschichte eine gewichtige Rolle, nicht

oder der Zu- und Abnahme der Gebirgsgletscher, erst für die

zuletzt für agrarische Abläufe: So können Schafe bei geschlosse-

letzten 250 Jahre vor. Bei den Versuchen, das Klimageschehen

ner Schneedecke ohne Zufütterung nur wenige Tage überleben

älterer Zeitphasen (Paläo-/Archäoklimatologie) zu erfassen, wer-

und es kann zu Futtermangel kommen, wenn der erwartete Vege-

den deshalb indirekte Datenquellen für die Rekonstruktion des

tationsbeginn später einsetzt. Auch Feldfrüchte sind in vielerlei

Klimas (sogenannte Proxies) herangezogen.21 Da diese Unter-

Hinsicht durch verschlechterte Witterungseinflüsse gefährdet,

suchungen nicht nur globale Klimaveränderungen und Wechsel-

wodurch Missernten und Hungersnot drohen.25

wirkungen überregionaler Effekte, sondern auch lokale Schwan-

Doch auch wenn gelegentlich archäologisch verfolgbare Um-

kungen (Oszillationen) widerspiegeln, werden idealerweise stets

brüche, etwa der Abzug aus Siedlungsräumen oder die Anwen-

möglichst viele, durch unterschiedlichste Verfahren erhobene

dung neuer Techniken, mit Klimakrisen zusammenfallen, wird

Proxy-Daten zusammenschauend diskutiert. Die Auswertung

das Interpretationsmodell des „klimatischen Determinismus“ in-

regionaler Verhältnisse ist allerdings oft mangels geeigneter

zwischen abgelehnt. Damit wird die direkte Gleichläufigkeit von

Klimaarchive stark eingeschränkt: Aussagekräftige Ablagerun-

Klima und wirtschaftlicher Entwicklung entschieden relativiert.

gen in Gletschern oder Meeresküsten sind nicht in allen Sied-

Veränderungen und Innovationen können schließlich sowohl

lungsgebieten vorhanden und viele – etwa für Pollenanalysen

Folge als auch Lösung plötzlicher Ressourcenknappheit sein –

ideal konservierte – zeitliche Schichtungen in Mooren und Nass-

das heißt, Ursache und Wirkung sind nicht ohne Weiteres immer

stellen wurden inzwischen trockengelegt und in See- und Fluss-

erkennbar.26 Zudem sind auch kulturell bedingte Aspekte von

ablagerungen oft durch Regulierungen etc. gestört.

Präferenz und Vermeidung, von Tradition und Innovation nicht

Vor etwa 11.500 Jahren begann das Holozän (Postglazial). Dieser

außer Acht zu lassen.27 Diese sind zwar archäologisch und eben-

erdgeschichtliche Abschnitt ist eine Warmzeit, die auch gegen-

so archäobotanisch sehr schwer fassbar; historische und ethno-

wärtig noch andauert. In Mitteleuropa ist dabei ein jahreszeitli-

grafische Untersuchungen lassen jedoch auch für die Urge-

cher Wechsel mit kalten Wintern und heißen Sommern typisch.

schichte einen äußerst komplexen Einfluss von Wertesystemen

Trotzdem ist der Klimaverlauf des Holozäns nicht konstant, son-

auf landwirtschaftliche Systeme vermuten.

dern liegt als Reihe unterschiedlich lange dauernder Kalt- und Warmphasen vor.22 Nach aktuellen Kenntnissen dürften die Jahresmitteltemperaturen dieser Phasen nicht mehr als 1–3 °C voneinander abgewichen sein. In den Alpen pendelte das Klima um einen Mittelwert, der 1–1,5 °C während der Vegetations-

2.3.2 … zur Landschaft

periode nicht überschritt. Daraus resultierten Schwankungen

Das klimatisch benachteiligte, von dichten Tannen-Buchen-

der Waldgrenzen um bis zu 200 m.

Eichenmischwäldern bedeckte Wald- und Mühlviertel dürfte

23

Die Urnenfelderzeit fällt größtenteils in eine warm-trockene Phase, während der nur leichte Schwankungen verfolgbar sind. Sie endet jedoch mit einer plötzlich auftretenden Abkühlung 21 Übersichten der einzelnen Methoden zu Pollenanalysen, Torfwachstum, Dendrochronologie, Isotopenmessungen, Waldgrenz-, Gletscher- und Seespiegelschwankungen, Sonnenaktivitäten, Vulkanismus etc. bei­ spielsweise in: Marinova/Kirleis/Bittmann 2012; Schmidt/Matulla/ Psenner 2009; Renfrew/Bahn 2008, 231–274; Maise 1998.

auch während der Urnenfelderzeit noch eher dünn besiedelt 24 Maise 1998, 220; Rösch 2013; Schibler/Hüster-Plogmann/Jacomet et al. 1997. 25 Bei einer Abnahme der Durchschnittstemperatur um 1 °C wandert bei­ spielsweise die Rentabilitätsgrenze des Getreideanbaus rund 200 km nach Süden und 100 bis 200 Höhenmeter talwärts, siehe Bourke 1984.

22 Vgl. Nicolussi 2009; Schmidt/Matulla/Psenner 2009; Armit/Swindles/ Becker et al. 2014; Brázdil/Dobrovolný/Luterbacher et al. 2010.

26 Vgl. Pasternak 2001, 73: „Fällt im Winter viel Regen, so bauen wir viel Weizen und wenig Gerste an … fällt im Winter wenig Regen, so bauen wir viel Gerste und keinen Weizen an … in guten Jahren essen wir den Weizen – und die Gerste frisst das Vieh … in schlechten Jahren essen wir die Gerste und das Vieh.“

23 Beispielsweise Bortenschlager 1992, 9.

27 Vgl. Chevalier/Marinova/Peña-Chocarro 2013.

41

2. Zur Umwelt

gewesen sein. Hingegen stellten die ebenfalls noch stark be-

die Ausdehnung der bewirtschafteten Flächen steigendem Nah-

waldeten Hügelregionen südlich der Donau wegen der Nähe zu

rungsbedarf, Speicherreserven oder komplexeren Gesellschafts-

den Kupferlagerstätten in der Grauwackenzone der Alpen wahr-

strukturen zuzuschreiben ist oder eine lebensnotwendige Er-

scheinlich schon während der Bronzezeit ein interessantes Sied-

weiterung des Ackerlandes war, dessen Ertrag plötzlich sank,

lungsgebiet dar (siehe Kap. 5). Auch die klimatisch begünstig-

können jeweils nur Einzeluntersuchungen klären.

teren Gebiete (Weinviertel, Marchfeld und Wachau) waren wohl noch recht dicht bewaldet. Dank ihrer fruchtbaren Böden sind jedoch, korrelierend mit archäologischen Befunden und Spuren, deutliche Erweiterungen und Verdichtungen der Siedlungsund Nutzungsräume anzunehmen. Für detaillierte Aussagen zum urnenfelderzeitlichen Landschaftsbild des Gebiets und seinen

2.3.3 Urnenfelderzeitliche Veränderungen Während der Urnenfelderzeit wechselten die Klimabedingungen

Veränderungen fehlt ein aktuelles, möglichst dichtes Netz an

von anfangs trockenen zu am Ende kühleren und regenreicheren

Pollenanalysen.28

Verhältnissen (Abb. 02_17).

Allerdings sind im weiteren Umkreis nun etwa vermehrt Wege

Archäologische Untersuchungen stellen außerdem in dieser

und Pfade belegt, neben Routen wie der bekannten Bernstein-

Phase vielerorts weitreichende Neuerungen und Veränderun-

straße auch solche im Gebirge. Altwege sind beispielsweise

gen fest, darunter auch das Auflassen von Siedlungen und die

durch sie begleitende Einzel- und Depotfunde rekonstruierbar

Abwanderung aus bereits intensiv genutzten und bewohnten

sowie durch Brandopferplätze, etwa am Sölkpass (Steiermark),

Gebieten, die Verlagerung von Weide- und Ackerland sowie die

auf der Pillerhöhe (Tirol) oder am Ganglegg (Südtirol). Spuren

Nutzung von Neuland. Obwohl dabei manchmal Verbindungen

menschlicher Aktivitäten nehmen kontinuierlich zu und in neu

zu geänderten klimatischen Gegebenheiten bestehen, erweisen

erschlossenen Gebieten sind nicht nur ackerbauliche Aktivitä-

sich viele Entwicklungen als regional und im zeitlichen Ablauf va-

ten sowie Weidetätigkeit zu verzeichnen, sondern etwa auch

riabel.34 Auch im (ost-)mediterranen Raum wurden klimatische

29

Bergbau.30 Im Gebirge sind ab der Bronzezeit die Waldgrenzen

Einflüsse und Naturkatastrophen wie Dürren, Erdbeben, Stürme,

bereits deutlich durch menschliche Präsenz beeinflusst.31 Es

Überflutungen etc. oft als Auslöser für spätbronzezeitliche Krisen

liegen vermehrt Belege von Rodung vor. Auch Murenabgänge

und Wanderbewegungen gewertet. Neuere Forschungen und

lassen sich nachvollziehen, etwa im bronzezeitlichen Gräberfeld

verbesserte Untersuchungsmethoden relativieren jedoch diesen

in Pitten.32

Ansatz deutlich. Je mehr Proxy-Daten vorliegen, desto komplexer

Rund um menschliche Ansiedlungen führte der Bedarf an Holz,

und regionalspezifischer sind die gewonnenen Erkenntnisse, die

Feldern und Weiden zu immer größeren Rodungsflächen. Die-

mitunter sogar zu entgegengesetzten Korrelationen führen, etwa

se boten nicht nur Ernährungsgrundlagen, sondern – nicht zu-

zu wärmeren und andernorts gleichzeitig kühleren Trends.35 Zu-

letzt durch weite Sicht – auch besseren Schutz vor Wildtieren

dem sind die Ereignisse wesentlich durch zusammenbrechende

und Überfällen. Die Siedlungen lagen vorzugsweise an Handels-

Herrschaftsstrukturen (einschließlich solcher von Verbündeten)

wegen, (schiffbaren)33 Flussläufen, Flussübergängen/Furten

und Handelskontakte, einen sozioökonomischen Wandel und

oder in Gebieten bekannter und genutzter Bodenschätze. Ob

einen generellen sozialen Umbruch bedingt, die sich oft in gewalttätigen Auseinandersetzungen äußerten und eine nicht mehr

28 Leider liegen kaum Pollenanalysen vor, die den neuesten Untersuchungsmethoden entsprechen und durch mehrere Kohlenstoffdatierungen zeitlich abgesichert sind; Überblick zur älteren Literatur beispielsweise in Peschke 1977 und Wessely/Draxler 2006, 252. Vgl. außerdem Svoboda 1997; Drescher-Schneider 2004; Davis/ Collins/Kaplan 2015.

funktionierende Subsistenzwirtschaft einschlossen.

29 Beispielsweise: Hebert/Einwögerer/Christandl et al. 2003; Reitmaier 2009; Steiner 2010; Heiss 2014. 30 Vgl. Breitenlechner/Goldenberg/Lutz et al. 2013; Etienne/JouffroyBapicot 2014; Wahlmüller 1992; Lauermann/Rammer 2013: Hort­ fund in Guttenbrunn; Adametz 2009: Traisental; Mandl 2009: bronzezeitliche Almen bei Hallstatt, Salzgewinnung ab mittlerer Bronzezeit; Johnston 2013: Strukturierung der Landschaft. 31 Vgl. Schmidt/Matulla/Psenner 2009; Viehweider/Lutz/Oeggl 2015. 32 Siehe Schlusche 1985, 7: „[…] mehrmalige Vermurung der Nekropole […]“. 33 Vgl. van de Noort 2013, bes. 390 f. Europe’s Rivers.

42

34 Beispielsweise Groenman-van Waateringe/van Geel 2017; Armit/Swindles/Becker et al. 2014. 35 Siehe Knapp/Manning 2016; Weninger/Clare/Rohling et al. 2009, bes. S. 44.

2.4 Literatur

Abb. 02_17. Modelle zur Temperatur und Sonneneinstrahlung der Nordhalbkugel für die letzten 5.000 Jahre; oben: Sommertemperatur GISP2 Grönland-Eiskern; unten: totale Sonneneinstrahlung (TSI) oder Sonnenaktivität basierend auf IntCal09-Radiokarbondaten – siehe Knapp/Manning 2016, 110, fig. 4, ein­ schließlich weiterführender Angaben zu den Grunddaten. (S. Manning; Überarbeitung/Übersetzung: M. Popovtschak).

2.4 Literatur Adametz 2009: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unpubl. Diplomarbeit Univ. Wien (Wien 2009). Armit/Swindles/Becker et al. 2014: I. Armit/G. T. Swindles/K. Becker/ G. Plunkett/M. Blaauw, Rapid climate change did not cause population collapse at the end of the European Bronze Age, PNAS 111, 48, 2014, 17045–17049, https://doi.org/10.1073/ pnas.1408028111, letzter Zugriff: Mai 2020. Bobek/Kurz/Zwittkovits 1971: H. Bobek/W. Kurz/F. Zwittkovits, Klima­ typen. In: ÖAW (Hrsg.), Österreich-Atlas III, 9 (Wien 1971). Bortenschlager 1992: S. Bortenschlager, Die Waldgrenze im Postglazial. In: J. Kovar-Eder, Palaeovegetational Developments in Europe, Proceedings of the Pan-European Palaeobotanical Conference Vienna, 19–23 September 1991 (Wien 1992), 9–13. Bourke 1984: A. Bourke, Impact of climatic fluctuations in European agriculture. In: H. Flohn/R. Fantechi (Hrsg.), The Climate of Europe: Past, Present and Future (Dordrecht, Boston, Lancaster 1984), 269–296 und 307–314. Brande/Erd/Erlenkeuser 2002: A. Brande/K. Erd/H. Erlenkeuser, On the history of Holocene climax vegetation in the northern Alps (Lower Austria), Razprave IV. Razreda SAZU XLIII-2 (Ljubljana 2002), 63–77. Brázdil/Dobrovolný/Luterbacher et al. 2010: R. Brázdil/P. Dobrovolný/ J. Luterbacher/A. Moberg/Ch. Pfister/D. Wheeler/E. Zorita, European climate of the past 500 years: new challenges for historical climatology, Climatic Change 101, 2010, 7–40, https://doi.org/10.1007/s10584-009-9783-z, letzter Zugriff: Mai 2020. Breitenlechner/Goldenberg/Lutz et al. 2013: E. Breitenlechner/G. Goldenberg/J. Lutz/K. Oeggl, The impact of prehistoric mining activities on the environment: a multidisciplinary study at the fen Schwarzenbergmoos (Brixlegg, Tyrol, Austria), Vegetation History and Archaeobotany 22, 2013, 351–366.

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45

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen Katharina Adametz, Michaela Lochner Während der gesamten Urnenfelderzeit waren in Mitteleuropa – also auch im Osten Österreichs – unbefestigte Dörfer im Flachland charakteristisch. Diese bäuerlichen Siedlungen bevorzugten ebenes Gelände, sanfte Hänge oder Hügelkuppen. In der jüngeren Urnenfelderkultur entstanden zusätzlich befestigte Höhensiedlungen. Solche durch Wallanlagen gesicherten Nieder-

3.1 Haus und Hof 1 3.1.1 Hausformen

lassungen wurden in natürlich geschützten Lagen auf Bergkuppen

Während der Bronzezeit ging die bevorzugte Bauweise von Lang-

und Plateaus errichtet und waren wirtschaftliche sowie kulturelle

häusern in eine funktionale Formenvielfalt über. Üblich waren

Zentren.

weiterhin Häuser, die mittels Pfostenreihen aufgebaut wurden, kleinflächige Gebäude (4- bzw. 6-Pfostensetzungen) mit quad-

Bei der Siedlungsplatzwahl waren verschiedene Kriterien aus-

ratischer oder rechteckiger Grundfläche sowie ein- oder mehr-

schlaggebend. (siehe Kap. 2, Pkt. 2.3) Einer der wichtigsten

schiffige Häuser.

Faktoren war der Wasserzugang, der einen dauerhaften Sied-

Kleinbauten, die man aufgrund ihrer geringen Größe heute zu-

lungsbestand erst ermöglichte. Siedlungen wurden deshalb

meist als Speicher deutet, waren während der gesamten Urnen-

in erreichbarer Nähe zu kleineren Fluss- und Bachläufen, je-

felderzeit verbreitet, wobei sie in der älteren Urnenfelderkultur

doch außerhalb des Überschwemmungsgebiets errichtet. Brun-

häufiger nachweisbar sind. Es ist möglich, dass diese Spei-

nen gewährleisteten zusätzliche Wasserversorgung in Zeiten

cherbauten mit einer Konstruktion (Steher mit waagrechter

niedrigerer Wasserstände. Weiters waren möglichst fruchtbare

Abschlussplatte) erhöht gebaut wurden, um Nagern den Zugang

Böden für den Anbau von Feldfrüchten sowie Freiflächen als

zu erschweren. Die Bauweise kann anhand tönerner Hausurnen

Weideareale für Nutztiere von großer Bedeutung. Ausreichender

aus Polen gut nachvollzogen werden (Abb. 03_01).

Baumbestand sicherte Holz als Bau- und Brennmaterial. Leicht

In der jüngeren Urnenfelderkultur wird der 4-Pfostenbau von

zugängliche Ton- und Lehmvorkommen lieferten Rohstoffe für

Häusern mit zwei zusätzlichen Pfostenpaaren in der Traufwand

die Keramikherstellung und den Hausbau. Andere Güter wie Salz

in seiner Häufigkeit abgelöst. Es könnten Mehrzweckhäuser ge-

oder Rohstoffe zur Erzeugung von Bronzegegenständen, aber

wesen sein, die als Arbeits-, Schlaf-, Wohn- oder Speichergebäu-

auch Fertigprodukte wie z. B. Bernsteinperlen oder auch Glas-

de dienten. Häuser ab 20 m² Grundfläche und mit mehr als 5 m

perlen konnten oft nicht in der näheren Umgebung abgebaut

Länge werden als Wohnbauten bezeichnet. Die Vergrößerung der

oder erstanden werden. Sie wurden von Händlern aus teilweise

Fläche könnte eine direkte Folge des Bevölkerungswachstums

weit entfernten Gebieten herantransportiert und im Rahmen ei-

gewesen sein. Die damalige Besiedlungsdichte wird auf zwei bis

nes nicht monetären Tauschhandels vertrieben. Eine günstige

fünf Bewohner pro Quadratkilometer bei einer Belegungsdauer

Anbindung an Verkehrsrouten, sei es nun auf dem Landweg oder

einer größeren Siedlung von bis zu fünf Generationen (bis zu 150

zu Wasser, war daher ein zusätzlicher Garant für florierende

Jahre) geschätzt.

Siedlungen.

In der jüngeren bis späten Urnenfelderzeit entwickelte sich ein zusätzlicher Haustyp, der vor allem in der nachfolgenden Eisenzeit bevorzugt wurde: das Grubenhaus bzw. die Grubenhütte.2 Bei dieser Gebäudeform handelt es sich um rechteckige, quadratische oder herzförmige Eintiefungen in den Boden. Sie weisen

46

1

Basisliteratur: Jockenhövel 1998; Luley 1992; Müller 1986; Primas 2008.

2

Hellerschmid 2006, 97–101.

3.1 Haus und Hof

Abb. 03_01. Die Umzeichnungen tönerner Hausurnen aus Obliwitz/Polen (li.) und Woedtke/Polen (re.) ermöglichen eine Vorstellung von erhöht erbauten, urnenfelderzeitlichen Speicherbauten (Müller 1986, Abb. 50 und 51; Grafik: F. Oelmann 1959, Abb. 4 und 7).

dratischer Grundriss vorgegeben. Je größer das Haus werden sollte, desto mehr Pfosten musste man verwenden. Die Steher wurden in zumeist runden, engen Gruben in den Boden versenkt. Je nach Bodenzusammensetzung spitzte man sie vorher an oder verkeilte sie mit Steinen bzw. Holz, um sie aufrechtstehend zu fixieren (Abb. 03_02). Manchmal wurden die Holzpfosten für eine längere Haltbarkeit im Boden an ihrem unteren Ende angekohlt. Tragende Pfosten tiefte man aus Gründen der Statik mindestens 0,80 m ein. Für Wandpfosten war oft eine geringere Tiefe ausreichend. Der Wandaufbau eines mit Pfosten gesetzten Hauses war vom Holzvorkommen abhängig. In ausgelichteten, holzärmeren Gegenden errichtete man oft eine Flechtwerkskonstruktion zwischen

a

b

c

d

den tragenden Pfosten, die mit einem Lehmbewurf abgedichtet wurde (Abb. 03_03d). Feuereinwirkung, wie z. B. bei einem

Abb. 03_02. Pfosten und Pfostengrube: a. freistehender Pfosten in bodenverdichteter Baugrube – b. in den Baugrund eingeschlagener angespitzter Pfosten – c–d. mit Holzkeilen bzw. Steinen verkeilter Pfosten (Luley 1992, Abb. 3).

Hausbrand, hat solche Wandteile konserviert und die Erhaltung

steile oder senkrechte Wände und ebene Böden auf. Manchmal

Schwellbalken oder massive Bohlen- bzw. Blockwände möglich

sind sie mit abgetreppten Eingängen versehen. Es handelt sich

(Abb. 03_03a–c).3 Diese Bauweisen hinterlassen zusätzlich zu

dabei nicht zweifelsfrei um Wohnbauten, sondern es könnten

den Pfostengruben oft Fundamentgräbchen als letzte Spuren im

ebenso Keller und Wirtschaftsräume gewesen sein.

Boden. Selten können die ehemaligen Eingänge nachgewiesen

im Boden ermöglicht. Dieser gebrannte Hüttenlehm mit Astabdrücken ist ein häufiges archäologisches Fundgut. In holzreichen Regionen hingegen waren auch Wandaufbauten auf

werden, weil oft das ursprüngliche Siedlungsniveau fehlt.

Exkurs: Hausbau und Hauskonstruktionen

Anhand der Pfostengruben sowie der Fundamentgräbchen sind

Die Bauart der Gebäude war eine bewährte Nutzform. Sie war

grundrisse lassen weiters Unterscheidungen zwischen Giebel-

Rückschlüsse auf den Wand- und Dachaufbau möglich. Die Haus-

nicht nur bedarfs- und umweltorientiert, sondern wurde auch

und Traufwand zu. Die Giebelwand befindet sich an den Schmal-

durch die vorhandenen Ressourcen bedingt (siehe Kap. 4, Pkt.

seiten des Hauses und ist nach dem Dachgiebel benannt, der

4.3.4).

sich hier über der Hauswand erhebt. Die Längsseite des Hauses

Der für die Urgeschichte typische Pfostenbau wurde deshalb bis

wird Traufwand genannt.

ans Ende der Urnenfelderkultur beibehalten. Für Holzpfostenhäuser wurde mittels Pfostenreihen ein rechteckiger oder qua-

3

Die Stakenwand (Abb. 03_03e) ist bislang in Ostösterreich nicht nachgewiesen.

47

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

a

b

d

e

c

Abb. 03_03. Wandkonstruktionen, Massivbauweise: a. Palisadenwand – b. Eingespannte Spaltbohlenwand – c. Blockbauwand; Mischbauweise: d. Flechtwerkwand – e. Stakenwand (Luley 1992, Abb. 4).

Bei der Dachform geht man allgemein von einem Satteldach aus.

als ein- oder mehrschiffig. Ein Haus mit z. B. zwei inneren Pfosten-

Hierbei wird zwischen Pfetten- und Sparrendach unterschieden,

reihen wird als dreischiffig bezeichnet, da durch die Unterteilung

weil sich die beiden Formen meist durch die Pfostenstellungen

drei parallele Längsräume entstehen. In einigen Wohnhäusern

nachvollziehen lassen (Abb. 03_04). Für ein Pfettendach legte

gibt es auch quer verlaufende Unterteilungen für unterschiedli-

man eine Firstpfostenreihe im Inneren des Hauses an, die parallel

che Wohnbereiche. Dies kommt zumeist bei Langbauten vor, die

zu den Längsseiten oder Traufwänden verlief (Abb. 03_05/1–3a).

großteils zwischen 10 und 30 m lang waren. Von manchen dieser

Häuser mit einer Länge von circa 5 m – stabile Maximallänge ei-

Häuser nimmt man an, dass ein bestimmter, quer abgeteilter Be-

nes frei liegenden Holzpfostens unter Belastung – kommen auch

reich als Stallung für Haustiere mitgenutzt wurde.

mit nur einem Firstpfosten pro Giebelwand aus. Dadurch bleibt der Innenraum des Hauses frei. Mit einem Pfettendach gedeckte Häuser weisen eine maximale Breite von 8–9 m auf. Bauten, die deutlich breiter als 7 m sind, verfügen über ein Sparrendach. Bei dieser Dachform gibt es keine tragende Mittelpfostenreihe (Abb. 03_05/3b). Sparrendächer überspannen ohne Kehlbalken bis zu 4,5 m Breite; mit Kehlbalken können größere Hausbreiten

3.1.2 Brunnen, (Speicher-)gruben, Wege, Zäune …

erreicht werden.

In Siedlungsarealen finden sich nicht nur Pfostengruben und

Die unterschiedlichen Funktionen, die Häuser in einer Siedlung

Fundamentgräbchen für Gebäude, sondern auch anders geartete

innehatten, werden u. a. aufgrund ihrer Größe interpretiert. Klei-

Baubefunde.

nere, einräumige, rechteckige, quadratische und runde Bauten

Eine Besonderheit stellen Brunnenkonstruktionen dar.4 Urge-

mit vier bis acht, manchmal auch mehr Pfosten stellen meist

schichtliche Brunnen waren vom Neolithikum bis in die Eisen-

wirtschaftlich genutzte Gebäude dar. In ihnen lagerte man Vor-

zeit ähnlich aufgebaut. Man tiefte einen Schacht bis zu einer

räte oder verrichtete handwerkliche Tätigkeiten. Größere Häuser

wasserführenden Schicht ein und fertigte eine Art Fassung an,

werden oft als Wohnbauten, Multifunktionsbauten oder Mehr-

die manchmal bei der Ausgrabung noch in unterschiedlich gut

zweckhäuser interpretiert. Im Innenraum weisen sie mehrere

erhaltenem Zustand zu finden ist. Die Fassung kann aus einem

Pfostenreihen auf, die zur Raumgliederung oder als zusätzliche

rechteckigen Kasten aus Holzbalken oder -brettern oder einer

Stützpfosten für größere Dachkonstruktionen dienen. Die Gliede-

runden Röhre (z. B. einem ausgehöhlten Baumstamm) bestehen.

rung des Innenraums durch längs verlaufende Pfostenreihen benennt man nach deren Anzahl – in Anlehnung an Kirchenschiffe – 48

4

Westphal/Jennes/Koch 2001, 122–123.

3.1 Haus und Hof

Dachreiter Dachhaut Dachlattung Rofen

Firstpfette

Giebelwand

Pfettendach

Zwischenpfette Traufpfette

Dachüberhang

Sparrendach Kehlbalken

Sparren Dachbalken Kopfband

Abb. 03_04. Schemata und Begriffserklärung für Pfettendach (oben) und Sparrendach (unten) (Müller 1986, Abb. 4 und 55; Grafik: K. Adametz).

1

3b

2

3a

Hin und wieder werden bei der Ausgrabung in den Brunnen gefallene Objekte (z. B. Keramikgefäße) oder absichtlich deponierte Gegenstände an der Sohle gefunden, die sich im feuchten Milieu gut erhalten haben (siehe Pixendorf weiter unten). Immer wieder treten im Siedlungsareal Gruben auf. Dazu zählen mulden- oder beutelförmige sowie kegelstumpfförmige – also nach unten breiter werdende – Gruben, deren Durchmesser bis zu mehrere Meter betragen kann. Je nach Form, Größe und Fundgut lassen sie sich manchmal bestimmten Zwecken zuordnen. Kleine Gruben mit bis zu einem Meter Durchmesser, die sich innerhalb von Häusern befanden, dienten z. B. als Feuerstellen, Werkgruben oder Vertiefungen für Vorratsgefäße (Abb. 03_06). Größere Gruben, vor allem kegelstumpfförmige, zählen meist zu den Speichergruben (Abb. 03_07), die, nachdem sie ihre Funktion verloren hatten, mit Siedlungsabfall verfüllt wurden.

Abb. 03_05. Mühlhausen-Ehingen/Deutschland. Rekonstruktionsversuche zu den unterschiedlichen bronzezeitlichen Haustypen (Dieckmann 1998, Abb. 20; Grafik: A. Harwath).

49

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

Exkurs: Speichergruben5 (Benedikt Biederer) Speichergruben nutzte man, um vor allem Getreide über einen längeren Zeitraum einzulagern. Da diese Art von Bevorratung noch bis in die Neuzeit durchgeführt wurde, wissen wir, was beim Bau und beim Füllen beachtet werden muss. Der für die Speicherung gewählte Platz sollte möglichst trocken sein und somit hoch über dem Grundwasserspiegel liegen. Da sich ein leicht zu grabender und gleichzeitig kompakter Untergrund als günstig erweist, ist ein gehäuftes Antreffen derartiger Gruben in Lössgebieten feststellbar. Um das Getreide im Inneren gegen Feuchtigkeit zu schützen, kleidete man – wie aus historischen Quellen bekannt ist – die Abb. 03_06. Vorratsgefäß in kleiner Grube innerhalb eines Hausgrundrisses einer älterurnenfelderzeitlichen Siedlung aus Unterradlberg (Adametz 2011, Abb. 27).

Wände und den Boden häufig mit Stroh aus. Auch bei entsprechenden Bauten der Spätbronzezeit sind Spuren ehemaliger Auskleidung in manchen Fällen sichtbar.6 Wurden die Speichergruben vollständig mit Getreide gefüllt, so musste anschließend ein möglichst hermetischer Verschluss geschaffen werden. Meist verwendete man hierfür eine Kombination aus Stroh und Lehm.7 Der Stoffwechselvorgang des Getreides sorgt anschließend für die Konservierung. Durch den Verbrauch von Sauerstoff und den Ausstoß von Kohlendioxid werden dabei im Speicher verbliebene Schädlinge wie der Kornkäfer abgetötet. Der hermetische Verschluss sorgt dafür, dass sich das Kohlendioxid so lange anreichert, bis die Atmosphäre im Inneren gesättigt ist und das Getreide in einen Zustand der Ruhe versetzt wird. Es bleibt über mehrere Jahre keimfähig und über einen noch längeren Zeitraum essbar.8 Neben der langen Haltbarkeit des nahrhaften Lagergutes wirkt sich das kostengünstige Anlegen einer solchen Grube ohne dafür benötigte Baustoffe vorteilhaft aus. Der unterirdische Speicher kann leicht verborgen und somit das wertvolle

Abb. 03_07. Schnitt durch die kegelstumpfförmige Speichergrube V2713 von Stillfried an der March (Aufnahmejahr 1985) (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Gut vor Dieben oder plündernden Kriegern geschützt werden. Auch der ständig präsenten Feuergefahr waren Speichergruben nicht ausgesetzt. Speichergruben wurden in der Urnenfelderzeit oft individuell von jeder Wirtschaftseinheit im direkten Umfeld der Häuser oder auch außerhalb der Siedlung, wie in Wien-Unterlaa vermutet wird , angelegt.9 An zentralen Plätzen wie der Höhensiedlung Stillfried deutet sich dagegen eine kollektive Form der Vorratshaltung in Speichergruben an (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3.5).10

5

Dazu Biederer 2018; Biederer 2019.

6

Bönisch 2006, 313–314.

7

Kunz 2004, 108–113.

8

Reynolds 1974, 119.

9

Penz 2011.

10 Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017; Griebl/Biederer in Vorbereitung.

50

3.2 Flachlandsiedlungen

Beispiele aus dem niederösterreichischen Raum sind aus den Siedlungen Pixendorf, Unterradlberg (siehe Abb. 03_18/2) und Getzersdorf bekannt. Aufwendigere und beständigere Befestigungen mittels Erdwällen legte man um Flachlandsiedlungen nicht an. In Deutschland wurden im Großraum um Leipzig und Halle durch großflächige Aufschlüsse Gräben und lineare Grubenansammlungen nachgewiesen, die in der späten Urnenfelderzeit aufkamen und bis in die frühe Eisenzeit Bestand hatten. Die Bedeutung ist bisher noch unklar; eine mögliche Interpretation wäre eine frühe Form der Landeinteilung.12

3.2 Flachlandsiedlungen Wichtige und im Text erwähnte Flachlandsiedlungen: • Franzhausen/Wagram an der Traisen (VB St. Pölten–Land) • Gemeinlebarn (VB St. Pölten–Land) • Getzersdorf (VB St. Pölten–Land) Abb. 03_08. Gesamtplan des Siedlungsausschnittes von Lovčičky/ Tschechien mit gerasterten Hausgrundrissen (Říhovský 1982, Abb. 17).

• Lovčičky/Südmähren • Mannersdorf am Leithagebirge (VB Bruck an der Leitha) • Pixendorf (VB Tulln) • Pottenbrunn (VB St. Pölten–Land) • Rannersdorf (VB Schwechat)

Manchmal gab es in einer größeren Ansiedlung einen freien

• Unterradlberg (VB St. Pölten–Land)

Platz im Zentrum, ähnlich einem Dorfplatz wie z. B. in Lovčičky,

• Wien 1230/Unterlaa

Tschechien (Abb. 03_08). In dem südöstlich von Brünn gelege11

nen Gebiet wurde 1964 bis 1971 auf einer Größe von 11.500 m² eine älterurnenfelderzeitliche Siedlung mit 48 Hausgrundrissen entdeckt. Die Häuser, die – wie Hausüberschneidungen belegen – nicht alle gleichzeitig bestanden, gruppierten sich um einen zentralen freien Platz. Dieser maß etwa 60 m im Durchmesser

3.2.1 Siedlungsstruktur und Siedlungsgröße – archäologische Beispiele

und wies einen Großbau in der Mitte sowie zwei kleinere Bauten

Urnenfelderzeitliche Flachlandsiedlungen gab es in unterschied-

auf. Der Ausgräber erwägt sogar, dass es mehrere solcher Plätze

lichen Größen. Die kleinste Einheit stellten Einzelgehöfte mit ei-

gegeben haben könnte, da die Grenzen der Siedlung bei der Aus-

nem Wohnhaus und zugehörigen kleineren Wirtschaftsgebäu-

grabung nicht erreicht wurden.

den dar. Ein Weiler bestand aus drei bis acht solcher gleichzeitig

Wege sind in Siedlungen selten nachweisbar. In Lovčičky wurden

bestehenden Gehöfte; bei einer größeren Ansiedlung ging die

Streifen aus dunklem, rotbraunem Löß mit 0,1–0,2 m Tiefe und

Gehöftanzahl darüber hinaus.13

2–5 m Breite dokumentiert, die wie ein Wegenetz durch die An-

Ein Beispiel für ein Einzelgehöft ist das allgemein in die Urnen-

siedlung anmuten.

felderzeit datierende Anwesen von Getzersdorf.14 Dort wurde

Hie und da gab es vermutlich zaunartige Pfostensetzungen um

1988 ein mit einem Palisadenzaun umhegtes Gehöft entdeckt,

ganze Siedlungen oder um eine Gehöftgruppe. Alternativ dazu

das durch eine Toranlage betreten werden konnte. Innerhalb

kann ein Gräbchen auch von einer ehemaligen Palisade stammen, die als Schutz und räumliche Begrenzung errichtet wurde. 11 Říhovský 1982, 41.

12 Stäuble 2002, 11. 13 Lindinger 2008, 35–40; dazu Zuber 2010 mit Beispielen aus dem ostbayrischen Donauraum. 14 Zuletzt Neugebauer/Gattringer/Blesl et al. 1991, 92.

51

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

In größeren Ansiedlungen wurden die Häuser oft in paralleler Ausrichtung und derselben Orientierung errichtet. Ein gutes Beispiel stellt die 2001 beim Bau der Schnellstraße S  1 entdeckte Siedlung von Rannersdorf dar.16 Das seit der Jungsteinzeit durchgehend besiedelte Areal war während der Urnenfelderzeit mit zwölf nordwest-südost-orientierten, zweischiffigen Wohnhäusern bebaut. Die Häuser maßen maximal 25 m × 8,2 m und waren mit eng gesetzten Außenwänden sowie wenigen Mittelpfosten errichtet (Abb. 03_11). Diese umgaben jeweils mehrere Wirtschafts- und Speicherbauten. Davon waren 48 Gebäude Speicherbauten mit 4–6 Pfosten und neun 8-Pfosten­ hütten. Weiters gab es sechs schmale Scheunen oder Ställe, die in zwei Gruppen zu je drei Gebäuden am Siedlungs­areal verteilt Abb. 03_09. Foto der Pfostensetzungen des Gehöfts aus Getzersdorf (Neugebauer/ Gattringer 1989, Abb. 29/4).

waren.17 In Pixendorf wurde in den Jahren 2004 und 2005 im Rahmen des Großbauprojekts der Hochleistungsbahnstrecke Wien–St. Pölten eine urnenfelderzeitliche Siedlung großflächig untersucht (Abb. 03_12).18 Auf einem Areal von 45.000 m² befanden sich insgesamt mehr als 40 dreischiffige Wohnbauten von 18 m × 6 m und kleinere rechteckige bzw. annähernd quadratische Wirtschaftsund Speicherbauten mit 4–10 Pfosten pro Grundriss. Im nördlichen Grabungsareal verliefen dicht gesetzte Pfostenreihen mit bis zu 30 m Länge parallel zu einem südlich gelegenen Bachbett. Ein Zusammenhang mit der Siedlung ist nicht gesichert. Die Pfostenreihen konnten jedoch durch Bronzefunde ebenfalls in die Urnenfelderzeit datiert werden. Die Siedlung überdauerte vermutlich in mehreren Phasen von der älteren bis zur jüngeren Urnenfelderzeit. Die Siedlungsgren-

Abb. 03_10. Plan des Gehöfts aus Mannersdorf am Leithagebirge (Melzer 1980–1981, Abb. 393).

zen scheinen nach Osten und Westen erreicht worden zu sein, da die Befunde in diese Richtungen ausdünnen, wie mehrere Künetten-Schnitte belegten. Nach Norden und Süden erstreckte sich die Siedlung über die bereits gegrabenen Areale hinaus.

der Palisade befand sich ein großer, vermutlich mehrphasiger

Eine Besonderheit in Pixendorf waren zehn Brunnen, die bis zu

Hauskomplex (18 m  ×  4,5 m), eine 8-Pfostenhütte (4 m  ×  3 m)

2,70 m tief und mit hölzernen Brunnenkästen aus Eichenholz

(Abb. 03_09) und eine große Grube.

ausgekleidet waren (Abb. 03_13). Die im anstehenden Grund-

Ein sich ebenfalls in Einzellage befindlicher Hausgrundriss mit

wasser gut erhaltenen Bretter waren in mehreren Lagen in

gleicher Datierung stammt aus Mannersdorf am Leithagebirge

Zapfen­ technik gesteckt übereinander aufgeschichtet worden

im südöstlichen Niederösterreich (Abb. 03_10).15 Aus 56 Gru-

(Abb. 03_14). In den Brunnenverfüllungen fanden sich zum Teil

ben und Pfostengruben konnte ein vierschiffiger Hausgrund-

sehr gut konservierte organische Reste, darunter eine Schnur

riss (12 m × 8,6 m) rekonstruiert werden. Das Haus war west-ost-

und ein geflochtener Weidenkranz. Im Inneren von zumindest

orientiert. Die Pfostengruben waren 0,45  m–0,9 m tief, wobei

zwei Brunnen wurden beinahe vollständig erhaltene Keramik-

die Mittel- und Eckpfostengruben aus den eingangs erwähnten

gefäße und viele -fragmente sowie Bronzegegenstände depo-

statischen Gründen am tiefsten waren. Eine beispielhafte Weileransiedlung kann derzeit nicht genannt werden, da oft ungeklärt ist, ob sich die Siedlung außerhalb der

16 Sauer 2006, 47–51.

Grabungsgrenzen noch fortsetzte.

17 Siehe dazu kritische Bemerkung bei Trebsche 2017, 180. P. Trebsche sieht in den großen langrechteckigen Hausgrundrissen typische Vertre­ ter des frühbronzezeitlichen Haustyps Brezno. Eine Klärung kann wohl erst nach vollständiger Aufarbeitung der einzelnen Befunde erfolgen.

15 Melzer 1980/1981.

18 Blesl/Kalser K. 2005a; Blesl/Kalser K. 2005b, 80 f.

52

3.2 Flachlandsiedlungen

Grabungsfläche Siedlungsbefunde des mittleren Neolithikums – Lengyel-Kultur Siedlungsbefunde der Urnenfelderzeit Siedlungsbefunde anderer Zeitstufen

niert. Der tiefste Brunnen war bis in den anstehenden Schotter unter dem Aulehm eingetieft. Zum Schutz vor dem Einbrechen

Abb. 03_11. Planausschnitt der Fundstelle Rannersdorf mit den im Nordwestbereich freigelegten urnenfelderzeitlichen Hausgrundrissen (Sauer 2006, 49).

der Baugrube hatte man diese mit Brettern und Spaltbohlen ausgekleidet.

53

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

Abb. 03_12. Gesamtplan der Siedlung aus Pixendorf (Grafik: Ch. Blesl, H. Kalser, R. Thoma/BDA und Archäologie Service).

Abb. 03_13. Blick auf freigelegten hölzernen Brunnenkasten SE 1771 mit Keramikfragmenten im Inneren (Foto: H. Kalser/BDA und Archäologie Service).

54

3.2 Flachlandsiedlungen

Abb. 03_14. Detailbild auf Eckverbindung in Zapfentechnik von Brunnen SE 1476 (Foto: H. Kalser/BDA und Archäologie Service).

3.2.2 Siedlungskammer Unteres Traisental Der Forschungsstand über urnenfelderzeitliche Siedlungen in

Abb. 03_15. Geologische Darstellung des Unteren Traisentals mit den Fundstellen der Urnenfelderkultur, Stand 2009 (Adametz 2011, Abb. 2).

Österreich könnte besser sein. Einerseits werden Fundstellen selten großflächig untersucht, andererseits ist der Aufarbeitungs- und Publikationsstand der bisher ergrabenen Ansied-

Siedlungsareal19, in dem bisher mehrere Siedlungen der Urnen-

lungen aufgrund finanzieller und personeller Ressourcen ein-

felderzeit gefunden wurden (Abb. 03_15).

geschränkt. Kleinere Bereiche urnenfelderzeitlicher Besiedlung

Von besonderer Bedeutung ist die neben dem Gräberfeld Franz-

werden immer wieder bei laufenden Grabungen in Österreich

hausen-Kokoron gelegene (siehe Kap. 9, Pkt. 9.9.3), durch-

aufgedeckt. Meist handelt es sich hierbei um wenige Gruben und

gehend und dauerhaft bewohnte Siedlung von Franzhausen/

vereinzelte Pfostensetzungen, die jedoch keinen Rückschluss

Wagram an der Traisen.20 Sie bestand von der Urnenfelderzeit

auf Siedlungsgröße oder -struktur zulassen.

bis in die Frühlatènezeit. Bei mehreren Untersuchungen zwi-

Eine fundreiche Ausnahme stellt das Traisental in Niederöster-

schen 1981 und 1992 wurden mehr als 12.000 Befunde aufge-

reich dar, wo durch den Schotterabbau seit den 1970er-Jahren

nommen. Statt eines locker belegten Dorfs präsentierte sich hier

großflächige archäologische Untersuchungen möglich waren. Das zwischen St. Pölten und Krems gelegene Gebiet an der Traisen war durch alle Zeiten ein immer wieder genutztes

19 Zuletzt Blesl 2012. 20 Zuletzt Neugebauer/Blesl 1998, 412.

55

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

Abb. 03_16. Blick auf eine Grabungsfläche der Siedlung von Gemeinlebarn aus dem Jahr 2008 (Foto: H. Kalser/BDA und Archäologie Service).

Abb. 03_17. Luftbild der Grabung von Pottenbrunn aus dem Jahr 2002. Im rechten obe­ ren Bereich der freigelegten Fläche sind drei- und vierschiffige Hausgrund­ risse von maximal 14,5 m × 9 m erkennbar (Foto: E. Wallner/Stadtmuseum St. Pölten).

eine Siedlung, deren Häuser planmäßig und rechtwinklig an ver-

drei- und vierschiffige Hausgrundrisse von maximal 14,5 m × 9 m

mutlichen Wegläufen ausgerichtet waren. Man konnte zum Teil

(Abb. 03_17).24 Ob die Häuser beider Grabungskampagnen zu

groß dimensionierte Wohnhäuser, etliche Wirtschaftsbauten,

einer gemeinsamen Ansiedlung gehört haben, ist wegen der

kellerartige Eintiefungen, diverse Abfall- und Vorratsgruben so-

räumlichen Entfernung ungesichert.

wie Herdstellen und Backöfen dokumentieren.

Eine weitere im Traisental situierte Siedlung wurde in Unter-

Eine ausgedehnte zweiphasige Siedlung der älteren Urnenfelder-

radlberg entdeckt. Sie stellt eines der wenigen Areale dar, die

kultur ist aus Gemeinlebarn bekannt, wo dank reger Bautätig-

vollständig aufgearbeitet sind.25 Ein 20.800 m² großer Bereich

keit seit den 1970er-Jahren Parzelle für Parzelle archäologisch

wurde in den Jahren 1996 und 1997 vor großflächigen Baumaß-

untersucht und bislang eine Fläche von mehr als einem Hektar

nahmen im Industriegebiet St. Pölten-Nord archäologisch unter-

mit knapp 7.000 Befunden ergraben werden konnte. Die Wohn-

sucht. Dokumentiert wurden 1.934 Befunde einer zweiphasigen

21

häuser hatten eine Länge von bis zu 18–19 m und eine Breite

urnenfelderzeitlichen Ansiedlung (Abb. 03_18). Neben 1.793

von bis zu 7 m (Abb. 03_16). Die Orientierung reichte von West-

Pfostengruben gab es eine eher geringe Anzahl Gruben (44)

Ost zu Nordwest-Südost bzw. Nordost-Südwest. Umgeben waren

und Gräbchen (12). Die Pfostengruben ließen sich zu insgesamt

die Gebäude von Gruben mit rundem bis rechteckigem Grundriss

mindestens 52 Hausgrundrissen zusammenfügen, die teilweise

und verkehrt trichterförmigem Querschnitt, die vermutlich der

nahezu komplett erhalten waren. Die ältere Besiedlungsphase ist

Vorratshaltung dienten.

mit großer Befunddichte durch verschieden große Pfostenbau-

Aus Pottenbrunn ist ebenfalls eine allgemein in die Urnenfelder-

ten vertreten und in die Stufen Bz D–Ha A1 zu stellen. Ein zweiter

zeit datierende Siedlung mit mehreren Häusern belegt.22 Bereits

Besiedlungsschwerpunkt umfasste zwei bis drei Gehöftgruppen

1993 war ein west-ost-orientiertes, dreischiffiges Gebäude aus

und ist in die Stufe Ha B2–3 zu datieren. Einen Befund der jün-

vier 8 m langen Pfostenreihen mit je vier Pfostengruben entdeckt

geren Besiedlungsphase kann man als Grubenhaus deuten. Drei

worden.23 Die beiden mittigen Reihen hielten einen Abstand von

Häuser der jüngeren Besiedlungsphase wiesen halbrunde, zaun-

3 m zueinander und jeweils nochmals 1,50 m zu den äußeren

artige Abschlüsse auf. Zusätzlich deuten am gesamten Areal

Pfostenreihen. Das ergab eine Breite von 7 und eine Länge von

lineare Strukturen aus Pfostengruben und Gräbchen auf Umzäu-

8 m. Begleitend zum Großbauprojekt der Hochleistungsbahn-

nungen hin, die man nicht zweifelsfrei der Siedlung zuordnen

strecke Wien–St. Pölten untersuchte man im Jahr 2002 weitere

kann. Ein südwestlich gelegener Brunnen ist höchstwahrscheinlich ebenfalls zur jüngeren Besiedlungsphase zu zählen.

21 Zuletzt Neugebauer/Blesl/Einwögerer et al. 1999, 484–485. 22 Zuletzt Neugebauer/Blesl/Gattringer et al. 2001, 201.

24 Blesl 2002.

23 Neugebauer/Blesl/Gattringer et al. 1993, 449.

25 Adametz 2011.

56

3.2 Flachlandsiedlungen

1

Abb. 03_18. 1. Gesamtplan von Unterradlberg mit Ergänzungen durch die Grabungsflächen der Jahre 2014 und 2015 im Norden – 2. Plan mit rekonstruierten Hausgrundrissen (Adametz 2015 und Adametz 2009, Abb. 4).

2

57

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

Der Fortbestand beider Siedlungsphasen über einen längeren Zeitraum wird durch verstärkte oder verdoppelte Pfostengruben an mehreren Gebäuden bestätigt, die Ausbesserungsarbeiten

3.3 Höhensiedlungen

oder Umbauten an Häusern belegen.26 Der weitaus größte Fundanteil stammte aus den Abfallgruben

Wichtige und im Text erwähnte Höhensiedlungen:

der Stufe Ha  B2–3. Das kennzeichnende Inventar einer urnenfelderzeitlichen Siedlung wird durch das reiche Spektrum an

• Altenburg/Am Stein (VB Hainburg)

Keramikfunden, Tierknochen (siehe Kap. 6, Pkt. 6.6.1) und

• Grafenberg/Vitusberg (VB Horn)

Hüttenlehm sowie durch wenige Bronze-, Stein-, Knochen- und

• Gutenstein/Am Gelände (VB Wiener Neustadt)

Geweihfunde repräsentiert. Die Keramik zeigt neben Formen

• Heitzing/Türkenschanze (VB St. Pölten Land)

der in unserem Raum heimischen Podoler Kultur auch Einflüsse

• Limberg/Heidenstatt (VB Hollabrunn)

der benachbarten Lausitzer, Knovizer und Nynicer Kultur sowie

• Limberg/Kirchenberg (VB Hollabrunn)

der deutschen Kelheimstufen. Für ein Rasiermesser sind italie-

• Maissau (VB Hollabrunn)

nische Vorbilder denkbar. Dies belegt einerseits einen Material-,

• Thunau am Kamp (VB Gars am Kamp)

Produkt- und Ideen-/Kulturaustausch über größere Entfernungen

• Oberleis (VB Ernstbrunn)

hinweg; andererseits lässt es auf Transportmittel sowie weiträu-

• Pitten/Schlossberg (VB Neunkirchen)

mige Wegenetze schließen. Spuren des haushandwerklichen

• Schiltern (VB Langenlois)

Alltags sind Reibplattenfragmente, Sieb- und Vorratsgefäße so-

• Stillfried an der March (VB Gänserndorf)

wie Spinnwirtel. Reste von Tierknochen zeigen die Palette der

• Sopron/Ungarn

gehaltenen Haustiere sowie der erlegten Wildtierarten. All diese

• Velem, Szent Vid/Ungarn

Funde und Befunde gewähren vielfältige, wenn auch unvollstän-

• Wien 1190/Leopoldsberg

dige Einblicke in das Leben einer spätbronzezeitlichen Siedlung. Sogar eine Bestattung innerhalb der Siedlung sowie verstreute,

Während der mittleren bis späten Urnenfelderzeit (Ha A2–Ha B3)

menschliche Einzelknochen unterschiedlicher Individuen wur-

kam es zu einem Bevölkerungsanstieg. Die Siedlungsbereiche

den nachgewiesen (siehe Kap. 10, Abb. 10_16).

wuchsen und an günstig gelegenen Stellen entstanden – oftmals

Die Siedlungsgrenzen konnten im Süden und Westen des Gra-

20–30 ha große – befestigte Höhensiedlungen.

bungsareals erschlossen werden. Im Osten wird eine weitere

Diese Höhensiedlungen entwickelten sich an verkehrsgeogra-

Untersuchung durch die bestehende Gleisanlage der ÖBB-

fischen Reizpunkten. Sie wurden in möglichst gut natürlich ge-

Strecke St. Pölten–Traismauer langfristig unmöglich gemacht.

schützten Lagen angelegt. Bergsporne und Bergrücken von

Die Siedlungsgrenze im Norden wurde in einer letzten Grabungs-

Einzelbergen in der Ebene (sog. Inselberge) und niedrige Ge-

kampagne im Juni/Juli 2015 erfasst.27

ländesporne boten einerseits gute Sicht ins Umland und waren andererseits schwieriger für Feinde zu erreichen. Charakteristisch ist, dass die Absicherung der ungeschützten Bereiche, also der nicht bereits natürlich unzugänglichen Seiten, durch ein Wall-Graben-System erfolgte. Diese Befestigungen waren keine Burgen im mittelalterlichen Sinn, wo die Oberschicht und ihr Gefolge lebten, sondern überwiegend große, selbstversorgende Ansiedlungen. In den besagten Anlagen kam es zu einer höheren Bevölkerungsdichte, die ggf. auch bedarfsorientiert und temporär schwankte. Wenn man Bevölkerungswachstum, Ressourcen und Schutzbedürfnis berücksichtigt, lässt sich für diese Orte eine zentrale Funktion im Siedlungsbild der Urnenfelderkultur annehmen.28 Nach wie vor hatte die Verarbeitung von Bronze eine besondere Bedeutung. Der Nachweis von Bronzehandwerk (Gussformen, Gusskuchen und Halbfabrikate) einerseits und Fernkontakte

26 Vgl. Říhovský 1982, 10. 27 Adametz 2015.

58

28 Zu den Begriffen „zentraler Ort“ und „Urbanisierung“ vgl. Schuppert 2013, 23–33.

3.3 Höhensiedlungen

(Luxusgüter wie z. B. Bernstein, Bronzetassen) andererseits

Eine in jüngerer Zeit dokumentierte urnenfelderzeitliche Anlage

unterstreichen die Bedeutung dieser Anlagen zusätzlich.

ist die sog. Türkenschanze bei Heitzing im Dunkelsteinerwald,

Die Erforschung einzelner urnenfelderzeitlicher Höhensiedlun-

eine ursprünglich als spätmittelalterliche Fluchtburg bezeichne-

gen hat in Niederösterreich eine lange Tradition und reicht für

te Befestigungsanlage. Das Siedlungsplateau weist einen Durch-

manche Fundorte bis in die Mitte des 19. Jh.s zurück. Oberflä-

messer von ca. 800 m auf und wird rundum von einem niedrigen

chenaufsammlungen und Zufallsfunde, aber leider auch Raub-

Wall umlaufen. Im Mai 2006 stellte man bei der Neuvermessung

grabungen haben viele Höhensiedlungen in den Fokus öffentli-

des bereits in den 1980er-Jahren durch das Bundesdenkmalamt

chen und wissenschaftlichen Interesses gerückt. Systematische

aufgenommenen Walls in der Flur Föhrenleiten Schäden durch

Ausgrabungen wurden allerdings nur in wenigen Anlagen durch-

schweres Forstgerät fest. In diesem Bereich wurde ein Dokumen-

geführt. Diese oft mehrjährigen Grabungen mit zahlreichen do-

tationsschnitt (Breite 4,8 m, Länge 11 m) angelegt, der neben

kumentierten Funden und Befunden gewähren fundierte Ein-

einem neuzeitlichen Hohlweg und Schichten mit römischen (?)

blicke in Struktur und Entwicklung der Anlagen sowie den

und mittelalterlichen Streufunden auch den prähistorischen

Lebensalltag der Menschen. In diesem Zusammenhang sind v. a.

Wall selbst erfasste. Dieser besteht aus einer Erdschüttung mit

die Höhensiedlungen Stillfried an der March, Oberleiserberg

Substruktion und weist Reste einer Außenmauer aus Bruch-

und Thunau am Kamp zu nennen, deren Aufarbeitungen zudem

steinen auf. Aus dem Wallkörper stammen ein fragmentierter

eine Deutung als befestigte Zentralorte von überregionaler

(mittel-)urnenfelderzeitlicher Doppelkonus mit gerundetem

Bedeutung erlauben.

Bauchumbruch und Teile eines Topfes, welche die bereits an-

Neben diesen nachgewiesenen großen Zentralorten gab es lage-

hand zahlreicher Streufunde vermutete Entstehung des Walls in

mäßig und baulich vergleichbare, wenn auch deutlich kleinere

der Urnenfelderzeit belegen.33

Anlagen. Welchen Stellenwert und Zweck sie im Gesamtgefüge

Aus der Kupferbergbauregion im südöstlichen Niederösterreich

der urnenfelderzeitlichen Siedlungen einnahmen, ist derzeit

sind mehrere prähistorische Höhensiedlungen bekannt. Die

noch ungeklärt.29

Höhensiedlung Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg, der

Beispielsweise sind am Ostrand des Waldviertels, neben dem

Schlossberg bei Pitten und der Kienberg haben eine gesicher-

Zentralort Thunau am Kamp der Burgstall bei Schiltern und die

te urnenfelderzeitliche Zeitstellung. Weitere mögliche urnen-

Heidenstatt bei Limberg zu nennen, deren geringe Größe und ab-

felderzeitliche Anlagen befinden sich im Bereich des Flusstals

gelegene Tallage für eine lokale Bedeutung sprechen. Dass das

der Schwarza (siehe Kap. 7, Pkt. 7.2.1). Jenseits der heutigen

Netz von Höhensiedlungen ursprünglich recht dicht gewesen

Staatsgrenze zu Ungarn liegen die bedeutendsten Zentren auf

sein muss, zeigen etliche weitere Fundstellen in der Region wie

dem Burgstall von Sopron34 sowie in Velem, Szent Vid35.

der Kirchenberg bei Limberg und der Vitusberg bei Grafenberg. Diese Siedlungen liefern bislang Streufunde, aber keine dokumentierten Befunde aus der Urnenfelderkultur. Zwei Abschnittsbefestigungen in der Nähe von Maissau lassen Wälle und Gräben erkennen. Spärliche Funde und fehlende wissenschaftliche

3.3.1 Höhensiedlung Thunau am Kamp

Ausgrabungen erlauben auch hier nur unter Vorbehalt eine

Die Anlage von Thunau wurde bereits im 19. Jh. durch Johann

Zeitstellung in die Urnenfelderkultur.30 Die mit diesen Anlagen

Krahuletz, den Gründer des gleichnamigen Museums in Eggen-

verbundenen, bislang kaum fassbaren Wirtschafts- und Herr-

burg, entdeckt.36 Doch erst nach Abholzung des Hochwalds

schaftsstrukturen innerhalb der urnenfelderzeitlichen Gesell-

im Bereich der vermuteten Siedlung begannen systematische

schaft sind eine offene Forschungsfrage. Untersuchungen zu den

Untersuchungen. Die Forschungsgrabung des Instituts für Ur-

Einzugsgebieten der Höhensiedlungen im Zusammenhang mit

und Frühgeschichte der Universität Wien wurde unter der Lei-

den topografischen Gegebenheiten sind noch durchzuführen.

tung von Herwig Friesinger 1965 begonnen, von Erik Szameit ab

Südlich der Donau lag eine heute weitgehend zerstörte urnen-

1993 fort-geführt und 2003 zu einem vorläufigen Abschluss

felderzeitliche Höhensiedlung Am Stein in Deutsch-Altenburg.31

gebracht.

Auch auf dem Leopoldsberg bei Wien setzte die Besiedlung in

Das Ausgrabungsgelände liegt auf einem west-ost-verlaufen-

der jüngeren Urnenfelderzeit ein.32

den Höhenrücken (Schanzberg) in ca. 437 müA. Die Flur ist durch

29 Siehe dazu Heske 2010; Ostermeier 2012 für Bayern.

33 Blesl/Kalser H. 2006, 21.

30 Lochner 1991, 336.

34 Patek 1982.

31 Neugebauer-Maresch 1980.

35 Miske 1908; zuletzt Czajlik/Molnár/Sólymos 1995.

32 Kerchler 1962; Urban 1999.

36 Zuletzt Lochner/Kern 2016; Lochner 2018.

59

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

Abb. 03_20. Das Gelände der Höhensiedlung von Thunau am Kamp mit urnenfelder­ zeitlicher Siedlungsfläche und Abschnittswall (Grafik: M. Lochner, Daten­ grundlage: Land NÖ/Laserscannings, Bearbeitung: M. Doneus).

spätmittelalterliche und frühneuzeitliche landwirtschaftliche Tätigkeit terrassenartig gegliedert und wurde in jüngerer Zeit teilweise wieder aufgeforstet. Der Steilabfall zum Kamp im Osten beträgt ca. 140 m und bietet einen hervorragenden Ausblick in das Kamptal sowie das anschließende Horner Becken. Für die jüngere Urnenfelderkultur (Abb. 03_19) und das Frühmittelalter (8.–11. Jh. n.  Chr.) kann man hier eine großflächige und dichte Besiedlung nachweisen. Für die chronologisch dazwischenliegenden Perioden der entwickelten Hallstattzeit, der Spätlatènezeit sowie der Spätantike und der VölkerwanderungsAbb. 03_19. Summenkalibration von acht Proben der urnenfelderzeitlichen Anlage von Thunau am Kamp. Auf dem 1-σ-Niveau ergibt sich ein Datierungsintervall von 930–800 v. Chr., auf dem 2-σ-Niveau ein Datierungsintervall von 1050–790 v. Chr. (mit freundlicher Genehmigung von P. Stadler).

zeit sind aufgrund der Grabungsergebnisse nur wesentlich kleinere Siedlungsareale anzunehmen. Der westliche Teil des Höhenrückens, die sog. Schanze, zeigt heute noch einen mächtigen slawischen Wall mit zwei Toranlagen. An die Schanze schließt gegen Osten, nur über eine schmale Geländerippe zugänglich, die sogenannte Holzwiese an. Hier

60

3.3 Höhensiedlungen

Abb. 03_21. Thunau am Kamp, Schnitt 89, Profil und Planum des urnenfelderzeitlichen Walls (Foto IUHA).

gereihten Kästen aus Rundhölzern in Blocklage, die mit Erde aufgefüllt und überdeckt wurden (Abb. 03_21). Ein der urnenfelderzeitlichen Anlage entsprechendes großes Gräberfeld ist bislang im Umfeld der Höhensiedlung archäolo-

war in der jüngeren und späten Urnenfelderzeit der eigentli-

gisch nicht fassbar. Etwa 250 m westlich der Siedlung war ein

che Siedlungsbereich (Abb. 03_20). Dieser Geländeteil ist nach

kleiner Friedhof angelegt, der großteils beim Bau des slawischen

Osten durch den Steilabfall zum Kamp und nach Süden durch

Walls zerstört wurde. Erhalten haben sich drei einfach ausgestat-

ein tief eingeschnittenes Seitental natürlich geschützt. Gegen

tete Brandgräber. Ein weiterer Bestattungsplatz befand sich am

Westen wurde zur sich fortsetzenden Hochfläche ein teilweise

Ausgang des nördlichen Seitentales zum Kamp. 1983 wurde hier

noch heute erkennbarer Abschnittswall errichtet.

anlässlich von Kanalbauarbeiten neben etlichen frühmittelalter-

Bogenförmig im Süden an einem Steilhang beginnend, riegelt

lichen Körpergräbern ein einzelnes urnenfelderzeitliches Brand-

dieses Annäherungshindernis das Gelände zwischen Schanze

grab geborgen. Ein in jüngerer Zeit durch eine

und Holzwiese ab. Der Wall hat hier eine Basisbreite von fast

abgesicherter urnenfelderzeitlicher Befund aus dem zentralen

20 m und eine heute noch erhaltene Höhe von über 3 m. Er ist

Bereich der Höhensiedlung wirft möglicherweise neues Licht auf

in seinem nördlichen Verlauf noch fast bis ins Tal zu verfolgen.

die Bestattungsproblematik. Er zeigt eine von der Norm abwei-

Eine Toranlage bot Durchlass im westlichsten Teil des Walls, am

chende Sonderbehandlung von Verstorbenen: Auf dem Boden

14

C-Datierung

Übergang zu jener Geländerippe, die die Anlage mit der Hoch-

einer runden Eintiefung, die ursprünglich als Arbeitsplattform

fläche verbindet. Ein weiterer, ca. 2,5 m breiter Einschnitt mit er-

gedient haben könnte, waren die Skelette einer Frau und eines

kennbarer Wegtrasse konnte am südlichen Ende der Befestigung

Mannes, jeweils 40 bis 60 Jahre, sowie die eines Kindes, 8 bis

festgestellt werden. Der Wall-Unterbau bestand aus aneinander

9 Jahre, deponiert worden (siehe Kap. 10, Abb. 10_15). 61

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

Abb. 03_22. Thunau am Kamp, Auswahl von Gefäßkeramik (Foto: N. Sautner/IUHA).

stättenbereiche nachgewiesen werden. Am Südwestwall waren die Wohnanlagen direkt an den Wallkörper angebaut. Sie verfügten über teilweise tief in den Felsen eingeschlagene Keller. Mög-

Stratigrafisch können zwei Siedlungsabschnitte unterschieden

licherweise ist auch ein durch Pfostengruben rekonstruierbares,

werden: Die ältere Phase ging vom Bereich der oberen Holzwiese

großes hallenartiges Gebäude im Bereich der oberen Holzwiese

aus und nahm vermutlich verhältnismäßig rasch das gesamte

der Urnenfelderkultur zuzurechnen.

Terrain der Holzwiese ein. Während der jüngeren Phase wurden

Die Häuser waren in Ständerbauweise mit lehmverschmierten

die Siedlungsbauten planiert, um Platz bzw. ein Fundament für

Flechtwerkwänden, viele auch in Blockbauweise, errichtet. Stan-

den Wallbau zu schaffen. Jetzt wurde auch der Nordhang, der re-

dardmäßig kann man von einem rechteckigen Hausgrundriss

lativ steil zu einem Seitengraben des Kamptals abfällt, terras-

von 4–5 m × ca. 7–8 m ausgehen.

siert und besiedelt. In diesem Areal ist ein Quellhorizont (Bruch-

Es fanden sich zahlreiche Reste von Feuerstellen, Backöfen, Un-

kante mit Quellaustritt) nachgewiesen, ein weiterer Quellbereich

terlagsplatten und Reibsteine (Läufer) zum Mahlen von Getreide

befindet sich etwa 250 m südwestlich der Holzwiese.

sowie Webstuhlreste, Gussformen, Schmuck und Werkzeug aus

Über das Ende der urnenfelderzeitlichen Siedlungstätigkeit am

Bronze und Knochen. Ein reichhaltiges Spektrum keramischer

Ort wissen wir nur, dass die Anlage um 800/750 v. Chr. aufgege-

Haushaltsgefäße ist ebenfalls belegt (Abb. 03_22). Manchmal

ben wurde. Der Grund könnte ein Schadfeuer gewesen sein, al-

machen die noch in Originallage angetroffenen Inventarreste die

lerdings ist großflächige Zerstörung durch Brand nicht nachweis-

Ausstattung der spätbronzezeitlichen Haushalte fassbar (siehe

bar; Hungersnöte, Epidemien und Ähnliches kommen natürlich

Kap. 4, Pkt. 4.1 und 4.2). Regionale Sonderformen sind Keramik-

auch in Frage. Die großflächigen Grabungen haben gezeigt, dass

fässchen (siehe Kap. 4, Pkt. 4.2.2), sowie schiffchenförmige Ob-

große Teile der ca. 25 ha großen Anlage dicht besiedelt waren.

jekte, sog. Keramiklämpchen, deren Funktion bislang noch nicht

Die geringe Mächtigkeit der Kulturschicht und Eingriffe durch

eindeutig geklärt ist (Abb. 03_23).37

die frühmittelalterliche Besiedlung reduzieren allerdings aussagekräftige Befunde zu Innenstruktur und Verbauungsmuster der urnenfelderzeitlichen Siedlung. Dennoch können einzelne Wohnhäuser, Speicher und Wirtschaftsbauten bzw. Hauswerk62

37 Insgesamt sind aus der Höhensiedlung 13 Stücke bzw. Bruchstücke erhalten: Lochner 1991, 256, 258, 340. Kern D. 2001, 32, Taf. 7/4; 118/3; 56/10; 38/17 außen mit flächiger Riefenzier; Wewerka 2001, Taf. 272/8, 2; Lochner 2018, Abb. 7.

3.3 Höhensiedlungen

Abb. 03_24. Thunau am Kamp, Schnitt 305, Befund des Schmuckdepots (Foto: IUHA).

in dieser Zeitperiode üblich, in Thunau überwiegen. Man jagte auch Wildtiere wie Reh und Hirsch.38 Ziemlich umfangreiche Ansammlungen von verkohlten Pflanzenresten gewähren weitere Einblicke in die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner. Es handelt sich vorwiegend um Gerste, aber auch Reste von Weizen, Emmer, Einkorn, Rispenhirse und Linse kommen vor. Von besonderer Bedeutung sind Samen von Leindotter, die möglicherweise als Ölfrucht genutzt wurden (siehe Kap. 5, Punkt 5.4.2).39 Das in einzelnen Fundverbänden Abb. 03_23. Thunau am Kamp, sogenannte Keramiklämpchen (Länge ca. 10 cm) (Foto G. Gattinger/IUHA).

vorliegende, konzentrierte gemeinsame Auftreten von Linse und Gerste in Vorratsgefäßen ermöglicht außerdem Aussagen zu Anbau und Weiterverarbeitung innerhalb der Siedlung. So wurde Linse häufig in Mischkultur mit Getreide – insbesondere Gerste – gepflanzt. Dieser Mischanbau schafft Stützen für die Linsenran-

Die Ökonomie der Siedlung war agrarisch orientiert, von Vieh-

ken, verbessert die Stickstoffbilanz des Ackerbodens und ergibt

zucht und Ackerbau bestimmt. Durch Knochenfunde sind die Haustierarten Rind, Schwein, Schaf/Ziege, Pferd und Hund nachgewiesen, wobei die Reste von Rind und Schwein, wie auch sonst

38 Kanelutti 1993. 39 Popovtschak/Zwiauer 2003, 100, 150–15 und Abb. 164.

63

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

bei gemeinsamer Ernte und Weiterverarbeitung eine ernährungsphysiologisch und backtechnisch vorteilhafte Kombination.40

Abb. 03_25. Luftbild der Höhensiedlung von Thunau am Kamp aus den 1960er-Jahren: 1. Obere Holzwiese – 2. Untere Holzwiese – 3. Nordhang (IUHA Luftbildarchiv; Grafik: M. Lochner).

Der einzige urzeitliche Depotfund aus der Siedlung von Thunau stammt aus der Endphase der urnenfelderzeitlichen Siedlung.41 Zu diskutieren wäre, ob es sich möglicherweise bereits um eine

einerseits die Abschnittsbefestigung und andererseits die topo-

Objektgruppe aus der Hallstattkultur handelt.42 Man fand ein

grafische Situation mit Akropolis (Obere Holzwiese), Oberstadt

neuwertiges, offensichtlich noch unbenutztes Frauenschmuck-

(Untere Holzwiese) und besiedeltem Nordhang (Abb. 03_25).

Ensemble, bestehend aus je vier Radanhängern und verzierten

Allerdings sind weder regelhafte Bebauungen noch spezielle

Bronzeblechröllchen, Bernsteinperlen sowie zahlreichen Ringen,

Handwerksviertel und auch keine Kultanlagen, wie man sie für

das fest verschnürt in einem Holzkästchen in der Erde vergraben

die antike Stadt definiert, fassbar. Die Einwohner lebten über-

wurde (Abb. 03_24).

wiegend von der Landwirtschaft. Sie hielten ihr Vieh innerhalb

Der Gesamtbefund der Siedlung von Thunau wirft die Frage auf,

der Anlage und bewirtschafteten ihre Felder im Umkreis der

ob es sich hier um die Vorform einer Stadt handelt. Das antike

Siedlung. Wiewohl Fundmaterial und Befunde bislang keine

Stadtkonzept ist allerdings nur in Ansätzen erkennbar. Für den

soziale Staffelung erkennen lassen, kann man bei einer so gro-

Vergleich mit einer klassischen Stadtanlage der Antike sprechen

ßen befestigten Siedlung von einer zentralörtlichen Bedeutung

43

40 Kohler-Schneider 2001, 136 f. 41 Lochner 1998/99; vgl. auch Turk 2001, 256 und Fig. 3. 42 Zwei nahezu idente Radanhänger stammen aus einem reichen Frauengrab der Horákov-Kultur aus der Nekropole von Modřice, Bez. Brno-venkov (Grab H818, Dat. 2. Hälfte 7. bis 1. Hälfte 6. Jh. v. Chr.); dazu Cižmař/Geislerova 2006, 52. 43 Jockenhövel 1990, 220; Hänsel 2005, 188 f.; Beilke-Voigt 2010, 43.

64

mit strategischen, administrativen und wirtschaftlichen Funktionen ausgehen. Die Errichtung, Erhaltung und Nutzung einer solchen Anlage setzt entsprechende, komplexe Gemeinschaftsstrukturen voraus.

3.3 Höhensiedlungen

Literatur zur urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung Thunau am Kamp (Auswahl) Friesinger/Friesinger 1991: H. Friesinger/I. Friesinger, Ein Vierteljahr­ hundert Grabungen in Thunau/Gars am Kamp, AÖ 2/1, 1991, 6–22. Kanelutti 1993: E. Kanelutti, Archäozoologische Untersuchungen am Schanzberg von Gars/Thunau. In: Bioarchäologie und Frühgeschichtsforschung, ArchA Monographien 2, 1993, 169–184. Kern D. 2001: D. Kern, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensied­ lung (Grabung 1965–1990). Urnenfelderzeitliche Siedlungs­ funde der unteren Holzwiese, MPK 41 (Wien 2001). Lochner 1989/99: M. Lochner, Ein Schmuckdepot der Urnenfelder­ zeit aus Thunau am Kamp, Niederösterreich, ArchA 82/83, 1998/99, 181–186. Lochner 2004: M. Lochner, Gussformen für Ringe aus urnenfelder­ zeitlichen Fundstellen Niederösterreichs, ArchA 88, 2004, 103–120. Lochner 2012: M. Lochner, Thunau am Kamp – eine befestigte Höhensiedlung der Urnenfelderkultur und der außergewöhnliche Fund eines Tonfässchens. In: W. Blajer (Red.), Peregrinationes Archaeologicae in Asia et Europa Joanni Chochorowski Dedica­ tae, Instytut Archeologii Uniwersytetu Jagiellonskiego, Wydawnictwo Profil-Archeo (Kraków 2012), 193–203. Lochner 2013: M. Lochner, Zur Ausstattung von Hanghaus 01 der urnenfelderzeitlichen befestigten Höhensiedlung von Thunau am Kamp, Niederösterreich. In: Z Badań nad Kulturą społec­ zenstw Pradziejowych i Wczesnośredniowiecznych, Księga Jubileuszowa Dedykowana Profesorowi Bogusławowi Gedid­ ze, Institute of Archaeology and Ethnology Polish Academy of Sciences (Wrocław 2013), 307–319. Lochner 2017: M. Lochner, Thunau am Kamp – eine befestigte Höhensiedlung der Urnenfelderkultur. Grundlagen und aktuelle Forschungsergebnisse. In: Proceedings of the Internation­ al Conference in Zagreb „The Late Urnfield Culture between the Eastern Alps and the Danube“, November 7th–8th, 2013, Zbornik Instiuta za Arheologiju Volume 9 (Zagreb 2017), 7–24. Lochner 2018: M. Lochner, Thunau am Kamp – eine befestigte Höhen­ siedlung der Urnenfelderkultur. In: E. Nowotny/M. Obenaus/ S. Uzunoglu-Obenaus (Hrsg.), 50 Jahre Archäologie in Thunau am Kamp, Festschrift für Herwig Friesinger, Archäologische Forschungen in Niederösterreich neue Folge 5 (Krems 2018), 25–42. Lochner/Kern D. 2016: M. Lochner/D. Kern, Josef Höbarths „Feld­ fruchthütte“. Zur Aussagekraft von Altfunden am Beispiel der urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung Thunau am Kamp, Niederösterreich, ArchA 100, 2016, 151–188. Obenaus 2015: M. Obenaus, Die frühmittelalterliche Talsiedlung von Thunau am Kamp, AÖ 26/1, 2015, 9–21. Schierer 1987: I. Schierer, Ein Webstuhlbefund aus Gars-Thunau, Niederösterreich. Rekonstruktionsversuch und Funktionsanalyse, ArchA 71, 1987, 29–87.

Stadler/Draxler/Friesinger et al. 1998/99: P. Stadler/S. Draxler/ H. Friesinger/W. Kutschera/A. Priller/W. Rom/P. Steiner/ E. Wild, Die Absolutdatierung der urnenfelderzeitlichen und frühmittelalterlichen Wallanlage von Thunau am Kamp, MG Gars am Kamp, Niederösterreich mit Hilfe von 14C-Daten, ArchA 82/83, 1998/1999, 39–45. Popovtschak/Zwiauer 2003: M. Popovtschak/K. Zwiauer, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung. Archäobotanische Untersuchungen urnenfelderzeitlicher und frühmittelalterlicher Befunde. Bestandsaufnahme der Grabungskampagnen bis einschließlich 1995, MPK 52 (Wien 2003). Wewerka 2001: B. Wewerka, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung (Grabung 1965–1990). Urnenfelderzeitliche Siedlungsfunde der oberen Holzwiese, MPK 38 (Wien 2001).

3.3.2 Burgstall von Schiltern Ebenfalls am Ostrand des Waldviertels, etwa 30 km südlich von Thunau, liegt der Burgstall von Schiltern. Das 425 m hohe Plateau fällt sowohl im Westen als auch im Süden und Osten steil ab. Die Anlage ist nur von der relativ flach ansteigenden Nordseite aus zugänglich. Erste archäologische Untersuchungen fanden bereits in der ersten Hälfte des 20. Jh.s statt (Abb. 03_26). Zuletzt wurde eine Grabung im Jahr 1979 von Gerhard Trnka durchgeführt.44 Die ältesten Siedlungsspuren reichen bis ins mittlere Neolithikum zurück. Intensive Siedlungstätigkeit ist für die Stufe Bz A2 nachgewiesen, danach setzen die Funde erst wieder in der älteren Urnenfelderkultur ein, wie vor allem ein bereits 1939 aufgefundenes Bronzedepot belegt (siehe Kapitel 4, Abb. 04_14). Der Schwerpunkt der Besiedlung ist in der Übergangsphase Ha  B3/C1 anzusetzen. Gegen Ende der Urnenfelderzeit wurde die Nordseite des Bergplateaus durch eine Abschnittsbefestigung gesichert. Dazu wurde ein Wall in Stein-Erde-Technik, mit längs- und querlaufenden Hölzern in den unteren Lagen zur Festigung des Aufschüttungsmaterials, errichtet (Abb. 03_27. Das urzeitliche Tor der Anlage befand sich an der Stelle, wo auch heute noch der Weg auf den Burgstall den Wall im Nordosten durchquert. Auf dem Plateau konnte nur eine dünne Erdschicht mit Scherben aus den verschiedenen Zeitperioden festgestellt werden, Grubenverbände oder Überreste von Bauten waren jedoch nicht vorhanden. Eine ununterbrochene Siedlungstätigkeit während der gesamten Urnenfelderzeit ist ebenso wenig nachgewiesen wie eine gewaltsame Zerstörung. 44 Trnka 1983.

65

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

Abb. 03_26. Schiltern, Handzeichnung zur Topographie des Burgstalls von Anton Hrodegh (Hrodegh 1917, Abb. 1).

Abb. 03_27. Schiltern, Grabungsschnitt durch die Wallanlage, Grabung G. Trnka 1979 (Foto: G. Trnka/IUHA).

In den Jahren 1980 bis 1982 fanden Untersuchungen durch das

3.3.3 Heidenstatt bei Limberg

Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien statt. Ihr Hauptaugenmerk galt der die Südostseite der Anlage begrenzenden Geländestufe, die offensichtlich nicht natürlichen Ursprungs ist.45 Ein Schnitt durch diese Geländestufe erbrachte

In einem auch heute noch entlegenen Waldgebiet auf der Hoch-

eine mittelbronzezeitliche Steinreihe (Mauerreste?), die auf ei-

fläche des Manhartsbergs befindet sich ein ebenfalls von drei

ner Holzlage mit verkohltem Getreide errichtet war. Zahlreiche

Seiten durch Steilhänge natürlich geschütztes Plateau. An der

Funde aus der späten Urnenfelderzeit und Keramikreste aus dem

leicht zugänglichen Südostseite ist eine Geländestufe sichtbar.

4.–5. Jh. n. Chr. befanden sich in Streulage. Die heute sichtbare

Das Gebiet der Heidenstatt ist schon im 19. Jh. durch Candid

Geländestufe ergab keinen Hinweis auf eine urzeitliche Befes-

Pontz Reichsritter von Engelshofen (1803 – 1866) bekannt ge-

tigung, sie ist in der Neuzeit durch landwirtschaftliche Tätigkeit

worden. Zahlreiche Funde kamen im Laufe der Zeit durch land-

entstanden. Die Analyse der Grabungsbefunde steht noch aus;

wirtschaftliche Tätigkeit und Raubgrabungen zutage.

zahlreiche Bodenverfärbungen und ein Hausgrundriss aus Pfos-

Die auffällige Häufung von Bronzegegenständen, Gussformen

tengräbchen lassen aber eine intensive späturnenfelderzeitliche

und Halbfabrikaten legt ein ähnlich großes Zentrum Metall verar-

Besiedlung vermuten.

beitender Werkstätten wie etwa in Thunau am Kamp oder auf der Höhensiedlung Velem, Szent Vid (Ungarn), nahe (Abb. 03_28–30). 66

45 Tuzar 1984.

3.3 Höhensiedlungen

Abb. 03_28. Heidenstatt bei Limberg, Auswahl von Bronzeschmucknadeln aus dem Alt­ bestand des Krahuletz-Museums (Foto: N. Weigl; Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).

Abb. 03_29. Heidenstatt bei Limberg, Bruchstück einer Steingussform für eine Bronzepfeilspitze aus dem Altbestand des Krahuletz­Museums (Foto: P. Ableidinger; Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).

Abb. 03_30. Heidenstatt bei Limberg, Auswahl von Bronzepfeilspitzen aus dem Altbe­ stand des Krahuletz-Museums (Foto: N. Weigl; Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).

67

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

Abb. 03_31. Luftbild vom Oberleiserberg aus dem Jahr 1965, Blick von Süden (IUHA Luftbildarchiv).

3.3.4 Höhensiedlung Oberleiserberg

Aus dem Neolithikum sind hauptsächlich Streufunde bekannt.

Daniela Kern

Möglicherweise datiert ein Graben, den A. Stuppner nachweisen konnte, in das Spätneolithikum. Erstmals großflächig besie-

Der Oberleiserberg liegt landschaftsbeherrschend inmitten des

delt war der Oberleiserberg während der frühbronzezeitlichen

hügeligen Weinviertels westlich von Mistelbach (Abb. 03_31).

46

Aunjetitz-Kultur. Die ursprünglich unbefestigte Siedlung wurde

Er wurde bereits 1872 in der archäologischen Fachliteratur als

im Lauf der Zeit mit einem Graben umgeben, der sich rund um

prähistorische Fundstelle beschrieben. Erste archäologische

das Plateau zog. Außerhalb dieses Grabens errichtete man eine

Grabungen führten Herbert Mitscha-Märheim und Ernst Nischer-

Befestigung; die Kalksteine dafür stammten aus dem Graben.

Falkenhof in den Jahren 1925 bis 1930 und 1933 durch. Sie

Die verwendete Erde wurde aus dem Innenbereich der Anlage

überzogen das Plateau mit einer großen Anzahl an Suchschnit-

entnommen und war stark mit Keramikbruchstücken und Sied-

ten und publizierten ihre Ergebnisse in rascher Folge. Seit 1976

lungsschutt durchmischt. Die Siedlung wurde gegen Ende der

finden Ausgrabungen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte

Aunjetitz-Kultur bzw. am Beginn der Věteřov-Kultur durch Brand

der Universität Wien statt. Von 1976 bis 1990 standen sie unter

zerstört. Teile der verbrannten Konstruktion stürzten in den

der Leitung von Herwig Friesinger. 1996 begann Alois Stuppner

Graben. Die Siedlung selbst dürfte kurz nach dieser Brandkatas-

die Grabungen fortzuführen. Bei all diesen Untersuchungen

trophe aufgegeben worden sein.

standen frühgeschichtliche Forschungsfragen im Vordergrund.

Eine neuerliche Besiedlung des Oberleiserberges erfolgte in der

Es wurden aber auch Funde und Befunde anderer Zeitstellung

älteren Urnenfelderkultur. Diese Siedlung war vermutlich eben-

dokumentiert.

falls befestigt. In den Schnitten der Grabungen der Jahre 1976

47

bis 1990, mit denen die Geländekante untersucht wurde, sind 46 Zuletzt Kern D. 2011. 47 Mitscha-Märheim/Nischer-Falkenhof 1929.

68

nur wenige Überreste dieser Befestigung vorhanden – begründet vor allem in Baumaßnahmen während der Völkerwanderungszeit

3.3 Höhensiedlungen

1

Abb. 03_33. Oberleiserberg, dünnwandige, innenverzierte Schale (Foto: IUHA).

Gründen aufgegeben, möglicherweise deshalb, weil man auf den nahe gelegenen Steinberg umsiedelte. Das urnenfelderzeitliche Typenspektrum der Keramik entspricht 2 Abb. 03_32. Oberleiserberg, Grabung 1989: 1. Herdplatten sowie Reste eines Kuppelofens (oben)– 2. Detailansicht des Kuppelofens (unten) (Foto: IUHA).

weitgehend dem mitteldonauländischen Formenkreis der mittleren und jüngeren Urnenfelderzeit. Bemerkenswert sind feintonige, dünnwandige, innen verzierte Schalen (Abb. 03_33). Der Dekor besteht aus scharfkantigen Rillen und kleinen Halbkreisen, Winkeln oder Rhomben, die diese Rillen begleiten. Motive und Machart entsprechen weitgehend vergleichbaren Schalen aus südmährischen Fundstellen.

und Neuzeit, als der Wall im untersuchten Bereich großteils ab-

Kamm- bzw. handförmige Tonobjekte (Abb. 03_34) sind Sonder-

getragen oder massiv gestört wurde. Die geringen Spuren zei-

formen, die auch von anderen Höhensiedlungen im mittleren

gen, dass er aus einer Holz-Erde-Stein-Konstruktion bestanden

Donauraum, wie z. B. von der Heidenstatt bei Limberg und dem

haben muss, wie sie auch von anderen Fundorten bekannt ist.

Michlberg in Niederösterreich oder Velem, Szent Vid (Ungarn),

Ob dieser Wall ebenfalls durch Brand vernichtet wurde, lässt sich

bekannt sind. Vor allem die handförmigen Gebilde werden gern

nicht mit Sicherheit nachweisen. Nur in den Grabungsschnitten

als Hinweise auf kultische Handlungen angesehen. Die meisten

6 und 17 sind Brandspuren festgestellt worden. Es ist also un-

der Tonobjekte vom Oberleiserberg unterscheiden sich jedoch

geklärt, ob es eine Feuerkatastrophe gab oder ob es nur Spuren

von den übrigen bekannten Stücken durch die deutlich ausge-

eines lokalen Brandereignisses sind. An Siedlungsspuren aus

prägte Kammform mit mehr als fünf Zacken und einem gerunde-

der Urnenfelderzeit blieben Pfostengruben von Ständerbauten,

ten Rücken bzw. Griff. Aufgrund dieser eher funktional wirkenden

eingetiefte Hütten, Siedlungsgruben und Herd- bzw. Ofenplatten

Ausformung der Oberleiser Objekte ist eine profane Nutzung in

(Abb. 03_32) erhalten.

Erwägung zu ziehen. Ein generell kultischer Ansatz ist für Mond-

Keramikbruchstücke, Webgewichte und Spinnwirtel, Steingeräte

idole bzw. Feuerböcke anzunehmen, von denen ebenfalls Bruch-

wie Reibplatten und Gussformen, Schmuckstücke und Geräte

stücke gefunden wurden (siehe Kapitel 11, Pkt.11.3.6).

aus Bronze belegen ein reges handwerkliches und wirtschafts-

Bronzehandwerk ist durch Gussabfälle und Gussformen nach-

politisches Leben mit weitreichenden Kontakten. Die Anlage

gewiesen. Die vorhandenen Gussformen für Nadeln und Ringe

wurde im Laufe der jüngeren Urnenfelderzeit aus unbekannten

sind aus Stein oder Ton gefertigt (siehe Kap. 4, Abb. 04_18). Von 69

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

den Bronzeobjekten selbst haben sich vor allem Gewandnadeln – hauptsächlich Vasenkopfnadeln sowie Spindel- und Rippenkopfnadeln – erhalten, Geräte liegen als Bruchstücke von Nähnadeln, Pfriemen, Meißeln und Messern vor. Von den Artefakten aus Bein ist die Griffschale eines Messers erwähnenswert, die aus einem urnenfelderzeitlichen Fundzusammenhang stammt (Abb. 03_35). Die vorliegendeForm ist ungewöhnlich und direkt vergleichbare Stücke sind derzeit nicht bekannt. Die Tierknochenanalysen aus datierbaren Grubenverbänden belegen, dass in der Urnenfelderzeit die Hauptwirtschaftstierarten Rind, Hausschwein und kleine Hauswiederkäuer überwiegen, wobei sowohl Schaf als auch Ziege gesichert und in einem ausgeglichenen Verhältnis nachgewiesen sind. Die Anteile der übrigen Haustierarten wie Hund und Pferd sind gering. Wildtiere spielten als Ressource eine beständige, jedoch keine allzu große Rolle (siehe Kap. 6, Punkt 6.3.3).

Literatur zur urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung Oberleiserberg (Auswahl)

Abb. 03_34. Oberleiserberg, handförmiges Tonobjekt (Foto: IUHA).

Hellerschmid/Kern/Lochner 2010: I. Hellerschmid/D. Kern/M. Lochner, Oberleiserberg – Stillfried – Thunau. Drei Höhensiedlungen der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur im Vergleich. In: B. Gediga/W. Piotrowski (Hrsg.), Rola głównych centrów kultu­ rowych w kształtowaniu oblicza kulturowego Europy Środko­ wej we wczesnych okresach epoki żelaza [Rolle der wichtigen Kulturzentren in der Gestaltung des Kulturbildes Mitteleuropas in den frühen Perioden der Eisenzeit], Symposium Biskupin 23.–25.06.2008, Archäologisches Museum in Biskupin, Bisku­ piner Archäologische Arbeiten Nr. 8, Polnische Akademie der Wissenschaften, Abteilung Wroclaw, Arbeiten der Archäologi­ schen Kommission Nr. 18 (Biskupin, Wroclaw 2010), 238–297. Kern D. 2011: D. Kern, Ausgewählte Siedlungsbefunde aus der urnen­ felderzeitlichen Siedlung auf dem Oberleiserberg bei Ernst­ brunn, VB Korneuburg, NÖ. ArchA 95, 2011, 101–123. Kern D. in Vorbereitung: D. Kern, Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn (Grabung 1976–1990). Frühbronzezeit und Urnenfelderzeit, in Vorbereitung. Lochner 2004: M. Lochner, Gussformen für Ringe aus urnenfelder­ zeitlichen Fundstellen Niederösterreichs, ArchA 88, 2004, 103–120. Mitscha-Märheim/Nischer-Falkenhof 1929: H. Mitscha-Märheim/ E. Nischer-Falkenhof, Der Oberleiserberg – Ein Zentrum vorund frühgeschichtlicher Besiedlung, MPK 2/5 (Wien 1929), 391–438. Stuppner 2006: A. Stuppner, Rund um den Oberleiserberg. Archäolo­ gische Denkmale der Gemeinden Ernstbrunn und Niederleis (Ernstbrunn 2006).

70

Abb. 03_35. Oberleiserberg, verzierter Beingriff eines Bronzemessers, Außen- und Innenansicht (Foto: IUHA).

3.3 Höhensiedlungen

3.3.5 Höhensiedlung Stillfried an der March Irmtraud Hellerschmid Für die Entstehung der Wehranlage von Stillfried an der March

Abb. 03_36. Die prähistorische Wallanlage von Stillfried von Süden (Foto: Fliegerhorst Langenlebarn, Luftbildkompanie. Freigeben von BMLV mit GZ 13088/104-1.6/98).

Der Raum Stillfried ist auch der Verknüpfungspunkt zweier

und ihre Entwicklung zu einem Zentralort der jüngerurnenfel-

bedeutender natürlicher Verkehrswege, des Donautals in Ost-

derzeitlichen Podoler Kultur ist die Topografie mit der günsti-

West-Richtung und der nord-süd-fließenden March. Letztere

gen verkehrsgeografischen Lage von entscheidender Bedeutung.

ist eine Verkehrsader, die mit der späteren Bernsteinstraße in

Die Wallanlage mit einer Größe von etwa 23 ha ist zentral in ei-

Zusammenhang gebracht wird, eine Handelsroute, die die Ost-

nem ab dem Paläolithikum durchgehend bis in die Gegenwart

see mit der Adria verband. Diese bereits in der Urnenfelder-

begangenen und besiedelten Gebiet situiert (Abb. 03_36). Sie

zeit genutzte Verbindung machte Stillfried zu einem Zentral-

befindet sich auf einer auffälligen Geländestufe, die von Norden

ort mit reger Handelstätigkeit und zu einem Kontrollpunkt des

nach Süden verläuft und den abrupten Abbruch des Weinviertler

Marchübergangs.

Hügellands zur Marchniederung hin markiert. Der Höhenunter-

Die Erforschung der Wallburg begann 1874 mit Matthäus Much,

schied zwischen dem sogenannten Kirchhügel auf dem Gelän-

der als Konservator der k.k. Zentralkommission für Kunst und

de der prähistorischen Höhensiedlung (199 müA) und dem tiefer

historische Denkmale in Wien bekannt wurde. Für den reichhal-

gelegenen, heutigen Ort Stillfried (144 müA) im niederösterrei-

tig angesammelten Quellenbestand prägte Oswald Menghin den

chischen Weinviertel ist mit 55 m beachtlich. Von der Anlage aus

Begriff Stillfrieder Gruppe.

eröffnet sich ein weiter Blick nach Osten, Norden und Süden, da

Es sollten aber fast 100 Jahre verstreichen, bis die ersten sys-

sich die Marchniederung ostwärts im Slowakischen Marchfeld

tematischen Ausgrabungen durch das Institut für Ur- und Früh-

(Záhoská nizina) fortsetzt und 30 km Luftlinie von Stillfried ent-

geschichte der Universität Wien unter der Leitung von Fritz

fernt am Fuß der Kleinen Karpaten in der heutigen Slowakei en-

Felgenhauer durchgeführt wurden.48 Felgenhauer nahm die

det. Nach Nordosten reicht der Blick bis in die March-Thaya-Auen (Moravsko-Dyjskej Nivy).

48 Felgenhauer/Szilvássy/Kritscher et al. 1988; Felgenhauer 1990–1992 (1996).

71

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

72

3.3 Höhensiedlungen

 Abb. 03_37. Gesamtplan der Anlage von Stillfried an der March (Grafik: ARDIG, I. Hellerschmid, I. Petschko, S. Tikatsch auf der Grundlage der Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

2

1

Siedlungsphase I

Siedlungsphase II 3

Siedlungsphase II/III

4

Siedlungsphase III 5

Abb. 03_38. Stillfried an der March, Wallphasen (nach Urban 1989, 148, Bearbeitung I. Hellerschmid).

Siedlungsphase IV

Untersuchungen 1969 auf, nachdem verschiedene Forschungs-

diese Konstruktion durch den ersten Wallkörper ersetzt. Der Bau

vorhaben durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg verhindert

bestand aus einem Holz-Erde-Kasten (Abb. 03_39) und einem

worden waren, und leitete diese bis 1989 (Abb. 03_37).

Erdwall mit vorgelagertem tiefen Graben (Abb. 03_38/2). Die

Als Zentrum der Höhensiedlung gilt der Bereich östlich einer

Siedlung vergrößerte sich in diesem Zeitabschnitt stetig. Zahl-

Befestigungskonstruktion, die an einer verteidigungstechnisch

reiche Kontakte mit östlichen und nördlichen Nachbarn sind ar-

wichtigen Stelle, nämlich der Landbrücke ins Weinviertler Hügel-

chäologisch an Gefäßformen und Verzierungsstilen nachweisbar.

land, errichtet wurde. Sie weist noch heute eine Länge von 300 m

Besonders auffällig sind Beziehungen zum nördlich angrenzen-

und eine maximale Kronenhöhe von 4 m auf. Der urnenfelderzeit-

den Bereich der Lausitzer Kultur in Mähren und zu den süd-

liche Wallkörper wurde in den nachfolgenden Epochen mehrfach

deutsch-böhmischen Zentren im Westen. In einem südöstlich

überschüttet, aber nie wieder befestigt. Seit im 13. Jh. n. Chr. die

der Anlage liegenden kleinen Tal (In der Gans) legte man den zu-

Siedlung ins Tal verlegt wurde, bildete sich auf dem Gelände in-

gehörigen Bestattungsplatz an, der bis ans Ende der späturnen-

nerhalb der Befestigung durch die Beackerung eine meterdicke

felderzeitlichen Nutzung der Wallanlage bestand (Abb. 03_40).

Humusschicht. Eine letzte militärische Nutzung erfuhr der Be-

Hier werden bis zu 2.000 Bestattungen vermutet, die aber auf-

reich am Ende des Zweiten Weltkriegs, als sich dort im April 1945

grund der massiven Überbauungen der nachfolgenden Jahrhun-

auf dem höchsten Punkt Stellungen befanden.

derte großteils zerstört sind (siehe Kap. 9, Pkt. 9.3.4).51

Insgesamt kann man sechs aufeinanderfolgende urzeitliche

Charakteristisch für die Siedlungsphase  II (ebenso wie für die

Siedlungsphasen nachweisen,49 Die urnenfelderzeitlichen Sied-

Siedlungsphase III) sind die zahlreichen kegelstumpfförmigen

lungsphasen I, II, III/1, III/2 sowie die Phasen IV und V welche

Gruben, die als Getreidespeicher dienten.52 In einigen der Gru-

die Hallstattzeit abdecken. In den Abschnitten I bis III fand der

ben wurden Tierskelette, vor allem von Rothirsch und Wolf, do-

Befestigungsausbau statt (Abb. 03_38).

kumentiert. Der aktuelle Forschungsstand geht davon aus, dass

Etwa am Übergang vom 11. zum 10. Jh. v. Chr.50 beginnt Sied-

es sich um die Überreste von Tieren handelte, die im Siedlungs-

lungsphase  I. Am Übergang von der mittleren zur jüngeren Ur-

bereich möglicherweise in Gefangenschaft gehalten wurden und

nenfelderzeit (Ha  A2/B1) errichtete man eine erste einfache

denen aus bestimmten, derzeit noch nicht völlig geklärten (kulti-

Abgrenzung im Westen der entstehenden Siedlung. Die Palisa-

schen) Gründen auch noch nach ihrem Tod besondere Aufmerk-

denbefestigung bestand aus mächtigen Baumstämmen, deren

samkeit zuteil wurde. Es würde sich damit gewissermaßen um

Verlauf bei den bisherigen archäologischen Ausgrabungen je-

den ersten Nachweis einer „prähistorischen Menagerie“ han-

doch nur punktuell erfasst werden konnte (Abb. 03_38/1).

deln (siehe Kap. 6, Pkt. 6.4.2, Abb. 06_13 und 14 und Kap. 11,

Am Ende des 10. Jh.s v. Chr., während der Siedlungsphase II (jün-

Pkt. 11.3.5, Abb. 11_23 und 24).53

gere Urnenfelderzeit, Ha  B2 und beginnendes Ha B3), wurde 51 Kaus M. 1984. 49 Hellerschmid 2006, 279–283.

52 Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017; Griebl/Biederer in Vorbereitung

50 Absolutdatierung nach Pare 1998, 299 (um 1050/1020 v. Chr.).

53 Pucher 2017.

73

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

1

Abb. 03_39. Stillfried an der March, 1. Längsschnitt durch die Holzkastenreihe des westlichen Abschnittswalls, Blick von der Siedlungsfläche nach Westen, Grabungsjahr 1983. Die Kästen von etwa 2 m Breite wurden in Blockbau­ technik errichtet und mit Erdmaterial gefüllt. Zu erkennen sind vier Holz­ kästen samt Zwischenräumen von etwa 40 cm. Rechter Hand ist der Wall­ schnitt von 1974 zu sehen. – 2. Detailansicht der Holzkastenkonstruktion des Walls (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlun­ gen, Ur- und Frühgeschichte).

2

Etwa um 950  v. Chr. wurde in der Siedlungsphase III54 die alte

stellt werden konnten. Eine weitere Besonderheit ist, dass sie

Wallkonstruktion nach einer Zerstörung (Abb. 03_38/3) massiv

unverbrannt innerhalb des Siedlungsareals niedergelegt wurden

überbaut. Damit in Zusammenhang könnte Grube V1141 stehen,

und nicht dem normalen/gut bekannten Bestattungsritus fol-

die sich an der höchsten Stelle (Kirchhügel) und zugleich am

gend verbrannt und in einer Urne im Gräberfeld bestattet wur-

südwestlichsten Punkt der Anlage und des Abschnittswalls be-

den. Neue Forschungsergebnisse56 legen nahe, dass der Platz,

fand. In ihr wurden 1976 die vollständig erhaltenen Skelette

an dem diese Verstorbenen ihre letzte Ruhe fanden, durch ein

von drei Erwachsenen und vier Kindern freigelegt (siehe Kap. 10,

darüber errichtetes Gebäude für die Lebenden in Erinnerung

Pkt. 10.4, Abb. 10_10 und Kap. 11, Pkt. 11.3.5, Abb. 11_19).

bleiben sollte. Darüber hinaus war dieses „Denkmal“ auch vom

55

Die Todesursache der sieben Individuen ist unbekannt, da kei-

regulären Brandgräberfeld aus sichtbar. Eine Rekonstruktion

nerlei Spuren von Gewalteinwirkung an den Skeletten festge-

dieser irregulären Bestattung wird im Museum Stillfried präsen-

54 Absolutdatierung nach Pare 1998, 299. 55 Breitinger 1980; Eibner C. 1980; aktuelle Untersuchungen: TeschlerNicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020.

74

tiert (Abb. 03_41).

56 Hellerschmid 2015.

3.3 Höhensiedlungen

Abb. 03_40. Bronzetasse vom Typ Stillfried, vermutlich aus einem Brandgrab des Bestattungsplatzes In der Gans (Foto: H. Kühler/IUHA).

Abb. 03_41. Stillfried an der March, Rekonstruktion der „7“ in der Speichergrube aus dem NHM Wien, derzeit ausgestellt im Museum in Stillfried an der March (Foto: NHM Wien).

Nach diesem Ereignis entstand in der Siedlungsphase III/1 über

aus dem Stillfrieder Gräberfeld58 und dem sogenannten Still-

der ersten Wallkonstruktion ein neues, gewaltigeres Bauwerk,

frieder Depot59.

bestehend aus einem noch größeren Holz-Erde-Kasten und ei-

Zum Ende der urnenfelderzeitlichen Siedlung von Stillfried, das

nem außenseitigen Erdwall. Am höchsten Punkt befand sich

zeitgleich mit dem Ausklingen der mitteldonauländischen Ur-

vermutlich eine Holzpalisade, danach folgte der tiefe Graben,

nenfelderkultur im Osten Österreichs stattfand, trugen unter-

der die Siedlung gegen das westlich angrenzende Hinterland

schiedliche Faktoren bei. Offenbar gelangte eine neue Kultur-

absicherte (Abb. 03_38/4).

strömung über die der Donau folgende West-Ost-Verbindung

Der letzte urnenfelderzeitliche Siedlungsabschnitt (Siedlungs-

nach Stillfried. Die materiellen Spuren der Hallstattkultur wer-

phase  III/2) endete am Übergang von der späten Urnenfelder-

den im Fundmaterial fassbar. Das Ende von Siedlungsphase III/2

zeit zur frühen Hallstattzeit. Die Wallkonstruktion wurde durch

liegt im Zeitraum zwischen 800 und 730/20 v. Chr. Bezeichnend

ein Feuer vernichtet, das anschließend auch die Zerstörung al-

für die Dynamik an der Grenze zwischen Urnenfelder- und Hall-

57

ler Siedlungs- und Kultensembles zur Folge hatte. Mindestens

stattkultur ist, dass die kulturelle Umstrukturierung gleichzeitig

23 menschliche Skelette bzw. Skelettreste stehen mit dem Un-

mit der Veränderung von Landwirtschaft und Umwelt aufgrund

tergang der späturnenfelder-/frühhallstattzeitlichen Wallanlage

klimatischen Wandels erfolgte.

in Verbindung. (Abb. 03_38/5). Die in Grube V0841 gefundenen Skelettreste zeugen von außergewöhnlichen Vorgängen, die vielleicht als ein zweiter Versuch interpretiert werden können, die Zerstörung der Siedlung durch menschliche Opfer zu verhindern (siehe Kapitel 10, Pkt. 10.4, Abb. 10_11 und Kap. 11, Pkt. 11.3.5, Abb. 11_20 und 21). Dieser vom Ausgräber F. Felgenhauer als Katastrophenhorizont bezeichnete Zeitabschnitt wird in der Anlage an einer ganzen Reihe gewaltsamer kleinerer und größerer Zerstörungen sichtbar, die seiner Ansicht nach in Zusammenhang mit den sogenannten thrako-kimmerischen Reitern stehen könnten. Belegt ist dieser Kontakt durch entsprechende Pferdegeschirrbronzen 58 Kaus M. 1984, Grab 6 und 38. 57 Absolutdatierung nach Pare 1998, 299, etwa um 730/720 v. Chr.

59 Kaus M. 1988.

75

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

Literatur zur urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung Stillfried an der March (Auswahl) Breitinger 1980: E. Breitinger, Skelette aus einer späturnenfelderzeitli­ chen Speichergrube in der Wallburg von Stillfried an der March, NÖ, FIST 4 (Wien 1980), 45–106. Eibner C. 1980: C. Eibner, Die Mehrfachbestattung aus einer Grube unter dem urnenfelderzeitlichen Wall in Stillfried an der March, NÖ, FIST 4 (Wien 1980), 107–142. Felgenhauer/Szilvássy/Kritscher et al. 1988: F. Felgenhauer/ J. Szilvássy/H. Kritscher/G. Hauser (Hrsg.), Stillfried. Archäo­ logie – Anthropologie, Veröff. Museum Ur- und Frühgeschichte Stillfried, Sonderband 3 (Stillfried 1988). Felgenhauer 1990–1992 (1996): F. Felgenhauer, Stillfried. Lebens­ raum des Menschen seit 30.000 Jahren. Archäologischer Fund­ platz von internationaler Bedeutung – Objekt interdisziplinärer Forschung von bedeutendem Rang. Ergebnisse der Ausgra­ bungen und Forschungen 1969–1989, FIST 9–10, 1990–1992 (Wien 1996). Griebl/Biederer in Vorbereitung: M. Griebl/B. Biederer, Die Speicher­ gruben der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. Von der Getreidelagerung bis zur profanen oder kultischen Verfüllung, MPK in Vorbereitung. Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017: M. Griebl/B. Biederer/T. Jachs/ I. Petschko, Aktuelle Forschungen zu den Speichergruben auf der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. In: F. Pieler/P. Trebsche (Hrsg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017, Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 541 (Asparn/ Zaya 2017), 195–206. Griebl/Hellerschmid 2013: M. Griebl/I. Hellerschmid, Menschenknochen und Menschenniederlegungen in Siedlungsgruben der befestigten Höhensiedlung von Stillfried an der March, Niederösterreich: Gängige Praxis der Totenbehandlung in der jüngeren Urnenfelderkultur? In: N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), „Irreguläre“ Bestattungen in der Urgeschichte: Norm, Ritual, Strafe …? Akten der Internationalen Tagung in Frankfurt a. M. vom 3. bis 5. Februar 2012, Kolloquien zur Vor- und Frühge­ schichte 19 (Bonn 2013), 327–346. Griebl/Hellerschmid 2015: M. Griebl/I. Hellerschmid, Arbeitsgrube und Kultgrube? Verfärbung V0479 der späturnenfelderzeit­ lichen Wallanlage von Stillfried, Niederösterreich, ArchA 99, 2015, 179–201. Hellerschmid 2006: I. Hellerschmid, Die urnenfelder-/hallstattzeit­ liche Wallanlage von Stillfried an der March, Ergebnisse der Ausgrabungen 1969–1989 unter besonderer Berücksichtigung des Kulturwandels an der Epochengrenze Urnenfelder-/Hall­ stattkultur, MPK 63 (Wien 2006). Hellerschmid 2015: I. Hellerschmid, Mord oder Opferung? Die Nieder­ legung der „Sieben“ in Grube V1141 am Kirchhügel von Still­ fried, ArchA 99, 2015, 203–231.

76

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3.4 Literatur

3.4 Literatur Siehe dazu auch Punkte 3.3.1 Thunau am Kamp, 3.3.4 Oberleiserberg und 3.3.5 Stillfried an der March Adametz 2009: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2009). Adametz 2011: K. Adametz, Eine Siedlung der Urnenfelderkultur in Unterradlberg, Niederösterreich, FÖ 50, 2011, 67–92. Adametz 2015: K. Adametz, KG Oberndorf in der Ebene, FÖ 54, 2015, 218–219. Beilke-Voigt 2010: I. Beilke-Voigt, Methodische Überlegungen zu bronze-/früheisenzeitlichen Zentralorten mit Bezug auf den Burgwall von Lossow bei Frankfurt (Oder), Internationale Archäologie, Studia honoraria 31, (Rahden/Westf. 2010), 41–56. Biederer 2018: B. Biederer, Verteilungsmuster spätbronzezeitlicher Speichergruben in Mitteleuropa, ArchA 102, 2018, 169–199. Biederer 2019: B. Biederer, Experimenteller Nachbau von Speichergruben, Experimentelle Archäologie in Europa 18, 2019, 21–34. Blesl 2002: Ch. Blesl, KG Pottenbrunn, FÖ 41, 2002, 29–30. Blesl 2012: Ch. Blesl, Zeugen der Vergangenheit. Archäologie im Unteren Traisental – von den Steinzeiten bis zur Gründung des Stiftes Herzogenburg im Mittelalter. FÖMat A, Sonderheft 18 (Wien 2012). Blesl/Kalser H. 2006: Ch. Blesl/H. Kalser, Heitzing, In: Ch. Farka, Die Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes. Jahresbericht 2006, FÖ 45, 2006, 21. Blesl/Kalser K. 2005a: Ch. Blesl/K. Kalser, KG Pixendorf, FÖ 44, 2005, 30 f. Blesl/Kalser K. 2005b: Ch. Blesl/K. Kalser, Die späte Bronzezeit – Urnenfelderkultur. In: Zeitschienen – Vom Tullnerfeld ins Traisental, FÖMat A, Sonderheft 2 (Wien 2005). Bönisch 2006: E. Bönisch, Bronzezeitliche Speicherplätze in der Niederlausitz. In W.-R. Teegen/R. Cordie/O. Dörrer/ S. Rieckhoff/H. Steuer (Hrsg.), Studien zur Lebenswelt der Eisenzeit. Festschrift für Rosemarie Müller, RGA-Ergänzungs­ band 53 (Berlin 2006), 305–332. Cižmař/Geislerova 2006: M.Cižmař/K. Geislerova (Hrsg.), Vyzkumy Ausgrabungen 1999–2004 (Brno 2006). Czajlik/Molnár/Sólymos 1995: Z. Czajlik/F. Molnár/K. G. Sólymos, Angaben zu der spätbronzezeitlichen Metallrohmaterialver­ sorgung am Velem/St.-Veit-Berg, Westungarn, AÖ 6/2, 1995, 30–35.

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77

3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen

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Neugebauer/Blesl/Gattringer et al. 2001: J.-W. Neugebauer/Ch. Blesl/ A. Gattringer/F. Preinfalk, Rettungsgrabungen im Unteren Traisen­tal in den Jahren 2000 und 2001. 16. Vorbericht über die Aktivitäten der Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenkmal­ amtes im Raum St. Pölten-Traismauer, FÖ 40, 2001, 191–300

Schuppert 2013: Ch. J. Schuppert, GIS-gestützte historisch-geogra­ phische Untersuchungen im Umfeld ausgewählter frühkelt­ ischer Fürstensitze in Südwestdeutschland, Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 126 (Stuttgart 2013).

Neugebauer/Gattringer 1989: J.-W. Neugebauer, A. Gattringer, Rettungs­grabungen im Unteren Traisental im Jahre 1989. Achter Vor­ bericht über die Aktivitäten der Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes im Raum St. Pölten-Traismauer, FÖ 28, 1989, 55–100.

Sperber 2017: L. Sperber, Studien zur spätbronzezeitlichen Chronologie im westlichen Mitteleuropa und in Westeuropa, Monographien RGZM 136 (Mainz 2017).

Neugebauer/Gattringer/Blesl et al. 1991: J.-W. Neugebauer/ A. Gattringer/Ch. Blesl/Ch. Neugebauer-Maresch/B. Sitzwohl/ F. Preinfalk, Rettungsgrabungen im Unteren Traisental im Jahre 1991 (mit Ausblick auf 1992). Zehnter Vorbericht über die Akti­ vitäten der Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes im Raum St. Pölten-Traismauer, FÖ 30, 1991, 87–140 Neugebauer-Maresch 1980: Ch. Neugebauer-Maresch, Zur verschwun­ denen Befestigungsanlage „Am Stein“, Bad Deutsch-Altenburg, NÖ, Mitteilungen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte 30, 1980, 37–55.

78

Stäuble 2002: H. Stäuble, Lineare Gräben und Grubenreihen in Nord­ westsachsen. Eine Übersicht, Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 44 (Dresden 2002), 9–50. Trebsche 2017: P. Trebsche, 15 von 1494 Pfostenlöchern! Ein mittel­ bronzezeitlicher Hausgrundriss mit Keramikdeponierung aus Mitterretzbach. In: F. Pieler/P. Trebsche (Hrsg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017, Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 541 (Asparn/Zaya 2017), 171–185.

3.4 Literatur

Trnka 1983: G. Trnka, Der Burgstall von Schiltern, NÖ. Eine späturnen­ felderzeitliche Abschnittsbefestigung im unteren Waldviertel, ArchA 67, 1983, 129–156. Tuzar 1984: J. Tuzar, Die ur- und frühgeschichtliche Besiedlung der Heidenstatt bei Limberg, NÖ, unveröffentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1998). Turk 2001: P. Turk, Bronze age hoards in Slovenia and possibilities for determining weight standards, Arheoloski vestnik 52, 2001, 249–279. Urban 1989: O. H. Urban, Wegweiser in die Urgeschichte Österreichs (Wien 1989).

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79

4. Wohnen und Wirtschaften

4. Wohnen und Wirtschaften Daniela Kern, Michaela Lochner Funde und Befunde gewähren nur punktuelle Einblicke in den

weisen in bestimmten Bereichen einer Siedlung und ihr Fehlen

Alltag der Urnenfelderzeit. Dennoch lassen sich aus natur- und

in den übrigen Gebäuden ist ein Hinweis auf eine zunehmende

kulturwissenschaftlichen Analysen sowie ethnologischen Ver-

Spezialisierung der in diesem Arbeitsfeld tätigen Personen. Aus

gleichen Rückschlüsse auf die Lebensverhältnisse, die Arbeits-

diesen Bereichen entwickelten sich in der nachfolgenden Eisen-

abläufe sowie das wirtschaftliche Agieren von Haus-, Dorf- und

zeit regelrechte Handwerkerviertel. Bei urnenfelderzeitlichen

überregionalen Gemeinschaften ziehen.

Siedlungen in Niederösterreich ist eine solche Trennung von Arbeitsbereichen bisher nicht eindeutig nachgewiesen.

Aufgrund heutiger Wohnverhältnisse sind wir gewöhnt, dass unterschiedliche Tätigkeiten in verschiedenen Räumen oder Bereichen ausgeführt werden. Davon kann man unter urzeitlichen Verhältnissen nicht in allen Fällen ausgehen. Der meist wenig gegliederte Raum eines Hauses wurde für vielerlei Zwecke genutzt – und wenn

4.1. Einblicke in einen Haushalt

Jahreszeit und Witterung es zuließen, verlegte man die meisten

Ein Glücksfall für die Archäologie sind Befunde in der befestigen

Tätigkeiten auch wegen des Tageslichts ins Freie.

Höhensiedlung von Thunau am Kamp. Das betrifft v. a.die Gebäu-

Bei Ausgrabungen werden nur Reste der aus Holz errichteten

de im unmittelbaren Anschluss an den Wall im Südwesten3 der

Gebäude gefunden. Über die Inneneinrichtung oder Aktivitäts-

Anlage (Abb. 04_01) sowie am sog. Nordhang, wo die Häuser

zonen und Schlafplätze, wissen wir meist wenig. Dementspre-

im steilen Gelände auf Terrassen angelegt wurden. In den Gra-

chend ist auch wenig über die täglichen Abläufe in einem spät-

bungsschnitten fanden sich zahlreiche Reste von Feuerstellen,

bronzezeitlichen Haushalt1 bekannt. Einer der Gründe dafür ist,

Backöfen, Vorratsgruben, Webstühlen, Vorratsgefäßen sowie

dass die Lauffläche bzw. der Originalboden eines Hauses durch

anderes keramisches und nichtkeramisches Hausinventar, das

Erosion oder andere sekundäre Eingriffe oft nicht mehr erhalten

teilweise noch in Originallage angetroffen wurde. Diese Befunde

ist. Öfen und diverse Einbauten sind dann nicht mehr vorhan-

machen das Leben und Arbeiten in einem spätbronzezeitlichen

den oder eventuell nur noch durch aufwendige Untersuchungen

Haus in Ansätzen nachvollziehbar.

nachweisbar. Auf Originalbodenniveaus können Rückstände ehemaliger Tätigkeiten festgestellt werden. Besonders chemische Analysen, z. B. Phosphatanalyse , von Bodenproben sowie das Schlämmen und 2

Flotieren des Erdmaterials, bei dem auch winzige Reste, z. B. ver-

4.1.1 Das Hanghaus von Thunau am Kamp

kohltes Getreide, Gusstropfen oder Gesteinssplitter gefunden

Auf einer in der Urnenfelderzeit angelegten Terrasse am Nord-

werden, liefern Hinweise auf Nahrungsaufbereitung, Metallver-

hang (Schnittkomplex 97-101-102) hatte sich der nahezu un-

arbeitung oder Steingeräteherstellung.

gestörte Eckbereich eines Hauses erhalten, der die Ausstattung

Einige Tätigkeiten wurden bevorzugt außerhalb der Häuser oder

eines Haushaltes fassbar macht und Interpretationen zur Vor-

sogar am Siedlungsrand ausgeführt – sei es, um eine Gefährdung

ratshaltung ermöglicht (Abb. 04_02).4

der Wohnhäuser durch Brand hintanzuhalten (Schmiede), sei es,

Die besondere Fundlage lässt vermuten, dass das Haus rasch,

um unangenehmen Geruch im Nahbereich der Wohnstätten zu

unter Zurücklassung zumindest der Einrichtungsgegenstände

vermeiden (Gerberei). Die Konzentration von Produktionsnach-

und des Hausrates – darunter der Keramikgefäße –, verlassen

1

Allison 1999; Meller 2011.

3

Wewerka 2001.

2

Holliday/Gartner 2007; Weihrauch/Brandt/Opp 2016.

4

Lochner 2013.

80

4.1. Einblicke in einen Haushalt

wurde. Danach blieb das Gebäude unbewohnt, ist zusammengestürzt und letztendlich durch Überlagerung mit Erdmaterial kon-

Abb. 04_01. Thunau am Kamp, Schnitt 127, Grabungsjahr 1985, Wohn- und Arbeitsbereich eines Hauses am SW-Wall der Anlage (Foto IUHA).

serviert worden. Das Hausinventar ist aufgrund der typischen Gefäße in die späte

die Reste zweier großer, weitmündiger Vorratsgefäße. Der grö-

Urnenfelderzeit zu datieren. Einige wenige Gefäße zeigen schon

ßere Behälter ist mit 62 cm Höhe und einem Fassungsvermögen

Anklänge an die nachfolgende Hallstattzeit, wie das kleine

von ca. 120 l eines der größten in Thunau am Kamp erhaltenen

Kegelhalsgefäß Inv.-Nr. 8845 (Abb. 04_03) mit seiner Form und

Keramikgefäße, mit aufwendiger Verzierung durch Formstich-

Verzierung aus hängenden Dreiecken, die mit je einer runden

leisten und Doppelknubben. In diesem Behältnis befand sich

Delle abschließen, die Henkeltasse Inv.-Nr. 8842 und die Tasse

eine Tasse, die gegebenenfalls die Funktion eines Schöpfge-

Inv.-Nr. 8848 mit ihrem kurzem Zylinderhals.

fäßes hatte. Unmittelbar hinter dem Großgefäß, quasi an die

Das erhaltene Gefäßensemble aus dem Hanghaus umfasst bei-

Hauswand gelehnt, war eine Reibplatte mit Läufer platziert. Wei-

nahe das gesamte Spektrum der im Haushalt üblichen Keramik-

tere Gefäße in diesem Bereich (Schalen, Henkelschalen, Henkel-

gefäße (siehe Pkt. 4.2.1), zudem auch einen Teil der Innenaus-

tassen, ein kleines Kegelhalsgefäß, zwei große, flachkonische

stattung. Das Haus stand ehemals auf einer hangseitig etwa

Schalen, ein Kegelhalsgefäß) sind zerbrochen, wurden aber

40–50 cm in den anstehenden Gneis gegrabenen Terrasse, wo-

noch im Verband liegend aufgefunden.

bei die hangseitige Terrassenkante gleichzeitig auch die hin-

In 1–2 m Entfernung befanden sich weitere Gefäße (ein großer,

tere Hausbegrenzung darstellte. An der Hauswand fanden sich

weitmündiger Topf, ein Kegelhalsgefäß, zwei flaschenförmige 81

4. Wohnen und Wirtschaften

82

4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen

 Abb. 04_02. Thunau am Kamp, Schnittkomplex 97-101-102, Befund und Fundmaterial von Hanghaus 01 (Lochner 2013, Abb. 3).

mutlich um die Reste von Lehmkuppelöfen, die vom Inneren des Hauses aus beschickt wurden. Die Analysen der archäobotanischen Reste, bei denen Emmer, Einkorn, Gerste und Rispenhirse nachgewiesen wurden, unterstützt die Annahme, dass Getreidelagerung und -verarbeitung in diesem Bereich des Gebäudes stattgefunden haben. Michaela Popovtschak entwirft dazu folgendes Szenario: Das geerntete Getreide – vermischt mit Vorfruchtresten und Erntebegleitern – war in Gefäßen in der Hütte gelagert, wurde eventuell an der Herdstelle getrocknet, gedarrt, dann gesiebt, nach Bedarf auf der Reibplatte entspelzt, gerieben und weiterverarbeitet. Während dieser Arbeitsvorgänge sind manchmal Teile verkohlt und wurden in der Hütte verstreut und abgelagert (dazu Kap. 5, Abb. 05_03 und Pkt. 5.4.2).

4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen Neben einem Spektrum an Haushaltsgefäßen – in erster Linie sind im archäologischen Befund Keramikgefäße erhalten – geAbb. 04_03. Thunau am Kamp, kleines Kegelhalsgefäß (Inv.-Nr. 8845, Höhe 11 cm) aus dem Schnittkomplex 97-101-102 (Foto: G. Gattinger/IUHA).

währt die relativ umfangreiche Ansammlung von Tierknochen (Speiseabfälle) und verkohlten Pflanzenresten Einblicke in die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner. Erdproben mit entsprechenden botanischen Resten stammen oft

Gefäße sowie ein grob gemagerter Topf mit Fingertupfenverzie-

direkt aus Scherbenlagen bzw. aus Gefäßen, soweit diese noch

rung), alle stark zerscherbt und auf der Fläche verteilt. Die ein-

im Verband waren.5 Auch durch Analyse der in der Tonmatrix vor-

stürzende Dachkonstruktion, etwa der herabfallende Firstbalken,

handenen Rückstände6 oder verkohlter Speisereste, die sich an-

könnte die Keramik derart gründlich zerstört haben.

gebacken an Gefäßen oder ihren Bruchstücken finden, lassen

Der unmittelbar auf einer gebrannten Lehmplatte – einer Herd-

sich Hinweise auf die verarbeiteten und verzehrten Nahrungs-

platte – abgestellte weitmündige, dickwandige Topf lässt sich

bestandteile gewinnen. Während sich bei den Gefäßen und

als Kochgefäß interpretieren. Geschwärzte Bodenteile und ver-

Tierknochen in Gräbern bisweilen auch Messer finden, die zum

kohlte Speisereste an der Innenseite der Gefäßwände deuten

Zerteilen des Fleisches dienten, sind sie erstaunlich selten im

ebenfalls auf eine derartige Verwendung hin. Man kann also die-

Siedlungskontext erhalten, was auch auf andere Gegenstände

se Art von Töpfen, die im Fundgut der Siedlung von Thunau am

aus Metall zutrifft.

Kamp zahlreich vertreten sind, als Kochgeschirr interpretieren. Die Herdplatte hatte einen Durchmesser von ca. 1,2 m und eine Unterlage aus kleinen flachen Steinen. Derartige offene Feuerstellen waren generell Bestandteil eines Wohnhauses. Naheliegend ist, dass diese Herde zum Zubereiten von Nahrung, Dör-

4.2.1 Zur Funktion von Gefäßen

ren von Getreide und Früchten sowie gleichzeitig zum Heizen

Die meisten Keramikgefäße in Siedlungen fanden zum Aufbe-

und als Lichtquelle gedient haben.

wahren, Zubereiten und Anrichten der Speisen im Haushalt Ver-

Eine weitere gebrannte Lehmplatte wurde direkt oberhalb des in

wendung. Darüber hinaus wurden Gefäße auch im Zuge des

den Boden eingetieften Hausteils dokumentiert. Ähnliche Befunde, die wir als Backöfen interpretieren, sind in Thunau am Kamp mehrfach belegt (siehe Abb. 04_23). Es handelt sich dabei ver-

5

Beispiel: Popovtschak/Zwiauer 2003, 150–55, Abb. 164.

6

z. B. Proteine, z. B. Craig/Mulville 2000.

83

4. Wohnen und Wirtschaften

Thunau S 93 1

3

2

Aufbewahren und Zubereiten

4

Kochen

5

7

8

9

Flüssigkeitsbehälter 10 6 Lagerung 11

12

13

Bestattungsritus als Grabbeigabe zum Aufbewahren von Speisen verwendet, die dem Toten ins Grab mitgegeben wurden (siehe Kap. 9). Man kann davon ausgehen, dass Gefäße aus Ton nur einen Teil

14

15

16

Abb. 04_04. Thunau am Kamp, Funktionale Gliederung von Gefäßformen: Vorratsgefäße und Haushaltsware aus der Kulturschicht von Schnitt 93. In erster Linie fanden Vorratsgefäße, Schöpf- und Trinkgefäße sowie Gefäße zum kurz­ fristigen Aufbewahren, Zubereiten und Kochen von Speisen Verwendung. (Lochner 2012, Abb. 3).

der damals verwendeten Behältnisse darstellen und dass es auch welche aus Holz, Leder, Geflecht und anderen organischen Ma-

liegenden Siedlungsterrasse hangabwärts auf eine tiefer liegen-

terialien gab. Entsprechende Funde kennen wir aus den Feucht­

de Terrasse verlagert und ist danach einplaniert worden.

bodensiedlungen der Schweiz, wo sich organische Materialien

Verzierungen aus kantigen Rollrädchenabdrücken auf einzelnen

auf Grund der Lagerungsbedingungen erhalten haben.7

Gefäßscherben sowie das Formelement des kurzen, abgesetzten

Ein gutes Beispiel für ein repräsentatives keramisches Haus­

Zylinderrands (Abb. 04_04/8) sind Merkmale, die dieses Ensem-

inventar liefert ein weiterer Befund vom Nordhang der Siedlung

ble in die Endphase der Urnenfelderzeit und an den Beginn der

von Thunau am Kamp.

Hallstattzeit datieren.

