126 62 76MB
German Pages 349 [353] Year 2021
ISBN: 978-3-7001-8276-4
Made in Europe
Brandbestattung und Bronzemetallurgie
Archäologie Niederösterreichs Begründer: Ernst Lauermann Reihenherausgeber: Franz Pieler für die Abteilung Kunst und Kultur des Amtes der NÖ Landesregierung
Brandbestattung und Bronzemetallurgie Die Urnenfelderkultur in Niederösterreich (1300 – 800 v. Chr.) Michaela Lochner (Hrsg.)
Mit Beiträgen von: Katharina Adametz Ruth Drescher-Schneider Monika Griebl Andreas G. Heiss Irmtraud Hellerschmid Daniela Kern Susanne Klemm Günter Karl Kunst Ernst Lauermann Michaela Lochner Marianne Mödlinger Michaela Popovtschak Silvia Renhart Hans-Peter Stika Sigrid Strohschneider-Laue Peter Trebsche Karin Wiltschke-Schrotta
Impressum
Vorderes Umschlagbild: Höhensiedlung Thunau am Kamp, Auswahl von Gefäßkeramik (Foto: N. Sauter/IUHA), vgl. Abb. 03_22. Hinteres Umschlagbild: Bronzedepot von Haslau (Foto: N. Weigl, NÖ-Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte), vgl. Abb. 08_09.
Redaktion: Michaela Lochner Lektorat: Sigrid Strohschneider Laue, Peter Hiess
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die verwendete Papiersorte in dieser Publikation ist DIN EN ISO 9706 zertifiziert und erfüllt die Voraussetzung für eine dauerhafte Archivierung von schriftlichem Kulturgut.
Alle Rechte vorbehalten. ISBN: 978-3-7001-8276-4 EPUB-Link: epub.oeaw.ac.at/8276-4 Copyright © Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2021 https://verlag.oeaw.ac.at
Grafische Gestaltung: Thomas Reinagl, Wien Druck und Bindung: Print Alliance, Bad Vöslau Made in Europe
Inhaltverzeichnis
Vorwort
Grußwort der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner Vorwort des Reihenherausgebers Franz Pieler Vorwort der Bandherausgeberin Michaela Lochner
1. Einleitung (Michaela Lochner)
.......................................................................................................................................
13
.......................................................................................................................................................
15
............................................................................................................................................
16
.............................................................................................................................................................................................
20
1.1 Ein kurzer Abriss der Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.2 Chronologisch-kulturhistorischer Überblick
...........................................................................................................................................................
22
1.3 Typologischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Exkurs Keramiktypologie: Grundform – Typ – Variante
.................................................................................................................
23
1.4 Absolute Chronologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.5 Literatur
..................................................................................................................................................................................................................................
2. Zur Umwelt (Michaela Popovtschak/Andreas G. Heiss/Ruth Drescher-Schneider) Glossar: Zur Umwelt
25
.........................................................................
28
.....................................................................................................................................................................................
28
2.1 Wie ist das Wetter heute? – Grundlegendes zum Klimaverständnis
.............................................................................................................
29
2.1.1 Regional unterschiedliche Einflüsse … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1.2 … führen zu vielfältigen lokalen Verhältnissen
....................................................................................................................................
29
2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.1 Urlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.2 Kulturlandschaft
...............................................................................................................................................................................................
31
2.2.3 Naturlandschaft
................................................................................................................................................................................................
34
Exkurs: Die Robinie ist keine Akazie und kam erst im 17. Jahrhundert nach Europa 2.2.4 Unterschiede im pflanzlichen Bestand
........................................................
33
...................................................................................................................................................
36
2.3 Wie war es in der Urnenfelderzeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3.1 Vom Klima …
.......................................................................................................................................................................................................
41
2.3.2 … zur Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3.3 Urnenfelderzeitliche Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.4 Literatur
..................................................................................................................................................................................................................................
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen (Katharina Adametz/Michaela Lochner) 3.1 Haus und Hof
.........................................................................
........................................................................................................................................................................................................................
3.1.1 Hausformen
........................................................................................................................................................................................................
Exkurs: Hausbau und Hauskonstruktionen
46 46 46
........................................................................................................................................
47
.......................................................................................................................................
48
.............................................................................................................................................................................
50
.........................................................................................................................................................................................................
51
3.1.2 Brunnen, (Speicher-)gruben, Wege, Zäune … Exkurs: Speichergruben 3.2 Flachlandsiedlungen
43
3.2.1 Siedlungsstruktur und Siedlungsgröße – archäologische Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.2.2 Siedlungskammer Unteres Traisental
......................................................................................................................................................
55
3.3 Höhensiedlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3.3.1 Höhensiedlung Thunau am Kamp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.3.2 Burgstall von Schiltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.3.3 Heidenstatt bei Limberg
................................................................................................................................................................................
3.3.4 Höhensiedlung Oberleiserberg
..................................................................................................................................................................
66 68
3.3.5 Höhensiedlung Stillfried an der March (Irmtraud Hellerschmid) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.4 Literatur
..................................................................................................................................................................................................................................
77
5
Inhaltsverzeichnis
4. Wohnen und Wirtschaften (Daniela Kern/Michaela Lochner) 4.1 Einblick in einen Haushalt
.......................................................................................................................
80
..............................................................................................................................................................................................
80
4.1.1 Das Hanghaus von Thunau am Kamp
.......................................................................................................................................................
80
4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2.1 Zur Funktion von Gefäßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2.2 Gebrauchsformen Sauggefäß
............................................................................................................................................................................................
85
........................................................................................................................................................................................................
85
Backteller und tragbarer Feuerherd (Pyraune) Miniaturgefäß Siebgefäß
..................................................................................................................................
85
.................................................................................................................................................................................................
86
.........................................................................................................................................................................................................
Tonfässchen
.....................................................................................................................................................................................................
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
.......................................................................................................................................................
Glossar: Handwerk und Haushandwerk 4.3.1 Metallverarbeitung
...............................................................................................................................................
..........................................................................................................................................................................................
Einige Aspekte über Werkzeuge und Gegenstände zur Metallverarbeitung 4.3.2 Keramikherstellung
86 84 89 89 92
.........................................................................
93
.........................................................................................................................................................................................
98
4.3.3 Textilherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Haus mit Webstuhl
.....................................................................................................................................................................................
Glossar: Textilherstellung
.......................................................................................................................................................................
100 102
4.3.4 Holzverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4.3.5 Verarbeitung von tierischen Rohstoffen – Knochen, Geweih, Horn, Haut und Fell
............................................................
104
.........................................................................................................................................................................................
105
...............................................................................................................................................................................................................................
105
4.3.6 Steinverarbeitung 4.4 Literatur
5. Pflanzennutzung (Michaela Popovtschak/Andreas G. Heiss/Hans-Peter Stika)
............................................................................
110
5.1 Wildpflanzen – Kulturpflanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.2 Was erforscht die Archäobotanik?
.............................................................................................................................................................................
5.2.1 Voraussetzungen zur Erhaltung archäobotanischer Funde
..........................................................................................................
111 111
Glossar: Pflanzennutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5.2.2 Bergung – Aufbereitung – Bestimmung – Interpretation
.............................................................................................................
Exkurs: Holzkohlereste – die am häufigsten geborgenen archäobotanischen Funde
115
...........................................................................................................
115
...................................................................................................................................
115
5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen! 5.3.1 Fundstellen mit archäobotanischem Fundgut 5.3.2 Zum angebauten Getreide
114
...................................................
..........................................................................................................................................................................
117
Glossar: Getreide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Gerste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Die Spelzweizen, Einkorn, Emmer und Dinkel
................................................................................................................................
118
.........................................................................................................................................................................
118
.................................................................................................................................................................................................
118
„Neuer“ Typ Spelzweizen Nacktweizen
Echt-Rispenhirse und Kolbenhirse
......................................................................................................................................................
119
Sonderfall Saat-Hafer und Roggen
......................................................................................................................................................
119
5.3.3 Zu den angebauten Hülsenfrüchtlern Glossar: Hülsenfrüchte
...................................................................................................................................................
119
............................................................................................................................................................................
120
5.3.4 Zu potenziellen Ölpflanzen
........................................................................................................................................................................
121
5.3.5 Gesammelt, kultiviert oder gehandelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
6
Inhaltsverzeichnis
5.4 Was können archäobotanische Fundensembles aussagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 5.4.1 Pflanzenreste aus der Höhensiedlung Stillfried an der March . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Exkurs: Bronzezeit-Risotto
.....................................................................................................................................................................
5.4.2 Pflanzenreste aus der Höhensiedlung Thunau am Kamp
.............................................................................................................
124 126
5.5 Einblicke in die Situation von Ackerbau und Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5.5.1 Neuerungen zeichnen sich ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5.5.2 Zur Bedeutung von Ackerbeikräutern
...................................................................................................................................................
Exkurs: Wenn zu viel Kornrade und Mutterkorn im Essgetreide enthalten waren … 5.5.3 Hinweise auf Anbau, Ernte, Aufbereitung, Speicherung und Zubereitung 5.6 Literatur
.......................................................
.............................................................................
...............................................................................................................................................................................................................................
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung (Günter Karl Kunst) 6.1 Tierreste als archäologische Quellen
129 130 131 133
................................................................................................................................................
140
......................................................................................................................................................................
140
6.1.1 Erscheinungsformen von Tierresten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 6.1.2 Tierreste in archäologischen Befunden
...............................................................................................................................................
142
...................................................................................................................................................
143
.................................................................................................................................................................................
144
6.1.3 Tierreste als archäologische Objekte 6.2 Tierreste aus der Urnenfeldzeit
6.2.1 Allgemeines und Haustiere
.......................................................................................................................................................................
144
6.2.2 Wildtierfauna und Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 6.3 Tiernutzung und Abfallverhalten in verschiedenen Siedlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.3.1 Unterradlberg
.................................................................................................................................................................................................
6.3.2 Unterhautzenthal 6.3.3 Oberleiserberg
..........................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................................
6.3.4 Thunau am Kamp und Stillfried an der March
...................................................................................................................................
6.4 Archäologische Sondersituationen – Wirtschaftszonen und Kultbereiche 6.4.1 Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil
149 150 151 152
.............................................................................................
152
.........................................................................................................................................................
152
6.4.2 Hinweise auf Rituale? Die Tierdeponierungen von Stillfried an der March Exkurs: Pathologische Veränderungen an Wildtierresten
...........................................................................
154
.........................................................................................................
156
6.5 Tierreste im Totenbrauchtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.5.1 Totenspeisen und Symbole – das Gräberfeld Franzhausen-Kokoron
.......................................................................................
157
Fleischbeigaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Symbolische Beigaben – Astragalsätze
............................................................................................................................................
163
6.6 Beispiele für Bearbeitungen von Knochen, Geweihen und Zähnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6.6.1 Unterradlberg
.................................................................................................................................................................................................
6.6.2 Oberleiserberg
...............................................................................................................................................................................................
6.6.3 Prigglitz-Gasteil
..............................................................................................................................................................................................
6.6.4 Pixendorf und Maissau
166 167
................................................................................................................................................................................
167
..............................................................................................................................................................................
168
...............................................................................................................................................................................................................................
169
6.7 Zusammenfassung und Ausblick 6.8 Literatur
166
7
Inhaltsverzeichnis
7. Bergbau und Rohstoffe (Susanne Klemm/Peter Trebsche)
..........................................................................................................................
172
7.1 Prähistorische Kupfergewinnung (Susanne Klemm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Exkurs: Montanarchäologische Forschungen in Österreich 7.1.1 Vom Erz zum Metall
.....................................................................................................
173
......................................................................................................................................................................................
173
7.1.2 Prospektion und naturwissenschaftliche Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 7.1.3 Urgeschichtliche Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich
.................................................................................
176
Die Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Die Kupfervorkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 7.1.4 Archäologische Forschungen und Ergebnisse – die Bergbaureviere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Exkurs: Montanarchäologische Forschungen in Niederösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Bergbaureviere Prein-Breitenstein, Kleinau-Großau und Höllental-Kaiserbrunn Exkurs: Schlacken – Abfall der Kupfererzverhüttung
............................................................
180
..................................................................................................................
183
Revier Payerbach-Grillenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Revier Prigglitz-Gasteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Reviere Sieding und Gadenweith . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Reviere Schrattenbach-Stixenstein und Flatz Revier Hafning-Kulm
.................................................................................................................................
184
.................................................................................................................................................................................
184
Gab es weitere prähistorische Bergbaureviere im südöstlichen Niederösterreich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 7.1.5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich (Peter Trebsche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 7.2.1 Regionale Siedlungsstrukturen
...............................................................................................................................................................
186
Metallverarbeitung im Siedlungsbereich
.........................................................................................................................................
188
7.2.2 Die Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil
.........................................................................................................................................
189
Grabungen F. Hampl, R. Mayrhofer 1956 und 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Fundbergungen 1999–2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Grabungen 2010–2014
...........................................................................................................................................................................
7.2.3 Aktivitäten in der Bergbausiedlung
.......................................................................................................................................................
190 194
7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe (Peter Trebsche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 7.3.1 Zinn
.....................................................................................................................................................................................................................
7.3.2 Gold
....................................................................................................................................................................................................................
199
...................................................................................................................................................................................................................
203
7.3.3 Eisen
198
7.3.4 Grafit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 7.4 Literatur
...............................................................................................................................................................................................................................
8. Bewaffnung und Kampfesweise (Ernst Lauermann/Marianne Mödlinger)
.......................................................................................
214
............................................................................................................................................................................
214
................................................................................................................................................................................................................
216
8.1 Schriftliche und bildliche Quellen 8.2 Die Bewaffnung
208
8.2.1 Offensivwaffen
...............................................................................................................................................................................................
218
Schwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Dolch
...............................................................................................................................................................................................................
Pfeil und Bogen
...........................................................................................................................................................................................
220 220
Wurfspeer und Stichlanze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Axt und Beil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
8
Inhaltsverzeichnis
8.2.2 Defensivwaffen
..............................................................................................................................................................................................
223
Schild
..............................................................................................................................................................................................................
223
Panzer
.............................................................................................................................................................................................................
224
Helm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Beinschiene
..................................................................................................................................................................................................
226
8.2.3 Pferdegeschirr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 8.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 8.4 Literatur
...............................................................................................................................................................................................................................
9. Aufbrüche ins Jenseits (Michaela Lochner) 9.1 Bestattungswesen und Grabritus
229
............................................................................................................................................................
232
.............................................................................................................................................................................
232
9.1.1 Phänomen Brandbestattung
....................................................................................................................................................................
9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur
.........................................................................................................................................................
233 233
9.2.1 Gräberfeld Pitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 9.2.2 Gräberfeld Baierdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 9.2.3 Gräberfeld Horn
.............................................................................................................................................................................................
9.2.4 Gräberfeld Inzersdorf ob der Traisen 9.2.5 Gräberfeld Hollabrunn
238
....................................................................................................................................................
240
................................................................................................................................................................................
243
9.2.6 Gräberfeld Sommerein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 9.3.1 Gräberfeld Hadersdorf am Kamp
............................................................................................................................................................
9.3.2 Gräberfeld St. Andrä vor dem Hagenthale
..........................................................................................................................................
249 250
9.3.3 Gräberfeld Franzhausen-Kokoron
...........................................................................................................................................................
251
9.3.4 Gräberfeld Stillfried an der March
.........................................................................................................................................................
254
9.4 Ausblick
................................................................................................................................................................................................................................
257
9.5 Literatur
................................................................................................................................................................................................................................
257
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche (Karin Wiltschke-Schrotta/Silvia Renhart)
..................................
260
10.1 Anthropologische Zugänge zur Urnenfelderzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 10.1.1 Bewährte Methoden und neue archäometrische Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 10.1.2 Neuinterpretationen von Befunden aus Stillfried an der March . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Glossar: Archäometrie – Anthropologie
...........................................................................................................................................
262
............................................................................................................................................
263
.......................................................................................................................................................
265
10.2 Der Ablauf der Totenverbrennung im Experiment 10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder
10.3.1 Zur anthropologischen Auswertung des Gräberfeldes Franzhausen-Kokoron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 10.4 Skelette statt verbrannter Knochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 10.5 Krankheiten und Mangelerscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 10.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 10.7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
9
Inhaltsverzeichnis
11. Gesellschaft, Kult und Religion (Monika Griebl)
.............................................................................................................................................
282
11.1 Einführung in die Welt der späten Bronzezeit Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Exkurs: Zeremonialwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 11.2 Urnenfelderzeitliche Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 11.3 Kult und Religion
...........................................................................................................................................................................................................
11.3.1 Opferritual – von Verzicht und Zerstörung Exkurs: Ritual
285
.......................................................................................................................................
285
...............................................................................................................................................................................................
286
11.3.2 Bronzehorte: tonnenweise erzeugt und aus dem Verkehr gezogen
.......................................................................................
287
Stellen der Niederlegungen von Bronzehorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Brucherzhorte
..............................................................................................................................................................................................
288
Personengebundene Horte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 11.3.3 Gewässerfunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 11.3.4 Keramikgefäßdepots – für Trinkgelage?
...........................................................................................................................................
295
11.3.5 Orte – Gaben – Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Ritualorte – Kultplätze – Kultbauten
..................................................................................................................................................
Verbrennen von Opfergaben – der direkte Draht zum Himmel Exkurs: Brandopferplätze
298
................................................................................................
298
.......................................................................................................................................................................
299
Exkurs: Gerste im Kultzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Festessen – Kultmahl – Ahnenkult . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Rituale bei der Errichtung von Bauten (Bauopfer)
........................................................................................................................
Menschliche Sonderbestattungen in Siedlungen – geregelte Ausnahmen?
.....................................................................
302
......................................................................................................................................................
306
.......................................................................................................................................................................
308
Tierniederlegungen in Siedlungen 11.3.6 Religiöse Kommunikation
302
Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Figürliche Kunstäußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Exkurs: Libationen – Trankopfer
...........................................................................................................................................................
Exkurs: Schamanismus und Analogie- oder Sympathiezauber
...............................................................................................
317 319
11.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 11.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist (Sigrid Strohschneider-Laue)
...................................................
334
.........................................................................................
334
....................................................................................................................................................................................
335
12.1 Archäologie – Arbeiten zwischen sprudelnden und versiegenden Quellen 12.1.1 Funde und Befunde
12.1.2 Auffinden – ausgraben – aufarbeiten – ausstellen 12.2 Das Fassbare: Der Hang zur Konformität
......................................................................................................................
..............................................................................................................................................................
335 337
12.3 Das Unfassbare: Gedanken, Ideen und Philosophien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 12.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
10
Inhaltsverzeichnis
13. Abkürzungen von Zeitschriften und Reihen 14. Kurzbiografien der Autoren
......................................................................................................................................................
344
............................................................................................................................................................................................
346
11
Vorwort
Grußwort der Landeshauptfrau
Archäologie beschäftigt sich mit den materiellen Hinterlassen-
Die mächtigen Wallburgen von Thunau am Kamp und Stillfried an
schaften alter Kulturen, von denen eine große Faszination aus-
der March oder das Bergbaurevier von Prigglitz-Gasteil sind nur
geht. Niederösterreich bildet nicht nur das historische Kernland
einige der Spuren, die sie in Niederösterreich hinterlassen hat.
Österreichs, es ist auch reich an bedeutenden archäologischen
Die Beiträge bieten einen umfassenden Überblick auf hohem
Fundstellen aus der Ur- und Frühgeschichte.
wissenschaftlichem Niveau und sind zugleich allgemein ver-
Bei Forschungen und Ausgrabungen sind in unserem Bundesland
ständlich formuliert. Die ansprechende graphische Gestaltung
zahlreiche spannende Details und interessante Funde zutage ge-
trägt ebenfalls dazu bei, dass dieses Buch attraktiv für alle ist,
kommen, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregten.
die sich für Archäologie und die Urgeschichte Niederösterreichs
Sehr wichtig ist es mir, dass Forschungsergebnisse auch ent-
begeistern.
sprechend publiziert werden und das Wissen geteilt wird. Die vorliegende Publikation erscheint in der von der Abteilung für Kunst und Kultur des Amts der NÖ Landesregierung herausgegebenen Reihe „Archäologie Niederösterreichs“ und widmet sich der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur. Johanna Mikl-Leitner Landeshauptfrau
13
Vorwort
Vorwort des Reihenherausgebers
In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit nehmen sich die sichtba-
ersten stadtartigen Siedlungen in Mitteleuropa sah und in der
ren Hinterlassenschaften aus der Urgeschichte Mitteleuropas –
die Bronzemetallurgie zum bestimmenden Motor wirtschaftli-
etwa im Vergleich zu den immer noch imposanten Ruinen der rö-
cher und gesellschaftlicher Entwicklung und überregionaler Ver-
mischen oder griechischen Antike – meistens sehr bescheiden
netzung wurde. Die interdisziplinären Beiträge zur Anthropo-
aus. Funde von Tonscherben und Bruchstücken von Geräten aus
logie, Botanik, Zoologie, zum Klima sowie soziologischen und
Stein, Knochen oder Metall sind oft die einzigen Hinweise darauf,
religionswissenschaftlichen Überlegungen vermitteln ein leben-
dass an einem Platz vor Jahrtausenden Menschen gelebt hatten.
diges und umfassendes Bild der Spätbronzezeit. In zahlreichen
Die Spuren von Siedlungen, Palästen, Befestigungsanlagen oder
Exkursen wird es den Leserinnen und Lesern überdies ermög-
Kultbauten sind meist nur mehr für den Spezialisten erkennbar,
licht, die Hintergründe mancher Rekonstruktionen zu erfahren
wenn sie bei Ausgrabungen ans Licht kommen.
oder tiefer in die Fachdiskussionen einzusteigen.
Die Urnenfelder-Kultur der Spätbronzezeit, auch als die „Zeit der
Ich freue mich sehr, dass nun der dritte Band der Reihe „Archäo-
Wallburgen und Brandgräber“ bezeichnet, stellt hier eine Aus-
logie Niederösterreichs“ vorliegt und möchte der Bandheraus
nahme dar, zumal noch etliche weithin sichtbare Monumente
geberin Michaela Lochner und ihrem AutorInnnenteam herzlich
und Wallanlagen erhalten sind. Mächtige Befestigungsanlagen
für die mit großem Eifer und Hartnäckigkeit geleistete Arbeit
wie Thunau am Kamp, Stillfried an der March, Schiltern oder
danken.
Hausenbach zeugen von untergegangenen stadtartigen Siedlun-
Dieses Buch ist eine wichtige Standortbestimmung für die Er-
gen und vielleicht sogar Machtbereichen, von denen allerdings
forschung der Urgeschichte Niederösterreichs und ein weiterer
keinerlei bildliche oder schriftliche Überlieferungen auf uns ge-
Meilenstein für die Vermittlung von Methoden und Ergebnissen
kommen sind.
der modernen Archäologie an ein breiteres Publikum, dem ich
Der vorliegende Band stellt die Zusammenfassung und Synthese
viel Freude bei der Lektüre wünsche!
der archäologischen Forschungen zur Urnenfelder-Kultur in Niederösterreich dar, einer faszinierenden Epoche, die den Aufstieg der
Franz Pieler
15
Vorwort
Vorwort der Bandherausgeberin
Brandbestattung und Bronzemetallurgie – Die Urnenfelderkultur
material erforderte, andererseits für das herzliche Gesprächs
in Niederösterreich ist der dritte Band der Reihe Archäologie
klima und das Engagemente für das Projekt, das schlussendlich
Niederösterreichs, die von Ernst Lauermann initiiert und von
in diesem von uns allen getragenen Buch mündet.
Franz Pieler herausgegeben wird. Dieses Buch widmet sich der
Darüber hinaus ist allen Kolleginnen und Kollegen sowie Institu-
späten Bronzezeit, der sogenannten Urnenfelderkultur. Sie ist
tionen ganz herzlich zu danken, die – im Text oft nur als Fußnote
der letzte Abschnitt der prähistorischen Epoche Bronzezeit, der
angeführt – bei Recherchen behilflich waren sowie Abbildungen
zeitlich zwischen 1300 und 800 v. Chr. angesetzt ist.
und Pläne zur Verfügung stellten.
Der Schwerpunkt der Darstellungen liegt innerhalb der moder-
Wer sind nun die Verfasserinnen und Verfasser des Buches? Viele
nen politischen Grenzen Niederösterreichs. Grenzen, die es vor
kenne ich bereits seit vielen Jahren seit dem Studium und durch
rund drei Jahrtausenden noch nicht gab. Die Brandbestattung
die Zusammenarbeit in Forschungsprojekten. Es ist mir ein An-
und Bronzemetallurgie im Titel repräsentieren zwei wesentliche
liegen, sie aus meiner persönlichen Sicht und in Bezug auf ihre
Charakteristika der Urnenfelderkultur. Sie sind für den gesam-
Beschäftigung mit der Urnenfelderkultur (zusätzlich zu den bio-
ten mittel- und zentraleuropäischen Raum typisch. Der Blick über
graphischen Daten am Ende des Buches) vorzustellen.
die Grenzen und die Einbeziehung der Nachbarregionen schafft
Beginnen möchte ich mit Daniela Kern, die kurz vor Fertigstel-
ein Gesamtbild, das Klima, Umwelt, Wirtschaft, Kultur, Gesell-
lung des Buches im Oktober 2020 plötzlich von uns gegangen ist.
schaft und Religion vereint. Er streicht die Gemeinsamkeiten he-
Alle, die sie gekannt haben, werden ihr fröhliches, helles Lachen
raus, die die Menschen über weite Strecken verbindet. Dadurch
vermissen. Mit Daniela verbindet mich eine lange Freundschaft
wird es möglich, die Besonderheiten von Niederösterreich zu er-
seit Beginn unseres gemeinsamen Studiums der Ur- und Früh-
kennen und sie in Beziehung zu Mitteleuropa zu bringen.
geschichte an der Universität Wien in den frühen 1980er Jahren.
Von allen beteiligten Autorinnen und Autoren wurde großer Wert
Unsere Mitarbeit an den Grabungen auf den Höhensiedlungen
auf die Darstellung von Grundlagen, Hintergrundinformationen
Thunau am Kamp und Oberleiserberg weckte in uns schon früh
und Definitionen gelegt. Daher sind in den einzelnen Kapiteln
das Interesse an der spä-ten Bronzezeit. Ihre Dissertation, die
weiterführende und vertiefende Exkurse sowie Glossare ein-
sie im Jahr 1989 abschloss, war die Auswertung eines Siedlungs-
geschoben.
terrains auf der unteren Holzwiese von Thunau am Kamp. Einige
Das Buch basiert auf der wissenschaftlichen Arbeit von insge-
Jahre später haben wir im Rahmen eines Forschungsprojektes
samt 17 Autorinnen und Autoren aus unter-schiedlichen Fachbe-
zur Bronzezeit auf dem Oberleiserberg wieder eng zusammen-
reichen, die einzelne Themen abgehandelt und Bild- und Plan-
gearbeitet. Ein fast fertiges Manuskript, das in den Mitteilungen
material zur Verfügung gestellt haben. Die Hauptautorinnen und
der Prähistorischen Kommission erscheinen sollte, bleibt nun
-autoren haben in zahlreichen redaktionellen Sitzungen chrono-
unvollendet. Letztlich war sie mir in den letzten Jahren immer
logische Fragen und Interpretationen diskutiert. Es sind neue
eine anregende und kompetente Gesprächspartnerin in Fragen
und teilweise noch unpublizierte Fundstellen vorgelegt sowie
der späten Bronzezeit. Nicht nur deswegen fehlt sie.
Bild- und Planmaterial gesichtet worden. Im Laufe der Produkti-
Katharina Adametz ist seit vielen Jahren auf archäologischen
on wurden Koautorinnen und Koautoren beigezogen.Und das al-
Ausgrabungen tätig. Derzeit ist sie bei der Grabungsfirma
les hat dann doch seine Zeit gebraucht. Und so möchte ich mich
ASINOE GmbH angestellt und leitet urgeschichtliche Ausgra-
bei alle Autorinnen und Autoren bedanken: Einerseits für den
bungen in Niederösterreich. Sie hatte sich nicht nur durch Gra-
jeweiligen Beitrag, der Recherche und Bereitstellung von Bild
bung und Auswertung der Siedlung von Unterradlberg intensiv
16
Vorwort
mit der Urnenfelderzeit beschäftigt, sondern auch immer wieder
nach dem Abgang von Erika Kanelutti bei der entsprechenden
im Rahmen der UK-Gespräche an der Österreichischen Akademie
Auswertung half. Sein breiter Zugang zu archäozoologischen
der Wissenschaften (ÖAW) mit Vorträgen und Diskussionen aktiv
Fragestellungen zeigte sich in der Folge u. a. in der Auswer-
beteiligt.
tung der Speisebeigaben aus dem Gräberfeld von Franzhausen-
Irmtraud Hellerschmid kam in Jahre 2006 als wissenschaftliche
Kokoron.
Mitarbeiterin an die Prähistorische Kommission der Österrei-
Susanne Klemm ist eine der wenigen Wissenschaftlerinnen, die
chischen Akademie der Wissenschaften und hat mich tatkräftig
sich, nunmehr bereits seit vielen Jahren, in Ostösterreich inten-
bei der Aufnahme und Auswertung der Gräberfelder von Franz
siv mit Fragen zum Kupferbergbau und zur Kupferverhüttung be-
hausen-Kokoron und Inzersdorf ob der Traisen unterstützt. Ab
schäftigt. Im Zuge dessen führte sie eine umfangreiche Grabung
2011 leitete sie ein von ihr eingereichtes FWF-Projekt zu Mensch-
in der Eisenerzer Ramsau durch. Einen Teil der Aufarbeitung die-
und Tierdepositionen in der Wallanlage von Stillfried an der
ser Fundstelle konnte sie an der Prähistorischen Kommission
March. Diese Fundstelle hatte sie bereits in früheren Jahren in
durchführen und hier lernte ich sie auch als sehr hilfreiche Kol-
Inventar- und Materialstudien bearbeitet und sie wurde auch
legin näher kennen.
Thema ihrer Dissertation.
Peter Trebsche hat uns, im Zuge von Exkursionen der Prähisto-
Die Hauptautorin der Kapitel Umwelt und Pflanzennutzung,
rischen Kommission, auf seiner Grabung in Prigglitz aktuelle
Michaela Popovtschak, und der später hinzugestoßene Andreas G.
Einblicke in die komplexen Siedlungsstrukturen einer urnenfel-
Heiss haben sich die Unterstützung von Ruth Drescher-Schneider
derzeitlichen Bergbausiedlung gegeben. Seine Ernennung zum
und Hans-Peter Stika geholt, um die stetig im Wandel befind-
Professor am Institut für Archäologien der Universität Innsbruck,
lichen Daten zum Klima und zu den Pflanzenarten sowie deren
wo er sich wieder verstärkt seinem weiteren Forschungsschwer-
Ökologie und Nutzungsgeschichte auf einer möglichst breiten
punkt Eisenzeit widmen kann, freut sicher nicht nur mich ganz
Basis abzuhandeln. Michaela Popovtschak habe ich im Zuge
besonders.
der Aufarbeitung des urnenfelderzeitlichen Fundmaterials aus
Trotz Ernst Lauermanns vielfachen Tätigkeiten, zuletzt als Landes-
Thunau am Kamp näher kennengelernt. Sie hatte die systema-
archäologe, hatte er immer schon eine Schwäche für die Urnen
tische Aufnahme und schließlich die Auswertung der archäo
felderkultur, wie Grabungen, Fundstellenbearbeitungen oder
botanischen Reste von ausgewählten Fundverbänden als Dis-
systematische Vorlagen von Fundgruppen – aktuell sind es die
sertation übernommen und im Jahr 2003 in den Mitteilungen
urnenfelderzeitlichen Keramikdepots in Niederösterreich – zei-
der Prähistorischen Kommission veröffentlicht. In vielen Bespre-
gen. Als Initiator der Reihe Archäologie Niederösterreichs ist es
chungen haben wir den archäologischen Kontext und die chro-
ihm auch ein Anliegen Interessierten Wissenschaft zu vermitteln.
nologische Zuordnung der botanischen Proben zu den einzelnen
Trotz seiner Pensionierung werden wir wohl auch in Zukunft noch
Zeitperioden der Fundstelle diskutiert.
Einiges von ihm erwarten dürfen. Ernst Lauermann hat sich in
Seit 1994 ist Karl Kunst verantwortlich für den Bereich Archäo-
diesem Band dem Thema Bewaffnung gewidmet und dazu als
zoologie bei VIAS (Vienna Institute for Archaeological Science),
Koautorin Marianne Mödlinger gewonnen. Sie ist eine der pro-
einer interdisziplinären Forschungsplattform für Archäologie der
fundesten Wissenschaftlerinnen für die typologische als auch
Universität Wien. Der Beginn seiner urnenfelderzeitlichen „Kon-
archäometrische Bearbeitung von Waffen aus Metall in Europa.
takte“ begann wohl mit der Bearbeitung einer komplexen Sied-
Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen lernte ich Silvia
lungsgrube der Höhensiedlung von Thunau am Kamp, wo er mir
Renhart auf der Ausgrabung auf der Höhensiedlung von Thunau 17
Vorwort
am Kamp kennen. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich
Monika Griebl ist seit 2011 an der ÖAW tätig und war maßgeb-
eine enge Zusammenarbeit und Freundschaft. Sie führte u. a. die
lich an zwei Forschungsprojekten zu Stillfried an der March be-
anthropologischen Untersuchungen der Leichenbrände der von
teiligt, die am Institut OREA (dem Nachfolge-Institut der Prähis-
mir bearbeiteten Gräberfelder Franzhausen-Kokoron und Inzers-
torischen Kommission) durchgeführt wurden und die sie nun als
dorf ob der Traisen durch. Obwohl die finanzielle Situation oft
Hauptverantwortliche für den Druck in der Reihe Mittelungen der
nicht rosig war, konnte man sich auf ihre Hilfsbereitschaft ver-
Prähistorischen Kommission vorbereitet. Als Leiterin für eines
lassen. Ihre vielfältigen Tätigkeiten, u. a. als Universitätslektorin,
der Projekte (Ressourcensicherung) lernte ich sie als überaus
Kulturvermittlerin und Ausstellungsberaterin, halfen ihr, über
nette und hilfsbereite Kollegin kennen, die ihre wissenschaft-
die Runden zu kommen. Umso mehr freut es mich, dass sie nun
liche Expertise bereits in einigen wichtigen Publikationen, vor-
eine Anstellung als Anthropologin in der Abteilung Archäologie &
nehmlich zur Hallstattkultur, vorgelegt hatte. Federführend in
Münzkabinett des Universalmuseum Joanneum Graz erhalten
organisatorischen und wissenschaftlichen Belangen, konnte sie
hat.
letzteres Projekt zeitgerecht erfolgreich abschließen.
Gemeinsam mit Silvia Renhart machte sich Karin Wiltschke-
Neben ihren frühen Ausgrabungstätigkeiten u. a. in Stillfried an
Schrotta in diesem Buch auf die anthropologische Spurensuche.
der March und im Burgenland konnte sich Sigrid Strohschneider-
Auch sie beschäftigt sich seit viele Jahren mit urnenfelderzeitli-
Laue, nicht zuletzt auf Grund ihrer literarischen Ader, im Laufe
chen anthropologischen Hinterlassenschaften, v. a. mit den Son-
der Jahre ein breit gefächertes publizistisches Betätigungsfeld
derbestattungen aus der Höhensiedlung Stillfried an der March.
für Museen, Verlage und Online erarbeiten. Ein weiteres Anliegen
Durch ihre Tätigkeit als eine der Sammlungsleiterinnen an der
sind ihr Kulturvermittlung und Ausstellungsgestaltung v. a. in
Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums
Hinblick auf Menschen mit speziellen Bedürfnissen. Ihr Talent,
Wien hat sie darüber hinaus beste Kenntnisse über die Reste der
Texte zu strukturieren und zu lektorieren, kam letztlich auch
prähistorischen Menschen, da ein Großteil der entsprechenden
dieser Publikation zugute. Bereits von Anfang an, als die ersten
in Niederösterreich ausgegrabenen Funde im NHM verwahrt wird.
Manuskripte der Kolleginnen und Kollegen vorlagen, stand sie
Seit 2016 ist sie Leiterin der Abteilung und es ist ihr zudem ein
mir hilfreich zur Seite. Dafür sei ihr ganz besonders gedankt und
großes Anliegen, dass die noch nicht aufgearbeiteten und im De-
natürlich auch für ihren Beitrag, der als letztes Kapitel quasi eine
pot ruhenden Materialien einer wissenschaftlichen Bearbeitung
Zusammenfassung der aktuellen Forschungslandschaft Archäo-
zugeführt werden.
logie darstellt.
18
Vorwort
Ohne finanzielle, organisatorische und technische Unterstüt-
mie der Wissenschaften zu arbeiten und den Forschungsschwer-
zung kann ein solches Buchprojekt nicht zustande kommen.
punkt Späte Bronzezeit/Urnenfelderkultur zu betreiben.
So ist dem Verlag der ÖAW für die Unterstützung bei der Buch
Förderlich war es für mich, dass Johannes-Wolfgang Neugebauer
produktion und dem Land Niederösterreich für die Finanzierung
(Bundesdenkmalamt), der leider bereits 2002 verstorben ist, mir
des Druckes zu danken. Das Land Niederösterreich hat außerdem
umfangreiches Fundmaterial aus seinen Ausgrabungen als For-
zur Erstellung der Manuskripte finanzielle Mittel bereitgestellt,
schungsgrundlagen zur Verfügung gestellt hat. Auch durch die
wenn die Autorinnen und Autoren keine Möglichkeit hatten, die-
Unterstützung bei der Restaurierung der Funde und der Sichtung
se im Rahmen eines Dienstverhältnisses abzufassen. Barbara
der Pläne, insbesondere der Gräberfelder Franzhausen-Kokoron
Horejs, Direktorin des damaligen Instituts für Orientalische und
und Inzersdorf ob der Traisen, hat er sehr geholfen. Außerdem
Europäische Archäologie der ÖAW, sei für die Einreichung dieses
durfte ich bei der von J.-W. Neugebauer initiierten Vorgänger-
Antrages an das Land Niederösterreich herzlich gedankt; eben-
serie der aktuellen Reihe mitarbeiten und im Band „Bronzezeit
so für die Möglichkeit, unsere Treffen in den Räumlichkeiten des
in Ostösterreich“ aus dem Jahr 1994 den Beitrag zur späten
Instituts OREA abzuhalten. Ein weiterer Dank gilt Franz Pieler,
Bronzezeit verfassen. Damals war es ein Kapitel, heute kann die-
der die Aufgabe der Herausgabe und Betreuung der Reihen
sem Zeitabschnitt nun ein ganzer Band gewidmet werden. Die
Archäologie Niederösterreichs von Ernst Lauermann übernom-
Ausgrabungen der letzten 25 Jahre mit der damit einhergehen-
men hat und diese souverän und diplomatisch durchführt. In die-
den Materialfülle, die Verfeinerungen der Grabungsmethoden
sem Sinne möchte ich auch Peter Hiess für die Lektoratsarbeiten
und der Auswertungen ermöglichen uns heute ein differenzier-
und Thomas Reinagl für die grafische Gestaltung danken.
teres Bild dieser Epoche darzustellen. Ich hoffe, dass es uns al-
Etwas weiter in die Vergangenheit zurückblickend möchte ich
len gelungen ist, diese Fülle an Erkenntnissen sowie das aktu-
zwei Personen meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Be-
elle Bild der Urnenfelderkultur mit diesem Band aus der Reihe
ginnen will ich mit Herwig Friesinger, Professor am damaligen In-
Archäologie Niederösterreichs sowohl der Forschungsgemein-
stitut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien, der mein
schaft als auch interessierten Laien näherzubringen.
Interesse für die Urnenfelderkultur während meines Studiums geweckt und mich immer unterstützt hat. Insbesondere auch nach meinem Studium hat er mir die Möglichkeit gegeben, an der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akade-
Wien, März 2021
Michaela Lochner
19
1. Einleitung
1. Einleitung Michaela Lochner
tungsritus. Die Leichenbrände wurden überwiegend in Gefäßen
1.1 Ein kurzer Abriss der Forschungsgeschichte
verwahrt und oft in mehrere hundert Gräber umfassenden Nekro-
Zahlreiche niederösterreichische Heimatforscher – darunter
polen bestattet. Chronologisch gesehen ist die Urnenfelderkul-
sind Candid Pontz von Engelshofen, Josef Höbarth und Johann
tur in den jüngsten Abschnitt der Bronzezeit einzuordnen, der
Krahuletz besonders hervorzuheben – haben in der zweiten
in Mitteleuropa etwa dem Zeitraum von 1300 bis 800 v. Chr.
Hälfte des 19. Jh.s und in der ersten Hälfte des 20. Jh.s zur Er-
entspricht.1 Der räumlich große Kulturkreis war von regionalen
fassung der urzeitlichen Siedlungslandschaft Niederösterreichs
Gruppierungen geprägt und wird von der Forschung in mehrere
beigetragen. Ihre Sammlungen bilden die Basis des Urgeschichte
In der Spätbronzezeit bildete sich in Mitteleuropa mit der Urnenfelderkultur ein neuer Kulturkreis. Namensgebend waren die allgemein übliche Leichenverbrennung und der ähnliche Bestat-
Zeitabschnitte unterteilt.
museums Asparn a. d. Zaya und der Heimatmuseen in Horn und
Lebensgrundlage war zu dieser Zeit weiterhin die bäuerliche
Eggenburg.
Wirtschaftsweise, wobei sich die Differenzierung der Gesell-
Verstärkt in den Fokus der Wissenschaft rückte die Urnenfelder-
schaft aber intensivierte. Die Entwicklung des Bronzehandwerks
kultur in Niederösterreich durch die Forschungen von Richard
erreichte ihren Höhepunkt und die Haushalte verfügten über
Pittioni, der zwischen 1946 und 1976 Ordinarius am Institut für
eine Vielfalt an Keramikformen und -verzierungen. Die Handels-
Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien war.2 Im Jahr 1937
beziehungen waren weitreichend, die Bevölkerungszahlen in
veröffentlichte er eine grundsätzliche Gliederung der Urnen-
diesem klimatisch begünstigten Zeitabschnitt stiegen. Das Ende
felderkultur in einen älteren und einen jüngeren Abschnitt, die
der Spätbronzezeit stand bereits an der Schwelle zur Eisenzeit,
er mit entsprechendem Fundmaterial belegte. Im selben Jahr
wie vermehrte Funde von Eisengegenständen belegen. Der Be-
beschäftigte er sich in seiner Arbeit über die urzeitliche Kultur-
ginn der Eisenzeit wird mit 800/750 v. Chr. angesetzt, die Urnen-
entwicklung des Waldviertels in einem ausführlichen Kapitel mit
felderkultur wurde von der Hallstattkultur abgelöst.
diesem Zeitabschnitt.3 1954 erfolgte die erste zusammenfassen-
Der Wissensstand zur Urnenfelderkultur in Niederösterreich
de Darstellung der Urnenfelderkultur in Niederösterreich in sei-
wird durch Forschungsprojekte im Rahmen von wissenschaft-
ner Monografie zur Urgeschichte des österreichischen Raums.4
lichen Aufarbeitungen der Museumsbestände und Ausgrabun-
Diese Darstellung wurde von ihm zuletzt 1980 dem Forschungs-
gen stetig erweitert. Großflächige Ausgrabungen auf Baustellen
stand angepasst und mit neuen Fundstellen ergänzt.5
der ÖBB, ASFINAG und des Landes Niederösterreich haben zur
Friedrich Berg 6, Dissertant und später Leiter des Höbarth-
Quellenlage wesentlich beigetragen. Leider konnte die in den
museums und Helga Kerchler 7, Assistentin am Urgeschichts-
vergangenen Jahrzehnten anwachsende große Zahl an Ausgra-
institut, setzten in den 1950er- und 1960er-Jahren vor allem mit
bungen nicht im entsprechenden Maß durch Forschungsprojekte
der Auswertung von Gräberfeldern und Siedlungen neue Impul-
und Aufarbeitungen ausgewertet werden. Die aktuell vorliegen-
se. Gemeinsam mit Ernst Preuschen, Karl Zschocke sowie Franz
den Aufarbeitungen und Interpretationen wurden in diesen Band
Hampl8 widmete man sich damals bereits intensiv der Frage der
eingearbeitet.
1
20
Für den Zeitabschnitt zwischen der mittleren Bronzezeit und dem Beginn der Eisenzeit (Ha C) werden in der Literatur auch die Begriffe Urnenfelderzeit und jüngere Bronzezeit verwendet.
2
Friedmann 2011.
3
Pittioni 1937a und Pittioni 1937b.
4
Pittioni 1954.
5
Pittioni 1980a, 44–50; Pittioni 1980b, 113–123.
6
Berg 1952 (inkl. Darstellung des damaligen Forschungsstands); Berg 1957.
7
Kerchler 1960; Kerchler 1962.
8
Hampl 1976 (inkl. Darstellung des damaligen Forschungsstands).
1.1 Ein kurzer Abriss der Forschungsgeschichte
prähistorischen Kupfergewinnung in Niederösterreich (siehe
Die massive Erweiterung des Fundmaterials ab den 1980er-
Kap. 7, Pkt. 7.1.4). Heute werden diese montanarchäologischen
Jahren ermöglichte und bedingte neue Sichtweisen auf ein-
Forschungen in unserer Region durch Susanne Klemm und Peter
zelne Regionen Niederösterreichs wie das Traisental16, das
Trebsche fortgeführt (siehe Kap. 7).
Weinviertel17 und das Waldviertel18. Als Vorläufer des hier vor-
Ab den 1970er-Jahren waren es Clemens Eibner und Margarete
liegenden Bandes ist aus dieser Zeit die Überblicksarbeit zur Ur-
Kaus (geb. Strohschneider)10 , die sich an der Universität schwer-
nenfelderkultur in Ostösterreich zu nennen.19 Im Jahr 2000 er-
punktmäßig diesem Zeitabschnitt widmeten. Sie verfassten ne-
schien von Otto H. Urban eine zusammenfassende Darstellung
9
ben ihrer Lehrtätigkeit monografische Vorlagen von bedeu-
der Urnenfelderzeit im Rahmen der Urgeschichte Österreichs,
tenden Gräberfeldern sowie Siedlungen und aktualisierten in
in der mehrbändigen Reihe Österreichische Geschichte (Hrsg.
Überblicksarbeiten den Forschungsstand.11
Herwig Wolfram).20
Bei den ab Mitte der 1960er-Jahre laufenden Forschungsgrabun-
Am Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der
gen auf den großflächigen Höhensiedlungen in Thunau am Kamp,
Universität Wien (ehemals Institut für Ur- und Frühgeschichte)
dem Oberleiserberg und in Stillfried an der March legten Herwig
wurde die Lehrtätigkeit, die unseren Zeitabschnitt betrifft, von
Friesinger und Fritz Felgenhauer – beide ordentliche Professoren
den 1990er-Jahren bis zu ihrer Pensionierung 2019/20 v. a.
am Institut für Ur- und Frühgeschichte – den Schwerpunkt auf
durch Gerhard Trnka und Otto H. Urban abgedeckt, die zahlreiche
die Erforschung dieser Siedlungsform. Die Grabungskampagnen
entsprechende Seminararbeiten und Dissertationen betreuten.
sowie die laufenden Aufarbeitungen und Forschungsprojekte
Parallel dazu entstand ab 1998, initiiert durch Herwig Friesinger,
dauern teilweise bis heute an (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3.1–3.3.5).12
an der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Aka
In den 1980er- und 1990er-Jahren lag ein weiterer Fokus der
demie der Wissenschaften ein neuer Forschungsschwerpunkt:
Ausgrabungstätigkeit, bedingt durch den Bau der Schnellstraße
Späte Bronzezeit/Urnenfelderkultur (Leitung bis 2018: Michaela
S33, auf großflächigen Notgrabungen im Unteren Traisental. Sie
Lochner). Ein wichtiger Impuls zur Intensivierung der Forschung
wurden vom Bundesdenkmalamt unter der Leitung von Johannes-
war 2003 das Symposium „Die Urnenfelderkultur in Österreich –
Wolfgang Neugebauer durchgeführt und von ihm in umfang-
Standort und Ausblick“, zu dem erstmals in Österreich viele
reichen Vorberichten dokumentiert.13 Von den zahlreichen For-
in- und ausländische Fachkollegen, die zu dieser Zeitperiode
schungsprojekten, die sich daraus ergaben, sind die Bearbei-
forschen, geladen waren.21 In der Folge fanden an der Prähis-
tungen der Gräberfelder Franzhausen-Kokoron und Inzersdorf ob
torischen Kommission regelmäßig Treffen zum wissenschaft-
der Traisen (siehe Kap. 9, Pkt. 9.2.4 und 9.3.3) und der Siedlung
lichen Austausch über aktuelle Forschungen zur Urnenfelder-
Unterradlberg (siehe Kap. 3, Pkt. 3.2.2) hervorzuheben.
kultur statt. Forschungsprojekte 22, Online-Datenbanken23 sowie
Seit dem Jahr 2010 werden Notgrabungen in Niederösterreich,
die bis zu zweimal jährlich stattfindenden UK-Gespräche sind
die beim Straßenbau
seit dieser Zeit Drehpunkte der internationalen Urnenfelder-
14
sowie bei privaten und öffentlichen
Grundstücksaufschließungen durchgeführt werden müssen, ver-
kultur-Forschung.
stärkt durch Grabungsfirmen abgedeckt, die nach Vorgabe des
Mit der Eingliederung der Prähistorischen Kommission in das
Bundesdenkmalamts die Grabungstätigkeit, die Dokumentati-
2013 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften neu
on und die Restaurierung übernehmen. Die Dokumentationen sind in den Fundberichten aus Österreich analog und digital
16 Neugebauer 1993.
publiziert.15
17 Neugebauer 1995. 18 Lochner 1991; Lochner 2013. 19 Lochner 1994.
9
Eibner 1974a; Eibner 1980.
20 Urban 2000.
10 Kaus M. 1984; Kaus M. 1988/1989.
21 Lochner 2003.
11 Zur Darstellung des damaligen Forschungsstands: Eibner 1974b; Kaus M. 1985.
22 „Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung der Urnenfelder kultur“, „Der Oberleiserberg in der Bronzezeit“, „Die Konstruktion der ostalpinen Kupferhütte in der Bronzezeit“, „Ein Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit aus Franzhausen-Kokoron, NÖ“, „Ein Gräberfeld der älteren Urnenfelderzeit aus Inzersdorf ob der Traisen, NÖ“, „Tier- und Menschendepositionen. Kult in Stillfried?“, „Grabritual und Gesell schaft“, „Ressourcensicherung, Macht und Kult in Stillfried?“
12 Die Grabungen an diesen Fundstellen bilden die Grundlage für zahl reiche Seminar- und Dissertationsarbeiten. 13 Zusammenfassend: Neugebauer/Blesl 1998. 14 Siehe Begleitbuch zur Ausstellung: Wegzeiten. Archäologie und Straßenbau (Farka/Krenn/Stipek 2004). 15 Dazu BDA-Jahresberichte unter https://bda.gv.at/de/service/; Richtlinien für archäologische Maßnahmen: https://bda.gv.at/de/ publikationen/standards-leitfaeden-richtlinien/richtlinien-fuerarchaeologische-massnahmen/ (letzter Zugriff: Mai 2020).
23 http://epub.oeaw.ac.at/franzhausen-kokoron2/; https://www.oeaw.ac.at/orea/projekte/bronzezeit/ukpool/; https://www.oeaw.ac.at/oeai/oeaidigital/digital-resources-tools/ bibliographie-zur-urnenfelderzeit-in-oesterreich (letzter Zugriff: Februar 2021).
21
1. Einleitung
geschaffene Institut für Orientalische und Europäische Archäo-
Niederösterreich gehörte zusammen mit Südmähren, der Süd-
logie (OREA) können die Forschungen zur Urnenfelderkultur in
westslowakei, dem Burgenland, der Steiermark sowie Teilen West-
Mitteleuropa – mit einer geografischen Erweiterung nach Süd-
ungarns, Kroatiens und Sloweniens von ca. 1300 bis 800/750
osteuropa unter spezieller Berücksichtigung des Westbalkan-
v. Chr. zu einer kulturellen Einheit, die Mitteldonauländische
raums – fortgeführt werden. Am 1.1.2021 wurde OREA als eine
Urnenfelderkultur genannt wird.25 Sie entwickelte sich aus regio-
von drei archäologischen Abteilungen in das neue Österreichi-
nalen Hügelgräberkulturen und den wechselseitigen Kulturkon-
sche Archäologische Institut der ÖAW eingegliedert. Die 2015
takten mit den Nachbarregionen.
von Michaela Lochner eingerichtete Forschungsgruppe Urnfield
Generell kann man von einer älteren und einer jüngeren Urnen-
Culture Networks (UCN) – ab 2018 von Mario Gavranović geleitet –
felderzeit/ bzw. -kultur sprechen, wenn keine feinchronologi-
kann sich in diesem erweiterten Rahmen weiterhin der langfri-
sche Gliederung an der Fundstelle bzw. im vorhandenen Fund-
stigen Erforschung der Bronzezeit in Mittel- und Südosteuropa
material möglich ist. Darüber hinaus lassen sich innerhalb der
widmen. Die Entstehung und Ausbreitung der Urnenfelderkultur
Mitteldonauländischen Urnenfelderkultur mehrere Phasen und
und ihre wirtschaftlichen und religiösen Aspekte werden in ver-
Gruppen unterscheiden, die typologisch und teilweise auch in
schiedenen Regionalstudien in Österreich und auf dem Balkan
ihren gesellschaftlichen Ausformungen jeweils ein einheitliches
untersucht.24
Bild übermitteln. In Niederösterreich gilt nach wie vor die von Jiří Říhovský 195826
1.2 Chronologisch-kulturhistorischer Überblick
vorgenommene grundsätzliche Zweiteilung der Mitteldonauländischen Urnenfelderkultur in eine ältere (Velatitzer-)Phase27 mit der Baierdorf-Velatitz- und der Čaka-Kulturgruppe und eine jüngere (Podoler-)Phase mit der Stillfried-Gruppe28. Die von Hermann Müller-Karpe 1974 vorgeschlagene relativchronologische Gliederung in eine frühe, ältere, mittlere, jüngere-
Der Kernbereich der Urnenfelderkultur ab der Mitte des
und späte Urnenfelderzeit29 ergänzt das von ihm im Jahre 1959
13. Jh.s v. Chr. umfasste eine Zone zwischen den Karpaten, dem
anhand von südbayerischen Fundgruppen erarbeitete urnenfel-
nördlichen Balkan und den Ostalpen. Starke Beziehungen be-
derzeitliche Chronologiegerüst für Mitteleuropa:30 Die Stufen
standen zur Lausitzer Kultur, die im nordöstlichen Mitteleuropa
Bronzezeit D (Bz D: späte Hügelgräberzeit/frühe Urnenfelder-
beheimatet war.
zeit), Hallstatt A1 (Ha A1: ältere Urnenfelderzeit) und Hallstatt A2
Für das 12. und 11. Jh. v. Chr. sind Wanderbewegungen wie auch
(Ha A2: mittlere Urnenfelderzeit) entsprechen der älteren Phase.
kleinräumige Bevölkerungsverschiebungen anzunehmen. Zu-
Es folgt eine Übergangsphase Hallstatt A2/B1(Ha A1/B1) um ca.
sätzlich existierten kulturelle Beeinflussungen, als deren Träger
1050 v. Chr. und mit den Stufen Hallstatt B1–2 (Ha B1: jüngere
Händler und Wanderhandwerker gelten.
Urnenfelderzeit) sowie Hallstatt B3 (Ha B3: späte Urnenfelder-
Innerhalb der Urnenfelderkultur, die in ihrer größten Ausdeh-
zeit/frühe Hallstattzeit) die jüngere Phase, wobei Hallstatt B3/
nung im 11. Jh. v. Chr. vom nördlichen Mitteleuropa bis nach Süd-
C1 (Ha B3/C1) den fließenden Übergang in die ältereisenzeitli-
osteuropa, Italien und zur Iberischen Halbinsel reichte, können
che Hallstattkultur (Ha C–D) repräsentiert.
mehrere Gruppen und Zeithorizonte unterschieden werden. Sie lassen sich zumeist in nicht viel mehr als Keramikkreise fassen. Unterschiede in der wirtschaftlichen Grundlage, der gesellschaftlichen Ordnung oder Lebensweise sind dagegen schwieriger zu erkennen und erst in den letzten Jahren in den Fokus der Forschung gerückt.
25 Der Begriff wurde 1958 durch J. Říhovský eingeführt (Říhovský 1958, 117). 26 Říhovský 1958, Abb. 11. 27 Zur forschungsgeschichtlichen Entwicklung der Velatitzer-Phase: Lochner 1986, 274–279. 28 Říhovský 1966 529–534.
wissen eigenständigen Entwicklungen unterworfen waren.
29 Müller-Karpe 1974, Abb. 1. Die neue Stufengliederung wurde am Frankfurter Institut für Vor und Frühgeschichte erarbeitet und diente in der Folge in den Bänden der Reihe Prähistorische Bronzefunde (PBF) als Gerüst für die Einbindung regionaler Stufenbezeichnungen (z. B. Říhovský 1979, Abb. 1).
24 https://www.oeaw.ac.at/oeai/forschung/praehistorie-wanaarchaeologie/urnfield-culture-networks (letzter Zugriff: Februar 2021.
30 Müller-Karpe 1959, 182–225, Abb. 64; Die chronologische Gliederung der Spätbronzezeit Mitteleuropas geht grundsätzlich auf die Arbeiten Paul Reineckes zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Er unterteilte diesen Zeitraum aufgrund von Veränderungen im archäologischen Fundgut in die Stufen Bronzezeit D, Hallstatt A und Hallstatt B, wobei er die letzten beiden Zeitstufen wegen des vereinzelten Vorkommens von Eisengegenständen ursprünglich der Eisenzeit zurechnete.
Im 9. und 8. Jh. v. Chr. beschränkte sich die Kernzone der Urnenfelderkultur wieder auf Mitteleuropa, da die Randbereiche ge-
22
1.3 Typologischer Überblick
1979 ergänzte und verfeinerte J. Říhovský31 die von R. Pittioni bereits 1937 und 195432 aufgestellte Gliederung für den österreichischen Raum mit südmährischen Fundgruppen. Er definierte eine Übergangsstufe Blučina-Kopčany, in der noch teilweise hügelgräberzeitliches Formengut auftritt und die in Ostösterreich v. a.im Gräberfeld von Pitten fassbar wird. Die eigentliche ältere (Velatitzer-)Phase beginnt mit der Stufe Baierdorf-Lednice, ge-
Doppelkonus
Zylinderhalsgefäß
Kegelhalsgefäß
Trichterhalsgefäß
Flasche
Tasse/Schüssel
Schale
Topf
folgt von der entwickelten Stufe Velatice-Očkov und der jüngeren Stufe Oblekovice. Gut herausgearbeitet ist der Velatice-PodolÜbergangshorizont (Stufe Klentnice 1), der eine kontinuierliche Entwicklung erkennen lässt. In der jüngeren (Podol-)Phase kann feinchronologisch eine ältere Stufe Klentnice II und eine jüngere Stufe Brno-Obřany unterschieden werden. Der darauffolgende Abschnitt Podolí repräsentiert bereits ein Übergangsstadium zur Hallstattkultur.
1.3 Typologischer Überblick Aus der älteren (Velatitzer-)Phase sind an charakteristischen keramischen Formen vor allem doppelkonische und amphorenartige Behälter sowie Zylinderhalsgefäße und Tassen mit hochgezogenem Henkel mit dachförmigem Querschnitt zu nennen. Kennzeichnende Bronzeobjekte sind etwa Griffzungensicheln, Vollgriffmesser, Griffangelmesser und doppelschneidige Rasiermesser. Es werden Schmuckstücke, darunter Nadeln wie die Plattenkopfnadel, die Nadel vom Typ Paudorf und verschiedene Typen mit kugelförmigem, kegelförmigem und doppelkonischem Kopfteil sowie erstmals auch Fibeln (z. B. Violinbogenfibel) gefertigt. In geringerem Ausmaß sind Metallgefäße (z. B. Tassen vom
Abb. 01_01. Gefäßgrundformen der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur (PK/ÖAW 2008).
Typus Friedrichsruhe und Fuchsstadt), Angriffs- und Schutzwaf-
scheiben kann man sozusagen als Vorboten der nun folgenden
fen (Schwerter, Lanzenspitzen, Beinschienen) im Fundinventar
Eisenzeit ansehen.33
enthalten. mehr so scharf profiliert. Kegelhalsgefäße, flaschenförmige Be-
Exkurs Keramiktypologie: Grundform – Typ – Variante
hälter, Henkeltassen und flachkonische Schalen dominieren. Die
Der überwiegende Anteil am Fundmaterial aus urnenfelder-
Oberfläche wird oft aufwendig und vielfältig verziert. Auch die
zeitlichen Siedlungen und Gräbern besteht aus Keramik. In kaum
Bronzeobjekte verändern sich, manche Formen werden aufgege-
einer anderen Zeitperiode wurde solch eine große Formenviel-
ben und neue kommen hinzu: Große Griffdornmesser mit man-
falt erreicht. Aus heutiger Sicht ist der Vorteil der Gefäßkeramik,
nigfaltigen Ornamenten, halbmondförmige Rasiermesser, neue
dass sie neben ihrer rein funktionalen Form verschiedene Form-
Nadelvarianten wie die Vasenkopfnadeln mit kleinem Vasen-
und Verzierungsvarianten (Typen/Varianten) aufweist, die uns
In der jüngeren (Podoler-)Phase sind die Keramikformen nicht
kopf, Harfen- und Spiralbrillenfibeln. Unter den Metallgefäßen
eine zeitliche und regionale Einordnung ermöglichen. So ist ein
kommen Tassen vom Typus Stillfried und Eimer vom Typus Kurd
besonders wichtiger Arbeitsschritt in der Archäologie die typolo-
auf. Erste einzelne Gegenstände aus Eisen wie Messer und Zier-
gische Aufgliederung des Fundgutes anhand eindeutiger Merkmale, die Grundlage für die relativchronologische Datierung
31 Říhovský 1979, 3–13, Abb. 1. 32 Pittioni 1937a, 167 f.; Pittioni 1954, 403–444.
33 Siehe dazu diverse Bände der Reihe Prähistorische Bronzefunde (PBF).
23
1. Einleitung
mittels Kombinationsstatistik ist. Die Vielfalt erlaubt uns darü-
Für Ostösterreich haben sich seit der Synchronisierung durch
ber hinaus Einblicke in den Zeitgeist der Periode.
H. Müller-Karpe keine großen Verschiebungen in der absoluten
Bei den Gefäßen aus niederösterreichischen Fundstellen, die der
Chronologie ergeben, wohl auch aufgrund einer zu geringen
Mitteldonauländischen Urnenfelderkultur zugeordnet werden,
Anzahl an vergleichbaren kalibrierten C14-Daten und weil eine
lassen sich folgende Grundformen unterscheiden: Doppelkonus,
durchgehende Dendrochronologie-Kurve fehlt.42
Zylinderhalsgefäß, Kegelhalsgefäß, Trichterhalsgefäß, Flasche, Tasse/Schüssel, Schale und Topf (Abb. 01_01). Die Grundform
Bz D
13. Jh.
ca. 1300–1200 v. Chr.
umfasst das primäre Erscheinungsbild des Gefäßes als Hoch-
Ha A1
12. Jh.
ca. 1200–1100 v. Chr.
oder Breitform in Kombination mit der Gefäßgliederung. Aus
Ha A2
11. Jh.
ca. 1100–1050 v. Chr.
dieser Grundlage heraus gelangt man durch Erfassung weite-
Ha B1
10. Jh.
ca. 1050–950 v. Chr.
rer Details zur Aufgliederung in feinchronologische Typen und
Ha B2
9. Jh.
ca. 950–880 v. Chr.
Varianten.
Ha B3
8. Jh.
ca. 880–800 v. Chr.
Ha B3/C1
1.4 Absolute Chronologie
Ha C
ca. 800–750 v. Chr. 7. Jh.
Betrachtet man den gesamten mitteleuropäischen Raum, so ergeben sich in der Synchronisation der relativchronologischen
Die 1959 von H. Müller-Karpe erarbeiteten absolutchronolo-
Stufen voneinander abweichende absolutchronologische Daten.
gischen Daten zur Urnenfelderkultur basierten auf italischen
So werden nach wie vor die Definitionen und Abgrenzungen der
Grabfunden mit datierten mykenischen und ägyptischen Impor-
Stufen Ha B1–B3 und der Übergangshorizont Ha B3/C1 dis-
ten. Seither haben sich zahlreiche Wissenschaftler europaweit
kutiert.43 Aktuelle Forschungen am Westbalkan lassen im Kon-
mit dem Thema der absoluten Chronologie beschäftigt. Lothar
text mit Ostösterreich, Ungarn und Rumänien neue Erkenntnisse
Sperber erstellte 1987 eine Stufengliederung mit absoluten Daten
erwarten.44
34
für die Urnenfelderkultur im nördlichen Alpenvorland von der Schweiz bis Oberösterreich.35 Philippe Della Casa und Calista Fischer traten 1997 für einen Beginn der Stufe Bronzezeit D im 14. Jh. v. Chr. ein.36 Christopher F. E. Pare präsentierte in zwei umfangreichen Bänden neue Daten zur Chronologie im östlichen und westlichen Mitteleuropa zwischen dem 11. und 8. Jh. v. Chr.37 Als Diskussionsbeitrag zur absoluten Chronologie in der Ägäis ist die Arbeit von Bernhard Weninger und Reinhard Jung aus dem Jahr 2009 zu nennen.38 Ebenfalls von Bedeutung ist Margarita Primas mit ihrer Überblicksarbeit zum Strukturwandel in Zentraleuropa zwischen 2200 und 800 v. Chr. aus dem Jahr 2008.39 Biba Teržan und Matej Črešnar legten 2014 sämtliche Radiokarbondaten des slowenischen Fundmaterials der Bronzeund Eisenzeit in einem umfangreichen Band vor.40 Gábor Ilon veröffentlichte 2015 eine Studie über ein räumlich begrenztes Gebiet des Karpatenbeckens, namentlich West-Transdanubien.41 34 Müller-Karpe 1959, 226 und Abb. 64. 35 Sperber 1987; dazu: Randsborg 1992; ergänzend: Sperber 2017. 36 Della Casa/Fischer 1997. 37 Pare 1998; Pare 1999. 38 Weninger/Jung 2007; ergänzend: Eric H. Cline (Ed.), The Oxford Handbook of the Bronze Age Aegean [ca. 3000–1000 v. Chr.], Oxford 2010. 39 Primas 2008. 40 Teržan/Črešnar 2014. 41 Ilon 2015.
24
42 Vgl. z.B. Primas 2008, 4–8; Teržan/Črešnar 2014: Für Slowenien bildet nun das umfangreiche Datenmaterial eine breite Diskussionsgrund lage für die Einordnung von Fundstellen in ein absolutes Chonologiegerüst. 43 Vgl. Pare 1998, 294–299, 381–398; Sperber 1987, 253–259; Sperber 2017, 165–175. 44 Forschungsprojekte UCN: „South Connection“, “Macedonian Metals” und „Visualizing the unknown Balkans“: https://www.oeaw.ac.at/oeai/forschung/praehistorie-wanaarchaeologie/urnfield-culture-networks/ (letzter Zugriff: Februar 2021).
1.5 Literatur
1.5 Literatur Berg 1952: F. Berg, Ein urnenfelderzeitlicher Siedlungsfund aus GroßMeiseldorf, Ger. Bez. Ravelsbach, N.-Ö., ArchA 11, 1952, 54–70. Berg 1957: F. Berg, Grabfunde der frühen Bronzezeit und der älteren Urnenfelderzeit aus Leobersdorf, N.-Ö, ArchA 22, 1957, 14–31. Della Casa/Fischer 1997: P. Della Casa/C. Fischer, Neftenbach (CH), Velika Gruda (YU), Kastanas (GR) und Trindhøj (DK) – Argumen te für einen Beginn der Spätbronzezeit (Reinecke Bz D) im 14. Jahrhundert v. Chr., PZ 72/2, 1997, 195–233. Eibner 1974a: C. Eibner, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von St. Andrä v. d. Hgt., p. B. Tulln, NÖ. Aussagewert und Aussage grenzen von Brandbestattungen für eine historische Interpre tation. ArchA Beiheft 12 (Wien 1974). Eibner 1974b: C. Eibner, Die Erforschung der Urnenfelderkultur in den letzten fünfundzwanzig Jahren, Mitteilungen der Österreichi schen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte 25/2, 1974, 91–103. Eibner 1980: C. Eibner, Die Mehrfachbestattung aus einer Grube unter dem urnenfelderzeitlichen Wall in Stillfried an der March, NÖ, Fist 4, 1980, 107–142. Farka/Krenn/Stipek 2004: Ch. Farka/M. Krenn/M. Stipek, Wegzeiten. Archäologie und Straßenbau, Fundberichte aus Österreich, Ma terialhefte, Reihe A, Sonderheft 1 (Wien 2004). Friedmann 2011: I. Friedmann, Der Prähistoriker Richard Pittioni (1906 – 1985) zwischen 1938 und 1945 unter Einbeziehung der Jahre des Austrofaschismus und der beginnenden Zweiten Republik. ArchA 95, 2011, 7–99. Hampl 1976: F. Hampl, Die bronzezeitliche Kupfergewinnung in Niederösterreich. Forschungsstand Ende 1974 und Aufgaben. Das Experiment in der Urgeschichte. In: H. Mitscha-Märheim/H. Friesinger/H. Kerchler (Hrsg.), Festschrift für Richard Pittioni zum siebzigsten Geburtstag. II. Industriearchäologie und Me talltechnologie. Römerzeit, Frühgeschichte und Mittelalter, ArchA Beih. 14 (Wien, Horn 1976), 58–67. Hellerschmid/Kern/Lochner 2010: I. Hellerschmid/M. Lochner/D. Kern, Oberleiserberg – Stillfried – Thunau. Drei Höhensiedlungen der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur im Vergleich. In: B. Gediga/W. Piotrowski (Hrsg.), Rola głównych centrów kulturowych w kształtowaniu oblicza kulturowego Europy Środkowej we wczesnych okresach epoki żelaza [Rolle der wichtigen Kulturzentren in der Gestaltung des Kulturbildes Mitteleuropas in den frühen Perioden der Eisenzeit], Symposi um Biskupin 23. –25. 06. 2008, Archäologisches Museum in Biskupin, Biskupiner Archäologische Arbeiten Nr. 8, Polnische Akademie der Wissenschaften, Abteilung Wroclaw, Arbeiten der Archäologischen Kommission Nr. 18 (Biskupin – Wroclaw 2010), 238–297. Ilon 2014: G. Ilon, Zeitstellung der Urnenfelderkultur (1350/1300– 750/700 BC) in West-Transdanubien. Ein Versuch mittels Typo chronologie und Radiokarbondaten. In: R. E. Németh/B. Rezi (Eds.), Bronze Age Chronology in the Carpathian Basin, Pro ceedings of the International Colloquium from Târgu Mureş 2-4 October 2014, Bibliotheca Musei Marisiensis Seria Archaeologia 8 (Târgu Mureş 2015), 223–296.
Kaus M. 1984: M. Kaus, Das Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit von Stillfried an der March, Ergebnisse der Ausgrabungen 1975–1977. Fist 6 (Wien 1984). Kaus M. 1985: M. Kaus, Zum Forschungsstand der Urnenfelderzeit in Ostösterreich. In: Die Urnenfelderkulturen Mitteleuropas, Symposium Liblice 21.–25. 10. 1985 (Praha 1985), 99–106. Kaus M. 1988/1989: M. Kaus, Kimmerischer Pferdeschmuck im Karpatenbecken – das Stillfrieder Depot aus neuer Sicht, MAG 118/119 (Wien 1988/1989), 247–257. Kerchler 1960: H. Kerchler, Grabreste der Urnenfelderkultur aus Pottschach, B.H. Neunkirchen, NÖ, ArchA 28, 1960, 36–43. Kerchler 1962: H. Kerchler, Das Brandgräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit auf dem Leopoldsberg, Wien, ArchA 31, 1962, 49–73. Lochner 1986: Michaela Lochner, Das frühurnenfelderzeitliche Gräber feld von Baierdorf, Niederösterreich – Eine Gesamtdarstellung. ArchA 70, 1986, 263–294. Lochner 1991: M. Lochner, Studien zur Urnenfelderkultur im Waldviertel (Niederösterreich), MPK 25 (Wien 1991). Lochner 1994: M. Lochner, Späte Bronzezeit, Urnenfelderzeit. Aktuel ler Überblick über die Urnenfelderkultur in Ostösterreich. In: J.-W. Neugebauer, Bronzezeit in Ostösterreich, Wissen schaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 98/99/100/101, 1994, 195–224. Lochner 2003: M. Lochner (Red.), Broschüre zum Symposium „Die Urnenfelderkultur in Österreich – Standort und Ausblick“, eine Veranstaltung der Prähistorischen Kommission der Österrei chischen Akademie der Wissenschaften, Wien 24. –25. April 2003, © by PK/ÖAW 2003. Lochner 2013: M. Lochner, Die Urnenfelderkultur im Waldviertel. In: F. Pieler (Hrsg.), Geschichte aus dem Boden. Archäologie im Waldviertel, Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 54 (Horn – Waidhofen an der Thaya 2013), 192–211. Müller-Karpe 1959: H. Müller-Karpe, Beiträge zur Chronologie der Urnenfelderzeit nördlich und südlich der Alpen, RGF 22 (Berlin 1959). Müller-Karpe 1974: H. Müller-Karpe, Zur Definition und Benennung chronologischer Stufen der Kupferzeit, Bronzezeit und älteren Eisenzeit, Jahresbericht des Inst. f. Vor- und Frühgeschichte (Frankfurt 1974), 7–18. Neugebauer 1993: J.-W. Neugebauer, Archäologie in Niederösterreich. St. Pölten und das Traisental (St. Pölten – Wien 1993). Neugebauer 1995: J.-W. Neugebauer, Archäologie in Niederösterreich. Poysdorf und das Weinviertel (St. Pölten – Wien 1995). Neugebauer/Blesl 1998: J.-W. Neugebauer/Ch. Blesl, Das Traisental in Niederösterreich – Die Siedlungserschließung einer Talland schaft im Alpenvorland in der Bronzezeit. In: B. Hänsel (Hrsg.), Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas (Kiel 1998), 395–418.
25
1. Einleitung
Randsborg 1992: K. Randsborg, Historical Implications. Chronological Studies in European Archaeology c. 2000-500 B.C., Acta Ar chaeologica 62, 1992, 89–110. Pare 1998: Ch. F. E. Pare, Beiträge zum Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit in Mitteleuropa. Teil 1: Grundzüge der Chronologie im östlichen Mitteleuropa (11.–8. Jahrhundert v. Chr.), Jahr buch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 45/1 (Mainz 1998). Pare 1999: Ch. F. E. Pare, Beiträge zum Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit in Mitteleuropa. Teil 2: Grundzüge der Chronologie im westlichen Mitteleuropa (11.–8. Jahrhundert v. Chr.), Jahr buch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 46/1 (Mainz 1999). Pittioni 1937a: R. Pittioni, Allgemeine Urgeschichte und Urgeschichte Österreichs (Leipzig, Wien 1937). Pittioni 1937b: R. Pittioni, Die urzeitliche Kulturentwicklung auf dem Boden des Waldviertels, Das Waldviertel. Zeitschrift für Heimatund Regionalkunde des Waldviertels und der Wachau 7 (Horn 1937), 5–59. Pittioni 1954: R. Pittioni, Urgeschichte des österreichischen Raumes (Wien 1954). Pittioni 1980a: R. Pittioni, Urzeit. Von etwa 80.000 bis 15 v. Chr. Geb. Geschichte Österreichs 1/1 (Wien 1980). Pittioni 1980b: R. Pittioni, Urzeit. Von etwa 80.000 bis 15 v. Chr. Geb. Geschichte Österreichs 1/2, Anmerkungen und Exkurse – mit einer Literaturübersicht über 25 Jahre Urgeschichtsforschung in Österreich 1954–1978 (Wien 1980). Primas 2008: M. Primas, Bronzezeit zwischen Elbe und Po. Struktur wandel in Zentraleuropa 2200–800 v. Chr., UPA 150 (Bonn 2008).
26
Říhovský 1958: J. Říhovský, Žárový hrob z Velatic I a jeho postavení ve vývoji velatické kultury [Das Brandgrab I von Velatice und seine Position in der Entwicklung der Velaticer Kultur], Památky archeologické 49/1, 1958, 67–118. Říhovský 1966: J. Říhovský, Počátky mladší (podolské) fáze středo dunajského okruhu kultury popelnicových polí, Památky archeologické 57, 1966, 529–534. Říhovský 1979: J. Říhovský, Die Nadeln in Mähren und dem Ostalpen gebiet, PBF 13/5, 1979. Sperber 1987: L. Sperber, Untersuchungen zur Chronologie der Urnen felderkultur im nördlichen Alpenvorland von der Schweiz bis Oberösterreich, Antiquitas Reihe 3, Band 29 (Bonn 1987). Sperber 2017: L. Sperber, Studien zur spätbronzezeitlichen Chronolo gie im westlichen Mitteleuropa und in Westeuropa, RGZM 136 (Mainz 2017). Teržan/Črešnar 2014: B. Teržan/M. Črešnar, Absolutno datiranje bronaste in železne dobe na slovenskem/Absolute dating of the bronze and iron ages in Slovenia, Katalogi in monografije/ Catalogi et monographiae 40 (Ljubljana 2014). Urban 2000: O. H. Urban, Spätbronzezeitliche Urnenfelderkultur – 14. bis 8. Jahrhundert v. Chr. In: O. H. Urban, Österreichs Geschichte bis 15 v. Chr. Der lange Weg zur Geschichte. Die Urgeschichte Österreichs (Wien 2000), 188–224. Weninger/Jung 2009: B. Weninger/R. Jung, Absolute Chronology of the End of the Aegean Bronze Age. In: S. Deger-Jalkotzy/E. A. Bächle (eds.), LH III C Chronology and Synchronisms III. LH III C Late and the Τransition to the Early Iron Age. Proceedings of the international Workshop held at the Austrian Academy of Sciences at Vienna, February 23rd and 24th, 2007, Veröffen tlichungen der Mykenischen Kommission 30 (Wien 2009), 373–416.
2. Zur Umwelt
2. Zur Umwelt Michaela Popovtschak, Andreas G. Heiss, Ruth DrescherSchneider
Aktivitäten von Menschen belegen, sondern auch ehemals vor-
Glossar: Zur Umwelt
Ablagerungen in Böden können nicht nur die Anwesenheit und handene Umweltsituationen und diverse Wechselwirkungen.
Vom zonalen Makroklima lokal abweichende Gegebenheiten
Urnenfelderzeitliche Lebensumstände und Entwicklungen sind
werden azonal genannt. Bei einem Abschnitt bis zu 100 km wer-
umso besser rekonstruierbar, je konkreter Aspekte zu Siedlungs-
den sie als Mesoklima bezeichnet. Sie können eine Ebene, ei-
form und -dichte, Acker- und Weideland, Bewaldung, Wildtier-
nen Hügel oder Berg, eine Hangneigung und eine nord- oder süd-
bestand etc. erfassbar sind.
seitige Hanglage (Luv- und Leeseite) sowie auch nur eine Wiese
Als Basis einer Annäherung an urnenfelderzeitliche Umweltver-
Bereich beschreibt das Mikroklima. Bei bodennahen Luftschich-
hältnisse werden das aktuelle Klima und die aktuelle Vegetation
ten bis etwa 2 m Höhe erstreckt es sich über wenige Kilometer
des Gebiets dargestellt.1 Die klimatischen Gegebenheiten beein-
oder Meter und kann im Extremfall auch nur für ein Moospolster
oder einen Waldrand umfassen. Einen noch deutlich kleineren
flussen den Pflanzenbestand eines Standorts stark. Umgekehrt
gelten.
spiegelt dementsprechend die vorhandene Vegetation neben
Der Begriff Region veranschaulicht eine biogeografische Ein-
den jeweiligen Standortsfaktoren wie Bodenart, Bodentiefe und
heit, die durch geologische Geschichte, Großklima und Floren-
Wasserverfügbarkeit auch die einwirkenden Klimaverhältnisse
geschichte eine gewisse Eigenständigkeit zeigt.2 So lassen sich
wider.
beispielsweise verschiedene Klimaregionen unterscheiden.
Das Wachstum bestimmter Pflanzenarten und die sich dadurch
Die Vegetation ist eine standortabhängige, gesetzmäßige Ge-
bildenden Pflanzengesellschaften sind durch das Überwiegen
meinschaft verschiedener Pflanzenarten. Mit der Entwicklung
von Ozeanität oder Kontinentalität geprägt. Sie variieren in
(Sukzession) und Zusammensetzung der jeweils vorkommenden
Dauer, Intensität und Regelmäßigkeit von Sonneneinstrahlung,
Pflanzengesellschaften beschäftigt sich die Pflanzensoziologie.3
Früh- und Spätfrosten, Niederschlag (Feuchtigkeit) und Schnee-
Die Flora ist die Gesamtheit der Pflanzensippen (natürliche Ver-
bedeckung sowie in Temperatur, Länge der Vegetationszeit und
wandtschaftseinheit beliebiger Rangstufe) eines bestimmten
deren jahreszeitlicher Verteilung. Je nach geologischem Unter-
Gebiets, das in systematischer Ordnung dokumentiert ist.4
grund wirken diese Faktoren außerdem auf den Abbau organi-
Die pflanzliche Klimax-Gesellschaft entspricht dem Endstadi-
scher Materialien im Boden und dadurch auf Humusbildung,
um der natürlichen Vegetationsentwicklung auf durchschnittlich
Nährstoffangebote und Wasserhaltevermögen, die alle letztlich
günstigen Standorten, im Gleichgewicht mit dem (Groß-)Klima.
wiederum zum Bewuchs und folglich zur jeweiligen Vegetations-
Sie ist durch eine beständige Zusammensetzung der vorkom-
bildung beitragen.
menden Pflanzenarten charakterisiert.
Die Kenntnis solcher lokaler Voraussetzungen ermöglicht – etwa
Archäophyten sind sogenannte alteingebürgerte Pflanzen (Wild-
zusammen mit aussagekräftigen Untersuchungsergebnissen
pflanzen), die vor der Entdeckung Amerikas (Kolumbus, 1492)
von Pollenanalysen – Rückschlüsse auf frühere Zustände. Eine
durch menschliche Aktivitäten absichtlich oder unabsichtlich in
Rekonstruktion erfassbarer Pflanzenbestände macht dann in
neue Gebiete und auf neue Standorte eingebracht wurden. Die
weiterer Folge den Einfluss des Menschen nachvollziehbar.
meisten Archäophyten in Mitteleuropa stammen aus dem Mittel-
1
28
Vgl. Kohler-Schneider 2017, 164–170 und 366–369.
2
Vgl. Fink 1993.
3
Vgl. Mucina/Grabherr/Ellmauer 1993.
4
Vgl. Fischer/Adler/Oswald 2008; Holzner/Adler 2013, 2014 und 2015; Fischer/Fally 2000; Vitek/Mrkvicka/Adler et al. 2004.
2.1 Wie ist das Wetter heute? – Grundlegendes zum Klimaverständnis
meerraum und Vorderasien. Sie verbreiteten sich als Bestand-
auf einzelne Ereignisse großer Intensität. Durch subozeanische
teile der Ackervegetation mit dem Saatgut von Kulturpflanzen
Luftströmungen aus südöstlicher Richtung sind Einflüsse der
(siehe Kap. 5, Pkt. 5.1).
illyrischen Klimaregion bis in die mittelburgenländische Bucht
Im Unterschied zu den Archäophyten sind Neophyten sogenann-
vorhanden, während die submediterrane Klimaregion eigent-
te neueingebürgerte Pflanzen (Wildpflanzen), die nach der Ent-
lich erst im Südburgenland und den anschließenden Gebieten
deckung Amerikas eintrafen. Inzwischen in Mitteleuropa weit
der Steiermark deutlich erkennbar ist. Auswirkungen ihrer typi-
verbreitete und mitunter nicht unproblematische Neophyten
schen großen Sommerwärme und erhöhten Niederschläge im
sind etwa der aus Mexiko stammende, giftige Stechapfel (Datura
Frühjahr und Herbst (Tiefdruckeinflüsse) sind jedoch entlang der
stramonium) oder die invasiven Pflanzen Japan-Flügelknöterich
Thermenlinie bis Wien verfolgbar.
(Fallopia japonica) und Robinie (Robinia pseudacacia, siehe un-
Darüber hinaus können Relief, Häufigkeit und Stärke der auftre-
ten Exkurs).
tenden Winde, Nebel, Hochnebel und Inversionen von der gemäßigten Klimazone (zonal) abweichende, azonale Gegebenheiten bedingen. Voraussetzungen für ein azonales Meso- oder Mikroklima sind vielfach vorhanden. Immerhin reicht das Gebiet
2.1 Wie ist das Wetter heute? – Grundlegendes zum Klimaverständnis
von der (hoch)alpinen Region (Schneeberg 2.076 müA) im Westen bis zur Parndorfer Platte am Neusiedler See/Seewinkel, wo sich südöstlich von Apetlon (114 müA) die tiefstgelegene Stelle Österreichs befindet. In den bis zur (hoch)alpinen Klimaregion ansteigenden Höhenstufen sinken die Temperaturen kontinuierlich, während die Niederschlagsmengen steigen. Dies gilt
Im Gegensatz zum Wetter (eine Stunde oder einen Tag) und zur
nicht nur für die Alpen, sondern auch für die Böhmische Masse.
Witterung (einige Tage oder eine Jahreszeit) beschreibt das Kli-
Außerdem blockieren diese Gebirgszüge oft Luftströmungen –
ma die durchschnittlichen Verhältnisse von Temperatur, Nieder-
so hält etwa die Böhmische Masse Winde aus dem Norden weit-
schlag und Sonneneinstrahlung über mehrere Jahrzehnte oder
gehend ab. Jedoch können ebenso vergleichsweise niedrige
noch längere Zeitspannen. Weltweit gibt es vier Großklimazo-
Geländeerhebungen das Wettergeschehen beeinflussen, wie
nen (Makroklimata): Tropen, Subtropen, gemäßigte Zone und
etwa die Strengberge bei Haag.
Subpolargebiete.
2.1.1 Regional unterschiedliche Einflüsse … Der östliche Teil Österreichs liegt zwischen 14°42´ und 17°30´
2.1.2 … führen zu vielfältigen lokalen Verhältnissen Das typische sommerliche Niederschlagsmaximum nimmt von
Länge und zwischen 49°05´ und 47°30´ Breite. Seine Naturräume
Westen nach Osten ab (Abb. 02_01 und Klimadiagramme in
sind durch die gemäßigte (temperate) Klimazone Mitteleuropas
Abb. 02_02b). Die Hochlagen des Waldviertels und der Kalk-
geprägt. Gleichzeitig werden mehrere Klimaregionen unter-
alpen weisen mehr als 600 mm Jahresniederschlag auf. Dieser
schieden (Abb. 02_01).
sinkt im Weinviertel auf 500 bis 400 mm. Das Marchfeld ist eines
Dabei sind drei großräumige Luftströmungen von Bedeutung:
der trockensten und niederschlagsärmsten Gebiete Österreichs.
Aus dem Westen (Atlantischer Ozean) kommen atlantische, aus
Ähnliche Bedingungen sind unter speziellen lokalen Umständen
dem Süden (Mittelmeer) mediterrane und aus dem Osten (Fest-
jedoch bereits im pannonischen Randbereich anzutreffen, bei-
land) kontinentale Winde. So ist das Alpenvorland im westlichen
spielsweise im Horner Becken.
Niederösterreich noch atlantisch bestimmt und durch milde,
Das Zusammentreffen atlantischer und kontinentaler Luftströ-
regenreiche Sommer charakterisiert. Allerdings steigt der kon-
mungen ist beispielsweise um Wien zu beobachten. Die Jahres-
tinentale Einfluss nach Osten zu stetig. Die Sommer werden zu-
niederschlagsmengen erreichen im Westen der Stadt 750 mm,
nehmend wärmer und trockener, gleichermaßen aber auch die
während sie am Ostrand nur 600 mm betragen. Zudem sind zwi-
Winter kälter. Die subkontinentale pannonische Klimaregion
schen Stadtzentrum und Stadtrand heute oft Temperaturunter-
zeichnen bereits sommerliche warm-trockene Verhältnisse aus.
schiede von bis zu 7 °C festzustellen, doch sind diese weitgehend
Ihr Niederschlagsmaximum in dieser Jahreszeit beschränkt sich
eine Folge menschlicher Aktivitäten oder dadurch zumindest sehr 29
2. Zur Umwelt
Abb. 02_01. Zur Lage und Einflussrichtung der vier Klimaregionen, Auszug der Karte Klimatypen von Bobek/Kurz/Zwittkovits 1971; die Darstellung der klimati schen Gegebenheiten basiert auf einer kombinierten Auswertung der mittleren Jahressummen des Niederschlags, der Temperaturmittel des Monats Juli und Jänner sowie der mittleren Zahl der Tage mit mindestens 1 mm Niederschlag (Messwerte 1901–1950), siehe Zwittkovits 1983. Stark vereinfacht ausgedrückt, sind die Gebiete von Blau über Grün, Orange bis Hellrot zunehmend wärmer und niederschlagsärmer. (ÖAW/Freytag-Berndt und Artaria KG; Überarbeitung: M. Popovtschak).
stark beeinflusst.5 Allerdings intensivieren in manchen Gegenden, etwa im Wiener Becken und Nordburgenland, trotz Jahresniederschlagsmengen bis zu 500 mm häufig auftretende und oft hohe Windstärken erreichende Winde aus Westen, Norden und Südosten die Verdunstung und bewirken eine starke Austrocknung. Abhängig vom Ausmaß solcher Einflüsse variieren Kälte-, Wärmeund Trockenheitsphasen in einzelnen Gebietsabschnitten.
5
30
Anthropogen bedingter Temperaturanstieg in Städten/verbauten Gebieten durch Verkehr, Heizung, Licht etc., vgl. Ziska/Bunce/Goins 2004.
2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation
2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation Neben dem Klima beeinflussen die unterschiedlichen standortlichen Voraussetzungen, insbesondere die Bodenbeschaffenheit, den jeweiligen Pflanzenbestand und somit die Vegetation so-
ändernde Einflüsse durch erhöhten Wildverbiss und Pollenflug/ Samenverbreitung aus angrenzenden Forsten nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
2.2.2 Kulturlandschaft
wie eine bestimmte Flora. Da inzwischen auch der Mensch ein
Im Gegensatz dazu ist die Kulturlandschaft von Menschen gestal-
wesentlicher und oft vegetationsbestimmender Faktor wurde, ist
tet. Die Veränderungen des ursprünglichen Bewuchses schritten
die Unterscheidung zwischen Urlandschaft, Kulturlandschaft
umso weiter fort, je länger Begehung, Nutzung und Siedlungs-
und Naturlandschaft wichtig.
tätigkeit dauerten und je tiefgreifender sie waren. Mit dem An-
6
bau von Kulturpflanzen verbreiteten sich ab der Jungsteinzeit9
2.2.1 Urlandschaft Auf neu geschaffenen, unbelebten Bereichen/Böden setzt eine
auch neue Wildpflanzen (Archäophyten). Jagd, Sammeltätigkeit, Gewinnung von Brenn- und Bauholz, Ackerbau, Viehzucht mit Weidetätigkeit und Grünlandwirtschaft, Gärten und Obstbau, Handwerk, Bergbau, Wald- und Forstbau, Verkehrssysteme, Siedlungsausbau, Städte und Industrie führten zu intensiv
Vegetationsentwicklung (Primärsukzession) mit unterschiedlich
genutzten und oft dicht verbauten Landschaften (Abb. 02_04).
schnell ablaufenden Vegetationsänderungen (Stadien) ein. Je
Durch Begradigungen, Aufschüttungen, Sprengungen sowie Um-
nach Substrat, Relief und Lokalklima bilden sich auf bestimmten
leitungen von Bächen (Mühl- und Kehrbäche, Flussregulierungen
Standorten (Habitaten) entsprechende Klimax-Gesellschaften.
etc.) und Seen (Teiche, Staubecken etc.) wurde vermehrt auch
Diese Urlandschaft und die sich darin entwickelnde Vegetation
das Gelände künstlich strukturiert.
sind vom Menschen unbeeinflusst. Rückwirkend wird versucht, sich ihr in Form der möglichen (potenziellen) natürlichen Vegetation (Abb. 02_02a) anzunähern. In vielen Regionen bildete sich bei günstigen Bodenverhältnissen ein beständiger Baumbestand aus, ein Urwald. Im Osten
2.2.3 Naturlandschaft
Österreichs werden aktuell nur mehr wenige kleine Bestände als
Wird ein Gebiet nach Einflussnahme des Menschen wieder aufge-
urwaldartig eingestuft, etwa der Neuwald bei St. Aegyd und der
geben und dem sich darauf einstellenden pflanzlichen Bewuchs
Rothwald bei Lunz am See.7 Im Rothwald (Abb. 02_03) wird dies
und Tierleben überlassen, dann setzt eine Sekundärsukzession
den steilen und steinigen Hängen zugeschrieben, die für Bewirt-
ein. Die Vegetation regeneriert mittels der verfügbaren Diaspo-
schaftung zunächst als unzugänglich galten. Bedeutend waren
renbank, der noch keimfähigen Samen und Früchte im Boden
sicherlich auch jahrzehntelange Streitigkeiten um klösterliche
sowie aus benachbarten Beständen. Es bildet sich eine Natur-
Besitzrechte und zuletzt die bewusste Entscheidung, einen un-
landschaft (Abb. 02_05).10 Diese kann der Urlandschaft gleichen.
gestörten Wald zu bewahren.8 Trotzdem können vegetationsver6
Zur Definition der drei Begriffe siehe Ellenberg 1986, bes. 34–38.
7
Der Neuwald (900 bis 1.000 müA) am Lahnsattel bei St. Aegyd ist ein 20 ha umfassendes Naturschutzgebiet; der Rothwald (950 bis 1.600 müA) ist ein ca. 500 ha großes Naturschutzgebiet, wovon 4 km² als Österreichs einziges Wildnisgebiet der Kategorie Ia = strenges Naturreservat der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) entsprechen, siehe http://www.umweltbun desamt.at/umweltsituation und http://www.iucn.org (letzter Zugriff: Mai 2020); vgl. Kral/Mayer 1968. Das strenge Naturreservat Rothwald ist ein Rot-Buchen - Fichten - Tannen - Klimax-Wald, der seit 3.500 Jah ren besteht, siehe Brande/Erd/Erlenkeuser 2002, 73.
8
Bis 1782 der Kartause Gaming gehörig und nach mehreren kurzfris tigen Eigentümern seit 1875 im Besitz der Familie Rothschild, siehe dazu http://www.zobodat.at/pdf/Jb-Verein-Schutz-Bergwelt_44_1979_ 0079-0117.pdf und http://www.thomastrenkler.at/uncategorized/ dierothschildschaetzenuninboston (letzter Zugriff: Mai 2020).
Möglicherweise sind inzwischen jedoch einige der ursprünglich vorhandenen Pflanzen ausgestorben oder abgewandert. Mitunter 9
Das Neolithikum begann vor etwa 10.000 Jahren im Vorderen Orient. Die ältesten landwirtschaftlichen Spuren dieser Epoche in Mitteleuro pa zeigen sich in der Linearbandkeramik vor etwa 7.000 Jahren.
10 Wie Studien über Sozialbrachen zeigen, stellen sich auf ungenützt liegenden Feldern vor allem die Holzgewächse später ein, als man im Waldklima Mitteleuropas annahm – vgl. Ellenberg 1986, 834; die Nationalparks (Verzicht auf wirtschaftliche Nutzung auf mindestens 75 % der Fläche) Thayatal (seit 2000, 1.330 ha groß), Donau-Auen (seit 1996, 9.300 ha groß) und Neusiedler See – Seewinkel (seit 1993, österreichischer Anteil 9.064 ha) werden der Kategorie II der IUCN zu gezählt, siehe dazu http://www.nationalparksaustria.at (letzter Zugriff: Mai 2020). Weiteres zu Naturschutzgebieten bis zu Naturdenkmälern, geschützten Baumgruppen und Einzelbäumen siehe beispielsweise: http://www.noe.gv.at und http://www.burgenland.at (letzter Zugriff: Mai 2020).
31
2. Zur Umwelt
32
2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation
Abb. 02_02a. Die potenzielle natürliche Vegetation im Osten Österreichs. Auszug der Karte Wagner 1971, inklusive Legende. In der Karte sind die sechs Fundorte eingezeichnet, aus denen Bearbeitungen urnenfelderzeitlicher Pflanzenreste vorliegen (siehe Kap. 5, Tabelle 05_01), sowie die 14 aus gewählten Messstationen, von deren erhobenen Werten Klimadiagramme dargestellt sind (siehe Abb. 02_02b). (ÖAW/Freytag-Berndt und Artaria KG; Überarbeitung M. Popovtschak).
Abb. 02_02b. Neben Ortsnamen, Koordinaten und Höhenmeter üA der Messstellen ver anschaulichen die 14 Klimadiagramme die Mittelwerte der Temperatur in °C und der Niederschlagshöhe in mm der zwölf Monate (bei Diagramm 1 exemplarisch in Tabellenform beigefügt); zusätzlich sind TemperaturJahresmittel sowie Jahres-Niederschlagssumme vermerkt. Die Diagramme wurden erstellt mit GeoKLIMA, siehe Hanisch/Schulz 1998. (Messdaten: ZAMG 2002 [1971–2000]; Bearbeitung: A. G. Heiss).
33
2. Zur Umwelt
konnten sich auch neue Arten etablieren und den ursprünglichen Pflanzenbestand etwas bis stark verändern. Dies veranschaulicht beispielsweise die in der Urlandschaft Europas völlig fehlen-
Abb. 02_03. Die „Urwaldlandschaft aus dem Rothwald“, Federzeichnung Julius Mařák 1888 (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv PK1131_1392).
de, heute im Osten Österreichs zahlreich und oft das Baum- und Waldbild prägende Robinie. terien, die im Boden Stickstoff anreichern, besitzt er einerseits
Exkurs: Die Robinie ist keine Akazie und kam erst im 17. Jahrhundert nach Europa
in nährstoffarmen Böden einen Wachstumsvorteil. Andererseits wirkt er stark vegetationsverändernd, da unter Robinienhainen artenreiche Ökosysteme – vereinfacht ausgedrückt – zu stick-
Die Robinie/Falsche Akazie (Robinia pseudacacia, Abb. 02_06)
stoffreichen Holunder- und Brennnesselbeständen degradieren.
ist ein Neophyt, der in Niederösterreich und im Burgenland immer
Der Verbreitung förderlich ist außerdem, dass die Robinie viele
11
häufiger und gelegentlich sogar bestandsbildend wild vorkommt.
Ausläufer (Wurzelbrut) bildet und bei Schnitt mittels zahlreicher
Vielerorts als Bienenweide und schnell wachsender Holzlieferant
Stockausschläge schnell nachwächst. Abgesehen von den Blüten
sowie auch als Windfang gepflanzt, wird sie inzwischen als invasi-
sind alle Teile der bedornten Pflanze giftig, was sie u. a. vor Tier-
ve Pflanze bezeichnet. Der in Nordamerika heimische Baum wird
verbiss und -fraß schützt.12
bis 30 m hoch. Durch seine Wurzelsymbiose mit Knöllchenbak11 Die Robinie (sehr oft falsch als „Akazie“ angesprochen) wurde nach Jean Robin (1550 – 1629) benannt, dem Direktor am Jardin des Plantes in Paris, wo diese Bäume im 17. Jahrhundert erstmals auf europäi schem Boden gezogen wurden.
34
12 Roth/Daunderer/Kormann 2012, 621: „Die Giftinformationszentralen berichten … (dass bei) 4–5 Samen Vergiftungserscheinungen (auftreten können, mitunter aber auch) … 30 Samen … symptomlos vertragen wurden.“
2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation
Abb. 02_04. Satellitenbild der stark strukturierten Kulturlandschaft um Niederleis (Gebiet der Fundstelle Oberleiserberg) im Weinviertel (© Google Maps 2018).
Abb. 02_06. Der Neophyt Robinie/Falsche Akazie (Robinia pseudacacia), blühend (Foto: M. Popovtschak).
Auch geänderte Wildtierbestände oder Bodenqualitäten, etwa eine Degradation durch Nährstoffverlust, können die Bildung anderer Pflanzengesellschaften bewirken. Daher bleibt offen, ob das rekonstruierte Idealbild der potenziellen natürlichen Vegetation (siehe Abb. 02_02a) dem ursprünglichen Landschaftsbild gleicht, wie weit es sich diesem annähert und ob es sich auf heutigen Kulturflächen überhaupt noch entwickeln könnte. Konkrete Informationen über frühere Verhältnisse können nur Pollenanalysen liefern. Diese zeigen etwa für Teile des Wald- und Weinviertels ein ursprünglich häufigeres Vorkommen der Tanne (Abies) an, als die potenzielle natürliche Vegetation beschreibt.13 Abb. 02_05. Naturlandschaft im Wiener Prater mit bodendeckendem Bestand von BärLauch (Allium ursinum). Der Prater ist ein etwa 700 ha großer, parkähnlicher Auwaldrest; seit 1766 ist er allgemein zugänglich, nach Jelem 1972, 69 (Foto: A. G. Heiss).
13 Siehe Rybníček/Rybníčkovă 1978; vgl. Davis/Collins/Kaplan 2015.
35
2. Zur Umwelt
2.2.4 Unterschiede im pflanzlichen Bestand Die eigentliche Klimax-Gesellschaft der gemäßigten Klimazone bilden sommergrüne Wälder mit Rot-Buche (Fagus sylvatica), Eichenarten (Quercus spp.) und Edel-Hainbuche (Carpinus be tulus). Die zonale Vegetation ist hauptsächlich vom Großklima beeinflusst. Stärker atlantisch geprägt sind Buchenmischwälder, während nach Osten Eichenmischwälder zunehmen. Im Gegensatz dazu bildet die azonale Vegetation Pflanzengesellschaften, die unabhängig von der Großklimazone auftreten, etwa in Auwäldern, an Sonderstandorten, den Höhenstufen der Gebirge und unter speziellen ökologischen Faktoren. Deshalb sind im zu betrachtenden Gebiet insgesamt viele verschiedene Vegetationsformen und eine sehr hohe pflanzliche Artenvielfalt vorhanden.14 Es werden sechs Florengebiete unterschieden.15 Den Klimaregionen vergleichbar kommen sie selten in einer Höhenlage vor, zeigen breite Überschneidungsbereiche und spezielle lokale Ausprägungen. Das mitteleuropäische (zentraleuropäische) Florengebiet umfasst das westliche Hügelland und die niedrigere (submontane) Bergstufe. Letztere ist ab Höhen von 250 bis 400 (500) m etwa an den Rändern der Böhmischen Masse und in den Tälern der Flüsse Schwarza und Pitten anzutreffen. Sie ist durch die RotBuche (Fagus sylvatica, Abb. 02_07) dominiert. Zum pannonischen Florengebiet zählen das Weinviertel bis Manhartsberg, das Marchfeld, das Wiener Becken, das Donautal westwärts mit Teilen der Wachau, das Traisental bis St. Pölten sowie das Kamptal und Taffatal bis Horn. Es schließt auch die Hainburger Berge ein, obwohl diese bereits subkarpatisch geprägt sind. Typisch sind Eichenwälder mit Zerr-Eichen (Quercus cerris, Abb. 02_08) und Trauben-Eichen (Quercus petraea); teilweise kommen auch Stiel-Eichen (Quercus robur, Abb. 02_09) vor. Mitunter ist Edel-Hainbuche (Carpinus betulus, Abb. 02_10) eingemischt. Neben Auenwäldern in den Flussniederungen bildet der Austritt von Grundwasser in der Feuchten Ebene (Laxenburg, Ebreichsdorf und um Bruck an der Leitha) südlich von Wien eine Ausnahme.
Abb. 02_07. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Rot-Buche (Fagus sylvatica), ● heimisch/indigen, ◒Status unsicher/unbekannt. (Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 66, map 284; reproduced by permis sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).
Thermenlinie, Leithagebirge, Parndorfer Platte und Seewinkel bis zum mittleren Burgenland sind dagegen wieder vorwiegend
und Sekundärsteppen vorhanden. Allerdings sind echte Steppen
durch Trockenheit geprägt.
(Primärsteppen) nur kleinräumig ausgebildet.16 Es handelt sich
In dieser planar-collinen Stufe (bis 250–400 m [500 m]) kommt
dabei um Waldsteppen, die mit Flaum-Eichen-Buschwald durch-
in den Wäldern auch bereits die Flaum-Eiche (Quercus pubes
mischt sind. Hingegen entstanden Sekundärsteppen auf ur-
cens) vor. Weiters sind pannonische Trockenrasen und Halb-
sprünglichem Waldgebiet. Nachdem diese durch Beweidung und
trockenrasen sowie bodenbedingte (edaphische) Primärsteppen
Holzentnahme gelichtet worden waren, konnten sich Steppenpflanzen aus den östlich angrenzenden Primärsteppen ausbrei-
14 Vgl. Mucina/Grabherr/Ellmauer 1993; Fischer/Adler/Oswald 2008. 15 Siehe Niklfeld 1993.
36
16 Auf ungünstigem Untergrund wie Fels, Schotter, Sand, Löß und Salz; vgl. Ehrendorfer-Schratt 2008.
2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation
Abb. 02_08. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Zerr-Eiche (Quercus cerris), ● heimisch/indigen, ◒ Status unsicher/unbekannt, ○ eingeführt/anthro pogen bedingt, ? unsicherer Beleg.
Abb. 02_09. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Stiel-Eiche (Quercus robur), ● heimisch/indigen, ○ eingeführt/anthropogen bedingt, × ausgestorben, ? unsicherer Beleg.
(Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 71, map 294; reproduced by permis sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).
(Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 75, map 301; reproduced by permis sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).
ten. Heute schreiten Versteppung und Flugsandbildung in Folge
Aktivitäten gefördert, sind ihre Habitate heute durch intensi-
der Regulierung von March und Donau insbesondere im March-
ven und vereinheitlichenden Acker- und Weinbau, durch Agrar-
feld fort. Weitere Sonderstandorte sind beispielsweise die groß-
wüsten mit nachfolgender Verbuschung und Wiederbewaldung
flächigere Salzvegetation am Steppensee Neusiedler See und
sowie diverse Bautätigkeiten gefährdet, wodurch schließlich die
die Schottersteppen im Steinfeld.
Vielfalt der Kulturlandschaft zusehends verarmt.17
Auf solchen Trocken- und Halbtrockenrasen wachsen etwa der Österreich-Lein (Linum austriacum, Abb. 02_11), FrühlingsAdonis (Adonis vernalis, Abb. 02_12) und Grauscheiden-Federgras (Stipa joannis, Abb. 02_13). Ehemals durch menschliche
17 Rote Listen gefährdeter Pflanzen Österreichs unter http://www.umwelt bundesamt.at/umweltsituation/naturschutz/artenschutz/rl_pflanzen (letzter Zugriff: Mai 2020) oder Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999.
37
2. Zur Umwelt
Abb. 02_11. ÖsterreichLein (Linum austriacum), Damm bei Baumgarten an der March; gefährdete Pflanzenart (Foto: M. Popovtschak).
Abb. 02_10. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Edel-Hainbuche (Carpinus betulus), ● heimisch/indigen, ○ eingeführt/anthropogen bedingt, ? unsicherer Beleg.
Abb. 02_12. FrühlingsAdonis (Adonis vernalis), Eichkogel bei Mödling; gefährdete Pflanzenart (Foto: A. G. Heiss).
(Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 62, map 278; reproduced by permis sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).
ostrand der Alpen reicht, in der mittelburgenländischen Bucht Im Mittelburgenland kommen bereits Pflanzenarten der subme-
festzustellen, etwa in Form der Hopfenbuche (Ostrya carpini
diterranen, nach dem nördlichen Randgebiet der Mittelmeerlän-
folia) oder der Adria-Riemenzunge (Himantoglossum adriati
der benannten Flora vor. Sie setzt Sommertrockenheit voraus
cum), einer Orchidee. Einzelne ihrer Vertreter kommen hingegen
und ist mit Edelkastanie (Castanea sativa, Abb. 02_14), Stein-
lokal auch weiter nördlich vor, darunter die Zerr- und Flaum-
weichsel (Prunus mahaleb), Zerr-Eiche (Abb. 02_08), Flaum-
Eiche oder die Schwarz-Föhre.18
Eiche (Quercus pubescens) und Schwarz-Föhre (Pinus nigra, Abb. 02_15) angezeigt. Außerdem sind Einflüsse des illyrischen Florengebietes, das vom gebirgigen Nordwestteil der Balkanhalbinsel bis zum Süd38
18 Die Schwarz-Föhre kommt vom südlichen Wienerwald bis Rax und Schneeberg am Nordostrand der Alpen (disjunktes Teilareal) vor. Sie wird als voreiszeitliches Relikt angesehen, das hier die jüngste Eiszeit überdauerte, während ihr Hauptverbreitungsgebiet die Balkan halbinsel ist.
2.2 Welche Pflanzen wachsen hier? – Zur Vegetation
Abb. 02_13. GrauscheidenFedergras (Stipa joannis), Buschberg/Leiser Berge bei Mistelbach; gefährdete Pflanzenart (Foto: A. G. Heiss).
Über diesen Tallagen kann in der höheren Bergstufe (obermontan) bereits das subalpine Florengebiet (beginnt bei Höhen ab 1.500 bis 2.000 m) angetroffen werden. Es reicht vom natürlichen, geschlossenen Wald mit Gewöhnlich-Fichte (Picea abies, Abb. 02_16)19 bis zur Baumgrenze. Oberhalb der Baum- und Krummholzgrenze schließt das alpine Florengebiet an. Dabei sind ab Höhen über 1.900 bis 2.300 m (2.500 m) neben alpinen Pflanzenarten auch kleine Anteile arktisch-alpiner und alpisch-karpatischer Arten vorhanden. Zwei noch höher gelegene Höhenstufen, die subnivale (ab Höhen über 2.500–2.800 m) und die nivale (ewiger Schnee, ab Höhen über 2.800–3.100 m), werden erst in den weiter ansteigenden Gebirgslagen der benachbarten Bundesländer Steiermark und Oberösterreich erreicht.20 Somit ist eine Landschaft zwar primär durch die vorhandene Vegetation sichtbar, verschiedene Standortsfaktoren und kli-
Abb. 02_14. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Europa-Edelkastanie (Castanea sativa), ● heimisch/indigen, ◒ Status unsicher/unbekannt, ○ eingeführt/ anthropogen bedingt. (Auszug aus Jalas/Suominen 1976, 67, map 286; reproduced by permis sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biolo gica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).
matische Umstände sind jedoch für deren jeweilige Ausprägung ausschlaggebend. 19 Im Gegensatz zu zahlreichen Fichtenwäldern im collinen und montanen Bereich sind diese Bestände nicht aufgeforstet. 20 Die Pflanzengesellschaften ansteigender Höhenlagen sind Vegetati onszonen höherer geografischer Breiten ähnlich: Die Polarzone vermit telt zur Subnival-/Nivalstufe, die Zone der arktischen Tundren zur alpi nen Höhenstufe und die boreale Nadelwaldzone Taiga zur subalpinen und obermontanen Höhenstufe. Die mitteleuropäischen Formen unter scheiden sich dabei durch häufigere Niederschläge, höhere Sonne neinstrahlung und mehr Tageslicht im Winter von nördlicher gelegenen Entsprechungen.
39
2. Zur Umwelt
● Pinus nigra subsp. nigra
▲ P. nigra subsp. dalmatica
Abb. 02_15. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Schwarz-Föhre/Kiefer (Pinus nigra), ● und ▲: beide heimisch/indigen. (Auszug aus Jalas/Suominen 1973, 18, map 164; reproduced by permission of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biologica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt eines fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).
40
Abb. 02_16. Arealkarte zum natürlichen Vorkommen von Gewöhnlich-Fichte (Picea abies), ● heimisch/indigen, ◒ Status unsicher/unbekannt. (Auszug aus Jalas/Suominen 1973, 13, map 157; reproduced by permis sion of the Commitee for Mapping the Flora of Europe, and Societas Biologica Fennica Vanamo); darüber ein Ausschnitt des fruchtenden Baumes (Foto: M. Popovtschak).
2.3 Wie war es in der Urnenfelderzeit?
2.3 Wie war es in der Urnenfelderzeit?
im 8. Jh. v. Chr., die vorwiegend mit einer deutlichen Erhöhung der Niederschläge verbunden wird. Der kälteste Abschnitt dieser Phase wird zwischen 775 und 725 v. Chr. angenommen. Diese Veränderungen zeichnen sich etwa mit dem Auflassen der
2.3.1 Vom Klima …
Seeufersiedlungen in der Schweiz und Süddeutschland ab, wo bereits um 850 v. Chr. eine Höherlegung mehrerer Siedlungen festgestellt werden konnte, was einen Zusammenhang mit dem
Konkrete Angaben zum Wetter und Klima liegen als Aufzeichnun-
Klima nahelegt.24 Und tatsächlich spielt das Klima in der Sied-
gen instrumenteller Messungen, wie jener der Lufttemperatur
lungs- und Wirtschaftsgeschichte eine gewichtige Rolle, nicht
oder der Zu- und Abnahme der Gebirgsgletscher, erst für die
zuletzt für agrarische Abläufe: So können Schafe bei geschlosse-
letzten 250 Jahre vor. Bei den Versuchen, das Klimageschehen
ner Schneedecke ohne Zufütterung nur wenige Tage überleben
älterer Zeitphasen (Paläo-/Archäoklimatologie) zu erfassen, wer-
und es kann zu Futtermangel kommen, wenn der erwartete Vege-
den deshalb indirekte Datenquellen für die Rekonstruktion des
tationsbeginn später einsetzt. Auch Feldfrüchte sind in vielerlei
Klimas (sogenannte Proxies) herangezogen.21 Da diese Unter-
Hinsicht durch verschlechterte Witterungseinflüsse gefährdet,
suchungen nicht nur globale Klimaveränderungen und Wechsel-
wodurch Missernten und Hungersnot drohen.25
wirkungen überregionaler Effekte, sondern auch lokale Schwan-
Doch auch wenn gelegentlich archäologisch verfolgbare Um-
kungen (Oszillationen) widerspiegeln, werden idealerweise stets
brüche, etwa der Abzug aus Siedlungsräumen oder die Anwen-
möglichst viele, durch unterschiedlichste Verfahren erhobene
dung neuer Techniken, mit Klimakrisen zusammenfallen, wird
Proxy-Daten zusammenschauend diskutiert. Die Auswertung
das Interpretationsmodell des „klimatischen Determinismus“ in-
regionaler Verhältnisse ist allerdings oft mangels geeigneter
zwischen abgelehnt. Damit wird die direkte Gleichläufigkeit von
Klimaarchive stark eingeschränkt: Aussagekräftige Ablagerun-
Klima und wirtschaftlicher Entwicklung entschieden relativiert.
gen in Gletschern oder Meeresküsten sind nicht in allen Sied-
Veränderungen und Innovationen können schließlich sowohl
lungsgebieten vorhanden und viele – etwa für Pollenanalysen
Folge als auch Lösung plötzlicher Ressourcenknappheit sein –
ideal konservierte – zeitliche Schichtungen in Mooren und Nass-
das heißt, Ursache und Wirkung sind nicht ohne Weiteres immer
stellen wurden inzwischen trockengelegt und in See- und Fluss-
erkennbar.26 Zudem sind auch kulturell bedingte Aspekte von
ablagerungen oft durch Regulierungen etc. gestört.
Präferenz und Vermeidung, von Tradition und Innovation nicht
Vor etwa 11.500 Jahren begann das Holozän (Postglazial). Dieser
außer Acht zu lassen.27 Diese sind zwar archäologisch und eben-
erdgeschichtliche Abschnitt ist eine Warmzeit, die auch gegen-
so archäobotanisch sehr schwer fassbar; historische und ethno-
wärtig noch andauert. In Mitteleuropa ist dabei ein jahreszeitli-
grafische Untersuchungen lassen jedoch auch für die Urge-
cher Wechsel mit kalten Wintern und heißen Sommern typisch.
schichte einen äußerst komplexen Einfluss von Wertesystemen
Trotzdem ist der Klimaverlauf des Holozäns nicht konstant, son-
auf landwirtschaftliche Systeme vermuten.
dern liegt als Reihe unterschiedlich lange dauernder Kalt- und Warmphasen vor.22 Nach aktuellen Kenntnissen dürften die Jahresmitteltemperaturen dieser Phasen nicht mehr als 1–3 °C voneinander abgewichen sein. In den Alpen pendelte das Klima um einen Mittelwert, der 1–1,5 °C während der Vegetations-
2.3.2 … zur Landschaft
periode nicht überschritt. Daraus resultierten Schwankungen
Das klimatisch benachteiligte, von dichten Tannen-Buchen-
der Waldgrenzen um bis zu 200 m.
Eichenmischwäldern bedeckte Wald- und Mühlviertel dürfte
23
Die Urnenfelderzeit fällt größtenteils in eine warm-trockene Phase, während der nur leichte Schwankungen verfolgbar sind. Sie endet jedoch mit einer plötzlich auftretenden Abkühlung 21 Übersichten der einzelnen Methoden zu Pollenanalysen, Torfwachstum, Dendrochronologie, Isotopenmessungen, Waldgrenz-, Gletscher- und Seespiegelschwankungen, Sonnenaktivitäten, Vulkanismus etc. bei spielsweise in: Marinova/Kirleis/Bittmann 2012; Schmidt/Matulla/ Psenner 2009; Renfrew/Bahn 2008, 231–274; Maise 1998.
auch während der Urnenfelderzeit noch eher dünn besiedelt 24 Maise 1998, 220; Rösch 2013; Schibler/Hüster-Plogmann/Jacomet et al. 1997. 25 Bei einer Abnahme der Durchschnittstemperatur um 1 °C wandert bei spielsweise die Rentabilitätsgrenze des Getreideanbaus rund 200 km nach Süden und 100 bis 200 Höhenmeter talwärts, siehe Bourke 1984.
22 Vgl. Nicolussi 2009; Schmidt/Matulla/Psenner 2009; Armit/Swindles/ Becker et al. 2014; Brázdil/Dobrovolný/Luterbacher et al. 2010.
26 Vgl. Pasternak 2001, 73: „Fällt im Winter viel Regen, so bauen wir viel Weizen und wenig Gerste an … fällt im Winter wenig Regen, so bauen wir viel Gerste und keinen Weizen an … in guten Jahren essen wir den Weizen – und die Gerste frisst das Vieh … in schlechten Jahren essen wir die Gerste und das Vieh.“
23 Beispielsweise Bortenschlager 1992, 9.
27 Vgl. Chevalier/Marinova/Peña-Chocarro 2013.
41
2. Zur Umwelt
gewesen sein. Hingegen stellten die ebenfalls noch stark be-
die Ausdehnung der bewirtschafteten Flächen steigendem Nah-
waldeten Hügelregionen südlich der Donau wegen der Nähe zu
rungsbedarf, Speicherreserven oder komplexeren Gesellschafts-
den Kupferlagerstätten in der Grauwackenzone der Alpen wahr-
strukturen zuzuschreiben ist oder eine lebensnotwendige Er-
scheinlich schon während der Bronzezeit ein interessantes Sied-
weiterung des Ackerlandes war, dessen Ertrag plötzlich sank,
lungsgebiet dar (siehe Kap. 5). Auch die klimatisch begünstig-
können jeweils nur Einzeluntersuchungen klären.
teren Gebiete (Weinviertel, Marchfeld und Wachau) waren wohl noch recht dicht bewaldet. Dank ihrer fruchtbaren Böden sind jedoch, korrelierend mit archäologischen Befunden und Spuren, deutliche Erweiterungen und Verdichtungen der Siedlungsund Nutzungsräume anzunehmen. Für detaillierte Aussagen zum urnenfelderzeitlichen Landschaftsbild des Gebiets und seinen
2.3.3 Urnenfelderzeitliche Veränderungen Während der Urnenfelderzeit wechselten die Klimabedingungen
Veränderungen fehlt ein aktuelles, möglichst dichtes Netz an
von anfangs trockenen zu am Ende kühleren und regenreicheren
Pollenanalysen.28
Verhältnissen (Abb. 02_17).
Allerdings sind im weiteren Umkreis nun etwa vermehrt Wege
Archäologische Untersuchungen stellen außerdem in dieser
und Pfade belegt, neben Routen wie der bekannten Bernstein-
Phase vielerorts weitreichende Neuerungen und Veränderun-
straße auch solche im Gebirge. Altwege sind beispielsweise
gen fest, darunter auch das Auflassen von Siedlungen und die
durch sie begleitende Einzel- und Depotfunde rekonstruierbar
Abwanderung aus bereits intensiv genutzten und bewohnten
sowie durch Brandopferplätze, etwa am Sölkpass (Steiermark),
Gebieten, die Verlagerung von Weide- und Ackerland sowie die
auf der Pillerhöhe (Tirol) oder am Ganglegg (Südtirol). Spuren
Nutzung von Neuland. Obwohl dabei manchmal Verbindungen
menschlicher Aktivitäten nehmen kontinuierlich zu und in neu
zu geänderten klimatischen Gegebenheiten bestehen, erweisen
erschlossenen Gebieten sind nicht nur ackerbauliche Aktivitä-
sich viele Entwicklungen als regional und im zeitlichen Ablauf va-
ten sowie Weidetätigkeit zu verzeichnen, sondern etwa auch
riabel.34 Auch im (ost-)mediterranen Raum wurden klimatische
29
Bergbau.30 Im Gebirge sind ab der Bronzezeit die Waldgrenzen
Einflüsse und Naturkatastrophen wie Dürren, Erdbeben, Stürme,
bereits deutlich durch menschliche Präsenz beeinflusst.31 Es
Überflutungen etc. oft als Auslöser für spätbronzezeitliche Krisen
liegen vermehrt Belege von Rodung vor. Auch Murenabgänge
und Wanderbewegungen gewertet. Neuere Forschungen und
lassen sich nachvollziehen, etwa im bronzezeitlichen Gräberfeld
verbesserte Untersuchungsmethoden relativieren jedoch diesen
in Pitten.32
Ansatz deutlich. Je mehr Proxy-Daten vorliegen, desto komplexer
Rund um menschliche Ansiedlungen führte der Bedarf an Holz,
und regionalspezifischer sind die gewonnenen Erkenntnisse, die
Feldern und Weiden zu immer größeren Rodungsflächen. Die-
mitunter sogar zu entgegengesetzten Korrelationen führen, etwa
se boten nicht nur Ernährungsgrundlagen, sondern – nicht zu-
zu wärmeren und andernorts gleichzeitig kühleren Trends.35 Zu-
letzt durch weite Sicht – auch besseren Schutz vor Wildtieren
dem sind die Ereignisse wesentlich durch zusammenbrechende
und Überfällen. Die Siedlungen lagen vorzugsweise an Handels-
Herrschaftsstrukturen (einschließlich solcher von Verbündeten)
wegen, (schiffbaren)33 Flussläufen, Flussübergängen/Furten
und Handelskontakte, einen sozioökonomischen Wandel und
oder in Gebieten bekannter und genutzter Bodenschätze. Ob
einen generellen sozialen Umbruch bedingt, die sich oft in gewalttätigen Auseinandersetzungen äußerten und eine nicht mehr
28 Leider liegen kaum Pollenanalysen vor, die den neuesten Untersuchungsmethoden entsprechen und durch mehrere Kohlenstoffdatierungen zeitlich abgesichert sind; Überblick zur älteren Literatur beispielsweise in Peschke 1977 und Wessely/Draxler 2006, 252. Vgl. außerdem Svoboda 1997; Drescher-Schneider 2004; Davis/ Collins/Kaplan 2015.
funktionierende Subsistenzwirtschaft einschlossen.
29 Beispielsweise: Hebert/Einwögerer/Christandl et al. 2003; Reitmaier 2009; Steiner 2010; Heiss 2014. 30 Vgl. Breitenlechner/Goldenberg/Lutz et al. 2013; Etienne/JouffroyBapicot 2014; Wahlmüller 1992; Lauermann/Rammer 2013: Hort fund in Guttenbrunn; Adametz 2009: Traisental; Mandl 2009: bronzezeitliche Almen bei Hallstatt, Salzgewinnung ab mittlerer Bronzezeit; Johnston 2013: Strukturierung der Landschaft. 31 Vgl. Schmidt/Matulla/Psenner 2009; Viehweider/Lutz/Oeggl 2015. 32 Siehe Schlusche 1985, 7: „[…] mehrmalige Vermurung der Nekropole […]“. 33 Vgl. van de Noort 2013, bes. 390 f. Europe’s Rivers.
42
34 Beispielsweise Groenman-van Waateringe/van Geel 2017; Armit/Swindles/Becker et al. 2014. 35 Siehe Knapp/Manning 2016; Weninger/Clare/Rohling et al. 2009, bes. S. 44.
2.4 Literatur
Abb. 02_17. Modelle zur Temperatur und Sonneneinstrahlung der Nordhalbkugel für die letzten 5.000 Jahre; oben: Sommertemperatur GISP2 Grönland-Eiskern; unten: totale Sonneneinstrahlung (TSI) oder Sonnenaktivität basierend auf IntCal09-Radiokarbondaten – siehe Knapp/Manning 2016, 110, fig. 4, ein schließlich weiterführender Angaben zu den Grunddaten. (S. Manning; Überarbeitung/Übersetzung: M. Popovtschak).
2.4 Literatur Adametz 2009: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unpubl. Diplomarbeit Univ. Wien (Wien 2009). Armit/Swindles/Becker et al. 2014: I. Armit/G. T. Swindles/K. Becker/ G. Plunkett/M. Blaauw, Rapid climate change did not cause population collapse at the end of the European Bronze Age, PNAS 111, 48, 2014, 17045–17049, https://doi.org/10.1073/ pnas.1408028111, letzter Zugriff: Mai 2020. Bobek/Kurz/Zwittkovits 1971: H. Bobek/W. Kurz/F. Zwittkovits, Klima typen. In: ÖAW (Hrsg.), Österreich-Atlas III, 9 (Wien 1971). Bortenschlager 1992: S. Bortenschlager, Die Waldgrenze im Postglazial. In: J. Kovar-Eder, Palaeovegetational Developments in Europe, Proceedings of the Pan-European Palaeobotanical Conference Vienna, 19–23 September 1991 (Wien 1992), 9–13. Bourke 1984: A. Bourke, Impact of climatic fluctuations in European agriculture. In: H. Flohn/R. Fantechi (Hrsg.), The Climate of Europe: Past, Present and Future (Dordrecht, Boston, Lancaster 1984), 269–296 und 307–314. Brande/Erd/Erlenkeuser 2002: A. Brande/K. Erd/H. Erlenkeuser, On the history of Holocene climax vegetation in the northern Alps (Lower Austria), Razprave IV. Razreda SAZU XLIII-2 (Ljubljana 2002), 63–77. Brázdil/Dobrovolný/Luterbacher et al. 2010: R. Brázdil/P. Dobrovolný/ J. Luterbacher/A. Moberg/Ch. Pfister/D. Wheeler/E. Zorita, European climate of the past 500 years: new challenges for historical climatology, Climatic Change 101, 2010, 7–40, https://doi.org/10.1007/s10584-009-9783-z, letzter Zugriff: Mai 2020. Breitenlechner/Goldenberg/Lutz et al. 2013: E. Breitenlechner/G. Goldenberg/J. Lutz/K. Oeggl, The impact of prehistoric mining activities on the environment: a multidisciplinary study at the fen Schwarzenbergmoos (Brixlegg, Tyrol, Austria), Vegetation History and Archaeobotany 22, 2013, 351–366.
Chevalier/Marinova/Peña-Chocarro 2013: A. Chevalier/E. Marinova/ L. Peña-Chocarro, Factors and Issues in Plant Choice. In: A. Chevalier/E. Marinova/L. Peña-Chocarro (Hrsg.), Plants and People: Choices and Diversity through Time, Early Agricultural Remnants and Technical Heritage (EARTH): 8,000 Years of Resilience and Innovation (Oxford 2014), 3–13. Davis/Collins/Kaplan 2015: B. A. S. Davis/P. M. Collins/J. O. Kaplan, The age and post-glacial development of the modern European vegetation: a plant functional approach based on pollen data, Vegetation History and Archaeobotany 24, 2015, 303–317. Drescher-Schneider 2004: R. Drescher-Schneider, Changes in vegeta tion and climate in Eastern Austria from the Mesolithic to the Bronze Age: Reasons for the migration of the Neolithic popula tion, Antaeus 27 (Budapest 2004), 153–163. Ehrendorfer-Schratt 2008: L. Ehrendorfer-Schratt, Die Pflanzenwelt der Steppen Niederösterreichs. Flora und Vegetation, Standorts vielfalt und Gefährdung. In: H. Wiesbauer, Die Steppe lebt – Felssteppen und Trockenrasen in Niederösterreich, Amt d. NÖ Landesregierung (St. Pölten 2008), 59–86. Ellenberg 1986: H. Ellenberg, Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen (Stuttgart 1986). Etienne/Jouffroy-Bapicot 2014: D. Etienne/I. Jouffroy-Bapicot, Optimal counting limit for fungal spore abundance estimation using Sporormiella as a case study, Vegetation History and Archaeo botany 23, 2014, 743–749. Fink 1993: M. H. Fink, Geographische Gliederung und Landschaften Österreichs. In: L. Mucina/G. Grabherr/Th. Ellmauer, Die Pflanzengesellschaften Österreichs, Teil I (Jena 1993), 29–42. Fischer/Adler/Oswald 2008: M. A. Fischer/W. Adler/K. Oswald, Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol (Linz 20083).
43
2. Zur Umwelt
Fischer/Fally 2000: M. A. Fischer/J. Fally, Pflanzenführer Burgenland (Deutschkreuz 2000). Groenman-van Waateringe/van Geel 2017: W. Groenman-van Waateringe/B. van Geel, Raised bed agriculture in northwest Europe triggered by climatic change around 850 BC: a hypo thesis, Environmental Archaeology 22/2, 2017, 166–170. Hanisch/Schulz 1998: W. Hanisch/C. Schulz, GeoKLIMA 2.1 für Windows ab Windows 95, 98, NT und XP zum Erstellen von Klimadiagrammen nach Walter/Lieth, Software und Anleitung (Bad Neundorf 1998). Hebert/Einwögerer/Christandl et al. 2003: B. Hebert/T. Einwögerer/ G. Christandl/U. Schachinger/M. Windholz-Konrad, Archäo logische Untersuchungen auf dem Sölkpass – Altwege, ein hochalpiner urgeschichtlicher Brandopferplatz und weitere Funde von der Steinzeit bis in die Moderne. In: F. Mandl, Sölk pass – Ein 6000 Jahre alter Saumpfad über die Alpen (Haus im Ennstal 2003), 49–88. Heiss 2014: A. G. Heiss, Ceremonial Foodstuffs from Prehistoric Burnt-Offering Places in the Alpine Region. In: A. Chevalier/ E. Marinova/L. Peña-Chocarro (Hrsg.), Plants and People: Choices and Diversity through Time, Early Agricultural Rem nants and Technical Heritage (EARTH): 8,000 Years of Resil ience and Innovation (Oxford 2014), 343–353. Holzner/Adler 2013, 2014 und 2015: W. Holzner/W. Adler, Ökologische Flora Niederösterreichs, Band 1–4 (Wien 2013, 2014 und 2015).
Lauermann/Rammer 2013: E. Lauermann/E. Rammer, Die urnenfelder zeitlichen Metallhortfunde Niederösterreichs. Mit besonderer Berücksichtigung der zwei Depotfunde aus Enzersdorf im Thale, UPA 226 (Bonn 2013). Maise 1998: Ch. Maise, Archäoklimatologie – Vom Einfluss nach eiszeitlicher Klimavariabilität in der Ur- und Frühgeschichte, Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Früh geschichte 81, 1998, 197–235. Mandl 2009: F. Mandl, Hallstatts bronzezeitliche Almen. In: R. Schmidt/ Ch. Matulla/R. Psenner (Hrsg.), Klimawandel in Österreich. Die letzten 20.000 Jahre … und ein Blick voraus, alpine space – man & environment 6 (Innsbruck 2009), 97–104. Mařák 1888: J. Mařák, Urwaldlandschaft aus dem Rothwald. In: Erz herzog Rudolf von Österreich, Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Wien und Niederösterreich, 2. Abtheilung: Niederösterreich (Wien 1888), 343 (= Scan 357), (http://data.onb.ac.at/dtl/2526144; letzter Zugriff: Mai 2020). Marinova/Kirleis/Bittmann 2012: E. Marinova/W. Kirleis/F. Bittmann, Human landscapes and climate change during the Holocene, Vegetation History and Archaeobotany 21, 2012, 245–248. Mucina/Grabherr/Ellmauer 1993: L. Mucina/G. Grabherr/Th. Ellmauer, Die Pflanzengesellschaften Österreichs, 3 Teile (Jena, Stuttgart, New York 1993).
Jalas/Suominen 1973: J. Jalas/J. Suominen (Hrsg.), on the basis of team-work of European botanists, Atlas Florae Europaeae, Distribution of Vascular Plants in Europe, 2 Gymnospermae (Pinaceae to Ephedraceae) (Helsinki 1973).
Nicolussi 2009: K. Nicolussi, Klimaentwicklung in den Alpen während der letzten 7000 Jahre. In: K. Oeggl/M. Prast (Hrsg.), Die Geschichte des Bergbaus in Tirol und seinen angrenzenden Gebieten, Proceedings zum 3. Milestone-Meeting des SFBHiMAT vom 23.–26.10.2008 in Silbertal (Innsbruck 2009), 109–124.
Jalas/Suominen 1976: J. Jalas/J. Suominen (Hrsg.), on the basis of team-work of European botanists, Atlas Florae Europaeae, Distribution of Vascular Plants in Europe, 3 Salicaceae to Balanophoraceae (Helsinki 1976).
Niklfeld 1993: H. Niklfeld, Pflanzengeographische Charakteristik Österreichs. In: L. Mucina/G. Grabherr/Th. Ellmauer (Hrsg.), Die Pflanzengesellschaften Österreichs, Teil 1, Anthropogene Vegetation (Wien 1993), 43–75.
Jelem 1972: H. Jelem, Die Donauauen. In: F. Ehrendorfer/F. Starmühlner/ L. Aschenbrenner (Arbeitsgemeinschaft Inst. f. Wiss. u. Kunst, Hrsg.), Naturgeschichte Wiens, Band III (Wien 1972), 45–72.
Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999: H. Niklfeld/L. Schratt-Ehrendorfer, Rote Listen gefährdeter Farn- und Blütenpflanzen (Pterido phyta und Spermatophyta) Österreichs. In: H. Niklfeld (Hrsg.), Rote Listen gefährdeter Pflanzen Österreichs, Grüne Reihe des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie 10 (Graz 19992), 33–130.
Johnston 2013: R. Johnston, Bronze Age Fields and Land Division. In: H. Fokkens/A. Harding (Hrsg.), The Oxford Handbook of the European Bronze Age, Oxford Handbooks in Archaeology (Oxford 2013), 311–327. Knapp/Manning 2016: A. B. Knapp/S. W. Manning, Crisis in context: The end of the Late Bronze Age in the Eastern Mediterranean, American Journal of Archaeology 120/1, 2016, 99–149, https://doi.org/10.3764/aja.120.1.0099, letzter Zugriff: Mai 2020. Kohler-Schneider 2017: M. Kohler-Schneider, Ackerbau und Land nutzung. In: E. Lenneis (Hrsg.), Erste Bauerndörfer – älteste Kultbauten. Die frühe und mittlere Jungsteinzeit in Niederös terreich, Archäologie Niederösterreichs (Wien 2017), 164–182 und 366–375. Kral/Mayer 1968: F. Kral/H. Mayer, Pollenanalytische Überprüfung des Urwaldcharakters in den Naturwaldreservaten Rothwald und Neuwald (Niederösterreichische Kalkalpen), Forstwissen schaftliches Centralblatt 87, 1, 1968, 150–175.
44
Pasternak 2001: R. Pasternak, Von der Gefahr, Unkraut zu ernten – Archäobotanische Großrestanalyse am Beispiel des hethiter zeitlichen Fundortes Kușakli. In: Verein Archäologische Kultur landschaft Ruhrgebiet (Hrsg.), … nicht nur Kraut und Rüben – Archäobotanik im Ruhrgebiet (Essen 2001), 65–88. Peschke 1977: P. Peschke, Zur Vegetations- und Besiedlungsgeschichte des Waldviertels (Niederösterreich), Mitteilungen der Kommis sion für Quartärforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2 (Wien 1977). Reitmaier 2009: T. Reitmaier, Rückwege – Archäologie im Silvretta gebirge. In: B. Hebert/F. Mandl, Festschrift 30 Jahre ANISA, Forschungsberichte der ANISA 2 (Haus im Ennstal 2009), 163–172. Renfrew/Bahn 2008: C. Renfrew/P. Bahn, Archaeology: Theories, Methods and Practice (London 20085th).
2.4 Literatur
Rösch 2013: M. Rösch, Land use and food production in Central Europe from the Neolithic to the Medieval period: change of landscape, soils and agricultural systems according to archaeobotanical data. In: T. Kerig/A. Zimmermann (Hrsg.), Economic archaeo logy: from structure to performance in European archaeology, UPA 237 (Bonn 2013), 109–237. Roth/Daunderer/Kormann 2012: L. Roth/M. Daunderer/K. Kormann, Giftpflanzen – Pflanzengifte, Vorkommen – Wirkung – Therapie – Allergische und Phototoxische Reaktionen (Landsberg 20126). Rybníček/Rybníčkovă 1978: K. Rybníček/E. Rybníčkovă, Palynological and historical evidence of virgin coniferous forests at middle altitudes in Czechoslovakia, Vegetatio 26, 2, 1978, 95–103. Schibler/Hüster-Plogmann/Jacomet et al. 1997: J. Schibler/H. HüsterPlogmann/S. Jacomet/Ch. Brombacher/E. Gross-Klee/A. RastEicher, Ökonomie und Ökologie neolithischer und bronzezeitli cher Ufersiedlungen am Zürichsee, Monogr. Kantonsarchäolo gie Zürich 20 (Zürich 1997). Schlusche 1985: P. Schlusche, Geologischer Bericht über die Ausgra bung in Pitten 1973. In: F. Hampl/H. Kerchler/Z. BenkovskyPivovarová, Das mittelbronzezeitliche Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich, MPK 21/22 (Wien 1985), 5–12. Schmidt/Matulla/Psenner 2009: R. Schmidt/Ch. Matulla/R. Psenner (Hrsg.), Klimawandel in Österreich. Die letzten 20.000 Jahre … und ein Blick voraus, alpine space – man & environment 6 (Innsbruck 2009). Steiner 2010: H. Steiner, Alpine Brandopferplätze. Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen, Roghi votivi alpini. Archeologia e scienze naturali, Forschungen zur Denkmalpflege in Südtirol 5, Beni culturali in Alto Adigi: studi e ricerche 5 (Trento 2010). Svoboda 1997: H. Svoboda, Die Entwicklung der Vegetation in Süd mähren (Tschechien) während des Spätglazials und Holozäns – eine palynologische Studie, Verh. Zool.-Bot. Ges. Österreich 134, 1997, 317–356. van de Noort 2013: R. van de Noort, Seafaring and Riverine Navigation in the Bronze Age of Europe. In: H. Fokkens/A. Harding, The Oxford Handbook of the European Bronze Age (Oxford 2013), 382–397.
Viehweider/Lutz/Oeggl 2015: B. Viehweider/J. Lutz/K. Oeggl, Late-Holocene land use changes caused by exploitation in the mining region of Kitzbühel (Tyrol, Austria), Vegetation History and Archaeobotany 24, 2015, 711–729. Vitek/Mrkvicka/Adler et al. 2004: E. Vitek/A. Ch. Mrkvicka/W. Adler/ E. Horak/W. Fleck/B. Haslehner, Wiens Pflanzenwelt (Wien 2004). Wahlmüller 1992: N. Wahlmüller, Beitrag der Pollenanalyse zur Besiedlungsgeschichte des Haidberges bei Bischofshofen/ Salzburg. In: A. Lippert, Der Götscherberg bei Bischofshofen, MPK 27 (Wien 1992), 129–142. Wagner 1971: H. Wagner, Natürliche Vegetation, 1:1.000.000. In: ÖAW (Hrsg.), Österreich-Atlas IV, 3 (Wien 1971). Weninger/Clare/Rohling et al. 2009: B. Weninger/L. Clare/E. J. Rohling/ O. Bar-Yosef/U. Böhner/M. Budja/M. Bundschuh/A. Feurdean/ H.-G. Gebel/O. Jöris/J. Linstädter/P. Mayewski/T. Mühlenbruch/ A. Reingruber/G. Rollefson/D. Schyle/L. Thissen/H. Todorova/ Ch. Zielhofer, The impact of rapid climate change on prehistor ic societies during the Holocene in the Eastern Mediterranean, Documenta Praehistorica 36, 2009, 7–59, https://doi.org/10.4312/dp.36.2, letzter Zugriff: Mai 2020. Wessely/Draxler 2006: G. Wessely/I. Draxler, Pliozän und Quartär. In: G. Wessely, Geologie der österreichischen Bundesländer, Niederösterreich (Wien 2006), 235–252. ZAMG 2002: ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik), Klimadaten von Österreich 1971–2000, Wien, Hohe Warte 2002, http://www.zamg.ac.at/fix/klima/oe71-00/, letzter Zugriff: Mai 2020. Ziska/Bunce/Goins 2004: L. H. Ziska/J. A. Bunce/E. W. Goins, Charac terization of an urban-rural CO2/temperature gradient and as sociated changes in initial plant productivity during secondary succession, Oecologia 139, 2004, 454–458. Zwittkovits 1983: F. Zwittkovits, Klimatypen, Klimabereiche, Klima facetten. Erläuterungen zur Klimatypenkarte von Österreich, Komm. f. Raumforschung, Beiträge zur Regionalforschung 5 (Wien 1983).
45
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen Katharina Adametz, Michaela Lochner Während der gesamten Urnenfelderzeit waren in Mitteleuropa – also auch im Osten Österreichs – unbefestigte Dörfer im Flachland charakteristisch. Diese bäuerlichen Siedlungen bevorzugten ebenes Gelände, sanfte Hänge oder Hügelkuppen. In der jüngeren Urnenfelderkultur entstanden zusätzlich befestigte Höhensiedlungen. Solche durch Wallanlagen gesicherten Nieder-
3.1 Haus und Hof 1 3.1.1 Hausformen
lassungen wurden in natürlich geschützten Lagen auf Bergkuppen
Während der Bronzezeit ging die bevorzugte Bauweise von Lang-
und Plateaus errichtet und waren wirtschaftliche sowie kulturelle
häusern in eine funktionale Formenvielfalt über. Üblich waren
Zentren.
weiterhin Häuser, die mittels Pfostenreihen aufgebaut wurden, kleinflächige Gebäude (4- bzw. 6-Pfostensetzungen) mit quad-
Bei der Siedlungsplatzwahl waren verschiedene Kriterien aus-
ratischer oder rechteckiger Grundfläche sowie ein- oder mehr-
schlaggebend. (siehe Kap. 2, Pkt. 2.3) Einer der wichtigsten
schiffige Häuser.
Faktoren war der Wasserzugang, der einen dauerhaften Sied-
Kleinbauten, die man aufgrund ihrer geringen Größe heute zu-
lungsbestand erst ermöglichte. Siedlungen wurden deshalb
meist als Speicher deutet, waren während der gesamten Urnen-
in erreichbarer Nähe zu kleineren Fluss- und Bachläufen, je-
felderzeit verbreitet, wobei sie in der älteren Urnenfelderkultur
doch außerhalb des Überschwemmungsgebiets errichtet. Brun-
häufiger nachweisbar sind. Es ist möglich, dass diese Spei-
nen gewährleisteten zusätzliche Wasserversorgung in Zeiten
cherbauten mit einer Konstruktion (Steher mit waagrechter
niedrigerer Wasserstände. Weiters waren möglichst fruchtbare
Abschlussplatte) erhöht gebaut wurden, um Nagern den Zugang
Böden für den Anbau von Feldfrüchten sowie Freiflächen als
zu erschweren. Die Bauweise kann anhand tönerner Hausurnen
Weideareale für Nutztiere von großer Bedeutung. Ausreichender
aus Polen gut nachvollzogen werden (Abb. 03_01).
Baumbestand sicherte Holz als Bau- und Brennmaterial. Leicht
In der jüngeren Urnenfelderkultur wird der 4-Pfostenbau von
zugängliche Ton- und Lehmvorkommen lieferten Rohstoffe für
Häusern mit zwei zusätzlichen Pfostenpaaren in der Traufwand
die Keramikherstellung und den Hausbau. Andere Güter wie Salz
in seiner Häufigkeit abgelöst. Es könnten Mehrzweckhäuser ge-
oder Rohstoffe zur Erzeugung von Bronzegegenständen, aber
wesen sein, die als Arbeits-, Schlaf-, Wohn- oder Speichergebäu-
auch Fertigprodukte wie z. B. Bernsteinperlen oder auch Glas-
de dienten. Häuser ab 20 m² Grundfläche und mit mehr als 5 m
perlen konnten oft nicht in der näheren Umgebung abgebaut
Länge werden als Wohnbauten bezeichnet. Die Vergrößerung der
oder erstanden werden. Sie wurden von Händlern aus teilweise
Fläche könnte eine direkte Folge des Bevölkerungswachstums
weit entfernten Gebieten herantransportiert und im Rahmen ei-
gewesen sein. Die damalige Besiedlungsdichte wird auf zwei bis
nes nicht monetären Tauschhandels vertrieben. Eine günstige
fünf Bewohner pro Quadratkilometer bei einer Belegungsdauer
Anbindung an Verkehrsrouten, sei es nun auf dem Landweg oder
einer größeren Siedlung von bis zu fünf Generationen (bis zu 150
zu Wasser, war daher ein zusätzlicher Garant für florierende
Jahre) geschätzt.
Siedlungen.
In der jüngeren bis späten Urnenfelderzeit entwickelte sich ein zusätzlicher Haustyp, der vor allem in der nachfolgenden Eisenzeit bevorzugt wurde: das Grubenhaus bzw. die Grubenhütte.2 Bei dieser Gebäudeform handelt es sich um rechteckige, quadratische oder herzförmige Eintiefungen in den Boden. Sie weisen
46
1
Basisliteratur: Jockenhövel 1998; Luley 1992; Müller 1986; Primas 2008.
2
Hellerschmid 2006, 97–101.
3.1 Haus und Hof
Abb. 03_01. Die Umzeichnungen tönerner Hausurnen aus Obliwitz/Polen (li.) und Woedtke/Polen (re.) ermöglichen eine Vorstellung von erhöht erbauten, urnenfelderzeitlichen Speicherbauten (Müller 1986, Abb. 50 und 51; Grafik: F. Oelmann 1959, Abb. 4 und 7).
dratischer Grundriss vorgegeben. Je größer das Haus werden sollte, desto mehr Pfosten musste man verwenden. Die Steher wurden in zumeist runden, engen Gruben in den Boden versenkt. Je nach Bodenzusammensetzung spitzte man sie vorher an oder verkeilte sie mit Steinen bzw. Holz, um sie aufrechtstehend zu fixieren (Abb. 03_02). Manchmal wurden die Holzpfosten für eine längere Haltbarkeit im Boden an ihrem unteren Ende angekohlt. Tragende Pfosten tiefte man aus Gründen der Statik mindestens 0,80 m ein. Für Wandpfosten war oft eine geringere Tiefe ausreichend. Der Wandaufbau eines mit Pfosten gesetzten Hauses war vom Holzvorkommen abhängig. In ausgelichteten, holzärmeren Gegenden errichtete man oft eine Flechtwerkskonstruktion zwischen
a
b
c
d
den tragenden Pfosten, die mit einem Lehmbewurf abgedichtet wurde (Abb. 03_03d). Feuereinwirkung, wie z. B. bei einem
Abb. 03_02. Pfosten und Pfostengrube: a. freistehender Pfosten in bodenverdichteter Baugrube – b. in den Baugrund eingeschlagener angespitzter Pfosten – c–d. mit Holzkeilen bzw. Steinen verkeilter Pfosten (Luley 1992, Abb. 3).
Hausbrand, hat solche Wandteile konserviert und die Erhaltung
steile oder senkrechte Wände und ebene Böden auf. Manchmal
Schwellbalken oder massive Bohlen- bzw. Blockwände möglich
sind sie mit abgetreppten Eingängen versehen. Es handelt sich
(Abb. 03_03a–c).3 Diese Bauweisen hinterlassen zusätzlich zu
dabei nicht zweifelsfrei um Wohnbauten, sondern es könnten
den Pfostengruben oft Fundamentgräbchen als letzte Spuren im
ebenso Keller und Wirtschaftsräume gewesen sein.
Boden. Selten können die ehemaligen Eingänge nachgewiesen
im Boden ermöglicht. Dieser gebrannte Hüttenlehm mit Astabdrücken ist ein häufiges archäologisches Fundgut. In holzreichen Regionen hingegen waren auch Wandaufbauten auf
werden, weil oft das ursprüngliche Siedlungsniveau fehlt.
Exkurs: Hausbau und Hauskonstruktionen
Anhand der Pfostengruben sowie der Fundamentgräbchen sind
Die Bauart der Gebäude war eine bewährte Nutzform. Sie war
grundrisse lassen weiters Unterscheidungen zwischen Giebel-
Rückschlüsse auf den Wand- und Dachaufbau möglich. Die Haus-
nicht nur bedarfs- und umweltorientiert, sondern wurde auch
und Traufwand zu. Die Giebelwand befindet sich an den Schmal-
durch die vorhandenen Ressourcen bedingt (siehe Kap. 4, Pkt.
seiten des Hauses und ist nach dem Dachgiebel benannt, der
4.3.4).
sich hier über der Hauswand erhebt. Die Längsseite des Hauses
Der für die Urgeschichte typische Pfostenbau wurde deshalb bis
wird Traufwand genannt.
ans Ende der Urnenfelderkultur beibehalten. Für Holzpfostenhäuser wurde mittels Pfostenreihen ein rechteckiger oder qua-
3
Die Stakenwand (Abb. 03_03e) ist bislang in Ostösterreich nicht nachgewiesen.
47
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
a
b
d
e
c
Abb. 03_03. Wandkonstruktionen, Massivbauweise: a. Palisadenwand – b. Eingespannte Spaltbohlenwand – c. Blockbauwand; Mischbauweise: d. Flechtwerkwand – e. Stakenwand (Luley 1992, Abb. 4).
Bei der Dachform geht man allgemein von einem Satteldach aus.
als ein- oder mehrschiffig. Ein Haus mit z. B. zwei inneren Pfosten-
Hierbei wird zwischen Pfetten- und Sparrendach unterschieden,
reihen wird als dreischiffig bezeichnet, da durch die Unterteilung
weil sich die beiden Formen meist durch die Pfostenstellungen
drei parallele Längsräume entstehen. In einigen Wohnhäusern
nachvollziehen lassen (Abb. 03_04). Für ein Pfettendach legte
gibt es auch quer verlaufende Unterteilungen für unterschiedli-
man eine Firstpfostenreihe im Inneren des Hauses an, die parallel
che Wohnbereiche. Dies kommt zumeist bei Langbauten vor, die
zu den Längsseiten oder Traufwänden verlief (Abb. 03_05/1–3a).
großteils zwischen 10 und 30 m lang waren. Von manchen dieser
Häuser mit einer Länge von circa 5 m – stabile Maximallänge ei-
Häuser nimmt man an, dass ein bestimmter, quer abgeteilter Be-
nes frei liegenden Holzpfostens unter Belastung – kommen auch
reich als Stallung für Haustiere mitgenutzt wurde.
mit nur einem Firstpfosten pro Giebelwand aus. Dadurch bleibt der Innenraum des Hauses frei. Mit einem Pfettendach gedeckte Häuser weisen eine maximale Breite von 8–9 m auf. Bauten, die deutlich breiter als 7 m sind, verfügen über ein Sparrendach. Bei dieser Dachform gibt es keine tragende Mittelpfostenreihe (Abb. 03_05/3b). Sparrendächer überspannen ohne Kehlbalken bis zu 4,5 m Breite; mit Kehlbalken können größere Hausbreiten
3.1.2 Brunnen, (Speicher-)gruben, Wege, Zäune …
erreicht werden.
In Siedlungsarealen finden sich nicht nur Pfostengruben und
Die unterschiedlichen Funktionen, die Häuser in einer Siedlung
Fundamentgräbchen für Gebäude, sondern auch anders geartete
innehatten, werden u. a. aufgrund ihrer Größe interpretiert. Klei-
Baubefunde.
nere, einräumige, rechteckige, quadratische und runde Bauten
Eine Besonderheit stellen Brunnenkonstruktionen dar.4 Urge-
mit vier bis acht, manchmal auch mehr Pfosten stellen meist
schichtliche Brunnen waren vom Neolithikum bis in die Eisen-
wirtschaftlich genutzte Gebäude dar. In ihnen lagerte man Vor-
zeit ähnlich aufgebaut. Man tiefte einen Schacht bis zu einer
räte oder verrichtete handwerkliche Tätigkeiten. Größere Häuser
wasserführenden Schicht ein und fertigte eine Art Fassung an,
werden oft als Wohnbauten, Multifunktionsbauten oder Mehr-
die manchmal bei der Ausgrabung noch in unterschiedlich gut
zweckhäuser interpretiert. Im Innenraum weisen sie mehrere
erhaltenem Zustand zu finden ist. Die Fassung kann aus einem
Pfostenreihen auf, die zur Raumgliederung oder als zusätzliche
rechteckigen Kasten aus Holzbalken oder -brettern oder einer
Stützpfosten für größere Dachkonstruktionen dienen. Die Gliede-
runden Röhre (z. B. einem ausgehöhlten Baumstamm) bestehen.
rung des Innenraums durch längs verlaufende Pfostenreihen benennt man nach deren Anzahl – in Anlehnung an Kirchenschiffe – 48
4
Westphal/Jennes/Koch 2001, 122–123.
3.1 Haus und Hof
Dachreiter Dachhaut Dachlattung Rofen
Firstpfette
Giebelwand
Pfettendach
Zwischenpfette Traufpfette
Dachüberhang
Sparrendach Kehlbalken
Sparren Dachbalken Kopfband
Abb. 03_04. Schemata und Begriffserklärung für Pfettendach (oben) und Sparrendach (unten) (Müller 1986, Abb. 4 und 55; Grafik: K. Adametz).
1
3b
2
3a
Hin und wieder werden bei der Ausgrabung in den Brunnen gefallene Objekte (z. B. Keramikgefäße) oder absichtlich deponierte Gegenstände an der Sohle gefunden, die sich im feuchten Milieu gut erhalten haben (siehe Pixendorf weiter unten). Immer wieder treten im Siedlungsareal Gruben auf. Dazu zählen mulden- oder beutelförmige sowie kegelstumpfförmige – also nach unten breiter werdende – Gruben, deren Durchmesser bis zu mehrere Meter betragen kann. Je nach Form, Größe und Fundgut lassen sie sich manchmal bestimmten Zwecken zuordnen. Kleine Gruben mit bis zu einem Meter Durchmesser, die sich innerhalb von Häusern befanden, dienten z. B. als Feuerstellen, Werkgruben oder Vertiefungen für Vorratsgefäße (Abb. 03_06). Größere Gruben, vor allem kegelstumpfförmige, zählen meist zu den Speichergruben (Abb. 03_07), die, nachdem sie ihre Funktion verloren hatten, mit Siedlungsabfall verfüllt wurden.
Abb. 03_05. Mühlhausen-Ehingen/Deutschland. Rekonstruktionsversuche zu den unterschiedlichen bronzezeitlichen Haustypen (Dieckmann 1998, Abb. 20; Grafik: A. Harwath).
49
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Exkurs: Speichergruben5 (Benedikt Biederer) Speichergruben nutzte man, um vor allem Getreide über einen längeren Zeitraum einzulagern. Da diese Art von Bevorratung noch bis in die Neuzeit durchgeführt wurde, wissen wir, was beim Bau und beim Füllen beachtet werden muss. Der für die Speicherung gewählte Platz sollte möglichst trocken sein und somit hoch über dem Grundwasserspiegel liegen. Da sich ein leicht zu grabender und gleichzeitig kompakter Untergrund als günstig erweist, ist ein gehäuftes Antreffen derartiger Gruben in Lössgebieten feststellbar. Um das Getreide im Inneren gegen Feuchtigkeit zu schützen, kleidete man – wie aus historischen Quellen bekannt ist – die Abb. 03_06. Vorratsgefäß in kleiner Grube innerhalb eines Hausgrundrisses einer älterurnenfelderzeitlichen Siedlung aus Unterradlberg (Adametz 2011, Abb. 27).
Wände und den Boden häufig mit Stroh aus. Auch bei entsprechenden Bauten der Spätbronzezeit sind Spuren ehemaliger Auskleidung in manchen Fällen sichtbar.6 Wurden die Speichergruben vollständig mit Getreide gefüllt, so musste anschließend ein möglichst hermetischer Verschluss geschaffen werden. Meist verwendete man hierfür eine Kombination aus Stroh und Lehm.7 Der Stoffwechselvorgang des Getreides sorgt anschließend für die Konservierung. Durch den Verbrauch von Sauerstoff und den Ausstoß von Kohlendioxid werden dabei im Speicher verbliebene Schädlinge wie der Kornkäfer abgetötet. Der hermetische Verschluss sorgt dafür, dass sich das Kohlendioxid so lange anreichert, bis die Atmosphäre im Inneren gesättigt ist und das Getreide in einen Zustand der Ruhe versetzt wird. Es bleibt über mehrere Jahre keimfähig und über einen noch längeren Zeitraum essbar.8 Neben der langen Haltbarkeit des nahrhaften Lagergutes wirkt sich das kostengünstige Anlegen einer solchen Grube ohne dafür benötigte Baustoffe vorteilhaft aus. Der unterirdische Speicher kann leicht verborgen und somit das wertvolle
Abb. 03_07. Schnitt durch die kegelstumpfförmige Speichergrube V2713 von Stillfried an der March (Aufnahmejahr 1985) (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Gut vor Dieben oder plündernden Kriegern geschützt werden. Auch der ständig präsenten Feuergefahr waren Speichergruben nicht ausgesetzt. Speichergruben wurden in der Urnenfelderzeit oft individuell von jeder Wirtschaftseinheit im direkten Umfeld der Häuser oder auch außerhalb der Siedlung, wie in Wien-Unterlaa vermutet wird , angelegt.9 An zentralen Plätzen wie der Höhensiedlung Stillfried deutet sich dagegen eine kollektive Form der Vorratshaltung in Speichergruben an (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3.5).10
5
Dazu Biederer 2018; Biederer 2019.
6
Bönisch 2006, 313–314.
7
Kunz 2004, 108–113.
8
Reynolds 1974, 119.
9
Penz 2011.
10 Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017; Griebl/Biederer in Vorbereitung.
50
3.2 Flachlandsiedlungen
Beispiele aus dem niederösterreichischen Raum sind aus den Siedlungen Pixendorf, Unterradlberg (siehe Abb. 03_18/2) und Getzersdorf bekannt. Aufwendigere und beständigere Befestigungen mittels Erdwällen legte man um Flachlandsiedlungen nicht an. In Deutschland wurden im Großraum um Leipzig und Halle durch großflächige Aufschlüsse Gräben und lineare Grubenansammlungen nachgewiesen, die in der späten Urnenfelderzeit aufkamen und bis in die frühe Eisenzeit Bestand hatten. Die Bedeutung ist bisher noch unklar; eine mögliche Interpretation wäre eine frühe Form der Landeinteilung.12
3.2 Flachlandsiedlungen Wichtige und im Text erwähnte Flachlandsiedlungen: • Franzhausen/Wagram an der Traisen (VB St. Pölten–Land) • Gemeinlebarn (VB St. Pölten–Land) • Getzersdorf (VB St. Pölten–Land) Abb. 03_08. Gesamtplan des Siedlungsausschnittes von Lovčičky/ Tschechien mit gerasterten Hausgrundrissen (Říhovský 1982, Abb. 17).
• Lovčičky/Südmähren • Mannersdorf am Leithagebirge (VB Bruck an der Leitha) • Pixendorf (VB Tulln) • Pottenbrunn (VB St. Pölten–Land) • Rannersdorf (VB Schwechat)
Manchmal gab es in einer größeren Ansiedlung einen freien
• Unterradlberg (VB St. Pölten–Land)
Platz im Zentrum, ähnlich einem Dorfplatz wie z. B. in Lovčičky,
• Wien 1230/Unterlaa
Tschechien (Abb. 03_08). In dem südöstlich von Brünn gelege11
nen Gebiet wurde 1964 bis 1971 auf einer Größe von 11.500 m² eine älterurnenfelderzeitliche Siedlung mit 48 Hausgrundrissen entdeckt. Die Häuser, die – wie Hausüberschneidungen belegen – nicht alle gleichzeitig bestanden, gruppierten sich um einen zentralen freien Platz. Dieser maß etwa 60 m im Durchmesser
3.2.1 Siedlungsstruktur und Siedlungsgröße – archäologische Beispiele
und wies einen Großbau in der Mitte sowie zwei kleinere Bauten
Urnenfelderzeitliche Flachlandsiedlungen gab es in unterschied-
auf. Der Ausgräber erwägt sogar, dass es mehrere solcher Plätze
lichen Größen. Die kleinste Einheit stellten Einzelgehöfte mit ei-
gegeben haben könnte, da die Grenzen der Siedlung bei der Aus-
nem Wohnhaus und zugehörigen kleineren Wirtschaftsgebäu-
grabung nicht erreicht wurden.
den dar. Ein Weiler bestand aus drei bis acht solcher gleichzeitig
Wege sind in Siedlungen selten nachweisbar. In Lovčičky wurden
bestehenden Gehöfte; bei einer größeren Ansiedlung ging die
Streifen aus dunklem, rotbraunem Löß mit 0,1–0,2 m Tiefe und
Gehöftanzahl darüber hinaus.13
2–5 m Breite dokumentiert, die wie ein Wegenetz durch die An-
Ein Beispiel für ein Einzelgehöft ist das allgemein in die Urnen-
siedlung anmuten.
felderzeit datierende Anwesen von Getzersdorf.14 Dort wurde
Hie und da gab es vermutlich zaunartige Pfostensetzungen um
1988 ein mit einem Palisadenzaun umhegtes Gehöft entdeckt,
ganze Siedlungen oder um eine Gehöftgruppe. Alternativ dazu
das durch eine Toranlage betreten werden konnte. Innerhalb
kann ein Gräbchen auch von einer ehemaligen Palisade stammen, die als Schutz und räumliche Begrenzung errichtet wurde. 11 Říhovský 1982, 41.
12 Stäuble 2002, 11. 13 Lindinger 2008, 35–40; dazu Zuber 2010 mit Beispielen aus dem ostbayrischen Donauraum. 14 Zuletzt Neugebauer/Gattringer/Blesl et al. 1991, 92.
51
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
In größeren Ansiedlungen wurden die Häuser oft in paralleler Ausrichtung und derselben Orientierung errichtet. Ein gutes Beispiel stellt die 2001 beim Bau der Schnellstraße S 1 entdeckte Siedlung von Rannersdorf dar.16 Das seit der Jungsteinzeit durchgehend besiedelte Areal war während der Urnenfelderzeit mit zwölf nordwest-südost-orientierten, zweischiffigen Wohnhäusern bebaut. Die Häuser maßen maximal 25 m × 8,2 m und waren mit eng gesetzten Außenwänden sowie wenigen Mittelpfosten errichtet (Abb. 03_11). Diese umgaben jeweils mehrere Wirtschafts- und Speicherbauten. Davon waren 48 Gebäude Speicherbauten mit 4–6 Pfosten und neun 8-Pfosten hütten. Weiters gab es sechs schmale Scheunen oder Ställe, die in zwei Gruppen zu je drei Gebäuden am Siedlungsareal verteilt Abb. 03_09. Foto der Pfostensetzungen des Gehöfts aus Getzersdorf (Neugebauer/ Gattringer 1989, Abb. 29/4).
waren.17 In Pixendorf wurde in den Jahren 2004 und 2005 im Rahmen des Großbauprojekts der Hochleistungsbahnstrecke Wien–St. Pölten eine urnenfelderzeitliche Siedlung großflächig untersucht (Abb. 03_12).18 Auf einem Areal von 45.000 m² befanden sich insgesamt mehr als 40 dreischiffige Wohnbauten von 18 m × 6 m und kleinere rechteckige bzw. annähernd quadratische Wirtschaftsund Speicherbauten mit 4–10 Pfosten pro Grundriss. Im nördlichen Grabungsareal verliefen dicht gesetzte Pfostenreihen mit bis zu 30 m Länge parallel zu einem südlich gelegenen Bachbett. Ein Zusammenhang mit der Siedlung ist nicht gesichert. Die Pfostenreihen konnten jedoch durch Bronzefunde ebenfalls in die Urnenfelderzeit datiert werden. Die Siedlung überdauerte vermutlich in mehreren Phasen von der älteren bis zur jüngeren Urnenfelderzeit. Die Siedlungsgren-
Abb. 03_10. Plan des Gehöfts aus Mannersdorf am Leithagebirge (Melzer 1980–1981, Abb. 393).
zen scheinen nach Osten und Westen erreicht worden zu sein, da die Befunde in diese Richtungen ausdünnen, wie mehrere Künetten-Schnitte belegten. Nach Norden und Süden erstreckte sich die Siedlung über die bereits gegrabenen Areale hinaus.
der Palisade befand sich ein großer, vermutlich mehrphasiger
Eine Besonderheit in Pixendorf waren zehn Brunnen, die bis zu
Hauskomplex (18 m × 4,5 m), eine 8-Pfostenhütte (4 m × 3 m)
2,70 m tief und mit hölzernen Brunnenkästen aus Eichenholz
(Abb. 03_09) und eine große Grube.
ausgekleidet waren (Abb. 03_13). Die im anstehenden Grund-
Ein sich ebenfalls in Einzellage befindlicher Hausgrundriss mit
wasser gut erhaltenen Bretter waren in mehreren Lagen in
gleicher Datierung stammt aus Mannersdorf am Leithagebirge
Zapfen technik gesteckt übereinander aufgeschichtet worden
im südöstlichen Niederösterreich (Abb. 03_10).15 Aus 56 Gru-
(Abb. 03_14). In den Brunnenverfüllungen fanden sich zum Teil
ben und Pfostengruben konnte ein vierschiffiger Hausgrund-
sehr gut konservierte organische Reste, darunter eine Schnur
riss (12 m × 8,6 m) rekonstruiert werden. Das Haus war west-ost-
und ein geflochtener Weidenkranz. Im Inneren von zumindest
orientiert. Die Pfostengruben waren 0,45 m–0,9 m tief, wobei
zwei Brunnen wurden beinahe vollständig erhaltene Keramik-
die Mittel- und Eckpfostengruben aus den eingangs erwähnten
gefäße und viele -fragmente sowie Bronzegegenstände depo-
statischen Gründen am tiefsten waren. Eine beispielhafte Weileransiedlung kann derzeit nicht genannt werden, da oft ungeklärt ist, ob sich die Siedlung außerhalb der
16 Sauer 2006, 47–51.
Grabungsgrenzen noch fortsetzte.
17 Siehe dazu kritische Bemerkung bei Trebsche 2017, 180. P. Trebsche sieht in den großen langrechteckigen Hausgrundrissen typische Vertre ter des frühbronzezeitlichen Haustyps Brezno. Eine Klärung kann wohl erst nach vollständiger Aufarbeitung der einzelnen Befunde erfolgen.
15 Melzer 1980/1981.
18 Blesl/Kalser K. 2005a; Blesl/Kalser K. 2005b, 80 f.
52
3.2 Flachlandsiedlungen
Grabungsfläche Siedlungsbefunde des mittleren Neolithikums – Lengyel-Kultur Siedlungsbefunde der Urnenfelderzeit Siedlungsbefunde anderer Zeitstufen
niert. Der tiefste Brunnen war bis in den anstehenden Schotter unter dem Aulehm eingetieft. Zum Schutz vor dem Einbrechen
Abb. 03_11. Planausschnitt der Fundstelle Rannersdorf mit den im Nordwestbereich freigelegten urnenfelderzeitlichen Hausgrundrissen (Sauer 2006, 49).
der Baugrube hatte man diese mit Brettern und Spaltbohlen ausgekleidet.
53
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Abb. 03_12. Gesamtplan der Siedlung aus Pixendorf (Grafik: Ch. Blesl, H. Kalser, R. Thoma/BDA und Archäologie Service).
Abb. 03_13. Blick auf freigelegten hölzernen Brunnenkasten SE 1771 mit Keramikfragmenten im Inneren (Foto: H. Kalser/BDA und Archäologie Service).
54
3.2 Flachlandsiedlungen
Abb. 03_14. Detailbild auf Eckverbindung in Zapfentechnik von Brunnen SE 1476 (Foto: H. Kalser/BDA und Archäologie Service).
3.2.2 Siedlungskammer Unteres Traisental Der Forschungsstand über urnenfelderzeitliche Siedlungen in
Abb. 03_15. Geologische Darstellung des Unteren Traisentals mit den Fundstellen der Urnenfelderkultur, Stand 2009 (Adametz 2011, Abb. 2).
Österreich könnte besser sein. Einerseits werden Fundstellen selten großflächig untersucht, andererseits ist der Aufarbeitungs- und Publikationsstand der bisher ergrabenen Ansied-
Siedlungsareal19, in dem bisher mehrere Siedlungen der Urnen-
lungen aufgrund finanzieller und personeller Ressourcen ein-
felderzeit gefunden wurden (Abb. 03_15).
geschränkt. Kleinere Bereiche urnenfelderzeitlicher Besiedlung
Von besonderer Bedeutung ist die neben dem Gräberfeld Franz-
werden immer wieder bei laufenden Grabungen in Österreich
hausen-Kokoron gelegene (siehe Kap. 9, Pkt. 9.9.3), durch-
aufgedeckt. Meist handelt es sich hierbei um wenige Gruben und
gehend und dauerhaft bewohnte Siedlung von Franzhausen/
vereinzelte Pfostensetzungen, die jedoch keinen Rückschluss
Wagram an der Traisen.20 Sie bestand von der Urnenfelderzeit
auf Siedlungsgröße oder -struktur zulassen.
bis in die Frühlatènezeit. Bei mehreren Untersuchungen zwi-
Eine fundreiche Ausnahme stellt das Traisental in Niederöster-
schen 1981 und 1992 wurden mehr als 12.000 Befunde aufge-
reich dar, wo durch den Schotterabbau seit den 1970er-Jahren
nommen. Statt eines locker belegten Dorfs präsentierte sich hier
großflächige archäologische Untersuchungen möglich waren. Das zwischen St. Pölten und Krems gelegene Gebiet an der Traisen war durch alle Zeiten ein immer wieder genutztes
19 Zuletzt Blesl 2012. 20 Zuletzt Neugebauer/Blesl 1998, 412.
55
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Abb. 03_16. Blick auf eine Grabungsfläche der Siedlung von Gemeinlebarn aus dem Jahr 2008 (Foto: H. Kalser/BDA und Archäologie Service).
Abb. 03_17. Luftbild der Grabung von Pottenbrunn aus dem Jahr 2002. Im rechten obe ren Bereich der freigelegten Fläche sind drei- und vierschiffige Hausgrund risse von maximal 14,5 m × 9 m erkennbar (Foto: E. Wallner/Stadtmuseum St. Pölten).
eine Siedlung, deren Häuser planmäßig und rechtwinklig an ver-
drei- und vierschiffige Hausgrundrisse von maximal 14,5 m × 9 m
mutlichen Wegläufen ausgerichtet waren. Man konnte zum Teil
(Abb. 03_17).24 Ob die Häuser beider Grabungskampagnen zu
groß dimensionierte Wohnhäuser, etliche Wirtschaftsbauten,
einer gemeinsamen Ansiedlung gehört haben, ist wegen der
kellerartige Eintiefungen, diverse Abfall- und Vorratsgruben so-
räumlichen Entfernung ungesichert.
wie Herdstellen und Backöfen dokumentieren.
Eine weitere im Traisental situierte Siedlung wurde in Unter-
Eine ausgedehnte zweiphasige Siedlung der älteren Urnenfelder-
radlberg entdeckt. Sie stellt eines der wenigen Areale dar, die
kultur ist aus Gemeinlebarn bekannt, wo dank reger Bautätig-
vollständig aufgearbeitet sind.25 Ein 20.800 m² großer Bereich
keit seit den 1970er-Jahren Parzelle für Parzelle archäologisch
wurde in den Jahren 1996 und 1997 vor großflächigen Baumaß-
untersucht und bislang eine Fläche von mehr als einem Hektar
nahmen im Industriegebiet St. Pölten-Nord archäologisch unter-
mit knapp 7.000 Befunden ergraben werden konnte. Die Wohn-
sucht. Dokumentiert wurden 1.934 Befunde einer zweiphasigen
21
häuser hatten eine Länge von bis zu 18–19 m und eine Breite
urnenfelderzeitlichen Ansiedlung (Abb. 03_18). Neben 1.793
von bis zu 7 m (Abb. 03_16). Die Orientierung reichte von West-
Pfostengruben gab es eine eher geringe Anzahl Gruben (44)
Ost zu Nordwest-Südost bzw. Nordost-Südwest. Umgeben waren
und Gräbchen (12). Die Pfostengruben ließen sich zu insgesamt
die Gebäude von Gruben mit rundem bis rechteckigem Grundriss
mindestens 52 Hausgrundrissen zusammenfügen, die teilweise
und verkehrt trichterförmigem Querschnitt, die vermutlich der
nahezu komplett erhalten waren. Die ältere Besiedlungsphase ist
Vorratshaltung dienten.
mit großer Befunddichte durch verschieden große Pfostenbau-
Aus Pottenbrunn ist ebenfalls eine allgemein in die Urnenfelder-
ten vertreten und in die Stufen Bz D–Ha A1 zu stellen. Ein zweiter
zeit datierende Siedlung mit mehreren Häusern belegt.22 Bereits
Besiedlungsschwerpunkt umfasste zwei bis drei Gehöftgruppen
1993 war ein west-ost-orientiertes, dreischiffiges Gebäude aus
und ist in die Stufe Ha B2–3 zu datieren. Einen Befund der jün-
vier 8 m langen Pfostenreihen mit je vier Pfostengruben entdeckt
geren Besiedlungsphase kann man als Grubenhaus deuten. Drei
worden.23 Die beiden mittigen Reihen hielten einen Abstand von
Häuser der jüngeren Besiedlungsphase wiesen halbrunde, zaun-
3 m zueinander und jeweils nochmals 1,50 m zu den äußeren
artige Abschlüsse auf. Zusätzlich deuten am gesamten Areal
Pfostenreihen. Das ergab eine Breite von 7 und eine Länge von
lineare Strukturen aus Pfostengruben und Gräbchen auf Umzäu-
8 m. Begleitend zum Großbauprojekt der Hochleistungsbahn-
nungen hin, die man nicht zweifelsfrei der Siedlung zuordnen
strecke Wien–St. Pölten untersuchte man im Jahr 2002 weitere
kann. Ein südwestlich gelegener Brunnen ist höchstwahrscheinlich ebenfalls zur jüngeren Besiedlungsphase zu zählen.
21 Zuletzt Neugebauer/Blesl/Einwögerer et al. 1999, 484–485. 22 Zuletzt Neugebauer/Blesl/Gattringer et al. 2001, 201.
24 Blesl 2002.
23 Neugebauer/Blesl/Gattringer et al. 1993, 449.
25 Adametz 2011.
56
3.2 Flachlandsiedlungen
1
Abb. 03_18. 1. Gesamtplan von Unterradlberg mit Ergänzungen durch die Grabungsflächen der Jahre 2014 und 2015 im Norden – 2. Plan mit rekonstruierten Hausgrundrissen (Adametz 2015 und Adametz 2009, Abb. 4).