In der Südostecke von Schnitt 93 fand sich eine größere, kom-

Die Keramikgefäße in diesem Konvolut repräsentieren einen

pakte Ansammlung von Gefäßbruchstücken im Verband mit Holz-

Ausschnitt von alltäglichen Haushaltsbehältnissen (Abb. 04_04).

kohle, verkohlten botanischen Resten und etwas Hüttenlehm.8

Große, bauchige Vorratsgefäße (Abb. 04_04/12), zumeist eiför-

Offensichtlich handelt es sich hier um die Reste eines relativ

mige Töpfe (Abb. 04_04/13–15) und weitmündige, schüsselför-

vollständig erhaltenen, aber sekundär verlagerten Hausinven-

mige Gefäße (Abb. 04_04/16) dienten zur Vorratshaltung von fes-

tars. Möglicherweise wurde nach der Zerstörung des Siedlungs-

ter Nahrung. Verschiedene Formen von Kegelhalsgefäßen waren

objekts durch einen Brand eine größere geschlossene Einheit

für Flüssigkeiten (Abb. 04_04/4–5) geeignet. Die große Vielfalt

durch Hangrutschung oder menschliche Eingriffe von einer höher

an Tassen, Henkeltassen (Abb. 04_04/7–11) und Schalen (Abb. 04_04/1–2) war multifunktional sowohl zum Aufbewahren und

7

z. B. Hochuli/Niffeler/Rychner 1998, 278–290.

8 Lochner 2012.

84

Zubereiten als auch zum Schöpfen, Trinken und Essen einsetzbar. Vor allem flachkonische Schalen werden im heutigen Sinn

4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen

 Abb. 04_05. Thunau am Kamp, Auswahl an Sauggefäßen (Foto: G. Gattinger/IUHA; Grafik: W. Schwarz).

gern als Teller interpretiert. Unter den derb geformten Töpfen lassen sich auch kleinere Formen erkennen, die als Kochgeschirr dienten (Abb. 04_04/3) (siehe dazu Pkt. 4.1.1). Eine Besonderheit in diesem Befund ist ein ca. 40 cm langes Tonfässchen.

4.2.2 Gebrauchsformen Bei speziellen Gefäßen kann man als Zweck die Aufbereitung

Backteller und tragbarer Feuerherd (Pyraune)

von Lebensmitteln (Sieb, Fässchen, Backteller), die Nahrungs-

Backteller bereichern ab der jüngeren Urnenfelderzeit und v. a.

aufnahme (Sauggefäß) und/oder einen religiösen oder symbo-

ab der Hallstattzeit vermehrt das keramische Spektrum. Meist

lischen Charakter (Hängegefäß mit Deckel, kommunizierendes

sind nur Bruchstücke erhalten, wie z. B. die fünf Bruchstücke

Mehrfachgefäß, Miniaturgefäße) bzw. eine profane Verwendung,

aus Thunau – vier flache, drei von ihnen mit einer Verzierung aus

etwa als Spielzeug (Miniaturgefäße), interpretieren.

Fingernagelkerben11 und eines mit hochgezogenen Rand12. Vergleichsstücke finden sich in der Lausitzer Kultur, wo sie häufiger

Sauggefäß

nachgewiesen sind.13

Eine relativ häufig auftretende Gefäßsonderform stellen Saug-

Noch seltener erhalten sind Pyraunoi, tragbare Feuerherde bzw.

gefäße dar (Abb. 04_05). Bei den uns bekannten Stücken han-

Kochgefäße, die man über Glut stellen konnte. Umso erfreulicher

delt es sich großteils um rotationssymmetrische Formen mit

ist der Fund eines nahezu ganz erhalten Feuerherds aus dem

schräg ansteigender Tülle. Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt im

nördlichen Niederösterreich (Abb. 04_06).14 Im Zuge des Baus

nordöstlichen Niederösterreich. Es sind aber auch Exemplare in

einer Erdgasrohrleitung wurde im Gebiet von Großreipersdorf

9

Tiergestalt – wobei es sich häufig um Vögel handelt – nachge-

eine größere urzeitliche Siedlung angeschnitten. In einem

wiesen. Ihre funktionale Bedeutung als Saugfläschchen zur Nah-

Ha-A-zeitlichen Objekt standen auf der Grubensohle mehrere

rungsaufnahme für Säuglinge10 und Kleinkinder, kranke und alte

Gefäße, teilweise zerscherbt, darunter eine fast vollständig er-

Personen ist naheliegend. Es gibt aber auch Überlegungen, die

haltene Pyraune. Ein sehr ähnliches Stück kennen wir aus der

diesen Gefäßen kultisch-rituelle Funktionen zuschreiben, wo-

zeitgleichen Siedlung von Brno-Obřany.15 Pyraunoi wurden ab

bei die eine Funktion die andere nicht ausschließen muss (siehe

der Frühbronzezeit hauptsächlich in Siedlungen des Karpaten-

Kap. 11, Pkt. 11.3.6). Die verschiedenen Gefäßformen sowie das

raums verwendet. Es gibt zwei Hauptformen: Stücke mit einge-

unterschiedliche Fassungsvermögen der einzelnen Stücke könnten ein Hinweis darauf sein, dass sie in unterschiedlichen Kon-

11 Kern D. 2001, 31–32, 67, Taf. 101/8, 103/5, 168/1 und 168/2.

texten gebraucht wurden.

12 Wewerka 2001, 48, Taf. 199/15.

9

14 Wewerka 1988, 110–114.

Eibner C. 1973, 148–150.

10 Rebay-Salisbury 2017, 22–24; siehe auch Kap.11 in diesem Band, Fußnote 225 (aktuelles Projekt und weitere Lit.)

13 z. B. Kogus 1982, Tab III/1, 4, 5, 7 und 8. 15 Fischl/Kiss/Kulcsár 2001, 137, Abb. 7/36; zu dem Thema siehe auch Romsauer 2003.

85

4. Wohnen und Wirtschaften

Abb. 04_06. Großreipersdorf bei Pulkau, nahezu vollständig erhaltener tragbarer Feuer­ herd (Pyraune) (Foto: NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Abb. 04_07. Thunau am Kamp, ein besonders sorgfältig gearbeitetes und reich verziertes Miniaturgefäß, das vermutlich als Fläschchen für besondere Flüssigkeiten Verwendung fand (Foto: IUHA).

bautem Rost und solche mit eingebautem Gefäß. Die Variabilität

Doppel- und Dreifachgefäße bzw. kommunizierenden Gefäße, die

der Form bestimmt vermutlich die Funktion. Bei dem hier vorlie-

vermehrt ab Ha B auftritt (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.6). Wie bei den

genden Stück handelt es sich um einen Herd mit Seitenmantel

Sonderformen zuvor angesprochen, gilt auch hier, dass sowohl

und Rauchabzugslöchern über der Schüröffnung. Bei den Her-

eine profan alltägliche Verwendung als auch ein kultisch spezi-

den ist – wie bei den Sauggefäßen – nicht auszuschließen, dass

eller Gebrauch möglich sind und einander nicht ausschließen

sie auch eine kultisch-rituelle Funktion innehatten.

müssen.

Miniaturgefäß

lich in Zusammenhang mit entsprechenden Miniaturgefäßen zu

Kleine Deckel mit zwei gegenständigen Bohrungen sind vermutDie funktionalen Deutungen der Gruppe der Miniaturgefäße sind

sehen; sie sind für die Lausitzer Kultur und besonders für die

vielfältig. Sie sind variantenreich und relativ häufig im Sied-

Schlesisch-Platenicer Kultur typisch, treten aber auch in unse-

lungsmaterial vertreten. Die verkleinerten Ausführungen geläufi-

rem Raum immer wieder in Erscheinung.16 Solche Töpfchen mit

ger Gefäßformen sind als Schalen, Schüsseln, Töpfe oder Kegel-

Deckel, zum Aufhängen oder Tragen geeignet, könnten für Duft-

halsgefäße, zumeist in guter Ausführung mit geglätteter und

stoffe oder Flüssigkeiten verwendet worden sein, ähnlich den

grafitierter Oberfläche, belegt (Abb. 04_07). Es gibt aber auch

heutigen kirchlichen Räuchergefäßen (Abb. 04_08).

grob gefertigte Stücke, die keiner spezifischen Form folgen. Vor allem Letztere werden häufig als Spielzeug im weitesten Sinn ge-

Siebgefäß

deutet, vermutlich auch deswegen, weil heutige Vorstellungen

Die urnenfelderzeitlichen Siebgefäße (Abb. 04_09) sind in ihrer

Kindern die Herstellung qualitätsvoller Objekte nicht zutrauen.

Grundform zumeist Henkelschalen. Der Lochdurchmesser beträgt

Daher deutet man die sorgfältig hergestellten Miniaturgefäße

durchschnittlich 3–5 mm, die Lochfläche umfasst den Boden

als Behältnisse für besondere Materialien oder Objekte für bestimmte Rituale; dazu gehört auch die Gruppe der Miniatur86

16 Dohnal 1973, 56; Eibner C. 1976, 77, Taf. 26/6; Angeli 1960, 116, Taf. 14/4.

4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen

Abb. 04_08. Thunau am Kamp, Rekonstruktion eines Miniaturgefäßes mit Deckel. Töpf­ chen mit Deckel, die zum Aufhängen und Tragen geeignet sind, erinnern an Räuchergefäße. Sie könnten entsprechende Duftstoffe oder Flüssigkeiten enthalten haben (zusammengestellt aus: Wewerka 2001, Taf. 300/21, Taf. 291/15; Grafik: M. Lochner).

und einen Großteil des Wandbereichs. Neben der Funktion des Aussiebens von losem Material mit unterschiedlichen Korngrößen oder Verunreinigungen werden diese Gefäße auch in Zusammenhang mit der Käseerzeugung gebracht. So kann mittels solcher Siebe die Molke vom Topfen getrennt werden.

Tonfässchen Tonfässchen sind eine schwerpunktmäßig im nördlichen und östlichen Niederösterreich auftretende Gefäßform, die an ein liegendes Holzfass erinnert. Ihr gehäuftes Vorkommen erstreckt sich bis auf ungarisches Gebiet und ist während der gesamten Urnenfelderzeit nachgewiesen (Abb. 04_10).17 Entsprechungen in den vorangegangenen Perioden und für die nachfolgende Hallstattkultur fehlen. Die Fässchen werden ebenfalls mit Milchverarbeitung in Zusammenhang gebracht. Allen Stücken gemeinsam ist ein gleichmäßig schwach nach außen gewölbter Gefäßkörper mit ebenen Seitenscheiben und ausgeprägten Randwulsten als Abschluss. In der Mitte des gestreckten Hohlkörpers ist eine runde Öffnung mit einem Durchmesser 17 Lochner 2012.

Abb. 04_09. Thunau am Kamp, Auswahl vollständig erhaltener Siebgefäße der Grabung 1965–1990 (Foto: G. Gattinger/IUHA; Grafik: W. Schwarz).

87

4. Wohnen und Wirtschaften

2

1

4

3

5

Abb. 04_10/1. Foto des Keramikfässchens aus Burgschleinitz, Siedlung „Zu Mariazell“ (Foto: IUHA).

88

Abb. 04_10/2. Urnenfelderzeitliche Keramikfässchen: 1. Burgschleinitz, Siedlung „Zu Mariazell“ 2. Szigliget/Ungarn 3. Thunau am Kamp 4. Burgschleinitz, Brandgräber 5. Kalladorf (Lochner 2012, Abb. 4).

Abb. 04_11. Rekonstruktion der vermuteten Handhabung eines Keramikfässchens. Die Aufhängung, die das Schwingen und Drehen des Gefäßes erleichtert, ermöglicht die Verklumpung von Butter (Horváth 1974, Fig. 4).

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

von 70–85 mm. Die Gesamtlänge der Fässchen schwankt zwi-

Sozialprestige innerhalb ihrer Gemeinschaft gehabt haben22,

schen 464 mm (Thunau) und 315 mm (Szigliget). Einige die-

waren sie es doch, die das Weiterbestehen der Gemeinschaft

ser Gefäße weisen an der Innenseite angebrachte Zapfen auf.

sicherten.

Dieser Umstand verbindet sie mit großen, flaschenförmigen Gefäßbereich an der Gefäßinnenseite ebenfalls diese Zapfen

Glossar: Handwerk und Haushandwerk

aufweisen.18

Heute verstehen wir unter Handwerk die Bearbeitung und Verar-

Gefäßen der Mittelbronzezeit, die am Boden und im unteren

Grundsätzlich stehen mehrere Deutungsmöglichkeiten zur Dis-

beitung von unterschiedlichsten Materialien in Betrieben meist

kussion, etwa als Gärgefäß zur Herstellung alkoholischer Ge-

kleinerer oder mittlerer Größe, in denen Handarbeit und Einzel-

tränke, als Behälter zum Marinieren von Lebensmitteln, beispiels-

leistung im Vordergrund stehen. Diese Art der Herstellung von

weise in salzhaltigen Würzmischungen, oder als Gefäß zur

Gegenständen sieht man im Gegensatz zur industriellen Pro-

Milchverarbeitung. Am wahrscheinlichsten ist beim derzeitigen

duktion, die durch Maschinen bewerkstelligt wird. Eine derar-

Stand der Forschung ein Zusammenhang mit der Herstellung von

tige Definition von Handwerk ist auf urzeitliche Gesellschaften

Joghurt oder Butter. Die Aufhängung ermöglicht das Schwingen

nicht übertragbar. Es bleibt aber zu bedenken, dass die Aufglie-

und Drehen des Gefäßes, die Innenzapfen sind der Verklum-

derung in unterschiedliche Berufe am Ende des Neolithikums

pung von Butter förderlich (Abb. 04_11). Auch ethnografische

bzw. in der beginnenden Frühbronzezeit einsetzte. Vor allem die

Vergleiche z. B. mit Gefäßen von Hirtenkulturen Südosteuropas,

Bronzezeit ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Arbeits-

Anatoliens und dem Nahen Osten zeigen, das ähnliche Gefäße

teilung und die Spezialisierung auf bestimmte Tätigkeiten, die

bei der Milchverarbeitung Verwendung finden.

vermutlich aber schon weit früher begann.23 Zuerst erfolgte sie

19

wohl in weniger arbeitsintensiven Zeiten, z.B. durch Nutzung der vegetationsarmen Perioden, während denen nur wenig Zeit für

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

ackerbauliche Tätigkeiten notwendig war. Man nutzte diese Perioden für die Herstellung und Instandhaltung von Werkzeugen und Geräten oder die Verarbeitung von Rohstoffen wie Holz, Leder, Wolle oder Flachs. Die Arbeitsverteilung erfolgte unter den Gruppenangehörigen, die sich aus Personen un-

In der Urzeit erforderte die Beschaffung und Herstellung der

terschiedlichen Alters und Geschlechts zusammensetzten.

Dinge des täglichen Bedarfs ein Zusammenwirken aller Kräfte.

Die Aufteilung innerhalb eines Haushalts wird nicht von allen

Längerfristigen Bestand hatte eine Gemeinschaft nicht nur durch

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als Spezialisierung

die biologische Reproduktion, auch die Erhaltung und das Weiter-

betrachtet24, da sie als allen menschlichen Gruppen immanent

geben von Wissen und Können waren von Bedeutung. Das galt

angesehen wird.

sowohl für das Spezialwissen – wie jenes der Schmiede, das

Spezialisierung spielt aber beim Haushandwerk eine Rolle.

möglicherweise nur einer kleinen Gruppe von Personen bekannt

Haushandwerk ist dadurch gekennzeichnet, dass die Produktion

war, sorgfältig gehütet wurde oder auch, wie z. B. das Erkennen

den Eigenbedarf deckt, die Kenntnis um den Produktionsprozess

der Temperatur durch die Flammenfarbe20, nur durch Erfahrung

allgemein vorhanden ist, Mitglieder des Haushalts die notwen-

zu gewinnen war – als auch für das Gebrauchswissen, das im

digen Fähigkeiten besitzen und das Rohmaterial durch Eigenpro-

Großen und Ganzen allen Angehörigen einer Gruppe zur Verfü-

duktion oder nahen Tauschhandel abgedeckt wird.25

gung stand und zur Bewältigung des Alltags notwendig war. Zu beiden gehörten neben Materialkenntnissen auch Wissen über Arbeitsabläufe, Arbeitsorganisation und Zeitmanagement sowie die dazugehörigen Rituale. Verbunden damit waren vermutlich

Für die Herstellung von Gegenständen waren nicht nur techno-

auch die Vorstellungen von richtig und falsch sowie die Gliede-

logisches Wissen und Können notwendig, sondern auch geeig-

rung des Jahresablaufs nach bestimmten Tätigkeiten.

netes Rohmaterial und adäquate Werkzeuge.26 Allerdings wissen

21

Perso-

nen, die über Wissen und Können verfügten, müssen ein hohes

22 Vgl. Sennet 2009, 61.

18 Lochner 2012, 198, Abb. 5 und 6.

23 Antl-Weiser 2014, 10.

19 Kosay 1951, Taf. 7/44; Sherratt 1981, 281, Abb. 10/15.

24 Costin 1991, 3–4.

20 Kuijpers 2012a, 137.

25 Grömer 2010, Abb. 119.

21 Bender Jørgenson 2012, 131–132.

26 Weiner 2000, 229.

89

4. Wohnen und Wirtschaften

Metall

Ton

Fasern

Rohstoffbeschaffung: Prospektion Bergbau: Vortrieb, Abbau Aufbereitung Handel und Transport

Rohstoffbeschaffung: Prospektion Tonlagerstätte Abbau Transport

Rohstoffbeschaffung: Anbau und Ernte von Faser- und Färbepflanzen Schafzucht und Wollgewinnung Handel (Farbstoffe)

Metallhandwerk: Schmelzen, Legieren, Gießen Grobbearbeitung, Schmieden, Treiben Feinbearbeitung, Verzierungstechniken

Keramikherstellung: Aufbereitung und Magerung Aufbau des Gefäßes Behandlung der Oberfläche Verzierung Trocknen und Brennen

Gewebeherstellung (dazu Abb. 04_20): Aufbereitung der Fasern, Spinnen Weben: Gewichtswebstuhl, Bandweberei Verzieren beim Weben oder danach Färben von Vlies, Fäden und Stoffen

Platzbedarf/Arbeitsraum: am Rand/außerhalb der Siedlung, Haus/Werkstätte

Platzbedarf/Arbeitsraum: Haus/Werkstätte Brennofen/offenes Feuer

Platzbedarf/Arbeitsraum: außerhalb Siedlung: Felder, Weiden Haus/Werkstätte

Spezialisierungsgrad: Haushandwerk Spezialistentum

Spezialisierungsgrad: Haushandwerk beginnendes Spezialistentum

Spezialisierungsgrad: Haushandwerk Heimindustrie

Abb. 04_12. Handwerkstechniken der Spätbronzezeit unter dem Aspekt der Rohstoffbeschaffung, Verarbeitung, Arbeitsraum und Spezialisierungsgrad (vereinfacht) (Grafik: K. Grömer und D. Kern; Fotos: K. Grömer).

Verarbeitung von Metallen, besonders von Bronze, und die ver-

Ausgangspunkt für diese Entwicklung war die Gewinnung und mehrte Nutzung von Wolle zur Erzeugung von Textilien.

wir nicht, wem in urzeitlichen Gesellschaften diese Rohmateria-

Die Bronze oder die zu ihrer Herstellung notwendigen Rohstoffe

lien und Werkzeuge gehörten und wer über sie verfügen konnte

Kupfer und Zinn, die in den meisten Regionen nicht gemeinsam

oder durfte. Im Laufe der Bronzezeit scheint die Kontrolle über

vorkommen, mussten oft über weite Entfernungen gehandelt

beides zunehmend Ansehen und Macht gesichert zu haben.

werden. Das bedeutete einerseits, dass man in den rohstoff-

Ebenso wie die Einführung der Landwirtschaft am Beginn des

armen Gebieten Überschüsse erzielen musste, um begehrte Güter

Neolithikums die Gesellschaften und das Zusammenleben der

direkt oder indirekt dagegen einzuhandeln, und andererseits,

Menschen veränderte, wirkte sich in der Bronzezeit die Aufglie-

dass dieser Warenaustausch organisiert sein musste. Zudem

27

derung in unterschiedliche Tätigkeitsfelder auf die Sozialstruk-

entstanden rund um Erzgewinnung und Metallverarbeitung wei-

tur aus. Die Art der verrichteten Arbeit ist spätestens seit dieser

tere Aufgabenbereiche, wie Tätigkeiten bei Rohstoffgewinnung,

Zeit ein Faktor in der Konstruktion von Status und Prestige einer

Verarbeitung, Transport und Weitergabe. Diese Aktivitäten wur-

Person innerhalb der Gemeinschaft.

den zunehmend von unterschiedlichen Personengruppen ausgeführt und entwickelten sich zu eigenen Arbeitsbereichen.

27 Lobisser 2014, 116.

90

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

Holz

Bein

Stein

Rohstoffbeschaffung: Waldbewirtschaftung Holzschlägerung Vorbereitung für Transport Transport

Rohstoffbeschaffung: (Knochen, Geweih, Horn): Jagd versus Tierzucht Aufsammeln (Geweih Abwurfstangen)

Rohstoffbeschaffung: Prospektion: Felsgestein, Silex Bergbau: Vortrieb, Abbau Transport

Holzverarbeitung: je nach Endprodukt Entrinden, Zerteilen Feinarbeiten: Sägen Schnitzen

Tätigkeiten: Auslösen der Knochen Weichen Schleifen, Schneiden, Schnitzen Bohren, Sägen

Tätigkeiten: Schlagen Schleifen Sägen, Bohren

Platzbedarf/Arbeitsraum: außerhalb der Siedlung: Wald Haus/Werkstätte

Platzbedarf/Arbeitsraum: außerhalb Siedlung: Felder, Weiden Haus/Werkstätte

Platzbedarf/Arbeitsraum: Haus/Werkstätte

Spezialisierungsgrad: Haushandwerk beginnendes Spezialistentum

Spezialisierungsgrad: Haushandwerk Spezialistentum

Spezialisierungsgrad: Haushandwerk beginnendes Spezialistentum

Die Gewinnung und Verarbeitung von Wolle, die an der Wende

Gussformen Verwendung in der Metallverarbeitung. Die Benut-

vom Neolithikum zur Bronzezeit zunahmen, brachten eine Ände-

zung von Silexklingen bis weit in die Bronzezeit ist indirekt durch

rung im Bereich der Schafhaltung mit sich. Gefundene Tierkno-

Schnittspuren an Knochen nachgewiesen. Holz war nach wie vor

chen zeigen, dass das durchschnittliche Schlachtalter der Tiere

der wichtigste Rohstoff, aus dem z. B. Geräte, Behälter, Möbel

anstieg, was darauf hindeutet, dass nicht mehr hauptsächlich

und Häuser hergestellt wurden. Ton wurde zu Gefäßen, Spinn-

junge Tiere als Fleischlieferanten geschlachtet, sondern ver-

wirteln sowie Webgewichten und vielen Gebrauchsgegenstän-

mehrt ältere Tiere zur Gewinnung von Wolle gehalten wurden.

den geformt und zu Keramik gebrannt. Aus tierischen Rohstoffen

Das führte wohl zu einer Vergrößerung der gehaltenen Herden

– wie Knochen, Geweih, Horn, Muschel- und Schneckenschalen –

und machte ausgedehntere Weideflächen notwendig (siehe

stellte man Geräte und Schmuck her. Häute und Felle wurden zu

Kap. 6).

Leder und Pelzen verarbeitet.

28

So wichtig Neuerungen und die Verarbeitung neuer Materialien

Besondere geologische und klimatische Bedingungen ermög-

waren – Stein war auch in der späten Bronzezeit noch ein wich-

lichten eine regionale Spezialisierung bzw. eine Spezialisierung

tiger Rohstoff. Granite und Sandsteine wurden z. B. zu Mahlstei-

von Siedlungen auf bestimmte Produkte (wie z. B. Gewinnung

nen verarbeitet und fanden als Probiersteine, Kissensteine und

und Verarbeitung von Wolle oder Metallen, Salzbergbau). So

28 Vgl. Bender Jorgenson 2012, 179.

Oberleiserberg ein Hinweis auf einen Schwerpunkt dieser Sied-

könnte die große Anzahl der gefundenen Spinnwirtel auf dem

91

4. Wohnen und Wirtschaften

lung im Bereich der Textilproduktion sein.29 Die Bewohner der Siedlungen in Prigglitz und Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg hatten durch ihre Nähe zu den Lagerstätten ihren

4.3.1 Metallverarbeitung

Tätigkeitsschwerpunkt in der Gewinnung und/oder Verarbeitung

Wenn wir archäologische Quellen zur Metallverarbeitung und

von Kupfer bzw. Bronze. Die Spezialisierung auf einen bestimm-

-bearbeitung suchen, stehen uns sowohl die Metallobjekte selbst

ten Bereich förderte Verbesserungen und begünstigte Innova-

als auch Werkzeuge und Geräte zur Herstellung dieser Metall-

tionsschübe, die wiederum Produktionssteigerungen möglich

objekte sowie Befunde, die auf Gießerei- und Schmiedeplätze

machten (siehe Kap. 7, Pkt. 7.2.2).

hinweisen, zur Verfügung. Metallobjekte geben nicht nur Aus-

Von Hand erzeugte Werkstücke tragen neben den Informationen

kunft über ihre Funktion und Verwendungsweise; Form, Herstel-

über ihren Zweck und ihre Verwendung immer auch Informati-

lungs- und Gebrauchsspuren erzählen auch die Biografie eines

onen über ihre Herstellungstechnik und die Fertigkeit bzw. das

Objekts. Unterschiedliche Analysen der Werkstücke informie-

Können des Herstellers bzw. der Herstellerin in Form von Bear-

ren über Zusammensetzung der Legierung, Herstellungsprozes-

beitungs- bzw. Werkzeugspuren in sich sowie Gebrauchsspuren

se und die Herkunft der Rohmaterialien, z. B. geben Röntgen-

an sich.30 Daher ermöglicht es die Analyse der Artefakte, Rück-

fluoreszenzanalysen Auskunft über die Zusammensetzung der

schlüsse auf ihre Produktion und Verwendung zu ziehen und die-

Legierung, also wie viel Zinn dem Kupfer beigefügt wurde, und

se mithilfe der experimentellen Archäologie zu überprüfen.31

ihre Spurenelemente.35

Der Vergleich von Produktionstechniken an Gegenständen von

Während für die erste Verarbeitung von Kupfer jene Techniken

unterschiedlichen Fundorten kann auch zur Analyse sozialer

eingesetzt wurden, die auch schon von der Bearbeitung von

Beziehungen beitragen, da in der Erzeugung Traditionsstränge

Stein bekannt waren, nämlich die Werkstücke durch Hämmern

und Unterschiede fassbar werden32, die durch soziale Grenzen

(und Treiben) in Form zu bringen, entsteht mit der Erfindung

bedingt sein können . Unterschiede in der Produktion inner-

des Gusses eine zusätzliche, an das Material Metall angepasste

halb eines Fundorts zeigen hingegen, dass Menschen mit unter-

Verarbeitungsform.

schiedlichem Können z. B. am Töpfern und Brennen von Keramik-

Sämtliche Bereiche, die mit der Erzgewinnung und -verarbeitung

gefäßen beteiligt waren. Das Erforschen und Nachvollziehen der

sowie der Erzeugung von Bronzeobjekten in Zusammenhang

33

für die Tätigkeiten notwendigen Fertigkeiten sowie deren Aus-

standen, entwickelten sich in der letzten Phase der Bronzezeit

führung gehören heute zu den Schwerpunkten archäologischer

zu höchstem Niveau. Das heißt, dass am Ende der Bronzezeit alle

Forschung.34

Techniken der Bronzebearbeitung angewandt wurden, wobei

Am Ende der Bronzezeit sind die handwerklichen Spezialisie-

man einerseits sehr qualitätsvolle Einzelstücke wie getriebene

rungen im archäologischen Fundbild sowohl in den Produkten

Bronzegefäße und Beinschienen oder Schwerter herstellte, die

selbst als auch in den selten lokalisierbaren Werkstattberei-

hohes technisches Können, Materialbeherrschung und qualita-

chen festzustellen. Das urnenfelderzeitliche Produktspektrum

tiv hochwertiges Rohmaterial erfordern36, andererseits durchaus

ist breit aufgestellt und reicht von haushandwerklich hergestell-

auch Massenwaren wie Ringe, Pfrieme und Messer. Wir müssen

ten Alltagsobjekten bis hin zu Massenprodukten und hochquali-

somit von einem in unterschiedliche Zweige getrennten Verarbei-

tativen Einzelerzeugnissen. Die Ausmaße der Produktion und der

tungsprozess und einer Aufgliederung in unterschiedliche Beru-

Spezialisierungen in den einzelnen Siedlungen sind eine offene

fe wie Gießer, Schmied und Toreut ausgehen. Tatsächlich wissen

Forschungsfrage.

wir aber über die Struktur und Organisation der Metallverarbeitung in urnenfelderzeitlichen Siedlungen recht wenig. Einfache Metallverarbeitung wird wohl im Bereich des Haushandwerks erfolgt sein. Nachweise für Bronzeguss im archäologischen Befund sind Öfen, Tondüsen, Gussformen, Fehlbrände, Schlacken und zugehöriges Spezialwerkzeug, wie z. B. feine Bronzemeißel.

29 Kern A. 1987, 14 und z. B. Taf. 21. 30 Budden, 2008; Costin 2000, 378. 31 Lobisser 2014, 84–85 und 89–90. 32 Sofaer/Bender Jørgensen/Choyke 2013, 470. 33 Kreiter/Szakmány/Kázmér 2009, 101. 34 Budden/Sofaer 2009; Kuijpers 2012b 2–4; Sǿrensen/Rebay-Salisbury 2012 (Teil II).

92

35 Mödlinger 2009, 181. 36 Mehofer 2015, 235–236.

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

Einige Aspekte über Werkzeuge und Gegenstände zur Metallverarbeitung Die meisten Metallobjekte der Urnenfelderzeit stammen aus Depotfunden, deren Interpretation von Rohstofflagern über Verwahrfunde in unruhigen Zeiten bis zu Opfergaben an die Götter reicht. In jüngerer Vergangenheit wird meist die Interpretation als Opfergaben bevorzugt (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.2).37 Depotfunde wurden ebenso mit dem Metallhandwerk in Verbindung gebracht, einerseits als Materiallager, andererseits wegen der in ihnen enthaltenen Werkzeuge. Von diesen können die Ambosse (Abb. 04_13), die Tüllenhämmer mit dachförmiger oder sehr schmaler Bahn, die Meißel mit stumpfem Schneidenwinkel, die schweren Schaftlochhämmer und die Punzen als Geräte zur Metallbearbeitung gesehen werden.38 Zudem scheinen auch Bronzesägen bei der Herstellung von Gussformen aus weichen Gesteinen eine Rolle gespielt zu haben.39 Sägen und Pfrieme aus Bronze kamen z. B. auch bei der Herstellung von Kämmen und der Verarbeitung von Leder zum Einsatz.40 Außer Depots, in denen Werkzeuge unterschiedlicher Tätigkeitsbereiche gemeinsam vorkommen, gibt es auch Horte mit eindeutigen Werkzeugsätzen wie z. B. das Depot von Schiltern (Datierung Ha A2)41 mit Tüllenhammer, Steckamboss, zwei Gusskernen (für Lanzenspitzen?), einem Helmaufsatz (?), einem Messer (Griffplattenmesser vom Typ Unterradl), mehreren Bronzedrahtstücken und zehn Bronzeringlein. (Abb. 04_14). Ganz vereinzelt finden sich in den Gräbern der Urnenfelderzeit Werkzeuge oder Geräte, die die Bestatteten mit der Metallverarbeitung in Verbindung bringen oder auf Reichtum aus der Metallgewinnung und -verarbeitung schließen lassen. Solche Gräber sind von Skandinavien bis ins Karpatenbecken in weiten Teilen Europas vorhanden. Aus ihnen sind Tondüsen, Ambosse,

Abb. 04_13. Fundort unbekannt, wahrscheinlich aus der Gegend von Eggenburg, Steckbzw. Rillenamboss (Foto: Peter Ableidinger, Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).

Hämmer, Gusstiegel, Gussformen, Gusskerne und Meißel nachgewiesen.42 Untersuchungen des Ausstattungsmusters zeigen, dass die Utensilien des Schmiedevorgangs üblicherweise nicht

In Siedlungen sind Belege für die Weiterverarbeitung von Bronze

gemeinsam mit jenen des Gießvorgangs in einem Grab vorkom-

zu Schmuck, Werkzeug, Waffen und Gefäßen selten und nur indi-

men43, was auf getrennte Tätigkeitsfelder im Bereich der Bronze-

rekt über einschlägiges Fundmaterial möglich.

verarbeitung hindeuten könnte. Aus Niederösterreich ist bislang

Einer der Gründe liegt wohl darin, dass Bronzeschmelzanlagen

kein urnenfelderzeitliches Grab bekannt, dessen Beigaben zwin-

bzw. Gießereiwerkstätten archäologisch schwer nachweisbar

gend auf eine ehemalige Tätigkeit des Bestatteten im Bereich

sind. Bronzeschmelzöfen sind im archäologischen Befund sehr

des Metallhandwerks hinweisen.

unscheinbar. Feuerstellen mit einzelnen Steinen an den Rändern und/oder einer Lehmplatte oder Lehmwanne für den Gusstiegel

37 Hansen 2012. 38 Nessel 2010, 373, 382. 39 Nessel 2009, 249. 40 Fabian 2010, 334. 41 Girtler 1970; Trnka 1983, 148. 42 Nessel 2012a, Abb. 1.

lassen sich als solche Schmelzplätze deuten, sofern auch andere entsprechende Funde wie Gusstiegel, Tondüsen (Abb. 04_15/1 und 15/2), Gussformen, Metalltropfen, Rohprodukte und Ähnliches vorhanden sind. Das heißt, dass mehrere Komponenten notwendig sind, um mit einiger Sicherheit von einem Werkplatz der Metallverarbeitung sprechen zu können.

43 Nessel 2012a, 68.

93

4. Wohnen und Wirtschaften

Abb. 04_14. Schiltern, Bronzedepot mit Werkzeugsätzen und Rohmaterialien (Foto: G. Gattinger/IUHA).

Betrachten wir das übrige Fundmaterial auf dieser Höhensied-

Aus dem Umfeld der ostalpinen Verhüttungsregion für Kupfer-

se Schmelzprodukte von flach-rundlicher Form, die sog. Guss-

erz im südöstlichen Niederösterreich sind Bronze verarbeitende

kuchen –, so verteilen sich diese Fundstücke, abgesehen von

Siedlungen v. a.durch die Ausgrabung in Prigglitz und Kienberg

einzelnen Fundkonzentrationen in eingetieften Hüttenbereichen

lung, das auf verarbeitende Werkstätten hinweist – neben den erwähnten Gussformen vorwiegend Gusszapfen und diver-

sowie durch Funde von der Flur Am Gelände bei Grünbach am

auf der oberen Holzwiese, gleichmäßig auf die gesamte Sied-

Schneeberg und von der Höhensiedlung Velem-Szentvid in Un-

lungsfläche. Befunde mit Öfen fehlen allerdings (Abb. 04_17).

garn belegt (siehe Kap. 7, Pkt. 7.2) .

Will man die erwähnten Fundverteilungen als Hinweis auf

Im nördlichen Niederösterreich liefern vor allem die ausgiebig

Bronzeschmelzanlagen interpretieren, so ergäbe sich, dass die

und mehrjährig untersuchten Höhensiedlungen wie Thunau am

Werkstätten im unmittelbaren Wohnbereich angesiedelt waren.

Kamp, Oberleiserberg und Stillfried an der March entsprechen-

In diesem Fall läge die Interpretation als Hauswerk nahe, wobei

des umfangreicheres Fundmaterial (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3). Aus

jede Familie ihre eigene kleine Werkstätte besaß. Dies schließt

Thunau am Kamp sind Steingussformen für Ringe (Abb. 04_16/1),

aber nicht aus, dass es für die Bronzeverarbeitung Spezialisten

eine Lanzenspitzengussform, zwei Formen für Tüllenbeile sowie

gegeben hat.

Tongussformen für die Produktion von kleinen Ringen erhalten (Abb. 04_16/2). 94

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

 Abb. 04_15/1. Stillfried an der March, Tondüsenfragmente. Ab der Urnenfelderzeit waren Tondüsen, im Gegensatz zu den geraden Tondüsen der frühen Bronze­ zeit, knieförmig gebogene Tonröhren mit einigen Zentimetern Innendurch­ messer. In Kombination mit einer Blasbalganlage war damit erstmals ein kontinuierlicher Luftstrom gewährleistet, der die Sauerstoffzufuhr für das Erhitzen der Holzkohle und die Kontrolle der Temperatur verbesserte (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

 Abb. 04_15/2. Tondüse mit plastischer Verzierung in Aktion bei Versuchen des Forschungs­ zentrums HiMAT (Foto: U. Töchterle (2010), Inst. für Archäologien, FZ HiMAT, Univ. Innsbruck).

Möglicherweise wurde im Bereich der auf dem Oberleiserberg freigelegten gebrannten Tonplatten Metallverarbeitung durchgeführt.44 Von einem Ofen ist nur mehr der Rest der gebrannten Lehmplatte vorhanden. Der zweite Ofen ist dagegen relativ gut erhalten. Es handelt sich um einen Kuppelofen mit einer Grundplatte aus gebranntem Lehm. Man fand Reste der aufsteigenden Wandung und des Halses, durch den die Kuppel beschickt wurde (Längsdurchmesser, inkl. Halsbereich ca. 190 cm). Solche Kuppelöfen können sowohl zur Nahrungszubereitung als auch zur Keramikherstellung sowie zu Tätigkeiten in Zusammenhang mit Metallverarbeitung gedient haben. 44 Kern D. 2013.

95

4. Wohnen und Wirtschaften

 Abb. 04_16/1. Thunau am Kamp, Steingussform für Ringe (Foto: IUHA)

Abb. 04_16/2. Thunau am Kamp, Stein- und Tongussformen: 1. und 2. Steinformen für Tüllenbeile – 3. Steinform für eine Lanzenspitze – 4. Tonformen zur Anfertigung kleiner Ringe. Sowohl die die gedrungene, kleine Form der Lanzenspitze als auch das Tüllenbeil mit Lappendekor und das Tüllenbeil mit Bogenverzierung sind charakteristische Vertreter der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur (Datierung: Ha B2–Ha B3) (Lochner 2018, Abb. 15).



2

1

4

3 96

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

Abb. 04_17. Thunau am Kamp, Kartierung von Gussresten: Gusszapfen, diverse Schmelzreste, Gusskuchen, Gussformen und Tonlöffel aus dem Bereich der Höhensiedlung (Grabung 1965–1990) (Lochner 2018, Abb. 16).

Bruchstücke von insgesamt sechs Tongussformen für Ringe, alle vom gleichen Typ, belegen die Tätigkeit eines Bronzegießers in der Siedlung. Eine Gussform (Abb. 04_18) konnte vollständig zusammengesetzt werden; sie hat eine Gesamtlänge von 27 cm. Die zu gießenden Ringe haben einen äußeren Durchmesser von 12,5 mm und eine Ringstärke von 1–1,5 mm. Dass alle Gussformenteile vom Oberleiserberg die gleiche Konstruktionsweise, Tonzusammensetzung sowie Ringgröße aufweisen, deutet auf eine zeitgleiche Serienproduktion hin. Die Gussformbruchstücke befanden sich im nordöstlichen Teil des Plateaus, großteils in der Schuttschicht des spätantiken Planierhorizonts, und waren zusammen mit vereinzelten urzeitlichen Scherben auf einer Fläche von ca. 10 m2 verstreut.45 Im Umfeld der Gussformen konnten unter den spätantiken Befunden zwei urzeitliche Ofenreste sowie in den gewachsenen Fels eingetiefte Gruben und Pfostenlöcher erkannt werden, die – nach den bisherigen Funden zu schließen – Siedlungsreste der Urnenfelderkultur darstellen. Ein Zusammenhang zwischen Öfen und Gussformen ist nicht zwingend, jedoch wird aus der Fundsituation zumindest angezeigt, dass es sich auch hier um einen handwerklichen Bereich handeln dürfte.

45 Lochner 2004, 103–106, Taf. 1.

Abb. 04_18. Oberleiserberg, vollständig erhaltene Tongussform zum Herstellen von kleinen Bronzeringen (Lochner 2004, Taf. 1/1).

97

4. Wohnen und Wirtschaften

4.3.2 Keramikherstellung Die Herstellung von Keramik benötigt, je nach angewendeter Technik der Tonaufbereitung, Tonlagerung, Form- und Trockenbereiche für ungebrannte Produkte sowie den Brandplatz selbst, ein vielfältiges Platzspektrum. Gruben oder Stellen, die zur Lagerung oder Aufbereitung von Ton verwendet wurden, sind bisher nicht nachgewiesen. Die Herstellung der Tonobjekte, mit Ausnahme großer Gefäße, benötigt kein besonderes Raumangebot. Für das Trocknen von Gefäßen oder Tonobjekten vor dem Brand konnte man freie Stellen innerhalb der Siedlung bzw. vor den Häusern nutzen. Grundsätzlich gibt es beim Brand von Keramik zwei unterschiedliche Arten, was sich auch in der Farbe der Oberfläche zeigt. Es handelt sich dabei um das reduzierende und das oxidierende Brennen, wobei Ersteres ohne Sauerstoffzufuhr Gefäße mit dunkler Oberfläche erzeugt und Letzteres mit Sauerstoffzufuhr rote bis braune Oberflächen zur Folge hat.

Abb. 04_19. Experimentelle Archäologie: Töpfern eines urzeitlichen Gefäßes (Foto: V. und L. Albustin).

Das Brennen der Keramik kann in einfachen Lagerfeuern, Gruben oder eigens dafür gebauten Brennöfen erfolgen. Brennöfen haben im Gegensatz zu den beiden anderen Arten den Vorteil, dass

aufbereitet, die Oberflächen hat man sorgfältig gestaltet und die

sowohl Brennatmosphäre – oxidierend oder reduzierend – als

Gefäße meist mit hoher Temperatur gebrannt. Dünnschliffe zei-

auch Brenntemperatur besser kontrolliert werden können. Ein-

gen, wie die Gefäße aufgebaut wurden, z. B. in Wulsttechnik oder

deutige Befunde von Brennöfen aus der späten Bronzezeit feh-

durch Aneinanderfügen von Tonstreifen oder -platten, und dass

len aus Niederösterreich bisher, doch aus Süddeutschland ken-

Magerungsmittel wie Sand, Quarzsteinchen, aber auch Grafit

nen wir den Befund eines Lochtennenofens mit zwei Kammern,46

(siehe Kap. 7, Pkt. 7.3.4) dem Ton zugesetzt wurden, um dessen

der zu seiner Zeit sicher die neueste Technologie repräsentier-

Eigenschaften zu beeinflussen. Form und Herstellungsweise der

te. Auch das Vorhandensein von Fehlbränden – d. h. Gefäßen,

Gefäße sprechen in der Bronzezeit für eine Herstellung im Be-

die beim Brand zersprangen oder beschädigt wurden – zeigt an,

reich des Haushandwerks.

dass und wo in der betreffenden Siedlung Keramik hergestellt

Im Gegensatz zu den Werkzeugen und Geräten zur Produktion

wurde.

von Bronzeobjekten sind die Geräte, die zur Herstellung von

Im Gegensatz zum Werkstoff Bronze, dessen Rohstoffe Zinn und

Keramik verwendet wurden, meist unscheinbar. Vor allem zur Be-

Kupfer nicht überall vorhanden waren, ist Ton zur Herstellung

arbeitung bzw. Glättung der Oberfläche fanden Kiesel, Muschel-

von Keramikgefäßen praktisch überall verfügbar. Die erste Ver-

schalen und vergängliche Holzgegenstände Verwendung. Sehr

wendung von gebranntem Ton reicht bis in die jüngere Altstein-

selten finden sich Reste solcher Werkzeugsätze auch in Gräbern

zeit zurück. Dabei handelt es sich um kleine Tier- und Menschen-

oder Keramikdepots, wie die Glättsteine aus dem Keramikdepot

figuren.

Die Herstellung von Gefäßen aus Ton ist in unserem

von Drösing.48 Verzierungen wie Kanneluren, Ritzlinien und

Raum seit der ersten Hälfte des 6. Jahrtausends nachgewiesen.

Einstempelungen wurden mit Hilfe von Holzstöckchen oder Kno-

47

Die Keramikproduktion hatte in der Bronzezeit somit eine lan-

chen hergestellt. Die auf Töpfe zur besseren Handhabung aufge-

ge Tradition. In der Urnenfelderzeit wurden nicht nur Gefäße aus

legten Leisten wurden mit Fingertupfen oder Fingernagelkerben

Ton geformt, sondern z. B. auch Spinnwirtel, Webgewichte und

versehen. Diese Leisten, aber auch Knubben und Henkel wurden

Gussformen, um nur einige weitere Objekte zu nennen.

auf die Gefäßwand angarniert, also aufgeklebt und nicht aus ihr

Die urnenfelderzeitliche Gefäßkeramik ist handgeformt und

herausgearbeitet. Dies zeigt sich besonders deutlich dort, wo

überwiegend von hoher Qualität (Abb. 04_19). Der Ton wurde gut

die Leisten, Knubben oder Henkel abgeplatzt sind.

46 Pressmar 1979. 47 Budja 2013, Fig. 2.

98

48 Draganits 1994.

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

Aufbereitung

Spinnen

Weben

Nähen

Färben

Produktionsmittel: Rohmaterial Wolle und Flachs

Produktionsmittel: aufbereitetes Rohmaterial

Produktionsmittel: Fadenmaterial spezialisiertes Know-how

Produktionsmittel: Stoffe Fadenmaterial Bänder

Produktionsmittel: Färbematerial Wasser Feuer, Holz

Werkzeuge: Hechelbrett Wollkarde Kämme

Werkzeuge: Spindel (Holzstab, Wirtel) Spinnrocken

Werkzeuge: Webstuhl (Gewichte, Rahmengestell) Webschwert Bandwebgerät Webbrettchen

Werkzeuge: Nähnadel Messer

Werkzeuge: Gefäße

Produkte: vorbereitetes Vlies Kammzug Flachsstränge

Produkte: Garne Zwirne

Produkte: Flächengewebe Bänder

Produkte: genähte Kleidung andere Objekte (z. B. Fördersäcke)

Produkte: gefärbtes Vlies gefärbtes Garn gefärbte Gewebe

Abb. 04_20. Einzelne Schritte in der bronze­ und hallstattzeitlichen Gewebeherstellung (dazu Abb. 04_12) mit den benötigten Produktionsmitteln und Werkzeu­ gen sowie der Halbfertig- und Fertigprodukte (vereinfacht) (Grafik: K. Grömer).

4.3.3 Textilherstellung Die Erhaltungsbedingungen für Textilien sind auf niederöster-

Fundlage und somit die Verwendung dieser golddurchwirkten

reichischen Fundstellen, bei denen es sich im überwiegenden

Textilien.51

Maße um Trockenbodenfundstellen handelt, schlecht. Textilien

Funde aus Nachbarregionen belegen, dass am Ende der Bronze-

brauchen, damit sie nicht vergehen, besondere Bedingungen –

zeit Wolle und Flachs verarbeitet wurden.52 Aus Flachs stellte

das kann die Konservierung durch Salz, die Ablagerung im

man Schnüre, Seile, Geflechte und Netze, aber auch Kleidung

Feuchtboden, in Mooren, in Baumsärgen oder im Eis sein. Wenn

her.53 Die gewebten Stoffe wurden im Laufe der Bronzezeit immer

sie in Trockenböden erhalten bleiben, dann nur in zumeist sehr

kunstfertiger und vielfältiger. Ab der Mittelbronzezeit fertigte

kleinen Resten, wie z. B. durch Verkohlung oder Inkohlung sowie

man die Leinwandbindung, durch Panama- und Köperbindung

als Korrosionsprodukte an Metallgegenständen.

ergänzt, sowie Gewebe mit Spinnrichtungsmustern an.54 Eine

49

Die einzigen derzeit bekannten urnenfelderzeitlichen Textilreste

weitere Neuerung ab der Mittelbronzezeit ist das Färben von Tex-

aus Niederösterreich stammen aus Gräbern von Vösendorf. Sie

tilien (z. B. mit Färberwaid).55 Dies steht vermutlich auch im Zu-

datieren in die Stufe Ha  A und somit in den älteren Abschnitt

sammenhang mit der zunehmenden Verwendung von Wolle, da

der Urnenfelderzeit. Aus Grab  2 blieb der Rest eines sehr fein

sich diese im Gegensatz zu Pflanzenfasern sehr gut zum Färben

gearbeiteten Textils in Panamabindung als Korrosionsprodukt

eignet.56 Außer den gefärbten Textilen selbst haben wir keinen

an einem bronzenen Armreif erhalten.

Hinweis auf das Färben. Färben konnte man sowohl das Vlies als

50

Aus weiteren drei Grä-

bern stammen Goldfäden, die wohl ebenfalls von Textilien stammen. Die Aufzeichnungen über die während des Zweiten Weltkriegs geborgenen Gräber geben leider keinen Hinweis auf die

51 Talaa 1991, Abb. 33; Grömer 2010, Abb. 96. 52 Grömer 2006, 57. 53 Harris 2014, 3 und 6. 54 Grömer/Bender/Jørgensen 2013, 96.

49 Grömer 2010, 30–41.

55 Hofmann-de Keijser, Abb. 74.

50 Grömer/Mehofer 2006, 59–61.

56 Grömer 2014, 6.

99

4. Wohnen und Wirtschaften

Abb. 04_21. Auswahl an Spinnwirteln sowie scheiben-, ring- und kegelstumpfförmigen Webgewichten aus Thunau am Kamp und Unterradlberg (Foto: G. Gattinger/ IUHA (1, 4), N. Sauter/IUHA (3), A. Schumacher/NHM Wien (2).

sern58 und ihre Bruchstücke in vielen Abfallgruben finden, meist über die ganze Siedlungsfläche verstreut (Abb. 04_22). In seltenen Fällen sind Reihen von Webgewichten in Hausbefunden erhalten, die als Bestandteile von Webstühlen interpretiert werden können. Sie ermöglichen eine Rekonstruktion

auch das Garn sowie das ganze Textil – je nachdem waren unter-

des Webstuhls.

schiedlich große Behälter für den Färbevorgang notwendig. Wie an den Geweben feststellbar ist, schnitt man in der Urnenfelder-

Haus mit Webstuhl

zeit bereits Stoffe zu, verarbeitete die entstandenen Teile weiter

Vom terrassierten Nordhang der Anlage von Thunau am Kamp

und nähte sie z. B. zu Kleidung zusammen.57

sind Teile eines Hauses mit einem durch Brand zerstörten Web-

Die Herstellung von Textilien zählte zu den zeitintensivsten Tätig-

stuhl erhalten (Abb. 04_23).59

keiten eines bronzezeitlichen Haushaltes. Man muss bedenken,

Vom rechteckigen Hausgrundriss ist eine Seite mit seiner Ge-

dass sie nicht erst mit dem Spinnen der Fäden begann, sondern

samtlänge (3,5 m) erhalten. In den beiden Ecken befinden sich

bereits mit dem Anbau der Faserpflanzen bzw. der Aufzucht der

mit dunkelgrauer Erde verfüllte Pfostenlöcher, die mit größeren

Schafe. Danach musste man die Pflanzen pflegen, ernten und

Steinen umstellt waren. Die Süd- und die Ostkante des Haus-

aufbereiten. Ebenso mussten die Schafe betreut und deren Haa-

bodens sind in den ockergelben, sterilen Verwitterungslehm

re ausgerauft werden; erst ab der Latènezeit (ca. 400 v. Chr. bis

eingetieft, an der Außenkante schließt sich vermutlich der Rest

15 v. Chr. Geb.) wurden Schafe mit Scheren geschoren. Erst nach

eines Backofens an (siehe auch Pkt. 4.1.1). Der Verlauf der Nord-

Gewinnung der verarbeitungsfähigen Fasern konnte man mit

kante ist infolge frühmittelalterlicher Störungen bzw. Überbau-

dem Spinnen beginnen (Abb. 04_20).

ungen unklar. Im Inneren des Hauses lagen ca. 40 cm von der

An Geräten im Bereich der Textilherstellung und -verarbeitung

Ostwand entfernt eine große Anzahl Webstuhlgewichte in unge-

kennen wir Spinnwirtel und Webgewichte, beides überwiegend

störter Lage. Es handelt sich um 38 scheiben- und ringförmige

aus Ton, sowie Nähnadeln aus Bronze, vereinzelt auch Tonspulen.

Gewichte aus Ton in Reihen (Abb. 04_24).

Spinnwirtel und Webgewichte bzw. deren Bruchstücke fin-

Von Ingrid Schierer60 wurden – aufgrund der Lage der Webge-

den sich in großer Anzahl in urnenfelderzeitlichen Siedlungen

wichte – in Versuchsanordnungen verschiedene Bedingungen

(Abb. 04_21). Die Spinnwirtel sind meist konisch oder doppel-

der Zerstörung des Webstuhls simuliert. Außerdem versuchte

konisch. Bisweilen sind sie durch Eindrücke oder Kanneluren

sie, auf die verwendete Bindungsart des produzierten Gewebes

verziert. Die Webgewichte sind meist ringförmig oder scheiben-

zu schließen. Das Haus mit dem Webgerät brannte vermutlich ab,

förmig. Bei den scheibenförmigen Webgewichten kann die Lo-

es fanden sich allerdings keine Brandschichten. Die Gewichte

chung zentral oder dezentral angebracht sein. Es finden sich

fielen zu Boden, als die Kette Feuer fing. In der Folge wurden die

auch pyramiden- oder kegelstumpfförmige Webgewichte.

ursprünglich nur luftgetrockneten Lehmgewichte zu Keramik ge-

Nicht außer Acht lassen darf man auch, dass für das Spinngut

brannt. Die Versuchsergebnisse deuten darauf hin, dass ein Ge-

eine geeignete Lagerungsmöglichkeit vorhanden gewesen sein

webe in Köperbindung, bei dem vier Litzenstäbe Verwendung

muss. Man geht davon aus, dass in der Bronzezeit Textilien im

fanden, gewebt wurde.

Haushandwerk hergestellt wurden, da sich in den Siedlungen Spinnwirtel und Webgewichte in vielen Überresten von Häu-

58 Grömer 2013, 95. 59 Lochner 2017.

57 Rösel-Mautendorfer 2010, 213.

100

60 Schierer 1987; Schierer 2005.

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

Abb. 04_22. Thunau am Kamp, Kartierung von Webgewichten aus dem Bereich der Höhensiedlung (Grabung 1965–1990) (Lochner 2018, Abb. 14).

Abb. 04_23. Thunau am Kamp, Schnitt 92, Hausbefund mit Webgewichten (Lochner 2018, Abb. 13).

101

4. Wohnen und Wirtschaften

Kette bei freihängenden Litzenstäben

Webbreite ca. 1 Meter

Kette bei eingehängten Litzenstäben

10-13 Fäden pro cm drehbarer Warenbaum

1. Litzenstab 2. Litzenstab 3. Litzenstab 4. Litzenstab

Die Entfernung der Gewichte von der Wand (=Verfärbungsgrenze) entspricht etwa dem Grabungsbefund

Abb. 04_24. Thunau am Kamp, Rekonstruktion des Webstuhls aus Schnitt 92, vierschäftig, Darstellung in vereinfachtem Auf- und Seitenriss (Schierer 1987, Abb. 26).

werden beim Gewichtswebstuhl am Kettbaum angehängt und durch die Webgewichte beschwert und straff gehalten. Köperbindung: Bindungsart eines Gewebes, bei der die Zahl der jeweils überbrückten Fäden variiert wird. Hergestellt werden die-

Glossar: Textilherstellung 61

se Gewebe am Gewichtswebstuhl mit mehreren

Litzenstäben.

Leinwandbindung: einfachste Bindungsart eines Gewebes, bei

Bindungen: ein bestimmtes System der Verkreuzung von Schuss-

der die Fäden einander im gleichbleibenden Rhythmus kreu-

und Kettfäden bei Geweben. Die in der Urgeschichte vorkom-

zen. Jeder  Kettfaden liegt abwechselnd über bzw. unter dem

menden Grundbindungsarten sind  Leinwandbindung,  Pana-

 Schussfaden.

mabindung und  Köperbindung mit verschiedenen Varianten.

Litzenstab (Schaft): Vorrichtung zum Heben und Senken der

Drehrichtung: Bei Garnen und Zwirnen wird die Drehrichtung mit

 Kettfäden, um ein  Webfach zu bilden. Beim Gewichtsweb-

den Buchstaben S oder Z bezeichnet, je nachdem, ob bei senk-

stuhl ist das der Stab, an dem die Kettfäden mittels eines Hilfs-

recht gehaltenem Faden die Fasern in Richtung des Schrägs-

fadens (Litze) befestigt sind. Für  Leinwandbindung ist beim

trichs der Buchstaben S oder Z verlaufen. Die Drehrichtung bei

Gewichtswebstuhl ein einzelner Litzenstab notwendig, für

Garnen wird mit s und z, bei Zwirnen mit S und Z gekennzeichnet.

 Köperbindung sind es mindestens drei.

Garn: gesponnene Einzelfäden, je nach Drehrichtung s- oder

Panamabindung: Gewebebindung ähnlich der  Leinwandbin-

z-Garn.

dung, doch kreuzen sich jeweils zwei Fäden, wodurch sich ein

Kette: die Gesamtheit der Fäden ( Kettfäden), die bei der Her-

würfelartiges Aussehen ergibt.

stellung eines Gewebes in Längsrichtung verlaufen. Kettfäden

Schuss: der Eintrag beim Weben – die Gesamtheit der Fäden ( Schussfäden), die bei der Herstellung eines Gewebes in Quer-

61 Nach Grömer 2010, 75, 424–428.

102

richtung von einer Seitenkante zur anderen liegen.

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

Spinnrichtungsmuster: Muster mit abwechselnder Verwendung

vielen Bauhölzer, Möbel, Holzgefäße und Löffel, Flöten, Griffe

von verschieden gedrehten (s- und z-)  Garnen. Seine Wirkung

und Futterale von Werkzeugen und Waffen oder die Körbe, Tragen

beruht darauf, dass s- und z-Garne das auf sie fallende Licht un-

und Reusen, die aus z. B. Weidenruten hergestellt wurden, um

terschiedlich reflektieren und sich so im Gewebe Ton in Ton ein

nur eine kleine Auswahl anzuführen.

feines Streifenmuster abzeichnet.

Nicht zuletzt bestehen auch Gebäude, bei deren Errichtung viele

Webfach: Abstand zwischen  Kettfäden, in den die  Schuss-

Materialien – darunter Stein, Lehm, Bast, Stroh und Schilf –

fäden eingelegt werden. Zur Fachbildung wird mit diversen Hilfs-

zum Einsatz kamen68, zum größten Teil aus Holz (siehe Kap. 3,

mitteln, z. B. einem  Litzenstab, ein Teil der Fäden angehoben

Pkt. 3.1.1). Wie groß der Arbeitsaufwand und der logistische

und gesenkt.

Aufwand bei der Errichtung eines Gebäudes waren und wie viele

Zwirn: zwei oder mehrere zusammengedrehte  Garne, je nach

Menschen dafür benötigt wurden, lässt sich bei der Errichtung

Drehrichtung S- oder Z-Zwirn.

experimenteller Nachbauten bzw. Architekturmodelle ermitteln.69 Im Unterschied zu heute verarbeiteten die Menschen in der Steinzeit und auch der Bronzezeit grünes, frisch gefälltes

4.3.4 Holzverarbeitung

Holz – vor allem bei der Verwendung von Eiche als Bauholz –, um die Werkzeuge zu schonen und den Arbeitsaufwand gering zu halten. Spätestens ab dem Beginn der Urnenfelderzeit lassen

Bereits in der Altsteinzeit zählte Holz zu den wichtigsten Rohstof-

optimaler Werkzeuggebrauch und neue Werkzeugtypen auf eine

fen, wenn es nicht sogar der wichtigste war. Doch bleibt von der

Spezialisierung in diesem Handwerk schließen.70

Holzgewinnung und -verarbeitung in unseren Breiten unter ge-

Bearbeitungsspuren an den Gegenständen und Konstruktions-

wöhnlichen Umständen meist nur das verwendete Werkzeug er-

hölzern ermöglichen ein Nachvollziehen der Herstellung und Er-

halten. Äxte, Beile, Dechsel und Stemmbeitel sind häufig in der

kennen der verwendeten Werkzeuge. Einen kleinen Einblick in

Urzeit nachgewiesene Geräte. In der Bronzezeit wurden sie über-

die bronzezeitliche Holztechnologie im heutigen Niederöster-

62

wiegend aus Metall hergestellt, nachdem sie in der Jungstein-

reich erlauben die bei Rettungsgrabungen gefundenen Brunnen

zeit aus Felsgestein bzw. Knochen und Geweih gefertigt worden

aus Pixendorf (siehe Kap. 3, Pkt. 3.1.2).

waren. Die unterschiedliche Schäftung machte gleich geformte

Bisweilen bleiben im Trockenboden Holzteile in verkohltem Zu-

Klingen zu unterschiedlichen Werkzeugen. So kann z. B. ein Rand-

stand erhalten, wie z. B. Teile der Wallkonstruktion in Stillfried

leistenbeil als Beil, aber auch als Dechsel oder Stemmbeitel

an der March und Thunau am Kamp (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3). Meist

geschäftet und verwendet werden.63

jedoch zeigen nur dunkle Verfärbungen das ehemalige Vorhan-

Direkte Nachweise der Holzverarbeitung in Form ihrer Werk-

densein von z. B. Holzeinbauten in Gräbern. Sonst sind Nach-

stücke bleiben nur in feuchtem Milieu erhalten, z. B. in Mooren,

weise von Holzobjekten aus der Urnenfelderzeit in Niederöster-

Seeufersiedlungen und im Bereich des Grundwasserspiegels

reich rar und nur indirekt, z. B. durch erhaltene Bronzebeschläge,

sowie im Eis oder Salz. Als Beispiele können hier die hölzernen

nachweisbar (siehe Kap. 9, Pkt. 9.2.4 und 9.3.3).

Gefäße und Werkzeuge aus den Pfahlbauten der Schweiz64 und

Wie bei der Textilerzeugung darf auch hier nicht vergessen wer-

Norditaliens65 angeführt werden oder die Kienspäne und die

den, dass die Holzgewinnung nicht erst mit der Bearbeitung

Stiege aus dem Salzbergwerk von Hallstatt66. Auch in den erhal-

des Rohmaterials begann, sondern bereits im Wald, wenn der

tenen Baumsärgen aus Nordeuropa finden sich Gegenstände

Baum oder der Baumteil ausgewählt wurde, der verarbeitet wer-

aus organischen Materialien, darunter hochwertige Objekte aus

den sollte. Die Form der im Bergwerk von Hallstatt gefundenen

Holz wie z. B. Spanschachteln und Klappstühle. All diese Funde

Pickelschäftungen legt die Vermutung nahe, dass Äste bzw. Ast-

belegen, wie wichtig Holz als Rohstoff war, wie vielfältig es ver-

gabelungen schon am Baum während seines Wachstums gezielt

wendet wurde und wie wenig von der ehemals vorhandenen Sach-

in die benötigte Form gebracht wurden.71 Wir müssen also von

kultur im normalen archäologischen Befund im Trockenboden

einer vorausplanenden Waldnutzung bzw. -bewirtschaftung aus-

Niederösterreichs erhalten ist. So fehlen in unserer Region die

gehen. Holzartenbestimmungen zeigen, dass die bronzezeit-

62 Weiner 2003, 407.

schaften der verschiedenen Hölzer Bescheid wussten und ihr

67

63 Lobisser 2014, 102. 64 Eberli/Leuzinger/Schlichterle 2016, 352–355.

lichen Handwerker sehr gut über die unterschiedlichen Eigen68 Lobisser 2014, 86.

65 Baioni 2016, 228–231.

69 z. B. Lobisser 2014.

66 Reschreiter/Kowarik 2008.

70 Lobisser 2014, 115.

67 Fabian 2010.

71 Freundliche Mitteilung H. Reschreiter.

103

4. Wohnen und Wirtschaften

Rohmaterial danach auswählten, wie z. B. Eibenhölzer für die Anfertigung von Bögen72 oder Ahornholz für Schalen und Tassen.73

4.3.5 Verarbeitung von tierischen Rohstoffen – Knochen, Geweih, Horn, Haut und Fell Knochen, Zähne, Geweih und Horn waren auch in der Urnenfelderzeit begehrte Rohstoffe für die Anfertigung von Geräten, Werkzeugen, Waffen und Kleidungsbestandteilen sowie Schmuck (siehe Kap. 6, Pkt. 6.6). Felle und Häute wurden zu Kleidung, Schuhen und Säcken verarbeitet. Räume und Bereiche, die man diesen Tätigkeiten zuweisen kann, sind kaum bekannt. Lediglich die Herstellung von Objekten aus Tierknochen oder Geweih lässt sich bisweilen vermuten, wenn

Abb. 04_25. Thunau am Kamp, Knochenpfeilspitze, Altfund Museum Horn, Inv.-Nr. 1936, Länge ca. 8 cm) (Foto: G. Gattinger/IUHA).

Rohmaterialstücke und Halbfertigprodukte in bestimmten Bereichen einer Siedlung konzentriert sind.

produziert wurden, wohingegen Spezialisten die aufwendig her-

Bei den Geräten und Werkzeugen aus Knochen und Geweih

zustellenden Geräte und Trensenknebel anfertigten.77

handelt es sich einerseits um explizit als Geräte hergestellte

Die aus Horn hergestellten Gegenstände wie z. B. Perlen und an-

Typen wie Knochenhämmer, Ahlen oder Pfrieme, andererseits

derer Schmuck blieben in unseren Breiten üblicherweise nicht

aber auch um als Ad-hoc-Werkzeuge bezeichnete Stücke, die

erhalten, doch aus den Baumsärgen Skandinaviens sind z. B.

aus Knochensplittern angefertigt wurden und meist nur an ih-

sorgfältig hergestellte Kämme überliefert.78

rer Arbeitskante erkennbar sind (siehe Kap. 6, Abb. 06_26). Die

Häute und Felle, ungegerbt oder zu Leder und Pelzen veredelt,

Gebrauchsspurenanalyse dieser Arbeitskanten konnte eine Viel-

verarbeitete man zu Kleidung, Kopfbedeckungen und Schuhen,

zahl unterschiedlicher Tätigkeiten wie Schaben oder Schnei-

aber auch Gurten, Behältern – wie Säcken oder Taschen – sowie

den nachweisen, die mit Hilfe dieser Geräte ausgeführt wurden.

Schilden. Da die Werkstücke meist vergangen und nur unter be-

Außer den Werkzeugen und dem Schmuck finden sich auch

sonderen Bedingungen erhalten sind und Werkzeuge zu ihrer Be-

Waffen bzw. ihre Bestandteile, die aus Knochen oder Geweih

arbeitung nur selten nachweisbar sind oder als solche erkannt

hergestellt wurden, wie z. B. Pfeilspitzen. Ihre besondere Form,

werden,79 wissen wir nur wenig über die Lederverarbeitung im

teilweise mit langem Stiel, und ihr Nachweis bis in die ältere

heutigen Niederösterreich während der Urnenfelderzeit. Breite,

Eisenzeit lassen eine besondere Funktion möglich erscheinen.

halbmondförmige Messer, meist als Rasiermesser angespro-

Während sie auf urnenfelderzeitlichen Fundstellen in Nieder-

chen, werden auch immer wieder mit der Lederverarbeitung in

österreich nur vereinzelt auftreten (Abb. 04_25) , sind sie in

Verbindung gebracht.80 Gebrauchsspurenanalysen an Knochen-

der Lausitzer Kultur Polens und Mitteldeutschlands häufig und

geräten aus Rippen und Kieferbruchstücken z. B. aus Ungarn

wurden dort auch in Gräber mitgegeben.

haben gezeigt, dass sie zum Abschaben von Häuten verwendet

74

75

76

Werkstücke aus Knochen und Geweih können mit Kreisaugen

wurden. Bei einigen Pfriemen konnte festgestellt werden, dass

oder Mäandern verziert sein, wie es vor allem von Pferdetrensen

sie zur Durchlochung von Häuten oder Leder dienten.81

und Geweihhämmern bekannt ist (siehe Kap. 11, Abb. 11_25).

Auch wenn Schuhe der Urzeit nur unter besonderen Umstän-

Ähnlich wie bei der Metallverarbeitung kann man davon aus-

den wie z. B. in Salzbergwerken erhalten sind82, kennen wir

gehen, dass die meisten der einfachen Werkzeuge im Haushalt

urnenfelderzeitliche Schuhgefäße und Schuhmodelle aus Ton

72 Junkmanns 2001, 17. 73 Baioni 2016, Abb. 228. 74 z. B. Grab 11 von Grafenwörth, Lochner 1988, 99–100 und Abb. 12. 75 Thunau am Kamp: Wewerka 2001, 54, Taf. 135/15, 146/1; Kern D. 2001, 71, Taf. 97/4; Lochner/Kern D. 2016 (Altfund Mus. Horn, Daten­ bank Inv.-Nr. 1936); Stillfried an der March: Willvonseder 1931, Abb. 2. 76 Siedlungen: z. B. Baron/Diakowski/Stolarczyk 2016, 32 (eisenzeitlich); Gräber: z. B. Beran/Grothe 2011, 223 und Abb. 11.

104

77 Sofaer/Bender Jørgensen/Choyke 2013, 485, Fig. 26.5. 78 Fabian 2010, Abb. 4 und 6. 79 Ruß-Popa 2011, 43–44, 47, 83, 107–119. 80 Mauch 2004, 122; Ruß-Popa 2011, 96. 81 Sofaer/Bender Jørgensen/Choyke 2013, 428–429. 82 Barth 1992; Ruß-Popa 2011, 123–126.

4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk

von Süd- und Mitteldeutschland83 über Ungarn84 bis Rumänien85.

Interessant ist auch die Verwendung von Silexpfeilspitzen in der

Im Unterhautzenthal fand sich in einer urnenfelderzeitlichen

Urnenfelderzeit, die eindeutig durch ihr Vorkommen auf dem

Grube ein Gefäß in Form eines rechten Schuhs (siehe Kap. 11,

urnenfelderzeitlichen Schlachtfeld im Tollensetal belegt ist (sie-

Abb. 11_37).86 Die Rillen im Schaftbereich und der Faltenwurf im

he Kap. 8).93 Wie bei den oben erwähnten Beinpfeilspitzen schei-

Fuß- und im Zehenbereich werden als Verschnürung gedeutet.87

nen sie wegen ihrer besonderen Eigenschaften geschätzt worden

Das unstratifizierte Schuhmodell aus dem Bereich der urnenfel-

zu sein, sodass sie durch die Bronzepfeilspitzen nicht vollstän-

derzeitlichen Höhensiedlung von Thunau zeigt einen Schnabel-

dig verdrängt wurden. Ihre Verwendung könnte aber auch durch

schuh mit eingezogener Sohle ohne weitere Details.

einen Mangel an Bronze erklärt werden.

88

4.3.6 Steinverarbeitung Auch Felsgestein und Silex waren in der Urnenfelderzeit noch begehrte Rohstoffe für eine Vielzahl von Geräten des täglichen Gebrauchs. In Gräbern finden sich diese Gegenstände allerdings nur äußerst selten. Zu den wenigen Ausnahmen gehören die sogenannten Pfeilschaftglätter in Männerbestattungen, wie sie z. B. aus Bayern bekannt sind.89 Allerdings wurden diese bisher in Niederösterreich noch nicht nachgewiesen. Im Gegensatz dazu findet man in den Siedlungen Mahl- und Schlagsteine, Glättsteine für unterschiedliche Tätigkeiten, wie z. B. das Glätten der Gefäßoberflächen90 oder von Geweben, sowie Kissensteine und Gussformen für die Metallverarbeitung. Auch Beile und Äxte aus Felsgestein sowie Werkzeuge aus Silex werden in urnenfelderzeitlichen Siedlungsgruben immer wieder gefunden.91 Da sich die Äxte und Beile typologisch nicht von neolithischen Stücken unterscheiden, ist unklar, ob sie auch tatsächlich noch in der Urnenfelderzeit hergestellt wurden, wie einige Forscher annehmen92, oder ob es sich um aufgelesene und wiederbenutzte Altstücke handelt. Wie weit die Nutzung von Werkzeugen aus Silex der Verfügbarkeit an metallischen bzw. mineralischen Rohstoffen oder den einheimischen Traditionen abhängig war, lässt sich nur schwer abschätzen. In manchen Gebieten wie in der Lausitzer Kultur belegen Schnittspuren an Tierknochen, die von Silexwerkzeugen stammen, ihre Nutzung bis in die ältere Eisenzeit. 83 z. B. Buckel 2008, 90–92; Coblenz 1976, Abb. 3/3. 84 z. B. Kalicz-Schreiber 1991, z.B. Abb. 13/2. 85 z. B. Kacsó 2004, 335 und Abb. 7/6. 86 Lauermann 1991, 30. 87 Ruß-Popa 2011, 97. 88 Kern D. 2001, 33, Tafel 260/13. 89 z. B. Krämer 1952, 267, Abb. 6/20; Schütz 2004, 44 und Abb. 42. 90 Draganits 1994. 91 Dietrich/Tron 2002; Blesl/Preinfalk 2007, 32. 92 Fogel 1981 nach Schmalfuß 2008, 13.

93 Lidke/Terberger/Jantzen 2015, Abb. 4 und 339.

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105

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4.4 Literatur

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107

4. Wohnen und Wirtschaften

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108

4.4 Literatur

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109

5. Pflanzennutzung

5. Pflanzennutzung Michaela Popovtschak, Andreas G. Heiss, Hans-Peter Stika In archäologischen Fundzusammenhängen aufgefundene pflanzliche Reste sind meist Hinweise auf menschliche Tätigkeiten. Im Fachbereich Archäobotanik wird analysiert und diskutiert, wie

5.1 Wildpflanzen – Kulturpflanzen

der Mensch Pflanzen genutzt hat und wie sie – beispielsweise zu

Pflanzen1 tragen in vielfacher Hinsicht zur Lebensgrundlage von

diversen Kulturpflanzen, Brot oder gefertigten Holzgegenstän-

Tier und Menschen bei. Neben dem Landschaftsrelief und dem

den – verändert, verarbeitet und bearbeitet wurden.

Boden sind es im Wesentlichen Pflanzen, die Landökosystemen ihre Strukturierung verleihen, von Grasland bis zu dichten

Die urnenfelderzeitlichen Siedlerinnen und Siedler im Gebiet des

Wäldern. Vor allem aber stehen sie an der Basis nahezu jeder

heutigen östlichen Österreichs nutzten viele Kultur- und Wild-

Nahrungskette. Wie bereits seine Vorfahren seit frühester Zeit

pflanzen. Spelzgerste, Rispenhirse, Dinkel und Emmer stellten

nutzt auch der moderne Mensch Pflanzen, jedoch weit über die

die Hauptgetreide dar; Einkorn und Nacktweizen sind ebenfalls

Nahrungsgewinnung hinausgehend. In Mitteleuropa verdich-

belegt. Während Gerste neben Emmer und Einkorn schon ab dem

teten sich mit dem Neolithikum (5500/5000 bis 2300/2200

Neolithikum wichtig war, kamen in der Bronzezeit vor allem

v.  Chr.) die erfassbaren Spuren zu den unterschiedlichen Nut-

Dinkel und Rispenhirse neu hinzu und traten in den Vordergrund.

zungsweisen. Um Brenn- und Bauholz sowie gleichzeitig Sied-

Ebenfalls neu, aber weniger zahlreich nachgewiesen, waren

lungs- und Ackerflächen zu gewinnen, wurden in Tieflagen gro-

der „neue“ Spelzweizen (Sanduri-Weizen) und die Kolben-

ße Flächen des dort vorwiegend dominierenden Buchen- und

hirse. Bei den Hülsenfrüchtlern waren nun Ackerbohne, bei den

Eichenmischwalds gerodet. Darüber hinaus wurden viele weitere

Ölfrüchten der Leindotter bedeutend. Weiterhin kamen Erbse

Wildpflanzen für Flechtmaterial, Textilien, Tierfutter und insbe-

und Linse sowie Schlaf-Mohn vor. Auch südosteuropäische Ein-

sondere als Nahrungsmittel genutzt, einige wohl auch als Heil-,

flüsse zeichnen sich mit Funden der Linsen-Wicke und von

Färbe- und Kultpflanzen.

Echtem Wein ab. Unter den Ackerbeikräutern gibt es Hinweise

Die ältesten Spuren vieler altweltlicher Kulturpflanzen sind aus

auf Nutzung, etwa bei der Roggen-Trespe, während Hafer und

Vorderasien belegt. Dort wachsen etwa in lichten Wäldern und

Roggen noch als Wildpflanzen gelten. Dieser Wechsel im Kultur-

Grasfluren am Fuße des Zāgros-Gebirges (Iran, Irak) noch heute

pflanzeninventar hing vermutlich mit Änderungen des Anbau-

Wildformen aus den Gattungen Weizen (Triticum) und Gerste

systems und der Landnutzung zusammen. Aber auch andere Ver-

(Hordeum). Nach Europa kamen sie bereits in domestizierter

zehrgewohnheiten und neue Nahrungsvorlieben könnten bei der

Form. Im Saatgut dieser primären Kulturpflanzen enthalten waren

Wahl der Anbaupflanzen eine Rolle gespielt haben. Eingebunden

außerdem verschiedene Ackerbeikräuter (Archäophyten, siehe

in überregionale Ergebnisse werden deshalb die neuen Entwick-

Kap. 2 Glossar Zur Umwelt).

lungen in der Landwirtschaft wie die Verwendung des Haken-

Domestikationen erfolgten auch später immer wieder, unterschied-

pflugs, die Aufstallung des Viehs, die Ausbringung von Mist als

lich schnell und manchmal zufällig. So waren etwa die sogenann-

Dünger sowie erste Anzeichen von Grünlandwirtschaft disku-

ten sekundären Kulturpflanzen ursprünglich Ackerbeikräuter.

tiert. Trotz geringer Datenlage machen die bereits vorhandenen Pflanzenfunde aus sechs Fundstellen in Niederösterreich einige der neuen Trends dieser Zeitstufe nachvollziehbar.

110

1

Von allen in diesem Abschnitt angeführten Pflanzen ist bei erster Nennung neben dem deutschen Namen in Klammer auch der wissen­ schaftliche (botanische) Name angeführt – Taxonomie und Nomenklatur/deutsche Bezeichnungen der Pflanzen folgen Fischer/Adler/ Oswald 2008; ausgenommen bei Emmer (Triticum dicoccum), wo sie dem in der Archäobotanik weit verbreiteten Usus entspricht, vgl. Zohary/Hopf/Weiss 2012, 29; Diskussion bei Jacomet u. MitarbeiterIn­ nen 2006.

5.2 Was erforscht die Archäobotanik?

Diese wuchsen und entwickelten sich unter angebauten Kulturpflanzen, bevor manche von ihnen dann in späteren Epochen absichtlich angebaut wurden, beispielsweise Saat-Leindotter (Camelina sativa) und Saat-Hafer (Avena sativa) oder Roggen (Secale cereale). Hafer und Roggen wanderten als Ackerbeikräuter mit dem Getreidesaatgut der Neolithiker nach Europa ein, der Leindotter als Begleiter der Flachskultur. Der Sprung zur sekundären Kulturpflanze gelang jedoch trotz absichtsvoller Nutzung nicht in allen Fällen: Die vorwiegend in Winterfeldfrüchten wachsende Roggen-Trespe (Bromus secalinus, siehe Abb. 05_22) beispielsweise wurde zeitweise wohl mitgenutzt. So bilden ihre Früchte eine der drei Hauptkomponenten eines verkohlten urnenfelderzeitlichen Breigerichts aus Stillfried an der March; sie repräsentieren ebenfalls knapp ein Drittel eines ansonsten unkrautfreien, fertig aufbereiteten Emmervorrats aus der urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung am Kulm bei Trofaiach.2 Obwohl dadurch eine Nutzung dieses vergleichsweise großfrüchtigen Wildgrases angezeigt ist, kann nicht direkt auf einen gezielten Anbau geschlossen werden. Für spätere Epochen liegen keine derartigen Belege mehr vor.

5.2 Was erforscht die Archäobotanik? Untersuchungen im Fachbereich Archäobotanik – oft auch Paläoethnobotanik genannt – beschäftigen sich mit pflanzlichen Resten aus archäologischen Grabungen und der sie umgebenden Landschaft. Gemeinsam mit der Analytik und Auswertung tierischer und menschlicher Reste wird die Archäobotanik inzwischen vermehrt durch Begriffe wie Bioarchäologie/bio­ archaeology oder economic and environmental archaeology umrissen.3

Abb. 05_01. Überblick zu den Erhaltungsbedingungen der verschiedenen bioarchäo­ logischen Funde im Boden (Campbell/Moffett/Straker 2011, 6, fig. 2, modifiziert nach Retallack 1984; © Historic England; Übersetzung: M. Popovtschak).

5.2.1 Voraussetzungen zur Erhaltung archäobotanischer Funde Der Informationsgewinn durch die Archäobotanik ist bis zu ei-

Anhand der geborgenen, identifizierbaren Pflanzenreste (meist

nem hohen Grad von den lokalen Gegebenheiten einer Fund-

Samen, Früchte und Holzreste) werden die in einer Siedlung vor-

stelle bestimmt. Erhaltungsfähigkeit und Erhaltungszustand der

handenen Pflanzenarten ermittelt. Dieses Spektrum wird durch

Pflanzenreste sind wichtige Auslesefaktoren für die Datengewin-

die archäologische Befundung kontextualisiert. In weiterer

nung und oft der Grund für Forschungslücken (Abb. 05_01).4

Folge zieht man vorhandene Daten über die Ökologie und Nut-

In Mitteleuropa sind vorwiegend Trockenböden vorhanden. Dar-

zungsgeschichte dieser Pflanzen heran, um zur Rekonstruktion

auf ein- und abgelagerte Pflanzenteile werden durch Mikroorga-

der Techniken von Hausbau, Textilerzeugung, den Formen des

nismen (Bakterien, Pilze) und Kleinstlebewesen abgebaut. Diese

Ackerbaus mit Anbau, Ernte, Aufbereitung und Speicherung so-

natürliche Zersetzung wird nur unter speziellen Umgebungs-

wie der Versorgung mit und Konservierung wie Zubereitung von

bedingungen gehemmt, etwa in unmittelbarer Nähe zu Metall

pflanzlicher Nahrung und handwerklich genutzten Pflanzen-

(Metallsalze) oder bei Einlagerung in Salz (Salzbergwerke in

teilen beizutragen.

Hallstatt und Hallein). Überdauern können Pflanzenteile außer-

2

3

Zum Breigericht „Hirsotto“ siehe Kohler-Schneider 2001, 153 f., Abb. 37 und unten Pkt. 5.4.1, Abb. 05_16; Zum Emmervorrat siehe Stika 2000, 165 f.; vgl. Gyulai 2010, 104. Siehe u. a. Jacomet/Kreuz 1999; Zohary/Hopf/Weiss 2012.

dem in permanent wassergesättigten Feuchtböden, etwa in 4

Zur Diskussion der vielen Faktoren, die eine Erhaltung von pflanzli­ chem Material in archäologischen Fundschichten ermöglichen und beeinflussen, exemplarisch: Jacomet/Kreuz 1999; Jacomet 2007.

111

5. Pflanzennutzung

Seeufersiedlungen und anderen, unter dem Grundwasserspiegel

Die Trockenböden/Mineralböden Mitteleuropas sind wechsel-

gelegenen Bereichen wie in Brunnen. Weiters sind sie beispiels-

feuchte Böden. Sie liegen oberhalb des Grundwassereinflusses,

weise auch in noch seltener aufzufindenden Fundstellen, bei

fallen wiederholt trocken und sind dann gut durchlüftet. Deshalb

extremer Trockenheit in Höhlen oder in Permafrostböden/Eis

werden bei entsprechenden Temperaturen alle darin ein- und

(Gletschermumie vom Hauslabjoch [Ötzi]), erhalten.

abgelagerten Pflanzenteile innerhalb weniger Monate bis Jahre

Da die archäobotanischen Fundbereiche hauptsächlich in „ty-

abgebaut.

pischen“ Trockenböden liegen, sind Pflanzenteile meist nur

Verkohlung ist ein Pyrolysevorgang, ähnlich einer unvollständi-

erhalten, wenn sie in eine nicht mehr abbaubare Erhaltungs-

gen Verbrennung. Bei hohen Temperaturen und gleichzeitigem

form umgewandelt wurden. Hauptsächlich sind dies verkohlte

Sauerstoffmangel entweichen flüchtige organische Substanzen,

Pflanzenreste. Die besten Verkohlungschancen haben kompak-

während die organischen Feststoffe zu mehr oder weniger rei-

te, verholzte Pflanzenteile wie Hölzer und hartschalige Samen

nem Kohlenstoff reduziert werden.

und Früchte, weshalb solche Makroreste in dieser Erhaltungs-

Flotation ist eine Schweretrennung in Wasser (siehe Abb. 05_02),

form deutlich überwiegen. Da zarte, wasserreiche und ölhalti-

die besonders für Sedimentproben aus Trockenböden geeignet

ge Pflanzenteile (Blüten und Blätter, saftige Fruchtteile, unreifes

ist. Verkohlte Reste schwimmen auf und werden in einen frakti-

Getreide, Leinsamen etc.) bei Einwirkung höherer Temperatur

onierten Siebsatz geleitet. Gleichzeitig lassen sich auch kleine

schnell platzen, schrumpfen, sich verformen oder zu Asche ver-

archäozoologische Reste, Keramikscherben etc. bergen.

brennen, sind ihre Belege stets unterrepräsentiert. Mit wenigen

Der Begriff Taxon (Plural Taxa), manchmal übersetzt mit „Sippe“,

Ausnahmen setzt Feuereinwirkung in archäologischen Kontexten

bezeichnet eine beliebige Rangstufe im System biologischer Ver-

menschliches Handeln voraus. Im Alltag, bei kleinen und großen

wandtschaft, also etwa Art, Gattung, Familie oder Ordnung.

Katastrophen wie Kochunfällen und Schadfeuern, konnten Pflan-

Die Stetigkeit (ubiquity) gibt an, in wie vielen Prozent einer

zenteile zufällig oder absichtlich in den Bereich von Feuer gelan-

Grundgesamtheit (Proben, Befunde, Siedlungen etc.) eine Pflan-

gen und verkohlen. Besonders gut erhalten und bestimmbar sind

zenart oder ein Pflanzenresttyp anzutreffen ist, unabhängig von

ausgereifte, trockene und in großer Menge und Dichte vorhan-

der absoluten Menge.

den gewesene Pflanzenteile, etwa Erntegüter oder Vorräte. Die-

Die Methode der Repräsentativität bzw. des Representative-

se verkohlten langsam und in gedeckter Lage bei Schwelbrand.5

ness Index (RI) erfasst entgegen früherer überregionaler Ansätze nicht nur das Auftreten einer Art an einer Fundstelle (Abundanz bzw. ubiquity)8, sondern berücksichtigt auch zusätzliche

Glossar: Pflanzennutzung

Aspekte wie die Gesamtanzahl bearbeiteter Proben, die Gesamtmenge botanischer Funde sowie die Mengenverhältnisse der

Domestikation ist die Gesamtheit aller Handlungen, Abläufe,

Arten untereinander. Als halbquantitativer Ansatz vereint der RI

Veränderungen etc., die Wildpflanzen zu Kulturpflanzen „for-

die Vorteile von rein qualitativer mit denen der vollquantitativen

men“. Sie ist ein Vorgang, der über viele Generationen dauert

Auswertung und erlaubt darüber hinaus auch Vergleiche in der

und durch die Wechselwirkung zwischen genetischer Anpas-

Datenqualität zwischen einzelnen Fundstellen, Regionen oder

sungsfähigkeit einer Art und menschlichem Einfluss auf die na-

Epochen (siehe Abb. 05_09, 15 und 19).9

türliche Auslese (Selektion) geschieht.

Beim Worfeln werden die Getreidekörner/Samen/Früchte (groß-

6

Ackerbeikräuter, sogenannte Unkräuter, unterlagen – ungewollt –

teils) von vegetativen Pflanzenteilen, sog. Druschresten (Spreu),

denselben Selektionskriterien (Zeitpunkt der Samenreife und

unter Ausnutzung des Windes durch ihr höheres Gewicht ge-

des Auskeimens, Größe der Sämereien etc.) wie die absichtlich

trennt (siehe Abb. 05_03).

angebauten Kulturpflanzen; deshalb entwickelten sie sich (mitunter) in dieselbe Richtung. Sie wurden wohl als Besatz in den Feldern geduldet oder der Aufwand, sie aus dem Saatgut zu entfernen, war zu groß – bis manchmal ein Nutzungspotenzial erkannt und sie absichtsvoll angebaut wurden.7 5

Beispielsweise Jacomet/Karg 1996; Kohler-Schneider/Caneppele/ Heiss 2015, 518.

6

Siehe beispielsweise Zohary/Hopf/Weiss 2012, 1–11.

8

Vgl. van Zeist/Wasylikowa/Behre 1991; Popper 1988.

7

Vgl. Hillman 1978, 168: „ … in bad years when dry-land wheats yield very poorly, grain from weed-rye sometimes makes up the bulk of the yield”.

9

Ausführliche Methodik bei Stika/Heiss 2013a; vgl. Stika/Heiss 2013b; Wasylikowa/Cârciumaru/Hajnalová et al. 1991, 214–222.

112

5.2 Was erforscht die Archäobotanik?

Abb. 05_03. Verschiedene Aufbereitungsschritte der Getreideverarbeitung; dargestellt sind auch die jeweils anfallenden Abfälle sowie das gewonnene Ergebnis (nach Wilkinson/Stevens 2008, 196 f., fig. 74. Reproduced by permission of Wilkinson/Stevens). – Diese strukturierende Abfolge der Prozesse muss man sich allerdings variabel vorstellen, beeinflusst etwa durch unter­ schiedliches Erntegut (Ausmaß der Verunkrautung etc.) oder die aufwend­ bare Arbeitszeit. So konnte auch vor/mit dem feinen Sieben ein noch­ maliges Worfeln hilfreich (kombiniert) sein, um kleinere Strohreste und Ackerbeikräuter abzutrennen; oder man entfernte ungewollte Beimischun­ gen im Spelzweizen durch Handsortieren bereits vor dem Stampfen im Mörser und nicht (nur) am Ende der Aufbereitung (pers. Kommunikation mit Chris Stevens; Übersetzung: M. Popovtschak). Abb. 05_02. In einer Flotationsanlage werden die aufschwimmenden verkohlten Pflanzenreste mittels einer Siebkolonne in verschiedene Fraktionen getrennt (Foto: M. Popovtschak).

113

5. Pflanzennutzung

5.2.2 Bergung – Aufbereitung – Bestimmung – Interpretation Um diese pflanzlichen Spuren zu erfassen, werden archäologische Befunde einer Grabungsstelle (on­site data) beprobt.10 Mitunter liegt eine archäobotanische Beprobungsstelle aber auch außerhalb (off-site data) eines archäologischen Fundorts, etwa in ungestörten Mooren und Nassstellen, die ideale Probenbereiche für Pollenanalysen darstellen.11 Makroreste werden mittels Flotation (Abb. 05_02) aufbereitet oder durch Nass- oder Trocken-Sieben fraktioniert und manchmal direkt handverlesen. Mikroreste wie Pollen/Sporen sind hingegen nur durch spezielle Trennungsvorgänge im Labor aus dem Sediment zu isolieren.

Tanne (Abies sp.)

Fichte (Picea sp.)

Ulme (Ulmus sp.)

Anschließend folgt die Bestimmung der enthaltenen Pflanzenreste unter dem Mikroskop und die Auswertung der nachgewiesenen Taxa. Die Interpretation basiert auf zwei unterschiedlichen Fundgegebenheiten: Geschlossene Fundkomplexe zeichnen sich meist durch sehr hohe Funddichten gleichzeitig niedergelegter Pflanzenteile aus, beispielsweise Erntegut und Vorräte. Sie enthalten neben den Sammel-, Feld- und Gartenfrüchten auch deren Beikräuter. Dadurch lassen sich etwa die Gegebenheiten am Feld erschließen. Auch die Höhe des Ernteschnitts durch Fehlen oder Vorliegen niedrigwüchsiger Ackerbeikräuter, spezielle Aufbereitungsmethoden und Verarbeitungstechniken können so ermittelt werden. Hingegen enthalten offene Fundkomplexe meist in niedriger Funddichte zufällig angereicherte Reste aus Ackerbau, Sammeltätigkeit, Grünland und Wald. Die Bearbeitung mehrerer Proben einer Fundstelle oder mehrerer Fundstellen eines Gebiets bildet die Basis, um die Bedeutung einzelner Pflanzen festzustellen, etwa mittels ihrer Stetigkeit oder ihrer

Buche (Fagus sp.)

Birke (Betula sp.)

Abb. 05_04. Zur Holzartenbestimmung werden Anordnung und Gestalt von Zellen und Geweben des Holzes an anatomischen Präparaten (Holz: Dünnschnitte, Holzkohle: Bruchflächen) betrachtet. Im Bild beispielhaft einige markante heimische Holztypen im Querschnitt (Fotos: A. G. Heiss).

Repräsentativität.12 Solche Auswertungen sind umso aussagekräftiger, je zahlreicher und vielfältiger die durchgeführten Untersuchungen sind. Den Aussagegehalt einzelner Bereiche bestimmen hingegen die jeweilige Fundsituation sowie Menge und Qualität der erhaltenen Pflanzenreste. So vermitteln etwa typische Getreideabfälle von Dreschen, Worfeln, Sieben, und

wurde.13 Solcherart gewonnene, vergleichbare Ergebnisse vieler

Mahlen (Abb. 05_03), wo diese unterschiedlichen Aufbereitungs-

einzelner Fundstellen (intra­site) verdichten sich schließlich zu

prozesse durchgeführt wurden und ob Getreide vor Ort produ-

großräumig verfolgbaren Entwicklungen, Zusammenhängen und

ziert (producer site) und nicht nur konsumiert (consumer site)

Landschaftsbildern (inter­site).14

10 Verschiedene Beprobungsstrategien siehe Jacomet/Kreuz 1999, 96 f. 11 Pollen/Sporen sind außerdem gut/ungestört erhalten in Honigresten, in Brunnen und in Koprolithen (tierische und menschliche Fäkalien), vgl. Rösch 2013; Fuchs/Fürhacker/Heiss et al. 2015; Kühn/Maier/ Herbig et al. 2013; Jacomet/Kreuz 1999, 159.

13 Siehe van der Veen 1991; Bakels 2001.

12 Vgl. Jacomet/Kreuz 1999, 145 f.; Zur Repräsentativität siehe oben Glossar: Pflanzennutzung.

14 Beispielsweise Stika/Heiss 2013a und 2013b; vgl. u. Abb. 05_09, 15 und 19.

114

5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!

KG

VB

Flurbezeichung/Fundstellenname

Fundstellenart

Literatur

Oberleis

Korneuburg

Oberleiserberg, Schnitt 53

Höhensiedlung

Schneider/Raunjak 1994

Pixendorf

Tulln

Eisenbahnhaltestelle Pixendorf, neue Bahntrasse

Flachlandsiedlung

Walter 2005

Prigglitz

Neunkirchen

Gasteil

Bergbausiedlung

Jakobitsch et al. 2019; Wiesinger et al. 2019; Heiss et al. 2021

Stillfried an der March

Gänserndorf

Hügelfeld, Wagneracker, Westwall

Höhensiedlung

Kohler-Schneider 2001

Thunau am Kamp

Horn

Obere und Untere Holzwiese

Höhensiedlung

Popovtschak/Zwiauer 2003

Unterradlberg

St. Pölten

Industriegebiet St. Pölten-Nord

Flachlandsiedlung

Wiesinger/Thanheiser 2009

5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!

Tabelle 05_01. Liste der sechs spätbronzezeitlichen Fundstellen mit neueren archäobotanischen Bearbeitungen (vgl. Kap. 3 und Abb. 05_05)

Exkurs: Holzkohlereste – die am häufigsten geborgenen archäobotanischen Funde Am regelmäßigsten und umfangreichsten liegen in archäologischen Fundstellen Holzkohlereste vor. Sie können Rückstände der alltäglichen Feuerung, von Bau- und Werkstoff verschiedens-

5.3.1 Fundstellen mit archäobotanischem Fundgut Im Osten Österreichs sind momentan neuere archäobotanische

ter Gegenstände und Geräte wie Waffen, Pflüge, Tröge und Körbe

Funde, die (zumindest teilweise) publiziert oder in Bearbeitung

sein. Dabei zeigen Holzartenanalysen (Abb.  05_04), dass Nutz-

sind, aus sechs Fundstellen zugänglich (Tabelle 05_01). Es wur-

holz nicht nur aus der unmittelbar umgebenden Vegetation, son-

den zwar bereits in der ersten Hälfte des 20. Jh.s Pflanzenreste

dern je nach Verwendungszweck durchaus auch sehr gezielt aus-

aus urnenfelderzeitlich datierten Grabungsbereichen in Burg-

gewählt, manchmal aus weit entfernten Standorten eingebracht

schleinitz, Maissau, Stillfried an der March und Wien-Aspern ge-

wurde. Die Auswahl musste in Abwägung von speziellen Holz-

borgen19, diese können jedoch nicht ohne Revision der Befunde

qualitäten gegenüber der Verfügbarkeit erfolgen.

und Funde herangezogen werden. Die Dringlichkeit solcher

15

Untersuchungen belegen außerdem, dass neben Baumstämmen

Überprüfungen verdeutlichen etwa „hallstattzeitliche“ Pflanzen-

auch Äste und Strauchholz benötigt wurden, etwa für Rutenwände

funde aus Thunau am Kamp, die mittels 14C-AMS-Datierung als

und Zäune.16 Zur Feuerung wurde nicht nur Holz geschlägert so-

urnenfelderzeitlich ausgewiesen wurden.20

wie Bau- und Werkabfall genutzt, sondern auch Altholz aufgele-

Unter den sechs neueren Bearbeitungen liegen zwei umfangrei-

sen. Darüber hinaus waren Äste und Rinden (Bast) Rohmaterial

chere Auswertungen aus den beiden Höhensiedlungen Stillfried

etwa für geflochtene Erzeugnisse und Schnüre. Außerdem wurden

an der March (199 müA) und Thunau am Kamp (437 müA) vor.21

Äste verschiedenster Baumarten noch im belaubten Zustand als

Sie werden ergänzt durch einige Pflanzenreste aus urnenfel-

Laub- und Nadelheu geerntet (Schneiteln) und zur Laubfütterung

derzeitlichen Schichten der Höhensiedlung Oberleiserberg bei

verwendet. Mitunter streifte man die Laubblätter auch nur ab.

Ernstbrunn (492 müA).22 Weiters wurden Fundbearbeitungen aus

17

18

Bäume und Sträucher stehen dadurch nicht nur in Verbindung mit Feuerung, speziellen Konstruktionsmaßnahmen und Utensilien, sondern auch mit Aspekten der Tierfütterung und der Aufstallung.

15 Vgl. etwa Jacomet 2007, 2395; Müller-Beck 1965.

19 Siehe Werneck 1949, 69–71 und 107 und Ders. 1961, 110 f. 20 Siehe Popovtschak/Zwiauer 2003, 47 und 63–66; vgl. dazu auch Oeggl 1992: Der „vorrömische Roggenfund aus Schluderns“ wurde oft missverstanden und falsch zitiert, bevor er bei seiner ersten archäobotanischen Bearbeitung als Gerste identifiziert wurde.

17 Beispielsweise Heiss 2008, 148–150.

21 Siehe Kohler-Schneider 2001 und unten Pkt. 5.4.1; Popovtschak/ Zwiauer 2003 und unten Pkt. 5.4.2 – Die noch andauernden Grabungsund Auswertungsarbeiten in der Talsiedlung Thunau am Kamp erbrach­ ten bisher nur wenige urnenfelderzeitliche Siedlungsreste, Sediment­ proben sind noch unbearbeitet, vgl. Obenaus 2015, 9.

18 Vgl. Marinova/Linseele/Kühn 2013; Kühn/Maier/Herbig et al. 2013.

22 Siehe Schneider/Raunjak 1994, 222, Tab. 4.

16 Hier seien exemplarisch die ausgezeichnet erhaltenen Konstruktio­ nen aus den Seeufersiedlungen genannt, etwa in Jacomet/Leuzinger/ Schibler 2004; ebenso Bleicher/Harb 2017.

115

5. Pflanzennutzung

zwei Flachlandsiedlungen in Unterradlberg (238 müA) und Pixendorf (184 müA) durchgeführt: Von den neun beprobten Befunden in Unterradlberg sind acht fundpositiv, darunter auch verkohlte Reste aus einer Brunnenverfüllung.23 Auch in der Fundstel-

Abb. 05_05. Lage der 19 Fundstellen, die in die Auswertungen „Pannonisches Becken“ einbezogen wurden, basierend auf Stika/Heiss 2013a, vgl. Stika/Heiss 2013b – ergänzt durch Ergebnisse aus vier weiteren Fundstellen; vgl. Kap. 2, Abb. 02_02a (Karte © Google Maps 2018. Überarbeitung: A. G. Heiss nach Daten und Zusammenstellung in Stika/Heiss 2013a, 209 f., Tab. 19).

le Pixendorf sind neben verkohlten Pflanzenresten aus 16 Befunden noch interessante Endauswertungen zu neun von zehn

Dass auch die urnenfelderzeitlichen Siedlerinnen und Siedler

freigelegten Brunnen zu erwarten. Darin sehr zahlreich enthal-

Pflanzen zu vielerlei Zwecken nutzten, steht außer Frage. Aber

tene subfossile Pflanzenfunde sind eine wertvolle Ergänzung

welche Pflanzen spielten in der Urnenfelderzeit eine besondere

des verkohlt erhaltenen Pflanzenspektrums.24 Erste Untersu-

Rolle, waren weiterhin wichtig oder veränderten das bereits be-

chungsergebnisse sind auch bereits aus der Bergbausiedlung in

kannte Spektrum? Und woher kamen solche Neuerungen be-

Prigglitz-Gasteil (ca. 735 müA) vorhanden.25 Es bleibt zu hoffen,

ziehungsweise wie und wohin verbreiteten sie sich? Um diesen

dass in künftige Betrachtungen viele weitere archäobotanische

Fragestellungen (besser) nachzugehen, wurden die Daten aus

Bearbeitungen einbezogen werden können.

den sechs Funderhebungen im Osten Österreichs zusammen mit dreizehn Fundstellen aus Ungarn26 in einen großräumigen Über-

23 Siehe Wiesinger/Thanheiser 2009. 24 Zu den verkohlten Funden siehe Walter 2005; zu den subfossilen Funden in den Brunnenverfüllungen: freundliche Mitteilung J. Walter, Juni 2015 (unpubl. Ergebnisse VIAS-Datenbank); vgl. Kap. 3, Pkt. 3.1.2; Heiss/Drescher-Schneider/Szunyogh et al. 2013. 25 Sowohl die Aufarbeitung der Grabungsergebnisse als auch die archäo­ botanischen Beprobungen, Aufbereitungen und Untersuchungen der Makroreste, einschließlich Holzartenanalysen, dauern noch an (FWF-Projekt P 30289 „Leben und Arbeit im bronzezeitlichen Bergbau von Prigglitz“, 2017–2020); vgl. Jakobitsch/Heiss/Wiesinger et al. 2019 und Wiesinger/Heiss/Jakobitsch et al. 2019.

116

blick zu Kulturpflanzenfunden einbezogen (siehe Abb. 05_09, 15 und 19) – obwohl die Fundstellen Prigglitz-Gasteil und Thunau 26 Die ungarischen Fundstellen sind: Balatonmagyaród – Hídvégpuszta, Börcs – Paphomlok, Budapest – Albertfalva – Kitérő ut., Dunakeszi – Székesdűlő (Auchan), Gór – Kápolnadomb, Győr – Szabadrétdomb, Lébény – Billedomb, Ludas – Varjú-dűlő, Mosonmagyaróvár – Német­ dűlő, Polgár 31, Poroszló – Aponhát und Sopron – Krautacker 1 (alle Gyulai 2010) sowie Százhalombatta – Földvár (Stika/Heiss 2013a; Stika/Heiss 2013c).

5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!

am Kamp im Grenzbereich des gemeinsamen Naturraums liegen. Dieses Gebiet deckt vor allem den nördlichen Teil des Pannonischen Beckens ab (Abb.  05_05) und stimmt mit seinem subkontinentalen bis kontinentalen Klima, den flachen bis sanft hügeligen Landschaften aus weiträumigen und meist mächtigen Lössablagerungen und Schwarzerdeböden sowie den darauf ausgebildeten Vegetationstypen des pannonischen Florengebiets weitgehend überein.

5.3.2 Zum angebauten Getreide Die Nachweissituation der urnenfelderzeitlichen Getreidearten ist in Abb. 05_09 und 19 dargestellt.

Glossar: Getreide Die Körner von Spelzgetreide (Spelzgerste und Spelzweizen)

Abb. 05_06. Saat­Gerste (Hordeum vulgare s. l.); Feldbestand, rezente (bespelzte) Körner/Ährchen sowie verkohlte urnenfelderzeitliche Körner der mehrzeiligen Spelzgerste aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).

sind fest von den sie umgebenden Spelzen (Hüll-, Deck- und Vorspelzen sind bleibende, pergamentartige Blütenblätter der Gräser, zu denen auch diese Getreidearten zählen) umschlos-

Gerste

sen – dies im Unterschied zu Nacktgetreide (Nacktweizen und

Die Saat-Gerste (Hordeum vulgare s. l.) war vom Mittel- bis Spät-

Roggen), dessen Körner von den Spelzen nur locker umschlos-

neolithikum27 bis in die Neuzeit stets eine der wichtigsten Ge-

sen sind. Während deshalb die reifen Körner von Nacktgetreide

treidearten Mitteleuropas. Sie kommt als Nackt- und Spelzgerste

beim Dreschen leicht aus den Ähren fallen, müssen Körner von

(Spelzgetreide) vor. Letztere muss zur Nutzung als Nahrung nicht

Spelzgetreide noch weiter aufbereitet bzw. entspelzt werden;

unbedingt entspelzt werden, da ihre papierdünnen Hüllspelzen

lediglich die sehr zarten Spelzen der Spelzgerste muss man

mitverarbeitet und verzehrt werden können. Weiters sind ver-

nicht unbedingt entfernen, siehe unten.

schiedene Formen vorhanden, die als Winter- (verträgt Tem-

Bei Winterfeldfrüchten wird das Saatgut im Herbst gesät, läuft

peraturen bis -15 °C), oder Sommerfeldfrüchte gebaut werden

auf und die Pflänzchen überwintern am Feld. Sommerfeldfrüchte

und verschiedene Längen der Vegetationsdauer (Sommergers-

hingegen werden im Frühjahr gesät, keimen und wachsen ohne

te reift bereits in ca. 95 Tagen), Temperaturansprüche, Ertrags-

längere Unterbrechung.

mengen sowie Eiweiß- und Stärkegehalte der Körner aufweisen.

Vesen sind einzelne Ährchen (siehe Abb. 05_07), in die die Ähren

Die meisten Gerstenvarietäten sind anspruchslos, robust und

der Spelzweizen Einkorn, Emmer und Dinkel beim Dreschen

liefern auch unter schwierigen Bedingungen gute Erträge.28 Ver-

zerbrechen. Ihre dabei fest von Spelzen umschlossenen Körner

wendet wird Gerste als Brotgetreide (Fladenbrote), für Grau-

müssen durch einen eigenen Aufbereitungsschritt, die Ent-

pen und Breie, zum Bierbrauen und als Tierfutter. So kann der

spelzung durch Quetschen oder Stampfen, freigesetzt werden.

an verkohlten Körnern manchmal erkennbare Keimungsbeginn

Speichergut in Form der Vesen ist besser vor Schadinsekten und

(Wachstum der Keimwurzel) auf ungewolltes Auskeimen am Feld

Feuchtigkeit geschützt als einzelne Körner und kann bis zuletzt

(zu viel Regen) oder während der Speicherung hinweisen, wo-

als Saatgut genutzt werden. Hingegen wird bei der Entspelzung

bei die verdorbenen Körner anschließend in ein Feuer gelang-

meist der Keimling verletzt, wodurch die Körner dann nicht mehr

ten/entsorgt wurden. Die Möglichkeit, dass damit Reste der ge-

keimfähig sind.

zielten Erzeugung von Bier/Malz vorliegen, ist nur in sehr klaren

Gluten (Gluten) ist der Sammelbegriff für Kleberproteine, die in

Fundgegebenheiten angezeigt. Während etwa in einem Vorrats-

den Körnern fast aller Getreidearten (Ausnahmen: Reis, Mais,

rest in Stillfried nur wenige gekeimte Körner unter vielen unge-

Hirsen) vorkommen und deren unterschiedliche Zusammensetzung die Backfähigkeit wesentlich beeinflusst.

27 Vgl. Kohler-Schneider 2007. 28 Sortenspezifisch variierende Wasser- und Bodenansprüche, vgl. etwa Körber-Grohne 1995, 47 f.

117

5. Pflanzennutzung

keimten vorliegen, konnte eine Bier-/Malzerzeugung bisher erst in latènezeitlichen (450/400 bis 15 v.  Chr.) Befunden nachgewiesen werden.29 Die Spelzgerste (Abb.  05_06) hatte im Pannonischen Raum bereits zu Beginn der Bronzezeit die während des Neolithikums dominante Nacktgerste als Hauptgetreide verdrängt, wenn auch Nacktgerstenfunde weiterhin auftreten. Ähnliches ist am südlichen Balkan, im Alpenraum und in Westeuropa zu beobachten (siehe Abb. 05_09 und 19).30

Die Spelzweizen Einkorn, Emmer und Dinkel Auch Einkorn (Triticum monococcum) und Emmer (Triticum di­ coccum) nahmen in der Region seit dem Frühneolithikum eine bedeutende Rolle ein.31 Anders als bei Spelzgerste ist bei diesen beiden Spelzweizenarten im Zuge der Aufbereitung ein zusätzlicher Arbeitsgang erforderlich. Die Körner von Spelzgetreide fallen beim Dreschen nicht aus, sondern die Ähre zerbricht in Vesen und das Korn muss durch Stampfen oder Quetschen

Abb. 05_07. Dinkel (Triticum spelta); rezente Ähre und Vesen; verkohlte urnenfelder­ zeitliche Reste: charakteristische Hüllspelzenbasen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).

aus den Spelzen befreit werden.32 Ihr Mehl ist im Unterschied zu Gersten- und Hirsemehl aufgrund der Kleberqualität (jeweilige

Anzahl dokumentierter Funde kontinuierlich.36 Belege aus Still-

Bestandteile an Gluten) nicht nur für Breigerichte, sondern auch

fried an der March zählten zu den ersten identifizierten Resten;

zur Brotherstellung (gut) geeignet.

Ein weiterer Spelzweizen,

inzwischen sind auch aus Unterradlberg drei Druschreste nach-

der Dinkel (Triticum spelta, Abb.  05_07), spielte in der Bronze-

gewiesen. Vor allem ältere Fundbearbeitungen und schlecht er-

zeit insbesondere im westlichen Mitteleuropa eine große Rolle.34

haltene Pflanzenreste sind dementsprechend kritisch zu sehen,

Der „europäische“ Dinkel dürfte im Gegensatz zum „asiatischen“

etwa jene aus Thunau am Kamp.37

33

Dinkel am Übergang Neolithikum–Bronzezeit nördlich der Alpen durch Rückkreuzung aus Emmer und Nacktweizen entstanden

Nacktweizen

sein. Während der Spätbronzezeit breitete er sich nach Osten

Als Nacktweizen (Triticum aestivum s. l./durum/turgidum) wird

und Südosten aus und kam auch im Pannonischen Becken etwas

eine Sammelgruppe aus freidreschenden Weizenarten – Saat-

häufiger vor.

Weizen (Triticum aestivum s.  l.), Hart-Weizen (Triticum durum)

„Neuer“ Typ Spelzweizen (Sanduri-Weizen)

archäobotanischen Fundgut kaum voneinander abzugrenzen,

Ein verhältnismäßig neues Forschungsergebnis stellt der „neue“

insbesondere wenn, was überwiegend der Fall ist, nur Körner

Spelzweizen (Triticum sp., „new type“, „new“ glume wheat,

erhalten sind. Obwohl die Aufbereitung dieses Nacktgetreides

und Rau-Weizen (Triticum turgidum) – bezeichnet. Sie sind im

emmerähnlicher Spelzweizen; siehe Abb.  05_16) dar. Die taxo-

im Gegensatz zur Aufbereitung einschließlich Entspelzung von

nomische Stellung dieses Weizens war lange Zeit unklar. Die

Spelzweizen eine deutliche Arbeitsersparnis darstellte, spiel-

Hinweise, dass es sich um den heute noch im Kaukasus vorkom-

ten die seit dem Neolithikum in Mitteleuropa nachgewiesenen

menden Sanduri-Weizen (Triticum timopheevii) handeln könnte,

Nacktweizen im Großteil Europas bis in die Antike keine heraus-

bestätigten sich erst kürzlich.35 Seit dieser für die Forschung da-

ragende Rolle. Das wird vor allem auf ihre hohen Ansprüche an

mals „neue“ Spelzweizen und die Kriterien für seine morphologi-

Boden und Klima zurückgeführt. Momentan ist festzustellen, dass

sche Abgrenzung vom Emmer bekannt geworden sind, stieg die 29 Siehe Kohler-Schneider 2001, 130; Stika 2013; Jacomet 2009. 30 Siehe Stika/Heiss 2013a.

der Anteil von Nacktweizen von der Mittel- in die Spätbronzezeit im Pannonischen Becken leicht ansteigt, sich insgesamt jedoch keine große Bedeutung abzeichnet.

31 Vgl. Kohler-Schneider 2007. 32 Vgl. u. a. Samuel 1993; Peña-Chocarro/Zapata Peña 2003. 33 Vgl. Borghi/Castagna/Corbellini et al. 1996; Abdel-Aal/Hucl/Sosulski et al. 1997; Kreuz/Baatz 2003. 34 Vgl. Ohtsuka 1998; Blatter/Jacomet/Schlumbaum 2004; Akeret 2005. 35 Kroll/Reed 2016, 48–51 und 88–98 ; Czajkowska/Bogaard/Charles et al. 2020.

118

36 Vgl. Jones/Valamoti/Charles 2000; Kohler-Schneider 2001; Kenéz/ Pető/Gyulai 2014; Toulemonde/Durand/Berrio et al. 2015. 37 Das Fundgut von Thunau am Kamp (Popovtschak/Zwiauer 2003) wurde vor Bekanntwerden der Forschungsergebnisse zum „neuen“ Spelzwei­ zen bearbeitet, eine Revision der Weizenfunde ist bisher nicht erfolgt.

5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!

Echt-Rispenhirse und Kolbenhirse Eine tatsächlich große Veränderung ist hingegen bei der EchtRispenhirse (Panicum miliaceum, Abb. 05_08) gegeben. Wie die gleichzeitig, jedoch in deutlich geringerem Maße auftretende Kolbenhirse (Setaria italica) stammt auch die Echt-Rispenhirse aus dem zentralasiatischen Raum, wo bislang die ältesten archäologischen Belege nachgewiesen wurden.38 Zwar finden sich „frühe Hirsen“ mitunter auch in einigen neolithischen Fundstellen Europas,

14

C-AMS-Datierungen an mehreren solcher

Echt-Rispenhirse-Körner erbrachten jedoch wichtige Ergebnisse: Keines der untersuchten Körner aus vorwiegend bandkeramischen Fundstellen war letztlich älter als mittel- bis spätbronzezeitlich.39 Die Echt-Rispenhirse stellte in der Mittelbronzezeit wohl eine Randerscheinung dar. Während Funde der Kolbenhirse im Pannonischen Becken erst ab der Spätbronzezeit vereinzelt vorkommen – etwa auch in Prigglitz-Gasteil (25 Körner) und in Stillfried an der March (213 Körner) –, wurde die Echt-Rispen-

Abb. 05_08. Echt­Rispenhirse (Panicum miliaceum); Feldbestand und rezente Körner sowie verkohlte urnenfelderzeitliche Körner aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).

hirse am Übergang zur Spätbronzezeit in den östlichen Teilen Europas zu einer außerordentlich wichtigen Feldfrucht. In den

nach gegenwärtigen Kenntnissen ein intentioneller Anbau ei-

Regionen des Balkans, im heutigen Italien und in Mitteleuropa

ner domestizierten Form frühestens ab der Hallstattzeit ange-

wurde sie sogar zum Hauptgetreide.

In Niederösterreich stim-

nommen. Auch die wenigen Funde aus Stillfried an der March

men damit Funde tausender Körner aus Pixendorf, Stillfried

(drei Stück) und Thunau am Kamp (23 Stück) gelten als Acker-

an der March und Thunau am Kamp überein. Im Bergbau von

beigras.42 Neueste Funde zeigen zudem, dass kleine Roggen-

Prigglitz-Gasteil ist Echt-Rispenhirse Hauptgetreide. Ebenso ist

körner einem anderen potenziellen Ackerbeigras, dem Zottigen

40

sie, wenn auch nur mit wenigen Fundstücken, in Oberleiserberg

Haarweizen (Dasypyrum villosum), sehr ähnlich sind, weshalb

und Unterradlberg belegt. In weiten Teilen Europas blieb dieses

vor einer definitiven Einstufung der Funde noch genauere Unter-

kleinfrüchtige Getreide bis ins ausgehende Mittelalter ein wich-

suchungen notwendig sind.43

tiges Grundnahrungsmittel.41

Sonderfall Saat-Hafer und Roggen Darüber hinaus sind in der mitteleuropäischen Bronzezeit bereits aus mehreren Fundstellen einzelne Belege von Roggen

5.3.3 Zu den angebauten Hülsenfrüchtlern

(Secale cereale) und Saat-Hafer (Avena sativa) bekannt. Eine

Gleichzeitig sind in dieser Zeitphase auch einige Kultur-Hülsen-

Unterscheidung zwischen Wild- und Kulturhafer kann erfolgen,

früchtler von enormer Bedeutung. Einerseits stellen ihre Samen,

wenn Ährchenbasen einschließlich ihrer charakteristischen

in denen hochwertige Proteine angereichert sind, eine der

Abbruchstelle erhalten sind. Die Körner allein sind – ähnlich

wichtigsten Quellen für Eiweiß und essenzielle Aminosäuren

wie beim Nacktweizen – nicht abgrenzbar. Genauere Bestim-

dar,44 andererseits können sie aufgrund der Wurzelsymbiose

mungen liegen deshalb auch bei den Funden von Oberleiser-

mit stickstofffixierenden Knöllchenbakterien (Rhizobiaceae) im

berg (ein Korn), Pixendorf (ein Korn) und Thunau am Kamp

Fruchtwechsel eine effiziente Gründüngung (Stickstoffbindung)

(14 Körner) nicht vor. Obwohl Roggen auch im Pannonischen

und Bodenverbesserung bewirken.45 Diese domestizierten

Becken während der Spätbronzezeit nachgewiesen ist, wird

Schmetterlingsblütler (Fabaceae) sind in der prähistorischen

38 Aus dem 7. Jt. v. Chr. im Tal des Gelben Flusses und anderen Regionen Nordchinas: Hunt/Vander Linden/Liu et al. 2008; Hunt/Jones 2009. 39 Siehe Filipović/Meadows/Dal Corso et al. 2020; Motuzaite-Matuzeviciute/Staff/Hunt et al. 2013.

42 Vgl. Behre 1992; Oeggl 1992, 447 f.: bronzezeitliche Pollenfunde im mittleren Alpenraum, aber kein gezielter Anbau.

40 Siehe Zohary/Hopf/Weiss 2012, 69–71; Stika/Heiss 2013a. vgl. Jacomet/Karg 1996, 235 f.

43 Siehe Kenéz/Malatinszky/Pető 2014; Kroll/Reed 2016, 150 f. 44 Vgl. beispielsweise Lieberei/Reisdorff/Franke 2012, 53 f.

41 Vgl. Körber-Grohne 1995, 336. Erst in der Neuzeit wird sie durch Kartoffel, Mais und Importe von Reis verdrängt.

45 Vgl. Körber-Grohne 1995, 97; dazu auch Kap. 2, Pkt. 2.2.3, Exkurs Robinie.

119

5. Pflanzennutzung

Abb. 05_09. Überblick der urnenfelderzeitlichen Getreidespektren Mittel­ bis Südosteu­ ropas. Trotz leicht regional abgewandelter Bedeutung einzelner groß- und kleinfrüchtiger Getreidearten zeichnen sich beim Vergleich der Ergebnisse aus dem Pannonisches Becken (vgl. auch Abb. 05_19) mit jenen der umge­ benden Regionen die allgemeinen urnenfelderzeitlichen Trends gut ab. Die Daten wurden nach der Methode der Repräsentativität bzw. des Represen­ tativeness Index (RI) ausgewertet. 1–5 entsprechen folgenden Regionen: 1. Westliches Mitteleuropa (ohne Alpen und Alpenvorland) – 2. Ostalpen und östliches Alpenvorland – 3. Mittel- und Norditalien (ohne Alpen) – 4. Pannonisches Becken – 5. Mittel- und Nordgriechenland sowie Südbulgari­ en. Ausführliche Methodik bei Stika/Heiss 2013a, vgl. Stika/Heiss 2013b; undiff. = undifferenziert. (Auszug aus Stika/Heiss 2013a, 197, Abb. 1; Daten ebenda, 198, Tab. 1; 199, Tab. 2; 202, Tab. 5; 203, Tab. 6; 205, Tab. 8; Kartengrundlage: Spiess 2002; Ergänzungen und Überarbeitung: A. G. Heiss).

langer Anbau auf demselben Feld möglich ist. Da Samen der Ackerbohne schlechte Verkohlungschancen haben, sind oft nur Einzelfunde erhalten, die kaum ihre tatsächliche Bedeutung repräsentieren. Zumindest lassen das einige Vorratsfunde und Befunde in Feuchtbodensiedlungen erahnen. Die Ackerbohne wurde als grünes Gemüse und in Form der reifen, gut speicherbaren Samen genutzt. Ihr Konsum ist jedoch nicht uneingeschränkt bekömmlich (Favismus).

und der gesamten vorindustriellen Landwirtschaft wichtige Nah-

Glossar: Hülsenfrüchtler

rungs- und Futterpflanzen. Nach Kultur-Linse (Lens culinaris)

Die Ackerbohne wird auch Pferdebohne oder Saubohne ge-

und Kultur-Erbse (Pisum sativum) tritt die Ackerbohne (Vicia

nannt. Sie ist – im Gegensatz zu den heute vorwiegend bei uns

faba, Abb. 05_10) in Mitteleuropa vergleichsweise spät, am Be-

angepflanzten Bohnen, den aus Südamerika stammenden Feuer-

ginn der Bronzezeit, auf.

bohnen und Gartenbohnen (Phaseolus spp.) – eine altweltliche

Im Anbau anspruchslos, verträgt sie auch kühlere Temperaturen

Art, die im fruchtbaren Halbmond domestiziert wurde. Lange

(Temperaturminimum bei der Keimung ist 2–3 °C). Sie wächst be-

Zeit selten gepflanzt, wird sie neuerdings wieder häufiger ge-

sonders gut auf Böden mit hohem Wasserhaltevermögen, etwa

baut: zur Gründüngung, als Tierfutter und trendiges Gemüse.

auf Ton- und Torfböden, und ist selbstverträglich, wodurch jahre-

In Niederösterreich beispielsweise hat sich die Anbaufläche

120

5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!

Abb. 05_11. Linsen-Wicke (Vicia ervilia); Pflanze teilweise noch blühend, teilweise bereits fruchtend; rezente Samen; verkohlte urnenfelderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).

Abb. 05_10. Ackerbohne (Vicia faba); Pflanze fruchtend (links) und blühend (rechts); rezente Samen; verkohlte urnenfelderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).

Samen) belegt. Deutlich wärmebedürftiger als die Ackerbohne, verträgt diese Pflanze nur leichten Frost. Zum Verzehr müssen die Samen durch Auslaugen in Wasser oder durch Rösten aufbereitet werden, da sie bei unsachgemäßer Zubereitung unbekömmlich sind und zu Muskelkrämpfen, Erbrechen und Darmerkrankungen

der Ackerbohne von 2013 (2308  ha) auf 2015 (4504  ha) fast

führen können.48 Vergiftungen treten bei Menschen, aber auch

verdoppelt.46

bei Pferden und Schweinen auf, während sie bei Wiederkäuern

Bei Menschen mit einer bestimmten genetischen Konstellation

wie Rindern und Schafen nicht bekannt sind.

kann Favismus auftreten: Einatmen des Blütenstaubs und Verzehr von rohen und gekochten Ackerbohnen kann zu Übelkeit, Erbrechen, Schwindelgefühl bis zu akuter hämolytischer Anämie mit Fieber, Milz- und Leberschwellung führen.

47

5.3.4 Zu potenziellen Ölpflanzen Besonders schwierig nachvollziehbar ist die Bedeutung der Samen und Früchte von Ölpflanzen. Sie haben im verkohlten

Einige andere Arten der Familie der Schmetterlingsblütler waren

Fundgut geringe Chancen, adäquat erfasst zu sein.49 Trotzdem

vermutlich nur regional wichtig, etwa Platterbse (Lathyrus sativus

sind im Pannonischen Becken Reste von Schlaf-Mohn (Papa­

und L. cicera), Futter-Wicke (Vicia sativa), Kichererbse (Cicer arie­

ver somniferum) bereits seit dem Neolithikum nachgewiesen,

tinum) und Linsen-Wicke (Vicia ervilia). Im Pannonischen Becken

während Samen von Echtem Lein/Flachs (Linum usitatissimum)

ist allerdings die 20–60 cm hohe Linsen-Wicke (Abb. 05_11) auf-

aus urnenfelderzeitlichen Befunden bisher noch fehlen.50 Umso

fallend präsent. Ihre Samen sind auch in großer Menge (mehrere tausend Samen, Genaueres dazu unter Pkt. 5.4.2) aus Thunau am Kamp und mit einigen Funden aus Pixendorf (sechs Samen),

48 Vgl. Valamoti/Moniaki/Karathanou 2011; Sadeghi/Pourreza/Samei et al. 2009.

Stillfried an der March (drei Samen) und Unterradlberg (zehn

49 Zu unterschiedlichen Erhaltungs-/Verkohlungschancen aufgrund hohen Ölgehalts vgl. auch Pkt. 5.2.1.

46 Siehe http://www.statistik.at (letzter Zugriff: Mai 2020).

50 Zu neolithischen Funden von Schlaf-Mohn siehe Kohler-Schneider 2007. Die Samen beider Pflanzen enthalten essenzielle (ungesättigte, bes. Linolsäure) Fettsäuren, die durch die Nahrung aufgenommen werden müssen, siehe Lieberei/Reisdorff/Franke 2012, 54 f.

47 Vgl. Roth/Daunderer/Kormann 2012, 729.

121

5. Pflanzennutzung

Abb. 05_13. Die Wild-Weinrebe (Vitis vinifera subsp. sylvestris) im Augebiet der March (bei Marchegg), links ihre Wuchsform und rechts Fruchtstände mit noch unreifen Beeren. Sie ist heute eine stark gefährdete Pflanzenart (Gefährdungsstufe 2, Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999, 120) (Fotos: M. Popovtschak).

langem intensiv diskutiert.52 Da im Gebiet heute noch Reliktpopulationen der Wild-Weinrebe (Vitis vinifera subsp. sylvestris) vorkommen, könnte es sich bei den entsprechenden urnenfelderzeitlichen Funden, zwei Weintraubenkernen aus Stillfried an der March, grundsätzlich auch um Sammelobst handeln. Diese mit Abb. 05_12. Saat­Leindotter (Camelina sativa); Pflanze fruchtend (links) und blühend (rechts); rezente Früchte und Samen; verkohlte urnenfelderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).