2
57
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Der Fortbestand beider Siedlungsphasen über einen längeren Zeitraum wird durch verstärkte oder verdoppelte Pfostengruben an mehreren Gebäuden bestätigt, die Ausbesserungsarbeiten
3.3 Höhensiedlungen
oder Umbauten an Häusern belegen.26 Der weitaus größte Fundanteil stammte aus den Abfallgruben
Wichtige und im Text erwähnte Höhensiedlungen:
der Stufe Ha B2–3. Das kennzeichnende Inventar einer urnenfelderzeitlichen Siedlung wird durch das reiche Spektrum an
• Altenburg/Am Stein (VB Hainburg)
Keramikfunden, Tierknochen (siehe Kap. 6, Pkt. 6.6.1) und
• Grafenberg/Vitusberg (VB Horn)
Hüttenlehm sowie durch wenige Bronze-, Stein-, Knochen- und
• Gutenstein/Am Gelände (VB Wiener Neustadt)
Geweihfunde repräsentiert. Die Keramik zeigt neben Formen
• Heitzing/Türkenschanze (VB St. Pölten Land)
der in unserem Raum heimischen Podoler Kultur auch Einflüsse
• Limberg/Heidenstatt (VB Hollabrunn)
der benachbarten Lausitzer, Knovizer und Nynicer Kultur sowie
• Limberg/Kirchenberg (VB Hollabrunn)
der deutschen Kelheimstufen. Für ein Rasiermesser sind italie-
• Maissau (VB Hollabrunn)
nische Vorbilder denkbar. Dies belegt einerseits einen Material-,
• Thunau am Kamp (VB Gars am Kamp)
Produkt- und Ideen-/Kulturaustausch über größere Entfernungen
• Oberleis (VB Ernstbrunn)
hinweg; andererseits lässt es auf Transportmittel sowie weiträu-
• Pitten/Schlossberg (VB Neunkirchen)
mige Wegenetze schließen. Spuren des haushandwerklichen
• Schiltern (VB Langenlois)
Alltags sind Reibplattenfragmente, Sieb- und Vorratsgefäße so-
• Stillfried an der March (VB Gänserndorf)
wie Spinnwirtel. Reste von Tierknochen zeigen die Palette der
• Sopron/Ungarn
gehaltenen Haustiere sowie der erlegten Wildtierarten. All diese
• Velem, Szent Vid/Ungarn
Funde und Befunde gewähren vielfältige, wenn auch unvollstän-
• Wien 1190/Leopoldsberg
dige Einblicke in das Leben einer spätbronzezeitlichen Siedlung. Sogar eine Bestattung innerhalb der Siedlung sowie verstreute,
Während der mittleren bis späten Urnenfelderzeit (Ha A2–Ha B3)
menschliche Einzelknochen unterschiedlicher Individuen wur-
kam es zu einem Bevölkerungsanstieg. Die Siedlungsbereiche
den nachgewiesen (siehe Kap. 10, Abb. 10_16).
wuchsen und an günstig gelegenen Stellen entstanden – oftmals
Die Siedlungsgrenzen konnten im Süden und Westen des Gra-
20–30 ha große – befestigte Höhensiedlungen.
bungsareals erschlossen werden. Im Osten wird eine weitere
Diese Höhensiedlungen entwickelten sich an verkehrsgeogra-
Untersuchung durch die bestehende Gleisanlage der ÖBB-
fischen Reizpunkten. Sie wurden in möglichst gut natürlich ge-
Strecke St. Pölten–Traismauer langfristig unmöglich gemacht.
schützten Lagen angelegt. Bergsporne und Bergrücken von
Die Siedlungsgrenze im Norden wurde in einer letzten Grabungs-
Einzelbergen in der Ebene (sog. Inselberge) und niedrige Ge-
kampagne im Juni/Juli 2015 erfasst.27
ländesporne boten einerseits gute Sicht ins Umland und waren andererseits schwieriger für Feinde zu erreichen. Charakteristisch ist, dass die Absicherung der ungeschützten Bereiche, also der nicht bereits natürlich unzugänglichen Seiten, durch ein Wall-Graben-System erfolgte. Diese Befestigungen waren keine Burgen im mittelalterlichen Sinn, wo die Oberschicht und ihr Gefolge lebten, sondern überwiegend große, selbstversorgende Ansiedlungen. In den besagten Anlagen kam es zu einer höheren Bevölkerungsdichte, die ggf. auch bedarfsorientiert und temporär schwankte. Wenn man Bevölkerungswachstum, Ressourcen und Schutzbedürfnis berücksichtigt, lässt sich für diese Orte eine zentrale Funktion im Siedlungsbild der Urnenfelderkultur annehmen.28 Nach wie vor hatte die Verarbeitung von Bronze eine besondere Bedeutung. Der Nachweis von Bronzehandwerk (Gussformen, Gusskuchen und Halbfabrikate) einerseits und Fernkontakte
26 Vgl. Říhovský 1982, 10. 27 Adametz 2015.
58
28 Zu den Begriffen „zentraler Ort“ und „Urbanisierung“ vgl. Schuppert 2013, 23–33.
3.3 Höhensiedlungen
(Luxusgüter wie z. B. Bernstein, Bronzetassen) andererseits
Eine in jüngerer Zeit dokumentierte urnenfelderzeitliche Anlage
unterstreichen die Bedeutung dieser Anlagen zusätzlich.
ist die sog. Türkenschanze bei Heitzing im Dunkelsteinerwald,
Die Erforschung einzelner urnenfelderzeitlicher Höhensiedlun-
eine ursprünglich als spätmittelalterliche Fluchtburg bezeichne-
gen hat in Niederösterreich eine lange Tradition und reicht für
te Befestigungsanlage. Das Siedlungsplateau weist einen Durch-
manche Fundorte bis in die Mitte des 19. Jh.s zurück. Oberflä-
messer von ca. 800 m auf und wird rundum von einem niedrigen
chenaufsammlungen und Zufallsfunde, aber leider auch Raub-
Wall umlaufen. Im Mai 2006 stellte man bei der Neuvermessung
grabungen haben viele Höhensiedlungen in den Fokus öffentli-
des bereits in den 1980er-Jahren durch das Bundesdenkmalamt
chen und wissenschaftlichen Interesses gerückt. Systematische
aufgenommenen Walls in der Flur Föhrenleiten Schäden durch
Ausgrabungen wurden allerdings nur in wenigen Anlagen durch-
schweres Forstgerät fest. In diesem Bereich wurde ein Dokumen-
geführt. Diese oft mehrjährigen Grabungen mit zahlreichen do-
tationsschnitt (Breite 4,8 m, Länge 11 m) angelegt, der neben
kumentierten Funden und Befunden gewähren fundierte Ein-
einem neuzeitlichen Hohlweg und Schichten mit römischen (?)
blicke in Struktur und Entwicklung der Anlagen sowie den
und mittelalterlichen Streufunden auch den prähistorischen
Lebensalltag der Menschen. In diesem Zusammenhang sind v. a.
Wall selbst erfasste. Dieser besteht aus einer Erdschüttung mit
die Höhensiedlungen Stillfried an der March, Oberleiserberg
Substruktion und weist Reste einer Außenmauer aus Bruch-
und Thunau am Kamp zu nennen, deren Aufarbeitungen zudem
steinen auf. Aus dem Wallkörper stammen ein fragmentierter
eine Deutung als befestigte Zentralorte von überregionaler
(mittel-)urnenfelderzeitlicher Doppelkonus mit gerundetem
Bedeutung erlauben.
Bauchumbruch und Teile eines Topfes, welche die bereits an-
Neben diesen nachgewiesenen großen Zentralorten gab es lage-
hand zahlreicher Streufunde vermutete Entstehung des Walls in
mäßig und baulich vergleichbare, wenn auch deutlich kleinere
der Urnenfelderzeit belegen.33
Anlagen. Welchen Stellenwert und Zweck sie im Gesamtgefüge
Aus der Kupferbergbauregion im südöstlichen Niederösterreich
der urnenfelderzeitlichen Siedlungen einnahmen, ist derzeit
sind mehrere prähistorische Höhensiedlungen bekannt. Die
noch ungeklärt.29
Höhensiedlung Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg, der
Beispielsweise sind am Ostrand des Waldviertels, neben dem
Schlossberg bei Pitten und der Kienberg haben eine gesicher-
Zentralort Thunau am Kamp der Burgstall bei Schiltern und die
te urnenfelderzeitliche Zeitstellung. Weitere mögliche urnen-
Heidenstatt bei Limberg zu nennen, deren geringe Größe und ab-
felderzeitliche Anlagen befinden sich im Bereich des Flusstals
gelegene Tallage für eine lokale Bedeutung sprechen. Dass das
der Schwarza (siehe Kap. 7, Pkt. 7.2.1). Jenseits der heutigen
Netz von Höhensiedlungen ursprünglich recht dicht gewesen
Staatsgrenze zu Ungarn liegen die bedeutendsten Zentren auf
sein muss, zeigen etliche weitere Fundstellen in der Region wie
dem Burgstall von Sopron34 sowie in Velem, Szent Vid35.
der Kirchenberg bei Limberg und der Vitusberg bei Grafenberg. Diese Siedlungen liefern bislang Streufunde, aber keine dokumentierten Befunde aus der Urnenfelderkultur. Zwei Abschnittsbefestigungen in der Nähe von Maissau lassen Wälle und Gräben erkennen. Spärliche Funde und fehlende wissenschaftliche
3.3.1 Höhensiedlung Thunau am Kamp
Ausgrabungen erlauben auch hier nur unter Vorbehalt eine
Die Anlage von Thunau wurde bereits im 19. Jh. durch Johann
Zeitstellung in die Urnenfelderkultur.30 Die mit diesen Anlagen
Krahuletz, den Gründer des gleichnamigen Museums in Eggen-
verbundenen, bislang kaum fassbaren Wirtschafts- und Herr-
burg, entdeckt.36 Doch erst nach Abholzung des Hochwalds
schaftsstrukturen innerhalb der urnenfelderzeitlichen Gesell-
im Bereich der vermuteten Siedlung begannen systematische
schaft sind eine offene Forschungsfrage. Untersuchungen zu den
Untersuchungen. Die Forschungsgrabung des Instituts für Ur-
Einzugsgebieten der Höhensiedlungen im Zusammenhang mit
und Frühgeschichte der Universität Wien wurde unter der Lei-
den topografischen Gegebenheiten sind noch durchzuführen.
tung von Herwig Friesinger 1965 begonnen, von Erik Szameit ab
Südlich der Donau lag eine heute weitgehend zerstörte urnen-
1993 fort-geführt und 2003 zu einem vorläufigen Abschluss
felderzeitliche Höhensiedlung Am Stein in Deutsch-Altenburg.31
gebracht.
Auch auf dem Leopoldsberg bei Wien setzte die Besiedlung in
Das Ausgrabungsgelände liegt auf einem west-ost-verlaufen-
der jüngeren Urnenfelderzeit ein.32
den Höhenrücken (Schanzberg) in ca. 437 müA. Die Flur ist durch
29 Siehe dazu Heske 2010; Ostermeier 2012 für Bayern.
33 Blesl/Kalser H. 2006, 21.
30 Lochner 1991, 336.
34 Patek 1982.
31 Neugebauer-Maresch 1980.
35 Miske 1908; zuletzt Czajlik/Molnár/Sólymos 1995.
32 Kerchler 1962; Urban 1999.
36 Zuletzt Lochner/Kern 2016; Lochner 2018.
59
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Abb. 03_20. Das Gelände der Höhensiedlung von Thunau am Kamp mit urnenfelder zeitlicher Siedlungsfläche und Abschnittswall (Grafik: M. Lochner, Daten grundlage: Land NÖ/Laserscannings, Bearbeitung: M. Doneus).
spätmittelalterliche und frühneuzeitliche landwirtschaftliche Tätigkeit terrassenartig gegliedert und wurde in jüngerer Zeit teilweise wieder aufgeforstet. Der Steilabfall zum Kamp im Osten beträgt ca. 140 m und bietet einen hervorragenden Ausblick in das Kamptal sowie das anschließende Horner Becken. Für die jüngere Urnenfelderkultur (Abb. 03_19) und das Frühmittelalter (8.–11. Jh. n. Chr.) kann man hier eine großflächige und dichte Besiedlung nachweisen. Für die chronologisch dazwischenliegenden Perioden der entwickelten Hallstattzeit, der Spätlatènezeit sowie der Spätantike und der VölkerwanderungsAbb. 03_19. Summenkalibration von acht Proben der urnenfelderzeitlichen Anlage von Thunau am Kamp. Auf dem 1-σ-Niveau ergibt sich ein Datierungsintervall von 930–800 v. Chr., auf dem 2-σ-Niveau ein Datierungsintervall von 1050–790 v. Chr. (mit freundlicher Genehmigung von P. Stadler).
zeit sind aufgrund der Grabungsergebnisse nur wesentlich kleinere Siedlungsareale anzunehmen. Der westliche Teil des Höhenrückens, die sog. Schanze, zeigt heute noch einen mächtigen slawischen Wall mit zwei Toranlagen. An die Schanze schließt gegen Osten, nur über eine schmale Geländerippe zugänglich, die sogenannte Holzwiese an. Hier
60
3.3 Höhensiedlungen
Abb. 03_21. Thunau am Kamp, Schnitt 89, Profil und Planum des urnenfelderzeitlichen Walls (Foto IUHA).
gereihten Kästen aus Rundhölzern in Blocklage, die mit Erde aufgefüllt und überdeckt wurden (Abb. 03_21). Ein der urnenfelderzeitlichen Anlage entsprechendes großes Gräberfeld ist bislang im Umfeld der Höhensiedlung archäolo-
war in der jüngeren und späten Urnenfelderzeit der eigentli-
gisch nicht fassbar. Etwa 250 m westlich der Siedlung war ein
che Siedlungsbereich (Abb. 03_20). Dieser Geländeteil ist nach
kleiner Friedhof angelegt, der großteils beim Bau des slawischen
Osten durch den Steilabfall zum Kamp und nach Süden durch
Walls zerstört wurde. Erhalten haben sich drei einfach ausgestat-
ein tief eingeschnittenes Seitental natürlich geschützt. Gegen
tete Brandgräber. Ein weiterer Bestattungsplatz befand sich am
Westen wurde zur sich fortsetzenden Hochfläche ein teilweise
Ausgang des nördlichen Seitentales zum Kamp. 1983 wurde hier
noch heute erkennbarer Abschnittswall errichtet.
anlässlich von Kanalbauarbeiten neben etlichen frühmittelalter-
Bogenförmig im Süden an einem Steilhang beginnend, riegelt
lichen Körpergräbern ein einzelnes urnenfelderzeitliches Brand-
dieses Annäherungshindernis das Gelände zwischen Schanze
grab geborgen. Ein in jüngerer Zeit durch eine
und Holzwiese ab. Der Wall hat hier eine Basisbreite von fast
abgesicherter urnenfelderzeitlicher Befund aus dem zentralen
20 m und eine heute noch erhaltene Höhe von über 3 m. Er ist
Bereich der Höhensiedlung wirft möglicherweise neues Licht auf
in seinem nördlichen Verlauf noch fast bis ins Tal zu verfolgen.
die Bestattungsproblematik. Er zeigt eine von der Norm abwei-
Eine Toranlage bot Durchlass im westlichsten Teil des Walls, am
chende Sonderbehandlung von Verstorbenen: Auf dem Boden
14
C-Datierung
Übergang zu jener Geländerippe, die die Anlage mit der Hoch-
einer runden Eintiefung, die ursprünglich als Arbeitsplattform
fläche verbindet. Ein weiterer, ca. 2,5 m breiter Einschnitt mit er-
gedient haben könnte, waren die Skelette einer Frau und eines
kennbarer Wegtrasse konnte am südlichen Ende der Befestigung
Mannes, jeweils 40 bis 60 Jahre, sowie die eines Kindes, 8 bis
festgestellt werden. Der Wall-Unterbau bestand aus aneinander
9 Jahre, deponiert worden (siehe Kap. 10, Abb. 10_15). 61
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Abb. 03_22. Thunau am Kamp, Auswahl von Gefäßkeramik (Foto: N. Sautner/IUHA).
stättenbereiche nachgewiesen werden. Am Südwestwall waren die Wohnanlagen direkt an den Wallkörper angebaut. Sie verfügten über teilweise tief in den Felsen eingeschlagene Keller. Mög-
Stratigrafisch können zwei Siedlungsabschnitte unterschieden
licherweise ist auch ein durch Pfostengruben rekonstruierbares,
werden: Die ältere Phase ging vom Bereich der oberen Holzwiese
großes hallenartiges Gebäude im Bereich der oberen Holzwiese
aus und nahm vermutlich verhältnismäßig rasch das gesamte
der Urnenfelderkultur zuzurechnen.
Terrain der Holzwiese ein. Während der jüngeren Phase wurden
Die Häuser waren in Ständerbauweise mit lehmverschmierten
die Siedlungsbauten planiert, um Platz bzw. ein Fundament für
Flechtwerkwänden, viele auch in Blockbauweise, errichtet. Stan-
den Wallbau zu schaffen. Jetzt wurde auch der Nordhang, der re-
dardmäßig kann man von einem rechteckigen Hausgrundriss
lativ steil zu einem Seitengraben des Kamptals abfällt, terras-
von 4–5 m × ca. 7–8 m ausgehen.
siert und besiedelt. In diesem Areal ist ein Quellhorizont (Bruch-
Es fanden sich zahlreiche Reste von Feuerstellen, Backöfen, Un-
kante mit Quellaustritt) nachgewiesen, ein weiterer Quellbereich
terlagsplatten und Reibsteine (Läufer) zum Mahlen von Getreide
befindet sich etwa 250 m südwestlich der Holzwiese.
sowie Webstuhlreste, Gussformen, Schmuck und Werkzeug aus
Über das Ende der urnenfelderzeitlichen Siedlungstätigkeit am
Bronze und Knochen. Ein reichhaltiges Spektrum keramischer
Ort wissen wir nur, dass die Anlage um 800/750 v. Chr. aufgege-
Haushaltsgefäße ist ebenfalls belegt (Abb. 03_22). Manchmal
ben wurde. Der Grund könnte ein Schadfeuer gewesen sein, al-
machen die noch in Originallage angetroffenen Inventarreste die
lerdings ist großflächige Zerstörung durch Brand nicht nachweis-
Ausstattung der spätbronzezeitlichen Haushalte fassbar (siehe
bar; Hungersnöte, Epidemien und Ähnliches kommen natürlich
Kap. 4, Pkt. 4.1 und 4.2). Regionale Sonderformen sind Keramik-
auch in Frage. Die großflächigen Grabungen haben gezeigt, dass
fässchen (siehe Kap. 4, Pkt. 4.2.2), sowie schiffchenförmige Ob-
große Teile der ca. 25 ha großen Anlage dicht besiedelt waren.
jekte, sog. Keramiklämpchen, deren Funktion bislang noch nicht
Die geringe Mächtigkeit der Kulturschicht und Eingriffe durch
eindeutig geklärt ist (Abb. 03_23).37
die frühmittelalterliche Besiedlung reduzieren allerdings aussagekräftige Befunde zu Innenstruktur und Verbauungsmuster der urnenfelderzeitlichen Siedlung. Dennoch können einzelne Wohnhäuser, Speicher und Wirtschaftsbauten bzw. Hauswerk62
37 Insgesamt sind aus der Höhensiedlung 13 Stücke bzw. Bruchstücke erhalten: Lochner 1991, 256, 258, 340. Kern D. 2001, 32, Taf. 7/4; 118/3; 56/10; 38/17 außen mit flächiger Riefenzier; Wewerka 2001, Taf. 272/8, 2; Lochner 2018, Abb. 7.
3.3 Höhensiedlungen
Abb. 03_24. Thunau am Kamp, Schnitt 305, Befund des Schmuckdepots (Foto: IUHA).
in dieser Zeitperiode üblich, in Thunau überwiegen. Man jagte auch Wildtiere wie Reh und Hirsch.38 Ziemlich umfangreiche Ansammlungen von verkohlten Pflanzenresten gewähren weitere Einblicke in die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner. Es handelt sich vorwiegend um Gerste, aber auch Reste von Weizen, Emmer, Einkorn, Rispenhirse und Linse kommen vor. Von besonderer Bedeutung sind Samen von Leindotter, die möglicherweise als Ölfrucht genutzt wurden (siehe Kap. 5, Punkt 5.4.2).39 Das in einzelnen Fundverbänden Abb. 03_23. Thunau am Kamp, sogenannte Keramiklämpchen (Länge ca. 10 cm) (Foto G. Gattinger/IUHA).
vorliegende, konzentrierte gemeinsame Auftreten von Linse und Gerste in Vorratsgefäßen ermöglicht außerdem Aussagen zu Anbau und Weiterverarbeitung innerhalb der Siedlung. So wurde Linse häufig in Mischkultur mit Getreide – insbesondere Gerste – gepflanzt. Dieser Mischanbau schafft Stützen für die Linsenran-
Die Ökonomie der Siedlung war agrarisch orientiert, von Vieh-
ken, verbessert die Stickstoffbilanz des Ackerbodens und ergibt
zucht und Ackerbau bestimmt. Durch Knochenfunde sind die Haustierarten Rind, Schwein, Schaf/Ziege, Pferd und Hund nachgewiesen, wobei die Reste von Rind und Schwein, wie auch sonst
38 Kanelutti 1993. 39 Popovtschak/Zwiauer 2003, 100, 150–15 und Abb. 164.
63
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
bei gemeinsamer Ernte und Weiterverarbeitung eine ernährungsphysiologisch und backtechnisch vorteilhafte Kombination.40
Abb. 03_25. Luftbild der Höhensiedlung von Thunau am Kamp aus den 1960er-Jahren: 1. Obere Holzwiese – 2. Untere Holzwiese – 3. Nordhang (IUHA Luftbildarchiv; Grafik: M. Lochner).
Der einzige urzeitliche Depotfund aus der Siedlung von Thunau stammt aus der Endphase der urnenfelderzeitlichen Siedlung.41 Zu diskutieren wäre, ob es sich möglicherweise bereits um eine
einerseits die Abschnittsbefestigung und andererseits die topo-
Objektgruppe aus der Hallstattkultur handelt.42 Man fand ein
grafische Situation mit Akropolis (Obere Holzwiese), Oberstadt
neuwertiges, offensichtlich noch unbenutztes Frauenschmuck-
(Untere Holzwiese) und besiedeltem Nordhang (Abb. 03_25).
Ensemble, bestehend aus je vier Radanhängern und verzierten
Allerdings sind weder regelhafte Bebauungen noch spezielle
Bronzeblechröllchen, Bernsteinperlen sowie zahlreichen Ringen,
Handwerksviertel und auch keine Kultanlagen, wie man sie für
das fest verschnürt in einem Holzkästchen in der Erde vergraben
die antike Stadt definiert, fassbar. Die Einwohner lebten über-
wurde (Abb. 03_24).
wiegend von der Landwirtschaft. Sie hielten ihr Vieh innerhalb
Der Gesamtbefund der Siedlung von Thunau wirft die Frage auf,
der Anlage und bewirtschafteten ihre Felder im Umkreis der
ob es sich hier um die Vorform einer Stadt handelt. Das antike
Siedlung. Wiewohl Fundmaterial und Befunde bislang keine
Stadtkonzept ist allerdings nur in Ansätzen erkennbar. Für den
soziale Staffelung erkennen lassen, kann man bei einer so gro-
Vergleich mit einer klassischen Stadtanlage der Antike sprechen
ßen befestigten Siedlung von einer zentralörtlichen Bedeutung
43
40 Kohler-Schneider 2001, 136 f. 41 Lochner 1998/99; vgl. auch Turk 2001, 256 und Fig. 3. 42 Zwei nahezu idente Radanhänger stammen aus einem reichen Frauengrab der Horákov-Kultur aus der Nekropole von Modřice, Bez. Brno-venkov (Grab H818, Dat. 2. Hälfte 7. bis 1. Hälfte 6. Jh. v. Chr.); dazu Cižmař/Geislerova 2006, 52. 43 Jockenhövel 1990, 220; Hänsel 2005, 188 f.; Beilke-Voigt 2010, 43.
64
mit strategischen, administrativen und wirtschaftlichen Funktionen ausgehen. Die Errichtung, Erhaltung und Nutzung einer solchen Anlage setzt entsprechende, komplexe Gemeinschaftsstrukturen voraus.
3.3 Höhensiedlungen
Literatur zur urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung Thunau am Kamp (Auswahl) Friesinger/Friesinger 1991: H. Friesinger/I. Friesinger, Ein Vierteljahr hundert Grabungen in Thunau/Gars am Kamp, AÖ 2/1, 1991, 6–22. Kanelutti 1993: E. Kanelutti, Archäozoologische Untersuchungen am Schanzberg von Gars/Thunau. In: Bioarchäologie und Frühgeschichtsforschung, ArchA Monographien 2, 1993, 169–184. Kern D. 2001: D. Kern, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensied lung (Grabung 1965–1990). Urnenfelderzeitliche Siedlungs funde der unteren Holzwiese, MPK 41 (Wien 2001). Lochner 1989/99: M. Lochner, Ein Schmuckdepot der Urnenfelder zeit aus Thunau am Kamp, Niederösterreich, ArchA 82/83, 1998/99, 181–186. Lochner 2004: M. Lochner, Gussformen für Ringe aus urnenfelder zeitlichen Fundstellen Niederösterreichs, ArchA 88, 2004, 103–120. Lochner 2012: M. Lochner, Thunau am Kamp – eine befestigte Höhensiedlung der Urnenfelderkultur und der außergewöhnliche Fund eines Tonfässchens. In: W. Blajer (Red.), Peregrinationes Archaeologicae in Asia et Europa Joanni Chochorowski Dedica tae, Instytut Archeologii Uniwersytetu Jagiellonskiego, Wydawnictwo Profil-Archeo (Kraków 2012), 193–203. Lochner 2013: M. Lochner, Zur Ausstattung von Hanghaus 01 der urnenfelderzeitlichen befestigten Höhensiedlung von Thunau am Kamp, Niederösterreich. In: Z Badań nad Kulturą społec zenstw Pradziejowych i Wczesnośredniowiecznych, Księga Jubileuszowa Dedykowana Profesorowi Bogusławowi Gedid ze, Institute of Archaeology and Ethnology Polish Academy of Sciences (Wrocław 2013), 307–319. Lochner 2017: M. Lochner, Thunau am Kamp – eine befestigte Höhensiedlung der Urnenfelderkultur. Grundlagen und aktuelle Forschungsergebnisse. In: Proceedings of the Internation al Conference in Zagreb „The Late Urnfield Culture between the Eastern Alps and the Danube“, November 7th–8th, 2013, Zbornik Instiuta za Arheologiju Volume 9 (Zagreb 2017), 7–24. Lochner 2018: M. Lochner, Thunau am Kamp – eine befestigte Höhen siedlung der Urnenfelderkultur. In: E. Nowotny/M. Obenaus/ S. Uzunoglu-Obenaus (Hrsg.), 50 Jahre Archäologie in Thunau am Kamp, Festschrift für Herwig Friesinger, Archäologische Forschungen in Niederösterreich neue Folge 5 (Krems 2018), 25–42. Lochner/Kern D. 2016: M. Lochner/D. Kern, Josef Höbarths „Feld fruchthütte“. Zur Aussagekraft von Altfunden am Beispiel der urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung Thunau am Kamp, Niederösterreich, ArchA 100, 2016, 151–188. Obenaus 2015: M. Obenaus, Die frühmittelalterliche Talsiedlung von Thunau am Kamp, AÖ 26/1, 2015, 9–21. Schierer 1987: I. Schierer, Ein Webstuhlbefund aus Gars-Thunau, Niederösterreich. Rekonstruktionsversuch und Funktionsanalyse, ArchA 71, 1987, 29–87.
Stadler/Draxler/Friesinger et al. 1998/99: P. Stadler/S. Draxler/ H. Friesinger/W. Kutschera/A. Priller/W. Rom/P. Steiner/ E. Wild, Die Absolutdatierung der urnenfelderzeitlichen und frühmittelalterlichen Wallanlage von Thunau am Kamp, MG Gars am Kamp, Niederösterreich mit Hilfe von 14C-Daten, ArchA 82/83, 1998/1999, 39–45. Popovtschak/Zwiauer 2003: M. Popovtschak/K. Zwiauer, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung. Archäobotanische Untersuchungen urnenfelderzeitlicher und frühmittelalterlicher Befunde. Bestandsaufnahme der Grabungskampagnen bis einschließlich 1995, MPK 52 (Wien 2003). Wewerka 2001: B. Wewerka, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung (Grabung 1965–1990). Urnenfelderzeitliche Siedlungsfunde der oberen Holzwiese, MPK 38 (Wien 2001).
3.3.2 Burgstall von Schiltern Ebenfalls am Ostrand des Waldviertels, etwa 30 km südlich von Thunau, liegt der Burgstall von Schiltern. Das 425 m hohe Plateau fällt sowohl im Westen als auch im Süden und Osten steil ab. Die Anlage ist nur von der relativ flach ansteigenden Nordseite aus zugänglich. Erste archäologische Untersuchungen fanden bereits in der ersten Hälfte des 20. Jh.s statt (Abb. 03_26). Zuletzt wurde eine Grabung im Jahr 1979 von Gerhard Trnka durchgeführt.44 Die ältesten Siedlungsspuren reichen bis ins mittlere Neolithikum zurück. Intensive Siedlungstätigkeit ist für die Stufe Bz A2 nachgewiesen, danach setzen die Funde erst wieder in der älteren Urnenfelderkultur ein, wie vor allem ein bereits 1939 aufgefundenes Bronzedepot belegt (siehe Kapitel 4, Abb. 04_14). Der Schwerpunkt der Besiedlung ist in der Übergangsphase Ha B3/C1 anzusetzen. Gegen Ende der Urnenfelderzeit wurde die Nordseite des Bergplateaus durch eine Abschnittsbefestigung gesichert. Dazu wurde ein Wall in Stein-Erde-Technik, mit längs- und querlaufenden Hölzern in den unteren Lagen zur Festigung des Aufschüttungsmaterials, errichtet (Abb. 03_27. Das urzeitliche Tor der Anlage befand sich an der Stelle, wo auch heute noch der Weg auf den Burgstall den Wall im Nordosten durchquert. Auf dem Plateau konnte nur eine dünne Erdschicht mit Scherben aus den verschiedenen Zeitperioden festgestellt werden, Grubenverbände oder Überreste von Bauten waren jedoch nicht vorhanden. Eine ununterbrochene Siedlungstätigkeit während der gesamten Urnenfelderzeit ist ebenso wenig nachgewiesen wie eine gewaltsame Zerstörung. 44 Trnka 1983.
65
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Abb. 03_26. Schiltern, Handzeichnung zur Topographie des Burgstalls von Anton Hrodegh (Hrodegh 1917, Abb. 1).
Abb. 03_27. Schiltern, Grabungsschnitt durch die Wallanlage, Grabung G. Trnka 1979 (Foto: G. Trnka/IUHA).
In den Jahren 1980 bis 1982 fanden Untersuchungen durch das
3.3.3 Heidenstatt bei Limberg
Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien statt. Ihr Hauptaugenmerk galt der die Südostseite der Anlage begrenzenden Geländestufe, die offensichtlich nicht natürlichen Ursprungs ist.45 Ein Schnitt durch diese Geländestufe erbrachte
In einem auch heute noch entlegenen Waldgebiet auf der Hoch-
eine mittelbronzezeitliche Steinreihe (Mauerreste?), die auf ei-
fläche des Manhartsbergs befindet sich ein ebenfalls von drei
ner Holzlage mit verkohltem Getreide errichtet war. Zahlreiche
Seiten durch Steilhänge natürlich geschütztes Plateau. An der
Funde aus der späten Urnenfelderzeit und Keramikreste aus dem
leicht zugänglichen Südostseite ist eine Geländestufe sichtbar.
4.–5. Jh. n. Chr. befanden sich in Streulage. Die heute sichtbare
Das Gebiet der Heidenstatt ist schon im 19. Jh. durch Candid
Geländestufe ergab keinen Hinweis auf eine urzeitliche Befes-
Pontz Reichsritter von Engelshofen (1803 – 1866) bekannt ge-
tigung, sie ist in der Neuzeit durch landwirtschaftliche Tätigkeit
worden. Zahlreiche Funde kamen im Laufe der Zeit durch land-
entstanden. Die Analyse der Grabungsbefunde steht noch aus;
wirtschaftliche Tätigkeit und Raubgrabungen zutage.
zahlreiche Bodenverfärbungen und ein Hausgrundriss aus Pfos-
Die auffällige Häufung von Bronzegegenständen, Gussformen
tengräbchen lassen aber eine intensive späturnenfelderzeitliche
und Halbfabrikaten legt ein ähnlich großes Zentrum Metall verar-
Besiedlung vermuten.
beitender Werkstätten wie etwa in Thunau am Kamp oder auf der Höhensiedlung Velem, Szent Vid (Ungarn), nahe (Abb. 03_28–30). 66
45 Tuzar 1984.
3.3 Höhensiedlungen
Abb. 03_28. Heidenstatt bei Limberg, Auswahl von Bronzeschmucknadeln aus dem Alt bestand des Krahuletz-Museums (Foto: N. Weigl; Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).
Abb. 03_29. Heidenstatt bei Limberg, Bruchstück einer Steingussform für eine Bronzepfeilspitze aus dem Altbestand des KrahuletzMuseums (Foto: P. Ableidinger; Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).
Abb. 03_30. Heidenstatt bei Limberg, Auswahl von Bronzepfeilspitzen aus dem Altbe stand des Krahuletz-Museums (Foto: N. Weigl; Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).
67
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Abb. 03_31. Luftbild vom Oberleiserberg aus dem Jahr 1965, Blick von Süden (IUHA Luftbildarchiv).
3.3.4 Höhensiedlung Oberleiserberg
Aus dem Neolithikum sind hauptsächlich Streufunde bekannt.
Daniela Kern
Möglicherweise datiert ein Graben, den A. Stuppner nachweisen konnte, in das Spätneolithikum. Erstmals großflächig besie-
Der Oberleiserberg liegt landschaftsbeherrschend inmitten des
delt war der Oberleiserberg während der frühbronzezeitlichen
hügeligen Weinviertels westlich von Mistelbach (Abb. 03_31).
46
Aunjetitz-Kultur. Die ursprünglich unbefestigte Siedlung wurde
Er wurde bereits 1872 in der archäologischen Fachliteratur als
im Lauf der Zeit mit einem Graben umgeben, der sich rund um
prähistorische Fundstelle beschrieben. Erste archäologische
das Plateau zog. Außerhalb dieses Grabens errichtete man eine
Grabungen führten Herbert Mitscha-Märheim und Ernst Nischer-
Befestigung; die Kalksteine dafür stammten aus dem Graben.
Falkenhof in den Jahren 1925 bis 1930 und 1933 durch. Sie
Die verwendete Erde wurde aus dem Innenbereich der Anlage
überzogen das Plateau mit einer großen Anzahl an Suchschnit-
entnommen und war stark mit Keramikbruchstücken und Sied-
ten und publizierten ihre Ergebnisse in rascher Folge. Seit 1976
lungsschutt durchmischt. Die Siedlung wurde gegen Ende der
finden Ausgrabungen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte
Aunjetitz-Kultur bzw. am Beginn der Věteřov-Kultur durch Brand
der Universität Wien statt. Von 1976 bis 1990 standen sie unter
zerstört. Teile der verbrannten Konstruktion stürzten in den
der Leitung von Herwig Friesinger. 1996 begann Alois Stuppner
Graben. Die Siedlung selbst dürfte kurz nach dieser Brandkatas-
die Grabungen fortzuführen. Bei all diesen Untersuchungen
trophe aufgegeben worden sein.
standen frühgeschichtliche Forschungsfragen im Vordergrund.
Eine neuerliche Besiedlung des Oberleiserberges erfolgte in der
Es wurden aber auch Funde und Befunde anderer Zeitstellung
älteren Urnenfelderkultur. Diese Siedlung war vermutlich eben-
dokumentiert.
falls befestigt. In den Schnitten der Grabungen der Jahre 1976
47
bis 1990, mit denen die Geländekante untersucht wurde, sind 46 Zuletzt Kern D. 2011. 47 Mitscha-Märheim/Nischer-Falkenhof 1929.
68
nur wenige Überreste dieser Befestigung vorhanden – begründet vor allem in Baumaßnahmen während der Völkerwanderungszeit
3.3 Höhensiedlungen
1
Abb. 03_33. Oberleiserberg, dünnwandige, innenverzierte Schale (Foto: IUHA).
Gründen aufgegeben, möglicherweise deshalb, weil man auf den nahe gelegenen Steinberg umsiedelte. Das urnenfelderzeitliche Typenspektrum der Keramik entspricht 2 Abb. 03_32. Oberleiserberg, Grabung 1989: 1. Herdplatten sowie Reste eines Kuppelofens (oben)– 2. Detailansicht des Kuppelofens (unten) (Foto: IUHA).
weitgehend dem mitteldonauländischen Formenkreis der mittleren und jüngeren Urnenfelderzeit. Bemerkenswert sind feintonige, dünnwandige, innen verzierte Schalen (Abb. 03_33). Der Dekor besteht aus scharfkantigen Rillen und kleinen Halbkreisen, Winkeln oder Rhomben, die diese Rillen begleiten. Motive und Machart entsprechen weitgehend vergleichbaren Schalen aus südmährischen Fundstellen.
und Neuzeit, als der Wall im untersuchten Bereich großteils ab-
Kamm- bzw. handförmige Tonobjekte (Abb. 03_34) sind Sonder-
getragen oder massiv gestört wurde. Die geringen Spuren zei-
formen, die auch von anderen Höhensiedlungen im mittleren
gen, dass er aus einer Holz-Erde-Stein-Konstruktion bestanden
Donauraum, wie z. B. von der Heidenstatt bei Limberg und dem
haben muss, wie sie auch von anderen Fundorten bekannt ist.
Michlberg in Niederösterreich oder Velem, Szent Vid (Ungarn),
Ob dieser Wall ebenfalls durch Brand vernichtet wurde, lässt sich
bekannt sind. Vor allem die handförmigen Gebilde werden gern
nicht mit Sicherheit nachweisen. Nur in den Grabungsschnitten
als Hinweise auf kultische Handlungen angesehen. Die meisten
6 und 17 sind Brandspuren festgestellt worden. Es ist also un-
der Tonobjekte vom Oberleiserberg unterscheiden sich jedoch
geklärt, ob es eine Feuerkatastrophe gab oder ob es nur Spuren
von den übrigen bekannten Stücken durch die deutlich ausge-
eines lokalen Brandereignisses sind. An Siedlungsspuren aus
prägte Kammform mit mehr als fünf Zacken und einem gerunde-
der Urnenfelderzeit blieben Pfostengruben von Ständerbauten,
ten Rücken bzw. Griff. Aufgrund dieser eher funktional wirkenden
eingetiefte Hütten, Siedlungsgruben und Herd- bzw. Ofenplatten
Ausformung der Oberleiser Objekte ist eine profane Nutzung in
(Abb. 03_32) erhalten.
Erwägung zu ziehen. Ein generell kultischer Ansatz ist für Mond-
Keramikbruchstücke, Webgewichte und Spinnwirtel, Steingeräte
idole bzw. Feuerböcke anzunehmen, von denen ebenfalls Bruch-
wie Reibplatten und Gussformen, Schmuckstücke und Geräte
stücke gefunden wurden (siehe Kapitel 11, Pkt.11.3.6).
aus Bronze belegen ein reges handwerkliches und wirtschafts-
Bronzehandwerk ist durch Gussabfälle und Gussformen nach-
politisches Leben mit weitreichenden Kontakten. Die Anlage
gewiesen. Die vorhandenen Gussformen für Nadeln und Ringe
wurde im Laufe der jüngeren Urnenfelderzeit aus unbekannten
sind aus Stein oder Ton gefertigt (siehe Kap. 4, Abb. 04_18). Von 69
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
den Bronzeobjekten selbst haben sich vor allem Gewandnadeln – hauptsächlich Vasenkopfnadeln sowie Spindel- und Rippenkopfnadeln – erhalten, Geräte liegen als Bruchstücke von Nähnadeln, Pfriemen, Meißeln und Messern vor. Von den Artefakten aus Bein ist die Griffschale eines Messers erwähnenswert, die aus einem urnenfelderzeitlichen Fundzusammenhang stammt (Abb. 03_35). Die vorliegendeForm ist ungewöhnlich und direkt vergleichbare Stücke sind derzeit nicht bekannt. Die Tierknochenanalysen aus datierbaren Grubenverbänden belegen, dass in der Urnenfelderzeit die Hauptwirtschaftstierarten Rind, Hausschwein und kleine Hauswiederkäuer überwiegen, wobei sowohl Schaf als auch Ziege gesichert und in einem ausgeglichenen Verhältnis nachgewiesen sind. Die Anteile der übrigen Haustierarten wie Hund und Pferd sind gering. Wildtiere spielten als Ressource eine beständige, jedoch keine allzu große Rolle (siehe Kap. 6, Punkt 6.3.3).
Literatur zur urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung Oberleiserberg (Auswahl)
Abb. 03_34. Oberleiserberg, handförmiges Tonobjekt (Foto: IUHA).
Hellerschmid/Kern/Lochner 2010: I. Hellerschmid/D. Kern/M. Lochner, Oberleiserberg – Stillfried – Thunau. Drei Höhensiedlungen der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur im Vergleich. In: B. Gediga/W. Piotrowski (Hrsg.), Rola głównych centrów kultu rowych w kształtowaniu oblicza kulturowego Europy Środko wej we wczesnych okresach epoki żelaza [Rolle der wichtigen Kulturzentren in der Gestaltung des Kulturbildes Mitteleuropas in den frühen Perioden der Eisenzeit], Symposium Biskupin 23.–25.06.2008, Archäologisches Museum in Biskupin, Bisku piner Archäologische Arbeiten Nr. 8, Polnische Akademie der Wissenschaften, Abteilung Wroclaw, Arbeiten der Archäologi schen Kommission Nr. 18 (Biskupin, Wroclaw 2010), 238–297. Kern D. 2011: D. Kern, Ausgewählte Siedlungsbefunde aus der urnen felderzeitlichen Siedlung auf dem Oberleiserberg bei Ernst brunn, VB Korneuburg, NÖ. ArchA 95, 2011, 101–123. Kern D. in Vorbereitung: D. Kern, Der Oberleiserberg bei Ernstbrunn (Grabung 1976–1990). Frühbronzezeit und Urnenfelderzeit, in Vorbereitung. Lochner 2004: M. Lochner, Gussformen für Ringe aus urnenfelder zeitlichen Fundstellen Niederösterreichs, ArchA 88, 2004, 103–120. Mitscha-Märheim/Nischer-Falkenhof 1929: H. Mitscha-Märheim/ E. Nischer-Falkenhof, Der Oberleiserberg – Ein Zentrum vorund frühgeschichtlicher Besiedlung, MPK 2/5 (Wien 1929), 391–438. Stuppner 2006: A. Stuppner, Rund um den Oberleiserberg. Archäolo gische Denkmale der Gemeinden Ernstbrunn und Niederleis (Ernstbrunn 2006).
70
Abb. 03_35. Oberleiserberg, verzierter Beingriff eines Bronzemessers, Außen- und Innenansicht (Foto: IUHA).
3.3 Höhensiedlungen
3.3.5 Höhensiedlung Stillfried an der March Irmtraud Hellerschmid Für die Entstehung der Wehranlage von Stillfried an der March
Abb. 03_36. Die prähistorische Wallanlage von Stillfried von Süden (Foto: Fliegerhorst Langenlebarn, Luftbildkompanie. Freigeben von BMLV mit GZ 13088/104-1.6/98).
Der Raum Stillfried ist auch der Verknüpfungspunkt zweier
und ihre Entwicklung zu einem Zentralort der jüngerurnenfel-
bedeutender natürlicher Verkehrswege, des Donautals in Ost-
derzeitlichen Podoler Kultur ist die Topografie mit der günsti-
West-Richtung und der nord-süd-fließenden March. Letztere
gen verkehrsgeografischen Lage von entscheidender Bedeutung.
ist eine Verkehrsader, die mit der späteren Bernsteinstraße in
Die Wallanlage mit einer Größe von etwa 23 ha ist zentral in ei-
Zusammenhang gebracht wird, eine Handelsroute, die die Ost-
nem ab dem Paläolithikum durchgehend bis in die Gegenwart
see mit der Adria verband. Diese bereits in der Urnenfelder-
begangenen und besiedelten Gebiet situiert (Abb. 03_36). Sie
zeit genutzte Verbindung machte Stillfried zu einem Zentral-
befindet sich auf einer auffälligen Geländestufe, die von Norden
ort mit reger Handelstätigkeit und zu einem Kontrollpunkt des
nach Süden verläuft und den abrupten Abbruch des Weinviertler
Marchübergangs.
Hügellands zur Marchniederung hin markiert. Der Höhenunter-
Die Erforschung der Wallburg begann 1874 mit Matthäus Much,
schied zwischen dem sogenannten Kirchhügel auf dem Gelän-
der als Konservator der k.k. Zentralkommission für Kunst und
de der prähistorischen Höhensiedlung (199 müA) und dem tiefer
historische Denkmale in Wien bekannt wurde. Für den reichhal-
gelegenen, heutigen Ort Stillfried (144 müA) im niederösterrei-
tig angesammelten Quellenbestand prägte Oswald Menghin den
chischen Weinviertel ist mit 55 m beachtlich. Von der Anlage aus
Begriff Stillfrieder Gruppe.
eröffnet sich ein weiter Blick nach Osten, Norden und Süden, da
Es sollten aber fast 100 Jahre verstreichen, bis die ersten sys-
sich die Marchniederung ostwärts im Slowakischen Marchfeld
tematischen Ausgrabungen durch das Institut für Ur- und Früh-
(Záhoská nizina) fortsetzt und 30 km Luftlinie von Stillfried ent-
geschichte der Universität Wien unter der Leitung von Fritz
fernt am Fuß der Kleinen Karpaten in der heutigen Slowakei en-
Felgenhauer durchgeführt wurden.48 Felgenhauer nahm die
det. Nach Nordosten reicht der Blick bis in die March-Thaya-Auen (Moravsko-Dyjskej Nivy).
48 Felgenhauer/Szilvássy/Kritscher et al. 1988; Felgenhauer 1990–1992 (1996).
71
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
72
3.3 Höhensiedlungen
Abb. 03_37. Gesamtplan der Anlage von Stillfried an der March (Grafik: ARDIG, I. Hellerschmid, I. Petschko, S. Tikatsch auf der Grundlage der Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
2
1
Siedlungsphase I
Siedlungsphase II 3
Siedlungsphase II/III
4
Siedlungsphase III 5
Abb. 03_38. Stillfried an der March, Wallphasen (nach Urban 1989, 148, Bearbeitung I. Hellerschmid).
Siedlungsphase IV
Untersuchungen 1969 auf, nachdem verschiedene Forschungs-
diese Konstruktion durch den ersten Wallkörper ersetzt. Der Bau
vorhaben durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg verhindert
bestand aus einem Holz-Erde-Kasten (Abb. 03_39) und einem
worden waren, und leitete diese bis 1989 (Abb. 03_37).
Erdwall mit vorgelagertem tiefen Graben (Abb. 03_38/2). Die
Als Zentrum der Höhensiedlung gilt der Bereich östlich einer
Siedlung vergrößerte sich in diesem Zeitabschnitt stetig. Zahl-
Befestigungskonstruktion, die an einer verteidigungstechnisch
reiche Kontakte mit östlichen und nördlichen Nachbarn sind ar-
wichtigen Stelle, nämlich der Landbrücke ins Weinviertler Hügel-
chäologisch an Gefäßformen und Verzierungsstilen nachweisbar.
land, errichtet wurde. Sie weist noch heute eine Länge von 300 m
Besonders auffällig sind Beziehungen zum nördlich angrenzen-
und eine maximale Kronenhöhe von 4 m auf. Der urnenfelderzeit-
den Bereich der Lausitzer Kultur in Mähren und zu den süd-
liche Wallkörper wurde in den nachfolgenden Epochen mehrfach
deutsch-böhmischen Zentren im Westen. In einem südöstlich
überschüttet, aber nie wieder befestigt. Seit im 13. Jh. n. Chr. die
der Anlage liegenden kleinen Tal (In der Gans) legte man den zu-
Siedlung ins Tal verlegt wurde, bildete sich auf dem Gelände in-
gehörigen Bestattungsplatz an, der bis ans Ende der späturnen-
nerhalb der Befestigung durch die Beackerung eine meterdicke
felderzeitlichen Nutzung der Wallanlage bestand (Abb. 03_40).
Humusschicht. Eine letzte militärische Nutzung erfuhr der Be-
Hier werden bis zu 2.000 Bestattungen vermutet, die aber auf-
reich am Ende des Zweiten Weltkriegs, als sich dort im April 1945
grund der massiven Überbauungen der nachfolgenden Jahrhun-
auf dem höchsten Punkt Stellungen befanden.
derte großteils zerstört sind (siehe Kap. 9, Pkt. 9.3.4).51
Insgesamt kann man sechs aufeinanderfolgende urzeitliche
Charakteristisch für die Siedlungsphase II (ebenso wie für die
Siedlungsphasen nachweisen,49 Die urnenfelderzeitlichen Sied-
Siedlungsphase III) sind die zahlreichen kegelstumpfförmigen
lungsphasen I, II, III/1, III/2 sowie die Phasen IV und V welche
Gruben, die als Getreidespeicher dienten.52 In einigen der Gru-
die Hallstattzeit abdecken. In den Abschnitten I bis III fand der
ben wurden Tierskelette, vor allem von Rothirsch und Wolf, do-
Befestigungsausbau statt (Abb. 03_38).
kumentiert. Der aktuelle Forschungsstand geht davon aus, dass
Etwa am Übergang vom 11. zum 10. Jh. v. Chr.50 beginnt Sied-
es sich um die Überreste von Tieren handelte, die im Siedlungs-
lungsphase I. Am Übergang von der mittleren zur jüngeren Ur-
bereich möglicherweise in Gefangenschaft gehalten wurden und
nenfelderzeit (Ha A2/B1) errichtete man eine erste einfache
denen aus bestimmten, derzeit noch nicht völlig geklärten (kulti-
Abgrenzung im Westen der entstehenden Siedlung. Die Palisa-
schen) Gründen auch noch nach ihrem Tod besondere Aufmerk-
denbefestigung bestand aus mächtigen Baumstämmen, deren
samkeit zuteil wurde. Es würde sich damit gewissermaßen um
Verlauf bei den bisherigen archäologischen Ausgrabungen je-
den ersten Nachweis einer „prähistorischen Menagerie“ han-
doch nur punktuell erfasst werden konnte (Abb. 03_38/1).
deln (siehe Kap. 6, Pkt. 6.4.2, Abb. 06_13 und 14 und Kap. 11,
Am Ende des 10. Jh.s v. Chr., während der Siedlungsphase II (jün-
Pkt. 11.3.5, Abb. 11_23 und 24).53
gere Urnenfelderzeit, Ha B2 und beginnendes Ha B3), wurde 51 Kaus M. 1984. 49 Hellerschmid 2006, 279–283.
52 Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017; Griebl/Biederer in Vorbereitung
50 Absolutdatierung nach Pare 1998, 299 (um 1050/1020 v. Chr.).
53 Pucher 2017.
73
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
1
Abb. 03_39. Stillfried an der March, 1. Längsschnitt durch die Holzkastenreihe des westlichen Abschnittswalls, Blick von der Siedlungsfläche nach Westen, Grabungsjahr 1983. Die Kästen von etwa 2 m Breite wurden in Blockbau technik errichtet und mit Erdmaterial gefüllt. Zu erkennen sind vier Holz kästen samt Zwischenräumen von etwa 40 cm. Rechter Hand ist der Wall schnitt von 1974 zu sehen. – 2. Detailansicht der Holzkastenkonstruktion des Walls (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlun gen, Ur- und Frühgeschichte).
2
Etwa um 950 v. Chr. wurde in der Siedlungsphase III54 die alte
stellt werden konnten. Eine weitere Besonderheit ist, dass sie
Wallkonstruktion nach einer Zerstörung (Abb. 03_38/3) massiv
unverbrannt innerhalb des Siedlungsareals niedergelegt wurden
überbaut. Damit in Zusammenhang könnte Grube V1141 stehen,
und nicht dem normalen/gut bekannten Bestattungsritus fol-
die sich an der höchsten Stelle (Kirchhügel) und zugleich am
gend verbrannt und in einer Urne im Gräberfeld bestattet wur-
südwestlichsten Punkt der Anlage und des Abschnittswalls be-
den. Neue Forschungsergebnisse56 legen nahe, dass der Platz,
fand. In ihr wurden 1976 die vollständig erhaltenen Skelette
an dem diese Verstorbenen ihre letzte Ruhe fanden, durch ein
von drei Erwachsenen und vier Kindern freigelegt (siehe Kap. 10,
darüber errichtetes Gebäude für die Lebenden in Erinnerung
Pkt. 10.4, Abb. 10_10 und Kap. 11, Pkt. 11.3.5, Abb. 11_19).
bleiben sollte. Darüber hinaus war dieses „Denkmal“ auch vom
55
Die Todesursache der sieben Individuen ist unbekannt, da kei-
regulären Brandgräberfeld aus sichtbar. Eine Rekonstruktion
nerlei Spuren von Gewalteinwirkung an den Skeletten festge-
dieser irregulären Bestattung wird im Museum Stillfried präsen-
54 Absolutdatierung nach Pare 1998, 299. 55 Breitinger 1980; Eibner C. 1980; aktuelle Untersuchungen: TeschlerNicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020.
74
tiert (Abb. 03_41).
56 Hellerschmid 2015.
3.3 Höhensiedlungen
Abb. 03_40. Bronzetasse vom Typ Stillfried, vermutlich aus einem Brandgrab des Bestattungsplatzes In der Gans (Foto: H. Kühler/IUHA).
Abb. 03_41. Stillfried an der March, Rekonstruktion der „7“ in der Speichergrube aus dem NHM Wien, derzeit ausgestellt im Museum in Stillfried an der March (Foto: NHM Wien).
Nach diesem Ereignis entstand in der Siedlungsphase III/1 über
aus dem Stillfrieder Gräberfeld58 und dem sogenannten Still-
der ersten Wallkonstruktion ein neues, gewaltigeres Bauwerk,
frieder Depot59.
bestehend aus einem noch größeren Holz-Erde-Kasten und ei-
Zum Ende der urnenfelderzeitlichen Siedlung von Stillfried, das
nem außenseitigen Erdwall. Am höchsten Punkt befand sich
zeitgleich mit dem Ausklingen der mitteldonauländischen Ur-
vermutlich eine Holzpalisade, danach folgte der tiefe Graben,
nenfelderkultur im Osten Österreichs stattfand, trugen unter-
der die Siedlung gegen das westlich angrenzende Hinterland
schiedliche Faktoren bei. Offenbar gelangte eine neue Kultur-
absicherte (Abb. 03_38/4).
strömung über die der Donau folgende West-Ost-Verbindung
Der letzte urnenfelderzeitliche Siedlungsabschnitt (Siedlungs-
nach Stillfried. Die materiellen Spuren der Hallstattkultur wer-
phase III/2) endete am Übergang von der späten Urnenfelder-
den im Fundmaterial fassbar. Das Ende von Siedlungsphase III/2
zeit zur frühen Hallstattzeit. Die Wallkonstruktion wurde durch
liegt im Zeitraum zwischen 800 und 730/20 v. Chr. Bezeichnend
ein Feuer vernichtet, das anschließend auch die Zerstörung al-
für die Dynamik an der Grenze zwischen Urnenfelder- und Hall-
57
ler Siedlungs- und Kultensembles zur Folge hatte. Mindestens
stattkultur ist, dass die kulturelle Umstrukturierung gleichzeitig
23 menschliche Skelette bzw. Skelettreste stehen mit dem Un-
mit der Veränderung von Landwirtschaft und Umwelt aufgrund
tergang der späturnenfelder-/frühhallstattzeitlichen Wallanlage
klimatischen Wandels erfolgte.
in Verbindung. (Abb. 03_38/5). Die in Grube V0841 gefundenen Skelettreste zeugen von außergewöhnlichen Vorgängen, die vielleicht als ein zweiter Versuch interpretiert werden können, die Zerstörung der Siedlung durch menschliche Opfer zu verhindern (siehe Kapitel 10, Pkt. 10.4, Abb. 10_11 und Kap. 11, Pkt. 11.3.5, Abb. 11_20 und 21). Dieser vom Ausgräber F. Felgenhauer als Katastrophenhorizont bezeichnete Zeitabschnitt wird in der Anlage an einer ganzen Reihe gewaltsamer kleinerer und größerer Zerstörungen sichtbar, die seiner Ansicht nach in Zusammenhang mit den sogenannten thrako-kimmerischen Reitern stehen könnten. Belegt ist dieser Kontakt durch entsprechende Pferdegeschirrbronzen 58 Kaus M. 1984, Grab 6 und 38. 57 Absolutdatierung nach Pare 1998, 299, etwa um 730/720 v. Chr.
59 Kaus M. 1988.
75
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Literatur zur urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung Stillfried an der March (Auswahl) Breitinger 1980: E. Breitinger, Skelette aus einer späturnenfelderzeitli chen Speichergrube in der Wallburg von Stillfried an der March, NÖ, FIST 4 (Wien 1980), 45–106. Eibner C. 1980: C. Eibner, Die Mehrfachbestattung aus einer Grube unter dem urnenfelderzeitlichen Wall in Stillfried an der March, NÖ, FIST 4 (Wien 1980), 107–142. Felgenhauer/Szilvássy/Kritscher et al. 1988: F. Felgenhauer/ J. Szilvássy/H. Kritscher/G. Hauser (Hrsg.), Stillfried. Archäo logie – Anthropologie, Veröff. Museum Ur- und Frühgeschichte Stillfried, Sonderband 3 (Stillfried 1988). Felgenhauer 1990–1992 (1996): F. Felgenhauer, Stillfried. Lebens raum des Menschen seit 30.000 Jahren. Archäologischer Fund platz von internationaler Bedeutung – Objekt interdisziplinärer Forschung von bedeutendem Rang. Ergebnisse der Ausgra bungen und Forschungen 1969–1989, FIST 9–10, 1990–1992 (Wien 1996). Griebl/Biederer in Vorbereitung: M. Griebl/B. Biederer, Die Speicher gruben der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. Von der Getreidelagerung bis zur profanen oder kultischen Verfüllung, MPK in Vorbereitung. Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017: M. Griebl/B. Biederer/T. Jachs/ I. Petschko, Aktuelle Forschungen zu den Speichergruben auf der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. In: F. Pieler/P. Trebsche (Hrsg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017, Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 541 (Asparn/ Zaya 2017), 195–206. Griebl/Hellerschmid 2013: M. Griebl/I. Hellerschmid, Menschenknochen und Menschenniederlegungen in Siedlungsgruben der befestigten Höhensiedlung von Stillfried an der March, Niederösterreich: Gängige Praxis der Totenbehandlung in der jüngeren Urnenfelderkultur? In: N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), „Irreguläre“ Bestattungen in der Urgeschichte: Norm, Ritual, Strafe …? Akten der Internationalen Tagung in Frankfurt a. M. vom 3. bis 5. Februar 2012, Kolloquien zur Vor- und Frühge schichte 19 (Bonn 2013), 327–346. Griebl/Hellerschmid 2015: M. Griebl/I. Hellerschmid, Arbeitsgrube und Kultgrube? Verfärbung V0479 der späturnenfelderzeit lichen Wallanlage von Stillfried, Niederösterreich, ArchA 99, 2015, 179–201. Hellerschmid 2006: I. Hellerschmid, Die urnenfelder-/hallstattzeit liche Wallanlage von Stillfried an der March, Ergebnisse der Ausgrabungen 1969–1989 unter besonderer Berücksichtigung des Kulturwandels an der Epochengrenze Urnenfelder-/Hall stattkultur, MPK 63 (Wien 2006). Hellerschmid 2015: I. Hellerschmid, Mord oder Opferung? Die Nieder legung der „Sieben“ in Grube V1141 am Kirchhügel von Still fried, ArchA 99, 2015, 203–231.
76
Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung: I. Hellerschmid/M. Griebl, Die späturnenfelderzeitlichen Tier und Menschenniederlegungen von Stillfried an der March und die Stratigraphie der Wallbefestigung, MPK (Wien, in Vorbereitung). Kaus M. 1984: M. Kaus, Das Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit von Stillfried a. d. March. Ergebnisse der Ausgrabungen 1975–1977, FIST 6 (Wien 1984). Kaus M. 1988: M. Kaus, Das sogenannte Stillfrieder Depot mit Pferde geschirrbronzen. In: F. Felgenhauer/J. Szilvássy/H. Kritscher/ G. Hauser (Hrsg.), Stillfried. Archäologie – Anthropologie, Veröff. Mus. Ur- und Frühgesch. Stillfried, Sonderband 3 (Stillfried 1988), 111–113. Kohler-Schneider 2001: M. Kohler-Schneider, Verkohlte Kultur- und Wildpflanzenreste aus Stillfried an der March, MPK 37 (Wien 2001). Pucher 1986: E. Pucher, Untersuchungen an Skeletten aus der urnen felderzeitlichen Wehranlage von Stillfried an der March (Niederösterreich), FIST 7 (Wien 1986), 23–116. Pucher 2017: E. Pucher, 40 Jahre im Banne des urzeitlichen Tiergartens von Stillfried. In: F. Pieler/P. Trebsche (Hrsg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017. Festschrift für Ernst Lauermann. Katalog des Niederöster reichischen Landesmuseums N. F. 541 (Asparn/Zaya 2017), 207–221. Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020: A. Retzmann/A.-M. Kriechbaum/M. Griebl/K. Wiltschke-Schrotta/M. TeschlerNicola/J. Irrgeher/T. Prohaska, Sr Isotope Analysis of Human Remains from Settlement Pits at Stillfried/March – Reassess ing Diagenetic Changes, ArchA 104, 2020, 53-87. Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016: M. Teschler-Nicola/J. Irrgeher/ T. Prohaska, Wohnsitz und Geneaologie der sieben Menschen aus der späturnenfelderzeitlichen Vorratsgrube V1141 von Stillfried an der March: Eine archäometrische Ergänzung anlässlich eines „Schauplatzwechsels“, MAG 146, 2016, 159–168.
3.4 Literatur
3.4 Literatur Siehe dazu auch Punkte 3.3.1 Thunau am Kamp, 3.3.4 Oberleiserberg und 3.3.5 Stillfried an der March Adametz 2009: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2009). Adametz 2011: K. Adametz, Eine Siedlung der Urnenfelderkultur in Unterradlberg, Niederösterreich, FÖ 50, 2011, 67–92. Adametz 2015: K. Adametz, KG Oberndorf in der Ebene, FÖ 54, 2015, 218–219. Beilke-Voigt 2010: I. Beilke-Voigt, Methodische Überlegungen zu bronze-/früheisenzeitlichen Zentralorten mit Bezug auf den Burgwall von Lossow bei Frankfurt (Oder), Internationale Archäologie, Studia honoraria 31, (Rahden/Westf. 2010), 41–56. Biederer 2018: B. Biederer, Verteilungsmuster spätbronzezeitlicher Speichergruben in Mitteleuropa, ArchA 102, 2018, 169–199. Biederer 2019: B. Biederer, Experimenteller Nachbau von Speichergruben, Experimentelle Archäologie in Europa 18, 2019, 21–34. Blesl 2002: Ch. Blesl, KG Pottenbrunn, FÖ 41, 2002, 29–30. Blesl 2012: Ch. Blesl, Zeugen der Vergangenheit. Archäologie im Unteren Traisental – von den Steinzeiten bis zur Gründung des Stiftes Herzogenburg im Mittelalter. FÖMat A, Sonderheft 18 (Wien 2012). Blesl/Kalser H. 2006: Ch. Blesl/H. Kalser, Heitzing, In: Ch. Farka, Die Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes. Jahresbericht 2006, FÖ 45, 2006, 21. Blesl/Kalser K. 2005a: Ch. Blesl/K. Kalser, KG Pixendorf, FÖ 44, 2005, 30 f. Blesl/Kalser K. 2005b: Ch. Blesl/K. Kalser, Die späte Bronzezeit – Urnenfelderkultur. In: Zeitschienen – Vom Tullnerfeld ins Traisental, FÖMat A, Sonderheft 2 (Wien 2005). Bönisch 2006: E. Bönisch, Bronzezeitliche Speicherplätze in der Niederlausitz. In W.-R. Teegen/R. Cordie/O. Dörrer/ S. Rieckhoff/H. Steuer (Hrsg.), Studien zur Lebenswelt der Eisenzeit. Festschrift für Rosemarie Müller, RGA-Ergänzungs band 53 (Berlin 2006), 305–332. Cižmař/Geislerova 2006: M.Cižmař/K. Geislerova (Hrsg.), Vyzkumy Ausgrabungen 1999–2004 (Brno 2006). Czajlik/Molnár/Sólymos 1995: Z. Czajlik/F. Molnár/K. G. Sólymos, Angaben zu der spätbronzezeitlichen Metallrohmaterialver sorgung am Velem/St.-Veit-Berg, Westungarn, AÖ 6/2, 1995, 30–35.
Dieckmann 1998: B. Dieckmann, Siedlungen und Umwelt der Bronzezeit am Federsee und im westlichen Bodenseegebiet. In: B. Hänsel (Hrsg.), Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas (Kiel 1998), 373–394. Griebl/Biederer in Vorbereitung: M. Griebl/B. Biederer, Die Speicher gruben der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. Von der Getreidelagerung bis zur profanen oder kultischen Verfüllung, MPK in Vorbereitung. Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017: M. Griebl/B. Biederer/T. Jachs/ I. Petschko, Aktuelle Forschungen zu den Speichergruben auf der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. In: F. Pieler/P. Trebsche (Hrsg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017, Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 541 (Asparn/ Zaya 2017), 195–206. Hänsel 2005: B. Hänsel, Die Stadt im vorgeschichtlichen Mitteleuropa. In: H. Falk (Hrsg.), Wege zur Stadt (Bremen 2005), 186–195. Heske 2010: Heske I., Herrschaftssitz oder Elitenort? Zum Nachweis einer jungbronzezeitlichen Außensiedlung an der Hünenburg bei Watenstedt, Kr. Helmstedt, und ihre Bedeutung im überre gionalen Vergleich. In: B. Horejs/T. L. Kienlin (Hrsg.), Siedlung und Handwerk. Studien zu sozialen Kontexten in der Bronze zeit. Beiträge zu den Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Bronzezeit 2007 und 2008, UPA 194 (Bonn 2010), 285–300. Hrodegh 1917: A. Hrodegh, Der Burgstall von Kronsegg im Loistale, Viertel ob dem Manhartsberg, Niederösterreich, Wiener Prähistorische Zeitschrift 4, 1917, 52–63. Jockenhövel 1990: A. Jockenhövel, Bronzezeitlicher Burgenbau in Mitteleuropa. Untersuchungen zur Struktur frühmetallzeitlicher Gesellschaften. In: Orientalisch-ägäische Einflüsse in der eu ropäischen Bronzezeit, Monographien RGZM 15 (Mainz 1990), 209–228. Jockenhövel 1998: A. Jockenhövel, Mensch und Umwelt in der Bronze zeit Europas: Einführung in die Thematik. In: B. Hänsel (Hrsg.), Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas (Kiel 1998), 27–47. Kerchler 1962: H. Kerchler, Das Brandgräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit auf dem Leopoldsberg, Wien, ArchA 31, 1962, 49–73. Kohler-Schneider 2001: M. Kohler-Schneider, Verkohlte Kultur- und Wildpflanzenreste aus Stillfried an der March, MPK 37 (Wien 2001). Kunz 2004: L. Kunz, Obilní jámy. Konzervace obilí na dlouhý čas v historické zóně eurosibiřského a medi-teránního rolnictví/ Grain Pits. Long-time preservation of grain in historical zone of Euro-Serbian and Mediterranean peasantry, Rolnictví na východní Moravě od baroka do II. světové války 1 (Rožnov pod Radhoštěm 2004). Lindinger 2008: V. Lindinger, Urnenfelderzeitliche Siedlungen in Wien. Untersuchungen zum Siedlungswesen der älteren Urnenfelder zeit in Ostösterreich (Saarbrücken 2008).
77
3. Von Häusern, Dörfern und Wallanlagen
Luley 1992: H. Luley, Urgeschichtlicher Hausbau in Mitteleuropa. Grundlagenforschungen, Umweltbedingungen und bautechni sche Rekonstruktion. UPA 7 (Bonn 1992). Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung: M. Marschler/ K. Wiltschke-Schrotta, Die Schädel aus der urnenfelder zeitlichen Grube am Wagneracker (V5000). Unpublizierter Vorbericht 2019. Melzer 1980/1981: G. Melzer, KG Mannersdorf, FÖ 21, 1980/1981, 248. Miske 1908: K. Miske, Die prähistorische Ansiedlung Velem St. Vid (Wien 1908) Müller 1986: U. Müller, Studien zu den Gebäuden der späten Bronze zeit und Urnenfelderkultur im erweiterten Mitteleuropa, unver öffentlichte Dissertation (Berlin 1986). Neugebauer/Blesl 1998: J.-W. Neugebauer/Ch. Blesl, Das Traisental in Niederösterreich – Die Siedlungserschließung einer Talland schaft im Alpenvorland in der Bronzezeit. In: B. Hänsel (Hrsg.), Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas (Kiel 1998), 395–418. Neugebauer/Blesl/Einwögerer et al. 1999: J.-W. Neugebauer/Ch. Blesl/T. Einwögerer/A. Gattringer/ Ch. Neugebauer-Maresch/ F. Preinfalk, Rettungsgrabungen im Unteren Traisental in den Jahren 1998 und 1999. 15. Vorbericht über die Aktivitäten der Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes im Raum St. Pölten-Traismauer, FÖ 38, 1999, 483–592.
Oelmann 1959: F. Oelmann, Pfahlhausurnen, Germania 37 (Frankfurt/ Main 1959), 205–223. Ostermeier 2012: N. Ostermeier, Urnenfelderzeitliche Höhensiedlungen in Bayern nördlich der Donau, UPA 214 (Bonn 2012). Pare 1998: C. F. E. Pare, Beiträge zum Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit in Mitteleuropa. Teil 1: Grundzüge der Chronologie im östlichen Mitteleuropa (11.–8. Jh. v. Chr.) Jahrbuch des Römisch-germanischen Zentralmuseums 45/1, 1998. Patek 1982: E. Patek, Neue Untersuchungen auf dem Burgstall bei Sopron, BRGK 63, 1982, 105–129 Penz 2011: M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben: Von einer urnenfel derzeitlichen Speichergrube in Wien-Unterlaa zu den neuzeit lichen Getreidegruben in Mitteleuropa, Fundort Wien 14, 2011, 186–201. Primas 2008: M. Primas, Bronzezeit zwischen Elbe und Po. Struktur wandel in Zentraleuropa 2200–800 v. Chr. UPA 150 (Bonn 2008). Reynolds 1974: P. J. Reynolds, Experimental Iron Age Storage Pits: An Interim Report, The Prehistoric Society 40, 1974, 118–131. Říhovský 1982: J. Říhovský, Lovčičky, Jungbronzezeitliche Siedlung in Mähren. Materialien zur Allgemeinen und vergleichenden Archäologie 15 (München 1982). Rosenstock 1979: D. Rosenstock, Die Siedlungsstellen in Geismar und ihre Besiedlung im oberen Leinetal seit der jüngeren vorrömischen Eisenzeit, Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 13, 1979, 157–311.
Neugebauer/Blesl/Gattringer et al. 1993: J.-W. Neugebauer/Ch. Blesl/ A. Gattringer/Ch. Neugebauer-Maresch/M. Reichel/ B. Sitzwohl, Rettungsgrabungen im Unteren Traisental in den Jahren 1992 und 1993. 11. Vorbericht über die Aktivitäten der Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes im Raum St. Pölten-Trais mauer, FÖ 32, 1993, 443–512.
Sauer 2006: F. Sauer, Haus und Hof in der Urnenfelderzeit. In: F. Sauer (Hrsg.), Die archäologischen Grabungen auf der Trasse der S1. Fundstelle Rannersdorf (Bad Vöslau 2006).
Neugebauer/Blesl/Gattringer et al. 2001: J.-W. Neugebauer/Ch. Blesl/ A. Gattringer/F. Preinfalk, Rettungsgrabungen im Unteren Traisental in den Jahren 2000 und 2001. 16. Vorbericht über die Aktivitäten der Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenkmal amtes im Raum St. Pölten-Traismauer, FÖ 40, 2001, 191–300
Schuppert 2013: Ch. J. Schuppert, GIS-gestützte historisch-geogra phische Untersuchungen im Umfeld ausgewählter frühkelt ischer Fürstensitze in Südwestdeutschland, Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 126 (Stuttgart 2013).
Neugebauer/Gattringer 1989: J.-W. Neugebauer, A. Gattringer, Rettungsgrabungen im Unteren Traisental im Jahre 1989. Achter Vor bericht über die Aktivitäten der Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes im Raum St. Pölten-Traismauer, FÖ 28, 1989, 55–100.
Sperber 2017: L. Sperber, Studien zur spätbronzezeitlichen Chronologie im westlichen Mitteleuropa und in Westeuropa, Monographien RGZM 136 (Mainz 2017).
Neugebauer/Gattringer/Blesl et al. 1991: J.-W. Neugebauer/ A. Gattringer/Ch. Blesl/Ch. Neugebauer-Maresch/B. Sitzwohl/ F. Preinfalk, Rettungsgrabungen im Unteren Traisental im Jahre 1991 (mit Ausblick auf 1992). Zehnter Vorbericht über die Akti vitäten der Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes im Raum St. Pölten-Traismauer, FÖ 30, 1991, 87–140 Neugebauer-Maresch 1980: Ch. Neugebauer-Maresch, Zur verschwun denen Befestigungsanlage „Am Stein“, Bad Deutsch-Altenburg, NÖ, Mitteilungen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte 30, 1980, 37–55.
78
Stäuble 2002: H. Stäuble, Lineare Gräben und Grubenreihen in Nord westsachsen. Eine Übersicht, Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 44 (Dresden 2002), 9–50. Trebsche 2017: P. Trebsche, 15 von 1494 Pfostenlöchern! Ein mittel bronzezeitlicher Hausgrundriss mit Keramikdeponierung aus Mitterretzbach. In: F. Pieler/P. Trebsche (Hrsg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017, Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 541 (Asparn/Zaya 2017), 171–185.
3.4 Literatur
Trnka 1983: G. Trnka, Der Burgstall von Schiltern, NÖ. Eine späturnen felderzeitliche Abschnittsbefestigung im unteren Waldviertel, ArchA 67, 1983, 129–156. Tuzar 1984: J. Tuzar, Die ur- und frühgeschichtliche Besiedlung der Heidenstatt bei Limberg, NÖ, unveröffentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1998). Turk 2001: P. Turk, Bronze age hoards in Slovenia and possibilities for determining weight standards, Arheoloski vestnik 52, 2001, 249–279. Urban 1989: O. H. Urban, Wegweiser in die Urgeschichte Österreichs (Wien 1989).
Urban 1999: O. H. Urban, Der Leopoldsberg: Archäologische Forschun gen auf dem Wiener Hausberg. WAS 2 (Wien 1999). Westphal/Jennes/Koch 2001: M. Westphal/A. Jennes/L. Koch, Jung bronze- und früheisenzeitliche Brunnen in Brandenburg unter besonderer Berücksichtigung des Brunnenbefundes von Haasow, Spree-Neiße-Kreis. In: B. Gehlen/M. Heinen/ A. Tillmann (Hrsg.), Zeit-Räume – Gedenkschrift für Wolfgang Taute, Archäologische Berichte 14/1 (Bonn 2001), 121–138. Zuber 2010: Zuber J., Die urnenfelderzeitliche Besiedlung von Regens burg-Burgweinting und einschlägige Befunde aus dem ostbay rischen Donauraum, Fines Transire 19 (Rahden/Westf. 2010).
79
4. Wohnen und Wirtschaften
4. Wohnen und Wirtschaften Daniela Kern, Michaela Lochner Funde und Befunde gewähren nur punktuelle Einblicke in den
weisen in bestimmten Bereichen einer Siedlung und ihr Fehlen
Alltag der Urnenfelderzeit. Dennoch lassen sich aus natur- und
in den übrigen Gebäuden ist ein Hinweis auf eine zunehmende
kulturwissenschaftlichen Analysen sowie ethnologischen Ver-
Spezialisierung der in diesem Arbeitsfeld tätigen Personen. Aus
gleichen Rückschlüsse auf die Lebensverhältnisse, die Arbeits-
diesen Bereichen entwickelten sich in der nachfolgenden Eisen-
abläufe sowie das wirtschaftliche Agieren von Haus-, Dorf- und
zeit regelrechte Handwerkerviertel. Bei urnenfelderzeitlichen
überregionalen Gemeinschaften ziehen.
Siedlungen in Niederösterreich ist eine solche Trennung von Arbeitsbereichen bisher nicht eindeutig nachgewiesen.
Aufgrund heutiger Wohnverhältnisse sind wir gewöhnt, dass unterschiedliche Tätigkeiten in verschiedenen Räumen oder Bereichen ausgeführt werden. Davon kann man unter urzeitlichen Verhältnissen nicht in allen Fällen ausgehen. Der meist wenig gegliederte Raum eines Hauses wurde für vielerlei Zwecke genutzt – und wenn
4.1. Einblicke in einen Haushalt
Jahreszeit und Witterung es zuließen, verlegte man die meisten
Ein Glücksfall für die Archäologie sind Befunde in der befestigen
Tätigkeiten auch wegen des Tageslichts ins Freie.
Höhensiedlung von Thunau am Kamp. Das betrifft v. a.die Gebäu-
Bei Ausgrabungen werden nur Reste der aus Holz errichteten
de im unmittelbaren Anschluss an den Wall im Südwesten3 der
Gebäude gefunden. Über die Inneneinrichtung oder Aktivitäts-
Anlage (Abb. 04_01) sowie am sog. Nordhang, wo die Häuser
zonen und Schlafplätze, wissen wir meist wenig. Dementspre-
im steilen Gelände auf Terrassen angelegt wurden. In den Gra-
chend ist auch wenig über die täglichen Abläufe in einem spät-
bungsschnitten fanden sich zahlreiche Reste von Feuerstellen,
bronzezeitlichen Haushalt1 bekannt. Einer der Gründe dafür ist,
Backöfen, Vorratsgruben, Webstühlen, Vorratsgefäßen sowie
dass die Lauffläche bzw. der Originalboden eines Hauses durch
anderes keramisches und nichtkeramisches Hausinventar, das
Erosion oder andere sekundäre Eingriffe oft nicht mehr erhalten
teilweise noch in Originallage angetroffen wurde. Diese Befunde
ist. Öfen und diverse Einbauten sind dann nicht mehr vorhan-
machen das Leben und Arbeiten in einem spätbronzezeitlichen
den oder eventuell nur noch durch aufwendige Untersuchungen
Haus in Ansätzen nachvollziehbar.
nachweisbar. Auf Originalbodenniveaus können Rückstände ehemaliger Tätigkeiten festgestellt werden. Besonders chemische Analysen, z. B. Phosphatanalyse , von Bodenproben sowie das Schlämmen und 2
Flotieren des Erdmaterials, bei dem auch winzige Reste, z. B. ver-
4.1.1 Das Hanghaus von Thunau am Kamp
kohltes Getreide, Gusstropfen oder Gesteinssplitter gefunden
Auf einer in der Urnenfelderzeit angelegten Terrasse am Nord-
werden, liefern Hinweise auf Nahrungsaufbereitung, Metallver-
hang (Schnittkomplex 97-101-102) hatte sich der nahezu un-
arbeitung oder Steingeräteherstellung.
gestörte Eckbereich eines Hauses erhalten, der die Ausstattung
Einige Tätigkeiten wurden bevorzugt außerhalb der Häuser oder
eines Haushaltes fassbar macht und Interpretationen zur Vor-
sogar am Siedlungsrand ausgeführt – sei es, um eine Gefährdung
ratshaltung ermöglicht (Abb. 04_02).4
der Wohnhäuser durch Brand hintanzuhalten (Schmiede), sei es,
Die besondere Fundlage lässt vermuten, dass das Haus rasch,
um unangenehmen Geruch im Nahbereich der Wohnstätten zu
unter Zurücklassung zumindest der Einrichtungsgegenstände
vermeiden (Gerberei). Die Konzentration von Produktionsnach-
und des Hausrates – darunter der Keramikgefäße –, verlassen
1
Allison 1999; Meller 2011.
3
Wewerka 2001.
2
Holliday/Gartner 2007; Weihrauch/Brandt/Opp 2016.
4
Lochner 2013.
80
4.1. Einblicke in einen Haushalt
wurde. Danach blieb das Gebäude unbewohnt, ist zusammengestürzt und letztendlich durch Überlagerung mit Erdmaterial kon-
Abb. 04_01. Thunau am Kamp, Schnitt 127, Grabungsjahr 1985, Wohn- und Arbeitsbereich eines Hauses am SW-Wall der Anlage (Foto IUHA).
serviert worden. Das Hausinventar ist aufgrund der typischen Gefäße in die späte
die Reste zweier großer, weitmündiger Vorratsgefäße. Der grö-
Urnenfelderzeit zu datieren. Einige wenige Gefäße zeigen schon
ßere Behälter ist mit 62 cm Höhe und einem Fassungsvermögen
Anklänge an die nachfolgende Hallstattzeit, wie das kleine
von ca. 120 l eines der größten in Thunau am Kamp erhaltenen
Kegelhalsgefäß Inv.-Nr. 8845 (Abb. 04_03) mit seiner Form und
Keramikgefäße, mit aufwendiger Verzierung durch Formstich-
Verzierung aus hängenden Dreiecken, die mit je einer runden
leisten und Doppelknubben. In diesem Behältnis befand sich
Delle abschließen, die Henkeltasse Inv.-Nr. 8842 und die Tasse
eine Tasse, die gegebenenfalls die Funktion eines Schöpfge-
Inv.-Nr. 8848 mit ihrem kurzem Zylinderhals.
fäßes hatte. Unmittelbar hinter dem Großgefäß, quasi an die
Das erhaltene Gefäßensemble aus dem Hanghaus umfasst bei-
Hauswand gelehnt, war eine Reibplatte mit Läufer platziert. Wei-
nahe das gesamte Spektrum der im Haushalt üblichen Keramik-
tere Gefäße in diesem Bereich (Schalen, Henkelschalen, Henkel-
gefäße (siehe Pkt. 4.2.1), zudem auch einen Teil der Innenaus-
tassen, ein kleines Kegelhalsgefäß, zwei große, flachkonische
stattung. Das Haus stand ehemals auf einer hangseitig etwa
Schalen, ein Kegelhalsgefäß) sind zerbrochen, wurden aber
40–50 cm in den anstehenden Gneis gegrabenen Terrasse, wo-
noch im Verband liegend aufgefunden.
bei die hangseitige Terrassenkante gleichzeitig auch die hin-
In 1–2 m Entfernung befanden sich weitere Gefäße (ein großer,
tere Hausbegrenzung darstellte. An der Hauswand fanden sich
weitmündiger Topf, ein Kegelhalsgefäß, zwei flaschenförmige 81
4. Wohnen und Wirtschaften
82
4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen
Abb. 04_02. Thunau am Kamp, Schnittkomplex 97-101-102, Befund und Fundmaterial von Hanghaus 01 (Lochner 2013, Abb. 3).
mutlich um die Reste von Lehmkuppelöfen, die vom Inneren des Hauses aus beschickt wurden. Die Analysen der archäobotanischen Reste, bei denen Emmer, Einkorn, Gerste und Rispenhirse nachgewiesen wurden, unterstützt die Annahme, dass Getreidelagerung und -verarbeitung in diesem Bereich des Gebäudes stattgefunden haben. Michaela Popovtschak entwirft dazu folgendes Szenario: Das geerntete Getreide – vermischt mit Vorfruchtresten und Erntebegleitern – war in Gefäßen in der Hütte gelagert, wurde eventuell an der Herdstelle getrocknet, gedarrt, dann gesiebt, nach Bedarf auf der Reibplatte entspelzt, gerieben und weiterverarbeitet. Während dieser Arbeitsvorgänge sind manchmal Teile verkohlt und wurden in der Hütte verstreut und abgelagert (dazu Kap. 5, Abb. 05_03 und Pkt. 5.4.2).
4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen Neben einem Spektrum an Haushaltsgefäßen – in erster Linie sind im archäologischen Befund Keramikgefäße erhalten – geAbb. 04_03. Thunau am Kamp, kleines Kegelhalsgefäß (Inv.-Nr. 8845, Höhe 11 cm) aus dem Schnittkomplex 97-101-102 (Foto: G. Gattinger/IUHA).
währt die relativ umfangreiche Ansammlung von Tierknochen (Speiseabfälle) und verkohlten Pflanzenresten Einblicke in die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner. Erdproben mit entsprechenden botanischen Resten stammen oft
Gefäße sowie ein grob gemagerter Topf mit Fingertupfenverzie-
direkt aus Scherbenlagen bzw. aus Gefäßen, soweit diese noch
rung), alle stark zerscherbt und auf der Fläche verteilt. Die ein-
im Verband waren.5 Auch durch Analyse der in der Tonmatrix vor-
stürzende Dachkonstruktion, etwa der herabfallende Firstbalken,
handenen Rückstände6 oder verkohlter Speisereste, die sich an-
könnte die Keramik derart gründlich zerstört haben.
gebacken an Gefäßen oder ihren Bruchstücken finden, lassen
Der unmittelbar auf einer gebrannten Lehmplatte – einer Herd-
sich Hinweise auf die verarbeiteten und verzehrten Nahrungs-
platte – abgestellte weitmündige, dickwandige Topf lässt sich
bestandteile gewinnen. Während sich bei den Gefäßen und
als Kochgefäß interpretieren. Geschwärzte Bodenteile und ver-
Tierknochen in Gräbern bisweilen auch Messer finden, die zum
kohlte Speisereste an der Innenseite der Gefäßwände deuten
Zerteilen des Fleisches dienten, sind sie erstaunlich selten im
ebenfalls auf eine derartige Verwendung hin. Man kann also die-
Siedlungskontext erhalten, was auch auf andere Gegenstände
se Art von Töpfen, die im Fundgut der Siedlung von Thunau am
aus Metall zutrifft.
Kamp zahlreich vertreten sind, als Kochgeschirr interpretieren. Die Herdplatte hatte einen Durchmesser von ca. 1,2 m und eine Unterlage aus kleinen flachen Steinen. Derartige offene Feuerstellen waren generell Bestandteil eines Wohnhauses. Naheliegend ist, dass diese Herde zum Zubereiten von Nahrung, Dör-
4.2.1 Zur Funktion von Gefäßen
ren von Getreide und Früchten sowie gleichzeitig zum Heizen
Die meisten Keramikgefäße in Siedlungen fanden zum Aufbe-
und als Lichtquelle gedient haben.
wahren, Zubereiten und Anrichten der Speisen im Haushalt Ver-
Eine weitere gebrannte Lehmplatte wurde direkt oberhalb des in
wendung. Darüber hinaus wurden Gefäße auch im Zuge des
den Boden eingetieften Hausteils dokumentiert. Ähnliche Befunde, die wir als Backöfen interpretieren, sind in Thunau am Kamp mehrfach belegt (siehe Abb. 04_23). Es handelt sich dabei ver-
5
Beispiel: Popovtschak/Zwiauer 2003, 150–55, Abb. 164.
6
z. B. Proteine, z. B. Craig/Mulville 2000.
83
4. Wohnen und Wirtschaften
Thunau S 93 1
3
2
Aufbewahren und Zubereiten
4
Kochen
5
7
8
9
Flüssigkeitsbehälter 10 6 Lagerung 11
12
13
Bestattungsritus als Grabbeigabe zum Aufbewahren von Speisen verwendet, die dem Toten ins Grab mitgegeben wurden (siehe Kap. 9). Man kann davon ausgehen, dass Gefäße aus Ton nur einen Teil
14
15
16
Abb. 04_04. Thunau am Kamp, Funktionale Gliederung von Gefäßformen: Vorratsgefäße und Haushaltsware aus der Kulturschicht von Schnitt 93. In erster Linie fanden Vorratsgefäße, Schöpf- und Trinkgefäße sowie Gefäße zum kurz fristigen Aufbewahren, Zubereiten und Kochen von Speisen Verwendung. (Lochner 2012, Abb. 3).
der damals verwendeten Behältnisse darstellen und dass es auch welche aus Holz, Leder, Geflecht und anderen organischen Ma-
liegenden Siedlungsterrasse hangabwärts auf eine tiefer liegen-
terialien gab. Entsprechende Funde kennen wir aus den Feucht
de Terrasse verlagert und ist danach einplaniert worden.
bodensiedlungen der Schweiz, wo sich organische Materialien
Verzierungen aus kantigen Rollrädchenabdrücken auf einzelnen
auf Grund der Lagerungsbedingungen erhalten haben.7
Gefäßscherben sowie das Formelement des kurzen, abgesetzten
Ein gutes Beispiel für ein repräsentatives keramisches Haus
Zylinderrands (Abb. 04_04/8) sind Merkmale, die dieses Ensem-
inventar liefert ein weiterer Befund vom Nordhang der Siedlung
ble in die Endphase der Urnenfelderzeit und an den Beginn der
von Thunau am Kamp.