Ranken kletternde Liane, die bis zu 30 m Länge erreichen kann, hat violett-blaue Beeren, die im Oktober reifen. Sie wächst aktuell noch vereinzelt in der Hartholzau, vorzugsweise am linken Donauufer ab Wien und in den Marchauen (Abb. 05_13 und 14).53

bedeutender sind deshalb Funde von Saat-Leindotter (Camelina

Die Edle Weinrebe (Vitis vinifera subsp. vinifera) als domestizierte

sativa, Abb.  05_12), dessen Samen in der Bronzezeit erstmals

Form zählte nach aktuellem Wissensstand erst seit der Bronze-

in Europa vorkamen. Vermutlich wurde er aus wilden, vorzugs-

zeit im Mittelmeerraum zu einer sich schnell diversifizierenden

weise in Leinfeldern als Ackerbeikraut wachsenden Vorläufern

Kultur von Obstgehölzen.54 Für das Ausstrahlen dieser Kultur

in Ost- und Mitteleuropa domestiziert.51

nach Norden existieren bislang aber kaum Belege, die weiter als in die Römische Antike zurückreichen.55 Zudem hätten sowohl

5.3.5 Gesammelt, kultiviert oder gehandelt Weitere Aspekte der Ernährung (organische Säuren, Ballaststoffe, Aromastoffe und Vitamine) belegen viele erhaltene Reste gesammelter Wildfrüchte, wie Wald-Erdbeere (Fragaria vesca), Hagebutte (Rosa sp.), Him- und Brombeere (Rubus idaeus und R. fruti­

das Produkt Wein als auch getrocknete Früchte grundsätzlich importiert worden sein können. 52 Ihre Bestimmung erfolgt meist nach den morphometrischen Kriterien von Mangafa, Kotsakis 1996. Diese werden aber noch heftig diskutiert und überarbeitet (neue Maßzahlen, neue Verfahren), beispielsweise Milanesi/Antonucci/Menesatti et al. 2011; Bouby/Figueiral/Bouchette et al. 2013; Orrù/Grillo/Lovicu et al. 2013; Terral/Tabard/Bouby et al. 2010.

terscheidung zwischen „wild“ und „domestiziert“ werden seit

53 Siehe Wotzi 2013; Regner/Hack/Gangl et al. 2004; Die Wilde Weinre­ be gilt als Stammform der kultivierten Weinrebe. Sie war im 19. Jhdt. noch von der oberen Bucht des Wiener Beckens bis nach Ungarn sowie entlang der March bis zur Grenze von Mähren allgemein verbreitet, vgl. Rotter/Schratt-Ehrendorfer 2020. Heute ist sie eine stark gefährde­ te Pflanzenart, siehe Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999, 120.

51 Siehe Zohary/Hopf/Weiss 2012, 111.

55 Für das Pannonische Becken beispielsweise Kohler-Schneider/ Caneppele/Heiss 2015, 530; dazu auch Pkt. 5.4.1: zwei verkohlte Kerne von Kulturwein.

cosus) oder Schlehe (Prunus spinosa). Dabei sind jene der Echten Weinrebe (Vitis vinifera) besonders interessant. Die genauen Bestimmungskriterien für Weintraubenkerne und damit die Un-

122

54 Vgl. Zohary 1995; Miller 2008.

5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!

 Abb. 05_15. Spektrum weiterer (potenzieller) Kulturpflanzen Mittel- bis Südosteuropas während der Urnenfelderzeit. Die Ergebnisse (aktueller Wissensstand) im Pannonischen Becken unterscheiden sich von jenen umgebender Regionen deutlicher als die Ergebnisse des klein- und großfrüchtigen Getreides (Abb. 05_09). Dies ist vor allem durch wärmebedürftigere Pflanzen bedingt, die (noch) auf Süd- und Südost-Europa beschränkt sind, insbesondere Feige (Ficus carica), Olive (Olea europaea) und Kichererbse (Cicer arietinum). Die Daten wurden nach der Methode der Repräsentativität bzw. des Repre­ sentativeness Index (RI) ausgewertet. Die Nummern 1–5 entsprechen fol­ genden Regionen: 1. Westliches Mitteleuropa (ohne Alpen und Alpenvor­ land) – 2. Ostalpen und östliches Alpenvorland – 3. Mittel- und Norditalien (ohne Alpen) – 4. Pannonisches Becken – 5. Mittel- und Nordgriechen­ land sowie Südbulgarien. Ausführliche Methodik bei Stika/Heiss 2013a, vgl. Stika/Heiss 2013b; undiff. = undifferenziert. (Auszug aus Stika/Heiss 2013a, 197, Abb. 1; Daten ebenda, 202, Tab. 5; Kartengrundlage: Spiess 2002; Ergänzungen und Überarbeitung: A. G. Heiss).

 Abb. 05_14. Arealkarte von Reliktpopulationen der Wild-Weinrebe (Vitis vinifera subsp. vinifera) nach Niklfeld & Ehrendorfer-Schratt: ■ aktuelle Verbreitung der Wild-Weinrebe; ■ Angabe eines inzwischen verschwundenen Vorkommens aus dem Jahre 1956 durch F. Ehrendorfer. (Datengrundlage: Floristische Kartierung Österreichs, unpublizierte Daten übermittelt von H. Niklfeld und L. Ehrendorfer-Schratt, Universität Wien; Überarbeitung: M. Popovtschak), vgl. Regner/Hack/Gangl et al. 2004, 124; Wotzi 2013; Rotter/SchrattEhrendorfer 2020.

123

5. Pflanzennutzung

5.4 Was können archäobotanische Fundensembles aussagen?

ca. 50 % in den Proben insgesamt wird für die Wildpflanze RoggenTrespe eine getreideähnliche Nutzung angenommen. Unter den 4.109 erhaltenen Wildpflanzenresten wurden 87 verschiedene Taxa bestimmt. Von besonderem Interesse sind erste Hinweise auf grünlandähnliche Bereiche, die eine kombinier-

Um die verschiedenen Aspekte archäobotanischer Einzelaus-

te Mäh- und Weidenutzung zur Futterversorgung des Viehs ver-

wertungen zu veranschaulichen, sind nachfolgend die Ergebnisse

muten lassen. Außerdem ist sowohl Sommeranbau, etwa mit

zweier Fundstellen etwas genauer wiedergegeben.

Echt-Rispenhirse, als auch Winteranbau, etwa mit Dinkel, nachgewiesen. In erhaltenen Vorratsresten sind Mischanbau (Einkorn und Sanduri-Weizen gemeinsam gesät) und Fruchtfolge (Dinkel,

5.4.1 Pflanzenreste aus der Höhensiedlung Stillfried an der March

zeigt. Einige in den Getreideresten und insbesondere in den Vor-

Die Höhensiedlung Stillfried an der March56 (199 müA) liegt im

und gute Stickstoffversorgung, möglicherweise eine Düngung

gefolgt von Mischanbau mit Einkorn und Sanduri-Weizen) angeratsfunden enthaltene charakteristische Ackerbeikräuter lassen intensive Bodenbearbeitung, Brachestadien (ein bis drei Jahre)

Weinviertler Hügelland in unmittelbarer Nähe zum Augebiet

der Felder, annehmen. Außerdem zeigen sie eine bodennah er-

und Verlauf des Flusses March. Sie überragt mit einem Steil-

folgte Ernte an. Darüber hinaus belegt ein gut gereinigter Vor-

abfall von 55 m die sie umgebende Ebene (ca. 144 müA). In der

ratsfund von Einkorn und Sanduri-Weizen, dass Spelzgetreide

mehrphasigen Trockenbodensiedlung wurden innerhalb der prä-

in Form der Vesen gespeichert wurde.

historischen Wallanlage 21 urnenfelderzeitliche Fundkomplexe57 archäobotanisch untersucht. Die 25 bearbeiteten Proben aus 2.200 l Sediment enthielten 10.096 verkohlte Samen/Früchte

Exkurs: Bronzezeit-Risotto

und Druschreste, die 114 Taxa zugeordnet wurden. Die Unter-

Die von M. Kohler-Schneider identifizierten verbackenen, ver-

suchung der Holzkohlereste erbrachte sechs weitere Taxa.

kohlten Speisereste, das „Hirsotto“ aus Stillfried an der March,58

Die Ergebnisse zeigen, dass unter den Getreidearten Dinkel und

inspirierten die Köchin Parvin Razavi zu einem nahrhaften Ge-

Gruben, Öfen und Gefäßinhalten mit einem Gesamtvolumen von

Echt-Rispenhirse (höchste Stetigkeit mit 84 %) bedeutend waren,

richt, „das sich nur mit Salz und wenigen wild wachsenden

gefolgt von Einkorn und Gerste. Weiters sind Emmer, Kolbenhirse

Kräutern gewürzt den bronzezeitlichen Nahrungsmöglichkeiten

und „neuer“ Spelzweizen/Sanduri-Weizen belegt sowie Nackt-

annähert“.59

weizen, der vergleichsweise selten vorkommt. Auch die KulturHülsenfrüchtler sind artenreich vertreten. 59 Belege verteilen sich auf Kultur-Linse (50 Samen), Kultur-Erbse (fünf Samen),

Zutaten (Abb. 05_17)

Ackerbohne (ein Samen) und Linsen-Wicke (drei Samen). Wei-

▸ 50 g Goldhirse (= handelsübliche Rispenhirse, geschält)

ters ist das Vorliegen von Ölfrüchten mit Schlaf-Mohn (sieben

▸ 50 g Gerste

Samen) und Leindotter (44 Samen) beachtenswert. Zwei aus ei-

▸ 25 g Roggen-Trespe

ner Grubensohle geborgene Kerne der Echten Weinrebe wurden

▸ 20 g Speck

der Kulturform zugeordnet. Aus einer weiteren Grubenverfüllung

▸ Salz

lagen verkohlte Speisereste vor, die als Risotto ähnliches Gericht

▸ Bär-Lauch oder Brennnessel

– „Hirsotto“ (Abb. 05_16) – identifiziert wurden. Es bestand aus

▸ Wasser

grob zerkleinerten Anteilen von Gerste, Echt-Rispenhirse und Roggen-Trespe (siehe Exkurs Bronzezeit-Risotto). Aufgrund des

Vorbereitung

Vorkommens in diesem Breigericht und einer Stetigkeit von

Die gesammelte, wildwachsende Roggen-Trespe (siehe Abb. 05_22) muss entspelzt werden: Die Körner in einer Pfanne erhitzen und anschließend durch händisches Abreiben und Ausblasen von den sich leicht lösenden Spelzen trennen. Bei der

56 Alle archäobotanischen Ergebnisse siehe Kohler-Schneider 2001; Czajkowska/Bogaard/Charles et al. 2020; zur Archäologie siehe Hellerschmid 2006; dazu Kap. 3, Pkt. 3.3.5.

58 Kohler-Schneider 2001, 153 f., Abb. 37.

57 Diese sind durch Keramikfunde sowie durch fünf 14C-AMS-Datierungen von Getreidekörnern datiert, siehe Kohler-Schneider 2001, 44 f.

59 Siehe Razavi 2013 – wir danken der Autorin für die Möglichkeit, das Rezept hier anzuführen.

124

5.4 Was können archäobotanische Fundensembles aussagen?

Abb. 05_16. Die Grabung Stillfried an der March. Zwei Befunde aus dem Abschnitt Wagneracker: Grube A/3, Verf. 1, in der ein Speiserest enthalten war, der als „Hirsotto“ rekonstruiert wurde und die Grube A/0, Verf. 18, in der u. a. zwei Weintraubenkerne vorlagen; Zeichnung einiger verkohlter Funde des „neuen“ Spelzweizens, nun Sanduri-Weizen (Triticum timopheevii). (Grabungsplan von Stillfried an der March, Grabungsschnitte auf der Wall­ anlage (1969–1995), ÖAW/OREA, FWF-Projekt 28005 [aktualisiert von I. Petschko auf Grundlage der Grabungsdokumentation Stillfried], unver­ öffentlicht; Fotos der archäologischen Befunde V 5001 und V 5003: digi­ talisierte Grabungsdokumentation Stillfried: Grabungsjahr 1987 [V 5001, Fotonr. ST 3852] und Grabungsjahr 1988 [V 5003, Fotonr. ST 1802090108], Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte; Foto „Hirsotto“ und die Zeichnungen der Pflanzenfunde: M. Kohler-Schneider); Überarbeitung: M. Popovtschak.

Abb. 05_17. Die Zutaten zum Bronzezeit-Risotto, darunter: 1. Gerste, 2. Goldhirse und 3. Roggen-Trespe (Foto: P. Razavi).

Dosierung ist Vorsicht geboten, da die Roggen-Trespe durchaus

Wie geht’s?

etwas bitter schmecken kann.

Speck in der Pfanne anrösten, Getreide zufügen und kurz mit an-

Speck, Bär-Lauch und Brennnessel sind zwar anhand der archäo-

braten. Mit ungefähr der doppelten Menge Wasser aufgießen,

logischen Funde nicht nachgewiesen, könnten aber im Original

leicht salzen und zugedeckt bei geringer Hitze quellen lassen.

enthalten gewesen sein und sind außerdem eine geschmackli-

Zum Schluss den Bär-Lauch unterheben.

che Aufbesserung. 125

5. Pflanzennutzung

5.4.2 Pflanzenreste aus der Höhensiedlung Thunau am Kamp Die Höhensiedlung Thunau am Kamp60 (437 müA) liegt am Ostrand des Waldviertels. Abgesehen von der westlich anschließenden Hochebene begrenzen den Geländesporn Steilabfälle. Unmittelbar unterhalb des östlich gelegenen, felsigen Abhanges von ca. 140 m verläuft der Fluss Kamp. In der mehrphasigen Trockenbodensiedlung wurden verkohlte

05_18. Die Grabung Thunau am Kamp. Die urnenfelderzeitliche Siedlungsfläche und der Abschnittswall (orange überzeichnet) im Gelände der Höhensiedlung; drei Befunde: Schnitt 70/1977 (Hüttenbereich mit Gefäßen), Schnitt 127/1985 (14 Gefäße/Scherbenlage) und Schnitt 93/1982 (Hütteninventar) mit Beispielen der darin geborgenen archäobotanischen Funde: Abdrücke von Blättern der Eiche und Hasel, von Riefen und Druschresten/Stroh – alle beigefügten Messlatten = 1 cm; verkohlte Samen/Früchte von Nacktweizen, Linse und Erbse – alle beigefügten Messlatten = 1 mm (Grabungsplan von Thunau am Kamp, Grafik: M. Lochner, Datengrundlage Land Niederösterreich/Laserscannings, Bearbeitung M. Doneus; Fotos der drei Befunde: IUHA; Fotos der Samen/Früchte: M. Popovtschak; Pflanzen­ abdrücke: K. Zwiauer); Überarbeitung: M. Popovtschak.

Pflanzenreste auch mit freiem Auge entdeckt, so bereits während erster Grabungen ab dem Jahr 1929. Sie werden einzel-

es sich mit ihrer Bedeutung: Gerste – soweit bestimmbar mehr-

nen Brandereignissen zugeschrieben, die vorwiegend im urnen-

zeilige Spelzgerste – weist die höchste Stetigkeit (89,5 %) auf. Die-

felderzeitlichen Siedlungshorizont dokumentiert sind. Es wurden

ser nachgereiht sind Echt-Rispenhirse (78,9 %), Emmer (73,7 %),

65 archäobotanische Proben aus 54 innerhalb der Wallanlage

Einkorn (57,9 %) und Nacktweizen (47,4 %). Mangels charak-

gelegenen Befunden untersucht. Die einbezogenen Gefäßinhal-

teristischer Spelzbasen bleibt unklar, ob die 14 Haferkörner

te, Scherbenlagen, Gruben-, Öfen-, Hütten- und Wallbereiche

Kulturgetreide oder Wildhafer belegen. Ein häufig in mehrpha-

repräsentieren vier geschlossene und 50 offene Fundkomplexe,

sigen Siedlungen auftretendes Problem verdeutlichen mehrere

wovon 32 wiederum zu vier Befundgruppen zusammenhängen-

Roggenfunde. 14C-AMS-Datierungen bestätigten sie in drei Proben

der Wohnbereiche verbunden sind.

als jüngere Einmischungen, während 23 Körner des vierten Be-

Unter den verkohlten Resten überwiegen Kulturpflanzen – und

funds tatsächlich der Urnenfelderzeit zugeordnet sind. Sie wer-

zwar Getreide vor Kultur-Hülsenfrüchtlern. Die höchste Stück-

den als Ackerbeigras gewertet. Auch Kultur-Linse, Kultur-Erbse

zahl erreicht Emmer, gefolgt von Nacktweizen, Gerste und Echt-

und Ackerbohne (mehr als 233 Samen)61 sind in beachtlich hoher

Rispenhirse sowie wenigen Resten von Einkorn. Anders verhält 60 Alle archäobotanischen Ergebnisse siehe Popovtschak/Zwiauer 2003; zur Archäologie siehe zuletzt Lochner 2018; dazu: Kap. 3, Pkt. 3.3.1.

126

61 Die Fundzahl der Ackerbohne resultiert aus der Einbeziehung der Altfunde (Revision), wobei nur ein Teil der tatsächlich erhaltenen Fundmenge bearbeitet/gezählt wurde.

5.4 Was können archäobotanische Fundensembles aussagen?

Anzahl vorhanden, ebenso die Samen der Linsen-Wicke. Von

pflanzen beeinflussten, sind allerdings sehr vielschichtig.63 Ins-

ihren insgesamt über 9.000 erhaltenen Samen liegen 226 aus

besondere die Bedeutung soziokultureller Aspekte bei Anbau

sicher ungestörten Bereichen vor. Ihre hohe Funddichte in eini-

und Verarbeitung sowie in Nutzungsmustern, die von Bevorzu-

gen Komplexen weist die Linsen-Wicke als Nahrungs- und/oder

gung über Geringschätzung bis hin zu Tabuisierung bestimm-

Futterpflanze aus. Potenzielle Ölpflanzen sind in einem „Brei-

ter Arten reichen können, sind zwar aus historischen Epochen

rest“ durch zwei Samen von Mohn (Papaver sp.) belegt. Des Wei-

wohlbekannt, für die Prähistorie jedoch besonders schwierig zu

teren fanden sich 123 Samen von Leindotter (Camelina sp.) in

erfassen.64 Die große Bedeutung von Hirsen, Dinkel und Spelz-

einem Gefäß.

gerste sowie ein nachweisbarer Anstieg des Anbaus von Hülsen-

Bei den erfassten pflanzlichen Abdrücken und Einschlüssen im

früchtlern65 in manchen Regionen (siehe Abb. 05_09 und 05_15)

Hüttenlehm-Material überwiegen ebenfalls jene von Getreide.

zeigen Verschiebungen und Änderungen in den landwirtschaft-

In zeitlich und funktional zuordenbaren Befunden fielen geziel-

lichen Praktiken (Subsistenzwirtschaft und Landwirtschaftssys-

te Magerungen mit Getreidedrusch und dichte Lagen von Blatt-

tem) an. Ursachen dafür könnten in der Zunahme der lokalen Be-

spreiten, etwa von Eiche und Hasel, auf. Da diese Fundgegeben-

völkerung, der Erschließung neuer Siedlungsräume mit anderen

heiten zudem räumlich voneinander abweichen, werden darin

standörtlichen Rahmenbedingungen und in der Anwendung neu-

unterschiedliche Absichten (Stabilität, Isoliermaterial) oder

artiger Techniken gelegen sein. Änderungen, wie sie beispiels-

(jahreszeitliche) Verfügbarkeiten vermutet. In Verbindung mit

weise in der Nordischen Bronzezeit durch den Wechsel von zwei-

riefenartigen Abdrücken aus Hausbereichen schreibt man sie

zu dreischiffigen Wohnstallhäusern und der damit verbundenen

Konstruktionen wie Flechtwerk und Rutenwänden zu. Die Nut-

Aufstallung von Großvieh66 fassbar wurden, könnten mit einer

zung von Eiche bestätigen auch Holzartenbestimmungen, etwa

verstärkten Nutzung von nun leicht verfügbarem Rinderdung auf

aus der Wallkonstruktion.62 Den Ackerbau betreffend sind ein

den Feldflächen einhergegangen sein. Vom Nordseeküstenge-

Fruchtwechsel mit Sommer- und Winterfeldfrüchten sowie ein

biet und aus Südskandinavien liegen bereits zahlreiche Hinwei-

bodennah durchgeführter Ernteschnitt angezeigt.

se auf den Beginn der Düngung von Feldflächen vor 67, die eine Entstehung neuartiger Feldstrukturen wie jene der Celtic fields68 erklären könnten. Die Nutzung von Rindern als Zugtiere beim

5.5 Einblicke in die Situation von Ackerbau und Ernährung 5.5.1 Neuerungen zeichnen sich ab

Pflügen der Felder mit dem Hakenpflug (Ard) erlaubte in diesem Gebiet wohl eine deutliche Intensivierung der Bewirtschaftung 69, wie auch durch zahlreiche Dokumente zum Ard und zu Pflugspuren belegt ist (Abb. 05_20).70 Für den Pannonischen Raum der Spätbronzezeit bleibt die Perspektive, diese Entwicklungen einmal ähnlich deutlich erfassen zu können.71 Im Osten Österreichs sind sie vorerst nur sehr abgeschwächt verfolgbar. So fehlen bisher sowohl der Fund eines Pflugs als auch Pflugspuren. Ebenso zeichnet sich die fortschrei-

Abschließend lässt sich einiges zum urnenfelderzeitlichen

tende Ausdehnung der Acker- und Weideflächen mangels eines

Ackerbau feststellen. Übereinstimmend mit den überregionalen

dichten Netzes an aussagekräftigen Pollenanalysen bisher nur

Ergebnissen archäobotanischer Daten liegen im Pannonischen

durch indirekte Hinweise wie steigende Siedlungstätigkeit ab.

Raum neben den wichtigen Getreidearten Gerste, Hirse und dem sich von Westen ausbreitendem Dinkel mit dem Sanduri-Weizen, Linsen-Wicke und Echtem Wein auch südosteuropäische und mediterrane Einflüsse vor (Abb. 05_19). Die überregionalen Auswertungen ermöglichen zudem Einblicke in die landwirtschaftlichen Tendenzen ganzer Großräume, seien diese nun kulturell, landschaftlich oder klimatisch definiert. Die Faktoren, die in der Bronzezeit eine Wahl bestimmter Kultur-

63 Vgl. auch Chevalier/Marinova/Peña-Chocarro 2014. 64 Vgl. exemplarisch Weiss Adamson 2005; Griffin-Kremer 2014; Hansson/Heiss 2014. 65 Es sei nochmals an die deutlich schwierigere Erhaltung von Hülsen­ früchtlern und Ölpflanzen erinnert. 66 Siehe Zimmermann 1999; Fokkens 2009, 91. 67 Vgl. Kroll 1987, 107–109; Bakels 1997; de Hingh 2000, 158–175; Robinson 2003; Brinkkemper/van Wijngaarden-Bakker 2005; Vretemark/Stika/Berzsényi et al. 2010. 68 Fokkens 2009, 94. 69 Fokkens 2009, 90. 70 Siehe Tegtmeier 1993; Fries 1995; Coles 2010, 107–109.

62 Siehe Cichocki 1998–1999, bes. 47–49 und 53.

71 Falkenstein 2009.

127

5. Pflanzennutzung

Abb. 05_19. Spektrum der Kulturpflanzen im Pannonischen Becken während der Spät­ bronzezeit. Die Daten wurden nach der Methode der Repräsentativität bzw. des Representativeness Index (RI) ausgewertet (ausführliche Methodik bei Stika/Heiss 2013a, vgl. Stika/Heiss 2013b; undiff. = undifferenziert), vgl. Abb. 05_09 und 05_15 (Daten aus Stika/Heiss 2013a, 202, Tab. 5; Ergänzungen und Überarbeitung: A. G. Heiss).

Gleichzeitig lassen deshalb auch die vorhandenen MakrorestAuswertungen (noch) weitgehend offen, ob die nachgewiesenen Feldfrüchte in unmittelbarer Umgebung der Fundstellen geerntet wurden, ob das Erntegut aus dörflichen Ansiedlungen in Zentralorte gelangte oder aus noch entlegeneren Gebieten kam. Auch Winter- und Sommerfeldbau sowie Mischanbau sind bisher kaum eruierbar. Solche paläoökonomischen Überlegungen wurden für die Fundstelle Stillfried an der March genauer diskutiert72 und etwa im Ressourcenprojekt Stillfried am Institut OREA der Österreichischen Akademie der Wissenschaften weiter verfolgt. 73

72 Siehe Kohler-Schneider 2001, 193–197. 73 FWF-Projekt P 28005-G25 „Ressourcensicherung, Macht und Kult in Stillfried?“ (2015–2019).

128

Abb. 05_20. 1. Hakenpflug/Ard, Pflüger und ein Paar Ochsen, dargestellt in einer bronzezeitlichen Felszeichnung in Aspeberget, Schweden (Tanum World Heritage, Sweden; Foto: Gerhard Milstreu, Tanum Rock Art Museum Underslös, http://www.bradshawfoundation.com/scandinavia/sweden/index.php, letzter Zugriff: Mai 2020) – 2. Zwei Furchenstöcke aus Egolzwil 3, Schweiz (Zeichnungen aus: Müller-Beck 1965, 40, Abb. 73 und 74, Staempfli-Verlag).

5.5 Einblicke in die Situation von Ackerbau und Ernährung

5.5.2 Zur Bedeutung von Ackerbeikräutern Neben der Analyse von Kulturpflanzenresten sind auch Detailauswertungen von Wildpflanzen, vor allem jene der Ackerbegleitvegetation (Segetalflora) wichtig. Den besten Einblick in die Segetalflora geben geschlossene Fundkomplexe, noch nicht aufbereitetes Erntegut und Aufbereitungsabfälle. Urnenfelderzeitliche Ackerflächen muss man sich im Unterschied zu heutigen sehr uneben vorstellen, wodurch etwa Trockenheitsund Nässezeiger oft nahe beieinander wuchsen. Die Felder waren artenreich und grünlandähnlich. Viele ehemals zahlreich vorhandene Ackerbeikräuter sind heute selten geworden, etwa das Durchwachs-Hasenohr (Bupleurum rotundifolium, Abb. 05_21).74 Für genauere Einstufungen der Anbauformen wären beispielsweise viele Reste im Winterfeldbau besonders gut entwickelter Ackerbeikräuter wie Kornrade (Agrostemma githago), Kornblume (Centaurea cyanus) und Roggen-Trespe (Abb. 05_22) hilfreich. Ein derart hoher Besatz, etwa der eng mit Anbau-Ernte-Aufbereitung der Feldfrüchte verbundenen Samen der Kornrade (Abb.  05_23), eröffnet noch eine weitere Information. Wie die Fruchtkörper (Sklerotien) von Mutterkorn (Claviceps purpurea, Abb.  05_24) können sie eine beachtliche Größe erreichen. Sie überstehen dann die Getreideaufbereitung und sind oft zahlreich in gespeicherten und genutzten Feldfrüchten enthalten. Beide Beimischungen – wie sie etwa in Thunau am Kamp belegt sind – können für die Konsumenten problematisch sein. Genaue Aus-

Abb. 05_21. Durchwachs­Hasenohr (Bupleurum rotundifolium); blühende Pflanze; ver­ kohlte urnenfelderzeitliche Teilfrüchte aus Thunau am Kamp; die Wuchs­ höhe der regional unterschiedlich stark gefährdeten Pflanzenart (Gefähr­ dungsstufe 2r!, Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999, 51) beträgt 15–40 cm (Fotos: A. G. Heiss [Pflanze] und M. Popovtschak [verkohlte Funde]).

wertungen sind allerdings auf erfassbare Anteilsverhältnisse in Vorratsfunden/Speiseresten beschränkt. 74 Die heutige Vereinheitlichung der Ackerwildkrautgemeinschaften be­ gann durch Mineraldüngung und Kalkung, vor allem aber durch die chemische Unkrautbekämpfung ab ca. 1960 sowie die starke Boden­ bearbeitung mit dem Wendepflug (erste Hinweise um Chr. Geb.).

Abb. 05_22. Roggen­Trespe (Bromus secalinus); fruchtende Pflanze; verkohlte urnenfelderzeitliche Früchte aus Thunau am Kamp (Fotos: A. G. Heiss [Pflanze] und M. Popovtschak [verkohlte Funde]).

129

5. Pflanzennutzung

Abb. 05_23. Kornrade (Agrostemma githago); Pflanze blühend (links) und fruchtend (rechts) sowie verkohlte urnenfelderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).

Exkurs: Wenn zu viel Kornrade und Mutterkorn im Essgetreide enthalten waren … Die Kornrade, ein Nelkengewächs, passte sich den Selektionsmechanismen Aussaat- und Erntezeitpunkt, Bodenbearbeitung, Abernten, Dreschen, Worfeln, Sieben etc. gut an. Aufgrund ihrer geschlossen bleibenden Fruchtkapseln wurden die Samen erst beim Dreschen (des Getreides) ausgestreut. Ihre vergleichsweise großen Samen überstanden das Aussieben kleinsamiger Acker-

Abb. 05_24. Von Mutterkorn (Claviceps purpurea) befallene Roggenähren und einige daraus entnommene Sklerotien (rechts unten) sowie drei verkohlte urnen­ felderzeitliche Sklerotien (rechts oben, deutlich vergrößert) aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).

beikräuter und wurden in weiterer Folge mit den Getreidekörnern mitgenutzt/wieder ausgesät. Die Kornrade ist besonders eng an Wintergetreide gebunden und der seltene Fall eines toxischen

Das Mutterkorn ist ein parasitischer Pilz, dessen Sporen Gräser-

Ackerbeikrauts. Die ganze Pflanze enthält als Giftstoffe Saponine,

blüten infizieren. Das sich anstatt eines Korns auf dem Wildgras

die besonders in den Samen konzentriert vorliegen. 3–5 g da-

oder Getreide entwickelnde Sklerotium (Dauerstadium) des Pilzes

von sind bereits giftig und können Schleimhautreizung, Übelkeit,

enthält Indolalkaloide, die zu Ergotismus (chronischer Vergiftung)

Krämpfe, Kopfschmerzen bis letale Atemlähmung bewirken.75

mit Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, Koma und schließlich

Die Konzentration der Giftstoffe und damit die Wirkung sind auch

Tod infolge Atem- und Herzlähmung führen können.77 Ähnlich der

abhängig von der Länge der Speicherung und der Verwendungs-

Kornrade breitete sich auch Mutterkorn vor allem ab dem Mittel-

form, das heißt ob sie als Brei, geröstet, gekocht, gemahlen oder

alter stark aus. Archäobotanische Funde belegen jedoch, dass es

gebacken im Brot verzehrt wurden. Zwar wurde die Kornrade erst

auch in der Urgeschichte von Bedeutung war.

ab dem Mittelalter mit dem verstärkten Roggenanbau zu einem sehr häufigen und gefährlichen Besatz im Erntegut, sie ist aber seit dem Neolithikum in Europa dokumentiert. Erst durch die neuzeitliche Saatgutreinigung wurde sie wieder weitgehend aus dem Saatgut entfernt und ist heute beinahe ausgestorben.76 75 Siehe Roth/Daunderer/Kormann 2012, 104 f. 76 Gefährdungsstufe 1, siehe Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999, 42.

130

77 Siehe Roth/Daunderer/Kormann 2012, 710.

5.5 Einblicke in die Situation von Ackerbau und Ernährung

5.5.3 Hinweise auf Anbau, Ernte, Aufbereitung, Speicherung und Zubereitung Die (Getreide-)Ernte betreffend sind bereits Sicheln aus Bronze belegt, aber auch die davor genutzten Erntemesser mit Silexklingen dürften noch weiter verwendet worden sein, wie etwa Funde in Stillfried an der March vermuten lassen.78 Mit der Bronzesichel konnte Getreide nun tiefer als zuvor geschnitten werden. Dass Kulturpflanzen tatsächlich bodennah geerntet wurden, zeigen Reste niedrigwüchsiger Ackerbeikräuter (Abb. 05_25) an.79 Allerdings dürfte die Schnitthöhe durchaus variabel gehalten worden sein und mitunter wurden die Feldfrüchte auch samt der Wurzel ausgerissen, was etwa bei Ackerbohne und Leinsamen sogar üblich war. Das geerntete Getreide wurde mit Dreschflegeln oder durch Stampfen gedroschen, anschließend geworfelt und gesiebt, manchmal wohl handsortiert (siehe Abb. 05_03). Spelzweizen hat man vielleicht geröstet und/oder zur Entspelzung gestampft. Gespeichert wurde er wahrscheinlich vor der Entspelzung in Form der Vesen, wie etwa in Stillfried an der March angezeigt ist (Pkt. 5.4.1). Das Speichergut kam zur längeren Lagerung in Vorratsgruben, die luftdicht abgedeckt wurden, um eine Keimung der Körner zu verhindern.80 Weiters sind spezielle Speicherbauten bekannt. Zum Schutz der Speichergüter vor Schädlingen und Nässe dürften die Böden solcher Pfostenbauten über der Erdoberfläche gelegen sein (siehe Kap. 3, Pkt. 3.1.2 und Abb. 03_01, 06 und 07).81 Für kurzfristige Aufbewahrungen wurden

Abb. 05_25. Acker­Spörgel (Spergula arvensis); fruchtende Pflanzen; verkohlte urnen­ felderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp; die Pflanze erreicht eine Wuchshöhe von 10–60 cm (Fotos: M. Popovtschak).

wohl Vorratsgefäße und möglicherweise auch Kisten, Körbe und Säcke befüllt (siehe Kap. 4, Pkt. 4.1.1). Ein typisches Vor-

Intensität und Ausdauer, Schrot bis feines Mehl hergestellt. In-

ratsgefäß aus Thunau am Kamp fasst beispielsweise 120 Liter

wieweit danach nochmals Siebvorgänge durchgeführt wurden,

Speichergut und ein Großgefäß aus Stillfried an der March er-

war vielleicht oft eine Zeitfrage. Eine wichtige Alternative zu

reicht sogar ein Fassungsvermögen von 202 Liter83.

Brot und Fladen war sicherlich der mitunter nur sehr grob ge-

Zwar waren die Vesen von Spelzweizen direkt als Saatgut ver-

schrotete Getreidebrei.85 Genauere Angaben zu Speisen, Brei/

wendbar, zur Nutzung als Essgetreide mussten sie jedoch ent-

Brot (Abb. 05_26 und 05_27), Malz- und Bierherstellung sowie

spelzt werden. Dies erfolgte möglicherweise durch Stampfen in

etwaigen gesundheitsbeeinträchtigenden Beimischungen kön-

Holzmörsern (siehe Abb. 05_03 rechts).84 Auf mulden- bis trog-

nen hoffentlich künftig anhand eindeutiger Fundsituationen

förmigen Mahlsteinen (Unterliegern und Läufern) wurde, je nach

zahlreich ergänzt werden.86 Jedenfalls wird die Rolle von

82

Gärungsprozessen in Verbindung mit Bier und Backprozessen 78 Siehe Kohler-Schneider 2001, 187.

in der Urgeschichte dementsprechend breit diskutiert.87

79 Vgl. Falkenstein 2009, 163; weiters auch unter Pkt. 5.4.1 und 5.4.2. 80 Siloversuch siehe Meurers-Balke/Lüning 2005; Sicherl 2011 (bes. 133); zuletzt Biederer 2019. 81 Vgl. Fokkens 2009, 92. 82 Freundliche Mitteilung D. Kern am 05.04.2018. 83 Großgefäß aus der Ha B-zeitlichen, kegelstumpfförmigen Vorratsgrube 407, Fundnr. St 4489 (Museum Stillfried), siehe Griebl/Biederer in Vorbereitung. 84 Vgl. Alonso/Antolín/López et al. 2013; Peña-Chocarro/Zapata Peña 2003; Procopiou 2003.

85 Reschreiter/Kowarik 2008. 86 Vgl. etwa Hansson 1994; Heiss 2008, 26–29 u. 131–137; Valamoti/ Samuel/Bayram et al. 2008; Hansson 2012; Heiss 2014; Heiss/Pouget/ Wiethold 2015; Heiss/Kohler-Schneider in Vorbereitung; Stika 2013; Jacomet 2009; Bouby/Boissinot/Marinval 2011; Heiss/Thanheiser in Vorbereitung; Heiss/Antolín/Berihuete-Azorín et al. 2019. 87 Vgl. exemplarisch van Zeist 1991, 118–121; Kroll 1991; Procopiou/Treuil 2002a; Procopiou/Treuil 2002b; McGovern 2010; Dietrich/Heun/Notroff et al. 2012.

131

5. Pflanzennutzung

Abb. 05_26. Verkohltes Getreideerzeugnis (FNr 42) aus der spätbronzezeitlichen Berg­ bausiedlung bei Prigglitz-Gasteil, VB Neunkirchen (FWF-Projekt P 30289; Laufzeit 2017–2020). Links: Ansicht unter dem Binokular; rechts: Doppel­ schicht von Aleurongewebe, die Gerste (Hordeum vulgare) als Zutat iden­ tifiziert (1 μm = 0,001 mm) (Die diesen Abbildungen zugrundeliegenden Forschungen wurden durch das ERC-Projekt PLANTCULT [Grant Agreement 682529, PI: Prof. Soultana M. Valamoti, Aristoteles-Universität Thessalo­ niki] finanziert; Fotos: ÖAW–ÖAI/A. G. Heiss).

Abschließend lässt sich zur Ernährungssituation Folgendes feststellen: Die beste Absicherung vor Missernten und Hungersnot ist vorausschauende und umfangreiche Vorratshaltung sowie Vielfalt der Feldfrüchte mit unterschiedlichsten Wuchsansprüchen. Gerade dies hat die urnenfelderzeitliche Gesellschaft umgesetzt. Im Unterschied zu früheren, oft rein klimatisch oder mit einer bestimmten Bodenqualität begründeten Landwirtschaftsmodellen zeichnet sich analog zu den Erkenntnissen zu historischen Epochen auch für die Urgeschichte zunehmend ab, dass Anbaumuster von Kulturpflanzen wohl ebenso durch sozioökonomische Faktoren und kulturell bedingte Ernährungsweisen bestimmt worden sind. Hirsen etwa weisen im Vergleich zu großfrüchtigen Getreidearten große Unterschiede in ihren Anbauansprüchen, ihrer Verarbeitung und ihren Nutzungsmöglichkeiten auf. Weizenarten sind wesentlich geeigneter zum Brotbacken als alle anderen bronzezeitlich kultivierten Getreidearten. Die Wahl des angebauten Getreides hängt von seiner Verwendung für Brot oder andere Zubereitungsformen ab und bestimmt ihre Repräsentanz in den archäobotanischen Proben. Dementsprechend wird bei wachsender Datengrundlage das Verständnis der urgeschichtlichen Landwirtschaftssysteme und Praktiken sicher in Zukunft noch vertieft werden und dann weitere Details aufzeigen.

132

Abb. 05_27. Verkohltes ringförmiges Getreideprodukt (FNr ST 12050.2), aus der spätbronzezeitlichen Höhensiedlung Stillfried an der March, Grabungsabschnitt Küssleracker. Laboranalysen zufolge wurden die den modernen süditalie­ nischen tarallini ähnelnden Ringe aus feinem Mehl aus Weizen und Gerste hergestellt – vermutlich waren sie nur getrocknet worden, bevor sie einem Brand zum Opfer fielen. 1: „Oberseite“ – 2: „Unterseite“ – 3: Innen- und 4: Außenansicht. Die hellen Oberflächenüberzüge gehen auf das Konsoli­ dierungsmittel zurück. Die Pfeile kennzeichnen die beim Formen oder an­ schließenden Trocknen entstandenen Furchen. (Heiss/Antolín/BerihueteAzorín et al. 2019; Foto: ÖAW–ÖAI/N. Gail)

5.6 Literatur

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137

5. Pflanzennutzung

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138

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung Günther Karl Kunst

Tiere waren ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Urnenfelder-

gischen Zusammenhängen befasste Fachrichtung wird Archäo-

zeit. Welchen Anteil sie tatsächlich hatten, welche Prozesse sie

zoologie (im Englischen häufig auch zooarchaeology neben

durchliefen, was von ihnen übrigblieb und welche Schlüsse da-

archaeozoology) genannt. Diese versucht aus der Zusammen-

raus gezogen werden können – all das sind Forschungsfragen

schau der Funde Erkenntnisse zu archäologischen und histori-

der Archäozoologie. Die Rolle der Tiere am alltäglichen Leben

schen Fragestellungen zu gewinnen. Nach einer engeren Auf-

reicht über den wirtschaftlichen Aspekt weit hinaus. Haus- und

fassung des Faches bilden ausschließlich die Tierreste selbst

Wildtiere waren Bestandteil religiöser Vorstellungen, kultischer

sowie Tierspuren wie z. B. Bissmarken, Fußabdrücke oder fossile

Handlungen und ritualisierter Abläufe. Sie waren somit allgegen-

Exkremente (Koprolithen) den Untersuchungsgegenstand. Dar-

wärtiger Bestandteil menschlichen Daseins und stetige Begleiter

unter fallen natürlich auch Gerätschaften oder Schmuck, die aus

in allen Lebensbereichen.

tierischen Materialien hergestellt wurden. In der Regel handelt

6.1 Tierreste als archäologische Quellen

Geweih und Zahn einschließt, oder um Objekte, die aus MollusVielfach werden aber auch künstlerische und literarische Dar-

Knochen und Zähne von Wirbeltieren sowie Molluskenschalen

mit Tierhaltung, Jagd oder Fischfang zusammenhängen, in die

es sich um Beinartefakte, was die Ausgangsmaterialien Knochen, kenschalen (Abb. 06_01) hergestellt wurden. stellungen von Tieren oder Bauwerke und Gerätschaften, die

zählen, zusammen mit Keramikresten, zu den häufigeren Ob-

Überlegungen einbezogen.

jekten, die bei Ausgrabungen geborgen werden. Ihre Anreiche-

Aus naturwissenschaftlicher Sicht wird eine Bestimmung der

rung in archäologischen Fundzusammenhängen ist ihrer relati-

Funde nach deren systematischer Zugehörigkeit, also zu einer

ven Härte, insbesondere ihrer Mineralisierung, zu verdanken. Im

Tierart oder zu einer höheren systematischen Einheit (z. B. Paar-

Unterschied zu Horn, Haaren oder weiteren rein organischen,

hufer, Hühnervogel), angestrebt. Da es sich vielfach um iso-

tierischen Geweben bzw. Weichteilen bleiben sie, bedingt durch

lierte, aus dem Skelettverband herausgelöste und meist auch

die Einlagerung von Mineralsalzen in das Gewebe, über einen

beschädigte Teile handelt, ist außerdem eine anatomische Zu-

breiten chemischen Bereich stabil. Beispiele für die Erhaltung

ordnung (z. B. Schädelfragment, Rippe) notwendig. In Abhängig-

von organischem Material sind Moore mit ihrem stark sauren

keit von Lage und Zustand eines Fragments kann man darüber

Milieu oder andere, durch Metalle, Salze, extreme Temperatur-

hinaus noch eine Reihe von weiteren Eigenschaften am einzel-

oder Feuchtigkeitsbedingungen geprägte Situationen. Die Er-

nen Knochen oder Zahn erheben. Dazu zählen Merkmale, die

haltung der ebenfalls organisch aufgebauten Skelettteile von

die biologischen Eigenschaften des Tiers betreffen: Sterbe- oder

Insekten wurde etwa aus den noch unbearbeiteten urnenfelder-

Schlachtalter, Körpergröße, Geschlecht, die Körperseite bei paa-

zeitlichen Brunnenverfüllungen von Pixendorf (siehe Kap. 3,

rigen Elementen oder Hinweise auf pathologische Erscheinun-

Pkt. 3.1.2) berichtet, die sich anscheinend immer im Bereich

gen. Andere Beobachtungen geben Auskunft über das Schicksal

des Grundwassers befanden.

der Reste nach dem Tod des Tiers: menschliche Zerlegungs-

Mineralisierte Hartteile sind daher am häufigsten nachgewie-

spuren, Hinweise auf Hitzebeeinflussung, aber auch einfach

sen; eine vergleichbare Situation besteht übrigens in der Anthro-

die Ausbildung der Bruchkanten oder der Erhaltungszustand

pologie in Bezug auf menschliche Skelettreste. Die Knochen und

(Vollständigkeit, Farbe). Aufgrund ihrer Materialeigenschaften

Zähne können über den Tierbestand früherer Zeiten – beson-

können Tierreste – oft mehr als andere archäologische Fund-

ders über das Zusammenwirken von Mensch und Tier – Auskunft

gruppen – viele Beobachtungskategorien „speichern“ und einer

geben. Die mit der Untersuchung von Tierresten aus archäolo-

Untersuchung zugänglich machen.

140

6.1 Tierreste als archäologische Quellen

6.1.1 Erscheinungsformen von Tierresten Viele Funde gehören mit Sicherheit zum Funktionskreis „Ernährung“. Bruchstückhafte, isolierte Erhaltung, besonders auch das Vorhandensein von Zerlegungsspuren, weisen Tierknochen oft als menschliche Nahrungsreste aus. Sie sind dann gewöhnlich Überbleibsel von Tierkörpern, die einen Aufschließungs- oder Nutzungsprozess durchlaufen haben. Dabei wird der Skelettverband meist teilweise oder vollständig aufgelöst. Falls es sich um die Knochen eines Haustiers handelt, kann dieses aus der eigenen Landwirtschaft stammen oder z. B. aus einer anderen Siedlung bezogen worden sein. Bei Wildtieren ist von einer Aneignung durch Jagd oder ebenfalls Handel auszugehen. Bei vollständigen Tierskeletten hingegen, aber auch bei TeilverAbb. 06_01. Franzhausen-Kokoron, Grab 568, Grab 761, Schmuck aus den dekorativen Zebrina- und Cepaea-Schalen. Abgebildet sind Arrangements von einfach gelochten Märzen- oder Zebraschnecken (Zebrina dedrita) und Gerippten Bänderschnecken (Cepaea vindobonensis) als Kette. Seltener erhaltene zweifach gelochte Schnecken könnten direkt an der Kleidung angenäht gewesen sein (Frank 2000, 14 f., Abb. 7–10).

bänden, ist anzunehmen, dass der Schlachtkörper bzw. Körperteil nicht weiter genutzt wurde. Der Zerfall des Skeletts in seine Einzelteile wurde in diesem Fall durch seine Einbettung (Bestattung) unterbrochen. Beim Vorhandensein von Schnittmarken an den passenden Stellen ist allenfalls vom Abziehen des Fells oder der Haut auszugehen. Die Deutung von sogenannten Tierbestattungen ist schwierig und lässt häufig keine eindeutige Interpretation zu. Eine Betrachtung im Kontext ist hilfreich: Sind bestimmte Tiere, z. B. Pferde oder Hunde, innerhalb einer Kultur wiederholt als mehr oder weniger vollständige Skelette nach-

Was sind die Ziele und Aufgaben archäozoologischer Untersu-

weisbar, so ist davon auszugehen, dass das Fleisch der Tiere in

chungen? Zunächst werden die oben beschriebenen Basisdaten

diesen Fällen nicht genutzt wurde. Ein eindrucksvolles Beispiel

zur Zusammensetzung einer Probe erhoben. Diese Daten ziehen

für Tierskelette aus der Urnenfelderzeit sind die Bestattungen

verschiedene Fragen nach sich, darunter:

von Haus- und besonders Wildsäugetieren aus der befestigten



Was bedeutet die Zusammensetzung des Mengenverhält-

Siedlung von Stillfried an der March.

nisses der Tierreste, z. B. von Rindern, Hausschweinen und

Davon zu unterscheiden sind Überreste von Fleischbeigaben, die

Schafen?

Verstorbenen in Gräbern mitgegeben wurden. So ließen sich im

Sind die Tierreste durch Fragmentierung oder Zerlegungss-

Gräberfeld Franzhausen-Kokoron regelhaft gestaltete Knochen-









puren als Nahrungsreste ausgewiesen oder liegen die Reste

sätze, z. B. Schulterstücke von Schafen, dokumentieren.

von nicht weiter genutzten Tierkörpern, also von Skeletten,

In manchen Fällen können bestimmte Skelettelemente eine be-

vor?

sondere kulturelle Bedeutung erhalten haben. So fanden sich in

Kann man – im ersten Fall – diese Fundvergesellschaftung als

Franzhausen-Kokoron auch mehrfach Sätze von Astragalen (Fuß-

repräsentativ für das Ernährungsverhalten der einstigen Be-

wurzelknochen) der wichtigen Haustierarten als Beigaben, wel-

wohner oder die örtliche Viehwirtschaft ansehen?

che offenbar eine symbolische Bewertung dieses Elements über

Haben sich die Tierknochen über einen längeren Zeitraum

die Artengrenzen hinweg anzeigen. Die Betonung bestimmter

hin angesammelt oder sind sie das Ergebnis eines einmali-

Elemente oder Fragmenttypen kann aber auch einen einfachen

gen Entsorgungsprozesses, womöglich einer einzigen Mahl-

gewerblichen Hintergrund haben, etwa als Rohstoffdepot oder

zeit oder eines Rituals?

als Bevorzugung bestimmter Fleischpartien zur Fleischkonser-

Finden sich auffällige Anreicherungen bestimmter Elemente,

vierung in Hinblick auf deren Vermarktung.1

die an einen handwerklichen Produktionsprozess oder ande-

Der Fund eines Skeletts gewährt viele Einblicke in die Eigen-

re strukturierte Handlungen denken lassen?

schaften eines einzigen Tiers bzw. Individuums. Die überwiegen1

Pucher/Barth/Seemann et al. 2013.

141

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

de Mehrzahl der Tierknochenproben, die wir in archäologischen und somit auch urnenfelderzeitlichen Zusammenhängen finden, besteht aber aus isolierten, mehr oder weniger beschädigten Einzelknochen. Die Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten aus Tierart, Element und Beschädigungs- oder Erhaltungsformen bedingt, dass keine Probe der anderen in ihrer Zusammensetzung exakt gleicht. Der Informationswert ergibt sich daher aus der Summe der Einzelbeobachtungen, die man an der Gesamtheit der erfassten Knochen und Zähne einer Probe machen kann. Den Interpretationsrahmen vieler archäozoologischer Aussagen bildet dabei der relative Vergleich zwischen Untersuchungseinheiten – gleichgültig, ob es sich bei diesen um einzelne Knochen oder Proben, Grabungsbereiche, ganze Fundstellen, Siedlungstypen oder Regionen handelt; sinnvolle Aussagen könnten z. B. folgendermaßen lauten: In Probe A überwiegt das Schwein, während in allen anderen das Rind vorherrscht; aus Befund B liegen viele Rinderrippen vor, wie es in den Gruben dieser Fundstelle

Abb. 06_02. Prigglitz-Gasteil, Siedlungsterrasse mit mächtiger Überdeckung durch Abraumhalde, August 2013. Aus dieser Grabung stammen, bezogen auf die Fläche, die bisher umfangreichsten Tierknochenproben aus der Urnen­ felderzeit in Niederösterreich (Foto: G. K. Kunst/VIAS).

üblich ist; in Region C treten Wildtiere stark zurück, was dem allgemeinen Trend in dieser Zeit zuwiderläuft, usw. Diese Beob-

Funde von Tierresten in Grabbereichen nehmen eine Sonder-

achtungen bekommen erst dann einen Sinn, wenn sie mit den

stellung ein. Manchmal ist nicht eindeutig auszumachen, ob sie

Ergebnissen aus der Bearbeitung der übrigen Fundgruppen und

bewusst als Grabbeigaben oder mehr zufällig mit der Füllerde,

der Befunde im Gesamtkontext diskutiert werden.

etwa während der Bodeneingriffe im Rahmen der Grabanlage, eingebettet wurden. Im Gräberfeld von Franzhausen-Kokoron

6.1.2 Tierreste in archäologischen Befunden

traten – abgesehen von den definierten Speisebeigaben – gelegentlich tierische Einzelfunde unklarer Zuordnung auf. Oft gibt die Art der Reste (meist handelt es sich um Einzelzähne oder abgerollte Fragmente) einen Hinweis darauf, dass hier Funde auf

Tierreste sind besonders für die Erforschung ernährungs- und

einer sekundären Lagerstätte vorliegen. Sie zeigen menschliche

wirtschaftshistorischer Gegebenheiten, aber ebenso ritueller

Siedlungstätigkeit an oder sind Reste ritueller Handlungen, etwa

und kultischer Abläufe relevant. Oft geben sie auch Auskunft

eines Totenmahls im Gräberareal.

über vergangene Umweltbedingungen. Tierknochenfunde aus

Ein eigenes Problem bilden Tierknochenuntersuchungen an Ört-

archäologischen Zusammenhängen werden, wenn es sich nicht

lichkeiten mit langer Siedlungskontinuität, wie z. B. in Höhen-

gerade um Grabbeigaben oder Ähnliches handelt, gewöhnlich

siedlungen mit geringer Bodenauflage. Die Befunde enthalten

als Abfälle interpretiert, die mehr oder weniger bewusst in die

dann häufig Materialien unterschiedlicher Zeitstellung. Die Tier-

Befunde eingebracht wurden. Sie geben daher Hinweise auf den

reste, die für sich meistens keine eindeutigen Anhaltspunkte für

Umgang mit Abfällen bzw. auf die Strukturierung der persönli-

ihre Altersstellung liefern, lassen sich nur mit Vorbehalt anhand

chen oder öffentlichen Räume in einer Gesellschaft. Aufgrund der

der begleitenden archäologischen Funde datieren. In den be-

Häufigkeit von Tierresten lassen sich, besonders in ausgedehn-

deutenden urnenfelderzeitlichen Höhensiedlungen von Thunau

ten Grabungsflächen, die Wege nachzeichnen, die Schlacht- und

am Kamp und vom Oberleiserberg kann man daher nur einen Teil

Speiseabfälle genommen haben: Die Funde sind selten gleich-

der Proben sinnvoll auswerten bzw. einem engeren Zeithorizont

mäßig oder willkürlich über ein Siedlungsareal verteilt, sondern

zuordnen.

wurden vielmehr in bestimmten Befunden, im prähistorischen

Erheblichen Fundanreicherungen, seien es nun Gefäßreste oder

Fall meist in räumlich abgegrenzten, eingetieften Strukturen wie

Tierknochen, wird stets eine besondere Aufmerksamkeit zuteil.

Gruben, Gräben, Hausfundamenten (Grubenhäusern), Pfosten-

Hier liegt die Annahme nahe, dass eine größere Personengruppe

löchern und dergleichen angereichert. In günstigen Situatio-

zielgerichtete, wahrscheinlich mehrmals wiederholte Handlun-

nen können auch Handlungsabfolgen oder Produktionsschritte,

gen vorgenommen hat. Dies kann man als Hinweis auf Handwerk,

etwa bei der Verwertung eines Schlachtkörpers, nachvollzogen

Ritual oder auf eine Zone besonderer Bedeutung – etwa den

werden.

Zentralbereich einer Siedlung – verstehen.

142

6.1 Tierreste als archäologische Quellen

vom Bergbau (siehe Kap. 7, Pkt. 7.2.2 und 7.2.3) (Abb. 06_02).

Abb. 06_03. Pixendorf, Verfärbungsnummer 1842, Sig. 1842-5, Fdnr. 50, Siebrückstand aus einer botanischen Flotationsprobe (Fraktion 4 mm). Zu erkennen sind u. a. Kurzknochen vom Schwein, Zahnfragmente vom Schwein und Klein­ wiederkäuer, diverse Skelettelemente von Nagetieren, kleinen Singvögeln und Froschlurchen, ein Schädel von einer Schermaus (Arvicola terrestris; links unten), Unterkiefer von einer Wühlmaus (Arvicolinae) sowie Insekten­ reste (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

6.1.3 Tierreste als archäologische Objekte

ausgewählte Teile der Tiere in der Siedlung konsumiert, während

Wie repräsentativ sind Proben und wie sichtbar sind Handlungen,

sich im Haushaltsbereich dementsprechend auch nur bestimm-

die die Beziehung von Tier und Mensch belegen? Sowohl beim

te Skelettelemente anreichern. Diese Aufteilung der Tierreste

Gelegentlich sind auch in der Urnenfelderzeit größere Erdbewegungen und damit Fundanreicherungen außerhalb klar definierter Objekte (z. B. Gruben, Gräben) in Form von sogenannten Kulturschichten zu erwarten. Beispiele sind die Abraumhalden

der Rest des Schlachtkörpers anderswo verbleibt, so können

Eintrag in als auch bei der Bergung aus den archäologischen

im Bereich von Produktion, Gewerbe und Haushalt ist in ent-

Strukturen wirken Filter, weshalb die Überlieferung der einsti-

wickelten Gesellschaften, in Österreich etwa ab der Römerzeit,

gen Prozesse stets unvollständig ist. Finden und interpretieren

voll ausgeprägt. Aber bereits in urgeschichtlichen Situationen –

kann man nur die Tierreste, die in der Vergangenheit als Abfall

gleichgültig, ob es sich um ein altsteinzeitliches Jägerlager oder

eingeordnet, entsorgt, eingebettet wurden und die man spä-

eine neolithische oder metallzeitliche Siedlung handelt – ist von

ter im Rahmen der archäologischen Untersuchung aufsammelt.

einer funktionalen Gliederung des Raumes, etwa in Produktions-

Konsum- und Entsorgungsprozesse, die fernab einer Siedlung

oder Verarbeitungs- und Konsumzonen, auszugehen (siehe

stattgefunden haben, etwa im Bereich eines Jagd- oder Hirten-

Pkt. 6.3.1). In manchen Fällen kann man auch von öffentlichem

lagers, lassen sich nur in Ausnahmefällen erkennen. Werden nur

und privatem Raum (Haushaltsebene) sprechen. 143

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

Teilweise spielen auch die physischen Eigenschaften der Tier-

sie etwa im Rahmen von Ritualen vorkommen, anhand von Tier-

reste und der Befunde eine Rolle. Es erscheint plausibel, dass

resten gut erkennen. In der Urnenfelderkultur traten kennzeich-

ein feinkörniger, mechanisch beanspruchter Gehhorizont ein

nende, wiederkehrende Assoziationen von Tierresten besonders

anderes Inventar an Skelettelementen und Tierarten aufweist

in Form von Grabbeigaben, wahrscheinlich auch bei der gewerb-

als eine geräumige Grube. Während sich in Ersterem vielleicht

lichen Fleischkonservierung, in Erscheinung.

lose Zähne und kleine Elemente, vorwiegend der kleineren Haustierarten, sammeln können, bietet ein Grubenobjekt genügend Raum für die Aufnahme großer Skelettteile, etwa eines vollständigen Rinderschädels. Ebenso werden im Fundgut nur die Reste derjenigen Wildtierarten vorkommen, die als Jagdwild oder Sammelgut üblich und zugänglich waren. Deshalb ist nicht von einem repräsentativen Abbild der einstigen Lebensgemeinschaft auszugehen. So ist

6.2 Tierreste aus der Urnenfeldzeit 6.2.1 Allgemeines und Haustiere

während der Urgeschichte in Niederösterreich eine durchwegs

Tierreste aus der Spätbronzezeit Mitteleuropas lassen an sich

artenreiche Wildvogel- und Fischfauna anzunehmen. Die Hinter-

keine Arten erwarten, die bis dahin nicht im Haustierbestand

lassenschaften dieser Gruppen sind aber in den meisten Fällen

oder in der Wildtierfauna vorhanden waren. Die vier wichtigsten

stark unterrepräsentiert oder gar nicht vorhanden, sie sind also

Wirtschaftstierarten waren Hausrind, Hausschaf, Hausziege und

archäologisch kaum „sichtbar“.

Hausschwein. Diese domestizierten Formen gehörten seit Jahr-

Auch die Bergemethoden beeinflussen das Arteninventar erheb-

tausenden, d. h. seit der Neolithisierung, auch in Mitteleuropa

lich. Kleine Reste wie Fischknochen können oft nur durch das

zum Bestand und lieferten den Hauptteil der tierischen Produk-

Nass- oder Trockensieben des Sediments gewonnen werden. Die

te. Alle sind Paarhufer und – abgesehen vom Schwein – auch

Erhaltung von organischem Material , etwa von Insektenresten

Wiederkäuer, die für den Menschen sonst nicht verwertbare

ist zudem an besondere Erhaltungsbedingungen geknüpft (Abb.

pflanzliche Substanzen bzw. deren Energiegehalt indirekt zu-

06_03).

gänglich machen. Sie steuern u. a. Fleisch, Milch, Wolle, Mist

Es kann nun durchaus der Fall sein, dass in einer komplexen prä-

als Dünger, Knochen und Horn als Rohstoff sowie ihre Arbeits-

historischen Siedlung in den Entnahmegruben eine bestimmte

leistung bei. Bereits lange vorher, im ausgehenden Paläolithi-

Haustierart, in den Begehungsschichten der Hausgrundrisse

kum, war die Domestikation des Haushunds aus seiner wilden

dagegen eine andere Art überwiegt, während ein dritter Befund

Stammform, dem Wolf, erfolgt. Der Hund diente zwar bis zur

einen unverhältnismäßig hohen Wildtieranteil aufweist (siehe

Eisenzeit noch vielfach als Nahrungsmittel, wurde aber wohl

Pkt. 6.3.1). Stellt nun der Mittelwert der einzelnen Proben das

nicht erstrangig aus diesem Grund gehalten. Er erlangte jeden-

allgemeine Konsumgeschehen dar oder werden hierbei nur die

falls niemals die gleiche ernährungsmäßige Bedeutung wie die

Reste der größten, am stärksten als Abfall empfundenen Arten

Wirtschaftstiere. Bei Rind und Schwein ist ein genetischer Aus-

oder die materialreichsten Befunde begünstigt? Und wie ver-

tausch zwischen den bereits in domestizierter Form aus dem

hält es sich mit dem Vergleich zu einer benachbarten Fundstelle,

Orient nach Mitteleuropa gelangten Haustieren mit den damals

die ein abweichendes Inventar an Befundtypen – etwa eine An-

hier vorhandenen Wildformen (Ur, Wildschwein) möglich und an-

häufung verfüllter Brunnen oder Gruben mit Skelettfunden –

zunehmen. Die wilden Stammformen von Hausschaf und Haus-

aufweist, während die Abraumhalde des nahe gelegenen Berg-

ziege kommen dagegen in Europa von Natur aus nicht vor; sie

baus wiederum ein ganz anderes Arten- und Skelettteilspektrum

waren ursprünglich in Gebirgsregionen und Hochländern des

liefert?

Nahen und Mittleren Ostens verbreitet.

Derartige Beispiele ermutigen dazu, Tierreste als Werkzeuge zur

Nach einer neueren Zusammenschau weist die Domestikations-

Interpretation archäologischer Befunde zu betrachten, die die

geschichte dieser vier wichtigsten Wirtschaftstierarten durch-

Erkenntnisse aus anderen Fundkategorien ergänzen. Die vielen

aus individuelle Unterschiede auf und ist daher separat zu be-

Beurteilungskategorien, die an Tierresten beobachtet werden

trachten.2 Spätestens seit der Frühbronzezeit dürfte auch das

können – wie Skelettteil, Körperseite, Vollständigkeit, menschli-

Hauspferd in Mitteleuropa zu den lokalen Haustierbeständen

che Arbeitsspuren und das Ausmaß des Skelettzusammenhangs –

gehört haben. Seine Domestikation erfolgte aber in anderen Ge-

erlauben es, Aussagen zur Entstehungsgeschichte einer Fund-

bieten (Eurasische Steppenzone) und unter anderen Vorausset-

vergesellschaftung insgesamt zu treffen. So kann man die Ergebnisse schematisierter, gleichartiger Handlungsabläufe, wie 144

2

Conolly/Colledge/Dobney et al. 2011.

6.2 Tierreste aus der Urnenfeldzeit

zungen als bei den Hauptwirtschaftstieren. An Neuerungen ist

gen der vergangenen und folgenden Perioden zu betrachten. Die

für die Urnenfelderzeit gelegentlich mit dem aus Südostasien

Erforschung der physischen Eigenschaften (u. a. Körpergröße,

stammenden Haushuhn zu rechnen. Für diese Art gibt es ganz

Proportionen, Schädelform) – des sogenannten Phänotyps – der

wenige Belege aus Tschechien, die bis in die Spätbronzezeit zu-

Haustiere vergangener Perioden stellt ein klassisches Aufgaben-

rückreichen dürften. Auch aus der Höhensiedlung von Stillfried

gebiet der Archäozoologie dar, das heute durch genetische Un-

an der March liegen Funde von Hühnerknochen vor, für die eine

tersuchungen ergänzt wird. Der heutige Begriff der Haustierrasse

urnenfelderzeitliche Datierung möglich ist. Es ist allerdings zu

sollte eher vermieden werden. Er bedeutet eine starke Standar-

3

bedenken, dass das Haushuhn auch im Bereich der altorientali-

disierung der Eigenschaften (bzw. des Phänotyps), die für prä-

schen Hochkulturen erst in der zweiten Hälfte des zweiten Jahr-

historische Zeiten nicht zu erwarten ist. Es erscheint daher bes-

tausends v. Chr. eine größere Verbreitung fand. Zu einer eigent-

ser, allenfalls von Schlägen, Formen oder Typen zu sprechen.

lichen Aufnahme in den Haustierbestand, die über die Rolle als

Aufgrund der meist bruchstückhaften Überlieferung der Reste

importiertes Luxusgut hinausging, scheint es in Mitteleuropa

bilden hierbei metrische Untersuchungen den Schwerpunkt. Be-

erst in der jüngeren Eisenzeit gekommen zu sein.4

kannt ist etwa die Größenabnahme der Hausrinder vom Neo­

Auch innerhalb der Sekundärnutzung der Wirtschaftstiere waren

lithikum bis zur Eisenzeit.9 Nach E. Pucher, der sich eingehend

die meisten Praktiken in der Spätbronzezeit wohl bereits seit län-

mit der Geschichte des Hausrinds in Österreich befasst hat, er-

gerer Zeit etabliert. Es sind dies die Bereiche der Viehwirtschaft,

folgte dieser Größenabfall im Donauraum im Wesentlichen erst

die über die unmittelbare Fleischnutzung hinausgehen. Dazu ge-

zu Beginn der Urnenfelderzeit.10 Nach A. Riedel liegen z. B. die

hören u. a. die Milchwirtschaft, die Wollnutzung der Schafe und

Dimensionen der Rinder der früh- bis mittelbronzezeitlichen

die Zugleistung beim Rind. Entgegen früheren Annahmen einer

Siedlung von Böheimkirchen (VB St. Pölten-Land) im mittleren

secondary products revolution5 in der Kupferzeit/Frühbronze­

Bereich zwischen den großen neolithischen Formen einer-

zeit Mesopotamiens handelt es sich hierbei nicht unbedingt

seits und den kleinen spätbronze- und eisenzeitlichen Rindern

um einen einheitlichen Prozess, und zumindest die Nutzung der

andererseits.11

Milchleistung scheint bereits ziemlich früh im Neolithikum ein-

Bei den kleineren Wirtschaftstieren sind die Größentrends we-

zusetzen.6 Die Entwicklung und Nutzung eines Wollvlieses beim

niger eindeutig oder wurden stärker von lokalen Bedingungen

Schaf wurde für Mitteleuropa mit dem Auftreten großwüchsiger

beeinflusst. So dürften sich etwa beim Hausschaf die Widerrist­

Formen in der Kupferzeit oder in der Frühbronzezeit in Zusam-

höhen im Alpenraum vom Mittelneolithikum bis zur Römerzeit

menhang gebracht. Wahrscheinlich handelt es sich aber auch

nicht wesentlich geändert haben. Manchmal kommen die Erhal-

bei der Wollnutzung um einen Prozess mit langer Entwicklungs-

tungszustände in einer Fundstelle einer metrischen Auswertung

phase. In Österreich stammen die ältesten Funde von Wollstoffen

entgegen. So konnte man im Gräberfeld Franzhausen-Kokoron,

aus der mittleren Bronzezeit. Zusammen mit der endgültigen

wo eine größere Anzahl von Astragalen als Grabbeigaben vor-

Etablierung des Pferdes in den Haustierbestand kann die Aus-

kam, aus 21 Knochen eine durchschnittliche Widerristhöhe von

breitung des Schafs bis in entlegene Gebiete Nord- und Westeu-

62,5 cm ermitteln; die Schwankungsbreite betrug 58,1–71 cm.

ropas, verbunden mit einer entsprechenden Anpassung der Tie-

Nur gelegentlich, wie bei Skelett- oder Schädelfunden, kann das

7

re an die gegebenen Klimabedingungen, als die wesentlichste

Erscheinungsbild der Haustierformen bzw. -schläge vollständi-

Neuerung im Bereich der bronzezeitlichen Tierzucht Europas ins-

ger rekonstruiert werden. So erlauben die meist nur als mittel- bis

gesamt betrachtet werden.

spätbronzezeitlich einstufbaren, gut erhaltenen Hausschweine­

8

Die Haustierreste aus urnenfelderzeitlichen Fundzusammenhän-

schädel aus Unterhautzenthal eine gute Ansprache des noch sehr

gen dokumentieren also Formen, die bereits einen langen Pro-

wildschweinartigen Typs.12 Für das Hausrind fehlen hingegen

zess der Haustierwerdung (Domestikation) hinter sich haben. Es

bislang aus Niederösterreich umfassende urnenfelderzeitliche

ist daher sinnvoll, deren Eigenschaften im Vergleich zu denjeni-

Schädelfunde, wie sie jüngst für die Hallstattzeit anhand des Materials aus Großmugl (VB Korneuburg) dargestellt werden konnten.13 Unzureichend ist auch die Kenntnis urnenfelderzeitlicher

3

Kyselý 2010.

4

Zur Ausbreitungsgeschichte des Haushuhns in Europa siehe Benecke 1994b, 362 ff. und Serjeantson 2009, 270 ff.

5

Sheratt 1983.

6

Für neuere Rezeptionen des Begriffs mit teils unterschiedlichen Stand­ punkten siehe Greenfield 2014 und Sykes 2014, 36 ff.

10 u. a. Pucher 2017a; Pucher 2017b.

7

Vgl. zuletzt Schmölcke/Gross/Nikulina 2018.

12 Pucher 2001.

8 Bartosiewicz 2013, 335.

Hauspferde, obwohl dies für die Beziehungen nach Osteuropa 9

Vgl. zusammenfassend bei Benecke 1994b.

11 Riedel 1998. 13 Jettmar/Kunst 2017.

145

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

zu jener Zeit interessant wäre. Abgesehen von Stillfried an der March liegen aus Niederösterreich keine vollständigeren Funde vor. Das hier aufgefundene Teilskelett entspricht nicht dem Bild der üblichen prähistorischen, mittelgroßen Pferde, sondern eher den aus der jüngeren Eisenzeit bekannten kleinen Keltenponys.14 Eine neuere Arbeit verweist auf eine bedeutende Größenabnahme der Hauspferde im Verlauf der Bronzezeit auf dem Gebiet der Tschechischen Republik und bringt diese mit der Entwicklung lokaler Zuchtlinien, die ohne Einflüsse von außen erfolgt wäre, in Zusammenhang.15

6.2.2 Wildtierfauna und Umwelt Zur Nutzung von natürlichen Ressourcen wie Säugetieren, Vögeln und Fischen sowie von tierischen Rohstoffen (z. B. Geweih) durch Jagd, Fang oder Sammeltätigkeit liegen aus urnenfelderzeitlichen Lokalitäten unterschiedliche Befundlagen vor. Insgesamt dürften die Jagd und andere Nutzungsformen der Wildtiere keine allzu große Bedeutung für Ernährung und Wirtschaftsweise gehabt haben. Dies scheint, mit regionalen Abweichungen, für die Spätbronzezeit Mittel- und Westeuropas insgesamt der Fall zu sein, vielleicht abgesehen von manchen Randgebieten.16 Der Wildtieranteil spiegelt dabei nicht unbedingt die Umweltbedingungen oder eine wirtschaftliche Organisationsform wider. Er hat auch damit zu tun, welche Vorstellungen eine Gesellschaft

Abb. 06_04. Oberleiserberg, Fdnr. 474, mittlerer oder oberer Stangenabschnitt vom Geweih eines Rothirsches (Cervus elaphus); umlaufende Hackspuren im Bereich der Geweihverzweigung und an einem Sprossenende (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

hinsichtlich der „wilden“, außerhäuslichen Umwelt entwickelt. Hohe Anteile bedeuten daher nicht zwingend eine schwache

wie z. B. des Hirsches, in der Geisteswelt der urnenfelderzeitli-

Ausprägung der Viehzucht oder eine besonders ursprüngliche

chen Menschen zu. Die Dokumentation der vorhandenen Wild-

Landschaft, sondern eher die Bereitschaft, natürliche Ressour-

tierarten durch die archäologische Überlieferung ist ungenügend,

cen ins Alltagsleben zu integrieren.17 Ein wesentliches oder zu-

obwohl die Vertreter der holozänen Großtierfauna, darunter Ur

mindest archäologisch gut belegtes Element der Wildtiernutzung

und Wisent sowie der Elch, vermutlich noch weit verbreitet wa-

in der Urnenfelderzeit bildet die Verwendung von Hirschgeweih

ren. Dies geht durch radiometrische Datierungen alpiner Höhlen-

als Werkstoff, weshalb der Rothirsch in diesem Zeitraum wahr-

und Schachtfunde – fernab der Siedlungen – hervor, auch wenn

scheinlich die am stetigsten nachgewiesene Wildtierart (Abb.

es für manche dieser Arten keine explizit spätbronzezeitlichen

06_04) ist. Dieser Platz kann ihm höchstens der Feldhase strei-

Meldungen aus Niederösterreich gibt.18 Gesicherte urnenfelder-

tig machen, der zweifellos von den menschlichen Eingriffen bzw.

zeitliche Nachweise von Wildrindern aus archäologischen Fund-

von der ursprünglichen Kulturlandschaft (Brachen, Weiden, ver-

zusammenhängen sind vor allem aus Thunau am Kamp vorhan-

schiedene Erscheinungsformen von Waldverwüstung) profitiert

den, lassen sich aber nicht mit Sicherheit auf eine der beiden

hat.

Arten beziehen (Abb. 06_05). Die erwähnten großen Huftierarten

Die allgemein nachrangige Rolle natürlicher Ressourcen im ar-

werden dann erst knapp vor ihrem regionalen Verschwinden im

chäologischen Fundgut lässt aber keineswegs Rückschlüsse auf

Frühmittelalter archäologisch wieder besser fassbar. Überreste

einen geringen symbolischen Stellenwert mancher Wildtierarten,

der Gämse und anderer alpiner Arten (z. B. des Schneehasen)

14 Zu Entwicklungen siehe Pucher 2017b. 15 Kyselý/Peške 2016.

wurden bisher aus spätbronzezeitlichen Fundstellen in Niederösterreich nicht bekannt. Dies ist in erster Linie durch das Fehlen

16 Benecke 1994a; Schibler/Studer 1998; Sykes 2014. 17 Hierzu besonders Sykes 2014, 51 ff.

146

18 Siehe dazu die jeweiligen Artkapitel in Spitzenberger 2001.

6.2 Tierreste aus der Urnenfeldzeit

Abb. 06_06. Stillfried an der March, Ulna (Elle) eines Braunbären, plantare Ansicht, mit Schnittspurenserie; das distale Ende dieses Knochens wurde durchgehackt; Breite des gesamten Bildausschnitts ca. 5 cm (NHM-Wien; Foto: G. K. Kunst/VIAS).

Materialien von ausreichendem Umfang enthalten zumeist auch seltenere Arten wie etwa Großraubtiere. So sind in Stillfried an der March sowohl der Wolf als auch der Braunbär gut vertreten – Abb. 06_05. Thunau am Kamp, Grundphalangen (Phalanges proximales) von Rindern aus urnenfelderzeitlichen Grubenobjekten, jeweils periphere Ansicht, links distal, rechts proximal. Oben: Fdnr. 19591, Wildrind; Ur (Bos primigenius) oder Wisent (Bison bonasus) – Unten: Fdnr. 21679, Hausrind (Bos primigenius f. taurus) (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

Ersterer durch mehrere Skelettfunde, Letzterer aber nur durch Einzelknochen. Aus dieser Fundstelle liegen eine Rippe sowie eine Elle (Ulna) von einem Braunbären vor, die beide zahlreiche Arbeitsspuren aufweisen und somit als Nahrungsreste angesprochen werden können. Die Ulna zeigt zahlreiche Schnittspuren und wurde im Schaftbereich durchgehackt (Abb. 06_06). Bei einer vergleichenden, diachronen Untersuchung von Bärenresten

von Untersuchungen in Gebirgslagen bzw. überhaupt durch den

in Österreich stellte sich heraus, dass damit in unserem Raum

Mangel an entsprechenden Fundstellen zu erklären.

der älteste Nachweis einer kombinierten, verschiedene Werk-

Dass bisher keine bronzezeitlichen Equidenreste aus Nieder-

zeugtypen einsetzenden Zerlegung eines Bären vorliegt.23 Der

österreich auf das Wildpferd bezogen wurden, kann auch rein

Einzelfund eines Oberkiefers eines Luchses aus einem urnen-

methodisch durch die fehlende Abgrenzbarkeit vom Hauspferd

felderzeitlichen Befund bei Maissau24 zeigt, dass die Nachweis-

anhand der Skelettreste begründet sein. Ob das Wildpferd im ge-

barkeit von seltenen Arten als ein Produkt des Zufalls bzw. als

samten Mitteleuropa, wenigstens in der frühen Bronzezeit, über-

eine Funktion großer Materialmengen, wie sie sonst vor allem in

haupt noch vorkam, wissen wir nicht; mit rein osteologischen

Stillfried an der March und Thunau am Kamp vorliegen, zu wer-

Methoden erscheint kein Nachweis möglich.19 Ein ähnliches, we-

ten ist.

niger auffälliges Bestimmungsproblem besteht übrigens bei der

Die in den Knochenproben vorhandenen Wildsäuger und Haus-

Graugans, der Stammform der Hausgans.20 Hier stellt sich aller-

tiere sagen wenig Spezifisches über die einstigen Umweltver-

dings eher die Frage, ob man manche spätbronzezeitlichen oder

hältnisse aus: Bei Ersteren handelt es sich fast durchwegs um

eisenzeitlichen Funde bereits als Reste von Hausgänsen deuten

Generalisten mit eher allgemeinen Ansprüchen an den Lebens-

kann.21 Der Europäische Wildesel (Equus hydruntinus), eine ar-

raum, während Letztere im Grunde nicht mehr als eben eine Kul-

chäologisch nur selten belegte Art, war in unserem Raum wohl

turlandschaft anzeigen.25 Gleiches gilt für Klimaveränderungen,

schon vor der Spätbronzezeit verschwunden.22 19 Kyselý/Peške 2016. 20 Serjeantson 2009. 21 Benecke 1998. 22 Spitzenberger 2001; nach neueren Erkenntnissen ein Vertreter der asiatischen Halbesel.

23 Kunst/Pacher 2019. 24 Eigene Beobachtung in Sig. 28, Grabung Verein ASINOE, 2008; siehe Schmitsberger 2008. 25 Umgekehrt wird der Einfluss der Haustiere auf die prähistorische „Naturlandschaft“ häufig eher unterschätzt; dieser wird sich bei uns durchwegs in einer mehr oder weniger starken Beeinträchtigung von Waldgesellschaften im Sinne einer „Öffnung“ der Landschaft äußern.

147

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

Abb.06_07. Pixendorf, Verfärbungsnummer 1842, Sig. 1842-5, Fn. 50, Grabung Archäologie-Service, Skelettreste einer Wachtel (Coturnix coturnix), teil­ weise vom gleichen Individuum; Siebrückstand aus einer botanischen Flotationsprobe (Fraktion 4 mm). Von links: Humerus sin., von caudal; Humerus dext., von cranial (gleiches Individuum); Tarsometatarsus sin., von dorsal; Tarsometatarsus sin., von plantar (Foto R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

Abb. 06_08. Oberleiserberg, Fdnr. 123, Erster Wirbel eines Welses (Silurus glanis); links vollständig, mit zentraler Bohrung; rechts beschädigt, Bohrung nur ange­ deutet. Das vollständige Stück stammt von einem Fisch mit mehr als einem Meter Länge (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

die im hier besprochenen Zeitraum sicherlich zu gering waren,

Ähnliches gilt für die Fischfauna. Derzeit sind in Niederösterreich

um wesentliche Einflüsse auf die Faunenspektren von Großsäu-

keine urnenfelderzeitlichen Fundstellen bekannt, die in größe-

gern und Haustieren zu haben. Wildvögel, Reptilien und Klein-

rem Umfang Fischreste geliefert haben. Einzelfunde aus Still-

säuger könnten hier etwas detailliertere Informationen beitra-

fried an der March betreffen, wie bei händisch aufgesammeltem

gen, sind in den Materialien aber schlecht überliefert. Immerhin

Material üblich, vorwiegend besonders große Reste bzw. Indivi-

belegen die Nachweise der Feldhühner Rebhuhn (Perdix perdix)

duen: Wels und Hecht sowie verschiedene Karpfenfische (Cyprin-

und Wachtel (Coturnix coturnix) (Abb. 06_07) in den Siedlungen

iden). Ähnliches gilt für Thunau am Kamp. Vom Gräberfeld Franz-

von Unterradlberg und Pixendorf das Vorhandensein einer geöff-

hausen-Kokoron sowie vom Oberleiserberg liegen durchbohrte

neten Kulturlandschaft.

Fischwirbel als Schmuckelemente vor (Abb. 06_08).

In Unterradlberg ist weiters neben einer Wildente auch der Kra-

Die noch unbearbeiteten Brunneninhalte von Pixendorf erweitern

nich (Grus grus) belegt. Das Vorkommen dieser archäologisch

das – was die Diversität anbelangt – oft etwas unspektakulär er-

gar nicht selten nachgewiesenen Art ist mit der Vorstellung ei-

scheinende Arteninventar urnenfelderzeitlicher Fundstellen. Die

ner vielfältigen, mosaikartigen Kulturlandschaft, die auch we-

Tierreste wurden aus archäobotanischen Flotationsproben (sie-

niger intensiv bewirtschaftete und versumpfte Flächen umfasst,

he Abb. 06_03) ausgelesen. Sie enthielten zahlreiche Skelett-

gut vereinbar. Interessante faunengeschichtliche Fragestellun-

reste von Kleinsäugern, kleineren Vögeln, Froschlurchen und

gen wie das mögliche Vorkommen von Pelikanen und Geiern,

Mollusken. Weiters liegen spärliche Funde von Insekten, aber an-

die jeweils aus der Frühbronzezeit und der Hallstattzeit des öst-

scheinend keine Fischreste vor. Aufgrund der teils engeren öko-

lichen Niederösterreich vorliegen, lassen sich derzeit aber nur

logischen Einnischung dieser Gruppen können solche Proben,

unzureichend klären. Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys

‚bei denen es sich allerdings meist nicht um menschliche Nah-

orbicularis) ist, zumindest bis zur jüngeren Eisenzeit, in vie-

rungsreste handelt, Auskunft über die lokalen Umweltverhältnis-

len Fundstellen im Bereich der ost- und südostösterreichischen

se geben (Abb. 06_09).27 Die Untersuchung dieser und weiterer

Flussniederungen sowie in Oberösterreich und Kärnten vorhan-

Rückstände aus botanischen Proben würde einen wichtigen Bei-

den. In der Urnenfelderzeit Niederösterreichs ist diese anhand

trag zur Kenntnis der Verbreitungsgeschichte kulturbegleitender

ihrer Panzerreste leicht erkennbare Art bislang nur in Stillfried

Tierarten leisten. Ebenso bedarf der als ältester österreichischer

an der March nachgewiesen. Dass es sich hierbei offenbar nur

Nachweis einer Östlichen Hausmaus (Mus musculus) in die Li-

um eine Nachweislücke handelt, geht aus neueren spätbronze-

teratur eingegangene Schneidezahn aus dem mittelbronzezeit-

zeitlichen Funden in Mittelböhmen hervor, die anzeigen, dass hier Sumpfschildkröten durchaus als Nahrung genutzt wurden.26 26 Kyselý/Čuláková/Pecinovská et al. 2016.

148

27 Die Probe wurde von Ursula Thanheiser (VIAS Universität Wien) zur Verfügung gestellt und stammt aus einer Grabung des im Auftrag des Bundesdenkmalamtes tätigen Archäologie-Service aus dem Jahre 2005.

6.3 Tiernutzung und Abfallverhalten in verschiedenen Siedlungsformen

zur Verfügung, von denen knapp die Hälfte näher bestimmt werden konnte.30 Diese stammen aus insgesamt 72 archäologischen Befunden, von denen nur acht eine ausreichende Fundmenge lieferten, sodass eine Einzelauswertung möglich war. Die Fundzahl beträgt hier zwischen 36 und 216 Stück. Die genannten Mengen zeigen, dass in einer Siedlung, in der immerhin 52 Hausgrundrisse und 91 Gruben dokumentiert wurden, der Fundanfall – bei zumindest durchschnittlicher Knochenerhaltung – insgesamt nicht allzu hoch und überdies sehr ungleichmäßig verteilt ist. Hohe Abfallkonzentrationen sind in einer kleinen, vermutlich bäuerlichen und vorwiegend auf Selbstversorgung orientierten Siedlung ohnehin nicht zu erwarten. Abb. 06_09. Pixendorf, Verfärbungsnummer 1842, Sig. 1842-5, Fn. 50, Grabung Archäo­ logie-Service, Schädel von einer Schermaus oder Wasserratte (Arvicola terrestris), von basal; Siebrückstand aus einer botanischen Flotationsprobe (Fraktion 4 mm) (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

Der Anteil an natürlichen Ressourcen, insbesondere an Wildsäugetieren und Vögeln, ist in Unterradlberg gering; eine gewisse Anreicherung war in der einzigen dokumentierten Grubenhütte zu verzeichnen. Hier liegen Reste von Feldhase, Biber und Wildschwein vor, die als Jagdwild angesprochen werden können. Zusammen erreichen die 18 Reste dieser drei Arten hier immer-

der Bestätigung durch weitere

hin 20 % der Fundzahl der Hauptwirtschaftstiere. Abgesehen

Beobachtungen. Es wäre dies ein früher Nachweis eines eindeu-

von der Grubenhütte sind der Feldhase und das Wildschwein

lichen Gräberfeld von Pitten

28

in einigen weiteren Befunden vorhanden, sodass von einer ste-

tigen Kulturfolgers in unserem Raum.

tigen Nutzungder beiden Arten auszugehen ist. Das Reh und be-

6.3 Tiernutzung und Abfallverhalten in verschiedenen Siedlungsformen

sonders der Hirsch sind im Gesamtmaterial dagegen nur durch Geweihreste überliefert, die zudem häufig Bearbeitungsspuren aufweisen. Sie stellen somit Abfälle aus der Geweihbearbeitung oder unfertige Artefakte dar. Die Jagd auf diese Arten ist daher nicht belegt, weil vielleicht nur Abwurfstangen aufgesammelt wurden. Unter den Vogelresten waren die beiden Feld-

Den archäozoologischen Normalfall stellen Proben aus den ver-

hühner Wachtel und Rebhuhn sowie eine Ente und der Kranich

schiedenen Siedlungsformen dar. Aus Niederösterreich liegen

vertreten.

bisher Bearbeitungen aus befestigten (Zentral-)siedlungen und

Eine lokale Besonderheit bilden Anhäufungen von Mollusken-

dörflichen Freilandanlagen vor. Die Ergebnisse können anhand

resten: Das gemeinsame Auftreten von Schnirkel- und Weinberg-

der umfangreicheren Proben aus Unterradlberg, Unterhautzen-

schnecken sowie von Flussmuscheln in einigen Grubenfüllungen

thal, Thunau am Kamp, Stillfried an der March und vom Oberlei-

war Anlass, diese Fundassoziationen als menschliche Nahrungs-

serberg besprochen und im regionalen und weiteren Vergleich

abfälle anzusprechen. Für die gelegentlich vorkommenden Res-

diskutiert werden (siehe Abb. 06_12).

te von kleinen Landschnecken, Kleinsäugern und Kröten ist dies eher auszuschließen – sie dürften auf natürlichem Wege in die Befunde gelangt sein.

6.3.1 Unterradlberg

Die Hauptmasse des Fundmaterials geht aber auf die wichtigen Wirtschaftstiergruppen Hausrind, Schaf und Ziege sowie Hausschwein zurück. Im Gesamtmaterial nimmt das Rind etwa 40 %

Als exemplarisch für eine größere Flachlandsiedlung soll hier

der Fundzahl innerhalb dieser Gruppe ein, der Rest verteilt sich

Unterradlberg dargestellt werden (siehe Kap. 3, Pkt. 3.2.2). Die

zu etwa gleichen Teilen auf das Schwein und die oft nicht unter-

angetroffenen Hausgrundrisse lassen sich zwei urnenfelderzeit-

scheidbaren Kleinwiederkäuer, unter denen das Schaf aber ins-

lichen Siedlungsphasen zuordnen. Es standen 2.685 Tierreste

gesamt häufiger nachzuweisen war als die Ziege. Ein ähnliches

29

Mengenverhältnis der Hauptwirtschaftstiere findet sich etwa im 28 Bauer 2001. 29 Adametz 2009; dazu Adametz 2011.

30 Galik 2009.

149

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

bereits erwähnten Grubenhaus wieder, während in mehreren

oder Arbeitsleistung in Zusammenhang. Unter denjenigen Rin-

Grubenverfüllungen die kleineren Arten vorherrschen. Hier er-

derresten, für die eine Geschlechtszugehörigkeit nachgewiesen

reicht das Rind nur um die 20 % der Fundzahl und nicht einmal

werden konnte, überwiegen die Kühe deutlich gegenüber den

die Hälfte des jeweiligen Probengewichts. Dieses Beispiel zeigt,

Ochsen, während Stiere gar nicht belegt sind. Auch hinsicht-

wie sich schon innerhalb einer relativ kleinen Siedlungsfläche

lich der Skelettverteilung waren durchgängige Unterschiede

die Anteile der wichtigsten Wirtschaftstiere, die oft als Grund-

zwischen Schwein und Wiederkäuern zu verzeichnen. Dabei wa-

lage für einen Vergleich zwischen verschiedenen Fundstellen

ren beim Schwein Schädel und Rumpf, bei Rind und Schaf/Ziege

herangezogen werden, unterscheiden können. Ob hier funktio-

die Extremitätenknochen besser vertreten, was unterschiedliche

nelle, zufällige oder durch das Abfallverhalten bedingte Unter-

Nutzungs- oder Entsorgungspraktiken andeutet. Die deutlich

schiede ursächlich sind, wäre von Fall zu Fall zu klären. Nach ei-

stärkere Verbreitung von Hack- und Schnittspuren an den Rinder-

ner gängigen Annahme reicherten sich die größeren Rinderreste

resten im Vergleich zu den kleineren Arten ist durch die Ausmaße

bevorzugt in geräumigen Befunden sowie besonders im Bereich

des Schlachtkörpers des Hausrinds, der bei der Aufschließung

der Siedlungsperipherie an. Sie wurden mehr als die Knochen

mehr Eingriffe erfordert, bedingt. Hierbei handelt es um ein

der kleineren Arten als Abfall empfunden und daher mit höherer

durch viele Zeitabschnitte und in vielen Regionen gültiges Phä-

Wahrscheinlichkeit bewusst in geeignete Strukturen entsorgt.31

nomen, das daher nicht auf die Urnenfelderzeit beschränkt ist.

Hund und Pferd wurden konsumiert, sie sind in den meisten

Beim regionalen Fundstellenvergleich werden Auffälligkeiten, z. B.

Befunden vertreten. Der Hund ist mit 141 Resten (18,2 % der

abweichende Probenzusammensetzungen, sichtbar. In Unter-

Hauptwirtschaftstiere) wesentlich stärker vertreten als das Pferd

radlberg ist das gehäufte Auftreten von Landschnecken und Mu-

(26 Reste; 3,4 %). Beide Arten sind großteils (Hund) oder aus-

scheln wahrscheinlich eine derartige lokale Besonderheit. Die

schließlich (Pferd) nicht als zusammengehörige Skelettpartien,

Siedlungstätigkeit blieb auf die Urnenfelderzeit beschränkt,

sondern als isolierte, hin und wieder mit Zerlegungsspuren ver-

daher erfolgte keine Vermischung mit Material aus anderen

sehene Fragmente überliefert. Sie unterscheiden sich darin also

Perioden.

nicht von den Wirtschaftshaustieren. Besonders für den Hund ist die Beweislage sehr gut, weil unabhängig voneinander Knochen aus fleischreichen Körperpartien – etwa mehrere Beckenknochen und Rippen – vorliegen, die Hack- oder Schnittspuren aufweisen. Diese Verteilung der Marken zeigt den Konsum und nicht

6.3.2 Unterhautzenthal

nur das Abziehen des Felles an. Für das Pferd bleiben derartige

In Unterhautzenthal liegen früh-, mittel- sowie spätbronzezeit-

Beobachtungen auf wenige Reste aus einer einzigen Grube be-

liche Befunde von der gleichen Parzelle vor.32 Dies bot die Mög-

schränkt. Die meisten Hunde- und Pferdereste zeigen ein vorge-

lichkeit, zeitliche Veränderungen im Erscheinungsbild und in

rücktes Lebensalter der Tiere an; sie wurden demnach nicht vor-

der Häufigkeit der Haustiere innerhalb der gleichen Lokalität

rangig für die Fleischproduktion gehalten.

beobachten zu können. Allerdings umfasst das urnenfelderzeit-

Auch bei den Hauptwirtschaftstieren konnten Beobachtungen

liche Material bloß 704 Haustier- und vier Wildtierreste. Letzte-

zum Schlachtalter und zur Skelettverteilung gemacht werden. So

re machen damit gerade einmal 0,6 % der Hauptwirtschaftstier-

deuten die Altersschätzungen der Schweineknochen hauptsäch-

reste (Rind, Kleinwiederkäuer, Schwein) aus und sind nur durch

lich auf Tiere aus den ersten beiden Lebensjahren hin, wobei

Hase und Rothirsch vertreten. Gegenüber Unterradlberg, wo

auch sehr junge Individuen (Milchferkel) nachgewiesen wurden.

immerhin 42 Knochen von Hase, Wildschwein und Biber vorla-

Nachdem Schweine ausschließlich für die Fleischproduktion ge-

gen (5,4 % der Hauptwirtschaftstiere), ist das ein niedriger Wert,

halten wurden, war eine Schlachtung der Tiere spätestens dann

und die dort vorkommenden Wildvögel, Kleinsäuger, Amphibien

sinnvoll, sobald sie mit etwa zwei Jahren ihr Endgewicht erreicht

und Mollusken fehlen hier überhaupt. Das Mengenverhältnis der

hatten. Aufgrund der hohen Fruchtbarkeit werden nur wenige

Hauptwirtschaftstiere zueinander ist in Unterhautzenthal nun

ältere Tiere zur Zucht benötigt. Die Altersverteilung beim Rind

durch relativ hohe Anteile von Kleinwiederkäuern (45 %) und

und bei den kleinen Wiederkäuern zeigt dagegen andere Nut-

Rindern (35 %) bei einem Zurücktreten der Schweine (20 %) ge-

zungsprofile an: Ein stärkeres Vorkommen älterer Individuen

kennzeichnet. Während beim Rind die Sekundärnutzung eine

steht mit der Nutzung von Sekundärprodukten wie Milch, Wolle 31 Siehe Beech 1995 und Wilson 1996 als Beispiele für frühe Arbeiten, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, aber in der deutschsprachi­ gen Forschung kaum rezipiert wurden.

150

große Rolle gespielt haben dürfte, wurden beim Schaf bevorzugt jüngere Altersklassen geschlachtet, was dessen Bedeutung 32 Pucher 2001.

6.3 Tiernutzung und Abfallverhalten in verschiedenen Siedlungsformen

als Fleischtier anzeigt. Die Reste von Pferden (2,9 %) und Hunden (3,8 %) sind zahlenmäßig gering. Der Anteil an Knochen mit Hundeverbiss ist dagegen auffallend hoch.

6.3.3 Oberleiserberg Der Oberleiserberg ist eine befestigte Höhensiedlung (siehe

Abb. 06_10. Oberleiserberg, Fdnr. 5018: Os coxae (Pelvis) sin. vom Haushund, cranialer Abschnitt mit Teilen des Acetabulum (Gelenkspfanne) und des Ilium (Darm­ bein); links cranial, rechts caudal. 1. Gesamtansicht von ventral – 2. Detail der Unterkante des Ilium mit zwei Schnittspuren (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

merhin knapp 5 % der Hauptwirtschaftstiere erreicht, sind die übrigen Gruppen – Pferd und Wildsäuger – nur mit wenigen Prozenten vertreten. Aus der letzten Gruppe ist nur das Wildschwein

Kap. 3, Pkt. 3.3.4). Aus den Grabungen (1976–1990) konnten

mit wenigstens vier Resten sicher als Nahrungsrest nachgewie-

bisher knapp 400 Tierreste bestimmt werden.33 Sie verteilen sich

sen. Bei manchen Stücken war die Zugehörigkeit zur Haus- oder

auf 14 Proben aus sechs verschiedenen Schnitten und dürften

Wildform nicht genau zu klären. Der Hirsch ist, ähnlich wie in

großteils aus Grubenverfüllungen stammen, die man Haus- und

Unterradlberg, lediglich durch ein Geweihfragment belegt.

Werkstattbereichen zuordnen kann. Aufgrund der langdauern-

Rund ein Viertel der Hundereste weist Schnittspuren auf. Das

den, vom Neolithikum bis in die Neuzeit reichenden Siedlungs-

ist der höchste Anteil unter allen Arten. Die Lage der Spuren

kontinuität am Oberleiserberg erfolgte die Auswahl des Untersu-

an Halswirbel, Rippen und Becken deutet wie in Unterradlberg

chungsmaterials in Absprache mit Daniela Kern, der Bearbeiterin

darauf hin, dass Hundefleisch gegessen wurde (Abb. 06_10).34

der Keramikreste. Als urnenfelderzeitlich wurden hier nur diejeni-

Der Konsum von Pferdefleisch ist nicht nachweisbar, weil diese

gen Proben aufgefasst, welche aufgrund der Keramikassoziatio-

Art nur durch vereinzelte Zähne vertreten ist. Die Arbeitsspuren

nen eindeutig in diesen Zeitraum datieren. Weitere Proben konn-

wurden am Oberleiserberg auch nach den Kategorien Hack- und

ten als frühbronzezeitlich oder nur allgemein als bronzezeitlich

Schnittspur erfasst, was durch die gute Oberflächenerhaltung

definiert werden.

der Knochen begünstigt wurde. Dabei zeigte sich eine Überein-

Die Hauptwirtschaftstiere stellen mit 350 Resten die Mehrheit. In diesem Fall führen aber die Schweine (43 %) die Fundzahl an, Rind und Kleinwiederkäuer liegen jeweils mit nicht ganz 30 % ungefähr gleichauf. Abgesehen vom Hund, der mit 17 Resten im33 G. K. Kunst unpubliziert.

34 Auch Schibler/Studer 1998 illustrieren den Konsum von Hundefleisch in der Bronzezeit der Schweiz mit der Abbildung eines Beckenknochens mit Schnittspuren, hier aus Hauterive NE-Champréveyres (Abb. 75); bei diesem Stück liegen die Schnittspuren am Vorderrand des Acetabulum und seitlich am Ilium. Die Autoren lassen offen, ob es sich hierbei um eine regionale Ernährungssitte oder um den „Ausdruck einer nahrungs­ wirtschaftlichen Notsituation“ gehandelt hat.

151

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

stimmung in den Anteilen der von Zerlegungsspuren betroffenen

In Thunau am Kamp machen die insgesamt 64 Wildtierfunde

Reste der Hauptwirtschaftstiere – dieser beträgt jeweils etwa

12 % der Nutztiertriade aus, das ist wesentlich weniger als der

12,5 %. Während beim Kleinvieh die Schnittspuren deutlich

Vergleichswert für das Frühmittelalter. Allerdings ist hier die Di-

überwiegen, liegen beim Rind Hack- und Schnittspuren zu glei-

versität der nachgewiesenen Wildtiere recht hoch: Abgesehen

chen Anteilen vor. Diese Unterschiede sind sicher in den größe-

von den dominanten Arten Hirsch und Wildschwein umfassen

ren Schlachtkörpern des Rindes begründet, der eben eine gröbe-

sie auch Reh, ein nicht näher bestimmtes Wildrind, Hase, Biber,

re Zerteilung mit dem Einsatz von Schlagwerkzeugen erfordert.

Baummarder und Dachs.

Hack- und Schnittspuren an der gleichen Fleischportion waren

In Thunau am Kamp lassen sich die Unterschiede zu den früh-

auch an manchen Beigaben aus dem Gräberfeld Franzhausen-

mittelalterlichen Tierknochenproben aus der gleichen Fundstelle

Kokoron zu beobachten (siehe Pkt. 6.5.1).

besonders gut erfassen. Eine Untersuchung der Bruchmuster an den Knochen bezeugte, dass in der Urnenfelderzeit die Reste von Pferd und Hund ähnlich intensiv zerteilt wurden wie diejeni-

6.3.4 Thunau am Kamp und Stillfried an der March

gen der Wirtschaftstiere. Daher scheinen auch jene beiden Arten regelmäßig gegessen worden zu sein. Im Frühmittelalter war der Konsum von Pferdefleisch dagegen nur mehr von untergeordneter Bedeutung, während Hunde bevorzugt außerhalb der

Für die großen befestigten Siedlungen bei Thunau am Kamp und

Siedlung bestattet wurden. Sie dürften daher, im Unterschied

Stillfried an der March (siehe Kap. 3, Pkte. 3.3.1 und 3.3.5) lie-

zur Bronzezeit, gar nicht mehr als Nahrungsquelle wahrgenom-

35

men worden sein. Der Verzehr von Hundefleisch, der unabhängig

Die sich über Jahrzehnte erstreckenden Grabungsarbeiten und

voneinander in Unterradlberg, am Oberleiserberg und in Thunau

Forschungstraditionen machen einen umfassenden Überblick,

am Kamp nachweisbar ist, stellt die auffälligste Abweichung von

welcher der Komplexität beider Fundstellen Rechnung tragen

gegenwärtigen mitteleuropäischen Nahrungsgewohnheiten dar.

gen Bearbeitungen von urnenfelderzeitlichen Tierresten vor.

müsste, schwierig. Zu den Tierskeletten aus Stillfried an der

Es ist aber keineswegs auszuschließen, dass in der Urnenfelder-

March, die meist im Mittelpunkt der Untersuchungen standen,

kultur andere Speisetabus, etwa gegenüber bestimmten Wild-

siehe auch weiter unten.

säugern oder Fischen, bestanden.

In der Arbeit über Stillfried an der March werden in der Summe 1.022 urnenfelderzeitliche Tierreste vorgestellt. Die Relationen der Fundzahlen der Hauptwirtschaftstiere lauten: Rind 43 %, Schaf/Ziege 25 %, Schwein 32 %. In Thunau am Kamp standen 623 Tierreste aus der Urnenfelderzeit zur Verfügung. Die Relationen für die urnenfelderzeitliche Siedlungsphase sind: Rind 47 %, Kleinwiederkäuer 20 % und Schwein 33 %, also im Vergleich zu Stillfried an der March im Wesentlichen eine geringfügige Verschiebung zugunsten des Rinds. Auch die Variabilität für die Anteile der Nebenarten und die rela-

6.4 Archäologische Sondersituationen – Wirtschaftszonen und Kultbereiche 6.4.1 Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil

tive Bedeutung der Wildtiere scheinen mit den angeführten Bei-

Zu den archäologischen Sondersituationen zählen in der Urnen-

spielen ausreichend erfasst zu sein. Für Pferd und Hund belau-

felderzeit die Bergbaureviere. Aus Niederösterreich liegen Aus-

fen sich diese in Stillfried an der March und Thunau am Kamp

wertungen von Tierknochenfunden aus der mit der Kupfer-

auf 3–5% der Hauptwirtschaftstiere, nur der Hund ist in Still-

gewinnung verbundenen Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil am

fried an der March mit mehr als 10 % deutlich häufiger. Ähnlich

Ostrand der Grauwackenzone vor (Siehe Kap. 7, Pkt. 7.2.2).36

wie der mit 22,7 % auffallend hohe Anteil der Wildtiere in dieser

Die vorhandenen Ergebnisse betreffen zwei während der Kam-

Fundstelle könnte dies jedoch daran liegen, dass die bis 1980

pagne 2010 untersuchte Flächen. Sie liegen – rund 50 m vonein-

bearbeiteten Tierskelette bzw. deren Teile zunächst in die Aus-

ander entfernt – auf zwei Geländeterrassen, die von den bronze-

wertungsstatistik einbezogen wurden. Die durch (Teil-)skelette

zeitlichen Bergleuten erweitert oder eigens angelegt wurden, um

vertretenen Arten sind dann natürlich begünstigt, weil sie viele

als Arbeitsflächen zu dienen. Durch diese massiven Bodenein-

Knochenreste für die statistische Auswertung beisteuern.

griffe und Erdbewegungen wurden andere Ablagerungsbedin-

35 Stillfried an der March: Pucher 1982; zu den Skeletten erstmals Pucher 1986; Thunau am Kamp: Kanelutti 1990; Kanelutti 1993.

36 Trebsche/Pucher 2013.

152

6.4 Archäologische Sondersituationen – Wirtschaftszonen und Kultbereiche

gungen geschaffen, als sie in rein bäuerlichen Siedlungen geläufig sind. Der Großteil des Knochenmaterials aus Prigglitz-Gasteil ist außerdem durch Kupfersalze blaugrün verfärbt und dadurch sehr auffällig. In der mehr talwärts gelegenen Fläche 1 (8 × 6 m) wurde eine Abfolge von vier Nutzungshorizonten angetroffen, zwischen denen sich jeweils mächtige, aber fundarme Haldenschüttungen befanden. Insgesamt liegen 419 Tierreste mit einem Gesamtgewicht von 1,4 kg vor. Das besonders stark verfestigte unterste Gehniveau (Horizont  1) enthielt mit 155 bestimmbaren Resten das meiste Material. Die stark fragmentierten, gut erhaltenen Knochen hatten sich offenbar über einen längeren Zeitraum angesammelt. Wie die Funde aus den übrigen Horizonten belegen sie verschiedene Tätigkeiten: Schlachtung, Fleischkonsum und die Herstellung von Knochenperlen und Beinartefakten. Die übrigen Funde und Befunde zeigen, dass die Terrassen für die Aufbereitung von Erzen genutzt wurden.

Abb. 06_11. Prigglitz-Gasteil, Schwein, Metatarsale 3 dext., subadult, von plantar; in der proximalen Schafthälfte drei umlaufende Kerben, Kerbe rechts unvollständig angelegt; rechts am Schaft Schleif- oder Kratzspuren (Foto G. K. Kunst/VIAS, August 2013).

Das Fundensemble aus diesem Schnitt zeigt hinsichtlich der Artenzusammensetzung und Skelettteilrepräsentanz insgesamt

sammenhang gebracht und sind in bäuerlich dominierten Sied-

keine Auffälligkeiten. In abnehmender Häufigkeit sind die Wirt-

lungen eher unüblich (vgl. aber den Oberleiserberg). Schweine-

schaftstiere Rind, Schaf/Ziege und Schwein vorhanden. Der Rot-

knochen wurden auch zur Herstellung von Artefakten verwendet

hirsch ist nur durch bearbeitete Geweihfragmente, der Hund

(Abb. 06_11).

durch einen Einzelfund, beide aus den höheren Horizonten, be-

Darüber hinaus werden beim Schwein bestimmte Trends im Vor-

legt. Die Proben aus Fläche 1 wirken also wie unspektakuläres

kommen der Skelettteile sichtbar: Schädel und Achsenskelett

Siedlungsmaterial.

(Wirbel und Rippen) sowie die distalen Bereiche der Gliedma-

Ein ganz anderes Bild ergaben die Tierknochenreste aus der

ßen sind deutlich überrepräsentiert, die Gürtelelemente (Schul-

höher gelegenen, kleineren Fläche 2 (3,25 × 1,5 m) (siehe Abb.

terblatt, Becken) und die Röhrenknochen dagegen stark unter-

06_02). Hier erbrachten Kultur- und Brandschichten mehr als

repräsentiert. Beim Schwein stellt auch das Fehlen des Rollbeins

3.000 urnenfelderzeitliche Knochen mit rund 18 kg Gesamt-

(auch: Astragalus oder Talus, ein großer Fußwurzelknochen)

gewicht. Davon waren 1.674 Reste (ca. 14 kg) bestimmbar. Die

eine Lücke dar – das lässt daran denken, dass dieses Element

Tierknochen werden als Schlachtabfälle angesehen, die in kurzer

bewusst entnommen wurde (siehe Pkt. 6.5), während das an

Zeit zusammenkamen. Die Funddichte, aber auch Anzahl und Ge-

den Astragalus anschließende Fersenbein hier gut dokumentiert

wicht der sicher datierbaren Tierreste übertreffen fast alle aus-

ist.37

gewerteten Gesamtmaterialien aus den zuvor angeführten Sied-

Die Elementverteilung beim Schwein steht in deutlichem Gegen-

lungen. Nur aus Stillfried an der March liegen insgesamt mehr

satz zu einem Befund vom Hallstätter Salzberg, wo im Umfeld

Funde – allerdings von einer wesentlich größeren Grabungsflä-

einer als Pökelwanne gedeuteten Struktur Anhäufungen von

che – vor. Allein die Fundmenge stellt ein bedeutendes Allein-

Schweineresten auftraten.38 Hier dominierten die Langknochen,

stellungsmerkmal für Prigglitz dar, dabei wurde in der Fläche 2

weshalb man diese Proben als Relikte der gewerblichen Fleisch-

nur ein kleiner Ausschnitt der potenziell vorhandenen Lagerstät-

konservierung deutet. Unterschiedlich sind auch die Fragmentie-

te geborgen.

rungsmuster, da in Fläche 2 die Gelenksbereiche der Schweine-

Die aus der Fläche  2 vorliegenden Tierknochenproben zeigen,

unterkiefer gut vertreten sind, während diese in Hallstatt meis-

abgesehen von der starken Fragmentierung, strukturelle Auf-

tens fehlen, also wahrscheinlich abgeschlagen wurden. Es könn-

fälligkeiten. Im Arteninventar sind, außer einigen bearbeite-

te sich in Prigglitz daher um das „Negativbild“ bzw. den Abfall

ten Geweihresten, nur die Hauptwirtschaftstiere Rind, Schaf und Schwein vorhanden. Das Schwein nimmt mit 63,5 % die

37 Trebsche/Pucher 2013, 142 f.

erste Stelle ein. Hohe Schweineanteile von 40 % und mehr wur-

38 Pucher/Barth/Seemann et al. 2013. Entgegen einer verbreiteten Vorstellung stammen die Schweineknochen aber nicht direkt aus der erwähnten Struktur – ein funktionaler Zusammenhang bleibt Spekulation.

den in allen ostalpinen Fundkomplexen mit Bergbaubezügen verzeichnet. Sie werden mit der Versorgung der Bergleute in Zu-

153

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

100

reicht eine der Arten bzw. Artengruppen eine extreme Dominanz.

0

Ovis/Capra

50

Unterradlberg Unterhautzenthal Oberleiserberg Stillfried Thunau Prigglitz – Fläche 1 Prigglitz – Fläche 2

50

Sus 100

0 100

Bos

50

0

Abb. 06_12. Dreiecksdiagramm zur relativen Häufigkeit der Hauptwirtschaftstiere nach der Fundzahl für die besprochenen Fundorte (Datengrundlage für Unterradlberg: Galik 1999).

der Fleischteile handeln, die in Bergwerksbereichen haltbar ge-

Diese kommt zwar auch in der Urgeschichte vor, ist in späteren Perioden – vor allem Römerzeit und Mittelalter – häufiger zu beobachten und dürfte mit der organisierten Fleischversorgung größerer Personengruppen zu tun haben.

6.4.2 Hinweise auf Rituale? – Die Tierdeponierungen von Stillfried an der March Die befestigte Siedlung von Stillfried an der March lieferte neben den zuvor bereits beschriebenen Siedlungsabfällen weitere bemerkenswerte archäozoologische Funde. Es handelt sich hierbei um mehr oder weniger vollständige Tierskelette, die man in der lokalen Grabungstradition als Tierdeponierungen bezeichnet.40 Insgesamt wurden 31 (Teil-)Skelette dokumentiert oder aus dem Untersuchungsmaterial erschlossen. Sie befanden sich meist in-

macht wurden.39 Die in Fläche  2 vorhandenen Skelettbereiche

nerhalb der Verfüllungen von Grubenobjekten. Mit der Füllerde

umfassen sowohl stark bemuskelte (Wirbel, Rippen) als auch

gelangten vielfach auch einzelne Tierreste in die Gruben. Das

fleischärmere (Zehenknochen) Partien. Tatsächlich ist aber ge-

Erscheinungsbild dieser Probenanteile unterscheidet sich aber

rade beim Schwein praktisch der ganze Schlachtkörper für die

insgesamt von den sonstigen Siedlungsabfällen (siehe oben)

Ernährung von Relevanz.

nicht; es dürfte sich im Gegensatz zu den Skeletten vorwiegend

Auffällige Anreicherungen bestimmter Skelettteile regen zur

um sekundäre Verfüllungen handeln.

Hypothesenbildung an. Trotzdem lassen sich nicht immer ein-

Eine urnenfelderzeitliche Datierung ist für die Skelette verbürgt.

deutige Erklärungen für einen Befund dieser Art geben. Unter-

Die Nachweise verteilen sich auf die Tierarten wie folgt: Hund

schiedliche Prozesse können zu ähnlichen Ergebnissen führen,

(3), Hauspferd (1), Hausschwein (2), Hausrind (1), Haus-Wild-

was als Äquifinalität bezeichnet wird.

schwein-Mischling (2), Wolf (3), Rotfuchs (1), Feldhase (7), Wild-

Der Tierknochenbefund aus der Fläche  2 von Prigglitz-Gasteil

schwein (3), Rothirsch (7), Reh (1). Die Artenzusammensetzung

ist durch seinen Strukturierungsgrad (Schweinedominanz, Ele-

selbst zeigt bereits eine Abweichung vom gewöhnlichen Sied-

mentverteilung) und vor allem wegen der hohen Funddichte bis-

lungsabfall: Die Wildsäuger überwiegen bei den Sonderbefun-

lang einzigartig. Dies lässt auf ein langfristiges, organisiertes

den deutlich. Gerade bei diesen Arten lässt sich aufgrund der

Zusammenwirken einer größeren Personengruppe in einer ge-

Fundumstände ein ritueller Hintergrund in Betracht ziehen.

werblich oder sogar industriell geprägten Situation schließen.

Die Bandbreite der Überlieferung reicht vom vollständig einge-

Solche urban anmutenden Muster scheinen in Mitteleuropa erst-

betteten, praktisch ungestörten Skelett bis hin zu Knochengrup-

malig in Bergbausituationen aufzutreten.

pen, für welche die Zusammengehörigkeit nur vermutet werden

Durch den hohen Schweineanteil wird die isolierte Lage von

kann.41 Beispielsweise liegen vom Hirsch u. a. vor (Abb. 06_13):

Prigglitz – Fläche 2 deutlich. Nur hier und in einer Sammelprobe

ein weitgehend komplettes, gut dokumentiertes Skelett; ein

aus Unterradlberg erreicht ein Element, in letzterem Fall das

Skelett, an dem in manchen Körperzonen die gelenkigen Verbin-

Rind, Anteile von mehr als 50 %. Es ist aber darauf hinzuweisen,

dungen aufgelöst sind; sowie eine Gruppe von bereits zerfalle-

dass – abgesehen von Unterradlberg – nur Mittelwerte aus den jeweils bearbeiteten Befunden einbezogen werden konnten. Insgesamt zeigen die Proben ein eher ausgeglichenes Bild, die Datenpunkte liegen im Zentrum des Diagramms. Nirgends er39 Pucher/Barth/Seemann et al. 2013.

154

40 Pucher 1986; Pucher 2017a; Pucher 2018. Viele Arbeiten von Erich Pucher sind von einem antireligiösen Affekt getragen, der jeglicher „ideologischen“ Deutung eines Befundes mit Skepsis begegnet und um „triviale“ Deutungen bemüht scheint; dies macht sie zwar amüsant zu lesen, wird dem jeweiligen Sachverhalt aber wohl nicht immer gerecht. 41 Zur Interpretation und Kategorisierung von Tierskeletten und ähnlichen Befunden siehe auch Groot 2008; Morris 2011; Pluskowski 2012.

6.4 Archäologische Sondersituationen – Wirtschaftszonen und Kultbereiche

Abb. 06_13. Stillfried an der March, Grube V949. Einzelne, teilweise zusammenhängen­ de Skelettpartien, vermutlich vom gleichen männlichen Rothirsch, wurden in dieser Grube – vermutlich einer Getreidespeichergrube – abgelegt. Zu erkennen sind u. a. Teile einer Halswirbelsäule (links) und eines Brustkorbs (Mitte), sowie ein Unterkieferpaar (?; rechts), jeweils noch in gelenkiger Verbindung, eingebracht als separate Körperpartien. Die Positionierung des Oberschädels (mit Geweihstangen) wirkt beabsichtigt (Foto: Grabungs­ dokumentation Stillfried, NÖ Landesssammlungen, Ur- und Frühgeschichte, Foto Nr. 29294).

mata), aber auch Überlastungserscheinungen, irreguläre Abkauungsmuster an den Zähnen und verschiedene angeborene und erworbene Anomalien (Abweichungen von einer angenommenen Norm) nachgewiesen werden. Knapp die Hälfte der Skelette ist betroffen. Anzeichen von Gewalteinwirkung in Form verheilter Traumata wurden nachgewiesen. Einige Individuen (Wolf, Rothirsch) scheinen hingegen an Altersschwäche gestorben zu sein. Die Gebisse von allen drei Wolfsskeletten wiesen eine äußerst

nen, aber noch assoziierten Teilverbänden, die überdies einem

starke Abnützung sowie Veränderungen am Kieferknochen auf.

starken Verbissdruck ausgesetzt waren.

Bei einem Tier waren ein Eckzahn und ein Backenzahn noch wäh-

In Stillfried an der March dürften die Fehlstellen in den Skelett-

rend der Lebenszeit abgebrochen; die Bruchkanten wurden dann

zusammenhängen sowohl primär – durch natürlichen Zerfall vor

durch den fortschreitenden Gebrauch auf Stümpfe reduziert.42

der Einbettung und die Tätigkeit von Raubtieren – als auch durch

An einem der beiden anderen Wölfe konnte ein verheilter Unter-

nachträgliche Störungen im Sediment und nicht zuletzt durch

schenkelbruch festgestellt werden. Die übrigen Pathologien am

Aufsammlungs- oder Lagerungsverluste bedingt sein. Die im

postcranialen Skelett sind eher leicht; sie beschränken sich auf

Verband vorhandenen (Teil-)Skelette belegen die Nicht-Nutzung

verheilte Rippenbrüche, die bei Haus- und Wildsäugern die häu-

eines Tierkörpers bzw. eines Teils desselben. Im Fall des einzi-

figsten am Skelett sichtbaren Verletzungsfolgen darstellen.

gen Pferdeskeletts aus Stillfried an der March, das vermutlich

Zwei Rothirschskelette wiesen mehr oder weniger verheilte

eher eine assoziierte Knochengruppe darstellt, ist dagegen von

Frakturen auf. Besonders drastisch fielen sie an der Lenden-

einer direkten menschlichen Intervention am Tierkörper auszu-

wirbelsäule eines Jungtiers aus. Die etwas über ein Jahr alte

gehen (siehe Kap. 11, Abb. 11_16). Diese ist durch Schnitt- und

Hirschkuh konnte sich aufgrund der Verletzungen wahrschein-

Schlagspuren belegt. Wenn nämlich bloß im gleichen Befund as-

lich nicht mehr normal fortbewegen, überdauerte diesen Zu-

soziierte, nicht artikulierte (in gelenkiger Verbindung stehende)

stand jedoch über einen längeren Zeitraum hinweg. Der eigen-

Knochen vorliegen, kann man eine Nutzung als Nahrung nicht

tümlichste Befund betrifft aber das Skelett einer sehr alten

ausschließen. Es wäre grundsätzlich möglich und im Verlauf von organisierten Feiern sogar wahrscheinlich, dass die Hinterlassenschaften einer Mahlzeit in der gleichen Grube entsorgt wurden. Skelettfunde ermöglichen es, viele Informationen jeweils über Einzelindividuen zu gewinnen. So konnten an den Skeletten pathologische Befunde (Osteopathien) sowie Verletzungen (Trau-

42 Ein jüngst (2014) in Oberkärnten geschossener Wolf (registriert unter AT-10M) wies übrigens einen sehr ähnlichen Zahnstatus sowie eine verheilte Amputation einer Vorderpfote auf. Prompt entwickelte sich in der Fachwelt eine Diskussion darüber, ob sich dieses Tier zuvor in menschlicher Obhut befunden haben könnte. Siehe u. a. http://www. ooeljv.at/wp-content/uploads/2014/02/Wölfe-in-Österreich.pdf sowie https://www.enu.at/download?id=534 und http://www.zobodat.at/ pdf/Kaerntner-Naturschutzbericht_2014_16_0017-0029.pdf (alle – letzter Zugriff: Mai 2020).

155

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

Abb. 06_14. Stillfried an der March, Grube V1140. Das Skelett einer erst zweieinhalbbis drei Jahre alten Hirschkuh lag vollständig in dieser Grube. In der Lendengegend fanden sich Skelettreste eines Fötus, dessen Lage verrät, dass das Muttertier vermutlich an den Folgen einer Fehlgeburt verstarb. Hirn- und Gesichtsschädel des Muttertiers waren infolge einer Wachstumsstörung verkrümmt, was eine vorherige Gefangenschaftshaltung des Tiers anzeigen könnte. Das Detailfoto zeigt die Lage des Fötus (Kopf links) im Geburtska­ nal der Hirschkuh. Das Becken der Hirschkuh lag links und wurde bereits entfernt (Fotos: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte, Foto Nr. 1899 und 1921).

Hirschkuh, deren Backenzähne bereits äußerst stark abgenutzt

schungen zu überprüfen. Für einige Erscheinungen sind beim Fang zugefügte Verletzungen ebenfalls möglich. Ebenso liegt auf der Hand, dass verletzte, alte oder geschwächte Tiere für die Menschen leichter zugänglich waren. Hirsch und Wolf stellen innerhalb der heimischen Fauna sicher Arten dar, die sich für eine symbolhafte Besetzung besonders eignen.

Exkurs: Pathologische Veränderungen an Wildtierresten

waren. Die Schneidezähne des Unterkiefers zeigen tiefe Ein-

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass pathologische

kerbungen an den Zahnhälsen, die wie poliert wirken. Eine

Veränderungen an Wildtierresten in der archäozoologischen

künstliche Abrasion der Zahnhalsbereiche durch umlaufende

Forschungstradition oft als Belege für eine menschliche Ein-

Fäden, etwa in Form einer Zäumung, wurde ebenso diskutiert

flussnahme betrachtet wurden und werden. Die frühesten dies-

wie eine unnatürliche Ernährungssituation.

bezüglichen Beobachtungen liegen für das Paläolithikum, wie-

Der durch die pathologischen Befunde belegte schlechte Ge-

derum für den Zahnstatus von Wölfen, vor. Tatsächlich weisen

sundheitszustand mancher Tiere wird von E. Pucher als ein In-

aufgesammelte Skelette von Wildtieren vielfach auch recht er-

diz für eine Gehegehaltung von Wölfen, Hirschen und anderen

hebliche pathologische Erscheinungen auf, die man in freier

Wildtieren gewertet.43 Manche der gefundenen Schädel weisen

Wildbahn intuitiv so nicht erwarten würde. Betroffen davon sind

außerdem atypische Merkmale auf, wie etwa die relativ geringen

nicht nur große und kleine Säugetiere; auch Vögel, Fische und

Gehirnvolumina der Wölfe, aber auch deutliche Schädelasymme-

Amphibien können ein reichhaltiges Inventar an krankhaften

trien, wie sie unter anderem beim einzigen Rehskelett erkennbar

Veränderungen am Skelett aufweisen. Diese zeigen im Grunde

sind. Ähnliche Phänomene können bei Zoowölfen sowie bei an-

eher die Vitalität der Tiere an, weil deren Körper auf verschie-

deren unter Stressbedingungen aufgewachsenen Wildtieren und

dene Umwelteinflüsse und Verletzungen reagieren konnten. Bei

deren Nachzuchten auftreten. Das Skelett einer Hirschkuh belegt

Großtieren hängt es sicher von den jeweiligen (ökologischen)

eine Fehlgeburt bzw. eine Fehllage des Fötus (Abb. 06_14).

Rahmenbedingungen ab, welche pathologischen Erscheinungen

Von einer besonderen Beziehung zwischen Menschen und man-

innerhalb einer Population vorkommen und welche beeinträch-

chen Wildtieren kann man in Stillfried an der March auf jeden Fall

tigten Individuen längere Zeit überleben können. Osteopathien

ausgehen. Ob die vorliegenden Veränderungen an den Skeletten

– ob sie nun bei Wild- oder Haustieren auftreten – bieten daher

eine länger dauernde Gefangenschaftshaltung, gegebenenfalls

sowohl wichtige Informationen zu einstigen Lebensumständen

auch eine fortgesetzte Zucht anzeigen, kann diskutiert werden

als auch viel Raum für deren Interpretation.44

und wäre durch Vergleichsbeobachtungen und Grundlagenfor43 Pucher 2017a.

156

44 Vgl. zusammenfassend Bartosiewicz 2013; Beiträge in Bartosiewicz/Gál 2018.

6.5 Tierreste im Totenbrauchtum

Es lohnt auch darüber nachzudenken, was an den Tierskeletten

schließlich sind ritualisierte Handlungen besonders im Toten-

aus Stillfried an der March alles nicht zu beobachten war. Eine

brauchtum fassbar. Der Umgang mit den Toten erfolgt nach ge-

Sonderstellung ist etwa daraus abzuleiten, dass die Geweihe

wissen Regeln, die in Funden und Befunden ihren Niederschlag

der männlichen Rothirsche,45 die sonst Rohmaterial darstellen,

finden können. Zu diesen Ritualen gehörten oft auch Fleischbei-

ebenso wenig genutzt wurden wie die Felle der Wölfe und ande-

gaben, die durch Tierknochen, Teilverbände oder ganze Skelette

rer Tiere. Es ist nämlich praktisch unmöglich, einen Tierkörper zu

belegbar werden. Die Ausprägung dieser Beigaben weist oftmals

häuten, ohne dabei Arbeitsspuren am Skelett zu hinterlassen. Al-

zeit- und raumspezifische Muster auf, die auf die bestattete Per-

lerdings wird in der Grabungsdokumentation berichtet, dass bei

son Bezug nehmen. Als Beispiel soll hier die Rolle der Tierreste

einem Hirschschädel, der zu einem Teilskelett gehörte, die Ge-

im jungurnenfelderzeitlichen Gräberfeld Franzhausen-Kokoron

weihspitzen abgesägt waren. Überhaupt deutet das wiederhol-

besprochen werden.

te Vorkommen von männlichen Schädeln mit ausgebildeten Geweihstangen ziemlich eindeutig auf eine symbolische Bewertung des Hirsches hin, weil dieser Zustand ja ungefähr nur die Hälfte des Jahres besteht. Hirsch und Wolf, vielleicht auch weitere Arten (z. B. Hase, Reh, Fuchs) nahmen im Denken und Handeln der urnenfelderzeitlichen Bewohner vermutlich eine besondere Po-

6.5.1 Totenspeisen und Symbole – das Gräberfeld Franzhausen-Kokoron

sition ein. Diese kann sich auch in der Vermeidung einer (z. B.

Das Brandgräberfeld mit Urnenbestattungen, das ab dem Jahre

profanen) Nutzung ausdrücken, wie sie ja durch die Niederlegun-

1981 vollständig untersucht wurde, umfasst 403 Gräber (siehe

gen an und für sich zum Ausdruck gebracht wird.

Kap. 9, Pkt. 9.3.3). Tierreste treten im Gräberfeld Franzhausen-

Das Vorkommen von Tierskeletten in den Gruben einer auf einem

Kokoron in erster Linie als Fleischbeigaben sowie offensicht-

Lössplateau angelegten Siedlung ist nicht weiter verwunderlich.

lich als symbolische Elemente der Grabinventare in Erscheinung.

Hier begünstigten die natürlichen Gegebenheiten, aber auch die

Beide Fundkategorien weisen gewöhnlich einen klaren Bezug zu

Vielzahl der tiefreichenden menschlichen Bodeneingriffe die ar-

den Brandbestattungen auf, sei es allein durch ihre räumliche

chäozoologische Überlieferung. Eine abschließende Bewertung

Position in der Grabgrube oder dass sie sich in oder auf eigenen

ist aufgrund fehlender gleichartiger Befundsituationen schwie-

Gefäßen befanden, die zur Grabausstattung gehören. Gelegent-

rig. In Höhensiedlungen wie Thunau am Kamp oder dem Ober-

lich finden sich im Bereich der Gräber auch Tierreste, besonders

leiserberg war aufgrund der örtlichen Gegebenheiten die An-

einzelne Zähne und Knochenfragmente, die offenbar nichts mit

lage tiefer Grubenobjekte in einem Ausmaß wie in Stillfried an

Beigaben zu tun haben, die man den Verstorbenen mitgab, und

der March unmöglich. Allerdings liegen aus Thunau am Kamp

wahrscheinlich im Rahmen der Erdarbeiten hierher gelangten.

auch Hundeskelette vor, die wahrscheinlich aus urnenfelderzeit-

Einige der vorhandenen Tierknochen weisen Brandspuren auf.

lichen Befunden stammen. Ein fast vollständiges Hirschskelett

Sie waren aber offenbar weniger intensiv dem Feuer ausgesetzt

mit einem beeindruckenden Geweih – vermutlich urnenfelder-

als die menschlichen Leichname aus den gleichen Gräbern, wes-

zeitlicher Datierung – ist aus Langenzersdorf (VB Korneuburg)

halb bei den Tierresten Verfärbungen vorherrschen, die bei nied-

bekannt.46

rigeren Temperaturen entstehen. Die als Fleischbeigaben angesprochenen Tierknochen weisen überhaupt keine oder nur

6.5 Tierreste im Totenbrauchtum

geringe Hitzespuren auf, bei den symbolischen Beigaben fanden sich dagegen unterschiedliche Zustände. Nachdem die Bestattungen offenbar relativ knapp unter der Humuskante lagen, sind die Oberflächen der Tierknochen meis-

Die Deponierungen von Stillfried an der March zeigen, welche

tens durch die Huminsäuren der Pflanzenwurzeln korrodiert

Interpretationsspielräume bei Tierresten aus archäologischen

(sog. Wurzelbrut oder Wurzelfraß), sodass viele Zerlegungs-

Fundzusammenhängen im Siedlungsbereich möglich sind. In

spuren zerstört wurden. Bloß die hitzebeeinflussten oder von

einem Gräberfeld erscheint die Situation klarer interpretierbar;

Metallverfärbungen betroffenen Bereiche sind besser erhalten, z. B. blieben dann auch Schnittspuren erkennbar. Die schlechte

45 Im Foto Abb 06_13 erscheint es unklar, ob die Sprossenenden des Geweihs vor der Deponierung abgetrennt wurden oder erst später ab­ brachen; eine intensive Nutzung des Geweihs als Rohstoff unterblieb jedenfalls.