Hallstattzeit datieren.
In der Südostecke von Schnitt 93 fand sich eine größere, kom-
Die Keramikgefäße in diesem Konvolut repräsentieren einen
pakte Ansammlung von Gefäßbruchstücken im Verband mit Holz-
Ausschnitt von alltäglichen Haushaltsbehältnissen (Abb. 04_04).
kohle, verkohlten botanischen Resten und etwas Hüttenlehm.8
Große, bauchige Vorratsgefäße (Abb. 04_04/12), zumeist eiför-
Offensichtlich handelt es sich hier um die Reste eines relativ
mige Töpfe (Abb. 04_04/13–15) und weitmündige, schüsselför-
vollständig erhaltenen, aber sekundär verlagerten Hausinven-
mige Gefäße (Abb. 04_04/16) dienten zur Vorratshaltung von fes-
tars. Möglicherweise wurde nach der Zerstörung des Siedlungs-
ter Nahrung. Verschiedene Formen von Kegelhalsgefäßen waren
objekts durch einen Brand eine größere geschlossene Einheit
für Flüssigkeiten (Abb. 04_04/4–5) geeignet. Die große Vielfalt
durch Hangrutschung oder menschliche Eingriffe von einer höher
an Tassen, Henkeltassen (Abb. 04_04/7–11) und Schalen (Abb. 04_04/1–2) war multifunktional sowohl zum Aufbewahren und
7
z. B. Hochuli/Niffeler/Rychner 1998, 278–290.
8 Lochner 2012.
84
Zubereiten als auch zum Schöpfen, Trinken und Essen einsetzbar. Vor allem flachkonische Schalen werden im heutigen Sinn
4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen
Abb. 04_05. Thunau am Kamp, Auswahl an Sauggefäßen (Foto: G. Gattinger/IUHA; Grafik: W. Schwarz).
gern als Teller interpretiert. Unter den derb geformten Töpfen lassen sich auch kleinere Formen erkennen, die als Kochgeschirr dienten (Abb. 04_04/3) (siehe dazu Pkt. 4.1.1). Eine Besonderheit in diesem Befund ist ein ca. 40 cm langes Tonfässchen.
4.2.2 Gebrauchsformen Bei speziellen Gefäßen kann man als Zweck die Aufbereitung
Backteller und tragbarer Feuerherd (Pyraune)
von Lebensmitteln (Sieb, Fässchen, Backteller), die Nahrungs-
Backteller bereichern ab der jüngeren Urnenfelderzeit und v. a.
aufnahme (Sauggefäß) und/oder einen religiösen oder symbo-
ab der Hallstattzeit vermehrt das keramische Spektrum. Meist
lischen Charakter (Hängegefäß mit Deckel, kommunizierendes
sind nur Bruchstücke erhalten, wie z. B. die fünf Bruchstücke
Mehrfachgefäß, Miniaturgefäße) bzw. eine profane Verwendung,
aus Thunau – vier flache, drei von ihnen mit einer Verzierung aus
etwa als Spielzeug (Miniaturgefäße), interpretieren.
Fingernagelkerben11 und eines mit hochgezogenen Rand12. Vergleichsstücke finden sich in der Lausitzer Kultur, wo sie häufiger
Sauggefäß
nachgewiesen sind.13
Eine relativ häufig auftretende Gefäßsonderform stellen Saug-
Noch seltener erhalten sind Pyraunoi, tragbare Feuerherde bzw.
gefäße dar (Abb. 04_05). Bei den uns bekannten Stücken han-
Kochgefäße, die man über Glut stellen konnte. Umso erfreulicher
delt es sich großteils um rotationssymmetrische Formen mit
ist der Fund eines nahezu ganz erhalten Feuerherds aus dem
schräg ansteigender Tülle. Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt im
nördlichen Niederösterreich (Abb. 04_06).14 Im Zuge des Baus
nordöstlichen Niederösterreich. Es sind aber auch Exemplare in
einer Erdgasrohrleitung wurde im Gebiet von Großreipersdorf
9
Tiergestalt – wobei es sich häufig um Vögel handelt – nachge-
eine größere urzeitliche Siedlung angeschnitten. In einem
wiesen. Ihre funktionale Bedeutung als Saugfläschchen zur Nah-
Ha-A-zeitlichen Objekt standen auf der Grubensohle mehrere
rungsaufnahme für Säuglinge10 und Kleinkinder, kranke und alte
Gefäße, teilweise zerscherbt, darunter eine fast vollständig er-
Personen ist naheliegend. Es gibt aber auch Überlegungen, die
haltene Pyraune. Ein sehr ähnliches Stück kennen wir aus der
diesen Gefäßen kultisch-rituelle Funktionen zuschreiben, wo-
zeitgleichen Siedlung von Brno-Obřany.15 Pyraunoi wurden ab
bei die eine Funktion die andere nicht ausschließen muss (siehe
der Frühbronzezeit hauptsächlich in Siedlungen des Karpaten-
Kap. 11, Pkt. 11.3.6). Die verschiedenen Gefäßformen sowie das
raums verwendet. Es gibt zwei Hauptformen: Stücke mit einge-
unterschiedliche Fassungsvermögen der einzelnen Stücke könnten ein Hinweis darauf sein, dass sie in unterschiedlichen Kon-
11 Kern D. 2001, 31–32, 67, Taf. 101/8, 103/5, 168/1 und 168/2.
texten gebraucht wurden.
12 Wewerka 2001, 48, Taf. 199/15.
9
14 Wewerka 1988, 110–114.
Eibner C. 1973, 148–150.
10 Rebay-Salisbury 2017, 22–24; siehe auch Kap.11 in diesem Band, Fußnote 225 (aktuelles Projekt und weitere Lit.)
13 z. B. Kogus 1982, Tab III/1, 4, 5, 7 und 8. 15 Fischl/Kiss/Kulcsár 2001, 137, Abb. 7/36; zu dem Thema siehe auch Romsauer 2003.
85
4. Wohnen und Wirtschaften
Abb. 04_06. Großreipersdorf bei Pulkau, nahezu vollständig erhaltener tragbarer Feuer herd (Pyraune) (Foto: NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Abb. 04_07. Thunau am Kamp, ein besonders sorgfältig gearbeitetes und reich verziertes Miniaturgefäß, das vermutlich als Fläschchen für besondere Flüssigkeiten Verwendung fand (Foto: IUHA).
bautem Rost und solche mit eingebautem Gefäß. Die Variabilität
Doppel- und Dreifachgefäße bzw. kommunizierenden Gefäße, die
der Form bestimmt vermutlich die Funktion. Bei dem hier vorlie-
vermehrt ab Ha B auftritt (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.6). Wie bei den
genden Stück handelt es sich um einen Herd mit Seitenmantel
Sonderformen zuvor angesprochen, gilt auch hier, dass sowohl
und Rauchabzugslöchern über der Schüröffnung. Bei den Her-
eine profan alltägliche Verwendung als auch ein kultisch spezi-
den ist – wie bei den Sauggefäßen – nicht auszuschließen, dass
eller Gebrauch möglich sind und einander nicht ausschließen
sie auch eine kultisch-rituelle Funktion innehatten.
müssen.
Miniaturgefäß
lich in Zusammenhang mit entsprechenden Miniaturgefäßen zu
Kleine Deckel mit zwei gegenständigen Bohrungen sind vermutDie funktionalen Deutungen der Gruppe der Miniaturgefäße sind
sehen; sie sind für die Lausitzer Kultur und besonders für die
vielfältig. Sie sind variantenreich und relativ häufig im Sied-
Schlesisch-Platenicer Kultur typisch, treten aber auch in unse-
lungsmaterial vertreten. Die verkleinerten Ausführungen geläufi-
rem Raum immer wieder in Erscheinung.16 Solche Töpfchen mit
ger Gefäßformen sind als Schalen, Schüsseln, Töpfe oder Kegel-
Deckel, zum Aufhängen oder Tragen geeignet, könnten für Duft-
halsgefäße, zumeist in guter Ausführung mit geglätteter und
stoffe oder Flüssigkeiten verwendet worden sein, ähnlich den
grafitierter Oberfläche, belegt (Abb. 04_07). Es gibt aber auch
heutigen kirchlichen Räuchergefäßen (Abb. 04_08).
grob gefertigte Stücke, die keiner spezifischen Form folgen. Vor allem Letztere werden häufig als Spielzeug im weitesten Sinn ge-
Siebgefäß
deutet, vermutlich auch deswegen, weil heutige Vorstellungen
Die urnenfelderzeitlichen Siebgefäße (Abb. 04_09) sind in ihrer
Kindern die Herstellung qualitätsvoller Objekte nicht zutrauen.
Grundform zumeist Henkelschalen. Der Lochdurchmesser beträgt
Daher deutet man die sorgfältig hergestellten Miniaturgefäße
durchschnittlich 3–5 mm, die Lochfläche umfasst den Boden
als Behältnisse für besondere Materialien oder Objekte für bestimmte Rituale; dazu gehört auch die Gruppe der Miniatur86
16 Dohnal 1973, 56; Eibner C. 1976, 77, Taf. 26/6; Angeli 1960, 116, Taf. 14/4.
4.2 Keramik in Küche und Keller: Lagern – Kochen – Essen
Abb. 04_08. Thunau am Kamp, Rekonstruktion eines Miniaturgefäßes mit Deckel. Töpf chen mit Deckel, die zum Aufhängen und Tragen geeignet sind, erinnern an Räuchergefäße. Sie könnten entsprechende Duftstoffe oder Flüssigkeiten enthalten haben (zusammengestellt aus: Wewerka 2001, Taf. 300/21, Taf. 291/15; Grafik: M. Lochner).
und einen Großteil des Wandbereichs. Neben der Funktion des Aussiebens von losem Material mit unterschiedlichen Korngrößen oder Verunreinigungen werden diese Gefäße auch in Zusammenhang mit der Käseerzeugung gebracht. So kann mittels solcher Siebe die Molke vom Topfen getrennt werden.
Tonfässchen Tonfässchen sind eine schwerpunktmäßig im nördlichen und östlichen Niederösterreich auftretende Gefäßform, die an ein liegendes Holzfass erinnert. Ihr gehäuftes Vorkommen erstreckt sich bis auf ungarisches Gebiet und ist während der gesamten Urnenfelderzeit nachgewiesen (Abb. 04_10).17 Entsprechungen in den vorangegangenen Perioden und für die nachfolgende Hallstattkultur fehlen. Die Fässchen werden ebenfalls mit Milchverarbeitung in Zusammenhang gebracht. Allen Stücken gemeinsam ist ein gleichmäßig schwach nach außen gewölbter Gefäßkörper mit ebenen Seitenscheiben und ausgeprägten Randwulsten als Abschluss. In der Mitte des gestreckten Hohlkörpers ist eine runde Öffnung mit einem Durchmesser 17 Lochner 2012.
Abb. 04_09. Thunau am Kamp, Auswahl vollständig erhaltener Siebgefäße der Grabung 1965–1990 (Foto: G. Gattinger/IUHA; Grafik: W. Schwarz).
87
4. Wohnen und Wirtschaften
2
1
4
3
5
Abb. 04_10/1. Foto des Keramikfässchens aus Burgschleinitz, Siedlung „Zu Mariazell“ (Foto: IUHA).
88
Abb. 04_10/2. Urnenfelderzeitliche Keramikfässchen: 1. Burgschleinitz, Siedlung „Zu Mariazell“ 2. Szigliget/Ungarn 3. Thunau am Kamp 4. Burgschleinitz, Brandgräber 5. Kalladorf (Lochner 2012, Abb. 4).
Abb. 04_11. Rekonstruktion der vermuteten Handhabung eines Keramikfässchens. Die Aufhängung, die das Schwingen und Drehen des Gefäßes erleichtert, ermöglicht die Verklumpung von Butter (Horváth 1974, Fig. 4).
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
von 70–85 mm. Die Gesamtlänge der Fässchen schwankt zwi-
Sozialprestige innerhalb ihrer Gemeinschaft gehabt haben22,
schen 464 mm (Thunau) und 315 mm (Szigliget). Einige die-
waren sie es doch, die das Weiterbestehen der Gemeinschaft
ser Gefäße weisen an der Innenseite angebrachte Zapfen auf.
sicherten.
Dieser Umstand verbindet sie mit großen, flaschenförmigen Gefäßbereich an der Gefäßinnenseite ebenfalls diese Zapfen
Glossar: Handwerk und Haushandwerk
aufweisen.18
Heute verstehen wir unter Handwerk die Bearbeitung und Verar-
Gefäßen der Mittelbronzezeit, die am Boden und im unteren
Grundsätzlich stehen mehrere Deutungsmöglichkeiten zur Dis-
beitung von unterschiedlichsten Materialien in Betrieben meist
kussion, etwa als Gärgefäß zur Herstellung alkoholischer Ge-
kleinerer oder mittlerer Größe, in denen Handarbeit und Einzel-
tränke, als Behälter zum Marinieren von Lebensmitteln, beispiels-
leistung im Vordergrund stehen. Diese Art der Herstellung von
weise in salzhaltigen Würzmischungen, oder als Gefäß zur
Gegenständen sieht man im Gegensatz zur industriellen Pro-
Milchverarbeitung. Am wahrscheinlichsten ist beim derzeitigen
duktion, die durch Maschinen bewerkstelligt wird. Eine derar-
Stand der Forschung ein Zusammenhang mit der Herstellung von
tige Definition von Handwerk ist auf urzeitliche Gesellschaften
Joghurt oder Butter. Die Aufhängung ermöglicht das Schwingen
nicht übertragbar. Es bleibt aber zu bedenken, dass die Aufglie-
und Drehen des Gefäßes, die Innenzapfen sind der Verklum-
derung in unterschiedliche Berufe am Ende des Neolithikums
pung von Butter förderlich (Abb. 04_11). Auch ethnografische
bzw. in der beginnenden Frühbronzezeit einsetzte. Vor allem die
Vergleiche z. B. mit Gefäßen von Hirtenkulturen Südosteuropas,
Bronzezeit ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Arbeits-
Anatoliens und dem Nahen Osten zeigen, das ähnliche Gefäße
teilung und die Spezialisierung auf bestimmte Tätigkeiten, die
bei der Milchverarbeitung Verwendung finden.
vermutlich aber schon weit früher begann.23 Zuerst erfolgte sie
19
wohl in weniger arbeitsintensiven Zeiten, z.B. durch Nutzung der vegetationsarmen Perioden, während denen nur wenig Zeit für
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
ackerbauliche Tätigkeiten notwendig war. Man nutzte diese Perioden für die Herstellung und Instandhaltung von Werkzeugen und Geräten oder die Verarbeitung von Rohstoffen wie Holz, Leder, Wolle oder Flachs. Die Arbeitsverteilung erfolgte unter den Gruppenangehörigen, die sich aus Personen un-
In der Urzeit erforderte die Beschaffung und Herstellung der
terschiedlichen Alters und Geschlechts zusammensetzten.
Dinge des täglichen Bedarfs ein Zusammenwirken aller Kräfte.
Die Aufteilung innerhalb eines Haushalts wird nicht von allen
Längerfristigen Bestand hatte eine Gemeinschaft nicht nur durch
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als Spezialisierung
die biologische Reproduktion, auch die Erhaltung und das Weiter-
betrachtet24, da sie als allen menschlichen Gruppen immanent
geben von Wissen und Können waren von Bedeutung. Das galt
angesehen wird.
sowohl für das Spezialwissen – wie jenes der Schmiede, das
Spezialisierung spielt aber beim Haushandwerk eine Rolle.
möglicherweise nur einer kleinen Gruppe von Personen bekannt
Haushandwerk ist dadurch gekennzeichnet, dass die Produktion
war, sorgfältig gehütet wurde oder auch, wie z. B. das Erkennen
den Eigenbedarf deckt, die Kenntnis um den Produktionsprozess
der Temperatur durch die Flammenfarbe20, nur durch Erfahrung
allgemein vorhanden ist, Mitglieder des Haushalts die notwen-
zu gewinnen war – als auch für das Gebrauchswissen, das im
digen Fähigkeiten besitzen und das Rohmaterial durch Eigenpro-
Großen und Ganzen allen Angehörigen einer Gruppe zur Verfü-
duktion oder nahen Tauschhandel abgedeckt wird.25
gung stand und zur Bewältigung des Alltags notwendig war. Zu beiden gehörten neben Materialkenntnissen auch Wissen über Arbeitsabläufe, Arbeitsorganisation und Zeitmanagement sowie die dazugehörigen Rituale. Verbunden damit waren vermutlich
Für die Herstellung von Gegenständen waren nicht nur techno-
auch die Vorstellungen von richtig und falsch sowie die Gliede-
logisches Wissen und Können notwendig, sondern auch geeig-
rung des Jahresablaufs nach bestimmten Tätigkeiten.
netes Rohmaterial und adäquate Werkzeuge.26 Allerdings wissen
21
Perso-
nen, die über Wissen und Können verfügten, müssen ein hohes
22 Vgl. Sennet 2009, 61.
18 Lochner 2012, 198, Abb. 5 und 6.
23 Antl-Weiser 2014, 10.
19 Kosay 1951, Taf. 7/44; Sherratt 1981, 281, Abb. 10/15.
24 Costin 1991, 3–4.
20 Kuijpers 2012a, 137.
25 Grömer 2010, Abb. 119.
21 Bender Jørgenson 2012, 131–132.
26 Weiner 2000, 229.
89
4. Wohnen und Wirtschaften
Metall
Ton
Fasern
Rohstoffbeschaffung: Prospektion Bergbau: Vortrieb, Abbau Aufbereitung Handel und Transport
Rohstoffbeschaffung: Prospektion Tonlagerstätte Abbau Transport
Rohstoffbeschaffung: Anbau und Ernte von Faser- und Färbepflanzen Schafzucht und Wollgewinnung Handel (Farbstoffe)
Metallhandwerk: Schmelzen, Legieren, Gießen Grobbearbeitung, Schmieden, Treiben Feinbearbeitung, Verzierungstechniken
Keramikherstellung: Aufbereitung und Magerung Aufbau des Gefäßes Behandlung der Oberfläche Verzierung Trocknen und Brennen
Gewebeherstellung (dazu Abb. 04_20): Aufbereitung der Fasern, Spinnen Weben: Gewichtswebstuhl, Bandweberei Verzieren beim Weben oder danach Färben von Vlies, Fäden und Stoffen
Platzbedarf/Arbeitsraum: am Rand/außerhalb der Siedlung, Haus/Werkstätte
Platzbedarf/Arbeitsraum: Haus/Werkstätte Brennofen/offenes Feuer
Platzbedarf/Arbeitsraum: außerhalb Siedlung: Felder, Weiden Haus/Werkstätte
Spezialisierungsgrad: Haushandwerk Spezialistentum
Spezialisierungsgrad: Haushandwerk beginnendes Spezialistentum
Spezialisierungsgrad: Haushandwerk Heimindustrie
Abb. 04_12. Handwerkstechniken der Spätbronzezeit unter dem Aspekt der Rohstoffbeschaffung, Verarbeitung, Arbeitsraum und Spezialisierungsgrad (vereinfacht) (Grafik: K. Grömer und D. Kern; Fotos: K. Grömer).
Verarbeitung von Metallen, besonders von Bronze, und die ver-
Ausgangspunkt für diese Entwicklung war die Gewinnung und mehrte Nutzung von Wolle zur Erzeugung von Textilien.
wir nicht, wem in urzeitlichen Gesellschaften diese Rohmateria-
Die Bronze oder die zu ihrer Herstellung notwendigen Rohstoffe
lien und Werkzeuge gehörten und wer über sie verfügen konnte
Kupfer und Zinn, die in den meisten Regionen nicht gemeinsam
oder durfte. Im Laufe der Bronzezeit scheint die Kontrolle über
vorkommen, mussten oft über weite Entfernungen gehandelt
beides zunehmend Ansehen und Macht gesichert zu haben.
werden. Das bedeutete einerseits, dass man in den rohstoff-
Ebenso wie die Einführung der Landwirtschaft am Beginn des
armen Gebieten Überschüsse erzielen musste, um begehrte Güter
Neolithikums die Gesellschaften und das Zusammenleben der
direkt oder indirekt dagegen einzuhandeln, und andererseits,
Menschen veränderte, wirkte sich in der Bronzezeit die Aufglie-
dass dieser Warenaustausch organisiert sein musste. Zudem
27
derung in unterschiedliche Tätigkeitsfelder auf die Sozialstruk-
entstanden rund um Erzgewinnung und Metallverarbeitung wei-
tur aus. Die Art der verrichteten Arbeit ist spätestens seit dieser
tere Aufgabenbereiche, wie Tätigkeiten bei Rohstoffgewinnung,
Zeit ein Faktor in der Konstruktion von Status und Prestige einer
Verarbeitung, Transport und Weitergabe. Diese Aktivitäten wur-
Person innerhalb der Gemeinschaft.
den zunehmend von unterschiedlichen Personengruppen ausgeführt und entwickelten sich zu eigenen Arbeitsbereichen.
27 Lobisser 2014, 116.
90
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
Holz
Bein
Stein
Rohstoffbeschaffung: Waldbewirtschaftung Holzschlägerung Vorbereitung für Transport Transport
Rohstoffbeschaffung: (Knochen, Geweih, Horn): Jagd versus Tierzucht Aufsammeln (Geweih Abwurfstangen)
Rohstoffbeschaffung: Prospektion: Felsgestein, Silex Bergbau: Vortrieb, Abbau Transport
Holzverarbeitung: je nach Endprodukt Entrinden, Zerteilen Feinarbeiten: Sägen Schnitzen
Tätigkeiten: Auslösen der Knochen Weichen Schleifen, Schneiden, Schnitzen Bohren, Sägen
Tätigkeiten: Schlagen Schleifen Sägen, Bohren
Platzbedarf/Arbeitsraum: außerhalb der Siedlung: Wald Haus/Werkstätte
Platzbedarf/Arbeitsraum: außerhalb Siedlung: Felder, Weiden Haus/Werkstätte
Platzbedarf/Arbeitsraum: Haus/Werkstätte
Spezialisierungsgrad: Haushandwerk beginnendes Spezialistentum
Spezialisierungsgrad: Haushandwerk Spezialistentum
Spezialisierungsgrad: Haushandwerk beginnendes Spezialistentum
Die Gewinnung und Verarbeitung von Wolle, die an der Wende
Gussformen Verwendung in der Metallverarbeitung. Die Benut-
vom Neolithikum zur Bronzezeit zunahmen, brachten eine Ände-
zung von Silexklingen bis weit in die Bronzezeit ist indirekt durch
rung im Bereich der Schafhaltung mit sich. Gefundene Tierkno-
Schnittspuren an Knochen nachgewiesen. Holz war nach wie vor
chen zeigen, dass das durchschnittliche Schlachtalter der Tiere
der wichtigste Rohstoff, aus dem z. B. Geräte, Behälter, Möbel
anstieg, was darauf hindeutet, dass nicht mehr hauptsächlich
und Häuser hergestellt wurden. Ton wurde zu Gefäßen, Spinn-
junge Tiere als Fleischlieferanten geschlachtet, sondern ver-
wirteln sowie Webgewichten und vielen Gebrauchsgegenstän-
mehrt ältere Tiere zur Gewinnung von Wolle gehalten wurden.
den geformt und zu Keramik gebrannt. Aus tierischen Rohstoffen
Das führte wohl zu einer Vergrößerung der gehaltenen Herden
– wie Knochen, Geweih, Horn, Muschel- und Schneckenschalen –
und machte ausgedehntere Weideflächen notwendig (siehe
stellte man Geräte und Schmuck her. Häute und Felle wurden zu
Kap. 6).
Leder und Pelzen verarbeitet.
28
So wichtig Neuerungen und die Verarbeitung neuer Materialien
Besondere geologische und klimatische Bedingungen ermög-
waren – Stein war auch in der späten Bronzezeit noch ein wich-
lichten eine regionale Spezialisierung bzw. eine Spezialisierung
tiger Rohstoff. Granite und Sandsteine wurden z. B. zu Mahlstei-
von Siedlungen auf bestimmte Produkte (wie z. B. Gewinnung
nen verarbeitet und fanden als Probiersteine, Kissensteine und
und Verarbeitung von Wolle oder Metallen, Salzbergbau). So
28 Vgl. Bender Jorgenson 2012, 179.
Oberleiserberg ein Hinweis auf einen Schwerpunkt dieser Sied-
könnte die große Anzahl der gefundenen Spinnwirtel auf dem
91
4. Wohnen und Wirtschaften
lung im Bereich der Textilproduktion sein.29 Die Bewohner der Siedlungen in Prigglitz und Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg hatten durch ihre Nähe zu den Lagerstätten ihren
4.3.1 Metallverarbeitung
Tätigkeitsschwerpunkt in der Gewinnung und/oder Verarbeitung
Wenn wir archäologische Quellen zur Metallverarbeitung und
von Kupfer bzw. Bronze. Die Spezialisierung auf einen bestimm-
-bearbeitung suchen, stehen uns sowohl die Metallobjekte selbst
ten Bereich förderte Verbesserungen und begünstigte Innova-
als auch Werkzeuge und Geräte zur Herstellung dieser Metall-
tionsschübe, die wiederum Produktionssteigerungen möglich
objekte sowie Befunde, die auf Gießerei- und Schmiedeplätze
machten (siehe Kap. 7, Pkt. 7.2.2).
hinweisen, zur Verfügung. Metallobjekte geben nicht nur Aus-
Von Hand erzeugte Werkstücke tragen neben den Informationen
kunft über ihre Funktion und Verwendungsweise; Form, Herstel-
über ihren Zweck und ihre Verwendung immer auch Informati-
lungs- und Gebrauchsspuren erzählen auch die Biografie eines
onen über ihre Herstellungstechnik und die Fertigkeit bzw. das
Objekts. Unterschiedliche Analysen der Werkstücke informie-
Können des Herstellers bzw. der Herstellerin in Form von Bear-
ren über Zusammensetzung der Legierung, Herstellungsprozes-
beitungs- bzw. Werkzeugspuren in sich sowie Gebrauchsspuren
se und die Herkunft der Rohmaterialien, z. B. geben Röntgen-
an sich.30 Daher ermöglicht es die Analyse der Artefakte, Rück-
fluoreszenzanalysen Auskunft über die Zusammensetzung der
schlüsse auf ihre Produktion und Verwendung zu ziehen und die-
Legierung, also wie viel Zinn dem Kupfer beigefügt wurde, und
se mithilfe der experimentellen Archäologie zu überprüfen.31
ihre Spurenelemente.35
Der Vergleich von Produktionstechniken an Gegenständen von
Während für die erste Verarbeitung von Kupfer jene Techniken
unterschiedlichen Fundorten kann auch zur Analyse sozialer
eingesetzt wurden, die auch schon von der Bearbeitung von
Beziehungen beitragen, da in der Erzeugung Traditionsstränge
Stein bekannt waren, nämlich die Werkstücke durch Hämmern
und Unterschiede fassbar werden32, die durch soziale Grenzen
(und Treiben) in Form zu bringen, entsteht mit der Erfindung
bedingt sein können . Unterschiede in der Produktion inner-
des Gusses eine zusätzliche, an das Material Metall angepasste
halb eines Fundorts zeigen hingegen, dass Menschen mit unter-
Verarbeitungsform.
schiedlichem Können z. B. am Töpfern und Brennen von Keramik-
Sämtliche Bereiche, die mit der Erzgewinnung und -verarbeitung
gefäßen beteiligt waren. Das Erforschen und Nachvollziehen der
sowie der Erzeugung von Bronzeobjekten in Zusammenhang
33
für die Tätigkeiten notwendigen Fertigkeiten sowie deren Aus-
standen, entwickelten sich in der letzten Phase der Bronzezeit
führung gehören heute zu den Schwerpunkten archäologischer
zu höchstem Niveau. Das heißt, dass am Ende der Bronzezeit alle
Forschung.34
Techniken der Bronzebearbeitung angewandt wurden, wobei
Am Ende der Bronzezeit sind die handwerklichen Spezialisie-
man einerseits sehr qualitätsvolle Einzelstücke wie getriebene
rungen im archäologischen Fundbild sowohl in den Produkten
Bronzegefäße und Beinschienen oder Schwerter herstellte, die
selbst als auch in den selten lokalisierbaren Werkstattberei-
hohes technisches Können, Materialbeherrschung und qualita-
chen festzustellen. Das urnenfelderzeitliche Produktspektrum
tiv hochwertiges Rohmaterial erfordern36, andererseits durchaus
ist breit aufgestellt und reicht von haushandwerklich hergestell-
auch Massenwaren wie Ringe, Pfrieme und Messer. Wir müssen
ten Alltagsobjekten bis hin zu Massenprodukten und hochquali-
somit von einem in unterschiedliche Zweige getrennten Verarbei-
tativen Einzelerzeugnissen. Die Ausmaße der Produktion und der
tungsprozess und einer Aufgliederung in unterschiedliche Beru-
Spezialisierungen in den einzelnen Siedlungen sind eine offene
fe wie Gießer, Schmied und Toreut ausgehen. Tatsächlich wissen
Forschungsfrage.
wir aber über die Struktur und Organisation der Metallverarbeitung in urnenfelderzeitlichen Siedlungen recht wenig. Einfache Metallverarbeitung wird wohl im Bereich des Haushandwerks erfolgt sein. Nachweise für Bronzeguss im archäologischen Befund sind Öfen, Tondüsen, Gussformen, Fehlbrände, Schlacken und zugehöriges Spezialwerkzeug, wie z. B. feine Bronzemeißel.
29 Kern A. 1987, 14 und z. B. Taf. 21. 30 Budden, 2008; Costin 2000, 378. 31 Lobisser 2014, 84–85 und 89–90. 32 Sofaer/Bender Jørgensen/Choyke 2013, 470. 33 Kreiter/Szakmány/Kázmér 2009, 101. 34 Budden/Sofaer 2009; Kuijpers 2012b 2–4; Sǿrensen/Rebay-Salisbury 2012 (Teil II).
92
35 Mödlinger 2009, 181. 36 Mehofer 2015, 235–236.
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
Einige Aspekte über Werkzeuge und Gegenstände zur Metallverarbeitung Die meisten Metallobjekte der Urnenfelderzeit stammen aus Depotfunden, deren Interpretation von Rohstofflagern über Verwahrfunde in unruhigen Zeiten bis zu Opfergaben an die Götter reicht. In jüngerer Vergangenheit wird meist die Interpretation als Opfergaben bevorzugt (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.2).37 Depotfunde wurden ebenso mit dem Metallhandwerk in Verbindung gebracht, einerseits als Materiallager, andererseits wegen der in ihnen enthaltenen Werkzeuge. Von diesen können die Ambosse (Abb. 04_13), die Tüllenhämmer mit dachförmiger oder sehr schmaler Bahn, die Meißel mit stumpfem Schneidenwinkel, die schweren Schaftlochhämmer und die Punzen als Geräte zur Metallbearbeitung gesehen werden.38 Zudem scheinen auch Bronzesägen bei der Herstellung von Gussformen aus weichen Gesteinen eine Rolle gespielt zu haben.39 Sägen und Pfrieme aus Bronze kamen z. B. auch bei der Herstellung von Kämmen und der Verarbeitung von Leder zum Einsatz.40 Außer Depots, in denen Werkzeuge unterschiedlicher Tätigkeitsbereiche gemeinsam vorkommen, gibt es auch Horte mit eindeutigen Werkzeugsätzen wie z. B. das Depot von Schiltern (Datierung Ha A2)41 mit Tüllenhammer, Steckamboss, zwei Gusskernen (für Lanzenspitzen?), einem Helmaufsatz (?), einem Messer (Griffplattenmesser vom Typ Unterradl), mehreren Bronzedrahtstücken und zehn Bronzeringlein. (Abb. 04_14). Ganz vereinzelt finden sich in den Gräbern der Urnenfelderzeit Werkzeuge oder Geräte, die die Bestatteten mit der Metallverarbeitung in Verbindung bringen oder auf Reichtum aus der Metallgewinnung und -verarbeitung schließen lassen. Solche Gräber sind von Skandinavien bis ins Karpatenbecken in weiten Teilen Europas vorhanden. Aus ihnen sind Tondüsen, Ambosse,
Abb. 04_13. Fundort unbekannt, wahrscheinlich aus der Gegend von Eggenburg, Steckbzw. Rillenamboss (Foto: Peter Ableidinger, Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).
Hämmer, Gusstiegel, Gussformen, Gusskerne und Meißel nachgewiesen.42 Untersuchungen des Ausstattungsmusters zeigen, dass die Utensilien des Schmiedevorgangs üblicherweise nicht
In Siedlungen sind Belege für die Weiterverarbeitung von Bronze
gemeinsam mit jenen des Gießvorgangs in einem Grab vorkom-
zu Schmuck, Werkzeug, Waffen und Gefäßen selten und nur indi-
men43, was auf getrennte Tätigkeitsfelder im Bereich der Bronze-
rekt über einschlägiges Fundmaterial möglich.
verarbeitung hindeuten könnte. Aus Niederösterreich ist bislang
Einer der Gründe liegt wohl darin, dass Bronzeschmelzanlagen
kein urnenfelderzeitliches Grab bekannt, dessen Beigaben zwin-
bzw. Gießereiwerkstätten archäologisch schwer nachweisbar
gend auf eine ehemalige Tätigkeit des Bestatteten im Bereich
sind. Bronzeschmelzöfen sind im archäologischen Befund sehr
des Metallhandwerks hinweisen.
unscheinbar. Feuerstellen mit einzelnen Steinen an den Rändern und/oder einer Lehmplatte oder Lehmwanne für den Gusstiegel
37 Hansen 2012. 38 Nessel 2010, 373, 382. 39 Nessel 2009, 249. 40 Fabian 2010, 334. 41 Girtler 1970; Trnka 1983, 148. 42 Nessel 2012a, Abb. 1.
lassen sich als solche Schmelzplätze deuten, sofern auch andere entsprechende Funde wie Gusstiegel, Tondüsen (Abb. 04_15/1 und 15/2), Gussformen, Metalltropfen, Rohprodukte und Ähnliches vorhanden sind. Das heißt, dass mehrere Komponenten notwendig sind, um mit einiger Sicherheit von einem Werkplatz der Metallverarbeitung sprechen zu können.
43 Nessel 2012a, 68.
93
4. Wohnen und Wirtschaften
Abb. 04_14. Schiltern, Bronzedepot mit Werkzeugsätzen und Rohmaterialien (Foto: G. Gattinger/IUHA).
Betrachten wir das übrige Fundmaterial auf dieser Höhensied-
Aus dem Umfeld der ostalpinen Verhüttungsregion für Kupfer-
se Schmelzprodukte von flach-rundlicher Form, die sog. Guss-
erz im südöstlichen Niederösterreich sind Bronze verarbeitende
kuchen –, so verteilen sich diese Fundstücke, abgesehen von
Siedlungen v. a.durch die Ausgrabung in Prigglitz und Kienberg
einzelnen Fundkonzentrationen in eingetieften Hüttenbereichen
lung, das auf verarbeitende Werkstätten hinweist – neben den erwähnten Gussformen vorwiegend Gusszapfen und diver-
sowie durch Funde von der Flur Am Gelände bei Grünbach am
auf der oberen Holzwiese, gleichmäßig auf die gesamte Sied-
Schneeberg und von der Höhensiedlung Velem-Szentvid in Un-
lungsfläche. Befunde mit Öfen fehlen allerdings (Abb. 04_17).
garn belegt (siehe Kap. 7, Pkt. 7.2) .
Will man die erwähnten Fundverteilungen als Hinweis auf
Im nördlichen Niederösterreich liefern vor allem die ausgiebig
Bronzeschmelzanlagen interpretieren, so ergäbe sich, dass die
und mehrjährig untersuchten Höhensiedlungen wie Thunau am
Werkstätten im unmittelbaren Wohnbereich angesiedelt waren.
Kamp, Oberleiserberg und Stillfried an der March entsprechen-
In diesem Fall läge die Interpretation als Hauswerk nahe, wobei
des umfangreicheres Fundmaterial (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3). Aus
jede Familie ihre eigene kleine Werkstätte besaß. Dies schließt
Thunau am Kamp sind Steingussformen für Ringe (Abb. 04_16/1),
aber nicht aus, dass es für die Bronzeverarbeitung Spezialisten
eine Lanzenspitzengussform, zwei Formen für Tüllenbeile sowie
gegeben hat.
Tongussformen für die Produktion von kleinen Ringen erhalten (Abb. 04_16/2). 94
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
Abb. 04_15/1. Stillfried an der March, Tondüsenfragmente. Ab der Urnenfelderzeit waren Tondüsen, im Gegensatz zu den geraden Tondüsen der frühen Bronze zeit, knieförmig gebogene Tonröhren mit einigen Zentimetern Innendurch messer. In Kombination mit einer Blasbalganlage war damit erstmals ein kontinuierlicher Luftstrom gewährleistet, der die Sauerstoffzufuhr für das Erhitzen der Holzkohle und die Kontrolle der Temperatur verbesserte (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Abb. 04_15/2. Tondüse mit plastischer Verzierung in Aktion bei Versuchen des Forschungs zentrums HiMAT (Foto: U. Töchterle (2010), Inst. für Archäologien, FZ HiMAT, Univ. Innsbruck).
Möglicherweise wurde im Bereich der auf dem Oberleiserberg freigelegten gebrannten Tonplatten Metallverarbeitung durchgeführt.44 Von einem Ofen ist nur mehr der Rest der gebrannten Lehmplatte vorhanden. Der zweite Ofen ist dagegen relativ gut erhalten. Es handelt sich um einen Kuppelofen mit einer Grundplatte aus gebranntem Lehm. Man fand Reste der aufsteigenden Wandung und des Halses, durch den die Kuppel beschickt wurde (Längsdurchmesser, inkl. Halsbereich ca. 190 cm). Solche Kuppelöfen können sowohl zur Nahrungszubereitung als auch zur Keramikherstellung sowie zu Tätigkeiten in Zusammenhang mit Metallverarbeitung gedient haben. 44 Kern D. 2013.
95
4. Wohnen und Wirtschaften
Abb. 04_16/1. Thunau am Kamp, Steingussform für Ringe (Foto: IUHA)
Abb. 04_16/2. Thunau am Kamp, Stein- und Tongussformen: 1. und 2. Steinformen für Tüllenbeile – 3. Steinform für eine Lanzenspitze – 4. Tonformen zur Anfertigung kleiner Ringe. Sowohl die die gedrungene, kleine Form der Lanzenspitze als auch das Tüllenbeil mit Lappendekor und das Tüllenbeil mit Bogenverzierung sind charakteristische Vertreter der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur (Datierung: Ha B2–Ha B3) (Lochner 2018, Abb. 15).
2
1
4
3 96
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
Abb. 04_17. Thunau am Kamp, Kartierung von Gussresten: Gusszapfen, diverse Schmelzreste, Gusskuchen, Gussformen und Tonlöffel aus dem Bereich der Höhensiedlung (Grabung 1965–1990) (Lochner 2018, Abb. 16).
Bruchstücke von insgesamt sechs Tongussformen für Ringe, alle vom gleichen Typ, belegen die Tätigkeit eines Bronzegießers in der Siedlung. Eine Gussform (Abb. 04_18) konnte vollständig zusammengesetzt werden; sie hat eine Gesamtlänge von 27 cm. Die zu gießenden Ringe haben einen äußeren Durchmesser von 12,5 mm und eine Ringstärke von 1–1,5 mm. Dass alle Gussformenteile vom Oberleiserberg die gleiche Konstruktionsweise, Tonzusammensetzung sowie Ringgröße aufweisen, deutet auf eine zeitgleiche Serienproduktion hin. Die Gussformbruchstücke befanden sich im nordöstlichen Teil des Plateaus, großteils in der Schuttschicht des spätantiken Planierhorizonts, und waren zusammen mit vereinzelten urzeitlichen Scherben auf einer Fläche von ca. 10 m2 verstreut.45 Im Umfeld der Gussformen konnten unter den spätantiken Befunden zwei urzeitliche Ofenreste sowie in den gewachsenen Fels eingetiefte Gruben und Pfostenlöcher erkannt werden, die – nach den bisherigen Funden zu schließen – Siedlungsreste der Urnenfelderkultur darstellen. Ein Zusammenhang zwischen Öfen und Gussformen ist nicht zwingend, jedoch wird aus der Fundsituation zumindest angezeigt, dass es sich auch hier um einen handwerklichen Bereich handeln dürfte.
45 Lochner 2004, 103–106, Taf. 1.
Abb. 04_18. Oberleiserberg, vollständig erhaltene Tongussform zum Herstellen von kleinen Bronzeringen (Lochner 2004, Taf. 1/1).
97
4. Wohnen und Wirtschaften
4.3.2 Keramikherstellung Die Herstellung von Keramik benötigt, je nach angewendeter Technik der Tonaufbereitung, Tonlagerung, Form- und Trockenbereiche für ungebrannte Produkte sowie den Brandplatz selbst, ein vielfältiges Platzspektrum. Gruben oder Stellen, die zur Lagerung oder Aufbereitung von Ton verwendet wurden, sind bisher nicht nachgewiesen. Die Herstellung der Tonobjekte, mit Ausnahme großer Gefäße, benötigt kein besonderes Raumangebot. Für das Trocknen von Gefäßen oder Tonobjekten vor dem Brand konnte man freie Stellen innerhalb der Siedlung bzw. vor den Häusern nutzen. Grundsätzlich gibt es beim Brand von Keramik zwei unterschiedliche Arten, was sich auch in der Farbe der Oberfläche zeigt. Es handelt sich dabei um das reduzierende und das oxidierende Brennen, wobei Ersteres ohne Sauerstoffzufuhr Gefäße mit dunkler Oberfläche erzeugt und Letzteres mit Sauerstoffzufuhr rote bis braune Oberflächen zur Folge hat.
Abb. 04_19. Experimentelle Archäologie: Töpfern eines urzeitlichen Gefäßes (Foto: V. und L. Albustin).
Das Brennen der Keramik kann in einfachen Lagerfeuern, Gruben oder eigens dafür gebauten Brennöfen erfolgen. Brennöfen haben im Gegensatz zu den beiden anderen Arten den Vorteil, dass
aufbereitet, die Oberflächen hat man sorgfältig gestaltet und die
sowohl Brennatmosphäre – oxidierend oder reduzierend – als
Gefäße meist mit hoher Temperatur gebrannt. Dünnschliffe zei-
auch Brenntemperatur besser kontrolliert werden können. Ein-
gen, wie die Gefäße aufgebaut wurden, z. B. in Wulsttechnik oder
deutige Befunde von Brennöfen aus der späten Bronzezeit feh-
durch Aneinanderfügen von Tonstreifen oder -platten, und dass
len aus Niederösterreich bisher, doch aus Süddeutschland ken-
Magerungsmittel wie Sand, Quarzsteinchen, aber auch Grafit
nen wir den Befund eines Lochtennenofens mit zwei Kammern,46
(siehe Kap. 7, Pkt. 7.3.4) dem Ton zugesetzt wurden, um dessen
der zu seiner Zeit sicher die neueste Technologie repräsentier-
Eigenschaften zu beeinflussen. Form und Herstellungsweise der
te. Auch das Vorhandensein von Fehlbränden – d. h. Gefäßen,
Gefäße sprechen in der Bronzezeit für eine Herstellung im Be-
die beim Brand zersprangen oder beschädigt wurden – zeigt an,
reich des Haushandwerks.
dass und wo in der betreffenden Siedlung Keramik hergestellt
Im Gegensatz zu den Werkzeugen und Geräten zur Produktion
wurde.
von Bronzeobjekten sind die Geräte, die zur Herstellung von
Im Gegensatz zum Werkstoff Bronze, dessen Rohstoffe Zinn und
Keramik verwendet wurden, meist unscheinbar. Vor allem zur Be-
Kupfer nicht überall vorhanden waren, ist Ton zur Herstellung
arbeitung bzw. Glättung der Oberfläche fanden Kiesel, Muschel-
von Keramikgefäßen praktisch überall verfügbar. Die erste Ver-
schalen und vergängliche Holzgegenstände Verwendung. Sehr
wendung von gebranntem Ton reicht bis in die jüngere Altstein-
selten finden sich Reste solcher Werkzeugsätze auch in Gräbern
zeit zurück. Dabei handelt es sich um kleine Tier- und Menschen-
oder Keramikdepots, wie die Glättsteine aus dem Keramikdepot
figuren.
Die Herstellung von Gefäßen aus Ton ist in unserem
von Drösing.48 Verzierungen wie Kanneluren, Ritzlinien und
Raum seit der ersten Hälfte des 6. Jahrtausends nachgewiesen.
Einstempelungen wurden mit Hilfe von Holzstöckchen oder Kno-
47
Die Keramikproduktion hatte in der Bronzezeit somit eine lan-
chen hergestellt. Die auf Töpfe zur besseren Handhabung aufge-
ge Tradition. In der Urnenfelderzeit wurden nicht nur Gefäße aus
legten Leisten wurden mit Fingertupfen oder Fingernagelkerben
Ton geformt, sondern z. B. auch Spinnwirtel, Webgewichte und
versehen. Diese Leisten, aber auch Knubben und Henkel wurden
Gussformen, um nur einige weitere Objekte zu nennen.
auf die Gefäßwand angarniert, also aufgeklebt und nicht aus ihr
Die urnenfelderzeitliche Gefäßkeramik ist handgeformt und
herausgearbeitet. Dies zeigt sich besonders deutlich dort, wo
überwiegend von hoher Qualität (Abb. 04_19). Der Ton wurde gut
die Leisten, Knubben oder Henkel abgeplatzt sind.
46 Pressmar 1979. 47 Budja 2013, Fig. 2.
98
48 Draganits 1994.
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
Aufbereitung
Spinnen
Weben
Nähen
Färben
Produktionsmittel: Rohmaterial Wolle und Flachs
Produktionsmittel: aufbereitetes Rohmaterial
Produktionsmittel: Fadenmaterial spezialisiertes Know-how
Produktionsmittel: Stoffe Fadenmaterial Bänder
Produktionsmittel: Färbematerial Wasser Feuer, Holz
Werkzeuge: Hechelbrett Wollkarde Kämme
Werkzeuge: Spindel (Holzstab, Wirtel) Spinnrocken
Werkzeuge: Webstuhl (Gewichte, Rahmengestell) Webschwert Bandwebgerät Webbrettchen
Werkzeuge: Nähnadel Messer
Werkzeuge: Gefäße
Produkte: vorbereitetes Vlies Kammzug Flachsstränge
Produkte: Garne Zwirne
Produkte: Flächengewebe Bänder
Produkte: genähte Kleidung andere Objekte (z. B. Fördersäcke)
Produkte: gefärbtes Vlies gefärbtes Garn gefärbte Gewebe
Abb. 04_20. Einzelne Schritte in der bronze und hallstattzeitlichen Gewebeherstellung (dazu Abb. 04_12) mit den benötigten Produktionsmitteln und Werkzeu gen sowie der Halbfertig- und Fertigprodukte (vereinfacht) (Grafik: K. Grömer).
4.3.3 Textilherstellung Die Erhaltungsbedingungen für Textilien sind auf niederöster-
Fundlage und somit die Verwendung dieser golddurchwirkten
reichischen Fundstellen, bei denen es sich im überwiegenden
Textilien.51
Maße um Trockenbodenfundstellen handelt, schlecht. Textilien
Funde aus Nachbarregionen belegen, dass am Ende der Bronze-
brauchen, damit sie nicht vergehen, besondere Bedingungen –
zeit Wolle und Flachs verarbeitet wurden.52 Aus Flachs stellte
das kann die Konservierung durch Salz, die Ablagerung im
man Schnüre, Seile, Geflechte und Netze, aber auch Kleidung
Feuchtboden, in Mooren, in Baumsärgen oder im Eis sein. Wenn
her.53 Die gewebten Stoffe wurden im Laufe der Bronzezeit immer
sie in Trockenböden erhalten bleiben, dann nur in zumeist sehr
kunstfertiger und vielfältiger. Ab der Mittelbronzezeit fertigte
kleinen Resten, wie z. B. durch Verkohlung oder Inkohlung sowie
man die Leinwandbindung, durch Panama- und Köperbindung
als Korrosionsprodukte an Metallgegenständen.
ergänzt, sowie Gewebe mit Spinnrichtungsmustern an.54 Eine
49
Die einzigen derzeit bekannten urnenfelderzeitlichen Textilreste
weitere Neuerung ab der Mittelbronzezeit ist das Färben von Tex-
aus Niederösterreich stammen aus Gräbern von Vösendorf. Sie
tilien (z. B. mit Färberwaid).55 Dies steht vermutlich auch im Zu-
datieren in die Stufe Ha A und somit in den älteren Abschnitt
sammenhang mit der zunehmenden Verwendung von Wolle, da
der Urnenfelderzeit. Aus Grab 2 blieb der Rest eines sehr fein
sich diese im Gegensatz zu Pflanzenfasern sehr gut zum Färben
gearbeiteten Textils in Panamabindung als Korrosionsprodukt
eignet.56 Außer den gefärbten Textilen selbst haben wir keinen
an einem bronzenen Armreif erhalten.
Hinweis auf das Färben. Färben konnte man sowohl das Vlies als
50
Aus weiteren drei Grä-
bern stammen Goldfäden, die wohl ebenfalls von Textilien stammen. Die Aufzeichnungen über die während des Zweiten Weltkriegs geborgenen Gräber geben leider keinen Hinweis auf die
51 Talaa 1991, Abb. 33; Grömer 2010, Abb. 96. 52 Grömer 2006, 57. 53 Harris 2014, 3 und 6. 54 Grömer/Bender/Jørgensen 2013, 96.
49 Grömer 2010, 30–41.
55 Hofmann-de Keijser, Abb. 74.
50 Grömer/Mehofer 2006, 59–61.
56 Grömer 2014, 6.
99
4. Wohnen und Wirtschaften
Abb. 04_21. Auswahl an Spinnwirteln sowie scheiben-, ring- und kegelstumpfförmigen Webgewichten aus Thunau am Kamp und Unterradlberg (Foto: G. Gattinger/ IUHA (1, 4), N. Sauter/IUHA (3), A. Schumacher/NHM Wien (2).
sern58 und ihre Bruchstücke in vielen Abfallgruben finden, meist über die ganze Siedlungsfläche verstreut (Abb. 04_22). In seltenen Fällen sind Reihen von Webgewichten in Hausbefunden erhalten, die als Bestandteile von Webstühlen interpretiert werden können. Sie ermöglichen eine Rekonstruktion
auch das Garn sowie das ganze Textil – je nachdem waren unter-
des Webstuhls.
schiedlich große Behälter für den Färbevorgang notwendig. Wie an den Geweben feststellbar ist, schnitt man in der Urnenfelder-
Haus mit Webstuhl
zeit bereits Stoffe zu, verarbeitete die entstandenen Teile weiter
Vom terrassierten Nordhang der Anlage von Thunau am Kamp
und nähte sie z. B. zu Kleidung zusammen.57
sind Teile eines Hauses mit einem durch Brand zerstörten Web-
Die Herstellung von Textilien zählte zu den zeitintensivsten Tätig-
stuhl erhalten (Abb. 04_23).59
keiten eines bronzezeitlichen Haushaltes. Man muss bedenken,
Vom rechteckigen Hausgrundriss ist eine Seite mit seiner Ge-
dass sie nicht erst mit dem Spinnen der Fäden begann, sondern
samtlänge (3,5 m) erhalten. In den beiden Ecken befinden sich
bereits mit dem Anbau der Faserpflanzen bzw. der Aufzucht der
mit dunkelgrauer Erde verfüllte Pfostenlöcher, die mit größeren
Schafe. Danach musste man die Pflanzen pflegen, ernten und
Steinen umstellt waren. Die Süd- und die Ostkante des Haus-
aufbereiten. Ebenso mussten die Schafe betreut und deren Haa-
bodens sind in den ockergelben, sterilen Verwitterungslehm
re ausgerauft werden; erst ab der Latènezeit (ca. 400 v. Chr. bis
eingetieft, an der Außenkante schließt sich vermutlich der Rest
15 v. Chr. Geb.) wurden Schafe mit Scheren geschoren. Erst nach
eines Backofens an (siehe auch Pkt. 4.1.1). Der Verlauf der Nord-
Gewinnung der verarbeitungsfähigen Fasern konnte man mit
kante ist infolge frühmittelalterlicher Störungen bzw. Überbau-
dem Spinnen beginnen (Abb. 04_20).
ungen unklar. Im Inneren des Hauses lagen ca. 40 cm von der
An Geräten im Bereich der Textilherstellung und -verarbeitung
Ostwand entfernt eine große Anzahl Webstuhlgewichte in unge-
kennen wir Spinnwirtel und Webgewichte, beides überwiegend
störter Lage. Es handelt sich um 38 scheiben- und ringförmige
aus Ton, sowie Nähnadeln aus Bronze, vereinzelt auch Tonspulen.
Gewichte aus Ton in Reihen (Abb. 04_24).
Spinnwirtel und Webgewichte bzw. deren Bruchstücke fin-
Von Ingrid Schierer60 wurden – aufgrund der Lage der Webge-
den sich in großer Anzahl in urnenfelderzeitlichen Siedlungen
wichte – in Versuchsanordnungen verschiedene Bedingungen
(Abb. 04_21). Die Spinnwirtel sind meist konisch oder doppel-
der Zerstörung des Webstuhls simuliert. Außerdem versuchte
konisch. Bisweilen sind sie durch Eindrücke oder Kanneluren
sie, auf die verwendete Bindungsart des produzierten Gewebes
verziert. Die Webgewichte sind meist ringförmig oder scheiben-
zu schließen. Das Haus mit dem Webgerät brannte vermutlich ab,
förmig. Bei den scheibenförmigen Webgewichten kann die Lo-
es fanden sich allerdings keine Brandschichten. Die Gewichte
chung zentral oder dezentral angebracht sein. Es finden sich
fielen zu Boden, als die Kette Feuer fing. In der Folge wurden die
auch pyramiden- oder kegelstumpfförmige Webgewichte.
ursprünglich nur luftgetrockneten Lehmgewichte zu Keramik ge-
Nicht außer Acht lassen darf man auch, dass für das Spinngut
brannt. Die Versuchsergebnisse deuten darauf hin, dass ein Ge-
eine geeignete Lagerungsmöglichkeit vorhanden gewesen sein
webe in Köperbindung, bei dem vier Litzenstäbe Verwendung
muss. Man geht davon aus, dass in der Bronzezeit Textilien im
fanden, gewebt wurde.
Haushandwerk hergestellt wurden, da sich in den Siedlungen Spinnwirtel und Webgewichte in vielen Überresten von Häu-
58 Grömer 2013, 95. 59 Lochner 2017.
57 Rösel-Mautendorfer 2010, 213.
100
60 Schierer 1987; Schierer 2005.
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
Abb. 04_22. Thunau am Kamp, Kartierung von Webgewichten aus dem Bereich der Höhensiedlung (Grabung 1965–1990) (Lochner 2018, Abb. 14).
Abb. 04_23. Thunau am Kamp, Schnitt 92, Hausbefund mit Webgewichten (Lochner 2018, Abb. 13).
101
4. Wohnen und Wirtschaften
Kette bei freihängenden Litzenstäben
Webbreite ca. 1 Meter
Kette bei eingehängten Litzenstäben
10-13 Fäden pro cm drehbarer Warenbaum
1. Litzenstab 2. Litzenstab 3. Litzenstab 4. Litzenstab
Die Entfernung der Gewichte von der Wand (=Verfärbungsgrenze) entspricht etwa dem Grabungsbefund
Abb. 04_24. Thunau am Kamp, Rekonstruktion des Webstuhls aus Schnitt 92, vierschäftig, Darstellung in vereinfachtem Auf- und Seitenriss (Schierer 1987, Abb. 26).
werden beim Gewichtswebstuhl am Kettbaum angehängt und durch die Webgewichte beschwert und straff gehalten. Köperbindung: Bindungsart eines Gewebes, bei der die Zahl der jeweils überbrückten Fäden variiert wird. Hergestellt werden die-
Glossar: Textilherstellung 61
se Gewebe am Gewichtswebstuhl mit mehreren
Litzenstäben.
Leinwandbindung: einfachste Bindungsart eines Gewebes, bei
Bindungen: ein bestimmtes System der Verkreuzung von Schuss-
der die Fäden einander im gleichbleibenden Rhythmus kreu-
und Kettfäden bei Geweben. Die in der Urgeschichte vorkom-
zen. Jeder Kettfaden liegt abwechselnd über bzw. unter dem
menden Grundbindungsarten sind Leinwandbindung, Pana-
Schussfaden.
mabindung und Köperbindung mit verschiedenen Varianten.
Litzenstab (Schaft): Vorrichtung zum Heben und Senken der
Drehrichtung: Bei Garnen und Zwirnen wird die Drehrichtung mit
Kettfäden, um ein Webfach zu bilden. Beim Gewichtsweb-
den Buchstaben S oder Z bezeichnet, je nachdem, ob bei senk-
stuhl ist das der Stab, an dem die Kettfäden mittels eines Hilfs-
recht gehaltenem Faden die Fasern in Richtung des Schrägs-
fadens (Litze) befestigt sind. Für Leinwandbindung ist beim
trichs der Buchstaben S oder Z verlaufen. Die Drehrichtung bei
Gewichtswebstuhl ein einzelner Litzenstab notwendig, für
Garnen wird mit s und z, bei Zwirnen mit S und Z gekennzeichnet.
Köperbindung sind es mindestens drei.
Garn: gesponnene Einzelfäden, je nach Drehrichtung s- oder
Panamabindung: Gewebebindung ähnlich der Leinwandbin-
z-Garn.
dung, doch kreuzen sich jeweils zwei Fäden, wodurch sich ein
Kette: die Gesamtheit der Fäden ( Kettfäden), die bei der Her-
würfelartiges Aussehen ergibt.
stellung eines Gewebes in Längsrichtung verlaufen. Kettfäden
Schuss: der Eintrag beim Weben – die Gesamtheit der Fäden ( Schussfäden), die bei der Herstellung eines Gewebes in Quer-
61 Nach Grömer 2010, 75, 424–428.
102
richtung von einer Seitenkante zur anderen liegen.
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
Spinnrichtungsmuster: Muster mit abwechselnder Verwendung
vielen Bauhölzer, Möbel, Holzgefäße und Löffel, Flöten, Griffe
von verschieden gedrehten (s- und z-) Garnen. Seine Wirkung
und Futterale von Werkzeugen und Waffen oder die Körbe, Tragen
beruht darauf, dass s- und z-Garne das auf sie fallende Licht un-
und Reusen, die aus z. B. Weidenruten hergestellt wurden, um
terschiedlich reflektieren und sich so im Gewebe Ton in Ton ein
nur eine kleine Auswahl anzuführen.
feines Streifenmuster abzeichnet.
Nicht zuletzt bestehen auch Gebäude, bei deren Errichtung viele
Webfach: Abstand zwischen Kettfäden, in den die Schuss-
Materialien – darunter Stein, Lehm, Bast, Stroh und Schilf –
fäden eingelegt werden. Zur Fachbildung wird mit diversen Hilfs-
zum Einsatz kamen68, zum größten Teil aus Holz (siehe Kap. 3,
mitteln, z. B. einem Litzenstab, ein Teil der Fäden angehoben
Pkt. 3.1.1). Wie groß der Arbeitsaufwand und der logistische
und gesenkt.
Aufwand bei der Errichtung eines Gebäudes waren und wie viele
Zwirn: zwei oder mehrere zusammengedrehte Garne, je nach
Menschen dafür benötigt wurden, lässt sich bei der Errichtung
Drehrichtung S- oder Z-Zwirn.
experimenteller Nachbauten bzw. Architekturmodelle ermitteln.69 Im Unterschied zu heute verarbeiteten die Menschen in der Steinzeit und auch der Bronzezeit grünes, frisch gefälltes
4.3.4 Holzverarbeitung
Holz – vor allem bei der Verwendung von Eiche als Bauholz –, um die Werkzeuge zu schonen und den Arbeitsaufwand gering zu halten. Spätestens ab dem Beginn der Urnenfelderzeit lassen
Bereits in der Altsteinzeit zählte Holz zu den wichtigsten Rohstof-
optimaler Werkzeuggebrauch und neue Werkzeugtypen auf eine
fen, wenn es nicht sogar der wichtigste war. Doch bleibt von der
Spezialisierung in diesem Handwerk schließen.70
Holzgewinnung und -verarbeitung in unseren Breiten unter ge-
Bearbeitungsspuren an den Gegenständen und Konstruktions-
wöhnlichen Umständen meist nur das verwendete Werkzeug er-
hölzern ermöglichen ein Nachvollziehen der Herstellung und Er-
halten. Äxte, Beile, Dechsel und Stemmbeitel sind häufig in der
kennen der verwendeten Werkzeuge. Einen kleinen Einblick in
Urzeit nachgewiesene Geräte. In der Bronzezeit wurden sie über-
die bronzezeitliche Holztechnologie im heutigen Niederöster-
62
wiegend aus Metall hergestellt, nachdem sie in der Jungstein-
reich erlauben die bei Rettungsgrabungen gefundenen Brunnen
zeit aus Felsgestein bzw. Knochen und Geweih gefertigt worden
aus Pixendorf (siehe Kap. 3, Pkt. 3.1.2).
waren. Die unterschiedliche Schäftung machte gleich geformte
Bisweilen bleiben im Trockenboden Holzteile in verkohltem Zu-
Klingen zu unterschiedlichen Werkzeugen. So kann z. B. ein Rand-
stand erhalten, wie z. B. Teile der Wallkonstruktion in Stillfried
leistenbeil als Beil, aber auch als Dechsel oder Stemmbeitel
an der March und Thunau am Kamp (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3). Meist
geschäftet und verwendet werden.63
jedoch zeigen nur dunkle Verfärbungen das ehemalige Vorhan-
Direkte Nachweise der Holzverarbeitung in Form ihrer Werk-
densein von z. B. Holzeinbauten in Gräbern. Sonst sind Nach-
stücke bleiben nur in feuchtem Milieu erhalten, z. B. in Mooren,
weise von Holzobjekten aus der Urnenfelderzeit in Niederöster-
Seeufersiedlungen und im Bereich des Grundwasserspiegels
reich rar und nur indirekt, z. B. durch erhaltene Bronzebeschläge,
sowie im Eis oder Salz. Als Beispiele können hier die hölzernen
nachweisbar (siehe Kap. 9, Pkt. 9.2.4 und 9.3.3).
Gefäße und Werkzeuge aus den Pfahlbauten der Schweiz64 und
Wie bei der Textilerzeugung darf auch hier nicht vergessen wer-
Norditaliens65 angeführt werden oder die Kienspäne und die
den, dass die Holzgewinnung nicht erst mit der Bearbeitung
Stiege aus dem Salzbergwerk von Hallstatt66. Auch in den erhal-
des Rohmaterials begann, sondern bereits im Wald, wenn der
tenen Baumsärgen aus Nordeuropa finden sich Gegenstände
Baum oder der Baumteil ausgewählt wurde, der verarbeitet wer-
aus organischen Materialien, darunter hochwertige Objekte aus
den sollte. Die Form der im Bergwerk von Hallstatt gefundenen
Holz wie z. B. Spanschachteln und Klappstühle. All diese Funde
Pickelschäftungen legt die Vermutung nahe, dass Äste bzw. Ast-
belegen, wie wichtig Holz als Rohstoff war, wie vielfältig es ver-
gabelungen schon am Baum während seines Wachstums gezielt
wendet wurde und wie wenig von der ehemals vorhandenen Sach-
in die benötigte Form gebracht wurden.71 Wir müssen also von
kultur im normalen archäologischen Befund im Trockenboden
einer vorausplanenden Waldnutzung bzw. -bewirtschaftung aus-
Niederösterreichs erhalten ist. So fehlen in unserer Region die
gehen. Holzartenbestimmungen zeigen, dass die bronzezeit-
62 Weiner 2003, 407.
schaften der verschiedenen Hölzer Bescheid wussten und ihr
67
63 Lobisser 2014, 102. 64 Eberli/Leuzinger/Schlichterle 2016, 352–355.
lichen Handwerker sehr gut über die unterschiedlichen Eigen68 Lobisser 2014, 86.
65 Baioni 2016, 228–231.
69 z. B. Lobisser 2014.
66 Reschreiter/Kowarik 2008.
70 Lobisser 2014, 115.
67 Fabian 2010.
71 Freundliche Mitteilung H. Reschreiter.
103
4. Wohnen und Wirtschaften
Rohmaterial danach auswählten, wie z. B. Eibenhölzer für die Anfertigung von Bögen72 oder Ahornholz für Schalen und Tassen.73
4.3.5 Verarbeitung von tierischen Rohstoffen – Knochen, Geweih, Horn, Haut und Fell Knochen, Zähne, Geweih und Horn waren auch in der Urnenfelderzeit begehrte Rohstoffe für die Anfertigung von Geräten, Werkzeugen, Waffen und Kleidungsbestandteilen sowie Schmuck (siehe Kap. 6, Pkt. 6.6). Felle und Häute wurden zu Kleidung, Schuhen und Säcken verarbeitet. Räume und Bereiche, die man diesen Tätigkeiten zuweisen kann, sind kaum bekannt. Lediglich die Herstellung von Objekten aus Tierknochen oder Geweih lässt sich bisweilen vermuten, wenn
Abb. 04_25. Thunau am Kamp, Knochenpfeilspitze, Altfund Museum Horn, Inv.-Nr. 1936, Länge ca. 8 cm) (Foto: G. Gattinger/IUHA).
Rohmaterialstücke und Halbfertigprodukte in bestimmten Bereichen einer Siedlung konzentriert sind.
produziert wurden, wohingegen Spezialisten die aufwendig her-
Bei den Geräten und Werkzeugen aus Knochen und Geweih
zustellenden Geräte und Trensenknebel anfertigten.77
handelt es sich einerseits um explizit als Geräte hergestellte
Die aus Horn hergestellten Gegenstände wie z. B. Perlen und an-
Typen wie Knochenhämmer, Ahlen oder Pfrieme, andererseits
derer Schmuck blieben in unseren Breiten üblicherweise nicht
aber auch um als Ad-hoc-Werkzeuge bezeichnete Stücke, die
erhalten, doch aus den Baumsärgen Skandinaviens sind z. B.
aus Knochensplittern angefertigt wurden und meist nur an ih-
sorgfältig hergestellte Kämme überliefert.78
rer Arbeitskante erkennbar sind (siehe Kap. 6, Abb. 06_26). Die
Häute und Felle, ungegerbt oder zu Leder und Pelzen veredelt,
Gebrauchsspurenanalyse dieser Arbeitskanten konnte eine Viel-
verarbeitete man zu Kleidung, Kopfbedeckungen und Schuhen,
zahl unterschiedlicher Tätigkeiten wie Schaben oder Schnei-
aber auch Gurten, Behältern – wie Säcken oder Taschen – sowie
den nachweisen, die mit Hilfe dieser Geräte ausgeführt wurden.
Schilden. Da die Werkstücke meist vergangen und nur unter be-
Außer den Werkzeugen und dem Schmuck finden sich auch
sonderen Bedingungen erhalten sind und Werkzeuge zu ihrer Be-
Waffen bzw. ihre Bestandteile, die aus Knochen oder Geweih
arbeitung nur selten nachweisbar sind oder als solche erkannt
hergestellt wurden, wie z. B. Pfeilspitzen. Ihre besondere Form,
werden,79 wissen wir nur wenig über die Lederverarbeitung im
teilweise mit langem Stiel, und ihr Nachweis bis in die ältere
heutigen Niederösterreich während der Urnenfelderzeit. Breite,
Eisenzeit lassen eine besondere Funktion möglich erscheinen.
halbmondförmige Messer, meist als Rasiermesser angespro-
Während sie auf urnenfelderzeitlichen Fundstellen in Nieder-
chen, werden auch immer wieder mit der Lederverarbeitung in
österreich nur vereinzelt auftreten (Abb. 04_25) , sind sie in
Verbindung gebracht.80 Gebrauchsspurenanalysen an Knochen-
der Lausitzer Kultur Polens und Mitteldeutschlands häufig und
geräten aus Rippen und Kieferbruchstücken z. B. aus Ungarn
wurden dort auch in Gräber mitgegeben.
haben gezeigt, dass sie zum Abschaben von Häuten verwendet
74
75
76
Werkstücke aus Knochen und Geweih können mit Kreisaugen
wurden. Bei einigen Pfriemen konnte festgestellt werden, dass
oder Mäandern verziert sein, wie es vor allem von Pferdetrensen
sie zur Durchlochung von Häuten oder Leder dienten.81
und Geweihhämmern bekannt ist (siehe Kap. 11, Abb. 11_25).
Auch wenn Schuhe der Urzeit nur unter besonderen Umstän-
Ähnlich wie bei der Metallverarbeitung kann man davon aus-
den wie z. B. in Salzbergwerken erhalten sind82, kennen wir
gehen, dass die meisten der einfachen Werkzeuge im Haushalt
urnenfelderzeitliche Schuhgefäße und Schuhmodelle aus Ton
72 Junkmanns 2001, 17. 73 Baioni 2016, Abb. 228. 74 z. B. Grab 11 von Grafenwörth, Lochner 1988, 99–100 und Abb. 12. 75 Thunau am Kamp: Wewerka 2001, 54, Taf. 135/15, 146/1; Kern D. 2001, 71, Taf. 97/4; Lochner/Kern D. 2016 (Altfund Mus. Horn, Daten bank Inv.-Nr. 1936); Stillfried an der March: Willvonseder 1931, Abb. 2. 76 Siedlungen: z. B. Baron/Diakowski/Stolarczyk 2016, 32 (eisenzeitlich); Gräber: z. B. Beran/Grothe 2011, 223 und Abb. 11.
104
77 Sofaer/Bender Jørgensen/Choyke 2013, 485, Fig. 26.5. 78 Fabian 2010, Abb. 4 und 6. 79 Ruß-Popa 2011, 43–44, 47, 83, 107–119. 80 Mauch 2004, 122; Ruß-Popa 2011, 96. 81 Sofaer/Bender Jørgensen/Choyke 2013, 428–429. 82 Barth 1992; Ruß-Popa 2011, 123–126.
4.3 Haushandwerk und spezialisiertes Handwerk
von Süd- und Mitteldeutschland83 über Ungarn84 bis Rumänien85.
Interessant ist auch die Verwendung von Silexpfeilspitzen in der
Im Unterhautzenthal fand sich in einer urnenfelderzeitlichen
Urnenfelderzeit, die eindeutig durch ihr Vorkommen auf dem
Grube ein Gefäß in Form eines rechten Schuhs (siehe Kap. 11,
urnenfelderzeitlichen Schlachtfeld im Tollensetal belegt ist (sie-
Abb. 11_37).86 Die Rillen im Schaftbereich und der Faltenwurf im
he Kap. 8).93 Wie bei den oben erwähnten Beinpfeilspitzen schei-
Fuß- und im Zehenbereich werden als Verschnürung gedeutet.87
nen sie wegen ihrer besonderen Eigenschaften geschätzt worden
Das unstratifizierte Schuhmodell aus dem Bereich der urnenfel-
zu sein, sodass sie durch die Bronzepfeilspitzen nicht vollstän-
derzeitlichen Höhensiedlung von Thunau zeigt einen Schnabel-
dig verdrängt wurden. Ihre Verwendung könnte aber auch durch
schuh mit eingezogener Sohle ohne weitere Details.
einen Mangel an Bronze erklärt werden.
88
4.3.6 Steinverarbeitung Auch Felsgestein und Silex waren in der Urnenfelderzeit noch begehrte Rohstoffe für eine Vielzahl von Geräten des täglichen Gebrauchs. In Gräbern finden sich diese Gegenstände allerdings nur äußerst selten. Zu den wenigen Ausnahmen gehören die sogenannten Pfeilschaftglätter in Männerbestattungen, wie sie z. B. aus Bayern bekannt sind.89 Allerdings wurden diese bisher in Niederösterreich noch nicht nachgewiesen. Im Gegensatz dazu findet man in den Siedlungen Mahl- und Schlagsteine, Glättsteine für unterschiedliche Tätigkeiten, wie z. B. das Glätten der Gefäßoberflächen90 oder von Geweben, sowie Kissensteine und Gussformen für die Metallverarbeitung. Auch Beile und Äxte aus Felsgestein sowie Werkzeuge aus Silex werden in urnenfelderzeitlichen Siedlungsgruben immer wieder gefunden.91 Da sich die Äxte und Beile typologisch nicht von neolithischen Stücken unterscheiden, ist unklar, ob sie auch tatsächlich noch in der Urnenfelderzeit hergestellt wurden, wie einige Forscher annehmen92, oder ob es sich um aufgelesene und wiederbenutzte Altstücke handelt. Wie weit die Nutzung von Werkzeugen aus Silex der Verfügbarkeit an metallischen bzw. mineralischen Rohstoffen oder den einheimischen Traditionen abhängig war, lässt sich nur schwer abschätzen. In manchen Gebieten wie in der Lausitzer Kultur belegen Schnittspuren an Tierknochen, die von Silexwerkzeugen stammen, ihre Nutzung bis in die ältere Eisenzeit. 83 z. B. Buckel 2008, 90–92; Coblenz 1976, Abb. 3/3. 84 z. B. Kalicz-Schreiber 1991, z.B. Abb. 13/2. 85 z. B. Kacsó 2004, 335 und Abb. 7/6. 86 Lauermann 1991, 30. 87 Ruß-Popa 2011, 97. 88 Kern D. 2001, 33, Tafel 260/13. 89 z. B. Krämer 1952, 267, Abb. 6/20; Schütz 2004, 44 und Abb. 42. 90 Draganits 1994. 91 Dietrich/Tron 2002; Blesl/Preinfalk 2007, 32. 92 Fogel 1981 nach Schmalfuß 2008, 13.
93 Lidke/Terberger/Jantzen 2015, Abb. 4 und 339.
4.4 Literatur Adámek 1961: F. Adámek, Pravěké hradisko u. Obřan, Monografickè Práce Moravckého Muzea v. Brné I (Brno 1961). Allison 1999: P. M. Allison (Hrsg.), The Archaeology of Household Activities (London/New York 1999). Angeli 1960: W. Angeli, Urnenfelderfunde aus Niederösterreich und Wien, MAG 90 (Wien 1960), 115–117. Antl-Weiser 2014: W. Antl-Weiser, Die Definition und Entwicklung von „Arbeit“ im Paläolithikum, MAG 144 (Wien 2014), 1–12. Baioni 2016: M. Baioni, Fantastische Holzerhaltung. In: Landesmuseum Baden-Württemberg und Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), 4.000 Jahre Pfahlbauten (Stuttgart 2016), 228–231. Baron/Diakowski/Stolarczyk 2016: J. Baron/M. Diakowski/ T. Stolarczyk, Bone and antler artefacts from an 8-5th century BC settlement at Grzybiany, South-Western Poland. In: S. Vitezović (Hrsg.), Close to the bone: current studies in bone technologies (Belgrade 2016), 28–47. Barth 1992: F. E. Barth, Prähistorisches Schuhwerk aus den Salz bergwerken Hallstatt und Dürrnberg/Hallein, UPA 8 (Bonn 1992), 25–35. Bender Jørgensen 2012: L. Bender Jørgensen, Introduction to Part II: technology as practice. In: M. L. St. Sǿrensen/K. RebaySalisbury (Hrsg.), Embodied Knowledge. Perspectives on belief and technology (Oxford 2012). Beran/Grohte 2011: J. Beran/A. Grohte, Der neolithische und bronze zeitliche Kult- und Bestattungsplatz Dyrotz 40, Landkreis Havelland, Land Brandenburg. Erweiterter Vorbericht zu den Rettungsgrabungen 1997 bis 2004. In: H.-J. Beier/R. Einicke/ E. Biermann (Hrsg.), Dechsel, Axt, Beil & Co. – Werkzeug, Waffe, Kultgegenstand? Beiträge der Tagung der Arbeitsgemeinschaft Werkzeuge und Waffen im Archäologischen Zentrum Hitzacker 2010 und Aktuelles aus der Neolithforschung, Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 63: Varia Neolithica 7 (Langenweissbach 2011), 211–228. Berg 1962: F. Berg, Das Flachgräberfeld der Hallstattkultur von Maiersch, VUAG 4 (Wien 1962).
105
4. Wohnen und Wirtschaften
Blesl/Preinfalk 2007: Ch. Blesl/F. Preinfalk, KG Paudorf, MG Paudorf, VB Krems, FÖ 45/2006, 2007, 31–32. Budden 2008: S. Budden, Skill amongst the Sherds: Understanding the role of skill in the Early to Late Middle Bronze Age in Hungary. In: I. Berg (Ed.), Breaking the Mould: Challenging the Past through Pottery, Prehistoric Ceramics Research Group: Occasional Paper 6, (Oxford 2008), 1–17. Budden/Sofaer 2009: S. Budden/J.Sofaer, Non-Discursive Knowledge and the Construction of Identity. Potters, Potting and Perfor mance at the Bronze Age Tell of Százhalombatta, Hungary, Cambridge Archaeological Journal 19/2, 1–18. Buckel 2008: I. Buckel, Beigaben mit Kult- und Amulettcharakter in bronze- und urnenfelderzeitlichen Grabfunden Bayerns. In: Festgabe 40 Jahre Lehrstuhl für Vor- und Frühgeschichte der Universität Regensburg 1968–2008, Regensburger Beiträge zur Prähistorischen Archäologie 20 (Regensburg 2008), 71–293. Budja 2013: M. Budja, Potters and Pots in the Mesolithic-Neolithic Transformation in Southeastern Europe. In: A. Anders/G. Kulcsár/G. Kalla/V. Kiss/G. V. Szabó (Hrsg.), Moments in Time. Papers Presented to Pál Raczky on His 60th Birthday, Ősrégészeti Tanulmányok / Prehistoric Studies 1 (Budapest 2013), 61–83. Coblenz 1976: W. Coblenz, Ein Trinkhornbeschlag aus Hahnefeld, Kreis Oschatz, ArchA Beiheft 13/14, Festschrift für Richard Pittioni zum siebzigsten Geburtstag (Wien 1976), 349–361. Costin 1991: C. L. Costin, Craft Spezialication: Issues in Defining, Documenting, and Explaining the Organization of Production. In: M. B. Schiffer (Hrsg.), Archaeological Method and Theory (Tucson 1991).
Eibner C. 1976: C. Eibner, Eine späturnenfelderzeitliche Grube un ter den Aufschüttungen des Westwalles von Stillfried, FIST 2 (Wien 1976), 70–85. Fabian 2010: O. Fabian, Holz-, Horn-, Bernstein- und Lederhandwerker und deren Gerätschaften in der älteren Bronzezeit Skandinavi ens und Schleswig-Holsteins. In: B. Horejs/T. L. Kienlin, Siedlung und Handwerk. Studien zu sozialen Kontexten in der Bronzezeit, Beiträge zu den Sitzungen der Arbeitsgemein schaft Bronzezeit 2007 und 2008, UPA 194 (Bonn 2010), 331–345. Fischl/Kiss/Kulcsár: K. Fischl/V. Kiss/G. Kulcsár, Beiträge zum Gebrauch der tragbaren Feuerherde (Pyraunoi) im Karpatenbecken II. (Spätbronzezeit-Früheisenzeit). In: K. Kacsó (Hrsg.), Der Nord karpatische Raum in der Bronzezeit, Symposium Baia Mare, 7.–10. Oktober 1998 (Baia Mare 2001), 125–156. Fogel 1981: J. Fogel, Broń ochronna i okazjonalnaludności kultury luźyckiej w dorzeczu Odry i Wisly [Schutz- und Gelegenheits waffen der Bevölkerung der Lausitzer Kultur im Oder- und Weichselflussgebiet], Archeologia Polski 26, 1981, 147–191. Girtler 1970: R. Girtler, Ein urnenfelderzeitlicher Verwahrfund aus Schiltern, p.B. Korneuburg, G.B. Langenlois, NÖ, ArchA 48, 1970, 1–7. Grömer 2006: K. Grömer, Textilien der Bronzezeit in Mitteleuropa, ArchA 90, 2006, 31–72. Grömer 2010: K. Grömer, Prähistorische Textilkunst in Mitteleuropa. Geschichte des Handwerkes und der Kleidung vor den Römern, Veröffentlichungen der Prähistorischen Abteilung 4 (Wien 2010).
Costin 2000: C. L. Costin, The Use of Ethnoarchaeology for the Archaeological Study of Ceramic Production, Journal of Archaeological Method and Theory 7/4, 2000, 377–403.
Grömer 2014: K. Grömer, Textile Materials and Techniques in Central Europe in the 2nd and 1st Millennia BC, Textile Society of America Symposium Proceedings, Paper 914 (Nebraska – Lincoln 2014), http://digitalcommons.unl.edu/tsaconf/914 (letzter Zugriff: Mai 2020).
Craig/Mulville 2000: O. E. Craig/Mulville, Detecting milk proteins in ancient pots, Nature 408, 2000, 312.
Grömer 2016: K. Grömer, The Art of Prehistoric Textile Making, Veröf fentlichungen der Prähistorischen Abteilung 5 (Wien 2016).
Dietrich/Tron 2002: K. Dietrich/H. Tron, Die Feuersteingeräte des spät bronzezeitlich/früheisenzeitlichen Burgwalls von Lossow, Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 43/1, 2002, 3–22.
Grömer/Bender/Jørgensen 2013: K. Grömer/L. Bender Jørgensen, The Archaeology of Textiles – Recent advances and new methods, Portal. Godišnjak Hrvatskog restauratorskog zavoda 3/2012 (Zagreb 2013), 45–68.
Dohnal 1973: V. Dohnal, Die Lausitzer Urnenfelderkultur in Ostmähren, Studie archeologického ústav Československé akademie věd v Brně (SaúČav) II/3, 1973. Draganits 1994: E. Draganits, Bemerkungen zu den Keramik-Glätt steinen unter besonderer Berücksichtigung der Glättsteine aus dem urnenfelderzeitlichen Keramikdepot von Drösing, Niederösterreich, ArchA 78, 1994, 115–125. Eberli/Leuzinger/Schlichterle 2016: U. Eberli/U. Leuzinger/H. Schlichterle, Steinzeit? Holzzeit! In: Archäologisches Landes museum Baden-Württemberg und Landesamt für Denkmal pflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), 4.000 Jahre Pfahlbauten (Stuttgart 2016), 352–355. Eibner C. 1973: C. Eibner, Die urnenfelderzeitlichen Sauggefäße. Ein Beitrag zur morphologischen und ergologischen Umschreibung, PZ 48, 1973.
106
Grömer/Mehofer 2006: K. Grömer/M. Mehofer, Metallfunde mit an korrodierten Textilien aus Vösendorf und Mautern. Raster elektronenmikroskopische Analysen anhand urnenfelder zeitlicher und spätantiker Beispiele, AÖ 17/1, 2006, 59–65. Hansen 2012: S. Hansen, Bronzezeitliche Horte: Zeitliche und räumli che Rekontextualisierungen. In: S. Hansen/D. Neumann/ T. Vachta (Hrsg.), Hort und Raum. Aktuelle Forschungen zu bronzezeitlichen Deponierungen in Mitteleuropa, Topoi – Berlin Studies of the Ancient World 10 (Berlin 2012), 23–48. Hellerschmid/Lochner 2008: I. Hellerschmid/M. Lochner, Keramische Grundformen der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur – Vorschlag für eine Typologie(-grundlage), AÖ 19/2, 2008, 45–48.
4.4 Literatur
Hochuli/Niffeler/Ryncher 1998: S. Hochuli/U. Niffeler/V. Ryncher (Hrsg.), SPM III. Bronzezeit. In: Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter, Schweizerische Gesellschaft für Urund Frühgeschichte (Basel 1998). Hofmann-de Keijzer 2010: R. Hofmann-de Keijzer, Färben. In: K. Grömer, Prähistorische Textilkunst in Mitteleuropa. Geschichte des Handwerkes und der Kleidung vor den Römern, Veröffent lichungen der Prähistorischen Abteilung 4 (Wien 2010), 143–162. Holliday/Gartner 2007: V. T. Holliday/W. G. Gartner, Methods of soil P analysis in archaeology, Journal of Archaeological Science 34, 2007, 301–333. Horváth 1974: L. Horváth, Öskori hordó alakú edény Szigligetről [A prehistoric barrel-shaped vessel from Szigligeth], Archaeo logiai Értesitő 101, 1974, 55–63. Junkmanns 2001: J. Junkmanns, Pfeil und Bogen. Herstellung und Gebrauch in der Jungsteinzeit (Biel 2001). Kacsó 2004: C. Kacsó, Zu den Problemen der Suciu de Suss-Kultur in Siebenbürgen. In: J. Bátora/V. Furmánek/L. Veliacik (Hrsg.), Einflüsse und Kontakte alteuropäischer Kulturen. Festschrift für Jozef Vladár zum 70. Geburtstag, Archaeologica Slovaca Monographiae Communicationes 6 (Nitra 2004), 327–340. Kalicz-Schreiber 1991: R. Kalicz-Schreiber, Das spätbronzezeitliche Gräberfeld von Budapest (Ungarn), PZ 66, 1991, 161–196. Kern A. 1987: Kern A., Die urgeschichtlichen Funde vom Oberleiser berg, MG. Ernstbrunn. Die unstratifizierten Bestände aus Privatsammlungen, Bundes-, Landes- und Heimatmuseen, unveröffentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1987). Kern D. 2001: Kern D., Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensied lung (Grabung 1965–1990). Urnenfelderzeitliche Siedlungs funde der unteren Holzwiese, MPK 41 (Wien 2001). Kern D. 2013: Kern D., Ausgewählte Siedlungsbefunde aus der urnen felderzeitlichen Siedlung auf dem Oberleiserberg, VB Korneu burg, Niederösterreich, ArchA 95, 2011, 101–123. Kogus 1982: A. Kogus, Zepół osadniczy ludności kultury łużyckiej w Krakowie-Pleszowie (Nowa Huta). In: Południowa strefa kutlury łużyckiej i powiązania tej kultury z południem [Südzone der Lausitzer Kultur und die Verbindungen dieser Kultur mit dem Süden] (Kraków-Przemyśl 1982), 335–349. Kohler-Schneider 2001: M. Kohler-Schneider, Verkohlte Kultur- und Wildpflanzenreste aus Stillfried an der March als Spiegel spät bronzezeitlicher Landwirtschaft im Weinviertel, Niederöster reich, MPK 37 (Wien 2001). Kosay 1951: H. Z. Kosay, Alaca-Höyük I, Das Dorf Alaca-Höyük, Materialien zur Ethnographie und Volkskunde von Anatolien, Türk Tarik Kurumu Yayinlarindan VII/21 (Ankara 1951). Krämer 1952: W. Krämer, Neue Grabfunde der frühen Urnenfelder zeit aus der Umgebung von Erding (Oberbayern) Germania 30, 1952, 263–267. Kreiter/Szakmány/Kázmér 2009: A. Kreiter/G. Szakmány/M. Kázmér, Ceramic Technology & Social Process in Late Neolithic Hungary. In: S. Quinn Patrick (Hrsg.), Interpreting Silent Artefacts. Petro graphic Approaches to Archaeological Ceramics (Oxford 2009), 101–119.