Erhaltung wirkt sich vielfach ungünstig auf die Erkennbarkeit der Fleischbeigaben insgesamt aus, weil oft Teile der Skelettverbände fehlen.

46 Ladenbauer-Orel 1965.

157

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

Fleischbeigaben Als Relikte von Fleischbeigaben definiert man in FranzhausenKokoron Knochengruppen oder Einzelknochen, die aus stark bemuskelten, fleischreichen Körperpartien stammen. Sie wer-

Abb. 06_15. Franzhausen-Kokoron, Grab 549, Reste einer Fleischbeigabe, Skelettele­ mente von der Schultergliedmaße und vom Brustkorb eines jung erwach­ senen Schafs, rechte Körperseite (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

den vorwiegend durch anatomische Verbände angezeigt, die

Zustand des Knochenverbands, der die Fleischbeigabe repräsen-

man aus den Schlachtkörpern herauslöste. Ihre übereinstim-

tiert, zum Zeitpunkt seiner Deponierung. Dieser ist ein Hinweis,

mende Zusammensetzung lässt darauf schließen, dass die Über-

wenn auch nicht unbedingt eine Voraussetzung dafür, dass Kno-

reste einer systematischen Portionierung vorliegen. Das kann

chen und Muskelgewebe, also das Fleisch, bei der Deponierung

mit ritualisierten, aber auch mit pragmatischen, gewohnten

tatsächlich noch eine Einheit bildeten. Ansonsten wäre es auch

Handlungen zu tun haben. Fleischportionen, die zusammenge-

denkbar, dass die losen Rückstände der z. B. während der Toten-

hörige Knochen enthalten, sind uns auch heute noch geläufig

zeremonie verspeisten Fleischportionen symbolisch beigegeben

– man denke an eine Hühnerkeule oder eine Lammschulter. Da-

wurden.

neben kennen wir auch Stücke mit Einzelknochen – etwa bei ei-

Nach den vorliegenden Zeugnissen dürften sich also die Kno-

nem Kotelett, oder mit assoziierten (benachbarten), aber nicht in

chen aus den Fleischbeigaben zumeist in einem artikulierten

gelenkiger Verbindung stehenden (artikulierten) Knochen, wie

oder wenigstens assoziierten Zustand befunden haben.

bei Spareribs. Die an der Muskelmasse anhaftenden Knochen

In Franzhausen-Kokoron stammen die als Reste von Fleischbei-

können dabei durchaus systematisch beschädigt, z. B. durchge-

gaben erkennbaren Tierreste in erster Linie vom Schaf und nicht

hackt werden, wie es beim T-Bone-Steak für den Lendenwirbel

von der Ziege, gefolgt vom Schwein, während man vom Rind nur

des Rinds der Fall ist – Letzterer fungiert hier gleichsam als knö-

einzelne Knochen in dieser Richtung interpretieren kann. Na-

cherne Signatur für das geschätzte Fleischstück.

türlich ist es auch möglich, dass knochenfreie Fleischportionen

Eine Zusammengehörigkeit der Knochen ist bei den in der Folge

(etwa vom Rind) beigegeben wurden, die dann keine nachweis-

beschriebenen Schafschultern und -keulen manchmal durch das

baren Reste hinterlassen. Nach der Skelettregion fanden sich

Zusammenpassen der Gelenksflächen in Schulter- und Kniege-

Rippenserien sowie Vorder- und Hintergliedmaßen, gelegentlich

lenk und im Bereich der Hand- und Fußwurzelknochen gewähr-

einschließlich der Gürtelelemente (Schulterblatt und Becken)

leistet. Ein wesentlicher Punkt ist darüber hinaus der artikulierte

und Teilen des Brustkorbs, weiters in wenigen Fällen auch Ein-

158

6.5 Tierreste im Totenbrauchtum

Abb. 06_16. Franzhausen-Kokoron, Grab 609, Reste einer Fleischbeigabe, Skelettele­ mente von der Schultergliedmaße und vom Brustkorb eines erwachsenen Schafs, linke Körperseite, unten drei Brustbeinelemente (Foto: R. Gold/ Institut für Paläontologie, Universität Wien).

ganz dreijährigen Schaf. Weiters sind obere (dorsale) Abschnitte von vier vorderen Rippen vorhanden, wahrscheinlich handelt es sich um die Rippenpositionen zwei bis fünf. Alle Skelettreste stammen von der rechten Körperseite und gehören wohl indivi-

zelknochen, unvollständige Skelette und Wirbelreihen. Kombi-

duell zusammen. In diesem Grab enthielt außerdem der mensch-

nationen aus verschiedenen dieser Teile sind möglich. Manch-

liche Leichenbrand, den man wahrscheinlich einem männlichen

mal ist anhand der menschlichen Arbeitsspuren erkennbar, auf

Individuum zuordnen kann, einige verbrannte Knochen von der

welche Weise die Verbände aus den Tierkörpern herausgelöst

Vordergliedmaße eines Schweins, was einen komplexen, viel-

wurden.

leicht mehrphasigen Beigabenmodus anzeigt.

Als häufigstes und auch besonders einprägsames Beispiel für

In Grab 609 befanden sich die Tierknochen in einer Schale, die

Fleischbeigaben treten in Franzhausen-Kokoron Knochengrup-

vermutlich eine stärkere Oberflächenkorrosion verhinderte. Ins-

pen aus dem Bereich der Schultergliedmaße (Vorderextremität)

gesamt sind Fragmente von mindestens zwölf Skelettelemen-

von Schafen auf. Sie kamen in kulinarischer Hinsicht wohl dem

ten erhalten, die diesmal durchwegs von der linken Körperseite

nahe, was wir heute unter dem Begriff Lammschulter kennen,

stammen (Abb. 06_16). Ein minimales Schlachtalter von dreiein-

umfassten bei maximaler Ausdehnung aber auch den vorderen

halb Jahren ist anzunehmen. Von der Vordergliedmaße sind ne-

Teil des Brustkorbs. Hinweise auf diesen Beigabentyp konnten in

ben der Scapula und dem Humerus vor allem Radius und Ulna

44 Gräbern erbracht werden. Drei Beispiele sollen zudem bele-

weitgehend komplett erhalten. Zusätzlich liegen noch zwei der

gen, welche handwerklichen Prozesse aus dieser Fundkategorie

kleinen Handwurzelknochen von der proximalen Reihe vor, sie

abgeleitet werden können.

schließen an den Radius direkt an. Die acht Rippenfragmente lassen sich der ersten und einigen folgenden Rippen zuordnen,

Fleischbeigabe: Schafschulter

wobei die Gelenksköpfchen fehlen. Wahrscheinlich gehören sie

In Grab 549 von Franzhausen-Kokoron lagen größere Teile von

der Rippensequenz 1–6 an. Das ist ungefähr der Bereich des

Schulterblatt (Scapula), Oberarmbein (Humerus) sowie Elle

Brustkorbs, auf dem das Schulterblatt aufliegt. Außerdem sind

(Ulna) und Speiche (Radius) im Bereich der Grabsohle (Abb.

drei fast unzerstörte Elemente des Brustbeins (Sternum) vorhan-

06_15). Die Reste gehörten zu einem älter subadulten, nicht

den. An einer Stelle des Gliedmaßenverbands ist eine Gruppe 159

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

Natur sein. Sie entstanden wohl nach der Niederlegung im Grab. Alle Gelenksenden waren geschlossen, was für Reste eines wenigstens dreieinhalb Jahre alten Schafs spricht. Vier obere, gelenksnahe Rippenteile sind jeweils der ersten bis vierten Rippe zuzuweisen. Drei weitere Fragmente konnten hier nicht angepasst werden, sie stammen von weiter hinten (caudal) gelegenen Rippen. Diese Knochengruppe weist in zwei unterschiedlichen Bereichen Arbeitsspuren auf. Zum einen befindet sich außen am distalen Ende des Humerus eine ganz feine Schnittlinie – das Messer wurde so behutsam geführt, dass es nur die erhabenen Teile der Knochenoberfläche erfasste (Abb. 06_19). Diese Spur entspricht in ihrer Lage derjenigen aus Grab 609, aufgrund ihrer Ausrichtung ist aber keine Fortsetzung am Radius zu erwarten. Die Schnittlinie könnte auch hier beim Abhäuten entstanden sein. Zum anderen weisen die oberen Enden der ersten und zweiten Rippen Hackspuren auf, die von unten bzw. von der Körperinnenseite her geführt wurden. Die entstandenen Schlagflächen zeigen, dass hier jemand eine schwerere Klinge schwungvoll einsetzte. Eine anthropologische Bestimmung liegt für dieses Grab nicht vor. Die Auswahl der vorhandenen Skelettteile und die Anordnung der Arbeitsspuren auf ihnen lassen sich am schlüssigsten daAbb. 06_17. Franzhausen-Kokoron, Grab 609, zusammengesetzter Ellbogenbereich (Humerus, Radius, Ulna) der Schultergliedmaße eines Schafs, linke Körperseite, von medial; korrespondierende Schnittspuren an Humerus und Radius (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

mit erklären, dass jeweils eine Vorderextremität samt der vorderen Rippenpartie der gleichen Seite, gelegentlich auch mit dem Brustbein, aus dem bereits abgehäuteten Schlachtkörper herausgelöst wurde, indem man die Gelenksbereiche der Rippen von innen durchtrennte und dadurch von der Wirbelsäule absetz-

sehr feiner Schnittlinien zu erkennen. Sie befinden sich an der

te. Das Bemerkenswerte daran ist, dass bei der Aufschließung

Innenseite des Ellbogengelenks an Humerus und Radius, laufen

zwei verschiedene Werkzeuge in sinnvoll kombinierter Weise

also über die Knochengrenzen hinweg und wurden daher ange-

eingesetzt wurden. Derartige Schulterstücke mit herausgeklapp-

bracht, als die Knochen im Verband waren. Ihrer Lage nach könn-

ten Rippenpartien von kleinen bis mittelgroßen Wiederkäuern

ten sie am ehesten beim Abhäuten entstanden sein, wobei der

sind im ethnografischen Zusammenhang durchaus geläufig (Abb.

Kontakt zwischen Klinge und Knochen möglichst vermieden wur-

06_20).

de (Abb. 06_17). Verschiedene Bereiche dieser Knochengruppe

Hier ermöglicht das Ritual der Fleischbeigabe Einblicke in einen

weisen ganz leichte Hitzespuren auf. Man kann daher entweder

handwerklichen Prozess. Im üblichen Siedlungsmaterial sind

einen Garvorgang oder – was wahrscheinlicher ist – einen räum-

die Arbeitsvorgänge bei der Zerlegung nur aus der Summe der

lichen Kontakt zum noch nicht erkalteten Leichenbrand in Be-

Einzelbeobachtungen an isolierten Knochen erschließbar, weil

tracht ziehen. Die anthropologische Ansprache ergab „Kind im

die Skelettelemente im Verlauf von Zerlegung, Konsum und Ent-

Alter von sieben bis zwölf Jahren“.

sorgung aus dem Verband gelöst wurden. Man kann wohl anneh-

Für den Knochensatz aus Grab 921 ist die Lagebezeichnung mit

men, dass auch bei der sonst üblichen, auf Fleischverwertung

„aus Verfüllung“ angegeben; aufgrund der ausgezeichneten Er-

abzielenden Zerlegung grundsätzlich ähnlich, wenn auch viel-

haltung ist jedenfalls ein geschützter Bereich anzunehmen. Die

leicht nicht immer mit der gleichen Sorgfalt vorgegangen wurde.

Vordergliedmaße der linken Körperseite ist auch hier vom Schul-

Insgesamt lassen sich in Franzhausen-Kokoron mehr als 40 Re-

terblatt bis zum Bereich der proximalen Handwurzelknochen

likte von Fleischbeigaben diesem Typus zuordnen. Die proximale,

durchgehend überliefert (Abb. 06_18). Unspezifische Beschädi-

zum Rumpf gewandte Begrenzung ist aufgrund der unvollständi-

gungen an den Schwachstellen von Schulterblatt und Humerus

gen Erhaltung der empfindlichen Elemente Schulterblatt, Rippen

sind in Franzhausen-Kokoron verbreitet und dürften sekundärer

und Brustbein oft undeutlich ausgeprägt. Distal, zum Ende der

160

6.5 Tierreste im Totenbrauchtum

 Abb. 06_18. Franzhausen-Kokoron, Grab 921, Reste einer Fleischbeigabe, Skelettelemente von der Schultergliedmaße und vom Brustkorb eines adulten Schafs, linke Körperseite, rechts zwei Carpalknochen (Foto: R. Gold/ Institut für Paläontologie, Universität Wien).

 Abb. 06_19. F ranzhausen-Kokoron, Grab 921, zusammengesetzter Ellbogenbereich (Humerus und Radius) der Schultergliedmaße eines Schafs, linke Körper­ seite, von medial; Schnittspur am Humerus (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

Gliedmaße hin, kann man dagegen eine klare Abgrenzung angeben: Hier reicht die Ausdehnung nie über die proximale Reihe der Handwurzelknochen hinaus. Die distalen Handwurzelknochen, sowie die sehr robusten und daher gut erhaltungsfähigen vorderen Röhrbeine (Metacarpen) und die Zehenglieder (Phalangen) bildeten niemals einen Teil dieser Beigabe, sie verblieben entweder im Fell oder wurden spätestens bei der Zurichtung der Fleischportion konsequent abgetrennt. Hinsichtlich der Seitenzugehörigkeit ist kein klarer Trend erkennbar: 25 rechte stehen 14 linken Gliedmaßen gegenüber, bei den übrigen Stücken war die Körperseite nicht eindeutig zu eruieren. Die besser erhaltenen Verbände mit den Rippen zeigen dagegen ein genau ausgewogenes Bild. Nach dem Schlachtalter sind vorwiegend adulte 161

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

Wirbeln und Rippen bestehender Verband, Vordergliedmaßen (11) und Hintergliedmaßen (3) sowie ein mögliches Skelettrelikt vor. Die Verhältnisse der Körperseiten erscheinen hier ausgewogen. Im Unterschied zum Schaf waren die Schlachtalter zu jüngeren, teilweise sogar neugeborenen Tieren hin verschoben. An mehreren Resten waren Buntmetallverfärbungen zu beobachten, die die räumliche Nähe zu in den Grabgruben deponierten Bronzeobjekten belegen. Fünf Gräber in Franzhausen-Kokoron enthielten wenig umfangreiche Verbände von Rinderknochen, z. B. von Radius und Ulna, oder aber Einzelelemente. Mit Vorbehalt kann man auch diese Knochen als Fleischbeigaben deuten. Besonders interessant sind die Fälle eines Oberschenkelknochens (Femur) aus Grab 260 (Abb. 06_21) und eines Beckenknochens aus Grab 583, von denen jeweils mehrere Fragmente vorlagen (Abb. 06_22). Diese ließen sich entlang alter Bruchkanten zusammensetzen, wobei die Unterschiede in den Anlauffarben entlang der Passfugen zeigen, dass die Teile bereits in fragmentiertem Zustand in die Grabbereiche gelangt sind. Es ist denkbar, dass die Knochen beim Herauslösen der Stücke beschädigt wurden und sodann in zersplitterter Form in der Fleischportion verblieben. Das ist bei den von viel Muskelgewebe umgebenen Zonen im Bereich von Becken und Oberschenkel gut vorstellbar. Die Leichenbrände aus diesen beiden Bestattungen wurden älteren, männlichen Individuen zugeordnet. Resümee: Untersuchungen zu Fleischbeigaben Abb. 06_20. Franzhausen-Kokoron, Rekonstruktion der Fleischbeigabe (Schulter­ gliedmaße mit Rippen), von medial (Innenseite). Durchgehende Linien: Trennspur am Material nachgewiesen. Strichlierte Linien: Trennung vermu­ tet. Belegt sind ausschließlich die Hackspuren, mit denen die Rippen vom Brustkorb abgesetzt wurden. Die distale Begrenzung der Gliedmaße im Bereich des Carpus ergibt sich aus dem maximal vorhandenen Knocheninventar (Grafik: N. Frotzler/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

im Gräberfeld Franzhausen-Kokoron Mit wenigen Ausnahmen umfassen die in Franzhausen nachgewiesenen Fleischbeigaben jeweils nur einen Körperbereich eines Tierindividuums; Kombinationen aus mehreren Stücken oder verbrannten und unverbrannten Teilen sind selten. Die Beobachtungen an den Fleischbeigaben kann man nun zur übrigen Grabausstattung, besonders aber zur anthropologischen Ansprache der Leichenbrände, in Beziehung setzen. Beim häu-

oder älter subadulte, etwa dreijährige Schafe belegt. Nur aus drei

figsten Typ, der „Vorderextremität Schaf“, lässt sich eine un-

Gräbern lagen Reste von wesentlich jüngeren Lämmern, allesamt

gefähre Geschlechtergleichheit beobachten: Die durch Silvia

von der linken Körperseite, vor.

Renhart47 vorgenommenen Bestimmungen erbrachten jeweils

Weitere Fleischbeigaben

vier Kindergräber. Die Unsicherheiten ergeben sich daraus, dass

Weitere Typen von Fleischbeigaben im Gräberfeld Franzhausen-

manche Leichenbrände nicht eindeutig beurteilt werden konn-

etwa zwölf männliche und elf weibliche Bestattungen, daneben

Kokoron waren seltener, weshalb sich die Gemeinsamkeiten

ten oder einfach zu wenig Material erhalten war. Die übrigen

nicht in ähnlicher Weise wie bei den Schafschultern herausarbei-

Typen von Beigaben sind zahlenmäßig zu schwach und lassen

ten ließen. Sie betreffen unter den Schafen die Hintergliedmaßen

daher keine klaren Trends erkennen. Immerhin waren die Vorder-

(fünf Nachweise, alle linke Körperseite), sowie einen kombinier-

gliedmaßen von Schweinen auffallend oft mit Leichenbränden

ten Verband mit zwei Vordergliedmaßen und einer Hintergliedmaße. Vom Schwein liegen Rippen und Rippenserien (4), ein aus 162

47 Renhart 2016.

6.5 Tierreste im Totenbrauchtum

in Grab 11 ein dokumentierter Skelettverband von Humerus, Radius und Ulna sowie mehrere Bruchstücke von Rippen der gleichen (rechten) Körperseite eines jüngeren Schafs vor. In diesem Gräberfeld war – wie auch in Franzhausen-Kokoron – mehrfach ein Lagezusammenhang zwischen der Fleischbeigabe und einem Bronzemesser zu beobachten.

Symbolische Beigaben – Astragalsätze Nicht zu den Fleischbeigaben zählen Astragale, die aufgrund ihrer Platzierung in den Grabgruben und ihres meist gruppenweisen Auftretens als Astragalsatz angesprochen werden. Beim Astragalus (Talus; Roll- oder Sprungbein) handelt es sich um den Abb. 06_21. Franzhausen-Kokoron, Grab 260, Femur dext. vom Hausrind, mediale Ansicht auf den distalen Schaftbereich, links distal, oben cranial; aus alt gebrochenen Fragmenten zusammengesetzt, Buntmetallverfärbungen erhalten (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

zentralen Fußwurzelknochen bei Säugetier und Mensch, der mit dem Schienbein im Sprunggelenk in Kontakt steht. Er verbindet somit den Fuß mit dem Unterschenkel. Zur Sohlenfläche hin besteht eine Verbindung zum Fersenbein (Calcaneus), an dessen nach hinten gerichtetem Fortsatz die Achillessehne ansetzt. Der Astragalus der Säugetiere hat eine besondere, leicht erkennbare Form. Vielleicht deshalb wird der meist kleine Knochen in seinem Symbolwert nur vom Schädel und gelegentlich vom Oberschenkelbein (Femur) übertroffen. Die Aufmerksamkeit geht dabei über die Artgrenzen hinweg – sie betrifft die eher unregelmäßig geformten Astragale kleiner Raubtiere und des Bibers ebenso wie die größeren der Paarhufer. Letztere sind aufgrund der besonders bei den Wiederkäuern eingeschränkten Bewegungsrichtung der Gliedmaßen ziemlich regelmäßig ausgebildet und werden, manchmal ohne weitere Manipulationen, als Spielsteine bzw. Würfel verwendet, oder z. B. als Webgewichte genutzt.50 Astragale wurden durchbohrt, als Anhänger getragen oder auf

Abb. 06_22. Franzhausen-Kokoron, Grab 583. Ossacoxae sin. et dext. vom Hausrind, ventrale Ansicht auf den cranialen Abschnitt (Schambeinfuge) der Becken­ symphyse, oben cranial, unten caudal; aus alt gebrochenen Fragmenten zusammengesetzt (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

den Gelenksflächen mit Darstellungen versehen (siehe Kap. 11, Abb. 11_43). Gelegentlich wurden – und werden – sie auch aus anderen Materialien nachgebildet. Verbreitet ist eine symbolische oder magische, besonders mantische (wahrsagerische) Verwendung: Die Knochen wirken hier anscheinend rein durch ihre Präsenz oder Anhäufung (z. B. in Gefäßen), ohne dass sie in

von Kindern und Jugendlichen assoziiert (vier Nachweise), sonst

ihrer Form verändert werden.51

überwiegen hier männliche Bestattungen (fünf) gegenüber den

Insgesamt lagen aus Franzhausen-Kokoron aus 14 Gräbern As-

weiblichen (eine bis zwei).48

tragalfunde vor, die als symbolische Beigaben anzusprechen

Die aus dem späturnenfelderzeitlichen Gräberfeld von St. Andrä-

sind. Obwohl dies nicht einmal 3,5 % der bekannten Gräberzahl

Wördern (VB Tulln) (siehe Kap. 9, Pkt. 9.3.2) beschriebenen tie-

entspricht, sind die Astragalsätze in ihrer Erscheinungsform

rischen Speisebeigaben weisen eine grundsätzlich ähnliche Gestalt wie in Franzhausen-Kokoron auf.49 Auch hier waren vorwiegend Vorder- oder Hintergliedmaßen von Schafen, teilweise auch gemeinsam im gleichen Grab, nachweisbar. So lagen etwa 48 Vgl. zur Hallstattzeit Müller-Scheeßel/Trebsche 2007, 80 ff. 49 Eibner 1974.

50 Z. B. Nývltová Fišáková/Parma 2014 (Urnenfelderzeit) und Grabundžija/ Schoch/Ulanowska et al. 2016 (Experimentelle Archäologie); Bekannt ist die Darstellung von Astragalen und anderen Knochen (Rinderphal­ angen) als Spielsteine im Gemälde „Die Kinderspiele“ von Pieter Breugel d. Ä. (um 1560; Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie). 51 Als Beispiel für eine durch den Befund nahegelegte rituelle Bedeutung (Assoziation mit Urne) aus dem hallstattzeitlichen Gräberfeld von Fürholz (Kärnten) siehe Kunst 2005.

163

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

äußerst auffällig. Die Knochen stammen großteils von den wichtigen Wirtschaftstieren Rind, Schwein, Schaf und wahrscheinlich auch von der Ziege. Der Hund ist durch einen verbrannten Einzelfund belegt. Ähnlich wie die Speisebeigaben sind die Sprungbeine vielfach schlecht erhalten, weshalb man ihre genaue Anzahl nicht immer angeben kann. Im Unterschied zu jenen waren die Astragale aber wesentlich häufiger einer Hitzebeeinflussung ausgesetzt, die jeweils meist den gesamten Satz erfasste, aber eher im niedrig temperierten Bereich lag. In mehreren Fällen sind im gleichen Astragalsatz Knochen der Wiederkäuerarten Rind und Schaf/Ziege mit solchen des Schweins vergesellschaftet. Das zeigt eindrücklich die symbolische Besetzung an: Die Astragale der beiden Wiederkäuergruppen unterscheiden sich grundsätzlich nur in der Größe, während diejenigen des Schweins und erst recht die des Hunds eine abweichende, unregelmäßigere Form aufweisen. Sie eignen sich daher auch nicht gut zum Würfeln. Dadurch wird eindrucksvoll

Abb. 06_23. Franzhausen-Kokoron, Grab 706, Astragalus dext., wahrscheinlich von einer Ziege, mediale Ansicht, links distal, oben dorsal; teilweise mit Metall- und Hitzeverfärbungen, links unten eine Schnittspur (Foto: R. Gold/ Institut für Paläontologie, Universität Wien).

bewiesen, dass definierte Skelettelemente über die Artgrenzen hinweg in ihrer anatomischen Zugehörigkeit erkannt, aus den

liegen bei allen Arten ausnahmslos im Bereich der distalen Ge-

Skelettverbänden herausgelöst und in die Gräber eingebracht

lenksrolle (Abb. 06_23).

wurden.

Im Gräberfeld Franzhausen-Kokoron wurden Astragalsätze unter-

Die Verfügbarkeit der Astragale ist natürlich nur dann gegeben,

schiedlicher Komplexität gefunden. Ein einfacher Fall – nur eine

wenn die Knochen bei Zerlegung und Konsum bewusst behan-

Tierart, einheitlicher Zustand – ist etwa aus Grab 133 überliefert,

delt bzw. ausgespart, nicht allzu sehr beschädigt und anschlie-

das ohne anthropologischen Befund ist. Hier befanden sich je ein

ßend aufbewahrt werden. Der Knochen steht der üblichen Auf-

linker und ein rechter Rinderastragalus im Bereich der Grabsohle

arbeitung eines Schlachtkörpers nicht im Wege und ist ohne

neben der Urne; die Knochen zeigen keine Hitzeeinwirkung und

besonderen Aufwand zu gewinnen. In Franzhausen-Kokoron war

stammen von unterschiedlichen Individuen. In Grab 591, in dem

es außerdem in einigen Fällen möglich, paarweise symmetrische,

wahrscheinlich der Leichenbrand einer jüngeren Frau bestattet

also vom gleichen Tier stammende, rechte und linke Astragale zu

wurde, befanden sich die Astragale zwar ebenfalls auf oder über

erkennen – ein unabhängiges Indiz für den geplanten Charakter

der Grabsohle, weisen aber allesamt erhebliche Verbrennungs-

der Beigabensitte.

spuren auf. Sie verteilen sich auf die Wirtschaftstierarten Rind –

Das Einbringen einer größeren Anzahl von Knochen der verschie-

Schaf – Schwein im Mengenverhältnis 4–1–2, wobei auffällt,

denen Arten – wie von mindestens 16 Astragalen in Grab 761 –

dass der kleine, kompakte Schafsknochen die Hitzeeinwirkung

kann nur durch eine stetige Aufmerksamkeit auf dieses Element

am besten überstanden hat und als einziger noch vollständig

erklärt werden, wenn man nicht eine Massenschlachtung anläss-

vorliegt. Die verschiedenen Verfärbungsmuster (dunkelbraun,

lich des Totenrituals in Betracht ziehen will. Die Ausprägung der

schwärzlich, weiß-kalziniert) bilden auf den Knochenoberflä-

Hitzespuren deutet gelegentlich darauf hin, dass man bereits

chen deutliche Zonen. Sie zeigen an, dass der Astragalsatz einer

trockene, also längere Zeit aufbewahrte Knochen der Feuerbe-

gerichteten Hitzequelle ausgesetzt war und die einzelnen Teile

einflussung aussetzte.

unterschiedlich intensiv betroffen waren. Eine mögliche Deutung

Die Variabilität der in Franzhausen-Kokoron vorhandenen Astra-

wäre eine randliche Position auf dem Scheiterhaufen. In den Grä-

galsätze kann demnach mit der Zusammensetzung der Arten,

bern 497 (Abb. 06_24) und 761 (Abb. 06_25) (anthropologischer

dem Auftreten von linken und rechten Elementen und der Hitze-

Befund: beides jüngere Frauen) ist die Fundführung mit mindes-

beeinflussung hinreichend beschrieben werden. Daneben kom-

tens 14 bzw. 16 Knochen besonders reichhaltig und das Schick-

men auch Bronzeverfärbungen vor, und manchmal kann man

sal der Astragale war anscheinend sehr komplex. Vertreten sind

zwischen diesen und den Hitzespuren nicht klar unterscheiden.

Knochen von Rind, Schaf und Schwein, wobei Proben sowohl aus

Möglicherweise hängen diese beiden Veränderungen auch zu-

dem Bereich der Grabsohle als auch aus dem Leichenbrand vor-

sammen. Die wenigen erkennbaren Schnittmarken belegen das

liegen. Ein Beispiel für einen besonders intensiv verbrannten

Herauslösen der Elemente aus dem Gliedmaßenverband und

Astragalsatz ist in Grab 722 (älteres Kind) vorhanden: Hier konn-

164

6.6 Beispiele für die Bearbeitung von Knochen, Geweihen und Zähnen

Abb. 06_24. Franzhausen-Kokoron, Grab 497, Astragale aus verschiedenen Bereichen, vollständige Stücke von dorsal. Intensiv hitzebeeinflusste Fragmente von verschiedenen Arten aus dem Leichenbrand, ein Stück vom Schaf ist ziem­ lich komplett (rechts oben); Astragalus vom Schwein (oben rechts) und vom Rind (unten) aus dem Bereich der Grabsohle, unverbrannt (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

Abb. 06_25. Franzhausen-Kokoron, Grab 761, Astragale aus verschiedenen Bereichen, von dorsal. Vier Astragale vom Schaf mit geringfügiger Hitzebeeinflussung (aus der Urne) (links oben); Astragalus vom Rind (Bereich Grabsohle) (oben Mitte/links); Astragale vom Schwein (großteils Bereich Grabsohle, teilweise aus der Urne) (oben rechts und unten) (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

ten etwa 22 kalzinierte, also weißlich und hellgrau verfärbte Fragmente aus dem Leichenbrand bzw. der Urne ausgesondert

Obwohl uns ein direkter Zugang zum geistigen Hintergrund ver-

und mindestens einem Kleinwiederkäuer- und zwei Schweine-

wehrt bleibt, belegen auch diese tierischen Beigaben ein Ritual:

astragalen zugeordnet werden.

Tierknochen werden als spezifische Elemente erkannt, ausge-

Die Zusammensetzungen der Astragalsätze lassen also kein

sucht und aufbewahrt, danach zu Knochensätzen zusammen-

einheitliches Muster erkennen. Teilweise entsteht der Eindruck,

gestellt und bei der Verbrennung arrangiert und/oder nachher

dass bei bestimmten Bestattungen eben die gerade verfügbaren

in der Grabgrube platziert, wobei auch wiederholte oder mehr-

Astragale der Haustiere in das Totenritual einbezogen wurden.

phasige Handlungen in Betracht kommen. Aus dem erwähnten

Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass durch die jeweiligen

Gräberfeld von St. Andrä-Wördern liegen ebenfalls einige Astra-

Kombinationen von Anzahl und Artenzugehörigkeit der Astra-

galsätze in unterschiedlicher Zusammensetzung vor.52 Eine ein-

gale etwas ausgedrückt werden sollte. Für viele mag es reizvoll

drucksvolle In-situ-Fotografie einer urnenfelderzeitlichen Ast-

sein, angesichts der unterschiedlichen Kombinationen der Ast-

ragalbeigabe liegt für das Gräberfeld von Straß im Straßertale

ragalfunde über deren mögliche Bedeutung als protoschriftliche

(VB Krems-Land) vor. In Grab 50, einem Brandschüttungsgrab

Zeichen zu spekulieren.

mit Steinumstellung, befanden sich etwa sechs Astragale, of-

Die Deponierung innerhalb der Grabbereiche erfolgte im We-

fensichtlich von Rindern und Kleinwiederkäuern, konzentriert im

sentlichen nach zwei Mustern: In fünf Fällen befanden sich die

Bereich der Brandschüttung bzw. auf Gefäßscherben.53

Knochen neben der Urne sowie einem allfälligen weiteren Gefäß (Schale) im Bereich der Grabsohle, in sieben Fällen wurden sie direkt aus dem Leichenbrand bzw. aus der Urne geborgen. In den beiden oben erwähnten Gräbern 497 und 761 bestanden beide Situationen nebeneinander. Die Lage innerhalb der Leichenbrände geht meist mit einer mehr oder weniger stark ausgepräg-

6.6 Beispiele für die Bearbeitung von Knochen, Geweihen und Zähnen

ten Hitzebeeinflussung einher. Diese ist bei Stücken, die von der Grabsohle stammen, geringer oder fehlt ganz. Der klarste und

Beinartefakte – also aus Knochen, Geweih und Zähnen herge-

kulturhistorisch wesentlichste Trend betrifft aber die Alters- und

stellte Gegenstände – sowie bearbeitete Molluskenschalen wur-

Geschlechtsbestimmungen der mit den Astragalfunden assozi-

den für Niederösterreich bisher nur für das Neolithikum mono-

ierten Bestattungen. Von den zwölf beurteilbaren Leichenbränden kann nur einer auf ein erwachsenes männliches Individuum

52 Eibner 1974.

bezogen werden. Die übrigen verteilen sich auf jüngere (zwei Fäl-

53 Wewerka 1993, Abb. 176; die in der gleichen Arbeit (Abb. 167) abge­ bildeten Reste einer Fleischbeigabe (Humerus, Radius und Ulna von einem Schwein, Grab 10) wurden offensichtlich nach der Freilegung möglichst lagegetreu in einem Begleitgefäß arrangiert.

le) oder ältere (vier) Kinder und jüngere oder mittelalte Frauen (fünf Gräber).

165

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

grafisch54 oder zusammenfassend dargestellt.55 Die metallzeitliche Beinindustrie wird meist als weniger bedeutsam eingeschätzt als die jungsteinzeitliche und erfährt daher oft weniger Aufmerksamkeit. Dies gilt auch für die in dieser Hinsicht viel besser erforschte Schweiz. In einer Überblicksdarstellung56 wird darauf verwiesen, dass die verbreitete Verwendung von Bronze die Bedeutung von Tierknochen und Hirschgeweih als Werkstoff drastisch reduzierte. Gleichwohl bestehen viele neolithische Gerätetypen weiter fort. Andererseits fallen, besonders ab der Mittelbronzezeit, neue Formen und Verzierungen auf, die sich offensichtlich an bronzenen Vorbildern orientieren.57 Ebenso konnte man z. B. in Ungarn bemerkenswerte Entwicklungen im Gebrauch tierischer Rohstoffe und im Nutzungsverlauf (Kontinuität, Neuauftreten) bestimmter Formen während der Bronzezeit beobachten.58 Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass gegenüber dem Neolithikum einerseits der Anteil einfacher, mit wenig Aufwand hergestellter Geräte zunimmt, während andererseits einzelne besonders elaborierte Formen dazukommen.

59

Auch jedes umfangreichere urnenfelderzeitliche Siedlungsmaterial aus Niederösterreich lässt einen gewissen Anteil an bearbeiteten Tierresten erwarten. Von einigen wenigen Fundstellen

Abb. 06_26. Oberleiserberg: Knochenwerkzeug mit querstehender Arbeits­ kante; das Arbeitsende jeweils links, das Griffende rechts, von oben nach unten: Fdnr. 4673: Hausrind, Ulna sin., proximaler Bereich, von lateral. Fdnr. 5018: Schwein, Femur sin., distaler Schaftbereich, von medial. Fdnr. 4912: Schwein, Tibia dext., proximaler Schaftbereich, von lateral (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).

liegen daher Teilbeobachtungen oder -auswertungen vor.60 Als bearbeitete Tierreste werden hier nicht nur fertiggestellte Arte-

rigen sieben Geweihfragmente wiesen Bearbeitungsspuren auf.

fakte (z. B. Geräte, Schmuck) (siehe Abb. 06_08 und 11), sondern

Sie sind daher zwar nicht als Artefakte im engeren Sinn, aber als

auch Halbfabrikate, Produktionsabfälle und dergleichen – kurz-

Abfallprodukte der Beinbearbeitung aufzufassen. Das seltene

um alle Reste mit Bearbeitungs- oder Gebrauchsspuren (worked

Auftreten von bearbeiteten Resten hat hier auch deshalb Ge-

bones) – verstanden. In der Folge soll, vorwiegend anhand der

wicht, weil die Tierreste in ihrer Gesamtheit untersucht wurden.

bereits besprochenen Fundstellen, nur ein kurzer Überblick zum

Sonst besteht nämlich der Verdacht, dass insbesondere einfa-

jeweils vorhandenen Bestand an Beingeräten gegeben werden.

che und unauffällige Stücke, deren Gebrauch als Beingerät nur aus einer Arbeitskante, geglätteten Stellen und dgl. hervorgeht,

6.6.1 Unterradlberg In der Siedlung von Unterradlberg fiel der Anteil von bearbeiteten Tierresten geringer aus, als es das archäologische Umfeld

unerkannt beim übrigen Tierknochenmaterial verbleiben.

6.6.2 Oberleiserberg

(häusliche Umgebung und Werkstättenbereiche) erwarten ließ.61

In den ausgesonderten spätbronzezeitlichen Befunden vom

Vorhanden sind eine einfache, aus einem Schweineschienbein

Oberleiserberg62 nehmen einfache, meist aus den Langkno-

gefertigte Spitze und ein Halbfertigprodukt aus Hirschgeweih,

chen der Wirtschaftstiere gefertigte Spitzen die erste Stelle ein

das allseits abgesägt wurde und ein Bohrloch zeigt. Auch die üb-

(Abb. 06_26). Ein Gelenksende bildet den Griffbereich, und an einer entgegenliegenden Bruchfläche im Schaftbereich liegt die

54 Fehlmann 2011; Böhm 2013. 55 Fehlmann 2017a; Fehlmann 2017b 56 Schibler 1998. 57 Schibler 1998, 274. 58 Choyke/Schibler 2007; Choyke 2010. 59 Choyke/Schibler 2007, 58.

Arbeitskante. Oft ist diese relativ breit und wird dann als quergestellt bezeichnet. Die Gestaltung der Stücke mit ihren zufällig erscheinenden Bruchmustern lässt annehmen, dass bereits zerschlagene Knochen nach ihrer Brauchbarkeit aus dem Nahrungsabfall ausgewählt wurden. Daneben treten auch sorgfälti-

60 Z. B. Lochner 1991; Schmitsberger 2008. 61 Galik 2009.

166

62 G. K. Kunst unpubliziert.

6.6 Beispiele für die Bearbeitung von Knochen, Geweihen und Zähnen

ger gearbeitete Spitzen auf, wie sie vielfach aus neolithischen Fundstellen beschrieben wurden. Als Anwendungsgebiet für die Gesamtheit dieser Spitzen nimmt man die Bearbeitung weicher, organischer Materialien an. Nach einer unter Spezialisten verbreiteten Ansicht sollten Beinartefakte weniger nach ihrer äußeren Form und auch nicht nach dem verwendeten Skelettelement, sondern in erster Linie nach der Ausbildung ihrer Arbeitskante klassifiziert werden.

1

Weiters sind verschiedene aus Rothirschgeweih hergestellte Formen vorhanden. Besonders auffällig ist hier eine flache Platte, deren Schmalseiten halbkreisförmig, konkav ausgesägt wurden, sodass zipfelförmige Fortsätze entstanden. Diese Form ist auch von anderen urnenfelder- und hallstattzeitlichen Fundstellen bekannt (Abb. 06_27). Als Schmuckstücke sind zwei durchlochte Wirbelkörper von sehr großen Welsen zu interpretieren (siehe Abb. 06_08); ein außergewöhnliches Stück ist der verzierte Beingriff eines Bronzemessers (siehe Kap. 3, Abb. 03_35).

6.6.3 Prigglitz-Gasteil Dass es auch in der Urnenfelderzeit unter den Beinartefakten zu Konzentrationen sorgfältiger gearbeiteter Sonderformen kommen kann, belegen Beispiele aus Prigglitz-Gasteil und Pixendorf. In Prigglitz-Gasteil sind neben Geweihgeräten, die wohl unmittelbar mit dem Bergbau zu tun haben (Schlägel, Keile), auch Halbfertigprodukte bzw. Rohlinge aus der Produktion von Griffen und Knochenperlen erhalten. Hierzu wurden die Metapodien (Mittelhand- und Mittelfußknochen) von Schaf und Schwein rundum angesägt. Die erhaltenen Halbprodukte sehen mit ihren zahlreichen, parallel umlaufenden Rillen sehr merkwürdig aus (siehe Abb. 06_11). Anscheinend handelt es sich hier um einen frühen Nachweis einer gewerblichen Beinindustrie (siehe Kap. 7, Abb. 07_30).63

6.6.4 Pixendorf und Maissau Aus den Brunnenverfüllungen von Pixendorf liegen Rinderkno-

2

Abb. 06_27. 1. (oben) Oberleiserberg, Fdnr. 62, Fragment mit rundlicher Ausnehmung und zwei zipfelförmigen Enden, aus dem Verzweigungsbereich einer Ge­ weihstange eines Rothirschs herausgesägt; frische Beschädigungen; Außen- und Innenansicht; Distanz zwischen den beiden Spitzen 6,5 cm – 2. (unten) Von der Wallanlage Stillfried an der March wurden einige voll­ ständig erhaltene Exemplare geborgen. Die Funktion solcher vierspitzigen Gegenstände aus Hirschgeweih ist unbekannt (Höhe: 11 cm, Breite: 6,5 cm). Vorstellbar ist eine Verwendung zum Lochen von Leder, zum Auffädeln einer Schnur/Angelschnur, aber auch als Akupunkturnadel (Fotos: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien (1); F. Ostmann/OREA/ÖAW (2)).

dem Mittelalter verbreiteten Kufenknochen und Eisgleiter. Ver-

chen (Radien, Metapodien) vor, die am distalen Ende quer ver-

gleichbare Stücke wurden auch aus verschiedenen Phasen der

laufende Bohrungen und auf der Dorsalseite stark geglätte-

Bronzezeit des Karpatenbeckens und angrenzender Gebiete

te Oberflächenbereiche aufweisen (Abb. 06_28). Sie erinnern

bekannt und hier zunächst als Frühformen von Schlittknochen

oberflächlich an die vor allem ab der Römischen Kaiserzeit und

beschrieben.64

63 Trebsche/Pucher 2013.

64 Choyke/Bartosiewicz 2005; Choyke/Schibler 2007.

167

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

Abb.06_29. Ortsumfahrung Maissau, Grabung ASINOE, Sig. 628, linke Rippe von einem größeren Säugetier (Rothirsch?), craniale Kante gezähnt, von medial; Breite des Bildausschnitts ca. 13,8 cm (Foto: G. K. Kunst/VIAS).

gelochte Eberzahnlamellen und knöcherne Pfeilspitzen (siehe Kap. 4, Abb. 04_25), die – als Rüstungs- bzw. Waffenelemente – vielleicht eine „kriegerische“ Komponente in dieser Siedlung Abb. 06_28. Pixendorf, Knochenartefakte aus einer urnenfelderzeitlichen Brunnenverfüllung, proximale Enden von Radien (Speichen) eines größeren Wiederkäuers (wohl Hausrind) mit Glättungen und Lochungen (Fotos: G. K. Kunst/ VIAS, Mai/Juni 2005).

Als Ausgangsmaterial dient im Allgemeinen ein Radius vom Rind oder Pferd, aber es kommen auch andere Arten (z. B. Hirsch,

anzeigen.70 Es sind aber auch eigentümliche Formen mit schwer deutbarer Funktion vorhanden (Abb. 06_29).

6.7 Zusammenfassung und Ausblick

Wildschwein) vor. Den Gebrauchsspuren nach, aber auch des-

Aus der Sicht der Archäozoologie ließen sich für die Urnenfelder-

halb, weil Radien ganz unterschiedlich großer Tierarten verwen-

zeit in Niederösterreich – zumindest auf regionaler Ebene – doch

det wurden, dürfte es sich nach einer aktuelleren Einschätzung

einige Eigenheiten herausarbeiten. Es handelt sich hierbei um:

von Alice Choyke eher um Glättgeräte handeln.65 Zwei Vertreter



das erstmalige Auftreten von Bergbausiedlungen mit Ma-

dieses Typs, die aus Rinderradien angefertigt wurden, konnte

terialkonzentrationen, verbunden mit stark strukturierten

man in einem frühbronzezeitlichen Grabkontext aus dem Wein-

Knochenvergesellschaftungen und einer auffälligen Bein-

viertel nachweisen.66 Einer der aus Maissau, Flur Urtelfeld (VB

verarbeitung, beide mit einem möglichen gewerblichen

Hollabrunn) vorgelegten Rinderradien mit dorsaler Abnutzung67

Hintergrund;

weicht jedoch hinsichtlich seiner Herstellungsspuren ab; hier



die Deponierung vollständiger Tierkörper und Tierteile mit ei-

befinden sich feine Bohrungen an der Unterseite der proximalen

nem möglichen rituellen Hintergrund und Hinweisen auf die

Gelenksfläche. Schließlich wurde auch aus den urnenfelderzeit-

länger dauernde Haltung von Wildtieren – dieses Phänomen

lichen Befunden aus dem Bereich der Ortsumfahrung Maissau

ist besonders in der Fundstelle Stillfried an der March gut

ein „Schlittknochen“ ohne nähere Angaben gemeldet.68 Insge-

fassbar; und

samt können diese Formen beim gegenwärtigen Forschungsstand am besten neutral als „Radiusgeräte mit Bohrungen und/



die Beigabe von Fleischteilen und symbolisch besetzten Tierknochen in Brandgräbern.

oder geglätteten Bereichen“ bezeichnet werden. Aus der ungari-

An dieser Stelle ist vielleicht die Erinnerung daran angebracht,

schen Spätbronzezeit scheinen dagegen auch eindeutige Funde

dass in den bronzezeitlichen Kulturen des Vorderen Orients

von Schlittknochen vorzuliegen. Diese wurden jedoch, wie ihre

und des östlichen Mittelmeerraums die sehr früh ausgebildete

frühgeschichtlichen Nachfahren, aus Pferdemetapodien herge-

kulturelle und gesellschaftliche Komplexität mit einer entspre-

69

stellt, allerdings in einer weit sorgfältigeren Ausführung.

chenden Vielfalt an archäologischen Kontexten – und eben auch

Unter den im Rahmen der erwähnten Rettungsgrabung bei Mais-

an Tierknochenvergesellschaftungen – einhergeht. Hier las-

sau geborgenen urnenfelderzeitlichen Kleinfunden befanden

sen sich vielfach Proben aus privaten und öffentlichen Räumen,

sich noch zahlreiche weitere Beinartefakte. Zu erwähnen sind

Opfergaben aus Kultbezirken, Reste von Festmählern, Abfälle

65 Choyke 2013. 66 Grabung der Firma ARDIG in Neusiedl an der Zaya, eigene Beobachtung.

aus Handwerksbetrieben und dergleichen unterscheiden und miteinander vergleichen.71 Die aus den Tierresten ablesbaren

67 Lochner 1991, 103 f. 68 Schmitsberger 2008.

70 Schmitsberger 2008, 490 ff.

69 Choyke/Schibler 2007, 59, Fig. 11.

71 Siehe z. B. Marom/Bar-Oz 2013.

168

6.8 Literatur

„Signale“ können dabei sehr deutlich ausfallen, wie sich an einer

Spuren produzieren kann, lassen sich diese wesentlich häufiger

eigenen Beobachtung erläutern lässt.72 So waren die im Umfeld

als die Geräte selbst nachweisen. Deshalb kommt den Tierresten

eines hethitischen Tempels abgelagerten Tierreste hinsichtlich

in diesem Fall eine besondere Bedeutung beim Nachweis einer

Tierart, Skelettteil und auch der Zerlegungsspuren sehr stark

technologischen Neuerung zu. Hier interessiert besonders, ab

strukturiert bzw. eingeengt – über weite Strecken dominierten

wann Bronzemesser, aber auch schwerere Klingen (Hackmesser)

die Kleinwiederkäuer. Die Proben aus den Siedlungsgruben der

in größerem Umfang bei der Zerlegung eingesetzt wurden und

auf den Zusammenbruch des Hethiterreiches folgenden frühen

wie lange der Gebrauch von Silexgeräten für diesen Zweck Be-

Eisenzeit, die zeitlich ziemlich genau mit der Urnenfelderzeit

stand hatte. Die durch die beiden Materialien hervorgerufenen

übereinstimmt, würden dagegen auch in einer beliebigen jün-

Spuren lassen sich im Regelfall mikroskopisch gut unterschei-

ger prähistorischen, mitteleuropäischen Fundstelle nicht wei-

den, weshalb man hier mit relativ geringem Aufwand eine große

ter auffallen: Ein abwechslungsreicher Mix aus Haustierresten,

Menge an Daten gewinnen kann. In Polen und manchen Gebieten

dem wechselnde Anteile von Wildtierknochen beigesellt sind,

Südosteuropas hat man die zeitliche Entwicklung dieser beiden

entspricht in beiden Fällen einer nicht spezialisierten, agrari-

Spurentypen während der Bronzezeit bereits untersucht, wobei

schen Wirtschaftsform. Als umso bedeutsamer kann man daher

sich eine fortschreitende Verschiebung zugunsten der Metall-

deutlich strukturierte Erhaltungsmuster, wie sie etwa in Prigglitz-

geräte abzeichnete.75

Gasteil vorliegen, einschätzen. Es fällt nun durchaus schwer, auf regionaler Ebene grundsätzliche Unterschiede im Tierartenspektrum und in den Probenzusammensetzungen insgesamt zwischen der Urnenfelderzeit und den durch die Keramik und die übrige Sachkultur definierten vorhergehenden und folgenden Kulturperioden, also zur Früh- und Mittelbronzezeit einerseits und zur Hallstattzeit andererseits, aufzuzeigen. Das hängt auch damit zusammen, dass der regionale Forschungsstand hierzu noch unzureichend ist, was besonders auf die archäozoologisch noch kaum erfassten Siedlungen der mittleren Bronzezeit zutrifft. Verschiedene gelegentlich für die Hallstattzeit beobachtete Phänomene, wie etwa Hundebestattungen in Brandgräberfeldern, sind für die niederösterreichische Urnenfelderzeit nicht belegt. Es liegt auf der Hand, dass die teils recht aufwendigen hallstattzeitlichen Bestattungssitten auch mit einer Zunahme in der Komplexität der Speisebeigaben einhergehen.73 Weiters weisen einige bisher nur teilweise oder gar nicht publizierte hallstattzeitliche Materialien (Perchtoldsdorf-Bachacker, Wien-Leopoldsberg)74 eine auffallend hohe Diversität an genutzten Wildtierarten auf, die für ähnlich gelegene urnenfelderzeitliche Siedlungen bisher nicht nachweisbar waren. Insgesamt ist aber auch unsere Kenntnis von regionalen hallstattzeitlichen Faunen noch zu gering, als dass man hier eindeutige Trends feststellen könnte. Ein weiterer, für die Spätbronzezeit wesentlicher Aspekt ist der Einfluss der Entwicklung der Metalltechnologie auf die Zerlegung eines Schlachtkörpers sowie in umgekehrter Betrachtung der Nachweis von Metallgeräten anhand der auf den Tierknochen befindlichen Marken. Da eine einzelne Klinge zahlreiche

6.8 Literatur Adametz 2009: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2009). Adametz 2011: K. Adametz, Eine Siedlung der Urnenfelderkultur in Unterradlberg, Niederösterreich. FÖ 50, 2011, 67–92. Bartosiewicz 2013: L. Bartosiewicz, Shuffling Nags, Lame Ducks. The archaeology of animal disease. With a contribution by Erika Gál (Oxford 2013). Bartosiewicz/Gál 2018: L. Bartosiewicz/E. Gál (eds.), Care or Neglect? Evidence of Animal Disease in Archaeology (Oxford 2018). Bauer 2001: K. Bauer, Östliche Hausmaus Mus musculus Linnaeus, 1758. In: F. Spitzenberger, Die Säugetierfauna Österreichs, BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Wien 2001), 542–546. Beech 1995: M. Beech, Whither Archaozoology? In: M. Kuna/ N. Venclová (eds.), Whither Archaeology? Papers in Honour of Evžen Neustupný (Praha 1995), 97–109. Benecke 1994a: N. Benecke, Archäozoologische Studien zur Entwick­ lung der Haustierhaltung in Mitteleuropa und Südskandinavi­ en von den Anfängen bis zum ausgehenden Mittelalter (Berlin 1994). Benecke 1994b: N. Benecke, Der Mensch und seine Haustiere. Die Ge­ schichte einer jahrtausendealten Beziehung (Stuttgart 1994). Böhm 2013: H. Böhm, Die Knochen und Geweihartefakte vom Kl. Anzingerberg, Meidling im Thale/NÖ, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2013).

72 Kunst/Böhm/Czichon 2016. 73 Siehe Müller-Scheeßel/Trebsche 2007; Kyselý 2018. 74 Christandl 1998; eigene Beobachtungen.

75 Marciniak/Greenfield 2013.

169

6. Zur Tier-Mensch-Beziehung

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170

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171

7. Bergbau und Rohstoffe

7. Bergbau und Rohstoffe Susanne Klemm, Peter Trebsche Zahlreiche Rohstoffe waren für die urnenfelderzeitlichen Men-

aus Siebenbürgen in Rumänien oder aus Bergwerken in den

schen von Bedeutung und wurden systematisch gewonnen so-

Rhodopen im südlichen Bulgarien nach Ostösterreich gelangt

wie verarbeitet. Ton für die Herstellung von Keramik war an vie-

sein. Aus der jüngeren Urnenfelderzeit stammen die ältesten

len Orten verfügbar und konnte lokal abgebaut werden. Auch

Gegenstände aus Eisen, das vorerst nur in sehr kleinen Mengen

bestimmte Gesteine waren in der Urnenfelderzeit zur Herstel-

zu Schmuck, Pferdegeschirr und Messerklingen verarbeitet wur-

lung von Mahl- und Schleifsteinen begehrt. Salz musste von wei-

de. Bislang fanden keine detaillierten archäometrischen Unter-

ter entfernten Lagerstätten wie der Saline in Hallstatt bezogen

suchungen statt, um die Herkunft des Zinns, des Goldes und des

werden; es wurde vor allem für die Konservierung von Fleisch

Eisens in Niederösterreich zu bestimmen. Dennoch zeigen die

und zum Würzen von Speisen verwendet. Kupfer und Zinn benö-

Funde, dass Niederösterreich in weitreichende Netzwerke des

tigte man für die Produktion von Bronze, die zu Waffen, Werkzeu-

Austauschs oder des Techniktransfers eingebunden war, die in

gen, Gefäßen und Schmuck verarbeitet wurde.

Zukunft noch näher erforscht werden müssen.

Kupfererz wurde in Niederösterreich nachweislich ab der jüngeren Urnenfelderzeit abgebaut, wobei ältere Bergbautätigkeiten nicht ausgeschlossen sind. Die Kupferproduktion hatte in der späten Bronzezeit einen wesentlichen Anteil an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Einerseits stehen hier

7.1 Prähistorische Kupfergewinnung Susanne Klemm

Fragen nach dem Bergbau, nach der Verhüttungstechnik sowie nach Art und Weise der Bronzeverarbeitung im Vordergrund. Andererseits ist es spannend zu erforschen, wie die Bergbaue und

Die Kupfererzlagerstätten in den Europäischen Alpen wurden be-

Produktionsstätten in das regionale Siedlungsgefüge eingebun-

reits in prähistorischer Zeit vom Menschen ausgebeutet. Neben

den waren und wie die Bergleute mit Nahrungsmitteln und an-

reinem oder gediegenem Kupfer waren die Kupfererze Kupfer-

deren für den Betrieb notwendigen Gütern versorgt wurden. Im

kies und Fahlerze die dominanten Rohstoffe.1 In der Kupferzeit

Schneeberg-Rax-Gebiet zeichnet sich ab, wie Kupfergewinnung

(Äneolithikum) und insbesondere seit der Bronzezeit erfuhren

und Bronzeverarbeitung an verschiedenen Orten organisiert wa-

zuerst Kupfer und später Bronze – eine Kupfer-Zinn-Legierung –

ren. Bergbausiedlungen, Verhüttungsplätze, befestigte Höhen-

hohe Wertschätzung. Schmuck und Trachtbestandteile, Metall-

siedlungen und Flachlandsiedlungen waren zu einem komplexen

gefäße, Werkzeuge und Geräte sowie Waffen wurden aus diesem

Siedlungssystem verknüpft.

kostbaren Metall gefertigt.

Ein zweiter Rohstoff, der während der Urnenfelderzeit in Nie-

In den Ostalpen sind zahlreiche urgeschichtliche Bergbaure-

derösterreich systematisch abgebaut wurde, war der Grafit. Er

viere unterschiedlicher Größe bekannt. Der Großteil der Berg-

kommt hauptsächlich im Waldviertel vor und wurde vor allem am

baugebiete in Österreich liegt im Bereich der Grauwackenzone,

Rand des Dunkelsteinerwalds zur Magerung von Ton verwendet,

einer geologischen Zone, die besonders reich an Erzlagerstät-

der dadurch besonders hitzebeständig und wasserdicht wurde.

ten ist. Die am Ostrand der Alpen liegende Abbauzone könn-

Diese spezielle Keramik erreichte allerdings erst später – in der

te sich vom südöstlichen Niederösterreich bis zum Günser

Latènezeit und im Mittelalter – breitere Anwendung und weitere

Gebirge/Geschriebenstein im mittleren Burgenland erstrecken

Verbreitung.

(Abb. 07_01).2

Neben den in Niederösterreich abgebauten Rohstoffen mussten weitere in der Spätbronzezeit wichtige Metalle wie Zinn, Gold und das erstmals auftretende Eisen aus anderen Regionen importiert werden. Das Zinn wurde vermutlich aus dem böhmisch-sächsischen oder dem slowakischen Erzgebirge geliefert. Gold könnte 172

1

Kupferkies ist eine Kupfer-Eisen-Schwefel-Verbindung; Fahlerze sind Kupferverbindungen mit Arsen oder Antimon.

2

Der Nachweis eines prähistorischen Kupferbergbaureviers im Gebiet des Günser Gebirges (Geschriebenstein) im Mittelburgenland bzw. auf angrenzendem ungarischem Gebiet kann bis dato nur indirekt durch Funde auf der Höhensiedlung Velem, Szent Vid erfolgen (Czajlik 1993).

7.1 Prähistorische Kupfergewinnung

Abb. 07_01. Prähistorische Kupferbergbaureviere in Österreich bzw. in den Zentral-, Ost- und Südalpen (Grafik: S. Klemm/U. Schuh).

Kerchler in den 1970er-Jahren fortgeführt. In den Jahren 2010 bis 2014 nahm schließlich Peter Trebsche mit den Grabungen der Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil die Forschungsarbeiten

Exkurs: Montanarchäologische Forschungen in Österreich Seit mehr als 140 Jahren ist die prähistorische Kupfergewinnung in den Ostalpen Forschungsthema mehrerer Generationen von Prähistorikern, Bergbauingenieuren, Metallurgen, Geologen, Mineralogen, Geophysikern, Vertretern anderer Wissenschaften

wieder auf (siehe Exkurs unter Pkt. 7.1.4).3

7.1.1 Vom Erz zum Metall

und Laienforschern. Die montanarchäologische Forschung in

Heute findet man in den alpinen prähistorischen Abbaugebie-

Österreich nahm damals ihren Ausgang vor allem im prähistori-

ten eine Reihe montanarchäologischer Fundstellenarten, die

schen Bergbaurevier in Mitterberg am Hochkönig (Salzburg). Die

die einzelnen Schritte vom Erzabbau bis zur Metallprodukti-

Bezeichnung Mitterberg umschreibt heute ein prähistorisches

on präsentieren. Nach jahrzehntelanger Forschung wissen wir

Bergbaugebiet, das sich von Mühlbach am Hochkönig über

nun vor allem über die Kupfergewinnung der mittleren und spä-

Bischofshofen bis St. Johann im Pongau erstreckt hat. Richard

ten Bronzezeit, in der in erster Linie Kupferkies genutzt wurde,

Pittioni ist es zu verdanken, dass zahlreiche weitere bedeutende

besonders gut Bescheid. In der frühen und späten Bronzezeit

Bergbaureviere in den Ost- und Südalpen von Ernst Preuschen,

wurde hingegen auch Fahlerz abgebaut und verhüttet.4

der gemeinsam mit Karl Zschocke den prähistorischen Berg-

Kupfererzlagerstätten, die in prähistorischer Zeit ausgebeutet

bau am Mitterberg berühmt machte, entdeckt wurden – z. B. im

wurden, sind insbesondere durch die Abraumhalden mit charak-

Trentino, in Tirol und in der Steiermark. Ab den frühen 1990erJahren wurde die interdisziplinäre Erforschung der prähistori-

3

Vgl. die Beiträge mit umfassenden Literaturangaben zu den For­ schungsergebnissen in Österreich, der Schweiz und Italien im Sam­ melband von Stöllner/Oeggl 2015.

4

Eibner 1982; zahlreiche Beiträge in Stöllner/Oeggl 2015, z. B. Han­ ning/Herdits/Silvestri 2015 mit einer umfassenden Diskussion zum Verhüttungsprozess anhand von Experimenten und einem Überblick zur Frühphase der alpinen Kupferproduktion während des Äneolithi­ kums und der frühen Bronzezeit.

schen Kupfergewinnung in Tirol, Salzburg und Steiermark intensiviert, sodass heute umfassende Kenntnisse über Abbau, Erzaufbereitung und Erzverhüttung vorliegen. Die Blütezeit der Bergbauforschung in Niederösterreich setzte mit den Grabungsaktivitäten von Franz Hampl 1951 ein und wurde von Helga

173

7. Bergbau und Rohstoffe

teristischen Fundstücken wie Rillenschlegeln erkennbar. Pingen und Röschen – runde bis ovale oder grabenartige Vertiefungen im Gelände – zeigen die Lage der Abbaue an. Grundsätzlich kann es sich dabei um verstürzte Stollen von Untertageabbauen oder wieder verfüllte oberflächliche Abbaue handeln. Erstere können wie am Mitterberg in großer Tiefe liegen. Nach dem Abbau wurde das erzhaltige Gestein auf Unterlagsplatten mithilfe von Klopfsteinen mechanisch zerkleinert und das Erz vom tauben Nebengestein händisch bzw. auch mit Hilfe von Wasser abgesondert. Für diese Methoden der Erzaufbereitung sind die Begriffe Trocken- bzw. Nassaufbereitung geläufig. Die Rückstände lagerte man auf den sog. Scheidehalden ab. Das vom tauben Gestein getrennte Kupfererz wurde dann auf Verhüttungsplätzen zu Kupferstein weiterverarbeitet. Dies ist mittlerweile durch zahlreiche mittel- und spätbronzezeitliche Verhüttungsplätze in den Ostalpen bekannt.5 Das Ziel des mehrstufigen Verhüttungsprozesses war die Trennung des Kupfers von den weiteren Bestandteilen des Erzes, wie Schwefel und Eisen. Benötigt wurden dafür ein Brennstoff – Holz oder Holzkohle – und Quarz, der als Ganggestein in den Lagerstätten vorhanden ist. Die ostalpinen, meist in Hanglage und in Wassernähe errichteten Verhüttungsplätze weisen eine charakteristische Bauweise auf: Auf zwei Arbeitspodien wurden zumindest ein Röstbett und zwei nebeneinander in den Hang gebaute Schachtöfen, eine sogenannte Doppelofenanlage, errichtet (Abb. 07_02). In dem rechteckigen, mit Steinen umstellten, teilweise auch mit flachen Steinen gepflasterten und mit Lehm ausgekleideten Röstbett wurde das Erz mit frischem Holz bei relativ niedrigen Temperaturen (600–900 °C) erhitzt, um seinen Schwefelgehalt zu verringern. Im nächsten Arbeitsschritt schichtete man das Röstgut in

Abb. 07_02. Charakteristische Doppelofenanlage und Röstbett, Kupferschmelzplatz S1, Eisenerzer Ramsau, Steiermark (mittlere bis späte Bronzezeit) (Foto: S. Klemm).

abwechselnden Lagen von Holz oder Holzkohle in den aus Steinen aufgebauten, ca. 1 m hohen Schachtofen. Eine Temperatur

dicken, plattigen Schlacke bestehen können, und dünne Platten-

von 1.100–max. 1.300 °C wurde mithilfe eines Gebläses, dessen

schlacken.6 Da die Schlackenkuchen noch einen hohen Kupfer-

Düsen durch die Vordermauer oder Ofenbrust gesteckt wurden,

gehalt aufweisen können, wurden sie mancherorts besonders

erreicht. In Düsennähe reagiert das Eisen aus dem Erz mit dem

stark zerkleinert und die kupferhaltigen Teile auch mithilfe von

Quarz aus dem Ganggestein und bildet eine eisen- und silikatrei-

Nassaufbereitung ausgesondert. Auf den Halden findet sich

che Schlacke in Form annähernd runder Schlackenkuchen. Der

dann kleinkörniger, scharfkantiger Schlackensand.7 Das Abfall-

Kupferstein (Cu2S) sammelt sich aufgrund seiner hohen Dichte

produkt, die Kupferschlacken, warf man auf Halde (Abb. 07_04).

unterhalb der Schlacke auf der Ofensohle (Abb. 07_03).

Nach dem Abkühlen des Ofens brach man diesen an der sepa-

6

Zur Typologie und Analysen von prähistorischen Kupferschlacken vgl. auch Kraus/Klemm/Pernicka 2015, Kraus/Schröder/Klemm et al. 2015 sowie Doonan/Klemm/Ottaway et al. 1996. Eine umfassende Studie zu den Verhüttungsschlacken vom Kupferschmelzplatz S1 in der Eisenerzer Ramsau, Steiermark, von S. Kraus und E. Pernicka, wird in der Monografie zum bronzezeitlichen Kupferschmelzplatz S1, herausgegeben von S. Klemm, erscheinen.

7

Schlackensand kommt auf spätbronzezeitlichen Verhüttungsplätzen im Trentino, Italien, häufig vor (Silvestri/Hauptmann/Bellintani et al. 2015). Vgl. auch Fundstellen in Nordtirol (Goldenberg 2015), derzeit noch selten in den Eisenerzer Alpen, vgl. Klemm 2003, 80 (FP 67404.034).

rat aufgemauerten Vorderwand – der sog. Ofenbrust – auf, entnahm die erstarrten Verhüttungsprodukte und zerkleinerte sie mechanisch, um kupferreiche Anteile auszusondern. Man unterscheidet Schlackenkuchen, die aus einer groben, blasigen Schlacke bzw. verbunden mit einer bis zu einigen Zentimetern 5

174

Z. B. Presslinger/Eibner C. 1993, Goldenberg 2015, Klemm 2015a und Klemm 2015b.

7.1 Prähistorische Kupfergewinnung

Abb. 07_03. Vereinfachte Darstellung des bronzezeitlichen Verhüttungsvorgangs (Grafik: E. Hanning).

Nach wie vor ist unklar, wie oft die ersten Prozessschritte des Verhüttungsprozesses – das Rösten und das Schmelzen – wiederholt wurden. Alleine die regelhafte Anordnung zweier Schachtöfen unterhalb eines Röstbetts spricht für mehrmalige Röst- und Schmelzvorgänge. Der im Schmelzofen produzierte Kupferstein wird in einem offenen Herd, z. B. in Form einer Grube, geschmolzen. Das Kupfer sinkt zu Boden und darüber verbleibt eine Schicht aus Kupferstein, der sogenannte Dünnstein. Der Rückstand dieses Prozessschritts, der sog. Raffination, ist vor allem die bereits erwähnte dünne Plattenschlacke. Schwarzkupfer bzw. metallisches Kupfer werden äußerst selten auf Verhüttungsplätzen gefunden. Analysen der im alpinen Vorland, in oft größerer Entfernung von den Verhüttungszentren entdeckten plankonvexen Gusskuchen zeigen, dass diese durch das Zusammenschmelzen oder Legieren

Abb. 07_04. Schlackenhalde, Halde 2, Kupferschmelzplatz S1, Eisenerzer Ramsau, Steiermark (Foto: S. Klemm).

mehrerer Stücke chemisch verändert sind. Ob diese Gusskuchen auf den Verhüttungsplätzen oder ausschließlich in Siedlungen

immer wieder angetroffen werden, ist anzunehmen, dass diese

hergestellt wurden, muss offen bleiben. Das Abfallprodukt der

abschließenden Prozessschritte sowie die Weiterverarbeitung

Raffination, dünne Plattenschlacke von ca. 2–5 mm Dicke und

zu Bronze vorzugsweise in Siedlungen stattfanden.8

mit aufgebogenem Rand, ist jedoch auf den meisten Verhüttungsplätzen im ostalpinen Raum verschwindend gering. Da dünne Plattenschlacken aber in Siedlungen in den Bergbauregionen

8

Z. B. Eibner 1982; Hanning/Herdits/Silvestri 2015 mit umfassender Literatur; Klemm 2015a und 2015b; Kraus/Klemm/Pernicka 2015 und Kraus/Schröder/Klemm et al. 2015.

175

7. Bergbau und Rohstoffe

7.1.2 Prospektion und naturwissenschaftliche Methoden Kupferverhüttungsplätze, so auch in Niederösterreich, hat man meist aufgrund der mehr oder minder ausgedehnten Schlackenhalden entdeckt. Schlackenhalden fallen im Gelände nicht nur durch die Anhäufung der Schlacken, sondern oft durch fehlenden oder aber charakteristischen Bewuchs wie Moose, den Gewöhnlichen Stern-Steinbrech, den Kleinen Sauerampfer oder die Weiße Klatschblume auf (Abb. 07_05).9 Da sich diese montanarchäologischen Fundstellen meist in Wassernähe befinden, ist die Suche nach Schlacken in Bächen oder kleineren Wasseraustritten oft erfolgreich. Weitere Charakteristika sind die Hanglage und die Errichtung einer künstlichen Plattform mit zwei Arbeitspodien. Mittels geophysikalischer Prospektionsmethoden, Geomagnetik und Geoelektrik, die insbesondere Georg Walach seit der Mitte der 1970er-Jahre in den Eisenerzer Alpen und im Paltental in der Steiermark erfolgreich anwandte, lässt sich das Ausmaß dieser Fundstellen erfassen. Bei idealen Erhaltungsbedingungen werden mithilfe der geomagnetischen Prospektionsmethode das durch Hitzeeinwirkung magnetisierte Baumaterial, Lehm und Steine, von Röstbetten und Schachtöfen und Schlackenanreicherungen geortet.10 Die letzte Magnetisierung von gebranntem Lehm und erhitzten Stei-

Abb. 07_05. Schlackenhalde mit Bewuchsmerkmalen (Moose), Eisenerzer Ramsau, Steiermark (Foto: S. Klemm).

nen nutzt man auch für die Anwendung der archäomagnetischen Datierungsmethode.11

die verwendeten Holzarten während des Röstens und Schmel-

Da gut datierbare archäologische Funde wie aussagekräftige

zens zu machen. Ergebnisse vom Kupferschmelzplatz S1 in der

Siedlungskeramik und Metallobjekte äußerst selten sind, setzt

Eisenerzer Ramsau lassen den Schluss zu, dass das Holz aus der

man naturwissenschaftliche Methoden zur Altersbestimmung

nächsten Umgebung des Verhüttungsplatzes stammte.13

ein – vor allem Archäomagnetik, die Radiokarbonmethode (14C-Datierung) und die Dendrochronologie.12 Die Schlackenhalden bergen in den schlackenreichen Schichten Baumaterial von Schmelzöfen wie gebrannten oder auch verschlackten Lehm von der Innenauskleidung der Schmelzöfen, verschlackte Ofensteine von Reparaturphasen der Öfen bzw. der

7.1.3 Urgeschichtliche Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich

am Ende des Schmelzprozesses abgerissenen Ofenbrust, Asche

Auf Basis der Forschungen und Fundmeldungen von Franz Hampl,

und Holzkohlestücke. Die botanische – anthrakologische – Be-

Robert J. Mayrhofer, Helga Kerchler, Michael Puhr, Brigitte Cech,

stimmung der Holzkohlestücke erlaubt es uns, Aussagen über

Peter Trebsche, Michael Hackenberg, Wolfgang Haider-Berky und

9

schen Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich. Das

Z. B. in den Eisenerzer Alpen: Moose u. a. in der Eisenerzer Ramsau, vgl. Emmerer/Steinlechner/Trinkaus et al. 2003; die Weiße Klatschblu­ me in Johnsbach, vgl. Klemm 2003, 80 (FP 67404.034).

10 Z. B. Fundplatz Versunkene Kirche, St. Lorenzen bei Trieben, Steiermark: umfassende Literatur in Klemm 2003, 90; Presslinger/ Eibner 1993.

anderen ergibt sich heute ein umfassendes Bild der prähistorierlaubt es uns, die zahlreichen Entdeckungen und Grabungsbefunde mit den Forschungsergebnissen der vergangenen Jahrzehnte aus anderen Regionen der Ost- und Südalpen bzw. der

11 Aidona/Scholger/Mauritsch et al. 2006; Schnepp/Lanos 2006.

Zentralalpen zu vergleichen und zu bewerten.14

12 Klemm 2015a und 2015b; Auf dem Kupferschmelzplatz S1 konnten die wenigen Holzkohlestücke mit ausreichender Zahl an Jahresringen leider nicht datiert werden. Zur ersten Serie von Radiokarbondaten in Niederösterreich siehe Trebsche 2015b.

13 Nelle/Klemm 2010.

176

14 Vgl. Stöllner/Oeggl 2015.

7.1 Prähistorische Kupfergewinnung

Abb. 07_06. Verbreitungskarte der Kupfervorkommen und der prähistorischen Kupferbergbaureviere in Niederösterreich: 1. Prein-Breitenstein – 2. GroßauKleinau – 3. Kaiserbrunn-Höllental – 4. Payerbach-Grillenberg – 5. PrigglitzGasteil – 6. Sieding – 7. Gadenweith – 8. Schrattenbach-Stixenstein – 9. Flatz – 10. Hafning-Kulm (Grafik: S. Klemm/J. Klammer © Susanne Klemm; Kartengrundlage: DGM Österreich: geoland.at; Gewässerlinien: Geofabrik GmbH/OpenStreetMap contributors).

Die Landschaft Im äußersten Südosten Niederösterreichs – in dem Gebiet, das von Rax, Schneeberg, Hoher Wand, Semmering und Wechsel sowie der Buckligen Welt geografisch umschrieben wird – befinden sich jene Kupfervorkommen, die nachweislich in prähistorischer Zeit und seit der frühen Neuzeit vom Menschen genutzt wurden. Dieses Mittelgebirge mit Höhen von rund 450–1.100 m bzw.

Die Kupfererzvorkommen und deren geologische Voraussetzun-

ca. 1.300 m über Adria wird von Nordwesten bis Südwesten von

gen, die Verbreitung der bis dato bekannten montanarchäologi-

dessen höchsten Bergen, Rax (Heukuppe 2.007 müA), Schnee-

schen Fundstellen und die Landschaftsform des Mittelgebirges

berg (Klosterwappen 2.076 müA), Sonnwendstein (1.523 müA)

waren Anlass, die Fundstellen in einzelne kleine Bergbaureviere

und Hochwechsel (1.743 müA) begrenzt. Die wichtigsten Über-

zusammenzufassen. Ein Zusammenschluss in Großreviere, wie

gänge nach Westen in das steirische Gebiet sind das Preiner

zum Beispiel der Kleinreviere 1–3, bleibt zukünftigen Forschun-

Gscheid (1.070 müA), der Semmering-Pass (984 müA) und der

gen vorbehalten (Abb. 07_06).

Feistritzsattel (1.290 müA) (Abb. 07_07). 177

7. Bergbau und Rohstoffe

Mesozoikum.15 Unsere Kenntnis über die Kupfererzlagerstätten verdanken wir vielfach neuzeitlichen Bergbauaktivitäten, insbesondere dem intensiven Abbau von Eisenerzen. Es ist anzunehmen, dass diese den älteren Bergbau zerstörten oder auch nur überprägten. Die Kupfererzvorkommen – Kupfersulfide, in erster Linie Kupferkies, aber auch Fahlerz, selten gediegen Kupfer – sind im nördlichen Teil des Arbeitsgebiets, der Grauwackenzone und der Kalkalpenbasis, an die Spateisensteinvererzungen (Sideritvererzungen) gebunden. Arsen- und Antimongehalte sind charakteristisch für die Kupferkiesvorkommen der östlichen Grauwackenzone.16 Bei den Kupfervorkommen handelt es sich um Gangvererzungen mit Quarz als Gangart. In dieser Zone befinden sich beinahe alle prähistorischen Bergbaureviere (siehe Abb. 07_6, Revier Nr. 1–9). Abb. 07_07. Rax und Schneeberg, Blick vom Pinkenkogel/Semmering bzw. Südosten: Im Bild Mitte rechts der Eichberg-Kreuzberg-Zug, am Fuß der Rax liegt das Revier Nr. 3 Großau-Kleinau, südlich davon das Revier Nr. 1 Prein-Breitenstein. Nordöstlich im Höllental befindet sich das Revier Nr. 3 Kaiser­ brunn-Höllental (Foto: S. Klemm).

Eine mineralogisch außergewöhnliche Kupfervererzung im Bereich des Orthoriebeckitgneises steht im Gebiet zwischen Schwarza und dem Heidbach bzw. Auebach nordwestlich des Schlosses von Gloggnitz, im Gebiet des Eichberg-KreuzbergZugs, an (siehe Abb. 07_6).17 Im westlichen Teil der Buckligen Welt südlich von Neunkirchen

Im Südosten schließt das Hügelland der Buckligen Welt an. Süd-

befinden sich im Bereich des Kulms bei Hafning Kupferkiesvor-

lich des Gebirgszugs der Hohen Wand (Große Kanzel 1.052 müA)

kommen im Hüllschiefer der Grobgneisserie des Zentralalpins

befinden sich das Becken der Neuen Welt und die ihm vorge-

(siehe Abb. 07_6, Revier Nr.  10). Anzumerken ist, dass Kupfer-

lagerten Fischauer Vorberge. Diese bilden den Nordwestrand

kies auch am Schlossberg von Pitten, wo der größte Bergbau –

des südlichsten Teils des Wiener Beckens, während die Ausläu-

ein historischer Eisenbergbau – nachgewiesen ist, anstand.18

fer des Mittelgebirges mit Höhen zwischen 600 und 800 m den

Aus dem südlichen Teil, dem Semmering-/Wechselgebiet,

Westrand des südlichen Wiener Beckens begrenzen.

gleichfalls im Zentralalpin gelegen, gibt es bisher keinen Nach-

Das nördliche Gebiet, das Rax-/Schneeberg- und Semmering-

weis einer prähistorischen Kupfergewinnung, auch wenn diese

gebiet, reicht im Süden bis zum Heidbach bzw. Auebach. Es wird

aufgrund der Kupfervorkommen und vereinzelter prähistorischer

von der Schwarza – die vom Preiner Bach, dem Sierningbach,

Funde nicht auszuschließen ist. Am Westrand des südlichen Ge-

dem Heidbach bzw. Auebach und anderen Zuflüssen gespeist

biets ist nur die Kupfererzlagerstätte von Trattenbach (Thaler-

wird – entwässert. Der südliche Teil, das Wechselgebiet und der

graben und Kiengraben) mit dem Bergbau aus dem 16.–20. Jh.

westliche Teil der Buckligen Welt, wird von der Feistritz und ihren

von historischer Bedeutung. Zudem sind Schurfe aus der Mitte

Zuflüssen bzw. der Pitten und ihren Nebenbächen entwässert.

des 16. Jh.s von Ottenbach und dem Fröschnitzeck sowie historische Nachrichten von einem Kupferbergbau am Sonnwendstein

Die Kupfervorkommen

aus dem 16. bis Anfang des 17. Jh.s bekannt. Im 20. Jh. wurden

Im Gegensatz zu anderen Regionen der Ostalpen handelt es

am Kleinkogel-Göstritzgraben Kupferkies u. a. abgebaut.19

sich im südöstlichen Niederösterreich meist um kleinere Kupfervorkommen. Sie sind verschiedenen geologischen Einheiten zuzuordnen und befinden sich in unterschiedlichen geologisch-stratigrafischen Positionen. Die Kupfererzlagerstätten im nördlichen Gebiet, dem Rax-, Schneeberg- und Semmeringgebiet, gehören der Grauwackenzone des ostalpinen Paläozoikums sowie der Kalkalpenbasis der Nördlichen Kalkalpen des ostalpinen Mesozoikums an. Jene im südlichen Gebiet, dem Semmering-/Wechselgebiet und dem westlichen Teil der Buckligen Welt, liegen im zentralalpinen Kristallin und dem Permo178

15 Heinrich 2006, 283–288, Tab. 18. Die Kartierung der gesicherten und ungesicherten Kupfererzvorkommen auf Abb. 07_06 basiert auf Hackenberg 2003. 16 Hampl/Mayrhofer 1958, insbes. 46–51; Mayrhofer 1953. 17 Hackenberg 2003, 53–54, Nr. 69. 18 Hackenberg 2003, 58–60, Nr. 77; Geologischer Bergbau- und Haldenkataster der GBA Wien, ÖK 50/106. 19 Bergbau- und Haldenkataster der GBA in Wien, Blatt 105/2017.

7.1 Prähistorische Kupfergewinnung

7.1.4 Archäologische Forschungen und Ergebnisse – die Bergbaureviere Mittlerweile sind rund 50 Fundstellen in der Region bekannt, die in klarem Zusammenhang mit dem Bergbau und der Erzverhüttung stehen. Gasteil-Sandriegel (Prigglitz I/Cu) im Revier Prigglitz-Gasteil ist die einzige Fundstelle mit Nachweisen zur gesamten Produktionskette – Bergbau, Erzaufbereitung, Verhüttung und Weiterverarbeitung bis zur Produktion von Bronzegegenständen (Revier Nr.  5) (siehe Pkte. 7.2.2 und 7.2.3). Unsere Kenntnisse über die Kupfergewinnung in Niederösterreich beziehen wir jedoch vor allem von Schlackenfundplätzen bzw. Schlackenhalden oder Schmelzplätzen, deren Ausgrabungen entsprechende Befunde ergaben.

Exkurs: Montanarchäologische Forschungen in Niederösterreich Erste Hinweise auf eine prähistorische Kupfergewinnung in Niederösterreich sind dem Offizier Franz Mühlhofer zu verdanken, der in den Jahren 1935 bis 1937 auf der Höhensiedlung Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg Grabungen durchführte. Neben zahlreichen anderen Funden wurden auch Gusskuchen, diverse Kupferschlacken, darunter dünne Plattenschlacken, sowie Unterlagsplatten, Klopfsteine und ein Rillenschlegel geborgen.20 Mühlhofers Suche nach prähistorischen Bergbauen im Gebiet der Hohen Wand blieb allerdings

Abb. 07_08. Die Schlackenhalde Prein VII/Cu, 1953 (Foto: F. Hampl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

erfolglos. Bis heute gibt es keinen gesicherten Nachweis prähistorischer Kupfergewinnung am Südfuß der Hohen Wand; öst-

Zusammenarbeit bezog auch weitere Wissenschaftsrichtungen

lich von Grünbach am Schneeberg und in Willendorf (Rothen-

mit ein: die geophysikalische Prospektion von Lagerstätten,

grub-Zweierwald) sind allerdings Kupfervorkommen bekannt

archäobotanische und archäozoologische Untersuchungen so-

(siehe Abb. 07_06).21

wie Spektralanalysen von Erz- und Kupfersteinproben.23

Im Jahr 1951 begann eine intensive montanarchäologische For-

Anlass zu den Begehungen und Grabungen war eine Fundmel-

schungstätigkeit mit den Untersuchungen von F. Hampl, Leiter

dung im Sommer 1951 von Johann Danzer, Volksschullehrer

der Urgeschichtlichen Sammlung des Niederösterreichischen

in Prein a. d. Rax, der 1938 in Prein beim Bau der Straße vom

Landesmuseums in Wien, gemeinsam mit R. J. Mayrhofer, Geo-

Preinerhof in den Eselbachgraben24 gemeinsam mit einem

loge und Konsiliar des Landesmuseums. Prähistorische Kupferschmelzplätze und solche Fundstellen, die man aufgrund der Befunde nur als Kupferschlackenfundplätze oder Kupferschlackenhalden ansprechen kann, sowie mittelalterliche Eisenschmelzplätze wurden aufgenommen und teilweise durch Grabungen untersucht (Abb. 07_08).22 Die interdisziplinäre 20 Mühlhofer 1952, 82. 21 Geologischer Bergbau- und Haldenkataster der GBA Wien, ÖK 75/1003. 22 Vgl. die umfassende Literatur insbes. Hampl 1953, 1963, 1976; Hampl/ Mayrhofer 1958 und Mayrhofer/Hampl 1958. Die Klassifikation und Be­ nennung der Fundstellenarten folgt jener in Klemm 2003, insbes. 19–20.

23 Prein VII/Cu (Geophysik): Hampl/Mayrhofer 1963, 92, Abb. 10; Hampl/ Fritsch 1959. Andere Disziplinen: Hampl/Mayrhofer 1963, 62, Anm. 12 (Archäobotanik, F. Brandtner); 69–70 (Archäozoologie, E. Thenius); Mayrhofer 1953, 91–95 (Spektralanalysen, E. Schroll). 24 Irrtümlich wurde in manchen Publikationen und Berichten die Schreib­ weise „Edelbachgraben“ verwendet. Dies beruht auf einem Tippfehler, wie die Einsichtnahme in historische und aktuelle Karten bestätigt. Seit der Dritten Landesaufnahme (= Franzisco-Josephinische Landes­ aufnahme) 1876/1877 bis zur aktuellen ÖK 1:50.000, NL 33-02-12 Mürzzuschlag, wurde die Bezeichnung Eselbachgraben verwendet, mit der Ausnahme der Ausgaben der ÖK 1:50.000 aus den Jahren 1946 und 1974, die der Ausgabe 1930–1933 folgt, wo die Bezeichnungen Möselbach Graben bzw. Möselbachgraben aufscheinen. Die Korrektur erfolgte 1978 (freundliche Mitteilung T. Knoll, BEV - Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Abteilung Kartographie, Archiv).

179

7. Bergbau und Rohstoffe

urnenfelderzeitlichen Bronzemesser auch einige grün patinierte Schlacken gefunden hatte. Es folgte bis 1953 eine intensive Forschungstätigkeit mit Begehungen und Grabungen in Prein im Umkreis des Eselbachgrabens und eine Untersuchung des von E. Preuschen im Jahr 1948 entdeckten Fundplatzes StixensteinSiebentannen  I/Cu. Ab 1954 wurden weitere Begehungen und Dokumentationen von Fundstellen am Südhang der Rax im Gebiet von Kleinau, Großau, Thonberg/Hirschwang und von einem Schlackenfund im Krummbachgraben östlich von Kaiserbrunn im Höllental durchgeführt. In den Jahren 1955 bis 1959 fanden umfassende Forschungen auf der Bergbausiedlung in Prigglitz-Gasteil statt, 1959 kleine Grabungen in Payerbach am Grillenberg. Der von Ernst Katzer 1959 entdeckte Schlackenfundplatz am Nordfuß der Hohen Wand, wo gleichfalls 1959 F. Hampl eine kleine Untersuchung durchführte, dürfte neuzeitlich sein.25

Bergbaureviere Prein-Breitenstein, Kleinau-Großau und Höllental-Kaiserbrunn Fundstellen der Erzverhüttung werden in erster Linie anhand von Schlackenfunden und anderen Verhüttungsresten wie dem Baumaterial der Schmelzöfen entdeckt, wie auch die Fundstellen am Südfuß der Rax, in Prein und im Höllental. Aus dem Revier Prein-Breitenstein südlich des Preiner Bachs sind acht Fundstellen der Kupfererzverhüttung bekannt (Revier Nr.  1), vom Südfuß der Rax aus dem Revier Kleinau-Großau (Revier Nr. 2) sechs weitere Fundstellen. Die Fundstellen befinden sich im Revier Kleinau-Großau mit rund 840–1.030 müA in deutlich höherer Lage als im Revier Prein-Breitenstein mit 680–820 müA und anderen Bergbaurevieren. Die Hanglage und ihre Nähe zu Wasserläufen oder Quellaustritten sind auch in anderen Regionen der

Abb. 07_09. Fragment eines Gebläsetopfs von Prein II/Cu. Zur Befestigung des Blas­ balgs befinden sich Löcher knapp unterhalb des Rands wie im Bild recht (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Ostalpen charakteristisch für diese Fundstellenart.26 Die Halden enthielten typische Ablagerungen von Schlacke, Die wiederholt vom Straßenbau angeschnittenen Fundstellen

Ofenresten, Holzkohle und Bruchstücken von technischer Kera-

in Prein (Revier Prein-Breitenstein, Revier Nr. 1) zeigten Auf-

mik und Siedlungskeramik sowie zum Teil grün patinierter Tier-

schlüsse der Schlackenhalden, wie sie dann auch durch die Gra-

knochen, teilweise auch in mehreren Schichten.

bungen von F. Hampl auf den Fundstellen Prein I/Cu, Prein II/Cu,

Das Alter aller prähistorischen Fundstellen der Kupfererzverhüt-

Prein  V/Cu und Prein  VII/Cu nachgewiesen werden konnten.27

tung in der Region wurde lange Zeit anhand der wenigen Metallobjekte und der Siedlungskeramik allgemein Ha  A und Ha  B

25 Hampl 1953; Hampl/Mayrhofer 1963, 77, Tab. 1: Fundstelle Peisching I/Cu mit dünner Plattenschlacke und neuzeitlicher Keramik: Schlackenhalden mit ausschließlich dünnen Plattenschlacken sind charakteris­ tisch für neuzeitliche Kupfererzverhüttung. Mayrhofer/Hampl 1958, Tab. 1.

zugeordnet. Dies ließ sich jedoch durch neue Radiokarbon-

26 Z. B. aus den Eisenerzer Alpen, vgl. Klemm 2003.

900  v. Chr., während die Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil

27 Auf den Fundstellen Prein I/Cu, VII/Cu und Prigglitz/Cu wurden in historischer Zeit Holzkohlemeiler errichtet, erkennbar anhand der Holzkohleschichten und der Keramikfunde. Vgl. dazu Befunde aus den Eisenerzer Alpen, insbesondere der Eisenerzer Ramsau in Klemm 2003; Klemm/Nelle/Grabner et al. 2005; Klemm 2011; Klemm 2012; Klemm 2015c.

180

datierungen von Holzkohlen und der typologischen Analyse der wenigen Metallobjekte präzisieren.28 Der Kupferschmelzplatz Prein III/Cu datiert in die jüngere Urnenfelderzeit, in die Zeit um (Prigglitz I/Cu) wahrscheinlich vom Ende des 11. Jh.s v. Chr. bis zum Ende des 10. Jh.s v. Chr. bestand. 28 Trebsche 2015b.

7.1 Prähistorische Kupfergewinnung

Abb. 07_10. Tondüsenfragment vom unteren Teil eines Gebläsetopfs von Prein III/Cu (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Abb. 07_11. Der große Kupferschmelzplatz Prein III/Cu vor Beginn der Grabung 1953 (Foto: F. Hampl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Das Bronzemesser, ein Griffangelmesser, das 1938 nachweislich in der Holzkohleschicht eines frühneuzeitlichen Kohlplatzes29 gefunden wurde, datiert aller Wahrscheinlichkeit nach in die jüngere bis späte Urnenfelderzeit. Eine Untersuchung 1952 erbrachte einige Schlackenstücke einer prähistorischen Kupferverhüttung. Die Bronzenadel von der Fundstelle Prein  III/Cu, eine jüngere Rippenkopfnadel, ist ein Typ, der von der jüngeren Urnenfelderzeit bis in die ältere Hallstattzeit geläufig war. Die Siedlungskeramik von Prein II/Cu und III/Cu gehört den späteren Zeitabschnitten der Urnenfelderzeit an. Hingegen kann man die technische Keramik – Fragmente von Gebläsetöpfen und Ton-

Abb. 07_12. Grabung 1953 auf dem Kupferschmelzplatz Prein III/Cu (Foto: F. Hampl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

düsen, von denen immer wieder kleinere, selten größere Bruch-

schreibung nach in Aufbau und Größe beträchtlich von bisher

stücke gefunden wurden – nicht enger zeitlich einordnen. Sie

bekannten Befunden in den Ostalpen; Ofen 2 und Ofen 3 waren

sind funktional und entsprechen zum Beispiel Vergleichsstücken

nur in Resten vorhanden. Die Schmelzöfen der ostalpinen Ver-

von mittel- bis spätbronzezeitlichen Fundstellen aus der Steier-

hüttungsanlagen bestanden aus zwei nebeneinander liegenden,

mark (Abb. 07_09 und 07_10).30

aus Steinen und Lehm aufgebauten Schachtöfen. Diese waren

Erst die 1952 und 1953 durchgeführte Grabung auf dem mehr-

in den Hang gebaut; dadurch waren eine höhere Standfestig-

phasigen Schmelzplatz Prein III/Cu im Fuchsgraben ermöglichte

keit und vor allem eine Wärmeisolierung gewährleistet. Letzte-

die Aufdeckung von Befunden der Schmelzanlagen und zwei

res dürfte demnach auch hier der Fall gewesen sein, allerdings

Schlackenhalden. Auf diesem großen Kupferschmelzplatz wurde

wurde keine Doppelofenanlage beschrieben. Die experimentelle

die Arbeitsbühne künstlich eingeebnet, wie dies auch für ande-

Rekonstruktion31 der Schmelzöfen als frei stehende, aus Steinen

re Fundstellen dieser Art kennzeichnend ist. F. Hampl beschreibt

gemauerte Schachtöfen durch F. Hampl ist wohl als Anlehnung

neun unregelmäßig runde, ovale und trapezförmige Steinsetzun-

an den Typus der mittelalterlichen Rennöfen zu verstehen. Es

gen mit rot gebrannten Lehmflächen, die er aufgrund des Auf-

werden auch kleinere Mulden im anstehenden Lehm beschrie-

tretens von Rösterz als Röstbetten anspricht. Aus anderen Regi-

ben, der allerdings keine Rotfärbung aufwies. Bedauerlicher-

onen der Ostalpen sind ausschließlich rechteckige Röstanlagen

weise ist eine Interpretation dieses komplexen, mehrphasigen

bekannt. Auch die Reste von Ofen 1 unterscheiden sich der Be-

Fundplatzes aufgrund der damaligen Grabungs- und Dokumen-

29 Vgl. Anm. 28. 30 Vgl. Klemm 2004 (allerdings hier noch mit der damals vorläufigen Datierung in die Urnenfelderzeit; nach den neuen Ergebnissen datiert diese Verhüttungsanlage in die mittlere bis späte Bronzezeit, vgl. dazu Klemm 2015a und 2015b); Töchterle/Goldenberg/Schneider et al. 2013.

tationstechnik und des Fehlens genauer Entsprechungen aus anderen Gebieten nicht in gewünschtem Maße möglich. Es bleibt abzuwarten, ob der Erhaltungszustand bzw. die damalige 31 Hampl/Mayrhofer 1963, 90, Abb. Abb. 7 und 8.

181

7. Bergbau und Rohstoffe

Grabungstechnik maßgeblich sind oder aber ein chronologisches Phänomen vorliegt, da diese Anlage ein deutlich jüngeres Alter hat32 als die mittel- bis spätbronzezeitlichen (Bz  B–Bz  D) typischen ostalpinen Doppelofenanlagen (Abb. 07_11 und 07_12). R. Mayrhofer führte parallel zu den archäologischen Untersuchungen eine genaue geologische Prospektion durch. Vom Westhang des Fuchsgrabens auf 900 müA nennt er einen rezenten Schurfbau auf Brauneisenstein mit Halde, doch ist fraglich, ob man zur Zeit der urgeschichtlichen Kupferproduktion die nötige Tiefe erreicht hätte, um auf Kupfervererzungen zu stoßen. Geoelektrische Messungen quer zu dem von Prein VII/Cu zu Prein III/ Cu führenden Hohlweg ließen einen Tagbau oder einen beginnenden Stollenbau vermuten; dies konnte damals allerdings aus Zeitmangel nicht mehr durch Grabung geprüft werden.33 Westlich der Preiner Fundstellen gibt es im Hollersbachgraben Pingen, die jedoch auf einen frühneuzeitlichen Schurf auf Kupfer zurückgehen könnten. Für R. Mayrhofer war denkbar, dass eine

Abb. 07_13. Fladenartiger Schlackenkuchen, Prein II/Cu (Foto: N. Weigl, NÖ Landes­ sammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

kleine Menge Kupfererz vom Hollersbachgraben auf den Preiner Schmelzplätzen verhüttet wurde. Aufgrund der makroskopi-

gediegen Kupfer (Hirschwang  I/Cu (siehe Abb. 07_14).37 Diese

schen und spektralanalytischen Untersuchungen erschien ihm

waren in ein Schichtpaket aus feinem Quarzgrus unterschiedli-

jedoch eine Verhüttung von Kupfererzen der Lagerstätten am

cher Korngröße eingeschlossen, der als Rückstand einer Nass-

Südfuß der Rax (Revier Nr.  2) im Revier Prein-Breitenstein am

aufbereitung anzusehen ist. Auf der zweiten Fundstelle entdeck-

wahrscheinlichsten.34

te man 1967 beim Bau eines Fischbassins in 1–1,8 m Tiefe einen

Die prähistorischen Fundstellen des Reviers Kleinau-Großau35

Kupferschmelzkuchen.38 In sehr steilem Gelände am Schwarz-

(Revier Nr. 2) am Südfuß der Rax befinden sich in einem neuzeit-

kogel fand im Bereich der Schlackenhalde eine kleine Grabung

lichen Bergbaugebiet, das vom Schwarzkogel, dem Schendleck/

statt; vergeblich suchte man mit kleinen Schnitten auf einer

Schendlegg, Knappenberg, Kleinau, Hirschwang bis nach

plattformartigen Einebnung oberhalb der Halde nach den Röst-

Trautenberg und Thonhof reichte. Es gab neuzeitlichen Kupfer-

betten und Schmelzöfen.39 Über die weiteren prähistorischen

bergbau bzw. den Abbau von Kupfer im Zuge des intensiven

Schlackenfundplätze in diesem Revier gibt es keine näheren

Eisenbergbaus. Der Kupferabbau am Schendlegg war noch im

Informationen.

20. Jh. in Betrieb. Die Lagerstätten gehören der Kalkalpenbasis

Nördlich vom Revier Kleinau-Großau wurden im Höllental (Revier

wie der Grauwackenzone an.

36

Höllental-Kaiserbrunn, Revier Nr.  3), einem engen Tal zwischen

Zwei der sieben Fundstellen führen vor Augen, dass natürliche

Rax und Schneeberg, von dem keine Kupfervorkommen bekannt

Erosion, mächtige Überlagerungen durch Gehängeschutt sowie

sind, mehrere prähistorische, nicht näher datierbare Fundstellen

die mittelalterlichen und neuzeitlichen Bergbauaktivitäten äl-

mit Schlackenvorkommen entdeckt.40 Die Fundstellen des Reviers

tere Spuren verdeckt oder wohl auch zerstört haben. Dies wird

Höllental-Kaiserbrunn befinden sich im Talboden auf ca. 510–

nicht nur Verhüttungsplätze, sondern auch Bergbaue betroffen

530 müA, nur jene im Krummbachgraben östlich der Schwarza

haben. Unter einem völlig zerstörten mittelalterlichen Eisen-

liegt etwas höher auf ca. 560 müA. Einige der Fundstellen nahe

schmelzplatz fand man in 1,62 m Tiefe prähistorische Keramik-

der Schwarza waren bereits mehr oder minder stark durch den

bruchstücke, zwei Tierzähne, drei dünne Plattenschlacken, ei-

Straßenbau zerstört worden. 1959 dokumentierte F. Hampl die

nen Kupfertropfen und ein Gangtrum mit eingeschlossenem

Fundstelle im Krummbachgraben, 1974 dann H. Kerchler von der Universität Wien zwei weitere dieser Schlackenfundstellen; letz-

32 Zur Datierung siehe Trebsche 2015b, 44–47.

tere hatte Edith Bednarik aus Wiener Neustadt gemeldet. Eine

33 Hampl/Mayrhofer 1963, 55–56.

kleine Grabung am Ortsende von Kaiserbrunn deckte allerdings

34 Mayrhofer 1953; Zum Fuchsgrabenstollen siehe auch Hampl/ Mayrhofer 1963, 54.

37 Hampl/Mayrhofer 1963, 76.

35 Die Bezeichnung folgt den Kurzbenennungen von Hampl/Mayrhofer 1958, Tab. 1.

38 Hampl 1966–70, 74. 39 Hampl/Mayrhofer 1963, 53–54.

36 Hackenberg 2003, 32–37, Nr. 19–23; Heinrich 2006, 287, Tab. 18.

40 Vgl. die Angaben von Kerchler 1976, 96 und Cech/Walach 1994.

182

7.1 Prähistorische Kupfergewinnung

lediglich mehrere kleine Schlackenhaufen auf.41 Die geophysikalischen Vermessungen von zwei neu entdeckten Fundstellen durch B. Cech und G. Walach zeigten deutliche Anomalien, deren Interpretation allerdings aufgrund der Fundsituation ohne Grabung schwierig bleibt.42

Abb. 07_14. (a–c): Schlackenkuchenfragment, Prein VII/Cu – (a) Oberfläche – (b) LOM – (c) REM. (d–f): Plattenschlacke mit Rand, Hirschwang I/Cu – (d) Oberfläche – (e) LOM – (f ) REM. (g–i): Kupfertropfen, Hirschwang I/Cu – (g) Oberfläche – (h) LOM – (i) LOM polarisiertes Licht (Fotos: R. Haubner/S. Strobl, Technische Universität Wien).

Optisch zeigen die Fragmente eines Schlackenkuchens von

Exkurs: Schlacken – Abfall der Kupfererzverhüttung

Prein  VII/Cu, einer Plattenschlacke und eines Kupfertropfens

Grobe, blasige Kupferschlacken, von F. Hampl und R. Mayrhofer

das Schlackenkuchenfragment von Prein  VII/Cu einem frühen

aus Hirschwang  I/Cu bereits deutliche Unterschiede. Während

meist als klotzförmige oder Rohschlacke bezeichnet, ebenso

Prozessschritt der Kupfergewinnung entstammt, ist die homo-

wie fladenförmige, 2–3 cm dicke, grobe Schlacken enthalten

gen erstarrte Plattenschlacke von Hirschwang I/Cu – wie bereits

meist gut sichtbare Quarzstücke. Nur einige Millimeter dicke,

beschrieben – eher einer späteren Verarbeitungsstufe zuzuord-

sogenannte dünne Plattenschlacken sind im Vergleich zu den

nen. Kupfertropfen wie jener von Hirschwang I/Cu sind als End-

plattigen Schlacken, die mehrere Zentimeter dick sein können,

produkt der Kupfergewinnung anzusehen (Abb. 07_14).43

sehr homogen. In ähnlicher Form sind diese Schlackentypen

Das Schlackenkuchenfragment ist durch Kupferkorrosionspro-

in allen Kupfergewinnungszentren der Ost- und Südalpen zu

dukte grün gefärbt und vom Aufbau her sehr inhomogen (Abb.

finden; die Form der fladenförmigen Schlacken ist für das

07_14, a–c). Im Lichtmikroskop (LOM) ist eine vorwiegend aus

niederösterreichische

Glasphase bestehende Schlacke mit kleinen Kupfereinschlüs-

Kupferbergbaugebiet

kennzeichnend

(Abb. 07_13). Feinkörniger Schlackensand wird lediglich vom

sen zu erkennen. Die Aufnahme im Rasterelektronenmikroskop

Schlackenfundplatz im Klausgraben im Revier Prigglitz-Gasteil

(REM) zeigt Bereiche mit unterschiedlichen Anteilen an Magnetit

erwähnt.

(Fe3O4), die sich bei der Entnahme aus dem Ofen gebildet haben könnten.

41 Kerchler 1976, 96. 42 Cech/Walach 1995; vgl. Pap 1987.

43 Haubner/Strobl/Klemm et al. 2015; Haubner/Strobl/Klemm 2017.

183

7. Bergbau und Rohstoffe

Die dünne Plattenschlacke (Abb. 07_14, d–f) ist eine fayaliti-

Tüllenbeil (siehe Abb. 07_25/3) und ein kupferzeitliches Kupfer-

sche Schlacke, die homogen erstarrt ist. In einem gleichmäßigen

beil entdeckt.48

Grundgefüge aus groben Fayalitbalken und umgebender Glasphase mit eingelagertem, feinnadeligem Fayalit (Fe22+[SiO4]) wur-

Reviere Sieding und Gadenweith

den auch Einschlüsse aus Kupfer (Cu) und Kupfer-Eisen-Schwefel

In den 1970er-Jahren wurden sechs Schlackenfundplätze im Re-

(Cu-Fe-S) mit unterschiedlicher Zusammensetzung beobachtet.

vier Sieding (Revier Nr. 6) nachgewiesen, allerdings nicht näher

Der untersuchte Kupfertropfen (Abb. 07_14, g–i) ist oberfläch-

archäologisch untersucht.49 F. Hampl waren bereits einige Berg-

lich korrodiert. Ein Anschliff zeigt, dass im Kupfer noch fein-

bauspuren (Pingen) bekannt, deren Zeitstellung aber bis heute

körniges Kupfersulfid (Cu2S) vorliegt; daher kann man es als

nicht geklärt ist.50 Es gibt Erzvorkommen auf dem Florianikogel

Schwarzkupfer bezeichnen. Im polarisierten Licht sind die Kor-

(Bürg/Vöstenhof) und einen Eisenerzbergbau aus dem Anfang

rosionsprodukte Kupfer(I)-oxid (Cu2O, dunkelrot) und Malachit

des 20.  Jh.s im Ambachgraben, vormals Saubachgraben ge-

(Cu2[(OH)2|CO3], türkis) gut zu erkennen.

nannt.51 1973 nahm H. Kerchler drei weitere Fundstellen im Weiler Gadenweith (Revier Nr. 7) auf, die durch Wegebau angeschnitten worden waren. Die Fundstelle Gadenweith  I/Cu prä-

Revier Payerbach-Grillenberg

sentierte sich in typischer Hanglage mit einer ebenen Fläche, die

Auf dem Grillenberg wurde gleichfalls Kupfer im Rahmen des in-

in historischer Zeit als Kohlstätte genutzt wurde.52 Die Fundstel-

tensiven Eisenabbaus gewonnen.44 Eine einzige prähistorische

len beider Reviere können mangels aussagekräftiger Funde nur

Fundstelle – eine kleine, 0,20–0,25 m mächtige Schlackenhal-

als prähistorisch eingestuft werden. Im Raum Sieding liegen die

de – wurde im Revier Payerbach-Grillenberg (Revier Nr. 4) 1959

Schlackenfundplätze auf ca. 440–650 müA, während jene des

durch Grabung untersucht. Sie enthielt die typischen Kupfer-

Reviers Gadenweith zwischen 650–770 müA gefunden wurden.

schlacken, allerdings kaum Plattenschlacken. Die Suche nach

Reviere Schrattenbach-Stixenstein und Flatz

Röstbetten und Schmelzöfen blieb erfolglos.45

Den bereits 1948 von E. Preuschen entdeckten Schlackenfund-

Revier Prigglitz-Gasteil

platz Stixenstein-Siebentannen  I/Cu im Revier Schrattenbach-

Das von F. Hampl erstmals 1955 untersuchte Kupfergewinnungs-

Stixenstein (Revier Nr.  8) untersuchte F. Hampl 1953.53 Die

zentrum von Prigglitz-Gasteil (Revier Nr.  5) nordöstlich von

Fundmeldungen weiterer Schlackenfundplätze im Gebiet von

Payerbach geriet durch neue Aufschlüsse seit 1999 wieder ins

Schrattenbach und Flatz Mitte der 1980er-Jahre bzw. 1999 ver-

Blickfeld der archäologischen Forschung. Die Ausgrabungen von

danken wir dem Neunkircher Optiker W. Haider-Berky (Reviere

P. Trebsche auf der Fundstelle Prigglitz-Gasteil (Prigglitz  I/Cu)

Nr. 8 und 9).54 Auch sie befinden sich in einer mittleren Höhen-

in den Jahren 2010 bis 2014 bestätigten und erweiterten die

lage von etwa 600–760 müA und können zurzeit nur als prähis-

bisherigen Kenntnisse über die urnenfelderzeitliche Bergbau-

torisch eingestuft werden.

tätigkeit, die Bergbausiedlung und die dortigen metallurgischen und anderen handwerklichen Tätigkeiten (siehe Pkte. 7.2.2 und 7.2.3).

Revier Hafning-Kulm Im Raum Hafning, südlich von Neunkirchen, hatte M. Puhr in den

46

Die Lagerstätte mit Kupfer- und Eisenerzvorkommen nördlich

Jahren 1969 bis 1971 sechs Fundstellen entdeckt, von denen er

von Prigglitz, auf der Flur Sandriegel in Gasteil, wurde in prähis-

drei gemeinsam mit F. Hampl zum Teil ausgrub (Revier Nr. 10).55

torischer Zeit erstmals genutzt und durch mittelalter- und neu-

Einige der Fundmeldungen gingen auf Informationen von Grund-

zeitlichen Bergbau überprägt (Revier Nr.  5).

47

Im Klausgraben

nördlich von Gasteil-Sandriegel wurden nicht nur ein prähistorischer Schlackenfundplatz, die einzige Fundstelle dieser Art mit feinem Schlackensand, sondern auch ein spätbronzezeitliches 44 Hackenberg 2003, 25–29, Nr. 9. 45 Hampl/Mayrhofer 1963, 75–76. 46 Hampl/Mayrhofer 1963, 56–74; Pap 1987, 313, Tab. 1; Kühtreiber/ Trebsche 1999, 778–779; Kühtreiber/Trebsche 2001, 599–600; Trebsche/Pucher 2013; vgl. weitere Literatur im Beitrag Trebsche in diesem Band. 47 Hackenberg 2003, 30 Nr. 14; vgl. dazu auch Hackenberg 2003, 24, Nr. 3.

184

48 Hackenberg 2003, 13, Abb. Abb. 13; Hampl/Mayrhofer 1963, 74–75; Lang 2000; Hottwagner 2000. 49 Kerchler 1976, 95; Haider-Berky 1977, 352; Haider-Berky 2013, 113: Die Schlackenfundplätze mit der Bezeichnung Thann 1–3 entsprechen wohl den Fundstellen Sieding I/Cu–III/Cu von F. Hampl bzw. H. Kerchler (Hampl 1976, Tab. 1; Kerchler 1976, 95). 50 Hampl/Mayrhofer 1963, 54–56, 81–82. 51 Hackenberg 2003, 23–24, Nr. 2 und 4; Geologischer Bergbau- und Haldenkataster der GBA Wien, ÖK 50/105. 52 Kerchler 1976, 92–93. 53 Hampl 1953; Hampl/Mayrhofer 1963 77–78. 54 Haider 1977, 352; Haider-Berky 2013, 102, 113. 55 Hampl 1976, Tab. 1; Puhr 1972.

7.1 Prähistorische Kupfergewinnung

Abb. 07_15. Sogenannte Doppelschmelzgrube von Hafning I/Cu (nach Puhr 1972, Abb. 12).

Abb. 07_16. Bergbauspuren am Südabfall des Kohlbergs, östlich von Pottschach, digitales Höhenmodell (Grafik: S. Klemm/J. Klammer © Susanne Klemm; Kartengrundlage: Land NÖ).

besitzern zurück. Die Kupferkiesvorkommen dieses prähistori-

1973 folgten Untersuchungen von H. Kerchler.58 Sie stellte fest,

schen Kupferbergbaureviers liegen im Zentralalpin.

dass es sich bei den Fundstellen Hafning  III/Cu und IV/Cu um

Hervorzuheben sind die bisher einzigartigen Befunde von den

einen einzigen, großen, mehrphasigen Schmelzplatz handelt.

Fundstellen Hafning I/Cu, Hafning II/Cu und Kulm I/Cu. Es wur-

Sie beschreibt eine Arbeitsbühne direkt am Steilabfall zum Bach

den kleine Gruben mit einem Durchmesser von 0,15–0,17 m,

mit einer grubenartigen Eintiefung von 0,27 × 0,30 m und einer

bzw. 0,29–max.  0,35 m und mit seitlichen Kanälen aufge-

Tiefe von 0,13 m, die an der Grubensohle durch Hitzeeinwirkung

deckt. Auf der späturnenfelderzeitlichen Fundstelle56 Hafning I/

rot verfärbt war; ihre Funktion ist ungeklärt. Die Schlackenhalde

Cu lagen zwei gleich tiefe Gruben nebeneinander, während in

bzw. größere Teile davon dürften aufgrund der steilen Hanglage

Hafning II/Cu eine Grube deutlich tiefer als die andere war. Auf

abgerutscht sein. Eine charakteristische Schlackenhalde mit

der Fundstelle Kulm I/Cu gab es nur eine tiefe Grube; ein ehema-

11 m Länge und 4,5 m Breite sowie Ablagerungen von 0,20–0,30 m

liger Aufbau aus Steinen war bei keiner der Gruben erkennbar

Mächtigkeit wurde auf dem gleichfalls mehrphasigen Schmelz-

(Abb. 07_15).

platz Weibnitz II/Cu festgestellt; typisch war hier das Fehlen von

Strukturen, die man als Röstbetten ansprechen kann, fehlen.

Vegetation im Areal der Halde.

Ob die gefundenen, verschlackten Ofenwandteile als Hinweise ben. Fragmente von Tondüsen fehlen gleichfalls. Den Fund von

Gab es weitere prähistorische Bergbaureviere im südöstlichen Niederösterreich?

fladenförmigen Schlacken und Plattenschlacken hat man bei der

Nördlich von Gloggnitz bzw. östlich und südlich des Reviers

auf Schachtöfen angesehen werden können, muss offen blei-

Beschreibung der Fundstelle Hafning  I/Cu hervorgehoben. Es

Prigglitz-Gasteil (Revier Nr.  5) weisen Pingen unbekannter Zeit-

gibt keinen vergleichbaren Befund auf anderen Fundstellen prä-

stellung auf dem Kohlberg bei Pottschach, auf dem Silbersberg

historischer Kupfererzverhüttung in den Ostalpen. Denkbar ist,

nördlich von Gloggnitz und am Weißjacklberg gleichfalls auf

dass es sich bei diesen offenen Gruben um Nachweise des letz-

ehemalige – möglicherweise prähistorische – Bergbauaktivitäten

ten Schritts der Kupfergewinnung (Raffination) handeln könnte

hin; es gibt Kupferkies- und auch Fahlerzvorkommen.59 Diese

(siehe Abb. 07_03).57

Erze wurden im Stuppachgraben am Nordosthang des Silbersbergs vom 17.–20. Jh. geschürft.60 Archäologische Hinweise auf eine prähistorische Kupfergewinnung sind jedoch noch ausständig (Abb. 07_16).

56 Das Kegelhalsfragment auf Abb. 8 in Puhr 1972, 197 datiert aufgrund der geringen Größe des Kegelhalsgefäßes, der Gefäßform und der Ver­ zierung in die Spätphase der Urnenfelderzeit (Ha B3) vgl. Klemm 1992.

58 Kerchler 1976.

57 Puhr 1972.

60 Hackenberg 2003, 30–32, Nr. 15.

59 Hackenberg 2003, 29–30, Nr. 12, 13, 32, Nr. 16–18; vgl. Haider-Berky 2013, 107–108, mit Abb. 11–17.

185

7. Bergbau und Rohstoffe

Ein weiteres potenzielles Bergbaugebiet liegt westlich von

aus Kranichberg und Vöstenhof, das mittelbronzezeitliche

Gloggnitz zwischen Schwarza und Auebach im Bereich einer mi-

Gräberfeld von Pitten, die Grabfunde von Sieding, prähistori-

neralogisch außergewöhnlichen Kupfervererzung. In 50 m Ent-

sche Höhensiedlungen wie auf dem Schlossberg bei Pitten und

fernung von Pingen unbekannter Zeitstellung entdeckte man auf

auf dem Gfieder bei Ternitz könnten auf eine wesentlich längere

dem Ostabhang des Schafkogels ein Depot mit sieben Kupfer-

Nutzung der Kupfererzlagerstätten hinweisen.63

gusskuchen.61 Historische Kupferbergbaue sind vom 16.–20. Jh. aus Gloggnitz, Pettenbach und Eichberg, wo allerdings in erster Linie Magnesit gewonnen wurde, bekannt. Neolithische Kupferbeile vom Typus Altheim im Gebiet von Kranichberg südlich von Gloggnitz könnten ebenfalls als Hinweis für frühe Prospektion auf Kupfererze in der Region angesehen werden. Desgleichen könnte es im Nahbereich der Höhensiedlung Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg und der kupferzeitlichen Siedlung auf dem Hausstein bei Grünbach62 ein weiteres Bergbaurevier gegeben haben.

7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich (Peter Trebsche)

7.2.1 Regionale Siedlungsstrukturen

7.1.5 Ausblick

Bergbaulandschaft und ihre Einbettung in die Siedlungsstruk-

Das niederösterreichische Kupferbergbaugebiet beherbergt ein

zu skizzieren (Abb. 07_17) (siehe auch Abb. 07_06). Der natur-

großes Potenzial für zukünftige Forschungen. Viele Fragen blei-

räumlich vorgegebene Verkehrsweg im Untersuchungsgebiet ist

Man kann nur in Ansätzen versuchen, die urnenfelderzeitliche turen im südöstlichen Niederösterreich (Bezirk Neunkirchen)

ben bei den bisherigen Funden und Befunden zur Kupfererz-

das Flusstal der Schwarza, die vom engen Höllental zwischen

verhüttung, wie z. B. den Grabungsbefunden der Grabungen in

Rax und Schneeberg bis ins weite Steinfeld, den südlichsten

Prein  III/Cu oder in Hafning  I/Cu und II/Cu bzw. Kulm  I/Cu of-

Ausläufer des Wiener Beckens, fließt. An den Engstellen des

fen: Gab es die sogenannten Doppelofenanlagen auch in Nieder-

Schwarzatals liegen mehrere prähistorische Höhensiedlungen.

österreich? Unterscheidet sich die Bauweise von Schmelzöfen

An diesen Kontrollpunkten sind der Petersberg in Dunkelstein

und Röstbetten wirklich von jenen in der Steiermark, in Salzburg

(Abb. 07_17/13), der Gfieder in Ternitz (Abb. 07_17/10), der

und Tirol? Oder sind der Erhaltungszustand der Strukturen bzw.

mit einem massiven Abschnittswall befestigte Burgstall in Pott-

die Datierung der mehrphasigen Fundstelle von Prein III/Cu ver-

schach (Abb. 07_17/8) und vermutlich der Schafkogel in Heufeld

antwortlich für die heute noch offenen Fragen? Stehen die Be-

bei Gloggnitz (Abb. 07_17/4) situiert, die auch urnenfelderzeit-

funde von Hafning I und II/Cu sowie von Kulm I/Cu mit speziellen

liche Funde erbracht haben.64 Mit Ausnahme des Petersbergs,

Prozessschritten in Zusammenhang? Warum gibt es in Nieder-

wo primär die mittelalterliche Burg untersucht wurde, fanden an

österreich fladenartige Schlackenkuchen?

keinem Ort reguläre Ausgrabungen statt, weshalb genauere In-

Systematische Prospektion, insbesondere in Gebieten bekann-

formationen zur Art der Besiedlung und zur präzisen Datierung

ter Kupfererzlagerstätten wie in Trattenbach oder nördlich von

fehlen. Ein Zusammenhang der Höhensiedlungen mit der Auf-

Gloggnitz, ebenso wie systematische Ausgrabungen von Berg-

siedlung des Tals oder mit der Kontrolle des Bergbaus und da-

bauspuren und kleinen, gut erhaltenen Schmelzplätzen würden

mit des Kupferhandels liegt nahe, bleibt aber bis zu weiteren ar-

neue Erkenntnisse bringen. Offen bleibt auch die Frage nach der

chäologischen Untersuchungen unbewiesen.

Herkunft der Erze, die auf den Schmelzplätzen in den Kleinrevie-

In unmittelbarer Nähe des Burgstalls von Pottschach, der durch

ren Gadenweith, Schrattenbach-Stixenstein und Flatz verhüttet

einen bislang undatierten Abschnittswall befestigt ist, wur-

wurden.

de 1840 beim Bau der Südbahn ein späturnenfelderzeitliches

Ungeklärt sind zudem noch der Beginn und das Ende der prähistorischen Kupfergewinnung in der Region. Kupferzeitliche Siedlungen, Einzelfunde aus Kupfer, insbesondere Kupferbeile 61 Hackenberg 2003, 54, Nr. 70, Abb. 65 auf S. 53 als Schlacke bezeich­ net, vgl. dazu Lang 2001. 62 Daim/Ruttkay 1981.

186

63 Z. B. Lang 1998 und 1999; Hottwagner 2000; Hausstein bei Grünbach: Daim/Ruttkay 1981; Gräberfeld in Pitten: Benkovsky 1991. 64 Petersberg: Kühtreiber 1995; Gfieder: Schwammenhöfer 1988, Nr. 77; Burgstall: Hrodegh 1918; Schwammenhöfer 1988, Nr. 56; Haider 1990b; Schafkogel: Lang 2001.

7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich

Gräberfeld entdeckt (Abb. 07_17/9).65 Die Flachlandsiedlungen befanden sich vermutlich am Talboden, z. B. im St. Johann im Sierningtal am Fuß des Gfieders.66 Durch Ausgrabungen bekannt sind zwei späturnenfelderzeitliche/frühhallstattzeitliche Siedlungen am Hauptplatz in Neunkirchen67 (Abb. 07_17/14) und in Urschendorf bei St. Egyden am Steinfeld68 (Abb. 07_17/19). Eine eigene Siedlungskammer bilden das Gebiet südlich der Hohen Wand und die Neue Welt zwischen der Hohen Wand

Abb. 07_17. Urnenfelderzeitliche Fundstellen in Zusammenhang mit dem Bergbau im südöstlichen Niederösterreich: 1. Großau – 2. Prein an der Rax – 3. Kammerwandgrotte – 4. Schafkogel – 5. Prigglitz-Gasteil – 6. Weißjacklberg – 7. Kohlberg – 8. PottschachBurgstallberg – 9. Pottschach – 10. Ternitz-Gfieder – 11. St. JohannGfiederäcker – 12. Mahrersdorf – 13. Dunkelstein-Petersberg – 14. Neunkirchen-Hauptplatz – 15. Neunkirchen-Klosteräcker – 16. Grünbach am Schneeberg Am Gelände – 17. Rothengrub – 18. Kienberg – 19. Urschendorf (Grafik: P. Trebsche; nach Hampl 1976; Kerchler 1976; Cech/Walach 1995; Haider-Berky 2013; Kartengrundlage: Österreichische Karte 1:200.000, mit freundlicher Genehmigung des österreichischen Bundesamts für Eich­ und Vermessungswesen) – Maßstab 1:200.000.

und den Fischauer Vorbergen. Hier befinden sich die 1934– 35 systematisch von Franz Mühlhofer untersuchte befestig-

führte.70 In beiden Höhensiedlungen entdeckte man Spuren der

te urnenfelderzeitliche Höhensiedlung Am Gelände bei Grün-

Metallverarbeitung in Form von Schlacken. Auch der Schloss-

bach am Schneeberg69 (Abb. 07_17/16) sowie der Kienberg, wo

berg von Pitten, der den Zugang zum Pittental kontrolliert, war

Margarete Kaus 1990 eine Ausgrabung (Abb. 07_17/18) durch-

u. a. in der Urnenfelderzeit besiedelt.71

65 Kerchler 1960. 66 Haider 1990c. 67 Haider 1990a. 68 Artner/Fettinger 2010.

70 Kaus M. 1992.

69 Mühlhofer 1952, 80 ff.

71 Zuletzt Steinegger 2012.

187

7. Bergbau und Rohstoffe

Metallverarbeitung im Siedlungsbereich

Abb. 07_18. Jüngerurnenfelderzeitlicher Depotfund von Mahrersdorf, Stadtgemeinde Ternitz (Foto: PA/NHM Wien).

Plankonvexe Gusskuchen aus Kupfer stellen das Endprodukt der spätbronzezeitlichen Verhüttung dar. Die Konzentration von Gusskuchen und Hortfunden mit Gusskuchen im südöstlichen Niederösterreich ist auffällig72 (Abb. 07_17/1.2.4.12.15.16). Sie geben Hinweise auf die Verteilung des Rohkupfers im näheren Umfeld der Bergbau- und Verhüttungsstätten. In diesem

für ein Griffdornmesser (siehe Abb. 07_21 und Abb. 07_25/7)

Zusammenhang ist der jüngerurnenfelderzeitliche Depotfund

belegen. Eigens zu erwähnen ist eine Höhle, die Kammerwand-

von Mahrersdorf (Stadtgemeinde Ternitz) erwähnenswert, weil

grotte (Abb. 07_17/3), oberhalb von Schneedörfl (Gemeinde

er außer fünf Tüllen-, vier Lappenbeilen und einem Meißel auch

Reichenau an der Rax) am Südwestabfall des Gahns gelegen, in

einen Bronzepickel (Gezähe?), einen Doppelaxtbarren sowie

der neben anderen urnenfelderzeitlichen Funden auch das Frag-

einen Gusskuchen enthält (Abb. 07_18).

ment einer Gussform entdeckt wurde.74

73

Die Weiterverarbeitung des Kupfers, die Legierung zu Bronze

Beim derzeitigen Forschungsstand deutet sich also ein komple-

und die Herstellung von Bronzegegenständen sind in den Höhen-

xes Bild funktional differenzierter Fundplätze – mit den Elemen-

siedlungen Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg sowie auf

ten Bergbausiedlung, Verhüttungsplatz, Pingen, Höhenbefesti-

dem Kienberg nachweisbar (s. o.). Auch in der Bergbausiedlung

gung, Flachlandsiedlung und Höhlennutzung – an. Ohne Zweifel

von Prigglitz-Gasteil wurde das Kupfer bis zum bronzenen Fertig-

wären hier umfangreiche, langfristige Forschungen lohnend, um

produkt verarbeitet, wie zahlreiche Gussreste und die Gussform

das Siedlungs- und Bergbausystem zu rekonstruieren.

72 Vgl. Hampl 1976, 62 f.: Neunkirchen-Klosteracker, Großau, Mahrersdorf, Prein; Lang 2001: Schafkogel in Heufeld, Stadtgemeinde Gloggnitz; Haider-Berky 2004, 9 f. und Abb. S. 17–19: Neunkirchen-Klosteracker. 73 Lauermann/Rammer 2013, 130, Taf. 44–47.

188

74 Hottwagner/Lang 1999.

7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich

7.2.2 Die Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil Die

urnenfelderzeitliche

Kupferbergbausiedlung

Prigglitz-

Abb. 07_19. Prigglitz-Gasteil, Übersicht der Grabungsflächen und Geländemerkmale: 1–8. Grabungsflächen 2010–2014 – A–D. Fundbergungen – M. Mundlöcher (Grafik: P. Trebsche; Kartengrundlage: NÖGIS, Land NÖ) – Maßstab 1:5.000.

Gasteil  Cu  I befindet sich beim Gehöft Gasteil Nr.  7 in der Katastral- und Ortsgemeinde Prigglitz, Bezirk Neunkirchen (Abb. 07_19). Die Fundstelle liegt in einer Seehöhe von rund 700– 730 m am östlichen Steilabhang des Gahns (höchste Erhebung

Aus geologischer Sicht liegt die Fundstelle genau an der Grenze

1.352 müA), der den östlichen Ausläufer des Schneebergmas-

zwischen Grauwackenzone und Kalkalpin. Die Kupfer- und Eisen-

sivs bildet. Die Fundstelle ist zwar durch einen Bauernhof und

erze treten hier in Form von Ganglagerstätten auf, die unmit-

seine Nebengebäude sowie einen Holzlagerplatz umgestaltet,

telbar im westlichen Bereich der Fundstelle am Ostabhang des

dennoch sind die älteren durch Menschen verursachten Verän-

Gahns verlaufen.76 Die Lagerstätte selbst ist heute jedoch nir-

derungen im Gelände klar zu erkennen. In erster Linie springen

gendwo aufgeschlossen, sondern von Hangschutt bedeckt. In

die mächtigen Haldenkegel ins Auge, die besonders gut in den

den Halden wurden hauptsächlich folgende Kupfer- und Eisen-

westlichen Böschungen der Landesstraße bzw. eines Fahrwegs

erze festgestellt: Chalkopyrit (Kupferkies), Pyrit, Malachit, Siderit

zu beobachten sind. Über der größten Halde liegt ein verstürz-

und Limonit.77 Die Art und Weise der urnenfelderzeitlichen Erz-

tes Mundloch im Wald. Direkt oberhalb davon befindet sich ein

gewinnung ist beim derzeitigen Forschungsstand nicht geklärt.

zweites Mundloch, das mit dem ersten durch eine deutlich aus-

Die für die Urnenfelderzeit zu erwartenden Abbauspuren sind

geprägte Rinne in Fallrichtung verbunden ist (Abb. 07_19/M).

nirgendwo eindeutig erkennbar; offenbar wurden sie durch

F. Hampl und R. Mayrhofer erkannten darin einen Bremsberg, der

Hangschutt überdeckt.

von einem jüngeren Eisenerzbergbau herrührt.75 75 Hampl/Mayrhofer 1963, 59; 71; Hackenberg 2003, 30.

76 Vgl. Hampl/Mayrhofer 1963, 57 f. Freundliche Mitteilung Günther Weixelberger und Michael Götzinger. 77 Hackenberg 2003, 30.

189

7. Bergbau und Rohstoffe

Grabungen F. Hampl, R. Mayrhofer 1956 und 195878 Die Fundstelle Cu I wurde vom Bergbauunternehmer Walter Haid im Jahr 1955 entdeckt und von F. Hampl und R. Mayrhofer in zwei Grabungskampagnen 1956 und 1958 archäologisch untersucht. Im darauffolgenden Jahr fand noch eine kleine Ausgrabung an dem wenig nördlich im Klausgraben gelegenen Schlackenplatz Gasteil Cu  II statt. Mit 15 Suchschnitten, die teilweise zu Grabungsflächen erweitert wurden, konnte man zum einen die Mindestausdehnung des Fundplatzes mit ungefähr 270  ×  135 m festlegen, zum anderen alle Arbeitsschritte vom Kupfererzabbau über die Aufbereitung und Verhüttung nachweisen. Die Ausgräber charakterisierten den Platz „nicht so sehr als Siedlung, sondern viel eher als eine gewaltige Arbeitsstätte“, die hauptsächlich während der Stufe Ha A belegt war und zu Beginn der Stufe Ha B aufgegeben wurde.79

Fundbergungen 1999–200180

Abb. 07_20. Luftbild der Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil Cu I von Osten aus dem Jahr 2011. In der Bildmitte liegt die Grabungsfläche 3, in der Straßenböschung sind die Halden gut zu erkennen (Foto: M. Schimanko).

Grabung 2010–201482 In den Jahren 2010–14 wurden die Ausgrabungen am Fund-

Nach den zwei Grabungskampagnen wurde es mehrere Jahr-

platz Prigglitz-Gasteil Cu I wieder aufgenommen. Im Gegensatz

zehnte lang still um den Fundplatz Gasteil, bis im Zuge von Bau-

zu den älteren Grabungen versuchte man nun, zwei bislang un-

maßnahmen 1999 wieder archäologische Funde gemeldet wur-

erforschte Siedlungsterrassen flächig zu untersuchen. Vor den

den. Bei Baggerarbeiten wurden nächst dem Haus Gasteil Nr. 12,

Grabungen fanden geomagnetische Prospektionen auf den frei

das im nördlichen Bereich des Fundplatzes liegt (Abb. 07_19/B),

zugänglichen, unbewaldeten Flächen der Fundstelle statt. Die

urnenfelderzeitliche Kulturschichten mit Keramik, Tierknochen,

stratigrafischen Ausgrabungen erbrachten vor allem die Erkennt-

Hüttenlehm und Plattenschlacken angeschnitten. Im darauf-

nis, dass die Siedlungsterrassen in vielen Phasen genutzt wur-

folgenden Jahr konnten in der Straßenböschung, die zwecks

den und dazwischen immer wieder Haldenmaterial angeschüttet

Verbreiterung der Landesstraße von Gasteil nach Bürg abge-

wurde. Auf den eingeebneten Arbeitspodien wurden kleinflächig

baggert wurde, zwei Kulturschichten über eine Länge von rund

sehr unterschiedliche Aktivitäten im Zusammenhang mit der

150 m beobachtet werden (Abb. 07_19/C). Auch hier fanden

Kupfererzeugung und Metallverarbeitung dokumentiert, die auf

sich urnenfelderzeitliche Keramik, Tierknochen, ein Schlacken-

vielfältige Weise Einblick in das Leben und Arbeiten der urnenfel-

kuchen und Plattenschlacke. Als im Jahr 2001 der Fahrweg vom

derzeitlichen Bergleute gewähren (siehe Kap. 6, Pkte. 6.4.1 und

Hof Gasteil Nr. 7 zum Wohnhaus Gasteil Nr. 12 verbreitert wur-

6.6.3).

de (Abb. 07_19/D), lag wiederum ein mehrphasiges Profil mit Kulturschichten und Herdstellen der Urnenfelderzeit frei. Unter

Die obere Siedlungsterrasse

den üblichen Funden befand sich auch eine Nadel mit kleinem

Auf der oberen Geländeterrasse wurden 2010 bis 2013 fünf

Vasenkopf (siehe Abb. 07_25/2), die charakteristisch für die

Teilflächen (Flächen 2–6) mit einer Ausdehnung von 102 m2

jüngere bis späte Urnenfelderzeit ist.81

archäologisch untersucht (Abb. 07_20).

Durch diese Fundbergungen kann die von Hampl angegebene

Der Schichtaufbau kann grob in fünf Phasen gegliedert werden:

Ausdehnung der Fundstelle geringfügig erweitert werden. Die

Phase 1: Die untersten erreichten Schichten bestehen aus fein-

größte Nord–Süd-Erstreckung beträgt demnach rund 305 m, die

körnigen Haldenschüttungen, die eindeutig die hän-

Ost–West-Erstreckung 100–135 m, was eine Fläche der Berg-

dische Aufbereitung von Kupfererz an Ort und Stelle

bausiedlung von mindestens 3,3 ha ergibt (Abb. 07_19).

belegen. Phase 2: Dieser Haldenkörper wurde in der Urnenfelderzeit zu einer Arbeitsplattform bzw. zu einem Wohnpodium planiert. Man legte eine Herdstelle und Pfostenbau-

78 Hampl/Mayrhofer 1963. 79 Hampl/Mayrhofer 1963, 71. 80 Kühtreiber/Trebsche 1999; Kühtreiber/Trebsche 2001; Lang 2000. 81 Říhovský 1979, 203 ff.

190

ten auf dem Podium an. Viele fundreiche Schichten lagerten sich sowohl auf der Terrasse selbst als auch auf 82 Projekt- und Grabungsleitung Peter Trebsche; zuletzt Trebsche 2015a; Trebsche 2015b.

7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich

Abb. 07_21. Prigglitz-Gasteil, Bruchstück einer steinernen Gussform für ein Griffdorn­ messer (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Abb. 07_22. Prigglitz-Gasteil, Fläche 2 (2010), Südprofil mit fundreichen Abfallschichten, Brandschichten und darunterliegenden Feinhalden, Aufnahme von Norden (Foto: P. Trebsche, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

dem unterhalb anschließenden Hang ab. Die flächi-

Die untere Siedlungsterrasse

gen Ablagerungen der zweiten Phase zeichneten sich

Die drei Grabungsflächen 1, 7 und 8 befinden sich auf einer der

durch zahlreiche Buntmetall- und Gussreste aus, die

unteren Geländeterrassen, wo in den Jahren 2010 und 2014

eine Kupfer- oder Bronzeverarbeitung an Ort und Stel-

eine zusammenhängende Fläche von rund 14 m × 8 m untersucht

le belegen. Zu diesen Metallverarbeitungsresten zählt

wurde. Auch hier lassen sich mehrere Nutzungsphasen (Hori-

auch das Fragment einer Gussform aus Sandstein

zonte 1–4) unterscheiden, die im Moment noch nicht mit jenen

für ein Griffdornmesser mit Heftscheibe (Abb. 07_21,

der oberen Geländeterrasse (Flächen 2–6) parallelisiert werden

dazu Abb. 07_25/7), das wahrscheinlich dem Typ

können.

Baumgarten zuzuordnen ist.83 Hangabwärts schlossen

Horizont 1: Der älteste Horizont war aus Sicherheitsgründen

äußerst fundreiche Schichten an, die große Mengen

2010 nur in einer kleinen Sondage von Fläche  1 er-

an Tierknochen, Keramik, Geweih- und Knochengerä-

fassbar, die im Jahr 2014 etwas erweitert wurde (Flä-

ten sowie Bronzegegenstände und Schlacken enthiel-

che  7). Die Verebnungsfläche liegt auf feinkörnigen

ten. Offensichtlich handelt es sich um die direkt unter-

Halden unbekannter Mächtigkeit auf. Die Schichten

halb der Aktivitätszonen entsorgten Abfälle.

des Horizonts 1 weisen insgesamt nur etwa 20 cm

Phase 3: Es folgen wiederum äußerst feinkörnige Haldenschich-

Mächtigkeit auf. Dennoch lassen sich acht Bauphasen von Holzbauten unterscheiden, zu denen auch zwei

ten von der Erzaufbereitung (Abb. 07_22). Phase 4: Über ihnen liegt eine Kulturschicht mit Pfostenlöchern,

Herdstellen gehören (Abb. 07_23). In der Verfüllung

die einer weiteren urnenfelderzeitlichen Nutzungs-

eines Balkengräbchens der siebten Bauphase wurde ein Griffangelmesser vom Typ Stillfried mit leicht ge-

phase der Terrassierung angehört. Phase 5: Nach einer Überschüttung mit grobem Haldenmaterial

schwungener Klinge gefunden. Dieser einfache Mes-

wurde im Mittelalter eine Arbeitsgrube mit einer Länge

sertyp weist zwar eine lange Laufzeit – beginnend in

von 3,70 m, einer Breite von 3,35 m sowie einer Tiefe

Ha A1 – auf, erreicht aber seine Blütezeit in der zweiten

von 1,23 m auf der Terrasse angelegt, die dendrochro-

Hälfte der Stufe Ha B, also in der jüngeren und späten

nologischen Untersuchungen und Radiokarbondaten

Urnenfelderzeit.85 Der erste Horizont wurde von Hal-

zufolge in das letzte Viertel des 11. Jh.s. datiert.

denmaterial überschüttet.

84

83 Říhovský 1972, 64–71. 84 Diese Grube wurde in den bisherigen Vorberichten als urnenfelderzeit­ lich bezeichnet (Trebsche 2012, 14; Trebsche/Pucher 2013, 130 f.), was zu korrigieren ist.

85 Říhovský 1972, 55–58.

191

7. Bergbau und Rohstoffe

Abb. 07_24. Prigglitz-Gasteil, Fläche 8 (2014): quadratischer Herd und erhaltener Estrich eines Gebäudes. Die Wandfluchten sind mit der roten Linie markiert (Foto: P. Trebsche, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Horizont 3: Dieses Gebäude wurde wiederum mit Haldenmaterial bedeckt, über dem eine flächige Brandschicht lag; aus ihr stammen einige dünne Plattenschlacken, Keramik sowie Hinweise auf BuntmetallAbb. 07_23. Prigglitz-Gasteil, Fläche 7 (2014), aus Steinen gesetzter Herd (SE 1041), Aufnahme von Westen (Foto: P. Trebsche, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

verarbeitung (Gusskuchen, Gusszapfen, Blasebalgdüse). Horizont 4: Den stratigrafisch jüngsten Horizont markieren zwei Gruben, die in eine weitere Haldenschüttung eingetieft wurden. Die eine Grube war oval (Dm.

Horizont 2: Auf einer Arbeitsplattform errichtete man danach

3,1 m × 2,6 m, Tiefe 1,37 m) und enthielt reinen, orts-

eine Herdstelle aus Lehm mit einem Unterbau aus

fremden Lehm, diente also offenbar als Aufberei-

Tonscherben sowie einen quadratischen Herd, der aus

tungs- oder Vorratsgrube für Lehm, zum Beispiel für

Steinen gesetzt und mit Lehm verstrichen war. Die-

den Ofenbau. Die zweite Grube war quadratisch mit

ser quadratische Herd befand sich in der Mitte eines

abgerundeten Ecken (Seitenlänge 3,2 m, Tiefe 0,92 m)

Schwellen- oder Blockbaus, dessen flächiger Estrich

mit zwei Ausnehmungen für Holzständer. Ihre Ver-

und die südwestliche Wand dokumentiert werden

füllung enthielt geröstete Siderit-/Limonit-Erze, die

konnten (Abb. 07_24).

auf eine Eisenverhüttung in der Nähe hindeuten. Ein noch unpubliziertes Radiokarbondatum aus der Verfüllung dieser Grube belegt eine hochmittelalterliche Zeitstellung.

192

7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich

1

2

3

4

5

6

7

Datierung Aus den neueren Grabungen wurden insgesamt neun Radio­ karbondatierungen an kurzlebigem organischem Material durchgeführt.86 Zwei datieren ins Mittelalter, die übrigen in die Spätbronzezeit. Aus den sieben urnenfelderzeitlichen

14

C-Daten er-

gibt sich durch Phasenkalibration ein Anfangsdatum von 1063– 961  BC und ein Enddatum von 957–857  BC (jeweils 68,2 %). Ausgehend von den Mittelwerten dieser Zeitspannen dauerte 86 Trebsche 2015b.

Abb. 07_25. Feinchronologisch aussagekräftige Bronze- und Steinfunde aus Kupfer­ produktionsstätten im südöstlichen Niederösterreich: 1. Rippenkopfnadel, Ausgrabung Prein P III (nach Hampl 1953, Taf. I/2) – 2. Nadel mit kleinem Vasenkopf, Einzelfund vom Fundplatz Prigglitz-Gasteil Cu I (Zeichnung: P. Trebsche) – 3. Tüllenbeil, Einzelfund Prigglitz-Gasteil, Klausgraben (Grafik: F. Drost) – 4. verzierte Messerklinge, Einzelfund vom Fundplatz Prein P III (nach Hampl 1953, Taf. I/1) – 5. sekundär bearbeitete Messer­ klinge, Ausgrabung Prigglitz-Gasteil Cu I 1956/58 (nach Hampl/Mayrhofer 1963, Taf. I/8) – 6. Griffangelmesser, Ausgrabung Prigglitz-Gasteil Cu I 2014 (Grafik: U. Weinberger, Landessammlungen Niederösterreich, Ur- und Frühgeschichte) – 7. Bruchstück einer Gussform für Griffdornmesser, Aus­ grabung Prigglitz-Gasteil Cu I 2013 (Grafik: U. Weinberger) – Maßstab 1:2 – Detail Nadel (2) Maßstab 1:1.

193

7. Bergbau und Rohstoffe

der urnenfelderzeitliche Bergbau also mindestens ein Jahrhundert, wahrscheinlich vom Ende des 11. bis zum Ende des 10.  Jh.s  v. Chr. Diese naturwissenschaftliche Datierung stimmt sehr gut mit den eindeutig jünger- bis späturnenfelderzeitlichen Bronzefunden überein (Abb. 07_25). Dadurch kann also eine spätere Nutzung des Fundplatzes als von Hampl angenommen belegt werden. Auch ein im Jahr 2000 gefundenes Tüllenbeil mit Bogenverzierung (Abb. 07_25/3) aus dem nicht weit entfernten Klausgraben spricht für ein Andauern der urnenfelderzeitlichen Besiedlung bis in die späte Stufe der Urnenfelderzeit.87 Unter beiden modern ergrabenen Terrassen, aus denen die 14

C-Daten stammen, liegen aber noch mehrere Meter mächtige

Feinhalden, die eindeutig stratigrafisch älter als die datierten Arbeitspodien sind. In den Jahren 2013 und 2014 wurde versucht, die Mächtigkeit der Feinhalden durch Rammkernsondierungen zu ermitteln. Aus einigen Rammkernen wurden auch datierbare organische Reste (Holzkohlen und Tierknochen) geborgen, die in einer weiteren 14C-Serie untersucht werden sollen.

Abb. 07_26. Prigglitz-Gasteil, Fläche 1 (2010), dünne Plattenschlacke von der Kupfer­ verhüttung aus SE 43 (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Solange diese Ergebnisse ausständig sind, kann über den Be-

Anomalien anzeigen, welche vermutlich auf Schachtöfen und die

ginn des Bergbaus in Prigglitz-Gasteil nichts Gesichertes ausge-

hangabwärts befindliche Schlackenhalde zurückzuführen sind.

sagt werden.

Raffination und Legierung des Kupfers sind schließlich durch zahlreiche dünne Plattenschlacken (Abb. 07_26) nachweisbar,

7.2.3 Aktivitäten in der Bergbausiedlung

ebenso die Weiterverarbeitung der Bronze sowie die Herstellung von Metallgegenständen. In den beiden untersuchten Siedlungsterrassen wurden zwei Bereiche der Metallverarbeitung mit Schmelzherden erfasst, die

In Prigglitz-Gasteil sind sowohl die einzelnen Arbeitsschritte

sich durch große Mengen an metallurgischem Abfall wie Guss-

der Kupfergewinnung und Metallverarbeitung als auch die da-

tropfen, Gussformen, Fragmenten von kleinen Gusskuchen, ei-

mit zusammenhängende Produktion von Werkzeug und Gerät für

nem Gusszapfen, dem Bruchstück einer Blasebalgdüse etc. aus-

Bergleute nachweisbar. Ebenso häufen sich Belege für die orga-

zeichnen (Abb. 07_27).

nisierte Versorgung mit Nahrungsmitteln.

Das Besondere an der Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil

Was den Kupferbergbau betrifft, so konnten die urnenfelderzeit-

ist, dass hier auch zahlreiche Hinweise auf die Versorgung der

lichen Abbauorte noch nicht entdeckt werden, weil sie offenbar

Bergleute mit Nahrungsmitteln, Werkzeugen und Geräten ent-

durch meterdicken Hangschutt bedeckt sind. Entweder wur-

deckt wurden, die eine Rekonstruktion des Betriebs und der

den die Ganglagerstätten im Pingenbau oder im Untertagebau

Arbeitsteilung innerhalb der Bergbausiedlung ermöglichen.

abgebaut. Indirekt ist der Bergbau durch entsprechende Grob-

Außergewöhnlich ist die riesige Menge von Schlachtabfällen,

halden sowie durch das Gezähe aus Hirschgeweih (Schlägel und

die sich besonders am Abhang der Grabungsfläche 2–6 konzen-

Spitzen) nachweisbar. Der nächste Arbeitsschritt, die Aufberei-

trierten. Ein erster Teilkomplex von mehr als 3.000 Tierknochen

tung des Erzes durch Pochen, Mahlen und Nassaufbereitung,

wurde bereits von Erich Pucher archäozoologisch analysiert

lässt sich im Moment nur durch entsprechende Ablagerungen

(siehe Kap. 6, Pkt. 6.4.1). Unter diesen Knochen überwiegen

unterschiedlicher Korngrößen in den Halden nachweisen; die

mit 63,5 % die Hausschweine, was ein Charakteristikum für ost-

typischen Steingeräte wie Unterlagsplatten oder Rillenschlägel

alpine Bergbausiedlungen der Bronzezeit darstellt.88 Die Selek-

fehlen aus unbekannten Gründen. Die Verhüttungsöfen und/

tion und die Zerlegungsspuren der Knochen deuten darauf hin,

oder Röstbetten lassen sich wahrscheinlich durch die geomag-

dass es sich um primäre Schlachtabfälle handelt. Auffällig ist,

netischen Prospektionen lokalisieren, die auf der größten Ver-

dass fast nur Knochen aus den fleischarmen Körperteilen vor-

ebnungsfläche nördlich von Grabungsfläche  2–6 einige starke

liegen. Die Skelettteilrepräsentanz ist genau komplementär zu

87 Lang 2000, 596 und Abb. 457; vgl. Mayer 1977, 197 f.

88 Trebsche/Pucher 2013, 138–147.

194

1

2

3 Abb. 07_27. Prigglitz-Gasteil, Fläche 1 (2010), Funde aus SE 43: 1. Gusskuchen (Buntmetall mit anhaftendem Lehm) – 2. Gusszapfen (Buntmetall) – 3. Bruchstück einer Blasebalgdüse (Keramik) (Grafik: U. Weinberger) – Maßstab 1:2.

den Schweineknochen vom Hallstätter Salzberg (Abb. 07_28),

Abb. 07_28. Aus Prigglitz-Gasteil liegen gehäuft genau jene Fragmente der Schweineunterkiefer vor (jeweils rechts, helle Farbe), die im etwa zeitgleichen Material des Hallstätter Salzbergs (jeweils links, dunkle Farbe) stark unter­ repräsentiert sind. Dazu zeigen sie denselben Zerlegungsmodus (Foto: E. Pucher, NHM Wien).

die als Überreste der Herstellung von gepökeltem Schinken interpretiert werden.89 Offensichtlich wandte man in Prigglitz

lang nur von bronzenen Lappenbeilen und -pickeln der Urnen-

dieselben Schlacht- und Verarbeitungstechniken wie in Hallstatt

felderzeit bekannt und wurden als Werkstatt-, Kontroll- oder

an; nur wurden hier die primären Abfälle, dort die Abfälle von

Besitzerzeichen gedeutet.91 Ein zweiter Geweihhammer (Abb.

der Weiterverarbeitung der Schinken ausgegraben. Spezielle

07_29/2) unterscheidet sich vom ersten durch den rechtecki-

Techniken der Fleischverarbeitung zur Versorgung von Bergbau-

gen Querschnitt des Schaftlochs. Beide Schlagflächen sind bis

siedlungen – sowohl beim Salz- als auch beim Kupferabbau –

aufs Letzte schräg abgearbeitet – offensichtlich wurde das Gerät

waren also im Ostalpenraum während der Bronzezeit weiter ver-

erst nach langem und intensivem Gebrauch endgültig entsorgt.

breitet als bisher angenommen, wie auch ein Fundkomplex aus

Bei einem dritten Geweihstück (Abb. 07_29/3) wurden die drei

Pichl (Steiermark) zeigt.90

Kronenenden abgeschnitten (nicht abgesägt); wahrscheinlich

Unter den zahlreichen Tierknochen war kein einziger Rest eines

handelt es sich um einen Rohling, der zur Herstellung eines

Wild- oder Jagdtiers. Das ist umso erstaunlicher, als nicht we-

Geweihschlägels vorbereitet worden war. Anhand zahlreicher

nige Geräte und Abfallstücke aus Hirschgeweih gefunden wur-

weiterer Abfallstücke lässt sich die Herstellung von Geweih-

den (Abb. 07_29). Der am besten erhaltene Geweihhammer

hämmern und Geweihspitzen an Ort und Stelle belegen. Mehre-

bzw. -schlägel (Abb. 07_29/1) weist ein ovales Schaftloch und

re Geweihsprossen (Abb. 07_29/4–6) weisen starke Gebrauchs-

eine Werkzeugmarke in Form eines X auf, die auf der Seite ein-

spuren auf; bei zwei Exemplaren sind die stumpfen Enden

geritzt ist. Ähnliche Werkzeugmarken sind meines Wissens bis-

auseinandergesplittert und die Spitzen mehrfach nachgeschnitten bzw. nachgeschärft.

89 Pucher/Barth/Seemann 2013. 90 Pucher 2013.

91 Mayer 1976, 378; Mayer 1977, 162; 232 f. und Abb. 2.

195

7. Bergbau und Rohstoffe

1

2

4

5

3 6 Abb. 07_29. Prigglitz-Gasteil, Fläche 4 (2012), Geweihgeräte aus den Kultur- und Abfallschichten (Horizont 4): 1–2. Geweihschlägel – 3. Geweihrohling – 4–6. Geweihsprossen (-keile) – 7. stumpfe Geweihspitze (Grafik: U. Weinberger) – Maßstab 1:4.

7

dass Abwurfstangen gesammelt und zur Werkzeugherstellung verwendet wurden. Darin zeigt sich im Grunde eine nachhaltige und schonende Gewinnung der nachwachsenden Ressource „Hirschgeweih“. Weitere handwerkliche Aktivitäten sind durch Knochengeräte

Offensichtlich handelt es sich bei der Kombination aus Geweih-

belegt, darunter zwei Nähnadeln und mehrere Werkzeuggriffe,

hammer und -spitzen um Schlägel und Keile, die als Bergmannsge-

etwa für Messer oder Ahlen. Sie dienten zur Herstellung von Klei-

zähe dienten. Das weiche Nebengestein der Erzgänge in Prigglitz

dung oder von Ausrüstungsgegenständen aus Leder (z. B. Kap-

konnte mit Geräten aus frischem, zähem Hirschgeweih sicher

pen, Tragesäcke, Handleder), wie sie in Hallstatt erhalten sind.

ohne Probleme abgebaut werden. Es ist zwar durchaus mög-

Für die Herstellung der Werkzeuggriffe verwendete man die lan-

lich, dass in Gasteil auch die in der Urnenfelderzeit üblichen

gen Mittelhand- und Mittelfußknochen vom Schaf, wie mehrere

Bronze­pickel zum Einsatz kamen; einfacher in der Herstellung

abgeschnittene proximale und distale Stücke der Metapodien

und billiger waren aber sicherlich die Hirschgeweihgeräte. Da

belegen.

kein einziges schädelechtes Geweihstück und auch keine sonsti-

Aus den kürzeren Metapodien von Schweinen fertigte man Kno-

gen Hirschknochen gefunden wurden, liegt die Vermutung nahe,

chenperlen, wie mehrere abgeschnittene Knochenstücke mit

196

7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich

Abb. 07_31. Prigglitz-Gasteil, Grabungsfläche VI (1958), Fragment einer Trensenseitenstange aus Geweih (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Schwieriger gestaltet sich die funktionale Ansprache von mehreren vierkantigen Bronzestäbchen, die an beiden Enden zugespitzt sind. Solche Doppelspitzen wurden als Meißel, Schneidpfrieme oder Tätowiergeräte gedeutet. Da die Prigglitzer Exemplare aber inmitten einer großen Menge an Schlacht- und Speiseabfällen Abb. 07_30. Prigglitz-Gasteil, Fläche 4 (2012), Produktionsabfall von Perlen aus Schweineknochen: 1. Hausschwein, Metacarpus III links (Vergleichsstück) – 2. proximales Ende mit umlaufenden Rillen – 3. abgebrochenes proximales Ende mit umlaufenden Rillen – 4. Knochenperle mit umlaufenden Rillen – 5. Hausschwein, Metatarsus III links (Vergleichsstück) – 6–7. abgebroche­ ne proximale Enden mit umlaufenden Rillen – 8. Hausschwein, Metacarpus IV rechts (Vergleichsstück) – 9. abgebrochenes proximales Ende mit umlaufenden Rillen. Die Vergleichsstücke Nr. 1, 5 und 8 stammen von einem Šiška-Schwein, einer alten Landrasse auf dem Balkan (Archäolo­ gisch-Zoologische Sammlung/NHM Wien, Ind. E525; Foto: E. Pucher).

(Tierknochen) gefunden wurden, scheint auch eine Deutung als Fleischspießchen oder Zahnstocher möglich.92 Zwei zweiflügelige Tüllenpfeilspitzen lassen sich mit Sicherheit als Bestandteile von Waffen ansprechen, da die Auswertung der Tierknochen belegt, dass keine Jagd in Gasteil ausgeübt wurde. Unklar bleibt aber vorerst, ob es sich um Verlustfunde der Einwohner selbst handelt oder die Pfeilspitzen von einem Angriff zeugen. Sie belegen jedenfalls die Anwesenheit von Bewaffneten in der Bergbausiedlung. Unter den Funden der Altgrabungen

umlaufenden Rillen (Abb. 07_30/2.3.6.7.9) und eine fertige zy-

1956/58 befindet sich die beinerne Seitenstange einer Pferde-

lindrische Knochenperle (Abb. 07_30/4) mit umlaufenden Rillen

trense (Abb. 07_31)93, die auf gezäumte Pferde und Reiter in der

bezeugen. Ihre Herstellung erforderte einige Geduld und etli-

Bergbausiedlung und damit möglicherweise auch auf die soziale

ches Geschick, weshalb sich der Eindruck aufdrängt, die Berg-

Stellung der Bergleute hinweist.

leute hätten die Perlen zum Zeitvertreib geschnitzt.

Die Ausgrabung in Prigglitz-Gasteil ermöglicht detaillierten Ein-

Unter den Bronzefunden finden sich sogar einige Fragmente von

blick in die Versorgung und Betriebsorganisation einer Kupfer-

Schmuckstücken wie Nadeln oder das Bruchstück eines Armreifs,

gewinnungsstätte. Die Bergbausiedlung konnte sich wohl durch

die zum größten Teil wohl als Verlustfunde in die Abfallhalde ge-

ihre günstige Lage gut entwickeln. Sie war nicht mehr als eine

raten sein dürften. Eine Ausnahme bildet die vollständig erhal-

Wegstunde von den landwirtschaftlichen Talsiedlungen entfernt

tene Kugelkopfnadel mit zwei umlaufenden Rillen auf dem Kopf,

und der Zugang bzw. die Anbindung an das Schwarzatal konnten

die stark abgewetzt sind. Ebenfalls zum Schmuck zählen etliche

durch mehrere Höhensiedlungen gut kontrolliert werden.

kleine Bronzeringe mit unterschiedlichen Durchmessern, die wahrscheinlich auf der Kleidung aufgenäht oder zu Ketten aufgefädelt waren, wie Grabfunde in anderen Regionen zeigen.

92 Trebsche/Pucher 2013, 132. 93 Hampl/Mayrhofer 1963, 105 und Taf. 2/3; Foltiny 1965, 245 und Taf. 2/2.

197

7. Bergbau und Rohstoffe

7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe (Peter Trebsche)

7.3.1 Zinn

Abb. 07_32. Zinnlagerstätten in Europa: 1. Cornwall und Devon – 2. Erzgebirgische Zinnprovinz (sächsisch-böhmisches Erzgebirge, Vogtland, Fichtelgebirge, Schlaggenwald bei Karlsbad) – 3. Bretagne – 4. Iberische Zinnprovinz – 5. Französisches Zentralplateau – 6. Sardinien – 7. Insel Elba – 8. Italieni­ sche Halbinsel, Monte Valerio bei Campiglia Marittima – 9. Serbien; Bosnien (Cer und Bukulja mit Seifen an der Drina) – 10. Slowakei (Westkarpaten) (Karte und Legende nach Haustein 2013, Abb. 4).

Die Herkunft des Zinns, das für die Herstellung von Bronze be-

Für Ostösterreich könnte man die am nächsten gelegenen Lager-

nötigt wird, ist für die Urnenfelderzeit Mitteleuropas eine offene

stätten von Zinnstein im sächsisch-böhmischen oder im slowaki-

Frage, obwohl hinsichtlich der Erforschung von Zinnbergwerken

schen Erzgebirge annehmen (Abb. 07_32); allerdings ist noch für

und -lagerstätten94 sowie der Herkunftsbestimmung des Zinns

keines der beiden Gebiete eine prähistorische Zinngewinnung

in jüngerer Vergangenheit große Fortschritte erzielt wurden. Die

gesichert.97 Allgemein geht man davon aus, dass in der Bronze-

Verhältnisse der stabilen Isotopen des Zinns im Kassiterit (Zinn-

zeit nicht die unterirdischen primären Lagerstätten des Zinn-

stein), dem wichtigsten Zinnerz, und in prähistorischen Bronzen

steins abgebaut wurden, sondern die einfacher zugänglichen

ermöglichen eine Unterscheidung bedeutender Lagerstätten

sekundären Flusslagerstätten, wo die Zinnseifen aufgesammelt

(z. B. Cornwall und sächsisch-böhmisches Erzgebirge) und damit

oder in Schurfen gewonnen werden konnten.98 Eine solche Art

eine Herkunftsbestimmung.95 Herkunftsanalysen wurden bereits

der Zinngewinnung lässt sich natürlich archäologisch kaum

an Bronzeobjekten der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur

nachweisen, zumal die Zinnseifen-Lagerstätten auch in späteren

durchgeführt.

Zeiten intensiv genutzt wurden und prähistorische Abbauspuren

96

Analysen urnenfelderzeitlicher Bronzen fehlen

hingegen zurzeit noch.

dabei vermutlich weitgehend zerstört wurden.

94 Z. B. Erb-Satullo/Gilmour/Khakhutaishvili 2015. 95 Haustein 2013.

97 Zu neueren Forschungen vgl. Garner/Cheben/Demant et al. 2014.

96 Brügmann/Berger/Pernicka et al. 2015

98 Berger/Pernicka/Nessel et al. 2014, 80.

198

7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe

Abb. 07_33. Kartierung der urnenfelderzeitlichen Goldfunde in Ostösterreich (Niederösterreich, Wien, Burgenland): 1. Plaika – 2. Franzhausen-Kokoron – 3. Unterradlberg – 4. Rothengrub – 5. Vösendorf – 6. Sigleß – 7. Leithaprodersdorf – 8. Petronell (Kartengrundlage: Land NÖ, BD3; Kartierung: P. Trebsche).

7.3.2 Gold Edelmetall ist unter den archäologischen Funden – nicht nur der Urnenfelderzeit – selten, da es großen Wert besaß und zum über-

Feststellbar ist aber, dass Zinn bzw. Zinnstein sowohl in die

wiegenden Teil wieder eingeschmolzen wurde. Im Osten Öster-

Kupferbergbaue als auch in andere Siedlungen gelangte, in de-

reichs sind urnenfelderzeitliche Goldobjekte bislang aus einem

nen Metallverarbeitung stattfand. Einerseits wurden nämlich

Hortfund (Rothengrub) und aus Gräbern bekannt (Abb. 07_33).

in der Kupferbergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil nachweis-

Im Gräberfeld von Vösendorf (VB Mödling) befanden sich in zwei

lich auch Bronzeobjekte hergestellt, andererseits fanden sich

als Steinkisten angelegten Gräbern aus der älteren Urnenfelder-

Rohkupferbarren (sog. Gusskuchen), die vor ihrer Verarbeitung

kultur auch Goldfunde. In der Steinkiste von Grab 10 fand man

erst mit Zinn zu Bronze legiert werden mussten, in zahlreichen

Goldfäden und dünne Golddrahtstücke, die an der Ostecke, an

Hortfunden auch weitab der Kupferlagerstätten.99 Zinnstein ist

der Ostseite und in der Nordostecke lagen, also gegenüber dem

ein unscheinbares braunes Mineral, das man bei Ausgrabungen

Leichenbrand, der sich in der Nordecke und an der Südostseite

leicht übersehen kann. An der Fundstelle Sursee-Gammainseli

befand. In Grab  11 lagen an der Südostseite in der Steinkiste

im Sempachersee (Kanton Luzern, Schweiz) wurde ein flacher,

mehrere Goldfäden, während sich der Leichenbrand an der Ost-

unregelmäßiger Zinnbarren mit einem ursprünglichen Gewicht

seite befand.101 Die Goldfäden waren Bestandteil eines gold-

von ca. 700 g entdeckt, der eine Vorstellung vermittelt, in wel-

durchwirkten Textils102, das abseits vom Leichenbrand im Grab

cher Form das Zinn während der Urnenfelderzeit in Mitteleuropa

deponiert wurde. Beide Steinkistengräber wurden als „gestört“

verhandelt wurde.

beschrieben, waren also vermutlich alt beraubt.

100

99 Z. B. Lauermann/Rammer 2013, 206–209, S. 39 Karte 11.

101 Ladenbauer-Orel/Seewald 1940–45, 31.

100 Nielsen 2014.

102 Grömer 2016, 193 f. und Abb. 112.

199

7. Bergbau und Rohstoffe

1

2

3

Abb. 07_34. Goldfunde aus Ostösterreich: 1. Sigleß, Hügelgrab 41 – 2. FranzhausenKokoron, Grab 677 – 3. Franzhausen-Kokoron, Grab 569 – 4. Plaika, Grab 9 (1. Foto D. Talaa – 2–3. nach Lochner/Hellerschmid 2016 – 4. Foto A. Preinfalk) – 1 und 4. ohne Maßstab.

4

Aus dem nördlichen Burgenland sind zwei weitere urnenfelderzeitliche Goldfunde zu erwähnen: In Leithaprodersdorf (VB Eisenstadt-Umgebung) wurde ein Ring aus dünnem Golddraht zusammen mit Bronzegegenständen unter einer Graburne gefunden.106 Das alt beraubte urnenfelderzeitliche Hügelgrab 41 in

Im älterurnenfelderzeitlichen Brandgrab 9 von Plaika (VB Melk),

Sigleß (VB Mattersburg) enthielt unter anderem einen Locken-

das ansonsten völlig beraubt war, fand sich ein 13 cm langes

ring aus tordiertem Golddraht (Abb. 07_34/1).107

Golddrahtstück (Abb. 07_34/4), vermutlich das Fragment ei-

Generell kann man feststellen, dass sich keine der ostöster-

nes aufgebogenen Spiralarmrings.103 Zwei Gräber der Nekropole

reichischen Nekropolen durch einen besonderen Reichtum an

von Franzhausen-Kokoron (VB St. Pölten-Land) enthielten eben-

Goldbeigaben auszeichnet. Das liegt zum größten Teil daran,

falls Goldgegenstände: In Grab  677, dem Grab einer erwachse-

dass die meisten Gräber beraubt sind. Daher ist es schwierig zu

nen Frau, lag ein goldener Spiralring (Finger- oder Lockenring) mit

entscheiden, welche Bedeutung dem Goldschmuck als Status-

vier Windungen (Dm. 14 mm) (Abb. 07_34/2). Ansonsten enthielt

oder Prestigeobjekt in den Gräbern zukam.108

das Grab nur eine bronzene Zwiebelkopfnadel und ein Beigefäß.

In Niederösterreich treten Goldfunde weder in bestimmten Zeit-

Deutlich reicher ausgestattet war hingegen Grab 569 aus Franz-

abschnitten noch in bestimmten Regionen gehäuft auf (siehe

hausen-Kokoron, in dem eine im Alter von 25 bis 35 Jahren ver-

Abb. 07_33). Es handelt sich hauptsächlich um Reste, die im

storbene Frau beigesetzt worden war. Im Grab fanden sich drei

Zuge der Beraubung in den Gräbern übrig blieben. Das Gold wur-

Goldblechfragmente (Abb. 07_34/3), von denen eines ein kon-

de materialsparend zu dünnstem Blech oder Draht verarbeitet;

zentrisches Kreisaugenmuster trägt. Es könnte sich zum Beispiel

es handelt sich in keinem Fall um mehr als einige Gramm Edel-

um die Reste einer goldblechverzierten Scheibe wie im Depot von

metall. Gleiches gilt auch für benachbarte Regionen wie Mäh-

Rothengrub (siehe weiter unten und Kap. 11, Abb. 11_27) oder

ren109, Oberösterreich110, die Steiermark111 oder Salzburg112.

um die Bruchstücke eines goldenen Gefäßes handeln. Außerdem konnten bei der Verstorbenen mehr als 30 Bronzeringe und mehr als 100 Perlen, ein bronzener Nadelschaft und weitere ver-

106 Ohrenberger 1951–55, 43. 107 Talaa/Herrmann 2014, 171. 108 Z. B. Sperber 1992; Clausing 2005, 84 ff.

schmolzene Bronzefragmente sowie zwei Gefäße im Grab doku-

109 Stuchlík 2015.

mentiert werden.

110 Traunkirchen: Blesl/Preinfalk 2008, 148 Kat.-Nr. 3.3.1.C (Grab 19); 149 Kat.-Nr. 3.3.5 (Grab 61); Hochhold 2016, 96 f. (Gräber 19, 61, 68, 78).

104

Auch in dem Ha A-zeitlichen Gräberfeld von

Unterradlberg (VB St. Pölten) werden Golddrahtreste erwähnt.

105

103 Müller/Preinfalk/Preinfalk 2013, 235; D1542 mit Abb. 104 Lochner/Hellerschmid 2016. 105 Blesl/Neugebauer/Preinfalk 2002, 32.

200

111 Kainach: Gutjahr 2014, 103, Kat.-Nr. 12–13, Taf. 2, 12–13, Abb. 5, 8–10; Graz: Tiefengraber 2015, 383 f., 425 f., Abb. S. 383 und S. 425. 112 Obereching: Höglinger 1993, 47; 70, Taf. 5, 3 (Grab 10); 88 Taf. 26, 15 (Grab 57); 97 Taf. 36, 9 (Grab 76); Bischofshofen-Pestfriedhof: Lippert/ Stadler 2009, Bd. 1: 39, Abb. 10; Bd. 2: 63, Taf. 80 (Grab 310).

7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe

Abb. 07_35. Spiralarmband aus massivem Gold aus Petronell (©NHM Wien, Foto: A. Schumacher).

fund vom Arikogel (KG Untersee, Bezirk Gmunden, Oberöster-

Massiver gegossener Goldschmuck, wie er im Karpatenbecken

wicht, und dem Hortfund XII aus dem Koppental (KG Straßen, VB

von Siebenbürgen bis in die Ostslowakei häufig in Deponierun-

Liezen, Steiermark), der sich aus drei Lockenringen, drei Gold-

gen auftritt,113 ist aus Ostösterreich bislang unbekannt. Die ein-

drahtbündeln, drei Golddrahtknäueln, zahlreichen Drahtstü-

den zwei schwersten Goldfunden aus den Ostalpen, dem Hortreich), bestehend aus zwei Paaren reich verzierter Armspiralen und fünf Paaren einfacher Spiralringe mit insgesamt 506 g Ge-

zige Ausnahme stellen zwei goldene Doppelspiralarmbänder

cken und Spänen mit einem Gesamtgewicht von 190 g zusam-

(Abb. 07_35) mit 99 g bzw. 126,5 g Gewicht dar, die in Petronell

mensetzt, scheint ein Zusammenhang mit dem Salzbergbau von

(VB Bruck an der Leitha) gefunden wurden.114 Der Verbreitungs-

Hallstatt höchst wahrscheinlich, da die beiden Depots an einer

schwerpunkt dieses charakteristischen Typs liegt im nordöstli-

wichtigen Wegroute, nur wenige Gehstunden von der Saline ent-

chen Teil des Karpatenbeckens zwischen den Flüssen Theiß und

fernt, verborgen waren.116

Körös, weshalb ihre Herstellung und Herkunft im rumänischen

Ein Zusammenhang mit Bergbau wird auch für den einzigen Gold

Siebenbürgen vermutet werden.

115

führenden Hortfund Niederösterreichs – das Depot aus Rothen-

Die Verteilung der Goldfunde erscheint eher zufällig und spora-

grub in der Gemeinde Höflein an der Hohen Wand (VB Neunkir-

disch (siehe Abb. 07_33). Gerade deshalb ist es schwierig, Her-

chen) – angenommen. Urgeschichtlicher Kupferbergbau ist für

kunft, Handelswege und die Mechanismen der Verteilung des

das Gebiet der Hohen Wand allerdings nicht gesichert nach-

Goldes während der Urnenfelderzeit zu rekonstruieren. Nur bei

weisbar, wenn auch nicht ausgeschlossen. Auch der Schmuck aus Rothengrub ist materialsparend hergestellt. Die Datierung

113 Moszolics 1973; 1981; Novotná 1988/89.

ist nach wie vor schwierig, am wahrscheinlichsten ist aber die

114 Barth 1997. 115 Zuletzt zu Typologie und Verbreitung: Lichter 2013, 133–138, Abb. 13.

116 Gruber 2008, 77 und 175–177, Kat.-Nr. 4.2.1–4.2.9.

201

7. Bergbau und Rohstoffe

Abb. 07_36. Schmuckdepot von Rothengrub: 1. Spiralringe – 2. Posamenteriefibel aus Golddraht (©NHM Wien, Foto: A. Schumacher).

1

2

Stufe Ha A2.117 Die fünf Spiralringe (Lockenringe) aus Golddraht

Lokalisierung der Herkunft gelang allerdings nicht.119 Die neu-

mit einem Durchmesser von etwa 2,6–3,0 cm bringen nur weni-

eren Goldanalysen der Depots vom Arikogel und aus dem Kop-

ge Gramm Gold auf die Waage (Abb. 07_36/1). Eine Posamente-

pental lassen ebenfalls auf Seifengold schließen. Sie werden der

riefibel besteht aus drei aufeinander gelegten Bronzeteilen, die

Materialgruppe A3 zugeordnet – dem häufigsten Material der

dicht mit Goldlahn (dünnem Golddraht) umwickelt wurden (Abb.

Mittelbronzezeit in Mitteleuropa, dessen Herkunft im Sieben-

07_36/2). 20 längliche Zierleisten sind aus Bronzeblech gefer-

bürgischen Erzgebirge vermutet wird.120 Die Materialgruppe A3

tigt sowie mit Goldfolie überzogen und zierten wahrscheinlich

zeichnet sich, ähnlich wie die Gruppe A1/N, durch einen hohen

einen Ledergürtel (siehe Kap. 11, Abb. 11_27). Eine runde Zier-

Silbergehalt, sehr geringe Zinnanteile und das Vorkommen von

scheibe aus Bronze ist ebenfalls nur mit einer dünnen Goldfolie

Kupfer aus.

überzogen.

Direkte Belege für urgeschichtliche Goldgewinnung in Sieben-

Bei dem Ensemble aus Rothengrub handelt es sich, wie Ver-

bürgen fehlen.121 Vor wenigen Jahren gelang der überraschende

gleichsfunde in ähnlicher Zusammensetzung z. B. aus Obuda,

Nachweis, dass Gold ab der Kupferzeit auch schon bergmän-

Velem, Sághegyi oder Dunántúl zeigen, um Bestandteile einer

nisch gewonnen wurde, also nicht nur durch Goldwaschen aus

Frauentracht mit Fibel, Kopfschmuck, Gürtel oder Kragen, Haar-

sekundären Seifenlagerstätten. Das älteste bekannte Goldberg-

haltern und golddurchwirkten Gewändern oder um den Schmuck

werk von Sakdrissi in Georgien stand bereits im 3. Jt. v. Chr. in

einer Kultstatue.

Betrieb.122 Für die mögliche Herkunft des urnenfelderzeitlichen

118

Ein solcher Ornat kennzeichnete ohne Zwei-

fel eine sozial hochstehende Person.

Goldes in Mitteleuropa ist aber vor allem eine Entdeckung

Der Frage nach der Herkunft des urnenfelderzeitlichen Goldes wur-

nahe der bulgarischen Stadt Krumovgrad von Bedeutung.

de bereits in mehreren archäometallurgischen Projekten unter-

Auf dem Berg Ada Tepe in den östlichen Rhodopen wurde

sucht. Die älteren Analysen des Goldes im Hort von Rothengrub

ein ausgedehntes bronzezeitliches Goldbergwerk mit der

ordneten das Edelmetall aufgrund seiner chemischen Zusam-

zugehörigen Werkstattsiedlung, in der das Gold verarbeitet

mensetzung der donauländischen Materialgruppe A1/N zu, die

wurde, entdeckt. Anhand der Keramik und Radiokarbondaten

ab der Spätbronzezeit auftritt und sich durch einen beträchtli-

lässt sich der Beginn der bronzezeitlichen Goldgewinnung auf

chen Anteil an Silber sowie wenige Prozente Kupfer auszeichnet.

dem Ada Tepe im 16./15. Jh. v. Chr. festlegen, der Höhepunkt fiel

Wegen der großräumigen Verbreitung dieser Materialgruppe

in die Zeit von 1200 bis 1000 v. Chr.123

und ihrer Häufigkeit vermutet man ein ergiebiges Vorkommen, das erst in der Urnenfelderzeit erschlossen wurde. Die Zusammensetzung deutet auf die Gewinnung von Flussgold hin; eine 117 Zur Zusammensetzung und Datierung des Hortfundes: Pittioni 1952; ; Modl 2011; zuletzt: Gleirscher 2014, 140 f.; Ilon 2015, 88 f., 93. 118 Barth 1988/89, 161; zusammenfassend zur Interpretation: Ilon 2015, 111 f.

202

119 Hartmann 1970, 42 und 116 f., Tabelle 18, Nr. Au198–200, 255, 289, 295. 120 Pernicka/Bühler/Leusch et al. 2008, 79; Hartmann 1982, 33 Abb. 4. 121 Vgl. Lazarovici/Lazarovici/Constantinescu 2015. 122 Stöllner 2014. 123 Popov/Nikov/Jockenhövel 2015, 55.

7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe

Der Forschungsstand lässt vermuten, dass das urnenfelderzeitliche Gold in Ostösterreich aus osteuropäischen Lagerstätten stammt und möglicherweise bergmännisch gewonnen wurde.124 Bislang fehlen jedenfalls jegliche Hinweise auf eine lokale Goldgewinnung in den Ostalpen oder in den Gold führenden Flüssen Österreichs während der Urnenfelderzeit.125

7.3.3 Eisen Die ersten Eisenartefakte in Mitteleuropa treten bereits in der Spätbronzezeit auf.126 In Ostösterreich datieren die ältesten Eisenfunde in die jüngere bis späte Urnenfelderzeit (Ha  B2–B3).127 Die Entdeckung des neuen Metalls gelang wahrscheinlich Bronzemetallurgen in Ostanatolien, die zu Beginn des 2. Jt.s v. Chr. bei der Verhüttung von Kupferkies das Eisen in den Verhüttungsschlacken entdeckten und verarbeiteten. Vereinzelte Artefakte aus meteorischem Eisen sind bereits aus früheren Zeiten bekannt. Im Laufe des 2. Jt.s v. Chr. breiteten sich Eisengegenstände im Nahen Osten, in Ägypten, in der Ägäis und in Griechenland, auf dem Balkan und im nördlichen Schwarzmeergebiet aus.

Abb. 07_37. Kartierung der urnenfelderzeitlichen Eisenfunde in Ostösterreich (Niederösterreich, Wien, Burgenland): 1. Hadersdorf am Kamp – 2. FranzhausenKokoron – 3. St. Andrä – 4. Stillfried (Kartengrundlage: Land NÖ, BD3; Kartierung: P. Trebsche).

Ab dem 12. Jh. v. Chr. ist Eisen in kleinen Mengen, ab dem 8. Jh.

kurzem entwickelt und werden diese Forschungsfrage zukünftig

in größeren Mengen in Mitteleuropa bekannt.128 In diesem Zu-

hoffentlich klären können.130

sammenhang sei erwähnt, dass die häufig als ältester Eisenfund

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden hier nur Funde aus

Mitteleuropas bezeichnete eiserne Klinge aus Gánovce in der

gesicherten und datierbaren Befundzusammenhängen aufge-

Ostslowakei dem Befundzusammenhang nach nicht in die aus-

zählt (Abb. 07_37).

klingende Otomani-Kultur bzw. die beginnende Mittelbronzezeit

Im Gräberfeld von Stillfried an der March (VB Gänserndorf)

(15. Jh. v. Chr.) datiert, sondern offensichtlich im Zuge der hall-

kommt ein eisernes Griffangelmesser (Abb. 07_38/3) in Grab 12

stattzeitlichen Nachnutzung des verfüllten Brunnenschachts in

vor. In Grab  6 befanden sich ein Bruchstück einer eisernen

die Erde gelangte.129

Messerklinge (Abb. 07_38/5) sowie eine große Eisenscheibe

Die urnenfelderzeitlichen Eisenartefakte in Ostösterreich und

(Dm. mehr als 11 cm) und drei kleine Eisenscheiben (Abb.

in Mitteleuropa wurden entweder aus importiertem Eisen her-

07_38/6–9), die als Bestandteile von Pferdegeschirr dien-

gestellt oder als fertige Artefakte importiert. Archäometrische

ten (siehe Kap. 9, Abb. 09_26-1). Beide Gräber datieren in die

Methoden zur Herkunftsbestimmung von Eisen wurden, im Ge-

Stufe Ha B3.131

gensatz zu denen für Kupfer und dessen Legierungen, erst vor

Im Gräberfeld von St. Andrä vor dem Hagenthale (VB Tulln) fan-

124 Am Institut OREA der ÖAW begann 2015 ein von Barbara Horejs ge­ leitetes und vom FWF gefördertes Projekt mit dem Titel „Das Gold des Balkans. Die Goldmine von Ada Tepe“, das neue Ergebnisse zu dieser Frage erwarten lässt (FWF P-28451). Vgl. die Beiträge in: Haag/Popov/ Horejs et al. 2017. 125 Zu Goldlagerstätten in Österreich: Lehrberger 2001. – Die vor Kurzem geäußerte Hypothese, dass in der Obersteiermark Gold auf schmelz­ metallurgischem Weg aus Kupfererz gewonnen worden sei (Preßlinger/ Eibner/Preßlinger 2012), überzeugt nicht (so auch Gleirscher 2014, 130, Anm. 3). 126 Primas 2014, 272 f. 127 Lochner 1991, 207.

den sich eiserne Nadelschäfte (Abb. 07_38/1–2) – leider nur fragmentarisch erhalten und daher typologisch nicht aussagekräftig – in drei Gräbern (18, 32 und 35A) der Stufen Ha B2–3.132 Grab 21 von Hadersdorf am Kamp (VB Krems-Land) enthielt ein eisernes Griffangelmesser (Abb. 07_38/4).133 Gesicherte Grabkontexte sind aus der Nekropole von Franzhausen-Kokoron bekannt.134 In den Gräbern 35, 62, 123 und 347 130 Z. B. Charlton 2015. 131 Kaus M. 1984, 35 f.

128 Pleiner 2000, 3–17 Abb. 1–5.

132 Eibner C. 1974, 34.

129 Furmánek 2000, 158, mit älterer Literatur; zur Neudatierung: Benkovsky-Pivovarová 2002.

134 Lochner/Hellerschmid 2016.

133 Scheibenreiter 1954, 13 Taf. 11, 5.

203

7. Bergbau und Rohstoffe

4

2 3

1

5

7

8

6

9

10

13

11

14

Abb. 07_38. Eisenfunde aus Ostösterreich: 1. St. Andrä, Grab 32 – 2. St. Andrä, Grab 35 – 3. Stillfried an der March, Grab 12 – 4. Hadersdorf am Kamp, Grab 21 – 5–9. Stillfried an der March, Grab 6 – 10–16. Gräberfeld FranzhausenKokoron. (1. nach Eibner C. 1974, Taf. 34d – 2. nach Eibner C. 1974, Taf. 37f – 3. nach Kaus M. 1984, Taf. 13/12a – 4. nach Scheibenreiter 1954, Taf. 11/5 – 5–9. nach Kaus M. 1984, Taf. 8/6g, Taf. 9/6i.k.n – 10–16. nach Lochner/Hellerschmid 2016) – Maßstab 1:2.

204

12

15

16

7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe

(Abb. 07_38/10–16) lag jeweils ein eisernes Griffangelmesser. Der Anzahl der übrigen Beigaben und Beigefäße nach zu urteilen, handelt es sich um vier ganz unterschiedlich reich ausgestattete Gräber. Nur Grab  347 mit einer jüngeren Vasenkopfnadel lässt sich genauer in die jüngere bis späte Urnenfelderzeit datieren. Ein gebogenes bandförmiges Eisenfragment aus Grab  31 kann

2

man funktional nicht verlässlich ansprechen. Zwei eiserne Klingenfragmente wurden in der Urne von Grab  119 gefunden und als Toilettebesteck oder Eisenmesser gedeutet. Da ein Bruchstück eines bronzenen Griffangelmessers bei den Tierknochen außerhalb der Urne lag, dürfte den zwei Eisenfragmenten in der Urne eine andere Funktion als dem Fleischmesser zukommen. Schließlich sei noch auf eine gut befundete Nekropole im ungarischen Szombathely-Zanat hingewiesen, wo drei Gräber ebenfalls Eisenfunde enthielten, die in die dritte und letzte späturnenfelderzeitliche Phase des Gräberfelds datieren. In der Urne von Grab 4 fanden sich ein kleiner Ring (Dm. 27 mm), eine Perle (Dm. 20 mm), ein Beschlag mit Loch sowie ein Messer aus Eisen. Grab  33 enthielt fünf oder sechs größere Eisenringe (Dm. 55– 58 mm), die wahrscheinlich zu einem Pferdegeschirr gehörten.135 Wie aus der Zusammenstellung ersichtlich ist, sind datierbare urnenfelderzeitliche Eisenfunde im Arbeitsgebiet bislang nur aus Gräbern bekannt. Das Fehlen in den gut erforschten Höhenbefestigungen und in Flachlandsiedlungen ist auf die mehrphasige Besiedlung dieser Fundstellen zurückzuführen, die eine gesicherte Stratifizierung und Datierung kleiner Eisenfunde fast unmöglich machen. Bei den frühesten Eisenobjekten handelt es sich hauptsächlich um Messerklingen, Nadeln und wahrscheinlich Bestandteile des Pferdegeschirrs (Zierscheiben und -ringe), die so stark korrodiert, fragmentiert oder von so einfacher Form sind, dass sie keine nähere typologische Ansprache ermöglichen. So ist es auch nicht möglich zu entscheiden, ob es sich um lokal hergestellte oder importierte Produkte handelt. Ihr Vorkommen ist nicht nur an besonders reiche Grabausstattungen geknüpft, wes-

1

halb sich den Eisenfunden kein besonderer Prestigecharakter

Abb. 07_39. 1. Bimetallischer Dolch aus Altenmarkt bei Leibnitz, Steiermark (Länge 45,4 cm) – 2. Bruchstück eines solchen Dolchs aus Stillfried an der March (1. Archäologie & Münzkabinett /Universalmuseum Joanneum GmbH., Foto: N. Lackner – 2. nach Stroh­ schneider/Vahlkampf 1980, Taf. 55).

zuschreiben lässt. Ein Import war unter den Altfunden aus Stillfried. Es handelt sich

Altenmarkt bei Leibnitz in der Steiermark (Abb. 07_39/1). Auf-

um das Bruchstück eines Dolchs vom Typ Golovjatino-Leibnitz

grund des Verbreitungsmusters und der speziellen Herstellungs-

(Abb. 07_39/2), der aus einer Eisenklinge mit im Überfangguss

technik ist eine direkte Herkunft aus dem Kaukasusgebiet anzu-

angebrachten Bronzegriff besteht. Er gehört zu den Bronze-

nehmen.137 Mit diesen Dolchen kimmerische Einfälle zu belegen,

dolchen mit kreuzförmigem Griff und Eisenklinge, deren Verbrei-

wie in der älteren Forschung vertreten, wird den komplexen weit-

tungsschwerpunkt im Kaukasusgebiet liegt; einzelne Exemp-

räumigen Kulturkontakten am Übergang von der Urnenfelder- zur

lare streuen weit westlich bis in das Karpatenbecken und nach

Eisenzeit, die unter anderem zur Ausbreitung der Eisentechno-

Mitteleuropa.136 Ein äußerst gut erhaltenes Exemplar stammt aus

logie führten, nicht gerecht.138

135 Ilon 2011, 160; 162, Fig. 83; 22 f., Fig. 9; 10/4, 7; 34 f., Fig. 36

137 Mele 2011.

136 Strohschneider/Vahlkampf 1980, 144, Verbreitungskarte Taf. 55.

138 Strohschneider/Vahlkampf 1980, 144; Metzner-Nebelsick 1996.

205

7. Bergbau und Rohstoffe

Beim derzeitigen Forschungsstand lassen sich jene Mechanismen des Gütertauschs oder des Technologietransfers, die zur Ausbreitung der Eisenfunde, der Kenntnis der Eisenbearbeitung und später der Eisenverhüttung führten, nicht ausreichend konkretisieren. Die frühe Nutzungsphase des Eisens wird aufgrund der geringen Materialmengen auch als Sekelwirtschaft bezeichnet.139 Diese wurde in Mitteleuropa erst im 8. Jh. v. Chr. von der Minenwirtschaft140 abgelöst.141 Es wird zudem eine Schmuck- und Luxusphase des Eisengebrauchs angenommen, der erst in der Stufe Ha C ein materialgerechter Einsatz des Werkstoffs Eisen folgt.142 Erstaunlich ist, dass Eisen innerhalb Mitteleuropas während der Urnenfelderzeit über lange Zeit sporadisch, aber weiträumig gleichzeitig genutzt wurde und es nicht früher zu einer umfangreicheren eigenen Produktion bzw. Verhüttungsversuchen kam.

7.3.4 Grafit Grafit wurde während der Urnenfelderzeit bei der Herstellung von Keramik für die Grafitierung von Gefäßoberflächen verwen-

Abb. 07_40. Kartierung der Grafitlagerstätten (nach Weiß 1987, Beilage 2; Hlava 2008, Karte 1a) und urnenfelderzeitlicher Grafittonkeramik sowie Rohgrafitstücke in Ostösterreich (Niederösterreich, Wien, Burgenland): 1. Hafnerbach – 2. Hain – 3. Unterradlberg – 4. Grünbach am Schneeberg Am Gelände – 5. Hollabrunn (Kartengrundlage: Land NÖ, BD3; Kartierung: P. Trebsche).

det. Die Keramik wird dadurch besser abgedichtet und erhält einen dunklen, metallischen Glanz, wenn man ein Rohgrafitstück

Grafitknollen.145 In der Nähe von Hafnerbach liegen die Grafit-

an der Gefäßoberfläche abreibt.

lagerstätten des Dunkelsteinerwalds, der einen Ausläufer der

Grafitlagerstätten sind in Niederösterreich (Abb. 07_40) vor al-

Böhmischen Masse südlich der Donau bildet. Diese Lagerstätten

lem im Bereich der Böhmischen Masse, im sog. Graphitbezirk

wurden auch im Mittelalter für die Schwarzhafnerei genutzt, die

Bunte Serie zu finden, der sich in Südböhmen fortsetzt. Verein-

dem Ort den Namen gab. In einigen urnenfelderzeitlichen Sied-

zelt kommt Grafit auch in der Veitscher Decke der Grauwacken-

lungsobjekten am Göllersbach in der KG Hollabrunn (VB Holla-

zone vor, die den Ausläufer der entsprechenden Lagerstätten in

brunn) entdeckte man ebenfalls Grafitbruchstücke, die offenbar

der Obersteiermark darstellt.143 Bis in die Neuzeit waren viele

mit der durch zahlreiche Fehlbrände nachgewiesenen Töpferei

dieser kleinen Lagerstätten oberflächlich leicht erkennbar und

an Ort und Stelle in Zusammenhang stehen.146

ohne großen Aufwand abbaubar, weshalb man eine Gewinnung

Abgesehen von der Oberflächengestaltung bietet der Grafit eine

durch Aufsammlung von Grafitstücken oder einfache Schurfe

zweite Verwendungsmöglichkeit, die vor allem in späteren Zei-

auch für die gesamte Urgeschichte annehmen kann. Ein archäo-

ten wie der Latènezeit oder im Mittelalter weithin gebräuchlich

logischer Nachweis von Grafitabbau ist deshalb äußerst schwie-

war: die Herstellung von Grafittonkeramik, also die Magerung

rig zu erbringen und fehlt bislang. Indirekte Hinweise sind

des Tons mit fein zermahlenem Grafit, um eine besonders feuer-

Rohgrafitfunde aus mehreren Siedlungsbefunden: „Teilweise ab-

feste und wasserabweisende Keramik zu erzeugen. In geringem

gescheuerte Grafitknollen“ wurden beispielsweise in der Höhensiedlung Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg (VB Wr. Neustadt-Land) gefunden.144 In zwei Ha-A-zeitlichen Gruben von Hafnerbach (VB St. Pölten) fand sich eine größere Anzahl von 139 Nach der vorderasiatischen Gewichtseinheit Sekel/Schekel (16 g). 140 1 Mine entspricht ca. 0,5 kg. 141 Pleiner 2000, 6–8. 142 Primas 2014, 305 f. 143 Weber 1997, 231. 144 Mühlhofer 1952, 84.

206

145 Göller 1995, 273, 279. 146 Hasenhündl 1988, 278.

 Abb. 07_41. Typenspektrum der Grafittonkeramik in Unterradlberg (nach Adametz 2011): 1–11. häufige Typen – 12–17. seltene Typen. (Adametz 2011, 1. Taf. 23/6 – 2. Taf. 24/7 – 3. Taf. 30/2 – 4. Taf. 30/1 – 5. Taf. 123/4 – 6. Taf. 21/4 – 7. Taf. 21/6 – 8. Taf. 21/3 – 9. Taf. 22/1 – 10. Taf. 24/8 – 11. Taf. 34/3 – 12. Taf. 81/6 – 13. Taf. 41/6 – 14. Taf. 25/7 – 15. Taf. 63/6 – 16. Taf. 49/10 – 17. Taf. 124/6; Montage: P. Trebsche) – Maßstab 1:4.

7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe

1 2

3

4

5

7

6

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10

9

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16 15

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7. Bergbau und Rohstoffe

Ausmaß kommt Grafittonkeramik auch während der mittleren und späten Bronzezeit in Niederösterreich, Oberösterreich, im östlichen Oberbayern und in der Steiermark vor.147 In der urnenfelderzeitlichen Siedlung von Unterradlberg (Stadt St. Pölten) wurden zahlreiche grafitgemagerte Keramikfragmente gefunden148; in zwei Gruben fanden sich außerdem Grafitstücke149. Von den Gefäßformen her handelt es sich vor allem um Töpfe mit geradem oder S-förmigem Rand, manche von ihnen sind mit Fingerstrichrauung, horizontalen Grifflappen oder Fingertupfenleisten versehen (Abb. 07_41/1–11). Selten wurden auch Schalen mit vertikalem oder eingezogenem Rand, Keramikperlen und Siebgefäße aus Grafitton gefertigt (Abb. 07_41/12– 17). In der benachbarten Katastralgemeinde Hain (Gemeinde Obritzberg-Rust, VB St. Pölten-Land) wurde ebenfalls eine urnenfelderzeitliche Grube mit grafitgemagerter Grobkeramik entdeckt.150 Wenige Kilometer östlich der bereits erwähnten Grafitlagerstätten im Dunkelsteinerwald lässt sich also eine lokale Produktion von Grafittonkeramik während der Urnenfelderzeit vermuten (siehe Abb. 07_40). Die Funktion der urnenfelderzeitlichen Grafittonkeramik ist noch nicht geklärt. Weitmundige, außen mit senkrechten Fingerstrichen geraute Grafittongefäße aus Hallstatt brachte man zuerst mit dem Gradieren von Quellsole in Zusammenhang.151 Für die Grafittonkeramik aus Niederösterreich und der Steiermark152 kann diese Erklärung aber nicht zutreffen, da sie weitab von Solequellen vorkommt. Möglicherweise handelt es sich um spezielle Kochgefäße, die zum Auskochen von Knochen und Fleischabfällen verwendet wurden, um haltbare Brühe herzustellen.153

7.4 Literatur Adametz 2011: K. Adametz, Eine Siedlung der Urnenfelderkultur in Unterradlberg, Niederösterreich, FÖ 50, 2011, 67–92; D4-D493 (Digitalteil). Aidona/Scholger/Mauritsch et al. 2006: E. Aidona/R. Scholger/ H. J. Mauritsch/E. Schnepp/S. Klemm, Spatial distribution of archaeomagnetic vectors within archaeological samples from Eisenerz (Austria), Geophysical Journal International 166, 2006, 46–58. Artner/Fettinger 2010: G. Artner/B. Fettinger, KG Urschendorf, FÖ 49, 2010, 325–326. Barth 1983: F. E. Barth, Bronzezeitliche Graphittonkeramik vom Salz­ bergtal bei Hallstatt, Annalen NHM Wien 85A, 1983, 19–26. Barth 1988/89: F. E. Barth, Zum Goldscheibenfund von Óbuda, MAG 118/119 (Wien 1988/89), 155–162. Barth 1997: F. E. Barth, Zwei bronzezeitliche Goldarmreife aus Petronell, Niederösterreich. In: C. Becker/M.-L. Dunkelmann/ C. Metzner-Nebelsick/H. Peter-Röcher/M. Roeder/B. Teržan (Hrsg.), Chrónos. Beiträge zur prähistorischen Archäologie zwischen Nord- und Südosteuropa. Festschrift für Bernhard Hänsel, Internat. Arch. Stud. Honoraria 1 (Espelkamp 1997), 403–408. Barth 2011: F. E. Barth, Haute Cuisine in der Urzeit. MAG Wien 141, 2011, 91-96. Benkovsky-Pivovarová 1991: Z. Benkovsky-Pivovarová, Das mittel­ bronzezeitliche Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich. Ergebnisse der Ausgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums in den Jahren 1967 bis 1973, Band 3: Ergänzungskatalog, MPK 24 (Wien 1991). Benkovsky-Pivovarová 2002: Z. Benkovsky-Pivovarová, Zur Datierung des bronzezeitlichen Brunnens von Gánovce, Slovenská Arch. 50/2, 2002, 229–243. Berger/Pernicka/Nessel et al. 2014: D. Berger/E. Pernicka/B. Nessel/ G. Brügmann/C. Frank/N. Lockhoff, Neue Wege zur Herkunfts­ bestimmung des bronzezeitlichen Zinns, Blickpunkt Archäologie 4, 2014, 76–82. Blesl/Neugebauer/Preinfalk 2002: C. Blesl/J.-W. Neugebauer/ F. Preinfalk, SG St. Pölten, KG Unterradlberg, FÖ 41, 2002, 31–32.

147 Trebsche 2011, 453 mit Anm. 20. 148 Adametz 2011. 149 Adametz 2011, D64 (Obj. 1397); D68 (Obj. 1591). 150 Leingartner 2012, D487. 151 Barth 1983. 152 Kaiserköpperl bei Berndorf: Preßlinger/Eibner C. 2014, 71, Taf. 8.2/10; Pichl: Modl 2013, 50, 61 f. 153 Barth 2011, 91 f.; Modl 2013, 50.

208

Blesl/Preinfalk 2008: C. Blesl/A. Preinfalk, Urnenfelder- und hallstatt­ zeitliche Gräber im Kloster Traunkirchen. In: schätze.gräber. opferplätze traunkirchen.08 – Archäologie im Salzkammergut. Katalog zur Ausstellung im ehemaligen Kloster Traunkirchen 29. April bis 2. November 2008, FÖ, Materialhefte Reihe A, Sonderheft 6 (Wien 2008), 58–63. Brügmann/Berger/Pernicka et al. 2015: G. Brügmann/D. Berger/ E. Pernicka/B. Nessel, Zinn-Isotope und die Frage nach der Herkunft prähistorischen Zinns. In: T. Gluhak/S. Greiff/K. Kraus/ M. Prange (Hrsg.), Archäometrie und Denkmalpflege 2015. Jahrestagung an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, 25.–28. März 2015, Metalla Sonderheft 7 (Bochum 2015), 189–191.

7.4 Literatur

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209

7. Bergbau und Rohstoffe

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211

7. Bergbau und Rohstoffe

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212

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213

8. Bewaffnung und Kampfesweise

8. Bewaffnung und Kampfesweise Ernst Lauermann, Marianne Mödlinger Mit metallenen Angriffswaffen (Schwert, Speer, Lanze, Axt, Beil),

dar. Mangels weiterer Quellen muss man zumeist von bewaffne-

Schutzwaffen (Schild, Panzer, Beinschienen, Helm) sowie Pfeil

ten Konflikten sprechen. Darunter fallen auch Auseinanderset-

und Bogen war am Ende des 2.  Jt.s v. Chr. ein Waffenensemble

zungen zwischen verschiedenen Stämmen und Gruppen, wie wir

entstanden, das über einen langen Zeitraum hinweg die Ausrüs-

sie von dem erst kürzlich entdeckten Schlachtfeld von Tollense

tung einzelner Krieger bestimmte. Erst im ausgehenden Mittel-

(Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland) dokumentiert haben

alter – durch die Erfindung des Schießpulvers – durchlief die

(Abb. 08_01).

Ausrüstung einen grundlegenden Wandel.

Wer war an bewaffneten Konflikten interessiert? Initiatoren, Ak-

Das Aufkommen der metallenen Schutzwaffen in der Urnenfelder-

jene aus der Allgemeinheit herausstechenden Persönlichkeiten,

zeit war kein Zufall und ging mit zahlreichen gesellschaftlichen

die in reich ausgestatteten Gräbern beigesetzt wurden.2 In urnen-

teure und Nutznießer von Kriegen in der Bronzezeit waren wohl

Veränderungen einher. Darauf deuten die Bevölkerungsverschie-

felderzeitlichen Grabfunden kann man so eine allmähliche sozi-

bungen ebenso hin wie zahlreiche Hortfunde. Die gesteigerte

ale Differenzierung und die Etablierung einer lokalen Kriegerelite

Waffenproduktion, die Änderungen in der Kampfweise – insbe-

ablesen, der an der Spitze der Gesellschaft stand. Grab- und

sondere die Entwicklung des Schwerts von der Stich- zur Hieb-

Depotfunde lassen auf tiefgreifende Zentralisierungsprozesse

waffe – sowie der Ausbau von Befestigungsanlagen waren auf-

schließen und sind Indizien dafür, dass die Urnenfelderzeit von

fällige Folgen. Während der Spätbronzezeit entwickelte sich eine

machtvollen Eliten beherrscht wurde. Auf niederösterreichischen

neue soziale Schicht, der sogenannte Kriegeradel, der in den

Gräberfeldern der Spätbronzezeit ist diese Entwicklung in erster

Grabausstattungen fassbar wird. Bronzene Schutz- und Trutz-

Linie in den Grabausstattungen der frühen (Bz  D) und späten

waffen zeugen von der bedeutenden sozialen Position dieser

Urnenfelderzeit (Ha B3) nachvollziehbar (vgl. Kap. 9).

Krieger. Dies lässt darauf schließen, dass bewaffnete Konflikte

Funde und Befunde, die Rückschlüsse auf eine vollständige Be-

zunehmend eine zentrale Rolle eingenommen haben dürften.

waffnung zulassen, d.  h. eine Ausrüstung mit allen Schutzwaf-

Hier stellen sich die Fragen, wie wir uns kriegerische Auseinan-

fen und den Großteil der Angriffswaffen, sind mit Ausnahme

dersetzungen vorzustellen haben und wie der Begriff Krieg für

des Grabfunds von Dendra in Griechenland (ca. 1450  v. Chr.)

die Bronzezeit zu definieren ist. Für die Definition von Krieg

unbekannt. In Niederösterreich sind es Gräber sowie Fluss- und

wollen wir hier der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Kriegs-

Depotfunde, die immer wieder auch Waffen enthalten und so

ursachenforschung (AKUF)1 folgen, die klar zwischen Krieg und

ihren Beitrag zur Thematik liefern.

bewaffneten Konflikten unterscheidet. Als Krieg gilt, wenn a) an den Kämpfen zwei oder mehr bewaffnete (reguläre) Streitkräfte beteiligt sind, b) auf beiden Seiten Kriegsführende und Kämpfe zentral organisiert gelenkt werden und c) Auseinandersetzungen sich kontinuierlich und strategisch geplant ereignen. Daraus schlussfolgernd können wir für die Urgeschichte nur sel-

8.1 Schriftliche und bildliche Quellen Schon ältere Keilschriften und Hieroglyphentexte berichten uns von kriegerischen Konflikten ab der Mitte des 3. Jahrtausends im Mittelmeerraum. Als frühester bildschriftlicher Nachweis kriege-

ten eindeutig einen Krieg belegen. Ausnahmen stellen etwa der

rischer Ereignisse gilt die sogenannte Geierstele von Girsu (Telloh,

Krieg Ramses II. gegen die Seevölker oder der Kampf um Troja

Irak), die um 2470  v. Chr. datiert. Sie berichtet vom Sieg des sumerischen Königs Eannatum von Lagaš über die Stadt Umma.3

1

214

https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/ professuren/jakobeit/forschung/akuf/kriegsdefinition.html (letzter Zugriff: Mai 2020).

2

Falkenstein 2006/2007, 34.

3

Edzard 2004, 54.

8.1 Schriftliche und bildliche Quellen

Abb. 08_01. Rekonstruktionsvorschlag eines Ausschnitts der Schlacht an der Tollense (Grafik: K. Schauer, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt).

Rund tausend Jahre danach, 1457  v. Chr., kam es zur Schlacht

tigste Quelle über diesen Feldzug sind die Hieroglyphen, die

bei Megiddo (Nordisrael). Sie ist vermutlich die am ausführ-

Thutmosis III. an den Tempelwänden des Annalensaals im Karnak-

lichsten dargestellte kriegerische Auseinandersetzung aus dem

Tempel anbringen ließ.4

alten Ägypten. Unter der Herrschaft Hatschepsuts fielen wich-

Das 13. und 12. Jh. v. Chr. ist für den östlichen Mittelmeerraum

tige Gebiete in Vorderasien von Ägypten ab, wodurch die ägyp-

buchstäblich eine Epoche der Krisen und Katastrophen. So be-

tische Vormachtstellung verloren ging. Als sich in Vorderasien

drohten die kriegerischen Scharen der sogenannten Seevölker

eine Koalition syrischer Fürsten unter der Führung des Fürsten

das ägyptische Reich und weite Teile der Levanteküste.5 Bei die-

von Kadesch zusammenschloss, rüstete Hatschepsuts Nachfol-

sen Seevölkern handelte es sich um landsuchende Verbände,

ger Thutmosis III. in den ersten Monaten seiner Alleinregierung

die in altägyptischen Quellen als Nordleute bezeichnet werden.

für einen Feldzug. Die Gegner um den Fürsten von Kadesch ver-

Einen lebendigen Eindruck vom Aussehen dieser Nordleute ver-

sammelten sich bei der Festung von Megiddo. Nach einem Über-

mittelt die Reliefdarstellung auf der Fassade des Totentempels

raschungsangriff von Thutmosis über das Karmelgebirge zogen sich die überrumpelten Gegner in die Festung zurück. Die Ägypter siegten erst nach mehrmonatiger Belagerung. Die wich-

4

Kühn 2001, 16–25.

5

Yasur Landau 2008; Sternberg-el Hotabi 2012.

215

8. Bewaffnung und Kampfesweise

Abb. 08_02. Medinet Habu, Ausschnitte von dem abgebildeten Kampf am Nil von Ramses III. gegen die Seevölker (nach Epigraphic Survey 1930, Tafel 32).

von Ramses III. in Medinet Habu, auf der die Siege des Pharaos

08_03). Aus Skandinavien kennen wir darüber hinaus Felsbilder,

gegen diese gefährlichen Feinde verherrlicht werden. Deutlich

die unter anderem Bewaffnete zeigen – wie etwa in Vitlycke

unterscheiden sich hier die Nordleute durch Bewaffnung und

Tanumshede (Westschweden).10

Ausrüstung von den ägyptischen Soldaten. Abgebildet werden Rundschilde, Griffzungenschwerter, Brustpanzer, Hörnerhelme und Federkronen (Abb. 08_02). Letztere sind mit Funden aus dem Tholos-Grab von Praisos (1200 v. Chr.) auf Kreta und PortesKephalovryson, Zypern, belegt.6

8.2 Die Bewaffnung

Im Jahr 1274 v. Chr. kämpfte Ramses II. gegen die Hethiter und

Die meisten Krieger waren mit metallenen Angriffswaffen wie

schlug die Schlacht bei der Befestigung von Kadesch (Westsyri-

Speer oder Lanze, Schwert oder Dolch ausgerüstet. Schutzwaf-

en).7 Der Blick auf Europa zeigt, dass auch die spätmykenischen

fen wie Schild, Helm, Brustpanzer und Beinschienen, ob orga-

Palastkulturen (Mykene, Tyrins, Pylos) ein jähes Ende nahmen.

nisch oder aus Metall, gehörten wohl ebenso zur Ausstattung,

Das weltberühmte Heldenepos vom Trojanischen Krieg – die

zumindest zu jener der wohlhabenden Krieger. Sie finden sich

Ilias, die den Krieg der mykenischen Griechen gegen die von

allerdings mit Ausnahme von Čaka (Slowakei) und Dendra (Grie-

König Priamos regierte Stadt Troja um 1200 v. Chr. beschreibt –

chenland) nicht in Gräbern. Einen weitgehend unbekannten

ist ebenfalls in diesen unruhigen Zeiten angesiedelt.

Faktor stellen organische Schutz- und Angriffswaffen dar, die

8

Ähnlich gut dokumentierte Nachweise zu Kriegen und Konflik-

nur unter guten Erhaltungsbedingungen archäologisch fass-

ten fehlen für diese Zeit im übrigen Europa. Im Gegensatz zu den

bar sind. Die Keulen, Prügel bzw. die einem Poloschläger äh-

mediterranen Funden hat sich jedoch ein Schlachtfeld an den

nelnde Waffe vom Schlachtfeld Tollense sind seltene Ausnah-

Ufern der Tollense (Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland)

men (Abb. 08_04).11 Es ist wahrscheinlich, dass wir dadurch

komplett erhalten.9 Hier gelingt es erstmals, ein Kampfgesche-

viele Krieger im archäologischen Kontext nicht als solche er-

hen der europäischen Bronzezeit näher zu erforschen, obwohl

kennen.

der Anlass und die beteiligten Parteien unbekannt bleiben (Abb. 6

Mödlinger 2017, 71.

7

Klengel 2002.

8

Drerup 1924, 1232–1262.

10 Brock, 2015, 62 f.

9

Jantzen/Orschiedt/Piek et al. 2014; Jantzen/Terberger 2016.

11 Klooß/Lidke 2014, 117–120, Abb. 1 und 4.

216

8.2 Die Bewaffnung

Abb. 08_03. Tollensetal, Grabungsausschnitt. Bei der Hauptfundstelle, Weltzin 20, wurde u. a. eine dichte Streuung an Skelettresten entdeckt. Die meisten Kämpfer wurden durch Pfeile getötet, an einigen wenigen zeigten sich auch massive Verletzungen am Schädel durch stumpfe Gewalteinwirkung (Foto: S. Sauer, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt). Abb. 08_04. Tollensetal, Holzkeule mit hammerartigem Keulenkopf aus Schlehenholz. Die Holzkeule kann über die Fundlage sowie durch die C14-Daten dem Kampfgeschehen zugeordnet werden, sodass eine Deutung als Waffe außer Frage steht, ca. 1200 v. Chr. (Graphik: LAKD M-V, Landesarchäologie, D. Schulze).

Das Pferd spielte als Reittier, aber auch als Zugtier in der Urnenfelderkultur eine wichtige Rolle; das beweisen Grabbeigaben von Pferdegeschirr. Viele dieser Funde der späteren Urnenfelderzeit zeigen Einflüsse aus dem Osten, vielleicht durch die Kimmerier, die in den südrussischen Steppen lebten – sei es, dass diese selbst oder zumindest ihr Kulturgut durch Handelsbeziehungen bis nach Mitteleuropa gelangten. Terminologisch ist zwischen Waffe und Bewaffnung zu unterscheiden, also dem einzelnen Funktionstyp und der mehr oder weniger regelhaften Waffenausstattung von Kriegern.12 Dabei ist man aber bei der Rekonstruktion der Bewaffnung auf aussagekräftige Waffenkombinationen in Fundverbänden und auf Bildwerken angewiesen. Allerdings ist nicht gesichert, ob die Fundverbände in den Gräbern auch der tatsächlichen Bewaffnung zu Lebzeiten entsprechen. In den Gräbern sind dementsprechend immer wieder verschiedene Waffen bzw. Waffensets anzutreffen. 12 Falkenstein 2006/2007, 34.

217

8. Bewaffnung und Kampfesweise

Ab Ende des 14. Jh.s  v. Chr. sind in Mitteleuropa Schutzwaffen

lich erkennen. Am namensgebenden Fundort in Sauerbrunn

aus Bronzeblech, bestehend aus Helm – mit oder ohne Wangen-

treten Schwert und Dolch gemeinsam in einem Grab auf, was

klappen –, Panzer, Beinschienen, Schild sowie Metallwaffen mit

auf eine gemeinsame Verwendung im Kampf schließen lässt.16

Lanze, kombinierten Hieb- und Stichschwert sowie Dolch nachge-

Während der Stufe Bz  D waren vor allem bronzene Vollgriff-

wiesen. Diese maximale Ausstattung dürfte wohl ranghohen Per-

schwerter vom Typ Riegsee, Griffplattenschwerter vom Typ Rix-

sönlichkeiten – Anführern – vorbehalten gewesen sein. Archäo-

heim und vereinzelt frühe Griffzungenschwerter verbreitet. Wäh-

logisch nachgewiesen ist sie, mit Ausnahme des Grabfunds von

rend der Zeitstufe Ha A1 (um 1200 v. Chr.) waren unter anderem

Dendra, noch nicht.

Vollgriffschwerter mit drei Wülsten auf der Griffstange, sog. Dreiwulstschwerter üblich, die in der Stufe Ha  B2/3 (um 950– 800  v. Chr.) durch Antennen- und Schalenknaufschwerter abge-

8.2.1 Offensivwaffen

löst wurden (Abb. 08_05). Aus Niederösterreich kennen wir zahlreiche Gräber mit Vollgriffschwertern, darunter ein Riegseeschwert mit typischem Schei-

Schwert

benknauf aus Grab 6 von Baierdorf 17 (siehe Kap. 9, Abb. 09_06)

In der Bronzezeit entstand mit dem Schwert die erste allein zum

oder ein kleines Scheibenknaufschwert vom Typ Unterradl, das

Kampf bestimmte Waffe. Im Gegensatz zu anderen Waffen, die

bei der Bergung eines Brandgrabs in Unterradl18 entdeckt wur-

auch zur Jagd eingesetzt wurden, diente das Schwert einzig dazu,

de. Beim Ausbaggern des Donauschotters bei Ybbs19 kamen zwei

einen Gegner zu verletzen, kampfunfähig zu machen oder zu tö-

Vollgriffschwerter ans Tageslicht. In Unterradlberg20 wurde in ei-

ten.13 Von allen Waffen scheint besonders das Schwert neben der

nem alt beraubten Grab ein gebrochenes, jedoch vollständiges

Funktion als Kriegswaffe auch eine Funktion als Statussymbol er-

Schalenknaufschwert vom Typ Wörschach entdeckt (siehe Kap.

füllt zu haben. Der Besitz eines Schwerts, beziehungsweise die

9, Abb. 09_15). Ein Griffangelschwert vom Typ Terontola stammt

Beigabe eines solchen ins Grab, scheint einer der wichtigsten

aus Grab  7 von Baierdorf21. Griffzungenschwerter sind aus Grä-

Indikatoren für einen höheren Status zu sein.14

bern wie Petronell22, Mannsdorf23, Grab 2 von Baierdorf24, Wolfs-

Je nachdem, wie die bronzene Schwertklinge und der Schwert-

thal25, Langmannersdorf26, Unterradl27, Grab 26 von Vösendorf 28

griff aus organischem Material miteinander verbunden waren,

sowie aus den Horten von Wöllersdorf  I29und II30 (Abb. 08_06),

lassen sich Exemplare mit Griffzunge, -platte und -dorn unter-

Puch31 und aus den ungesicherten Depotfunden vom Sem-

scheiden. Unter Vollgriffschwertern versteht man Schwerter

mering32, Mannersdorf an der March33 sowie den Flussfunden

mit üblicherweise reich verziertem, bronzenen Griff. Der Griff

aus Melk34 und Zwentendorf 35 bekannt. Aus einer Schottergrube

wurde bis in die ausgehende Spätbronzezeit separat gegossen

in Nitzing 36 stammt ein weiteres Griffzungenschwert.

und an die Klinge angepasst. Bei den jüngsten bronzezeitlichen Schwerttypen goss man den Griff im Überfangguss über die Klinge. Vollgriffschwerter liefen mit dem Ende der Bronzezeit aus, während die Form der Griffzungenschwerter bis in die Eisenzeit

16 Laue 1985, 62. 17 Lochner, 1986, 290, Taf. 8/1. 18 Mödlinger 2011b, 199. 19 Neugebauer 1978, 270, Abb. 170, 171.

gebräuchlich blieb.

20 Blesl/Krumpl 2003, 32, Abb. 33; Mödlinger 2011b, 219.

Im 18. Jh. v. Chr. entstanden in der Ägäis Schwerter, die haupt-

21 Lochner 1986, 291, Taf. 9/1; Mödlinger 2011b, 257.

sächlich als Stichwaffen verwendet wurden und bis nach Südosteuropa verbreitet waren. In der Folge kam ab 1700 v. Chr. das Vollgriffschwert vom Typ Apa auf, das sowohl als Stich- als auch als Hiebwaffe verwendbar war. Ab 1500 v. Chr. wurden Kurzschwerter mit trapezförmiger Griffplatte und Langschwerter mit Griffzunge hergestellt. Aus Grab 3 von Leobersdorf kennen wir ein Griffplattenkurzschwert vom Typ Sauerbrunn (Bz  B, ca. 1550  v. Chr.).

15

Diese oft sehr langen und dünnen, rapierartigen Klingen lassen die Verwandtschaft zu ihren vorderasiatischen Vorfahren deut-

22 Schauer 1971, 120, Taf. 54/369. 23 Schauer 1971, 133, Taf. 59/401. 24 Schauer 1971, 137, Taf. 60/411; Lochner 1986, 286, Taf. 4/1. 25 Schauer 1971, 143, Taf. 63/431, 156, Taf. 67/459. 26 Schauer 1971, 189, Taf. 89/580. 27 Schauer 1971, 192, Taf. 91/600. 28 Schauer 1971, 192, Taf. 91/601. 29 Lauermann/Rammer 2013, Abb. 31, Taf. 59/ 1–4. 30 Lauermann/Rammer 2013, Abb. 32, Taf. 61/1. 31 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 30/3. 32 Schauer 1971,143, Taf. 63/428; Lauermann/Rammer 2013, Taf. 101/2. 33 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 98/1.

13 Mödlinger 2015a, 269.

34 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 105.

14 Mödlinger 2011b, 69.

35 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 104/2.

15 Willvonseder 1937, Taf. 26/1; Schauer 1971, 21, Taf. 2/13.

36 Spitzer 1962, 25 ff., Taf. II.

218

8.2 Die Bewaffnung

Abb. 08_05. Leopoldsberg, 1190 Wien, Antennenschwert, Länge 62 cm (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Anhand technischer Untersuchungen und Gebrauchsspurenanalysen kann man bei der Funktion und Bedeutung der Schwerter

Abb. 08_06. Depotfund Wöllersdorf II, unter anderem mit vier Teilen eines Griffzungen­ schwerts, dem Bruchstück einer Helmwangenklappe, Fragmenten von Lappen- und Tüllenbeilen, zahlreichen Zungensichelbruchstücken und dem Fragment eines Griffzungenmessers (Foto: NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Dass mit den bronzezeitlichen Schwertern auch gekämpft wurde,

von praktischen, sozialen und symbolischen Aspekten ausgehen.

belegen Scharten und Nachschärfungen. Versuche an Schweine-

Das Schwert war ein wichtiger Indikator für den gesellschaftli-

kadavern haben gezeigt, dass mit den kurzen Schwertern der

chen Status der Bestatteten. So wird z. B. für die nordische Bronze-

Bronzezeit schnelle Schläge, schneidende Bewegungen und za-

zeit angenommen, dass die Anzahl der Schwertträger in Höhe

ckige Stiche durchgeführt wurden, die keine Spuren an den Kno-

von 10–20 % der erwachsenen Männer darauf hindeutet, dass

chen hinterließen.38 Gebrauchsspuren an Schwertern kennen

sie weniger als kleine Elite, sondern eher als breitere Schicht

wir auch von österreichischen Vollgriffschwertern und Schwer-

von freien Männern anzusehen sind. Insgesamt stellt sich die

tern mit organischen Griffen: Zahlreiche Scharten, Nachschär-

Gesellschaft der nordischen Bronzezeit als komplexes und insta-

fen, Recyceln von sowohl Griff als auch Klinge, organische Griff-

biles Netzwerk ohne zentralisierte Macht dar, in dem einzelne

umwicklungen bei Vollgriffschwertern für einen besseren Halt39

soziale Gruppen auf verschiedene Weise konkurrierten. In die-

und die Härtung der Schneiden lassen klar auf die Optimierung

sem Kontext muss der Schwertträger als Mann mit einem gewis-

für die Verwendung im Kampf schließen.40

sen Status, aber nicht notwendigerweise als Häuptling gesehen werden.37

38 Molly 2011, 67–84. 39 Grömer/Mödlinger 2005, 51–55.

37 Bunnefeld 2014, 134–143.

40 Mödlinger 2011b.

219

8. Bewaffnung und Kampfesweise

Dolch Die ersten Kupferdolche kamen in der Glockenbecherkultur auf. Besonders stark verbreitet waren trianguläre Dolche sowie Griffplattendolche aus Kupfer bzw. in der Frühbronzezeit bereits aus Bronze. Am Ende der Frühbronzezeit traten Vollgriffdolche auf. Ab der Mittelbronzezeit sind Griffplattendolche geläufig. In den Stufen Bz  D–Bz  A waren Peschieradolche (Griffzungendolche) verbreitet. Der Dolch entwickelte sich vom spitzen Stoßinstrument zum zweischneidigen Gerät mit der zusätzlichen Funktion als Messer. Dolche wurden damit vielseitiger verwendbar. Die Abgrenzung zwischen Dolch und frühem Schwert fällt zumeist nicht leicht. Allgemein wird die längere Waffe als Schwert, die kürzere als Dolch angesprochen, dennoch bleiben Terminologie und Ansprache autorenspezifisch. Die Dolche können als Multifunktionswerkzeug der Bronzezeit – als Waffe, Messer und Werkzeug – angesprochen werden.41 Für B.-U. Abels dagegen ist der Dolch in der Mittel- und der Spätbronzezeit, in der Messer vorhanden sind, ausschließlich eine kurze Stichwaffe.42 Eine weitverbreitete Meinung ist auch, dass in der Urnenfelderzeit der Dolch durch das Messer ersetzt wurde.43 Im 13. Jh. v. Chr. verdrängte das einschneidige Bronzemesser schließlich den Dolch.44 Hier sollte eher vom Ende der Dolchbeigabe und dem Beginn der Messerbeigabe in der Stufe Ha  A1 gesprochen werden, ohne dass vom Messer ausgehend Rückschlüsse auf die Funktion des Dolchs gezogen werden.45

Pfeil und Bogen Kampfszenen, bei denen fast immer mit Pfeil und Bogen bewaffnete Männer auftreten, sind uns seit der Entdeckung der LevanteKunst aus zahlreichen Beispielen bekannt.46 Dennoch kann man vom Auftreten einzelner Pfeilspitzen aus Stein oder Metall in Gräbern nicht grundsätzlich auf eine Kriegerbestattung schließen. Die in weiten Teilen Europas verbreiteten Grundtypen der bronze­zeitlichen Pfeilspitzen sind Blattpfeilspitzen, Pfeilspitzen mit Schaftzunge und Schaftdorn sowie Tüllenpfeilspitzen (Abb. 08_07).47 Über die Konstruktion der Bögen ist wenig bekannt, da diese sehr selten – wie im Fall der Gletschermumie vom Haus-

Abb. 08_07. Grundtypen der bronzezeitlichen Pfeilspitzen (nach Eckhardt 1996, zusammengestellt von A. Preinfalk).

labjoch – erhalten blieben. Man muss annehmen, dass jeder Bogen eine spezielle, auf die Bedürfnisse des Schützen gearbei-

Bogen und Pfeile vollständig erhalten, könnte man sogar Aussa-

tete Individualwaffe war, die nur in Ausnahmefällen von ande-

gen zum Typ des Bogenschützen – Rückschlüsse auf Kraft, Statur

ren Schützen benutzt wurde. Wären im archäologischen Idealfall

und Ausbildungsstand – treffen.48

41 Schwenzer 2004, 19 f.; Mödlinger 2011b, 53. 42 Abels 1972, 92. 43 Hundt 1958, 357; Stary 1980, 64; Říhovský 2000, 103. 44 Clausing 2005, 76 f. 45 Mödlinger 2011b, 54. 46 Beltrán 1982, 70. 47 Eckhardt 1996, 25–35.

220

Die meisten bisher bekannten Pfeilspitzen aus einem nieder­ österreichischen Grab stammen aus dem Gräberfeld Hollabrunn an der Aspersdorferstraße, wo in einem beraubten Urnengrab (V 57) neun Pfeilspitzen entdeckt wurden.49 Aus Niederösterreich 48 Eckhardt 1996, 168. 49 Lauermann/Lindinger/Hasenhündl in Vorbereitung. In einem weiteren Grab (8/2014) fanden sich zwei Pfeilspitzen.

8.2 Die Bewaffnung

sind sonst wenige gesicherte Gräber mit Pfeilspitzen bekannt – so etwa aus Grab 271, Fundstelle A von Gemeinlebarn, wo man fünf Tüllenpfeilspitzen fand.50 In Großmugl entdeckte man in einem Urnengrab eine Tüllenpfeilspitze.51 Das archäologische Bild der Beiwaffen in den Pfeilgräbern änderte sich im Lauf der Zeit. In der Stufe Bz D kommen außer den Pfeilen, Schwert, Beil und Dolch vor, in der Stufe Ha A/B ist neben den Pfeilen Schwert und Messer typisch.52 Im Depotfund von Purkersdorf53 wurde eine Pfeilspitze nachgewiesen, im Depotfund von Kronberg54 sind hingegen 15 Pfeilspitzen enthalten – wobei Letzterer aber als nicht gesichert gilt. Von der bekannten Fundstelle der Heidenstatt bei Limberg ist ebenfalls eine große Anzahl an Pfeilspitzen erhalten (siehe Kap. 3, Abb. 03_30); zusammen mit den übrigen von dieser Fundstelle bekannten Gussteilen und Halbfabrikaten kann man hier an ein entsprechendes Herstellungszentrum denken. Im Gegensatz dazu sind von den gut dokumentierten großen Höhensiedlungen wie Stillfried an der March, Oberleiserberg und Thunau am Kamp keine bzw. nur einzelne Bronzepfeilspitzen aus der Urnenfelderzeit bekannt.55 Von letzterer Fundstelle sind jedoch Exemplare aus Knochen bzw. Geweih erhalten (siehe Kap. 4, Abb. 04_25). Zwei Tüllenpfeilspitzen sind aus dem südlichen Niederösterreich im Bergbaugebiet Prigglitz belegt.

Wurfspeer und Stichlanze Speere zählen zu den ältesten Jagdwaffen des Menschen. Allge-

Abb. 08_08. Depot von Rannersdorf, drei vollständig erhaltene Lanzenspitzen, größte L. 222 mm (Foto: P. Kolp).

mein geläufig ist die Einteilung nach schweren Lanzenspitzen als Stoßwaffen und kleineren Speerspitzen als leichten Wurfgeschossen; Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel, wie etwa die Fälle von Hernádkak (Ungarn) und Lerna (Griechenland) zeigen.

56

Lang- und Kurzspieß, Wurfspieß, Speer- und Fechtspieß. Erschwerend für die Einteilung archäologischer Funde kommt hin-

Eindeutige Unterscheidungsmerkmale zwischen Lanzen- und

zu, dass aufgrund des in der Regel nicht erhalten Schafts eine

Speerspitzen wurden und werden, obwohl J. Tarot57 diese für die

klare Ansprache nicht möglich ist. Gewöhnlich wird die Länge

Urgeschichte klar definierte, nicht einheitlich, sondern eher be-

der Spitze als einziges Aussagekriterium herangezogen.58 Im

liebig verwendet. Darüber hinaus scheint der Spieß auch völlig

Folgenden ist daher einheitlich von Speerspitzen die Rede, was

unbekannt in der urgeschichtlichen Literatur zu sein. Kurz zu-

sowohl Lanzen- und Spießspitzen einschließt.59

sammengefasst, handelt es sich bei dem Speer um eine reine

Bronzene Tüllenspeerspitzen traten im Laufe der ersten Hälfte

Wurfwaffe, die sowohl von Fuß- als auch von Wagenkämpfern

des 2. Jt.s v. Chr. in Erscheinung. Ab der Mittelbronzezeit gehör-

oder Reitern verwendet wird. Unter Lanze versteht man die Stoß-

ten Lanze, Speer und/oder Spieß zur regelhaften Bewaffnung.

waffe eines Reiters oder Wagenkämpfers, wohingegen der Spieß

Das vermehrte Auftreten von Speerspitzen unterschiedlicher

die Stoßwaffe des Fußkämpfers ist. Unterschieden werden hier

Typen in Gräbern, Horten und Flussfunden ab dem 13. Jh. v. Chr. spricht für eine gesteigerte Bedeutung von Stichlanzen und Wurf-

50 Szombathy 1929, 65, Taf. 23/6; Eckhardt 1996, 282, Taf. 54/12. 51 Angeli 1959, 127, Taf. 4/2; Eckhardt 1996, 282, Taf.54/14. 52 Eckhardt 1996, 159–162. 53 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 90/4.

speeren im Kampf.60 In der beginnenden Urnenfelderzeit (Bz D/ Ha A) war in weiten Teilen Europas der Typ der langen – teilweise auch überlangen – schmalen Lanzenspitze verbreitet.

54 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 97/18–32. 55 Griebl/Biederer in Vorbereitung, Taf. 15/1 (St. 16738.1).

58 Říhovský 1996, 5.

56 Osgood 2006, 331–340; Mödlinger 2011b, 11–21.

59 Tarot 2000, 40.

57 Tarot 2000.

60 Falkenstein 2006/2007, 35.

221

8. Bewaffnung und Kampfesweise

Speere, Lanzen und Spieße können als Stich-, Stoß- oder Hiebwaffe, aber auch als schneidende Waffen (vgl. etwa die in der Ilias beschriebenen Verletzungen)61 verwendet werden. Mit Beil oder Schwert kombiniert, kann man Kurzspieße auch als einhän-

Abb. 08_09. Depotfund von Haslau mit fünf Tüllenbeilen, einer Bronzetasse, zwei Trensenknebeln und zwei Trensenmundstücken, zwei großen und zwei kleinen Brillenfibeln, neun Zungensicheln und einem Griffangelmesser (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

dige Stichwaffen verwendet haben. Eine Verwendung als Wurfwaffe wird weniger in Betracht gezogen, da diese dadurch an den Gegner verloren geht.62

Axt und Beil

Aus Niederösterreich sind etliche Speerspitzen aus Hortfunden

Traditionell werden Äxte eher als Waffen und Beile – wenn sie

bekannt, etwa aus den Horten von Michelstetten II (zwei Bruch-

nicht in Gräbern vorkommen – zumeist als Werkzeuge gedeutet.69

stücke) , Puch (eine komplette Spitze und ein Bruchstück) ,

Jedoch ist etwa die Funktion der Tüllenbeile mehr als umstritten.

Scheiblingkirchen (eine komplette Spitze) , Rannersdorf (drei

So werden sie sowohl als Beilgeld oder Votivgabe70 angesehen

Spitzen) (Abb. 08_08) (dazu Kap. 11, Abb. 11_07)66, Maiersdorf

als auch als Streitbeil, Dechsel zur Holzbearbeitung, Bergbau-

(eine fragmentierte Tüllenspitze)

gerät oder Fleischerbeil71. Untersuchungen zu den Gebrauchs-

63

64

65

67

oder Höflein (zwei Bruch-

stücke)68.

spuren an britischen Tüllenbeilen erbrachten den Hinweis, dass

61 Apostolakis/Apostolaki/Apostolaki et al. 2010; Mödlinger 2011a, 15–18.

selten auf Metall trafen.72 Eine klare Unterscheidung in Werk-

diese überwiegend zur Holzbearbeitung genutzt wurden und nur

62 vgl. Mödlinger 2011a, 17.

zeug oder Waffe ist jedenfalls nicht möglich; wir können wohl

63 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 28/6.

von einer den Umständen entsprechenden Verwendung dieser

64 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 30/1, 2.

multifunktionalen Bronzen ausgehen.

65 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 48/5.

69 Mödlinger 2011b, 51.

66 Lauermann/Rammer 2013, Abb. 30 a, b; Reiter/Linke 2016, 158 f., Abb. 54 und 55.

70 Kibbert 1984, 118 f.,152, 167 f.

67 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 54/1.

71 Wanzek 1989, 150 f.

68 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 89/1, 4.

72 Ottaway/Roberts 2003, 119–140.

222

8.2 Die Bewaffnung

Grünbach Depot I80 (drei Beile) oder auch Mahrersdorf81 mit vier kompletten Lappenbeilen (Ha B1/B2) (Siehe Kap. 7, Abb. 07_18). Insgesamt sind derzeit aus Niederösterreichs Horten 20 komplette und 17 Bruchstücke von Lappenbeilen bekannt.

8.2.2 Defensivwaffen Zurzeit sind etwa 320 metallene Schutzwaffenfunde (ca. 90 Schilde, 30 Panzer, 120 Helme und 75 Beinschienen), wie sie erstmals in Griechenland um 1400 v. Chr. und in Europa ab Bz D im Karpatenbecken auftraten, bekannt.82 Die praktische Funktion als tatsächliche Schutzwaffe wurde sowohl den Panzern als auch Helm, Schild und Beinschienen lange abgesprochen. Zu selten, kostbar und schön seien sie, um tatsächlich als Schutzwaffen eingesetzt zu werden. Man nahm daher eine reine Symbol- oder Statusfunktion für sie an. Zahlreiche Gebrauchsspuren sowie die auf eine Optimierung für den Kampf abzielende Herstellung verweisen jedoch auf den tatsächlichen Gebrauch der metallenen Schutzwaffen als solche. Darüber hinaus boten sie, sei es mit fix befestigtem Innenfutter oder mit darunter getragener organischer Schutzkleidung, zusätzlichen Schutz im Kampf. Organische Schutzwaffen aus Leder, Leinen, Fell, Holz, Filz und anderen Materialien haben sich nicht erhalten; wir kennen nur einen

Abb. 08_10. Depotfund von Puch: zwei Lappenbeile mit starker Lappenpartie und Nackenkerbe, ein endständiges Lappenbeil vom Typ Bad Goisern und ein Lappenbeil mit konzentrischen Kreisen und Punktreihen verziert (Lauermann/Rammer 2013, Taf. 29).

Kopfschutz aus Weidengeflecht aus Fiave (Italien).83 Aufgrund

Beile sind generell sehr häufig in Horten anzutreffen, so auch in

Aus Niederösterreich sind keine Funde von Panzern oder Schil-

Niederösterreich. Tüllenbeile bzw. deren Bruchstücke sind u. a.

den bekannt. Fragmente einer Beinschiene Typ Lengyltóti ken-

der einfacheren, kostengünstigeren Herstellung ist jedoch von einer weiten Verbreitung organischer Schutzwaffen, etwa Lederkappen oder -wämser, auszugehen.

in den Depots von Großweikersdorf (ein Beil, ein Bruchstück),

nen wir aus dem Hortfund von Stetten. Die Wangenklappe eines

Haslau74 (fünf Beile, Ha  B2/B3) (Abb. 08_09), Stillfried an der

Helmes vom Typ Paks stammt aus Wöllersdorf (siehe dazu weiter

March Depot  II75 (zwei Beile), Herrenbaumgarten76 (zwei Beile)

unten).

73

und Michelstetten Depot77 (fünf Bruchstücke) vertreten. Insgesamt finden sich in den gesicherten Horten Niederösterreichs 35

Schild

komplette und 16 Bruchstücke von Tüllenbeilen.

Knapp 90 Schilde aus dünnem Bronzeblech sind bisher aus

Ähnlich verhält es sich mit den Lappenbeilen, die ebenfalls häu-

Skandinavien, Irland, England, vereinzelt auch Deutschland

fig in Horten anzutreffen sind, etwa in den Horten von Enzersdorf-

und Ungarn bekannt.84 Ihre durchschnittliche Größe betrug 50–

Thale Depot  II

(drei Bruchstücke) (siehe Kap. 11, Abb. 11_5),

70 cm, mit Blechstärken von 0,3–1,4 mm und einem Gewicht von

Puch79 (zwei Beile, zwei Bruchstücke) (Ha B1/B2) (Abb. 08_10),

1–2 kg.85 Die Bronzeschilde sind oft kunstvoll mit Rippen und

78

73 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 17/1, 2.

Buckeln dekoriert. Die Anforderungen, die ein Schild für ausrei-

74 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 20/1–5; Taf. 21/1–5.

80 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 34/1–3.

75 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 23/1, 2.

81 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 47/1–4.

76 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 25/4; Taf. 27/4.

82 Mödlinger 2015b, 293.

77 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 28/1–5.

83 Mödlinger 2017, Kat. no. 60.

78 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 3/1–3.

84 Mödlinger 2011b, 61.

79 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 29/1–4.

85 Brock 2015, 65.

223

8. Bewaffnung und Kampfesweise

Abb. 08_11. Vertreter der drei Panzergruppen: 1. griechischer Panzer (Dendra, Grab 12; (Müller-Karpe 1980) – 2. karpatischer Panzer (aus der Donau bei Pilismarót, Ungarn; Petres/Jankovits 2014 mit Ergänzungen durch die Autoren) – 3. westeuropäischer Panzer (Fillinges, Frankreich; Mottier 1988).

chende Stabilität im Kampf zu erfüllen hatte, hat A. Geiger zu-

in Sommerein die Abbildung eines Sanduhrschilds (siehe Kap. 9,

sammengefasst.86 Dazu gehören ein nicht zu großer Schilddurch­

Pkt. 9.2.6). Eventuell können die Blechbuckel aus dem Horten

messer, ausreichende Blechstärke (mehr als 0,5 mm), breite

von Kemmelbach90 und Zvolen91 als Metallzier eines hölzernen

konzentrische Rippen, ein umgebördelter Schildrand als Ver-

Schilds gedeutet werden. Gelochte Blechbuckel fanden sich in

stärkung, stabile Schildfesseln und eine ausreichend dicke Füt-

mehreren Horten in Mähren.92

terung. Trotzdem wird ihre Kampftauglichkeit immer wieder in

Die einfacheren Stücke, die hinsichtlich der Materialien er-

Frage gestellt. Neue Experimente belegen jedoch, dass umgebör-

schwinglicher waren, bestanden vermutlich in der Regel aus di-

delte Schilde durchaus den Hieben von Bronzeschwertern stand-

ckem zähen Leder oder Holz. Solche Funde kennen wir allerdings

hielten. Speere drangen, wenn überhaupt, nur mit der Spitze

soweit nur aus Irland: zwei Holzschilde, zwei Schildformer aus

ein und hätten den Träger nicht verletzen können. Insgesamt er-

Holz und ein Lederschild sind erhalten.93 Im Experiment stellte

wiesen sich die Repliken als wehrfähige Schutzwaffen, die auch

man mehrere Schilde aus Leder her und konnte deren Kampf-

nach wiederholtem Einsatz ohne größere Schäden blieben. Im

tauglichkeit bestätigen.94

87

Gegensatz dazu stehen die Experimente der frühen 1970er-Jahre, bei denen die Schilde den Angriffen nicht standhalten konn-

Panzer

ten; hier wurden allerdings fälschlicherweise Kupferschilde ver-

Bronzezeitliche Metallpanzer werden in drei Gruppen unterteilt,

wendet. Neben der Verwendung im Kampf können die Schilde

die sich chronologisch, geografisch und typologisch deutlich

natürlich auch bei rituellen Kämpfen oder Waffentänzen verwen-

unterscheiden (Abb. 08_11). Die älteste Gruppe stellen die der

det worden sein.89

griechischen Panzer dar, die um 1450 v. Chr. (Späthelladisch IIB)

Aus Niederösterreich ist bisher kein Teil eines Schilds bekannt;

erstmals im Gräberfeld von Dendra (Griechenland) auftraten.

88

allerdings findet sich auf einer Steinplatte vom Steinkistengrab

90 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 12 und Taf. 13.

86 Geiger 1994, 110 f.

91 Paulík 1965, Obr. 1 und Obr. 4.

87 Uckelmann 2011, 252.

92 Salaš 2005, Tab. 40, Tab. 135, Tab. 197, Tab. 198, Tab. 230–236.

88 Coles 1973, 201 ff.

93 Coles 1962, 160 f., 175 f., 180 f., 186, Nr. 9, 10, 21–23.

89 Uckelmann 2011, 249–258.

94 Coles 1973, 140–144.

224

8.2 Die Bewaffnung

Weitere Funde kennen wir aus Theben. Diese Panzer zeichnen

Abb. 08_12. Die wichtigsten Helmtypen der europäischen Bronzezeit. Typen mit mehr als zwei zugehörigen Helmen sind abgebildet (Mödlinger 2017, Fig. 2.2).

sich durch ein dickes, unverziertes Bronzeblech, daran permanent befestigten Innenfutter und zusätzlichen Schulter-, Hals-,

sowie ein Fragment eines Schildes Typ Nyírtura.97 Vermutlich

Becken- und Oberschenkelschutz aus.95

ebenfalls zur Gruppe der Karpatenpanzer zu zählen ist ein An-

Die Gruppe der Karpatenpanzer trat in Bz  D–Ha  A1 auf. Diese

hänger in Form eines Panzers aus Brandgraben, Bad Aussee.98

Panzer schützten nur mehr den Oberkörper, wurden aus dünne-

Aus Niederösterreich sind bislang keinerlei Funde bronzezeitli-

rem, leicht verzierten Bronzeblech gefertigt und über einem se-

cher Panzer bekannt.

paraten, organischen Wams getragen. Durch das dünnere Blech war es nötig, die Ränder des Panzers zu verstärken. Dies konn-

Helm

te durch angenietete, zusätzliche Bleche geschehen (Funde von

Bronzezeitliche Helme kann man grob in zwei Gruppen einteilen:

Čaka und Pázmándfalu)96, oder der Rand wurde um einen Draht

westeuropäische Kammhelme, gefertigt aus zwei in der Mitte zu-

gebogen. Dadurch – und auch durch die Verzierung – wurden die

sammengehefteten Bronzeblechen, und osteuropäische Kappen­-

Panzer stabiler. Mit Ausnahme eines Grabfunds (Čaka, Südslowa-

helme mit Knauf, die aus einem Bronzeblech getrieben wurden

kei) und zweier Flussfunde (aus der Donau bei Pilismarót sowie

und einen angegossenen Knauf oder eine Tülle aufweisen (Abb.

aus der Saône bei Saint-Germain-du-Plain) stammen alle Funde

08_12). Einfache Kappenhelme ohne Knauf kennen wir hingegen

aus Depots und sind nur in Fragmenten erhalten. Der Depotfund

hauptsächlich aus Westeuropa. Die ersten Helme sind solche

bei Nadap (Ungarn) am Nordufer des Velencei-Sees enthielt ein

vom Typ Oranienburg; sie traten bereits in Griechenland im Lau-

Fragment, das wahrscheinlich zu einem Panzer gehörte. Zudem

fe des 15. Jh.s v. Chr. auf und kamen dann gehäuft im Karpaten-

fanden sich darin zahlreiche Bruchstücke weiterer Schutzwaffen:

becken ab Bz D–Ha B1 vor. Weitere osteuropäische Helmtypen

ein fragmentierter Helm Typ Oranienburg, Fragmente von Helmen

stellen Typ Paks (der einzige verzierte Kappenhelm; Ha  A), Typ

Typ Paks, vier Beinschienen der Typen Lengyeltóti und Desmontà

Nagytétény (Kappenhelm mit massiven Knauf; Bz  D–Ha  A) und

95 Mödlinger 2017, 171–188.

97 Mödlinger 2017, 41.

96 Mödlinger 2017, Kat. no. 128 und 131.

98 Mödlinger 2017, 180, Fig. 3.8

225

8. Bewaffnung und Kampfesweise

Typ Pişcolt (massiver, unverzierter Kappenhelm, Ha B1; Glockenhelm) dar. Westeuropäische Helme werden bevorzugt vollständig im Fluss versenkt; osteuropäische Helme zumeist als Fragment in Hortfunden deponiert, aber auch vollständig im Fluss versenkt. Einige vollständige Helme Typ Pişcolt kennen wir aus Depotfunden aus Hajdúböszörmény, Mezőkövesd, Bonyhád (alle Ungarn), Pişcolt, Şoarş (Rumänien), Služín (Tschechien) und Škocjan (Slowenien).99 Hiebspuren von Schwertern sind auf einigen wenigen Helmen zu erkennen, so etwa dem ungarischen Helm von Hajdúböszörmény und einem Helm Typ Nagytétény aus der Ukraine.100 Aus Niederösterreich ist ein Bruchstück einer Wangenklappe eines Helm Typ Paks aus dem Depot II von Wöllersdorf101 bekannt (siehe Abb. 08_06).

Beinschiene Beinschienen sind von Mittelfrankreich über Ungarn bis in den ostägäischen Raum verbreitet. Eine Konzentration ist im südlichen Transdanubien und im Save-Drau-Zwischenstromland zu

Abb. 08_13. Depotfund von Stetten, Beinschienenfragment (Lauermann/Rammer 2013, Taf. 56/5).

8.2.3 Pferdegeschirr

erkennen. Alle Beinschienen Mitteleuropas stammen aus Hort-

Gegen Ende der Urnenfelderzeit erschienen verschiedene Metall-

funden, wohingegen Grabfunde sowohl aus Griechenland als

gegenstände, vor allem zu Pferdegeschirr gehörende Bronzen,

auch aus Italien und Albanien belegt sind.

für die keine einheimischen Vorbilder existierten. Ihr Ursprungs-

Der Nutzen von Beinschienen für den Krieger wurde vielfach

ort wird im Nordschwarzmeergebiet und in Kaukasien vermu-

diskutiert.

Wahrscheinlich erscheint der Schutz vor Angriffen

tet.108 Erstmals traten nun gegossene dreilochige Seitenstangen

durch Schwert oder Speer unter der Schildlinie.103 Beinschienen

mit Knöpfen auf, die spitzkegelig oder seltener auch tierkopf-

wurden nie direkt auf der bloßen Haut getragen, sondern über

förmig ausgebildet sein konnten. Ebenfalls zum ersten Mal gab

einer organischen Umwicklung, und dann mit Riemen, vermut-

es nun auch Waffen und Geräte aus Eisen, wobei Eisen in ver-

lich aus Leder, fixiert. Eindeutige Gebrauchsspuren sind unbe-

einzelten Fällen bereits seit der Stufe Ha  A bekannt war. Auch

kannt; einige Beinschienen sind jedoch am oberen Ende mittig

sind seit dieser Stufe zweiteilige Gebissstangen bekannt, die auf

eingerissen. Sie weisen häufig Reparaturspuren auf, was auf

eine entwickelte Reittechnik schließen lassen, weil sie gegen-

102

Verschiedene gebräuchliche

über den zuvor verwendeten einteiligen Trensen eine bessere

Beinschienen, vor allem organischer Natur, kennen wir von den

Beherrschung des Pferdes ermöglichen. Dies ist vor allem in

ihre intensive Nutzung verweist.

104

Kriegerfiguren aus Bronze von Sardinien.105

Extremsituationen eine Voraussetzung für eine effektive militäri-

Aus Niederösterreich kennen wir den gebrochenen Teil ei-

sche Nutzung des Pferds als Reittier.109 In einigen Fällen wurden

ner Beinschiene Typ Lengyltóti aus dem Hort von Stetten (Abb.

Pferdegeschirrbronzen paarweise in Gräber beigegeben. Dies

08_13).106 Das Beinschienenbruchstück mit Radmotiv hat gute

lässt den Schluss zu, dass Pferde auch als Zugtiere von Streit-

Parallelen z. B. im Hort von Nadap (Ungarn).

wagen benutzt wurden. Mit dem Reitpferd kam während der jün-

107

geren Urnenfelderzeit auch die Kampftechnik mit der Streitaxt 99 Mödlinger 2017, 57–68. 100 Mödlinger 2017, Kat. no. 38 and 44.

als Hiebwaffe wieder auf. Wagen- und Reiterkrieger hatten sicher eine hohe soziale Stellung in der urnenfelderzeitlichen Gesell-

101 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 63/4.

schaft inne.

102 Mödlinger 2017, 261–264.

Sehr gute Beispiele hierfür liefert uns das Gräberfeld von Still-

103 Mödlinger 2011b, 61.

fried an der March – und hier besonders Grab  6 (siehe Kap. 9,

104 Mödlinger 2017, Fig. 4.16 105 Lilliu 1966.

Pkt. 9.3.4, Abb. 09_26/1 und 26/2). Zu erwähnen sind in die-

106 Persy 1962; Lauermann/Rammer 2013, Taf. 56/5; Mödlinger 2017, Kat. no. 174.

108 Dietz 1998, 2.

107 Petres 1982, 61, Abb. 3.

109 Dietz 1998, 7.

226

8.2 Die Bewaffnung

sem Zusammenhang zwei unvollständige Zaumzeuggarnituren pontisch-kaukasischer Prägung.110 Es handelt sich um Trensen mit Zügelhaken, teilweise repariert bzw. mit Altstücken ergänzt,

Abb. 08_14. Stockern. Die Trense gibt die Form der sogenannten Winkelknebel wieder – das sind Trensenkneben mit geknickten Seitenstangen mit Endscheiben und Zügelhaken (Foto: P. Ableidinger, Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).

sowie gebogene und geknickte Seitenstangen. Vom Zaumdekor sind eine große und drei kleine Eisenscheiben sowie eine massive Bronzescheibe erhalten.111 Da aus Grab 6 keine Wagenbestand-

Inventar aus zwei Männergräbern handelt,115 besteht neben

teile vorliegen, kann man das zweite Zaumzeug auch als Zäumung

den zwei vollständigen erhaltenen Garnituren noch aus je einer

eines Beipferds werten.

Wagenbestandteile befinden sich hin-

Zügelhakentrense und einem Seitenstangenpaar mit Pferdekopf-

gegen im außergewöhnlich reich ausgestatteten Wagengrab von

enden (siehe Kap. 11, Abb. 11_1). Außerdem gibt es aus Still-

Künzing (Niederbayern, Deutschland), neben einer Lanzenspitze,

fried an der March auch eine einzelne Trense mit D-Enden und

einem Tüllenbeil und Teilen von Pferdegeschirr.113 Eine Trense

eine einzelne gebogene Seitenstange.116

mit Zügelhaken, ein Griffdornmesser und ein Tüllenbeil stammen

Vermutlich aus einem zerstörten Brandgrab stammen die beiden

noch aus Grab 38 von Stillfried an der March.114 Beide Stillfrieder

Ringtrensen aus Retz.117 Ein Einzelfund ist aus Stockern bekannt

Gräber sind Männergräber und bekunden die Anwesenheit von

(Abb. 08_14).118 Zwei Trensenknebel und zwei Trensenmundstü-

Reiterkriegern im mitteldonauländischen Raum am Ende der

cke stammen aus dem Hortfund von Haslau (siehe Abb. 08_09),

Urnenfelderzeit. Das Inventar des 1895 gefundenen sogenann-

den man in die Stufe Ha B2/B3 stellen kann.119

112

ten Stillfrieder Depots, bei dem es sich vermutlich eher um das 110 Metzner-Nebelsick 1998, 409.

115 Kaus M. 1988, 112.

111 Kaus M. 1984, 79–81, Taf. 9; Lochner 2013, 27.

116 Kaus M. 1988/89; Lauermann/Rammer 2013, Taf. 102a/21; Taf. 102b/4–11.

112 Kaus M. 1984, 49.

117 Lochner 1991, 134 f., Taf. 90/6,7.

113 Clausing 2005.

118 Lochner 1991, 143 f., Abb. 1; Metzner-Nebelsick 1994, 369.

114 Kaus M. 1984, 159, Taf. 37/a–c.

119 Lauermann/Rammer 2013, 229, Taf. 18/2–5.

227

8. Bewaffnung und Kampfesweise

Außer aus Bronze wurden Trensenteile in dieser Zeit auch aus Geweih gefertigt. Zu nennen sind hier u. a. Stangenknebel aus Stillfried an der March120 und Roggendorf (Abb. 08_15).

8.3 Zusammenfassung Ab dem 2. Jt. v. Chr. treten in ganz Europa in Gräbern und Horten unzählige metallene Waffen wie Schwerter, Dolche, Beile, Pfeilspitzen, Speerspitzen, Schutzwaffen und andere Ausrüstungsteile aus Bronze ans Tageslicht. Diese Quellenlage führt uns nachdrücklich vor Augen, dass Konflikte und Gewalt eine wesentliche Rolle im Leben der Menschen spielten. Eindeutige Belege in Zentraleuropa liefern dafür etwa die Forschungen im Tollensetal, wo ein größerer bewaffneter Konflikt unmittelbar erkennbar wird. Möglicherweise nimmt der Fundort Tollense eine Sonderstellung ein; klar ist aber, dass gewalttätige Auseinandersetzungen keine Einzelerscheinungen waren. Spuren von Gewalteinwirkung an menschlichen Skeletten und Gebrauchsspuren an Waffen unterstreichen dieses Bild. Obwohl nur auf wenige Regionen beschränkt, sind bildliche Darstellungen von Waffen, Kämpfen und Kriegern ein wertvolles Zeugnis für kriegerische Auseinandersetzungen. Der Bau befestigter Höhensiedlungen, oft mit gewaltigen Wall- und Grabenanlagen, ergänzt das Bild von Gewalt sowie kleineren und größeren Konflikten in der ausgehenden Bronzezeit. 120 Penz 2006, 346, Taf. 21/2 Obj. 777/318; Taf. 28 Obj. 952/8001.

228

Abb. 08_15. Roggendorf, Seitenstangen aus Geweihsprossenendstücken, Einzelfund, L. ca. 16 cm (Foto: P. Ableidinger, Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).

8.4 Literatur

8.4 Literatur Abels 1972: B.-U. Abels, Die Randleistenbeile in Baden-Württemberg, dem Elsass, der Franche-Comté und der Schweiz, PBF 9/4 (Mainz 1972).

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229

8. Bewaffnung und Kampfesweise

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230

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231

9. Aufbrüche ins Jenseits

9. Aufbrüche ins Jenseits Michaela Lochner Zu Beginn des 13. Jh.s v. Chr. setzte sich die für die Urnenfelder-

legung in ihren zeitlichen und räumlichen Dimensionen erfor-

kultur charakteristische Brandbestattung durch. Diese grund-

derlich. Die Veränderungen und Besonderheiten werden nach-

legende Änderung des Bestattungsritus, die Verbrennung des

folgend anhand ausgewählter Grabbefunde aus Ostösterreich

Leichnams auf einem Scheiterhaufen und die nachfolgende Be-

präsentiert.

stattung des Leichenbrandes in Urnen, wird zum tragenden und

Meist ist die Bestattung mit einem mehr oder minder aufwendi-

identitätsstiftenden Ritual der damaligen Gesellschaft. Diese

gen Ritual verbunden. Die Feier definiert das Verhältnis der Le-

Umstellung war wohl der äußere Ausdruck des Wandels geistig-

benden zu dem/der Toten bzw. dem Tod generell. Sie gibt den

religiöser Vorstellungen.