Kuijpers 2012a: M. H. G. Kuijpers, The sound of fire, taste of copper, feel of bronze, and colours of the cast: sensory aspects of metalworking technology. In: M. L. St. Sǿrensen/K. Rebay-Salisbury (Hrsg.), Embodied Knowledge. Perspectives on belief and technology (Oxford 2012), 137–150. Kuijpers 2012b: M. H. G. Kuijpers, Towards a Deeper Understanding of Metalworking Technology. In: T. L. Kienlin/A. Zimmermann, Beyond Elites. Alternatives to Hierarchical Systems in Modelling Social Formations. International Conference at the Ruhr-Uni versität Bochum, Germany, October 22–24, 2009, UPA 215 (Bonn 2012), 1–9. Lauermann 1991: E. Lauermann, Archäologische Grabungen in Unterhautzental 1990, AÖ 2/2, 1991, 30. Lidke/Terberger/Jantzen 2015: G. Lidke/T. Terberger/D. Jantzen, Das bronzezeitliche Schlachtfeld im Tollensetal – Fehde, Krieg oder Elitenkonflikt? In: H. Meller/M. Schefzik (Hrsg.), Krieg. Eine archäologische Spurensuche. Begleitband zur Sonderausstel lung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale), 6. November 2015 bis 22. Mai 2016 (Halle 2015), 337–346. Lobisser 2014: W. F. A. Lobisser, Überlegungen zur logistischen Be wältigung der Arbeit an Großbauten in vorrömischer Zeit auf Basis der Experimentellen Archäologie, MAG 144 (Wien 2014), 83–122. Lochner 1988: M. Lochner, Ein Flachgräberfeld der Hallstattkultur in Grafenwörth, pol. Bez. Tulln, Niederösterreich, ArchA 72, 198, 91–142. Lochner 1991: M. Lochner, Studien zur Urnenfelderkultur im Wald viertel (Niederösterreich), MPK 25 (Wien 1991). Lochner 2004: Lochner M., Gussformen für Ringe aus urnenfelder zeitlichen Fundstellen Niederösterreichs, ArchA 88, 2004, 103–120. Lochner 2012: Lochner M., Thunau am Kamp – eine befestigte Höhen siedlung der Urnenfelderkultur und der außergewöhnliche Fund eines Tonfässchens. In: W. Blajer (Red.), Peregrinationes Archaeologicae in Asia et Europa Joanni Chochorowski Dedicatae, Instytut Archeologii Uniwersytetu Jagiellonskiego, Wydawnictwo Profil-Archeo (Kraków 2012), 193–203. Lochner 2013: M. Lochner, Zur Ausstattung von Hanghaus 01 der urnenfelderzeitlichen befestigten Höhensiedlung von Thunau am Kamp, Niederösterreich. In: J. Kolenda/A. Mierzwiński/ S. Moździoch/L. Żygadło (Redakzija), Z badań nad kulturą społeczenstw pradziejowych i wczesnośredniowiecznych, księga jubileuszowa dedykowana Profesorowi Bogusławowi Gedidze, Institute of Archaeology and Ethnology Polish Aca demy of Sciences (Wrocław 2013), 307–319. Lochner 2017: M. Lochner, Thunau am Kamp – eine befestigte Höhen siedlung der Urnenfelderkultur. Grundlagen und aktuelle Forschungsergebnisse. In: Proceedings of the Internation al Conference in Zagreb „The Late Urnfield Culture between the Eastern Alps and the Danube“, November 7th–8th 2013, Zbornik Instiuta za Arheologiju Volume 9 (Zagreb 2017), 7–24. Lochner/Kern D. 2016: M. Lochner/D. Kern, Josef Höbarths „Feldfruchthütte“. Zur Aussagekraft von Altfunden am Beispiel der urnen felderzeitlichen Höhensiedlung Thunau am Kamp, Niederöster reich, ArchA 100, 2016, 151–188.
107
4. Wohnen und Wirtschaften
Mauch 2004: Mauch H., Studien zur Lederherstellung am Beispiel des nördlichen Alpenraums. Von den Anfängen bis zur Neuzeit, Dissertation Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Überlingen 2004). Mehofer 2015: Mehofer M., Guss- und Schmiedetechnik der Bronze zeit – ein Überblick. In: Th. Stöllner, (Hrsg.), Bergauf Bergab – 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen, Katalog zur Ausstel lung, (Bochum 2015), 233–238.
Reschreiter/Kowarik 2008: H. Reschreiter/K. Kowarik, Die Stiege – technische Perfektion. In: A. Kern/K. Kowarik/A. Rausch/ H. Reschreiter (Hrsg.), Salz-Reich. 7000 Jahre Hallstatt, Ver öffentlichungen der Prähistorischen Abteilung 2 (Wien 2008), 61–63. Romsauer 2003: P. Romsauer, Pyraunoi. Prenosné piecky a podstavce z doby bronzovej a doby železnej, Univerzita Konstantina Filozofa Filozoficka fakulta Nitra, Slovensko (Nitra 2003).
Meller 2011: B. Meller, Freiräume – Zu sozialen Abgrenzungsmöglich keiten in neolithischen Haushalten. In: T. Doppler/B. Rammin ger/D. Schimmelpfennig (Hrsg.), Grenzen und Grenzräume? Beispiele aus Neolithikum und Bronzezeit, Fokus Jungsteinzeit 2, 2011, 73–96.
Rösel-Mautendorfer 2010: H. Rösel-Mautendorfer, Nähen und Schnei derei. In: K. Grömer, Prähistorische Textilkunst in Mitteleuropa. Geschichte des Handwerkes und der Kleidung vor den Römern, Veröffentlichungen der Prähistorischen Abteilung 4 (Wien 2010), 201–220.
Mödlinger 2009: M. Mödlinger, Herstellung und Verwendung bronze zeitlicher Schwerter in Österreich. In: A. Krenn-Leeb/H.-J. Beier/ E. Claßen/F. Falkenstein/S. Schwenzer, Mobilität, Migration und Kommunikation in Europa während des Neolithikums und der Bronzezeit. Beiträge der Sitzungen der Arbeitsgemein schaften Neolithikum und Bronzezeit während der Jahres tagung des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertums forschungen e. V. in Xanten, 6.–8. Juni 2006, Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 53, Varia Neolithica 5 (Langenweissbach 2009), 181–188.
Ruß-Popa 2011: G. Ruß-Popa, Die Haut-, Leder- und Fellfunde aus dem ältereisenzeitlichen Kernverwässerungswerk im Salzbergwerk von Hallstatt, OÖ – eine archäologische und gerbereitechnische Aufnahme, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2011), http://othes.univie.ac.at/17208/1/ 2011-10-09_9701945.pdf (letzter Zugriff: Mai 2020).
Nessel 2009: B. Nessel, Funktionelle Aspekte der bronzenen Säge blätter in der Späten Bronze- und Urnenfelderzeit im Karpaten becken, Analele Banatului, S.N., Arheologie-Istorie 17, 2009, 239–259. Nessel 2010: B. Nessel, Schmiede und Toreuten in den urnenfelder zeitlichen Depotfunden des Karpatenbeckens? – Funktions analyse von Handwerksgerät und soziale Implikation. In: B. Horejs/T. L. Kienlin, Siedlung und Handwerk. Studien zu sozialen Kontexten in der Bronzezeit, UPA 194 (Bonn 2010), 373–386. Nessel 2012: B. Nessel, Hervorgehobene oder verborgene Identität? Zu Ausstattungsmustern von Metallhandwerkergräbern. In: I. Heske/B. Horejs (Hrsg.), Bronzezeitliche Identitäten und Objekte. Beiträge aus den Sitzungen der AG Bronzezeit auf der 80. Tagung des Süd- und Westdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Nürnberg 2010 und dem 7. Deutschen Archäologiekongress in Bremen 2011, UPA 221 (Bonn 2012), 55–74. Patek 1968: E. Patek, Die Urnenfelderkultur in Transdanubien, Archaeologia Hungarica N. S. 44 (Budapest 1968). Popovtschak/Zwiauer 2003: M. Popovtschak/K. Zwiauer K., Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung. Archäobotanische Untersuchungen urnenfelderzeitlicher und frühmittelalterlicher Befunde. Bestandsaufnahme der Grabungskampagnen bis einschließlich 1995, MPK 52 (Wien 2003).
Schierer 1987: I. Schierer, Ein Webstuhlbefund aus Gars-Thunau, Niederösterreich. Rekonstruktionsversuch und Funktions analyse, ArchA 71, 1987, 29–87. Schierer 2005: I. Schierer, Experiments with the warp-weighted loom of Gars-Thunau, Austria (Ein Webstuhlbefund aus Gars-Thunau, Österreich. Rekonstruktion und Funktionsanalyse). In: P. Bichler/ K. Grömer/R. Hofmann-de Keijzer/A. Kern/H. Reschreiter (Hrsg.), Hallstatt Textiles. Technical Analysis, Scientific Investigation and Experiment on Iron Age Textiles, BAR Int. Series 1351 (Oxford 2005), 97–100. Schmalfuß 2008: G. Schmalfuß, Das Gräberfeld Battaune, Kr. Delitzsch in Sachsen. Ein jüngstbronzezeitliches Gräberfeld der Lausitzer Kultur – die Ergebnisse der Grabungen von 1974/75, Leipziger online-Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 29, 1–13, https:// www.gko.uni-leipzig.de/fileadmin/user_upload/historisches_ seminar/02urundfruehgeschichte/Online_Beitraege/Onl Bei29.pdf (letzter Zugriff: Mai 2020). Schütz 2004: C. Schütz, Ein Pfeilschaftglätter aus einem weiteren urnenfelderzeitlichen Gräberfeld bei Manching, Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm, Oberbayern, Das archäologische Jahr in Bayern 2003 (München 2004), 43–45. Sennet 2008: R. Sennet, The Craftsman (New Haven, London 2008). Sherratt 1981: A. Sherratt, Plough and pastoralism: aspects of the secondary products revolution. In: I. Hodder et al. (Hrsg.), Pattern of the past: Studies in honour of David Clarke (Cambridge 1981), 261–306.
Pressmar 1979: Pressmar E., Elchinger Kreuz, Ldkr. Neu-Ulm. Sied lungsgrabung mit urnenfelderzeitlichem Töpferofen, Kataloge der Prähistorischen Staatssammlung (München 1979).
Sofaer/Bender Jørgensen/Choyke 2013: J. Sofaer/L. Bender Jørgensen/ A. Choyke, Chapter 26. Craft Production: Ceramics, Textiles, and Bones. In: A. Harding/H. Fokkens (Hrsg.), The Oxford Handbook of the European Bronze Age (Oxford 2013), 469–491.
Rebay-Salisbury 2017: K. Rebay-Salisbury, Breast is best – and are there alternatives? Feeding babies and young children in prehistoric Europe, MAG 147 (Wien 2017), 13–30.
Sǿrensen/Rebay-Salisbury 2012: M. L. St. Sǿrensen/K. Rebay-Salisbury (Hrsg.), Embodied Knowledge. Perspectives on belief and tech nology (Oxford 2012). Talaa 1991: D. Talaa, Urgeschichtliche Funde aus Vösendorf (Vösendorf 1991).
108
4.4 Literatur
Tempel 1972: W.-D. Tempel, Spätbronzezeitliche Urnengräber in Glandorf, Landkr. Osnabrück, Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 41, 1972, 196–200. Trnka 1983: Trnka G., Der Burgstall von Schiltern, NÖ. Die späturnen felder-/frühhallstattzeitliche Abschnittsbefestigung im unteren Waldviertel, ArchA 67, 1983, 129–156. Weihrauch/Brandt/Opp 2016: Ch. Weihrauch/I. Brandt/Ch. Opp, Die archäologische Aussagekraft von Phosphatprospektionen auf gedüngten landwirtschaftlichen Nutzflächen – eine Fallstudie im Gebiet Sievern (Ldkr. Cuxhaven), Archäologische Informati onen 40, 2016, 279–290. Weiner 2000: J. Weiner, Kenntnis – Werkzeug – Rohmaterial. Ein Vade mekum zum ältesten Handwerk des Menschen, Archäologi sche Informationen 23, 2000, 229–242. Weiner 2003: J. Weiner, Kenntnis – Werkzeug – Rohmaterial. Ein Vade mekum steinzeitlicher Holzbearbeitung, Archäologische Infor mationen 26/2, 2003, 407–426. Wewerka 1988: B. Wewerka, Archäologie am Rande der Pipeline. In: Gefunden. Kunst und Archäologie. Niederösterreichisches Landesmuseum Blau-Gelbe Galerie der NÖ Kulturabteilung, Galerie Schloss Ottenstein (Rastenfeld 1988). Wewerka 2001: B. Wewerka, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung (Grabung 1965–1990), MPK 38 (Wien 2001). Willvonseder 1931: K. Willvonseder, Eine Wohngrube in Stillfried a. d. March (Niederösterreich), WPZ 18, 1931, 121–134.
109
5. Pflanzennutzung
5. Pflanzennutzung Michaela Popovtschak, Andreas G. Heiss, Hans-Peter Stika In archäologischen Fundzusammenhängen aufgefundene pflanzliche Reste sind meist Hinweise auf menschliche Tätigkeiten. Im Fachbereich Archäobotanik wird analysiert und diskutiert, wie
5.1 Wildpflanzen – Kulturpflanzen
der Mensch Pflanzen genutzt hat und wie sie – beispielsweise zu
Pflanzen1 tragen in vielfacher Hinsicht zur Lebensgrundlage von
diversen Kulturpflanzen, Brot oder gefertigten Holzgegenstän-
Tier und Menschen bei. Neben dem Landschaftsrelief und dem
den – verändert, verarbeitet und bearbeitet wurden.
Boden sind es im Wesentlichen Pflanzen, die Landökosystemen ihre Strukturierung verleihen, von Grasland bis zu dichten
Die urnenfelderzeitlichen Siedlerinnen und Siedler im Gebiet des
Wäldern. Vor allem aber stehen sie an der Basis nahezu jeder
heutigen östlichen Österreichs nutzten viele Kultur- und Wild-
Nahrungskette. Wie bereits seine Vorfahren seit frühester Zeit
pflanzen. Spelzgerste, Rispenhirse, Dinkel und Emmer stellten
nutzt auch der moderne Mensch Pflanzen, jedoch weit über die
die Hauptgetreide dar; Einkorn und Nacktweizen sind ebenfalls
Nahrungsgewinnung hinausgehend. In Mitteleuropa verdich-
belegt. Während Gerste neben Emmer und Einkorn schon ab dem
teten sich mit dem Neolithikum (5500/5000 bis 2300/2200
Neolithikum wichtig war, kamen in der Bronzezeit vor allem
v. Chr.) die erfassbaren Spuren zu den unterschiedlichen Nut-
Dinkel und Rispenhirse neu hinzu und traten in den Vordergrund.
zungsweisen. Um Brenn- und Bauholz sowie gleichzeitig Sied-
Ebenfalls neu, aber weniger zahlreich nachgewiesen, waren
lungs- und Ackerflächen zu gewinnen, wurden in Tieflagen gro-
der „neue“ Spelzweizen (Sanduri-Weizen) und die Kolben-
ße Flächen des dort vorwiegend dominierenden Buchen- und
hirse. Bei den Hülsenfrüchtlern waren nun Ackerbohne, bei den
Eichenmischwalds gerodet. Darüber hinaus wurden viele weitere
Ölfrüchten der Leindotter bedeutend. Weiterhin kamen Erbse
Wildpflanzen für Flechtmaterial, Textilien, Tierfutter und insbe-
und Linse sowie Schlaf-Mohn vor. Auch südosteuropäische Ein-
sondere als Nahrungsmittel genutzt, einige wohl auch als Heil-,
flüsse zeichnen sich mit Funden der Linsen-Wicke und von
Färbe- und Kultpflanzen.
Echtem Wein ab. Unter den Ackerbeikräutern gibt es Hinweise
Die ältesten Spuren vieler altweltlicher Kulturpflanzen sind aus
auf Nutzung, etwa bei der Roggen-Trespe, während Hafer und
Vorderasien belegt. Dort wachsen etwa in lichten Wäldern und
Roggen noch als Wildpflanzen gelten. Dieser Wechsel im Kultur-
Grasfluren am Fuße des Zāgros-Gebirges (Iran, Irak) noch heute
pflanzeninventar hing vermutlich mit Änderungen des Anbau-
Wildformen aus den Gattungen Weizen (Triticum) und Gerste
systems und der Landnutzung zusammen. Aber auch andere Ver-
(Hordeum). Nach Europa kamen sie bereits in domestizierter
zehrgewohnheiten und neue Nahrungsvorlieben könnten bei der
Form. Im Saatgut dieser primären Kulturpflanzen enthalten waren
Wahl der Anbaupflanzen eine Rolle gespielt haben. Eingebunden
außerdem verschiedene Ackerbeikräuter (Archäophyten, siehe
in überregionale Ergebnisse werden deshalb die neuen Entwick-
Kap. 2 Glossar Zur Umwelt).
lungen in der Landwirtschaft wie die Verwendung des Haken-
Domestikationen erfolgten auch später immer wieder, unterschied-
pflugs, die Aufstallung des Viehs, die Ausbringung von Mist als
lich schnell und manchmal zufällig. So waren etwa die sogenann-
Dünger sowie erste Anzeichen von Grünlandwirtschaft disku-
ten sekundären Kulturpflanzen ursprünglich Ackerbeikräuter.
tiert. Trotz geringer Datenlage machen die bereits vorhandenen Pflanzenfunde aus sechs Fundstellen in Niederösterreich einige der neuen Trends dieser Zeitstufe nachvollziehbar.
110
1
Von allen in diesem Abschnitt angeführten Pflanzen ist bei erster Nennung neben dem deutschen Namen in Klammer auch der wissen schaftliche (botanische) Name angeführt – Taxonomie und Nomenklatur/deutsche Bezeichnungen der Pflanzen folgen Fischer/Adler/ Oswald 2008; ausgenommen bei Emmer (Triticum dicoccum), wo sie dem in der Archäobotanik weit verbreiteten Usus entspricht, vgl. Zohary/Hopf/Weiss 2012, 29; Diskussion bei Jacomet u. MitarbeiterIn nen 2006.
5.2 Was erforscht die Archäobotanik?
Diese wuchsen und entwickelten sich unter angebauten Kulturpflanzen, bevor manche von ihnen dann in späteren Epochen absichtlich angebaut wurden, beispielsweise Saat-Leindotter (Camelina sativa) und Saat-Hafer (Avena sativa) oder Roggen (Secale cereale). Hafer und Roggen wanderten als Ackerbeikräuter mit dem Getreidesaatgut der Neolithiker nach Europa ein, der Leindotter als Begleiter der Flachskultur. Der Sprung zur sekundären Kulturpflanze gelang jedoch trotz absichtsvoller Nutzung nicht in allen Fällen: Die vorwiegend in Winterfeldfrüchten wachsende Roggen-Trespe (Bromus secalinus, siehe Abb. 05_22) beispielsweise wurde zeitweise wohl mitgenutzt. So bilden ihre Früchte eine der drei Hauptkomponenten eines verkohlten urnenfelderzeitlichen Breigerichts aus Stillfried an der March; sie repräsentieren ebenfalls knapp ein Drittel eines ansonsten unkrautfreien, fertig aufbereiteten Emmervorrats aus der urnenfelderzeitlichen Höhensiedlung am Kulm bei Trofaiach.2 Obwohl dadurch eine Nutzung dieses vergleichsweise großfrüchtigen Wildgrases angezeigt ist, kann nicht direkt auf einen gezielten Anbau geschlossen werden. Für spätere Epochen liegen keine derartigen Belege mehr vor.
5.2 Was erforscht die Archäobotanik? Untersuchungen im Fachbereich Archäobotanik – oft auch Paläoethnobotanik genannt – beschäftigen sich mit pflanzlichen Resten aus archäologischen Grabungen und der sie umgebenden Landschaft. Gemeinsam mit der Analytik und Auswertung tierischer und menschlicher Reste wird die Archäobotanik inzwischen vermehrt durch Begriffe wie Bioarchäologie/bio archaeology oder economic and environmental archaeology umrissen.3
Abb. 05_01. Überblick zu den Erhaltungsbedingungen der verschiedenen bioarchäo logischen Funde im Boden (Campbell/Moffett/Straker 2011, 6, fig. 2, modifiziert nach Retallack 1984; © Historic England; Übersetzung: M. Popovtschak).
5.2.1 Voraussetzungen zur Erhaltung archäobotanischer Funde Der Informationsgewinn durch die Archäobotanik ist bis zu ei-
Anhand der geborgenen, identifizierbaren Pflanzenreste (meist
nem hohen Grad von den lokalen Gegebenheiten einer Fund-
Samen, Früchte und Holzreste) werden die in einer Siedlung vor-
stelle bestimmt. Erhaltungsfähigkeit und Erhaltungszustand der
handenen Pflanzenarten ermittelt. Dieses Spektrum wird durch
Pflanzenreste sind wichtige Auslesefaktoren für die Datengewin-
die archäologische Befundung kontextualisiert. In weiterer
nung und oft der Grund für Forschungslücken (Abb. 05_01).4
Folge zieht man vorhandene Daten über die Ökologie und Nut-
In Mitteleuropa sind vorwiegend Trockenböden vorhanden. Dar-
zungsgeschichte dieser Pflanzen heran, um zur Rekonstruktion
auf ein- und abgelagerte Pflanzenteile werden durch Mikroorga-
der Techniken von Hausbau, Textilerzeugung, den Formen des
nismen (Bakterien, Pilze) und Kleinstlebewesen abgebaut. Diese
Ackerbaus mit Anbau, Ernte, Aufbereitung und Speicherung so-
natürliche Zersetzung wird nur unter speziellen Umgebungs-
wie der Versorgung mit und Konservierung wie Zubereitung von
bedingungen gehemmt, etwa in unmittelbarer Nähe zu Metall
pflanzlicher Nahrung und handwerklich genutzten Pflanzen-
(Metallsalze) oder bei Einlagerung in Salz (Salzbergwerke in
teilen beizutragen.
Hallstatt und Hallein). Überdauern können Pflanzenteile außer-
2
3
Zum Breigericht „Hirsotto“ siehe Kohler-Schneider 2001, 153 f., Abb. 37 und unten Pkt. 5.4.1, Abb. 05_16; Zum Emmervorrat siehe Stika 2000, 165 f.; vgl. Gyulai 2010, 104. Siehe u. a. Jacomet/Kreuz 1999; Zohary/Hopf/Weiss 2012.
dem in permanent wassergesättigten Feuchtböden, etwa in 4
Zur Diskussion der vielen Faktoren, die eine Erhaltung von pflanzli chem Material in archäologischen Fundschichten ermöglichen und beeinflussen, exemplarisch: Jacomet/Kreuz 1999; Jacomet 2007.
111
5. Pflanzennutzung
Seeufersiedlungen und anderen, unter dem Grundwasserspiegel
Die Trockenböden/Mineralböden Mitteleuropas sind wechsel-
gelegenen Bereichen wie in Brunnen. Weiters sind sie beispiels-
feuchte Böden. Sie liegen oberhalb des Grundwassereinflusses,
weise auch in noch seltener aufzufindenden Fundstellen, bei
fallen wiederholt trocken und sind dann gut durchlüftet. Deshalb
extremer Trockenheit in Höhlen oder in Permafrostböden/Eis
werden bei entsprechenden Temperaturen alle darin ein- und
(Gletschermumie vom Hauslabjoch [Ötzi]), erhalten.
abgelagerten Pflanzenteile innerhalb weniger Monate bis Jahre
Da die archäobotanischen Fundbereiche hauptsächlich in „ty-
abgebaut.
pischen“ Trockenböden liegen, sind Pflanzenteile meist nur
Verkohlung ist ein Pyrolysevorgang, ähnlich einer unvollständi-
erhalten, wenn sie in eine nicht mehr abbaubare Erhaltungs-
gen Verbrennung. Bei hohen Temperaturen und gleichzeitigem
form umgewandelt wurden. Hauptsächlich sind dies verkohlte
Sauerstoffmangel entweichen flüchtige organische Substanzen,
Pflanzenreste. Die besten Verkohlungschancen haben kompak-
während die organischen Feststoffe zu mehr oder weniger rei-
te, verholzte Pflanzenteile wie Hölzer und hartschalige Samen
nem Kohlenstoff reduziert werden.
und Früchte, weshalb solche Makroreste in dieser Erhaltungs-
Flotation ist eine Schweretrennung in Wasser (siehe Abb. 05_02),
form deutlich überwiegen. Da zarte, wasserreiche und ölhalti-
die besonders für Sedimentproben aus Trockenböden geeignet
ge Pflanzenteile (Blüten und Blätter, saftige Fruchtteile, unreifes
ist. Verkohlte Reste schwimmen auf und werden in einen frakti-
Getreide, Leinsamen etc.) bei Einwirkung höherer Temperatur
onierten Siebsatz geleitet. Gleichzeitig lassen sich auch kleine
schnell platzen, schrumpfen, sich verformen oder zu Asche ver-
archäozoologische Reste, Keramikscherben etc. bergen.
brennen, sind ihre Belege stets unterrepräsentiert. Mit wenigen
Der Begriff Taxon (Plural Taxa), manchmal übersetzt mit „Sippe“,
Ausnahmen setzt Feuereinwirkung in archäologischen Kontexten
bezeichnet eine beliebige Rangstufe im System biologischer Ver-
menschliches Handeln voraus. Im Alltag, bei kleinen und großen
wandtschaft, also etwa Art, Gattung, Familie oder Ordnung.
Katastrophen wie Kochunfällen und Schadfeuern, konnten Pflan-
Die Stetigkeit (ubiquity) gibt an, in wie vielen Prozent einer
zenteile zufällig oder absichtlich in den Bereich von Feuer gelan-
Grundgesamtheit (Proben, Befunde, Siedlungen etc.) eine Pflan-
gen und verkohlen. Besonders gut erhalten und bestimmbar sind
zenart oder ein Pflanzenresttyp anzutreffen ist, unabhängig von
ausgereifte, trockene und in großer Menge und Dichte vorhan-
der absoluten Menge.
den gewesene Pflanzenteile, etwa Erntegüter oder Vorräte. Die-
Die Methode der Repräsentativität bzw. des Representative-
se verkohlten langsam und in gedeckter Lage bei Schwelbrand.5
ness Index (RI) erfasst entgegen früherer überregionaler Ansätze nicht nur das Auftreten einer Art an einer Fundstelle (Abundanz bzw. ubiquity)8, sondern berücksichtigt auch zusätzliche
Glossar: Pflanzennutzung
Aspekte wie die Gesamtanzahl bearbeiteter Proben, die Gesamtmenge botanischer Funde sowie die Mengenverhältnisse der
Domestikation ist die Gesamtheit aller Handlungen, Abläufe,
Arten untereinander. Als halbquantitativer Ansatz vereint der RI
Veränderungen etc., die Wildpflanzen zu Kulturpflanzen „for-
die Vorteile von rein qualitativer mit denen der vollquantitativen
men“. Sie ist ein Vorgang, der über viele Generationen dauert
Auswertung und erlaubt darüber hinaus auch Vergleiche in der
und durch die Wechselwirkung zwischen genetischer Anpas-
Datenqualität zwischen einzelnen Fundstellen, Regionen oder
sungsfähigkeit einer Art und menschlichem Einfluss auf die na-
Epochen (siehe Abb. 05_09, 15 und 19).9
türliche Auslese (Selektion) geschieht.
Beim Worfeln werden die Getreidekörner/Samen/Früchte (groß-
6
Ackerbeikräuter, sogenannte Unkräuter, unterlagen – ungewollt –
teils) von vegetativen Pflanzenteilen, sog. Druschresten (Spreu),
denselben Selektionskriterien (Zeitpunkt der Samenreife und
unter Ausnutzung des Windes durch ihr höheres Gewicht ge-
des Auskeimens, Größe der Sämereien etc.) wie die absichtlich
trennt (siehe Abb. 05_03).
angebauten Kulturpflanzen; deshalb entwickelten sie sich (mitunter) in dieselbe Richtung. Sie wurden wohl als Besatz in den Feldern geduldet oder der Aufwand, sie aus dem Saatgut zu entfernen, war zu groß – bis manchmal ein Nutzungspotenzial erkannt und sie absichtsvoll angebaut wurden.7 5
Beispielsweise Jacomet/Karg 1996; Kohler-Schneider/Caneppele/ Heiss 2015, 518.
6
Siehe beispielsweise Zohary/Hopf/Weiss 2012, 1–11.
8
Vgl. van Zeist/Wasylikowa/Behre 1991; Popper 1988.
7
Vgl. Hillman 1978, 168: „ … in bad years when dry-land wheats yield very poorly, grain from weed-rye sometimes makes up the bulk of the yield”.
9
Ausführliche Methodik bei Stika/Heiss 2013a; vgl. Stika/Heiss 2013b; Wasylikowa/Cârciumaru/Hajnalová et al. 1991, 214–222.
112
5.2 Was erforscht die Archäobotanik?
Abb. 05_03. Verschiedene Aufbereitungsschritte der Getreideverarbeitung; dargestellt sind auch die jeweils anfallenden Abfälle sowie das gewonnene Ergebnis (nach Wilkinson/Stevens 2008, 196 f., fig. 74. Reproduced by permission of Wilkinson/Stevens). – Diese strukturierende Abfolge der Prozesse muss man sich allerdings variabel vorstellen, beeinflusst etwa durch unter schiedliches Erntegut (Ausmaß der Verunkrautung etc.) oder die aufwend bare Arbeitszeit. So konnte auch vor/mit dem feinen Sieben ein noch maliges Worfeln hilfreich (kombiniert) sein, um kleinere Strohreste und Ackerbeikräuter abzutrennen; oder man entfernte ungewollte Beimischun gen im Spelzweizen durch Handsortieren bereits vor dem Stampfen im Mörser und nicht (nur) am Ende der Aufbereitung (pers. Kommunikation mit Chris Stevens; Übersetzung: M. Popovtschak). Abb. 05_02. In einer Flotationsanlage werden die aufschwimmenden verkohlten Pflanzenreste mittels einer Siebkolonne in verschiedene Fraktionen getrennt (Foto: M. Popovtschak).
113
5. Pflanzennutzung
5.2.2 Bergung – Aufbereitung – Bestimmung – Interpretation Um diese pflanzlichen Spuren zu erfassen, werden archäologische Befunde einer Grabungsstelle (onsite data) beprobt.10 Mitunter liegt eine archäobotanische Beprobungsstelle aber auch außerhalb (off-site data) eines archäologischen Fundorts, etwa in ungestörten Mooren und Nassstellen, die ideale Probenbereiche für Pollenanalysen darstellen.11 Makroreste werden mittels Flotation (Abb. 05_02) aufbereitet oder durch Nass- oder Trocken-Sieben fraktioniert und manchmal direkt handverlesen. Mikroreste wie Pollen/Sporen sind hingegen nur durch spezielle Trennungsvorgänge im Labor aus dem Sediment zu isolieren.
Tanne (Abies sp.)
Fichte (Picea sp.)
Ulme (Ulmus sp.)
Anschließend folgt die Bestimmung der enthaltenen Pflanzenreste unter dem Mikroskop und die Auswertung der nachgewiesenen Taxa. Die Interpretation basiert auf zwei unterschiedlichen Fundgegebenheiten: Geschlossene Fundkomplexe zeichnen sich meist durch sehr hohe Funddichten gleichzeitig niedergelegter Pflanzenteile aus, beispielsweise Erntegut und Vorräte. Sie enthalten neben den Sammel-, Feld- und Gartenfrüchten auch deren Beikräuter. Dadurch lassen sich etwa die Gegebenheiten am Feld erschließen. Auch die Höhe des Ernteschnitts durch Fehlen oder Vorliegen niedrigwüchsiger Ackerbeikräuter, spezielle Aufbereitungsmethoden und Verarbeitungstechniken können so ermittelt werden. Hingegen enthalten offene Fundkomplexe meist in niedriger Funddichte zufällig angereicherte Reste aus Ackerbau, Sammeltätigkeit, Grünland und Wald. Die Bearbeitung mehrerer Proben einer Fundstelle oder mehrerer Fundstellen eines Gebiets bildet die Basis, um die Bedeutung einzelner Pflanzen festzustellen, etwa mittels ihrer Stetigkeit oder ihrer
Buche (Fagus sp.)
Birke (Betula sp.)
Abb. 05_04. Zur Holzartenbestimmung werden Anordnung und Gestalt von Zellen und Geweben des Holzes an anatomischen Präparaten (Holz: Dünnschnitte, Holzkohle: Bruchflächen) betrachtet. Im Bild beispielhaft einige markante heimische Holztypen im Querschnitt (Fotos: A. G. Heiss).
Repräsentativität.12 Solche Auswertungen sind umso aussagekräftiger, je zahlreicher und vielfältiger die durchgeführten Untersuchungen sind. Den Aussagegehalt einzelner Bereiche bestimmen hingegen die jeweilige Fundsituation sowie Menge und Qualität der erhaltenen Pflanzenreste. So vermitteln etwa typische Getreideabfälle von Dreschen, Worfeln, Sieben, und
wurde.13 Solcherart gewonnene, vergleichbare Ergebnisse vieler
Mahlen (Abb. 05_03), wo diese unterschiedlichen Aufbereitungs-
einzelner Fundstellen (intrasite) verdichten sich schließlich zu
prozesse durchgeführt wurden und ob Getreide vor Ort produ-
großräumig verfolgbaren Entwicklungen, Zusammenhängen und
ziert (producer site) und nicht nur konsumiert (consumer site)
Landschaftsbildern (intersite).14
10 Verschiedene Beprobungsstrategien siehe Jacomet/Kreuz 1999, 96 f. 11 Pollen/Sporen sind außerdem gut/ungestört erhalten in Honigresten, in Brunnen und in Koprolithen (tierische und menschliche Fäkalien), vgl. Rösch 2013; Fuchs/Fürhacker/Heiss et al. 2015; Kühn/Maier/ Herbig et al. 2013; Jacomet/Kreuz 1999, 159.
13 Siehe van der Veen 1991; Bakels 2001.
12 Vgl. Jacomet/Kreuz 1999, 145 f.; Zur Repräsentativität siehe oben Glossar: Pflanzennutzung.
14 Beispielsweise Stika/Heiss 2013a und 2013b; vgl. u. Abb. 05_09, 15 und 19.
114
5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!
KG
VB
Flurbezeichung/Fundstellenname
Fundstellenart
Literatur
Oberleis
Korneuburg
Oberleiserberg, Schnitt 53
Höhensiedlung
Schneider/Raunjak 1994
Pixendorf
Tulln
Eisenbahnhaltestelle Pixendorf, neue Bahntrasse
Flachlandsiedlung
Walter 2005
Prigglitz
Neunkirchen
Gasteil
Bergbausiedlung
Jakobitsch et al. 2019; Wiesinger et al. 2019; Heiss et al. 2021
Stillfried an der March
Gänserndorf
Hügelfeld, Wagneracker, Westwall
Höhensiedlung
Kohler-Schneider 2001
Thunau am Kamp
Horn
Obere und Untere Holzwiese
Höhensiedlung
Popovtschak/Zwiauer 2003
Unterradlberg
St. Pölten
Industriegebiet St. Pölten-Nord
Flachlandsiedlung
Wiesinger/Thanheiser 2009
5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!
Tabelle 05_01. Liste der sechs spätbronzezeitlichen Fundstellen mit neueren archäobotanischen Bearbeitungen (vgl. Kap. 3 und Abb. 05_05)
Exkurs: Holzkohlereste – die am häufigsten geborgenen archäobotanischen Funde Am regelmäßigsten und umfangreichsten liegen in archäologischen Fundstellen Holzkohlereste vor. Sie können Rückstände der alltäglichen Feuerung, von Bau- und Werkstoff verschiedens-
5.3.1 Fundstellen mit archäobotanischem Fundgut Im Osten Österreichs sind momentan neuere archäobotanische
ter Gegenstände und Geräte wie Waffen, Pflüge, Tröge und Körbe
Funde, die (zumindest teilweise) publiziert oder in Bearbeitung
sein. Dabei zeigen Holzartenanalysen (Abb. 05_04), dass Nutz-
sind, aus sechs Fundstellen zugänglich (Tabelle 05_01). Es wur-
holz nicht nur aus der unmittelbar umgebenden Vegetation, son-
den zwar bereits in der ersten Hälfte des 20. Jh.s Pflanzenreste
dern je nach Verwendungszweck durchaus auch sehr gezielt aus-
aus urnenfelderzeitlich datierten Grabungsbereichen in Burg-
gewählt, manchmal aus weit entfernten Standorten eingebracht
schleinitz, Maissau, Stillfried an der March und Wien-Aspern ge-
wurde. Die Auswahl musste in Abwägung von speziellen Holz-
borgen19, diese können jedoch nicht ohne Revision der Befunde
qualitäten gegenüber der Verfügbarkeit erfolgen.
und Funde herangezogen werden. Die Dringlichkeit solcher
15
Untersuchungen belegen außerdem, dass neben Baumstämmen
Überprüfungen verdeutlichen etwa „hallstattzeitliche“ Pflanzen-
auch Äste und Strauchholz benötigt wurden, etwa für Rutenwände
funde aus Thunau am Kamp, die mittels 14C-AMS-Datierung als
und Zäune.16 Zur Feuerung wurde nicht nur Holz geschlägert so-
urnenfelderzeitlich ausgewiesen wurden.20
wie Bau- und Werkabfall genutzt, sondern auch Altholz aufgele-
Unter den sechs neueren Bearbeitungen liegen zwei umfangrei-
sen. Darüber hinaus waren Äste und Rinden (Bast) Rohmaterial
chere Auswertungen aus den beiden Höhensiedlungen Stillfried
etwa für geflochtene Erzeugnisse und Schnüre. Außerdem wurden
an der March (199 müA) und Thunau am Kamp (437 müA) vor.21
Äste verschiedenster Baumarten noch im belaubten Zustand als
Sie werden ergänzt durch einige Pflanzenreste aus urnenfel-
Laub- und Nadelheu geerntet (Schneiteln) und zur Laubfütterung
derzeitlichen Schichten der Höhensiedlung Oberleiserberg bei
verwendet. Mitunter streifte man die Laubblätter auch nur ab.
Ernstbrunn (492 müA).22 Weiters wurden Fundbearbeitungen aus
17
18
Bäume und Sträucher stehen dadurch nicht nur in Verbindung mit Feuerung, speziellen Konstruktionsmaßnahmen und Utensilien, sondern auch mit Aspekten der Tierfütterung und der Aufstallung.
15 Vgl. etwa Jacomet 2007, 2395; Müller-Beck 1965.
19 Siehe Werneck 1949, 69–71 und 107 und Ders. 1961, 110 f. 20 Siehe Popovtschak/Zwiauer 2003, 47 und 63–66; vgl. dazu auch Oeggl 1992: Der „vorrömische Roggenfund aus Schluderns“ wurde oft missverstanden und falsch zitiert, bevor er bei seiner ersten archäobotanischen Bearbeitung als Gerste identifiziert wurde.
17 Beispielsweise Heiss 2008, 148–150.
21 Siehe Kohler-Schneider 2001 und unten Pkt. 5.4.1; Popovtschak/ Zwiauer 2003 und unten Pkt. 5.4.2 – Die noch andauernden Grabungsund Auswertungsarbeiten in der Talsiedlung Thunau am Kamp erbrach ten bisher nur wenige urnenfelderzeitliche Siedlungsreste, Sediment proben sind noch unbearbeitet, vgl. Obenaus 2015, 9.
18 Vgl. Marinova/Linseele/Kühn 2013; Kühn/Maier/Herbig et al. 2013.
22 Siehe Schneider/Raunjak 1994, 222, Tab. 4.
16 Hier seien exemplarisch die ausgezeichnet erhaltenen Konstruktio nen aus den Seeufersiedlungen genannt, etwa in Jacomet/Leuzinger/ Schibler 2004; ebenso Bleicher/Harb 2017.
115
5. Pflanzennutzung
zwei Flachlandsiedlungen in Unterradlberg (238 müA) und Pixendorf (184 müA) durchgeführt: Von den neun beprobten Befunden in Unterradlberg sind acht fundpositiv, darunter auch verkohlte Reste aus einer Brunnenverfüllung.23 Auch in der Fundstel-
Abb. 05_05. Lage der 19 Fundstellen, die in die Auswertungen „Pannonisches Becken“ einbezogen wurden, basierend auf Stika/Heiss 2013a, vgl. Stika/Heiss 2013b – ergänzt durch Ergebnisse aus vier weiteren Fundstellen; vgl. Kap. 2, Abb. 02_02a (Karte © Google Maps 2018. Überarbeitung: A. G. Heiss nach Daten und Zusammenstellung in Stika/Heiss 2013a, 209 f., Tab. 19).
le Pixendorf sind neben verkohlten Pflanzenresten aus 16 Befunden noch interessante Endauswertungen zu neun von zehn
Dass auch die urnenfelderzeitlichen Siedlerinnen und Siedler
freigelegten Brunnen zu erwarten. Darin sehr zahlreich enthal-
Pflanzen zu vielerlei Zwecken nutzten, steht außer Frage. Aber
tene subfossile Pflanzenfunde sind eine wertvolle Ergänzung
welche Pflanzen spielten in der Urnenfelderzeit eine besondere
des verkohlt erhaltenen Pflanzenspektrums.24 Erste Untersu-
Rolle, waren weiterhin wichtig oder veränderten das bereits be-
chungsergebnisse sind auch bereits aus der Bergbausiedlung in
kannte Spektrum? Und woher kamen solche Neuerungen be-
Prigglitz-Gasteil (ca. 735 müA) vorhanden.25 Es bleibt zu hoffen,
ziehungsweise wie und wohin verbreiteten sie sich? Um diesen
dass in künftige Betrachtungen viele weitere archäobotanische
Fragestellungen (besser) nachzugehen, wurden die Daten aus
Bearbeitungen einbezogen werden können.
den sechs Funderhebungen im Osten Österreichs zusammen mit dreizehn Fundstellen aus Ungarn26 in einen großräumigen Über-
23 Siehe Wiesinger/Thanheiser 2009. 24 Zu den verkohlten Funden siehe Walter 2005; zu den subfossilen Funden in den Brunnenverfüllungen: freundliche Mitteilung J. Walter, Juni 2015 (unpubl. Ergebnisse VIAS-Datenbank); vgl. Kap. 3, Pkt. 3.1.2; Heiss/Drescher-Schneider/Szunyogh et al. 2013. 25 Sowohl die Aufarbeitung der Grabungsergebnisse als auch die archäo botanischen Beprobungen, Aufbereitungen und Untersuchungen der Makroreste, einschließlich Holzartenanalysen, dauern noch an (FWF-Projekt P 30289 „Leben und Arbeit im bronzezeitlichen Bergbau von Prigglitz“, 2017–2020); vgl. Jakobitsch/Heiss/Wiesinger et al. 2019 und Wiesinger/Heiss/Jakobitsch et al. 2019.
116
blick zu Kulturpflanzenfunden einbezogen (siehe Abb. 05_09, 15 und 19) – obwohl die Fundstellen Prigglitz-Gasteil und Thunau 26 Die ungarischen Fundstellen sind: Balatonmagyaród – Hídvégpuszta, Börcs – Paphomlok, Budapest – Albertfalva – Kitérő ut., Dunakeszi – Székesdűlő (Auchan), Gór – Kápolnadomb, Győr – Szabadrétdomb, Lébény – Billedomb, Ludas – Varjú-dűlő, Mosonmagyaróvár – Német dűlő, Polgár 31, Poroszló – Aponhát und Sopron – Krautacker 1 (alle Gyulai 2010) sowie Százhalombatta – Földvár (Stika/Heiss 2013a; Stika/Heiss 2013c).
5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!
am Kamp im Grenzbereich des gemeinsamen Naturraums liegen. Dieses Gebiet deckt vor allem den nördlichen Teil des Pannonischen Beckens ab (Abb. 05_05) und stimmt mit seinem subkontinentalen bis kontinentalen Klima, den flachen bis sanft hügeligen Landschaften aus weiträumigen und meist mächtigen Lössablagerungen und Schwarzerdeböden sowie den darauf ausgebildeten Vegetationstypen des pannonischen Florengebiets weitgehend überein.
5.3.2 Zum angebauten Getreide Die Nachweissituation der urnenfelderzeitlichen Getreidearten ist in Abb. 05_09 und 19 dargestellt.
Glossar: Getreide Die Körner von Spelzgetreide (Spelzgerste und Spelzweizen)
Abb. 05_06. SaatGerste (Hordeum vulgare s. l.); Feldbestand, rezente (bespelzte) Körner/Ährchen sowie verkohlte urnenfelderzeitliche Körner der mehrzeiligen Spelzgerste aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).
sind fest von den sie umgebenden Spelzen (Hüll-, Deck- und Vorspelzen sind bleibende, pergamentartige Blütenblätter der Gräser, zu denen auch diese Getreidearten zählen) umschlos-
Gerste
sen – dies im Unterschied zu Nacktgetreide (Nacktweizen und
Die Saat-Gerste (Hordeum vulgare s. l.) war vom Mittel- bis Spät-
Roggen), dessen Körner von den Spelzen nur locker umschlos-
neolithikum27 bis in die Neuzeit stets eine der wichtigsten Ge-
sen sind. Während deshalb die reifen Körner von Nacktgetreide
treidearten Mitteleuropas. Sie kommt als Nackt- und Spelzgerste
beim Dreschen leicht aus den Ähren fallen, müssen Körner von
(Spelzgetreide) vor. Letztere muss zur Nutzung als Nahrung nicht
Spelzgetreide noch weiter aufbereitet bzw. entspelzt werden;
unbedingt entspelzt werden, da ihre papierdünnen Hüllspelzen
lediglich die sehr zarten Spelzen der Spelzgerste muss man
mitverarbeitet und verzehrt werden können. Weiters sind ver-
nicht unbedingt entfernen, siehe unten.
schiedene Formen vorhanden, die als Winter- (verträgt Tem-
Bei Winterfeldfrüchten wird das Saatgut im Herbst gesät, läuft
peraturen bis -15 °C), oder Sommerfeldfrüchte gebaut werden
auf und die Pflänzchen überwintern am Feld. Sommerfeldfrüchte
und verschiedene Längen der Vegetationsdauer (Sommergers-
hingegen werden im Frühjahr gesät, keimen und wachsen ohne
te reift bereits in ca. 95 Tagen), Temperaturansprüche, Ertrags-
längere Unterbrechung.
mengen sowie Eiweiß- und Stärkegehalte der Körner aufweisen.
Vesen sind einzelne Ährchen (siehe Abb. 05_07), in die die Ähren
Die meisten Gerstenvarietäten sind anspruchslos, robust und
der Spelzweizen Einkorn, Emmer und Dinkel beim Dreschen
liefern auch unter schwierigen Bedingungen gute Erträge.28 Ver-
zerbrechen. Ihre dabei fest von Spelzen umschlossenen Körner
wendet wird Gerste als Brotgetreide (Fladenbrote), für Grau-
müssen durch einen eigenen Aufbereitungsschritt, die Ent-
pen und Breie, zum Bierbrauen und als Tierfutter. So kann der
spelzung durch Quetschen oder Stampfen, freigesetzt werden.
an verkohlten Körnern manchmal erkennbare Keimungsbeginn
Speichergut in Form der Vesen ist besser vor Schadinsekten und
(Wachstum der Keimwurzel) auf ungewolltes Auskeimen am Feld
Feuchtigkeit geschützt als einzelne Körner und kann bis zuletzt
(zu viel Regen) oder während der Speicherung hinweisen, wo-
als Saatgut genutzt werden. Hingegen wird bei der Entspelzung
bei die verdorbenen Körner anschließend in ein Feuer gelang-
meist der Keimling verletzt, wodurch die Körner dann nicht mehr
ten/entsorgt wurden. Die Möglichkeit, dass damit Reste der ge-
keimfähig sind.
zielten Erzeugung von Bier/Malz vorliegen, ist nur in sehr klaren
Gluten (Gluten) ist der Sammelbegriff für Kleberproteine, die in
Fundgegebenheiten angezeigt. Während etwa in einem Vorrats-
den Körnern fast aller Getreidearten (Ausnahmen: Reis, Mais,
rest in Stillfried nur wenige gekeimte Körner unter vielen unge-
Hirsen) vorkommen und deren unterschiedliche Zusammensetzung die Backfähigkeit wesentlich beeinflusst.
27 Vgl. Kohler-Schneider 2007. 28 Sortenspezifisch variierende Wasser- und Bodenansprüche, vgl. etwa Körber-Grohne 1995, 47 f.
117
5. Pflanzennutzung
keimten vorliegen, konnte eine Bier-/Malzerzeugung bisher erst in latènezeitlichen (450/400 bis 15 v. Chr.) Befunden nachgewiesen werden.29 Die Spelzgerste (Abb. 05_06) hatte im Pannonischen Raum bereits zu Beginn der Bronzezeit die während des Neolithikums dominante Nacktgerste als Hauptgetreide verdrängt, wenn auch Nacktgerstenfunde weiterhin auftreten. Ähnliches ist am südlichen Balkan, im Alpenraum und in Westeuropa zu beobachten (siehe Abb. 05_09 und 19).30
Die Spelzweizen Einkorn, Emmer und Dinkel Auch Einkorn (Triticum monococcum) und Emmer (Triticum di coccum) nahmen in der Region seit dem Frühneolithikum eine bedeutende Rolle ein.31 Anders als bei Spelzgerste ist bei diesen beiden Spelzweizenarten im Zuge der Aufbereitung ein zusätzlicher Arbeitsgang erforderlich. Die Körner von Spelzgetreide fallen beim Dreschen nicht aus, sondern die Ähre zerbricht in Vesen und das Korn muss durch Stampfen oder Quetschen
Abb. 05_07. Dinkel (Triticum spelta); rezente Ähre und Vesen; verkohlte urnenfelder zeitliche Reste: charakteristische Hüllspelzenbasen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).
aus den Spelzen befreit werden.32 Ihr Mehl ist im Unterschied zu Gersten- und Hirsemehl aufgrund der Kleberqualität (jeweilige
Anzahl dokumentierter Funde kontinuierlich.36 Belege aus Still-
Bestandteile an Gluten) nicht nur für Breigerichte, sondern auch
fried an der March zählten zu den ersten identifizierten Resten;
zur Brotherstellung (gut) geeignet.
Ein weiterer Spelzweizen,
inzwischen sind auch aus Unterradlberg drei Druschreste nach-
der Dinkel (Triticum spelta, Abb. 05_07), spielte in der Bronze-
gewiesen. Vor allem ältere Fundbearbeitungen und schlecht er-
zeit insbesondere im westlichen Mitteleuropa eine große Rolle.34
haltene Pflanzenreste sind dementsprechend kritisch zu sehen,
Der „europäische“ Dinkel dürfte im Gegensatz zum „asiatischen“
etwa jene aus Thunau am Kamp.37
33
Dinkel am Übergang Neolithikum–Bronzezeit nördlich der Alpen durch Rückkreuzung aus Emmer und Nacktweizen entstanden
Nacktweizen
sein. Während der Spätbronzezeit breitete er sich nach Osten
Als Nacktweizen (Triticum aestivum s. l./durum/turgidum) wird
und Südosten aus und kam auch im Pannonischen Becken etwas
eine Sammelgruppe aus freidreschenden Weizenarten – Saat-
häufiger vor.
Weizen (Triticum aestivum s. l.), Hart-Weizen (Triticum durum)
„Neuer“ Typ Spelzweizen (Sanduri-Weizen)
archäobotanischen Fundgut kaum voneinander abzugrenzen,
Ein verhältnismäßig neues Forschungsergebnis stellt der „neue“
insbesondere wenn, was überwiegend der Fall ist, nur Körner
Spelzweizen (Triticum sp., „new type“, „new“ glume wheat,
erhalten sind. Obwohl die Aufbereitung dieses Nacktgetreides
und Rau-Weizen (Triticum turgidum) – bezeichnet. Sie sind im
emmerähnlicher Spelzweizen; siehe Abb. 05_16) dar. Die taxo-
im Gegensatz zur Aufbereitung einschließlich Entspelzung von
nomische Stellung dieses Weizens war lange Zeit unklar. Die
Spelzweizen eine deutliche Arbeitsersparnis darstellte, spiel-
Hinweise, dass es sich um den heute noch im Kaukasus vorkom-
ten die seit dem Neolithikum in Mitteleuropa nachgewiesenen
menden Sanduri-Weizen (Triticum timopheevii) handeln könnte,
Nacktweizen im Großteil Europas bis in die Antike keine heraus-
bestätigten sich erst kürzlich.35 Seit dieser für die Forschung da-
ragende Rolle. Das wird vor allem auf ihre hohen Ansprüche an
mals „neue“ Spelzweizen und die Kriterien für seine morphologi-
Boden und Klima zurückgeführt. Momentan ist festzustellen, dass
sche Abgrenzung vom Emmer bekannt geworden sind, stieg die 29 Siehe Kohler-Schneider 2001, 130; Stika 2013; Jacomet 2009. 30 Siehe Stika/Heiss 2013a.
der Anteil von Nacktweizen von der Mittel- in die Spätbronzezeit im Pannonischen Becken leicht ansteigt, sich insgesamt jedoch keine große Bedeutung abzeichnet.
31 Vgl. Kohler-Schneider 2007. 32 Vgl. u. a. Samuel 1993; Peña-Chocarro/Zapata Peña 2003. 33 Vgl. Borghi/Castagna/Corbellini et al. 1996; Abdel-Aal/Hucl/Sosulski et al. 1997; Kreuz/Baatz 2003. 34 Vgl. Ohtsuka 1998; Blatter/Jacomet/Schlumbaum 2004; Akeret 2005. 35 Kroll/Reed 2016, 48–51 und 88–98 ; Czajkowska/Bogaard/Charles et al. 2020.
118
36 Vgl. Jones/Valamoti/Charles 2000; Kohler-Schneider 2001; Kenéz/ Pető/Gyulai 2014; Toulemonde/Durand/Berrio et al. 2015. 37 Das Fundgut von Thunau am Kamp (Popovtschak/Zwiauer 2003) wurde vor Bekanntwerden der Forschungsergebnisse zum „neuen“ Spelzwei zen bearbeitet, eine Revision der Weizenfunde ist bisher nicht erfolgt.
5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!
Echt-Rispenhirse und Kolbenhirse Eine tatsächlich große Veränderung ist hingegen bei der EchtRispenhirse (Panicum miliaceum, Abb. 05_08) gegeben. Wie die gleichzeitig, jedoch in deutlich geringerem Maße auftretende Kolbenhirse (Setaria italica) stammt auch die Echt-Rispenhirse aus dem zentralasiatischen Raum, wo bislang die ältesten archäologischen Belege nachgewiesen wurden.38 Zwar finden sich „frühe Hirsen“ mitunter auch in einigen neolithischen Fundstellen Europas,
14
C-AMS-Datierungen an mehreren solcher
Echt-Rispenhirse-Körner erbrachten jedoch wichtige Ergebnisse: Keines der untersuchten Körner aus vorwiegend bandkeramischen Fundstellen war letztlich älter als mittel- bis spätbronzezeitlich.39 Die Echt-Rispenhirse stellte in der Mittelbronzezeit wohl eine Randerscheinung dar. Während Funde der Kolbenhirse im Pannonischen Becken erst ab der Spätbronzezeit vereinzelt vorkommen – etwa auch in Prigglitz-Gasteil (25 Körner) und in Stillfried an der March (213 Körner) –, wurde die Echt-Rispen-
Abb. 05_08. EchtRispenhirse (Panicum miliaceum); Feldbestand und rezente Körner sowie verkohlte urnenfelderzeitliche Körner aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).
hirse am Übergang zur Spätbronzezeit in den östlichen Teilen Europas zu einer außerordentlich wichtigen Feldfrucht. In den
nach gegenwärtigen Kenntnissen ein intentioneller Anbau ei-
Regionen des Balkans, im heutigen Italien und in Mitteleuropa
ner domestizierten Form frühestens ab der Hallstattzeit ange-
wurde sie sogar zum Hauptgetreide.
In Niederösterreich stim-
nommen. Auch die wenigen Funde aus Stillfried an der March
men damit Funde tausender Körner aus Pixendorf, Stillfried
(drei Stück) und Thunau am Kamp (23 Stück) gelten als Acker-
an der March und Thunau am Kamp überein. Im Bergbau von
beigras.42 Neueste Funde zeigen zudem, dass kleine Roggen-
Prigglitz-Gasteil ist Echt-Rispenhirse Hauptgetreide. Ebenso ist
körner einem anderen potenziellen Ackerbeigras, dem Zottigen
40
sie, wenn auch nur mit wenigen Fundstücken, in Oberleiserberg
Haarweizen (Dasypyrum villosum), sehr ähnlich sind, weshalb
und Unterradlberg belegt. In weiten Teilen Europas blieb dieses
vor einer definitiven Einstufung der Funde noch genauere Unter-
kleinfrüchtige Getreide bis ins ausgehende Mittelalter ein wich-
suchungen notwendig sind.43
tiges Grundnahrungsmittel.41
Sonderfall Saat-Hafer und Roggen Darüber hinaus sind in der mitteleuropäischen Bronzezeit bereits aus mehreren Fundstellen einzelne Belege von Roggen
5.3.3 Zu den angebauten Hülsenfrüchtlern
(Secale cereale) und Saat-Hafer (Avena sativa) bekannt. Eine
Gleichzeitig sind in dieser Zeitphase auch einige Kultur-Hülsen-
Unterscheidung zwischen Wild- und Kulturhafer kann erfolgen,
früchtler von enormer Bedeutung. Einerseits stellen ihre Samen,
wenn Ährchenbasen einschließlich ihrer charakteristischen
in denen hochwertige Proteine angereichert sind, eine der
Abbruchstelle erhalten sind. Die Körner allein sind – ähnlich
wichtigsten Quellen für Eiweiß und essenzielle Aminosäuren
wie beim Nacktweizen – nicht abgrenzbar. Genauere Bestim-
dar,44 andererseits können sie aufgrund der Wurzelsymbiose
mungen liegen deshalb auch bei den Funden von Oberleiser-
mit stickstofffixierenden Knöllchenbakterien (Rhizobiaceae) im
berg (ein Korn), Pixendorf (ein Korn) und Thunau am Kamp
Fruchtwechsel eine effiziente Gründüngung (Stickstoffbindung)
(14 Körner) nicht vor. Obwohl Roggen auch im Pannonischen
und Bodenverbesserung bewirken.45 Diese domestizierten
Becken während der Spätbronzezeit nachgewiesen ist, wird
Schmetterlingsblütler (Fabaceae) sind in der prähistorischen
38 Aus dem 7. Jt. v. Chr. im Tal des Gelben Flusses und anderen Regionen Nordchinas: Hunt/Vander Linden/Liu et al. 2008; Hunt/Jones 2009. 39 Siehe Filipović/Meadows/Dal Corso et al. 2020; Motuzaite-Matuzeviciute/Staff/Hunt et al. 2013.
42 Vgl. Behre 1992; Oeggl 1992, 447 f.: bronzezeitliche Pollenfunde im mittleren Alpenraum, aber kein gezielter Anbau.
40 Siehe Zohary/Hopf/Weiss 2012, 69–71; Stika/Heiss 2013a. vgl. Jacomet/Karg 1996, 235 f.
43 Siehe Kenéz/Malatinszky/Pető 2014; Kroll/Reed 2016, 150 f. 44 Vgl. beispielsweise Lieberei/Reisdorff/Franke 2012, 53 f.
41 Vgl. Körber-Grohne 1995, 336. Erst in der Neuzeit wird sie durch Kartoffel, Mais und Importe von Reis verdrängt.
45 Vgl. Körber-Grohne 1995, 97; dazu auch Kap. 2, Pkt. 2.2.3, Exkurs Robinie.
119
5. Pflanzennutzung
Abb. 05_09. Überblick der urnenfelderzeitlichen Getreidespektren Mittel bis Südosteu ropas. Trotz leicht regional abgewandelter Bedeutung einzelner groß- und kleinfrüchtiger Getreidearten zeichnen sich beim Vergleich der Ergebnisse aus dem Pannonisches Becken (vgl. auch Abb. 05_19) mit jenen der umge benden Regionen die allgemeinen urnenfelderzeitlichen Trends gut ab. Die Daten wurden nach der Methode der Repräsentativität bzw. des Represen tativeness Index (RI) ausgewertet. 1–5 entsprechen folgenden Regionen: 1. Westliches Mitteleuropa (ohne Alpen und Alpenvorland) – 2. Ostalpen und östliches Alpenvorland – 3. Mittel- und Norditalien (ohne Alpen) – 4. Pannonisches Becken – 5. Mittel- und Nordgriechenland sowie Südbulgari en. Ausführliche Methodik bei Stika/Heiss 2013a, vgl. Stika/Heiss 2013b; undiff. = undifferenziert. (Auszug aus Stika/Heiss 2013a, 197, Abb. 1; Daten ebenda, 198, Tab. 1; 199, Tab. 2; 202, Tab. 5; 203, Tab. 6; 205, Tab. 8; Kartengrundlage: Spiess 2002; Ergänzungen und Überarbeitung: A. G. Heiss).
langer Anbau auf demselben Feld möglich ist. Da Samen der Ackerbohne schlechte Verkohlungschancen haben, sind oft nur Einzelfunde erhalten, die kaum ihre tatsächliche Bedeutung repräsentieren. Zumindest lassen das einige Vorratsfunde und Befunde in Feuchtbodensiedlungen erahnen. Die Ackerbohne wurde als grünes Gemüse und in Form der reifen, gut speicherbaren Samen genutzt. Ihr Konsum ist jedoch nicht uneingeschränkt bekömmlich (Favismus).
und der gesamten vorindustriellen Landwirtschaft wichtige Nah-
Glossar: Hülsenfrüchtler
rungs- und Futterpflanzen. Nach Kultur-Linse (Lens culinaris)
Die Ackerbohne wird auch Pferdebohne oder Saubohne ge-
und Kultur-Erbse (Pisum sativum) tritt die Ackerbohne (Vicia
nannt. Sie ist – im Gegensatz zu den heute vorwiegend bei uns
faba, Abb. 05_10) in Mitteleuropa vergleichsweise spät, am Be-
angepflanzten Bohnen, den aus Südamerika stammenden Feuer-
ginn der Bronzezeit, auf.
bohnen und Gartenbohnen (Phaseolus spp.) – eine altweltliche
Im Anbau anspruchslos, verträgt sie auch kühlere Temperaturen
Art, die im fruchtbaren Halbmond domestiziert wurde. Lange
(Temperaturminimum bei der Keimung ist 2–3 °C). Sie wächst be-
Zeit selten gepflanzt, wird sie neuerdings wieder häufiger ge-
sonders gut auf Böden mit hohem Wasserhaltevermögen, etwa
baut: zur Gründüngung, als Tierfutter und trendiges Gemüse.
auf Ton- und Torfböden, und ist selbstverträglich, wodurch jahre-
In Niederösterreich beispielsweise hat sich die Anbaufläche
120
5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!
Abb. 05_11. Linsen-Wicke (Vicia ervilia); Pflanze teilweise noch blühend, teilweise bereits fruchtend; rezente Samen; verkohlte urnenfelderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).
Abb. 05_10. Ackerbohne (Vicia faba); Pflanze fruchtend (links) und blühend (rechts); rezente Samen; verkohlte urnenfelderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).
Samen) belegt. Deutlich wärmebedürftiger als die Ackerbohne, verträgt diese Pflanze nur leichten Frost. Zum Verzehr müssen die Samen durch Auslaugen in Wasser oder durch Rösten aufbereitet werden, da sie bei unsachgemäßer Zubereitung unbekömmlich sind und zu Muskelkrämpfen, Erbrechen und Darmerkrankungen
der Ackerbohne von 2013 (2308 ha) auf 2015 (4504 ha) fast
führen können.48 Vergiftungen treten bei Menschen, aber auch
verdoppelt.46
bei Pferden und Schweinen auf, während sie bei Wiederkäuern
Bei Menschen mit einer bestimmten genetischen Konstellation
wie Rindern und Schafen nicht bekannt sind.
kann Favismus auftreten: Einatmen des Blütenstaubs und Verzehr von rohen und gekochten Ackerbohnen kann zu Übelkeit, Erbrechen, Schwindelgefühl bis zu akuter hämolytischer Anämie mit Fieber, Milz- und Leberschwellung führen.
47
5.3.4 Zu potenziellen Ölpflanzen Besonders schwierig nachvollziehbar ist die Bedeutung der Samen und Früchte von Ölpflanzen. Sie haben im verkohlten
Einige andere Arten der Familie der Schmetterlingsblütler waren
Fundgut geringe Chancen, adäquat erfasst zu sein.49 Trotzdem
vermutlich nur regional wichtig, etwa Platterbse (Lathyrus sativus
sind im Pannonischen Becken Reste von Schlaf-Mohn (Papa
und L. cicera), Futter-Wicke (Vicia sativa), Kichererbse (Cicer arie
ver somniferum) bereits seit dem Neolithikum nachgewiesen,
tinum) und Linsen-Wicke (Vicia ervilia). Im Pannonischen Becken
während Samen von Echtem Lein/Flachs (Linum usitatissimum)
ist allerdings die 20–60 cm hohe Linsen-Wicke (Abb. 05_11) auf-
aus urnenfelderzeitlichen Befunden bisher noch fehlen.50 Umso
fallend präsent. Ihre Samen sind auch in großer Menge (mehrere tausend Samen, Genaueres dazu unter Pkt. 5.4.2) aus Thunau am Kamp und mit einigen Funden aus Pixendorf (sechs Samen),
48 Vgl. Valamoti/Moniaki/Karathanou 2011; Sadeghi/Pourreza/Samei et al. 2009.
Stillfried an der March (drei Samen) und Unterradlberg (zehn
49 Zu unterschiedlichen Erhaltungs-/Verkohlungschancen aufgrund hohen Ölgehalts vgl. auch Pkt. 5.2.1.
46 Siehe http://www.statistik.at (letzter Zugriff: Mai 2020).
50 Zu neolithischen Funden von Schlaf-Mohn siehe Kohler-Schneider 2007. Die Samen beider Pflanzen enthalten essenzielle (ungesättigte, bes. Linolsäure) Fettsäuren, die durch die Nahrung aufgenommen werden müssen, siehe Lieberei/Reisdorff/Franke 2012, 54 f.
47 Vgl. Roth/Daunderer/Kormann 2012, 729.
121
5. Pflanzennutzung
Abb. 05_13. Die Wild-Weinrebe (Vitis vinifera subsp. sylvestris) im Augebiet der March (bei Marchegg), links ihre Wuchsform und rechts Fruchtstände mit noch unreifen Beeren. Sie ist heute eine stark gefährdete Pflanzenart (Gefährdungsstufe 2, Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999, 120) (Fotos: M. Popovtschak).
langem intensiv diskutiert.52 Da im Gebiet heute noch Reliktpopulationen der Wild-Weinrebe (Vitis vinifera subsp. sylvestris) vorkommen, könnte es sich bei den entsprechenden urnenfelderzeitlichen Funden, zwei Weintraubenkernen aus Stillfried an der March, grundsätzlich auch um Sammelobst handeln. Diese mit Abb. 05_12. SaatLeindotter (Camelina sativa); Pflanze fruchtend (links) und blühend (rechts); rezente Früchte und Samen; verkohlte urnenfelderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).
Ranken kletternde Liane, die bis zu 30 m Länge erreichen kann, hat violett-blaue Beeren, die im Oktober reifen. Sie wächst aktuell noch vereinzelt in der Hartholzau, vorzugsweise am linken Donauufer ab Wien und in den Marchauen (Abb. 05_13 und 14).53
bedeutender sind deshalb Funde von Saat-Leindotter (Camelina
Die Edle Weinrebe (Vitis vinifera subsp. vinifera) als domestizierte
sativa, Abb. 05_12), dessen Samen in der Bronzezeit erstmals
Form zählte nach aktuellem Wissensstand erst seit der Bronze-
in Europa vorkamen. Vermutlich wurde er aus wilden, vorzugs-
zeit im Mittelmeerraum zu einer sich schnell diversifizierenden
weise in Leinfeldern als Ackerbeikraut wachsenden Vorläufern
Kultur von Obstgehölzen.54 Für das Ausstrahlen dieser Kultur
in Ost- und Mitteleuropa domestiziert.51
nach Norden existieren bislang aber kaum Belege, die weiter als in die Römische Antike zurückreichen.55 Zudem hätten sowohl
5.3.5 Gesammelt, kultiviert oder gehandelt Weitere Aspekte der Ernährung (organische Säuren, Ballaststoffe, Aromastoffe und Vitamine) belegen viele erhaltene Reste gesammelter Wildfrüchte, wie Wald-Erdbeere (Fragaria vesca), Hagebutte (Rosa sp.), Him- und Brombeere (Rubus idaeus und R. fruti
das Produkt Wein als auch getrocknete Früchte grundsätzlich importiert worden sein können. 52 Ihre Bestimmung erfolgt meist nach den morphometrischen Kriterien von Mangafa, Kotsakis 1996. Diese werden aber noch heftig diskutiert und überarbeitet (neue Maßzahlen, neue Verfahren), beispielsweise Milanesi/Antonucci/Menesatti et al. 2011; Bouby/Figueiral/Bouchette et al. 2013; Orrù/Grillo/Lovicu et al. 2013; Terral/Tabard/Bouby et al. 2010.
terscheidung zwischen „wild“ und „domestiziert“ werden seit
53 Siehe Wotzi 2013; Regner/Hack/Gangl et al. 2004; Die Wilde Weinre be gilt als Stammform der kultivierten Weinrebe. Sie war im 19. Jhdt. noch von der oberen Bucht des Wiener Beckens bis nach Ungarn sowie entlang der March bis zur Grenze von Mähren allgemein verbreitet, vgl. Rotter/Schratt-Ehrendorfer 2020. Heute ist sie eine stark gefährde te Pflanzenart, siehe Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999, 120.
51 Siehe Zohary/Hopf/Weiss 2012, 111.
55 Für das Pannonische Becken beispielsweise Kohler-Schneider/ Caneppele/Heiss 2015, 530; dazu auch Pkt. 5.4.1: zwei verkohlte Kerne von Kulturwein.
cosus) oder Schlehe (Prunus spinosa). Dabei sind jene der Echten Weinrebe (Vitis vinifera) besonders interessant. Die genauen Bestimmungskriterien für Weintraubenkerne und damit die Un-
122
54 Vgl. Zohary 1995; Miller 2008.
5.3 Das urnenfelderzeitliche Pflanzenspektrum – Neues willkommen!
Abb. 05_15. Spektrum weiterer (potenzieller) Kulturpflanzen Mittel- bis Südosteuropas während der Urnenfelderzeit. Die Ergebnisse (aktueller Wissensstand) im Pannonischen Becken unterscheiden sich von jenen umgebender Regionen deutlicher als die Ergebnisse des klein- und großfrüchtigen Getreides (Abb. 05_09). Dies ist vor allem durch wärmebedürftigere Pflanzen bedingt, die (noch) auf Süd- und Südost-Europa beschränkt sind, insbesondere Feige (Ficus carica), Olive (Olea europaea) und Kichererbse (Cicer arietinum). Die Daten wurden nach der Methode der Repräsentativität bzw. des Repre sentativeness Index (RI) ausgewertet. Die Nummern 1–5 entsprechen fol genden Regionen: 1. Westliches Mitteleuropa (ohne Alpen und Alpenvor land) – 2. Ostalpen und östliches Alpenvorland – 3. Mittel- und Norditalien (ohne Alpen) – 4. Pannonisches Becken – 5. Mittel- und Nordgriechen land sowie Südbulgarien. Ausführliche Methodik bei Stika/Heiss 2013a, vgl. Stika/Heiss 2013b; undiff. = undifferenziert. (Auszug aus Stika/Heiss 2013a, 197, Abb. 1; Daten ebenda, 202, Tab. 5; Kartengrundlage: Spiess 2002; Ergänzungen und Überarbeitung: A. G. Heiss).
Abb. 05_14. Arealkarte von Reliktpopulationen der Wild-Weinrebe (Vitis vinifera subsp. vinifera) nach Niklfeld & Ehrendorfer-Schratt: ■ aktuelle Verbreitung der Wild-Weinrebe; ■ Angabe eines inzwischen verschwundenen Vorkommens aus dem Jahre 1956 durch F. Ehrendorfer. (Datengrundlage: Floristische Kartierung Österreichs, unpublizierte Daten übermittelt von H. Niklfeld und L. Ehrendorfer-Schratt, Universität Wien; Überarbeitung: M. Popovtschak), vgl. Regner/Hack/Gangl et al. 2004, 124; Wotzi 2013; Rotter/SchrattEhrendorfer 2020.
123
5. Pflanzennutzung
5.4 Was können archäobotanische Fundensembles aussagen?
ca. 50 % in den Proben insgesamt wird für die Wildpflanze RoggenTrespe eine getreideähnliche Nutzung angenommen. Unter den 4.109 erhaltenen Wildpflanzenresten wurden 87 verschiedene Taxa bestimmt. Von besonderem Interesse sind erste Hinweise auf grünlandähnliche Bereiche, die eine kombinier-
Um die verschiedenen Aspekte archäobotanischer Einzelaus-
te Mäh- und Weidenutzung zur Futterversorgung des Viehs ver-
wertungen zu veranschaulichen, sind nachfolgend die Ergebnisse
muten lassen. Außerdem ist sowohl Sommeranbau, etwa mit
zweier Fundstellen etwas genauer wiedergegeben.
Echt-Rispenhirse, als auch Winteranbau, etwa mit Dinkel, nachgewiesen. In erhaltenen Vorratsresten sind Mischanbau (Einkorn und Sanduri-Weizen gemeinsam gesät) und Fruchtfolge (Dinkel,
5.4.1 Pflanzenreste aus der Höhensiedlung Stillfried an der March
zeigt. Einige in den Getreideresten und insbesondere in den Vor-
Die Höhensiedlung Stillfried an der March56 (199 müA) liegt im
und gute Stickstoffversorgung, möglicherweise eine Düngung
gefolgt von Mischanbau mit Einkorn und Sanduri-Weizen) angeratsfunden enthaltene charakteristische Ackerbeikräuter lassen intensive Bodenbearbeitung, Brachestadien (ein bis drei Jahre)
Weinviertler Hügelland in unmittelbarer Nähe zum Augebiet
der Felder, annehmen. Außerdem zeigen sie eine bodennah er-
und Verlauf des Flusses March. Sie überragt mit einem Steil-
folgte Ernte an. Darüber hinaus belegt ein gut gereinigter Vor-
abfall von 55 m die sie umgebende Ebene (ca. 144 müA). In der
ratsfund von Einkorn und Sanduri-Weizen, dass Spelzgetreide
mehrphasigen Trockenbodensiedlung wurden innerhalb der prä-
in Form der Vesen gespeichert wurde.
historischen Wallanlage 21 urnenfelderzeitliche Fundkomplexe57 archäobotanisch untersucht. Die 25 bearbeiteten Proben aus 2.200 l Sediment enthielten 10.096 verkohlte Samen/Früchte
Exkurs: Bronzezeit-Risotto
und Druschreste, die 114 Taxa zugeordnet wurden. Die Unter-
Die von M. Kohler-Schneider identifizierten verbackenen, ver-
suchung der Holzkohlereste erbrachte sechs weitere Taxa.
kohlten Speisereste, das „Hirsotto“ aus Stillfried an der March,58
Die Ergebnisse zeigen, dass unter den Getreidearten Dinkel und
inspirierten die Köchin Parvin Razavi zu einem nahrhaften Ge-
Gruben, Öfen und Gefäßinhalten mit einem Gesamtvolumen von
Echt-Rispenhirse (höchste Stetigkeit mit 84 %) bedeutend waren,
richt, „das sich nur mit Salz und wenigen wild wachsenden
gefolgt von Einkorn und Gerste. Weiters sind Emmer, Kolbenhirse
Kräutern gewürzt den bronzezeitlichen Nahrungsmöglichkeiten
und „neuer“ Spelzweizen/Sanduri-Weizen belegt sowie Nackt-
annähert“.59
weizen, der vergleichsweise selten vorkommt. Auch die KulturHülsenfrüchtler sind artenreich vertreten. 59 Belege verteilen sich auf Kultur-Linse (50 Samen), Kultur-Erbse (fünf Samen),
Zutaten (Abb. 05_17)
Ackerbohne (ein Samen) und Linsen-Wicke (drei Samen). Wei-
▸ 50 g Goldhirse (= handelsübliche Rispenhirse, geschält)
ters ist das Vorliegen von Ölfrüchten mit Schlaf-Mohn (sieben
▸ 50 g Gerste
Samen) und Leindotter (44 Samen) beachtenswert. Zwei aus ei-
▸ 25 g Roggen-Trespe
ner Grubensohle geborgene Kerne der Echten Weinrebe wurden
▸ 20 g Speck
der Kulturform zugeordnet. Aus einer weiteren Grubenverfüllung
▸ Salz
lagen verkohlte Speisereste vor, die als Risotto ähnliches Gericht
▸ Bär-Lauch oder Brennnessel
– „Hirsotto“ (Abb. 05_16) – identifiziert wurden. Es bestand aus
▸ Wasser
grob zerkleinerten Anteilen von Gerste, Echt-Rispenhirse und Roggen-Trespe (siehe Exkurs Bronzezeit-Risotto). Aufgrund des
Vorbereitung
Vorkommens in diesem Breigericht und einer Stetigkeit von
Die gesammelte, wildwachsende Roggen-Trespe (siehe Abb. 05_22) muss entspelzt werden: Die Körner in einer Pfanne erhitzen und anschließend durch händisches Abreiben und Ausblasen von den sich leicht lösenden Spelzen trennen. Bei der
56 Alle archäobotanischen Ergebnisse siehe Kohler-Schneider 2001; Czajkowska/Bogaard/Charles et al. 2020; zur Archäologie siehe Hellerschmid 2006; dazu Kap. 3, Pkt. 3.3.5.
58 Kohler-Schneider 2001, 153 f., Abb. 37.
57 Diese sind durch Keramikfunde sowie durch fünf 14C-AMS-Datierungen von Getreidekörnern datiert, siehe Kohler-Schneider 2001, 44 f.
59 Siehe Razavi 2013 – wir danken der Autorin für die Möglichkeit, das Rezept hier anzuführen.
124
5.4 Was können archäobotanische Fundensembles aussagen?
Abb. 05_16. Die Grabung Stillfried an der March. Zwei Befunde aus dem Abschnitt Wagneracker: Grube A/3, Verf. 1, in der ein Speiserest enthalten war, der als „Hirsotto“ rekonstruiert wurde und die Grube A/0, Verf. 18, in der u. a. zwei Weintraubenkerne vorlagen; Zeichnung einiger verkohlter Funde des „neuen“ Spelzweizens, nun Sanduri-Weizen (Triticum timopheevii). (Grabungsplan von Stillfried an der March, Grabungsschnitte auf der Wall anlage (1969–1995), ÖAW/OREA, FWF-Projekt 28005 [aktualisiert von I. Petschko auf Grundlage der Grabungsdokumentation Stillfried], unver öffentlicht; Fotos der archäologischen Befunde V 5001 und V 5003: digi talisierte Grabungsdokumentation Stillfried: Grabungsjahr 1987 [V 5001, Fotonr. ST 3852] und Grabungsjahr 1988 [V 5003, Fotonr. ST 1802090108], Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte; Foto „Hirsotto“ und die Zeichnungen der Pflanzenfunde: M. Kohler-Schneider); Überarbeitung: M. Popovtschak.
Abb. 05_17. Die Zutaten zum Bronzezeit-Risotto, darunter: 1. Gerste, 2. Goldhirse und 3. Roggen-Trespe (Foto: P. Razavi).
Dosierung ist Vorsicht geboten, da die Roggen-Trespe durchaus
Wie geht’s?
etwas bitter schmecken kann.
Speck in der Pfanne anrösten, Getreide zufügen und kurz mit an-
Speck, Bär-Lauch und Brennnessel sind zwar anhand der archäo-
braten. Mit ungefähr der doppelten Menge Wasser aufgießen,
logischen Funde nicht nachgewiesen, könnten aber im Original
leicht salzen und zugedeckt bei geringer Hitze quellen lassen.
enthalten gewesen sein und sind außerdem eine geschmackli-
Zum Schluss den Bär-Lauch unterheben.
che Aufbesserung. 125
5. Pflanzennutzung
5.4.2 Pflanzenreste aus der Höhensiedlung Thunau am Kamp Die Höhensiedlung Thunau am Kamp60 (437 müA) liegt am Ostrand des Waldviertels. Abgesehen von der westlich anschließenden Hochebene begrenzen den Geländesporn Steilabfälle. Unmittelbar unterhalb des östlich gelegenen, felsigen Abhanges von ca. 140 m verläuft der Fluss Kamp. In der mehrphasigen Trockenbodensiedlung wurden verkohlte
05_18. Die Grabung Thunau am Kamp. Die urnenfelderzeitliche Siedlungsfläche und der Abschnittswall (orange überzeichnet) im Gelände der Höhensiedlung; drei Befunde: Schnitt 70/1977 (Hüttenbereich mit Gefäßen), Schnitt 127/1985 (14 Gefäße/Scherbenlage) und Schnitt 93/1982 (Hütteninventar) mit Beispielen der darin geborgenen archäobotanischen Funde: Abdrücke von Blättern der Eiche und Hasel, von Riefen und Druschresten/Stroh – alle beigefügten Messlatten = 1 cm; verkohlte Samen/Früchte von Nacktweizen, Linse und Erbse – alle beigefügten Messlatten = 1 mm (Grabungsplan von Thunau am Kamp, Grafik: M. Lochner, Datengrundlage Land Niederösterreich/Laserscannings, Bearbeitung M. Doneus; Fotos der drei Befunde: IUHA; Fotos der Samen/Früchte: M. Popovtschak; Pflanzen abdrücke: K. Zwiauer); Überarbeitung: M. Popovtschak.
Pflanzenreste auch mit freiem Auge entdeckt, so bereits während erster Grabungen ab dem Jahr 1929. Sie werden einzel-
es sich mit ihrer Bedeutung: Gerste – soweit bestimmbar mehr-
nen Brandereignissen zugeschrieben, die vorwiegend im urnen-
zeilige Spelzgerste – weist die höchste Stetigkeit (89,5 %) auf. Die-
felderzeitlichen Siedlungshorizont dokumentiert sind. Es wurden
ser nachgereiht sind Echt-Rispenhirse (78,9 %), Emmer (73,7 %),
65 archäobotanische Proben aus 54 innerhalb der Wallanlage
Einkorn (57,9 %) und Nacktweizen (47,4 %). Mangels charak-
gelegenen Befunden untersucht. Die einbezogenen Gefäßinhal-
teristischer Spelzbasen bleibt unklar, ob die 14 Haferkörner
te, Scherbenlagen, Gruben-, Öfen-, Hütten- und Wallbereiche
Kulturgetreide oder Wildhafer belegen. Ein häufig in mehrpha-
repräsentieren vier geschlossene und 50 offene Fundkomplexe,
sigen Siedlungen auftretendes Problem verdeutlichen mehrere
wovon 32 wiederum zu vier Befundgruppen zusammenhängen-
Roggenfunde. 14C-AMS-Datierungen bestätigten sie in drei Proben
der Wohnbereiche verbunden sind.
als jüngere Einmischungen, während 23 Körner des vierten Be-
Unter den verkohlten Resten überwiegen Kulturpflanzen – und
funds tatsächlich der Urnenfelderzeit zugeordnet sind. Sie wer-
zwar Getreide vor Kultur-Hülsenfrüchtlern. Die höchste Stück-
den als Ackerbeigras gewertet. Auch Kultur-Linse, Kultur-Erbse
zahl erreicht Emmer, gefolgt von Nacktweizen, Gerste und Echt-
und Ackerbohne (mehr als 233 Samen)61 sind in beachtlich hoher
Rispenhirse sowie wenigen Resten von Einkorn. Anders verhält 60 Alle archäobotanischen Ergebnisse siehe Popovtschak/Zwiauer 2003; zur Archäologie siehe zuletzt Lochner 2018; dazu: Kap. 3, Pkt. 3.3.1.
126
61 Die Fundzahl der Ackerbohne resultiert aus der Einbeziehung der Altfunde (Revision), wobei nur ein Teil der tatsächlich erhaltenen Fundmenge bearbeitet/gezählt wurde.
5.4 Was können archäobotanische Fundensembles aussagen?
Anzahl vorhanden, ebenso die Samen der Linsen-Wicke. Von
pflanzen beeinflussten, sind allerdings sehr vielschichtig.63 Ins-
ihren insgesamt über 9.000 erhaltenen Samen liegen 226 aus
besondere die Bedeutung soziokultureller Aspekte bei Anbau
sicher ungestörten Bereichen vor. Ihre hohe Funddichte in eini-
und Verarbeitung sowie in Nutzungsmustern, die von Bevorzu-
gen Komplexen weist die Linsen-Wicke als Nahrungs- und/oder
gung über Geringschätzung bis hin zu Tabuisierung bestimm-
Futterpflanze aus. Potenzielle Ölpflanzen sind in einem „Brei-
ter Arten reichen können, sind zwar aus historischen Epochen
rest“ durch zwei Samen von Mohn (Papaver sp.) belegt. Des Wei-
wohlbekannt, für die Prähistorie jedoch besonders schwierig zu
teren fanden sich 123 Samen von Leindotter (Camelina sp.) in
erfassen.64 Die große Bedeutung von Hirsen, Dinkel und Spelz-
einem Gefäß.
gerste sowie ein nachweisbarer Anstieg des Anbaus von Hülsen-
Bei den erfassten pflanzlichen Abdrücken und Einschlüssen im
früchtlern65 in manchen Regionen (siehe Abb. 05_09 und 05_15)
Hüttenlehm-Material überwiegen ebenfalls jene von Getreide.
zeigen Verschiebungen und Änderungen in den landwirtschaft-
In zeitlich und funktional zuordenbaren Befunden fielen geziel-
lichen Praktiken (Subsistenzwirtschaft und Landwirtschaftssys-
te Magerungen mit Getreidedrusch und dichte Lagen von Blatt-
tem) an. Ursachen dafür könnten in der Zunahme der lokalen Be-
spreiten, etwa von Eiche und Hasel, auf. Da diese Fundgegeben-
völkerung, der Erschließung neuer Siedlungsräume mit anderen
heiten zudem räumlich voneinander abweichen, werden darin
standörtlichen Rahmenbedingungen und in der Anwendung neu-
unterschiedliche Absichten (Stabilität, Isoliermaterial) oder
artiger Techniken gelegen sein. Änderungen, wie sie beispiels-
(jahreszeitliche) Verfügbarkeiten vermutet. In Verbindung mit
weise in der Nordischen Bronzezeit durch den Wechsel von zwei-
riefenartigen Abdrücken aus Hausbereichen schreibt man sie
zu dreischiffigen Wohnstallhäusern und der damit verbundenen
Konstruktionen wie Flechtwerk und Rutenwänden zu. Die Nut-
Aufstallung von Großvieh66 fassbar wurden, könnten mit einer
zung von Eiche bestätigen auch Holzartenbestimmungen, etwa
verstärkten Nutzung von nun leicht verfügbarem Rinderdung auf
aus der Wallkonstruktion.62 Den Ackerbau betreffend sind ein
den Feldflächen einhergegangen sein. Vom Nordseeküstenge-
Fruchtwechsel mit Sommer- und Winterfeldfrüchten sowie ein
biet und aus Südskandinavien liegen bereits zahlreiche Hinwei-
bodennah durchgeführter Ernteschnitt angezeigt.
se auf den Beginn der Düngung von Feldflächen vor 67, die eine Entstehung neuartiger Feldstrukturen wie jene der Celtic fields68 erklären könnten. Die Nutzung von Rindern als Zugtiere beim
5.5 Einblicke in die Situation von Ackerbau und Ernährung 5.5.1 Neuerungen zeichnen sich ab
Pflügen der Felder mit dem Hakenpflug (Ard) erlaubte in diesem Gebiet wohl eine deutliche Intensivierung der Bewirtschaftung 69, wie auch durch zahlreiche Dokumente zum Ard und zu Pflugspuren belegt ist (Abb. 05_20).70 Für den Pannonischen Raum der Spätbronzezeit bleibt die Perspektive, diese Entwicklungen einmal ähnlich deutlich erfassen zu können.71 Im Osten Österreichs sind sie vorerst nur sehr abgeschwächt verfolgbar. So fehlen bisher sowohl der Fund eines Pflugs als auch Pflugspuren. Ebenso zeichnet sich die fortschrei-
Abschließend lässt sich einiges zum urnenfelderzeitlichen
tende Ausdehnung der Acker- und Weideflächen mangels eines
Ackerbau feststellen. Übereinstimmend mit den überregionalen
dichten Netzes an aussagekräftigen Pollenanalysen bisher nur
Ergebnissen archäobotanischer Daten liegen im Pannonischen
durch indirekte Hinweise wie steigende Siedlungstätigkeit ab.
Raum neben den wichtigen Getreidearten Gerste, Hirse und dem sich von Westen ausbreitendem Dinkel mit dem Sanduri-Weizen, Linsen-Wicke und Echtem Wein auch südosteuropäische und mediterrane Einflüsse vor (Abb. 05_19). Die überregionalen Auswertungen ermöglichen zudem Einblicke in die landwirtschaftlichen Tendenzen ganzer Großräume, seien diese nun kulturell, landschaftlich oder klimatisch definiert. Die Faktoren, die in der Bronzezeit eine Wahl bestimmter Kultur-
63 Vgl. auch Chevalier/Marinova/Peña-Chocarro 2014. 64 Vgl. exemplarisch Weiss Adamson 2005; Griffin-Kremer 2014; Hansson/Heiss 2014. 65 Es sei nochmals an die deutlich schwierigere Erhaltung von Hülsen früchtlern und Ölpflanzen erinnert. 66 Siehe Zimmermann 1999; Fokkens 2009, 91. 67 Vgl. Kroll 1987, 107–109; Bakels 1997; de Hingh 2000, 158–175; Robinson 2003; Brinkkemper/van Wijngaarden-Bakker 2005; Vretemark/Stika/Berzsényi et al. 2010. 68 Fokkens 2009, 94. 69 Fokkens 2009, 90. 70 Siehe Tegtmeier 1993; Fries 1995; Coles 2010, 107–109.