Hinterbliebenen Gelegenheit, Abschied zu nehmen, um den

1

persönlichen Verlust zu verkraften. Zugleich dienen Totenfeiern

9.1 Bestattungswesen und Grabritus

vielerlei gesellschaftlichen Zwecken innerhalb einer größeren Gemeinschaft. Die Archäologie profitiert vom Repräsentationseffekt einer Bestattung. Zeremonien um bedeutende Ereignisse im Lebenszyklus eignen sich zur Demonstration der gesell-

Die Urnengräberfelder wurden außerhalb der Siedlungen ange-

schaftlichen Bedeutung, zum Beispiel einer Familie oder einer

legt. Die Verstorbenen kamen in ihrer Tracht – oft mit Schmuck,

bestimmten Gruppe. Archäologisch fassbar wird dies am besten

Waffen und Werkzeugen ausgestattet – auf den Scheiterhaufen

im Grabbrauch. Prachtvoll ausgestattete Gräber spiegeln den ge-

(siehe Kap. 10, Pkt. 10.2). Als Schmuck waren Nadeln, Hals- und

sellschaftlichen Rang der Bestatteten wider, den sie zu Lebzeiten

Armringe sowie vielfältige Kleidungsapplikationen üblich; erst-

einnahmen und in der Welt der Toten ungeschmälert beibehalten

mals wurden in dieser Zeitperiode auch in unserem Raum Fibeln

wollen. Der Bestattungsritus hat als religiöse Basis maßgebliche

verwendet. Nach der Einäscherung sammelte man die Knochen-

Bedeutung. Die Entwicklung des Totenkults ist ohne die intensi-

reste (Leichenbrand) und verwahrte sie, meist in einem Keramik-

ve mentale Beschäftigung des Menschen mit dem Sinn von Le-

gefäß (Urne). Im Rahmen einer Zeremonie wurden dann die Urne

ben und Sterben sowie den inneren Vorgängen zum Zeitpunkt

sowie Speisen- und Trankbehälter in einer Grabgrube arran-

des Todes unvorstellbar.3

giert und anschließend mit Erde bedeckt. Zu den nachweisbaren

Vom Totenzeremoniell der Urnenfelderzeit ist uns nur ein gerin-

Speisebeigaben, die man dem Toten mitgab, zählen portionierte

ger Teil zugänglich. Es handelt sich dabei um die im Boden er-

Fleischteile von Schwein oder Schaf.

haltenen Spuren von Verbrennungsplätzen, Gräbern und Gräber-

Grabniederlegungen werden in besonderem Maße von rituellen

feldern. Sie ermöglichen uns begrenzte Einblicke in Teilbereiche

Handlungen bestimmt. Sie sind daher eine der wenigen archäo-

des Bestattungsbrauchtums. Die jeweils geltenden Bestattungs-

logischen Quellen, die solche Handlungen zumindest erahnen

sitten bzw. die dementsprechend agierenden Angehörigen be-

lassen. Gleichzeitig sind Bestattungssitten und Grabausstat-

stimmen, was mit den Toten ins Grab zu gelangen hat. Das heißt,

tung Ausdruck der kulturellen Identität.2 Obwohl sie eine wichti-

jeder Gegenstand und auch die Art und Weise, wie er im Grab

ge Quelle zum Verständnis der Sozialstruktur einer Gesellschaft

deponiert wird, kann eine bestimmte Bedeutung haben. Die re-

sind, bleiben viele Fragen offen – insbesondere jene, inwieweit

gelhaften Handlungen zu erfassen, ist der erste Schritt, um die

Grabausstattungen direkte Rückschlüsse auf die Welt der Leben-

materiellen Hinterlassenschaften eines Grabs in Richtung zere-

den zulassen.

monieller Abläufe und geistiger Hintergründe zu deuten sowie

Um solche Fragen beantworten zu können, ist die Analyse der

die sozialen Ordnungsmuster zu beschreiben, die mit der jewei-

Grabformen, der Grabausstattung und der Rituale der Grab-

ligen Bestattungssitte verbunden sind.

1

Basisliteratur: Lochner 2012 und Lochner 2013.

2

Eggert 2001, 57 f.; weiterführende Literatur: Hofmann 2008.

232

3

Daim 2003, 42 f.

9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur

9.1.1 Phänomen Brandbestattung

heißt sein Körper, zur Opfergabe wird. Die rituelle Verbrennung seines Körpers auf dem Scheiterhaufen wird zur Voraussetzung, um mit Hilfe eines rituell erwirkten Körpers den jenseitigen Ort

Nachdem in vorhergehenden Kulturperioden zeitweilig Körper-

zu erlangen, wobei Agni (das Opferfeuer) ihn geleitet.“ 5 Im Rig-

bestattung und Leichenverbrennung nebeneinander praktiziert

veda und in späteren Schriften zum indischen Totenritual fin-

wurden, ist einer der interessantesten Aspekte der Urnenfelder-

den sich aber auch Hinweise auf die Praxis der Erdbestattung,

kultur die konsequente Anwendung der Brandbestattung. Erst-

offenbar als Reminiszenzen an eine ältere Form der Beisetzung.

mals werden komplexe philosophische Veränderungen in einer

Eine gewisse Zeit bestanden demnach in Indien ebenso wie im

schriftlosen Kultur mit archäologischen Methoden fassbar. Das

mittelbronzezeitlichen Zentraleuropa beide Bestattungsformen

Phänomen des weiträumig uniformen Totenbrauchtums lässt

nebeneinander. Der Rigveda enthält zudem Opfersprüche, die

auch auf überregionale Kommunikationsstrukturen schließen,

wiedergeben, wie die kalzinierten Knochen den ursprünglichen

die weit über Wirtschafts- und Machtbeziehungen hinausgingen,

Körperteilen entsprechend zusammengestellt werden. Hinweise

auch wenn sie sich gegebenenfalls untereinander bedingten.

auf ein ähnliches Vorgehen finden sich auf Gräberfeldern der

Erklärungsmuster zum Rituswandel zur Brandbestattung liefern

Südslowakei und der Ungarischen Tiefebene.6

– über die archäologischen methodischen Möglichkeiten hinaus – z. B. die Ethnologie, die Religionswissenschaften und die Sozialwissenschaften. Hier bieten sich Modelle an, die mit Bedacht auf archäologische Befunde übertragbar sind bzw. behilflich sein können, Grundstrukturen zu erkennen. Beispiele aus der Ethnologie deuten an, dass der Wandel in den

9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur

Bestattungssitten eine radikale Wende im Denken der damaligen Menschen darstellte und äußerer Ausdruck geistig-religiöser

Die Bestattungs- und Beigabensitten der älteren Urnenfelderkul-

Vorstellungen war, insbesondere der Auffassung vom Leben

tur Niederösterreichs bzw. insgesamt Ostösterreichs basieren

im Jenseits. Vermutlich glaubte man, die Seelen der Toten könn-

zu einem großen Teil auf den mittelbronzezeitlichen Traditionen

ten nur durch Einäscherung aus den Körpern befreit werden.

insbesondere der Hügelgräberkultur. Zu diesen Traditionen ge-

Die Wechselwirkung zwischen Seele und Körper schien bei der

hören die rechteckige Grabform, die Ost-West-Orientierung des

Brandbestattung eine wichtige Rolle einzunehmen. Die Verbren-

Schachtes, die urnenlose Brandbestattung und die fallweise auf-

nung bedeutet nicht einfach nur die Zerstörung des Körpers;

tretenden körperlangen Steinpackungen. Zu Beginn der Urnen-

vielmehr spielen vermutlich Vorstellungen von der reinigen-

felderkultur setzte eine Wandlung dieser Bestattungssitte ein,

den Kraft des Feuers eine zentrale Rolle. Andererseits kann die

die etwa mit Ende der Stufe Ha  A1 abgeschlossen war. Es ent-

Kremation auch als Opfergabe angesehen werden – man opferte

stand eine große Vielfalt an Bestattungsformen, wobei das un-

sozusagen seinen Körper einem höheren Wesen.

terschiedliche Brauchtum kleinräumig verteilt erscheint.7

Besondere Aussagen dazu liefert uns eine der wichtigsten

Wichtige Merkmale bei der Analyse der Bestattungssitten sind

Schriften des Hinduismus, der Rigveda, dessen älteste Texte zwi-

die Art des Grabbaus, die Verwendung einer Urne, die Beigaben-

schen 1700 und 1200 v. Chr. entstanden und somit zeitlich mit

ausstattung sowie Befunde, die verschiedene Handlungen am

der Bronzezeit in Mitteleuropa vergleichbar sind.4 Es lässt sich

Grab erkennen lassen.

allerdings nicht nachweisen, ob und wie dies tatsächlich impuls-

Beim Grabbau vollzog sich der Wandel von den großen Grab-

gebend für unsere Region war. Tatsache ist, dass ein zeitgleicher

hügeln der mittleren Bronzezeit zu kleinen Grabhügeln bzw.

Wandel in den Ritualen stattgefunden hat und der Rigveda die

Flachgräbern. Diese Grabform wurde ab der Stufe Bz D2 im We-

einzige schriftliche Quelle für eine solche grundlegende Verän-

sentlichen bis ans Ende der Urnenfelderkultur beibehalten. Mög-

derung ist. Aus diesen vedischen Texten Indiens lässt sich ein

licherweise führten Veränderungen in der Gemeinschaftsstruk-

Zusammenhang mit Opferhandlungen ableiten, für die eine

tur zu einer Abwendung von arbeitsintensiveren Grabbauten,

Transformation durch Feuer erforderlich war. Angelika Malinar

die eine langfristigere Zusammenarbeit einer größeren Gemein-

schreibt dazu folgendes: „Im Kontext spätvedischer Texte ist der

schaft erforderten.

Tod das letzte Opfer des Opferherrn, in welchem er selbst, das

4

Zitiert nach Primas 2008, 47 f.

5

Malinar 2002, 767.

6

Primas 1977, 80, Anm. 410.

7

Lochner 2013, 12.

233

9. Aufbrüche ins Jenseits

BzC2/D1

BzD2

HaA1

HaA2

HaA2/B1

HaB1

HaB2

HaB3

HaC1

Grabbau – Hügel/flach

H

(H) F

(H) F

F

(H) F

F

F

F

H

Grabform – lang/rund/ quadratisch

L

L

L/R

R

R

R

R

R/Q

L/R/Q

Urne

Nein

Nein

Ja/Nein

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja/Nein

Ja/Nein

Waffen/Prunk

Ja

Ja

(Ja) Nein

Nein

(Ja) Nein

Nein

Nein

Ja/Nein

Ja

Geschirrsätze T=Trinksitte

Nein

Ja T

Ja T

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja T

Ja T

Handlungen*

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

* mitverbrannte und/oder zerscherbte Gefäße als Teil einer Vielzahl an Handlungen

Tabelle 09_01. Überblick über die Bestattungssitten der älteren Urnenfelderkultur (graues Feld).

und generell eine Angleichung in den Bestattungs- und Beigabensitten eingeleitet, die im Wesentlichen bis ans Ende der Urnenfelderkultur andauert. Mit den Toten wurden ab der Stufe Ha A1 in der Regel (nur) einfache Trachtausstattungen wie Fibeln, Nadeln, Hals- und Armreife, Knöpfe und Ringe verbrannt sowie zusammen mit dem Leichenbrand bestattet. Hinzu kam gelegentlich ein Bronzemesser, das in Zusammenhang mit Speisebeigaben stand, da es des Öfteren mit einer Schale und mit Fleischteilen vergesellschaftet ist; eine Sitte, die in der jüngeren Urnenfelderzeit fast zum Standard wurde. Selten gab man Geräte oder Werkzeuge (Ahlen, Angelhaken) bei. Vereinzelt werden auch unverbrannte Beigaben aus Bronze, selten aus Knochen, im Grab aufgefunden. Gräber mit reicheren Ausstattungen – z. B. Kombinationen von zahlreichen Keramikgefäßen, besonderen Beigaben aus Bronze sowie Waffen – sind auf die Stufe Bz  D beschränkt (Baierdorf) und treten später nur mehr in einer relativ kurzen Zeitspanne

Abb. 09_01. Straß im Straßerthale, Grab 118, Steinkiste mit mehreren Bestattungen (Foto: B. Wewerka/ASINOE).

zwischen Ha  A2 und Ha  B1 auf (Unterradlberg [dazu weiter un-

Regionale Ausnahmen finden sich im Bereich der Čaka-Gruppe

zeit und der frühesten Urnenfelderzeit in erster Linie Bestandteil

im südöstlichen Niederösterreich und nördlichen Burgenland.

von Handlungen, die man während und nach der eigentlichen

Grabhügel, aber auch Steinkistengräber und Waffenbeigaben

Bestattung durchführte. Der mit der Grabkeramik verbundene

ten], Velatice, Grab 1/Tschechien9, Očkov/Slowakei10). Die Beigabe von Keramikgefäßen war in der mittleren Bronze-

lassen sich in diesem Raum bis in die Stufe Ha A1 nachweisen.

Ritus änderte sich im Laufe der frühen Urnenfelderzeit (ab der

Bei der Grabform werden teilweise noch bis in die Stufe Ha  A1

Stufe Bz  D2) deutlich. Nach wie vor wurden einzelne Schalen

langrechteckige und rechteckige Grundrisse mit diversen Stein-

oder Töpfe, die direkt bei dem Verstorbenen auf dem Scheiter-

einbauten bzw. Steinkisten beibehalten (Abb. 09_01).8 Ab der

haufen standen, mitgegeben. Ebenso können größere Scherben-

Stufe Ha  A2 setzte sich der runde Grundriss von Grabgruben

konvolute als Reste von Zeremonien am Grab beobachtet werden.

durch.

Gleichzeitig begann in dieser Stufe die Bedeutung von Keramik-

Seit Beginn des 13. Jh.s  v. Chr. war in unserer Region fast aus-

beigefäßen als Prestigebeigaben in Form gleichartiger Geschirr-

nahmslos die Brandbestattung üblich. Erst in der nachfolgenden

sätze (auf Bz  D2/Ha  A1 beschränkt) sowie als Behälter von

Hallstattkultur sind in Mitteleuropa wieder Körpergräber auf re-

Speisen und Getränken stark zuzunehmen. Einzelne Sets und

gulären Bestattungsplätzen nachweisbar. Die anfangs vorherr-

nach der eigentlichen Grablegung eingebrachte flaschenförmige

schende urnenlose Brandbestattung war vor allem in der frühen

Gefäße lassen außerdem auf verschiedene Arten von Trinksitten

Urnenfelderzeit der Stufe Bz  D verbreitet. Im Laufe der älteren

schließen.

Urnenfelderzeit (Ha  A1, 12. Jh. v. Chr.) wurden Urnen verwendet 9 8

234

Vgl. Adamik 2012 für Polen.

Říhovský 1958.

10 Paulík 1962.

9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur

Baierdorf-Velatice-Gruppe (Abb. 09_03):11 1 – Baierdorf, VB Hollabrunn (Lochner 1986) 2 – Horn, VB Horn (Lochner 1991b) 3 – Straß im Straßertale, VB Krems (Wewerka 1994, Vorbericht) 4 – Hollabrunn, VB Hollabrunn (Lauermann/Hasenhündl 1996, Vorbericht) 5 – Franzhausen, VB St. Pölten (Blesl/Gattringer 2007, Vorbericht) 6 – Getzersdorf, VB St. Pölten (Kaus K. 1971; Maurer 1971; Groiss 1976) 7 – Inzersdorf ob der Traisen, VB St. Pölten (Neugebauer/ Gattringer 1985/86, Vorbericht; Lochner 2013 und 2015) 8 – Unterradlberg, VB St. Pölten (Blesl/Neugebauer/

Abb. 09_02. Plaika, älterurnenfelderzeitliches Brandgrab (Müller/Preinfalk A./Preinfalk F. 2013, Abb. 32).

9 – Gemeinlebarn, VB St. Pölten (Szombathy 1929; Neugebauer/

Nur manche der im folgenden angeführten Gräberfelder sind voll-

10 – Michelndorf, VB Tulln (Adametz 2005)

ständig publiziert, wenige nur in Ausschnitten und die meisten le-

11 – Rannersdorf, VB Schwechat (Gruber 2006, Vorbericht)

diglich in Vorberichten veröffentlicht. Im nördlichen Niederöster-

12 – Sommerein, VB Bruck an der Leitha (Kaus M. 1991,

Preinfalk F. 2002; Blesl/Krumpel 2003, Vorberichte) Blesl/Gattringer et al. 1997, 455, Vorbericht)

reich, am Ostrand des Waldviertels, befinden sich die bereits publizierten Gräberfelder von Baierdorf und Horn sowie das aus Vorberichten bekannte Gräberfeld von Straß im Straßertale (siehe Abb. 09_01) – ein Bestattungsplatz, der möglicherweise durchgehend während der gesamten Urnenfelderzeit belegt war. Im Weinviertel ist das Gräberfeld von Hollabrunn zu nennen, von dem bislang nur zwei Kinderbestattungen veröffentlicht wurden.

Vorbericht) 13 – Mannersdorf am Leithagebirge, VB Bruck an der Leitha (Pomberger 2009) 14 – Leithaprodersdorf-Edelseeäcker, VB Eisenstadt-Umgebung (Kaus M. 2003, unpubliziert) 15 – Plaika, VB Melk (Müller/Preinfalk A./Preinfalk F. 2013, Vorbericht)

Südlich der Donau ist für das westliche Niederösterreich beson-

Čaka-Gruppe:12

ders das 2013 ergrabene Gräberfeld von Plaika hervorzuheben

16 – Zurndorf, VB Neusiedl am See (Helgert 1995)

(Abb. 09_02). Die Region des Unteren Traisentals mit dem öst-

17 – Neusiedl-Hutweide, VB Neusiedl am See (Kaus M. 1993/94)

lich anschließenden Tullnerfeld liefert die größte Dichte an Be-

18 – Siegendorf-Schuschenwald, VB Eisenstadt-Umgebung

stattungsplätzen: Franzhausen-Kokoron, Getzersdorf, Inzersdorf und Unterradlberg, Gemeinlebarn sowie Michelndorf. Östlich dieser Region sind das 2000 und 2001 erforschte Gräber-

(Kaus K. 1975; Kaus M. 1985/86, Vorberichte) 19 – St. Margarethen, VB Eisenstadt-Umgebung (Kaus M. 2003; unpubliziert)

feld von Rannersdorf mit charakteristischem Grabinventar der Stufe Ha A2, die Anlage von Sommerein mit Einflüssen aus der Čaka-Gruppe, das 2009 publizierte Gräberfeld von Mannersdorf am Leithagebirge und der große, noch unpublizierte Bestattungsplatz von Leithaprodersdorf hervorzuheben. Zur Čaka-Gruppe zählen auf burgenländischem Gebiet die

9.2.1 Gräberfeld Pitten Anhand der größten mittelbronzezeitlichen Nekropole Mittel-

publizierten Grabhügelbestattungen von Zurndorf und Neu-

europas, dem im südlichen Niederösterreich gelegenen Gräber-

siedl-Hutweide, die teilweise vorgelegten Hügel von Siegen-

feld von Pitten mit 221 Gräbern, lassen sich die Veränderungen

dorf-Schuschenwald sowie das unpublizierte Gräberfeld von

im Bestattungsritus während der mittleren Bronzezeit und zu

St. Margarethen.

11 Dazu Kap. 1, Pkt.1.2. Nachfolgend in den Listen angegebene Zitate betreffen Primärliteratur bzw. Erstnennungen. 12 Dazu Paulík 1963.

235

9. Aufbrüche ins Jenseits

Abb. 09_03. Verbreitungskarte von Gräberfeldern der Stufen Bz D–Ha A2 in Niederösterreich/Burgenland mit aussagekräftigen Grabbefunden.

Beginn der frühen Urnenfelderzeit demonstrieren.13 Bereits in den ältesten Gräbern (frühe Mittelbronzezeit, ca. 16. Jh. v. Chr.) zeigt sich eine birituelle Bestattungsweise; daneben ist auch der Variantenreichtum der sonstigen Bestattungspraktiken bemerkenswert. Es finden sich Flachgräber, Schachtgräber mit bis zu 1,8 m Tiefe, die ersten Hügelgräber, die teilweise Kreisgraben und Lehmmantel aufweisen, sowie Hügel mit Steinmantel und Grabkammer. Die Bestattungen in Hügeln gelten – neben der birituellen Bestattungsweise – als das kennzeichnende Element der mittleren Bronzezeit, das ihr auch die Bezeichnung Hügel-

Abb. 09_04. Pitten, Grab 189, Originalbefund mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner nach Hampl/ Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1978–81 und Benkovsky-Pivovarová 1991).

gräberkultur einbrachte.

Nadelfragment. Der Leichenbrand eines Erwachsenen war leicht

In der jüngsten Phase des Gräberfelds von Pitten (Stufe Bz C2/

hügelartig auf eine Länge von 1,2 m aufgeschüttet.

D1, Mitte 14. bis Mitte 13. Jh. v. Chr.), an der Wende von der jün-

Der gesamte Grabbau war auf einer Brandschicht errichtet, die

geren Hügelgräberzeit zur frühen Urnenfelderzeit, finden sich in

im Süden über das Konstrukt hinausreichte. Vor der Öffnung

den Gräbern praktisch ausschließlich Brandbestattungen, die

lagen zahlreiche Scherben, offenbar absichtlich zerschlagene

vereinzelt innerhalb einer körperlangen Grabkammer nieder-

Keramik, darunter ein großes bauchiges Gefäß mit trichterförmi-

gelegt wurden. Ein charakteristisches Grab dieser Spätphase ist

gem Hals und vier großen Buckeln auf der Schulter (Höhe 35 cm)

Grab  189 (Abb.09_04). Das Wissenschaftsteam – Franz Hampl,

sowie mindestens drei kleine Tassen, alle unverbrannt.

Helga Kerchler und Zoja Benkovsky-Pivovarová – bezeichnet die

Der Befund lässt die Deutung zu, dass der Verstorbene an Ort

Form als Zylindergrab. Es hat einen rundovalen Grundriss (Dm.

und Stelle verbrannt wurde; danach wurde die Steinsetzung er-

circa 3 m) und ca. 65 cm hohe, fast senkrechte Wände aus Stei-

richtet und die Asche gemeinsam mit den Beigaben und Toten-

nen. An der Südseite war eine Öffnung zur Grabkammer mit ei-

opfern vom Scheiterhaufen beigesetzt. Dann wurde die Kammer

ner Brandflächenbestattung ausgespart. In der ca. 2 m langen,

mit Sand gefüllt und mit Steinen abgedeckt. Die zerscherbte

50 cm breiten und 40 cm hohen Kammer lagen drei teilweise voll-

Keramik am Eingang zum Grab kann von Totenfesten und Besu-

ständig erhaltene, aber durchwegs sekundär verbrannte Tassen

chen am Grab herrühren, wobei man die bei der Feier verwende-

und Töpfchen sowie einige Scherben, eine ca. 50 cm lange Schei-

ten Gefäße absichtlich zerbrochen und an Ort und Stelle belas-

benkopfnadel mit mehrfach verdicktem Schaftoberteil und ein

sen hatte.14

13 Hampl/Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1978–81; Hampl/Kerchler/ Benkovsky-Pivovarová 1982–85; Benkovsky-Pivovarová 1991.

14 Hampl/Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1978–81, 113 ff.; Benkovsky-Pivovarová 1991, 94 f.

236

9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur

Katharina Rebay-Salisbury und Marie Louise Stig Sørensen

mit den Funden von Baierdorf den jüngeren Abschnitt der frü-

führten eine ausführliche Analyse des Rituswandels von Körper-

hen Urnenfelderkultur (etwa 2. Hälfte der Stufe Bz D).17 Trotz der

bestattung zur Brandbestattung anhand des Beispiels des Gräber-

nach heutigen Maßstäben unsachgemäßen Bergung der Gräber

felds von Pitten durch.15 Ihr Resümee ist, dass alte Bestattungs-

in den 1920er-Jahren geben sie uns für die Bestattungssitte der

formen nicht einfach unreflektiert und abrupt durch neue ersetzt

frühen Urnenfelderzeit wichtige Hinweise. Dies gilt vor allem für

wurden. Die Einführung der Brandbestattung führte nicht sofort zu

die Ausstattung mit reichen Grabbeigaben und Waffen, die – wie

einem neuen Verständnis des verbrannten Körpers als reduzier-

bereits erwähnt – ab der Stufe Ha  A1 nur mehr in Ausnahme-

te Substanz, die beliebig vom Ort der Verbrennung entfernt und

fällen auftritt.

verlagert werden kann. Die Verbrennung diente anfangs nicht der

Aus Grab 1 (Abb. 09_05) liegt die reiche Ausstattung einer Frau

völligen Auslöschung des Körpers; die Überreste blieben bedeut-

vor. Die Kombination von paarweise auftretenden, schwer-

sam und die Idee eines Körpers ging nicht verloren.

gerippten Armreifen und Nadeln ist typisch für Frauengräber

Einer der Riten, die zum Ziel haben, diese fortdauernde Anwesen-

dieser Zeit. Die Nadeln vom Typ Paudorf – früher als Turbankopf-

heit eines verbrannten Körpers zu bestätigen, bestand darin, die

nadeln bezeichnet – kommen vornehmlich im Raum von Nieder-

Körpergröße und -form nach der Verbrennung durch den Bau von

österreich und entlang der Donau bis nach Südbayern vor. Ein

Grabstrukturen über dem Verbrennungsplatz wiederherzustellen,

Teil der Beigaben, das Griffzungenmesser und die Metallzier der

was besonders in den Gräbern mit langrechteckigen Grabgruben

Kleidung, war dem Feuer ausgesetzt, wie ein verschmorter Zier-

mit Steinkammern zum Ausdruck kommt. Das konnte so weit ge-

knopf belegt. Das Grab war zudem reich mit Keramik ausgestat-

hen, dass man die verbrannten Knochen in Körperform auf die

tet. Es liegen, neben den typischen Formkombinationen dieser

Grabsohle legte.

Zeit bestehend aus Doppelkonus, Zylinderhalsgefäß (mit gegen-

Ein anderer Ritus, Knochenreste als transformierte Substanz zu

ständigen Henkeln), Henkelschale und etlichen kleineren Bei-

betrachten, bestand darin, diese zu selektieren und zu bewegen,

gefäßen – darunter profilierte Henkeltassen, sogenannte Baier-

um sie schließlich in einer Urne zu bestatten. Die Urnen begrenzen

dorf-Velatice-Tassen –, weiters ein hohes, becherförmiges Gefäß

den Körper zwar, berücksichtigen jedoch nicht die Körpergröße

mit Standfuß sowie fünf tordierte Henkelbruchstücke von einer

und sind Ausdruck dafür, dass man die Reduzierung des Körpers

Säulchenschüssel vor.

zu einer anderen Art von Substanz akzeptiert.

Von den sieben uns bekannten Gräbern aus Baierdorf enthielten

Urnenbestattungen kommen im Gräberfeld von Pitten zwar eben-

drei je ein Schwert. Die Gräber werden daher als Kriegergräber

falls schon vor, stellen aber Sonderfälle dar und sind in die unter-

interpretiert. In Grab  6 (Abb. 09_06) befand sich ein Vollgriff-

schiedlichsten Kontexte eingebettet.

schwert vom Typ Riegsee samt Schwertgehänge aus zinnreicher

Zusammenfassend kann man sagen, dass die geistige Neuorien-

Bronze, die den Knöpfen und Ringen eine silbrige Oberfläche

tierung, die sich im Rituswechsel ausdrückt, nicht durch die Ver-

verleiht. Die Spitze der Waffe ist durch Feuereinwirkung stark de-

brennung des Toten ihren letzten Ausdruck fand. Erst später sag-

formiert und gebrochen. Als weitere männertypische Grabaus-

te man sich endgültig vom Konzept der Körperlichkeit los. Dazu

stattung dieser Zeit sind eine einzelne Nadel, ein Messer und

gehört, dass das Nachbauen von Körpern – z. B. die Positionie-

– sonst eher selten – eine Ahle erhalten. Das Grab war zudem

rung des Leichenbrands in Körperform, die Errichtung langrecht-

mit zahlreichen Keramikgefäßen ausgestattet: Zylinderhalsgefä-

eckiger Grabgruben oder Steinkisten – aufgegeben wurde. Dieser

ße (mit und ohne ausladendem Rand und Henkel), (Fuß-)Schalen

Wandel wurde erst durch die Verlagerung der Verbrennungsreste

und weitmündige große (Fuß-)Schüsseln mit charakteristischer

in eine neue Hülle – eine Urne – fassbar.

Kannelurverzierung am Bauchteil. Diese reich ausgestatteten Gräber mit Beigaben, die teilweise aus weit entfernten Gebieten stammten, darunter ein Schwert

9.2.2 Gräberfeld Baierdorf

vom Typ Terontola (vermutlich aus der Poebene) und einige Bernsteinperlen aus dem Ostseeraum, zeigen an, dass es sich hier um eine sozial und ökonomisch bessergestellte Menschen-

Das Gräberfeld von Baierdorf im nördlichen Niederösterreich

gruppe handelte, die das auch in ihrem Grabritus zum Ausdruck

wurde immer wieder zur Gliederung der älteren Urnenfelder-

brachte. Beigaben wie diese belegen zugleich das weiträumige

kultur im Ostalpenraum herangezogen.

Handelsnetz, in das Niederösterreich eingebunden war.

16

Heute illustriert man

15 Sørensen/Rebay 2005. 16 Bayer 1931; Pittioni 1937, 167 f.

17 Lochner 1986, 263–293; dazu Lochner 2012, 42.

237

9. Aufbrüche ins Jenseits

Abb. 09_05. Baierdorf, Grab 1, Keramik und Bronzefunde (Grafik: M. Lochner nach Lochner 1986).

Betrachten wir in diesem Zusammenhang umliegende Gräberfelder, so deutet alles darauf hin, dass sich im nördlichen Niederösterreich einschließlich der Region südlich der Donau sowie im südlichen Mähren von der frühen zur älteren Urnenfelderzeit

9.2.3 Gräberfeld Horn

kein auffälliger Wandel in der Bestattungssitte vollzog, sondern – in einzelnen Riten der Grabausstattung – ein längeres Beharren in alten Traditionen erkennbar ist. Ein verbindendes Element waren sicher die Säulchenschüsseln, eine typische Grabkeramik

In seinem Schwerpunkt chronologisch etwas jünger als die Fund-

der frühen und älteren Urnenfelderzeit (Bz  D/Ha  A1). Dabei

komplexe aus Baierdorf repräsentiert das Gräberfeld von Horn,

handelt es sich um oft aufwendig mit Kanneluren und Knubben

ebenfalls im nördlichen Niederösterreich gelegen, mit seinen 32

verzierte Gefäße mit gegenständigen oder kreuzständigen, oft

erhaltenen Bestattungen großteils die Stufe Ha  A1 der älteren

säulchenartig zwischen Rand und Schulter platzierten, Henkeln

Urnenfelderkultur.18

(Abb. 09_07).

Die Flachgräber bestanden aus runden, häufig auch noch ovalen

Interessant ist in diesen Zusammenhang das Grab  14 (Abb.

bis lang gestreckten Grabgruben, in denen die Gefäßbeigaben –

09_08), das sowohl traditionelle als auch zukunftsweisende Ele-

obwohl zahlreich – nur einen kleinen Teil der Fläche einnahmen.

mente – die Deponierung des Leichenbrands in Tongefäßen –

Die rechteckige Grabform, die Ost-West-Orientierung, die urnen-

zeigt.

lose Brandbestattung und die fallweise auftretenden manns-

Die Grabgrube war ost-west-orientiert, annähernd rechteckig

langen Steinpackungen stellen ältere mittelbronzezeitliche Tra-

und ca. 2 m lang. Der Grabboden war mit grobem Bachsand aus-

ditionen dar.

gekleidet – eine Sitte, die immer wieder zu beobachten und mit

18 Lochner 1991b; dazu Lochner 2012, 42 f.

sohle vergleichbar ist.

der in manchen Regionen üblichen Steinpflasterung der Grab-

238

9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur

Abb. 09_06. Baierdorf, Grab 6, Keramik und Bronzefunde (Grafik: M. Lochner nach Lochner 1986).

Abb. 09_07. Horn: Auswahl an sog. Säulchenschüsseln aus dem Gräberfeld (Foto: IUHA).

Abb. 09_08. Horn, Grab 14, Befundrekonstruktion und zugeordnete Funde (Grafik: M. Lochner nach Lochner 1991).

239

9. Aufbrüche ins Jenseits

Abb. 09_09. Inzersdorf ob der Traisen, Gesamtplan des Gräberfelds (Grafikgrundlage BDA, Überarbeitung M. Lochner, OREA/ÖAW 2014).

9.2.4 Gräberfeld Inzersdorf ob der Traisen

Die Beigaben lagen alle an der Ostseite des Grabs und bestan-

In Inzersdorf ob der Traisen (Schottergrube Handl), einige Kilo-

den aus etwa sieben Gefäßen. In einer großen Schüssel und

meter südlich von Getzersdorf gelegen, erforschte man ein aus-

einem Doppelkonus waren Reste des Scheiterhaufens, tief-

gedehntes Brandgräberfeld mit zeitlichem Schwerpunkt in der

schwarze Erde mit Holzkohle und Leichenbrand sowie einige ver-

Stufe Ha A, das aber vermutlich bis zum Beginn der Stufe Ha B

brannte Bronzen, ein Messerfragment, ein Ringfragment und ein

belegt wurde.19 Es wurde in den Jahren 1981–1983 und 1987

zerschmolzenes Metallstück deponiert. Die Aussortierung des

unter der Leitung von Johannes-Wolfgang Neugebauer freigelegt.

Leichenbrands, die später allgemein üblich war, hatte man hier

Insgesamt konnten 273 Gräber festgestellt werden, dazu elf run-

unterlassen.

de und ein quadratisches Fundamentgräbchen um ein zentral ge-

Wir haben es hier mit einer frühen Form der Urnenbestattung zu

legenes Grab, vermutlich eine Einfriedung oder Hügelbegrenzung

tun. Größere Teile des Brandschutts wurden in Tongefäßen nie-

(Abb. 09_09). Das exakte Ausmaß des Gräberfelds ist aufgrund

dergelegt und nicht mehr im Grab ausgestreut oder zu einem

der widrigen Bedingungen während der Rettungsgrabungen im

Häufchen (vermutlich in einem organischen Behälter), umgeben

Bereich einer Schottergrube nicht mehr eruierbar.20

von Gefäßbeigaben, zentral auf der Grabsohle niedergelegt, wie das folgende Beispiel aus dem Gräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen zeigt.

240

19 Das Gräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen wird derzeit am Institut OREA/ÖAW im Rahmen von Master- und Dissertationsarbeiten aufgearbeitet. 20 Zur Situation des Großbauvorhabens im Unteren Traisental zu Beginn der 1980er-Jahre: Neugebauer/Gattringer 1981, 157–119; zuletzt ein Überblick in: Neugebauer/Blesl 1998.

9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur

1 Abb. 09_10. Inzersdorf ob der Traisen, Grab 39: 1. Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab – 2. Detailansicht mit Bronzegefäß und darüber liegendem Stein (Grafik: M. Lochner; Foto: J.-W. Neugebauer/BDA).

2 241

9. Aufbrüche ins Jenseits

Abb. 09_11. Michelndorf, Grab Verf. 844, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner nach Adametz 2005, Abb. 4 und Taf. 1–3).

Neben den großteils runden Grabgruben gab es auch einige

runter auch eine Bronzetasse vom Typ Friedrichsruhe (8).24 Der

rechteckige Grundrisse, zum Teil mit Steinpackungen, die die

bandförmige Henkel fehlt, außerdem weist das Stück einen alten

frühesten Belegungen im Gräberfeld darstellen. Vor allem un-

Riss mit Flickspuren auf.

ter diesen konnten auch umfangreich ausgestattete Gräber –

Ursprünglich hatte man angenommen, dass es sich um ein be-

wie die bereits publizierten Gräber 3921 und 10622, letzteres ein

raubtes Männergrab handelt, doch es ist die nicht beraubte Be-

Doppelgrab mit der ungewöhnlichen Beigabe einer Keramik-

stattung einer Frau.

trommel (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.6 und Abb. 11_45) – dokumen-

Auch hier kann man wieder unterschiedliche Vorgänge im Be-

tiert werden.

stattungsritual erkennen: zum einen die Beigabe eines Satzes

Auf der Grabsohle im Zentrum von Grab 39 (Abb. 09_10/1) be-

von vollständigen Gefäßen, zum anderen die vorgefundenen

fand sich flächig verteilt der Leichenbrand – vermutlich von einer

Überreste einer zeremoniellen Handlung der Trauergäste (siehe

Frau zwischen 19 und 40 Jahren23 – und darin der durch sekun-

weiter unten).

dären Brand deformierte Griffteil eines Griffzungenmessers von

Die Vervielfachung von Gefäßen des gleichen Typs in einem Grab,

Typ Dašice (10). Daneben, in einer Linie aufgereiht, fanden sich

wie wir sie hier bei den großen Tassen (13, 14, 15, 16) sehen, ist

weitmündige große Tassen (13, 14, 15, 16), großteils vom glei-

ein typisches Element der beginnenden und frühen Urnenfelder-

chen Typ, westlich davon ein großes Zylinderhalsgefäß (11) mit

zeit und etwa auch im Gräberfeld von Baierdorf erkennbar.25 Es

mehreren kleineren Tassen und Henkeltassen (10, 12, 18), da-

handelt sich hier vermutlich um Prestigebeigaben, die nicht mit

21 Lochner 2013, 16–18.

24 Die Beigabe eines Griffzungenmessers vom Typ Dašice und einer Bronzetasse vom Typ Friedrichsruhe spricht für einen Datierungsansatz der Bestattung in die Stufe Ha A1.

22 Lochner 2015; Fritzl 2017. 23 Die anthropologische Bestimmung der Leichenbrände wurde von Silvia Renhart durchgeführt.

242

25 Lochner 1986, Grab 5, Taf. 5–6.

9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur

der später üblichen Beigabe von Gefäßen als Behältnisse für Nahrung konform gehen. Dazu kommt das große Zylinderhalsgefäß, das als eine Art Trankbehälter mit beigestellten kleinen

Abb. 09_12. Hollabrunn, Blockbergung und Computertomografie (CT) einer Urne: Um­ mantelung der Urne mit Gips; CT-Aufnahmen der Urne; Freilegung der im Block geborgenen Urne in der Werkstatt (Fotos: NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Tassen als Trinkgefäße gedeutet werden kann. Sowohl die Vervielfältigung von Gefäßen als auch die Kombination von Trank-

(4) nachgereicht, das ursprünglich aufrecht stehend positioniert

behälter und Trinkgefäßen stellen Elemente dar, die im Verlauf

war.

der Stufen Bz D/Ha A1 verschwinden und erst wieder in der spä-

Einen ähnlichen Befund kennen wir aus Michelndorf, wo er

testen Urnenfelderzeit und frühen Hallstattzeit in ähnlicher Form

2003 im Zuge einer Rettungsgrabung dokumentiert wurde. Ver-

auftreten. Diese Gefäßbeigaben betonen die besondere sozia-

färbung 84427 war eine west-ost-orientierte Grabgrube, in der

le, ranghohe Stellung der Verstorbenen und dienten nicht (aus-

wahrscheinlich eine Frau (30–50  Jahre) mit charakteristischem

schließlich) zur leiblichen Versorgung der Toten im Jenseits, wie

Bronze- und Keramikinventar der Stufen Bz  D/Ha  A1 bestattet

sonst im größten Teil der Urnenfelderzeit üblich.

war (Abb. 09_11).

Die Platzierung des Steins genau über der Bronzetasse (8) lässt

Typisch ist, dass die Gefäße wieder hintereinander in der Längs-

auf eine besondere Sicherung des Bronzegefäßes bzw. dieses

achse der Grube auf der Grabsohle angeordnet waren und dass

Bereichs (Abb. 09_10/2) schließen. Gleichzeitig mit der Depo-

wie in Inzersdorf ein intakter Trankbehälter – hier ein Zylinderhals-

nierung des Steins und eines Scherbenkonvoluts von einem gro-

gefäß ohne Henkel – in einer Ecke abgesondert abgestellt war.

ßen Doppelkonus (6) an einer Schmalseite des Grabes wurde die gesamte Grube vermutlich soweit verfüllt, dass die darin abgestellten Gefäße nicht mehr sichtbar waren. Über dem nun teilverfüllten Grabschacht fanden Zeremonien statt, in deren Verlauf weitere Teilmengen des Brandschutts vornehmlich an den

9.2.5 Gräberfeld Hollabrunn

Grubenrändern zu liegen kamen. In diesem Material lagen auch

Dass in unserer Region auch kleinräumig verschiedene Bräu-

sekundär gebrannte Scherben (5) sowie der zweite Teil des be-

che nebeneinander existierten, zeigt ein Bz D/Ha A1-zeitliches

reits erwähnten Messers. Außerdem fand man eine unbeschä-

Brandgrab aus Hollabrunn.28

digte Plattenkopfnadel (3)26, die offensichtlich nicht auf den

Am Nordrand dieser Bezirkshauptstadt wurden ab 1993 groß-

Scheiterhaufen gelangt war. Möglicherweise ist das ein Beleg

flächige Ausgrabungen durchgeführt. In einem Vorbericht wer-

dafür, dass man zusätzliche, nicht mitverbrannte Bekleidung mit

den u. a. 20 Urnen- und Brandschüttungsgräber, ein zugehöriger

zugehörigem Schmuck ins Grab legte.

Verbrennungsplatz und ein Gefäßdepot aus der Urnenfelderzeit

Zuletzt, vor der vollständigen Verfüllung des Grabs, wurde an

angeführt (Abb. 09_12).

der westlichen Schmalseite ein flaschenförmiges, ganzes Gefäß 27 Adametz 2005, 212–216. 26 Vgl. Wiesner 2009, 71.

28 Lochner 2013, 18 f.

243

9. Aufbrüche ins Jenseits

Abb. 09_13. Hollabrunn, Grab V 82, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner nach Lauermann/Hasenhündl 1996, Abb. 3).

Die Grabgrube des hier vorgestellten Grabs V 8229 war kaum grö-

dem Feuer ausgesetzt worden. Als Gefäßbeigaben waren drei

ßer als die Urne (Abb. 09_13). Direkt unter der Urne war Brand-

Baierdorf-Velatice-Tassen (12–14), ein eiförmiger Henkeltopf

schutt mit einigen Gefäßbruchstücken deponiert. In der Urne (1)

(15) und eine kannelurenverzierte kleine Tasse (16) in der Urne

lag auf dem Gefäßboden eine Schale mit der Mündung nach un-

in kreisförmiger Anordnung um den Leichenbrand deponiert.

ten (2). Leider gibt es keinen Hinweis darauf, was sich unter der

In diesem Fall hat die Urne eine besondere Bedeutung: Sie ist

umgestülpten Schale am Boden der Urne befand. Darüber fand

offensichtlich ein Ersatz für den menschlichen Körper, dient so-

sich der sorgsam aus den Scheiterhaufenresten herausgesuchte

zusagen als Körperhülle. Der Brandschutt unter der Urne könnte

Leichenbrand eines 7–14-jährigen Kindes. Auf und in diesem la-

den Scheiterhaufen symbolisieren. Schmuck und Trachtbestand-

gen Schmuck- und Trachtbestandteile aus Bronze, darunter eine

teile der Kleidung waren wohl für das Kind bestimmt, wurden

zweiteilige Blattbügelfibel vom Typ Gemeinlebarn (3), ein ver-

aber von diesem noch nicht getragen und lagen daher auch nicht

zierter Blechtutulus, zahlreiche Spiralröllchen, ein Noppenring,

auf dem Scheiterhaufen. Sie sind möglicherweise die zukünfti-

zwei Armreife und ein tordiertes Fragment, weiters eine Näh-

ge Ausstattung fürs Erwachsenenalter und wurden als solche ins

nadel und ein Gerät mit Meißelschneide (4–11). Sämtliche in der

Grab mitgegeben. Die kleinen Gefäße, die um den Leichenbrand

Urne niedergelegten Bronzen sowie die Beigefäße waren nicht

deponiert wurden, belegen in diesem Fall eindeutig die Versorgung des verstorbenen Kindes mit Nahrung.

29 Lauermann/Hasenhündl 1996, 310–312.

244

9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur

9.2.6 Gräberfeld Sommerein

männlich/spätadult (30–40)

Im südöstlichen Niederösterreich und dem nördlichen Burgenweiblich??/frühadult (19–30)

land findet man Einflüsse der Čaka-Gruppe, die schwerpunktmäßig zwischen Bz D und Ha A1 anzusetzen ist und hauptsächlich in der Südwestslowakei und in Westungarn verbreitet war. Sie geht in der Stufe Ha A1 in der Velatice-Gruppe auf.30 Im Grabbrauch sind einige Unterschiede zum übrigen ostösterreichischen Raum zu erkennen. Während allgemein in Österreich ab der Urnenfelderkultur Grabhügel nicht mehr üblich waren, gibt es im Einflussbereich der Čaka-Gruppe bei bestimmten Bevölkerungsgruppen noch die Bestattung unter Hügeln. Als Beigaben sind Geschirrsets und für Männer zusätzlich Waffen und Werkzeuge aus Bronze sowie für Frauen der bronzene Trachtschmuck kennzeichnend. Waffen und Kleidungsbestandteile wurden in der Regel mitverbrannt, die Keramik kam zerbrochen oder unversehrt, aufrecht oder mit der Mündung nach unten stehend in die Gräber. Obwohl beim Bestattungsbrauch immer wieder dieselben Handlungen, etwa das Zerschlagen von Gefäßen und das Verteilen oder Anhäufen des Leichenbrands im Grab zu beobachten sind, gleicht kaum ein Grab dem anderen. Vielleicht sind aber gerade die unterschiedlichen Varianten typisch für den Ritus dieser Zeit, wo möglicherweise die Handlung wichtiger war als die Einheitlichkeit des Ergebnisses. Eine weitere regionale Besonderheit sind die teilweise mit Gravuren versehenen Steinplattenkisten für die Bestattungen. Der leicht zu verarbeitende Leithakalk, der zum Bau dieser Kisten verwendet wurde, zeigt vor allem konzentrische Kreise und

Abb. 09_14. Sommerein, Grab 1, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeord­ neten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab – darunter: Platten der Steinkiste mit Gravuren (Grafik: M. Lochner nach Kaus M. 1991, Abb. 1–4).

Schildmotive. Diese seltenen Grabeinbauten aus Stein bieten Anlass zu Spekulationen, ob ähnlich gestaltete Elemente aus or-

Doppelkonus, südlich davon eine große weitmündige Schüssel

ganischen Materialien vorhanden waren.

und eine Henkeltasse. An der Nordwestwand der Kiste waren ein

Ein anschauliches Beispiel ist das im Jahre 1984 entdeckte früh-

weiterer etwa gleich großer Doppelkonus, zwei Schalen und der

urnenfelderzeitliche Steinkistengrab aus Sommerein (Grab 1).31

Rest eines Fußgefäßes abgestellt. Es fanden sich auch etliche

Der Fundort liegt am Westrand des Leithagebirges in einer Re-

Einzelscherben in der Grabgrube.

gion, die nicht mehr direkt zum Čaka-Kulturbereich zu zählen

Der zweite, etwas höher stehende Doppelkonus in der Nordost-

ist. Dies ist vor allem am Fundmaterial erkennbar, das eindeutig

Ecke könnte laut Ausgräberin Margarete Kaus eine Nachbestat-

nach Baierdorf-Velatice verweist. Die Bestattungssitte zeigt je-

tung sein. In beiden doppelkonischen Gefäßen war Leichenbrand

doch, unter anderem durch die Anlage von Hügelgräbern, dass

und je ein Objekt aus Bronze, in einem eine Lanzenspitze, im

es einen immateriellen geistig-kulturellen Einfluss aus den öst-

anderen ein Messer. Oberhalb der Gefäße lag eine durch Hitze-

lich anschließenden Gebieten gibt.

einwirkung verschmolzene Kugelkopfnadel. Die anthropologi-

Sommerein Grab 1 war aus vier behauenen Steinplatten zusam-

sche Auswertung des Leichenbrands durch Eike-Meinrad Winkler

mengestellt; der Boden wurde von drei kleineren, rechteckigen

ergab in der einen Urne ein spätadultes männliches Individuum,

Platten gebildet (Abb. 09_14). Annähernd im Zentrum stand ein

in der anderen Urne ein frühadultes, wahrscheinlich weibliches Individuum, wobei im Falle der Frau ein Teil des Leichenbrands

30 Paulík 1963. 31 Melzer/Opferkuh 1984; Kaus M. 1991; dazu Lochner 2012, 43 f.

zusammen mit den Resten des Scheiterhaufens ins Füllmaterial der Grabgrube gelangte. Leider kann auf Grund der bislang 245

9. Aufbrüche ins Jenseits

vorliegenden Befunde nicht eruiert werden, welches Individuum

2

nachbestattet wurde; vermutlich war es die Frau. Sicher ist, dass die Urne mit der Lanzenspitze die männliche Bestattung war, sodass man der Frau das Messer zuordnen kann. Die Nadel war vermutlich mit dem Brandschutt und somit mit dem Leichenbrand der Frau vergesellschaftet. Auf Grund des guten Erhaltungszustands der Knochenfragmente versuchte E.-M. Winkler eine Rekonstruktion des Verbrennungsritus. Den auffälligen Unterschied im Erhaltungszustand der Individuen interpretiert der Anthropologe so, dass die Frau in Rückenlage auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde worden sei, der Mann jedoch in Bauchlage. Das würde einen tief greifenden geschlechtsspezifischen Unterschied im Verbrennungsritus bedeuten und bedarf noch weiterer einschlägiger Befunde von anderen Grabungsplätzen.32 Die Außenseiten der sorgfältig behauenen Steinplatten sind mit tiefen Rillen verziert (Abb. 09_14). Drei Platten zeigen rechteckig gerahmte Felder, in denen je drei aus mehreren konzentrischen Kreisen bestehende Motive nebeneinanderstehen. Eines dieser Motive ist mit einer Lochung versehen, bei der es sich wohl um ein sogenanntes Seelenloch handelt. Konzentrische Kreise und gelochte Steinplatten werden allgemein mit Sonnenkult und Seelenvorstellungen in Verbindung gebracht (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.6). An der Platte im Osten erkennt man ein mit zwei Rillen umrissenes Schildmotiv. Hier handelt es sich wahrscheinlich um die Darstellung eines Sanduhrschilds. Man vermutet, dass solche Schilde

Abb. 09_15. Unterradlberg: 1. Befund des stark gestörten Grabs mit Schalenknauf­ schwert – 2. Schwert vom Typ Wör­ schach (Foto: BDA, Grafik: F. Siegmeth).

aus Holz und Rindsleder, die im früheisenzeitlichen Griechenland verbreitet waren, auch in Mitteleuropa Verwendung fanden. Vielleicht soll das in Stein gemeißelte Schildsymbol den hier bestatteten Lanzenkrieger im Jenseits beschützen.

9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur Ab der Stufe Ha A2 ist generell eine Nivellierung im Bestattungsbrauch erkennbar, die sich in unserer Region zumindest bis ans Ende der Stufe Ha B2 fortsetzt.33 Dieser Vorgang kann auch als Anzeichen einer gewissen Gleichstellung der damaligen Menschen angesehen werden; zumindest lassen sich über weite Strecken keine ausgeprägten Herrschaftsstrukturen oder größeren sozialen Unterschiede in der Gesellschaft aus der Grabaus32 Winkler 1992. 33 Lochner 2013, 19 f.

246

1

9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur

BzC2/D1

BzD2

HaA1

HaA2

HaA2/B1

HaB1

HaB2

HaB3

HaC1

Grabbau – Hügel/flach

H

(H) F

(H) F

F

(H) F

F

F

F

H

Grabform – lang/rund/ quadratisch

L

L

L/R

R

R

R

R

R/Q

L/R/Q

Urne

Nein

Nein

Ja/Nein

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja/Nein

Ja/Nein

Waffen/Prunk

Ja

Ja

(Ja) Nein

Nein

(Ja) Nein

Nein

Nein

Ja/Nein

Ja

Geschirrsätze T=Trinksitte

Nein

Ja T

Ja T

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja T

Ja T

Handlungen*

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

* mitverbrannte und/oder zerscherbte Gefäße als Teil einer Vielzahl an Handlungen

Tabelle 09_02. Überblick über die Bestattungssitten der jüngeren Urnenfelderkultur (graues Feld).

stattung herauslesen. Bei genauerer Betrachtung gut befundeter Gräber kann man jedoch unterschiedliche Ausstattungsmuster erkennen, deren wesentliche Kriterien die Art der Urne sowie Anzahl und Art der Beigefäße für Speisen und Getränke sowie der sonstigen Beigaben darstellen. Diese Ausstattungsmuster stehen in direktem Bezug zu den verschiedenen Altersstufen, dem Geschlecht der Bestatteten und somit zur sozialen Identität der Verstorbenen. Einfache runde Grabgruben mit Urnen, Beigefäßen und die – großteils verbrannte – Kleidungs- und Schmuckausstattung der Verstorbenen sind nun Standard. Wo vollständige Grabbefunde vorliegen, bleibt die Anzahl und Vielfalt von Metallbeigaben ab der mittleren Phase der Urnenfelderzeit weitgehend gleich, nur Prunkobjekte fehlen und auch Waffen werden weiterhin selten beigegeben. Ausnahmen gibt es; in einem relativ kurzen Zeitrahmen zwischen der älteren und jüngeren Urnenfelderkultur können bei bestimmten Gruppen Grabhügel mit reichen Ausstattungen nachgewiesen werden. Das belegt ein 2003 während einer Notgrabung in Unterradlberg

Abb. 09_16. Franzhausen-Kokoron, Grab 65, typisches jungurnenfelderzeitliches Grab mit der Kombination von flachkonischer Schale, großem Bronzemesser und Tierknochen als Reste von Speisebeigaben (Foto: J.-W. Neugebauer/ BDA).

im Unteren Traisental entdecktes Ha  A2/B1-zeitliches Schwert-

Was den Grabbau betrifft, so sind Hügelaufschüttungen in der

grab, das von einem Kreisgraben umgeben war, der als Rest des

jüngeren Urnenfelderzeit nicht nachweisbar, sondern erst ab Be-

Entnahmegrabens zur Hügelaufschüttung interpretiert werden

ginn der Hallstattzeit (Ha  C) wieder belegt. Wahrscheinlich ab

kann. Die Teile des Schalenknaufschwerts vom Typ Wörschach

der Stufe Ha B2, sicher aber ab Ha B3 werden vereinzelt quadra-

(siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.6, Symbole) sind trotz Beraubung des

tische Grabgruben angelegt, wie sie dann in der folgenden Hall-

Grabs glücklicherweise erhalten geblieben (Abb. 09_15).34 Das

stattkultur üblich werden.

Gräberfeld von Unterradlberg war in mehrere Gräbergruppen un-

Was Grabsitten und Ausstattungen betreffen sind gegen Ende

terteilt und offensichtlich durchgehend von der Stufe Ha A bis in

der Stufe Ha B3 gravierende Veränderungen erkennbar. Dazu

die jüngere Urnenfelderkultur der Stufe Ha  B belegt. U. a. kom-

gehört, dass – wie etwa in Stillfried – der Leichenbrand nicht

men hier große Grabanlagen vor, die von Kreisgräben (Grab-

mehr in einer Urne, sondern im Grab ausgestreut deponiert wird.

gärten oder Umfassungsgräben von Grabhügeln) mit Durchmes-

Auch finden wir in dieser Phase wieder verstärkt Gräber mit Waf-

sern bis zu 25 m umfriedet waren.35

fen und Zaumzeug sowie Prunkausstattungen. Die Kombination von (großem) Bronzemesser mit einer flachkonischen Schale

34 Blesl/Mödlinger/Ntaflos et al. 2009. 35 Blesl/Neugebauer/Preinfalk F. 2002, 32.

inklusive Fleischteilen (zumeist Knochen von Schaf/Ziege oder Schwein) ist in den Gräbern der jüngeren Urnenfelderzeit eine 247

9. Aufbrüche ins Jenseits

auffällig häufige Erscheinung. Diese Ensembles kommen in gleicher Weise sowohl in Frauen- als auch Männergräbern vor. Das Messer diente offensichtlich zum Zerteilen der Fleischstücke. Die wahrscheinlichste Interpretation dieser Beigabe ist natürlich, dass es sich um Nahrung für den Verstorbenen handelt und das Messer ist das zugehörige „Besteck“. Das Messer in repräsentativer Größe könnte aber auch eine weiterte Bedeutung haben: vielleicht symbolisiert es, dass die bestattete Person in einer Gruppe oder in der Familie für die Aufteilung der Nahrung verantwortlich war (Abb. 09_16). Während der gesamten jüngeren Urnenfelderkultur sind umfangreiche Gefäßbeigaben in regelhafter Zusammensetzung üblich, die die Sitte der angeordneten Geschirrsätze (Tafelgeschirr) der Hallstattkultur bereits vorwegnehmen. Eine Differenzierung in Richtung der spezifischen Tranksitte der Hallstattkultur ist im Verlauf der spätesten Urnenfelderzeit (Ha B3) erkennbar. Das größte Gefäß im Grab, das früher generell die Urne war, ist nun der Trankbehälter mit kleinem Schöpfgefäß (Tasse, Schale) darin. Nach wie vor belegen die in die Gräber geschütteten, teilweise sekundär verbrannten Gefäßscherben rituelle Handlungen: einen Leichenschmaus oder eine Totenfeier, die vor und während der Grablegung erfolgten und in deren Verlauf Gefäße zerbrochen und im Grab deponiert wurden. Es gibt noch weitere Belege für Handlungen am offenen Grab,

Abb. 09_17. Verbreitungskarte von Gräberfeldern der Stufen Ha A2/B1 bis Ha B3 in Niederösterreich mit aussagekräftigen Grabbefunden.

Gefäßdepositionen deutlich über der Grabsohle: Die Grube war schon bis in Bauch- oder Schulterniveau der Großgefäße verfüllt, da wurde noch ein Topf oder eine Schale abgestellt und oft waren

Zu nennen ist hier das größte erhaltene Gräberfeld der Region

auch Tierknochen dabei.

Franzhausen-Kokoron mit 403 nachgewiesen Bestattungen.

Für die jüngere Urnenfelderkultur sind in Ostösterreich die Be-

Inzersdorf ob der Traisen und Unterradlberg; beide wurden be-

Dazu kommen die in Aufarbeitung befindlichen Gräberfelder stattungsplätze von Hadersdorf am Kamp, St. Andrä vor dem

reits ab der älteren Urnenfelderzeit belegt.

Hagenthale, Stillfried an der March und nicht zuletzt Franz-

Weiter östlich sind die Gräberfelder von St. Andrä v. d. Hagen-

hausen-Kokoron kennzeichnend.

thale und Stillfried an der March sowie ein großteils zerstörtes

Am altbekannten Gräberfeld von Hadersdorf, das Ende des

Gräberfeld am Leopoldsberg oberhalb von Wien bekannt.

19.  Jh.s untersucht wurde, hat man bei Rettungsgrabungen in

Im südlichen Niederösterreich sind – in Zusammenhang mit den

den 1990er-Jahren noch ca. 90 Gräber geborgen. Im Zentral-

hier in den Ausläufern der Ostalpen vorhandenen Kupferabbau-

raum von Niederösterreich nördlich der Donau sind noch wei-

und Verhüttungsplätzen – das noch unpublizierte Gräberfeld

tere, kleinere Aufschlüsse aus Haindorf, Straß im Straßertale

von Pitten-Schlossberg und ein kleines Gräberfeld in Ober-

und Fels am Wagram36 zu nennen. Südlich der Donau gibt es ein

piesting37 belegt. In der Nähe der Staatsgrenze befindet sich auf

2002 in Furth bei Göttweig entdecktes Gräberfeld.

ungarischer Seite die Nekropole von Sopron-Krautacker, wo im

Wie schon in Zusammenhang mit der älteren Urnenfelderzeit

Bereich des bedeutenden hallstattzeitlichen Gräberfelds sowohl

erwähnt, liegen im Unteren Traisental auf den Niederterrassen

einige älterurnenfelderzeitliche Bestattungen als auch zahl-

des Flusses Traisen große Bestattungsplätze, die zum Teil bis

reiche jungurnenfelderzeitliche Gräber geborgen wurden.38

in die jüngere Urnenfelderkultur weiter genutzt werden. Man kennt auch die zugehörigen Siedlungen in unmittelbarer Nähe. 37 Kaus M. 2003, 37. 36 Lochner 1991a, 73–81; Wewerka 1994; Engelhardt 1973.

248

38 Jerem/Metzner-Nebelsick 2002.

9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur

Stillfried-Podoler-Gruppe (Abb. 9_17):39 1 – Hadersdorf am Kamp, VB Krems-Land (Scheibenreiter 1954;

Abb. 09_18. Hadersdorf am Kamp, Auswahl an Grabbefunden aus dem Gräberfeld, Grabung 1997/98 (Fotos: B. Wewerka/ASINOE).

Wewerka 1998, Vorbericht) 2 – Furth bei Göttweig, VB Krems-Land (Pieler/Hellerschmid 2004, Vorbericht) 3 – Franzhausen-Kokoron, VB St. Pölten (Lochner/Hellerschmid 2016) 4 – Inzersdorf ob der Traisen, VB St. Pölten (Neugebauer/ Gattringer 1985/86, Vorbericht) 5 – Unterradlberg, VB St. Pölten ((Blesl/Neugebauer/Preinfalk F. 2002; Blesl/Krumpel 2003, Vorberichte)

fried bezeichnet wurde.41 Leider sind die Aufzeichnungen und Fundberichte sehr spärlich und damit das Fundmaterial quellenkritisch für Betrachtungen zur Bestattungssitte, aber auch für eine relativchronologische Diskussion aus heutiger Sicht nicht mehr zulässig.42 Daher hat dieser Fundkomplex heute nur mehr

6 – St. Andrä v. d. Hagenthale, VB Tulln (Eibner C. 1974)

forschungsgeschichtliche Bedeutung.

7 – Stillfried an der March, VB Gänserndorf (Kaus M. 1984)

1997 und 1998 wurde auf einer größeren Fläche im Bereich des

8 –1190 Wien, Leopoldsberg (Kerchler 1962)

Bahnhofs von Hadersdorf eine Notgrabung durchgeführt. Neben

9 – Pitten-Schlossberg, VB Neunkirchen (S. Klemm,

zahlreichen Befunden anderer Zeitstellung konnte man auch wie-

unpubliziert)

der Gräber der Urnenfelderkultur – ca. 90 Brandbestattungen – bergen, die allerdings durch Ackertätigkeit teilweise stark gestört

9.3.1 Gräberfeld Hadersdorf am Kamp

waren (Abb. 09_18).43 Die Bestattungen waren in Gruppen angeordnet, in denen die einzelnen Gräber ca. 1–2 m auseinander lagen. Die Schächte hatten einen runden Grundriss von ca. 0,5 m Durchmesser und waren durchschnittlich 0,8 m tief. Drei reicher

Im Jahre 1888 stießen Arbeiter beim Bau der Kamptalbahn im

ausgestattete Gräber wiesen eine Steinumrandung auf. In jedem

Bereich von Hadersdorf auf Brandbestattungen in Tongefä-

Grab befand sich zumindest ein Tongefäß, zumeist ein Kegel-

ßen. Der Abt von Stift Göttweig, Pater Adalbert Dungl, schickte

halsgefäß oder eine große Schüssel. Darin wurde der Leichen-

einige Fundstücke an das k.  k. Hofmuseum in Wien, worauf im

brand deponiert und eventuell auch die Reste von mitverbrann-

April 1889 unter der Leitung von Josef Szombathy durch Ignaz

tem Schmuck und Kleidungsbestandteilen – z. B. Armreife und

Spöttl und dem Pfarrer Gustav Schacherl eine Ausgrabung im

Fibeln aus Bronze. In der Regel standen ein bis fünf Beigefäße

Bereich des heutigen Bahnhofs durchgeführt wurde. Die 130

um die Urne herum – Tassen, Schalen und kleine Kegelhals-

Brandgräber mit ca. 600 Gefäßen wurden als Materialpublikati-

gefäße, die vermutlich Speisebeigaben enthielten. Erhalten ha-

on vorgelegt.40

ben sich Knochen von Fleischbeigaben, zumeist von Schaf oder

In seiner Gesamtheit stellte das Gräberfeld von Hadersdorf seit

Ziege; sie lagen oft zusammen mit einem großen Bronzemesser

den 1950er-Jahren eine wichtige Quelle für den Ha  B-Horizont

auf oder zumindest im Bereich einer flachen Schale.

in Niederösterreich dar, der von Richard Pittioni als Typus Still-

41 Pittioni 1954, 484.

39 Nachfolgend in den Listen angegebene Zitate betreffen Primärliteratur bzw. Erstnennungen.

42 Chronologische Überlegungen zum Gräberfeld von Hadersdorf bei Stegmann-Rajtár 1992, 57–60.

40 Scheibenreiter 1954.

43 Wewerka 1998.

249

9. Aufbrüche ins Jenseits

9.3.2 Gräberfeld St. Andrä vor dem Hagenthale Im Urnengräberfeld von St. Andrä vor dem Hagenthale wurden in den Jahren 1965–66 von Clemens Eibner 45 Gräber geborgen.44 Die Belegung begann in der Stufe Ha  B1, der chronologische Schwerpunkt lag in den Stufen Ha B2 und Ha B3.45 Im Zuge der Auswertung des Gräberfelds konnte C. Eibner einige den Grabritus betreffende Beobachtungen herausarbeiten.46 Unter anderem versuchte er eine spezifische, mit dem Geschlecht des Toten übereinstimmende Ausrichtung der Beigaben nachzuweisen. Die Idee war, dass jedes Grab bei der Beisetzung eine Schauseite gehabt haben müsse. Weiters konnte C. Eibner als einer der Ersten nachweisen, dass einzelne Gefäße in höheren Positionen niedergelegt und/oder während des Verfüllungsprozesses beigegeben worden waren. Diese keramischen Nachgaben waren immer nur in Teilen vorhanden, C. Eibner interpretiert sie als Teil von Handlungen in Zusammenhang mit Totenfeiern, wobei die entsprechenden Gefäße teils in die Grabverfüllung gelangten, teils auf einem eigenen Ritualplatz, dem sogenannten Scherbenpflaster unmittelbar neben dem Gräberfeld, verblieben.47 Auch jährlich wiederkehrende Handlungen oder solche in einem größeren Zeitabstand wären laut C. Eibner denkbar, da Teile von Gefäßen nach seinen Beobachtungen mit Sicherheit auf verschiedene Gräber verteilt waren. Solche Befunde können ein Hinweis auf sogenannte Gedächtnisopfer sein, die noch Jahre nach der Beerdigung erfolgten. Als Beispiel für ein Grab, das mehrere Deponierungsphasen anzeigt, deren zeitliche Abfolgen allerdings heute nicht mehr zu klären sind, führt er Grab 26 an (Abb. 09_19). Es handelt sich um eine Bestattung aus der frühesten Belegungsphase, der Stufe Ha B1.48

Abb. 09_19. St. Andrä v. d. Hagenthale, Grab 26, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner nach Eibner C. 1974, 221, Abb. 20).

Die Grabgrube war in den Humus eingetieft und die Konturen daher nicht erkennbar. In einem Kegelhalsgefäß (1) befanden sich der Leichenbrand, eine Zargenkopfnadel49, ein kleiner

wie eine flachkonische Henkelschale (11). Diese wurden nicht,

Bronzering, Drahtbruchstücke, vier kleine scheibchenförmi-

wie zumeist üblich, neben der Urne auf den Grabboden platziert,

ge Stein- und Glasperlen, Teile eines Radanhängers sowie ein

sondern auf der Urnenschulter und auf der schon bis zu die-

Hüttenlehmbröckchen (2–8). Weitere Beigaben waren ein klei-

ser Höhe eingebrachten Grabverfüllung. Auch ein weiterer – im

nes Kegelhalsgefäß (10) – ein Behälter für Flüssigkeiten – so-

Feuer deformierter, aber sonst vollständig intakter – Radanhän-

44 Eibner C. 1974; dazu Lochner 2013, 22–24.

Gefäßbruchstücke (12), darunter ein Topf (13), der offensichtlich

ger (9) lag auf der Urnenschulter. 45 Zu chronologischen Fragestellungen zuletzt Stegmann-Rajtár 1992, 50–57; Eibner C. 2000, 95–96. 46 Eibner C. 1974; Wiesner 2009, bes. 66 ff. 47 Zuletzt Eibner C. 2000, 99–104; Wiesner 2009, 68–71.

sekundärem Brand ausgesetzt war, und Knochenteile scheinen Nachgaben im Zuge von Handlungen am offenen Grab zu sein. Ebenso als Nachgaben deutete C. Eibner einzelne Gefäßscher-

48 Eibner C. 1974, 229–233.

ben (14, 15), die er als Bruchstücke von Gefäßen aus einem

49 Nach Form und Verzierungsmuster dürfte es sich um den kugeligen Körper einer jüngeren Vasenkopfnadel mit großem Vasenkopf handeln, deren oberer Teil fehlt. Eventuell könnte es auch eine junge Spindel­ kopf- bzw. Zwiebelkopfnadel sein.

ca. 5 m entfernten Grab identifizierte.

250

9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur

Abb. 09_21. Franzhausen-Kokoron, Gesamtplan des Gräberfelds (Grafikgrundlage BDA; Digitalisierung und Bearbeitung T. Stadler, U. Schuh, M. Lochner, OREA/ ÖAW 2006).

9.3.3 Gräberfeld Franzhausen-Kokoron Die ersten Brandgräber in Franzhausen, Flur Kokoron wurden beim Bau der Kremser Schnellstraße S33 angeschnitten (Abb. 09_20).50 Durch Rettungsgrabungen der Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamts unter der Leitung von Johannes-Wolfgang Neugebauer konnten in den Jahren 1981–1984 und 1991 auf einer ca. 12.000  m2 großen Fläche 403 Gräber der jüngeren Urnenfelderkultur geborgen werden (Abb. 09_21). Die Bestattungen sind wegen der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung des Geländes teilweise stark gestört. Berücksichtigt man die Verluste durch Bauarbeiten und insbesondere durch das Pflügen, kann man ein ursprünglich ca. 500 Bestattungen

Abb. 09_20. Franzhausen-Kokoron, Notbergung auf der Trasse der zukünftigen Schnell­ straße S33 im Jahr 1981 (Foto: J.-W. Neugebauer/BDA).

zählendes Gräberfeld annehmen. Dieses lässt sich in eine ältere Ostgruppe und eine dichter belegte jüngere Westgruppe gliedern, wobei die Belegung in der Stufe Ha A2/B1 (ca. 1050 v. Chr.) beginnt und im Verlauf von Ha B3 (ca. 800 v. Chr.) endet. 50 Lochner/Hellerschmid 2016.

251

9. Aufbrüche ins Jenseits

1

2

Abb. 09_22. Franzhausen-Kokoron: 1. einteilige Drahtbügelfibel – 2. Ohrgehänge mit blauen Glasperlen (Grafik: F. Siegmeth, Foto: IUHA).

An einer Stelle inmitten des jüngeren Friedhofteils wurde auf einer unregelmäßig ovalen Fläche von 3,0 m × 2,5 m eine aschige, holzkohlehaltige Schicht angeschnitten. Es handelt sich vermutlich um die Reste eines zentralen Verbrennungsplatzes.

1

Von den insgesamt 403 Gräbern sind aufgrund unterschiedlichen Erhaltungszustands mindestens 268 als Urnengräber anzusprechen, davon sind 24 Doppelbestattungen51. Bei 135 Gräbern war die Bestattungsart nicht mehr erkennbar. Es handelt sich in der Mehrzahl um rund-ovale, seltener um quadratische Grubengrundrisse von 0,4–1,0 m Durchmesser bzw. Kantenlänge. Abgesehen von vier Grabgräbchen und zwei zu einem Grab gehörigen Pfostengruben zeigen die Befunde keine auffälligen Elemente der Grabarchitektur. Bei den gut erhaltenen Befunden

2

waren Urne und Beigaben zumeist auf der Grabsohle abgestellt und füllten in der Regel die Grabgrube komplett aus. Insgesamt konnten 529 Metallobjekte aufgenommen werden.52 Die Gegenstände aus Bronze sind intakt oder feuerdeformiert und es gibt eine große Anzahl an Schmucknadeln (vor allem Vasenkopfnadeln und Zwiebelkopfnadeln), Fibeln (einteilige

Abb. 09_23. Franzhausen-Kokoron: 1. Bronzetasse vom Typ Jenišovice – 2. kalottenförmige Bronzeschale mit fein eingeritzten, hängenden Dreiecken (Grafik: F. Siegmeth).

An Werkzeug und Geräten aus Bronze sind besonders die zahl-

Drahtbügelfibeln (Abb. 09_22/1), Brillenfibeln, Harfenfibeln),

reichen Messer zu nennen (vor allem große Griffdornmesser mit

Arm- und Halsreife, diverse Ringe (u. a. ein goldener Lockenring,

geradem Rücken, Vollgriffmesser und Griffangelmesser, es gibt

siehe Kap. 7, Abb. 07_34) und Zierknöpfchen. Als Besonderhei-

vereinzelt auch Eisenmesser), Rasiermesser (halbmondförmige

ten sind zwei als Gürtelschnallen interpretierte Objekte und Ohr-

Rasiermesser mit Ringgriff, Typ Herrenbaumgarten und Určice),

gehänge mit blauen Glasperlen (Abb. 09_22/2)

zu erwähnen,

zahlreiche Nähnadeln, zwei Ahlen und als Einzelfunde ein klei-

zahlreiche kleine Scheiben- und Ringperlen die aus Knochen-,

ner Spinnwirtel aus Bein, ein Angelhaken und eine Pfeilspitze.

Mollusken- und Steinmaterial gefertigt sind sowie Schmuck aus

Letztere ist der einzige Fund im Gräberfeld, den man als Waffe

53

Märzenschnecken . Hervorzuheben sind auch etliche Gräber

bezeichnen kann.

mit Astragalsätzen (siehe Kap. 6, Pkt. 6.5.1).

An Bronzegefäßen sind eine Bronzetasse vom Typ Jenišovice

54

51 Vgl. Hess 2013. 52 Lochner/Hellerschmid 2016, Typentafeln. 53 Neuninger/Pittioni 1959. 54 Frank 2000.

252

(Grab  722) und eine kalottenförmige Bronzeschale mit fein eingeritzten, hängenden Dreiecken unterhalb des Rands (Grab  31) zu nennen (Abb. 09_23). Eine Besonderheit sind bronzene Beschläge eines organischen Gefäßes aus Grab  119 aus der

9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur

1

2 Abb. 09_24. Franzhausen-Kokoron, Grab 119: 1. Rekonstruktion eines organischen Gefäßes mit Blechbeschlägen – 2. Grabbefund während der Ausgrabung (Grafik: F. Siegmeth, Foto: J.-W. Neugebauer/BDA).

Abb. 09_25. Franzhausen-Kokoron, Grab 11, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner).

253

9. Aufbrüche ins Jenseits

Spätphase des Gräberfelds (Ha  B3) (Abb. 09_24/1und 24/2).

Zaumzeuggarnituren pontisch-kaukasischer Prägung zu erwäh-

Einen nahezu identen Randbeschlag kennen wir aus Grab 6 des

nen, darunter vier bronzene Seitenstangen mit Pferdekopfenden

Gräberfelds von Stillfried an der March (siehe weiter unten).

(siehe Kap. 11, Abb. 11_01).

Im Konvolut von insgesamt 1427 Stück Grabkeramik kann man

In den Jahren 1975–77 konnten 51 Gräber dieses ursprünglich

ein breites Spektrum von Gefäßtypen und Varianten mit ver-

wohl viel größeren Bestattungsplatzes regulär erforscht wer-

schiedenen Verzierungsmotiven erkennen.55

den.58 Die Belegung des Gräberfelds dürfte die gesamte Stufe

Die Reste von Speisebeigaben liegen meist in Form unverbrann-

Ha  B angedauert haben; einige Altfunde lassen die Vermutung

ter Tierknochen vor. Vielfach lagen sie auf einer Schale und es

zu, dass man dort noch bis Ha  C bestattete. Die vorliegenden

war ein Messer dabei. Zirka 100 Gräber enthielten einen oder

Fremdformen im Fundmaterial belegen die Bedeutung der Wall-

mehrere Knochen von insgesamt 134 Tieren. Den zahlenmä-

anlage als Zentralort mit reger Handelstätigkeit in der späten

ßig bedeutendsten Anteil nehmen zusammengehörige Skelett-

Urnenfelderzeit.59 Die von östlichen Sitten beeinflusste Wand-

elemente von Hausschwein und Hausschaf ein; in mehr als

lung des besser gestellten Mannes zum Reiterkrieger und das

40 Gräbern waren es Knochen aus dem Schulterbereich, die von

Aufkommen von Trinkgefäßgarnituren im Grabensemble deuten

zugerichteten Fleischbeigaben zeugen (siehe Kap. 6, Pkt. 6.5.1).

auf die beginnende Hallstattkultur hin.60

Das hier vorgestellte Grab 11 (Abb. 09_25), ein Urnengrab einer

Die Beisetzungen im Gräberfeld von Stillfried erfolgten in runden

20–30-jährigen Frau, lässt sich anhand der Funde als ein typi-

und quadratischen Grabgruben. Anfangs gab man den Leichen-

scher Vertreter der entwickelten jüngeren Urnenfelderzeit (etwa

brand in eine Urne, später herrschten Leichenbrand- und Scher-

Stufe Ha B2) bezeichnen.

benschüttung vor. Art und Anzahl der Beigaben in den Gräbern

Die Urne (1) stand am Rand der Grabgrube, vier Beigefäße wa-

waren sehr unterschiedlich, wobei man betonen muss, dass nur

ren um die Urne gruppiert: ein Kegelhalsgefäß (3) mit einer

zwölf Gräber aus der dokumentierten Forschungsgrabung als

Bodenscherbe als Abdeckung (2)56, eine Tasse (4), eine kleinere

einigermaßen geschlossene Fundkomplexe zu betrachten sind.

Flasche (5) sowie eine flachkonische Schale (9) zusammen mit

Sie erlauben, besonders für die Spätphase der Urnenfelder-

dem Vorderlaufknochen eines Schafs und einem großen Griff-

kultur, Beobachtungen zum Bestattungsritus. Die in die Gräber

dornmesser (10). Die Kombination von flachkonischer Schale als

geschütteten, teilweise sekundär verbrannten Gefäßscherben

Unterlage für eine Fleischportion und zumeist großem Bronze-

belegen rituelle Handlungen vor und während der Grablegung

messer ist, wie eingangs erwähnt, typisch für Gräber der jünge-

(Leichenschmaus oder Totenfeier), in deren Verlauf Gefäße zer-

ren Urnenfelderzeit.

brochen wurden.

Metallbeigaben: eine unverbrannte einteilige Drahtbügelfibel

Vor allem in den spätesturnenfelderzeitlichen Gräbern von

(7) (dazu Abb. 09_22/1), ein oder zwei stark verbrannte Armreif-

Stillfried (6, 14, 43) erkennt man das Aufkommen einer Art

fragmente (14, 15), ein Nadelschaftfragment (8) und eine Näh-

Trinksitte, weil große Trankbehälter sowie Schöpf- und Trink-

nadel (16) lagen neben der Keramik. Sie waren ursprünglich

gefäße in den Gräbern beigegeben sind. Das Kegelhalsgefäß

wohl gemeinsam in einem organischen Behälter verwahrt.

wurde im Grabbrauch nicht mehr als Urne, sondern als Trank-

Über dem ganzen Ensemble lag ein zerscherbter, unvollständi-

behälter, vermutlich für gemischten Wein, verwendet. Dieser

ger Topf (6), quasi eine Nachgabe.

Wandel in der Beigabensitte ist der Beginn einer Entwicklung, die später in der Hallstattkultur die typischen Trinkservicegarnituren hervorbringt.

9.3.4 Gräberfeld Stillfried an der March

Gegensatz zur vorangegangenen Periode Ha B1 bis Ha B2 wie-

Etwas außerhalb der Wehranlage von Stillfried liegt das seit 1879

einer Frau von Grab  26 (spätes Ha  B3)61 mit zwei Harfenfibeln,

bekannte, zugehörige Gräberfeld In der Gans.57 Aus dem undo-

einer Kette aus vielen kleinen Bronzeringen, einem Bronze-

kumentiert geborgenen Altmaterial sind vor allem die bekannte

drahtreif und weiteren Ringen, die vermutlich Brustschmuck

Bronzetasse vom Typ Stillfried (siehe Kap. 3, Abb. 03_41) sowie

Der besondere Rang einer Person wird in der Grabausstattung im der dargestellt. Als Beispiel nehmen wir die Grabausstattung

oder Gürtelzubehör waren. Oder sehen wir uns Grab 6 näher an, eine Männerbestattung (Ha  B3); das beigegebene Pferdezaum-

55 Lochner/Hellerschmid 2016, Typentafeln. 56 Keramische Gefäßabdeckungen sind generell in Gräberfeldern der Re­ gion selten anzutreffen, auch in Franzhausen-Kokoron sind insgesamt nur elf Stück belegt. 57 Strohschneider 1976.

254

58 Kaus M. 1984. 59 vgl. Metzner-Nebelsick 2010, 211. 60 Kaus M. 1988, 117 f.; vgl. Nebelsick 1997. 61 Kaus M. 1984, 46.

9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur

Abb. 09_26/1. Stillfried an der March, Grab 6: Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab(Grafik: M. Lochner nach Kaus M. 1984, Taf. 7).

zeug deutet vielleicht an, dass der Bestattete Reiterkrieger oder

Das große Kegelhalsgefäß (1) ist vermutlich als Getränkebehälter anzusprechen. Darin befand sich das dazugehörige Trink-

Fürst war.

gefäß aus organischer Substanz, von dem bronzene Randbe-

Der Grubengrundriss von Grab  6 (Abb. 09_26/1)62 war annä-

schläge, Zierbleche und Drahtklammern vorliegen (2) (siehe den

hernd quadratisch mit ca. 1,6 m Seitenlänge. Das östlich an-

ähnlichen weiter oben erwähnten Fund: Franzhausen-Kokoron,

schließende, tiefer liegende Grab 31 dürfte bei der Anlage von

Grab 119, Abb. 09_24).

Grab 6 teilweise zerstört worden sein. Vermutlich wurde Grab 6,

Ein Leichenbrandbehälter ist nicht nachzuweisen. Nordöstlich

vor allem der Ostteil, mit Erdmaterial samt Beigabenresten aus

des Kegelhalsgefäßes (1) lag ein Teil vom Leichenbrand eines

diesem zerstörten Grab zugeschüttet (31/1–5).

Mannes zusammen mit zerscherbten, aber unverbrannten Gefäß-

62 Kaus M. 1984, 76–83, Taf. 7–10.

(3–7). Solche Scherbenlagen treten auch in weiteren Gräbern,

teilen von mindestens zwei Kegelhalsgefäßen und drei Schalen

255

9. Aufbrüche ins Jenseits

Abb. 09_26/2. Stillfried an der March, Grab 6: zwei unvollständige bronzene Zaumzeug­ garnituren (Foto: F. Ostmann/OREA/ÖAW).

am Ende der Urnenfelderzeit einzelne Männer wieder mit ihrer Krieger- bzw. Reitausrüstung begraben wurden – eine Sitte, die

etwa dem ähnlich reich ausgestatteten Männergrab 38, auf. Die-

seit der Übergangsphase Ha  A/Ha  B, also seit ca. 200 Jahren,

se Keramikschüttungen, in diesem Fall von nicht sekundär ver-

nicht gebräuchlich war. Die Schirrungsgarnituren für zwei Pferde

brannten Gefäßen, kann man als Teil einer rituellen Handlung

weisen entweder auf einen Reiter mit Handpferd oder einen

deuten. Der Leichenbrand, zumeist nur ein Bruchteil der angefal-

zweispännigen Wagen hin (siehe Kap. 11, Pkt. 11.1 Exkurs).65

lenen Menge, wurde anscheinend, wie auch in anderen Gräbern

Wie schon öfter bei anderen Gräbern erwähnt, gab es auch hier

in Stillfried zu beobachten, zusammen mit dieser zerbrochenen

eine Schale (19) mit Fleisch (Knochen von Schaf/Ziege) und ei-

Keramik in das Grab geschüttet.

63

Bei den zwei unvollständigen Zaumzeuggarnituren 64 handelt

nem – mit einer Länge von 25 cm besonders großen – Griffdornmesser vom Typ Baumgarten (20). Dieses Ensemble lag etwas

es sich um Trensen mit Zügelhaken (8, 12) – teilweise repariert

erhöht auf dem Niveau der Schulter von Gefäß (1). Vermutlich

bzw. mit Altstücken ergänzt – sowie gebogene (9) und geknick-

wurde es erst beim Zuschütten des Grabs beigegeben oder es

te Seitenstangen (10, 13) (Abb. 09_26/2). Vom Zaumdekor sind

stand auf einem hölzernen Sockel bzw. Tischchen, gleichsam

eine große (15) und drei kleine Eisenscheiben (11, 14, 16) sowie

wie in einem miniaturisierten letzten Wohnraum.

eine massive Bronzescheibe (17) erhalten. Auch eine Messer-

Ein kleiner Ring (21) und eine zweispitzige Nadel (22) – vermut-

klinge aus Eisen (18) liegt vor. Hier wird offensichtlich, dass

lich eine Tätowiernadel – dürften über den westlichen Grabrand hinaus verschleppt worden sein.

63 Kaus M. 1984, 44. 64 Metzner-Nebelsick 1998, 409.

256

65 Kaus M. 1984, 118 f.

9.5 Literatur

9.4 Ausblick Gesamteuropäisch betrachtet ermöglicht die enorm angewachsene Datengrundlage alte Fragen zur kulturellen und identitätsstiftenden Rolle der Brandbestattung am Beginn einer Epoche und ihrer rasanten Ausbreitung im Kontext soziokultureller Perspektiven neu zu beleuchten. Die vorhandenen und publizierten Daten von zahlreichen modern ausgegrabenen wie auch altbekannten spätbronzezeitlichen Gräberfeldern und die dazugehörigen Siedlungen bilden die Basis für neue Studien. Schließlich liegen die Gründe für die tiefgreifenden Veränderungen in einem für den Menschen seit jeher sehr sensiblen Bereich – dem Umgang mit dem Sterben und Vergehen – nach wie vor im Dunkeln. Die Untersuchung der vielschichtigen Wege und Ausbreitungsformen des Bestattungsrituals über alle kulturellen Grenzen hinweg sowie die damit verbundenen Hypothesen zu Ursprüngen, dem Transfer von Glaubensvorstellungen oder Wegen der Kommunikation zu untersuchen wird Prähistoriker auch in Zukunft

Blesl/Mödlinger/Ntaflos et al. 2009: Ch. Blesl/M. Mödlinger/ T. Ntaflos/D. Salaberger, Untersuchungen zu Herstellung und Gebrauch eines Schalenknaufschwertes aus Unterradlberg, Niederösterreich, FÖ 48, 2009, 47–56. Blesl/Neugebauer/Preinfalk F. 2002: Ch. Blesl/J.-W. Neugebauer/ F. Preinfalk, St. Pölten (KG Unterradlberg). In: Ch. Farka, Die Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes. Jahresbericht 2002, FÖ 41, 2002, 9–88. Daim 2003: F. Daim, Vom Umgang mit toten Awaren. Bestattungs­ gebräuche im historischen Kontext. In: J. Jarnut/M. Wemhoff (Hrsg.), Erinnerungskultur im Bestattungsritual. ArchäologischHistorisches Forum, Mittelalterstudien des Instituts zur Interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens 3 (Paderborn 2003), 41–60. Eibner C. 1974: C. Eibner, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von St. Andrä v. d. Hgt., p. B. Tulln, NÖ., ArchA Beiheft 12, 1974. Eibner C. 2000: C. Eibner, Die geistige Sphäre des HaB-zeitlichen Gräberfeldes von St. Andrä v. d. Hgt. in Niederösterreich, ein Beispiel der Mitteldanubischen Urnenfelderkultur. In: B. Gediga/D. Piotrowska (Hrsg.), Die symbolische Kultur des Urnenfelderkreises in der Bronze­ und frühen Eisenzeit Mittel­ europas (Warszawa-Wroclaw-Biskupin 2000), 95–114.

intensiv beschäftigen.

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9.5 Literatur

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257

9. Aufbrüche ins Jenseits

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259

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche Karin Wiltschke-Schrotta, Silvia Renhart Nomen est omen! Der Name Urnenfelderkultur verweist auf den vorherrschenden Bestattungsbrauch in der Spätbronzezeit – die Brandbestattung. Im Gegensatz zu Untersuchungen an Skeletten ist die Analyse von Leichenbränden eine anspruchsvolle und mühevolle Aufgabe für Anthropologen und stellt eine zusätzliche Herausforderung dar.

10.1.1 Bewährte Methoden und neue archäometrische Analysen Aufbauend auf umfassende Überblickswerke beziehungsweise anwendbare Methoden von R. W. Rösing, J. Wahl und B. Hermann hat B. Großkopf in ihrer Dissertation den Weg von der Leiche zum

10.1 Anthropologische Zugänge zur Urnenfelderzeit

Leichenbrand höchst detailliert beschrieben.1 Zudem hinterfragt sie die gängigen Methoden zur Feststellung des Sterbealters sowie der Geschlechtsbestimmung 2 und überprüft zahlreiche neue technische Methoden auf ihre Anwendbarkeit bei Leichenbranduntersuchungen wie z. B. metrische oder chemische Geschlechtsbestimmung, histologische Sterbealtersbestimmung –

Die eigentliche anthropologische Geschlechts- und Sterbealters-

z. B. mit Hilfe einer Cementochronologie anhand verbrannter

bestimmung sowie die Feststellung etwaiger pathologischer Ver-

Zahnwurzelreste. Bemerkenswert ist der Diskurs über archäo-

änderungen anhand des Leichenbrands erfolgen ähnlich wie bei

metrische Analysemethoden wie Spurenelementanalysen an

einem Skelett. Massiv erschwert werden diese Bestimmungen

verbrannten Knochen, Messung der Lumineszenz, Möglichkei-

jedoch durch die Zersplitterung, Verformung und vor allem auch

ten und Grenzen der Radiocarbondatierung, Röntgendiffrakto-

Schrumpfung der verbrannten Knochenreste. Durch die Hitzeein-

metrie und a-DNA-Analysen am Leichenbrand. Insgesamt kommt

wirkung einer gut durchgeführten, gekonnten Leichenverbren-

sie zum Schluss, dass die meisten Methoden nicht bzw. nur sehr

nung werden die Knochen so stark zersplittert, dass sehr gute

eingeschränkt bei Leichenbranduntersuchungen anwendbar

anatomische Detailkenntnisse und viel Zeit erforderlich sind,

sind.

um die Knochenreste identifizieren zu können. Auch sind die Er-

Über die Verfeinerungen der Methodik sowie der Anwendbarkeit

kenntnisse, die man über die Analyse der Einzelindividuen tref-

und vor allem der Interpretation der archäometrischen Analyse-

fen kann (z. B. körperliche Erscheinung, Krankheitsbelastung,

möglichkeiten diskutierte man zuletzt auch 2017 in Wien an-

verwandtschaftliche Beziehungen), aufgrund der Fragmentie-

lässlich der Tagung „New Approaches to Burnt Human Bones

rung und der in vielen Fällen unvollständig vorliegenden Brand-

and Teeth. The bioarchaeology of cremations and tooth cemen-

reste stark eingeschränkt. Damit sind Aussagen zur Demografie

tum annulation“.3 So untersuchte C. Snoeck4 den spezifischen

oder Epidemiologie schwieriger zu treffen bzw. durch den hohen

Einfluss des Alters des bei der Verbrennung verwendeten Holzes

Anteil an unbestimmbaren Resten gar nicht möglich. Vielleicht

auf die Radiocarbondatierungen. Generell gesehen stammen die

ist das mit ein Grund, dass viele der in Niederösterreich archäo-

datierbaren Kohlenstoffe vom Holz des Scheiterhaufens und ver-

logisch untersuchten urnenfelderzeitlichen Nekropolen anthro-

zerren die Datierungen der Knochen, die dadurch als älter ange-

pologisch noch nicht erfasst wurden.

260

1

Siehe dazu Rösing 1977; Wahl 1982; Hermann 1988; Hermann/Gruppe/Hummel et al. 1989; Großkopf 2004.

2

Ferembach/Schwidetzky/Stloukal 1979; Szilvàssy 1988.

3

International conference Vienna 15–17 November 2017/OREA, Austrian Academy of Sciences. https://www.orea.oeaw.ac.at/veranstaltungen/event-detail/article/ new­approaches­to­burnt­human­bones­and­teeth, letzter Zugriff: Juni 2020.

4

Snoeck/Brock/Schulting 2014; Snoeck 2017.

10.1 Anthropologische Zugänge zur Urnenfelderzeit

Abb. 10_01. Gräberfeld Kainach, Südsteiermark, Grab 98, Computertomographie einer im Block geborgenen Urne (Grafik: S. Renhart).

tertomografiedaten hinsichtlich Restaurierung, Konservierung, Archäologie und Anthropologie vorgenommen (Abb. 10_01).7 Für die Anthropologie galt es, Datenerkenntnis zu Leichen-

geben werden. Diese Information ist essenziell, da sich z. B. die

branddimension, Sterbealter, Geschlecht und Brenntemperatur

abweichende Datierung der angekohlten Knochen einer älteren

anhand der 3D-CT-Aufnahmen zu gewinnen. Die Ergebnisse

Frau aus Stillfried Grube V601 damit relativieren lässt (siehe Abb.

der CT-Analyse wurden der Analyse nach den herkömmlichen

10_13).5 Die Zahnzement-Annullation bestimmt das Lebensalter

Leichenbranduntersuchungskriterien8 gegenübergestellt.

des Individuums und wird, wenn es die Erhaltung erlaubt, be-

Das Ergebnis war eine relativ gute Übereinstimmung von CT-

reits häufig und erfolgreich angewandt.6

Analyse und makroskopischer Untersuchung hinsichtlich der

Eine schon seit einigen Jahren angewandte Analysemethode sind

Festlegung von Verbrennungsgrad, Leichenbrandfarbe, Fragmen-

die computertomografischen Untersuchungen von im Block ge-

tierungsgröße und Einschätzung der Verbrennungstemperatur

borgenen Urnen bzw. Grabbefunden (siehe Kap. 9, Abb. 09_12).

sowie der Deponierung der Brandknochen in der Urne (z. B. anato-

Im Rahmen des seit 2012 laufenden Pilotprojekts „Computer-

mische Schichtung des Leichenbrands) und sogar der Individual-

tomographie und Archäologie“ wurde erstmals in Österreich eine

diagnose. Eine weitere positive Erkenntnis war, dass das Volu-

konkrete Überprüfung der Auswertbarkeit virtueller 3D-Compu-

men der Leichenbrände höher ist als bisher angenommen: Viele

5

Das 14C-Datum aus einem Knochen der Frau: 1406 BC (94,4 % 1213 BC [POZ 59966, Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung]), ist wesentlich höher und stimmt nicht mit dem archäologischen Fundmaterial über­ ein (Ha B2/B3, ca. 950–800 v. Chr.).

7

Renhart 2015. Die CT-Untersuchungen wurden mit einem Computertomografen „Somatom Definition Flash“ der Firma Siemens durchge­ führt. Die Auswertungen der CT-Daten erfolgte technisch betreut durch die Firma Siemens.

6

Kanz/Rebay-Salisbury 2017; Gocha 2017; Wedel 2017; Mani-Caplazi/ Wittwer-Backofen/Vach et al. 2017; Urban 2017.

8

Brothwell 1981; Ferembach/Schwidetzky/Stloukal 1979; Hansen 1953/54; Knussmann 1988; Rösing 1977; Wahl 1982.

261

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

große Stücke, die messbar sind, zerbrechen beim Entleeren/Abbau der Urnen sowie der Lagerung. Das ist ein Hinweis darauf,

Glossar: Archäometrie – Anthropologie

dass nicht immer ein rituelles Zerbrechen der Knochen vorliegt.

Demografie: Wissenschaft der Erforschung von Bevölkerungs-

Zudem bleiben auch kleinere Stücke/Teile bei einer Mikroaus-

entwicklungen und deren Zusammensetzungen

grabung der Urne erhalten, die ansonsten zerfallen würden. Dar-

Epidemiologie: Wissenschaft der Ursachen, Ausbreitung und Be-

über hinaus liefern CT-Untersuchungen auch wertvolle Hinweise

kämpfung von Massenerkrankungen

auf einen möglichen Bestattungsritus, der mit gegebener Vor-

Cementochronologie: histologische Untersuchungsmethode

sicht fassbar wird: Einfüllhöhe, Bevorzugung eines bestimmten

zur Bewertung von Sterbealter und Bestimmung der Saison des

Urnenteils durch eventuelle Rechts-Links-Händigkeit, Verteilung

Todes anhand des Schichtenaufbaus des Zahnzements

von verbrannten und unverbrannten Beigaben sowie bewusster

Lumineszenz: physikalische Methode, um gespeicherte Ener-

Gestaltung der Einfülloberfläche.

gie-/Lichtmengen in Objekten zu messen. Besonders bekannt ist die Thermolumineszenzmethode, wo es zur Freisetzung von

10.1.2 Neuinterpretationen von Befunden aus Stillfried an der March Auch an den wenigen erhaltenen Skelettresten aus der Urnen-

im Material gespeicherter Energie durch Temperaturerhöhung kommt. Radiocarbondatierung: auch als 14C-Datierung bekannt. Chemische Methode zur meist archäologischen Altersdatierung kohlenstoffhaltiger, abgestorbener Organismen. Der zeitliche Anwendungsbereich liegt zwischen 300 und etwa 60.000 Jahren.

felderzeit werden aktuelle Analysemethoden angewandt. Dazu

Röntgendiffraktiometrie: auch Röntgenbeugung genannt. Phy-

gehören Strontium-Isotopenuntersuchungen, die für die Fra-

sikalisches Verfahren zur Strukturaufklärung und Untersuchung

ge nach der Herkunft der Individuen, ob Ansässige oder Frem-

von Kristallen. Besonders wichtige Methode bei der DNS-

de, zum Einsatz kommen. Sie führen zu Neuinterpretationen von

Strukturanalyse.

Befunden. So hat sich bei den sieben Skeletten aus der Grube

a-DNA-Analysen: molekularbiologisches Verfahren zur Unter-

V1141 von Stillfried an der March gezeigt, dass vier der sieben

suchung von alter DNA (deutsche Abkürzung DNS, das ist die

Individuen außerhalb von Stillfried aufgewachsen sind. Die rest-

genetische Erbinformationen von Lebewesen/Menschen), ge-

lichen drei haben ihre Kindheit im unmittelbaren Umfeld von

wonnen aus altem Knochenmaterial zur Entschlüsselung ver-

Stillfried verbracht. In den letzten Lebensjahren lebten dann alle

schiedener Aspekte von verstorbenen Menschen.

sieben in Stillfried.9 Die Ergebnisse derselben Untersuchungs-

mtDNA-Analysen: Die mitochondriale DNA, mtDNA, findet sich

methode von der zweiten Massenbestattung in Stillfried – Gru-

nicht im Zellkern von Lebewesen/Menschen, sondern in den

be V841 – sind hier gut anzuschließen: Drei der neun untersuch-

Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zellen. Die mtDNA wird

ten Individuen wuchsen nicht an dem Ort auf, wo ihre sterblichen

nur von der Mutter vererbt.

Überreste (im heutigen Ort Stillfried) gefunden wurden. Alle neun

Zahnzement-Annulation: mikroskopische Methode zur Sterbe-

waren allerdings zu ihrem Todeszeitpunkt in Stillfried sesshaft

altersbestimmung menschlicher Knochen aus archäologischen

– wie die Menschengruppe aus V1141. Auch mtDNA-Analysen

Ausgrabungen. Der Zahnzement lagert sich in dünnen Schichten

wurden durchgeführt. Dabei kann die genetische Verwandtschaft

auf der Zahnwurzel ab. Diese lassen sich unter dem Mikroskop

10

über die mütterliche Linie bestimmt werden, was bei den sieben

zählen wie die Jahresringe eines Baums.

Individuen aus V1141 zu einem interessanten und unerwarteten

Computertomographische Untersuchungen: Die Computertomo-

Ergebnis geführt hat: Es zeigte sich nämlich nur an zwei der sie-

graphie (CT) ist ein bildgebendes Verfahren in der Radiologie.

ben Personen eine (mütterliche) Verwandtschaftslinie (zwischen

Mithilfe von Computern ist es möglich, Schnitt-/Schichtbilder

11

der älteren Frau SK 5 und Kind SK 6). Von den DNA-Analysen von

des Körpers/der Objekte anzufertigen, die detaillierte Diagno-

Stillfried, Grube V841, gibt es bislang noch keine schlüssigen

sen erlauben.

Interpretationen, da man Kontaminationen bei Material aus Alt-

Strontium-Isotopenuntersuchungen: biochemische Methode zur

grabungen noch nicht ausschließen kann (vgl. Punkt 10.4 und

Identifikation des Strontium-Isotopengehaltes in alten Zähnen.

Abb. 10_10 und 10_11; dazu Kap. 11, Punkt 11.3.5).

Der jeweilige Gehalt erlaubt Rückschlüsse auf Herkunft, Aufent-

9

Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020.

10 Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020. 11 Parson/Eduardoff/Xavier et al. 2018.

262

halt, Lebenssituation und Ernährungslage des jeweiligen Individuums – vor allem in der Kindheit.

10.2 Der Ablauf der Totenverbrennung im Experiment

10.2 Der Ablauf der Totenverbrennung im Experiment Eine Brandbestattung ist ein komplexer Vorgang. Ähnlich wie bei einer Körperbestattung stehen am Beginn der Brandbestattung die Vorbereitung und wohl auch eine Aufbahrung des toten Körpers. Dafür wurde der Leichnam – wie schriftliche und grafische Quellen für andere Kulturen und Epochen belegen12 – möglicherweise mit duftenden Ölen gesalbt, mit entsprechendem Gewand bekleidet oder in ein Totentuch gewickelt. Parallel dazu erfolgte die Errichtung eines geeigneten Scheiterhaufens. Vor der eigentlichen Verbrennung auf dem Scheiterhaufen wurden meist noch Beigaben (Gefäße mit und ohne Inhalt, Schmuck, Waffen, Werkzeuge etc.) am oder neben dem Leichnam am Scheiterhaufen positioniert. Darauf erfolgte das Entfachen des Feuers, dessen Intensität durch das Nachlegen von Holz, ein eventuelles Umschaufeln der heißen Glut oder auch ein vorzeitiges Ablöschen mit Flüssigkeit, wohl meist Wasser, stark beeinflusst werden konnte. Nach dem Abkühlen der Verbrennungsrückstände wurden die Überreste mehr oder weniger sorgfältig aufgesammelt und zumeist in einem Keramikgefäß – der Urne – deponiert und diese in einer Grabgrube bestattet. Um Rückschlüsse auf die bei archäologischen Ausgrabungen geborgenen Leichenbrandreste treffen zu können, wurden und werden immer wieder verschiedene experimentelle Studien zur Leichenverbrennung mit Tierkadavern durchgeführt (Abb.  10_02).13 Bei diesen Experimenten testet man die physikalischen Einflüsse und Veränderungen unter kontrollierten

Abb. 10_02. Experimentell nachgestellte Leichenverbrennung (Pany-Kucera/Berner/ Binder et al. 2013) (Foto: M. Kucera).

Bedingungen aus. Unter anderem gilt das Forschungsinteresse dem Aufwand, der für die Verbrennung eines Toten notwendig

dig verbrannten, schwarzen Holzresten viel einfacher erkennen

ist, also welche Mengen und Sorten von Holz gebraucht werden

und vereinfachten so wohl auch ihr Einsammeln (Abb.  10_04).

und welche Faktoren eine Verbrennung beschleunigen oder ver-

Die vollständige Verbrennung eines menschlichen Körpers (Abb.

zögern könnten. Aber auch den Fragen nach möglichen Manipu-

10_05) benötigt eine Holzmenge von 2–4 rm.15

lationen am Toten und deren Einfluss auf die Verbrennung wird

Bezüglich der Hitzeentwicklung, die man zum Verbrennen eines

nachgegangen. So konnte man feststellen, dass für das vollstän-

menschlichen Körpers braucht, gelangte man zu der Erkenntnis,

dige Ausglühen der Knochen in unserer Klimazone ein Nach-

dass vor allem zu Beginn des Vorgangs eine hohe externe Hitze-

legen von Holz samt einem Umschaufeln der Glut notwendig ist

einwirkung erforderlich ist – dies, obwohl rein rechnerisch ein

(Abb. 10_03).

Auch die Wirkung des vorzeitigen Ablöschens

menschlicher Körper bei der Verbrennung eine positive Energie-

eines Brands mit Wasser wurde ausgetestet und es zeigte sich,

bilanz aufweist. So besteht ein Individuum von rund 70 kg aus

dass so der Fragmentierungsgrad wesentlich stärker war. Zudem

ca. 11 kg Fett, 12 kg Eiweiß und 1 kg sonstigen brennbaren Sub-

14

ließen sich die weißen Knochenreste in den noch nicht vollstän-

stanzen. Damit kann mehr Energie freigesetzt werden, als zum Verbrennen der nicht brennbaren Substanzen16 notwendig ist.17

12 Becker/Döhle/Hellmund et al. 2005. 13 Becker/Döhle/Hellmund et al. 2005; Shipman/Foster/Schoeninger 1984; Pany-Kucera/Berner/Binder et al. 2013; dazu Fritzl/Konrad/ Grömer et.al. 2019.

15 Becker/Döhle/Hellmund et al. 2005, 130.

14 Z. B. Pany-Kucera/Berner/Binder et al. 2013.

17 Holck 1986, 33.

16 42 kg Wasser und 4 kg andere nicht brennbare Substanzen wie Knochen und Zähne.

263

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

Abb. 10_06. Korrelation Verbrennungstemperatur, Farbe und Festigkeit des Leichen­ brands (modifiziert nach Hermann 1988).

Im Zuge des Verbrennungsvorgangs einer menschlichen Leiche Abb. 10_03. Gluthaufen der abgebrannten Leichenverbrennung (Foto: M. Kucera).

schrumpft zunächst die Haut. Bei einer Temperatur zwischen 50–87 °C kommt es zu einer maximalen Verkürzung der Sehnen, was zu kleinen Bewegungen des Körpers, im Speziellen der Hände und Füße, führen kann. Die Körperflüssigkeiten verdampfen, wobei ein Leichentuch oder Kleidung den Körper isolieren und beim Verbrennen eine schlecht wärmeleitende Kruste bilden können. In forensischen Fällen wurde beobachtet, dass das Feuer den Körper zwar bis auf einen Brandtorso reduziert hat, aber die inneren Organe noch intakt waren. In vielen Fällen konnte man eine sehr große Temperaturdifferenz zwischen der Oberfläche und dem Inneren eines Körpers feststellen.18 Die Versuche führten u. a. auch zur Erkenntnis, dass zur Erreichung eines vollständig ausgeglühten Leichenbrands die Knochen über längere Zeit einer Temperatur von über 800 °C ausgesetzt sein müssen. Knochen besteht aus 30–40 % organischem Material, das sind 90 % Kollagen und 10 % nicht kolla-

Abb. 10_04. Knochenreste bei einer abgelöschten Leichenverbrennung (Foto: M. Kucera).

gene Proteine und Fette. Die restlichen 60–70 % zählen zu den anorganischen Bestandteilen wie Kalziumphosphat und Wasser. Je nach Temperatureinwirkung verändert sich nun der Knochen: er schrumpft, verformt und verfärbt sich und zersplittert. Am Ende dieser physikalischen und auch chemischen Prozesse bleiben Knochenreste aus Kalziumphosphat übrig, die eine geringere Löslichkeit als unverbrannter Knochen aufweisen. Dadurch sind aus Grabkomplexen Leichenbrandreste meist besser erhalten als Knochen, die nicht dem Feuer ausgesetzt waren. Je nach Manipulation vor und nach dem Verbrennungsakt sowie währenddessen bleiben die kalzinierten Knochenreste mit unterschiedlicher Farbe, Größe und anatomischer Verteilung erhalten. Diese Tatsachen werden bei der anthropologischen Untersuchung von menschlichen Leichenbränden genutzt und interpretiert. Anhand der Farbe der Knochenreste kann man auf die ungefähre Verbrennungstemperatur schließen.

Abb. 10_05. Knochenreste bei einer ausgeglühten Leichenverbrennung (Foto: M. Kucera).

264

Braun-schwarzer Knochen ist nur unvollständig verbrannt, bei 18 Dirkmaat 2002; Prokop/Radam 1987.

10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder

kreideartiger Konsistenz wurde eine Verbrennungstemperatur von 800 °C nicht überschritten. Erst bei höherer Temperatur glüht der Knochen aus, zeigt eine altweiße Farbe und weist eine höhere Festigkeit auf (Abb. 10_06).

10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder

Die Menge an verbleibendem Leichenbrand ist naturgemäß sehr variabel. Aus Untersuchungen in Krematorien ist ein durch-

Wie oben angemerkt, wurden bisher nur wenige archäologisch

schnittliches Gewicht bei Frauen von 1500–1700 g und bei Män-

dokumentierte urnenfelderzeitliche Gräberfelder auch anthro-

nern von 1800–2000 g zu erwarten.

19

pologisch systematisch untersucht.

Typisch parabolisch verlaufende Hitzerisse an den Langknochen-

Umfangreiches anthropologisches Datenmaterial aus großteils

schäften können darauf hinweisen, dass der Tote kurz nach sei-

vollständig ergrabenen Gräberfeldern liegt aus Pitten (221 Grä-

nem Ableben verbrannt wurde. Fehlen diese, ist auch die Mög-

ber, 201 Individuen, mittelbronzezeitlich bis beginnende frühe

lichkeit der Verbrennung von „altem, trockenem“ Knochen nicht

Urnenfelderzeit)22, aus den älterurnenfelderzeitlichen Gräber-

auszuschließen.20

feldern Horn, Ziegelei Thalhammer (32 Gräber, 19 Individuen)23

Die vorhandenen anatomischen Regionen und die Gleichmäßig-

und Inzersdorf ob der Traisen (273 Gräber)24 sowie aus dem jung-

keit von Verfärbungen können Rückschlüsse auf die Lage des

urnenfelderzeitlichen Bestattungsplatz Franzhausen-Kokoron

Toten auf dem Scheiterhaufen, vor allem aber hinsichtlich der

(403 Gräber, 339 Individuen)25 vor. Erwähnenswerte Einzelunter-

Sorgsamkeit beim Aufsammeln der Überreste erlauben. Ist ein

suchungen gibt es aus den älterurnenfelderzeitlichen Gräber-

Leichenbrand z. B. sehr klein zersplittert, lässt sich annehmen,

feldern Baierdorf (8 erhaltene Gräber, 5 Individuen)26, Hollabrunn,

dass es zu einer Ablöschung der Glut oder auch zu einer Manipu-

An der Aspersdorferstraße (ca. 20  Gräber, 2  Individuen unter-

lation der Überreste im noch heißen Zustand kam.21

sucht und publiziert)27, Weinstein (1  Grab, 1  Individuum)28, Michelndorf (2  Gräber, 2  Individuen)29 und Sommerein am Leithagebirge (1  Grab, 2  Individuen)30. Aus dem Wiener Stadtgebiet sind anthropologische Untersuchungen von Bestattungen aus 1110 Wien, Mühlsangergasse (5 Gräber, 7 Individuen)31 bekannt. Zahlreiche weitere Leichenbrandreste mit den Datierungsvermerken „späte Bronzezeit“, „Urnenfelderkultur“ oder aus „zeitlich gemischten“ Komplexen sind im Depot der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums verwahrt, vorhanden und stehen für zukünftige Forschungen zur Verfügung (siehe Tabelle 10_01 auf folgender Doppelseite).

22 Teschler-Nicola 1982–85. 23 Wiltschke-Schrotta 1991. 24 Anthropologische Bestimmungen: S. Renhart. 25 Renhart 2016. 26 Lochner 1986, 268 (M. Teschler-Nicola). 27 Lauermann/Hasenhündl 1997 (M. Teschler-Nicola); Stadlmayr/Berner in Vorbereitung. 28 Trnka 1983, 213 (M. Teschler-Nicola). 19 Becker/Döhle/Hellmund et al. 2005, 139.

29 Adametz 2005, 216 (M. Binder).

20 Shipman/Foster/Schoeninger 1984.

30 Winkler 1992; Kaus 1991; Lochner 2012, 43 f.

21 Wahl 1982; Becker/Döhle/Hellmund et. al. 2005.

31 Wanschura 1942 (Kloiber 1942).

265

266 3/09/12154.6.3

an der Aspersdorferstraße

Ziegelei Thalhammer

Akte 255 und 256, 1981–83 Schottergrube Handl

Agnesstr. 6, St. Martin

Hollabrunn

Horn

Inzersdorf

Klosterneu­ burg

Herzogenburg/ Akte 222/86 Angern

3/20/01704.4.5

3/15/19105.2.4

3/15/19127.3.8 3/15/19127.3.9

3/15/19469.6.9

HLAG Detail 11

Fünfkreuzäcker, Rebschule, Parz. 27/1

Furth bei Göttweig

Haselbach

Kokoron

Franzhausen

1984

1986

2004

1984

2003

1938

1959

1990

3/15/19115.1.9

Wimpassing

Franzhausen Mitte, Akte 291, Siedlung UK+HaK, westlich der S33, Schottergrube Kies­ union, Parz. 349, 351, 353, 355, 356

Franzhausen

2005

1987

1905

1984

3/15/19115.2.3

Hafnerbach

Franzhausen II, Akte 290/05

Franzhausen

3/15/19115.2.4?

3/15/19469.6.9

Akte 297, Traunfellner

Franzhausen

3/17/20009.2.3

Feuerwehrhaus, Parz. 618/5

Kogl (Kirchberg)/ Fels/Wagram

Fels am Wagram

Hafnerbach

Flur Gastal, Parz. 655, 656/2

Baierdorf

3/03/05002.12.3

3/08/11123.7.3

Hofer Grenzbachä­ cker

Au am Leitha­ gebirge

BDA-Fundstellen- Grabungsnummer jahr

Großmugl

Flur/nähere Ortsangabe

KG

LB, Tierknochen

273 Gräber, davon LB 248 Individuen

32 Gräber, davon LB 19 Individuen

19 Gräber, 2 LB publiziert, andere i.V.

LB

LB

LB

LB

LB, Tierknochen

LB, Tierknochen

403 Gräber, davon LB 339 Individuen

LB

LB

LB

LB

8 Gräber, LB 5 Individuen

LB Grab 23, 24

Skelett/ Leichenbrand

J.-W. Neugebauer/ BDA

J.-W. Neugebauer/ BDA

J.-W. Neugebauer/ BDA

Ch. Blesl/BDA

J.-W. Neugebauer/ BDA

Ch. Blesl/BDA

J. Benninger

ASINOE

J.-W. Neugebauer/ BDA

J.-W. Neugebauer/ BDA

J.-W. Neugebauer/ BDA

Ch. Blesl/BDA

J. Szombathy/ NHM-Wien

G. Melzer/BDA

Ausgräber

Urnenfelder­ kultur

ältere Urnen­ felderkultur

ältere Urnen­ felderkultur

ältere Urnen­ felderkultur

Urnenfelder­ kultur

Urnenfelder­ kultur, Latène­ kultur (289)

Urnenfelder­ kultur?

Urnenfelder­ kultur

späte Bronze­ zeit

jüngere Urnen­ felderkultur

jüngere Urnen­ felderkultur

Urnenfelder­ kultur

Urnenfelder­ kultur

Urnenfelder­ kultur

späte Bronze­ zeit

ältere Urnen­ felderkultur

Urnenfelder­ kultur

Zeitstellung

?

Lochner 2012, 15-18. Lochner 2015.

Lochner 1991

Lauermann/ Hasenhündl 1997

?

Blesl/Preinfalk 2005

Neugebauer, 1984

Preinfalk 2003

Angeli 1959

Pieler/Hellerschmid 2004

Lochner/Hellerschmid 2016

?

Blesl/Gattringer 2005

?

?

Lochner 1986

Melzer 1984

Literatur/ Archäologie

?

Renhart et al. in Vorbereitung

Wiltschke-Schrotta (Lochner 1991)

Teschler-Nicola (Lauermann/ Hasenhündl 1997); Stadlmayer/ Berner in Vorbereitung

?

?

?

?

?

?

Renhart 2016

?

?

?

?

Teschler-Nicola (Lochner 1986)

?

Literatur/ Anthropologie

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

Atzenbruck/Tulln NÖ/Haidfeld

Schotterabbau Hummer, Parz. 1174/2

Wetzleinsdorf

Zwentendorf

Zwentendorf 3/17/20201

3/17/20201.1.7

3/08/11021.2.6

2006/ 2007

1921

1973

1944

LB, Schädel- und Skelettreste

LB

LB

1 Grab, LB 1 Individuum

LB

Ch. Blesl/BDA

H. LadenbauerOrel/BDA

Ch. Blesl/BDA

J. Dungel

Ch. Blesl/BDA

ASINOE

G. Melzer/BDA

Hautmann/ Mühlhofer

Ausgräber

Angeli 1960

Nebehay 1979

Wanschura 1942

Trnka 1983

Ladenbauer-Orel/ Seewald 1952

Adametz 2011

u. a. Hellerschmid 2006

Kaus 1991, Lochner 2012

Hampl/Kerchler/ Benkovsky-Pivovarová 1978–81, 1982–85; Benkovsky-Pivovarová 1991

Angeli 1960

?

Ebner 2006

Adametz 2005

Melzer 1982, 1983

Fischer/Mühlhofer 1934

Literatur/ Archäologie

Urnenfelder­ Blesl 2005 kultur, späte Frühbronzezeit, Věteřov-Kultur

späte Bronze­ zeit (BzD)

Urnenfelder­ kultur

ältere Urnen­ felderkultur

BzD–HaA

Urnenfelder­ kultur

Urnenfelder­ kultur

ältere Urnen­ felderkultur

Urnenfelder­ kultur/MBZ

späte Bronze­ zeit

Urnenfelder­ kultur

Bronzezeit C2–D

ältere Urnen­ felderkultur

Urnenfelder­ kultur

Urnenfelder­ kultur

Zeitstellung

Tabelle 10_01. Leichenbrand mit den Datierungsvermerken „späte Bronzezeit“, „Urnenfelderkultur“ sowie aus „zeitlich gemischten“ Komplexen, verwahrt im Depot der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums (Stand 2018, Zusammengestellt von K. Wiltschke-Schrotta)

Mühlsangergasse

Ziegelei Vogl

Wien 1110

Weinstein

3/13/16126.1.6

Eisgrubfeld?

Vösendorf

Schädel- und Skelettreste

Flur Pfaffing, Akte 330/1997, Parz. 334, 335

Unterradlberg 1997

23 Skelette, 7 LB

Siehe Tabelle 2 in diesem Buch

Stillfried

3/22/19555.1.30

1 Grab, LB 2 Individuen

Sommerein am Leithagebirge

LB 221 (201 Individuen LB, großteils MBZ)

1884

Pitten

Lfd. Nr. 12147.6

LB

Paudorf bei Göttweig

1988/89

Paudorf

3/15/19148.6.6

Akte 301/89, Firma Willach, Flur Langwiesfeld

Ossarn

1998/99

LB

3/07/10040.3.2

LB

Ortsumfahrung, Flur In der Au-Süd

1979

LB

Mörtersdorf

3/03/05012.2.7

1933

Skelett/ Leichenbrand

2 Gräber, LB 2 Individuen

Reinthal-Süd

Mannersdorf a. d. Leitha

3/02/04018.2.2 (BzD UK) oder 2.3 (HaC)

BDA-Fundstellen- Grabungsnummer jahr

Michelndorf

Schottergrube Fischer, Parz. 825, Flur Pölla Krautgär­ ten

Flur/nähere Ortsangabe

Leobersdorf, p.B. Baden

KG

?

Ehgartner 1960

?

Kloiber 1942

Teschler-Nicola (Trnka 1983)

?

Wiltschke-Schrotta 2011

Breitinger 1976,1980,1996; Szilvàssy et al. 1988; Wiltschke-Schrotta 2006, i.V.

Winkler 1992

Teschler-Nicola 1982–85

Ehgartner 1960

?

Novotny/Spannagl (Ebner 2006)

Binder (Adametz 2005)

?

?

Literatur/ Anthropologie

10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder

267

268 7 1 1 1

Stillfried V1133

Stillfried V601

Stillfried V445

6

Stillfried V1141

Stillfried V1141

5

Stillfried V1141

2

Stillfried V1141 3

1

Stillfried V1141

4

15

Stillfried V841

Stillfried V1141

14

Stillfried V841

Stillfried V1141

12 13

Stillfried V841

11

Stillfried V841

Stillfried V841

9 10

Stillfried V841

Stillfried V841

8

Stillfried V841

Stillfried V841

6 7

Stillfried V841

5a 5b

Stillfried V841

Stillfried V841

4

Stillfried V841

Stillfried V841

2 3

Stillfried V841

1 (sog. Fischer)

Individuum

Stillfried V841

Fundort

1981

1969

1976

1976

1976

1976

1976

1976

1976

1986

1986

1986

1986

1986

1986

1986

1986

1986

1986

1986

1986

1986

1986

1985/1986

1985/1986

-

-

-

Mann

Frau

Frau?

(Mann)

Frau

Frau

Frau

Mann?

Mann

Frau

(Frau)

(Frau)

(Mann)

Frau

(Mann)

Frau

(Mann)

-

-

-

-

-

Mann

Grabungs­ Geschlecht jahr

matur

matur

Infans II

Infans II

Infans II

matur

Infans II

matur

Infans I

adult

Infans I

adult

matur

Infans II

Infans II

Infans I

Infans II

Juvenis

Juvenis

adult

Infans II

adult

Juvenis

adult

Infans II

matur

Altersgruppe

40–60 J.

40–60 J.

12–13 J.

9 J.

6 J.

45 J.

8 J.

40 J.

3 J.

30 J.

3–4 J.

20–25 J.

30–40 J.

7–10 J.

8–10 J.

3–4 J.

11–13 J.

15–18 J.

15–19 J.

25–30 J.

10–12 J.

20–25 J.

13–15 J.

25–35 J.

8–9 J.

40–60 J.

Sterbealter

-

(156 cm)

157 cm

168 cm

173 cm

154 cm

168 cm

-

154 cm

(154 cm)

(165 cm)

Körperhöhe*

Tierverbiss

Tierverbiss, Hiebspuren

Tierverbiss

Tierverbiss

Hitzespuren

Anmerkungen

Schädel

fragmentiert

Schädel

vollständig

vollständig

vollständig

vollständig

vollständig

vollständig

fast vollständig

unvollständig

vollständig

vollständig

vollständig

fast vollständig

fast vollständig

fast vollständig

fast vollständig

Brandspuren, Hiebverletzungen

Hiebverletzungen

Mikrocephalus

Schädel fragmentiert, Tierverbiss Pk vollständig

unvollständig

unvollständig

unvollständig

tlw. fragmentiert

stark fragmentiert

tlw. fragmentiert

stark fragmentiert

Vollständigkeit

Heinrich (Eibner 1980)

Breitinger 1996

Breitinger 1976

Breitinger 1980

Breitinger 1980

Breitinger 1980

Breitinger 1980

Breitinger 1980

Breitinger 1980

Breitinger 1980

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Wiltschke-Schrotta 2006

Literatur

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

16032 16033 1 2 3 1 1

Stillfried V5000

Stillfried V5000

Thunau S161/167 Sig. 3

Thunau S161/167 Sig. 3

Thunau S161/167 Sig. 3

Mannersdorf am Leithagebirge

Unterradlberg

1996

1987

1988

1988

1986

1986

1986

1986

-

-

Mann

Frau?

Unbest.

Frau

Mann

Mann?

Grabungs­ Geschlecht jahr

matur-senil

spätadult/früh­ matur

Infans II

matur

matur

Juvenis

matur

Infans II

Altersgruppe

-

-

50–70 J.

35–45 J.

8–9 J.

40–60 J.

40-60 j. (153 cm)

Körperhöhe*

167 cm

160 cm

-

15 J. +/- 36 Mon.

40–60 J.

9–10 J.

Sterbealter

Kondylen­ manipulation

Kondylen­ manipulation

Kondylen­ manipulation

Anmerkungen

Brandspuren an den Phalangen

schwache Hitzeeinwirkung

Tierverbiss

Tierverbiss

vollständiges Skelett -

Schädel, große Teile des pk-Skelettes

Schädel, pk Fragmente

Schädel, pk Fragmente

Fragmente

Schädel ohne Unterkiefer

Schädel ohne Unterkiefer

Schädel

Vollständigkeit

Tabelle 10_02. Erhaltene, unverbrannte Skelette der Urnenfelderkultur aus Niederösterreich (pk = postkranial = Körperskelett) siehe Kap. 10.4.

* Körperhöhenberechnung nach Sjøvold 1990, Breitinger 1937, Bach 1965.

16029

Individuum

Stillfried V5000

Fundort

Wiltschke-Schrotta 2011

Winkler/Großschmidt 1987

Lochner/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung

Lochner/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung

Lochner/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung

Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung

Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung

Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung

Literatur

10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder

269

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

10.3.1 Zur anthropologischen Auswertung des Gräberfeldes Franzhausen-Kokoron

Sterbealtersverteilung 100 90 80 70

Franzhausen-Kokoron ist das größte anthropologisch bearbeitete Gräberfeld der Urnenfelderkultur in Niederösterreich (siehe Kap. 9, Pkt. 9.3.3). Aus den insgesamt 403 Gräbern des Brandgräberfelds konnten 339 Individuen anthropologisch identifiziert werden.

32

Die Gräber setzen sich aus 291 Einzel- und

60 50 40 30 20 10 0

24 Doppelgräbern sowie 38 Befunden mit „völlig unbestimm-

147 (43,4 %) Frauen, 90 (26,5 %) Subadulte und 13 (2,9 %) 19-

den weiblichen – entfallen. Rückschlüsse u. a. anhand des Verbrennungsgrads zeigen, dass bei den subadulten und weiblichen Toten etwas höhere Verbrennungstemperaturen zustande kamen als bei den männlichen Verstorbenen. Die vorherrschende Kombination bei den 24 Doppelbestattungen ist Frau-Subadult (41,7 %) gefolgt von Mann-Frau (33,3 %), Mann-Subadult (20,8 %) und Frau-?, 19–60 (4,2 %).

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Aus Abb. 10_07 ist klar ersichtlich, dass der Sterblichkeitsgipfel der Kinder in der Sterbealtersklasse Infans  I – gleichwertig gefolgt von Infans  II und Juvenil – lag. Aus den vorliegenden Daten ist somit errechenbar, dass ein Kind bei seiner Geburt die

gungen sowie Infektionskrankheiten könnten wohl primär für die Kindersterblichkeit verantwortlich sein. Bei den Erwachsenen

Gesamt

7–12 13–15 13–18 19–30 25–35 31–40 35–45 41–50 45–55 51–70

Männer

Frauen

Gesamt

35

25

Frauen 87,4 % zwischen dem 19. und 40. Lebensjahr.

20

Bemerkenswert ist, dass bei beiden Geschlechtern innerhalb

15

der Altersklasse Adult nicht im ersten Drittel vermehrt gestorben

10

wurde, sondern in der Mitte und eher zum Ende der Altersklasse

5

hin – also um die 30 bzw. zwischen 31 und 40 Lebensjahren.

0

keit zu Beginn und am Ende der Sterbealtersklasse eher gering.

19–60

40

zu finden. Bei den Männern verstarben 60,1  % und bei den

Adult zum Ausdruck. Im Vergleich dazu ist die Sterbehäufig-

Senil

Durchschnittliche Lebenserwartung (ex)

30

hohen weiblichen Sterblichkeitsanteil in der Sterbealtersklasse

Frauen

Matur

Abb. 10_08. Franzhausen-Kokoron, Sterbefrequenz (dx) (Renhart 2016, Diagramm 14).

ist die höchste Sterbefrequenz in der Sterbealtersklasse Adult

Besonders augenscheinlich kommt dies in Abb. 10_08 durch den

0–6

Subadulte

Chance hatte, durchschnittlich 8,7 Jahre alt zu werden. Hohe Geburtensterblichkeit, schlechte Lebens- und Ernährungsbedin-

Männer

Adult

Sterbefrequenz (dx)

kleinteilige Knochenzusammensetzung – meist aller Regionen – brandgewichte – im Durchschnitt fast doppelt so hoch wie bei

Juv.

Abb. 10_07. Franzhausen-Kokoron, Sterbealtersverteilung (Renhart 2016, Diagramm 13).

bis 60-Jährige. Der Erhaltung nach herrscht eine überwiegend vor, wobei auf die männlichen Individuen die höchsten Leichen-

Inf. II

Subadulte

baren“ bis „keinen“ menschlichen Resten zusammen. Die Individualdatenanalyse ergab u. a. 89 (26,2 %) Männer,

Inf. I

Subadulte

Männer

Frauen

Gesamt

Abb. 10._09. Franzhausen-Kokoron, Durchschnittliche Lebenserwartung (ex) (Renhart 2016, Diagramm 15).

Der Kurvenverlauf der Männer ist im Vergleich dazu relativ einheitlich. Die Erwachsenen, die die Sterbealtersklasse Matur er-

reichten, verstarben zwischen Beginn und Mitte dieser Klasse. Bei beiden Geschlechtern erreichte nur jeweils ein Individuum

32 Renhart 2016.

270

knapp das 60. Lebensjahr.