62 Siehe Cichocki 1998–1999, bes. 47–49 und 53.
71 Falkenstein 2009.
127
5. Pflanzennutzung
Abb. 05_19. Spektrum der Kulturpflanzen im Pannonischen Becken während der Spät bronzezeit. Die Daten wurden nach der Methode der Repräsentativität bzw. des Representativeness Index (RI) ausgewertet (ausführliche Methodik bei Stika/Heiss 2013a, vgl. Stika/Heiss 2013b; undiff. = undifferenziert), vgl. Abb. 05_09 und 05_15 (Daten aus Stika/Heiss 2013a, 202, Tab. 5; Ergänzungen und Überarbeitung: A. G. Heiss).
Gleichzeitig lassen deshalb auch die vorhandenen MakrorestAuswertungen (noch) weitgehend offen, ob die nachgewiesenen Feldfrüchte in unmittelbarer Umgebung der Fundstellen geerntet wurden, ob das Erntegut aus dörflichen Ansiedlungen in Zentralorte gelangte oder aus noch entlegeneren Gebieten kam. Auch Winter- und Sommerfeldbau sowie Mischanbau sind bisher kaum eruierbar. Solche paläoökonomischen Überlegungen wurden für die Fundstelle Stillfried an der March genauer diskutiert72 und etwa im Ressourcenprojekt Stillfried am Institut OREA der Österreichischen Akademie der Wissenschaften weiter verfolgt. 73
72 Siehe Kohler-Schneider 2001, 193–197. 73 FWF-Projekt P 28005-G25 „Ressourcensicherung, Macht und Kult in Stillfried?“ (2015–2019).
128
Abb. 05_20. 1. Hakenpflug/Ard, Pflüger und ein Paar Ochsen, dargestellt in einer bronzezeitlichen Felszeichnung in Aspeberget, Schweden (Tanum World Heritage, Sweden; Foto: Gerhard Milstreu, Tanum Rock Art Museum Underslös, http://www.bradshawfoundation.com/scandinavia/sweden/index.php, letzter Zugriff: Mai 2020) – 2. Zwei Furchenstöcke aus Egolzwil 3, Schweiz (Zeichnungen aus: Müller-Beck 1965, 40, Abb. 73 und 74, Staempfli-Verlag).
5.5 Einblicke in die Situation von Ackerbau und Ernährung
5.5.2 Zur Bedeutung von Ackerbeikräutern Neben der Analyse von Kulturpflanzenresten sind auch Detailauswertungen von Wildpflanzen, vor allem jene der Ackerbegleitvegetation (Segetalflora) wichtig. Den besten Einblick in die Segetalflora geben geschlossene Fundkomplexe, noch nicht aufbereitetes Erntegut und Aufbereitungsabfälle. Urnenfelderzeitliche Ackerflächen muss man sich im Unterschied zu heutigen sehr uneben vorstellen, wodurch etwa Trockenheitsund Nässezeiger oft nahe beieinander wuchsen. Die Felder waren artenreich und grünlandähnlich. Viele ehemals zahlreich vorhandene Ackerbeikräuter sind heute selten geworden, etwa das Durchwachs-Hasenohr (Bupleurum rotundifolium, Abb. 05_21).74 Für genauere Einstufungen der Anbauformen wären beispielsweise viele Reste im Winterfeldbau besonders gut entwickelter Ackerbeikräuter wie Kornrade (Agrostemma githago), Kornblume (Centaurea cyanus) und Roggen-Trespe (Abb. 05_22) hilfreich. Ein derart hoher Besatz, etwa der eng mit Anbau-Ernte-Aufbereitung der Feldfrüchte verbundenen Samen der Kornrade (Abb. 05_23), eröffnet noch eine weitere Information. Wie die Fruchtkörper (Sklerotien) von Mutterkorn (Claviceps purpurea, Abb. 05_24) können sie eine beachtliche Größe erreichen. Sie überstehen dann die Getreideaufbereitung und sind oft zahlreich in gespeicherten und genutzten Feldfrüchten enthalten. Beide Beimischungen – wie sie etwa in Thunau am Kamp belegt sind – können für die Konsumenten problematisch sein. Genaue Aus-
Abb. 05_21. DurchwachsHasenohr (Bupleurum rotundifolium); blühende Pflanze; ver kohlte urnenfelderzeitliche Teilfrüchte aus Thunau am Kamp; die Wuchs höhe der regional unterschiedlich stark gefährdeten Pflanzenart (Gefähr dungsstufe 2r!, Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999, 51) beträgt 15–40 cm (Fotos: A. G. Heiss [Pflanze] und M. Popovtschak [verkohlte Funde]).
wertungen sind allerdings auf erfassbare Anteilsverhältnisse in Vorratsfunden/Speiseresten beschränkt. 74 Die heutige Vereinheitlichung der Ackerwildkrautgemeinschaften be gann durch Mineraldüngung und Kalkung, vor allem aber durch die chemische Unkrautbekämpfung ab ca. 1960 sowie die starke Boden bearbeitung mit dem Wendepflug (erste Hinweise um Chr. Geb.).
Abb. 05_22. RoggenTrespe (Bromus secalinus); fruchtende Pflanze; verkohlte urnenfelderzeitliche Früchte aus Thunau am Kamp (Fotos: A. G. Heiss [Pflanze] und M. Popovtschak [verkohlte Funde]).
129
5. Pflanzennutzung
Abb. 05_23. Kornrade (Agrostemma githago); Pflanze blühend (links) und fruchtend (rechts) sowie verkohlte urnenfelderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).
Exkurs: Wenn zu viel Kornrade und Mutterkorn im Essgetreide enthalten waren … Die Kornrade, ein Nelkengewächs, passte sich den Selektionsmechanismen Aussaat- und Erntezeitpunkt, Bodenbearbeitung, Abernten, Dreschen, Worfeln, Sieben etc. gut an. Aufgrund ihrer geschlossen bleibenden Fruchtkapseln wurden die Samen erst beim Dreschen (des Getreides) ausgestreut. Ihre vergleichsweise großen Samen überstanden das Aussieben kleinsamiger Acker-
Abb. 05_24. Von Mutterkorn (Claviceps purpurea) befallene Roggenähren und einige daraus entnommene Sklerotien (rechts unten) sowie drei verkohlte urnen felderzeitliche Sklerotien (rechts oben, deutlich vergrößert) aus Thunau am Kamp (Fotos: M. Popovtschak).
beikräuter und wurden in weiterer Folge mit den Getreidekörnern mitgenutzt/wieder ausgesät. Die Kornrade ist besonders eng an Wintergetreide gebunden und der seltene Fall eines toxischen
Das Mutterkorn ist ein parasitischer Pilz, dessen Sporen Gräser-
Ackerbeikrauts. Die ganze Pflanze enthält als Giftstoffe Saponine,
blüten infizieren. Das sich anstatt eines Korns auf dem Wildgras
die besonders in den Samen konzentriert vorliegen. 3–5 g da-
oder Getreide entwickelnde Sklerotium (Dauerstadium) des Pilzes
von sind bereits giftig und können Schleimhautreizung, Übelkeit,
enthält Indolalkaloide, die zu Ergotismus (chronischer Vergiftung)
Krämpfe, Kopfschmerzen bis letale Atemlähmung bewirken.75
mit Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, Koma und schließlich
Die Konzentration der Giftstoffe und damit die Wirkung sind auch
Tod infolge Atem- und Herzlähmung führen können.77 Ähnlich der
abhängig von der Länge der Speicherung und der Verwendungs-
Kornrade breitete sich auch Mutterkorn vor allem ab dem Mittel-
form, das heißt ob sie als Brei, geröstet, gekocht, gemahlen oder
alter stark aus. Archäobotanische Funde belegen jedoch, dass es
gebacken im Brot verzehrt wurden. Zwar wurde die Kornrade erst
auch in der Urgeschichte von Bedeutung war.
ab dem Mittelalter mit dem verstärkten Roggenanbau zu einem sehr häufigen und gefährlichen Besatz im Erntegut, sie ist aber seit dem Neolithikum in Europa dokumentiert. Erst durch die neuzeitliche Saatgutreinigung wurde sie wieder weitgehend aus dem Saatgut entfernt und ist heute beinahe ausgestorben.76 75 Siehe Roth/Daunderer/Kormann 2012, 104 f. 76 Gefährdungsstufe 1, siehe Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999, 42.
130
77 Siehe Roth/Daunderer/Kormann 2012, 710.
5.5 Einblicke in die Situation von Ackerbau und Ernährung
5.5.3 Hinweise auf Anbau, Ernte, Aufbereitung, Speicherung und Zubereitung Die (Getreide-)Ernte betreffend sind bereits Sicheln aus Bronze belegt, aber auch die davor genutzten Erntemesser mit Silexklingen dürften noch weiter verwendet worden sein, wie etwa Funde in Stillfried an der March vermuten lassen.78 Mit der Bronzesichel konnte Getreide nun tiefer als zuvor geschnitten werden. Dass Kulturpflanzen tatsächlich bodennah geerntet wurden, zeigen Reste niedrigwüchsiger Ackerbeikräuter (Abb. 05_25) an.79 Allerdings dürfte die Schnitthöhe durchaus variabel gehalten worden sein und mitunter wurden die Feldfrüchte auch samt der Wurzel ausgerissen, was etwa bei Ackerbohne und Leinsamen sogar üblich war. Das geerntete Getreide wurde mit Dreschflegeln oder durch Stampfen gedroschen, anschließend geworfelt und gesiebt, manchmal wohl handsortiert (siehe Abb. 05_03). Spelzweizen hat man vielleicht geröstet und/oder zur Entspelzung gestampft. Gespeichert wurde er wahrscheinlich vor der Entspelzung in Form der Vesen, wie etwa in Stillfried an der March angezeigt ist (Pkt. 5.4.1). Das Speichergut kam zur längeren Lagerung in Vorratsgruben, die luftdicht abgedeckt wurden, um eine Keimung der Körner zu verhindern.80 Weiters sind spezielle Speicherbauten bekannt. Zum Schutz der Speichergüter vor Schädlingen und Nässe dürften die Böden solcher Pfostenbauten über der Erdoberfläche gelegen sein (siehe Kap. 3, Pkt. 3.1.2 und Abb. 03_01, 06 und 07).81 Für kurzfristige Aufbewahrungen wurden
Abb. 05_25. AckerSpörgel (Spergula arvensis); fruchtende Pflanzen; verkohlte urnen felderzeitliche Samen aus Thunau am Kamp; die Pflanze erreicht eine Wuchshöhe von 10–60 cm (Fotos: M. Popovtschak).
wohl Vorratsgefäße und möglicherweise auch Kisten, Körbe und Säcke befüllt (siehe Kap. 4, Pkt. 4.1.1). Ein typisches Vor-
Intensität und Ausdauer, Schrot bis feines Mehl hergestellt. In-
ratsgefäß aus Thunau am Kamp fasst beispielsweise 120 Liter
wieweit danach nochmals Siebvorgänge durchgeführt wurden,
Speichergut und ein Großgefäß aus Stillfried an der March er-
war vielleicht oft eine Zeitfrage. Eine wichtige Alternative zu
reicht sogar ein Fassungsvermögen von 202 Liter83.
Brot und Fladen war sicherlich der mitunter nur sehr grob ge-
Zwar waren die Vesen von Spelzweizen direkt als Saatgut ver-
schrotete Getreidebrei.85 Genauere Angaben zu Speisen, Brei/
wendbar, zur Nutzung als Essgetreide mussten sie jedoch ent-
Brot (Abb. 05_26 und 05_27), Malz- und Bierherstellung sowie
spelzt werden. Dies erfolgte möglicherweise durch Stampfen in
etwaigen gesundheitsbeeinträchtigenden Beimischungen kön-
Holzmörsern (siehe Abb. 05_03 rechts).84 Auf mulden- bis trog-
nen hoffentlich künftig anhand eindeutiger Fundsituationen
förmigen Mahlsteinen (Unterliegern und Läufern) wurde, je nach
zahlreich ergänzt werden.86 Jedenfalls wird die Rolle von
82
Gärungsprozessen in Verbindung mit Bier und Backprozessen 78 Siehe Kohler-Schneider 2001, 187.
in der Urgeschichte dementsprechend breit diskutiert.87
79 Vgl. Falkenstein 2009, 163; weiters auch unter Pkt. 5.4.1 und 5.4.2. 80 Siloversuch siehe Meurers-Balke/Lüning 2005; Sicherl 2011 (bes. 133); zuletzt Biederer 2019. 81 Vgl. Fokkens 2009, 92. 82 Freundliche Mitteilung D. Kern am 05.04.2018. 83 Großgefäß aus der Ha B-zeitlichen, kegelstumpfförmigen Vorratsgrube 407, Fundnr. St 4489 (Museum Stillfried), siehe Griebl/Biederer in Vorbereitung. 84 Vgl. Alonso/Antolín/López et al. 2013; Peña-Chocarro/Zapata Peña 2003; Procopiou 2003.
85 Reschreiter/Kowarik 2008. 86 Vgl. etwa Hansson 1994; Heiss 2008, 26–29 u. 131–137; Valamoti/ Samuel/Bayram et al. 2008; Hansson 2012; Heiss 2014; Heiss/Pouget/ Wiethold 2015; Heiss/Kohler-Schneider in Vorbereitung; Stika 2013; Jacomet 2009; Bouby/Boissinot/Marinval 2011; Heiss/Thanheiser in Vorbereitung; Heiss/Antolín/Berihuete-Azorín et al. 2019. 87 Vgl. exemplarisch van Zeist 1991, 118–121; Kroll 1991; Procopiou/Treuil 2002a; Procopiou/Treuil 2002b; McGovern 2010; Dietrich/Heun/Notroff et al. 2012.
131
5. Pflanzennutzung
Abb. 05_26. Verkohltes Getreideerzeugnis (FNr 42) aus der spätbronzezeitlichen Berg bausiedlung bei Prigglitz-Gasteil, VB Neunkirchen (FWF-Projekt P 30289; Laufzeit 2017–2020). Links: Ansicht unter dem Binokular; rechts: Doppel schicht von Aleurongewebe, die Gerste (Hordeum vulgare) als Zutat iden tifiziert (1 μm = 0,001 mm) (Die diesen Abbildungen zugrundeliegenden Forschungen wurden durch das ERC-Projekt PLANTCULT [Grant Agreement 682529, PI: Prof. Soultana M. Valamoti, Aristoteles-Universität Thessalo niki] finanziert; Fotos: ÖAW–ÖAI/A. G. Heiss).
Abschließend lässt sich zur Ernährungssituation Folgendes feststellen: Die beste Absicherung vor Missernten und Hungersnot ist vorausschauende und umfangreiche Vorratshaltung sowie Vielfalt der Feldfrüchte mit unterschiedlichsten Wuchsansprüchen. Gerade dies hat die urnenfelderzeitliche Gesellschaft umgesetzt. Im Unterschied zu früheren, oft rein klimatisch oder mit einer bestimmten Bodenqualität begründeten Landwirtschaftsmodellen zeichnet sich analog zu den Erkenntnissen zu historischen Epochen auch für die Urgeschichte zunehmend ab, dass Anbaumuster von Kulturpflanzen wohl ebenso durch sozioökonomische Faktoren und kulturell bedingte Ernährungsweisen bestimmt worden sind. Hirsen etwa weisen im Vergleich zu großfrüchtigen Getreidearten große Unterschiede in ihren Anbauansprüchen, ihrer Verarbeitung und ihren Nutzungsmöglichkeiten auf. Weizenarten sind wesentlich geeigneter zum Brotbacken als alle anderen bronzezeitlich kultivierten Getreidearten. Die Wahl des angebauten Getreides hängt von seiner Verwendung für Brot oder andere Zubereitungsformen ab und bestimmt ihre Repräsentanz in den archäobotanischen Proben. Dementsprechend wird bei wachsender Datengrundlage das Verständnis der urgeschichtlichen Landwirtschaftssysteme und Praktiken sicher in Zukunft noch vertieft werden und dann weitere Details aufzeigen.
132
Abb. 05_27. Verkohltes ringförmiges Getreideprodukt (FNr ST 12050.2), aus der spätbronzezeitlichen Höhensiedlung Stillfried an der March, Grabungsabschnitt Küssleracker. Laboranalysen zufolge wurden die den modernen süditalie nischen tarallini ähnelnden Ringe aus feinem Mehl aus Weizen und Gerste hergestellt – vermutlich waren sie nur getrocknet worden, bevor sie einem Brand zum Opfer fielen. 1: „Oberseite“ – 2: „Unterseite“ – 3: Innen- und 4: Außenansicht. Die hellen Oberflächenüberzüge gehen auf das Konsoli dierungsmittel zurück. Die Pfeile kennzeichnen die beim Formen oder an schließenden Trocknen entstandenen Furchen. (Heiss/Antolín/BerihueteAzorín et al. 2019; Foto: ÖAW–ÖAI/N. Gail)
5.6 Literatur
5.6 Literatur Abdel-Aal/Hucl/Sosulski et al. 1997: E. S. M. Abdel-Aal/P. Hucl/ F. W. Sosulski/P. R. Bhirud, Kernel, milling and baking pro perties of spring-type spelt and einkorn wheats, Journal of Cereal Science 26, 1997, 363–370, https://doi.org/10.1006/ jcrs.1997.0139, letzter Zugriff: Mai 2020. Akeret 2005: Ö. Akeret, Plant remains from a Bell Beaker site in Switzerland, and the beginnings of Triticum spelta (spelt) cultivation in Europe, Vegetation History and Archaeobotany 14/4, 2005, 279–286, https://doi.org/10.1007/s00334-0050071-1, letzter Zugriff: Mai 2020. Alonso/Antolín/López et al. 2013: N. Alonso/F. Antolín/D. López/ F. J. Cantero/G. Prats, The effect of dehusking on cereals: experimentation for archaeobotanical comparison. In: P. C. Anderson/C. Cheval/A. Durand (Hrsg.), Regards croisés sur les outils liés au travail des végétaux/An interdisciplinary focus on plant-working tools, Actes des XXXIIIe rencontres interna tionales d’archéologie et d’histoire d’Antibes (Antibes 2013), 155–168. Bakels 1997: C. C. Bakels, The beginnings of manuring in western Europe, Antiquity 71, 1997, 442–445. Bakels 2001: C. C. Bakels, Producers and consumers in archaeobotany. A comment on ‘when method meets theory: the use and misuse of cereal producer/consumer models in archaeobotany.’ In: U. Albarella (Hrsg.), Environmental Archaeology: Meaning and Purpose, Environmental Science and Technology Library 17 (Dordrecht, Boston, London 2001), 299–304. Behre 1992: K.-E. Behre, The history of rye cultivation in Europe, Vegetation History and Archaeobotany 1/3, 1992, 141–156. Biederer 2019: B. Biederer, Experimenteller Nachbau von Speichergruben, Experimentelle Archäologie in Europa 18, 2019, 21–34. Blatter/Jacomet/Schlumbaum 2004: R. H. Blatter/S. Jacomet/ A. Schlumbaum, About the origin of European spelt (Triticum spelta L.): allelic differentiation of the HMW Glutenin B1-1 and A1-2 subunit genes. Theoretical and applied genetics 108/2, 2004, 360–367, https://doi.org/10.1007/s00122-003-1441-7, letzter Zugriff: Mai 2020. Bleicher/Harb 2017: N. Bleicher/C. Harb (Hrsg.), Zürich-Parkhaus Opéra. Eine neolithische Feuchtbodenfundstelle. Band 3: Naturwissenschaftliche Analysen und Synthese, Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 50 (Dübendorf 2017). Borghi/Castagna/Corbellini et al. 1996: B. Borghi/R. Castagna/ M. Corbellini/M. Heun/F. Salamini, Breadmaking quality of einkorn wheat (Triticum monococcum ssp. monococcum). Cereal Chemistry 73/2, 1996, 208–214. Bouby/Boissinot/Marinval 2011: L. Bouby/P. Boissinot/P. Marinval, Never mind the bottle. Archaeobotanical evidence of beerbrewing in mediterranean France and the consumption of alcoholic beverages during the 5th century BC, Human Ecology 39/3, 2011, 351–360.
Bouby/Figueiral/Bouchette et al. 2013: L. Bouby/I. Figueiral/ A. Bouchette/N. Rovira i Buendía/S. Ivorra/T. Lacombe/ T. Pastor/S. Picq/P. Marinval/J.-F. Terral, Bioarchaeological insights into the process of domestication of grapevine (Vitis vinifera L.) during Roman times in Southern France, PLOS ONE 8 (5), 2013, 13, https://doi.org/10.1371/journal. pone.0063195, letzter Zugriff: Mai 2020. Brinkkemper/van Wijngaarden-Bakker 2005: O. Brinkkemper/L. van Wijngaarden-Bakker, All-round farming. Food production in the Bronze Age and the Iron Age. In: L. P. Louwe Kooijmans/ P. W. van den Broeke (Hrsg.), The Prehistory of the Netherlands 2 (Amsterdam 2005), 491–512. Campbell/Moffett/Straker 2011: G. Campbell/L. Moffett/V. Straker, Environmental Archaeology: A Guide to the Theory and Practice of Methods, from Sampling and Recovery to Post-excavation, English Heritage (Portsmouth 20112), http://www.historicengland.org.uk/images-books/publications/ environmental-archaeology-2nd, letzter Zugriff: Mai 2020. Chevalier/Marinova/Peña-Chocarro 2014: A. Chevalier/E. Marinova/ L. Peña-Chocarro, Factors and issues in crop choice. In: A. Chevalier/E. Marinova/L. Peña-Chocarro (Hrsg.), Plants and People: Choices and Diversity through Time. Early Agricultural Remnants and Technical Heritage (EARTH): 8,000 Years of Resilience and Innovation (Oxford 2014), 3–13. Cichocki 1998–1999: O. Cichocki, Xylotomische Untersuchungen an Holzresten aus den urnenfelderzeitlichen und frühmittelalter lichen Wallanlagen von Thunau am Kamp, MG Gars am Kamp, Niederösterreich, ArchA 82–83, 1998–1999, 47–56. Coles 2010: J. M. Coles, Experimental Archaeology (Caldwell, New Jersey 20102). Czajkowska/Bogaard/Charles et al. 2020: B. I. Czajkowska/A. Bogaard/ M. Charles/G. Jones/M. Kohler-Schneider/A. Mueller-Bieniek/ T. A. Brown, Ancient DNA typing indicates that the “new” glume wheat of early Eurasian agriculture is a cultivated member of the Triticum timopheevii group, Journal of Archaeological Science 123, 2020, 105258, https://doi.org/10.1016/j. jas.2020.105258, letzter Zugriff: November 2020. de Hingh 2000: A. E. de Hingh, Food Production and Food Procure ment in the Bronze Age and Early Iron Age (2000–500 BC). The Organisation of a Diversified and Intensified Agrarian System in the MeuseDemerScheldt Region (The Netherlands and Belgium) and the Region of the River Moselle (Luxemburg and France). Archaeological Studies Leiden University 7 (Leiden 2000), https://openaccess.leidenuniv.nl/handle/1887/13513, letzter Zugriff: Mai 2020. Dietrich/Heun/Notroff et al. 2012: O. Dietrich/M. Heun/J. Notroff/ K. Schmidt/M. Zarnkow, The role of cult and feasting in the emergence of Neolithic communities. New evidence from Göbekli Tepe, south-eastern Turkey, Antiquity 86, 2012, 674–695.
133
5. Pflanzennutzung
Falkenstein 2009: F. Falkenstein, Zur Subsistenzwirtschaft der Bronze zeit in Mittel- und Südosteuropa. In: M. Bartelheim/H. Stäuble (Hrsg.), Die wirtschaftlichen Grundlagen der Bronzezeit Euro pas/The Economic Foundations of the European Bronze Age, Forschungen zur Archäometrie und Altertumswissenschaft (Rahden/Westf. 2009), 147–176.
Hansson/Heiss 2014: A.-M. Hansson/A. G. Heiss, Plants used in ritual offerings and in festive contexts: introduction. In: A. Chevalier/ E. Marinova/L. Peña-Chocarro (Hrsg.), Plants and People: Choices and Diversity through Time. Early Agricultural Rem nants and Technical Heritage (EARTH): 8,000 Years of Resilience and Innovation (Oxford 2014), 311–334.
Filipović/Meadows/Dal Corso et al. 2020: D. Filipović/J. Meadows/ M. Dal Corso/W. Kirleis/A. Alsleben/Ö. Akeret/F. Bittmann/ G. Bosi/B. Ciută/D. Dreslerová/H. Effenberger/F. Gyulai/ A. G. Heiss/M. Hellmund/S. Jahns/T. Jakobitsch/M. Kapcia/ S. Klooß/M. Kohler-Schneider/H. Kroll/P. Makarowicz/ E. Marinova/T. Märkle/A. Medović/A. M. Mercuri/A. MuellerBieniek/R. Nisbet/G. Pashkevich/R. Perego/P. Pokorný/ Ł. Pospieszny/M. Przybyła/K. Reed/J. Rannwanz/H.-P. Stika/ A. Stobbe/T. Tolar/K. Wasylikowa/J. Wiethold/T. Zerl, New AMS 14C dates track the arrival and spread of broomcorn millet cultivation and agricultural change in prehistoric Europe, Scientific reports (2020) 10:13698, https://doi.org/10.1038/ s41598-020-70495-z, letzter Zugriff: September 2020.
Heiss 2008: A. G. Heiss, Weizen, Linsen, Opferbrote – Archäobotani sche Analysen bronze- und eisenzeitlicher Brandopferplätze im mittleren Alpenraum (Saarbrücken 2008).
Fischer/Adler/Oswald 2008: M. A. Fischer/W. Adler/K. Oswald, Exkursionsflora von Österreich, Liechtenstein und Südtirol (Linz 20083). Fokkens 2009: H. Fokkens, Die Wirtschaft der Nordischen Bronzezeit: mehr als Getreide säen und Vieh züchten. In: M. Bartelheim/ H. Stäuble (Hrsg.), Die wirtschaftlichen Grundlagen der Bronzezeit Europas/The Economic Foundations of the European Bronze Age, Forschungen zur Archäometrie und Altertumswissen schaft (Rahden/Westf. 2009), 85–104. Fries 1995: J. C. Fries, Vor- und frühgeschichtliche Agrartechnik auf den Britischen Inseln und dem Kontinent. Eine vergleichende Studie, Internationale Archäologie 26 (Espelkamp 1995). Fuchs/Fürhacker/Heiss et al. 2015: G. Fuchs/R. Fürhacker/A. G. Heiss/ A.-K. Klatz/A. B. Szilasi, Eine ausgewählte Fundstelle: Wohls dorf – Bronzezeitliche Siedlung und Brunnen. In: B. Hebert (Hrsg.), Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark. Geschichte der Steiermark (Wien, Köln, Weimar 2015), 332–335. Griebl/Biederer in Vorbereitung: M. Griebl/B. Biederer, Die Speicher gruben der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. Von der Getreidelagerung bis zur profanen oder kultischen Verfüllung, MPK (in Vorbereitung). Griffin-Kremer 2014: C. Griffin-Kremer, ‘Humble Plants’: of furze and nettles in the British Isles uses (and beyond). In: A. Chevalier/ E. Marinova/L. Peña-Chocarro (Hrsg.), Plants and People: Choices and Diversity through Time. Early Agricultural Rem nants and Technical Heritage (EARTH): 8,000 Years of Resilience and Innovation (Oxford 2014), 270–275. Gyulai 2010: F. Gyulai, Archaeobotany in Hungary. Seed, Fruit, Food and Beverage Remains in the Carpathian Basin from the Neolithic to the Late Middle Ages, Archaeolingua 21 (Budapest 2010). Hansson 1994: A.-M. Hansson, Grain-paste, porridge and bread. Ancient cereal-based food, Laborativ Arkeologi 7, 1994, 5–20. Hansson 2012: A.-M. Hansson, Bread offerings at Foundation IV, Helgö – further influence from the classical world? In: B. Arrhenius, U. O’Meadhra (Hrsg.), Excavations at Helgö 18 (Stockholm 2012), 53–77.
134
Heiss 2014: A. G. Heiss, Ceremonial foodstuffs from Prehistoric burnt-offering places in the Alpine region. In: A. Chevalier/ E. Marinova/L. Peña-Chocarro (Hrsg.), Plants and People: Choices and Diversity through Time. Early Agricultural Rem nants and Technical Heritage (EARTH): 8,000 Years of Resilience and Innovation (Oxford 2014), 343–353. Heiss/Antolín/Berihuete-Azorín et al. 2019: A. G. Heiss/F. Antolín/ M. Berihuete-Azorín/B. Biederer/R. Erlach/N. Gail/M. Griebl/ R. Linke/M. Lochner/E. Marinova/D. Oberndorfer/H.-P. Stika/ S. M. Valamoti, The Hoard of the Rings. “Odd” annular breadlike objects as a case study for cereal-product diversity at the Late Bronze Age hillfort site of Stillfried (Lower Austria), PLoS ONE 14, 6, 2019, e0216907. https://doi.org/10.1371/journal. pone.0216907, letzter Zugriff: August 2020. Heiss/Drescher-Schneider/Szunyogh et al. 2013: A. G. Heiss/ R. Drescher-Schneider/I. Szunyogh/W. R. Bielowski/G. Fuchs, Four wells exposed – waterlogged and charred plant remains and preliminary environmental data on the Middle/Late Bronze Age and Roman period in the Laßnitztal (western Styria, Austria), Glt unpublished 2013, https://doi.org/10.13140/2.1.1853.9524, letzter Zugriff: Mai 2020. Heiss/Jakobitsch/Wiesinger et al. 2021: A. G. Heiss/T. Jakobitsch/ S. Wiesinger/P. Trebsche, Dig Out! Dig In! The plant-based diet of Late Bronze Age miners at the copper production site of Prigglitz-Gasteil (Lower Austria), and a few general thoughts on archaeological remains of processed food, PLoS ONE 24, 3, 2021, e0248287. https://doi.org/10.1371/journal.pone. 0248287, letzter Zugriff: Mai 2021. Heiss/Kohler-Schneider in Vorbereitung: A. G. Heiss/M. KohlerSchneider, Ländliches Leben im Schatten von Roseldorf – Archäobotanische Ergebnisse zu den latènezeitlichen Kleinsiedlungen von Mitterretzbach (Niederösterreich), in Vorbereitung. Heiss/Pouget/Wiethold 2015: A. G. Heiss/N. Pouget/J. Wiethold, Bread matters. Tissue-based analysis of a charred flat bread (galette) from a Roman cemetery at Saint-Memmie (Dép. Marne, Champagne-Ardenne, north-eastern France), Journal of Archaeological Science 55, 2015, 71–82. Heiss/Thanheiser in Vorbereitung: A. G. Heiss/U. Thanheiser, Bier aus Carnuntum? Die Pflanzenreste aus einer Darre aus Haus III der römischen Zivilstadt von Petronell-Carnuntum, in Vorbereitung. Hellerschmid 2006: I. Hellerschmid, Die urnenfelder-/hallstattzeit liche Wallanlage von Stillfried an der March, Ergebnisse der Ausgrabungen 1969–1989 unter besonderer Berücksichtigung des Kulturwandels an der Epochengrenze Urnenfelder-/Hall stattkultur, MPK 63 (Wien 2006).
5.6 Literatur
Hillman 1978: G. Hillman, On the origin of domestic rye – Secale cereale: the finds from aceramic Can Hasan III in Turkey, Anatolian Studies 28, 1978, 157–174. Hunt/Vander Linden/Liu et al. 2008: H. Hunt/M. Vander Linden/ X. Liu/G. Motuzaite-Matuzeviciute/S. Colledge/M. Jones, Millets across Eurasia: chronology and context of early records of the genera Panicum and Setaria from archaeological sites in the Old World, Vegetation History and Archaeobotany 17, Supplement 1, 2008, 5–18. Hunt/Jones 2009: H. Hunt/M. K. Jones, Pathways across Asia: exploring the history of Panicum and Setaria in the Indian subcontinent, Pragdhara 18, 2009, 53–68. Jacomet 2007: S. Jacomet, Use in environmental archaeology. In: S. A. Elias (Hrsg.), Encyclopedia of Quaternary Science 3 (Amsterdam 2007), 2384–2412.
Hungary: an archaeophyte weed or a native grass?, Vegetation History and Archaeobotany 23, 2014, 841–849. Kenéz/Pető/Gyulai 2014: Á. Kenéz/Á. Pető/F. Gyulai, Evidence of ‘new glume wheat’ from the Late Neolithic (Copper Age) of south-eastern Hungary (4th millennium cal. B.C.), Vegetation History and Archaeobotany 23, 2014, 551–566. Kohler-Schneider 2001: M. Kohler-Schneider, Verkohlte Kultur- und Wildpflanzenreste aus Stillfried an der March als Spiegel spätbronzezeitlicher Landwirtschaft im Weinviertel, Nieder österreich, MPK 37 (Wien 2001). Kohler-Schneider 2007: M. Kohler-Schneider, Early agriculture and subsistence in Austria: a review of neolithic plant records. In: S. Colledge/J. Conolly (Hrsg.), The Origins and Spread of Domestic Plants in Southwest Asia and Europe (Walnut Creek 2007), 209–220.
Jacomet 2009: S. Jacomet, Die älteste Zürcher Brauerei? Archäobotani sche Untersuchung einer Schicht mit ausgekeimtem Getreide aus dem spätlatènezeitlich/frühkaiserzeitlichen Übergangs horizont (2. Hälfte 1. Jh. v. Chr.) der Grabung Zürich, Rennweg, Kanalisationssanierung 1999 (B3.1), Schnitt 32, Siedlungs phase 2. In: M. Balmer (Hrsg.), Zürich in der Spätlatène- und frühen Kaiserzeit. Vom keltischen Oppidum zum römischen Vicus Turicum, Monographien der Kantonsarchäologie Zürich (Zürich 2009), 209–214.
Kohler-Schneider/Caneppele/Heiss 2015: M. Kohler-Schneider/ A. Caneppele/A. G. Heiss, Land use, economy and cult in late Iron Age ritual centres: an archaeobotanical study of the La Tène site at Sandberg-Roseldorf, Lower Austria, Vegetation History and Archaeobotany 24/4, 2015, 517–540, https://doi. org/10.1007/s00334-014-0511-x, letzter Zugriff: Mai 2020.
Jacomet/Karg 1996: S. Jacomet/S. Karg, Ackerbau und Umwelt der Seeufersiedlungen von Zug-Sumpf im Rahmen der mittel europäischen Spätbronzezeit – Ergebnisse archäobotanischer Untersuchungen. In: Kantonales Museum für Urgeschich te Zug (Hrsg.), Die spätbronzezeitlichen Ufersiedlungen von Zug-Sumpf 1, Die Dorfgeschichte (Zug 1996), 198–303 und 365–368.
Kreuz/Baatz 2003: A. Kreuz/D. Baatz, Try and error. Gedanken und Erfahrungen zum Darren und Entspelzen von Getreide in den Jahrhunderten um Christi Geburt, Denkmalpflege und Kultur geschichte 2003/1, 2003, 20–25.
Jacomet/Kreuz 1999: S. Jacomet/A. Kreuz, Archäobotanik. Aufgaben, Methoden und Ergebnisse vegetations- und agrargeschichtli cher Forschung (Stuttgart 1999). Jacomet/Leuzinger/Schibler 2004: S. Jacomet/U. Leuzinger/J. Schibler (Hrsg.), Die jungsteinzeitliche Seeufersiedlung Arbon Bleiche 3. Umwelt und Wirtschaft, Archäologie im Thurgau 12 (Frauenfeld 2004). Jacomet u. MitarbeiterInnen 2006: S. Jacomet und MitarbeiterInnen, Bestimmung von Getreidefunden aus archäologischen Aus grabungen, Archäobotanik Labor IPNA, Universität Basel (Hrsg.) (Basel 20062), http://www.researchgate.net/publica tion/265849512_Bestimmung_von_Getreidefunden_aus_ archäologischen_Ausgrabungen, letzter Zugriff: Mai 2020. Jakobitsch/Heiss/Wiesinger et al. 2019: T. Jakobitsch/A. G. Heiss/ S. Wiesinger/P. Trebsche, Plant-based resources of a Late Bronze Age copper mining site in the eastern Alps — Archaeo botany at Prigglitz-Gasteil (Lower Austria). In: International Mountain Conference, Innsbruck 10.09.2019, http://www.uibk.ac.at/congress/imc2019/program, letzter Zugriff: November 2020. Jones/Valamoti/Charles 2000: G. Jones/S. Valamoti/M. Charles, Early crop diversity: a “new” glume wheat from northern Greece, Vegetation History and Archaeobotany 9, 2000, 133–146. Kenéz/Malatinszky/Pető 2014: Á. Kenéz/Á. Malatinszky/Á. Pető, The first archaeobotanical evidence of Dasypyrum villosum in
Körber-Grohne 1995: U. Körber-Grohne, Nutzpflanzen in Deutschland, von der Vorgeschichte bis heute (Stuttgart 19954).
Kroll 1987: H. Kroll, Vor- und frühgeschichtlicher Ackerbau in Archsum auf Sylt. In: G. Kossack/F.-R. Averdieck/H.-P. Blume/O. Harck/ D. Hoffmann/H. Kroll/J. Reichstein (Hrsg.), Archsum auf Sylt. Teil 2. Landwirtschaft und Umwelt in vor- und frühgeschichtli cher Zeit, RGF 44 (Mainz 1987), 51–158. Kroll 1991: H. Kroll, Bier oder Wein? In: B. Hänsel/P. Medović (Hrsg.), Vorbericht über die jugoslawisch-deutschen Ausgrabungen in der Siedlung von Feudvar bei Mosorin (Gem. Titel, Vojvodina) von 1986-1990: Bronzezeit – Vorrömische Eisenzeit. BRGK 72 (Mainz 1991), 165–171. Kroll/Reed 2016: H. Kroll/K. Reed, Die Archäobotanik. Feudvar III, Würzburger Studien zur Vor- und Frühgeschichtlichen Archäo logie 1 (Würzburg 2016). Kühn/Maier/Herbig et al. 2013: M. Kühn/U. Maier/Ch. Herbig/K. IsmailMeyer/M. Le Bailly/L. Wick, Methods for the examination of cattle, sheep and goat dung in prehistoric wetland settlements with examples of the sites Alleshausen-Täschenwiesen and Alleshausen-Grundwiesen (around cal. 2900 BC) at Lake Federsee, south-west Germany, Journal of Environmental Archaeology 18/1, 2013, 43–57. Lieberei/Reisdorff/Franke 2012: R. Lieberei/C. Reisdorff/W. Franke, Nutzpflanzen (Stuttgart, New York 20128). Lochner 2018: M. Lochner, Thunau am Kamp – eine befestigte Höhen siedlung der Urnenfelderkultur. In: E. Nowotny/M. Obenaus/ S. Uzunoglu-Obenaus (Hrsg.), 50 Jahre Archäologie in Thunau am Kamp, Festschrift für Herwig Friesinger, Archäologische Forschungen in Niederösterreich neue Folge 5 (Krems 2018), 25–42.
135
5. Pflanzennutzung
Mangafa/Kotsakis 1996: M. Mangafa/K. Kotsakis, A new method for the identification of wild and cultivated charred grape seeds, Journal of Archaeological Science 23/3, 1996, 409–418. Marinova/Linseele/Kühn 2013: E. Marinova/V. Linseele/M. Kühn (Hrsg.), Special Issue: Bioarchaeological research on animal dung, Environmental Archaeology 18/1, 2013. McGovern 2010: P. E. McGovern, Uncorking the Past: The Quest for Wine, Beer, and Other Alcoholic Beverages (Berkeley 2010). Meurers-Balke/Lüning 2005: J. Meurers-Balke/J. Lüning, Experimente zur frühen Landwirtschaft. In: F. Both (Hrsg.), Von der Altstein zeit über „Ötzi“ bis zum Mittelalter, Experimentelle Archäolo gie in Europa, Sonderband 1 (Oldenburg 2005). Milanesi/Antonucci/Menesatti et al. 2011: C. Milanesi/F. Antonucci/ P. Menesatti/C. Costa/C. Faleria/M. Crestia, Morphology and molecular analysis of ancient grape seeds, Interdisciplinaria Archaeologica 2/2, 2011, 95–100.
Popovtschak/Zwiauer 2003: M. Popovtschak/K. Zwiauer, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung. Archäobotanische Untersuchungen urnenfelderzeitlicher bis frühmittelalterlicher Befunde, MPK 52 (Wien 2003). Popper 1988: V. S. Popper, Selecting quantitative measurements in paleoethnobotany. In: C. A. Hastorf/V. S. Popper (Hrsg.), Cur rent Paleoethnobotany. Analytical Methods and Cultural Inter pretations of Archaeological Plant Remains, Prehistoric Archa eology and Ecology (Chicago, London 1988), 53–71. Procopiou 2003: H. Procopiou, Les techniques de décorticage dans le monde égéen. In: P. C. Anderson/L. S. Cummings/T. K. Schippers/B. Simonel (Hrsg.), Le traitement des récoltes: Un regard sur la diversité du Néolithique au présent, XXIIIe rencontres internationales d’archéologie et d’histoire d’Antibes (Antibes 2003), 115–136.
Miller 2008: N. F. Miller, Sweeter than wine? The use of the grape in early western Asia, Antiquity 82, 2008, 937–946.
Procopiou/Treuil 2002a: H. Procopiou/R. Treuil (Hrsg.), Moudre et broyer. L’interprétation fonctionnelle de l’outillage de mouture et de broyage dans la Préhistoire et l’Antiquité. I — Méthodes: Pétrographie, chimie, tracéologie, expérimentation, ethno archéologie (Paris 2002).
Motuzaite-Matuzeviciute/Staff/Hunt et al. 2013: G. MotuzaiteMatuzeviciute/R. A. Staff/H. V. Hunt/X. Liu/M. K. Jones, The early chronology of broomcorn millet (Panicum miliaceum) in Europe, Antiquity 87, 338, 2013, 1073–1085.
Procopiou/Treuil 2002b: H. Procopiou/R. Treuil (Hrsg.), Moudre et broyer. L’interprétation fonctionnelle de l’outillage de mouture et de broyage dans la Préhistoire et l’Antiquité. II — Archéo logie et Histoire: Du Paléolithique au Moyen Âge (Paris 2002).
Müller-Beck 1965: H. Müller-Beck, Seeberg, Burgäschisee-Süd, Holzgeräte und Holzbearbeitung, Acta Bernensia II, Teil 5 (Bern 1965).
Razavi 2013: P. Razavi, Das Rezept im Bild, Bronzezeit-Risotto, Bio rama 23, 2013, https://issuu.com/biorama/docs/biorama_ 23_issuu, letzter Zugriff: Mai 2020.
Niklfeld/Schratt-Ehrendorfer 1999: H. Niklfeld/L. Schratt-Ehrendorfer, Rote Listen gefährdeter Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta und Spermatophyta) Österreichs. In: H. Niklfeld (Hrsg.), Rote Listen gefährdeter Pflanzen Österreichs, Grüne Reihe des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie 10 (Graz 1999), 33–130.
Regner/Hack/Gangl et al. 2004: F. Regner/R. Hack/H. Gangl/G. Leitner/ K. Mandl/W. Tiefenbrunner, Genetic variability and incidence of systemic diseases in wild vines (Vitis vinifera ssp. sylvestris) along the Danube, Vitis 43/2, 2004, 123–130, http://www.researchgate.net/publication/256369797, letzter Zugriff: Mai 2020.
Obenaus 2015: M. Obenaus, Die frühmittelalterliche Talsiedlung von Thunau am Kamp, AÖ 26/1, 2015, 9–21.
Reschreiter/Kowarik 2008: H. Reschreiter/K. Kowarik, Vom Alltag der Bergleute. In: A. Kern/K. Kowarik/A. W. Rausch/H. Reschreiter (Hrsg.), Salz-Reich. 7000 Jahre Hallstatt, Veröffentlichungen der Prähistorischen Abteilung 2 (Wien 2008), 92–95.
Oeggl 1992: K. Oeggl, Der vorrömische Roggenfund aus Schluderns: Anmerkungen und Korrektur. In: Festschrift zum 50-jährigen Bestehen d. Inst. f. Ur- und Frühgeschichte der LeopoldFranzens-Universität Innsbruck, UPA 8 (Bonn 1992), 445–449. Ohtsuka 1998: I. Ohtsuka, Origin of central European wheat. In: A. E. Slinkard (Hrsg.), 9th International Wheat Genetics Symposium, University of Saskatchewan (Saskatoon 1998), 303–305. Orrù/Grillo/Lovicu et al. 2013: M. Orrù/O. Grillo/G. Lovicu/G. Venora/ G. Bacchetta, Morphological characterisation of Vitis vinifera L. seeds by image analysis and comparison with archaeological remains, Vegetation History and Archaeobotany 22, 2013, 231–242. Peña-Chocarro/Zapata Peña 2003: L. Peña-Chocarro/L. Zapata Peña, Post-harvesting processing of hulled wheats. An ethnoarchaeological approach. In: P. C. Anderson/L. S. Cummings/T. K. Schippers/B. Simonel (Hrsg.), Le traitement des récoltes: Un regard sur la diversité du Néolithique au présent. XXIIIe rencontres internationales d’archéologie et d’histoire d’Antibes (Antibes 2003), 99–113.
136
Retallack 1984: G. J. Retallack, Completeness of the rock and fossil record: some estimates using fossil soils, Palaeobiology 10, 59–78. Robinson 2003: D. E. Robinson, Neolithic and Bronze Age agriculture in southern Scandinavia – recent archaeobotanical evidence from Denmark, Environmental Archaeology 8/2, 2003, 145–165. Rösch 2013: M. Rösch, Land use and food production in Central Europe from the Neolithic to the medieval period: change of landscape, soils and agricultural systems according to archaeobotanical data. In: T. Kerig/A. Zimmermann (Hrsg.), Economic Archaeo logy: From Structure to Performance in European Archaeology, UPA 237 (Bonn 2013), 109–237. Roth/Daunderer/Kormann 2012: L. Roth/M. Daunderer/K. Kormann, Giftpflanzen – Pflanzengifte (Hamburg 20126). Rotter/Schratt-Ehrendorfer 2020: D. Rotter/L. Schratt-Ehrendorfer, Vitis vinifera subsp. sylvestris in den österreichischen Donau auen – Kommentierung des historischen Manuskripts von Siegfried Reissek, Neilreichia 11, 2020, 79–99.
5.6 Literatur
Sadeghi/Pourreza/Samei et al. 2009: G. H. Sadeghi/J. Pourreza/ A. Samei/H. Rahmani, Chemical composition and some antinutrient content of raw and processed bitter vetch (Vicia ervilia) seed for use as feeding stuff in poultry diet, Trop Anim Health Prod. 41, 2009, 85–93. Samuel 1993: D. Samuel, Ancient Egyptian cereal processing: beyond the artistic record, Cambridge Archaeological Journal 3, 1993, 276–283. Schneider/Raunjak 1994: M. Schneider/G. Raunjak, Archäobotanische Untersuchung verkohlter Pflanzenreste vom Oberleiser Berg, Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Österreich 131, 1994, 193–233. Sicherl 2011: B. Sicherl, Anmerkungen zu den Kegelstumpfgruben der Eisenzeit. In: B. Herring/E. Treude/M. Zelle (Hrsg.), Römer und Germanen in Westfalen-Lippe. Untersuchungen zu kultur historischen Entwicklungen von der Mittellatènezeit bis zur jüngeren römischen Kaiserzeit Bd. 1, Schriften des Lippischen Landesmuseums 8 (Oldenburg 2011), 133–159. Spiess 2002: E. Spiess (Hrsg.), Schweizer Weltatlas (Zürich 20023), ht tps://schweizerweltatlas.ch, letzter Zugriff: Mai 2020. Stika 2000: H.-P. Stika, Pflanzenreste aus der Höhensiedlung der späten Urnenfelderzeit am Kulm bei Trofaiach, FÖ 38, 1999, 163–168. Stika 2013: H.-P. Stika, Landwirtschaft der frühen Kelten im mittleren Neckarland aus der Sicht der Archäobotanik sowie Hinweise auf alkoholische Getränke durch Bodenfunde. In: H. A. Müller (Hrsg.), Keltologische Kontroversen I, Beiträge einer Stuttgarter Vortragsreihe (Gutenberg 2013), 73–104. Stika/Heiss 2013a: H.-P. Stika/A. G. Heiss, Bronzezeitliche Landwirt schaft in Europa — Der Versuch einer Gesamtdarstellung des Forschungsstandes. In: K.-H. Willroth (Hrsg.), Siedlungen der älteren Bronzezeit. Beiträge zur Siedlungsarchäologie und Paläoökologie des zweiten vorchristlichen Jahrtausends in Südskandinavien, Norddeutschland und den Niederlanden. Workshop vom 7. bis 9. April 2011 in Sankelmark, Studien zur nordeuropäischen Bronzezeit (Neumünster 2013), 189–222. Stika/Heiss 2013b: H.-P. Stika/A. G. Heiss, Plant cultivation in the Bronze Age. In: H. Fokkens/A. Harding (Hrsg.), The Oxford Handbook of the European Bronze Age. Oxford Handbooks in Archaeology (Oxford 2013), 348–369. Stika/Heiss 2013c: H.-P. Stika/A. G. Heiss, Archäobotanische Untersu chungen am bronzezeitlichen Tell von Százhalombatta-Földvár an der Donau in Ungarn, OFFA 69/70, Festschrift für Helmut Johannes Kroll (Neumünster 2012/2013), 411–427. Tegtmeier 1993: U. Tegtmeier, Neolithische und bronzezeitliche Pflug spuren in Norddeutschland und den Niederlanden, Archäologi sche Berichte 3 (Bonn 1993). Terral/Tabard/Bouby et al. 2010: J.-F. Terral/E. Tabard/L. Bouby/ S. Ivorra/T. Pastor/I. Figueiral/S. Picq/J.-B. Chevance/C. Jung/ L. Fabre/Ch. Tardy/M. Compan/R. Bacilieri/T. Lacombe/P. This, Evolution and history of grapevine (Vitis vinifera) under dome stication: new morphometric perspectives to understand seed domestication syndrome and reveal origins of ancient European cultivars, Annals of Botany 105, 2010, 443–455.
Toulemonde/Durand/Berrio et al. 2015: F. Toulemonde/F. Durand/ L. Berrio/E. Bonnaire/G. Daoulas/J. Wiethold, Records of “new” glume wheat in France: a review, Vegetation History and Archaeobotany 24, 2015, 197–206. Valamoti/Moniaki/Karathanou 2011: S. M. Valamoti/A. Moniaki/ A. Karathanou, An investigation of processing and consumption of pulses among prehistoric societies: archaeobotanical, expe rimental and ethnographic evidence from Greece, Vegetation History and Archaeobotany 20, 2011, 381–396. Valamoti/Samuel/Bayram et al. 2008: S. M. Valamoti/D. Samuel/ M. Bayram/E. Marinova, Prehistoric cereal foods from Greece and Bulgaria: investigation of starch microstructure in experi mental and archaeological charred remains, Vegetation History and Archaeobotany 17, Supplement 1, 2008, 265–276. van der Veen 1991: M. van der Veen, Consumption or production? Agriculture in the Cambridgeshire Fens. In: J. M. Renfrew (Hrsg.), New Light on Early Farming. Recent Developments in Palaeo ethnobotany (Edinburgh 1991), 349–361. Vretemark/Stika/Berzsényi et al. 2010: M. Vretemark/H.-P. Stika/B. Berzsényi/P. S. Henriksen, Subsistence strategies. In: T. Earle/ K. Kristiansen (Hrsg.), Organizing Bronze Age Societies. The Mediterranean, Central Europe, and Scandinavia Compared (Cambridge, New York 2010), 155–184. Walter 2005: J. Walter, Archäobotanik. In: Ch. Blesl (Hrsg.), Zeitschie nen. Vom Tullnerfeld zum Traisental. Archäologische Funde aus 20.000 Jahren, FÖMat A, Sonderheft 2 (Horn 2005), 40–45. Wasylikowa/Cârciumaru/Hajnalová et al. 1991: K. Wasylikowa/ M. Cârciumaru/E. Hajnalová/B. P. Hartyányi/G. A. Pashkevich/ Z. V. Yanushevich, East-Central Europe. In: W. van Zeist/ K. Wasylikowa/K.-E. Behre (Hrsg.), Progress in Old World Palaeoethnobotany. A Retrospective View on the Occasion of 20 Years of the International Work Group for Palaeoethno botany (Rotterdam, Brookfield 1991), 207–239. Weiss Adamson 2005: M. Weiss Adamson, Das Image(problem) der Bohne in der Antike und im Mittelalter. Einige Überlegungen zu Walthers Bohnenspruch. In: H. Birkhan (Hrsg.), Der 800jäh rige Pelzrock. Walther von der Vogelweide — Wolfger von Erla — Zeiselmauer. Vorträge gehalten am Walther-Symposion der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vom 24. bis 27. September 2003 in Zeiselmauer (Niederösterreich), Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse 721 (Wien 2005), 545–559. Werneck 1949: H. L. Werneck, Ur- und frühgeschichtliche Kultur- und Nutzpflanzen in den Ostalpen und am Rande des Böhmer waldes, Schriftenreihe der O.Ö. Landesbaudirektion 6 (Wels 1949). Werneck 1961: H. L. Werneck, Ur- und frühgeschichtliche sowie mittel alterliche Kulturpflanzen und Hölzer aus den Ostalpen und dem südlichen Böhmerwald, ArchA 30, 1961, 68–117. Wiesinger/Heiss/Jakobitsch et al. 2019: S. Wiesinger/A. G. Heiss/T. Jakobitsch/P. Trebsche, Supplies for the Miners — Investigating Food and Wood Resource Management at the Late Bronze Age Mining Site of Prigglitz-Gasteil (Lower Austria). In: G. Fiorentino/ V. Caracuta/M. Primavera (Hrsg.), 18th Conference of the Inter national Workgroup for Palaeoethnobotany Series (Lecce 2019).
137
5. Pflanzennutzung
Wiesinger/Thanheiser 2009: S. Wiesinger/U. Thanheiser, Botanische Auswertung. In: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2009), 180–189, http://othes.univie.ac.at/7716/1/2009-10-18_0102096.pdf, letzter Zugriff: Mai 2020. Wilkinson/Stevens 2008: K. Wilkinson/C. Stevens, Environmental Archaeology: Approaches, Techniques & Applications (Stroud 2008). Wotzi 2013: P. Wotzi, Ökologisches Umfeld von Vitis vinifera ssp. sylvestris in den Donauauen, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2013), http://othes.univie.ac.at/30007/ 1/2013-10-08_0340605.pdf, letzter Zugriff: Mai 2020. van Zeist 1991: W. van Zeist, Economic aspects. In: W. Van Zeist/ K. Wasylikowa/K.-E. Behre (Hrsg.), Progress in Old World Palaeoethnobotany. A Retrospective View on the Occasion of 20 Years of the International Work Group for Palaeoethnobotany (Rotter dam, Brookfield 1991), 109–130. van Zeist/Wasylikowa/Behre 1991: W. van Zeist/K. Wasylikowa/K.-E. Behre, Progress in Old World Palaeoethnobotany. A Retrospec tive View on the Occasion of 20 Years of the International Work Group for Palaeoethnobotany (Rotterdam, Brookfield 1991). Zimmermann 1999: W. H. Zimmermann, Why was cattle-stalling intro duced in prehistory? The significance of byre and stable and of outwintering. In: C. Fabech/J. Ringtved (Hrsg.), Settlement and Landscape. Proceedings of a conference in Århus, Denmark, May 4–7, 1998 (Århus 1999), 295–312. Zohary 1995: D. Zohary, The domestication of the grapevine Vitis vinifera L. in the Near East. In: P. E. McGovern (Hrsg.), The Origins and Ancient History of Wine (Amsterdam 1995), 23–30. Zohary/Hopf/Weiss 2012: D. Zohary/M. Hopf/E. Weiss, Domestication of Plants in the Old World. The Origin of Cultivated Plants in West Asia, Europe and the Nile Valley (Oxford, New York 20124).
138
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung Günther Karl Kunst
Tiere waren ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Urnenfelder-
gischen Zusammenhängen befasste Fachrichtung wird Archäo-
zeit. Welchen Anteil sie tatsächlich hatten, welche Prozesse sie
zoologie (im Englischen häufig auch zooarchaeology neben
durchliefen, was von ihnen übrigblieb und welche Schlüsse da-
archaeozoology) genannt. Diese versucht aus der Zusammen-
raus gezogen werden können – all das sind Forschungsfragen
schau der Funde Erkenntnisse zu archäologischen und histori-
der Archäozoologie. Die Rolle der Tiere am alltäglichen Leben
schen Fragestellungen zu gewinnen. Nach einer engeren Auf-
reicht über den wirtschaftlichen Aspekt weit hinaus. Haus- und
fassung des Faches bilden ausschließlich die Tierreste selbst
Wildtiere waren Bestandteil religiöser Vorstellungen, kultischer
sowie Tierspuren wie z. B. Bissmarken, Fußabdrücke oder fossile
Handlungen und ritualisierter Abläufe. Sie waren somit allgegen-
Exkremente (Koprolithen) den Untersuchungsgegenstand. Dar-
wärtiger Bestandteil menschlichen Daseins und stetige Begleiter
unter fallen natürlich auch Gerätschaften oder Schmuck, die aus
in allen Lebensbereichen.
tierischen Materialien hergestellt wurden. In der Regel handelt
6.1 Tierreste als archäologische Quellen
Geweih und Zahn einschließt, oder um Objekte, die aus MollusVielfach werden aber auch künstlerische und literarische Dar-
Knochen und Zähne von Wirbeltieren sowie Molluskenschalen
mit Tierhaltung, Jagd oder Fischfang zusammenhängen, in die
es sich um Beinartefakte, was die Ausgangsmaterialien Knochen, kenschalen (Abb. 06_01) hergestellt wurden. stellungen von Tieren oder Bauwerke und Gerätschaften, die
zählen, zusammen mit Keramikresten, zu den häufigeren Ob-
Überlegungen einbezogen.
jekten, die bei Ausgrabungen geborgen werden. Ihre Anreiche-
Aus naturwissenschaftlicher Sicht wird eine Bestimmung der
rung in archäologischen Fundzusammenhängen ist ihrer relati-
Funde nach deren systematischer Zugehörigkeit, also zu einer
ven Härte, insbesondere ihrer Mineralisierung, zu verdanken. Im
Tierart oder zu einer höheren systematischen Einheit (z. B. Paar-
Unterschied zu Horn, Haaren oder weiteren rein organischen,
hufer, Hühnervogel), angestrebt. Da es sich vielfach um iso-
tierischen Geweben bzw. Weichteilen bleiben sie, bedingt durch
lierte, aus dem Skelettverband herausgelöste und meist auch
die Einlagerung von Mineralsalzen in das Gewebe, über einen
beschädigte Teile handelt, ist außerdem eine anatomische Zu-
breiten chemischen Bereich stabil. Beispiele für die Erhaltung
ordnung (z. B. Schädelfragment, Rippe) notwendig. In Abhängig-
von organischem Material sind Moore mit ihrem stark sauren
keit von Lage und Zustand eines Fragments kann man darüber
Milieu oder andere, durch Metalle, Salze, extreme Temperatur-
hinaus noch eine Reihe von weiteren Eigenschaften am einzel-
oder Feuchtigkeitsbedingungen geprägte Situationen. Die Er-
nen Knochen oder Zahn erheben. Dazu zählen Merkmale, die
haltung der ebenfalls organisch aufgebauten Skelettteile von
die biologischen Eigenschaften des Tiers betreffen: Sterbe- oder
Insekten wurde etwa aus den noch unbearbeiteten urnenfelder-
Schlachtalter, Körpergröße, Geschlecht, die Körperseite bei paa-
zeitlichen Brunnenverfüllungen von Pixendorf (siehe Kap. 3,
rigen Elementen oder Hinweise auf pathologische Erscheinun-
Pkt. 3.1.2) berichtet, die sich anscheinend immer im Bereich
gen. Andere Beobachtungen geben Auskunft über das Schicksal
des Grundwassers befanden.
der Reste nach dem Tod des Tiers: menschliche Zerlegungs-
Mineralisierte Hartteile sind daher am häufigsten nachgewie-
spuren, Hinweise auf Hitzebeeinflussung, aber auch einfach
sen; eine vergleichbare Situation besteht übrigens in der Anthro-
die Ausbildung der Bruchkanten oder der Erhaltungszustand
pologie in Bezug auf menschliche Skelettreste. Die Knochen und
(Vollständigkeit, Farbe). Aufgrund ihrer Materialeigenschaften
Zähne können über den Tierbestand früherer Zeiten – beson-
können Tierreste – oft mehr als andere archäologische Fund-
ders über das Zusammenwirken von Mensch und Tier – Auskunft
gruppen – viele Beobachtungskategorien „speichern“ und einer
geben. Die mit der Untersuchung von Tierresten aus archäolo-
Untersuchung zugänglich machen.
140
6.1 Tierreste als archäologische Quellen
6.1.1 Erscheinungsformen von Tierresten Viele Funde gehören mit Sicherheit zum Funktionskreis „Ernährung“. Bruchstückhafte, isolierte Erhaltung, besonders auch das Vorhandensein von Zerlegungsspuren, weisen Tierknochen oft als menschliche Nahrungsreste aus. Sie sind dann gewöhnlich Überbleibsel von Tierkörpern, die einen Aufschließungs- oder Nutzungsprozess durchlaufen haben. Dabei wird der Skelettverband meist teilweise oder vollständig aufgelöst. Falls es sich um die Knochen eines Haustiers handelt, kann dieses aus der eigenen Landwirtschaft stammen oder z. B. aus einer anderen Siedlung bezogen worden sein. Bei Wildtieren ist von einer Aneignung durch Jagd oder ebenfalls Handel auszugehen. Bei vollständigen Tierskeletten hingegen, aber auch bei TeilverAbb. 06_01. Franzhausen-Kokoron, Grab 568, Grab 761, Schmuck aus den dekorativen Zebrina- und Cepaea-Schalen. Abgebildet sind Arrangements von einfach gelochten Märzen- oder Zebraschnecken (Zebrina dedrita) und Gerippten Bänderschnecken (Cepaea vindobonensis) als Kette. Seltener erhaltene zweifach gelochte Schnecken könnten direkt an der Kleidung angenäht gewesen sein (Frank 2000, 14 f., Abb. 7–10).
bänden, ist anzunehmen, dass der Schlachtkörper bzw. Körperteil nicht weiter genutzt wurde. Der Zerfall des Skeletts in seine Einzelteile wurde in diesem Fall durch seine Einbettung (Bestattung) unterbrochen. Beim Vorhandensein von Schnittmarken an den passenden Stellen ist allenfalls vom Abziehen des Fells oder der Haut auszugehen. Die Deutung von sogenannten Tierbestattungen ist schwierig und lässt häufig keine eindeutige Interpretation zu. Eine Betrachtung im Kontext ist hilfreich: Sind bestimmte Tiere, z. B. Pferde oder Hunde, innerhalb einer Kultur wiederholt als mehr oder weniger vollständige Skelette nach-
Was sind die Ziele und Aufgaben archäozoologischer Untersu-
weisbar, so ist davon auszugehen, dass das Fleisch der Tiere in
chungen? Zunächst werden die oben beschriebenen Basisdaten
diesen Fällen nicht genutzt wurde. Ein eindrucksvolles Beispiel
zur Zusammensetzung einer Probe erhoben. Diese Daten ziehen
für Tierskelette aus der Urnenfelderzeit sind die Bestattungen
verschiedene Fragen nach sich, darunter:
von Haus- und besonders Wildsäugetieren aus der befestigten
•
Was bedeutet die Zusammensetzung des Mengenverhält-
Siedlung von Stillfried an der March.
nisses der Tierreste, z. B. von Rindern, Hausschweinen und
Davon zu unterscheiden sind Überreste von Fleischbeigaben, die
Schafen?
Verstorbenen in Gräbern mitgegeben wurden. So ließen sich im
Sind die Tierreste durch Fragmentierung oder Zerlegungss-
Gräberfeld Franzhausen-Kokoron regelhaft gestaltete Knochen-
•
•
•
•
puren als Nahrungsreste ausgewiesen oder liegen die Reste
sätze, z. B. Schulterstücke von Schafen, dokumentieren.
von nicht weiter genutzten Tierkörpern, also von Skeletten,
In manchen Fällen können bestimmte Skelettelemente eine be-
vor?
sondere kulturelle Bedeutung erhalten haben. So fanden sich in
Kann man – im ersten Fall – diese Fundvergesellschaftung als
Franzhausen-Kokoron auch mehrfach Sätze von Astragalen (Fuß-
repräsentativ für das Ernährungsverhalten der einstigen Be-
wurzelknochen) der wichtigen Haustierarten als Beigaben, wel-
wohner oder die örtliche Viehwirtschaft ansehen?
che offenbar eine symbolische Bewertung dieses Elements über
Haben sich die Tierknochen über einen längeren Zeitraum
die Artengrenzen hinweg anzeigen. Die Betonung bestimmter
hin angesammelt oder sind sie das Ergebnis eines einmali-
Elemente oder Fragmenttypen kann aber auch einen einfachen
gen Entsorgungsprozesses, womöglich einer einzigen Mahl-
gewerblichen Hintergrund haben, etwa als Rohstoffdepot oder
zeit oder eines Rituals?
als Bevorzugung bestimmter Fleischpartien zur Fleischkonser-
Finden sich auffällige Anreicherungen bestimmter Elemente,
vierung in Hinblick auf deren Vermarktung.1
die an einen handwerklichen Produktionsprozess oder ande-
Der Fund eines Skeletts gewährt viele Einblicke in die Eigen-
re strukturierte Handlungen denken lassen?
schaften eines einzigen Tiers bzw. Individuums. Die überwiegen1
Pucher/Barth/Seemann et al. 2013.
141
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
de Mehrzahl der Tierknochenproben, die wir in archäologischen und somit auch urnenfelderzeitlichen Zusammenhängen finden, besteht aber aus isolierten, mehr oder weniger beschädigten Einzelknochen. Die Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten aus Tierart, Element und Beschädigungs- oder Erhaltungsformen bedingt, dass keine Probe der anderen in ihrer Zusammensetzung exakt gleicht. Der Informationswert ergibt sich daher aus der Summe der Einzelbeobachtungen, die man an der Gesamtheit der erfassten Knochen und Zähne einer Probe machen kann. Den Interpretationsrahmen vieler archäozoologischer Aussagen bildet dabei der relative Vergleich zwischen Untersuchungseinheiten – gleichgültig, ob es sich bei diesen um einzelne Knochen oder Proben, Grabungsbereiche, ganze Fundstellen, Siedlungstypen oder Regionen handelt; sinnvolle Aussagen könnten z. B. folgendermaßen lauten: In Probe A überwiegt das Schwein, während in allen anderen das Rind vorherrscht; aus Befund B liegen viele Rinderrippen vor, wie es in den Gruben dieser Fundstelle
Abb. 06_02. Prigglitz-Gasteil, Siedlungsterrasse mit mächtiger Überdeckung durch Abraumhalde, August 2013. Aus dieser Grabung stammen, bezogen auf die Fläche, die bisher umfangreichsten Tierknochenproben aus der Urnen felderzeit in Niederösterreich (Foto: G. K. Kunst/VIAS).
üblich ist; in Region C treten Wildtiere stark zurück, was dem allgemeinen Trend in dieser Zeit zuwiderläuft, usw. Diese Beob-
Funde von Tierresten in Grabbereichen nehmen eine Sonder-
achtungen bekommen erst dann einen Sinn, wenn sie mit den
stellung ein. Manchmal ist nicht eindeutig auszumachen, ob sie
Ergebnissen aus der Bearbeitung der übrigen Fundgruppen und
bewusst als Grabbeigaben oder mehr zufällig mit der Füllerde,
der Befunde im Gesamtkontext diskutiert werden.
etwa während der Bodeneingriffe im Rahmen der Grabanlage, eingebettet wurden. Im Gräberfeld von Franzhausen-Kokoron
6.1.2 Tierreste in archäologischen Befunden
traten – abgesehen von den definierten Speisebeigaben – gelegentlich tierische Einzelfunde unklarer Zuordnung auf. Oft gibt die Art der Reste (meist handelt es sich um Einzelzähne oder abgerollte Fragmente) einen Hinweis darauf, dass hier Funde auf
Tierreste sind besonders für die Erforschung ernährungs- und
einer sekundären Lagerstätte vorliegen. Sie zeigen menschliche
wirtschaftshistorischer Gegebenheiten, aber ebenso ritueller
Siedlungstätigkeit an oder sind Reste ritueller Handlungen, etwa
und kultischer Abläufe relevant. Oft geben sie auch Auskunft
eines Totenmahls im Gräberareal.
über vergangene Umweltbedingungen. Tierknochenfunde aus
Ein eigenes Problem bilden Tierknochenuntersuchungen an Ört-
archäologischen Zusammenhängen werden, wenn es sich nicht
lichkeiten mit langer Siedlungskontinuität, wie z. B. in Höhen-
gerade um Grabbeigaben oder Ähnliches handelt, gewöhnlich
siedlungen mit geringer Bodenauflage. Die Befunde enthalten
als Abfälle interpretiert, die mehr oder weniger bewusst in die
dann häufig Materialien unterschiedlicher Zeitstellung. Die Tier-
Befunde eingebracht wurden. Sie geben daher Hinweise auf den
reste, die für sich meistens keine eindeutigen Anhaltspunkte für
Umgang mit Abfällen bzw. auf die Strukturierung der persönli-
ihre Altersstellung liefern, lassen sich nur mit Vorbehalt anhand
chen oder öffentlichen Räume in einer Gesellschaft. Aufgrund der
der begleitenden archäologischen Funde datieren. In den be-
Häufigkeit von Tierresten lassen sich, besonders in ausgedehn-
deutenden urnenfelderzeitlichen Höhensiedlungen von Thunau
ten Grabungsflächen, die Wege nachzeichnen, die Schlacht- und
am Kamp und vom Oberleiserberg kann man daher nur einen Teil
Speiseabfälle genommen haben: Die Funde sind selten gleich-
der Proben sinnvoll auswerten bzw. einem engeren Zeithorizont
mäßig oder willkürlich über ein Siedlungsareal verteilt, sondern
zuordnen.
wurden vielmehr in bestimmten Befunden, im prähistorischen
Erheblichen Fundanreicherungen, seien es nun Gefäßreste oder
Fall meist in räumlich abgegrenzten, eingetieften Strukturen wie
Tierknochen, wird stets eine besondere Aufmerksamkeit zuteil.
Gruben, Gräben, Hausfundamenten (Grubenhäusern), Pfosten-
Hier liegt die Annahme nahe, dass eine größere Personengruppe
löchern und dergleichen angereichert. In günstigen Situatio-
zielgerichtete, wahrscheinlich mehrmals wiederholte Handlun-
nen können auch Handlungsabfolgen oder Produktionsschritte,
gen vorgenommen hat. Dies kann man als Hinweis auf Handwerk,
etwa bei der Verwertung eines Schlachtkörpers, nachvollzogen
Ritual oder auf eine Zone besonderer Bedeutung – etwa den
werden.
Zentralbereich einer Siedlung – verstehen.
142
6.1 Tierreste als archäologische Quellen
vom Bergbau (siehe Kap. 7, Pkt. 7.2.2 und 7.2.3) (Abb. 06_02).
Abb. 06_03. Pixendorf, Verfärbungsnummer 1842, Sig. 1842-5, Fdnr. 50, Siebrückstand aus einer botanischen Flotationsprobe (Fraktion 4 mm). Zu erkennen sind u. a. Kurzknochen vom Schwein, Zahnfragmente vom Schwein und Klein wiederkäuer, diverse Skelettelemente von Nagetieren, kleinen Singvögeln und Froschlurchen, ein Schädel von einer Schermaus (Arvicola terrestris; links unten), Unterkiefer von einer Wühlmaus (Arvicolinae) sowie Insekten reste (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
6.1.3 Tierreste als archäologische Objekte
ausgewählte Teile der Tiere in der Siedlung konsumiert, während
Wie repräsentativ sind Proben und wie sichtbar sind Handlungen,
sich im Haushaltsbereich dementsprechend auch nur bestimm-
die die Beziehung von Tier und Mensch belegen? Sowohl beim
te Skelettelemente anreichern. Diese Aufteilung der Tierreste
Gelegentlich sind auch in der Urnenfelderzeit größere Erdbewegungen und damit Fundanreicherungen außerhalb klar definierter Objekte (z. B. Gruben, Gräben) in Form von sogenannten Kulturschichten zu erwarten. Beispiele sind die Abraumhalden
der Rest des Schlachtkörpers anderswo verbleibt, so können
Eintrag in als auch bei der Bergung aus den archäologischen
im Bereich von Produktion, Gewerbe und Haushalt ist in ent-
Strukturen wirken Filter, weshalb die Überlieferung der einsti-
wickelten Gesellschaften, in Österreich etwa ab der Römerzeit,
gen Prozesse stets unvollständig ist. Finden und interpretieren
voll ausgeprägt. Aber bereits in urgeschichtlichen Situationen –
kann man nur die Tierreste, die in der Vergangenheit als Abfall
gleichgültig, ob es sich um ein altsteinzeitliches Jägerlager oder
eingeordnet, entsorgt, eingebettet wurden und die man spä-
eine neolithische oder metallzeitliche Siedlung handelt – ist von
ter im Rahmen der archäologischen Untersuchung aufsammelt.
einer funktionalen Gliederung des Raumes, etwa in Produktions-
Konsum- und Entsorgungsprozesse, die fernab einer Siedlung
oder Verarbeitungs- und Konsumzonen, auszugehen (siehe
stattgefunden haben, etwa im Bereich eines Jagd- oder Hirten-
Pkt. 6.3.1). In manchen Fällen kann man auch von öffentlichem
lagers, lassen sich nur in Ausnahmefällen erkennen. Werden nur
und privatem Raum (Haushaltsebene) sprechen. 143
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
Teilweise spielen auch die physischen Eigenschaften der Tier-
sie etwa im Rahmen von Ritualen vorkommen, anhand von Tier-
reste und der Befunde eine Rolle. Es erscheint plausibel, dass
resten gut erkennen. In der Urnenfelderkultur traten kennzeich-
ein feinkörniger, mechanisch beanspruchter Gehhorizont ein
nende, wiederkehrende Assoziationen von Tierresten besonders
anderes Inventar an Skelettelementen und Tierarten aufweist
in Form von Grabbeigaben, wahrscheinlich auch bei der gewerb-
als eine geräumige Grube. Während sich in Ersterem vielleicht
lichen Fleischkonservierung, in Erscheinung.
lose Zähne und kleine Elemente, vorwiegend der kleineren Haustierarten, sammeln können, bietet ein Grubenobjekt genügend Raum für die Aufnahme großer Skelettteile, etwa eines vollständigen Rinderschädels. Ebenso werden im Fundgut nur die Reste derjenigen Wildtierarten vorkommen, die als Jagdwild oder Sammelgut üblich und zugänglich waren. Deshalb ist nicht von einem repräsentativen Abbild der einstigen Lebensgemeinschaft auszugehen. So ist
6.2 Tierreste aus der Urnenfeldzeit 6.2.1 Allgemeines und Haustiere
während der Urgeschichte in Niederösterreich eine durchwegs
Tierreste aus der Spätbronzezeit Mitteleuropas lassen an sich
artenreiche Wildvogel- und Fischfauna anzunehmen. Die Hinter-
keine Arten erwarten, die bis dahin nicht im Haustierbestand
lassenschaften dieser Gruppen sind aber in den meisten Fällen
oder in der Wildtierfauna vorhanden waren. Die vier wichtigsten
stark unterrepräsentiert oder gar nicht vorhanden, sie sind also
Wirtschaftstierarten waren Hausrind, Hausschaf, Hausziege und
archäologisch kaum „sichtbar“.
Hausschwein. Diese domestizierten Formen gehörten seit Jahr-
Auch die Bergemethoden beeinflussen das Arteninventar erheb-
tausenden, d. h. seit der Neolithisierung, auch in Mitteleuropa
lich. Kleine Reste wie Fischknochen können oft nur durch das
zum Bestand und lieferten den Hauptteil der tierischen Produk-
Nass- oder Trockensieben des Sediments gewonnen werden. Die
te. Alle sind Paarhufer und – abgesehen vom Schwein – auch
Erhaltung von organischem Material , etwa von Insektenresten
Wiederkäuer, die für den Menschen sonst nicht verwertbare
ist zudem an besondere Erhaltungsbedingungen geknüpft (Abb.
pflanzliche Substanzen bzw. deren Energiegehalt indirekt zu-
06_03).
gänglich machen. Sie steuern u. a. Fleisch, Milch, Wolle, Mist
Es kann nun durchaus der Fall sein, dass in einer komplexen prä-
als Dünger, Knochen und Horn als Rohstoff sowie ihre Arbeits-
historischen Siedlung in den Entnahmegruben eine bestimmte
leistung bei. Bereits lange vorher, im ausgehenden Paläolithi-
Haustierart, in den Begehungsschichten der Hausgrundrisse
kum, war die Domestikation des Haushunds aus seiner wilden
dagegen eine andere Art überwiegt, während ein dritter Befund
Stammform, dem Wolf, erfolgt. Der Hund diente zwar bis zur
einen unverhältnismäßig hohen Wildtieranteil aufweist (siehe
Eisenzeit noch vielfach als Nahrungsmittel, wurde aber wohl
Pkt. 6.3.1). Stellt nun der Mittelwert der einzelnen Proben das
nicht erstrangig aus diesem Grund gehalten. Er erlangte jeden-
allgemeine Konsumgeschehen dar oder werden hierbei nur die
falls niemals die gleiche ernährungsmäßige Bedeutung wie die
Reste der größten, am stärksten als Abfall empfundenen Arten
Wirtschaftstiere. Bei Rind und Schwein ist ein genetischer Aus-
oder die materialreichsten Befunde begünstigt? Und wie ver-
tausch zwischen den bereits in domestizierter Form aus dem
hält es sich mit dem Vergleich zu einer benachbarten Fundstelle,
Orient nach Mitteleuropa gelangten Haustieren mit den damals
die ein abweichendes Inventar an Befundtypen – etwa eine An-
hier vorhandenen Wildformen (Ur, Wildschwein) möglich und an-
häufung verfüllter Brunnen oder Gruben mit Skelettfunden –
zunehmen. Die wilden Stammformen von Hausschaf und Haus-
aufweist, während die Abraumhalde des nahe gelegenen Berg-
ziege kommen dagegen in Europa von Natur aus nicht vor; sie
baus wiederum ein ganz anderes Arten- und Skelettteilspektrum
waren ursprünglich in Gebirgsregionen und Hochländern des
liefert?
Nahen und Mittleren Ostens verbreitet.
Derartige Beispiele ermutigen dazu, Tierreste als Werkzeuge zur
Nach einer neueren Zusammenschau weist die Domestikations-
Interpretation archäologischer Befunde zu betrachten, die die
geschichte dieser vier wichtigsten Wirtschaftstierarten durch-
Erkenntnisse aus anderen Fundkategorien ergänzen. Die vielen
aus individuelle Unterschiede auf und ist daher separat zu be-
Beurteilungskategorien, die an Tierresten beobachtet werden
trachten.2 Spätestens seit der Frühbronzezeit dürfte auch das
können – wie Skelettteil, Körperseite, Vollständigkeit, menschli-
Hauspferd in Mitteleuropa zu den lokalen Haustierbeständen
che Arbeitsspuren und das Ausmaß des Skelettzusammenhangs –
gehört haben. Seine Domestikation erfolgte aber in anderen Ge-
erlauben es, Aussagen zur Entstehungsgeschichte einer Fund-
bieten (Eurasische Steppenzone) und unter anderen Vorausset-
vergesellschaftung insgesamt zu treffen. So kann man die Ergebnisse schematisierter, gleichartiger Handlungsabläufe, wie 144
2
Conolly/Colledge/Dobney et al. 2011.
6.2 Tierreste aus der Urnenfeldzeit
zungen als bei den Hauptwirtschaftstieren. An Neuerungen ist
gen der vergangenen und folgenden Perioden zu betrachten. Die
für die Urnenfelderzeit gelegentlich mit dem aus Südostasien
Erforschung der physischen Eigenschaften (u. a. Körpergröße,
stammenden Haushuhn zu rechnen. Für diese Art gibt es ganz
Proportionen, Schädelform) – des sogenannten Phänotyps – der
wenige Belege aus Tschechien, die bis in die Spätbronzezeit zu-
Haustiere vergangener Perioden stellt ein klassisches Aufgaben-
rückreichen dürften. Auch aus der Höhensiedlung von Stillfried
gebiet der Archäozoologie dar, das heute durch genetische Un-
an der March liegen Funde von Hühnerknochen vor, für die eine
tersuchungen ergänzt wird. Der heutige Begriff der Haustierrasse
urnenfelderzeitliche Datierung möglich ist. Es ist allerdings zu
sollte eher vermieden werden. Er bedeutet eine starke Standar-
3
bedenken, dass das Haushuhn auch im Bereich der altorientali-
disierung der Eigenschaften (bzw. des Phänotyps), die für prä-
schen Hochkulturen erst in der zweiten Hälfte des zweiten Jahr-
historische Zeiten nicht zu erwarten ist. Es erscheint daher bes-
tausends v. Chr. eine größere Verbreitung fand. Zu einer eigent-
ser, allenfalls von Schlägen, Formen oder Typen zu sprechen.
lichen Aufnahme in den Haustierbestand, die über die Rolle als
Aufgrund der meist bruchstückhaften Überlieferung der Reste
importiertes Luxusgut hinausging, scheint es in Mitteleuropa
bilden hierbei metrische Untersuchungen den Schwerpunkt. Be-
erst in der jüngeren Eisenzeit gekommen zu sein.4
kannt ist etwa die Größenabnahme der Hausrinder vom Neo
Auch innerhalb der Sekundärnutzung der Wirtschaftstiere waren
lithikum bis zur Eisenzeit.9 Nach E. Pucher, der sich eingehend
die meisten Praktiken in der Spätbronzezeit wohl bereits seit län-
mit der Geschichte des Hausrinds in Österreich befasst hat, er-
gerer Zeit etabliert. Es sind dies die Bereiche der Viehwirtschaft,
folgte dieser Größenabfall im Donauraum im Wesentlichen erst
die über die unmittelbare Fleischnutzung hinausgehen. Dazu ge-
zu Beginn der Urnenfelderzeit.10 Nach A. Riedel liegen z. B. die
hören u. a. die Milchwirtschaft, die Wollnutzung der Schafe und
Dimensionen der Rinder der früh- bis mittelbronzezeitlichen
die Zugleistung beim Rind. Entgegen früheren Annahmen einer
Siedlung von Böheimkirchen (VB St. Pölten-Land) im mittleren
secondary products revolution5 in der Kupferzeit/Frühbronze
Bereich zwischen den großen neolithischen Formen einer-
zeit Mesopotamiens handelt es sich hierbei nicht unbedingt
seits und den kleinen spätbronze- und eisenzeitlichen Rindern
um einen einheitlichen Prozess, und zumindest die Nutzung der
andererseits.11
Milchleistung scheint bereits ziemlich früh im Neolithikum ein-
Bei den kleineren Wirtschaftstieren sind die Größentrends we-
zusetzen.6 Die Entwicklung und Nutzung eines Wollvlieses beim
niger eindeutig oder wurden stärker von lokalen Bedingungen
Schaf wurde für Mitteleuropa mit dem Auftreten großwüchsiger
beeinflusst. So dürften sich etwa beim Hausschaf die Widerrist
Formen in der Kupferzeit oder in der Frühbronzezeit in Zusam-
höhen im Alpenraum vom Mittelneolithikum bis zur Römerzeit
menhang gebracht. Wahrscheinlich handelt es sich aber auch
nicht wesentlich geändert haben. Manchmal kommen die Erhal-
bei der Wollnutzung um einen Prozess mit langer Entwicklungs-
tungszustände in einer Fundstelle einer metrischen Auswertung
phase. In Österreich stammen die ältesten Funde von Wollstoffen
entgegen. So konnte man im Gräberfeld Franzhausen-Kokoron,
aus der mittleren Bronzezeit. Zusammen mit der endgültigen
wo eine größere Anzahl von Astragalen als Grabbeigaben vor-
Etablierung des Pferdes in den Haustierbestand kann die Aus-
kam, aus 21 Knochen eine durchschnittliche Widerristhöhe von
breitung des Schafs bis in entlegene Gebiete Nord- und Westeu-
62,5 cm ermitteln; die Schwankungsbreite betrug 58,1–71 cm.
ropas, verbunden mit einer entsprechenden Anpassung der Tie-
Nur gelegentlich, wie bei Skelett- oder Schädelfunden, kann das
7
re an die gegebenen Klimabedingungen, als die wesentlichste
Erscheinungsbild der Haustierformen bzw. -schläge vollständi-
Neuerung im Bereich der bronzezeitlichen Tierzucht Europas ins-
ger rekonstruiert werden. So erlauben die meist nur als mittel- bis
gesamt betrachtet werden.
spätbronzezeitlich einstufbaren, gut erhaltenen Hausschweine
8
Die Haustierreste aus urnenfelderzeitlichen Fundzusammenhän-
schädel aus Unterhautzenthal eine gute Ansprache des noch sehr
gen dokumentieren also Formen, die bereits einen langen Pro-
wildschweinartigen Typs.12 Für das Hausrind fehlen hingegen
zess der Haustierwerdung (Domestikation) hinter sich haben. Es
bislang aus Niederösterreich umfassende urnenfelderzeitliche
ist daher sinnvoll, deren Eigenschaften im Vergleich zu denjeni-
Schädelfunde, wie sie jüngst für die Hallstattzeit anhand des Materials aus Großmugl (VB Korneuburg) dargestellt werden konnten.13 Unzureichend ist auch die Kenntnis urnenfelderzeitlicher
3
Kyselý 2010.
4
Zur Ausbreitungsgeschichte des Haushuhns in Europa siehe Benecke 1994b, 362 ff. und Serjeantson 2009, 270 ff.
5
Sheratt 1983.
6
Für neuere Rezeptionen des Begriffs mit teils unterschiedlichen Stand punkten siehe Greenfield 2014 und Sykes 2014, 36 ff.
10 u. a. Pucher 2017a; Pucher 2017b.
7
Vgl. zuletzt Schmölcke/Gross/Nikulina 2018.
12 Pucher 2001.
8 Bartosiewicz 2013, 335.
Hauspferde, obwohl dies für die Beziehungen nach Osteuropa 9
Vgl. zusammenfassend bei Benecke 1994b.
11 Riedel 1998. 13 Jettmar/Kunst 2017.
145
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
zu jener Zeit interessant wäre. Abgesehen von Stillfried an der March liegen aus Niederösterreich keine vollständigeren Funde vor. Das hier aufgefundene Teilskelett entspricht nicht dem Bild der üblichen prähistorischen, mittelgroßen Pferde, sondern eher den aus der jüngeren Eisenzeit bekannten kleinen Keltenponys.14 Eine neuere Arbeit verweist auf eine bedeutende Größenabnahme der Hauspferde im Verlauf der Bronzezeit auf dem Gebiet der Tschechischen Republik und bringt diese mit der Entwicklung lokaler Zuchtlinien, die ohne Einflüsse von außen erfolgt wäre, in Zusammenhang.15
6.2.2 Wildtierfauna und Umwelt Zur Nutzung von natürlichen Ressourcen wie Säugetieren, Vögeln und Fischen sowie von tierischen Rohstoffen (z. B. Geweih) durch Jagd, Fang oder Sammeltätigkeit liegen aus urnenfelderzeitlichen Lokalitäten unterschiedliche Befundlagen vor. Insgesamt dürften die Jagd und andere Nutzungsformen der Wildtiere keine allzu große Bedeutung für Ernährung und Wirtschaftsweise gehabt haben. Dies scheint, mit regionalen Abweichungen, für die Spätbronzezeit Mittel- und Westeuropas insgesamt der Fall zu sein, vielleicht abgesehen von manchen Randgebieten.16 Der Wildtieranteil spiegelt dabei nicht unbedingt die Umweltbedingungen oder eine wirtschaftliche Organisationsform wider. Er hat auch damit zu tun, welche Vorstellungen eine Gesellschaft
Abb. 06_04. Oberleiserberg, Fdnr. 474, mittlerer oder oberer Stangenabschnitt vom Geweih eines Rothirsches (Cervus elaphus); umlaufende Hackspuren im Bereich der Geweihverzweigung und an einem Sprossenende (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
hinsichtlich der „wilden“, außerhäuslichen Umwelt entwickelt. Hohe Anteile bedeuten daher nicht zwingend eine schwache
wie z. B. des Hirsches, in der Geisteswelt der urnenfelderzeitli-
Ausprägung der Viehzucht oder eine besonders ursprüngliche
chen Menschen zu. Die Dokumentation der vorhandenen Wild-
Landschaft, sondern eher die Bereitschaft, natürliche Ressour-
tierarten durch die archäologische Überlieferung ist ungenügend,
cen ins Alltagsleben zu integrieren.17 Ein wesentliches oder zu-
obwohl die Vertreter der holozänen Großtierfauna, darunter Ur
mindest archäologisch gut belegtes Element der Wildtiernutzung
und Wisent sowie der Elch, vermutlich noch weit verbreitet wa-
in der Urnenfelderzeit bildet die Verwendung von Hirschgeweih
ren. Dies geht durch radiometrische Datierungen alpiner Höhlen-
als Werkstoff, weshalb der Rothirsch in diesem Zeitraum wahr-
und Schachtfunde – fernab der Siedlungen – hervor, auch wenn
scheinlich die am stetigsten nachgewiesene Wildtierart (Abb.
es für manche dieser Arten keine explizit spätbronzezeitlichen
06_04) ist. Dieser Platz kann ihm höchstens der Feldhase strei-
Meldungen aus Niederösterreich gibt.18 Gesicherte urnenfelder-
tig machen, der zweifellos von den menschlichen Eingriffen bzw.
zeitliche Nachweise von Wildrindern aus archäologischen Fund-
von der ursprünglichen Kulturlandschaft (Brachen, Weiden, ver-
zusammenhängen sind vor allem aus Thunau am Kamp vorhan-
schiedene Erscheinungsformen von Waldverwüstung) profitiert
den, lassen sich aber nicht mit Sicherheit auf eine der beiden
hat.
Arten beziehen (Abb. 06_05). Die erwähnten großen Huftierarten
Die allgemein nachrangige Rolle natürlicher Ressourcen im ar-
werden dann erst knapp vor ihrem regionalen Verschwinden im
chäologischen Fundgut lässt aber keineswegs Rückschlüsse auf
Frühmittelalter archäologisch wieder besser fassbar. Überreste
einen geringen symbolischen Stellenwert mancher Wildtierarten,
der Gämse und anderer alpiner Arten (z. B. des Schneehasen)
14 Zu Entwicklungen siehe Pucher 2017b. 15 Kyselý/Peške 2016.
wurden bisher aus spätbronzezeitlichen Fundstellen in Niederösterreich nicht bekannt. Dies ist in erster Linie durch das Fehlen
16 Benecke 1994a; Schibler/Studer 1998; Sykes 2014. 17 Hierzu besonders Sykes 2014, 51 ff.
146
18 Siehe dazu die jeweiligen Artkapitel in Spitzenberger 2001.
6.2 Tierreste aus der Urnenfeldzeit
Abb. 06_06. Stillfried an der March, Ulna (Elle) eines Braunbären, plantare Ansicht, mit Schnittspurenserie; das distale Ende dieses Knochens wurde durchgehackt; Breite des gesamten Bildausschnitts ca. 5 cm (NHM-Wien; Foto: G. K. Kunst/VIAS).
Materialien von ausreichendem Umfang enthalten zumeist auch seltenere Arten wie etwa Großraubtiere. So sind in Stillfried an der March sowohl der Wolf als auch der Braunbär gut vertreten – Abb. 06_05. Thunau am Kamp, Grundphalangen (Phalanges proximales) von Rindern aus urnenfelderzeitlichen Grubenobjekten, jeweils periphere Ansicht, links distal, rechts proximal. Oben: Fdnr. 19591, Wildrind; Ur (Bos primigenius) oder Wisent (Bison bonasus) – Unten: Fdnr. 21679, Hausrind (Bos primigenius f. taurus) (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
Ersterer durch mehrere Skelettfunde, Letzterer aber nur durch Einzelknochen. Aus dieser Fundstelle liegen eine Rippe sowie eine Elle (Ulna) von einem Braunbären vor, die beide zahlreiche Arbeitsspuren aufweisen und somit als Nahrungsreste angesprochen werden können. Die Ulna zeigt zahlreiche Schnittspuren und wurde im Schaftbereich durchgehackt (Abb. 06_06). Bei einer vergleichenden, diachronen Untersuchung von Bärenresten
von Untersuchungen in Gebirgslagen bzw. überhaupt durch den
in Österreich stellte sich heraus, dass damit in unserem Raum
Mangel an entsprechenden Fundstellen zu erklären.
der älteste Nachweis einer kombinierten, verschiedene Werk-
Dass bisher keine bronzezeitlichen Equidenreste aus Nieder-
zeugtypen einsetzenden Zerlegung eines Bären vorliegt.23 Der
österreich auf das Wildpferd bezogen wurden, kann auch rein
Einzelfund eines Oberkiefers eines Luchses aus einem urnen-
methodisch durch die fehlende Abgrenzbarkeit vom Hauspferd
felderzeitlichen Befund bei Maissau24 zeigt, dass die Nachweis-
anhand der Skelettreste begründet sein. Ob das Wildpferd im ge-
barkeit von seltenen Arten als ein Produkt des Zufalls bzw. als
samten Mitteleuropa, wenigstens in der frühen Bronzezeit, über-
eine Funktion großer Materialmengen, wie sie sonst vor allem in
haupt noch vorkam, wissen wir nicht; mit rein osteologischen
Stillfried an der March und Thunau am Kamp vorliegen, zu wer-
Methoden erscheint kein Nachweis möglich.19 Ein ähnliches, we-
ten ist.
niger auffälliges Bestimmungsproblem besteht übrigens bei der
Die in den Knochenproben vorhandenen Wildsäuger und Haus-
Graugans, der Stammform der Hausgans.20 Hier stellt sich aller-
tiere sagen wenig Spezifisches über die einstigen Umweltver-
dings eher die Frage, ob man manche spätbronzezeitlichen oder
hältnisse aus: Bei Ersteren handelt es sich fast durchwegs um
eisenzeitlichen Funde bereits als Reste von Hausgänsen deuten
Generalisten mit eher allgemeinen Ansprüchen an den Lebens-
kann.21 Der Europäische Wildesel (Equus hydruntinus), eine ar-
raum, während Letztere im Grunde nicht mehr als eben eine Kul-
chäologisch nur selten belegte Art, war in unserem Raum wohl
turlandschaft anzeigen.25 Gleiches gilt für Klimaveränderungen,
schon vor der Spätbronzezeit verschwunden.22 19 Kyselý/Peške 2016. 20 Serjeantson 2009. 21 Benecke 1998. 22 Spitzenberger 2001; nach neueren Erkenntnissen ein Vertreter der asiatischen Halbesel.
23 Kunst/Pacher 2019. 24 Eigene Beobachtung in Sig. 28, Grabung Verein ASINOE, 2008; siehe Schmitsberger 2008. 25 Umgekehrt wird der Einfluss der Haustiere auf die prähistorische „Naturlandschaft“ häufig eher unterschätzt; dieser wird sich bei uns durchwegs in einer mehr oder weniger starken Beeinträchtigung von Waldgesellschaften im Sinne einer „Öffnung“ der Landschaft äußern.
147
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
Abb.06_07. Pixendorf, Verfärbungsnummer 1842, Sig. 1842-5, Fn. 50, Grabung Archäologie-Service, Skelettreste einer Wachtel (Coturnix coturnix), teil weise vom gleichen Individuum; Siebrückstand aus einer botanischen Flotationsprobe (Fraktion 4 mm). Von links: Humerus sin., von caudal; Humerus dext., von cranial (gleiches Individuum); Tarsometatarsus sin., von dorsal; Tarsometatarsus sin., von plantar (Foto R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
Abb. 06_08. Oberleiserberg, Fdnr. 123, Erster Wirbel eines Welses (Silurus glanis); links vollständig, mit zentraler Bohrung; rechts beschädigt, Bohrung nur ange deutet. Das vollständige Stück stammt von einem Fisch mit mehr als einem Meter Länge (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
die im hier besprochenen Zeitraum sicherlich zu gering waren,
Ähnliches gilt für die Fischfauna. Derzeit sind in Niederösterreich
um wesentliche Einflüsse auf die Faunenspektren von Großsäu-
keine urnenfelderzeitlichen Fundstellen bekannt, die in größe-
gern und Haustieren zu haben. Wildvögel, Reptilien und Klein-
rem Umfang Fischreste geliefert haben. Einzelfunde aus Still-
säuger könnten hier etwas detailliertere Informationen beitra-
fried an der March betreffen, wie bei händisch aufgesammeltem
gen, sind in den Materialien aber schlecht überliefert. Immerhin
Material üblich, vorwiegend besonders große Reste bzw. Indivi-
belegen die Nachweise der Feldhühner Rebhuhn (Perdix perdix)
duen: Wels und Hecht sowie verschiedene Karpfenfische (Cyprin-
und Wachtel (Coturnix coturnix) (Abb. 06_07) in den Siedlungen
iden). Ähnliches gilt für Thunau am Kamp. Vom Gräberfeld Franz-
von Unterradlberg und Pixendorf das Vorhandensein einer geöff-
hausen-Kokoron sowie vom Oberleiserberg liegen durchbohrte
neten Kulturlandschaft.
Fischwirbel als Schmuckelemente vor (Abb. 06_08).
In Unterradlberg ist weiters neben einer Wildente auch der Kra-
Die noch unbearbeiteten Brunneninhalte von Pixendorf erweitern
nich (Grus grus) belegt. Das Vorkommen dieser archäologisch
das – was die Diversität anbelangt – oft etwas unspektakulär er-
gar nicht selten nachgewiesenen Art ist mit der Vorstellung ei-
scheinende Arteninventar urnenfelderzeitlicher Fundstellen. Die
ner vielfältigen, mosaikartigen Kulturlandschaft, die auch we-
Tierreste wurden aus archäobotanischen Flotationsproben (sie-
niger intensiv bewirtschaftete und versumpfte Flächen umfasst,
he Abb. 06_03) ausgelesen. Sie enthielten zahlreiche Skelett-
gut vereinbar. Interessante faunengeschichtliche Fragestellun-
reste von Kleinsäugern, kleineren Vögeln, Froschlurchen und
gen wie das mögliche Vorkommen von Pelikanen und Geiern,
Mollusken. Weiters liegen spärliche Funde von Insekten, aber an-
die jeweils aus der Frühbronzezeit und der Hallstattzeit des öst-
scheinend keine Fischreste vor. Aufgrund der teils engeren öko-
lichen Niederösterreich vorliegen, lassen sich derzeit aber nur
logischen Einnischung dieser Gruppen können solche Proben,
unzureichend klären. Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys
‚bei denen es sich allerdings meist nicht um menschliche Nah-
orbicularis) ist, zumindest bis zur jüngeren Eisenzeit, in vie-
rungsreste handelt, Auskunft über die lokalen Umweltverhältnis-
len Fundstellen im Bereich der ost- und südostösterreichischen
se geben (Abb. 06_09).27 Die Untersuchung dieser und weiterer
Flussniederungen sowie in Oberösterreich und Kärnten vorhan-
Rückstände aus botanischen Proben würde einen wichtigen Bei-
den. In der Urnenfelderzeit Niederösterreichs ist diese anhand
trag zur Kenntnis der Verbreitungsgeschichte kulturbegleitender
ihrer Panzerreste leicht erkennbare Art bislang nur in Stillfried
Tierarten leisten. Ebenso bedarf der als ältester österreichischer
an der March nachgewiesen. Dass es sich hierbei offenbar nur
Nachweis einer Östlichen Hausmaus (Mus musculus) in die Li-
um eine Nachweislücke handelt, geht aus neueren spätbronze-
teratur eingegangene Schneidezahn aus dem mittelbronzezeit-
zeitlichen Funden in Mittelböhmen hervor, die anzeigen, dass hier Sumpfschildkröten durchaus als Nahrung genutzt wurden.26 26 Kyselý/Čuláková/Pecinovská et al. 2016.
148
27 Die Probe wurde von Ursula Thanheiser (VIAS Universität Wien) zur Verfügung gestellt und stammt aus einer Grabung des im Auftrag des Bundesdenkmalamtes tätigen Archäologie-Service aus dem Jahre 2005.
6.3 Tiernutzung und Abfallverhalten in verschiedenen Siedlungsformen
zur Verfügung, von denen knapp die Hälfte näher bestimmt werden konnte.30 Diese stammen aus insgesamt 72 archäologischen Befunden, von denen nur acht eine ausreichende Fundmenge lieferten, sodass eine Einzelauswertung möglich war. Die Fundzahl beträgt hier zwischen 36 und 216 Stück. Die genannten Mengen zeigen, dass in einer Siedlung, in der immerhin 52 Hausgrundrisse und 91 Gruben dokumentiert wurden, der Fundanfall – bei zumindest durchschnittlicher Knochenerhaltung – insgesamt nicht allzu hoch und überdies sehr ungleichmäßig verteilt ist. Hohe Abfallkonzentrationen sind in einer kleinen, vermutlich bäuerlichen und vorwiegend auf Selbstversorgung orientierten Siedlung ohnehin nicht zu erwarten. Abb. 06_09. Pixendorf, Verfärbungsnummer 1842, Sig. 1842-5, Fn. 50, Grabung Archäo logie-Service, Schädel von einer Schermaus oder Wasserratte (Arvicola terrestris), von basal; Siebrückstand aus einer botanischen Flotationsprobe (Fraktion 4 mm) (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
Der Anteil an natürlichen Ressourcen, insbesondere an Wildsäugetieren und Vögeln, ist in Unterradlberg gering; eine gewisse Anreicherung war in der einzigen dokumentierten Grubenhütte zu verzeichnen. Hier liegen Reste von Feldhase, Biber und Wildschwein vor, die als Jagdwild angesprochen werden können. Zusammen erreichen die 18 Reste dieser drei Arten hier immer-
der Bestätigung durch weitere
hin 20 % der Fundzahl der Hauptwirtschaftstiere. Abgesehen
Beobachtungen. Es wäre dies ein früher Nachweis eines eindeu-
von der Grubenhütte sind der Feldhase und das Wildschwein
lichen Gräberfeld von Pitten
28
in einigen weiteren Befunden vorhanden, sodass von einer ste-
tigen Kulturfolgers in unserem Raum.
tigen Nutzungder beiden Arten auszugehen ist. Das Reh und be-
6.3 Tiernutzung und Abfallverhalten in verschiedenen Siedlungsformen
sonders der Hirsch sind im Gesamtmaterial dagegen nur durch Geweihreste überliefert, die zudem häufig Bearbeitungsspuren aufweisen. Sie stellen somit Abfälle aus der Geweihbearbeitung oder unfertige Artefakte dar. Die Jagd auf diese Arten ist daher nicht belegt, weil vielleicht nur Abwurfstangen aufgesammelt wurden. Unter den Vogelresten waren die beiden Feld-
Den archäozoologischen Normalfall stellen Proben aus den ver-
hühner Wachtel und Rebhuhn sowie eine Ente und der Kranich
schiedenen Siedlungsformen dar. Aus Niederösterreich liegen
vertreten.
bisher Bearbeitungen aus befestigten (Zentral-)siedlungen und
Eine lokale Besonderheit bilden Anhäufungen von Mollusken-
dörflichen Freilandanlagen vor. Die Ergebnisse können anhand
resten: Das gemeinsame Auftreten von Schnirkel- und Weinberg-
der umfangreicheren Proben aus Unterradlberg, Unterhautzen-
schnecken sowie von Flussmuscheln in einigen Grubenfüllungen
thal, Thunau am Kamp, Stillfried an der March und vom Oberlei-
war Anlass, diese Fundassoziationen als menschliche Nahrungs-
serberg besprochen und im regionalen und weiteren Vergleich
abfälle anzusprechen. Für die gelegentlich vorkommenden Res-
diskutiert werden (siehe Abb. 06_12).
te von kleinen Landschnecken, Kleinsäugern und Kröten ist dies eher auszuschließen – sie dürften auf natürlichem Wege in die Befunde gelangt sein.
6.3.1 Unterradlberg
Die Hauptmasse des Fundmaterials geht aber auf die wichtigen Wirtschaftstiergruppen Hausrind, Schaf und Ziege sowie Hausschwein zurück. Im Gesamtmaterial nimmt das Rind etwa 40 %
Als exemplarisch für eine größere Flachlandsiedlung soll hier
der Fundzahl innerhalb dieser Gruppe ein, der Rest verteilt sich
Unterradlberg dargestellt werden (siehe Kap. 3, Pkt. 3.2.2). Die
zu etwa gleichen Teilen auf das Schwein und die oft nicht unter-
angetroffenen Hausgrundrisse lassen sich zwei urnenfelderzeit-
scheidbaren Kleinwiederkäuer, unter denen das Schaf aber ins-
lichen Siedlungsphasen zuordnen. Es standen 2.685 Tierreste
gesamt häufiger nachzuweisen war als die Ziege. Ein ähnliches
29
Mengenverhältnis der Hauptwirtschaftstiere findet sich etwa im 28 Bauer 2001. 29 Adametz 2009; dazu Adametz 2011.
30 Galik 2009.
149
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
bereits erwähnten Grubenhaus wieder, während in mehreren
oder Arbeitsleistung in Zusammenhang. Unter denjenigen Rin-
Grubenverfüllungen die kleineren Arten vorherrschen. Hier er-
derresten, für die eine Geschlechtszugehörigkeit nachgewiesen
reicht das Rind nur um die 20 % der Fundzahl und nicht einmal
werden konnte, überwiegen die Kühe deutlich gegenüber den
die Hälfte des jeweiligen Probengewichts. Dieses Beispiel zeigt,
Ochsen, während Stiere gar nicht belegt sind. Auch hinsicht-
wie sich schon innerhalb einer relativ kleinen Siedlungsfläche
lich der Skelettverteilung waren durchgängige Unterschiede
die Anteile der wichtigsten Wirtschaftstiere, die oft als Grund-
zwischen Schwein und Wiederkäuern zu verzeichnen. Dabei wa-
lage für einen Vergleich zwischen verschiedenen Fundstellen
ren beim Schwein Schädel und Rumpf, bei Rind und Schaf/Ziege
herangezogen werden, unterscheiden können. Ob hier funktio-
die Extremitätenknochen besser vertreten, was unterschiedliche
nelle, zufällige oder durch das Abfallverhalten bedingte Unter-
Nutzungs- oder Entsorgungspraktiken andeutet. Die deutlich
schiede ursächlich sind, wäre von Fall zu Fall zu klären. Nach ei-
stärkere Verbreitung von Hack- und Schnittspuren an den Rinder-
ner gängigen Annahme reicherten sich die größeren Rinderreste
resten im Vergleich zu den kleineren Arten ist durch die Ausmaße
bevorzugt in geräumigen Befunden sowie besonders im Bereich
des Schlachtkörpers des Hausrinds, der bei der Aufschließung
der Siedlungsperipherie an. Sie wurden mehr als die Knochen
mehr Eingriffe erfordert, bedingt. Hierbei handelt es um ein
der kleineren Arten als Abfall empfunden und daher mit höherer
durch viele Zeitabschnitte und in vielen Regionen gültiges Phä-
Wahrscheinlichkeit bewusst in geeignete Strukturen entsorgt.31
nomen, das daher nicht auf die Urnenfelderzeit beschränkt ist.
Hund und Pferd wurden konsumiert, sie sind in den meisten
Beim regionalen Fundstellenvergleich werden Auffälligkeiten, z. B.
Befunden vertreten. Der Hund ist mit 141 Resten (18,2 % der
abweichende Probenzusammensetzungen, sichtbar. In Unter-
Hauptwirtschaftstiere) wesentlich stärker vertreten als das Pferd
radlberg ist das gehäufte Auftreten von Landschnecken und Mu-
(26 Reste; 3,4 %). Beide Arten sind großteils (Hund) oder aus-
scheln wahrscheinlich eine derartige lokale Besonderheit. Die
schließlich (Pferd) nicht als zusammengehörige Skelettpartien,
Siedlungstätigkeit blieb auf die Urnenfelderzeit beschränkt,
sondern als isolierte, hin und wieder mit Zerlegungsspuren ver-
daher erfolgte keine Vermischung mit Material aus anderen
sehene Fragmente überliefert. Sie unterscheiden sich darin also
Perioden.
nicht von den Wirtschaftshaustieren. Besonders für den Hund ist die Beweislage sehr gut, weil unabhängig voneinander Knochen aus fleischreichen Körperpartien – etwa mehrere Beckenknochen und Rippen – vorliegen, die Hack- oder Schnittspuren aufweisen. Diese Verteilung der Marken zeigt den Konsum und nicht
6.3.2 Unterhautzenthal
nur das Abziehen des Felles an. Für das Pferd bleiben derartige
In Unterhautzenthal liegen früh-, mittel- sowie spätbronzezeit-
Beobachtungen auf wenige Reste aus einer einzigen Grube be-
liche Befunde von der gleichen Parzelle vor.32 Dies bot die Mög-
schränkt. Die meisten Hunde- und Pferdereste zeigen ein vorge-
lichkeit, zeitliche Veränderungen im Erscheinungsbild und in
rücktes Lebensalter der Tiere an; sie wurden demnach nicht vor-
der Häufigkeit der Haustiere innerhalb der gleichen Lokalität
rangig für die Fleischproduktion gehalten.
beobachten zu können. Allerdings umfasst das urnenfelderzeit-
Auch bei den Hauptwirtschaftstieren konnten Beobachtungen
liche Material bloß 704 Haustier- und vier Wildtierreste. Letzte-
zum Schlachtalter und zur Skelettverteilung gemacht werden. So
re machen damit gerade einmal 0,6 % der Hauptwirtschaftstier-
deuten die Altersschätzungen der Schweineknochen hauptsäch-
reste (Rind, Kleinwiederkäuer, Schwein) aus und sind nur durch
lich auf Tiere aus den ersten beiden Lebensjahren hin, wobei
Hase und Rothirsch vertreten. Gegenüber Unterradlberg, wo
auch sehr junge Individuen (Milchferkel) nachgewiesen wurden.
immerhin 42 Knochen von Hase, Wildschwein und Biber vorla-
Nachdem Schweine ausschließlich für die Fleischproduktion ge-
gen (5,4 % der Hauptwirtschaftstiere), ist das ein niedriger Wert,
halten wurden, war eine Schlachtung der Tiere spätestens dann
und die dort vorkommenden Wildvögel, Kleinsäuger, Amphibien
sinnvoll, sobald sie mit etwa zwei Jahren ihr Endgewicht erreicht
und Mollusken fehlen hier überhaupt. Das Mengenverhältnis der
hatten. Aufgrund der hohen Fruchtbarkeit werden nur wenige
Hauptwirtschaftstiere zueinander ist in Unterhautzenthal nun
ältere Tiere zur Zucht benötigt. Die Altersverteilung beim Rind
durch relativ hohe Anteile von Kleinwiederkäuern (45 %) und
und bei den kleinen Wiederkäuern zeigt dagegen andere Nut-
Rindern (35 %) bei einem Zurücktreten der Schweine (20 %) ge-
zungsprofile an: Ein stärkeres Vorkommen älterer Individuen
kennzeichnet. Während beim Rind die Sekundärnutzung eine
steht mit der Nutzung von Sekundärprodukten wie Milch, Wolle 31 Siehe Beech 1995 und Wilson 1996 als Beispiele für frühe Arbeiten, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, aber in der deutschsprachi gen Forschung kaum rezipiert wurden.
150
große Rolle gespielt haben dürfte, wurden beim Schaf bevorzugt jüngere Altersklassen geschlachtet, was dessen Bedeutung 32 Pucher 2001.
6.3 Tiernutzung und Abfallverhalten in verschiedenen Siedlungsformen
als Fleischtier anzeigt. Die Reste von Pferden (2,9 %) und Hunden (3,8 %) sind zahlenmäßig gering. Der Anteil an Knochen mit Hundeverbiss ist dagegen auffallend hoch.
6.3.3 Oberleiserberg Der Oberleiserberg ist eine befestigte Höhensiedlung (siehe
Abb. 06_10. Oberleiserberg, Fdnr. 5018: Os coxae (Pelvis) sin. vom Haushund, cranialer Abschnitt mit Teilen des Acetabulum (Gelenkspfanne) und des Ilium (Darm bein); links cranial, rechts caudal. 1. Gesamtansicht von ventral – 2. Detail der Unterkante des Ilium mit zwei Schnittspuren (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
merhin knapp 5 % der Hauptwirtschaftstiere erreicht, sind die übrigen Gruppen – Pferd und Wildsäuger – nur mit wenigen Prozenten vertreten. Aus der letzten Gruppe ist nur das Wildschwein
Kap. 3, Pkt. 3.3.4). Aus den Grabungen (1976–1990) konnten
mit wenigstens vier Resten sicher als Nahrungsrest nachgewie-
bisher knapp 400 Tierreste bestimmt werden.33 Sie verteilen sich
sen. Bei manchen Stücken war die Zugehörigkeit zur Haus- oder
auf 14 Proben aus sechs verschiedenen Schnitten und dürften
Wildform nicht genau zu klären. Der Hirsch ist, ähnlich wie in
großteils aus Grubenverfüllungen stammen, die man Haus- und
Unterradlberg, lediglich durch ein Geweihfragment belegt.
Werkstattbereichen zuordnen kann. Aufgrund der langdauern-
Rund ein Viertel der Hundereste weist Schnittspuren auf. Das
den, vom Neolithikum bis in die Neuzeit reichenden Siedlungs-
ist der höchste Anteil unter allen Arten. Die Lage der Spuren
kontinuität am Oberleiserberg erfolgte die Auswahl des Untersu-
an Halswirbel, Rippen und Becken deutet wie in Unterradlberg
chungsmaterials in Absprache mit Daniela Kern, der Bearbeiterin
darauf hin, dass Hundefleisch gegessen wurde (Abb. 06_10).34
der Keramikreste. Als urnenfelderzeitlich wurden hier nur diejeni-
Der Konsum von Pferdefleisch ist nicht nachweisbar, weil diese
gen Proben aufgefasst, welche aufgrund der Keramikassoziatio-
Art nur durch vereinzelte Zähne vertreten ist. Die Arbeitsspuren
nen eindeutig in diesen Zeitraum datieren. Weitere Proben konn-
wurden am Oberleiserberg auch nach den Kategorien Hack- und
ten als frühbronzezeitlich oder nur allgemein als bronzezeitlich
Schnittspur erfasst, was durch die gute Oberflächenerhaltung
definiert werden.
der Knochen begünstigt wurde. Dabei zeigte sich eine Überein-
Die Hauptwirtschaftstiere stellen mit 350 Resten die Mehrheit. In diesem Fall führen aber die Schweine (43 %) die Fundzahl an, Rind und Kleinwiederkäuer liegen jeweils mit nicht ganz 30 % ungefähr gleichauf. Abgesehen vom Hund, der mit 17 Resten im33 G. K. Kunst unpubliziert.
34 Auch Schibler/Studer 1998 illustrieren den Konsum von Hundefleisch in der Bronzezeit der Schweiz mit der Abbildung eines Beckenknochens mit Schnittspuren, hier aus Hauterive NE-Champréveyres (Abb. 75); bei diesem Stück liegen die Schnittspuren am Vorderrand des Acetabulum und seitlich am Ilium. Die Autoren lassen offen, ob es sich hierbei um eine regionale Ernährungssitte oder um den „Ausdruck einer nahrungs wirtschaftlichen Notsituation“ gehandelt hat.
151
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
stimmung in den Anteilen der von Zerlegungsspuren betroffenen
In Thunau am Kamp machen die insgesamt 64 Wildtierfunde
Reste der Hauptwirtschaftstiere – dieser beträgt jeweils etwa
12 % der Nutztiertriade aus, das ist wesentlich weniger als der
12,5 %. Während beim Kleinvieh die Schnittspuren deutlich
Vergleichswert für das Frühmittelalter. Allerdings ist hier die Di-
überwiegen, liegen beim Rind Hack- und Schnittspuren zu glei-
versität der nachgewiesenen Wildtiere recht hoch: Abgesehen
chen Anteilen vor. Diese Unterschiede sind sicher in den größe-
von den dominanten Arten Hirsch und Wildschwein umfassen
ren Schlachtkörpern des Rindes begründet, der eben eine gröbe-
sie auch Reh, ein nicht näher bestimmtes Wildrind, Hase, Biber,
re Zerteilung mit dem Einsatz von Schlagwerkzeugen erfordert.
Baummarder und Dachs.
Hack- und Schnittspuren an der gleichen Fleischportion waren
In Thunau am Kamp lassen sich die Unterschiede zu den früh-
auch an manchen Beigaben aus dem Gräberfeld Franzhausen-
mittelalterlichen Tierknochenproben aus der gleichen Fundstelle
Kokoron zu beobachten (siehe Pkt. 6.5.1).
besonders gut erfassen. Eine Untersuchung der Bruchmuster an den Knochen bezeugte, dass in der Urnenfelderzeit die Reste von Pferd und Hund ähnlich intensiv zerteilt wurden wie diejeni-
6.3.4 Thunau am Kamp und Stillfried an der March
gen der Wirtschaftstiere. Daher scheinen auch jene beiden Arten regelmäßig gegessen worden zu sein. Im Frühmittelalter war der Konsum von Pferdefleisch dagegen nur mehr von untergeordneter Bedeutung, während Hunde bevorzugt außerhalb der
Für die großen befestigten Siedlungen bei Thunau am Kamp und
Siedlung bestattet wurden. Sie dürften daher, im Unterschied
Stillfried an der March (siehe Kap. 3, Pkte. 3.3.1 und 3.3.5) lie-
zur Bronzezeit, gar nicht mehr als Nahrungsquelle wahrgenom-
35
men worden sein. Der Verzehr von Hundefleisch, der unabhängig
Die sich über Jahrzehnte erstreckenden Grabungsarbeiten und
voneinander in Unterradlberg, am Oberleiserberg und in Thunau
Forschungstraditionen machen einen umfassenden Überblick,
am Kamp nachweisbar ist, stellt die auffälligste Abweichung von
welcher der Komplexität beider Fundstellen Rechnung tragen
gegenwärtigen mitteleuropäischen Nahrungsgewohnheiten dar.
gen Bearbeitungen von urnenfelderzeitlichen Tierresten vor.
müsste, schwierig. Zu den Tierskeletten aus Stillfried an der
Es ist aber keineswegs auszuschließen, dass in der Urnenfelder-
March, die meist im Mittelpunkt der Untersuchungen standen,
kultur andere Speisetabus, etwa gegenüber bestimmten Wild-
siehe auch weiter unten.
säugern oder Fischen, bestanden.
In der Arbeit über Stillfried an der March werden in der Summe 1.022 urnenfelderzeitliche Tierreste vorgestellt. Die Relationen der Fundzahlen der Hauptwirtschaftstiere lauten: Rind 43 %, Schaf/Ziege 25 %, Schwein 32 %. In Thunau am Kamp standen 623 Tierreste aus der Urnenfelderzeit zur Verfügung. Die Relationen für die urnenfelderzeitliche Siedlungsphase sind: Rind 47 %, Kleinwiederkäuer 20 % und Schwein 33 %, also im Vergleich zu Stillfried an der March im Wesentlichen eine geringfügige Verschiebung zugunsten des Rinds. Auch die Variabilität für die Anteile der Nebenarten und die rela-
6.4 Archäologische Sondersituationen – Wirtschaftszonen und Kultbereiche 6.4.1 Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil
tive Bedeutung der Wildtiere scheinen mit den angeführten Bei-
Zu den archäologischen Sondersituationen zählen in der Urnen-
spielen ausreichend erfasst zu sein. Für Pferd und Hund belau-
felderzeit die Bergbaureviere. Aus Niederösterreich liegen Aus-
fen sich diese in Stillfried an der March und Thunau am Kamp
wertungen von Tierknochenfunden aus der mit der Kupfer-
auf 3–5% der Hauptwirtschaftstiere, nur der Hund ist in Still-
gewinnung verbundenen Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil am
fried an der March mit mehr als 10 % deutlich häufiger. Ähnlich
Ostrand der Grauwackenzone vor (Siehe Kap. 7, Pkt. 7.2.2).36
wie der mit 22,7 % auffallend hohe Anteil der Wildtiere in dieser
Die vorhandenen Ergebnisse betreffen zwei während der Kam-
Fundstelle könnte dies jedoch daran liegen, dass die bis 1980
pagne 2010 untersuchte Flächen. Sie liegen – rund 50 m vonein-
bearbeiteten Tierskelette bzw. deren Teile zunächst in die Aus-
ander entfernt – auf zwei Geländeterrassen, die von den bronze-
wertungsstatistik einbezogen wurden. Die durch (Teil-)skelette
zeitlichen Bergleuten erweitert oder eigens angelegt wurden, um
vertretenen Arten sind dann natürlich begünstigt, weil sie viele
als Arbeitsflächen zu dienen. Durch diese massiven Bodenein-
Knochenreste für die statistische Auswertung beisteuern.
griffe und Erdbewegungen wurden andere Ablagerungsbedin-
35 Stillfried an der March: Pucher 1982; zu den Skeletten erstmals Pucher 1986; Thunau am Kamp: Kanelutti 1990; Kanelutti 1993.
36 Trebsche/Pucher 2013.
152
6.4 Archäologische Sondersituationen – Wirtschaftszonen und Kultbereiche
gungen geschaffen, als sie in rein bäuerlichen Siedlungen geläufig sind. Der Großteil des Knochenmaterials aus Prigglitz-Gasteil ist außerdem durch Kupfersalze blaugrün verfärbt und dadurch sehr auffällig. In der mehr talwärts gelegenen Fläche 1 (8 × 6 m) wurde eine Abfolge von vier Nutzungshorizonten angetroffen, zwischen denen sich jeweils mächtige, aber fundarme Haldenschüttungen befanden. Insgesamt liegen 419 Tierreste mit einem Gesamtgewicht von 1,4 kg vor. Das besonders stark verfestigte unterste Gehniveau (Horizont 1) enthielt mit 155 bestimmbaren Resten das meiste Material. Die stark fragmentierten, gut erhaltenen Knochen hatten sich offenbar über einen längeren Zeitraum angesammelt. Wie die Funde aus den übrigen Horizonten belegen sie verschiedene Tätigkeiten: Schlachtung, Fleischkonsum und die Herstellung von Knochenperlen und Beinartefakten. Die übrigen Funde und Befunde zeigen, dass die Terrassen für die Aufbereitung von Erzen genutzt wurden.
Abb. 06_11. Prigglitz-Gasteil, Schwein, Metatarsale 3 dext., subadult, von plantar; in der proximalen Schafthälfte drei umlaufende Kerben, Kerbe rechts unvollständig angelegt; rechts am Schaft Schleif- oder Kratzspuren (Foto G. K. Kunst/VIAS, August 2013).
Das Fundensemble aus diesem Schnitt zeigt hinsichtlich der Artenzusammensetzung und Skelettteilrepräsentanz insgesamt
sammenhang gebracht und sind in bäuerlich dominierten Sied-
keine Auffälligkeiten. In abnehmender Häufigkeit sind die Wirt-
lungen eher unüblich (vgl. aber den Oberleiserberg). Schweine-
schaftstiere Rind, Schaf/Ziege und Schwein vorhanden. Der Rot-
knochen wurden auch zur Herstellung von Artefakten verwendet
hirsch ist nur durch bearbeitete Geweihfragmente, der Hund
(Abb. 06_11).
durch einen Einzelfund, beide aus den höheren Horizonten, be-
Darüber hinaus werden beim Schwein bestimmte Trends im Vor-
legt. Die Proben aus Fläche 1 wirken also wie unspektakuläres
kommen der Skelettteile sichtbar: Schädel und Achsenskelett
Siedlungsmaterial.
(Wirbel und Rippen) sowie die distalen Bereiche der Gliedma-
Ein ganz anderes Bild ergaben die Tierknochenreste aus der
ßen sind deutlich überrepräsentiert, die Gürtelelemente (Schul-
höher gelegenen, kleineren Fläche 2 (3,25 × 1,5 m) (siehe Abb.
terblatt, Becken) und die Röhrenknochen dagegen stark unter-
06_02). Hier erbrachten Kultur- und Brandschichten mehr als
repräsentiert. Beim Schwein stellt auch das Fehlen des Rollbeins
3.000 urnenfelderzeitliche Knochen mit rund 18 kg Gesamt-
(auch: Astragalus oder Talus, ein großer Fußwurzelknochen)
gewicht. Davon waren 1.674 Reste (ca. 14 kg) bestimmbar. Die
eine Lücke dar – das lässt daran denken, dass dieses Element
Tierknochen werden als Schlachtabfälle angesehen, die in kurzer
bewusst entnommen wurde (siehe Pkt. 6.5), während das an
Zeit zusammenkamen. Die Funddichte, aber auch Anzahl und Ge-
den Astragalus anschließende Fersenbein hier gut dokumentiert
wicht der sicher datierbaren Tierreste übertreffen fast alle aus-
ist.37
gewerteten Gesamtmaterialien aus den zuvor angeführten Sied-
Die Elementverteilung beim Schwein steht in deutlichem Gegen-
lungen. Nur aus Stillfried an der March liegen insgesamt mehr
satz zu einem Befund vom Hallstätter Salzberg, wo im Umfeld
Funde – allerdings von einer wesentlich größeren Grabungsflä-
einer als Pökelwanne gedeuteten Struktur Anhäufungen von
che – vor. Allein die Fundmenge stellt ein bedeutendes Allein-
Schweineresten auftraten.38 Hier dominierten die Langknochen,
stellungsmerkmal für Prigglitz dar, dabei wurde in der Fläche 2
weshalb man diese Proben als Relikte der gewerblichen Fleisch-
nur ein kleiner Ausschnitt der potenziell vorhandenen Lagerstät-
konservierung deutet. Unterschiedlich sind auch die Fragmentie-
te geborgen.
rungsmuster, da in Fläche 2 die Gelenksbereiche der Schweine-
Die aus der Fläche 2 vorliegenden Tierknochenproben zeigen,
unterkiefer gut vertreten sind, während diese in Hallstatt meis-
abgesehen von der starken Fragmentierung, strukturelle Auf-
tens fehlen, also wahrscheinlich abgeschlagen wurden. Es könn-
fälligkeiten. Im Arteninventar sind, außer einigen bearbeite-
te sich in Prigglitz daher um das „Negativbild“ bzw. den Abfall
ten Geweihresten, nur die Hauptwirtschaftstiere Rind, Schaf und Schwein vorhanden. Das Schwein nimmt mit 63,5 % die
37 Trebsche/Pucher 2013, 142 f.
erste Stelle ein. Hohe Schweineanteile von 40 % und mehr wur-
38 Pucher/Barth/Seemann et al. 2013. Entgegen einer verbreiteten Vorstellung stammen die Schweineknochen aber nicht direkt aus der erwähnten Struktur – ein funktionaler Zusammenhang bleibt Spekulation.
den in allen ostalpinen Fundkomplexen mit Bergbaubezügen verzeichnet. Sie werden mit der Versorgung der Bergleute in Zu-
153
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
100
reicht eine der Arten bzw. Artengruppen eine extreme Dominanz.
0
Ovis/Capra
50
Unterradlberg Unterhautzenthal Oberleiserberg Stillfried Thunau Prigglitz – Fläche 1 Prigglitz – Fläche 2
50
Sus 100
0 100
Bos
50
0
Abb. 06_12. Dreiecksdiagramm zur relativen Häufigkeit der Hauptwirtschaftstiere nach der Fundzahl für die besprochenen Fundorte (Datengrundlage für Unterradlberg: Galik 1999).
der Fleischteile handeln, die in Bergwerksbereichen haltbar ge-
Diese kommt zwar auch in der Urgeschichte vor, ist in späteren Perioden – vor allem Römerzeit und Mittelalter – häufiger zu beobachten und dürfte mit der organisierten Fleischversorgung größerer Personengruppen zu tun haben.
6.4.2 Hinweise auf Rituale? – Die Tierdeponierungen von Stillfried an der March Die befestigte Siedlung von Stillfried an der March lieferte neben den zuvor bereits beschriebenen Siedlungsabfällen weitere bemerkenswerte archäozoologische Funde. Es handelt sich hierbei um mehr oder weniger vollständige Tierskelette, die man in der lokalen Grabungstradition als Tierdeponierungen bezeichnet.40 Insgesamt wurden 31 (Teil-)Skelette dokumentiert oder aus dem Untersuchungsmaterial erschlossen. Sie befanden sich meist in-
macht wurden.39 Die in Fläche 2 vorhandenen Skelettbereiche
nerhalb der Verfüllungen von Grubenobjekten. Mit der Füllerde
umfassen sowohl stark bemuskelte (Wirbel, Rippen) als auch
gelangten vielfach auch einzelne Tierreste in die Gruben. Das
fleischärmere (Zehenknochen) Partien. Tatsächlich ist aber ge-
Erscheinungsbild dieser Probenanteile unterscheidet sich aber
rade beim Schwein praktisch der ganze Schlachtkörper für die
insgesamt von den sonstigen Siedlungsabfällen (siehe oben)
Ernährung von Relevanz.
nicht; es dürfte sich im Gegensatz zu den Skeletten vorwiegend
Auffällige Anreicherungen bestimmter Skelettteile regen zur
um sekundäre Verfüllungen handeln.
Hypothesenbildung an. Trotzdem lassen sich nicht immer ein-
Eine urnenfelderzeitliche Datierung ist für die Skelette verbürgt.
deutige Erklärungen für einen Befund dieser Art geben. Unter-
Die Nachweise verteilen sich auf die Tierarten wie folgt: Hund
schiedliche Prozesse können zu ähnlichen Ergebnissen führen,
(3), Hauspferd (1), Hausschwein (2), Hausrind (1), Haus-Wild-
was als Äquifinalität bezeichnet wird.
schwein-Mischling (2), Wolf (3), Rotfuchs (1), Feldhase (7), Wild-
Der Tierknochenbefund aus der Fläche 2 von Prigglitz-Gasteil
schwein (3), Rothirsch (7), Reh (1). Die Artenzusammensetzung
ist durch seinen Strukturierungsgrad (Schweinedominanz, Ele-
selbst zeigt bereits eine Abweichung vom gewöhnlichen Sied-
mentverteilung) und vor allem wegen der hohen Funddichte bis-
lungsabfall: Die Wildsäuger überwiegen bei den Sonderbefun-
lang einzigartig. Dies lässt auf ein langfristiges, organisiertes
den deutlich. Gerade bei diesen Arten lässt sich aufgrund der
Zusammenwirken einer größeren Personengruppe in einer ge-
Fundumstände ein ritueller Hintergrund in Betracht ziehen.
werblich oder sogar industriell geprägten Situation schließen.
Die Bandbreite der Überlieferung reicht vom vollständig einge-
Solche urban anmutenden Muster scheinen in Mitteleuropa erst-
betteten, praktisch ungestörten Skelett bis hin zu Knochengrup-
malig in Bergbausituationen aufzutreten.
pen, für welche die Zusammengehörigkeit nur vermutet werden
Durch den hohen Schweineanteil wird die isolierte Lage von
kann.41 Beispielsweise liegen vom Hirsch u. a. vor (Abb. 06_13):
Prigglitz – Fläche 2 deutlich. Nur hier und in einer Sammelprobe
ein weitgehend komplettes, gut dokumentiertes Skelett; ein
aus Unterradlberg erreicht ein Element, in letzterem Fall das
Skelett, an dem in manchen Körperzonen die gelenkigen Verbin-
Rind, Anteile von mehr als 50 %. Es ist aber darauf hinzuweisen,
dungen aufgelöst sind; sowie eine Gruppe von bereits zerfalle-
dass – abgesehen von Unterradlberg – nur Mittelwerte aus den jeweils bearbeiteten Befunden einbezogen werden konnten. Insgesamt zeigen die Proben ein eher ausgeglichenes Bild, die Datenpunkte liegen im Zentrum des Diagramms. Nirgends er39 Pucher/Barth/Seemann et al. 2013.
154
40 Pucher 1986; Pucher 2017a; Pucher 2018. Viele Arbeiten von Erich Pucher sind von einem antireligiösen Affekt getragen, der jeglicher „ideologischen“ Deutung eines Befundes mit Skepsis begegnet und um „triviale“ Deutungen bemüht scheint; dies macht sie zwar amüsant zu lesen, wird dem jeweiligen Sachverhalt aber wohl nicht immer gerecht. 41 Zur Interpretation und Kategorisierung von Tierskeletten und ähnlichen Befunden siehe auch Groot 2008; Morris 2011; Pluskowski 2012.
6.4 Archäologische Sondersituationen – Wirtschaftszonen und Kultbereiche
Abb. 06_13. Stillfried an der March, Grube V949. Einzelne, teilweise zusammenhängen de Skelettpartien, vermutlich vom gleichen männlichen Rothirsch, wurden in dieser Grube – vermutlich einer Getreidespeichergrube – abgelegt. Zu erkennen sind u. a. Teile einer Halswirbelsäule (links) und eines Brustkorbs (Mitte), sowie ein Unterkieferpaar (?; rechts), jeweils noch in gelenkiger Verbindung, eingebracht als separate Körperpartien. Die Positionierung des Oberschädels (mit Geweihstangen) wirkt beabsichtigt (Foto: Grabungs dokumentation Stillfried, NÖ Landesssammlungen, Ur- und Frühgeschichte, Foto Nr. 29294).
mata), aber auch Überlastungserscheinungen, irreguläre Abkauungsmuster an den Zähnen und verschiedene angeborene und erworbene Anomalien (Abweichungen von einer angenommenen Norm) nachgewiesen werden. Knapp die Hälfte der Skelette ist betroffen. Anzeichen von Gewalteinwirkung in Form verheilter Traumata wurden nachgewiesen. Einige Individuen (Wolf, Rothirsch) scheinen hingegen an Altersschwäche gestorben zu sein. Die Gebisse von allen drei Wolfsskeletten wiesen eine äußerst
nen, aber noch assoziierten Teilverbänden, die überdies einem
starke Abnützung sowie Veränderungen am Kieferknochen auf.
starken Verbissdruck ausgesetzt waren.
Bei einem Tier waren ein Eckzahn und ein Backenzahn noch wäh-
In Stillfried an der March dürften die Fehlstellen in den Skelett-
rend der Lebenszeit abgebrochen; die Bruchkanten wurden dann
zusammenhängen sowohl primär – durch natürlichen Zerfall vor
durch den fortschreitenden Gebrauch auf Stümpfe reduziert.42
der Einbettung und die Tätigkeit von Raubtieren – als auch durch
An einem der beiden anderen Wölfe konnte ein verheilter Unter-
nachträgliche Störungen im Sediment und nicht zuletzt durch
schenkelbruch festgestellt werden. Die übrigen Pathologien am
Aufsammlungs- oder Lagerungsverluste bedingt sein. Die im
postcranialen Skelett sind eher leicht; sie beschränken sich auf
Verband vorhandenen (Teil-)Skelette belegen die Nicht-Nutzung
verheilte Rippenbrüche, die bei Haus- und Wildsäugern die häu-
eines Tierkörpers bzw. eines Teils desselben. Im Fall des einzi-
figsten am Skelett sichtbaren Verletzungsfolgen darstellen.
gen Pferdeskeletts aus Stillfried an der March, das vermutlich
Zwei Rothirschskelette wiesen mehr oder weniger verheilte
eher eine assoziierte Knochengruppe darstellt, ist dagegen von
Frakturen auf. Besonders drastisch fielen sie an der Lenden-
einer direkten menschlichen Intervention am Tierkörper auszu-
wirbelsäule eines Jungtiers aus. Die etwas über ein Jahr alte
gehen (siehe Kap. 11, Abb. 11_16). Diese ist durch Schnitt- und
Hirschkuh konnte sich aufgrund der Verletzungen wahrschein-
Schlagspuren belegt. Wenn nämlich bloß im gleichen Befund as-
lich nicht mehr normal fortbewegen, überdauerte diesen Zu-
soziierte, nicht artikulierte (in gelenkiger Verbindung stehende)
stand jedoch über einen längeren Zeitraum hinweg. Der eigen-
Knochen vorliegen, kann man eine Nutzung als Nahrung nicht
tümlichste Befund betrifft aber das Skelett einer sehr alten
ausschließen. Es wäre grundsätzlich möglich und im Verlauf von organisierten Feiern sogar wahrscheinlich, dass die Hinterlassenschaften einer Mahlzeit in der gleichen Grube entsorgt wurden. Skelettfunde ermöglichen es, viele Informationen jeweils über Einzelindividuen zu gewinnen. So konnten an den Skeletten pathologische Befunde (Osteopathien) sowie Verletzungen (Trau-
42 Ein jüngst (2014) in Oberkärnten geschossener Wolf (registriert unter AT-10M) wies übrigens einen sehr ähnlichen Zahnstatus sowie eine verheilte Amputation einer Vorderpfote auf. Prompt entwickelte sich in der Fachwelt eine Diskussion darüber, ob sich dieses Tier zuvor in menschlicher Obhut befunden haben könnte. Siehe u. a. http://www. ooeljv.at/wp-content/uploads/2014/02/Wölfe-in-Österreich.pdf sowie https://www.enu.at/download?id=534 und http://www.zobodat.at/ pdf/Kaerntner-Naturschutzbericht_2014_16_0017-0029.pdf (alle – letzter Zugriff: Mai 2020).
155
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
Abb. 06_14. Stillfried an der March, Grube V1140. Das Skelett einer erst zweieinhalbbis drei Jahre alten Hirschkuh lag vollständig in dieser Grube. In der Lendengegend fanden sich Skelettreste eines Fötus, dessen Lage verrät, dass das Muttertier vermutlich an den Folgen einer Fehlgeburt verstarb. Hirn- und Gesichtsschädel des Muttertiers waren infolge einer Wachstumsstörung verkrümmt, was eine vorherige Gefangenschaftshaltung des Tiers anzeigen könnte. Das Detailfoto zeigt die Lage des Fötus (Kopf links) im Geburtska nal der Hirschkuh. Das Becken der Hirschkuh lag links und wurde bereits entfernt (Fotos: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte, Foto Nr. 1899 und 1921).
Hirschkuh, deren Backenzähne bereits äußerst stark abgenutzt
schungen zu überprüfen. Für einige Erscheinungen sind beim Fang zugefügte Verletzungen ebenfalls möglich. Ebenso liegt auf der Hand, dass verletzte, alte oder geschwächte Tiere für die Menschen leichter zugänglich waren. Hirsch und Wolf stellen innerhalb der heimischen Fauna sicher Arten dar, die sich für eine symbolhafte Besetzung besonders eignen.
Exkurs: Pathologische Veränderungen an Wildtierresten
waren. Die Schneidezähne des Unterkiefers zeigen tiefe Ein-
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass pathologische
kerbungen an den Zahnhälsen, die wie poliert wirken. Eine
Veränderungen an Wildtierresten in der archäozoologischen
künstliche Abrasion der Zahnhalsbereiche durch umlaufende
Forschungstradition oft als Belege für eine menschliche Ein-
Fäden, etwa in Form einer Zäumung, wurde ebenso diskutiert
flussnahme betrachtet wurden und werden. Die frühesten dies-
wie eine unnatürliche Ernährungssituation.
bezüglichen Beobachtungen liegen für das Paläolithikum, wie-
Der durch die pathologischen Befunde belegte schlechte Ge-
derum für den Zahnstatus von Wölfen, vor. Tatsächlich weisen
sundheitszustand mancher Tiere wird von E. Pucher als ein In-
aufgesammelte Skelette von Wildtieren vielfach auch recht er-
diz für eine Gehegehaltung von Wölfen, Hirschen und anderen
hebliche pathologische Erscheinungen auf, die man in freier
Wildtieren gewertet.43 Manche der gefundenen Schädel weisen
Wildbahn intuitiv so nicht erwarten würde. Betroffen davon sind
außerdem atypische Merkmale auf, wie etwa die relativ geringen
nicht nur große und kleine Säugetiere; auch Vögel, Fische und
Gehirnvolumina der Wölfe, aber auch deutliche Schädelasymme-
Amphibien können ein reichhaltiges Inventar an krankhaften
trien, wie sie unter anderem beim einzigen Rehskelett erkennbar
Veränderungen am Skelett aufweisen. Diese zeigen im Grunde
sind. Ähnliche Phänomene können bei Zoowölfen sowie bei an-
eher die Vitalität der Tiere an, weil deren Körper auf verschie-
deren unter Stressbedingungen aufgewachsenen Wildtieren und
dene Umwelteinflüsse und Verletzungen reagieren konnten. Bei
deren Nachzuchten auftreten. Das Skelett einer Hirschkuh belegt
Großtieren hängt es sicher von den jeweiligen (ökologischen)
eine Fehlgeburt bzw. eine Fehllage des Fötus (Abb. 06_14).
Rahmenbedingungen ab, welche pathologischen Erscheinungen
Von einer besonderen Beziehung zwischen Menschen und man-
innerhalb einer Population vorkommen und welche beeinträch-
chen Wildtieren kann man in Stillfried an der March auf jeden Fall
tigten Individuen längere Zeit überleben können. Osteopathien
ausgehen. Ob die vorliegenden Veränderungen an den Skeletten
– ob sie nun bei Wild- oder Haustieren auftreten – bieten daher
eine länger dauernde Gefangenschaftshaltung, gegebenenfalls
sowohl wichtige Informationen zu einstigen Lebensumständen
auch eine fortgesetzte Zucht anzeigen, kann diskutiert werden
als auch viel Raum für deren Interpretation.44
und wäre durch Vergleichsbeobachtungen und Grundlagenfor43 Pucher 2017a.
156
44 Vgl. zusammenfassend Bartosiewicz 2013; Beiträge in Bartosiewicz/Gál 2018.
6.5 Tierreste im Totenbrauchtum
Es lohnt auch darüber nachzudenken, was an den Tierskeletten
schließlich sind ritualisierte Handlungen besonders im Toten-
aus Stillfried an der March alles nicht zu beobachten war. Eine
brauchtum fassbar. Der Umgang mit den Toten erfolgt nach ge-
Sonderstellung ist etwa daraus abzuleiten, dass die Geweihe
wissen Regeln, die in Funden und Befunden ihren Niederschlag
der männlichen Rothirsche,45 die sonst Rohmaterial darstellen,
finden können. Zu diesen Ritualen gehörten oft auch Fleischbei-
ebenso wenig genutzt wurden wie die Felle der Wölfe und ande-
gaben, die durch Tierknochen, Teilverbände oder ganze Skelette
rer Tiere. Es ist nämlich praktisch unmöglich, einen Tierkörper zu
belegbar werden. Die Ausprägung dieser Beigaben weist oftmals
häuten, ohne dabei Arbeitsspuren am Skelett zu hinterlassen. Al-
zeit- und raumspezifische Muster auf, die auf die bestattete Per-
lerdings wird in der Grabungsdokumentation berichtet, dass bei
son Bezug nehmen. Als Beispiel soll hier die Rolle der Tierreste
einem Hirschschädel, der zu einem Teilskelett gehörte, die Ge-
im jungurnenfelderzeitlichen Gräberfeld Franzhausen-Kokoron
weihspitzen abgesägt waren. Überhaupt deutet das wiederhol-
besprochen werden.
te Vorkommen von männlichen Schädeln mit ausgebildeten Geweihstangen ziemlich eindeutig auf eine symbolische Bewertung des Hirsches hin, weil dieser Zustand ja ungefähr nur die Hälfte des Jahres besteht. Hirsch und Wolf, vielleicht auch weitere Arten (z. B. Hase, Reh, Fuchs) nahmen im Denken und Handeln der urnenfelderzeitlichen Bewohner vermutlich eine besondere Po-
6.5.1 Totenspeisen und Symbole – das Gräberfeld Franzhausen-Kokoron
sition ein. Diese kann sich auch in der Vermeidung einer (z. B.
Das Brandgräberfeld mit Urnenbestattungen, das ab dem Jahre
profanen) Nutzung ausdrücken, wie sie ja durch die Niederlegun-
1981 vollständig untersucht wurde, umfasst 403 Gräber (siehe
gen an und für sich zum Ausdruck gebracht wird.
Kap. 9, Pkt. 9.3.3). Tierreste treten im Gräberfeld Franzhausen-
Das Vorkommen von Tierskeletten in den Gruben einer auf einem
Kokoron in erster Linie als Fleischbeigaben sowie offensicht-
Lössplateau angelegten Siedlung ist nicht weiter verwunderlich.
lich als symbolische Elemente der Grabinventare in Erscheinung.
Hier begünstigten die natürlichen Gegebenheiten, aber auch die
Beide Fundkategorien weisen gewöhnlich einen klaren Bezug zu
Vielzahl der tiefreichenden menschlichen Bodeneingriffe die ar-
den Brandbestattungen auf, sei es allein durch ihre räumliche
chäozoologische Überlieferung. Eine abschließende Bewertung
Position in der Grabgrube oder dass sie sich in oder auf eigenen
ist aufgrund fehlender gleichartiger Befundsituationen schwie-
Gefäßen befanden, die zur Grabausstattung gehören. Gelegent-
rig. In Höhensiedlungen wie Thunau am Kamp oder dem Ober-
lich finden sich im Bereich der Gräber auch Tierreste, besonders
leiserberg war aufgrund der örtlichen Gegebenheiten die An-
einzelne Zähne und Knochenfragmente, die offenbar nichts mit
lage tiefer Grubenobjekte in einem Ausmaß wie in Stillfried an
Beigaben zu tun haben, die man den Verstorbenen mitgab, und
der March unmöglich. Allerdings liegen aus Thunau am Kamp
wahrscheinlich im Rahmen der Erdarbeiten hierher gelangten.
auch Hundeskelette vor, die wahrscheinlich aus urnenfelderzeit-
Einige der vorhandenen Tierknochen weisen Brandspuren auf.
lichen Befunden stammen. Ein fast vollständiges Hirschskelett
Sie waren aber offenbar weniger intensiv dem Feuer ausgesetzt
mit einem beeindruckenden Geweih – vermutlich urnenfelder-
als die menschlichen Leichname aus den gleichen Gräbern, wes-
zeitlicher Datierung – ist aus Langenzersdorf (VB Korneuburg)
halb bei den Tierresten Verfärbungen vorherrschen, die bei nied-
bekannt.46
rigeren Temperaturen entstehen. Die als Fleischbeigaben angesprochenen Tierknochen weisen überhaupt keine oder nur
6.5 Tierreste im Totenbrauchtum
geringe Hitzespuren auf, bei den symbolischen Beigaben fanden sich dagegen unterschiedliche Zustände. Nachdem die Bestattungen offenbar relativ knapp unter der Humuskante lagen, sind die Oberflächen der Tierknochen meis-
Die Deponierungen von Stillfried an der March zeigen, welche
tens durch die Huminsäuren der Pflanzenwurzeln korrodiert
Interpretationsspielräume bei Tierresten aus archäologischen
(sog. Wurzelbrut oder Wurzelfraß), sodass viele Zerlegungs-
Fundzusammenhängen im Siedlungsbereich möglich sind. In
spuren zerstört wurden. Bloß die hitzebeeinflussten oder von
einem Gräberfeld erscheint die Situation klarer interpretierbar;
Metallverfärbungen betroffenen Bereiche sind besser erhalten, z. B. blieben dann auch Schnittspuren erkennbar. Die schlechte
45 Im Foto Abb 06_13 erscheint es unklar, ob die Sprossenenden des Geweihs vor der Deponierung abgetrennt wurden oder erst später ab brachen; eine intensive Nutzung des Geweihs als Rohstoff unterblieb jedenfalls.
Erhaltung wirkt sich vielfach ungünstig auf die Erkennbarkeit der Fleischbeigaben insgesamt aus, weil oft Teile der Skelettverbände fehlen.
46 Ladenbauer-Orel 1965.
157
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
Fleischbeigaben Als Relikte von Fleischbeigaben definiert man in FranzhausenKokoron Knochengruppen oder Einzelknochen, die aus stark bemuskelten, fleischreichen Körperpartien stammen. Sie wer-
Abb. 06_15. Franzhausen-Kokoron, Grab 549, Reste einer Fleischbeigabe, Skelettele mente von der Schultergliedmaße und vom Brustkorb eines jung erwach senen Schafs, rechte Körperseite (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
den vorwiegend durch anatomische Verbände angezeigt, die
Zustand des Knochenverbands, der die Fleischbeigabe repräsen-
man aus den Schlachtkörpern herauslöste. Ihre übereinstim-
tiert, zum Zeitpunkt seiner Deponierung. Dieser ist ein Hinweis,
mende Zusammensetzung lässt darauf schließen, dass die Über-
wenn auch nicht unbedingt eine Voraussetzung dafür, dass Kno-
reste einer systematischen Portionierung vorliegen. Das kann
chen und Muskelgewebe, also das Fleisch, bei der Deponierung
mit ritualisierten, aber auch mit pragmatischen, gewohnten
tatsächlich noch eine Einheit bildeten. Ansonsten wäre es auch
Handlungen zu tun haben. Fleischportionen, die zusammenge-
denkbar, dass die losen Rückstände der z. B. während der Toten-
hörige Knochen enthalten, sind uns auch heute noch geläufig
zeremonie verspeisten Fleischportionen symbolisch beigegeben
– man denke an eine Hühnerkeule oder eine Lammschulter. Da-
wurden.
neben kennen wir auch Stücke mit Einzelknochen – etwa bei ei-
Nach den vorliegenden Zeugnissen dürften sich also die Kno-
nem Kotelett, oder mit assoziierten (benachbarten), aber nicht in
chen aus den Fleischbeigaben zumeist in einem artikulierten
gelenkiger Verbindung stehenden (artikulierten) Knochen, wie
oder wenigstens assoziierten Zustand befunden haben.
bei Spareribs. Die an der Muskelmasse anhaftenden Knochen
In Franzhausen-Kokoron stammen die als Reste von Fleischbei-
können dabei durchaus systematisch beschädigt, z. B. durchge-
gaben erkennbaren Tierreste in erster Linie vom Schaf und nicht
hackt werden, wie es beim T-Bone-Steak für den Lendenwirbel
von der Ziege, gefolgt vom Schwein, während man vom Rind nur
des Rinds der Fall ist – Letzterer fungiert hier gleichsam als knö-
einzelne Knochen in dieser Richtung interpretieren kann. Na-
cherne Signatur für das geschätzte Fleischstück.
türlich ist es auch möglich, dass knochenfreie Fleischportionen
Eine Zusammengehörigkeit der Knochen ist bei den in der Folge
(etwa vom Rind) beigegeben wurden, die dann keine nachweis-
beschriebenen Schafschultern und -keulen manchmal durch das
baren Reste hinterlassen. Nach der Skelettregion fanden sich
Zusammenpassen der Gelenksflächen in Schulter- und Kniege-
Rippenserien sowie Vorder- und Hintergliedmaßen, gelegentlich
lenk und im Bereich der Hand- und Fußwurzelknochen gewähr-
einschließlich der Gürtelelemente (Schulterblatt und Becken)
leistet. Ein wesentlicher Punkt ist darüber hinaus der artikulierte
und Teilen des Brustkorbs, weiters in wenigen Fällen auch Ein-
158
6.5 Tierreste im Totenbrauchtum
Abb. 06_16. Franzhausen-Kokoron, Grab 609, Reste einer Fleischbeigabe, Skelettele mente von der Schultergliedmaße und vom Brustkorb eines erwachsenen Schafs, linke Körperseite, unten drei Brustbeinelemente (Foto: R. Gold/ Institut für Paläontologie, Universität Wien).
ganz dreijährigen Schaf. Weiters sind obere (dorsale) Abschnitte von vier vorderen Rippen vorhanden, wahrscheinlich handelt es sich um die Rippenpositionen zwei bis fünf. Alle Skelettreste stammen von der rechten Körperseite und gehören wohl indivi-
zelknochen, unvollständige Skelette und Wirbelreihen. Kombi-
duell zusammen. In diesem Grab enthielt außerdem der mensch-
nationen aus verschiedenen dieser Teile sind möglich. Manch-
liche Leichenbrand, den man wahrscheinlich einem männlichen
mal ist anhand der menschlichen Arbeitsspuren erkennbar, auf
Individuum zuordnen kann, einige verbrannte Knochen von der
welche Weise die Verbände aus den Tierkörpern herausgelöst
Vordergliedmaße eines Schweins, was einen komplexen, viel-
wurden.
leicht mehrphasigen Beigabenmodus anzeigt.
Als häufigstes und auch besonders einprägsames Beispiel für
In Grab 609 befanden sich die Tierknochen in einer Schale, die
Fleischbeigaben treten in Franzhausen-Kokoron Knochengrup-
vermutlich eine stärkere Oberflächenkorrosion verhinderte. Ins-
pen aus dem Bereich der Schultergliedmaße (Vorderextremität)
gesamt sind Fragmente von mindestens zwölf Skelettelemen-
von Schafen auf. Sie kamen in kulinarischer Hinsicht wohl dem
ten erhalten, die diesmal durchwegs von der linken Körperseite
nahe, was wir heute unter dem Begriff Lammschulter kennen,
stammen (Abb. 06_16). Ein minimales Schlachtalter von dreiein-
umfassten bei maximaler Ausdehnung aber auch den vorderen
halb Jahren ist anzunehmen. Von der Vordergliedmaße sind ne-
Teil des Brustkorbs. Hinweise auf diesen Beigabentyp konnten in
ben der Scapula und dem Humerus vor allem Radius und Ulna
44 Gräbern erbracht werden. Drei Beispiele sollen zudem bele-
weitgehend komplett erhalten. Zusätzlich liegen noch zwei der
gen, welche handwerklichen Prozesse aus dieser Fundkategorie
kleinen Handwurzelknochen von der proximalen Reihe vor, sie
abgeleitet werden können.
schließen an den Radius direkt an. Die acht Rippenfragmente lassen sich der ersten und einigen folgenden Rippen zuordnen,
Fleischbeigabe: Schafschulter
wobei die Gelenksköpfchen fehlen. Wahrscheinlich gehören sie
In Grab 549 von Franzhausen-Kokoron lagen größere Teile von
der Rippensequenz 1–6 an. Das ist ungefähr der Bereich des
Schulterblatt (Scapula), Oberarmbein (Humerus) sowie Elle
Brustkorbs, auf dem das Schulterblatt aufliegt. Außerdem sind
(Ulna) und Speiche (Radius) im Bereich der Grabsohle (Abb.
drei fast unzerstörte Elemente des Brustbeins (Sternum) vorhan-
06_15). Die Reste gehörten zu einem älter subadulten, nicht
den. An einer Stelle des Gliedmaßenverbands ist eine Gruppe 159
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
Natur sein. Sie entstanden wohl nach der Niederlegung im Grab. Alle Gelenksenden waren geschlossen, was für Reste eines wenigstens dreieinhalb Jahre alten Schafs spricht. Vier obere, gelenksnahe Rippenteile sind jeweils der ersten bis vierten Rippe zuzuweisen. Drei weitere Fragmente konnten hier nicht angepasst werden, sie stammen von weiter hinten (caudal) gelegenen Rippen. Diese Knochengruppe weist in zwei unterschiedlichen Bereichen Arbeitsspuren auf. Zum einen befindet sich außen am distalen Ende des Humerus eine ganz feine Schnittlinie – das Messer wurde so behutsam geführt, dass es nur die erhabenen Teile der Knochenoberfläche erfasste (Abb. 06_19). Diese Spur entspricht in ihrer Lage derjenigen aus Grab 609, aufgrund ihrer Ausrichtung ist aber keine Fortsetzung am Radius zu erwarten. Die Schnittlinie könnte auch hier beim Abhäuten entstanden sein. Zum anderen weisen die oberen Enden der ersten und zweiten Rippen Hackspuren auf, die von unten bzw. von der Körperinnenseite her geführt wurden. Die entstandenen Schlagflächen zeigen, dass hier jemand eine schwerere Klinge schwungvoll einsetzte. Eine anthropologische Bestimmung liegt für dieses Grab nicht vor. Die Auswahl der vorhandenen Skelettteile und die Anordnung der Arbeitsspuren auf ihnen lassen sich am schlüssigsten daAbb. 06_17. Franzhausen-Kokoron, Grab 609, zusammengesetzter Ellbogenbereich (Humerus, Radius, Ulna) der Schultergliedmaße eines Schafs, linke Körperseite, von medial; korrespondierende Schnittspuren an Humerus und Radius (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
mit erklären, dass jeweils eine Vorderextremität samt der vorderen Rippenpartie der gleichen Seite, gelegentlich auch mit dem Brustbein, aus dem bereits abgehäuteten Schlachtkörper herausgelöst wurde, indem man die Gelenksbereiche der Rippen von innen durchtrennte und dadurch von der Wirbelsäule absetz-
sehr feiner Schnittlinien zu erkennen. Sie befinden sich an der
te. Das Bemerkenswerte daran ist, dass bei der Aufschließung
Innenseite des Ellbogengelenks an Humerus und Radius, laufen
zwei verschiedene Werkzeuge in sinnvoll kombinierter Weise
also über die Knochengrenzen hinweg und wurden daher ange-
eingesetzt wurden. Derartige Schulterstücke mit herausgeklapp-
bracht, als die Knochen im Verband waren. Ihrer Lage nach könn-
ten Rippenpartien von kleinen bis mittelgroßen Wiederkäuern
ten sie am ehesten beim Abhäuten entstanden sein, wobei der
sind im ethnografischen Zusammenhang durchaus geläufig (Abb.
Kontakt zwischen Klinge und Knochen möglichst vermieden wur-
06_20).
de (Abb. 06_17). Verschiedene Bereiche dieser Knochengruppe
Hier ermöglicht das Ritual der Fleischbeigabe Einblicke in einen
weisen ganz leichte Hitzespuren auf. Man kann daher entweder
handwerklichen Prozess. Im üblichen Siedlungsmaterial sind
einen Garvorgang oder – was wahrscheinlicher ist – einen räum-
die Arbeitsvorgänge bei der Zerlegung nur aus der Summe der
lichen Kontakt zum noch nicht erkalteten Leichenbrand in Be-
Einzelbeobachtungen an isolierten Knochen erschließbar, weil
tracht ziehen. Die anthropologische Ansprache ergab „Kind im
die Skelettelemente im Verlauf von Zerlegung, Konsum und Ent-
Alter von sieben bis zwölf Jahren“.
sorgung aus dem Verband gelöst wurden. Man kann wohl anneh-
Für den Knochensatz aus Grab 921 ist die Lagebezeichnung mit
men, dass auch bei der sonst üblichen, auf Fleischverwertung
„aus Verfüllung“ angegeben; aufgrund der ausgezeichneten Er-
abzielenden Zerlegung grundsätzlich ähnlich, wenn auch viel-
haltung ist jedenfalls ein geschützter Bereich anzunehmen. Die
leicht nicht immer mit der gleichen Sorgfalt vorgegangen wurde.
Vordergliedmaße der linken Körperseite ist auch hier vom Schul-
Insgesamt lassen sich in Franzhausen-Kokoron mehr als 40 Re-
terblatt bis zum Bereich der proximalen Handwurzelknochen
likte von Fleischbeigaben diesem Typus zuordnen. Die proximale,
durchgehend überliefert (Abb. 06_18). Unspezifische Beschädi-
zum Rumpf gewandte Begrenzung ist aufgrund der unvollständi-
gungen an den Schwachstellen von Schulterblatt und Humerus
gen Erhaltung der empfindlichen Elemente Schulterblatt, Rippen
sind in Franzhausen-Kokoron verbreitet und dürften sekundärer
und Brustbein oft undeutlich ausgeprägt. Distal, zum Ende der
160
6.5 Tierreste im Totenbrauchtum
Abb. 06_18. Franzhausen-Kokoron, Grab 921, Reste einer Fleischbeigabe, Skelettelemente von der Schultergliedmaße und vom Brustkorb eines adulten Schafs, linke Körperseite, rechts zwei Carpalknochen (Foto: R. Gold/ Institut für Paläontologie, Universität Wien).
Abb. 06_19. F ranzhausen-Kokoron, Grab 921, zusammengesetzter Ellbogenbereich (Humerus und Radius) der Schultergliedmaße eines Schafs, linke Körper seite, von medial; Schnittspur am Humerus (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
Gliedmaße hin, kann man dagegen eine klare Abgrenzung angeben: Hier reicht die Ausdehnung nie über die proximale Reihe der Handwurzelknochen hinaus. Die distalen Handwurzelknochen, sowie die sehr robusten und daher gut erhaltungsfähigen vorderen Röhrbeine (Metacarpen) und die Zehenglieder (Phalangen) bildeten niemals einen Teil dieser Beigabe, sie verblieben entweder im Fell oder wurden spätestens bei der Zurichtung der Fleischportion konsequent abgetrennt. Hinsichtlich der Seitenzugehörigkeit ist kein klarer Trend erkennbar: 25 rechte stehen 14 linken Gliedmaßen gegenüber, bei den übrigen Stücken war die Körperseite nicht eindeutig zu eruieren. Die besser erhaltenen Verbände mit den Rippen zeigen dagegen ein genau ausgewogenes Bild. Nach dem Schlachtalter sind vorwiegend adulte 161
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
Wirbeln und Rippen bestehender Verband, Vordergliedmaßen (11) und Hintergliedmaßen (3) sowie ein mögliches Skelettrelikt vor. Die Verhältnisse der Körperseiten erscheinen hier ausgewogen. Im Unterschied zum Schaf waren die Schlachtalter zu jüngeren, teilweise sogar neugeborenen Tieren hin verschoben. An mehreren Resten waren Buntmetallverfärbungen zu beobachten, die die räumliche Nähe zu in den Grabgruben deponierten Bronzeobjekten belegen. Fünf Gräber in Franzhausen-Kokoron enthielten wenig umfangreiche Verbände von Rinderknochen, z. B. von Radius und Ulna, oder aber Einzelelemente. Mit Vorbehalt kann man auch diese Knochen als Fleischbeigaben deuten. Besonders interessant sind die Fälle eines Oberschenkelknochens (Femur) aus Grab 260 (Abb. 06_21) und eines Beckenknochens aus Grab 583, von denen jeweils mehrere Fragmente vorlagen (Abb. 06_22). Diese ließen sich entlang alter Bruchkanten zusammensetzen, wobei die Unterschiede in den Anlauffarben entlang der Passfugen zeigen, dass die Teile bereits in fragmentiertem Zustand in die Grabbereiche gelangt sind. Es ist denkbar, dass die Knochen beim Herauslösen der Stücke beschädigt wurden und sodann in zersplitterter Form in der Fleischportion verblieben. Das ist bei den von viel Muskelgewebe umgebenen Zonen im Bereich von Becken und Oberschenkel gut vorstellbar. Die Leichenbrände aus diesen beiden Bestattungen wurden älteren, männlichen Individuen zugeordnet. Resümee: Untersuchungen zu Fleischbeigaben Abb. 06_20. Franzhausen-Kokoron, Rekonstruktion der Fleischbeigabe (Schulter gliedmaße mit Rippen), von medial (Innenseite). Durchgehende Linien: Trennspur am Material nachgewiesen. Strichlierte Linien: Trennung vermu tet. Belegt sind ausschließlich die Hackspuren, mit denen die Rippen vom Brustkorb abgesetzt wurden. Die distale Begrenzung der Gliedmaße im Bereich des Carpus ergibt sich aus dem maximal vorhandenen Knocheninventar (Grafik: N. Frotzler/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
im Gräberfeld Franzhausen-Kokoron Mit wenigen Ausnahmen umfassen die in Franzhausen nachgewiesenen Fleischbeigaben jeweils nur einen Körperbereich eines Tierindividuums; Kombinationen aus mehreren Stücken oder verbrannten und unverbrannten Teilen sind selten. Die Beobachtungen an den Fleischbeigaben kann man nun zur übrigen Grabausstattung, besonders aber zur anthropologischen Ansprache der Leichenbrände, in Beziehung setzen. Beim häu-
oder älter subadulte, etwa dreijährige Schafe belegt. Nur aus drei
figsten Typ, der „Vorderextremität Schaf“, lässt sich eine un-
Gräbern lagen Reste von wesentlich jüngeren Lämmern, allesamt
gefähre Geschlechtergleichheit beobachten: Die durch Silvia
von der linken Körperseite, vor.
Renhart47 vorgenommenen Bestimmungen erbrachten jeweils
Weitere Fleischbeigaben
vier Kindergräber. Die Unsicherheiten ergeben sich daraus, dass
Weitere Typen von Fleischbeigaben im Gräberfeld Franzhausen-
manche Leichenbrände nicht eindeutig beurteilt werden konn-
etwa zwölf männliche und elf weibliche Bestattungen, daneben
Kokoron waren seltener, weshalb sich die Gemeinsamkeiten
ten oder einfach zu wenig Material erhalten war. Die übrigen
nicht in ähnlicher Weise wie bei den Schafschultern herausarbei-
Typen von Beigaben sind zahlenmäßig zu schwach und lassen
ten ließen. Sie betreffen unter den Schafen die Hintergliedmaßen
daher keine klaren Trends erkennen. Immerhin waren die Vorder-
(fünf Nachweise, alle linke Körperseite), sowie einen kombinier-
gliedmaßen von Schweinen auffallend oft mit Leichenbränden
ten Verband mit zwei Vordergliedmaßen und einer Hintergliedmaße. Vom Schwein liegen Rippen und Rippenserien (4), ein aus 162
47 Renhart 2016.
6.5 Tierreste im Totenbrauchtum
in Grab 11 ein dokumentierter Skelettverband von Humerus, Radius und Ulna sowie mehrere Bruchstücke von Rippen der gleichen (rechten) Körperseite eines jüngeren Schafs vor. In diesem Gräberfeld war – wie auch in Franzhausen-Kokoron – mehrfach ein Lagezusammenhang zwischen der Fleischbeigabe und einem Bronzemesser zu beobachten.
Symbolische Beigaben – Astragalsätze Nicht zu den Fleischbeigaben zählen Astragale, die aufgrund ihrer Platzierung in den Grabgruben und ihres meist gruppenweisen Auftretens als Astragalsatz angesprochen werden. Beim Astragalus (Talus; Roll- oder Sprungbein) handelt es sich um den Abb. 06_21. Franzhausen-Kokoron, Grab 260, Femur dext. vom Hausrind, mediale Ansicht auf den distalen Schaftbereich, links distal, oben cranial; aus alt gebrochenen Fragmenten zusammengesetzt, Buntmetallverfärbungen erhalten (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
zentralen Fußwurzelknochen bei Säugetier und Mensch, der mit dem Schienbein im Sprunggelenk in Kontakt steht. Er verbindet somit den Fuß mit dem Unterschenkel. Zur Sohlenfläche hin besteht eine Verbindung zum Fersenbein (Calcaneus), an dessen nach hinten gerichtetem Fortsatz die Achillessehne ansetzt. Der Astragalus der Säugetiere hat eine besondere, leicht erkennbare Form. Vielleicht deshalb wird der meist kleine Knochen in seinem Symbolwert nur vom Schädel und gelegentlich vom Oberschenkelbein (Femur) übertroffen. Die Aufmerksamkeit geht dabei über die Artgrenzen hinweg – sie betrifft die eher unregelmäßig geformten Astragale kleiner Raubtiere und des Bibers ebenso wie die größeren der Paarhufer. Letztere sind aufgrund der besonders bei den Wiederkäuern eingeschränkten Bewegungsrichtung der Gliedmaßen ziemlich regelmäßig ausgebildet und werden, manchmal ohne weitere Manipulationen, als Spielsteine bzw. Würfel verwendet, oder z. B. als Webgewichte genutzt.50 Astragale wurden durchbohrt, als Anhänger getragen oder auf
Abb. 06_22. Franzhausen-Kokoron, Grab 583. Ossacoxae sin. et dext. vom Hausrind, ventrale Ansicht auf den cranialen Abschnitt (Schambeinfuge) der Becken symphyse, oben cranial, unten caudal; aus alt gebrochenen Fragmenten zusammengesetzt (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
den Gelenksflächen mit Darstellungen versehen (siehe Kap. 11, Abb. 11_43). Gelegentlich wurden – und werden – sie auch aus anderen Materialien nachgebildet. Verbreitet ist eine symbolische oder magische, besonders mantische (wahrsagerische) Verwendung: Die Knochen wirken hier anscheinend rein durch ihre Präsenz oder Anhäufung (z. B. in Gefäßen), ohne dass sie in
von Kindern und Jugendlichen assoziiert (vier Nachweise), sonst
ihrer Form verändert werden.51
überwiegen hier männliche Bestattungen (fünf) gegenüber den
Insgesamt lagen aus Franzhausen-Kokoron aus 14 Gräbern As-
weiblichen (eine bis zwei).48
tragalfunde vor, die als symbolische Beigaben anzusprechen
Die aus dem späturnenfelderzeitlichen Gräberfeld von St. Andrä-
sind. Obwohl dies nicht einmal 3,5 % der bekannten Gräberzahl
Wördern (VB Tulln) (siehe Kap. 9, Pkt. 9.3.2) beschriebenen tie-
entspricht, sind die Astragalsätze in ihrer Erscheinungsform
rischen Speisebeigaben weisen eine grundsätzlich ähnliche Gestalt wie in Franzhausen-Kokoron auf.49 Auch hier waren vorwiegend Vorder- oder Hintergliedmaßen von Schafen, teilweise auch gemeinsam im gleichen Grab, nachweisbar. So lagen etwa 48 Vgl. zur Hallstattzeit Müller-Scheeßel/Trebsche 2007, 80 ff. 49 Eibner 1974.
50 Z. B. Nývltová Fišáková/Parma 2014 (Urnenfelderzeit) und Grabundžija/ Schoch/Ulanowska et al. 2016 (Experimentelle Archäologie); Bekannt ist die Darstellung von Astragalen und anderen Knochen (Rinderphal angen) als Spielsteine im Gemälde „Die Kinderspiele“ von Pieter Breugel d. Ä. (um 1560; Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie). 51 Als Beispiel für eine durch den Befund nahegelegte rituelle Bedeutung (Assoziation mit Urne) aus dem hallstattzeitlichen Gräberfeld von Fürholz (Kärnten) siehe Kunst 2005.
163
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
äußerst auffällig. Die Knochen stammen großteils von den wichtigen Wirtschaftstieren Rind, Schwein, Schaf und wahrscheinlich auch von der Ziege. Der Hund ist durch einen verbrannten Einzelfund belegt. Ähnlich wie die Speisebeigaben sind die Sprungbeine vielfach schlecht erhalten, weshalb man ihre genaue Anzahl nicht immer angeben kann. Im Unterschied zu jenen waren die Astragale aber wesentlich häufiger einer Hitzebeeinflussung ausgesetzt, die jeweils meist den gesamten Satz erfasste, aber eher im niedrig temperierten Bereich lag. In mehreren Fällen sind im gleichen Astragalsatz Knochen der Wiederkäuerarten Rind und Schaf/Ziege mit solchen des Schweins vergesellschaftet. Das zeigt eindrücklich die symbolische Besetzung an: Die Astragale der beiden Wiederkäuergruppen unterscheiden sich grundsätzlich nur in der Größe, während diejenigen des Schweins und erst recht die des Hunds eine abweichende, unregelmäßigere Form aufweisen. Sie eignen sich daher auch nicht gut zum Würfeln. Dadurch wird eindrucksvoll
Abb. 06_23. Franzhausen-Kokoron, Grab 706, Astragalus dext., wahrscheinlich von einer Ziege, mediale Ansicht, links distal, oben dorsal; teilweise mit Metall- und Hitzeverfärbungen, links unten eine Schnittspur (Foto: R. Gold/ Institut für Paläontologie, Universität Wien).
bewiesen, dass definierte Skelettelemente über die Artgrenzen hinweg in ihrer anatomischen Zugehörigkeit erkannt, aus den
liegen bei allen Arten ausnahmslos im Bereich der distalen Ge-
Skelettverbänden herausgelöst und in die Gräber eingebracht
lenksrolle (Abb. 06_23).
wurden.
Im Gräberfeld Franzhausen-Kokoron wurden Astragalsätze unter-
Die Verfügbarkeit der Astragale ist natürlich nur dann gegeben,
schiedlicher Komplexität gefunden. Ein einfacher Fall – nur eine
wenn die Knochen bei Zerlegung und Konsum bewusst behan-
Tierart, einheitlicher Zustand – ist etwa aus Grab 133 überliefert,
delt bzw. ausgespart, nicht allzu sehr beschädigt und anschlie-
das ohne anthropologischen Befund ist. Hier befanden sich je ein
ßend aufbewahrt werden. Der Knochen steht der üblichen Auf-
linker und ein rechter Rinderastragalus im Bereich der Grabsohle
arbeitung eines Schlachtkörpers nicht im Wege und ist ohne
neben der Urne; die Knochen zeigen keine Hitzeeinwirkung und
besonderen Aufwand zu gewinnen. In Franzhausen-Kokoron war
stammen von unterschiedlichen Individuen. In Grab 591, in dem
es außerdem in einigen Fällen möglich, paarweise symmetrische,
wahrscheinlich der Leichenbrand einer jüngeren Frau bestattet
also vom gleichen Tier stammende, rechte und linke Astragale zu
wurde, befanden sich die Astragale zwar ebenfalls auf oder über
erkennen – ein unabhängiges Indiz für den geplanten Charakter
der Grabsohle, weisen aber allesamt erhebliche Verbrennungs-
der Beigabensitte.
spuren auf. Sie verteilen sich auf die Wirtschaftstierarten Rind –
Das Einbringen einer größeren Anzahl von Knochen der verschie-
Schaf – Schwein im Mengenverhältnis 4–1–2, wobei auffällt,
denen Arten – wie von mindestens 16 Astragalen in Grab 761 –
dass der kleine, kompakte Schafsknochen die Hitzeeinwirkung
kann nur durch eine stetige Aufmerksamkeit auf dieses Element
am besten überstanden hat und als einziger noch vollständig
erklärt werden, wenn man nicht eine Massenschlachtung anläss-
vorliegt. Die verschiedenen Verfärbungsmuster (dunkelbraun,
lich des Totenrituals in Betracht ziehen will. Die Ausprägung der
schwärzlich, weiß-kalziniert) bilden auf den Knochenoberflä-
Hitzespuren deutet gelegentlich darauf hin, dass man bereits
chen deutliche Zonen. Sie zeigen an, dass der Astragalsatz einer
trockene, also längere Zeit aufbewahrte Knochen der Feuerbe-
gerichteten Hitzequelle ausgesetzt war und die einzelnen Teile
einflussung aussetzte.
unterschiedlich intensiv betroffen waren. Eine mögliche Deutung
Die Variabilität der in Franzhausen-Kokoron vorhandenen Astra-
wäre eine randliche Position auf dem Scheiterhaufen. In den Grä-
galsätze kann demnach mit der Zusammensetzung der Arten,
bern 497 (Abb. 06_24) und 761 (Abb. 06_25) (anthropologischer
dem Auftreten von linken und rechten Elementen und der Hitze-
Befund: beides jüngere Frauen) ist die Fundführung mit mindes-
beeinflussung hinreichend beschrieben werden. Daneben kom-
tens 14 bzw. 16 Knochen besonders reichhaltig und das Schick-
men auch Bronzeverfärbungen vor, und manchmal kann man
sal der Astragale war anscheinend sehr komplex. Vertreten sind
zwischen diesen und den Hitzespuren nicht klar unterscheiden.
Knochen von Rind, Schaf und Schwein, wobei Proben sowohl aus
Möglicherweise hängen diese beiden Veränderungen auch zu-
dem Bereich der Grabsohle als auch aus dem Leichenbrand vor-
sammen. Die wenigen erkennbaren Schnittmarken belegen das
liegen. Ein Beispiel für einen besonders intensiv verbrannten
Herauslösen der Elemente aus dem Gliedmaßenverband und
Astragalsatz ist in Grab 722 (älteres Kind) vorhanden: Hier konn-
164
6.6 Beispiele für die Bearbeitung von Knochen, Geweihen und Zähnen
Abb. 06_24. Franzhausen-Kokoron, Grab 497, Astragale aus verschiedenen Bereichen, vollständige Stücke von dorsal. Intensiv hitzebeeinflusste Fragmente von verschiedenen Arten aus dem Leichenbrand, ein Stück vom Schaf ist ziem lich komplett (rechts oben); Astragalus vom Schwein (oben rechts) und vom Rind (unten) aus dem Bereich der Grabsohle, unverbrannt (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
Abb. 06_25. Franzhausen-Kokoron, Grab 761, Astragale aus verschiedenen Bereichen, von dorsal. Vier Astragale vom Schaf mit geringfügiger Hitzebeeinflussung (aus der Urne) (links oben); Astragalus vom Rind (Bereich Grabsohle) (oben Mitte/links); Astragale vom Schwein (großteils Bereich Grabsohle, teilweise aus der Urne) (oben rechts und unten) (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
ten etwa 22 kalzinierte, also weißlich und hellgrau verfärbte Fragmente aus dem Leichenbrand bzw. der Urne ausgesondert
Obwohl uns ein direkter Zugang zum geistigen Hintergrund ver-
und mindestens einem Kleinwiederkäuer- und zwei Schweine-
wehrt bleibt, belegen auch diese tierischen Beigaben ein Ritual:
astragalen zugeordnet werden.