10.4 Skelette statt verbrannter Knochen

Diese Ergebnisse drücken sich auch in der berechneten durch-

menschlichen Skelettreste aus den ehemaligen Speichergruben

schnittlichen Lebenserwartung aus (Abb. 10_09). Die höchste

des Siedlungsareals Hügelfeld stehen bereits seit Auffindung

Sterbefrequenz liegt bei beiden Geschlechtern in der Sterbe-

der ersten Massenbestattung (V1141) im Jahr 1976 im Fokus

altersklasse Adult. Die mittelrobust bis robust gebauten Männer

der Forschung.33 Die aufgefundenen Skelette waren zumeist

wurden im Durchschnitt 37,3 Jahre und die eher grazilen Frauen

mit Brand- oder Ascheschichten abgedeckt, was vermutlich auch

31,4 Jahre alt. So beträgt die Differenz zwischen den Geschlech-

ihren hervorragenden Erhaltungszustand bedingte.34

tern beinahe sechs Jahre – zugunsten der Männer. Die Ursachen

Die bekannteste Grube ist die mit der Bezeichnung V1141 (Abb.

sind hier bei Frauen wohl nicht in der gern postulierten hohen

10_10/1 und 2) (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.5 Sonderbestattun-

Kindbettsterblichkeit zu suchen, sondern eventuell eher auf eine

gen und Abb. 11_19). In ihr fand man sieben Individuen – einen

allgemeine Schwächung des Organismus aufgrund der fordern-

Mann, zwei Frauen und vier Kinder.35 Die Skelette lagen über-

den Lebensumstände zurückzuführen; auch Infektionskrankhei-

und nebeneinander und waren in die Grube gelegt bzw. gewor-

ten kommen in Frage.

fen worden.36

Das Leben dieser Menschen war von zahlreichen alters- und ab-

Eine weitere Grube (V841) mit den Resten von mindestens

nützungsbedingten Erkrankungen sowie chronischen Infektio-

23  Individuen wurde 1985/1986 aufgedeckt (Abb. 10_11) (sie-

nen und etlichen Hungerperioden geprägt. Dadurch kam es zur

he Kap. 11, Pkt. 11.3.5 Sonderbestattungen und Abb. 11_20,

Schwächung der Abwehrkräfte; grassierenden Keimen konnte

11_21).37 Von sieben Toten waren nur angekohlte und nicht voll-

wenig Widerstand geboten werden. Eine einfache Grippe oder

ständig verbrannte, isolierte Skelettfragmente erhalten. Von

eine heute sogenannte Kinderkrankheit hatten fatale Auswir-

16 Individuen konnten mehr oder weniger vollständige Skelette

kungen – auch auf die Erwachsenen. Dies scheint bei den Dop-

geborgen werden. Dabei handelt es sich um die Überreste von

pelbestattungen von Franzhausen „Erwachsene/Subadulte“ zu-

zwei erwachsenen Männern, vier erwachsenen Frauen, je einem

zutreffen. Besonders bei den sechs adulten Frauen, die mit 0- bis

weiblichen und einem männlichen Jugendlichen, einem Jugend-

6-jährigen Kindern bestattet wurden, ist eine Ansteckung mit

lichen, dessen Geschlecht unbestimmbar ist, und sieben Kin-

Todesfolge denkbar.

dern. Auch hier deponierte man die Körper in mehreren Lagen

Die schweren Gelenkserkrankungen treten bei über 50-jährigen

übereinander. Einige davon wurden in die Grube gelegt, bei an-

Menschen beiderlei Geschlechts auf. Damit zeigt sich, dass es

deren entsteht wiederum der Eindruck, dass sie wenig sorgsam

sich sowohl um eine durch hohe Belastungen hervorgerufene Er-

„entsorgt“ wurden. Interessant sind die an den gut erhaltenen

krankung handelt als auch eine durch ein höheres Sterbealter

Knochen sichtbaren pathologischen Veränderungen, wie z. B.

verstärkte und im Alltag starke Schmerzen verursachende.

Entzündungen an den Langknochenschäften. Auffallend sind Tierverbissspuren, die an einigen Skelettelementen von fünf

10.4 Skelette statt verbrannter Knochen In dieser Zeitperiode gibt es aufgrund der vorherrschenden

Individuen zu beobachten sind. Dies lässt auf ein längeres, offenes Liegen der Toten im Freien – noch vor der Deponierung in der Grube – schließen. Bei Individuum 5b sind auch Spuren perimortaler 38 Gewalteinwirkung zu sehen. Bei allen anderen Individuen sind keine Hinweise auf die Todesursache zu erkennen.

Bestattungssitte sehr wenige Skelettfunde, die daher für die Anthropologie besonders interessant sind (Tabelle  10_02). Soweit dokumentiert, stammt der Großteil dieser Funde aus ehemaligen Speichergruben im unmittelbaren Bereich einer Siedlung. Ob es sich bei den genannten Gruben mit menschlichen Skeletten um eine Art Zwischendeponierung vor der eigentlichen Leichenverbrennung, eine abweichende Bestattung der Toten aufgrund der gesellschaftlichen Stellung der Individuen, Seuchengruben oder Gruben für Opferrituale handelt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich zu interpretieren (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.5 Sonderbestattungen). Der überwiegende Teil nicht verbrannter menschlicher Überreste der Urnenfelderkultur stammt, wie aus Tabelle  10_02 ersichtlich, aus der Höhensiedlung Stillfried an der March. Die

33 Felgenhauer 1974; Eibner C. 1980; Breitinger 1980; Szilvássy/ Kritscher/Hauser 1988; Hellerschmid 2006; Hellerschmid 2015; Griebl/Hellerschmid 2013; Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020. 34 Mit der Bedeutung dieser Niederlegungen der Toten in aufgelassenen, urnenfelderzeitlichen Gruben in Stillfried an der March befasste sich das Forschungsprojekt „Menschen- und Tierdepositionen – Kult in Stillfried?“ Projektleitung I. Hellerschmid/OREA (FWF P 22755). Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung. 35 Die Rekonstruktion dieses Befunds mit den originalen Skeletten ist im Museum in Stillfried an der March ausgestellt. 36 Breitinger 1980; Felgenhauer/Szilvássy/Kritscher et al. 1988; Hellerschmid 2015; Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020. 37 Griebl/Hellerschmid 2013; Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung. 38 Perimortal = unmittelbar vor oder nach dem Tod.

271

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

 Abb. 10_10/1. Stillfried an der March, grafische Darstellung der sieben Skelette in Grube V1141 (nach Hellerschmid 2015, Abb. 14).

 Abb. 10_10/2. Stillfried an der March, Grube V1141, Befundsituation während der Ausgrabung 1976 (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

272

10.4 Skelette statt verbrannter Knochen

Der Fund eines isolierten Schädels eines 12- bis 13-jährigen Kindes aus der Grube V1133 von Stillfried an der March weist vier rundliche bis ovale Lochfrakturmuster an der rechten Schädelseite auf, die als Todesursache interpretiert werden (Abb. 10_12).39 Ein weiterer einzelner Schädel aus Grube V445 ist derzeit leider verschollen und entzieht sich so der anthropologischen Analyse. Das vollständige Skelett einer älteren Frau aus der Grube V601 weist teilweise angekohlte oder verbrannte Knochen sowie perimortale Hiebspuren am Schädel auf (Abb. 10_13).40 Auch in diesem Fall sind die Skelettreste derzeit nicht auffindbar.

39 Breitinger 1976. 40 Breitinger 1996. Abb. 10_11. Stillfried an der March, Grube V841 mit den Resten von mindestens 23 In­ dividuen, Befundsituation während der Ausgrabung 1986 (Foto: Grabungs­ dokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Abb. 10_12. Stillfried an der March, einzelner Schädelfund aus Grube V1133 mit Spuren perimortaler Hiebverletzungen (Foto: W. Reichmann, Anthropologische Abteilung NHM Wien).

Abb. 10_13. Stillfried an der March, teilverbranntes Skelett einer älteren Frau mit Hieb­ verletzungen am Kopf aus Grube V601 (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

273

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

Dagegen wurden die drei isolierten Schädel aus einer Grube am Wagneracker (V5000) neu untersucht und zeigen allesamt Manipulationsspuren an den Hinterhauptskondylen (Abb. 10_14/1 und 2).41 Diese an prähistorischen Skeletten sehr selten beschriebenen Abrissfrakturen kamen vermutlich durch Ausriss der Gelenkskapsel und der dort ansetzenden Bänder zustande. Der Schädel war zum Zeitpunkt dieser Manipulation demnach noch im Sehnenverband mit der Wirbelsäule, das Geschehen kann vom Todeszeitpunkt an bis mehrere Monate nach dem Tod erfolgt sein. Im zentralen Bereich der Höhensiedlung Thunau am Kamp wurde eine vorhandene, wenig in den Fels eingetiefte Grube (Dm. 3 m) – vermutlich eine ehemalige Arbeits- oder Speichergrube – dazu verwendet, um die skelettierten Reste einer älteren Frau, eines älteren Mannes und eines 8- bis 9-jährigen Kindes, mit Beigaben ausgestattet, zu bestatten (Abb. 10_15/1 und 2).42 Einzelne Kriterien legen den Schluss nahe, dass dies im Fall von Thunau am Kamp im Rahmen eines vermutlich vielschichtigen Totenkults abgelaufen ist und es sich möglicherweise um eine Art Ahnenkult gehandelt hat. Auf jeden Fall liegt hier ein spezielles BeAbb. 10_14/1. Stillfried an der March, Grube V5000. Die ehemalige Getreidespeichergrube wurde abschließend als Niederlegungsort für drei menschliche Schädel genutzt. (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

gräbnis – eine ungewöhnliche Niederlegung von Toten, abweichend vom gängigen Bandbestattungsritus – vor. Aus dem südlichen Niederösterreich, aus Mannersdorf am Leithagebirge, wurde 1986 ebenfalls ein einzelner Befund mit unverbrannten, dislozierten menschlichen Skelettresten dokumentiert. Die Knochen stammten vermutlich nur von einem Individuum, einer 35- bis 45-jährigen Frau. Sie wiesen neben degenerativen Knochenveränderungen auch Entzündungszeichen im Schädelbereich, im Kiefer und an den Langknochen auf. Diese Veränderungen am Skelett könnten auf eine länger andauernde Mangelsituation, die am Skelett eine Hungerosteopathie hinterließ, zurückzuführen sein.43 Hier anzuschließen ist noch eine Bestattung aus der Siedlung von Unterradlberg. In einer Grube befand sich das Skelett eines 50- bis 70-jährigen Mannes in starker Hockerstellung. Das Skelett war annähernd vollständig und ungestört erhalten, Beigaben wurden nicht gefunden (Abb. 10_16).44

Abb. 10_14/2. Stillfried an der March, Grube V5000, Manipulationsspuren an den Hinterhauptskondylen (Foto: Anthropologische Abteilung NHM Wien).

41 Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung. 42 Lochner/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung; dazu auch Lochner 2018, 33 und Abb. 12. 43 Winkler/Großschmidt 1987; Schutzbier/Hahnel 1987. 44 Wiltschke-Schrotta 2011, dazu Adametz 28 f., und 35, Verfärbung Nr. 865, Abb. 23; Adametz 2011.

274

10.4 Skelette statt verbrannter Knochen

Abb. 10_15/1. Thunau am Kamp, Schnitt 161/167, intentionell in einer ehemaligen Siedlungsgrube niedergelegte Skelettreste mit Gefäßbeigaben; gelb = Frau, grün = Mann, blau = Kind, rot = Keramik (Grafik: M. Lochner).

Abb. 10_15/2. Thunau am Kamp, Schnitt 161/167, Befundsituation während der Ausgrabung (Foto: IUHA).

275

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

10.5 Krankheiten und Mangelerscheinungen Leichenbranduntersuchungen erlauben nur einen kleinen Einblick in das Krankheitsgeschehen sowie das Krankheitsspektrum und vor allem die Krankheitsbelastung einer Bevölkerung. Entzündungszeichen an Schädel- und Langknochenfragmenten können zwar beobachtet, aber mangels systematischer Erfassung nicht berechnet werden. Dasselbe gilt für Erkrankungen des Zahn- und Kieferapparats; es sind bestenfalls nur die Reste von Zahnwurzeln erhalten, da der Zahnschmelz durch die Hitze abgeplatzt ist. Einzig die in einer größeren Anzahl erhaltenen Skelettreste aus den ehemaligen Speichergruben aus Stillfried an der March geben einen kleinen Einblick.45 Neben degenerativen Veränderungen, vor allem bei den älteren Individuen, waren auch Kariesbefall bei 10 von 14 untersuchbaren Skeletten vorhanden. Durch Mangelsituationen in der Kindheit hervorgerufene Schmelzhypoplasien (Unterentwicklung des Zahnschmelzes; gruben- oder ringförmige Abb. 10_16. Siedlung Unterradlberg, Objekt 865: In einer Grube fand sich das vollständige Skelett eines älteren Mannes in gehockter Haltung (Foto: Ch. Blesl, J.-W. Neugebauer, BDA).

Kerben im Zahnschmelz) sind zu beobachten, meist jedoch nicht sehr markant ausgeformt. Durch den überwiegend recht guten Erhaltungszustand der Knochen ließen sich kleinste Veränderungen an der Knochenoberfläche beurteilen. Cribra orbitalia (Porositäten im Dach der Augenhöhle, vmtl. durch Anämie) sind bei acht der elf untersuchbaren Individuen zu sehen. Eine porotische Hyperostose (ein durch eine Erkrankung schwammartig porös verdicktes Schädeldach) ist bei zwei Individuen aus Grube V841 zu beobachten. Auffallend sind die häufigen und starken Entzündungszeichen an der Schädeldachinnenseite. Bei fast allen untersuchten Individuen zeigen sich verkalkte Auflagerungen in den unterschiedlichsten Regionen der Lamina interna (Schädelinnenfläche), was auf Gehirnhautentzündungen oder Entzündungen der venösen Blutleiter rückschließen lässt. Ebenfalls bei fast allen Individuen sind streifenförmige Rauigkeiten, vor allem an den Schienbeinen, festzustellen. Dies deutet auf Entzündungsgeschehen an der Knochenhaut hin. Zwei Kinder aus der Grube V841 weisen die klassische Ausprägung einer Möller-Barlow-Erkrankung – einer Vitaminmangelerkrankung – auf. An verheilten Verletzungsspuren sind nur wenige, kleinräumige Traumata wie z. B. Rippenfraktur, Unterarmfraktur, Wadenbeinfraktur, Sprungbeinabsplitterungen und Fingerfrakturen vorhanden. Interessant sind zwei Knochennarben, die bei beiden Frauen aus der Grube V1141 (Ind.-Nr.  5 an der linken Stirnhälfte und Ind.45 Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung.

276

10.6 Zusammenfassung

Nr. 3 am linken Scheitelbein) zu beobachten sind. Beide Narben beschränken sich auf die Lamina externa, die Schädelinnenflächen sind intakt. Emil Breitinger erklärt die Narbenbildung

10.6 Zusammenfassung

plausibel, indem er sie auf eine sogenannte symbolische Trepanation zurückführt – also auf einen chirurgischen Eingriff, der

Die anthropologische Untersuchung urnenfelderzeitlicher Be-

das Schädeldach jedoch nicht vollständig durchstößt.46

stattungen wird durch den fast durchgehend einheitlichen

E. Breitinger hat auch die perimortalen Hiebverletzungen des

Brauch der Brandbestattung erschwert. Diese mehrphasige Be-

Mädchenschädels aus Grube V1133 ausführlich vorgestellt.

47

stattungsweise verändert die menschlichen Überreste physika-

Laut seiner Analyse handelt es sich bei den vier rundlichen bis

lisch sehr stark, sodass trotz aufwendiger anthropologischer

ovalen Öffnungen an der rechten Seite des Schädeldachs um

Analysen manchmal nur vage Aussagen möglich sind. Dennoch

charakteristische Lochfrakturen, die durch Einwirkung stumpfer

lassen Leichenbrandreste anthropologische Rückschlüsse zu,

Gewalt entstanden sind. Ein weiteres perimortales Schädel-

liefern Hinweise auf die Technik des Verbrennungsvorgangs so-

trauma ließ sich auch bei Individuum 5b aus V841 beobachten.

wie die damit verbundenen Rituale.

Zusammenfassend kann zumindest für die Menschen aus Still-

In seltenen Fällen kam es nicht zur Verbrennung der Toten, wie

fried, deren Skelette erhalten sind, folgende Lebenssituation an-

Beispiele aus Stillfried an der March, Thunau am Kamp, Man-

genommen werden:

nersdorf am Leithagebirge und Unterradlberg belegen. Diese

Zum Zeitpunkt ihres Todes litten die meisten Individuen an

Skelette verschaffen Erkenntnisse zur urnenfelderzeitlichen Be-

Entzündungen. Die Kindheit der Erwachsenen war jedoch nicht

völkerung und geben Anhaltspunkte zur Krankheitsbelastung

sonderlich von extremen Mangelerscheinungen oder körper-

und Mangelerscheinungen.

licher Gewalt geprägt. Die beobachtbaren Frakturmuster sind zum größten Teil als Alltagsverletzungen zu interpretieren. Auch dürften mögliche aktive Heilverfahren, wie zum Beispiel die Knochennarben andeuten, auf ein „medizinisches Können/ Wissen“ in dieser Bevölkerung schließen lassen. Erst einige Zeit vor dem Tod der Individuen dürfte es zu massivem Nahrungsmangel und vermutlich zu einer intensiven Krankheitsbelastung der gesamten Gruppe gekommen sein. Todbringende Gewaltanwendungen waren nur bei zwei subadulten Individuen und der teilverbrannten älteren Frau aus Grube V601 nachzuweisen.

46 Breitinger 1980. 47 Breitinger 1976.

277

10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

10.7 Literatur Adametz 2005: K. Adametz, Zwei Brandgräber der älteren Phase der Urnenfelderkultur aus Michelndorf, Niederösterreich, FÖ 44, 2005, 211–222. Adametz 2009: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2009). Adametz 2011: K. Adametz, Eine Siedlung der Urnenfelderkultur in Unterradlberg, Niederösterreich, FÖ 50, 2011, 67–92. Angeli 1959: W. Angeli, Zwei urnenfelderzeitliche Brandgräber von Großmugl, MAG 87/89 (Wien 1959), 127–128.

Dirkmaat 2002: D. C. Dirkmaat, Recovery and Interpretation of the Fatal Fire Victim: The Role of Forensic Anthropology. In: W. D. Haglund, M. H. Sorg (Hrsg.), Advances in Forensic Taphonomy. Method, Theory and Archaeological Perspectives, 2002, 451–472. Ebner 2006: D. Ebner, Mittelbronzezeitliche Grabhügel in Mörtersdorf, Niederösterreich, FÖ 45, 2006, 211–232. Ehgartner 1960: W. Ehgartner, Zwei urnenfelderzeitliche Leichenbrände von Paudorf und Zwentendorf in Niederösterreich, MAG 90 (Wien 1960), 118–119.

Angeli 1960: W. Angeli, Grabfunde der älteren Urnenfelderzeit aus Niederösterreich, MAG 90 (Wien 1960), 112-114 und 115-117.

Eibner C. 1980: C. Eibner, Die Mehrfachbestattung aus einer Grube unter dem urnenfelderzeitlichen Wall in Stillfried an der March, NÖ., FIST 4 (Wien 1980), 107–142.

Bach 1965: H. Bach, Zur Berechnung der Körperhöhe aus den langen Gliedmaßenknochen weiblicher Skelette, Anthropologischer Anzeiger 29, 1965, 12–21.

Felgenhauer 1974: F. Felgenhauer, Geschichte der prähistorischen Erforschung von Stillfried, FIST 1, (Gänserndorf 1974).

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10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche

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10.7 Literatur

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281

11. Gesellschaft, Kult und Religion

11. Gesellschaft, Kult und Religion Monika Griebl In Niederösterreich sind eine Reihe auffälliger Gegenstände und

des Pferdes (als Reit- und Zugtier) enorm war. In Südosteuropa

Befundsituationen vorhanden, die eine Sonderstellung im ar-

sind diese Kontakte durch die gesamte Bronzezeit hindurch be-

chäologischen Fundbild einnehmen. Sie lassen auf ein vielfäl-

leg- und verfolgbar.2 Ein augenfälliger Nachweis dieser Verbin-

tiges Zusammenspiel des Menschen mit einer übergeordneten

dungen in Niederösterreich sind mehrteilige Pferdezaumzeuge

mythischen Ebene schließen, deren Unterstützung es zu sichern

pontisch-kaukasischer Form aus dem Brandgräberfeld von Still-

galt. Einfluss zahlreicher Fernkontakte ist in diesem Zusammen-

fried an der March3 (Abb. 11_01). Sie belegen eindrucksvoll die

hang erkennbar.

Existenz der politischen Oberschicht des Zentralorts. Mit diesen

Der Nachweis kultisch-religiöser Handlungen ist aufgrund feh-

begehrten Gegenständen kam auch vermehrt Eisen nach Mittel-

lender Schriftquellen nur indirekt möglich. Aus Befund und Fund

europa. Bezeugt ist ein spezieller Dolchtyp, der bereits eine

muss abgewogen werden, ob es sich um Überreste aus dem All-

Eisenklinge besaß und ebenfalls in ein Stillfrieder Brandgrab

tagsleben oder um Spuren kultischer Handlungen gehandelt ha-

mitgegeben wurde (siehe Kap. 7, Pkt. 7.3.3).4

ben könnte. Aus diesem Grund werden bei einigen der vorgestellten Fundgruppen Vergleichsbeispiele auch aus benachbarten oder weiter entfernten Kulturräumen herangezogen, wenn sie zur Deutung des Vorhandenen maßgeblich beitragen.

Exkurs: Zeremonialwagen Seit der Erfindung des hölzernen Scheibenrads waren bis in die

11.1 Einführung in die Welt der späten Bronzezeit Europas

späte Bronzezeit von Rindern gezogene, schwere Karren in Gebrauch. Mit der Verwendung von Pferden ist während der Bronzezeit in Mitteleuropa und darüber hinaus eine Entwicklung zu Zaumzeug und leichteren Wagentypen mit Speichenrädern festzustellen. In erster Linie waren solche aufwendig gebauten und reich geschmückten hölzernen Fahrzeuge als Kult- oder Zeremo-

Die Entwicklung von Kult und Religion der Urnenfelderzeit ist in

nialwagen in Gebrauch. Nachzuweisen sind deren bronzene Be-

Zusammenhang mit der gesamten Epoche der Bronzezeit zu be-

standteile in einigen der reichsten Gräber während der frühen

trachten. Fremdeinflüsse sind verstärkt festzustellen, wobei als

und älteren Urnenfelderzeit (13.–12. Jh. v. Chr.) in weiten Teilen

Hauptvermittler der Neuerungen die mykenische Welt des anti-

Europas. Die Wagen wurden bei den Feuerbestattungen meist

ken Griechenlands zu nennen ist. Ein wesentlicher Grund für den

mitverbrannt; erhalten blieben Überreste ihrer bronzenen Be-

Kontakt der frühen Hochkulturen zum spätbronzezeitlichen Mit-

schläge, Verzierungen und Aufsätze, worunter solche in Vogel-

teleuropa war das Interesse an den wichtigen Erzlagerstätten in

form besonders kennzeichnend sind (siehe Pkt. 11.3.6 Sym-

Mittel- und Westeuropa. Die systematische Ausbeutung der Roh-

bole).5 Unverbrannte bronzene Wagenzierteile sind auch aus

stoffe ließ an den Handelswegen befestigte Zentralsiedlungen

Horten bekannt.6

als Hauptumschlagplätze für die begehrten Waren entstehen. Im Verlauf der späten Urnenfelderzeit (Ha B3) mehren sich Nachweise für Verbindungen zu den reiternomadischen Völkern aus

2

Poroszlai 2003, Abb. 2, 143.

3

Aus zwei reichen Männergräbern des Brandgräberfelds von Stillfried: Kaus M. 1984, Taf. 8–9 (Grab 6); Taf. 37–39 (Grab 38) (siehe Kap. 9, Pkt. 9.3.4 und Abb. 09_26); sowie Pferdegeschirrbronzen aus dem sogenannten Stillfrieder Depot, das höchstwahrscheinlich ebenfalls aus einem (gestörten) Grabverband stammt (Strohschneider 1976; Kaus M. 1988), Späte Urnenfelderzeit/Ha B3; vgl. Metzner-Nebelsick 2002.

4

Strohschneider/Vahlkampf 1980.

5

Baumeister 2011, 66 f.; Metzner-Nebelsick 1997a, 93 f.

6

Z. B. Schumann 2017.

der Schwarzmeerregion, die nach Westen vorstießen.1 Sie äußern sich hauptsächlich in Reitzubehör, da aus dieser Region das Wissen um die Pferdezucht kam und das Interesse an der Nutzung 1

Patek 1993, 18, 21, 140, Abb. 8, 9 (Fundkomplexe Südosttransdanubiens und Ostungarns mit pontisch-kaukasischen Beziehungen, 9.–8. Jh. v. Chr.); Metzner-Nebelsick 2002.

282

11.1 Einführung in die Welt der späten Bronzezeit Europas

In der späten Urnenfelderzeit treten Überreste dieser Wagen neuerlich in ausgesuchten Grabanlagen auf. Sie standen als wirkmächtige Repräsentationsgegenstände bei besonderen Anlässen im Einsatz und wurden letztendlich in Gräber mitgegeben. Indem auch nur einzelne Wagenteile vorliegen (als Pars-pro-toto-

Abb. 11_01. Stillfried an der March. Seitenstangen mit Pferdeköpfen aus dem sog. Depot (Altfund 1895). Diese besonderen Bronzegegenstände wurden im Bereich des späturnenfelderzeitlichen Brandgräberfeldes gefunden. Wahrscheinlich stammen diese wertvollen Pferdeausstattungen aus zwei zerstörten reichen Männergräbern (©NHM Wien, Foto: A. Schumacher).

Prinzip), zeigt sich die symbolische Bedeutung des Wagens als Transportmittel ins Jenseits am besten.7 Regelmäßig finden sich in der späten Bronzezeit auch Modelle

Vierspeichenräder verraten, dass sie als Kultgeräte tatsächlich

solcher Wagen aus Bronze und Keramik, ebenfalls vorherrschend

im Einsatz standen. Die Verbreitung reicht vom Karpatenbecken

mit Wasservogelprotomen. „Beladen“ sind diese oft mit einem

bis in den westlichen Ostseeraum.8 Als letzter Akt wurden diese

fix aufgesetzten großen (Getränke-)Behältnis, was zu der Be-

Kultgegenstände vergraben.9

zeichnung Kesselwagen führte (Abb. 11_02). Ihre beweglichen 7

Vosteen 2011, 70; Pare 1989; Nebelsick 2014.

8

Hänsel A./Hänsel B. 1997, 126; Kossack 1995, 51.

9

Vosteen 2011.

283

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_02. Vadei/Orastie (Ungarn). Der bronzene Kesselwagen ist reich mit Entenvogelprotomen verziert. Kennzeichnend für diese Miniaturwagen sind darüber hinaus die vier Räder mit den jeweils vier Speichen. Das gut erhaltene Stück wurde aus einem Teich geborgen, sodass an eine Opfergabe zu den­ ken ist (© NHM Wien, Foto: A. Schumacher).

11.2 Urnenfelderzeitliche Gesellschaft Wichtigster Gradmesser für den Rang im spätbronzezeitlichen Gesellschaftsgefüge sind die über die Metallindustrie11 sichtbar gemachten Kontakte und Beziehungen. Wer über den Zugang

Aus unserem Raum kann kein Beispiel eines urnenfelderzeitli-

zu solch wertvollen Gegenständen12 verfügte, der hatte die Vor-

chen Wagens bzw. Wagenmodells genannt werden. Das bekann-

herrschaft in politischer, wirtschaftlicher und wohl auch religiö-

teste Exemplar aus der folgenden Hallstattzeit ist der Kultwagen

ser Hinsicht inne. Es waren diese Angehörigen der obersten Ge-

von Strettweg in der Obersteiermark (um 600  v. Chr.). Das aus

sellschaftsschicht, die die Erzeugung der Prunkgegenstände bei

einem überaus reich ausgestatteten Fürstengrab stammende

Spezialisten in Auftrag gaben, sie verwendeten und am Schluss

Bronzekunstwerk zeigt eine Opferszene mit Hirsch und diente

für deren Entäußerung bzw. Entsorgung zuständig waren.

vermutlich zur Aufnahme von Trankspenden.

10 Egg 1991; Egg/Stawinoga 1996.

284

10

11 I. Heske erstellte anhand des jeweiligen Fundaufkommens eine soziale Rangordnung der befestigten spätbronzezeitlichen Höhensiedlungen im süddeutschen Raum. Die Reihung ergibt sich hauptsächlich aus der Anzahl und Qualität der nachgewiesenen Metallgegenstände (sogenannter schichtspezifischer Bronzen) (Heske 2010, 286). 12 Metallgefäße, (Prunk-)Waffen und Prunkausstattung aus Bronze, aber auch aus Gold (Tassen, Spiralringe).

11.3 Kult und Religion

Rangunterschiede innerhalb der urnenfelderzeitlichen Gemeinschaften sind hauptsächlich in den Gräberfeldern fassbar. Am intensiv ergrabenen späturnenfelderzeitlichen Zentralort Stillfried an der March (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3.5) lassen sich konkrete Anzeichen einer hierarchisch gegliederten Gesellschaftsordnung sowohl im Gräberfeld als auch an der Wallanlage erkennen: • Luxusgegenstände in den Gräbern (Oberschicht) wie Bronzetassen und Pferdzaumzeug. • große abgeschlossene Bauvorhaben wie die mächtige Wallanlage aus Holzkästen und Erdwall mit vorgelagertem Graben. Sie erforderte die Bewegung von ca. 60.000 m3 Erde und einen Materialaufwand von etwa 10.000 m3 Holz (Abb. 11_03).13 • ungleich verteilter Zugang zu Nahrung unter den Einwohnern, festzumachen an zwei Mehrfachbestattungen auf der Wallanlage: Die in Grube V1141 bestattete Gruppe zeigt einen besseren Gesundheitszustand als jene aus der großen Eintiefung V841 (siehe Pkt. 11.3.5 Menschliche Sonderbestattungen). • Beide Gruben mit Mehrfachbestattungen (V1141 und V841)

Abb. 11_03. Stillfried an der March. Das Arbeitsfoto zeigt die Grabung am Wallschnitt im Jahr 1980. Es gibt eine Vorstellung von den Erdmassen, die hier am ungeschützten Westbereich der Anlage herangeschleppt und aufgeschich­ tet wurden (heutige Höhe 4 m). Der oberste Bereich stammt allerdings von späteren Aufschüttungen (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

in den etwa hundert vollständig erhaltenen Urnengräbern die

wurden am Innenfuß des westlichen Abschnittwalls angelegt.

Urnengrößen in Beziehung zu Alter und Geschlecht der Verstor-

Die Grube für die Bestattung jener Gruppe mit dem besseren

benen gesetzt.14 Obwohl die Gräber auf den ersten Blick in ihrer

Gesundheitszustand (V1141) befindet sich im Nahbereich des

Gesamtheit einen gleichrangigen Eindruck machen, ergab die

vermuteten einstigen Ansitzes der Führungsschicht (Kirch-

Untersuchung, dass die Urnengröße mit dem erreichten Lebens-

hügel), während V841 abseits davon liegt (siehe Abb. 11_18).

alter zunimmt, wobei Männer tendenziell in größeren Behältnis-

• das Vorhandensein einer Art von Menagerie (für Repräsentati-

sen bestattet wurden als Frauen. Beigaben wie Werkzeuge und

onszwecke?) mit Wildtieren, die über Jahre durchgefüttert

Fleisch wurden überhaupt erst ab einer gewissen Urnengröße

wurden, bei gleichzeitiger ungenügender Nahrungsversorgung

mitgegeben. Demnach zeigt sich die Bestattungsgemeinschaft

von Teilen der Bevölkerung (siehe Pkt. 11.3.5 Tiernieder-

von Franzhausen als eine vor allem nach Lebensalter geschich-

legungen).

tete Gesellschaft, die Mann vor Frau und Erwachsenen vor Kind stellt.

In der Grabausstattung erkennbare stufig gegliederte Gesellschaften sind besonders in Zeiten kultureller Umbrüche fassbar. Dies trifft nicht nur für die späteste Urnenfelderzeit am Übergang zur Hallstattzeit mit dem zuvor genannten Gräberfeld von Stillfried an der March zu, sondern auch auf die frühe Urnenfelderkultur des 13. Jhs. v. Chr. (z. B. Gräberfeld von Baierdorf) und die mittlere Urnenfelderzeit (Übergangsphase Ha A2/B1, 11. Jh.) (z. B. Schwertgrab von Unterradlberg) (siehe Kap. 9, Abb. 09_15). Die Mehrzahl der Bestattungen in den urnenfelderzeitlichen

11.3 Kult und Religion 11.3.1 Opferritual – von Verzicht und Zerstörung

Gräberfeldern Niederösterreichs zeigt allerdings im Regelfall

Unter dem Begriff „Opfer“ ist eine Abfolge ritueller Handlungen

keine großen gesellschaftlichen Unterschiede. Die Gräber sind

zu verstehen, in deren Zentrum eine Entäußerung bzw. Vernich-

meist waffenlos und Prunkgräber annähernd unbekannt. Das

tung von meist wertvollen Gütern steht – hauptsächlich handelt

jungurnenfelderzeitliche Gräberfeld Franzhausen-Kokoron (sie-

es sich um Metall- und Keramikgegenstände, Speisen, Getränke

he Kap. 9, Pkt. 9.3.3) bietet aufgrund seiner Größe die Möglich-

und Pflanzen (Blumen). Aber auch lebende Tiere oder auch Men-

keit, gesellschaftliche Unterschiede innerhalb der Alters- und

schen wurden geopfert.15 Alle Opfergaben enthalten Leben oder

Geschlechterrollen herauszuarbeiten. Zu diesem Zweck wurden 13 Eibner C. 1980, 128.

14 Lochner/Hellerschmid 2009, 30 f. 15 Metzner-Nebelsick 2012, 157; Menschenopfer aus der Ethnologie: Piepke 2009, 55–58 (Maya und Azteken).

285

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Lebenskraft, entweder in direkter Form als Blut16 oder indirekt

zeigt, bietet allein die exakte Einhaltung der Regeln die beste Er-

als Nahrungsmittel bzw. durch ihren Wert und ihre Funktion als

folgsgarantie.23 Damit sind Rituale nie zufällige oder willkürliche

Waffe oder Metallwerkzeug. Ein wesentliches Kennzeichen des

Veranstaltungen.

Opfervorgangs ist die Zerstörung der Opfergaben.17 Sie werden

Zu den historisch ältesten Opfern gehören das Erstlings- und

mechanisch zerstört, unwiederbringlich verbrannt bzw. durch

das Totenopfer. Beim Erstlingsopfer gibt man jeweils das Erste

Vergraben und Versenken (Gewässerfunde) dem profanen Zu-

seiner Art den Göttern (erste Erntefrüchte, erster Schluck etc.).24

griff entzogen. Der Akt der Zerstörung war der Höhepunkt in der

Bitt-25 und Dankopfer sind selbsterklärend, wobei antike Schrif-

Zeremonie und konnte helfen, Spannungen und Konflikte in der

ten vielfach von Gelübden (votum) berichten, mit denen sich eine

Gemeinschaft abzubauen.18

Gruppe oder ein Einzelner in ein Vertragsverhältnis (do ut des)26

Alle Arten von Opfer (Bitt-, Dank-, Sühneopfer usw.) können als

mit der angerufenen Gottheit begab. Stellte sich der Erfolg ein,

ein Gabentausch zwischen der übernatürlichen und der mensch-

musste die Spenderseite ihre Verpflichtung einlösen. S. Hansen

lichen Ebene betrachtet werden. Da man die geopferten Bron-

vermutet dabei einen gewissen Spielraum hinsichtlich des Um-

zen in verschiedene Horttypen (Brucherz, Gewässerfunde usw.)

fangs und des Zeitpunkts der Einlösung solcher Gelübde.27

und zum Teil in zählbare Gewichtseinheiten unterscheiden kann,

Beim Sühneopfer wird das zu sühnende Vergehen eines Einzel-

könnte auf die Vorstellung eines klaren Verhältnisses zwischen

nen oder einer Gruppe auf das Opfer, meist ein Tier, übertragen.

19

dem Anliegen, der Gabenmenge und dem jeweiligen Empfänger

Mit diesem gewaltsamen Tod haben sich die Opfernden von ihrer

geschlossen werden. Daraus lässt sich ein Götterbild mit stark

Schuld befreit (Sündenbockprinzip).28

menschlichen Zügen ableiten, wie es antike Schriftquellen bele-

A. van Gennep prägte den Begriff Übergangsrituale, da der An-

gen (fordernd, rachsüchtig, bestechlich und grausam).

lass für Rituale vielfach durch einen Übergang markiert ist.29

20

Sie führen den Menschen durch die prägenden Übergänge wie Geburt und Tod und umfassen immer drei Abschnitte: Die Tren-

Exkurs: Ritual

nungsphase, die den Bruch mit dem bestehenden Gefüge anzeigt, die Schwellen- oder Umwandlungsphase und schließlich

Ein Ritual ist eine geregelte Handlung, die die geistige Ebene be-

die Angliederung an die neue Ordnung. Die Schwellenphase ist

wusst einschließt , um auf der menschlichen Ebene eine Wir-

gefährlich, da übernatürliche Kräfte wie Geister und Ahnen in

kung zu erzielen. Das erwünschte Ziel der Rituale ist im Regelfall

dieser Zeit wirken und kurzfristig gesellschaftliche Regeln und

die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Ordnungen,

Ordnungen außer Kraft gesetzt werden können.30

in die sich die Menschen eingebunden fühlen, im Kleinen wie

Zu den Übergängen, die der Mensch als Einzelpersönlichkeit

im Großen: die Gesellschaft, den Naturkreislauf einschließlich

zu bewältigen hat, gehören neben Geburt und Tod auch Initia-

des Kosmos mit seinen Himmelsbewegungen sowie die geistige

tionsfeiern31, Hochzeit sowie die Wechsel in Altersklassen und

Welt bzw. die Götterwelt. Für die Durchführung sind bestimmte

Berufsgruppen. Archäologisch am besten fassbar sind Bestat-

21

22

Personen verantwortlich, wobei die Darbringung einer (wert-

tungsriten. Deren klare Struktur soll den Verstorbenen und die

vollen) Gabe an übernatürliche Mächte – eines Opfers – den

Gemeinschaft vor Gefährdung jedweder Art schützen.

Höhepunkt des Rituals darstellt. Hauptsächlich handelt es sich um Tier-, Speise- und Trankopfer, aber auch Hortfunde werden als solche Gaben an die Götter für deren (erhoffte) Gunsterweisung betrachtet. Da das Ritual meist kein unmittelbares Ergebnis 16 Zipf 2003, 13; Langer 2017, 297. 17 Metzner-Nebelsick 2012, 161 f.; Nebelsick 1997. 18 Metzner-Nebelsick 2012, 158; Piepke 2009, 66, 68–70. 19 Hänsel B. 1997, 12 f. 20 Metzner-Nebelsick 2012, 168 f.; Homer, Ilias I, 218: Wer dem Gebot der Götter gehorcht, den hören sie wieder; Klengel 1996, 558: Anwei­ sung für hethitische Tempelbeamte: […] Und er [der Tempelbeamte] gibt ihm [dem Gott] entweder stets etwas zu essen oder er gibt ihm etwas zu trinken. Und weil er seinen Herrn speist und ihm zu trinken gibt, so ist jener [Gott] in seiner Stimmung gelöst und er fühlt mit ihm.

23 Trachsel 2008, 2. 24 Steiner 2010, 454 f.; Burkert 1977, 115–119; Burkert 1985, 66–67; Krumm 2011b, 25; Homer, Ilias IX, 220–221: […] dieser gehorcht’ und warf die Erstling’ [die ersten Fleischstücke] ins Feuer. Und sie erhoben die Hände zum lecker bereiteten Mahle. Auch Genesis: AT, Mos.1. 4, 3–5. 25 Zum Beispiel für eine gute Ernte, Piepke 2009, 53–55. 26 (Ich gebe, damit du gibst), Piepke 2009, 60. 27 Hansen 1997, 29; Nachweis von Opfern zur Bekräftigung von Eiden in der griechischen Antike (um 500 v. Chr.), siehe Scheibelreiter 2012. 28 Piepke 2009, 52, 71, 75–81; Lang 2009, 41 f.; Langer 2017, 297. 29 Van Gennep 1909; auch Beilke-Voigt 2015, 8–9; Lang 2009, 44.

21 Trachsel 2008, 1–2 (transzendente Wirkungsweise).

30 Sogenannte liminale Phase der Übergangsrituale, Turner 1964; van Gennep 1909; Garwood 2011; Zipf 2003, 13.

22 Brück 2011, 394, 398; Verhoeven 2011, 120.

31 Eibner A. 2015, 70–73.

286

11.3 Kult und Religion

Jahreszeitfeste stehen im Einklang mit den Sonnen- und Mondkreisläufen und dem landwirtschaftlichen oder sakralen Kalender. Ein zentrales Thema der bäuerlichen Gesellschaften war die überlebenswichtige Fruchtbarkeit von Feld, Tier und Mensch. In

11.3.2 Bronzehorte: tonnenweise erzeugt und aus dem Verkehr gezogen

Darstellungen von Pflügeszenen32 und der aus späterer Zeit belegbaren Heiligen Hochzeit 33 sind solche Fruchtbarkeitsrituale

Das kennzeichnende Materialopfer der Bronzezeit in nahezu

bereits bildlich festgehalten. Der Vegetationskreislauf der Natur

allen Teilen Europas ist der Bronzehort. Die Zahl der Hort- bzw.

fand seine mythische Verkörperung in der weiblichen Gottheit,

Depotfunde nimmt in bis dahin unbekanntem Ausmaß zu, was

die alljährlich (nach der Ernte) in die Unterwelt entschwindet, wo-

sich in der Urnenfelderzeit noch verstärkt.35 Das begann in

her sie zurückkehrt, um den nächsten Zyklus von Keimung-Reifen-

der Frühbronzezeit mit neu gegossenen Ösenhalsreifen, die

Ernte zu veranlassen.34 Bemerkenswert ist die Verknüpfung der

als messbare Werteinheit in Massen geopfert wurden. Im Lauf

(oberirdischen) Natur mit der Unterwelt.

der mittleren Bronzezeit bis in die jüngere Urnenfelderzeit ver-

Anlassbezogene Rituale werden in Zeiten besonderer Not durch-

grub man dann Bruchstücke von absichtlich zerstörten Bronze-

geführt, um diese zu lindern (Krieg, Seuche, Naturgefahren

gegenständen. Der kennzeichnende Bronzehort der späten

usw.). Sie sind als Weihe- oder Votivgaben archäologisch unter

Urnenfelderzeit besteht aus anzahlmäßig kleineren Einheiten

anderem in Hort- und Gewässerfunden zu fassen und aus späte-

aus unterschiedlichen, vollständigen Bronzeobjekten.

ren historischen Textquellen gut belegt.

Die Forschung stimmt heute großteils darin überein, Metallhorte

Von den im privaten Umfeld durchgeführten Ritualen, sogenann-

als Materialopfer zu deuten, begründet in den inhaltlichen und

ten Haus- bzw. Herdkulten, liegen meist nur indirekte Hinweise

räumlichen Mustern, nach denen sie angelegt wurden.36 Zuvor

in Form keramischer Kultgegenstände aus dem Siedlungsbereich

wurden Metallhorte oft als nicht mehr gehobene Altmaterial-

vor, z. B. Feuerbockbruchstücke, Miniatur- und Ausgussgefäße

lager von Metallhandwerkern oder als (Händler-)Verstecke ge-

usw. Sie deuten auf einen Haus- bzw. Herdkult mit Trankspen-

deutet. Der berechtigte Einwand, wonach der Anteil verunglück-

den/opfern hin. Auch plastisch ausgeführte Keramiksymbole –

ter Schrotthändler unbegreiflich hoch und auf die Bronzezeit

Stecker, Anhänger und sonstige Kleingegenstände aus Keramik –

beschränkt gewesen sein muss37, unterstreicht die aktuelle Deu-

dürften als Votivgaben, Amulette und Ritualgegenstände vielfäl-

tung, da mit dem Beginn der Eisenzeit (8. Jh. v. Chr.) die Hort-

tig kultisch eingesetzt worden sein (siehe Pkt. 11.3.6 Figürliche

sitte in den meisten Teilen Europas abbricht.38 Zeitlich parallel zu

Kunstäußerungen).

den letzten Horten in urnenfelderzeitlicher Tradition wurden die wertvollen Gegenstände vermehrt in den Gräbern auserwählter Personen, meist berittener oder Wagen fahrender Männer, entäußert.39 Ungeachtet dessen sind Gruben natürlich quer durch alle Zeiten bis heute willkommene Orte zum Aufbewahren und Verstecken von Gegenständen.40 Ein jüngst publizierter Brucherzhort aus Rannersdorf wird in diese Richtung gedeutet (siehe

32 Eibner A. 2012, 51 f., Taf. 10/14–17; aus einem hethitischen Tontafel­ text des 13. Jhs. v. Chr. erfahren wir, dass anlässlich fürstlicher Begräb­ nisfeierlichkeiten mythisches Geschehen in Handlung umgesetzt wird, wobei u. a. eine Furche für den Acker gezogen wird, den der Verstorbene bestellen lässt, Kossack 1995, 52. 33 Dieser Geschlechtsakt (Hierogamos) ist als rituelle Befruchtung der Königin-Priesterin/Göttin/Erde durch den König oder Fürst/Gott/Him­ mel zu verstehen und garantierte Fülle und gute Ernte, Eibner A. 1997, 138–139; Eibner A. 2012, 52 f.; Eibner A. 2015, 74–77, Taf. 8k; Zingsem 1999, 19, 20, 78–80: auf sumerischen Tontäfelchen wird das Ritual der Heiligen Hochzeit zwischen König und Königin als Stell­ vertreter für Inanna und Dumuzi in einem „Hohelied“ ausführlich be­ schrieben. Es fördert die Wachstumskräfte im Land für Mensch, Tier und Pflanzen und fand im Herbst statt, wenn die neue Saat sich regte; ethnologische Beispiele für Fruchtbarkeitsmythen auf Indonesien, Neuguinea usw.: Jensen 1960; Weiss 1987, 165–172; Piepke 2009, 53–55. 34 Palátová/Salaš 2002, 147 f. Gut bekannt sind solche Mythen um die Göttinnen Inanna, Persephone usw., Giebel 2000, 24 f.; Zingsem 1999, 18, 41.

weiter unten). Die in Mooren und Flüssen endgültig versenkten Gegenstände wurden dagegen schon immer recht einhellig als Opfergaben betrachtet.

35 Metzner-Nebelsick 2012, 159; Hansen 1995, 73, Abb. 3. 36 Metzner-Nebelsick 2012, 160 f.; Hansen 1997, 29 f.; Zipf 2003, 14; Hänsel B. 1997. 37 Sommerfeld 2005, 92. 38 Metzner-Nebelsick 2012, 169. 39 Beispiel: Hügelgräber von Langenlebarn, Preinfalk 2003; Metzner-Nebelsick 1997a, 94. 40 Penz 2012, 197–199.

287

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Stellen der Niederlegung von Bronzehorten Metallhorte zeigen in ihrer Verortung oft einen Bezug zu den befestigten Höhensiedlungen. M. Salaš konnte für Mähren aufzeigen, dass meist deutlich mehr als zwei Depots je Höhenanlage bekannt geworden sind, die nicht nur auf der Hochfläche, sondern auch an den Hängen gefunden wurden.41 Diese sind meist unterschiedlichen Zeitabschnitten innerhalb der Urnenfelderzeit zuzuweisen, was für wiederholte, ortsbezogene Niederlegungen über längere Zeiträume hinweg spricht.42 In ebenem Gelände finden sich die Horte entlang der Verkehrswege. Sie sind üblicherweise auf trockenem Grund in einer Tiefe von 0,3–1,0 m im freien Erdreich vergraben und durch einen Behälter aus Ton oder organischem Material geschützt. Beispielhaft lässt sich das im Unteren Traisental, einer gut erschlossenen Siedlungslandschaft im Herzen Niederösterreichs, aufzei-

Abb. 11_04. Enzersdorf im Thale. Fundgegenstände aus dem Brucherzdepot mit einem Gesamtgewicht von 51,156 kg. Sie waren wahrscheinlich auf zwei eng bei­ einanderliegende Bronzehorte (2a und 2b) verteilt (Foto: NÖ Landessamm­ lungen, Ur- und Frühgeschichte).

gen: Von den elf bekannt gewordenen Metalldepots und fünf Keramikhortfunden stammen drei aus der Urnenfelderzeit.43

des Leichnams während der Bestattungsfeierlichkeiten betrachtet werden.48 Große Fundmengen sind dabei als Opfergaben einer größeren Gemeinschaft zu deuten.49 Die Metalle könnten

Brucherzhorte

aber auch über einen längeren Zeitraum gesammelt und in ei-

Im Laufe der mittleren Bronzezeit werden Bruchstücke von ab-

nem Abschlussakt zerstört und vergraben worden sein.

sichtlich zerstörten Bronzegegenständen wie Trachtbestand-

Selten, aber doch finden sich absichtlich verformte Bronze-

44

teilen, Sicheln, Waffen usw. vergraben. Auch Rohmetallbarren

gegenstände auch in Brandgräbern, was eine ideenmäßige Ver-

(Gusskuchen) sind darunter. Der Abnützungsgrad dieser Frag-

bindung zu den Brucherzhorten vermuten lässt.50

mente entspricht meist jenem von noch brauchbaren Stücken

Die meisten bronzezeitlichen Horte wurden in jüngster Zeit ille-

und auch ältere Bronzen und Fremdformen sind anzutreffen.45

gal von Sondengängern entdeckt und die Befunde beim Ausgra-

Offensichtlich wurde hier nach dem Akt der gewaltsamen Zerstö-

ben zerstört. Die Aussagekraft dieser Horte zur Geisteswelt der

rung ein Teil für die Empfänger der Opfer – Götter oder das allge-

Urnenfelderkultur und für die Erforschung Niederösterreichs ist

meine, gestaltlose Göttliche – bestimmt und andere Teile einbe-

damit wissenschaftlich verloren. Welche unvorstellbar großen

halten. Dahinter steht der Grundsatz do ut des – ich gebe, damit

Mengen an wertvollem Metall dem Boden übergeben worden wa-

du gibst – wonach zwischen dem Anliegen und der Gabenmenge

ren, zeigen Angaben aus Mähren. 90.000 Bronzeobjekte aus der

ein klares Preis-Leistungs-Verhältnis besteht. In der älteren und

Bronzezeit werden dort pro Jahr gefunden – großteils rechtswid-

mittleren Urnenfelderzeit sind diese Brucherzhorte die vorherr-

rig von Sondengängern.51

schende Form des Materialopfers.47 Nach L. Nebelsick kann die

Nachfolgend drei charakteristische Brucherzhorte aus Nieder-

gewaltsame Zerstörung der Bronzegegenstände als eine Analo-

österreich, die das weite Spektrum der Depotinhalte und Depo-

gie zur Tötung bzw. Wandlung des Opfertiers im Brandopfer oder

nierungsmöglichkeiten darstellen.

46

41 Auch außerhalb der Befestigungen (sogenannte Deponierungsland­ schaften), Salaš 2012, 199–200, Abb. 1–3, 5 und 9. 42 Salaš 2012, 205. 43 Neugebauer 1998/1999, 6, Abb. 1 (Bronzedepots von Rassing und Hafnerbach; Keramikdepot von Inzersdorf ob der Traisen); allgemeine schematische Darstellung von Hortfundplätzen und Auffindungssitua­ tionen siehe Windholz-Konrad 2018, 203, Abb. 117. 44 Erstmals in der ausgehenden Frühbronzezeit im späten 17. bis 16. Jh. v. Chr. in Mitteleuropa und dem Karpatenbecken bezeugt, Metz­ ner-Nebelsick 2012, 160; Sommerfeld 2005, 92. 45 Sommerfeld 2005, 92; ähnlich den Flussfunden, vermehrt Importstücke; Hansen 1997. 46 Hänsel B. 1997, 17. 47 Ab dem 13. Jh. v. Chr. bis ca. 1000 v. Chr., Hansen 1994; Metzner-Nebelsick 2012, 160–162.

288

48 Nebelsick 1997, 40 f.; Metzner-Nebelsick 2012, 161 f. 49 Metzner-Nebelsick 2012, 163. 50 Beispiel Gräberfeld Baierdorf, Grab 2, Taf. 3/5: Griffzungenmesser vom Typ Baierdorf, gegossen, Griffzunge der Länge nach um 180 Grad verbogen, in drei Teile zerbrochen, keine Brandeinwirkung (Lochner 1986a, 266); verbogene Nadeln aus Grab 1, Taf. 2/11, 12, in zwei bzw. drei Teile zerbrochen, ohne Feuereinwirkung (Lochner 1986a, 265). 51 Allein für den Großraum Klentnice geht man von 100 gestohlenen Hort­ funden aus; freundliche Mitteilung von M. Salaš. In Ungarn will man diesem Unwesen zuvorkommen, indem die Archäologen (Leitung: G. Szábo) selbst Detektoren für systematische Flächenuntersuchungen einsetzen.

11.3 Kult und Religion

Enzersdorf im Thale (Ha A1/A2)52 Auf einer ausgedehnten Siedlungsfläche53 in Enzersdorf im Thale (VB Hollabrunn) wurden Gusskuchenbruchstücke und absichtlich zerstörte, neuwertige Bronzegegenstände mit einem Gesamt-

Abb. 11_05. Enzersdorf im Thale. Gesichert zum Brucherzdepot 2b gehörige Funde. Die Gegenstände wurden gebrauchsfertig ausgeführt, noch im gussfrischen Zustand fragmentiert und im Boden abgelegt. Dafür wurden zwei Beile ihrer Klingen entledigt, das dritte Beil und die Sichel wurden absichtlich halbiert (Foto: NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

gewicht von mehr als 12 kg aufgefunden (Abb. 11_04). Sie stammen vermutlich von zwei eng beieinanderliegenden Bronze-

ohne gesicherte Zugehörigkeit im direkten Umfeld entdeckt wur-

horten, wovon einer als reiner Gusskuchenhort anzusprechen ist

den. Hier hat wohl ein größerer Personenkreis für ein wichtiges

(Depot 2a mit neun Gusskuchen[-teilen]).

Anliegen ein Gemeinschaftsopfer vollzogen. Die meisten gaben

Das 1,2 m südlich abgelegte Depot  2b setzt sich aus drei ober-

Rohmetallbarren, einige auch fertige Erzeugnisse.

ständigen Lappenbeilen, Teilstücken von Armreifen, Sicheln und drei Gusskuchenbruchstücken mit einem Gesamtgewicht von ca. 7,2 kg zusammen. Ein Lappenbeil und eine Sichel wurden genau

Rassing (Ha A2)

in der Mitte gebrochen bzw. durchgehackt. Die zwei anderen

In einer kleinen Grube auf einem Abhang zum Fluss Perschling

Bronzebeile liegen ohne Schneiden vor, die abgebrochen bzw.

fand sich in Rassing (VB St. Pölten) ein Hortfund in seiner noch

abgeschrotet wurden. Die Gegenstände waren gebrauchsfertig

eng gepackten, ursprünglichen Lage, allerdings sekundär durch

ausgeführt und wurden vor ihrer Deponierung fragmentiert (Abb.

Ackertätigkeit gestört.55 Die kleineren Gegenstände – wie zahlrei-

11_05). Sie könnten aus einer Serienproduktion stammen.54 Mit

che Bruch- bzw. Teilstücke von Sicheln, Messern und Schmuck-

hoher Wahrscheinlichkeit war die Bronzeniederlegung um 39 kg

stücken – lagen in der Mitte, darunter auch zwei komplette, je-

schwerer – so viel wiegen nämlich weitere Gusskuchenteile, die

doch abgenützte ritzverzierte Armreife und zwei vollständige

52 Lauermann/Rammer 2013, 24; auch 240.

11_06). Diese sowie mehrere Gusskuchen waren entlang des

Bronzetassen vom Typus Fuchsstadt (Datierung Ha  A2) (Abb. 53 Lauermann/Rammer 2013, 8–24. 54 Leusch 2013, 60, 62.

55 Dm. 55 cm, erh. Tiefe 25 cm; Lochner 1994, 209 f., Abb. 111; Lochner 1998/1999, Abb. 20–23.

289

11. Gesellschaft, Kult und Religion

290

11.3 Kult und Religion

 Abb. 11_06. Rassing, Brucherzdepot. Unter den zahlreichen Bruchstücken von Sicheln, Messern und Schmuck befanden sich auch zwei komplette, jedoch abgenützte ritzverzierte Armreife und zwei vollständige Bronzetassen vom Typus Fuchsstadt (Ha A2) (nach Lochner 1998/99, Abb. 22 und 23).

gen vollständig untersucht werden. Am Rand der zugehörigen Siedlung entdeckte man einen Brucherzhort in einem Kegelhalsgefäß, der sich unmittelbar neben einem Kaltschmiedeplatz befand (Abb. 11_07).

Grubenrands gestapelt. Es sind wiederum die unverarbeiteten

Der Hort setzt sich aus 7,5 kg Gusskuchen, Altmetall und guss-

Gusskuchen, die die Hauptmasse von annähernd 23 kg Gewicht

frischen Waffen zusammen (Gesamtgewicht 8,5 kg). Besonders

beisteuern, während der gesamte Hortfund etwa 24 kg wiegt.

bemerkenswert sind drei voll funktionstüchtige Tüllenlanzen-

Wenn wir davon ausgehen, dass keine Hebung des Ensembles

spitzen ohne Gebrauchsspuren (siehe Kap. 8, Pkt. 8.2.1, Abb.

vorgesehen war, hat dieser ungenutzte Rohstoff wahrscheinlich

08_08).56 Unter den Gusskuchen überwiegen Halb- und Viertel-

einen großen Verzicht für die Spendergruppe bedeutet.

stücke. Altstücke stammen von einer Sichel und einem Lappenbeil mit jeweils sauber ausgeführten Schnittkanten sowie einem mehrfach reparierten Rasiermesser. Darüber hinaus konnten

Rannersdorf (Ha B1)

vier Gürtelbleche mit Punkt-Buckel-Zier (Abb. 11_08) und eine

Bei einer großflächigen Rettungsgrabung in Rannersdorf bei

massive, getriebene, beschädigte Kupferscheibe mit Ringöse

Schwechat (VB Bruck/Leitha) in den Jahren 2001 und 2002

geborgen werden, die wahrscheinlich Teil eines prachtvollen

konnten aus der Urnenfelderzeit (Ha  A2/B1) Hausgrundrisse

Pferdegeschirrs war.

großer zweischiffiger Längshäuser (siehe Kap. 3, Pkt. 3.2.1 und Abb. 03_11) und ein Brandgräberfeld mit 95 Urnenbestattun-

56 Gruber 2003.

291

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_07. Rannersdorf. Das Brucherzdepot unmittelbar nach seiner Entdeckung (Foto: F. Sauer/BDA).

 Abb. 11_08. Rannersdorf. Im Brucherzdepot fanden sich vier Zierbleche mit linearer Kreisaugenzier in Punkt-Buckel-Technik. Sie waren vermutlich an ledernen Gürteln befestigt (Foto: P. Kolp).

Beil- und Sichelbruchstücke unterstützen die Vermutung, dass es sich dabei bereits um Zahlungsmittel gehandelt haben könnte.57 Hinzu kommt, dass die Stücke aus sehr unterschiedlichen Legierungen hergestellt waren. Im Keramikgefäß befanden sich auch daumengroße Stücke eines Eisen- und eines Buntmetallbarrens, denen wohl besonderer Wert beigemessen wurde. Die Bearbeiterin Violetta Reiter schlägt als Deutung dieses Befunds das De-

Personengebundene Horte

pot einer Person vor, die kleine Reparaturen und Umarbeitungen

Im 10. und 9. Jh. v. Chr. werden die Brucherzdepots von kleine-

vornahm und mit einer breiten Palette an unterschiedlichen Me-

ren Fundverbänden aus vollständigen Bronzen verdrängt. Deren

tallqualitäten handelte (Niederlegungszeitpunkt Ha  B1).

Der

Zusammenstellung erinnert an einzelne reiche Grabausstattun-

Vergleich der vertretenen Bronzefundtypen von Hort und Gräber-

gen, sodass C. Metzner-Nebelsick diese Gruppe als personen-

feld am Fundort von Rannersdorf zeigt kaum Überschneidungen,

gebundene Hortfunde bezeichnet.59 Typisch sind hier Waffen,

vor allem, weil sich in den Gräbern eher bescheidene Beigaben

Bestandteile der Frauentracht, Pferdegeschirr und Metallgefäße.

58

(Trachtbestandteile, Schmuck und Geräte wie Messer) befinden.

Arbeits- und Erntegeräte, Wagenteile oder Gusskuchen fehlen.

Allerdings wurde am Kaltschmiedeplatz eine zum Armreif umge-

Die Spender sind nach Metzner-Nebelsick60 nun einzelne, gut

arbeitete Gewandnadel gehoben, wie sie aus den Gräbern be-

situierte Mitglieder der Gesellschaft. So zeigt sich der Bronze-

kannt ist. Die Artefakte aus dem Hort kündigen mit dem Eisen-

schmuckhort von Thunau am Kamp als ein neuwertiger Frauen-

stück am Ende der späten Bronzezeit bereits Neuerungen der

schmucksatz bestehend aus Radanhänger, Röllchen, Ringlein

nächsten Epoche, der Eisenzeit, an.

und Bernsteinperlen. Er wurde sorgsam in organisches Material

57 Nebelsick 1997, 40.

59 Metzner-Nebelsick 2012, 165.

58 Reiter/Linke 2016, 161 und 169; Datierung: 168.

60 Metzner-Nebelsick 2012, 168.

292

11.3 Kult und Religion

gehüllt und im Boden vergraben (siehe Kap. 3, Abb. 03_24). Ein weiteres Beispiel eines personengebundenen Bronzehorts aus Niederösterreich ist der einzige bisher bekannte Metalldepot-

Abb. 11_09. Stillfried an der March. Der Bronzehort besteht aus vollständigen und neu­ wertigen Bronzegegenständen, wobei Frauenschmuck mit verschiedenen Armreifen, Harfen- und Brillenfibeln überwiegt (nach Penz 2006, Taf. 22 und 23).

fund auf der Wallanlage in Stillfried an der March. Beil63, wobei das Beil als Schlachtgerät gedeutet wird, wie dies Stillfried an der March (Ha B3)

bildlich mehrfach in der Situlenkunst bezeugt ist.64

Der Bronzehort ist eine eng gepackte Einheit aus vollständigen

Das Bronzedepot von Stillfried an der March war in einer kegel-

und neuwertigen Bronzegegenständen: zehn Armreife, drei Paar

stumpfförmigen Speichergrube (Nr. 2784) am Hügelfeld, dem

Gewandspangen (Brillenfibeln und Harfenfibeln), zwei Tüllenbei-

höchsten Bereich der befestigten Anlage, zwischen Grubenwand

le und zwei Gussklumpen (Ha B3) (Abb. 11_09). E. Lauermann

und Sohle versteckt worden (Abb. 11_10). Verfärbung 2784 ist

und E. Rammer ordnen ihn den Ausstattungsdepots mit Tracht-

eine von etwa 85 vergleichbaren Gruben am Hügelfeld, die als

61

62

bestandteilen und Prestigegütern erster Qualität zu. C. MetznerNebelsick bezeichnet solche Fundverbände als Votivopfer mit

63 Metzner-Nebelsick 2012, 165.

61 Penz 2006, 353, Taf. 22–23; Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung.

64 Auch am Kultwagen von Strettweg Beil und Opferhirsch (Hallstattkultur): Egg/Stawinoga 1996, ebenso z. B. auf der Ziste von Eppan (Mitte 5. Jh. v. Chr.): Lucke/Frey 1962, 58, Kat. Nr. 2 und Zemmer-Plank 1976, 312, Abb. 36; Koch 2003.

62 Lauermann/Rammer 2013, 96–99.

293

11. Gesellschaft, Kult und Religion

11.3.3 Gewässerfunde Die durchwegs neuwertigen Bronzegegenstände aus Flüssen, stehenden Gewässern und Mooren werden bereits seit Längerem übereinstimmend als Opferfunde gedeutet.67 S. Hansen schätzt, dass die Zahl der geborgenen Bronzegegenstände aus Flüssen in Europa in die Zehntausende geht, wobei Waffen den Hauptanteil ausmachen.68 Metallgefäße, Arm- und Halsringe sowie Gürtel sind aus Gewässern hingegen nicht bekannt; sie wurden in Horten und Gräbern niedergelegt. Wie bei den Bronzehorten liegt es an diesen überregional festzumachenden Regeln, die auch die Gewässerfunde als Weihegaben ausweisen und manch Abb. 11_10. Stillfried an der March. Fundsituation des Bronzehorts. Ursprünglich war der wertvolle Metallverband in vergängliches Material (z. B. Stoff, Leder) gewickelt und hinter dem Sohlen-Wandübergang einer aufgelassenen Vor­ ratsgrube (V2784) versteckt worden (Foto: Grabungsdokumentation Still­ fried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

ältere Deutung wie Transportverluste entkräften.69 Gewässerfunde aus Flussabschnitten, deren Durchfahrt in der Vergangenheit nachweislich riskant war, lassen sich leicht als Opfergaben an die dort herrschenden gefährlichen Mächte deuten. Zu fassen ist diese Sitte ab der frühen und mittleren Bronzezeit mit einem Höhepunkt in der späten Bronzezeit. Mit der älteren Eisenzeit

Getreidespeicher gedeutet werden.65 Direkt auf der Sohle die-

bricht diese Tradition dann annähernd vollständig ab. Erst in

ser Grube fanden sich zwei weitere einschlägige Fundansamm-

der Latènezeit lassen sich erneut Flussfunde nachweisen.70 Als

lungen, nämlich die Scherben von insgesamt 22 Keramikgefä-

Einzelbeispiel sei ein vollständiges, gussfrisches Schwert aus

ßen – großteils Töpfen – und ein Verband von teils bereits stark

dem Au- bzw. Überschwemmungsgebiet der Donau bei Krems

benutzten Arbeitssteinen. Sechs neuwertige Gefäße ließen sich

genannt, das als Weihe- oder Opferfund im feuchten Milieu ge-

vollständig zusammensetzen. Nach der Deponierung wurde in

deutet wird.71

der halbverfüllten Grube Feuer entfacht. In die dadurch entstan-

In Oberösterreich, an der Grenze zu Niederösterreich, bildete die

dene gebrannte Lehmwanne brachte man einen annähernd voll-

Donau zwischen Grein und Struden zwei scharfe Krümmungen

ständigen älteren Wolf und ein altes Reh ein. Skelettteile von

mit gefürchteten Strudeln und Wirbeln aus (Abb. 11_11).72 Aus

Wolf und Reh belegen ein Leben in Gefangenschaft, was am Zen-

dem Wasser ragende Felsbrocken verschärften die Passage für

tralort Stillfried an der March kein Einzelfall ist (siehe Pkt. 11.3.5

die Schifffahrt bis zur Regulierung um 1860. Es kam häufig zu

Tierniederlegungen). Der Zeitraum, der zwischen dem Verste-

Schiffsunglücken mit tödlichem Ausgang. Zahlreiche Gewässer-

cken des Metallhorts in der leeren Grube und dem Befüllen der

funde aus diesem Bereich legen dar, dass dort in urgeschicht-

Grube vergangen sein mag, lässt sich nicht bestimmen. Daher ist

licher Zeit über Generationen geopfert wurde.73 Davon datieren

die Frage, ob bei der Befüllung die Existenz des Horts bekannt

allein 70 Funde in die Urnenfelderzeit, mit einem Schwerpunkt

war, nicht zu beantworten. Da die Grube an das Ende der spät-

in Bz  D und Ha  A, während lediglich 16 Fundstücke der frühen

urnenfelderzeitlichen Wallanlage zu stellen ist, könnten hier im

und mittleren Bronzezeit zuzuweisen sind.74 Die meisten Funde

Zuge von Aufräumarbeiten Hausinventare und verendete Tiere entsorgt worden sein. Die Grube könnte allerdings auch nicht alltägliche Vorgänge belegen, die im Rahmen einer rituellen Grubenschließung vor sich gingen.66

67 Unterstützt durch literarische Belege für einen sakralen Hintergrund, Hansen 1997, 29. 68 Etwa die Hälfte aller bekannten Schutzwaffen und mehr als 40 % der kostbaren Vollgriffschwerter Süddeutschlands stammen aus Gewäs­ sern, Hansen 1997, 29. 69 Hansen 1997, 29 f. 70 Pollak 1986, Tab. 4, 43, Abb. 6; Metzner-Nebelsick 2012, 169. 71 Trnka 1994; Geistler 1994.

65 M. Griebl und B. Biederer widmeten sich dem Thema der Vorratshaltung in Gruben am Beispiel Stillfried: Griebl/Biederer in Vorbereitung.

72 Pollak 1986, 2–4.

66 Siehe auch: Thunau am Kamp, Kap. 3, Pkt. 3.3.1, Abb. 03_24.

74 Pollak 1986, 55, 58, Tab. 4; 43, Abb. 5 (Karte).

294

73 Metzner-Nebelsick 2012, 169.

11.3 Kult und Religion

stammen aus der schmalen Wasserstraße südlich von Grein, wo sie offensichtlich vom Boot aus versenkt wurden.75 Bemerkenswerterweise sind keine Schwerter darunter, während Beile und Gusskuchen gut vertreten sind. Dieser Umstand spricht für spe-

Abb. 11_11. Der Stich „Der Strudel an der Thonaw“ aus dem Jahr 1649 zeigt, dass die Flussenge und die aus dem Donaustrom herausragenden Felsen zwischen Grein und Struden die Durchfahrt zu einem enorm gefährlichen Unterfangen machten. Kolorierte Radierung, mit Gold gehöht, von Kaspar Merian nach Vorlage von Wenzel Hollar (© Österreichische Nationalbibliothek Wien, baa19198618).

zielle Versenkungsregeln.76 Auch Kultobjekte wurden dem Was-

Grubenverfüllung versiegelt.79 Eine Wiedereröffnung und da-

ser übergeben, wie eine gussfrische Vogelfigur der ausgehen-

mit Zerstörung durch Menschenhand war offensichtlich nicht

den Urnenfelderkultur belegt (siehe Abb. 11_29).

vorgesehen.80

Es liegt auf der Hand, dass der große natürliche Gefahrenbereich

Kennzeichnend sind ein Großgefäß und eine große Anzahl von

beim heutigen Ort Grein als Aufenthaltsort einer gefährlichen

Schöpf- und Trinkgefäßen. Mittelgroße Gefäße enthielten ver-

Gottheit betrachtet wurde, die mit Opfergaben besänftigt oder

mutlich jene Flüssigkeiten, die im Großgefäß abgemischt wur-

beschwichtigt werden musste, wollte man sicher hindurchfahren.

den. Die glänzend geglättete Gefäßoberfläche sollte wertvolle

77

Metallgefäße nachahmen. Hier sind auch jene Geschirrsätze aus

11.3.4 Keramikgefäßdepots – für Trinkgelage? Unter Keramikgefäßdepots werden bewusste Niederlegungen

Hortfunden anzureihen, bei denen kostbares (Prunk-)Geschirr aus Bronze und auch aus Gold zum Einsatz kam.81 Fragt man nach der dahinterstehenden Absicht, könnte diese in imaginierten Trinkgelagen gefunden werden. Als Festteilnehmer sind ausgewählte Mitglieder der menschlichen Gemeinschaften

von Geschirrsätzen auf der Sohle von Gruben verstanden. In der

und die geistige Welt (bestimmte Götter?) vorzustellen, die im

Regel handelt es sich um unbenutzte, neue Gefäße, die mit gro-

Erdboden zu erreichen waren.82

ßer Wahrscheinlichkeit für den speziellen Zweck angefertigt und

Vergrabene Trinkgarnituren finden sich in Mitteleuropa seit der

mit Getränken (und Speisen?) befüllt waren.78 Sie wurden sorg-

ausgehenden Kupferzeit und während der gesamten Bronzezeit,

fältig und auf ähnliche Weise zusammengestellt und durch die

mit einer besonderen Häufung in der mittleren Bronzezeit.83

75 Das Hauptfundgebiet bildet die schmälere Wasserstraße nördlich der Insel Wörth bei Werfenstein, die nur von kleineren Schiffen befahrbar war, Pollak 1986, 2, Abb. 1 (Nr. A, als „Waldwasser“ bezeichnet).

79 Krenn-Leeb 2014, 27.

76 Pollak 1986, 58.

82 Metzner-Nebelsick 2012, 170.

77 Pollak 1986, 64, Taf. 2/11, Grein, Fundstelle Waldwasser (Abb. 1A). 78 Palátová/Salaš 2002, 145 f.

80 Überlegungen dazu auch Palátová/Salaš 2002, 145. 81 Metzner-Nebelsick 2003, 100–106. 83 Palátová/Salaš 2002, 87, 135, Abb. 14; Lindinger 1998/1999; Lauermann/Hahnel 1998/1999; Palátová/Salaš 1998/1999.

295

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Ein räumlicher Schwerpunkt liegt in einem klar umrissenen Gebiet, das sich mit dem heutigen Niederösterreich nördlich der Donau, Südmähren und der Südwestslowakei umschreiben lässt, wo ab dem Ende der älteren Bronzezeit bis in die mittlere Urnenfelderzeit (Ha  A2/B1) zahlreiche Keramikgefäßhorte bekannt wurden.84 In der späten Urnenfelderzeit endet dieser Brauch schlagartig, obwohl die zahlreichen Darstellungen auf den bronzenen Weinbehältern (Situlen) der Eisenzeit die zentrale Rolle der Trinkgelage im Kultgeschehen belegen. In Anlehnung an die griechischen Symposien war dieser Akt des gemeinsamen geselligen Trinkens ein kultur- und zeitenüberspannender, fester Bestandteil von Großereignissen aller Art und ist es bis heute geblieben (siehe Pkt. 11.3.5 Festessen – Kultmahl – Ahnenkult). An Beispielen für Keramikgefäßdepots aus Niederösterreich sind hier die Fundstelle Gobelsburg mit insgesamt drei Niederlegungen und ein Altfund aus Oberravelsbach angeführt, dessen Keramik weitreichende Kultur- und Handelskontakte aufzeigt.

Abb. 11_12. Gobelsburg. Das Keramikgefäßdepot (SE 774) ist ein schönes und kenn­ zeichnendes Beispiel: Vierzig Trink- und Schöpfgefäße (Tassen/Henkel­ schalen) wurden um ein Großgefäß platziert, das vermutlich ein Getränk enthielt (Foto: ASINOE).

Gobelsburg Der urgeschichtliche Siedlungsplatz von Gobelsburg bei Langenlois (VB Krems-Land)85 wartet mit einer archäologischen Sensation auf, weil dort über mehrere Jahrhunderte hindurch Horte vergraben wurden. Das markante Fundgelände liegt auf einem Geländesporn, dessen Ostseite steil zum Augebiet des Kamps abfällt. Mehrere Vorratsgruben sind der ausgehenden Mittelbronzezeit und der Urnenfelderzeit zuzuweisen. In drei dieser Gruben wurde jeweils ein Keramikgefäßhort mit unterschiedlicher Zusammensetzung angelegt: Das Gefäßdepot SE 1964 der späten Mittelbronzezeit besteht aus 14 Tassen, die paarweise – je eine große und eine kleine Tasse – am Grubenrand niedergelegt wurden.86 Als ein typischer Verband von aufrecht stehenden – gefüllten? – Gefäßen finden sich in Gobelsburg in einem Fundverband rund 40 Tassen von zweierlei Größen, die sorgsam um ein Großgefäß (Zylinderhalsgefäß) gruppiert sind (SE 774) (Abb. 11_12). Weitere sieben Henkelschalen könnten als Schöpfgefäße gedacht gewesen sein. Sie datieren in die ältere Urnenfelderzeit. In das mit-

Abb. 11_13. Gobelsburg. Bei diesem Keramikgefäßdepot (SE 986-1683) reihen sich fünf Großgefäße um absichtlich zerbrochene Trinkgefäße, die sich wahr­ scheinlich in einem vergänglichen Beutel befanden. Vier der fünf Großgefäße wurden mit der Mündung nach unten abgestellt (Foto: ASINOE).

tig aufgestellte Großgefäß wurden allerdings zahlreiche Tassen sorgfältig gestapelt. Möglicherweise war der Umtrunk bereits

fünf Töpfe entlang des Grubenrands, von denen nur einer auf-

zum Teil abgeschlossen, als es zur Überdeckung kam.

recht stand, während die vier anderen verkehrt abgestellt waren

Kennzeichnend für Gefäßhorte sind auch absichtlich zerbroche-

(Abb. 11_13). In der Grubenmitte wurde ein Behältnis mit den

nes Trinkgeschirr und auf den Kopf gestellte Gefäße. In der zeit-

zerscherbten Überresten von ehemals 32 vollständigen Tassen

gleichen Grube SE 986-1683 von Gobelsburg (Ha A) reihen sich

deponiert.87 In diesem Fall könnte das Symposion ebenfalls real stattgefunden haben. Das benutzte Geschirr wurde zerschlagen

84 Palátová/Salaš 2002; Palátová/Salaš 1998/1999. 85 Kultus/Schmitsberger/Stöckl 2010. 86 Krenn-Leeb 2014.

296

und als Zeugnis des Ereignisses eingebettet. 87 Eine Henkelschüssel, eine Schale, drei große, 13 mittelgroße und 14 kleine Tassen, Krenn-Leeb 2014, 29.

11.3 Kult und Religion

Das mehrfache Vorliegen tönerner Geschirrsätze aus der Mittel- bis Spätbronzezeit (15.–12. Jh. v. Chr.) im heutigen Gobelsburg führt zu der Überlegung, ob Keramikhorte nicht allgemein häufiger angelegt wurden, als die archäologischen Fundberichte das widerspiegeln. Zerscherbte Keramikgefäße auf der Grubensohle werden schnell als nicht mehr gehobene Vorratsbehälter gedeutet. Allerdings können die vertretenen Gefäßtypen helfen, diese Frage zu beantworten, da Tafelgeschirr für Vorratshaltung ungeeignet und damit als Hinweis auf eine kultische Handlung zu werten ist.

Oberravelsbach Bei dem Gefäßverwahrfund von Oberravelsbach (VB Hollabrunn) handelt es sich um einen großen Tafelgeschirrsatz aus 33 feinkeramischen Tassen und Schüsseln sowie einem Zylinderhalsgefäß als Trankbehälter und mehreren Schalen (Ha  A2/B1) (Abb. 11_14).88 Der Verband fand sich in einer Grube mit Brandschutt. Bemerkenswert ist, dass ein Großteil der Tassen enge 88 Lochner 1986b, Taf. 1–6 (Fundstelle 1).

Abb. 11_14. Oberravelsbach. Bei dem Keramikgefäßdepot handelt es sich um einen großen Geschirrsatz aus feinkeramischen Tassen (eine Auswahl ist hier abgebildet) und Schalen, einigen Schüsseln sowie einem großen Zylinderhalsgefäß als Trankbehälter (Ha A2/B1) (Foto: L. Streinz, Grafik: M. Lochner).

297

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Beziehungen zum Westen (Böhmen und Niederbayern) aufweist.

Gesicherte Nachweise rituell genutzter Bauwerke sind für die

Ihre kennzeichnende Verzierung ist der Attinger Dekor, der im

Urnenfelderzeit noch kaum zu erbringen. Belege liegen außer-

Wesentlichen aus waagrechten Rillenbändern und begrenzen-

halb des Betrachtungsraums und stehen meist in Zusammen-

den feinen Kerbreihen besteht. Durch die unterschiedliche Ton-

hang mit Ahnenverehrung am Gräberfeld.94

zusammensetzung der einzelnen Tassen ist sogar mit einigen

Ein Beispiel kann man aus Stillfried an der March nennen, wo sich

importierten Stücken zu rechnen. Das Großgefäß belegt Verbin-

Gruben mit Menschen- und Tierniederlegungen am höchstgele-

dungen zu Nordtirol und unterstreicht die Westkomponente des

genen Bereich der Anlage entlang der inneren Wallflanke häufen.

Fundverbandes noch zusätzlich. Die Schulterzier setzt sich aus

Über einer menschlichen Sonderbestattung mit sieben Personen

nicht ganz regelmäßig aneinander gereihten Ritzmotiven zusam-

(V1141) wurde ein Holzbau (V2274) errichtet. Anpassende Kera-

men, darunter vor allem schraffierte Dreiecke als Sanduhr- und

mikfunde vom Holzbau und der Grubenverfüllung zeigen eine di-

Doppelaxtmotiv.89 Möglicherweise verbirgt sich dahinter eine

rekte Verbindung an. Diese Menschengruppe gehörte mit großer

über die reine Zier hinausgehende Botschaft, die sich uns nicht

Wahrscheinlichkeit einer höheren Gesellschaftsschicht an und

erschließt (siehe Pkt. 11.3.6 Kalender in Ton). Die ganze Ge-

verstarb annähend gleichzeitig eines unbekannten Todes. Sie

schirrgarnitur könnte über längere Zeit in ritueller Verwendung

wurde am höchsten Punkt der Anlage bestattet, was annehmen

gestanden sein, was die gemeinsame Entäußerung im Boden

lässt, dass ihr Tod zumindest allgemein wahrgenommen wurde.

erklären würde, da solche Gegenstände für eine Alltagsnutzung

Der Holzbau wird als Kult- oder Gedenkstätte gedeutet, die sich

tabu waren.

auf dieses Ereignis bezog (siehe Pkt. 11.3.5 Menschliche Sonderbestattungen).95 Die Wallanlage ist als beeindruckende Grenzlinie ein wirkmächtiges Zeichen für Herrschaft und Gewalt. Auf

11.3.5 Orte – Gaben – Handlungen

ritueller Ebene stellt sie einen klassischen Schwellenort dar, wo man sich einen Übertritt in die andere, jenseitige, Welt besonders gut vorstellen kann.

Ritualorte – Kultplätze – Kultbauten Rituale finden oft in Grenzbereichen zwischen unterschiedlichen Welten statt, was sich räumlich in Zugangsbereichen aller Art

Verbrennen von Opfergaben – der direkte Draht zum Himmel

niederschlägt. Darunter sind Hauseingänge, Toranlagen, Höhlen-

Das Feuer hat eine überaus symbolkräftige Bedeutung bei Opfer-

öffnungen, Talzugänge oder sonstige eindrucksvolle Naturgebil-

handlungen, da es den Zerstörungsvorgang und seine Umwand-

de wie Felsentore zu nennen, die auch als naturheilige Plätze be-

lungskraft unmittelbar vor Augen führt. Von der neuen ver-

zeichnet werden.

stärkten Gewichtung der Verbrennung bei den großen Ritualen

90

Eine Häufung von Sonder(be)funden kann einen Kultplatz an-

während der Urnenfelderzeit (Scheiterhaufen, Brandopferplatz)

zeigen91, wobei C. Colpe die Belegungsfortdauer von Kultstät-

ist ein Wandel in der geistig-spirituellen Vorstellungswelt abzu-

ten und oft deren natürliche Außergewöhnlichkeit betont. Hier

leiten. Durch den aufsteigenden Rauch entsteht ein Himmels-

sind auch Quellen, Moore und Höhlen angesprochen.93 Für einen

bezug, der im damaligen Verständnis möglicherweise in direk-

Kultplatz ist der Nachweis von Feuer kennzeichnend, da Feuer im

ter Kommunikation mit der (vergöttlichten) Sonne stand. Auch

Ritual nie fehlen darf.

bei jenen Kulthandlungen bzw. Zeremonien, die unverbrannte

In Niederösterreich sind vor allem die (Opfer-)Gaben als Zeugnis-

Leichen oder Tierkadaver in Gruben einbrachten, finden sich

se der Zeremonien erhalten. Als Ritualorte sind hier Bestattungs-

Hinweise auf Feuer (z. B. Feuernachweise bei den Siedlungs-

92

plätze mit Verbrennungsstätte, Totenschmaus, Zerschlagen des

bestattungen in Stillfried an der March). Da das Feuer im Kult-

Geschirrs usw. festzumachen. Höhlenaktivitäten und Brand-

geschehen unverzichtbar ist, ist die Himmelsebene praktisch

opferplätze sind nicht belegbar.

immer mit einbezogen.

89 Lochner 1986b, 303 f., 306, Taf. 2/10. 90 Zipf 2003, 13; Morrissey 2011; Baumeister 2011,34–37. 91 Colpe 1970. 92 Auch Beilke-Voigt 2015, 20; C. Colpe erwähnt auch (mögliche) beson­ dere Umstände beim Auffinden des rechten Orts, die archäologisch nicht zu belegen sind, Colpe 1970, bes. 32–34; auch Zipf 2003, 14.

94 Metzner-Nebelsick 2012, 158; Baumeister 2011, 20–21.

93 Reim 2011, 12.

95 Hellerschmid 2015, 226.

298

11.3 Kult und Religion

Exkurs: Brandopferplätze

Es kann kaum Zweifel daran bestehen, dass diese gemeinschaft-

Bei den Brandopferplätzen handelt es sich um Stätten von so-

nen Brandopferplätze.

lich genutzte Kultstätte den gleichen Zweck erfüllte wie die alpi-

wohl Blut- als auch Brandopfern.96 Sie sind bisher aus dem Bereich der Ostschweiz bis ins östliche Südtirol bekannt97 und durchlaufen eine lange zeitliche Entwicklung vom Ende der Mittelbronzezeit (14. Jh. v. Chr.) bis in die beginnende Römische

Naturwissenschaftliche Untersuchungen zeigen immer mehr,

Kaiserzeit. Sie finden sich meist an herausragenden Plätzen ab-

dass das Darbringen landwirtschaftlicher Erzeugnisse an den

seits der Siedlungen.

(alpinen) Brandopferplätzen die Regel darstellte, wobei Getrei-

In der Bronzezeit wurden vorwiegend Pflanzen98 und Tiere99

de auch weiterverarbeitet als Brei und Brot gespendet wurde.105

sowie entsprechende Nahrungsmittel geopfert. In Ausnahme-

Es gibt Hinweise darauf, dass Tier- und Pflanzenopfer gemein-

fällen kann aufgrund verkohlter Pflanzenarten und des Todes-

sam erfolgten, was auch aus antiken Schriftquellen belegt ist.

zeitpunkts von getöteten Jungtieren (Opfertieren) auf den Fest-

Als Zeitpunkt der Opferungen ist Hochsommer bis Herbst festzu-

zeitraum geschlossen werden, der zwischen (Spät)Sommer und

machen.106 Damit ist jener Zeitraum umrissen, in dem die Feld-

Winter fiel.100

früchte geerntet wurden und möglicherweise als Erstlingsopfer

Ab der Eisenzeit kam es dann zur Weihung metallischer Gegen-

(gemeinsam mit den Erstgeborenen der Herden?) im Rahmen

stände, die am Ende der Entwicklung in der Römischen Kaiser-

von Erntedankfesten verbrannt wurden (siehe Pkt. 11.3.1 Exkurs:

zeit die Blutopfer vollständig verdrängt haben.

Ritual).

Eine Fundsituation in Süddeutschland (Knittlingen im Enzkreis)

Auch aus unserem Raum sind Getreideopfer bekannt. Wiederum

zeigt an, dass auch im Flachland mit solchen Kultstätten zu

ist es Stillfried an der March, wo entsprechende Hinweise do-

rechnen ist. Dort wurde nämlich am Rand einer großen urnen-

kumentiert wurden, wobei das augenfälligste Beispiel zugleich

felderzeitlichen Siedlung (Ha A2–B3) ein jahrzehntelang genutz-

das am wenigsten Erklärbare ist: Eine Grube vom Wallbereich

ter Brandopferplatz entdeckt

, bestehend aus einer mächti-

(V1133) enthielt nämlich große Mengen veraschter Gersten-

gen Brandschüttung von einander wechselweise überlagernden

spelzen. Dabei handelt es sich um Verbrennungsrückstände

101

Die Funde – absichtlich zer-

von etwa 40 kg Gerstenkörnern bzw. 10–20 kg spelzenreichem

schlagene Schalen103, Tierknochen und viele verbrannte Körner

Abfall.107 Es konnte nicht geklärt werden, wie so eine Substanz

und Samen – sind unschwer als Überreste von Brandopfern

zustande kommt; mit alltäglichen Handlungsschritten hat es

und Opfermahlzeiten zu deuten. Auch zahlreiche unverbrannte

sehr wahrscheinlich nichts zu tun.108 Ein Miniaturgefäß (Deckel-

Mondidolbruchstücke mit Sonnenmotiven und Tierkopfenden

dose) war mit dieser besonderen Asche gefüllt (Abb. 11_15). Die

sind darunter.

beutelförmige Grube V1133 barg des Weiteren den Schädel ei-

Brand- und Ascheschichten.

102

104

nes Mädchens (ohne Unterkiefer) mit tödlichen Hiebverletzungen (siehe Kap. 10, Abb. 10_14), das Skelett eines Hundes und 96 Metzner-Nebelsick 2012, 170; Zohmann/Forstenpointer/Galik 2010, 832, Tab. 2; Steiner 2010, 460. 97 Parzinger/Nekvasil/Barth 1995 unterscheiden die Brandopferplätze in einen inneralpinen und einen nordalpinen Typ. Während der inneralpine Typ durch große Mengen kalzinierter Tierknochen gekennzeich­ net ist, zeichnet sich der nordalpine Typ gerade durch das Fehlen von Tierknochen und meist auch Brandspuren aus. 98 Steiner 2010, 449–457; Heiss 2008; Heiss 2010, 811, Tab. 7. 99 Der weitaus größte Teil des Tierknochenmaterials stammt von jungen Rindern, Schafen und Ziegen, Krumm 2011a, 10; Tschurtschenthaler/ Wein 1996, 17; Steiner 2010, 457–463; Zohmann/Forstenpointer/ Galik 2010, v. a.832, Tab. 2. 100 Pucher in Vorbereitung, Kap. 8 Taphonomische Aspekte; Steiner 2010, 454. 101 Baumeister 1995, Baumeister 2011, 19. 102 Mit Ausmaßen von noch immer mehr als 40 m2 bei einer Tiefe von fast 1,5 m.

keramische Sonderformen (Backhaube, Backplatte, Webgewichte).109 Der Grubeninhalt wird als das entsorgte Inventar eines Kultplatzes gedeutet.110 Aus Stillfried an der March sind einige weitere Grubenbefunde mit einer größeren Menge an verkohltem Getreide zu nennen, darunter auch Saatgut. Da verkohltes Getreide allerdings auch als Folge von Kochunfällen oder Brandkatastrophen entsteht, ist ein eindeutiger Beleg für Pflanzenopfer im Siedlungsbereich kaum zu erbringen. Findet sich allerdings sorgfältig gereinigtes und verkohltes Saatgut gemeinsam mit einem jungen Feld105 Heiss 2008; Heiss 2010, 811, Tab. 7; Steiner 2010, 452–453. 106 Steiner 2010, 454. 107 Sauter/Wurst/Hoke 1976, 102, 107.

103 140 vollständig erhaltene Tongefäße, mehrheitlich Schalen.

108 Sauter/Wurst/Hoke. 1976, 108.

104 Mehr als 20 Mondidolbruchstücke mit Sonnenmotiven und Tierkopfenden.

110 Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung.

109 Eibner C. 1976, Taf. 26–30; Griebl/Hellerschmid 2013, 331–332.

299

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_15. Stillfried an der March. Diese keramische Sonderform, eine Deckeldose (Höhe 7 cm), war mit veraschten Gerstenspelzen gefüllt und zusammen mit einem Mädchenschädel mit runden Hiebverletzungen in die späturnenfelderzeitliche Grube V1133 am inneren Wallfuß eingebracht worden (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Pflanzenteile, wodurch der Mensch Zugang zu den dem Räucherwerk innewohnenden Kräften erhält. Ein in der Literatur für Niederösterreich gern zitierter Fund soll hier der Vollständigkeit und der Korrektur halber erwähnt werden: H. L. Werneck schreibt über „zwei Handvoll Bilsensamen“ aus einem 1932 in Leobersdorf bei Baden ergrabenen älter-

hasen(teil)skelett in einer Grube – wie in Verfärbung V643 von Stillfried

111

–, dann ist an Opfergaben zu denken (anlässlich

eines Fruchtbarkeitsrituals?).

urnenfelderzeitlichen Grab. Die Nachschau 2018 ergab indes, dass es sich tatsächlich um unverkohlte und deshalb wohl rezente Sämereien des Weißen Gänsefußes (Chenopodium album) handelt.115 Tatsächlich nachgewiesen ist das Bilsenkraut (Hyo­ scyamus niger) als Rauschmittel für die Hallstattzeit.116

Exkurs: Gerste im Kultzusammenhang Gerste nimmt im Kultzusammenhang unter den Getreidesorten

Festessen – Kultmahl – Ahnenkult

einen herausragenden Stellenwert ein, was sich in den antiken

Festmahle unterscheiden sich immer vom Alltagsgeschehen,

Schriftquellen bestätigt. Homer erwähnt Gerste als jenes Opfer-

sind aber nicht zwangsläufig rituell aufgeladen. Ein wesentli-

getreide, das vor der Schlachtung der Opfertiere zu streuen

cher Stellenwert kommt der politischen Ebene zu, da sich durch

war.112 Und im Mysterienkult des antiken Griechenland nimmt

den Austausch nicht haltbarer Güter ein spezieller Mechanis-

Gerste in einem beliebten Mischgetränk (mit Gerstenmehl und

mus von sozialer Zusammengehörigkeit und gegenseitiger Ver-

Minze) und als Opferkuchen (Weizen und Gerste) eine wesentli-

pflichtung bzw. Abhängigkeit ergibt.117 Gastgeschenke können

che Rolle ein.113 Erklärbar ist der hohe Anteil von Gerste insofern,

da einen Ausgleich bewirken. C. Metzner-Nebelsick geht davon

als die alljährliche Getreideernte mit der Wintergerste beginnt

aus, dass viele der wertvollen (Metall-)Gefäße und sonstige (Me-

und somit diese Getreideart das vorbestimmte Erstlingsopfer

tall-)Gegenstände aus Hortfunden ursprünglich Gastgeschenke

darstellt.114

waren.118

Zu den Pflanzenopfern zählt im weiter gefassten Sinn auch das im Ritual vielfältig eingesetzte Räucherwerk. Verräuchert werden meist pflanzliche Stoffe wie Baumharze und getrocknete 111 Kohler-Schneider 2001, 77–82; Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung. 112 Homer, Ilias I, 449, 458; II, 410, 421–429. 113 Giebel 2000, 20, 34. 114 Baumeister 2011, 20.

300

115 Werneck 1949, 71–72; Berg 1957, 28. Die Gänsefuß-Nüsschen waren vermutlich im Zuge der Vorratshaltung durch Ameisen in den Grabkontext eingebracht worden. Der Grund für die doch recht merkwürdige Fehlbestimmung durch E. Hofmann 1947/48 sowie durch H. L. Werneck 1948 konnte nicht mehr eruiert werden (persönliche Mitteilung von A. G. Heiss, mit Dank für die Bestimmung der Probe). 116 Urban/Kern D. 2011, 164–165. 117 Dietler 2001, 65; Öhlinger 2015, 174. 118 Metzner-Nebelsick setzt sich im Zusammenhang mit den wertvollen aus Hortfunden bekannten Metallgefäßen mit der wichtigen Funktion des Gastgeschenks auseinander, Metzner-Nebelsick 2003.

11.3 Kult und Religion

Abb. 11_16. Stillfried an der March, Grubenhaus V601. In unmittelbarer Nähe der Herd­ platte wurden neben einem vollständigen Hundekadaver große Teile eines geschlachteten Pferdes abgelegt, die wahrscheinlich im Rahmen einer Kultmahlzeit verzehrt wurden. Dem Hund könnte in diesem Verband eine symbolische Bedeutung zugekommen sein (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Beim Kultmahl werden Teile des nach bestimmten Ritualen geschlachteten (Opfer-)Tieres sowie sonstige Speisen und Getränke gemeinsam genossen. Dieser gesellige Verzehr stellt zu allen

Abb. 11_17. Plaika. Eine dicht mit zerbrochenen (Trink-)Gefäßen gefüllte Grube aus dem Bereich des Gräberfeldes (Foto: F. Preinfalk/ARDIG).

Zeiten einen ganz wesentlichen und unverzichtbaren Aspekt des Opfers dar und ist zugleich direkter Ausdruck der Kommunikati-

abgelegt. Da dem Hund ein mythologischer Bezug zur Totenwelt

on mit der Gottheit.119

zukommt, könnte in seiner Anwesenheit ebenfalls eine symboli-

Fleisch war damals für die meisten Menschen ein seltenes

sche Bedeutung liegen.

Nahrungsmittel, sodass das Tieropfer und die Bereitstellung

Die in den Verfüllungen urnenfelderzeitlicher Brandgräber auf-

Auch bedingte die

gefundenen Keramikgeschirrfragmente werden als Belege ritu-

große anfallende Fleischmenge ein Gruppenereignis, weil

eller Umtrunke bzw. Kultmahle gedeutet, die im Rahmen von Be-

Fleisch nicht haltbar war. Wie Schriftquellen der griechischen

stattungsritualen ausgeführt wurden. Damit ist der gemeinsame

von Fleisch meist Hand in Hand gingen.

120

Archaik (8.–7. Jh. v. Chr.) berichten, wurde auch in Fällen, wo

Genuss, der wohl auch den/die Verstorbenen einbezog, genau-

der Fleischverzehr das vorrangige Ziel der Schlachtung war, ein

so wesentlicher Bestandteil des zelebrierten Toten- und Ahnen-

kleiner Fleischteil den Göttern geopfert.121

kults. M. Kaus vermutet, dass in Stillfried an der March noch

In der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der

am Verbrennungsplatz der rituelle Leichenschmaus abgehalten

March dürften die Überreste eines nicht alltäglichen Festmahls

wurde. Abschließend wurden die Gefäße zerschlagen und in die

entdeckt worden sein. Es wurden nämlich in Herdnähe eines

Grabverfüllung geworfen.124 Es ist auch mit Trankopfern zu rech-

Grubenhauses (V601) große Teile eines geschlachteten und ver-

nen, die lange nach der Bestattung im Sinne eines regelmäßigen

speisten Pferdes abgelegt (Abb. 11_16). Da Pferdefleisch sehr

Toten- bzw. Ahnenkults durchgeführt wurden (siehe Kap. 9).125

selten am Speiseplan der Stillfrieder Bevölkerung stand (5 %

Sehr offenkundig zeigt sich der Brauch ausgiebiger Totenmahle

aller Tierknochen)122, ist hinter dem gemeinschaftlichen Ver-

bzw. ritueller Umtrunke im BZ  D/Ha  A-zeitlichen Brandgräber-

zehr eines ganzen Tieres und der auffälligen Entäußerung sei-

feld von Plaika (VB Melk), wo abseits des Bestattungsbereichs

ner Überreste ein Kultmahl zu vermuten.123 Unmittelbar neben

zwei dicht mit zerbrochenen (Trink-)Gefäßen gefüllte Gruben

den Pferdeüberresten wurde der Kadaver einer jungen Hündin

entdeckt wurden.126 Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei

119 Metzner-Nebelsick 2012, 162; Steiner 2010, 511–514; Piepke 2009, 63–64; Hirsch 2017.

Bestattung verwendete und danach einem weiteren, profanen

um jenes Geschirr, das man bei den Feierlichkeiten während der 120 Lehar 2017, 155–156; Isaakidou/Halstead 2013, 93. 121 Lehar 2017, 156.

124 Kaus M. 1984, 16–19.

122 Pucher 1982, 148–149.

125 Siehe auch Bartelheim/Heyd 2001.

123 Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung.

126 Müller/Preinfalk A./Preinfalk F. 2013.

301

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Gebrauch durch Zerschlagen entzog. Am Boden einer dieser bei-

In Stillfried an der March fand sich eine große Birkenpechknol-

den Gruben wurde ein kopfloser Tierkörper – Pferd oder Rind127 –

le134 in einer zylindrischen Grube am Innenfuß des westlichen

abgelegt, was die besondere Bedeutung dieser Objekte unter-

Abschnittwalls (V748).135 Die unregelmäßig geformte Knolle wog

streicht (Abb. 11_17).

250 g und war 15,5 × 12,5 × 3 cm groß. Baumpech stand als urzeitlicher Klebstoff vielseitig in Verwendung, sodass dieser wertvolle Gegenstand wahrscheinlich als Opfergabe im obigen Sinn

Rituale bei der Errichtung von Bauten (Bauopfer)

dort niedergelegt wurde.

Die archäologische Forschung geht davon aus, dass die Art und

In den aufgelassenen und rasch verfüllten (Getreide-)Speicher-

Weise, wie prähistorische Bauten errichtet, genutzt und letzt-

gruben von Stillfried an der March zeichnet sich ein Verfüllmuster

endlich wieder ihrem ursprünglichen Zweck enthoben wurden,

ab, das die Gruben axial in drei Bereiche teilt. Ob bzw. inwiefern

fest vorgeschriebenen Regeln und Handlungsschritten unterla-

mit vorgeschriebenen Abläufen bzw. Ritualen im Zuge der Auf-

gen.

lassung zu rechnen ist, war Thema einer Untersuchung.136

128

Werden einzelne, meist vollständige Fundgegenstände

in den Fundamenten von Bauwerken angetroffen, kann man daraus auf absichtsvolle Niederlegungen aus der Errichtungsphase schließen. Ihre Zahl ist quer durch die Zeiten als bescheiden einzustufen.

129

Menschliche Sonderbestattungen in Siedlungen – geregelte Ausnahmen?

Eine systematische Untersuchung solcher Befunde aus der spä-

Großteils unverbrannte menschliche Skelette bzw. Skelettteile

ten Bronzezeit und den Eisenzeiten erbrachte Regelhaftigkei-

aus Siedlungen sind in nahezu allen Abschnitten der mittel­

ten sowohl bei den abgelegten Gegenständen als auch bei der

europäischen Urgeschichte anzutreffen.137 Während der Urnen­

Lage.

So hat sich gezeigt, dass sich pro Gebäude meist nur

felderzeit belegen sie eine Praxis der Totenbehandlung, die

eine Deponierung findet, wobei drei Viertel aller Objekte jeweils

zeitgleich zur üblichen Brandbestattung am Gräberfeld durchge-

in einer Pfostengrube des südwestlichen Hausbereichs abgelegt

führt wurde. Auffallend stark ausgeprägt ist diese Erscheinung

130

wurden. Der Grund dieses Deponierungsmusters bleibt uns ver-

in der frühen und späten Bronzezeit, wobei der geografische

borgen.131 Unter den Bauopfern aus der Urnenfelderzeit überwie-

Schwerpunkt während der späten Bronzezeit nördlich des Unter­

gen vollständige keramische Trinkgefäße – Henkeltassen und

suchungsgebiets liegt (Böhmen, Mähren, Nord-, Mittel- und

Schalen – aus Pfostengruben.132 Sie sind als Trankopfer zu deu-

Süddeutschland).138 Auch in den östlich und südöstlich an-

ten, demgemäß der Inhalt wertvoller als das Behältnis gewesen

schließenden Gebieten Europas (Ungarn, Balkan) sind Siedlungs­

sein mag. Gespendet und niedergelegt mit der Bitte um ein lan-

bestattungen ein gut bekanntes Phänomen vom Neolithikum bis

ges Bestehen des Hauses wurden sie möglicherweise von jener

in die Eisenzeiten.139

Personengruppe, die den Hausbau gemeinschaftlich bewältig-

Das überregional übereinstimmende Erscheinungsbild der

te. Die große Zahl an Trinktassen im urnenfelderzeitlichen Kult­

spätbronzezeitlichen Siedlungsbestattungen sind vollständi-

zusammenhang spiegelt die enorme Beliebtheit ritueller Um-

ge, manchmal verlagerte menschliche Skelette, Teilskelette und

trunke und Trankopfer wider. Ab der Hallstattzeit werden dann

Einzel­knochen in Siedlungsgruben. Die Leichen(-teile) wurden

bevorzugt persönliche Gegenstände von teils sehr hohem Wert

zumeist im (waagrechten) Sohlenbereich der aufgelassenen

in den Pfostengruben abgelegt, darunter auch Schmuckgegen-

Vorratsgruben abgelegt, die man dann rasch verfüllte.

stände aus Bernstein und Gold. Dem könnte ein Analogiezauber

Es überwiegen Totenhaltungen in Bauch- und Seitenlage bei

zugrunde liegen, wodurch den Bewohnern Reichtum gesichert

lockerer Hockerstellung.140 Einige Leichen dürften auch in die

werden sollte (siehe 11.3.6 Exkurs: Schamanismus).

Gruben geworfen (z. B. Stillfried an der March, V841/SK1, 2

133

und 3) oder mit Tüchern oder Stricken (Fesselung) fixiert worden 127 Die archäologischen und zoologischen Untersuchungen stehen noch aus. 128 Beilke-Voigt 2007, 87, 90 f.; Weikart 2002; Piepke 2009, 53; Ulin Agan 2009, 151–153 (Beispiel aus Ethnologie). 129 Beilke-Voigt 2016, 124, 128. 130 Trebsche 2008, 70 f., 75; Abb. 4. 131 P. Trebsche verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Bestatteten der Hallstattzeit mit den Köpfen nach SW gelegt wurden, Trebsche 2008, 70.

134 Sauter/Jordis/Hayek 1996, 78, 86, Anm. 1, Abb. 3; Dobrezberger 2016, 52, Probe 113. 135 Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung. 136 Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017, 200 f.; Griebl/Biederer in Vorbereitung. 137 Siehe beispielsweise Müller-Scheeßel 2013. 138 Stapel 1999, 218; Wiesner 2009, 150–161, Liste 24, 902–907.

132 Trebsche 2008, 72 f.

139 Z. B. Ailincai 2016.

133 Trebsche 2008, 74.

140 Stapel 1999, 410, Fußnote 1809; Wiesner 2009, 150–151.

302

11.3 Kult und Religion

sein141 (z. B. Stillfried an der March, V841/SK7, 14). Kennzeichnend sind darüber hinaus Mehrfachbelegungen und Ansammlungen von Schädeln.142 Viel seltener finden sich Siedlungsbestattungen auch in (Gruben-)Häusern, Wallbauten und Gräben, wobei wir grundsätzlich ohnehin nur einen Bruchteil aller sterb-

Abb. 11_18. Stillfried an der March. Übersichtsplan der Wallanlage mit den späturnen­ felderzeitlichen Befunden, wovon die meisten kegelstumpfförmige (Speicher-)Gruben sind. Eingefärbt sind die Gruben mit menschlichen (Teil-)Skeletten (V601, V841, V1133, V1141/2350/2274) (Grafik: ARDIG, I. Hellerschmid, I. Petschko, S. Tikatsch auf der Grundlage der Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

lichen Überreste der damaligen Bevölkerung im archäologischen

Zentralort Stillfried an der March

Befund fassen.

Die große Zahl an unvollständigen Skeletten

In Stillfried an der March wurde die Praxis der Siedlungsbestat-

in den Gruben zeigt, dass die Verwesung teilweise an einem

tung aus den nördlichen Nachbarregionen (vor allem Mähren

anderen Ort erfolgt war, was auf zumindest zweistufige Bestat-

und Böhmen) übernommen und dürfte als Ausgangspunkt für

tungsvorgänge schließen lässt. In den meisten Fällen ist die

die weitere – bescheidene – Verbreitung in unserem Raum ge-

Todesursache unbekannt, sodass die dahinterstehenden Grün-

wirkt haben.145 Drei kennzeichnende Befunde sind die Gruben

de bzw. Ereignisse verborgen bleiben. Sie könnten mit Todesart,

V841, V1141 und V601 mit den Überresten von 31 Verstorbenen

143

sozialem Stand, Herkunft, kriegerischen Auseinandersetzungen,

in allen möglichen Vollständigkeitsgraden (vgl. weiter unten und

Ahnenverehrung144 oder auch Gründen wie Jahreszeit bzw. Not-

Kap. 10, Pkt. 10.4). Alle drei Befunde stammen vom höchstgele-

zeiten zu tun haben.

genen und am stärksten befestigten Bereich der Anlage (Hügel-

141 Stapel 1999, 207.

feld und Kirchhügel), der auch als Getreidespeicherplatz diente

142 Beispiel V5000 von Stillfried, Wagneracker, Griebl/Biederer in Vorbereitung. 143 Aspöck 2013, 34 mit weiterführender Literatur. 144 Einzelne menschliche (grob rechteckige) Kalottenteile und Unter­ kiefer(hälften) von der Wallanlage von Stillfried und der Nachweis von Schädelzertrümmerung unter den Siedlungsbestattungen (V841 und V601) lassen dahinterstehende Praktiken der Ahnenverehrung zumindest vermuten. Griebl in Vorbereitung b; Griebl/Biederer in Vorbereitung.

(Abb. 11_18). Die Bestattungen befinden sich folglich in einem speziellen (öffentlichen?) Bereich und waren sehr wahrscheinlich für die ganze Gemeinschaft von Bedeutung. 145 Weitere unverbrannte menschliche Skelette bzw. Skelettteile aus urnenfelderzeitlichen Siedlungen in Niederösterreich siehe Kap.10, Pkt. 10.4 (Thunau am Kamp, Mannersdorf am Leithagebirge, Unterradlberg); vgl. Stapel 1999, 218, 397 f.; Hahnel 1994, 177.

303

11. Gesellschaft, Kult und Religion

walls (V1154), was Siedlungsphase  III/1 zwischen 900–850  v. Chr. entspricht bzw. dem älteren Abschnitt von Ha  B3. Es gibt drei C14-Datierungen von V1141. Davon ist die dritte von einem menschlichen Knochen aus der Schicht über den „Sieben“, nur die beiden ersten Proben stammen direkt von den Skeletten der Siebener-Menschengruppe:150 1/1141: VERA-2918: 2745+-35 BP [980 BC (95,4 %) 810 BC, Mw. 895 BC] Knochen von SK1 (Mann, 30 Jahre, Sign. 09023) 2/1141: VERA-2919: 3000+-35 BP[1380 BC (95,4 %) 1120 BC, Mw. 1250 BC] Knochen von SK7 (9-jähriges Mädchen, Sign. 09029) Abb. 11_19. Stillfried an der March, Grube V1141, während der Ausgrabung im Sommer 1976 mit den Überresten der sieben Skelette (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

3/1141: Poz-78217: 2770+-30 BP [997 BC (95,4 %) 839 BC,

In zahlreichen weiteren Gruben fanden sich menschliche Einzel­

Im Vergleich zu den Skeletten aus V841 zeigen sie einen besse-

knochen, darunter besonders viele Schädel und deren Teil­

ren Gesundheitszustand bei größerem Körperwuchs.151 Alles in

Mw. 910 BC] menschlicher Knochen aus der Schicht über den sieben Skeletten (Fnr. 9208)

stücke wie (rechteckige) Kalottenbruchstücke und Unterkiefer

allem erscheint es naheliegend, dass sie Mitglieder der höheren

(hälften). Darauf sind Manipulationen wie Schnitte und Brüche

Gesellschaftsschicht waren. Die Todesursachen der „Sieben“

am kollagenhaltigen Knochen festzustellen146, wie sie allgemein

sind unbekannt, was Raum für unterschiedliche Szenarien

an Skelettresten aus Siedlungsbestattungen immer wieder vor­

schafft.152 Ein zeitgleicher, direkt über der Bestattungsgrube er-

kommen.147 Erklärungen lassen sich dafür schwer finden, zu

richteter Holzbau (V2274) steht in direktem Zusammenhang mit

überlegen sind Aktivitäten im Rahmen von Totenpraktiken. Wer-

diesem Ereignis und wird als darauf bezogene Kult- bzw. Gedenk­

den die urnenfelderzeitlich datierten Einzelknochen noch dazu

stätte gedeutet (siehe Pkt. 11.3.5 Ritualorte).153

gezählt, kommen wir auf eine Maximalanzahl von ca. 60 Indivi-

In die große Grube V841 (21 m3) wurden die Überreste von 23

duen, von denen Überreste in der Anlage von Stillfried gefunden

Individuen154 in mindestens vier Handlungsschritten gelegt

wurden.148

(Abb. 11_20) (dazu Kap. 10, Abb. 10_11). Während die Leichen

Bei V841 und V1141 handelt es sich um zwei kegelstumpf­

anfänglich noch vollständig im Sohlenbereich positioniert wur-

förmige Gruben von sehr unterschiedlicher Größe, die beide in

den, liegen die weiteren Individuen in unterschiedlichen Hal-

Wallnähe zu verorten sind.

tungen und Vollständigkeitsgraden samt Tierverbiss vor, was

In Grube V1141 (2,5 m3) wurden sieben vollständige Leichen ab-

für einen Erstlagerungsplatz an einem anderen Ort spricht. An

gelegt (ein Mann, zwei Frauen, vier Kinder) (Abb. 11_19) (dazu

den Skelett(-teil)en zeigen sich mit Gewalt einhergehende

Kap. 10, Abb. 10_10/1 und 10/2).

149

Die Bestattung datiert an

den Beginn des Bauabschnitts  II des westlichen Abschnitts146 In Stillfried großteils von Einzelknochen: z. B. Schnitte am Oberarm­ bruchstück eines Kindes aus V1044, einer undatierten Grube vom Hügelfeld (St. 4430), Schnitte am Schädel der Frau aus V601; Brüche: St. 4570/V377, St. 4443/V445, St. 4772/V1047 (Wiltschke-Schrotta/ Marschler in Vorbereitung). 147 Z. B. Altdorf-Römerfeld, Grube 361: ein menschlicher Humerusschaft, Epiphysenfuge wurde abgeschlagen, Stapel 1999, 50, Bz D (Stapel 1999, 59); Blucina-Cezavy: Salaš/Dočkalova/Horáčková et al. 2012, 204, 207, Abb. 36, 40 (Obj. K7/90): Linkes Schienbein von Skelett 10/90 mit Längsschnitten ohne Heilungsmerkmale; rechtes Waden­ bein von Skelett 12/90 mit denselben Merkmalen (Ha A).

150 1/1141 und 2/1141: VERA Eva Maria Wild, VERA-Laboratorium Institut für Isotopenforschung und Kernphysik, Universität Wien, Währinger­ straße 17, 1090 Wien; Hellerschmid 2006, 293. – 3/1141: Poz Dr. Tomasz Goslar, Poznan Radiocarbon Laboratory, Foundation of the Adam Mickiewicz University, ul. Rubiez 46, 61-612 Poznan, Poland. 151 Entsprechend der niedrigeren Anzahl an Entzündungsanzeigern an den Knochen siehe Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung, Griebl in Vorbereitung b. Zur größeren Körperhöhe (V1141) Breitinger 1980, 61: Mann SK1: Körperhöhe 172 cm „übermittelgroß“; bei Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung: SK1 173 cm usw.; beide Frauen aus V1141 zeigen am Schädeldach je eine Knochennarbe, was für gute medizinische Versorgung sprechen kann, Breitinger 1980, 76–78. 152 Hellerschmid 2015, 226.

148 Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung.

153 Hellerschmid 2015.

149 Hellerschmid 2015; Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020.

154 Wiltschke-Schrotta 2006; Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung.

304

11.3 Kult und Religion

Abb. 11_20. Stillfried an der March, Grube V841. Schematische Darstellung der vier Skelettlagen mit insgesamt 16 menschlichen Skeletten oder Teilskeletten (SK1–4, 5/1, 5/2, 6–15). In Skelettlage 4 wurden auch verbrannte Knochenstücke von mindestens sieben weiteren Individuen (SK16–22) gefunden (Grafik: bearbeitet von I. Hellerschmid und St. Tikatsch auf der Grundlage der Grabungsdokumentation Stillfried, Landessammlung Niederösterreich, Bereich Ur- und Frühgeschichte).

Auch diese Vorgänge datieren in Siedlungsphase  III/1, als die zweite – die letzte und mächtigste – Ausbauphase der Wallanlage (Wall  II) bereits abgeschlossen war. Die Phasenzuordnung nach III/1 erfolgt auf der Grundlage von C14-Daten, welche mit der archäologischen Zeitstellung übereinstimmen:155

Manipulationen, die alle an den bereits toten Körpern durch-

1/V841: Poz-59980: 2735+-30 BP [970 BC (95,4 %) 814 BC,

geführt worden sein könnten – darunter eine Schädelzertrüm-

Mw. 892 BC] Knochen von SK1 (Mann, 40–60 Jahre,

merung bei einem 10- bis 12-jährigen Kind (SK5/2), von dem keine sonstigen Knochen vorhanden waren. Fesselung (SK7) und

matur, Sign. 09041, Fnr. 13150) 2/V841: Poz-59981: 2735+-30 BP [998 BC (95,4 %) 838 BC,

Schnürungen (SK14) (Abb. 11_21) können auf Transportzwecke

Mw. 918 BC] Knochen von SK12 (Kind, 7–10 Jahre,

zurückzuführen sein. Zuletzt dürften drei Leichen(teile) in die

Infans II, Sign. 09053, Fnr. 13150)

noch heiße Ascheschicht geworfen worden sein, in der sich verbrannte Körperteile von weiteren sieben Individuen befanden.

155 Hellerschmid 2015, 208: stellt V841 in die Siedlungsphase III/2 (etwa 850–800/780).

305

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_21. Stillfried an der March, Grube V841. Das Bild zeigt SK14 (20- bis 25-jährige Frau) und SK15 (3- bis 4-jähriges Kind) in Fundlage. Die extreme Hocker­ stellung von SK14 lässt eine Fesselung vermuten. Der Unterteil eines Topf­ es mit Bodenloch ist zwischen SK14 und SK13 (Schädel links im Bild) gut zu erkennen (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessamm­ lungen, Ur- und Frühgeschichte).

jenen zwischen der älteren Frau SK5 und dem Knaben SK6. Diese beiden Skelette fanden sich in sehr enger, aufeinander bezogener Lage (Abb. 11_22), was sich gut mit diesem Ergebnis deckt, demnach dort Mutter und Sohn bzw. Großmutter und Enkel bestattet sind. Die Menschenniederlegungen von Stillfried an der March wer-

Wir wissen, dass die Grube zwischenzeitlich und auch nach der

den von vielfältigen Sonderfunden begleitet, die sich vor allem

letzten (vierten) Einfüllung abgedeckt war, sodass möglicher-

aus Teil- und Bruchstücken von Webgewichten, Feuerböcken,

weise mit weiteren Einbringungen gerechnet wurde. Alles in al-

Mahlsteinplatten (Abb. 11_22) und so fort zusammensetzen. Im

lem fügt sich diese Massenbestattung gut in das oben gezeich-

Beckenbereich eines Jugendlichen (SK4 in V841) wurde ein Korb

nete Bild von Totenbehandlungen im Siedlungsbereich.

mit unbekanntem Inhalt abgestellt. Der Unterteil eines Keramik-

Beim dritten Befund (V601) wurde eine Frauenleiche mit einge-

topfes wurde nachträglich mit einem Bodenloch versehen, be-

schlagenem Schädel in einem Grubenhaus abgelegt. Danach

füllt (?) und beim Kopf der Frau SK13 in V841 abgestellt (siehe

entzündete man ein Feuer, das ihren Körper bauchseitig zerstör-

Abb. 11_21).

te (siehe Kap. 10, Abb. 10_13). Überraschend sind die Ergebnisse der aktuellen naturwissenschaftlichen Untersuchungen zu Herkunft156 und Blutsverwandt-

Tierniederlegungen in Siedlungen

schaft (mtDNA-Untersuchungen) der Individuen aus den Siedlungsbestattungen (V841, 1133, 1141, siehe Abb. 11_18): Der

Stillfried an der March – Menagerie vor 2900 Jahren?

Anteil von auswärtig aufgewachsenen und „einheimischen“ Per-

Tierniederlegungen im Siedlungsbereich sind eine seltene Er-

sonen hält sich in den Verfärbungen nämlich in etwa die Waage.

scheinung. Eine Ausnahme ist die bereits gut erforschte Wall-

Zum Zeitpunkt ihres Todes waren sie alle bereits seit Längerem

anlage von Stillfried an der March, wo am Hügelfeld ganze Tier-

in Stillfried und Umgebung ansässig und damit sehr wahrschein-

kadaver – Wild- und Haustiere – in mehreren aufgelassenen

lich Mitglieder der dortigen Gemeinschaft.

Speichergruben abgelegt wurden (siehe Kap. 6, Pkt. 6.4.2). Es

Die für V1141 durchgeführte Untersuchung zur Blutsverwandt-

herrscht der Rothirsch vor, gefolgt von Hausschwein und Feld-

schaft (über die Mutterlinie

157

) zeigte nur einen Treffer, nämlich

156 Sr-Isotopenanalysen: Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020. 157 Parson/Eduardoff/Xavier et al. 2018.

306

hase. Kennzeichnend sind Einzel- und Mehrfachbelegungen von Wildtieren, während die Haustiere meist einzeln vorgefunden wurden. Die Kombination von Haustier und Mensch liegt zweimal vor, indem jeweils ein einzelner menschlicher Schädel ohne

11.3 Kult und Religion

Abb. 11_22. Stillfried an der March, Grube V1141. Dreiergruppe der unteren Skelettlage: Am „Schoß“ der älteren Frau SK5 befindet sich zu ihrer Rechten (linker­ hand) der Knabe SK6, dessen Füße so positioniert wurden, dass sie unter den Oberschenkeln der Frau einhaken. An ihrer linken Seite der ältere Knabe SK4. Im Kopfbereich der Dreiergruppe wurde eine vollständige Reib­ platte abgelegt (Foto: Bildarchiv Anthropologische Abteilung/NHM Wien).

Abb. 11_23. Stillfried an der March. Grube V628 während der Ausgrabung im Jahr 1982. Im Zentrum ist der mächtige Hirschschädel zu sehen, in der rechten oberen Ecke der in der Grube verendete Wolf in Todesstellung und im Vordergrund Teile der Wölfin. Die weiteren Knochenabschnitte gehören großteils zum Hirsch. Beide Wölfe lebten vermutlich in Gefangenschaft (Foto: Grabungs­ dokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Unterkiefer mit Hund (V1133) bzw. mit Schwein (V0445) verge-

sich ein altes Wolfspaar und ein junger Hirsch etwa 60 cm über

sellschaftet ist. Sehr bemerkenswert ist die Tatsache, dass die

der Sohle befanden (Abb. 11_23 und Abb. 11_24).

meisten abgelegten Wildtiere – darunter viele sehr alte Tiere – in

Beim männlichen Wolf handelt es sich um den einzigen gesi-

Gefangenschaft gehalten und sogar gezüchtet wurden (Hirsch,

cherten Nachweis eines Tieres, das lebendig in eine der Gruben

Wolf, Feldhase, Fuchs).

158

gelangte. Er dürfte den Hirsch als Nahrung erhalten haben und

Ein Gutteil der niedergelegten Tiere starb in jungen Jahren, darun-

später mangels Nahrungsnachschub in den Hirschknochen ge-

ter zahlreiche Haustiere (Hunde, Schweine, Rinderkalb, Bastard­

bissen haben, bevor er verstarb.160 Direkt im Zentrum der Gruben­

ferkel, Wildschweinfrischling, Feldhasen, einige Rot­hirsche). Die

sohle wurde eine mächtige Geweihstange auf einer Keramik­

Todesursachen sind nur von zwei Tieren bekannt, dennoch konn-

unterlage abgelegt.

te E. Pucher in vielen Fällen den Todeszeitpunkt mit Herbst und

Nachgewiesene Zuchterfolge sind ein Phänomen, das in Stillfried

Winter bestimmen159, wenn die männlichen Rothirsche im Voll-

an der March kein Einzelfall ist und im Grund (bisher) keine Par-

besitz ihres Geweihs stehen. Eine Hirschkuh starb an einer Fehl-

allelen hat. Es gilt allerdings zu bedenken, dass die Tierknochen­

geburt (V1140) (siehe Kap. 6, Abb. 06_14); eine weitere erlag ih-

analysen in der Vergangenheit oft nicht auf diese Fragestellung

ren durch einen Unfall erlittenen Verletzungen (V994). Unter den

hin durchgeführt wurden. Entsprechende systematische Unter-

Sonderfunden aus dem direkten Umfeld der Tierdepositionen ist

suchungen könnten hier die Diskussion vorantreiben.

ein Geweihanhänger in menschlicher Form hervorzuheben, der

Der Aufwand, Wildtiere bis ins hohe Alter durchzufüttern und so-

sich im Halsbereich der Hirschkuh aus V1140 fand (siehe Abb.

gar zu züchten, spricht dafür, dass diesen Tieren eine große Be-

11_33, dazu Kap. 6, Abb. 06_14).

deutung für Besitzer und Betreiber zukam. Denkbar ist, dass die

Besonders interessant und aussagekräftig ist die große Grube

Tiere bei religiösen Festen und Prozessionen eingesetzt wurden,

V628 (Dm. 3,5 m, rek. Tiefe 2,9 m, rek. Volumen 11,54 m3), in der

um die Dramatik eines dargebotenen mythischen Geschehens

158 Pucher 1986; Pucher 2017; Pucher in Vorbereitung.

160 Pucher 2017, 211, Abb. 6; Pucher in Vorbereitung, Kap. 8 Taphonomi­ sche Aspekte; ähnliche Situation in V2648 mit vom Fuchs angebisse­ nem Wildschweinfrischling(-knochen), Pucher 2017, 211–212, Abb. 7.

159 Pucher in Vorbereitung, Kap. 8 Taphonomische Aspekte.

307

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_24. Stillfried an der March, Grube V628. Lage der Tierskelette, Detailansicht. Die Hirschteile (grün) liegen zuunterst. Wolf 1 liegt darüber (rot). Zuoberst befinden sich Teile der Wölfin (Wolf 2, gelb) (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte, Bearbeitung: E. Pucher/NHM Wien).

11.3.6 Religiöse Kommunikation Symbole Sonne – (Wasser-)Vogel und Vogelsonnenbarke –

zu steigern.161 Immerhin befinden wir uns an einem Zentralort,

(Vierspeichen-)Rad – Doppelaxt, Lanzettform und Sanduhr-

wo wirtschaftlich und politisch andere Gesetzmäßigkeiten zum

schild – Dreieck und anthropomorphe Abwandlungen

Tragen gekommen sein könnten bzw. das Machtgehabe der dort ansässigen Elite in vielerlei Hinsicht seltsame Blüten getrie-

Symbole sind Zeichen, die zwischen der gegenwärtigen Gesell-

ben haben könnte. Eine Menagerie könnte eine solche gewe-

schaft und wesentlichen Ereignissen aus der mythischen Vergan-

sen sein.

Die benötigten Tiere mussten gefangen, gezähmt

genheit vermitteln.164 Ihre Bedeutung liegt demnach im Leben-

und angelernt werden, um bei den großen Ereignissen ihre Rol-

dighalten von Werten und Geschehnissen, die der Gesellschaft

len zufriedenstellend und mit großer Wirkkraft ausüben zu kön-

ihren Sinn verleihen. Für die praktische Umsetzung sind Riten

nen. Möglicherweise handelte es sich um Tiere mit besonderen

notwendig, welche die Religion und deren Glaubensinhalte be-

162

Körpermerkmalen wie Fellzeichnungen, Geweihformen usw. In

greifbar machen. Sinnbilder finden sich auf Gegenständen aller

der Folge könnte ihnen eine schlichte Verehrung zugekommen

Art, wo sie als Glücksbringer und Heilszeichen eingesetzt wer-

sein, die sich in einem Speiseverbot für Mensch und Tier aus-

den. Obwohl sie grundsätzlich in allen Bereichen der menschli-

drückte.

163

Gut angelernte Tiere waren dann bis ins hohe Alter im

Einsatz (Hirschkuh, Wölfe, Fuchs). 161 Lang 2009, 40–41.; Ulin Agan 2009, 152–153; Metzner-Nebelsick 2012, 165.

chen Kultur vorkommen, werden sie von archäologischer Seite meist in einen religiösen Zusammenhang gestellt, da mit einer klaren Trennung zwischen dem Alltäglichen und dem Heiligen nicht zu rechnen ist.

162 Pucher 2017, 219 f. 163 Griebl in Vorbereitung a.

308

164 Minta-Tworzowska 2000, 53; Beilke-Voigt 2015, 11–13.

11.3 Kult und Religion

Abb. 11_25. Die in der mittleren und späten Bronzezeit Europas verwendeten Symbole lassen sich im Großen und Ganzen auf diese Formen zusammenfassen. Diese Übereinstimmung über so weite Räume hinweg kann man allein damit erklären, dass die Menschen nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in geistiger Hinsicht regen Austausch pflegten (Müller-Karpe 1985, Abb. 61).

aus den als Kalender in Gold gedeuteten Goldhüten ableiten, die eine ganz außergewöhnliche Fundgruppe darstellen.168 Besonders häufig findet sich der konzentrische Kreis als beliebte Zier und wohl auch als Schutzsymbol auf bronzenen Trachtund Schmuckgegenständen sowie Geweihgeräten. Ein Geweih-

Zur Sinndeutung steht wie bei den materiellen Hinterlassen-

hammer von der Siedlung auf der Heidenstatt bei Limberg im

schaften nur der Zusammenhang zur Verfügung, in dem das Zei-

Waldviertel wurde mit konzentrischen Kreisen samt Mittelpunkt

chen angetroffen wird. H. Müller-Karpe konnte aufzeigen, dass

verziert (Abb. 11_26).169 (Konzentrische) Kreise sind genauso

die mittel- bis spätbronzezeitlichen Symbole in annähernd ganz

kennzeichnendes Zierelement auf keramischen Kultgegenstän-

Europa in auffälliger Weise übereinstimmen, was den weiträu-

den (z. B. Feuerbock/Mondidol).

migen Kontakt der Bewohner nicht nur in wirtschaftlicher, son-

Das Motiv fand auch Eingang in die Alltagswelt, wie einzelne

dern auch in geistiger Hinsicht belegt (Abb. 11_25).165 Die Zu-

Keramikgefäßverzierungen mit Kreisaugen bzw. Dellen mit Punkt­

sammenstellung mit Vogel, Stier, Sonne usw. beweist, dass sich

umrahmung vermuten lassen (Abb. 11_27).170 So sind Haupt­

die Scheu vor naturalistischer Darstellungsweise langsam auf-

motive des oft beidseitigen Dekors von Schlesischen Schüsseln

löst. In der nachfolgenden Hallstattzeit finden sich dann natur-

(flachkonischer Unterteil und kurzer, geschwungen eingezogener

nah gestaltete, wiederkehrende Bildszenen von Festereignissen

Hals) der konzentrische Kreis bzw. große, runde Dellen.171

auf Metall- und Tongefäßen aus Kultzusammenhang (v. a. aus

Unter den aus Gold gefertigten Kostbarkeiten des Hortfunds von

Gräbern).

Rothengrub bei Neunkirchen zeigen die Zierleisten aus Blattgold

166

einen völlig übereinstimmenden Dekor aus rosettenartig angeordneten Kreisaugen (Abb. 11_28) (siehe Kap. 7, Pkt. 7.3.2). Der Sonne

Versuch, der Sonne im Gegenständlichen Ausdruck zu verleihen,

Das wesentliche Merkmal der mythologisch-geistigen Vorstel-

lässt sich kaum treffender realisieren als mittels Scheibe, Kreis­

lungswelt der Urnenfelderzeit ist die Sonnenverehrung. Dem-

auge und Goldfarbe.

gemäß verkörpert das Sonnenmotiv das wichtigste Symbol der Urnenfelderkultur. Es wurde als konzentrische Kreise (Kreis­ augen­zier), einfacher Kreis ohne und mit Strahlenkranz, Spirale und Spiralwirbel ausgeführt.167 Verlässliche Hinweise auf die Verknüpfung von Kreis und Sonne lassen sich unter anderem

168 Es sind bisher vier solche langschmalen, aus Gold getriebenen Kult­ objekte bekannt (Südwestdeutschland und Ostfrankreich). Drei sind 60 bis annähernd 90 cm hoch und datieren ins 11.–9. Jh. v. Chr., während der vierte Goldkonus etwas kürzer und älter ist (1350– 1250 v. Chr., Bz C1/2–D1). Sie alle zeigen eine dichte Aneinanderrei­ hung von waagrechten Zonen aus konzentrischen Kreisen, Leisten und Punktbuckeln in konstanten Wiederholungen, Krumm 2011g.

165 Müller-Karpe 1985, dazu auch Abb. 28 (hethitische Heilszeichen), Abb. 62 (jungbronzezeitliche Heilszeichen des mykenischen Kreises).

169 Tuzar 1998, 126, Taf. 84/41.

166 Nebelsick 1992.

171 Podborsky 1970, 49–51, Taf. 54/10, 55/6, 83/5; Wewerka 2001, Taf. 88/11; Kern D. 2001, Taf. 24/13.

167 Baumeister 2011,78.

170 Z. B. Thunau am Kamp: Wewerka 2001, Taf. 341/10 und 345/1.

309

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_26. Heidenstatt bei Limberg. Geweihhammer mit flächig angebrachten, einge­ tieften konzentrischen Kreisen samt Mittelpunkt (Foto: P. Ableidinger/ Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).

310

Abb. 11_27. Thunau am Kamp. Grafitierte Henkeltasse – die großen Dellen, von ovalen Eindrücken umrahmt, erinnern an symbolische Sonnen (Foto: N. Sautner/ IUHA).

11.3 Kult und Religion

Abb. 11_28. Depotfund von Rothengrub. Zierleisten aus Blattgold mit einem Dekor aus rosettenartig angeordneten Kreisaugen (Höhe der Stücke jeweils ca. 7 cm) (© NHM Wien, Foto: A. Schumacher)

(Wasser-)Vogel und Vogelsonnenbarke Seit der späten Bronzezeit stellt das (Wasser-)Vogelmotiv ein ganz wesentliches und durchgängig verbreitetes religiöses Sinnbild in Mitteleuropa dar.175 Es findet sich auf Status anzeigenden

Verewigt in Stein findet sich das Sonnenmotiv auf den Grab-

Gegenständen wie Waffen (Schwerter) und Bronzegefäßen als

platten der Steinkistengräber von Sommerein (NÖ) und Illmitz

Gravur, Stempelabdruck oder in Treibtechnik ausgeführt. Als ge-

(Burgenland). In Sommerein wurden auf drei der vier Platten je

gossener plastischer Aufsatz auf unterschiedlichsten (Kult-)Ge-

drei konzentrische Kreise mit Mittelpunktdelle nebeneinander

genständen ist oft nur der Vorderteil des Tieres dargestellt wie

eingemeißelt (siehe Kap. 9, Abb. 09_14).

172

Der mittlere Kreis

der Südplatte weist anstatt der Delle eine Lochung auf, die als

auf den Wagenmodellen (siehe Abb. 11_02) und einer Figur von Grein, die als Vogel gedeutet wird (Abb. 11_29).176

Seelenloch bezeichnet wird. Die flächig verzierte, einzelne Grab-

Die frühesten ganzfigürlichen (Enten-)Vogeldarstellungen finden

platte von Illmitz wird von einem großen konzentrischen Kreis

sich auf urnenfelderzeitlichen Blechen des mittleren Donau-

in der Mitte beherrscht, der aus fünf Ringen mit Mittelpunkt be-

raums.177 Chronologisch zuletzt sind die Hallstattvögel, die stem-

steht. Unmittelbar darunter befindet sich eine große, quadrati-

pelartig in Bronzeblechgefäße – allerdings in schwungvollerer

sche Öffnung, die ebenfalls ein Seelenloch ist.

Ausführung – getrieben wurden, zu datieren (6. Jh. v. Chr.).178

173

Konzentrische

Kreisringe und Seelenloch in Steinarchitektur lassen sich nach M. Kaus auf kupferzeitliches Megalith-Brauchtum zurückführen.

175 Krumm 2011e.

Absichtsvolle Durchlochungen als Durchlass für die Seele sind

176 Pollak 1986, 64, Taf 2/11 (siehe Gewässerfunde); Beispiele für Trink­ hornbeschläge aus Nachbarregionen: Kossack 1954, 56 f., Taf. 14.

auch von Urnen der Lausitzer Kultur gut bekannt. 172 Kaus M. 1991; Lochner 2012, 43 f., Taf. 23, Abb. 9. 173 Willvonseder 1938, Abb. 1. 174 Buck 1996, 280.

174

177 Szabó/Bálint/Váczi 2017; Sydow 1995, 19; Kossack 1954, 26 f., Taf. 8/10, 15, 17, in Buckeltechnik ausgeführte Vögel auf einer Beinschiene aus dem westungarischen Hort von Rinyaszentkirály und Bronzeblechgefäßen (Ha A2). 178 Sydow 1995, 51, Taf. 47, Frg. Nr. 269; Prüssing 1991, 84, 87, Taf. 110/313 (Rippenziste aus Hallstatt, Ha D1).

311

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_29. Dieser bronzene Aufsatz mit Tierkopf schmückte ursprünglich möglicher­ weise einen hölzernen Wagen, bevor er als Opfergabe im Bereich des gefährlichen Donauabschnitts bei Grein den Fluten übergeben wurde (Pollak 1986, Taf. 2/11).

Abb. 11_30. Hajdúböszörmény (Ostungarn). Frühe Darstellung einer Vogelsonnenbarke auf einem Bronzeblechgefäß (Szabo/Bálint/Váczi 2017, fig. 1).

Das häufigste zusammengestellte Sinnbild ist die Vogelsonnen-

Osten gezogen – regelrecht getreidelt – werden, was dort Göttin-

barke, die sich erst in der späten Bronzezeit über ganz Europa

nen übernommen haben.184

verbreitet.

Eine als Sonne gedeutete Scheibe wird in und von

Während das Schiffssymbol in der nordischen Welt in der ge-

einem Boot mit Vogelkopfenden geführt. Mit der Vogelsonnen-

samten Bronzezeit verbreitet ist, wurde es in Mitteleuropa erst

barke drückt sich der zentrale Glaubensinhalt der spätbronze-

in der Spätbronzezeit heimisch.185 Das Motiv der Sonnenbarke

179

zeitlichen Religiosität aus, wonach die Sonne als Leben spen-

erscheint in Punktbuckel-Treibtechnik erstmals in der frühen

dende göttliche Kraft ihre tägliche Reise durch Tag und Nacht auf

Urnen­felderzeit (Bz  D) auf Bronzeblechgefäßen des ungarisch-

einem von tierischen Wesen gezogenem Schiff unternimmt (dazu

slowakischen Raumes (Abb. 11_30).186 Später findet es sich als

Abb. 11_30).

magisches Schutz- und Heilszeichen auch auf Gürtelblechen,

180

Die Vorstellung, dass sich Himmelsgötter mit einem Boot am

Schwertern187 und Schutzwaffen188.

Himmel bewegen, ist alt. Die sumerische Göttin Inanna (akkad.

Ab der älteren Urnenfelderzeit (Ha A) kennen wir das Sonnen-

Ischtar bedeutet so viel wie Himmelskönigin)

reiste in ihrem

barkenmotiv an Schwertern aus Niederösterreich. Ein 68 cm

Himmelsboot182, das in den mythologischen Texten als rea-

langes Dreiwulstschwert189 aus Oberravelsbach steckte senk-

les Boot oder Schiff erscheint.183 Nach ägyptischer Vorstellung

recht in einem Acker und wurde 1926 beim Pflügen entdeckt.

181

musste die Sonne in der Nacht gegen die Strömung Richtung 179 Krumm 2011d. 180 Kossack 1954, 27–29; 38, 42 f.; Sydow 1995, 16. 181 Inanna ist auch Stadtgöttin von Uruk, hauptsächlich im Morgen- und Abendstern verehrt. Die Silbe an in ihrem Namen verweist auf ihre Verbundenheit mit dem Himmel und den gleichnamigen Himmelsgott An von Uruk, Zingsem 1999, 17.

184 Krumm 2011d, 56. 185 Meller 2005, 29, die Schiffsdarstellung auf der Himmelsscheibe von Nebra in Mitteldeutschland ist eine Einzelerscheinung (um 1600 v.Chr. vergraben). 186 Sydow 1995, 16. 187 Ilon 2012.

182 Zugleich ein Synonym für ihre Vulva, Zingsem 1999, 18.

188 Helme, Beinschienen und Panzer, Kossack 1954, 27 f., 46, 48.

183 Vgl. Zingsem 1999, 27 und 31.

189 Krämer 1985, 29, Nr. 82, Taf. 14/82; Becker 2015, Taf. 17/7, SW117.

312

11.3 Kult und Religion

Abb. 11_31. Au am Leithagebirge. Das Vogelsonnenmotiv war als mächtiges Schutz­zeichen am Heft des Schalenknauf­ schwerts eingraviert (Krämer 1985, Taf. 16/94).

Das kosmische Schutzzeichen findet sich wie bei allen Belegen am Heft: Das Boot/Schiff ist in gespiegelten S-förmigen Linien ausgeführt und mittig darüber bzw. darin steht die Sonne (im konkreten Fall als Halbbogen und gefiedert dargestellt). Beim Schwert aus Au am Leithagebirge190 sind Griff und Knaufplatte dicht mit waagrechten und konzentrisch angelegten Kreisen mit Mittelpunkt versehen (Abb. 11_31). Dass es sich dabei um Sonnenzeichen handelt, bestätigt sich in der Vogelsonnenbarkendarstellung am Heft, wo das Boot gleich mit zwei solchen Mittelpunktkreisen – zwei Sonnen – beladen ist. Die eine könnte die Tagesreise, die andere die Nachtreise der Sonne symbolisieren, möglicherweise ursprünglich unterschiedlich eingefärbt. Das Motiv der Sonnenbarke mit zwei Sonnen kennen wir noch von einem weiteren Schalenknaufschwert aus einem Brandgrab aus Unterradlberg (siehe Kap. 9, Abb. 09_15/2).

(Vierspeichen-)Rad Im rituellen Zusammenhang treten in der Bronzezeit und Urnenfelderzeit oftmals Darstellungen von Rädern – meist als vierspeichige Wagenräder – auf.191 Den archäologischen Funden nach zu schließen, finden Vierspeichenräder in diesem Zeitraum ausschließlich im Kultzusammenhang Verwendung192, während im Alltagsgebrauch nach wie vor hölzerne Scheibenräder in Gebrauch waren (siehe Pkt. 11.1 Exkurs: Zeremonialwagen). F. Kaul deutet das Radmotiv in Zusammenhang mit dem Sonnenkult:193 Die Sonne bewegt sich dank ihrer Helfer (Schiff/Barke, Tiere) entlang einer angenommenen Kreislinie zwischen den drei sichtbaren markanten Sonnenständen (Aufgang, Zenit, Untergang), verlängert um den Höchststand in der Nacht. Daraus ergibt sich ein gleicharmiges Kreuz im Kreis – ein Vierspeichenrad – als weiteres Abbild der urnenfelderzeitlichen Kosmologie.194 Es könnte als Symbol für das Wissen um Werden und Vergehen allen Seins stehen und damit einen Zugang in die jenseitige Welt eröffnen.195 190 Krämer 1985, 32, Nr. 94, Taf. 16/94; Becker 2015, Taf. 8/2, SW54. 191 Vizdal 1972. 192 Als Bestattungswagen und in Miniaturform, Vosteen 2011, 69. 193 Kaul 2003, 36–51; Krumm 2011f. 194 Baumeister 2011,66 f. 195 Vosteen 2011.

313

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_32. Gemeinlebarn, Brandgrab 3. Bronzene Anhänger in Sanduhrschildform, Lanzettform und Radform (Szombathy 1929, Taf. 16).

Im urnenfelderzeitlichen Brandgräberfeld von Gemeinlebarn fand sich eine große Vielfalt an bronzenen Anhängern u. a. auch in Form von (Wagen-)Rädern196 (Abb. 11_32). Zwei bronzene Radanhänger mit Innenring stammen aus dem Brandgräberfeld von Eggenburg im Waldviertel und aus Thunau am Kamp, um nur einige Beispiele zu nennen (siehe Kap. 3, Abb. 03_24).197

Doppelaxt, Lanzettform und Sanduhrschild Reich verzierte Zeremonialwaffen (Beile, Doppeläxte usw.) sind im nord- und mitteleuropäischen Raum sowie bis nach Griechenland und darüber hinaus198 gut bekannt. Im Regelfall sind sie aufgrund ihrer zum Kampfeinsatz untauglichen Form (Übergrößen bzw. Miniaturformat, Verzierung), des Fundzusammenhangs, des Materials usw. als Weihegaben anzusprechen. Die Motive Doppelaxt und Schild leiten sich demnach von (Zeremonial-)Angriffs- und Schutzwaffen ab. Sie wurden in Stein eingetieft und als Amulette in Form bronzener Anhänger getragen. Während das Doppelaxtmotiv aus Niederösterreich bisher noch

Abb. 11_33. Stillfried an der March. Der anthropomorphe Geweihanhänger (Länge 2,5 cm) mit Bronzering fand sich im Halsbereich einer Hirschkuh, die in einer Grube (V1140) abgelegt wurde. Das junge, in Gefangenschaft gehaltene Tier starb an einer Fehlgeburt (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

nicht belegt ist, zeigt sich die Sanduhrschildform sowohl als Bronzeanhänger im bereits genannten Grab 3 von Gemeinlebarn

Vorbild dienten möglicherweise große Sanduhrschilde, die im

(Abb. 11_32)199 als auch eingeritzt auf einer Steinplatte des früh-

früheisenzeitlichen Griechenland (13./12. Jh. v. Chr.) aus orga-

urnenfelderzeitlichen Steinkistengrabs von Sommerein (siehe

nischem Material (mit Rinderhaut bespanntes Rahmengeflecht)

Kap. 9, Abb. 09_14).200 Aus dieser Region ist eine weitere Grab-

gut bekannt waren und wahrscheinlich auch im spätbronzezeit-

platte mit Schilddarstellung gleicher Zeitstellung erhalten.201 Als

lichen Europa verwendet wurden.202 Damit haben wir es beim Schildmotiv mit einem Schutzzeichen zu tun.

196 Szombathy 1929, z. B. Grab 3 (Ha A), Taf. 16/1 (Dm. 3,1 cm).

Die Lanzettform geht möglicherweise auf das Schwert bzw. den

197 Lochner 1991, 49 f., Taf. 41/1, 2 (Dm. beider Stücke 5,3 cm).

Dolch zurück. Beispiele unvollständiger blattförmiger Lanzettan-

198 Z B. reich verzierte Bronzeaxt aus Krottenthal in Bayern und Kultäxte bzw. Axtpaare aus Schweden und Dänemark (Depotfund aus Stockhult, Dänemark), Krumm 2011h, 80 f.

(siehe Abb. 11_32).

hänger finden sich im Gräberfeld von Gemeinlebarn (Grab 3)203

199 Szombathy 1929, Grab 3, Taf. 16/7 (Länge 6,5 cm). 200 Kaus M. 1991; Lochner 2012, 43 f., Taf. 23, Abb. 9.

202 Kaus M. 1991, 29.

201 Eisenstadt-Gölbesäcker, Kaus M. 2003.

203 Szombathy 1929, Grab 3, Taf. 16/3, 5 (erhaltene Länge 6 cm).

314

11.3 Kult und Religion

Dreieck und anthropomorphe Abwandlungen In der Bronzezeit erscheint das in der Urgeschichte äußerst beliebte Dreieck-Motiv erstmals in plastischer Form.204 Als meist gegossener, metallener Anhänger mit Ringöse schmückt es kultische Gegenstände wie Kettengehänge und Kultwagen. Es gibt unterschiedliche Abwandlungen: Durch die Verlängerung der beiden Eckpunkte entsteht die Schwalbenschwanzform. Durch waagrechte, seitliche Fortsätze zeichnet sich wiederum ein menschlicher Umriss ab.205 Diese Deutung wird durch Punktverzierungen, die kleidartige Gewänder nachzeichnen, noch gestützt. Ein schönes Beispiel eines solchen menschenförmigen Anhängers aus Geweih206 mit Bronzeringlein fand sich bei einer in Gefangenschaft gehaltenen Hirschkuh von Stillfried an der March. Der in einer Grube abgelegte Tierkadaver trug diesen Anhänger

1

wahrscheinlich um den Hals (Abb. 11_33) (siehe Pkt. 11.3.5 Tierniederlegungen und Kap. 6, Abb. 06_14).

Figürliche Kunstäußerungen Feuerböcke/Mondidole – Gefäße in Tiergestalt mit Ausguss (Sauggefäße) – (Miniatur-)Mehrfachgefäße, Schuhgefäß und Kleinplastiken – Die Frauenkröte von Maissau – Stecker, Anhänger (Amulette) und sonstige Kleingegenstände – Kalender in Ton – Die Kalendertasse aus dem Gräberfeld von St. Andrä vor dem Hagenthale – Musikinstrumente Feuerböcke/Mondidole Bevorzugte Träger von Symbolen sind die meist bruchstückhaft im Siedlungsmaterial der Urnenfelder- und Hallstattzeit auftretenden Feuerböcke bzw. Mondidole.207 Die Entwicklung geht in der Urnenfelderzeit von einfachen Barrenformen ohne und mit Tierkopfenden bzw. Hörnern aus (Feuerböcke) (Abb. 11_34).208

2 Abb. 11_34. Fragmente von barrenförmigen Feuerböcken: 1. Oberleiserberg (mit Längsrillen) – 2. Stillfried an der March (Foto: G. Gattinger/IUHA; Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

Manche zeigen eine mittige Längsrille am Rücken, wo verbliebene Rußreste auf ihre Verwendung mit Feuer hinweisen.209 Kennzeichnende Zierelemente für den urnenfelderzeitlichen Abschnitt sind des Weiteren runde Durchlochungen210 und konzentrische

den Anfängen als Alltagsgegenstand im Herdbereich eingesetzt

kreisförmige Vertiefungen. Ob diese Fundgruppe zumindest in

wurde, lässt sich nicht beantworten, auch weil es keine entsprechenden Befunde gibt. Die barrenförmigen Rücken würden sich

204 Krumm 2011c, 44.

zum Stützen von Feuerholz, aber auch Holzspießen eignen. Für

205 Kossack 1954, 41, Taf. 15, 16.

eine vorrangige Verwendung als Symbolträger spricht allerdings

206 Der Gegenstand ist verschollen, nach Auskunft von G. K. Kunst ist von Geweih als Ausgangsmaterial auszugehen. 207 Matzerath 2011. 208 Nagy 1979, 70; Verbreitung der Tonfeuerböcke in Gräbern siehe Nebelsick 1996, Abb. 15.

die Tatsache, dass Feuerböcke/Mondidole in den Siedlungen außerhalb des Betrachtungsraums während der frühen Eisenzeit weitgehend fehlen.211 Würden sich dahinter tatsächlich Feuerböcke zum praktischen Gebrauch verbergen, wäre mit einer weit-

209 Z. B. aus Stillfried: St.17064.2/Verf. 5006/Wagneracker mit Delle auf beiden Frontflächen; Nagy 1979, 72–73, Abb. 36, 37.

läufigeren Verbreitung zu rechnen.

210 Gelochte Feuerböcke z. B.: Lochner in Vorbereitung, Taf. 111/7; Stillfried: St.10632/o. F./Bügeleisen; Nagy 1979, 49, Abb. 47, Taf. X.

211 Bereich der Kalenderbergkultur am Nordostalpenrand, Griebl 2004, 129–130; Griebl 2012, 865–866; Matzerath 2011, 120–121.

315

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Es sind die Grabfunde, die die Verbindung zwischen Feuerbock und Herd belegen212, was auf einen Hauskult schließen lässt. Konkret finden sich runde Miniaturplatten (als Herdmodelle)

Abb. 11_35. Vösendorf, Grab 6. Vier Sauggefäße in Form von Rindern mit menschlichen Füßen (Höhe 9 cm). Sie bilden als Tier-Mensch-Mischform eine Ausnahme in dieser Sondergefäßgruppe, die großteils aus Gräbern stammt (Foto: Enver Hirsch/Wien Museum, Inv.-Nr. MV 8231).

mit aufsitzenden halbmondförmigen Feuerböcken vor allem in Gräbern des westböhmisch/ostbayerischen Raums und der

Stücke jegliche praktische Verwendungsmöglichkeit verloren

Lausitzer Kultur.

Wer das häusliche Herdfeuer hütete, hegte

und können nur mehr als kultische Symbolträger betrachtet wer-

den Mittelpunkt der Wohn- und Speisegemeinschaft und bekam

den. Am namengebenden Kalenderberg bei Mödling fanden sich

dieses Statussymbol mit ins Grab.

bei Altgrabungen217 Mondidolbruchstücke und Aschelagen in so

213

214

Der Hals der Tierkopfenden wächst in der fortgeschrittenen Ur-

großer Menge, dass dort eine hallstattzeitliche Kultstätte zu ver-

nenfelderzeit auf- und einwärts, sodass sie Rinderhörnern

,

muten ist. Aufgrund vieler jüngerer Geländeveränderungen ist

einer Barke oder einem Sichelmond gleichen, woher der Name

es schwierig, die Gesamtsituation auf dieser bedeutenden Fund-

Mondidol rührt.

stelle zu bewerten.218

216

215

Diese Entwicklung gipfelt in der älteren und

mittleren Hallstattzeit in barock anmutenden Formen, die dicht mit Knubben und Leisten im Kalenderbergstil verziert sind (Kalenderbergkultur, Ha  C–D1). Spätestens dann haben die 212 Nebelsick 1996, 332, Abb. 6, 8, 12. 213 Nebelsick 1996, 348, Abb. 12, 16. 214 In der nachfolgenden Hallstattzeit (Kalenderberggruppe) lässt sich die Verbindung Herd­Mondidol in gut ausgestatteten Frauengräbern in Form großer, innen verzierter Fußschalen mit Rußspuren und hineinge­ stelltem Mondidol nachweisen, Patek 1982, 166, z. B. Frauengrab 224 und 131, Abb. 22/3, 4; Matzerath 2011; auch Lang 2009, 23. 215 Stiere spielen in der bronzezeitlichen Bildersprache Mitteleuropas allerdings eine untergeordnete Rolle, sodass der kosmischen Deutung allgemein der Vorzug gegeben wird, auch Baumeister 2011, 84. 216 Griebl 2004, 187.

316

Gefäße in Tiergestalt mit Ausguss (Sauggefäße) Eine verhältnismäßig häufig auftretende Gefäßsonderform stellen Sauggefäße dar. Sauggefäße kommen bevorzugt in Gräbern – auch Kindergräbern –, aber genauso in Siedlungen vor. In unserer Region handelt es sich großteils um rotationssymmetrische Gefäße mit schräg ansteigender Tülle.219 Beispiele können 217 Kyrle 1912. 218 Melichar 1973. 219 Eibner C. 1973, 148–150; dazu Lochner 1991, 293, 302 f.; Tuzar 1998, 89, Taf. 97/3.

11.3 Kult und Religion

u. a. von den Höhensiedlungen in Thunau am Kamp (siehe Kap. 4,

Wein in die heilige Flamme des Opfers“.226 Aus Stillfried an der

Abb. 04_05) und Stillfried an der March genannt werden.220

March stammt der mögliche Nachweis einer Flüssigkeitsspende:

Kennzeichnend sind auch Ausführungen in Tierform, wobei die

Beim Kopf einer Frau aus der Siedlungsbestattung V841 wurde

Vogelgestalt überwiegt. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in

ein großes Gefäß nachträglich mit einem Bodenloch versehen,

, allerdings gibt es auch in Niederöster-

wahrscheinlich eine unbekannte Masse eingefüllt und mit einem

reich ein schönes Beispiel: vier Sauggefäße in Rinderform (Abb.

Reibplattenteilstück beschwert (siehe Abb. 11_21). Der Inhalt

11_35). Sie sind etwas Besonderes, da Rinderdarstellungen in

sollte offensichtlich langsam in die Erde einsickern.227

Ton erst für die Hallstattzeit typisch sind. Die Stücke kommen

Trankopfer (Libationen) fanden meist während gemeinschaft-

aus einem gut ausgestatteten älterurnenfelderzeitlichen Brand-

licher ritueller Umtrunke statt, die sich indirekt durch das ritu-

der Lausitzer Kultur

221

grab von Vösendorf (VB Mödling)

und bestechen durch ihre

ell entsorgte Geschirr und Keramikgefäßhorte nachweisen las-

ähnlichen, aber nicht ganz gleichen Formen. Es handelt sich

sen. Flüssigkeitsgaben an die Götter bzw. an den Geist des Ortes

um Mischwesen (Rinder mit menschlichen Füßen). Am Schwanz

(genius loci), die – wie von Homer geschildert – dem geselligen

befindet sich jeweils das Saugloch, am Rücken die Eingussöff-

(Kult-)Mahl vorangestellt wurden, haben sich bis heute in dem

nung. Aus diesem Gräberfeld konnten auch zarte Goldfäden do-

Brauch erhalten, den ersten Schluck gezielt der Erde zu überge-

kumentiert werden, die als Bestandteile von Textilien gedeutet

ben (Trankspende als Erstlingsopfer).

werden.

222

223

Die Oberflächen von Sauggefäßen können aufwendig verziert und poliert sein, was eine rituelle Nutzung dieser kleinen Aus-

(Miniatur-)Mehrfachgefäße, Schuhgefäß und Kleinplastiken

gussgefäße als Flüssigkeitsspender für Trankopfer wahrschein-

(Miniatur-)Mehrfachgefäße sind eine bemerkenswerte Fundgrup-

lich macht.224 Allerdings erbrachten jüngst durchgeführte Unter-

pe, die besonders kennzeichnend als Grabbeigabe während der

suchungen möglicher Inhaltsüberreste den Nachweis von

älteren Hallstattzeit (Kalenderberggruppe) ist.228 Die frühesten

Milchfetten und adipösen Fetten.

Dies lässt auf Milch und ev.

Vertreter finden sich bereits in urnenfelderzeitlichen Verbänden.

Suppe schließen und legt eine Nutzung als Saugfläschchen zur

Älterurnenfelderzeitliche Belege kommen aus den Brandgräber-

Flüssigkeitsaufnahme für Säuglinge, Kleinkinder, kranke und alte

feldern von Gemeinlebarn (VB Traismauer)229 und Großenzers-

Personen nahe (siehe Kap. 4, Pkt. 4.2.2).

dorf (VB Gänserndorf)230. Siedlungsfunde sind aus jungurnenfel-

225

derzeitlichen Höhensiedlungen bekannt, wie Thunau am Kamp (Abb. 11_36), Stillfried an der March und Brno-Obřany zeigen.231

Exkurs: Libationen – Trankopfer

Ein ganz besonderer Fund ist ein annähernd vollständig er-

Es gibt eine Vielzahl von Trink-, Schöpf- und Sammelgefäßen

felderzeitlichen Grube von Unterhautzenthal (VB Korneuburg)

mit und ohne Ausgussvorrichtung im Kultbereich. Deren Einsatz

entdeckt wurde. Es zeigt die überaus naturnahe Nachahmung

als Trankspendegefäße ist durch Bilddarstellungen gut belegt:

eines rechten Lederschuhs mit angedeutetem Faltenwurf im

Flüssigkeitsspenden aus Schnabelkannen auf den Steinreliefs der Hethiter oder aus Rhyta auf der griechischen Vasenmalerei. Homer schildert diesen weit verbreiteten Opferbrauch ausführlich: „[…] hielt den goldenen Becher, sprengend den funkelnden

220 Thunau am Kamp: z.B. Kern D. 2001, 31, Taf. 178/17; Stillfried: Gräberfeld: Strohschneider 1976, Taf. 14/11, 23/2; Wallanlage: Hellerschmid 2006, Taf. 66/5, 93/4. 221 Vogelförmige Plastiken treten vorwiegend in Gräbern der jüngeren Urnenfelderzeit und in der älteren Hallstattzeit auf (Lausitzer Kultur Stufen IV–V), Buck 1996, 278; Gediga 1996, 340; Gedl 1996, Abb. 1/1–6. 222 Grab 6, Seewald 1940–1945; Eibner C. 1973, 169 f., Gefäße in Vier­ füßlergestalt ohne Rückgratbildung, Typ Kluk, Abb. 10/140–143.

haltenes Schuhgefäß als Modell aus Ton, das in einer urnen-

226 Dieses Trankopfer führte Peleus im Zuge eines Fleischopfers (fette Stierschenkel) für Zeus beim Altar im Innenhof seines Palasts durch, danach wurde das restliche Fleisch des Tieres gemeinschaftlich verzehrt: Homer, Ilias XI, 774–775; Eine weitere Nennung: Homer VI, 258–260: Hekabe, die Mutter Hektors, ersucht ihren Sohn ein Bittopfer zu bringen: „Aber verzeuch [warte], bis ich jetzo des süssen Weines dir bringe, Dass du Zeus, dem Vater, zuvor und den anderen Göttern Sprengest und dann auch selber des Labetrunks dich erfreuest.“ 227 Skelettlage 1, SK13 (Frau (?) in Bauchlage). Was letztendlich eingefüllt wurde, konnte nicht geklärt werden, Dobrezberger 2016, 77, 84. 228 Z. B. Nebelsick 1994, 87, 109, Kalenderbergtassen-Doppel- und Drei­ fachgefäße (Ha C1 bzw. Ha C): Fundstelle 36a/Taf. 62; 47/75; 49/77; 57/92 (drei Dreifachgefäße); 75/109 usw.; zur Kalenderberggruppe: Griebl 2012, 865–866; Griebl 2004, 129–130.

223 Grömer/Mehofer 2006, 60; Talaa 1991, Abb. 33.

229 Grab 4, Szombathy 1929, unverziert, allerdings zwei senkrechte Warzen (Hörnchen) am verbindenden Steg in Höhe des Mundsaums (H. 7,2 cm; Dm. 16 cm).

224 Baumeister 2009, bes. 52.

230 Hetzer/Willvonseder 1952, 70, Abb. 8/4.

225 Rebay-Salisbury 2017, 22–24; Dunne/Rebay-Salisbury/Salisbury et al. 2019; Rebay-Salisbury/Dunne/Kern in Vorbereitung.

231 Thunau am Kamp: Kern D. 2001, Taf. 126/2; Brno-Obřany: Adámek 1961, 185, Taf. 117/5, 6.

317

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_36. Thunau am Kamp. Miniaturmehrfachgefäß mit senkrechter Kannelur (Höhe 4 cm) (Foto: G. Gattinger/IUHA).

Vorderfuß und einer Ristverschnürung (Abb. 11_37).232 Ähnliche Schuhgefäße sind in der Lausitzer Kultur und in Ungarn verbrei-

Abb. 11_37. Unterhautzenthal. Das Schuhgefäß zeigt die naturnahe Darstellung eines rechten Lederschuhs mit angedeutetem Faltenwurf im Vorderfuß und einer Ristverschnürung, Länge 9 cm (Lauermann 1991, Abb. 2).

tet (siehe Kap. 4, Pkt. 4.3.5).233 Kleine Tierfiguren runden das Spektrum ab (Abb. 11_38).234 Der Schwerpunkt all dieser besonderen Ausformungen, deren Einsatz in erster Linie im Kultbereich anzunehmen ist, liegt in der nachfolgenden Hallstattzeit.

Die Frauenkröte von Maissau Bei der Frauenkröte von Maissau handelt es sich um einen Fund mit großem Seltenheitswert.235 Er stammt aus der urnenfelderzeitlichen Siedlung von Maissau im Waldviertel (VB Hollabrunn). Dargestellt ist ein keramisches Mischwesen aus Mensch und Kröte (Abb. 11_39). Dem Stück fehlt jegliches äußere Zeichen herrschaftlicher Macht oder ästhetischer Ansprüche. Die Unterseite der 7,5 cm langen, grob geformten Figur zeigt eine mensch232 Lauermann 1991, Abb. 2. 233 Kalicz-Schreiber 2010, 259–260, im Gräberfeld von Budapest-Békás­ megyer sind insgesamt 22 Stiefelgefäße gefunden worden, wobei der Stiefel dort oft in einer Schüssel mündet, womit der Stiefel zum Schüsselfuß wird. Meist ist ebenfalls der rechte Fuß/Schuh dargestellt. Kalicz-Schreiber 2010, Typentafel S. 345; Parallele zu Unterhautzenthal: Grab 47, Taf. 26/1. 234 Bruchstücke von Tierfiguren z. B. aus Thunau am Kamp: Kern D. 2001, 33–34; Lochner in Vorbereitung, Taf. 130/6; Heidenstatt bei Limberg: Tuzar 1998, 96, Tiertorso: Taf. 99/10; Füßchen: Taf. 97/12, 13. 235 Eine in groben Zügen vergleichbare Keramikfigur (Länge 11,4 cm) stammt aus der frühurnenfelderzeitlichen Fundstelle Velim in Böhmen (menschliche Vorderseite, Tieranteil nicht vorhanden oder nicht er­ kennbar), Šumberová/Harding 2007, 76, pl. 15.

318

Abb. 11_38. Thunau am Kamp. Plastische Tierfigur, Kopf und Hinterteil fehlen (erh. Länge 7,5 cm) (Lochner in Vorbereitung, Taf. 130/6).

11.3 Kult und Religion

Abb. 11_39. Maissau. Die sogenannte Frauenkröte ist ein keramisches Mischwesen aus Mensch und Kröte (Länge 7,5 cm). Sie zeigt die äußeren Geschlechtsorgane von Frau und Kröte. Das grob geformte Objekt wird als Ritualgegenstand interpretiert (Grafik: L. Leitner, Fotos: W. Andraschek/Museen der Stadt Horn).

Exkurs: Schamanismus und Analogie- oder Sympathiezauber Schamanismus ist eine weit in die Zeit zurückreichende, vielschichtige Heiltradition, bestehend aus Heilungstechniken, Riten und Visionen. Die unterschiedlichen Wirkungsweisen von

liche Bauchseite mit Brüsten und den weiblichen äußeren Ge-

Pflanzen und die besonderen Fähigkeiten von Tieren werden in

schlechtsorganen in sehr beeindruckender Weise, während auf

den Behandlungen gezielt eingesetzt. Im erweiterten Bewusst-

der Oberseite ein naturgetreuer Krötenkopf und am Ende des

seinszustand (Trance) vermittelt der Schamane zwischen der

Rückens die extrem vergrößerte Kloake weiblicher Froschlurche/

Welt der Lebenden, der Toten und der Geister. Sollen unsicht-

Kröten gestaltet ist.

bare Mächte bekämpft werden, muss magischer Einfluss auf sie

Der Gegenstand könnte uns einen kleinen Einblick in die Welt der

ausgeübt werden, um sie dem schamanischen Willen zu unter-

magischen Vorstellungen in der Urnenfelderzeit gewähren. Sei-

werfen. Je nach Anliegen werden bestimmte Krafttiere gerufen,

ne Gestaltung als Mischwesen spricht für eine Verwendung als

um mit ihrem Wissen und ihrer Kraft die Heilbehandlung zu un-

Ritualgegenstand.

terstützen. Darstellungen von Mischwesen aus Mensch und Tier

Interessanterweise ist die Kröte ab dem Hochmittelalter in unse-

könnten Ausdruck für verschiedene Abschnitte der Trance sein.

rem Raum als Sinnbild für die Gebärmutter schriftlich belegt.236

Im Zuge einer solchen magischen Operation können Opfer mit

Sie wurde als ein sich frei bewegendes Lebewesen im Unter-

Lebenskraft benötigt werden, worunter Blut, Gliedmaßen oder

leib der Frau vorgestellt. Entsprechend den vielen möglichen

Lebewesen verstanden wurden.238

Beschwerden in diesem Bereich sind unzählige Votivgaben in

Analogie- oder Sympathiezauber sind mit sehr vielen magischen,

Krötenform durch die Jahrhunderte erhalten, die jüngsten datie-

religiösen oder therapeutischen Praktiken verbunden. Es geht

ren tatsächlich in die jüngste Vergangenheit (19./20 Jh.).

um die Vorstellung, dass zwischen äußerlich ähnlichen Dingen

Großteils zweidimensionale Krötendarstellungen (auf Keramik)

eine Verbindung (Sympathie) besteht und dass diese sich gegen-

finden sich übrigens in vielen ur- und frühgeschichtlichen Kul-

seitig beeinflussen. Das bedeutet, dass eine Abbildung dessen,

turen Europas.237

was beeinflusst werden soll, als Ersatzobjekt während der Handlung eingesetzt werden kann. Demnach stehen etwa die Farbe

236 Besonders im Ostalpenraum, Gulder 1962, 21, 24. 237 Gulder 1962, Abb. 65, 45–143.

238 Panoff, Perrin 1982, 269 f.

319

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Abb. 11_40. Heidenstatt bei Limberg. Tönerner Stecker in Quirlform mit zwei spitzen Enden. Solche Stücke stammen nahezu ausschließlich aus dem Karpaten­ raum. Ihre Funktion ist unbekannt (Länge 8,8 cm) (Foto: W. Andraschek/ Museen der Stadt Horn).

Abb. 11_41. Stillfried an der March. Zackenscheibe. Für solcherart mittig gestielte Symbole bietet sich ein Einsatz als Tonstempel an (Dm. ca. 7 cm) (Foto: L. Streinz).

Rot und Blut in Beziehung oder phallische Objektformen und

11_41).244 Für solche mittig gestielten Exemplare liegt ein Einsatz

männliche Zeugungskraft. Das bekannteste Beispiel dafür ist die

als Tonstempel nahe (Pintadera). Zu denken ist hier an das Ver-

Voodoo-Puppe.

zieren und Kennzeichnen von Haut (Körperbemalung) und Leder

239

(Trommelleder, Kleidung), ungebranntem Lehm (z. B. Hauswände, Kochstellen usw.) und vielleicht auch Butter und Backwerk. Randlich rechtwinkelig gestielte Exemplare (Stecker) könnten Stecker, Anhänger (Amulette) und sonstige Kleingegenstände

wesentlicher Zubehör spezieller (Kalender-)Zählsysteme gewe-

Eine spezielle Fundgruppe bilden plastisch in Ton ausgeführte

sen sein, die laufend (entsprechend dem Mondstand) umge-

Sinnbilder, die nur in Ausnahmefällen auch als Anhänger aus

steckt werden mussten. Hinweise in diese Richtung geben ge-

Bronze (wie das Speichenrad) oder Knochen/Geweih bekannt

lochte Feuerböcke. C. Metzner-Nebelsick schlägt anhand eines

sind. Es gibt Hand- und Tatzensymbole (siehe Kap. 3, Abb. 03_34),

Steckerfundes aus dem Bereich einer Hausaußenmauer vor, dass

Zackenscheiben, Dreiwirbel usw. Großteils handelt es sich um

der Stecker an der Gebäudewand auf- bzw. eingehängt gewesen

gestielte Formen aus Grab- und Siedlungsverbänden240, die weit

sein könnte.245

verbreitet waren und lange Zeit – von der mittleren Urnenfelder-

Ein gelochter Altfund in Form eines Handsymbols aus einer Still-

zeit (Ha  A2/B1) bis in die jüngere Hallstattzeit – verwendet

frieder Siedlungsgrube246 stand vermutlich als Schutz bringen-

wurden.241

des, Unheil abwehrendes Amulett in Verwendung (Abb. 11_42).

Ein schönes Beispiel kommt von der Höhensiedlung auf der

Bei dem größeren äußeren Zacken handelt es sich zweifelsfrei um

Heidenstatt bei Limberg (Abb. 11_40).242 Es handelt sich um eine

den Daumen. Gelochte und ungelochte Handformen sind vor al-

Quirlform mit zwei spitzen Enden, wie sie nahezu ausschließlich

lem von befestigten Höhensiedlungen bekannt, wo jeweils Metall

aus dem Karpatenraum bekannt ist.243 Ebenfalls ohne Fundver-

verarbeitet wurde.247 Ob hier ein Zusammenhang besteht, muss

band wurden gleich zwei gestielte runde Zackenscheiben aus

offen bleiben, da ihre Verwendung letztlich nicht bekannt ist.

dem Siedlungsbereich von Stillfried an der March geborgen (Abb. 239 Löhr 1943, 21–22; auch Piepke 2009, 61; Drexler 1993, 22–24. 240 Metzner-Nebelsick 1997b, 577, 590 f., Abb. 3, 10 (11.–6. Jh. v. Chr.). 241 Chytráček/Chvojka/Michálek 2008. 242 Tuzar 1998, 96, Taf. 99/9 (als Tiertorso genannt). 243 Metzner-Nebelsick 1997b, 586, 590, 598, Karte 3, Abb. 6 und 10; Ha A1–Ha C2/D1.

320

244 Fnr. 2617 und 16058; Datierung dieser Fundgruppe nach MetznerNebelsick 1997b, 584, 590: Ha A2/B1–Ha B. 245 Metzner-Nebelsick 1997b, 595, 597 (Siedlung Feudvar, Serbien). 246 Willvonseder 1931, 127, Abb. 3, Länge 8,4 cm; Dicke max. 1,6 cm. 247 Heidenstatt bei Limberg: Tuzar 1998, 93–96, Taf. 45/14; tatzenförmiges (rundes) Exemplar Taf. 97/1; Velem St. Vid: Miske 1908, Taf. 54/27; Oberleiserberg: Handsymbolfragment, Kern A. 1987, Taf. 31/8; Brno-Obřany: Handsymbol, Adámek 1961, Taf. 91/7.

11.3 Kult und Religion

Abb. 11_43. Stillfried an der March. Sprunggelenkknochen von Paarhufern waren als Spiel- oder Orakelsteine im Einsatz. Solche ritzverzierten Stücke (Rind) sind selten und unterstreichen deren besondere Bedeutung (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).



Abb. 11_42. Stillfried an der March. Dieses tönerne Handsymbol aus einer Siedlungs­ grube könnte als Unheil abwendender Glücksbringer im Haus gedient haben (Länge 9 cm) (Foto: F. Ostmann/OREA/ÖAW).

Darüber hinaus gibt es eine Reihe keramischer Gegenstände in

Tonlöffel/Tonlämpchen mit zapfenförmigem Griff gelten als Be-

Miniaturausführung, die im Alltagsgebrauch vermutlich auch

sonderheit späturnenfelderzeitlicher Siedlungen des Wald-

aus anderem Material (Holz, Horn) im Einsatz standen: (Schna-

viertels (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3.1 und Abb. 03_22), die sich dort

bel-)Schuhmodell248, Trinkhornfragment aus Ton249, Miniatur-

bis in die Hallstattzeit finden.253 Obwohl sie teilweise auch mit

webgewicht 250 und Miniaturfeuerbock 251 sowie runde und ge-

rinnenförmigen Ausgüssen versehen sind, ist ihr Zweck unklar.

zackte Tonknöpfe252. Sie zeigen oftmals glänzend polierte und

Eine profane Verwendung als Ausgusslöffel oder als Lämpchen

aufwendig verzierte Oberflächen. Durch ihre Verkleinerung, das

erscheint ebenso möglich wie der Einsatz zum Ausfassen oder

außergewöhnliche Material und die hervorstechende Gestaltung

Ausgießen von Opfergaben.

sollten sie sich von ihren im Alltag verwendeten Vorbildern un-

Sprunggelenkknochen der Paarhufer (Astragale) standen mit ih-

terscheiden, was einen Gebrauch im Kultbereich nahelegt.

rer prägnanten und besonders handlichen Form in vielen Kulturen

248 Kern D. 2001, 33, Taf. 260/13.

Belege dafür gibt es aus urnenfelder- und hallstattzeitlichen

249 Kern D. 2001, 32, Taf. 134/5.

Siedlungs- und Grabverbänden (siehe Kap. 6, Pkt. 6.5.1), darun-

250 Z. B. Stillfried an der March, Much 1875, 173 f., Fig. 16 (pyramidenförmig, Höhe 8 cm), Fig. 19 (kegelförmig, Höhe 5 cm).

ter auch gelochte und ritzverzierte Stücke (Abb. 11_43).254

und Zeiten als beliebte Spiel- und Orakelsteine in Verwendung.

251 Loretto: Grab Fundstelle 131, Nebelsick 1994, 49, Taf. 131/7 (späteste Urnenfelderzeit); Thunau am Kamp: Lochner in Vorbereitung (Taf. 130/6). 252 Gräberfeld Franzhausen-Kokoron, Grab 694, rund, Lochner/Heller­ schmid 2016; gezackt vermehrt in der Hallstattzeit, Griebl 1997, 55–56; Metzner-Nebelsick 1997b, 590, Abb. 10 (ein- oder zweifach gelochte Zackenscheiben).

253 Griebl 1997, 55. 254 Vgl. auch Klemm 1992, 167, 268.

321

11. Gesellschaft, Kult und Religion

Kalender in Ton Da Beobachtungen zum Zeitverlauf im Jahreskreis vor allem für die Landwirtschaft überlebensnotwendig waren255, ist es naheliegend, dafür Zählhilfen zu verwenden, von denen einige wenige die Zeiten überdauert haben könnten. Geeignet erscheinen die bereits erwähnten Stecksysteme, wie sie Feuerböcke256 mit Durchlochungen oder regelmäßigen Vertiefungen anzeigen. In diese Löcher oder Mulden konnten dann Gegenstände (Stecker) je nach Mondstand gesteckt werden. Auch pyramidenstumpf­ förmige Webgewichte mit auffällig punktgenauer (Dellen-)Zier wurden bereits als Gegenstände zum Zeitmessen gedeutet.257 Wenn Zierzonen auf auffälligen Fundgegenständen trotz sorgfältigster Ausführung keine Regelmäßigkeit in der Motivabfolge erkennen lassen, ist eine dahinterliegende Absicht zumindest nicht auszuschließen. Ein Beispiel dafür liefert das große Zylinderhalsgefäß aus dem Gefäßverwahrfund von Oberravelsbach, wiewohl allerdings völlig offen ist, was in die Zierzone am Großgefäß dauerhaft eingebrannt worden sein könnte (siehe Abb. 11_14).

Abb. 11_44. St. Andrä v. d. Hgt., Brandgrab 28. Die sogenannte Kalendertasse wurde mit Winkelhaken und dellenförmigen Punkten in unregelmäßiger Abfolge versehen. Eine Hypothese besagt, dass es sich um kalendarische Zählzei­ chen handelt, die sich auf ein Naturereignis (Sonnenfinsternis) beziehen. Diese Zählzeichen wären anlässlich des besonderen (Furcht einflößenden) Ereignisses anstelle einer Aufzeichnung auf vergänglicherem Material in Ton eingeritzt und gedrückt sowie durch Brand fixiert worden (Eibner C. 2000, Abb. 6).

achtungen rund um diese vier Fixtage gedeutet werden. Punkte stehen für reine Zähltage ohne Besonderheiten. Die Kalendertasse aus dem Gräberfeld von St. Andrä vor dem

Aufzeichnungen über Himmelsbeobachtungen wurden wahr-

Hagenthale

scheinlich hauptsächlich auf vergänglichem Material festgehal-

Anders verhält es sich bei der Kalendertasse aus dem Gräberfeld

ten. Falls auf einer Tasse aus Ton ein bestimmter Mondzyklus

von St. Andrä v.d. Hgt.258, für deren ungewöhnliche Verzierung es

verewigt wurde, spricht das für ein ganz besonderes Himmels­

eine Deutung gibt (Abb. 11_44). Die Gefäßbeigabe kommt aus

ereignis. C. Eibner vermutet eine Sonnenfinsternis und schlägt

Grab 28, dessen bestimmbares Knochenklein des Leichenbran-

dafür ein Datum einer solchen Begebenheit im fraglichen Zeit-

des ausschließlich von einem männlichen Hausschwein stammt.

raum von Ha  B1 vor, auf das die Zeichenabfolge (mit gewissen

Im Verband befand sich auch ein Gefäßboden, den man in die-

Unsicherheiten/Lücken) passt.259

sem Zusammenhang als Futternapf deuten kann. Hier wurde ein

Aus antiken Überlieferungen ist bekannt, dass ein solches

Tier offensichtlich wie ein Mensch in einer Urne bestattet, wo-

Naturereignis als schlechtes Omen gesehen wurde, das gesühnt

bei die Orientierung des Grabverbands und ein mitgegebener

werden musste.260 C. Eibner schließt daher bei dem aufwendig

Halsreif auf eine männliche Bestattung weisen. Die einhenkelige

bestatteten, männlichen Jungschwein aus Grab  28 auf ein Er-

Kalendertasse trägt auf der Schulter eine geritzte Zierleiste, be-

satzopfer (Substitutionsopfer). Möglicherweise handelt es sich

stehend aus einer unregelmäßigen Abfolge von – großteils ste-

um ein Sühneopfer, das für die „Ursache“ bzw. den „Auslöser“

henden – Winkelhaken und dellenförmigen Punkten. Das sorgfäl-

der Sonnenfinsternis erbracht wurde.

tige Anbringen von einfachen und zweifachen Winkelhaken bzw. von einer bzw. zwei, vier und sieben Dellen dazwischen lässt an einer willkürlichen Verzierung zweifeln. C. Eibner schließt aus

Musikinstrumente

der speziellen Zeichenabfolge auf Schulter, Henkel und Mund-

Sehr wesentlich beim Ritual ist die klangliche Komponente, da

saum, dass auf der Tasse eine konkrete Mondphasen-Nieder-

Musik zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt ver-

schrift vorliegt. Die vier Doppelhaken markieren demnach die

mittelt.261 Die Spezialisten (unabhängig vom Geschlecht) für das

vier Hauptstände des Mondes (Neumond, zu- bzw. abnehmen-

Jenseitige – Schamanen, Zauberer, Heiler, Priester und Mönche –

der Halbmond und Vollmond). Die einfachen und halben Winkel­

sind daher vorrangig singende, musizierende und tanzende

haken können als notwendige Angaben über die Mondbeob-

Menschen.262

255 Schlosser 2005; Lorenz 2011.

259 30.4.984 v.Chr., Eibner C. 2000, 107.

256 Baumeister 2011, 83–86.

260 Eibner C. 1974, 119.

257 Teržan 1996.

261 Riethmüller 2003, 15–19.

258 Eibner C. 1974, 112–120, Taf. 30c; Eibner C. 2000, 106–107.

262 Suppan 1997, 922–923.

322

11.3 Kult und Religion

1 Abb. 11_45. Inzersdorf ob der Traisen, Grab 106, Mehrfachbestattung mit Keramiktrommel. 1. Befund (Bestattung Nord: Frau (19–40 Jahre); Bestattung Süd: Kind (7–12 Jahre)) – 2. Keramiktrommel (erh. Höhe 13 cm, Randm. 22 cm) (Grafik: M. Lochner, Foto: L. Streinz).

Der Charakter der Rituale wird durch die Wahl und das Zusammenspiel bestimmter Klanginstrumente und Formeln, Lieder und Lobgesänge verdeutlicht.263 Demgemäß sind Musikinstrumente nicht nur als Unterhaltungs-, sondern auch als Ritualgegenstände zu verstehen, woraus eine enge Beziehung zu ihren Besitzern erwächst. Bestimmte Schwingungen der Trommel bewirken Tiefenentspannung und können in weiterer Folge beim Musiker und den Zuhörern zu anderen, geistig nicht mehr kontrollierbaren Bewusstseinszuständen führen sowie Musiker und Zuhörer in Trance versetzen.

2

263 Dally 2003, 172.

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11. Gesellschaft, Kult und Religion

Mehr als die Hälfte der Fundplätze mit Keramiktrommeln aus der Urgeschichte sind Grabanlagen oder Kultplätze.264 Das einzige bekannte Beispiel aus der Urnenfelderzeit kommt aus einer Mehrfachbestattung am älterurnenfelderzeitlichen Brandgräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen265 (siehe Kap. 9, Punkt 9.2.4). Unter den zahlreichen Beigaben für die 19- bis 40jährige Frau befand sich eine (absichtsvoll?) zerscherbte Keramiktrommel (Abb. 11_45). Der besondere Fund besteht aus einem zylindrischen, schwach gebauchten Fuß und einem schalenförmigen, flachen Oberteil (erh. Höhe 13 cm, Schalendm. 22 cm, Fußdm. 10,5 cm). Es ist gut vorstellbar, dass das Instrument seine Besitzerin auf dem Weg ins Jenseits begleitete (und „rituell“ getötet wurde), wie es für schamanisch eingesetzte Instrumente überliefert ist.266 Die Rassel ist ein Klang- und Rhythmusinstrument267, das auch zur Abwehr böser Geister und Dämonen eingesetzt wird.268 Den in Kindergräbern aufgefundenen Tonrasseln könnte demgemäß neben ihrem Einsatz als beruhigendes und vertrautes Spielzeug auch eine Schutzfunktion zugekommen sein. Eine vollständige Rassel wurde im Stillfrieder Siedlungsbereich geborgen (Abb. 11_46) 269, eine unvollständige in Thunau am Kamp.270 Beide sind von birnenförmiger Gestalt, glänzend poliert, grafitiert und üppig verziert. Solche Exemplare sind kennzeichnend für die Endstufe des schlesischen Zeitabschnitts der Lausitzer Kultur (Ha B), aber auch im ostösterreichischen Raum verbreitet.

264 Pomberger 2011, 36; diese Bestattungen zeigen meist erhöhten Bestattungsaufwand und überdurchschnittlich viele Grabbeigaben, Lustig 2002, 175. 265 Lochner 2015; Fritzl 2017. 266 Oppitz 2007, 106; Vitebsky 2001, 95. 267 Baumeister 2009, bes. 52. 268 Adámek 1961, 213. 269 Aus einer weiteren Grube aus Stillfried an der March kommt auch ein sehr grob gearbeitetes, unvollständiges Exemplar, Hellerschmid 2006, Taf. 50/9. 270 Wewerka 2001, Taf 236/18.

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Abb. 11_46. Stillfried an der March. Diese Tonrassel (Höhe 4,4 cm) – sie stammt aus einer Siedlungsgrube – wurde höchst aufwendig poliert und verziert, was eine Verwendung als Ritualgegenstand vermuten lässt (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).

11.5 Literatur

11.4 Zusammenfassung

11.5 Literatur

Der Beitrag bietet einen Einblick in die Vielfalt kultischer Hinter-

Adámek 1961: F. Adámek, Pravěké Hradisko u Obřan, Monografické práce Moravského musea v Brne (Brne 1961).

lassenschaften und möglicher religiöser Aktivitäten im ostösterreichischen Raum von etwa 1300 bis 800 v. Chr. Kult und Ritual sind Ausdruck des religiösen Weltbilds einer Gemeinschaft. Unter den im Untersuchungsgebiet zur Verfügung stehenden rein archäologischen Quellen lassen sich Opfer- bzw. Weihegaben als Bronze- und Keramikhorte, Gewässerfunde, pflanzliche Opfergaben, Tier-, Trank- und Speiseopfer fassen. Sie zeigen den Menschen in einem Geber-Nehmer-Verhältnis mit der unsichtbaren (Götter-)Welt. Wesentlicher Aspekt ist der Verzicht durch die Zerstörung der Gaben (Verbrennen, Zertrennen, Vergraben, Versenken). Oftmals erschließt sich uns der Niederlegungsort als ein bewusst gewählter Platz mit Bezug zu einer befestigten Zentralsiedlung. Diese Orte stehen in Zusammenhang mit Verkehrswegen und Gewässern usw. Als gesicherter Kultplatz bzw. Ritualort ist in unserem Raum bisher hauptsächlich der Bestattungsplatz zu nennen. Von der am Gräberfeld durchgeführten Verbrennung des Leichnams am Scheiterhaufen ist eine gesteigerte Gewichtung des Feuers in der geistig-spirituellen Vorstellungswelt der Urnenfelderzeit abzuleiten. Ausgangspunkt ist die durch Symbole und Kultgegenstände bezeugte Sonnenverehrung der Bronzezeit. Mit der in der frühen Urnenfelderzeit aufkommenden Vogelsonnenbarke als zusammengesetztes Sinnbild aus Sonne, Wasservogel und Schiff drückt sich der zentrale Glaubensinhalt der spätbronzezeitlichen Religiosität aus. Demnach unternimmt die Sonne als Leben spendende göttliche Kraft ihre tägliche Reise durch Tag und Nacht auf einem von tierischen Wesen gezogenem Schiff. Die Darstellung der Sonnenbarke findet sich in unserem Raum hauptsächlich am Heft von Schwertern und bezeugt, dass in der Urnenfelderzeit die Scheu vor der naturalistischen Darstellungsweise überwunden wurde. Künftige Forschungen werden dieses schier endlos scheinende, jedoch überaus spannende Themenfeld weiter erschließen und Antworten auf einige der noch vielen offenen Fragen finden.

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11.5 Literatur

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Lindinger 1998/1999: Mittelbronzezeitliche Gefäßdeponierung von Zwerndorf an der March, NÖ. In: A. Krenn–Leeb/J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Depotfunde der Bronzezeit im mittleren Donauraum, AÖ 9/10, 1998/1999, 78–87. Lochner 1986a: M. Lochner, Das frühurnenfelderzeitliche Gräberfeld von Baierdorf, Niederösterreich – eine Gesamtdarstellung, ArchA 70, 1986, 263–294. Lochner 1986b: M. Lochner, Ein urnenfelderzeitliches Keramikdepot aus Oberravelsbach, Niederösterreich. ArchA 70, 1986, 295–315. Lochner 1991: M. Lochner, Studien zur Urnenfelderkultur im Wald­ viertel – Niederösterreich, MPK 25 (Wien 1991).

Krumm 2011g: C. Krumm, Kegel und Kappen, die Frage nach der Nut­ zung. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 102–110.

Lochner 1994: M. Lochner, Späte Bronzezeit, Urnenfelderzeit. Aktueller Überblick über die Urnenfelderkultur im Osten Österreichs. In: J.-W. Neugebauer, Bronzezeit in Ostösterreich, Wissen­ schaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 98–101 (Wien, St. Pölten 1994), 195–224.

Krumm 2011h: C. Krumm, Mehr als nur ein Dekor – Axtmotive als Zeichen der Macht. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 79–82.

Lochner 1998/1999: M. Lochner, KG Rassing, MG Kapelln VB St. Pölten. In: A. Krenn–Leeb/J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Depotfunde der Bronzezeit im mittleren Donauraum, AÖ 9/10, 1998/1999, 22–28.

Kultus/Schmitsberger/Stöckl 2010: M. Kultus/O. Schmitsberger/ C. Stöckl, KG Gobelsburg, SG Langenlois, VB Krems, FÖ 49, 2010, 274.

Lochner 2012: M. Lochner, Bestattungsrituale auf Gräberfeldern der älteren Phase der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur. In: G. Danek/I. Hellerschmid (Hrsg.), Rituale. Identitätsstiftende Handlungskomplexe. 2. Tagung des Zentrums Archäologie und Altertumswissenschaften an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2.–3. November 2009, Origines. Schrif­ ten des Zentrums Archäologie und Altertumswissenschaften 2 (Wien 2012), 37–45.

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Lochner 2015: M. Lochner, Eine Mehrfachbestattung mit Keramiktrom­ mel aus dem älterurnenfelderzeitlichen Brandgräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen, Niederösterreich. In: I. Szathmári (Hrsg.), An der Grenze der Bronze- und Eisenzeit. Festschrift für Tibor Kemenczei zum 75. Geburtstag (Budapest 2015), 339–351.

Lauermann 1991: E. Lauermann, Archäologische Grabungen in Unter­ hautzenthal 1990, AÖ 2/2, 1991, 30.

Lochner in Vorbereitung: M. Lochner, Thunau am Kamp – Eine befes­ tigte Höhensiedlung der Urnenfelderkultur (Grabung 1965– 1990), epub, in Vorbereitung.

Lauermann/Hahnel 1998/1999: E. Lauermann/B. Hahnel, Die mittel­ bronzezeitlichen Gefäßdepots von Großmugl in Niederöster­ reich. In: A. Krenn-Leeb/J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Depotfunde der Bronzezeit im mittleren Donauraum, AÖ 9/10, 1998/1999, 88–102.

Lochner/Hellerschmid 2009: M. Lochner/I. Hellerschmid, Sozial­ strukturen im Gräberfeld Franzhausen–Kokoron, Niederöster­ reich. Eine Analyse anhand der Urnengrößen, ArchA 93, 2009, 23–32.

Lauermann/Rammer 2013: E. Lauermann/E. Rammer (Hrsg.), Metall­ hortfunde Niederösterreichs. Mit besonderer Berücksichtigung der zwei Depotfunde aus Enzersdorf im Thale, UPA 226 (Bonn 2013). Lehar 2017: H. Lehar, Tieropfer und Fleischgeschmack in der griechi­ schen Archaik – ein Praxistest, MAG 147, 2017, 155–167. Leusch 2013: V. Leusch, Enzersdorf im Thale – Eine technologische Untersuchung der Halbfertigprodukte. In: E. Lauermann/ E. Rammer (Hrsg.), Metallhortfunde Niederösterreichs. Mit besonderer Berücksichtigung der zwei Depotfunde aus Enzersdorf im Thale, UPA 226 (Bonn 2013), 60–64.

Lochner/Hellerschmid 2016: M. Lochner/I. Hellerschmid, Dokumenta­ tion Franzhausen-Kokoron: Ein Gräberfeld der jüngeren Urnen­ felderkultur aus Zentraleuropa. Erweiterte interaktive Daten­ bank mit Illustrationen und Fundbeschreibungen. Version 03/ epub (Wien 2016), http://epub.oeaw.ac.at/franzhausen-kokoron2, letzter Zugriff: Juni 2020 Löhr 1943: H. Löhr, Aberglauben und Medizin, Leipzig 1943. Lorenz 2011: T. Lorenz, Raum, Zeit und Zahl – Kalender und Mathema­ tik der Bronzezeit. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 93–100.

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11. Gesellschaft, Kult und Religion

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11.5 Literatur

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331

11. Gesellschaft, Kult und Religion

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333

12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist

12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist Sigrid Strohschneider­Laue Der vorliegende Band gibt einen Überblick über den aktuellen

brände sind für die urnenfelderzeitlichen Menschen das Über-

Forschungsstand zur Spätbronzezeit in Niederösterreich. Der

gangsritual, um die Schwelle zum Jenseits zu überschreiten

Zeitraum zwischen 1300 und 800  v. Chr. wird darin einer ge-

(Kap. 9). Die verbrannten Knochenreste aus den Gräberfeldern

nauen Betrachtung – über die politischen Grenzen Niederöster-

ermöglichen Rückschlüsse auf die Einäscherung des Leichnams.

reichs hinaus – unterzogen. Der letzte Abschnitt der Bronzezeit,

Andererseits liefern sie zahlreiche körperbezogene Daten über

die sogenannte Urnenfelderkultur, war nicht auf das heutige

die Bestatteten (Kap. 10) und in Summe betrachtet zu lokalen

Bundesland beschränkt. Im Gegenteil: Niederösterreich war zu

und regionalen Bevölkerungsgruppen. Am schwersten fassbar

jener Zeit Teil eines mitteleuropäischen Kulturphänomens. Die

ist die geistige Welt, also die kultisch-religiösen Vorstellungen,

materiellen Errungenschaften und kulturellen Entwicklungen der

die Menschen durch den Alltag begleiteten und ihre Handlungen

Bronzezeit – u.  a. die Verarbeitung der Rohmaterialien Kupfer

vermutlich maßgeblich mitbestimmten. Obwohl es dem Kult zu-

und Zinn zu Bronze sowie das Entstehen einer gegliederten Ge-

ordenbare Artefakte gibt, kann man über deren Bedeutung nur

sellschaft – erreichten in dieser Zeit ihren Höhepunkt.

durch kulturelle Quervergleiche spekulieren (Kap. 11). Die ar-

Natur- und Kulturraum haben sich in den vergangenen ca. 3.300

chäologische Forschung sammelt und bewertet akribisch alle

Jahren drastisch verändert. Es ist daher nötig, die Umweltbedin-

erhobenen Daten und erarbeitet einen chronologischen Zusam-

gungen, die natur- und kulturräumlichen Situationen zu erfassen

menhang (Kap. 1). In Folge gilt es, die Dinge immer wieder neuen

und zu vergleichen (Kap. 2). Sie sind der Rahmen und der Hin-

Betrachtungen hinsichtlich ihrer Veränderungen, Mobilität, Zeit-

tergrund, in die sämtliche archäologischen Forschungsergebnis-

lichkeit und Querbeziehungen sowie ihres Bedeutungswandels

se als Puzzleteile eines lückenhaften Gesamtbildes eingepasst

bzw. ihrer Wechselwirkungen zu unterziehen. Viele Forschungs-

werden. Pollen, Körner, Hölzer und mehr belegen den Pflanzen-

fragen ließen sich im Lauf der Zeit beantworten. Es scheint den-

bestand in der damaligen Zeit. Sie helfen, den Lebensraum, die

noch, dass alle gefundenen Antworten noch mehr Fragen zur Fol-

(Über-)Lebensbedingungen und vor allem das Nahrungsspek-

ge haben. Die Aussagekraft von Funden und Befunden ist ebenso

trum einer bäuerlich lebenden Gesellschaft zu rekonstruieren

limitiert wie die Möglichkeiten ihrer Auswertung – zumindest so-

(Kap. 5). Dass Tiere mehr waren als nur eine Bereicherung des

lange bis es neue Konzepte für sie gibt.1

Speiseplans, verdeutlichen Untersuchungen der zahlreichen Tierknochen aus verschiedenen Bereichen des urnenfelderzeitlichen Alltags, des Totenbrauchtums und Kults (Kap. 6). In das so entstehende Bild passt die Forschung die vielfältigen Siedlungsstrukturen ein (Kap. 3). Diese werden durch die Untersuchungen von Wohnen und Wirtschaften rund um das bäuerliche Haus- und Hofleben detailliert bereichert (Kap. 4). Die Bergbauregionen fügen dem Gesamtbild noch die spezialisierte Arbeitswelt rund um

12.1 Archäologie – Arbeiten zwischen sprudelnden und versiegenden Quellen

den gut organisierten Kupferbergbau hinzu (Kap. 7). In der urnenfelderzeitlichen Gesellschaft nehmen der bewaffnete Mann und

Die prähistorische Archäologie ist eine historische Kulturwissen-

mit ihm der Krieg eine wichtige Rolle ein. Die Spuren von Tod,

schaft2, die realienkundliche Quellen nutzt. Sie ist ebenso his-

Plünderung und Zerstörung lassen sich bis in die antiken Hoch-

torische Anthropologie, in der sich Naturwissenschaften und

kulturen verfolgen. Kriegerische Auseinandersetzungen wurden dort in Schrift- und Bildquellen festgehalten (Kap. 8). Die Verbrennung der Verstorbenen und die Beisetzung der Leichen334

1

Hahn 2018, 1–25.

2

Wodtke 2013.

12.1 Archäologie – Arbeiten zwischen sprudelnden und versiegenden Quellen

Geisteswissenschaften vereinigen, um den kulturschaffenden

sie z. B. Verfärbungen im Boden oder Abdrücke in gebranntem

Menschen in seiner jeweiligen Zeit zu erforschen.3 Die Urge-

Ton hinterlassen haben. Oft sind es gerade diese kleinen, zu-

schichte selbst ist schriftlos, dennoch gibt es über bewaffne-

nächst unspektakulär erscheinenden Funde, die das Gesamt-

te Auseinandersetzungen mit urnenfelderzeitlichen Gruppen

bild entscheidend bereichern – angefangen bei der genauen

schriftliche Überlieferungen. Hochkulturen des Mittelmeerraums

Datierungsmöglichkeit bis hin zur Rekonstruktion einer Speise

berichten aus ihrer kulturellen und politischen Perspektive über

(siehe Kap. 5, Exkurs: Bronzezeit-Risotto).

diese Ereignisse.

Die Ergebnisse aus Gräberfeldern belegen die Wichtigkeit von Fund und Befund sowie interdisziplinären wissenschaftlichen

12.1.1 Funde und Befunde

Analysen. Ein fachgerecht untersuchtes Grab wird in allen Details dokumentiert und komplett geborgen. Die Funde können klassifiziert, katalogisiert, anschließend interpretiert und wieder mit inhaltlicher Bedeutung aufgeladen werden. Mit ihnen sind Aus-

Die Urgeschichtsforschung schöpft einen Großteil ihrer Erkennt-

sagen über Reihenfolge und Ausrichtung der ins Grab gelangten

nisse aus Artefakten, also aus von Menschenhand geschaffenen

Gegenstände sowie ihre Lage zueinander möglich. Die Auswer-

Objekten. Dazu kommen Quellen, welche die absichtsvoll herge-

tung der Gefäßinhalte sowie Untersuchungen der menschlichen

stellte Materialkultur ergänzen. Dies sind die sterblichen Über-

und tierischen Knochen komplettieren die Datenerhebung. Die

reste des Menschen selbst, Tierknochen mit und ohne Bearbei-

statistische Betrachtung aller Fakten erlaubt es, Ausschließen-

tungsspuren oder im Lebensumfeld abgelagerte Pollen, um nur

des und Regelhaftes (z. B. alters- und geschlechtsspezifische

einige zu nennen. Weiters kommen noch die auf Menschen be-

Kombinationen) festzustellen. Damit verhelfen Gräberfelder zu

ziehbaren Spuren hinzu, die Veränderungen in Landschaft und

umfassenderen demografischen Aussagen über eine größere

Boden hinterlassen haben.

Gemeinschaft. Archäozoologische Untersuchungen der Tierkno-

Die Ausgrabung selbst ist vor allem hinsichtlich der Befunde (z. B.

chen zeigen u. a. die Verteilung auf die bevorzugten Haus- bzw.

Bodenverfärbungen) eine systematische dokumentierte Zerstö-

Wildtiere und in welchem Lebensalter diese geschlachtet wurden.

rung. Ihre vergänglichen Informationsquellen müssen beob-

Schlachtspuren wiederum weisen auf die verwendeten Werk-

achtet sowie fotografisch, zeichnerisch und digital festgehalten

zeuge hin. Die Teilstücke zeigen Auswahl und Umfang der Fleisch-

werden. Zur Befunddokumentation gehören auch die mit größ-

portionen. Alle diese Fakten sind Aspekte der Lebensrealität, des

ter Genauigkeit erfassten Kulturschichten, Lageverhältnisse von

Grabaufbaus sowie der Handlungsabläufe während und nach der

Objekten (z. B. Gruben, Gräber, Brunnen) zueinander sowie die

Beisetzung.

genaue Verortung der in den Objekten und Kulturschichten einge-

Letztlich trägt die Gesamtheit aller wissenschaftlich erhobenen

lagerten Funde. Ohne diese Dokumentation ist die Aussagekraft

Puzzleteile dazu bei, vollständigere Bilder von Zeitabschnit-

von Funden wesentlich geschmälert. Erst ein im Befundzusam-

ten, kulturellen Strömungen und regionalen Verhältnissen zu

menhang in situ dokumentierter Fund kann mehr Aussagen er-

skizzieren.

möglichen als nur eine relative Altersbestimmung. Allen voran sind es die anorganischen, also nahezu unvergänglichen Materialien, die den Löwenanteil im Fundmaterial ausmachen. Unter diesen sind mengenmäßig Gefäßbruchstücke sowie gebrannter Hüttenlehm die Spitzenreiter, gefolgt von tierischen und menschlichen Knochen. Metallfunde (Rohstoff, Halbfabri-

12.1.2 Auffinden – ausgraben – aufarbeiten – ausstellen

kat, Fertigprodukt, Altmetall) sind trotz der urnenfelderzeitlichen

Niederösterreich hat eine lange Tradition in der Heimatforschung.

Massenproduktion wesentlich seltener. Steine sind im Fund-

Hierzu zählen Pioniere der Urgeschichte und Museumsgründer

material u. a. als Gussformen, Glätt-, Mahl- und Kochsteine ver-

wie Candid Pontz von Engelshofen (1803 – 1866), Matthäus Much

treten.

(1832 – 1909), Johann Krahuletz (1848 – 1828), Josef Höbarth

Organische Materialien können bei entsprechender Lagerung im

(1891 – 1952), um nur einige zu nennen. Ihre Geländebege-

Boden (siehe Kap. 3, Pkt. 3.1.2) und entsprechenden Berge- und

hungen und Sammeltätigkeit trugen wesentlich dazu bei, dass

Konservierungsmaßnahmen (siehe Kap. 5, Pkt. 5.2.1) gesichert

Niederösterreich und damit auch die Urnenfelderkultur be-

werden. Sogar ihre Absenz kann Erkenntnisse bringen, wenn

reits früh in den Fokus der Wissenschaft rückten (siehe Kap. 1, Pkt. 1.1).

3

Ickerodt 2011, 278–280.

335

12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist

Das Arbeitsspektrum der modernen Archäologie beginnt idealer-

tes Beispiel zur Subjektivität ist die Bandbreite der Deutungen

weise mit systematischer Bestandsaufnahme und Geländeunter-

von Depotfunden. Persönliche Erfahrungen und Lebenseinstel-

suchungen (survey). Dabei werden naturräumlich abgeschlosse-

lungen können dazu beitragen, dass einzelne Hortfunde als Ver-

ne Regionen vorab in ihrer Besiedlungsgeschichte erfasst. Nicht

wahrfund in Krisenzeiten, Opfer an die Götter, Selbstausstattung

immer besteht der Auftrag dazu, und oft reicht die Arbeitszeit

für das Jenseits, Überschusslager eines Erzeugers/Händlers und

nicht aus. Es ist dem archäologischen Forschungsdrang zu ver-

mehr interpretiert werden. Dennoch ist es nötig, Theorien zu

danken, dass systematische Begehungen trotzdem stattfinden.

entwickeln und zur Diskussion zu stellen. Ob sie sich als halt-

Zu den nichtinvasiven Untersuchungsmethoden gehört die geo-

bar erweisen, werden zukünftige Funde und Aufarbeitungen zei-

magnetische Prospektion, die im Vorfeld von Grabungen hilf-

gen Erst eine Analyse mehrerer vergleichbarer Befunde kann

reich ist. Wo zuvor keine Bestandsaufnahme durchgeführt wur-

Gemeinsames und Unterschiedliches aufzeigen, um damit Inter-

de, ist das Auffinden eher der Bautätigkeit zu verdanken, dem

pretationen zu bestätigen oder zu widerlegen.5 Es ist also kein

Zufall überlassen oder im schlimmsten Fall durch Raubgräber

Wunder, dass ein Kennzeichen seriöser archäologischer Publi-

verursacht.

kationen der Konjunktiv ist.

Langfristig geplante Ausgrabungen zu Forschungszwecken,

Es wird zunehmend schwieriger, archäologische Erkenntnisse

wie in den befestigen Höhensiedlungen von Thunau am Kamp,

zu veröffentlichen. Der rigorose politische Sparkurs trifft in

Stillfried an der March und der Bergbausiedlung Prigglitz, sind

erster Linie Bildung, Wissenschaft und Kultur hart. Da auch

nicht die Regel. Häufiger sind die unter Zeitdruck stehenden

die Forschung der wirtschaftlichen Rentabilität unterworfen

Notgrabungen im Vorfeld von großflächigen Bauvorhaben (z. B.

wird, kommt es zur Unterfinanzierung von Institutionen, Verla-

Pixen­ dorf). Am zahlreichsten sind die kurzfristig angesetz-

gen und Vereinen. Seither werden akademischen Publikatio-

ten Notbergungen, die das rasche Arbeiten vor und neben der

nen enge Grenzen gesteckt; dem Kommunikationsmittel für den

Bagger­schaufel nötig machen.

wissenschaftlichen Austausch aktueller Forschungsergebnis-

Die Aufarbeitung archäologischer Fundkomplexe erfordert ein

se wird damit zum Teil die Basis entzogen. Trotzdem ist es der

breit gefächertes Wissenschaftsteam mit ausreichend finanziel-

Prä­historischen Kommission bzw. ihrer Nachfolgerin OREA an

len Ressourcen, um auch externe Untersuchungen (14C-Datierun-

der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gelungen,

gen, chemische Analysen etc.) in Auftrag geben zu können – vom

einen Schwerpunkt auf die Erforschung der Spätbronzezeit zu

Platz ganz zu schweigen, der benötigt wird, um eine große Fund-

legen und für regelmäßigen Informationsfluss zu sorgen (siehe

menge zu sichten und zu restaurieren. Während unter Bedacht-

Kap. 1).

nahme auf bestimmte Fragestellungen Forschungsgrabungen

Ausstellungen sind quer durch die Zeiten dem Wandel unter-

über Jahre im Rahmen von FWF-Projekten4 aufgearbeitet werden,

worfen. Was in zunehmend nationalistisch geprägten Zeiten

bleiben für die Materialfülle aus Notgrabungen meist weder Zeit

nach dem Ersten Weltkrieg mehr und mehr politisch eingefor-

noch Platz und kaum Budget übrig. Dazu kommt, dass in den De-

dertes Forschungsergebnis und Vermittlungsziel zu sein hatte,

pots Altmaterial lagert, das schon seit 100 Jahren und länger der

wurde inhaltlich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch

kompletten Aufarbeitung harrt. Die Bearbeitung größerer Fund-

Krieg und Wiederaufbau beeinflusst. Die wirtschaftlichen und

materialien im Rahmen von universitären Abschlussarbeiten ist

gesellschaftlichen Tendenzen nach 1968 dürften dazu beigetra-

rückläufig. Solche Arbeiten trugen als Teil des Studiums maß-

gen haben, dass die Experimentalarchäologie als Forschung ab-

geblich dazu bei, die Grundlagenforschung voranzutreiben.

seits des Schreibtischs sowie die interaktive Vermittlung an die

Am Ende der Aufarbeitung stehen einerseits die Publikation des

Öffentlichkeit auch in Niederösterreich an Bedeutung gewannen.

Materialkatalogs und andererseits die kulturhistorische Aus-

Es bleibt abzuwarten, wie sich ab 2020 die Covid-19-Pandemie

wertung. Letztere ist eine große Herausforderung an die wis-

wissenschaftlich niederschlagen wird. Anzunehmen ist, dass

senschaftliche Objektivität. Es ist ein schmaler Grat zwischen

Museen an die stay at home sowie physical distancing Maßnah-

der Wirklichkeit objektiv erhobener Fakten und der vermeintli-

men angepasst werden müssen. Zu erhoffen wären vielgestalti-

chen Wahrheit subjektiv gefärbter Interpretation. Ein oft zitier-

ge Onlineangebote sowie Outreachprogramme, um Vermittlung kultureller, archäologischer Inhalte weiterhin zu ermöglichen.

4

336

FWF-Forschungsprojekte/Auswahl: Die urnenfelderzeitliche befestigte Höhensiedlung Thunau am Kamp; Ein Gräberfeld der jüngeren Urnen­ felderkultur aus Franzhausen Kokoron (FWF 1996–1998); Der Oberlei­ serberg in der Bronzezeit (P 14568); Menschen- und Tierdepositionen – Opferkult in Stillfried? (P 22755); Ressourcensicherung, Macht und Kult in Stillfried (P 29005); Leben und Arbeit im bronzezeitlichen Bergbau von Prigglitz (P 30289).

5

Hodder 1992; Hodder 1995, 253.

12.2 Das Fassbare: Der Hang zur Konformität

12.2 Das Fassbare: Der Hang zur Konformität

Die materielle Kultur der Spätbronzezeit ist trotz ihrer Vielfalt dennoch sehr ähnlich in Material, Form, Funktion, Gebrauch und Kombination von Gegenständen. All dies belegt eine gesellschaftliche Verbundenheit mit einer gemeinsamen Kommunikationsbasis. Diese ermöglicht es, die gefundene Gemeinsamkeit

Die Urnenfelderkultur ist ein mitteleuropäisches Phänomen.

intern zu tradieren und extern weiterzutragen. Die einheitli-

Vom mitteldonauländischen Kerngebiet zwischen Karpaten,

che Bestattungsform und die damit verbundene Weltanschau-

nördlichem Balkan und Ostalpen ausgehend, erreichte sie ihre

ung waren mit den gesellschaftlichen Strukturen verflochten.

größte Ausdehnung im 11. Jh. v. Chr. bis Nord-Mitteleuropa, Süd-

Gruppenspezifisches, die Rolle und der Status von Personen in

ost-Europa, Italien und zur Iberischen Halbinsel.6 In diesem Kul-

urnenfelderzeitlichen Gemeinschaften werden über die anthro-

turraum, der naturräumlich ein vielfältiges Spektrum an Land-

pologischen Analysen fassbar. Demografische Daten – Ge-

schaften, Klimaten, Bodenqualitäten und Ressourcen etc. zu

schlecht, Alter, Körpermaße und Stressfaktoren – werden in

bieten hat, war als einheitlicher Umgang mit Verstorbenen die

einen Zusammenhang mit der Ausstattung, die Indikatoren für

Leichenverbrennung üblich. Der regelhaft ablaufende Übertritt

Identitäten enthält, gebracht. Zu den anthropologischen Daten

von der Welt der Lebenden in das Jenseits durch das Feuer ist

und Artefakten wie Ausstattungsensembles und Trachtbestand-

ein fundamentaler Bestandteil der urnenfelderzeitlichen Gesell-

teilen gesellen sich botanische und archäozoologische Untersu-

schaft. Die Leichenverbrennung und Beisetzung der Überreste

chungen. Erst die Interpretation der Befunde macht ein Grab und

in Gräberfeldern wurde zur einzigen Bestattungsform. Sie war

in Folge Gräberfelder zu mehr als die Summe auswertbarer Lei-

namengebend für die Urnenfelderkultur. Diese konsequente

chenbrandreste, die statistisch und chronologisch in Bezug zu

Umsetzung lässt vermuten, dass es eine ebenso einheitliche

den Beigaben gesetzt werden. Erst wenn es gelingt, Tote über

Weltanschauung gab, die auf philosophisch-religiöser Ebene

die Summe der biologischen Daten und das Grab über die Masse

großräumig identitätsstiftend war. Diese Vorstellungen müssen

der archäologischen Nachweise hinaus zu betrachten, erschließt

alle Lebensbereiche beeinflusst und maßgeblich mitbestimmt

sich ihr sozialer Anteil an einer Gemeinschaft. Lebensbilder klei-

haben. Hinweise geben in den kultischen Zusammenhang ge-

nerer Gruppen können innerhalb größerer Gemeinschaften – un-

stellte Sonderfunde, die Vogelsonnenbarken und das auffällige

ter Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Verhältnisse –

Fehlen von Menschendarstellungen.7 Es ist die Aufgabe der prä-

entworfen werden.10

historischen Archäologie, die zugehörigen identitätsstiftenden

Der nachweisbare Abbau und Austausch von Rohstoffen, Halb-

Gemeinsamkeiten, welche die urnenfelderzeitliche Gesellschaft

und Fertigfabrikaten, Gütern des täglichen Bedarfs sowie luxu-

formten, herauszuarbeiten. Außerdem gilt es, die gegenseitigen

riöser Importe machen deutlich, dass die Kommunikation zwi-

Beziehungen und Abhängigkeiten von Menschen untereinander

schen naheliegenden Siedlungen üblich war und auch über

sowie ihre Beziehung zu Artefakten einer genaueren Betrach-

weite Distanzen funktionierte. Der Warenfluss basierte auf tra-

tung zu unterziehen.

dierten Erfahrungswerten zu Bedarf und Überschussproduktion.

8

Während der Urnenfelderzeit kam es zu einem Bevölkerungs-

Die Führungseliten bauten mithilfe ihrer Kenntnisse hinsicht-

wachstum. Es entstanden mehr Siedlungen in den Tallagen,

lich Lager- und Produktionsstätten Organisationsstrukturen auf

während in natürlich geschützten Höhenlagen mit großem Auf-

und sorgten für gesicherten Warentransfer. Der mit dieser wirt-

wand befestigte Zentralorte angelegt wurden. Der Wandel der

schaftlich motivierten Mobilität einhergehende Güteraustausch

Siedlungsstrukturen verweist auf veränderte politische und

förderte zugleich den Ideentransfer. Er wird über den kulturellen

wirtschaftliche Verhältnisse, die auf eine differenzierte soziale

Wandel regionaler Gruppen im Vergleich zu überregionalen Ver-

Gliederung (siehe Kap. 11, Pkt. 11.2) mit martialischem Charak-

hältnissen sichtbar. Mit territorialem Denken und angehäuftem

ter schließen lassen. Die Urnenfelderzeit wurde von einer soge-

Wohlstand wächst das Schutzbedürfnis – und das zieht wiede-

nannten heroischen Gesellschaft getragen, die den Status und

rum Aufrüstung nach sich. Die befestigten Wallanlagen waren

die Rechte der Frau definierte und im Vergleich zur nachfolgen-

als Herrschafts-, Kult- und Wirtschaftszentren an kontrollierba-

den Eisenzeit stark einschränkte. 6

9

Siehe zur Identifizierung sozialer Gruppen allgemein Burmeister/ Scheeßel 2006.

7

Metzner-Nebelsick 2018, 42–46.

8

Hodder 2016.

9

Metzner-Nebelsick 2015, 46–49.

ren Verkehrsknotenpunkten situiert. Inwieweit wirtschaftliche Interessen im Vordergrund standen, religiöse Motivation einen Beitrag leistete, ist unbekannt. Fest steht, dass gut bewaffnete Gruppen, die kulturell Mitteleuropa und dem Balkan zugeordnet 10 Perego 2015.

337

12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist

werden können, an Migrationsbewegungen beteiligt waren. Die-

Textilien und Geflechten, die es gegeben haben muss: Gezwirn-

se kriegerisch motivierten Unternehmungen wiederholten sich

tes, Gesponnenes, Gewebtes, Genähtes, Geknüpftes, Geflochte-

teilweise zyklisch; Ziel waren die reichen Mittelmeerregionen.

11

In welchem Maße sich in diesen Migrationen politische, wirt-

nes aus pflanzlichen und tierischen Materialien. Die Menschen waren bekleidet und der Haushalt war mit vielerlei Alltagsobjek-

schaftliche und religiöse Verbindungen der urnenfelderzeitli-

ten, vermutlich in typischen Designs, ausgestattet. Nicht nach-

chen Gruppen abzeichnen, bleibt noch zu klären. Sicher ist, dass

vollziehbar bleiben daher die Lebensdauer, die sogenannte

die regionalen und überregionalen Land- und Wasserwege, die

Laufzeit, und der u. a. durch Muster und Farben zum Ausdruck

in die lukrativen Regionen führten, bekannt waren. Die antiken

gebrachte Symbolgehalt von Textilien. Wie oft wurden sie gewa-

Schrift- und Bildquellen sind Belege für die großen Distanzen,

schen, eingefärbt, geflickt, umgearbeitet, einer neuen Funktion

die diese Gruppen zurücklegten.

zugeführt bis sie auf ein Minimum reduziert als winziges „Putz-

Es sind keine künstlich angelegten Straßen, sondern Wege, die

fetzerl“ den Weg in eine Abfallgrube fanden?

heute im Gelände nur vermutet werden können und sich selten

In der Spätbronzezeit in Niederösterreich muss man sich bis-

nachweisen lassen. Durch naturräumliche Gegebenheiten be-

lang mit dem an einem Armreif ankorrodierten Textilfragment

günstigte Routen, darunter auch Wasserwege, wurden schon

aus einem Urnengrab in Vösendorf bescheiden. Die feinen Gold-

lange vor der Urnenfelderzeit genutzt; mit ihrem Fortbestand,

fäden, die im selben Gräberfeld geborgen wurden, waren eben-

ihrer Pflege sowie einer Erweiterung ist zu rechnen zumal Rei-

falls Teil eines Textils.14 Nachdem das edle Metall der wenigen

ten und Fahren an Bedeutung gewinnen.12 Die Vermutung liegt

urnenfelderzeitlichen Goldfunde in Ostösterreich (siehe Kap. 7,

nahe, dass die nachfolgenden eisenzeitlichen Kulturen eben-

Pkt. 7.3.2) möglicherweise aus osteuropäischen Lagerstätten15

falls das etablierte Wegenetz verwendeten und in späterer Fol-

stammt, liegt der Schluss nahe, dass auch das zugehörige Textil

ge der römische Straßenbau abschnittsweise altbewährte Wege

in Osteuropa erzeugt wurde. Es ist ein luxuriöser Import, dessen

in ihre weitgehend geradlinige Streckenführung einbezog. An-

Laufzeit von Erzeugung, Transport und Verwendung bis zur Grab-

gelegte Wege und durch regelmäßige Benutzung entstande-

lege nicht nachvollzogen werden kann. Der glitzernde Blickfang

ne Begehungshorizonte sind in urnenfelderzeitlichen Siedlun-

hatte vielleicht mehrere Besitzerwechsel hinter sich gebracht,

gen und Gräberfeldern nachgewiesen. Eine Wagenfahrspur, wie

bis er zuletzt ins Grab mitgegeben wurde.

sie im Bereich der Hügelgräbergruppe aus der Čaka-Kultur von Siegendorf-Schuschenwald (Burgenland) dokumentiert werden konnte, ist dennoch eine Ausnahme.13

12.3 Das Unfassbare: Gedanken, Ideen und Philosophien

Scherben, nichts als Scherben und viele Fragen Zerbrochene Keramikgefäße sind das tägliche Brot der prähistorischen Archäologie. Welchen Erkenntnisgewinn kann aus dem gigantischen Scherbenhaufen der Jahrtausende gezogen werden? Keramik ist die Hauptquelle der Datierung. Machart, Form und Oberflächendesign sind sowohl zeit- als auch lokaltypisch. Scherben sind als unstratifizierte Oberflächenfunde zumindest Fundstellenanzeiger und gut für eine grobe zeitliche Einordnung.

Ist das wirklich alles?

Im Idealfall wurden sie schichtbezogen geborgen. Das bedeu-

Dem erhaltenen materiellen Spektrum der Urnenfelderkultur

tet, dass die Keramik aus tiefer liegenden Schichten älter als

mangelt es an Vielfalt und Farbe, was organische Materialien be-

jene Scherben ist, die aus später abgelagerten, höher liegenden

trifft. Die Erhaltungsbedingungen dafür sind nur selten optimal.

Schichten stammen. Prinzipiell ist damit zumindest die relati-

Was im Fundmaterial Niederösterreichs fehlt, ist z. B. die Fülle an

ve Datierung – älter bzw. jünger – möglich. Für die archäologi-

11 Ilon 2015, 253 f. 12 Nessel/Uhnér 2019. 13 Mein Dank für die Auskünfte zu den Funden und Befunden der Ausgrabung Siegendorf-Schuschenwald (Burgenland) gilt Margarete Kaus. Die während der Ausgrabung launig entwickelte Theorie, dass der Krieger aus Hügel 1 die Pyramiden gesehen haben könnte, geht mir seit 1982 nicht aus dem Kopf. Ein Hügelgrab, das an seiner Basis nicht mit einer kreisförmigen, sondern mit einer annähernd quadratischen Steineinfassung befestigt ist, bietet einfach Anlass zu (wilden) Theorien. Kaus K. 1975; Kaus M. 1985/86.

338

sche Forschung ist die leichte Zerbrechlichkeit von Keramik von Vorteil. Ihre Haltbarkeitsspanne ist damit begrenzter als jene von Metall. Insbesondere die zumeist kurze Laufzeit, in der das Objekt funktional war und verwendet wurde, lässt sich damit 14 Grömer/Mehofer 2006; Grömer 2016a, 193 f. und Abb. 112; Grömer 2016b. 15 FWF-Forschungsprojekt: Das Gold des Balkans. Die Goldmine von Ada Tepe (P 28451).

12.3 Das Unfassbare: Gedanken, Ideen und Philosophien

zeitlich enger eingrenzen. Anders bei Metall: Die Stillfrieder

gegrenzt. Es werden Typen definiert und benannt.18 Artefakte

Tasse16 (siehe Kap. 3, Abb. 03_40) wurde über einen längeren

werden gemessen, gewogen, beschrieben, gezeichnet, fotogra-

Zeitraum verwendet. Sie wurde repariert, weitergegeben und en-

fiert, kartiert, nach vielfältigen Kriterien immer wieder neu sor-

dete zuletzt (vermutlich) in einem Grab. Das gute Stück wurde

tiert, verglichen und in Beziehungen zueinander gesetzt. Damit

zumindest nicht wie viele andere ausgediente Bronzeprodukte in

sind die Puzzleteile vorbereitet; das Bühnenbild kann mit Cha-

einem Brucherzdepot mit dem restlichen „Schrott“ gesammelt

rakteristischem ausgestattet werden.

und eingeschmolzen.

Die Lebenswelt wird hierarchisch in Kategorien (Leben, Tod),

Vor allem im Grabzusammenhang stellt sich oft die Frage nach

Unterkategorien (Siedlung, Gräberfeld, Kult) und mehr unterteilt,

der Laufzeit der Dinge und ihrer Wertschätzung. Wurden be-

wie es auch für die vorliegende Publikation getan wurde. Dies ist

stimmte Gefäße extra für diesen Anlass gefertigt? Wurde nur al-

das Bühnenbild, das mit den klassifizierten Puzzleteilchen der

tes oder nur neues Geschirr oder bunt gemischt alte und neue

materiellen Kultur aufgefüllt wird. Viele Puzzleteilchen sind ohne

Keramik mitgegeben? Sollte die Auswahl dem Toten im Jenseits

größeren Zusammenhang, andere bereits in größere Cluster zu

dienen, das Verhältnis der Familie zum Verstorbenen reflektie-

Teilbildern zusammengefügt.

ren, einen Beitrag zur Selbstdarstellung der Erben leisten? Was

Wie die eigentlichen Protagonisten, die Träger der Urnenfelder-

davon war wichtig für den Verstorben, was für die Hinterbliebe-

kultur, sich auf dieser Bühne bewegten und verhielten, kann nur

nen? Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach den Kosten: Wer hat

durch Rückschlüsse erahnt werden. Gesellschaftliche Grenzen,

das organisiert und am Ende die Zeche – von der Aufbahrung

Regulative und Freiräume sind nicht fassbar. Das in vielerlei Be-

über die Einäscherung bis zur Beisetzung der Urne sowie den

langen automatisch ablaufende Verhalten von Personen wird ei-

Totenschmaus – bezahlt? Dies alles sind Fragen, die auch heute

nerseits von familiärer Erziehung, gesellschaftlicher Erwartung

noch bei Begräbnissen relevant sind.

und persönlicher Erfahrung geprägt. Andererseits schnürt eine fundamentale, alles beeinflussende religiös-kultische Weltordnung das Gesamtpaket mit dem Strick der moralisch-rechtlichen

Die Aussagekraft der Lücke

Wertvorstellungen. Werte, die mit all ihren regulativen Elemen-

Sogar die Abstände bei Gefäßensembles in Gruben und Kellern

ten das Leben sämtlicher Mitglieder der Gesellschaft (mit)be-

werfen Fragen auf. Stehen sie dicht gedrängt oder gibt es auf-

stimmten. Inwieweit dieses Wertesystem über oder neben den

fällige Leerräume zwischen ihnen? Die Interpretierbarkeit einer

führenden Eliten stand oder diese sogar das Wertesystem schu-

deutlich sichtbaren Lücke ist eine Herausforderung an jede Auf-

fen und repräsentierten, ist ohne Schriftquellen nicht fassbar.

arbeitung. Ist es ein gewollter Abstand oder befand sich an die-

Dass weltlich Mächtige sich nicht oder zumindest nicht lang über

ser Stelle ein organisches Behältnis? Wo hingen, standen und

die religiös Mächtigen erheben können, wurde in der Geschichts-

lagen die Säcke aus Textil und Leder, die Flechtkörbe und Holz-

schreibung immer wieder festgehalten. So mancher Herrscher

kisten? Weisen Anhäufungen botanischen Materials auf solche

musste schon vor und nach Kaiser Heinrich IV. (1050 – 1106)

vergänglichen Objekte hin? Gibt die Form des Getreidehäuf-

einen Canossagang machen. Anders verhielt es sich, wenn die

chens oder des Leichenbrands Hinweise auf den längst vergan-

Führungsschicht selbst der Priesterkaste angehörte oder die

genen organischen Behälter? Der sorgsam längs ausgerichte-

weltlichen Herrscher irdische Vertreter der himmlischen Mächte

te und nebeneinander liegend vorgefundene Leichenbrand im

waren, wie es unter Pharao Echnaton (†  1335  v. Chr.) der Fall

Hügel  2 von Siegendorf-Schuschenwald (Burgenland) legt Ver-

war. Seine politisch-religiöse Tendenz zum Monotheismus ging

mutungen nahe, dass er in einem rechteckigen, organischen Be-

mit einer Entmachtung der Priesterschaft einher. Echnaton ver-

hältnis einsortiert und anschließend beigesetzt wurde.

17

änderte – allerdings nur für die Dauer seiner 17-jährigen Herrschaft – die ägyptische Weltanschauung samt ihrer zugehörigen

Wenn das Bühnenbild steht …

Strukturen maßgeblich.19

Die materiellen Hinterlassenschaften der Urnenfelderkultur werden durch die archäologische Forschung klassifiziert. Sie werden aufgrund übereinstimmender Merkmale voneinander ab-

16 Strohschneider 1976; Kaus M. 1988. 17 Kaus K. 1975; Kaus M. 1985/86.

18 Diese Namen gehören zur Fachsprache und stellen sicher, dass Fach­ leute schon bei Namensnennung wissen, um welchen Typ es sich handelt, welche Form, Funktion, Datierung etc. damit verbunden sind. 19 Der Sonnengott Aton wurde nicht mehr in Menschengestalt abgebildet, stattdessen wurde die Sonnenscheibe das zentrale Motiv. Dies lädt dazu ein, einen Analogieschluss zum Fehlen von Menschendarstellun­ gen sowie zu den Sonnenscheiben der Urnenfelderzeit zu ziehen und einen gewissen Ideentransfer anzudenken.

339

12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist

Der Alltag ist kultisch, Kult ist alltäglich

weggeworfen worden sein. Seltenheit, Herkunft, Aufwand sind Wertmaßstäbe, die regelmäßig an archäologische Funde ange-

Das Kultische ist mit dem Alltäglichen aufgrund tradierter, ritu-

legt werden. Sie decken aber nur ein Teilspektrum ihres Werts

alisierter Handlungsabläufe untrennbar verflochten. Eine katho-

ab. Reich und arm allein über Masse statt Klasse zu definieren,

lische Bäuerin, die automatisch ein schnelles Kreuz über dem

ist einseitig.22

Brotlaib schlägt, bevor sie ihn anschneidet, vollzieht dies als ganz normale zugehörige Handbewegung, ohne vorher über die Bedeutung des Segens nachzudenken. In der Spätbronzezeit

Was vom Krieg übrig blieb

muss es zahlreiche vergleichbare Akte im Alltag gegeben haben,

Zuletzt noch ein abschließender Blick auf die martialische

die aus kultischen Gründen dazugehörten, ohne funktional re-

Seite der Urnenfelderkultur: Die Bronzewaffen waren keine Zier-

levant zu sein – weil man das machte, weil sich das so gehörte,

stücke, sondern hochwertige Produkte in funktionalem Design

weil der ursprüngliche Zweck nicht mehr überlegt werden muss-

am Puls der Zeit. Gebrauchsspuren an erhaltener Bewaffnung

te. Es gibt funktionale Handlungen, die religiös wirken, jedoch

sowie an Waffenbruchstücken in Bronzedepots beweisen, dass

eigentlich als Zeitmessung fungierten, weil z. B. der Brotteig

sie im Kampf eingesetzt wurden. Bronzewaffen decken aller-

nur beim Absingen/Aufsagen eines bestimmten Lieds/Gedichts

dings nur einen kleinen Teil des Arsenals ab. Erst die Funde vom

aufgeht.

Erahnen lassen sich gleichförmig ausgeführte Hand-

Schlachtfeld23 im Tollensetal (Deutschland, Mecklenburg-Vor-

lungsabläufe im urnenfelderzeitlichen Totenbrauch, bei dem

pommern) erweiterten aufgrund der dortigen Erhaltungsbedin-

das Begräbnis einem Ritual folgte, das sich z. B. in Reihenfolgen

gen das Spektrum. Es gab durchaus Waffen aus organischem

20

aus Funden und Befunden erschließen lässt. Die materielle

Material, wie z. B. Keulen und Knüppel. Zahlreiche Waffenfunde

Kultur mit kultischem Bezug lässt jedenfalls keinen Rückschluss

sowie Skelettfunde mit tödlichen Verletzungen belegen ausge-

auf diesen ritualisierten Bestandteil des Tagesablaufs zu.21

dehnte Kampfhandlungen, die sich über ein größeres Areal erstreckten. Die zahlreichen Opfer waren, bis auf wenige fragliche

Die Illusion des Wertes

Individuen, ausschließlich junge erwachsene Männer.24 Es wird geschätzt, dass in die Kämpfe, die um 1250 v. Chr. datiert wer-

Der Wert eines Artefakts ist nicht allein über den Materialwert

den, bis zu 1.000 Bewaffnete – darunter möglicherweise Krieger

und den Aufwand bei Herstellung und Herkunft (Import) definier-

aus süddeutschen sowie aus südeuropäischen Gebieten – invol-

bar. Der Materialwert ist abhängig von Angebot und Nachfrage.

viert waren. Solche kriegerischen Konflikte sind weder Ausnah-

Wasser und Brot sind wertvoller als Gold – auf jeden Fall, wenn

men noch lokale Krisenherde, sondern ein Teil der Kriegszüge,

sie in Notzeiten Mangelwaren sind. Nicht umsonst gilt als wert-

die bis nach Griechenland und Ägypten führten. Die Dimensio-

vollstes Gut, was Leib und Seele zusammenhält. Die nicht im-

nen der Schlachten und Auswirkungen der Kämpfe waren jeden-

mer archäologisch belegbaren Trank- und Nahrungsspenden ge-

falls so einschneidend, dass sie im Fund- sowie Befundmaterial

hören somit wahrscheinlich zu den wichtigsten und häufigsten,

fassbar werden und im besten Fall über sie berichtet wurde.

wenn nicht sogar alltäglichsten Opfergaben. Wasser und Brot

Herausragende Ereignisse wurden lange Zeit ausschließlich

sind mit moralischen Werten bemessen auch dann wertvoller,

mündlich überliefert, bis sie zuletzt schriftlich festgehalten wur-

wenn Gold die Mangelware ist. Tatsächlich hat Gold unbestritten

den. „Ilias“ und „Odyssee“, die Epen Homers, zählen zu den be-

einen zeitlos universellen Wert, der über allen anderen Werten

deutendsten Werken der Weltliteratur. Sie beschreiben Ereignis-

zu stehen scheint. Wert ist also Ansichtssache und keine Kons-

se, die im 13. Jh. v. Chr., also am Beginn der Urnenfelderkultur,

tante. Artefakte und Strukturen können ihren Material-, Bedeu-

stattgefunden haben, aber erst im 8. Jh. v. Chr., also am Beginn

tungs- und Funktionswert verlieren. Erinnerungsstücke werden

der Eisenzeit, aufgeschrieben wurden. Die Gesänge der „Ilias“

höher bewertet als Objekte ohne emotionale Bezüge. Positive

rücken zentrale Figuren im Kampf um Troja in den Mittelpunkt.

Emotionen werden als wertsteigernd, negative Konnexe als wert-

Von der 10-jährigen Belagerung werden nur die schicksalsträch-

mindernd empfunden. Der Wert ist abhängig von der persönli-

tigen letzten 51 Tage bis zum Fall der Stadt beschrieben. Die

chen Betrachtung. Was im archäologischen Zusammenhang ein

„Odyssee“ hingegen schildert die abenteuerliche Rückreise des

wichtiges Fundstück (z. B. Geweberest) und daher wertvoll ist,

listenreichen Königs von Ithaka, der am Trojanischen Krieg nur

mag in der Vergangenheit als geringwertig angesehen und daher 20 Mündliche Überlieferung aus der Familiengeschichte meiner Mutter Irmgard Laue (1931–2020).

22 Stockhammer 2016.

21 Fogelin 2007.

24 Terberger/Dombrovsky/Dräger et al. 2014, 105–106 Abb. 3.

340

23 Jantzen/Orschiedt/Piek et al. 2014.

12.4 Literatur

widerwillig teilgenommen hatte, weil er dazu verpflichtet worden war. Alle Protagonisten sind heldenhafte Archetypen, die ein reichhaltiges Identifikationspotenzial für Männer bieten. Ein wesentlicher Grund, warum diese beiden Epen quer durch drei Jahrtausende international großen Einfluss auf Kunst und Literatur ausüben. Seit der Spätbronzezeit haben sich „Ilias“ und „Odyssee“ als Blockbuster erwiesen, heute sind sie Bestandteil der Popkultur. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Geschichtenerzähler im öffentlichen Bereich und Vortragende im elitären Kreis von großer Bedeutung waren. Inhaltlich angesiedelt zwischen Information und Unterhaltung, trugen sie zum Statuszuwachs der Waffenträger und dem Aufrechthalten der Wertevorstellungen bei. Gemeinschaftserlebnisse verbinden, umso mehr, wenn sie traumatisierende Ereignisse wie Kämpfe, Schlachten und Kriege betreffen. Es ist im Fundgut nicht nachweisbar, doch muss ein bedeutendes Ausmaß an Kontakten, Bindungen und Verpflichtungen unter den Veteranen angenommen werden. Das bedeutet, dass Schlachten und kriegerisch motivierte Migrationen nicht nur kurzfristige Auswirkung auf die betroffenen Siedlungen und Regionen hatten, sondern bestehende und zukünftige Allianzen entscheidend beeinflussten. Die Grenze der archäologischen Forschung ist erreicht, wenn gesellschaftliche Interaktionen mit allen ihren Aspekten über die materielle Kultur hinaus erschlossen werden sollen. Was bleibt, ist Theorien zu entwickeln und Analogieschlüsse zu ziehen, die sich vielleicht langfristig bestätigen – oder eben auch nicht.

12.4 Literatur Burmeister/Scheeßel 2006: S. Burmeister/N. Müller-Scheeßel, Einfüh­ rung: Die Identifizierung sozialer Gruppen. Die Erkenntnismög­ lichkeiten der Prähistorischen Archäologie auf dem Prüfstand. In: S. Burmeister/N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), Soziale Gruppen – kulturelle Grenzen. Die Interpretation sozialer Identitäten in der Prähistorischen Archäologie, Tübinger Archäologische Taschenbücher 5 (Münster, New York, München, Berlin 2006), 9–37. Egger 2006: M. K. H. Egger, Archäologie. Grundzüge einer historischen Kulturwissenschaft (Tübingen 2006). Fogelin 2007: L. Fogelin, The Archaeology of Religious Ritual, Annual Review of Anthropology 2007/36, 55–71. Grömer 2016a: K. Grömer, The Art of Prehistoric Textile Making. The development of craft traditions and clothing in Central Europe, Veröffentlichungen der Prähistorischen Abteilung 5 (Wien 2016). Grömer 2016b: K. Grömer, Colour, Pattern and Glamour. Textiles in Central Europe 2000–400 BC. In: J. Ortiz/C. Alfaro/L. Turell/ M. J. Martínez (Hrsg.), Textiles, Basketry and Dyes in the An­ cient Mediterranean World Textiles, Proceedings of the Vth International Symposium on Textiles and Dyes in the Ancient Mediterranean World, Montserrat 19–22 March 2014 (València 2014), 37–44. Grömer/Mehofer 2006: K. Grömer/M. Mehofer, Metallfunde mit ankorrodierten Textilien aus Vösendorf und Mautern. Rasterelek­ tronenmikroskopische Analysen anhand urnenfelderzeitlicher und spätantiker Beispiele, AÖ 17/1, 59–65. Hodder 1992: I. Hodder, Theorie und and Practice in Archaeology (London 1992). Hodder 1995: I. Hodder, Towards a contextual methodology. In: M. Kuna/N. Vencelová, Wither Archaeology? Papers in Honour of Evžen Neustupný (Praha 1995), 249–254. Hodder 2016: I. Hodder, Studies in Human-Thing Entanglement (Open Access 2016). Ickerodt 2011: U. F. Ickerodt, Der ganze Mensch: Archäologie und Geschichte als Historische Anthropologie. In: S. Burmeister/ N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), Fluchtpunkt Geschichte, Archäolo­ gie und Geschichtswissenschaft im Dialog (Münster, New York, München, Berlin 2011), 269–296. Jantzen/Orschiedt/Piek et al. 2014: D. Jantzen/J. Orschiedt/J. Piek/ Th. Terberger (Hrsg.), Tod im Tollensetal. Forschungen zu den Hinterlassenschaften eines bronzezeitlichen Gewaltkonfliktes in Mecklenburg-Vorpommern Teil 1: Die Forschungen bis 2011, Beiträge zur Ur­ und Frühgeschichte Mecklenburg­Vorpom­ merns 50 (Schwerin 2014). Ilon 2015: G. Ilon, Zeitstellung der Urnenfelderkultur (1350/1300–750/ 700 BC) in West-Transdanubien. Ein Versuch mittels Typochronologie und Radiokarbondaten. In: S. Berecki/R. E. Németh/ B. Rezi (Hrsg.), Bronze Age Chronology in the Carpathian Basin. Proceedings of the International Colloquium from Târgu Mureş 2–4 October 2014, Bibliotheca Mvsei Marisiensis seria archae­ ologica VIII (Târgu Mureş 2015), 223–397.

341

12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist

Kaus K. 1975: K. Kaus, Das Kriegergrab von Siegendorf. In: Festschrift Siegendorf im Burgenland (Siegendorf 1975), 42–51. Kaus M. 1985/86: M. Kaus, KG Siegendorf, FÖ 24/25, 1985/86, 237 f. Metzner-Nebelsick 2015: C. Metzner-Nebelsick, Frauenrollen in der Bronzezeit. In: Faszinosum Lausitzer Kultur. Identitäten und Persönlichkeiten der Bronzezeit. Eine Annäherung über die Jahrtausende. Schriftenreihe der Spreewälder Kulturstiftung Burg-Müschen 5 (Berlin 2015), 36–52. Metzner-Nebelsick 2018: C. Metzner-Nebelsick, Creativity versus Taboo in Late Bronze Age Central and Southeast Europe. In: J. Sofaer, Considering Creativity Creativity, Knowledge and Practice in Bronze Age Europe (Oxford 2018), 39–54. Nessel/Uhnér 2019: B. Nessel/C. Uhnér, Transportation in Bronze Age Europe. Digging in the Past of Old Europe. In: V. Sîrbu/ A. Comșa/D. Hortopan (Hrsg.), Studies in Honor of Christian Schuster at his 60th Anniversary, Editura Istros a Muzeului Brăilei “Carol I” (Târgu Jiu, Brăila 2019), 256–276. Perego 2015: E. Perego, Bodies and Persons. In: A. Gardner/M. Lake/ U. Sommer, The Oxford Handbook of Archaeological Theory, (Stand 17. Nov. 2015). DOI: 10.1093/oxfordhb/9780199567942.013.021, letzter Zugriff: August 2020.

342

Stockhammer 2016: P. W. Stockhammer, Arm und Reich in der Urge­schichte: Methodische Überlegungen. In: H. Meller/H. P. Hahn/ R. Jung/R. Risch (Hrsg.), Arm und Reich – Zur Ressourcenver­ teilung in prähistorischen Gesellschaften, 8. Mitteldeutscher Archäologentag vom 22. bis 24. Oktober 2015 in Halle (Saale) Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale) 14/1 (Halle [Saale] 2016), 77–84. Strohschneider 1976: M. Strohschneider, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von Stillfried, FIST 2 (Wien 1976), 31–69. Terberger/Dombrovsky/Dräger: et al. 2014: Th. Terberger/ A. Dombrowsky/J. Dräger/D. Jantzen/J. Krüger/G. Lidke, Professionelle Krieger in der Bronzezeit vor 3300 Jahren? Zu den Überresten eines Gewaltkonfliktes im Tollensetal, Mecklenburg-Vorpommern. In: T. Link/H. Peter-Röcher (Hrsg.), Gewalt und Gesellschaft. Dimensionen der Gewalt in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Internationale Tagung vom 14.–16. März 2013 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. UPA 259 (Bonn 2014), 93–109. Wodtke 2013: P. Wodtke, Archäologie als Kulturwissenschaft, Forum Kritische Archäologie 2, 2013, 1–13.

13. Abkürzungen von Zeitschriften und Reihen

13. Abkürzungen von Zeitschriften und Reihen

Annalen NHM Wien = Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien AÖ = Archäologie Österreichs ArchA = Archaeologia Austriaca BAR = British Archaeological Reports BRGK = Berichte der Römisch-Germanischen Kommission FIST = Forschungen in Stillfried FÖ = Fundberichte aus Österreich FÖMat = Fundberichte aus Österreich, Materialhefte MAG = Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien MPK = Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften PamA = Památky archeologické UPA = Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie WPZ = Wiener Prähistorische Zeitschrift

344

14. Autorinnen und Autoren

14. Autorinnen und Autoren Mag. Katharina Adametz

Priv.-Doz. Mag. Dr. Andreas G. Heiss

Eisenbergeramt 16, A-3542 Jaidhof; [email protected]

Österreichisches Archäologisches Institut (ÖAI) der Österrei-

Studium der Ethnologie, Soziologie und Ur- und Frühgeschichte

chischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Zentrale Wien,

an der Universität Wien, 2010 Diplomprüfung. Während des

Franz-Klein-Gasse 1, A-1190 Wien; [email protected]

Studiums sowie danach Mitarbeit bei verschiedenen Grabungs-

Studium der Biologie (Schwerpunkt Archäobotanik) an der

firmen, Leitung von Ausgrabungen verschiedener Epochen in

Universität Innsbruck, seit 2001 in zahlreichen nationalen

Niederösterreich. Zurzeit lebt sie mit ihrer Familie im Waldviertel

und internationalen Forschungsprojekten tätig, mit Fokus auf

und ist bei der Grabungsfirma ASINOE GmbH beschäftigt.

Ernährungs-, Landwirtschafts- und Bergbaugeschichte, u. a.

Dr. Ruth Drescher-Schneider

Fundstelle Prigglitz. Lehrtätigkeit an der Universität für Boden-

Schillingsdorfer Straße 27, A-Kainbach bei Graz;

kultur Wien (BOKU), der Universität Wien und der Universität

archäobotanische Untersuchungen der urnenfelderzeitlichen

[email protected]

für Angewandte Kunst Wien. 2015 Gründungsmitglied der Bio-

Geboren und aufgewachsen in der Schweiz. Studium der Botanik,

archäologischen Gesellschaft Österreichs (BAG). Seit 2016

Zoologie und Ur- und Frühgeschichte in Bern, Göttingen und

Mitglied des Departments für Bioarchäologie des ÖAI und

Bologna. Nach dem Doktorat in Vegetationsgeschichte Mitarbeit

Leiter des Archäobotaniklabors, Leitung der Forschungsgruppe

in zahlreichen Projekten zur Vegetations-, Klima- und Landschafts-

„Mensch-Umweltverhältnis in historischen Gesellschaften“.

geschichte der vergangenen 300.000 Jahre in der Schweiz, Österreich und Italien. Aktuell: „Face Alps – Interdisziplinäre

Dipl.-Päd. Mag. Dr. Irmtraud Hellerschmid

Forschung zum Mensch-Umweltverhältnis rund um den Hall-

Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA),

stätter See“.

Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Hollandstraße 11–13, A-1020 Wien; [email protected]

Mag. Dr. Monika Griebl

Studium der Ur- und Frühgeschichte und Anthropologie an der

Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA),

Universität Wien. Seit Mitte der 1990er Jahre Mitarbeiterin bei

Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Holland-

archäologischen Notbergungen in Niederösterreich; Projekt-

straße 11–13, 1020 Wien; [email protected]

entwicklung und Durchführung des FWF-Projekts „Stillfried am

Studium der Ur- und Frühgeschichte und Völkerkunde an der

Übergang von der Urnenfelder- zur Hallstattzeit“. Seit 2007

Universität Wien, wissenschaftliche Mitarbeiterin in mehreren

wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Österreichischen Akade-

Forschungsprojekten. Seit 2007 Forschungsschwerpunkt Still-

mie der Wissenschaften. 2011–2015 Leitung des Projekts

fried an der March, dazu ab 2011 in zwei FWF-Projekten zu den

„Menschen- und Tierdepositionen. Opferkult in Stillfried?“

Themen „Tier- und Menschenniederlegungen – Kult in Stillfried?“ sowie „Ressourcensicherung. Macht und Kult in Stillfried?“ – tätig.

346

14. Autorinnen und Autoren

Dr. Susanne Klemm

Dr. Ernst Lauermann WHR

Wien; [email protected]

Landesarchäologe von Niederösterreich i. R, lebt in Stockerau;

Studium der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien,

[email protected]

Lehramt für Volksschulen an der Pädagogischen Akademie

Ab 1976 Studium der Ur- und Frühgeschichte und der Mittel­

in Baden bei Wien, freiberufliche Archäologin und Kultur­-

alterlichen Geschichte an der Universität Wien, 1988 Promotion.

ver­mittlerin, Leitung von Forschungsprojekten (FWF) an der

Ab 1992 Prähistoriker im Niederösterreichischen Landesdienst,

Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien

Abt. K1 Kultur und Wissenschaft. In den Jahren 2005–2017

(2003–2014), Forschungsschwerpunkte: Siedlungs-, Land-

Landesarchäologe für Ur- und Frühgeschichte und Mittelalter­

schafts- und Montan­archäologie (Urgeschichte bis Neuzeit),

archäologie Niederösterreichs, wissenschaftlicher Leiter des

archäologische und interdisziplinäre Publikationen.

MAMUZ in Asparn an der Zaya und der ur- und frühgeschichtlichen Landessammlung. Projekte und Ausgrabungen: u. a.

Dr. Daniela Kern †

1983–1994 Unterparschenbrunn und Unterhautzental,

Studium der Ur- und Frühgeschichte sowie der Humanbiologie

1995–2005 Michelstetten und Mitterretzbach, 2006–2009

an der Universität Wien. Ab 1980 überwiegend freiberufliche

Hausleiten, Herzogbierbaum und Getzersdorf, 2010–2013

Tätigkeit im Rahmen von Projekten u. a. für die Universität Wien,

Michelberg, 2014–2015 Hollabrunn, 2017 Großmugl.

die Österreichische Akademie der Wissenschaften, das Naturhistorische Museum Wien und das Niederösterreichische Landes-

Dr. Michaela Lochner

museum. Arbeitsschwerpunkte bildeten das Spätneolithikum

Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA),

sowie die Spätbronzezeit mit den Themenschwerpunkten ma-

Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Holland-

terielle Kultur, Mobilität, Migration und Kindheit in urzeitlichen

straße 11–13, A-1020 Wien; [email protected]

Gesellschaften, u. a. Publikationen zu den Höhensiedlungen

Studium der Ur- und Frühgeschichte und Humanbiologie an

Thunau am Kamp und Oberleiserberg.

der Universität Wien. Seit 1997 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Prähistorischen Kommission, danach Institut für Orienta-

Mag. Dr. Günther Karl Kunst

lische und Europäische Archäologie der Österreichischen

Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS), Interdiszipli-

Akademie der Wissenschaften. 2003 Durchführung der 1. Ta-

näre Forschungsplattform Archäologie der Universität Wien,

gung zur Urnenfelderkultur in Österreich, in Folge Aufbau des

UZA II, Althanstraße 14, A-1090 Wien;

Forschungsschwerpunkts Spätbronzezeit, Etablierung des

[email protected]

jährlich stattfindenden Workshops „UK-Gespräche“, Leitung

Studium der Erdwissenschaften an der Universität Wien,

von Forschungsprojekten zu Thunau am Kamp, Oberleiserberg,

Studien­abschluss 1992 im Bereich Wirbeltierpaläontologie,

Franzhausen-Kokoron, zahlreiche Publikationen u. a. zur Urnen­

2001 Promotion zum Dr. rer. nat. in Paläontologie an der Univer-

felderkultur im Waldviertel und den Gräberfeldern Baierdorf,

sität Wien. Seit 1994 Vertragsbediensteter für das Fach Archäo-

Horn und Franzhausen-Kokoron. Ab 2015 Leiterin des Langzeit-

zoologie bei VIAS. Bearbeitung von Tierresten aus archäozoolo-

forschungsvorhabens „Urnfield Culture Networks“. Von Mai 2017

gischen Fundzusammenhängen von der jüngeren Urgeschichte

bis zur Pensionierung im Februar 2018 stellvertretende Direk-

bis in die Neuzeit aus Österreich, u. a. von den Fundstellen

torin von OREA. Mitherausgeberin der Zeitschrift „Archaeologia

Carnuntum und Thunau am Kamp. Mitarbeiter bei Grabungs­

Austriaca“. Forschungsschwerpunkte: späte Bronzezeit/Urnen-

projekten in Ägypten und der Türkei. Seit 1994 Lehrbeauftragter

felderkultur in Zentraleuropa, Keramiktypologie sowie Grabritus

für Archäozoologie; Forschungsschwerpunkte: menschliche

und Gesellschaft.

Arbeitsspuren am Tierskelett, Tierreste und Fundschichtbildung, regionale Faunengeschichte.

347

14. Autorinnen und Autoren

Mag. Dr. (habil.) Marianne Mödlinger

Dr. Hans-Peter Stika

Institut de recherche sur les Archéomatériaux, Centre de recher-

Institut für Botanik FG Molekulare Botanik (190a), Universität

che en physique appliquée à l’archéologie (IRAMAT-CRP2A),

Hohenheim, Garbenstraße 30, D-70593 Stuttgart; hans-peter.

Université de Bordeaux Montaigne;

[email protected]

[email protected]

Studium der Wirtschaftswissenschaften und Biologie an der

Studium und Promotion am Institut für Ur- und Frühgeschichte

Universität Hohenheim, Stuttgart. Archäologische Ausgrabungen

der Universität Wien. Nach dem Studium Tätigkeit für das Landes-

beim Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Promotions­-

museum Kärnten sowie für internationale Projekte im Baltikum,

studium am Institut für Vor- und Frühgeschichte der Ludwig-

Frankreich und Italien. Forschungsschwerpunkte sind die euro-

Maximilians-Universität München. Promotion an der Leopold-

päische Bronzezeit, Bronzemetallurgie, Archäometrie und ur-

Franzens-Universität Innsbruck nach Vorlage der Dissertations-

geschichtliche Bewaffnung. Habilitation in Italien, wo sie heute

schrift „Römerzeitliche Pflanzenreste aus Baden-Württemberg“.

lebt.

Mitarbeit an vielen internationalen archäologischen Projekten in Europa sowie der Türkei, Ägypten und Nigeria. Seit 2011 Fest­

Dr. Michaela Popovtschak

anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für

Laudongasse 69, 1080 Wien; [email protected]

Botanik der Universität Hohenheim.

Studium der Botanik, Anthropologie sowie Philosophie, Sozialund Kulturanthropologie an der Universität Wien; Promotion im

Mag. Sigrid Strohschneider-Laue

Fachbereich Archäobotanik. Seit 1989 Mitarbeit bei archäologi-

Kaiserstraße 67/2/32, A-1070 Wien; [email protected]

schen Grabungen, vorwiegend in Österreich als – eine dreijäh-

Geboren und aufgewachsen in Frankfurt am Main.

rige Karenzvertretung an der interdisziplinären Einrichtung für

1981–1987 Studium der Ur- und Frühgeschichte, Klassischen

Archäologie an der Universität Wien (IDEA, heute VIAS) ausge-

Archäologie, Philosophie und Numismatik an der Universität

nommen – freiberufliche Archäobotanikerin.

Wien. Ausgrabungen im In- und Ausland sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin (u. a. Projekte zu Stillfried an der March).

Dr. Silvia Renhart

1994–2002 Stadtarchäologin in Wien, Kulturabteilung (MA 7).

Abteilung Archäologie & Münzkabinett, Universalmuseum

Ab 2003 freiberufliche Publizistin, Kulturvermittlerin im Museums-

Joanneum Graz, Schloss Eggenberg, Eggenberger Allee 90,

und Ausstellungswesen – darunter NÖ Museen und Landesaus-

A-8020 Graz; [email protected]

stellungen – mit Schwerpunkten auf Lehrmaterialien und Abfas-

Studium der Anthropologie, Völkerkunde und Ur- und Frühge-

sung barrierefreier Inhalte; Fachlektorin v. a. für archäologische

schichte an der Universität Wien; Universitätslektorin, Sach-

Publikationsvorhaben.

verständigentätigkeiten, Kulturvermittlerin sowie Publizierende, Museums- und Ausstellungsberatungen, Korrespondentin der Historischen Landeskommission für Steiermark. Archäologisch-anthropologische Forschungsschwerpunkte: Leichenbranduntersuchungen (u. a. der Gräberfelder FranzhausenKokoron und Inzersdorf ob der Traisen), Sonderbestattungen v. a. Mittel- und Jungsteinzeit, Studien zu Bevölkerungen der letzten 2.000 Jahre im Osten und Süden Österreichs.

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14. Autorinnen und Autoren

Univ.-Prof. Mag. Dr. Peter Trebsche Institut für Archäologien, Universität Innsbruck, Langer Weg 11, 6020 Innsbruck; [email protected] Studium der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien, 2005 Promotion und 2018 Habilitation für das Fach Urgeschichte und Historische Archäologie. 2001–2005 Mitarbeiter an der Römisch-Germanischen-Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts in Frankfurt am Main; 2009–2019 Mitarbeiter am Urgeschichtemuseum Asparn/Zaya; seit 2019 Universitätsprofessor für Ur- und Frühgeschichte am Institut für Archäologien der Universität Innsbruck. Forschungsschwerpunkte: Siedlungsarchäologie der Eisenzeit, Bergbau der Bronzezeit (Grabung Prigglitz), urgeschichtliche Architektur, Mikroarchäologie, Ausgrabungsmethoden und Theorien in der Archäologie. Dr. Karin Wiltschke-Schrotta Anthropologische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien, Burgring 7, A-1010 Wien; [email protected] Studium der Anthropologie und Zoologie an der Universität Wien, Promotion 1988. Nach einem Auslandsaufenthalt in den USA ist sie seit 1995 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums. Schwerpunkte ihrer Forschung sind Themen der prähistorischen Anthropologie. Seit Anbeginn ihrer beruflichen Tätigkeit im Museum war sie in die Befundaufnahme der urnenfelderzeitlichen Skelette aus Stillfried involviert. Seit 2016 leitet sie die Anthropologische Abteilung des Naturhistorischen Museums.

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