Tierknochen werden als spezifische Elemente erkannt, ausge-
Die Zusammensetzungen der Astragalsätze lassen also kein
sucht und aufbewahrt, danach zu Knochensätzen zusammen-
einheitliches Muster erkennen. Teilweise entsteht der Eindruck,
gestellt und bei der Verbrennung arrangiert und/oder nachher
dass bei bestimmten Bestattungen eben die gerade verfügbaren
in der Grabgrube platziert, wobei auch wiederholte oder mehr-
Astragale der Haustiere in das Totenritual einbezogen wurden.
phasige Handlungen in Betracht kommen. Aus dem erwähnten
Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass durch die jeweiligen
Gräberfeld von St. Andrä-Wördern liegen ebenfalls einige Astra-
Kombinationen von Anzahl und Artenzugehörigkeit der Astra-
galsätze in unterschiedlicher Zusammensetzung vor.52 Eine ein-
gale etwas ausgedrückt werden sollte. Für viele mag es reizvoll
drucksvolle In-situ-Fotografie einer urnenfelderzeitlichen Ast-
sein, angesichts der unterschiedlichen Kombinationen der Ast-
ragalbeigabe liegt für das Gräberfeld von Straß im Straßertale
ragalfunde über deren mögliche Bedeutung als protoschriftliche
(VB Krems-Land) vor. In Grab 50, einem Brandschüttungsgrab
Zeichen zu spekulieren.
mit Steinumstellung, befanden sich etwa sechs Astragale, of-
Die Deponierung innerhalb der Grabbereiche erfolgte im We-
fensichtlich von Rindern und Kleinwiederkäuern, konzentriert im
sentlichen nach zwei Mustern: In fünf Fällen befanden sich die
Bereich der Brandschüttung bzw. auf Gefäßscherben.53
Knochen neben der Urne sowie einem allfälligen weiteren Gefäß (Schale) im Bereich der Grabsohle, in sieben Fällen wurden sie direkt aus dem Leichenbrand bzw. aus der Urne geborgen. In den beiden oben erwähnten Gräbern 497 und 761 bestanden beide Situationen nebeneinander. Die Lage innerhalb der Leichenbrände geht meist mit einer mehr oder weniger stark ausgepräg-
6.6 Beispiele für die Bearbeitung von Knochen, Geweihen und Zähnen
ten Hitzebeeinflussung einher. Diese ist bei Stücken, die von der Grabsohle stammen, geringer oder fehlt ganz. Der klarste und
Beinartefakte – also aus Knochen, Geweih und Zähnen herge-
kulturhistorisch wesentlichste Trend betrifft aber die Alters- und
stellte Gegenstände – sowie bearbeitete Molluskenschalen wur-
Geschlechtsbestimmungen der mit den Astragalfunden assozi-
den für Niederösterreich bisher nur für das Neolithikum mono-
ierten Bestattungen. Von den zwölf beurteilbaren Leichenbränden kann nur einer auf ein erwachsenes männliches Individuum
52 Eibner 1974.
bezogen werden. Die übrigen verteilen sich auf jüngere (zwei Fäl-
53 Wewerka 1993, Abb. 176; die in der gleichen Arbeit (Abb. 167) abge bildeten Reste einer Fleischbeigabe (Humerus, Radius und Ulna von einem Schwein, Grab 10) wurden offensichtlich nach der Freilegung möglichst lagegetreu in einem Begleitgefäß arrangiert.
le) oder ältere (vier) Kinder und jüngere oder mittelalte Frauen (fünf Gräber).
165
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
grafisch54 oder zusammenfassend dargestellt.55 Die metallzeitliche Beinindustrie wird meist als weniger bedeutsam eingeschätzt als die jungsteinzeitliche und erfährt daher oft weniger Aufmerksamkeit. Dies gilt auch für die in dieser Hinsicht viel besser erforschte Schweiz. In einer Überblicksdarstellung56 wird darauf verwiesen, dass die verbreitete Verwendung von Bronze die Bedeutung von Tierknochen und Hirschgeweih als Werkstoff drastisch reduzierte. Gleichwohl bestehen viele neolithische Gerätetypen weiter fort. Andererseits fallen, besonders ab der Mittelbronzezeit, neue Formen und Verzierungen auf, die sich offensichtlich an bronzenen Vorbildern orientieren.57 Ebenso konnte man z. B. in Ungarn bemerkenswerte Entwicklungen im Gebrauch tierischer Rohstoffe und im Nutzungsverlauf (Kontinuität, Neuauftreten) bestimmter Formen während der Bronzezeit beobachten.58 Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass gegenüber dem Neolithikum einerseits der Anteil einfacher, mit wenig Aufwand hergestellter Geräte zunimmt, während andererseits einzelne besonders elaborierte Formen dazukommen.
59
Auch jedes umfangreichere urnenfelderzeitliche Siedlungsmaterial aus Niederösterreich lässt einen gewissen Anteil an bearbeiteten Tierresten erwarten. Von einigen wenigen Fundstellen
Abb. 06_26. Oberleiserberg: Knochenwerkzeug mit querstehender Arbeits kante; das Arbeitsende jeweils links, das Griffende rechts, von oben nach unten: Fdnr. 4673: Hausrind, Ulna sin., proximaler Bereich, von lateral. Fdnr. 5018: Schwein, Femur sin., distaler Schaftbereich, von medial. Fdnr. 4912: Schwein, Tibia dext., proximaler Schaftbereich, von lateral (Foto: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien).
liegen daher Teilbeobachtungen oder -auswertungen vor.60 Als bearbeitete Tierreste werden hier nicht nur fertiggestellte Arte-
rigen sieben Geweihfragmente wiesen Bearbeitungsspuren auf.
fakte (z. B. Geräte, Schmuck) (siehe Abb. 06_08 und 11), sondern
Sie sind daher zwar nicht als Artefakte im engeren Sinn, aber als
auch Halbfabrikate, Produktionsabfälle und dergleichen – kurz-
Abfallprodukte der Beinbearbeitung aufzufassen. Das seltene
um alle Reste mit Bearbeitungs- oder Gebrauchsspuren (worked
Auftreten von bearbeiteten Resten hat hier auch deshalb Ge-
bones) – verstanden. In der Folge soll, vorwiegend anhand der
wicht, weil die Tierreste in ihrer Gesamtheit untersucht wurden.
bereits besprochenen Fundstellen, nur ein kurzer Überblick zum
Sonst besteht nämlich der Verdacht, dass insbesondere einfa-
jeweils vorhandenen Bestand an Beingeräten gegeben werden.
che und unauffällige Stücke, deren Gebrauch als Beingerät nur aus einer Arbeitskante, geglätteten Stellen und dgl. hervorgeht,
6.6.1 Unterradlberg In der Siedlung von Unterradlberg fiel der Anteil von bearbeiteten Tierresten geringer aus, als es das archäologische Umfeld
unerkannt beim übrigen Tierknochenmaterial verbleiben.
6.6.2 Oberleiserberg
(häusliche Umgebung und Werkstättenbereiche) erwarten ließ.61
In den ausgesonderten spätbronzezeitlichen Befunden vom
Vorhanden sind eine einfache, aus einem Schweineschienbein
Oberleiserberg62 nehmen einfache, meist aus den Langkno-
gefertigte Spitze und ein Halbfertigprodukt aus Hirschgeweih,
chen der Wirtschaftstiere gefertigte Spitzen die erste Stelle ein
das allseits abgesägt wurde und ein Bohrloch zeigt. Auch die üb-
(Abb. 06_26). Ein Gelenksende bildet den Griffbereich, und an einer entgegenliegenden Bruchfläche im Schaftbereich liegt die
54 Fehlmann 2011; Böhm 2013. 55 Fehlmann 2017a; Fehlmann 2017b 56 Schibler 1998. 57 Schibler 1998, 274. 58 Choyke/Schibler 2007; Choyke 2010. 59 Choyke/Schibler 2007, 58.
Arbeitskante. Oft ist diese relativ breit und wird dann als quergestellt bezeichnet. Die Gestaltung der Stücke mit ihren zufällig erscheinenden Bruchmustern lässt annehmen, dass bereits zerschlagene Knochen nach ihrer Brauchbarkeit aus dem Nahrungsabfall ausgewählt wurden. Daneben treten auch sorgfälti-
60 Z. B. Lochner 1991; Schmitsberger 2008. 61 Galik 2009.
166
62 G. K. Kunst unpubliziert.
6.6 Beispiele für die Bearbeitung von Knochen, Geweihen und Zähnen
ger gearbeitete Spitzen auf, wie sie vielfach aus neolithischen Fundstellen beschrieben wurden. Als Anwendungsgebiet für die Gesamtheit dieser Spitzen nimmt man die Bearbeitung weicher, organischer Materialien an. Nach einer unter Spezialisten verbreiteten Ansicht sollten Beinartefakte weniger nach ihrer äußeren Form und auch nicht nach dem verwendeten Skelettelement, sondern in erster Linie nach der Ausbildung ihrer Arbeitskante klassifiziert werden.
1
Weiters sind verschiedene aus Rothirschgeweih hergestellte Formen vorhanden. Besonders auffällig ist hier eine flache Platte, deren Schmalseiten halbkreisförmig, konkav ausgesägt wurden, sodass zipfelförmige Fortsätze entstanden. Diese Form ist auch von anderen urnenfelder- und hallstattzeitlichen Fundstellen bekannt (Abb. 06_27). Als Schmuckstücke sind zwei durchlochte Wirbelkörper von sehr großen Welsen zu interpretieren (siehe Abb. 06_08); ein außergewöhnliches Stück ist der verzierte Beingriff eines Bronzemessers (siehe Kap. 3, Abb. 03_35).
6.6.3 Prigglitz-Gasteil Dass es auch in der Urnenfelderzeit unter den Beinartefakten zu Konzentrationen sorgfältiger gearbeiteter Sonderformen kommen kann, belegen Beispiele aus Prigglitz-Gasteil und Pixendorf. In Prigglitz-Gasteil sind neben Geweihgeräten, die wohl unmittelbar mit dem Bergbau zu tun haben (Schlägel, Keile), auch Halbfertigprodukte bzw. Rohlinge aus der Produktion von Griffen und Knochenperlen erhalten. Hierzu wurden die Metapodien (Mittelhand- und Mittelfußknochen) von Schaf und Schwein rundum angesägt. Die erhaltenen Halbprodukte sehen mit ihren zahlreichen, parallel umlaufenden Rillen sehr merkwürdig aus (siehe Abb. 06_11). Anscheinend handelt es sich hier um einen frühen Nachweis einer gewerblichen Beinindustrie (siehe Kap. 7, Abb. 07_30).63
6.6.4 Pixendorf und Maissau Aus den Brunnenverfüllungen von Pixendorf liegen Rinderkno-
2
Abb. 06_27. 1. (oben) Oberleiserberg, Fdnr. 62, Fragment mit rundlicher Ausnehmung und zwei zipfelförmigen Enden, aus dem Verzweigungsbereich einer Ge weihstange eines Rothirschs herausgesägt; frische Beschädigungen; Außen- und Innenansicht; Distanz zwischen den beiden Spitzen 6,5 cm – 2. (unten) Von der Wallanlage Stillfried an der March wurden einige voll ständig erhaltene Exemplare geborgen. Die Funktion solcher vierspitzigen Gegenstände aus Hirschgeweih ist unbekannt (Höhe: 11 cm, Breite: 6,5 cm). Vorstellbar ist eine Verwendung zum Lochen von Leder, zum Auffädeln einer Schnur/Angelschnur, aber auch als Akupunkturnadel (Fotos: R. Gold/Institut für Paläontologie, Universität Wien (1); F. Ostmann/OREA/ÖAW (2)).
dem Mittelalter verbreiteten Kufenknochen und Eisgleiter. Ver-
chen (Radien, Metapodien) vor, die am distalen Ende quer ver-
gleichbare Stücke wurden auch aus verschiedenen Phasen der
laufende Bohrungen und auf der Dorsalseite stark geglätte-
Bronzezeit des Karpatenbeckens und angrenzender Gebiete
te Oberflächenbereiche aufweisen (Abb. 06_28). Sie erinnern
bekannt und hier zunächst als Frühformen von Schlittknochen
oberflächlich an die vor allem ab der Römischen Kaiserzeit und
beschrieben.64
63 Trebsche/Pucher 2013.
64 Choyke/Bartosiewicz 2005; Choyke/Schibler 2007.
167
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
Abb.06_29. Ortsumfahrung Maissau, Grabung ASINOE, Sig. 628, linke Rippe von einem größeren Säugetier (Rothirsch?), craniale Kante gezähnt, von medial; Breite des Bildausschnitts ca. 13,8 cm (Foto: G. K. Kunst/VIAS).
gelochte Eberzahnlamellen und knöcherne Pfeilspitzen (siehe Kap. 4, Abb. 04_25), die – als Rüstungs- bzw. Waffenelemente – vielleicht eine „kriegerische“ Komponente in dieser Siedlung Abb. 06_28. Pixendorf, Knochenartefakte aus einer urnenfelderzeitlichen Brunnenverfüllung, proximale Enden von Radien (Speichen) eines größeren Wiederkäuers (wohl Hausrind) mit Glättungen und Lochungen (Fotos: G. K. Kunst/ VIAS, Mai/Juni 2005).
Als Ausgangsmaterial dient im Allgemeinen ein Radius vom Rind oder Pferd, aber es kommen auch andere Arten (z. B. Hirsch,
anzeigen.70 Es sind aber auch eigentümliche Formen mit schwer deutbarer Funktion vorhanden (Abb. 06_29).
6.7 Zusammenfassung und Ausblick
Wildschwein) vor. Den Gebrauchsspuren nach, aber auch des-
Aus der Sicht der Archäozoologie ließen sich für die Urnenfelder-
halb, weil Radien ganz unterschiedlich großer Tierarten verwen-
zeit in Niederösterreich – zumindest auf regionaler Ebene – doch
det wurden, dürfte es sich nach einer aktuelleren Einschätzung
einige Eigenheiten herausarbeiten. Es handelt sich hierbei um:
von Alice Choyke eher um Glättgeräte handeln.65 Zwei Vertreter
•
das erstmalige Auftreten von Bergbausiedlungen mit Ma-
dieses Typs, die aus Rinderradien angefertigt wurden, konnte
terialkonzentrationen, verbunden mit stark strukturierten
man in einem frühbronzezeitlichen Grabkontext aus dem Wein-
Knochenvergesellschaftungen und einer auffälligen Bein-
viertel nachweisen.66 Einer der aus Maissau, Flur Urtelfeld (VB
verarbeitung, beide mit einem möglichen gewerblichen
Hollabrunn) vorgelegten Rinderradien mit dorsaler Abnutzung67
Hintergrund;
weicht jedoch hinsichtlich seiner Herstellungsspuren ab; hier
•
die Deponierung vollständiger Tierkörper und Tierteile mit ei-
befinden sich feine Bohrungen an der Unterseite der proximalen
nem möglichen rituellen Hintergrund und Hinweisen auf die
Gelenksfläche. Schließlich wurde auch aus den urnenfelderzeit-
länger dauernde Haltung von Wildtieren – dieses Phänomen
lichen Befunden aus dem Bereich der Ortsumfahrung Maissau
ist besonders in der Fundstelle Stillfried an der March gut
ein „Schlittknochen“ ohne nähere Angaben gemeldet.68 Insge-
fassbar; und
samt können diese Formen beim gegenwärtigen Forschungsstand am besten neutral als „Radiusgeräte mit Bohrungen und/
•
die Beigabe von Fleischteilen und symbolisch besetzten Tierknochen in Brandgräbern.
oder geglätteten Bereichen“ bezeichnet werden. Aus der ungari-
An dieser Stelle ist vielleicht die Erinnerung daran angebracht,
schen Spätbronzezeit scheinen dagegen auch eindeutige Funde
dass in den bronzezeitlichen Kulturen des Vorderen Orients
von Schlittknochen vorzuliegen. Diese wurden jedoch, wie ihre
und des östlichen Mittelmeerraums die sehr früh ausgebildete
frühgeschichtlichen Nachfahren, aus Pferdemetapodien herge-
kulturelle und gesellschaftliche Komplexität mit einer entspre-
69
stellt, allerdings in einer weit sorgfältigeren Ausführung.
chenden Vielfalt an archäologischen Kontexten – und eben auch
Unter den im Rahmen der erwähnten Rettungsgrabung bei Mais-
an Tierknochenvergesellschaftungen – einhergeht. Hier las-
sau geborgenen urnenfelderzeitlichen Kleinfunden befanden
sen sich vielfach Proben aus privaten und öffentlichen Räumen,
sich noch zahlreiche weitere Beinartefakte. Zu erwähnen sind
Opfergaben aus Kultbezirken, Reste von Festmählern, Abfälle
65 Choyke 2013. 66 Grabung der Firma ARDIG in Neusiedl an der Zaya, eigene Beobachtung.
aus Handwerksbetrieben und dergleichen unterscheiden und miteinander vergleichen.71 Die aus den Tierresten ablesbaren
67 Lochner 1991, 103 f. 68 Schmitsberger 2008.
70 Schmitsberger 2008, 490 ff.
69 Choyke/Schibler 2007, 59, Fig. 11.
71 Siehe z. B. Marom/Bar-Oz 2013.
168
6.8 Literatur
„Signale“ können dabei sehr deutlich ausfallen, wie sich an einer
Spuren produzieren kann, lassen sich diese wesentlich häufiger
eigenen Beobachtung erläutern lässt.72 So waren die im Umfeld
als die Geräte selbst nachweisen. Deshalb kommt den Tierresten
eines hethitischen Tempels abgelagerten Tierreste hinsichtlich
in diesem Fall eine besondere Bedeutung beim Nachweis einer
Tierart, Skelettteil und auch der Zerlegungsspuren sehr stark
technologischen Neuerung zu. Hier interessiert besonders, ab
strukturiert bzw. eingeengt – über weite Strecken dominierten
wann Bronzemesser, aber auch schwerere Klingen (Hackmesser)
die Kleinwiederkäuer. Die Proben aus den Siedlungsgruben der
in größerem Umfang bei der Zerlegung eingesetzt wurden und
auf den Zusammenbruch des Hethiterreiches folgenden frühen
wie lange der Gebrauch von Silexgeräten für diesen Zweck Be-
Eisenzeit, die zeitlich ziemlich genau mit der Urnenfelderzeit
stand hatte. Die durch die beiden Materialien hervorgerufenen
übereinstimmt, würden dagegen auch in einer beliebigen jün-
Spuren lassen sich im Regelfall mikroskopisch gut unterschei-
ger prähistorischen, mitteleuropäischen Fundstelle nicht wei-
den, weshalb man hier mit relativ geringem Aufwand eine große
ter auffallen: Ein abwechslungsreicher Mix aus Haustierresten,
Menge an Daten gewinnen kann. In Polen und manchen Gebieten
dem wechselnde Anteile von Wildtierknochen beigesellt sind,
Südosteuropas hat man die zeitliche Entwicklung dieser beiden
entspricht in beiden Fällen einer nicht spezialisierten, agrari-
Spurentypen während der Bronzezeit bereits untersucht, wobei
schen Wirtschaftsform. Als umso bedeutsamer kann man daher
sich eine fortschreitende Verschiebung zugunsten der Metall-
deutlich strukturierte Erhaltungsmuster, wie sie etwa in Prigglitz-
geräte abzeichnete.75
Gasteil vorliegen, einschätzen. Es fällt nun durchaus schwer, auf regionaler Ebene grundsätzliche Unterschiede im Tierartenspektrum und in den Probenzusammensetzungen insgesamt zwischen der Urnenfelderzeit und den durch die Keramik und die übrige Sachkultur definierten vorhergehenden und folgenden Kulturperioden, also zur Früh- und Mittelbronzezeit einerseits und zur Hallstattzeit andererseits, aufzuzeigen. Das hängt auch damit zusammen, dass der regionale Forschungsstand hierzu noch unzureichend ist, was besonders auf die archäozoologisch noch kaum erfassten Siedlungen der mittleren Bronzezeit zutrifft. Verschiedene gelegentlich für die Hallstattzeit beobachtete Phänomene, wie etwa Hundebestattungen in Brandgräberfeldern, sind für die niederösterreichische Urnenfelderzeit nicht belegt. Es liegt auf der Hand, dass die teils recht aufwendigen hallstattzeitlichen Bestattungssitten auch mit einer Zunahme in der Komplexität der Speisebeigaben einhergehen.73 Weiters weisen einige bisher nur teilweise oder gar nicht publizierte hallstattzeitliche Materialien (Perchtoldsdorf-Bachacker, Wien-Leopoldsberg)74 eine auffallend hohe Diversität an genutzten Wildtierarten auf, die für ähnlich gelegene urnenfelderzeitliche Siedlungen bisher nicht nachweisbar waren. Insgesamt ist aber auch unsere Kenntnis von regionalen hallstattzeitlichen Faunen noch zu gering, als dass man hier eindeutige Trends feststellen könnte. Ein weiterer, für die Spätbronzezeit wesentlicher Aspekt ist der Einfluss der Entwicklung der Metalltechnologie auf die Zerlegung eines Schlachtkörpers sowie in umgekehrter Betrachtung der Nachweis von Metallgeräten anhand der auf den Tierknochen befindlichen Marken. Da eine einzelne Klinge zahlreiche
6.8 Literatur Adametz 2009: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2009). Adametz 2011: K. Adametz, Eine Siedlung der Urnenfelderkultur in Unterradlberg, Niederösterreich. FÖ 50, 2011, 67–92. Bartosiewicz 2013: L. Bartosiewicz, Shuffling Nags, Lame Ducks. The archaeology of animal disease. With a contribution by Erika Gál (Oxford 2013). Bartosiewicz/Gál 2018: L. Bartosiewicz/E. Gál (eds.), Care or Neglect? Evidence of Animal Disease in Archaeology (Oxford 2018). Bauer 2001: K. Bauer, Östliche Hausmaus Mus musculus Linnaeus, 1758. In: F. Spitzenberger, Die Säugetierfauna Österreichs, BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Wien 2001), 542–546. Beech 1995: M. Beech, Whither Archaozoology? In: M. Kuna/ N. Venclová (eds.), Whither Archaeology? Papers in Honour of Evžen Neustupný (Praha 1995), 97–109. Benecke 1994a: N. Benecke, Archäozoologische Studien zur Entwick lung der Haustierhaltung in Mitteleuropa und Südskandinavi en von den Anfängen bis zum ausgehenden Mittelalter (Berlin 1994). Benecke 1994b: N. Benecke, Der Mensch und seine Haustiere. Die Ge schichte einer jahrtausendealten Beziehung (Stuttgart 1994). Böhm 2013: H. Böhm, Die Knochen und Geweihartefakte vom Kl. Anzingerberg, Meidling im Thale/NÖ, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2013).
72 Kunst/Böhm/Czichon 2016. 73 Siehe Müller-Scheeßel/Trebsche 2007; Kyselý 2018. 74 Christandl 1998; eigene Beobachtungen.
75 Marciniak/Greenfield 2013.
169
6. Zur Tier-Mensch-Beziehung
Choyke 2013: A. M. Choyke, Hidden Agendas: Ancient Raw Material Choice for Worked Osseous Objects in Central Europe and Beyond. In: A. Choyke/ S. O’Connor, From These Bare Bones. Raw materials and the study of worked osseous objects (Oxford 2013), 1–11. Choyke/Bartosiewicz 2005: A. M. Choyke/L. Bartosiewicz, Skating with Horses: continuity and parallelism in prehistoric Hungary. Revue de Paléobiologie, Genève, Vol. spéc. 10, décembre 2005, 317–326. Choyke/Schibler 2007: A. M. Choyke/J. Schibler, Prehistoric Bone Tools and the Archaeozoological Perspective: Research in Central Europe. In: C. Gates St-Pierre/R. B. Walker, Bones as tools: current methods and interpretations in worked bone studies, BAR International Series 162 (Oxford 2007), 51–65. Christandl 1998: G. Christandl, Hallstattzeitliche Tierreste aus Perchtoldsdorf – Bachacker (NÖ), unveröffentlichte Diplom arbeit Universität Wien (Wien 1998). Conolly/Colledge/Dobney et al. 2011: J. Conolly/S. Colledge/K. Dobney/ J.-D.Vigne/J. Peters/B. Stopp/K. Manning/S. Shennan, Metaanalysis of zooarchaeological data from SW Asia and SE Europe provides insight into the origins and spread of animal hus bandry, Journal of Archaeological Science 38, 2011, 538–545. Eibner 1974: C. Eibner, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von St. Andrä v. d. Hgt. P. B. Tulln, NÖ. Aussagewert und Aussage grenzen von Brandbestattungen für eine historische Interpre tation. ArchA Beiheft 12 (Wien 1974). Fehlmann 2011: D. Fehlmann, Die Knochen-, Zahn- und Geweiharte fakte der linearbandkeramischen Siedlung Asparn an der ZayaSchletz, Archäologische Forschungen in Niederösterreich 9 (St. Pölten 2011). Fehlmann 2017a: D. Fehlmann, Linearbandkeramische Knochen-, Zahn- und Geweihartefakte. In: E. Lenneis (Hrsg.), Erste Bauerndörfer – älteste Kultbauten. Die frühe und mittlere Jungsteinzeit in Niederösterreich, Archäologie Niederöster reichs (Wien 2017), 154–163.
Groot 2008: M. Groot, Animals in Ritual and Economy in a Roman Frontier Community. Excavations in Tiel-Passewaaj, Amsterdam Archaeological Studies 12 (Amsterdam 2008). Jettmar/Kunst 2018: P. Jettmar/G. K. Kunst, Drei Rinderschädel aus der hallstattzeitlichen Siedlung von Großmugl, Niederösterreich – Ein kurzer Beitrag zur Schädelmorphologie des Hausrindes (Bos primigenius f. taurus), Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien Serie A 120, 2018, 415–433. Kanelutti 1990: E. Kanelutti, Slawen- und urnenfelderzeitliche Säuge tiere von Thunau bei Gars am Kamp (Niederösterreich), unveröffentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1990). Kanelutti 1993: E. Kanelutti, Archäozoologische Untersuchungen am Schanzberg von Gars/Thunau. In: H. Friesinger/F. Daim/ E. Kanelutti/O. Cichocki (Hrsg.), Bioarchäologie und Früh geschichtsforschung, ArchA Monographien 2 (Wien 1993), 169–184. Kunst 2005: G. K. Kunst, Tierreste aus dem hallstattzeitlichen Gräber feld von Führholz in Unterkärnten. In: R. Wedenig (Hrsg.), Hall stattkultur im Trixnertal, Begleitheft zur Ausstellung in Völker markt und Klagenfurt 2005 (Völkermarkt 2005), 47–57. Kunst/Böhm/Czichon 2016: G. K. Kunst/H. Böhm/R. Czichon, Bronze Age Walls and Iron Age Pits – Contextual Archaeozoology at Oymaağaç Höyük, Turkey. In: N. Marom/R. Yeshurun/ L. Weissbrod/G. Bar-Oz (eds.), Bones and Identity: Zooarchaeological Approaches to Reconstructing Social and Cultural Landscapes in Southwest Asia (Oxford 2016), 193–223. Kunst/Pacher 2019: G. K. Kunst/M. Pacher, Brown bear remains in pre historic and early historic societies: case studies from Austria. In: D. Nagel/N. Kavcik-Graumann (Hrsg.), Festschrift zum 80. Geburtstag von emer. Univ.-Prof. Dr. Mag. Gernot Rabeder, Berichte der Geologischen Bundesanstalt , 2019, 89-121. Kyselý 2010: R. Kysely, Review of the oldest evidence of domestic fowl Gallus gallus f. domestica from the Czech Republic in its European context. Acta Zoologica Cracoviensa Series A, 53/1–2, 2010, 9–34.
Fehlmann 2017b: D. Fehlmann, Knochen- und Geweihartefakte. In: E. Lenneis (Hrsg.), Erste Bauerndörfer – älteste Kultbauten. Die frühe und mittlere Jungsteinzeit in Niederösterreich, Archäologie Niederösterreichs (Wien 2017), 357–365.
Kyselý 2018: R. Kyselý, Meat offerings in graves of the Hallstatt Period in Bohemia (Czech Republic): An archaeozoological comparison. Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien Serie A, 120, 2018, 245–280.
Frank 2000: C. Frank, Über urnenfelderzeitliche Schmuckschnecken aus Nußdorf ob der Traisen, NÖ, Anzeiger der phil.-hist. Klasse 135. Jahrgang, 2000, 5–20.
Kyselý/Čuláková/Pecinovská et al. 2016: R. Kyselý/K. Čuláková/ M. Pecinovská/P. Široký, European Pond Turtles from Obříství (Bohemia, Czech Republic), International Journal of Osteo archaeology 26/4, 2016, 732–739.
Galik 2009: A. Galik, Archäozoologische Auswertung. In: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2009), 156–177. Grabundžija/Schoch/Ulanowska 2016: A. Grabundžija/C. Schoch/ A. Ulanowska, Kosti za tkalački stan. Eksperiment tkanja s astragalima. Bones for the Loom. Weaving Experiments with Astragali Weights, Prilozi Instituta za arheologiju u Zagrebu 33, 2016, 287–306. Greenfield 2014: H. Greenfield (ed.), Animal Secondary Products. Domestic Animal Exploitation in Prehistoric Europe, the Near East and the Far East (Oxford 2014).
170
Kyselý/Peške 2016: R. Kyselý/L. Peške, Horse size and domestication: Early equid bones from the Czech Republic in the European context Anthropozoologica 51/1, 2016, 15–39. Ladenbauer-Orel 1965 : H. Ladenbauer-Orel, Die kultische Hirsch bestattung von Lang-Enzersdorf bei Wien, MAG 95 (Wien 1965), 250–258. Lochner 1991: Studien zur Urnenfelderkultur im Waldviertel (Nieder österreich), MPK 25 (Wien 1991).
6.8 Literatur
Marciniak/Greenfield 2013: A. Marciniak/H. J. Greenfield, A zooarchaeological perspective on the origins of metallurgy in the North European Plain: butchering marks on bones from central Poland. In: S. Bergerbrant/S. Sabatini (eds.), Counterpoint: Essays in Archaeology and Heritage Studies in Honour of Professor Kristian Kristiansen, BAR International Series 2508 (Oxford 2013), 457–468. Marom/Bar-Oz 2013: N. Marom/G. Bar-Oz, Zooarchaeology and social identity in Bronze Age and Iron Age Israel: a research frame work. In: B. De Cupere/V. Linseele/S. Hamilton-Dyer (eds.), Archaeozoology of the Near East X, Ancient Near Eastern Studies Supplement 44 (Peeters 2013), 227–241. Morris 2011: J. Morris, Investigating Animal Burials. Ritual, mundane and beyond, BAR British Series 535 (Oxford 2011). Müller-Scheeßel/Trebsche 2007: N. Müller-Scheeßel/P. Trebsche, Das Schwein und andere Haustiere in Siedlungen und Gräbern der Hallstattzeit Mitteleuropas, Germania 85, 2007, 61–94. Nývltová Fišáková/Parma 2014: M. Nývltová Fišáková/D. Parma, Hrátky s kostmi. Astragaly jako doklady her v mladším pravěku, Studia Archaeologica Brunensia 19/1, 2014, 113–122. Pluskowski 2012: A. Pluskowski (ed.), The Ritual Killing and Burial of Animals. European Perspectives (Oxford 2012). Pucher 1982: E. Pucher, Tierknochenfunde aus Stillfried an der March (Niederösterreich), unveröffentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1982). Pucher 1986: E. Pucher, Untersuchungen an Tierskeletten aus der Urnenfelderkultur von Stillfried an der March (Niederösterreich), FIST 7 (Wien 1986), 23–116. Pucher 2001: E. Pucher, Die Tierknochenfunde aus dem bronzezeitli chen Siedlungsplatz Unterhautzenthal in Niederösterreich. In: E. Lauermann/E. Pucher/M. Schmitzberger, Unterhautzenthal und Michelberg. Beiträge zum Siedlungswesen der frühbron zezeitlichen Aunjetitz-Kultur im nördlichen Niederösterreich, Archäologische Forschungen in Niederösterreich 1 (St. Pölten 2001), 64–103. Pucher 2017a: E. Pucher, 40 Jahre im Banne des urzeitlichen Tiergar tens von Stillfried. In: F. Pieler/P. Trebsche, Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017, Fest schrift für Ernst Lauermann (Asparn/Zaya 2017), 207–221.
Renhart 2016: S. Renhart, Zur Anthropologie des urnenfelderzeitlichen Brandgräberfeldes von Franzhausen-Kokoron. In: M. Lochner/ I. Hellerschmid, Dokumentation Franzhausen-Kokoron: Ein Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderkultur aus Zentraleuropa. Erweiterte interaktive Datenbank mit Illustrationen und Fund beschreibungen, Version 03/epub, Wien 2016, http://epub. oeaw.ac.at/franzhausen-kokoron2, letzter Zugriff: Mai 2020; http://www.austriaca.at/8062-3inhalt, letzter Zugriff: Mai 2020. Riedel 1998: A. Riedel, Archäozoologische Untersuchungen an den Knochenfunden aus der Věteřov-Kultur von Böheimkirchen (Niederösterreich), Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien Serie A, 99, 1998, 341–374. Schibler 1998: J. Schibler, Knochen und Geweihartefakte. In: S. Hochuli/ U. Niffeler/V. Rychner, Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter: Bronzezeit, SPM 3 (Basel 1998), 274–278. Schibler/Studer 1998: J. Schibler/J. Studer, Haustierhaltung und Jagd während der Bronzezeit der Schweiz. In: S. Hochuli/U. Niffeler/ V. Rychner, Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter: Bronzezeit, SPM 3 (Basel 1998), 171–191. Schmitsberger 2008: O. Schmitsberger, Ausgrabungen auf der Trasse der Ortsumfahrung Maissau 2008/Fläche „1-Süd“: Befunde vom Altneolithikum bis zum Frühmittelalter. Mit einem Beitrag von H. Böhm. In: B. Wewerka/O. Schmitsberger et al., Bericht über die Ausgrabungen des Vereins ASINOE im Projektjahr 2008, FÖ 47, 2008, 438–500. Schmölcke/Gross/Nikulina 2018: U. Schmölcke/D. Gross/E. A. Nikulina, The history of sheep husbandry in Austria from the Neolithic to the Roman Period, Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien Serie A, 120, 2018, 101–126. Serjeantson 2009: D. Serjeantson, Birds, Cambridge Manuals in Archaeology (Cambridge 2009). Sheratt 1983: A. G. Sheratt, The Secondary Products Revolution of Ani mals in the Old World. World Archaeology 15/1, 1983, 90–104. Spitzenberger 2001: F. Spitzenberger (Hrsg.), Die Säugetierfauna Österreichs, BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Wien 2001). Sykes 2014: N. Sykes, Beastly Questions. Animal Answers to Archaeo logical Issues (Bloomsbury 2014).
Pucher 2017b: E. Pucher, Jagd und Tierhaltung im Frühneolithikum und Mittelneolithikum. In: E. Lenneis (Hrsg.), Erste Bauerndör fer – älteste Kultbauten. Die frühe und mittlere Jungsteinzeit in Niederösterreich, Archäologie Niederösterreichs (Wien 2017), 183–192, 375–385.
Trebsche/Pucher 2013: P. Trebsche/E. Pucher, Urnenfelderzeitliche Kupfergewinnung am Rande der Ostalpen. Erste Ergebnisse zu Ernährung und Wirtschaftsweise in der Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil (Niederösterreich), PZ 88/1–2, 2013, 114–151.
Pucher 2018: E. Pucher, Krumme Hirsche und zahnlose Wölfe – bronzezeitliche Wildtierhaltung in Stillfried, Beiträge zur Archäozoolo gie und Prähistorischen Anthropologie 11, 2018, 71–81.
Wewerka 1993: B. Wewerka, Rettungsgrabung „Neue Siedlung“ in Straß im Straßertal. In: M. Krenn/G. Artner/H. Rodriguez, Bericht über die Ausgrabungen des Vereins ASINOE im Projektjahr 1993/94, FÖ 32, 1993, 360–367.
Pucher/Barth/Seemann et al. 2013: E. Pucher/E. Barth/R. Seemann/ F. Brandstätter, Bronzezeitliche Fleischverarbeitung im Salz bergtal bei Hallstatt, MPK 80 (Wien 2013).
Wilson 1996: B. Wilson, Spatial Patterning among Animal Bones in Settlement Archaeology. An English regional exploration, BAR British Series 251 (Oxford 1996).
171
7. Bergbau und Rohstoffe
7. Bergbau und Rohstoffe Susanne Klemm, Peter Trebsche Zahlreiche Rohstoffe waren für die urnenfelderzeitlichen Men-
aus Siebenbürgen in Rumänien oder aus Bergwerken in den
schen von Bedeutung und wurden systematisch gewonnen so-
Rhodopen im südlichen Bulgarien nach Ostösterreich gelangt
wie verarbeitet. Ton für die Herstellung von Keramik war an vie-
sein. Aus der jüngeren Urnenfelderzeit stammen die ältesten
len Orten verfügbar und konnte lokal abgebaut werden. Auch
Gegenstände aus Eisen, das vorerst nur in sehr kleinen Mengen
bestimmte Gesteine waren in der Urnenfelderzeit zur Herstel-
zu Schmuck, Pferdegeschirr und Messerklingen verarbeitet wur-
lung von Mahl- und Schleifsteinen begehrt. Salz musste von wei-
de. Bislang fanden keine detaillierten archäometrischen Unter-
ter entfernten Lagerstätten wie der Saline in Hallstatt bezogen
suchungen statt, um die Herkunft des Zinns, des Goldes und des
werden; es wurde vor allem für die Konservierung von Fleisch
Eisens in Niederösterreich zu bestimmen. Dennoch zeigen die
und zum Würzen von Speisen verwendet. Kupfer und Zinn benö-
Funde, dass Niederösterreich in weitreichende Netzwerke des
tigte man für die Produktion von Bronze, die zu Waffen, Werkzeu-
Austauschs oder des Techniktransfers eingebunden war, die in
gen, Gefäßen und Schmuck verarbeitet wurde.
Zukunft noch näher erforscht werden müssen.
Kupfererz wurde in Niederösterreich nachweislich ab der jüngeren Urnenfelderzeit abgebaut, wobei ältere Bergbautätigkeiten nicht ausgeschlossen sind. Die Kupferproduktion hatte in der späten Bronzezeit einen wesentlichen Anteil an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Einerseits stehen hier
7.1 Prähistorische Kupfergewinnung Susanne Klemm
Fragen nach dem Bergbau, nach der Verhüttungstechnik sowie nach Art und Weise der Bronzeverarbeitung im Vordergrund. Andererseits ist es spannend zu erforschen, wie die Bergbaue und
Die Kupfererzlagerstätten in den Europäischen Alpen wurden be-
Produktionsstätten in das regionale Siedlungsgefüge eingebun-
reits in prähistorischer Zeit vom Menschen ausgebeutet. Neben
den waren und wie die Bergleute mit Nahrungsmitteln und an-
reinem oder gediegenem Kupfer waren die Kupfererze Kupfer-
deren für den Betrieb notwendigen Gütern versorgt wurden. Im
kies und Fahlerze die dominanten Rohstoffe.1 In der Kupferzeit
Schneeberg-Rax-Gebiet zeichnet sich ab, wie Kupfergewinnung
(Äneolithikum) und insbesondere seit der Bronzezeit erfuhren
und Bronzeverarbeitung an verschiedenen Orten organisiert wa-
zuerst Kupfer und später Bronze – eine Kupfer-Zinn-Legierung –
ren. Bergbausiedlungen, Verhüttungsplätze, befestigte Höhen-
hohe Wertschätzung. Schmuck und Trachtbestandteile, Metall-
siedlungen und Flachlandsiedlungen waren zu einem komplexen
gefäße, Werkzeuge und Geräte sowie Waffen wurden aus diesem
Siedlungssystem verknüpft.
kostbaren Metall gefertigt.
Ein zweiter Rohstoff, der während der Urnenfelderzeit in Nie-
In den Ostalpen sind zahlreiche urgeschichtliche Bergbaure-
derösterreich systematisch abgebaut wurde, war der Grafit. Er
viere unterschiedlicher Größe bekannt. Der Großteil der Berg-
kommt hauptsächlich im Waldviertel vor und wurde vor allem am
baugebiete in Österreich liegt im Bereich der Grauwackenzone,
Rand des Dunkelsteinerwalds zur Magerung von Ton verwendet,
einer geologischen Zone, die besonders reich an Erzlagerstät-
der dadurch besonders hitzebeständig und wasserdicht wurde.
ten ist. Die am Ostrand der Alpen liegende Abbauzone könn-
Diese spezielle Keramik erreichte allerdings erst später – in der
te sich vom südöstlichen Niederösterreich bis zum Günser
Latènezeit und im Mittelalter – breitere Anwendung und weitere
Gebirge/Geschriebenstein im mittleren Burgenland erstrecken
Verbreitung.
(Abb. 07_01).2
Neben den in Niederösterreich abgebauten Rohstoffen mussten weitere in der Spätbronzezeit wichtige Metalle wie Zinn, Gold und das erstmals auftretende Eisen aus anderen Regionen importiert werden. Das Zinn wurde vermutlich aus dem böhmisch-sächsischen oder dem slowakischen Erzgebirge geliefert. Gold könnte 172
1
Kupferkies ist eine Kupfer-Eisen-Schwefel-Verbindung; Fahlerze sind Kupferverbindungen mit Arsen oder Antimon.
2
Der Nachweis eines prähistorischen Kupferbergbaureviers im Gebiet des Günser Gebirges (Geschriebenstein) im Mittelburgenland bzw. auf angrenzendem ungarischem Gebiet kann bis dato nur indirekt durch Funde auf der Höhensiedlung Velem, Szent Vid erfolgen (Czajlik 1993).
7.1 Prähistorische Kupfergewinnung
Abb. 07_01. Prähistorische Kupferbergbaureviere in Österreich bzw. in den Zentral-, Ost- und Südalpen (Grafik: S. Klemm/U. Schuh).
Kerchler in den 1970er-Jahren fortgeführt. In den Jahren 2010 bis 2014 nahm schließlich Peter Trebsche mit den Grabungen der Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil die Forschungsarbeiten
Exkurs: Montanarchäologische Forschungen in Österreich Seit mehr als 140 Jahren ist die prähistorische Kupfergewinnung in den Ostalpen Forschungsthema mehrerer Generationen von Prähistorikern, Bergbauingenieuren, Metallurgen, Geologen, Mineralogen, Geophysikern, Vertretern anderer Wissenschaften
wieder auf (siehe Exkurs unter Pkt. 7.1.4).3
7.1.1 Vom Erz zum Metall
und Laienforschern. Die montanarchäologische Forschung in
Heute findet man in den alpinen prähistorischen Abbaugebie-
Österreich nahm damals ihren Ausgang vor allem im prähistori-
ten eine Reihe montanarchäologischer Fundstellenarten, die
schen Bergbaurevier in Mitterberg am Hochkönig (Salzburg). Die
die einzelnen Schritte vom Erzabbau bis zur Metallprodukti-
Bezeichnung Mitterberg umschreibt heute ein prähistorisches
on präsentieren. Nach jahrzehntelanger Forschung wissen wir
Bergbaugebiet, das sich von Mühlbach am Hochkönig über
nun vor allem über die Kupfergewinnung der mittleren und spä-
Bischofshofen bis St. Johann im Pongau erstreckt hat. Richard
ten Bronzezeit, in der in erster Linie Kupferkies genutzt wurde,
Pittioni ist es zu verdanken, dass zahlreiche weitere bedeutende
besonders gut Bescheid. In der frühen und späten Bronzezeit
Bergbaureviere in den Ost- und Südalpen von Ernst Preuschen,
wurde hingegen auch Fahlerz abgebaut und verhüttet.4
der gemeinsam mit Karl Zschocke den prähistorischen Berg-
Kupfererzlagerstätten, die in prähistorischer Zeit ausgebeutet
bau am Mitterberg berühmt machte, entdeckt wurden – z. B. im
wurden, sind insbesondere durch die Abraumhalden mit charak-
Trentino, in Tirol und in der Steiermark. Ab den frühen 1990erJahren wurde die interdisziplinäre Erforschung der prähistori-
3
Vgl. die Beiträge mit umfassenden Literaturangaben zu den For schungsergebnissen in Österreich, der Schweiz und Italien im Sam melband von Stöllner/Oeggl 2015.
4
Eibner 1982; zahlreiche Beiträge in Stöllner/Oeggl 2015, z. B. Han ning/Herdits/Silvestri 2015 mit einer umfassenden Diskussion zum Verhüttungsprozess anhand von Experimenten und einem Überblick zur Frühphase der alpinen Kupferproduktion während des Äneolithi kums und der frühen Bronzezeit.
schen Kupfergewinnung in Tirol, Salzburg und Steiermark intensiviert, sodass heute umfassende Kenntnisse über Abbau, Erzaufbereitung und Erzverhüttung vorliegen. Die Blütezeit der Bergbauforschung in Niederösterreich setzte mit den Grabungsaktivitäten von Franz Hampl 1951 ein und wurde von Helga
173
7. Bergbau und Rohstoffe
teristischen Fundstücken wie Rillenschlegeln erkennbar. Pingen und Röschen – runde bis ovale oder grabenartige Vertiefungen im Gelände – zeigen die Lage der Abbaue an. Grundsätzlich kann es sich dabei um verstürzte Stollen von Untertageabbauen oder wieder verfüllte oberflächliche Abbaue handeln. Erstere können wie am Mitterberg in großer Tiefe liegen. Nach dem Abbau wurde das erzhaltige Gestein auf Unterlagsplatten mithilfe von Klopfsteinen mechanisch zerkleinert und das Erz vom tauben Nebengestein händisch bzw. auch mit Hilfe von Wasser abgesondert. Für diese Methoden der Erzaufbereitung sind die Begriffe Trocken- bzw. Nassaufbereitung geläufig. Die Rückstände lagerte man auf den sog. Scheidehalden ab. Das vom tauben Gestein getrennte Kupfererz wurde dann auf Verhüttungsplätzen zu Kupferstein weiterverarbeitet. Dies ist mittlerweile durch zahlreiche mittel- und spätbronzezeitliche Verhüttungsplätze in den Ostalpen bekannt.5 Das Ziel des mehrstufigen Verhüttungsprozesses war die Trennung des Kupfers von den weiteren Bestandteilen des Erzes, wie Schwefel und Eisen. Benötigt wurden dafür ein Brennstoff – Holz oder Holzkohle – und Quarz, der als Ganggestein in den Lagerstätten vorhanden ist. Die ostalpinen, meist in Hanglage und in Wassernähe errichteten Verhüttungsplätze weisen eine charakteristische Bauweise auf: Auf zwei Arbeitspodien wurden zumindest ein Röstbett und zwei nebeneinander in den Hang gebaute Schachtöfen, eine sogenannte Doppelofenanlage, errichtet (Abb. 07_02). In dem rechteckigen, mit Steinen umstellten, teilweise auch mit flachen Steinen gepflasterten und mit Lehm ausgekleideten Röstbett wurde das Erz mit frischem Holz bei relativ niedrigen Temperaturen (600–900 °C) erhitzt, um seinen Schwefelgehalt zu verringern. Im nächsten Arbeitsschritt schichtete man das Röstgut in
Abb. 07_02. Charakteristische Doppelofenanlage und Röstbett, Kupferschmelzplatz S1, Eisenerzer Ramsau, Steiermark (mittlere bis späte Bronzezeit) (Foto: S. Klemm).
abwechselnden Lagen von Holz oder Holzkohle in den aus Steinen aufgebauten, ca. 1 m hohen Schachtofen. Eine Temperatur
dicken, plattigen Schlacke bestehen können, und dünne Platten-
von 1.100–max. 1.300 °C wurde mithilfe eines Gebläses, dessen
schlacken.6 Da die Schlackenkuchen noch einen hohen Kupfer-
Düsen durch die Vordermauer oder Ofenbrust gesteckt wurden,
gehalt aufweisen können, wurden sie mancherorts besonders
erreicht. In Düsennähe reagiert das Eisen aus dem Erz mit dem
stark zerkleinert und die kupferhaltigen Teile auch mithilfe von
Quarz aus dem Ganggestein und bildet eine eisen- und silikatrei-
Nassaufbereitung ausgesondert. Auf den Halden findet sich
che Schlacke in Form annähernd runder Schlackenkuchen. Der
dann kleinkörniger, scharfkantiger Schlackensand.7 Das Abfall-
Kupferstein (Cu2S) sammelt sich aufgrund seiner hohen Dichte
produkt, die Kupferschlacken, warf man auf Halde (Abb. 07_04).
unterhalb der Schlacke auf der Ofensohle (Abb. 07_03).
Nach dem Abkühlen des Ofens brach man diesen an der sepa-
6
Zur Typologie und Analysen von prähistorischen Kupferschlacken vgl. auch Kraus/Klemm/Pernicka 2015, Kraus/Schröder/Klemm et al. 2015 sowie Doonan/Klemm/Ottaway et al. 1996. Eine umfassende Studie zu den Verhüttungsschlacken vom Kupferschmelzplatz S1 in der Eisenerzer Ramsau, Steiermark, von S. Kraus und E. Pernicka, wird in der Monografie zum bronzezeitlichen Kupferschmelzplatz S1, herausgegeben von S. Klemm, erscheinen.
7
Schlackensand kommt auf spätbronzezeitlichen Verhüttungsplätzen im Trentino, Italien, häufig vor (Silvestri/Hauptmann/Bellintani et al. 2015). Vgl. auch Fundstellen in Nordtirol (Goldenberg 2015), derzeit noch selten in den Eisenerzer Alpen, vgl. Klemm 2003, 80 (FP 67404.034).
rat aufgemauerten Vorderwand – der sog. Ofenbrust – auf, entnahm die erstarrten Verhüttungsprodukte und zerkleinerte sie mechanisch, um kupferreiche Anteile auszusondern. Man unterscheidet Schlackenkuchen, die aus einer groben, blasigen Schlacke bzw. verbunden mit einer bis zu einigen Zentimetern 5
174
Z. B. Presslinger/Eibner C. 1993, Goldenberg 2015, Klemm 2015a und Klemm 2015b.
7.1 Prähistorische Kupfergewinnung
Abb. 07_03. Vereinfachte Darstellung des bronzezeitlichen Verhüttungsvorgangs (Grafik: E. Hanning).
Nach wie vor ist unklar, wie oft die ersten Prozessschritte des Verhüttungsprozesses – das Rösten und das Schmelzen – wiederholt wurden. Alleine die regelhafte Anordnung zweier Schachtöfen unterhalb eines Röstbetts spricht für mehrmalige Röst- und Schmelzvorgänge. Der im Schmelzofen produzierte Kupferstein wird in einem offenen Herd, z. B. in Form einer Grube, geschmolzen. Das Kupfer sinkt zu Boden und darüber verbleibt eine Schicht aus Kupferstein, der sogenannte Dünnstein. Der Rückstand dieses Prozessschritts, der sog. Raffination, ist vor allem die bereits erwähnte dünne Plattenschlacke. Schwarzkupfer bzw. metallisches Kupfer werden äußerst selten auf Verhüttungsplätzen gefunden. Analysen der im alpinen Vorland, in oft größerer Entfernung von den Verhüttungszentren entdeckten plankonvexen Gusskuchen zeigen, dass diese durch das Zusammenschmelzen oder Legieren
Abb. 07_04. Schlackenhalde, Halde 2, Kupferschmelzplatz S1, Eisenerzer Ramsau, Steiermark (Foto: S. Klemm).
mehrerer Stücke chemisch verändert sind. Ob diese Gusskuchen auf den Verhüttungsplätzen oder ausschließlich in Siedlungen
immer wieder angetroffen werden, ist anzunehmen, dass diese
hergestellt wurden, muss offen bleiben. Das Abfallprodukt der
abschließenden Prozessschritte sowie die Weiterverarbeitung
Raffination, dünne Plattenschlacke von ca. 2–5 mm Dicke und
zu Bronze vorzugsweise in Siedlungen stattfanden.8
mit aufgebogenem Rand, ist jedoch auf den meisten Verhüttungsplätzen im ostalpinen Raum verschwindend gering. Da dünne Plattenschlacken aber in Siedlungen in den Bergbauregionen
8
Z. B. Eibner 1982; Hanning/Herdits/Silvestri 2015 mit umfassender Literatur; Klemm 2015a und 2015b; Kraus/Klemm/Pernicka 2015 und Kraus/Schröder/Klemm et al. 2015.
175
7. Bergbau und Rohstoffe
7.1.2 Prospektion und naturwissenschaftliche Methoden Kupferverhüttungsplätze, so auch in Niederösterreich, hat man meist aufgrund der mehr oder minder ausgedehnten Schlackenhalden entdeckt. Schlackenhalden fallen im Gelände nicht nur durch die Anhäufung der Schlacken, sondern oft durch fehlenden oder aber charakteristischen Bewuchs wie Moose, den Gewöhnlichen Stern-Steinbrech, den Kleinen Sauerampfer oder die Weiße Klatschblume auf (Abb. 07_05).9 Da sich diese montanarchäologischen Fundstellen meist in Wassernähe befinden, ist die Suche nach Schlacken in Bächen oder kleineren Wasseraustritten oft erfolgreich. Weitere Charakteristika sind die Hanglage und die Errichtung einer künstlichen Plattform mit zwei Arbeitspodien. Mittels geophysikalischer Prospektionsmethoden, Geomagnetik und Geoelektrik, die insbesondere Georg Walach seit der Mitte der 1970er-Jahre in den Eisenerzer Alpen und im Paltental in der Steiermark erfolgreich anwandte, lässt sich das Ausmaß dieser Fundstellen erfassen. Bei idealen Erhaltungsbedingungen werden mithilfe der geomagnetischen Prospektionsmethode das durch Hitzeeinwirkung magnetisierte Baumaterial, Lehm und Steine, von Röstbetten und Schachtöfen und Schlackenanreicherungen geortet.10 Die letzte Magnetisierung von gebranntem Lehm und erhitzten Stei-
Abb. 07_05. Schlackenhalde mit Bewuchsmerkmalen (Moose), Eisenerzer Ramsau, Steiermark (Foto: S. Klemm).
nen nutzt man auch für die Anwendung der archäomagnetischen Datierungsmethode.11
die verwendeten Holzarten während des Röstens und Schmel-
Da gut datierbare archäologische Funde wie aussagekräftige
zens zu machen. Ergebnisse vom Kupferschmelzplatz S1 in der
Siedlungskeramik und Metallobjekte äußerst selten sind, setzt
Eisenerzer Ramsau lassen den Schluss zu, dass das Holz aus der
man naturwissenschaftliche Methoden zur Altersbestimmung
nächsten Umgebung des Verhüttungsplatzes stammte.13
ein – vor allem Archäomagnetik, die Radiokarbonmethode (14C-Datierung) und die Dendrochronologie.12 Die Schlackenhalden bergen in den schlackenreichen Schichten Baumaterial von Schmelzöfen wie gebrannten oder auch verschlackten Lehm von der Innenauskleidung der Schmelzöfen, verschlackte Ofensteine von Reparaturphasen der Öfen bzw. der
7.1.3 Urgeschichtliche Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich
am Ende des Schmelzprozesses abgerissenen Ofenbrust, Asche
Auf Basis der Forschungen und Fundmeldungen von Franz Hampl,
und Holzkohlestücke. Die botanische – anthrakologische – Be-
Robert J. Mayrhofer, Helga Kerchler, Michael Puhr, Brigitte Cech,
stimmung der Holzkohlestücke erlaubt es uns, Aussagen über
Peter Trebsche, Michael Hackenberg, Wolfgang Haider-Berky und
9
schen Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich. Das
Z. B. in den Eisenerzer Alpen: Moose u. a. in der Eisenerzer Ramsau, vgl. Emmerer/Steinlechner/Trinkaus et al. 2003; die Weiße Klatschblu me in Johnsbach, vgl. Klemm 2003, 80 (FP 67404.034).
10 Z. B. Fundplatz Versunkene Kirche, St. Lorenzen bei Trieben, Steiermark: umfassende Literatur in Klemm 2003, 90; Presslinger/ Eibner 1993.
anderen ergibt sich heute ein umfassendes Bild der prähistorierlaubt es uns, die zahlreichen Entdeckungen und Grabungsbefunde mit den Forschungsergebnissen der vergangenen Jahrzehnte aus anderen Regionen der Ost- und Südalpen bzw. der
11 Aidona/Scholger/Mauritsch et al. 2006; Schnepp/Lanos 2006.
Zentralalpen zu vergleichen und zu bewerten.14
12 Klemm 2015a und 2015b; Auf dem Kupferschmelzplatz S1 konnten die wenigen Holzkohlestücke mit ausreichender Zahl an Jahresringen leider nicht datiert werden. Zur ersten Serie von Radiokarbondaten in Niederösterreich siehe Trebsche 2015b.
13 Nelle/Klemm 2010.
176
14 Vgl. Stöllner/Oeggl 2015.
7.1 Prähistorische Kupfergewinnung
Abb. 07_06. Verbreitungskarte der Kupfervorkommen und der prähistorischen Kupferbergbaureviere in Niederösterreich: 1. Prein-Breitenstein – 2. GroßauKleinau – 3. Kaiserbrunn-Höllental – 4. Payerbach-Grillenberg – 5. PrigglitzGasteil – 6. Sieding – 7. Gadenweith – 8. Schrattenbach-Stixenstein – 9. Flatz – 10. Hafning-Kulm (Grafik: S. Klemm/J. Klammer © Susanne Klemm; Kartengrundlage: DGM Österreich: geoland.at; Gewässerlinien: Geofabrik GmbH/OpenStreetMap contributors).
Die Landschaft Im äußersten Südosten Niederösterreichs – in dem Gebiet, das von Rax, Schneeberg, Hoher Wand, Semmering und Wechsel sowie der Buckligen Welt geografisch umschrieben wird – befinden sich jene Kupfervorkommen, die nachweislich in prähistorischer Zeit und seit der frühen Neuzeit vom Menschen genutzt wurden. Dieses Mittelgebirge mit Höhen von rund 450–1.100 m bzw.
Die Kupfererzvorkommen und deren geologische Voraussetzun-
ca. 1.300 m über Adria wird von Nordwesten bis Südwesten von
gen, die Verbreitung der bis dato bekannten montanarchäologi-
dessen höchsten Bergen, Rax (Heukuppe 2.007 müA), Schnee-
schen Fundstellen und die Landschaftsform des Mittelgebirges
berg (Klosterwappen 2.076 müA), Sonnwendstein (1.523 müA)
waren Anlass, die Fundstellen in einzelne kleine Bergbaureviere
und Hochwechsel (1.743 müA) begrenzt. Die wichtigsten Über-
zusammenzufassen. Ein Zusammenschluss in Großreviere, wie
gänge nach Westen in das steirische Gebiet sind das Preiner
zum Beispiel der Kleinreviere 1–3, bleibt zukünftigen Forschun-
Gscheid (1.070 müA), der Semmering-Pass (984 müA) und der
gen vorbehalten (Abb. 07_06).
Feistritzsattel (1.290 müA) (Abb. 07_07). 177
7. Bergbau und Rohstoffe
Mesozoikum.15 Unsere Kenntnis über die Kupfererzlagerstätten verdanken wir vielfach neuzeitlichen Bergbauaktivitäten, insbesondere dem intensiven Abbau von Eisenerzen. Es ist anzunehmen, dass diese den älteren Bergbau zerstörten oder auch nur überprägten. Die Kupfererzvorkommen – Kupfersulfide, in erster Linie Kupferkies, aber auch Fahlerz, selten gediegen Kupfer – sind im nördlichen Teil des Arbeitsgebiets, der Grauwackenzone und der Kalkalpenbasis, an die Spateisensteinvererzungen (Sideritvererzungen) gebunden. Arsen- und Antimongehalte sind charakteristisch für die Kupferkiesvorkommen der östlichen Grauwackenzone.16 Bei den Kupfervorkommen handelt es sich um Gangvererzungen mit Quarz als Gangart. In dieser Zone befinden sich beinahe alle prähistorischen Bergbaureviere (siehe Abb. 07_6, Revier Nr. 1–9). Abb. 07_07. Rax und Schneeberg, Blick vom Pinkenkogel/Semmering bzw. Südosten: Im Bild Mitte rechts der Eichberg-Kreuzberg-Zug, am Fuß der Rax liegt das Revier Nr. 3 Großau-Kleinau, südlich davon das Revier Nr. 1 Prein-Breitenstein. Nordöstlich im Höllental befindet sich das Revier Nr. 3 Kaiser brunn-Höllental (Foto: S. Klemm).
Eine mineralogisch außergewöhnliche Kupfervererzung im Bereich des Orthoriebeckitgneises steht im Gebiet zwischen Schwarza und dem Heidbach bzw. Auebach nordwestlich des Schlosses von Gloggnitz, im Gebiet des Eichberg-KreuzbergZugs, an (siehe Abb. 07_6).17 Im westlichen Teil der Buckligen Welt südlich von Neunkirchen
Im Südosten schließt das Hügelland der Buckligen Welt an. Süd-
befinden sich im Bereich des Kulms bei Hafning Kupferkiesvor-
lich des Gebirgszugs der Hohen Wand (Große Kanzel 1.052 müA)
kommen im Hüllschiefer der Grobgneisserie des Zentralalpins
befinden sich das Becken der Neuen Welt und die ihm vorge-
(siehe Abb. 07_6, Revier Nr. 10). Anzumerken ist, dass Kupfer-
lagerten Fischauer Vorberge. Diese bilden den Nordwestrand
kies auch am Schlossberg von Pitten, wo der größte Bergbau –
des südlichsten Teils des Wiener Beckens, während die Ausläu-
ein historischer Eisenbergbau – nachgewiesen ist, anstand.18
fer des Mittelgebirges mit Höhen zwischen 600 und 800 m den
Aus dem südlichen Teil, dem Semmering-/Wechselgebiet,
Westrand des südlichen Wiener Beckens begrenzen.
gleichfalls im Zentralalpin gelegen, gibt es bisher keinen Nach-
Das nördliche Gebiet, das Rax-/Schneeberg- und Semmering-
weis einer prähistorischen Kupfergewinnung, auch wenn diese
gebiet, reicht im Süden bis zum Heidbach bzw. Auebach. Es wird
aufgrund der Kupfervorkommen und vereinzelter prähistorischer
von der Schwarza – die vom Preiner Bach, dem Sierningbach,
Funde nicht auszuschließen ist. Am Westrand des südlichen Ge-
dem Heidbach bzw. Auebach und anderen Zuflüssen gespeist
biets ist nur die Kupfererzlagerstätte von Trattenbach (Thaler-
wird – entwässert. Der südliche Teil, das Wechselgebiet und der
graben und Kiengraben) mit dem Bergbau aus dem 16.–20. Jh.
westliche Teil der Buckligen Welt, wird von der Feistritz und ihren
von historischer Bedeutung. Zudem sind Schurfe aus der Mitte
Zuflüssen bzw. der Pitten und ihren Nebenbächen entwässert.
des 16. Jh.s von Ottenbach und dem Fröschnitzeck sowie historische Nachrichten von einem Kupferbergbau am Sonnwendstein
Die Kupfervorkommen
aus dem 16. bis Anfang des 17. Jh.s bekannt. Im 20. Jh. wurden
Im Gegensatz zu anderen Regionen der Ostalpen handelt es
am Kleinkogel-Göstritzgraben Kupferkies u. a. abgebaut.19
sich im südöstlichen Niederösterreich meist um kleinere Kupfervorkommen. Sie sind verschiedenen geologischen Einheiten zuzuordnen und befinden sich in unterschiedlichen geologisch-stratigrafischen Positionen. Die Kupfererzlagerstätten im nördlichen Gebiet, dem Rax-, Schneeberg- und Semmeringgebiet, gehören der Grauwackenzone des ostalpinen Paläozoikums sowie der Kalkalpenbasis der Nördlichen Kalkalpen des ostalpinen Mesozoikums an. Jene im südlichen Gebiet, dem Semmering-/Wechselgebiet und dem westlichen Teil der Buckligen Welt, liegen im zentralalpinen Kristallin und dem Permo178
15 Heinrich 2006, 283–288, Tab. 18. Die Kartierung der gesicherten und ungesicherten Kupfererzvorkommen auf Abb. 07_06 basiert auf Hackenberg 2003. 16 Hampl/Mayrhofer 1958, insbes. 46–51; Mayrhofer 1953. 17 Hackenberg 2003, 53–54, Nr. 69. 18 Hackenberg 2003, 58–60, Nr. 77; Geologischer Bergbau- und Haldenkataster der GBA Wien, ÖK 50/106. 19 Bergbau- und Haldenkataster der GBA in Wien, Blatt 105/2017.
7.1 Prähistorische Kupfergewinnung
7.1.4 Archäologische Forschungen und Ergebnisse – die Bergbaureviere Mittlerweile sind rund 50 Fundstellen in der Region bekannt, die in klarem Zusammenhang mit dem Bergbau und der Erzverhüttung stehen. Gasteil-Sandriegel (Prigglitz I/Cu) im Revier Prigglitz-Gasteil ist die einzige Fundstelle mit Nachweisen zur gesamten Produktionskette – Bergbau, Erzaufbereitung, Verhüttung und Weiterverarbeitung bis zur Produktion von Bronzegegenständen (Revier Nr. 5) (siehe Pkte. 7.2.2 und 7.2.3). Unsere Kenntnisse über die Kupfergewinnung in Niederösterreich beziehen wir jedoch vor allem von Schlackenfundplätzen bzw. Schlackenhalden oder Schmelzplätzen, deren Ausgrabungen entsprechende Befunde ergaben.
Exkurs: Montanarchäologische Forschungen in Niederösterreich Erste Hinweise auf eine prähistorische Kupfergewinnung in Niederösterreich sind dem Offizier Franz Mühlhofer zu verdanken, der in den Jahren 1935 bis 1937 auf der Höhensiedlung Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg Grabungen durchführte. Neben zahlreichen anderen Funden wurden auch Gusskuchen, diverse Kupferschlacken, darunter dünne Plattenschlacken, sowie Unterlagsplatten, Klopfsteine und ein Rillenschlegel geborgen.20 Mühlhofers Suche nach prähistorischen Bergbauen im Gebiet der Hohen Wand blieb allerdings
Abb. 07_08. Die Schlackenhalde Prein VII/Cu, 1953 (Foto: F. Hampl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
erfolglos. Bis heute gibt es keinen gesicherten Nachweis prähistorischer Kupfergewinnung am Südfuß der Hohen Wand; öst-
Zusammenarbeit bezog auch weitere Wissenschaftsrichtungen
lich von Grünbach am Schneeberg und in Willendorf (Rothen-
mit ein: die geophysikalische Prospektion von Lagerstätten,
grub-Zweierwald) sind allerdings Kupfervorkommen bekannt
archäobotanische und archäozoologische Untersuchungen so-
(siehe Abb. 07_06).21
wie Spektralanalysen von Erz- und Kupfersteinproben.23
Im Jahr 1951 begann eine intensive montanarchäologische For-
Anlass zu den Begehungen und Grabungen war eine Fundmel-
schungstätigkeit mit den Untersuchungen von F. Hampl, Leiter
dung im Sommer 1951 von Johann Danzer, Volksschullehrer
der Urgeschichtlichen Sammlung des Niederösterreichischen
in Prein a. d. Rax, der 1938 in Prein beim Bau der Straße vom
Landesmuseums in Wien, gemeinsam mit R. J. Mayrhofer, Geo-
Preinerhof in den Eselbachgraben24 gemeinsam mit einem
loge und Konsiliar des Landesmuseums. Prähistorische Kupferschmelzplätze und solche Fundstellen, die man aufgrund der Befunde nur als Kupferschlackenfundplätze oder Kupferschlackenhalden ansprechen kann, sowie mittelalterliche Eisenschmelzplätze wurden aufgenommen und teilweise durch Grabungen untersucht (Abb. 07_08).22 Die interdisziplinäre 20 Mühlhofer 1952, 82. 21 Geologischer Bergbau- und Haldenkataster der GBA Wien, ÖK 75/1003. 22 Vgl. die umfassende Literatur insbes. Hampl 1953, 1963, 1976; Hampl/ Mayrhofer 1958 und Mayrhofer/Hampl 1958. Die Klassifikation und Be nennung der Fundstellenarten folgt jener in Klemm 2003, insbes. 19–20.
23 Prein VII/Cu (Geophysik): Hampl/Mayrhofer 1963, 92, Abb. 10; Hampl/ Fritsch 1959. Andere Disziplinen: Hampl/Mayrhofer 1963, 62, Anm. 12 (Archäobotanik, F. Brandtner); 69–70 (Archäozoologie, E. Thenius); Mayrhofer 1953, 91–95 (Spektralanalysen, E. Schroll). 24 Irrtümlich wurde in manchen Publikationen und Berichten die Schreib weise „Edelbachgraben“ verwendet. Dies beruht auf einem Tippfehler, wie die Einsichtnahme in historische und aktuelle Karten bestätigt. Seit der Dritten Landesaufnahme (= Franzisco-Josephinische Landes aufnahme) 1876/1877 bis zur aktuellen ÖK 1:50.000, NL 33-02-12 Mürzzuschlag, wurde die Bezeichnung Eselbachgraben verwendet, mit der Ausnahme der Ausgaben der ÖK 1:50.000 aus den Jahren 1946 und 1974, die der Ausgabe 1930–1933 folgt, wo die Bezeichnungen Möselbach Graben bzw. Möselbachgraben aufscheinen. Die Korrektur erfolgte 1978 (freundliche Mitteilung T. Knoll, BEV - Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Abteilung Kartographie, Archiv).
179
7. Bergbau und Rohstoffe
urnenfelderzeitlichen Bronzemesser auch einige grün patinierte Schlacken gefunden hatte. Es folgte bis 1953 eine intensive Forschungstätigkeit mit Begehungen und Grabungen in Prein im Umkreis des Eselbachgrabens und eine Untersuchung des von E. Preuschen im Jahr 1948 entdeckten Fundplatzes StixensteinSiebentannen I/Cu. Ab 1954 wurden weitere Begehungen und Dokumentationen von Fundstellen am Südhang der Rax im Gebiet von Kleinau, Großau, Thonberg/Hirschwang und von einem Schlackenfund im Krummbachgraben östlich von Kaiserbrunn im Höllental durchgeführt. In den Jahren 1955 bis 1959 fanden umfassende Forschungen auf der Bergbausiedlung in Prigglitz-Gasteil statt, 1959 kleine Grabungen in Payerbach am Grillenberg. Der von Ernst Katzer 1959 entdeckte Schlackenfundplatz am Nordfuß der Hohen Wand, wo gleichfalls 1959 F. Hampl eine kleine Untersuchung durchführte, dürfte neuzeitlich sein.25
Bergbaureviere Prein-Breitenstein, Kleinau-Großau und Höllental-Kaiserbrunn Fundstellen der Erzverhüttung werden in erster Linie anhand von Schlackenfunden und anderen Verhüttungsresten wie dem Baumaterial der Schmelzöfen entdeckt, wie auch die Fundstellen am Südfuß der Rax, in Prein und im Höllental. Aus dem Revier Prein-Breitenstein südlich des Preiner Bachs sind acht Fundstellen der Kupfererzverhüttung bekannt (Revier Nr. 1), vom Südfuß der Rax aus dem Revier Kleinau-Großau (Revier Nr. 2) sechs weitere Fundstellen. Die Fundstellen befinden sich im Revier Kleinau-Großau mit rund 840–1.030 müA in deutlich höherer Lage als im Revier Prein-Breitenstein mit 680–820 müA und anderen Bergbaurevieren. Die Hanglage und ihre Nähe zu Wasserläufen oder Quellaustritten sind auch in anderen Regionen der
Abb. 07_09. Fragment eines Gebläsetopfs von Prein II/Cu. Zur Befestigung des Blas balgs befinden sich Löcher knapp unterhalb des Rands wie im Bild recht (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Ostalpen charakteristisch für diese Fundstellenart.26 Die Halden enthielten typische Ablagerungen von Schlacke, Die wiederholt vom Straßenbau angeschnittenen Fundstellen
Ofenresten, Holzkohle und Bruchstücken von technischer Kera-
in Prein (Revier Prein-Breitenstein, Revier Nr. 1) zeigten Auf-
mik und Siedlungskeramik sowie zum Teil grün patinierter Tier-
schlüsse der Schlackenhalden, wie sie dann auch durch die Gra-
knochen, teilweise auch in mehreren Schichten.
bungen von F. Hampl auf den Fundstellen Prein I/Cu, Prein II/Cu,
Das Alter aller prähistorischen Fundstellen der Kupfererzverhüt-
Prein V/Cu und Prein VII/Cu nachgewiesen werden konnten.27
tung in der Region wurde lange Zeit anhand der wenigen Metallobjekte und der Siedlungskeramik allgemein Ha A und Ha B
25 Hampl 1953; Hampl/Mayrhofer 1963, 77, Tab. 1: Fundstelle Peisching I/Cu mit dünner Plattenschlacke und neuzeitlicher Keramik: Schlackenhalden mit ausschließlich dünnen Plattenschlacken sind charakteris tisch für neuzeitliche Kupfererzverhüttung. Mayrhofer/Hampl 1958, Tab. 1.
zugeordnet. Dies ließ sich jedoch durch neue Radiokarbon-
26 Z. B. aus den Eisenerzer Alpen, vgl. Klemm 2003.
900 v. Chr., während die Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil
27 Auf den Fundstellen Prein I/Cu, VII/Cu und Prigglitz/Cu wurden in historischer Zeit Holzkohlemeiler errichtet, erkennbar anhand der Holzkohleschichten und der Keramikfunde. Vgl. dazu Befunde aus den Eisenerzer Alpen, insbesondere der Eisenerzer Ramsau in Klemm 2003; Klemm/Nelle/Grabner et al. 2005; Klemm 2011; Klemm 2012; Klemm 2015c.
180
datierungen von Holzkohlen und der typologischen Analyse der wenigen Metallobjekte präzisieren.28 Der Kupferschmelzplatz Prein III/Cu datiert in die jüngere Urnenfelderzeit, in die Zeit um (Prigglitz I/Cu) wahrscheinlich vom Ende des 11. Jh.s v. Chr. bis zum Ende des 10. Jh.s v. Chr. bestand. 28 Trebsche 2015b.
7.1 Prähistorische Kupfergewinnung
Abb. 07_10. Tondüsenfragment vom unteren Teil eines Gebläsetopfs von Prein III/Cu (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Abb. 07_11. Der große Kupferschmelzplatz Prein III/Cu vor Beginn der Grabung 1953 (Foto: F. Hampl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Das Bronzemesser, ein Griffangelmesser, das 1938 nachweislich in der Holzkohleschicht eines frühneuzeitlichen Kohlplatzes29 gefunden wurde, datiert aller Wahrscheinlichkeit nach in die jüngere bis späte Urnenfelderzeit. Eine Untersuchung 1952 erbrachte einige Schlackenstücke einer prähistorischen Kupferverhüttung. Die Bronzenadel von der Fundstelle Prein III/Cu, eine jüngere Rippenkopfnadel, ist ein Typ, der von der jüngeren Urnenfelderzeit bis in die ältere Hallstattzeit geläufig war. Die Siedlungskeramik von Prein II/Cu und III/Cu gehört den späteren Zeitabschnitten der Urnenfelderzeit an. Hingegen kann man die technische Keramik – Fragmente von Gebläsetöpfen und Ton-
Abb. 07_12. Grabung 1953 auf dem Kupferschmelzplatz Prein III/Cu (Foto: F. Hampl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
düsen, von denen immer wieder kleinere, selten größere Bruch-
schreibung nach in Aufbau und Größe beträchtlich von bisher
stücke gefunden wurden – nicht enger zeitlich einordnen. Sie
bekannten Befunden in den Ostalpen; Ofen 2 und Ofen 3 waren
sind funktional und entsprechen zum Beispiel Vergleichsstücken
nur in Resten vorhanden. Die Schmelzöfen der ostalpinen Ver-
von mittel- bis spätbronzezeitlichen Fundstellen aus der Steier-
hüttungsanlagen bestanden aus zwei nebeneinander liegenden,
mark (Abb. 07_09 und 07_10).30
aus Steinen und Lehm aufgebauten Schachtöfen. Diese waren
Erst die 1952 und 1953 durchgeführte Grabung auf dem mehr-
in den Hang gebaut; dadurch waren eine höhere Standfestig-
phasigen Schmelzplatz Prein III/Cu im Fuchsgraben ermöglichte
keit und vor allem eine Wärmeisolierung gewährleistet. Letzte-
die Aufdeckung von Befunden der Schmelzanlagen und zwei
res dürfte demnach auch hier der Fall gewesen sein, allerdings
Schlackenhalden. Auf diesem großen Kupferschmelzplatz wurde
wurde keine Doppelofenanlage beschrieben. Die experimentelle
die Arbeitsbühne künstlich eingeebnet, wie dies auch für ande-
Rekonstruktion31 der Schmelzöfen als frei stehende, aus Steinen
re Fundstellen dieser Art kennzeichnend ist. F. Hampl beschreibt
gemauerte Schachtöfen durch F. Hampl ist wohl als Anlehnung
neun unregelmäßig runde, ovale und trapezförmige Steinsetzun-
an den Typus der mittelalterlichen Rennöfen zu verstehen. Es
gen mit rot gebrannten Lehmflächen, die er aufgrund des Auf-
werden auch kleinere Mulden im anstehenden Lehm beschrie-
tretens von Rösterz als Röstbetten anspricht. Aus anderen Regi-
ben, der allerdings keine Rotfärbung aufwies. Bedauerlicher-
onen der Ostalpen sind ausschließlich rechteckige Röstanlagen
weise ist eine Interpretation dieses komplexen, mehrphasigen
bekannt. Auch die Reste von Ofen 1 unterscheiden sich der Be-
Fundplatzes aufgrund der damaligen Grabungs- und Dokumen-
29 Vgl. Anm. 28. 30 Vgl. Klemm 2004 (allerdings hier noch mit der damals vorläufigen Datierung in die Urnenfelderzeit; nach den neuen Ergebnissen datiert diese Verhüttungsanlage in die mittlere bis späte Bronzezeit, vgl. dazu Klemm 2015a und 2015b); Töchterle/Goldenberg/Schneider et al. 2013.
tationstechnik und des Fehlens genauer Entsprechungen aus anderen Gebieten nicht in gewünschtem Maße möglich. Es bleibt abzuwarten, ob der Erhaltungszustand bzw. die damalige 31 Hampl/Mayrhofer 1963, 90, Abb. Abb. 7 und 8.
181
7. Bergbau und Rohstoffe
Grabungstechnik maßgeblich sind oder aber ein chronologisches Phänomen vorliegt, da diese Anlage ein deutlich jüngeres Alter hat32 als die mittel- bis spätbronzezeitlichen (Bz B–Bz D) typischen ostalpinen Doppelofenanlagen (Abb. 07_11 und 07_12). R. Mayrhofer führte parallel zu den archäologischen Untersuchungen eine genaue geologische Prospektion durch. Vom Westhang des Fuchsgrabens auf 900 müA nennt er einen rezenten Schurfbau auf Brauneisenstein mit Halde, doch ist fraglich, ob man zur Zeit der urgeschichtlichen Kupferproduktion die nötige Tiefe erreicht hätte, um auf Kupfervererzungen zu stoßen. Geoelektrische Messungen quer zu dem von Prein VII/Cu zu Prein III/ Cu führenden Hohlweg ließen einen Tagbau oder einen beginnenden Stollenbau vermuten; dies konnte damals allerdings aus Zeitmangel nicht mehr durch Grabung geprüft werden.33 Westlich der Preiner Fundstellen gibt es im Hollersbachgraben Pingen, die jedoch auf einen frühneuzeitlichen Schurf auf Kupfer zurückgehen könnten. Für R. Mayrhofer war denkbar, dass eine
Abb. 07_13. Fladenartiger Schlackenkuchen, Prein II/Cu (Foto: N. Weigl, NÖ Landes sammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
kleine Menge Kupfererz vom Hollersbachgraben auf den Preiner Schmelzplätzen verhüttet wurde. Aufgrund der makroskopi-
gediegen Kupfer (Hirschwang I/Cu (siehe Abb. 07_14).37 Diese
schen und spektralanalytischen Untersuchungen erschien ihm
waren in ein Schichtpaket aus feinem Quarzgrus unterschiedli-
jedoch eine Verhüttung von Kupfererzen der Lagerstätten am
cher Korngröße eingeschlossen, der als Rückstand einer Nass-
Südfuß der Rax (Revier Nr. 2) im Revier Prein-Breitenstein am
aufbereitung anzusehen ist. Auf der zweiten Fundstelle entdeck-
wahrscheinlichsten.34
te man 1967 beim Bau eines Fischbassins in 1–1,8 m Tiefe einen
Die prähistorischen Fundstellen des Reviers Kleinau-Großau35
Kupferschmelzkuchen.38 In sehr steilem Gelände am Schwarz-
(Revier Nr. 2) am Südfuß der Rax befinden sich in einem neuzeit-
kogel fand im Bereich der Schlackenhalde eine kleine Grabung
lichen Bergbaugebiet, das vom Schwarzkogel, dem Schendleck/
statt; vergeblich suchte man mit kleinen Schnitten auf einer
Schendlegg, Knappenberg, Kleinau, Hirschwang bis nach
plattformartigen Einebnung oberhalb der Halde nach den Röst-
Trautenberg und Thonhof reichte. Es gab neuzeitlichen Kupfer-
betten und Schmelzöfen.39 Über die weiteren prähistorischen
bergbau bzw. den Abbau von Kupfer im Zuge des intensiven
Schlackenfundplätze in diesem Revier gibt es keine näheren
Eisenbergbaus. Der Kupferabbau am Schendlegg war noch im
Informationen.
20. Jh. in Betrieb. Die Lagerstätten gehören der Kalkalpenbasis
Nördlich vom Revier Kleinau-Großau wurden im Höllental (Revier
wie der Grauwackenzone an.
36
Höllental-Kaiserbrunn, Revier Nr. 3), einem engen Tal zwischen
Zwei der sieben Fundstellen führen vor Augen, dass natürliche
Rax und Schneeberg, von dem keine Kupfervorkommen bekannt
Erosion, mächtige Überlagerungen durch Gehängeschutt sowie
sind, mehrere prähistorische, nicht näher datierbare Fundstellen
die mittelalterlichen und neuzeitlichen Bergbauaktivitäten äl-
mit Schlackenvorkommen entdeckt.40 Die Fundstellen des Reviers
tere Spuren verdeckt oder wohl auch zerstört haben. Dies wird
Höllental-Kaiserbrunn befinden sich im Talboden auf ca. 510–
nicht nur Verhüttungsplätze, sondern auch Bergbaue betroffen
530 müA, nur jene im Krummbachgraben östlich der Schwarza
haben. Unter einem völlig zerstörten mittelalterlichen Eisen-
liegt etwas höher auf ca. 560 müA. Einige der Fundstellen nahe
schmelzplatz fand man in 1,62 m Tiefe prähistorische Keramik-
der Schwarza waren bereits mehr oder minder stark durch den
bruchstücke, zwei Tierzähne, drei dünne Plattenschlacken, ei-
Straßenbau zerstört worden. 1959 dokumentierte F. Hampl die
nen Kupfertropfen und ein Gangtrum mit eingeschlossenem
Fundstelle im Krummbachgraben, 1974 dann H. Kerchler von der Universität Wien zwei weitere dieser Schlackenfundstellen; letz-
32 Zur Datierung siehe Trebsche 2015b, 44–47.
tere hatte Edith Bednarik aus Wiener Neustadt gemeldet. Eine
33 Hampl/Mayrhofer 1963, 55–56.
kleine Grabung am Ortsende von Kaiserbrunn deckte allerdings
34 Mayrhofer 1953; Zum Fuchsgrabenstollen siehe auch Hampl/ Mayrhofer 1963, 54.
37 Hampl/Mayrhofer 1963, 76.
35 Die Bezeichnung folgt den Kurzbenennungen von Hampl/Mayrhofer 1958, Tab. 1.
38 Hampl 1966–70, 74. 39 Hampl/Mayrhofer 1963, 53–54.
36 Hackenberg 2003, 32–37, Nr. 19–23; Heinrich 2006, 287, Tab. 18.
40 Vgl. die Angaben von Kerchler 1976, 96 und Cech/Walach 1994.
182
7.1 Prähistorische Kupfergewinnung
lediglich mehrere kleine Schlackenhaufen auf.41 Die geophysikalischen Vermessungen von zwei neu entdeckten Fundstellen durch B. Cech und G. Walach zeigten deutliche Anomalien, deren Interpretation allerdings aufgrund der Fundsituation ohne Grabung schwierig bleibt.42
Abb. 07_14. (a–c): Schlackenkuchenfragment, Prein VII/Cu – (a) Oberfläche – (b) LOM – (c) REM. (d–f): Plattenschlacke mit Rand, Hirschwang I/Cu – (d) Oberfläche – (e) LOM – (f ) REM. (g–i): Kupfertropfen, Hirschwang I/Cu – (g) Oberfläche – (h) LOM – (i) LOM polarisiertes Licht (Fotos: R. Haubner/S. Strobl, Technische Universität Wien).
Optisch zeigen die Fragmente eines Schlackenkuchens von
Exkurs: Schlacken – Abfall der Kupfererzverhüttung
Prein VII/Cu, einer Plattenschlacke und eines Kupfertropfens
Grobe, blasige Kupferschlacken, von F. Hampl und R. Mayrhofer
das Schlackenkuchenfragment von Prein VII/Cu einem frühen
aus Hirschwang I/Cu bereits deutliche Unterschiede. Während
meist als klotzförmige oder Rohschlacke bezeichnet, ebenso
Prozessschritt der Kupfergewinnung entstammt, ist die homo-
wie fladenförmige, 2–3 cm dicke, grobe Schlacken enthalten
gen erstarrte Plattenschlacke von Hirschwang I/Cu – wie bereits
meist gut sichtbare Quarzstücke. Nur einige Millimeter dicke,
beschrieben – eher einer späteren Verarbeitungsstufe zuzuord-
sogenannte dünne Plattenschlacken sind im Vergleich zu den
nen. Kupfertropfen wie jener von Hirschwang I/Cu sind als End-
plattigen Schlacken, die mehrere Zentimeter dick sein können,
produkt der Kupfergewinnung anzusehen (Abb. 07_14).43
sehr homogen. In ähnlicher Form sind diese Schlackentypen
Das Schlackenkuchenfragment ist durch Kupferkorrosionspro-
in allen Kupfergewinnungszentren der Ost- und Südalpen zu
dukte grün gefärbt und vom Aufbau her sehr inhomogen (Abb.
finden; die Form der fladenförmigen Schlacken ist für das
07_14, a–c). Im Lichtmikroskop (LOM) ist eine vorwiegend aus
niederösterreichische
Glasphase bestehende Schlacke mit kleinen Kupfereinschlüs-
Kupferbergbaugebiet
kennzeichnend
(Abb. 07_13). Feinkörniger Schlackensand wird lediglich vom
sen zu erkennen. Die Aufnahme im Rasterelektronenmikroskop
Schlackenfundplatz im Klausgraben im Revier Prigglitz-Gasteil
(REM) zeigt Bereiche mit unterschiedlichen Anteilen an Magnetit
erwähnt.
(Fe3O4), die sich bei der Entnahme aus dem Ofen gebildet haben könnten.
41 Kerchler 1976, 96. 42 Cech/Walach 1995; vgl. Pap 1987.
43 Haubner/Strobl/Klemm et al. 2015; Haubner/Strobl/Klemm 2017.
183
7. Bergbau und Rohstoffe
Die dünne Plattenschlacke (Abb. 07_14, d–f) ist eine fayaliti-
Tüllenbeil (siehe Abb. 07_25/3) und ein kupferzeitliches Kupfer-
sche Schlacke, die homogen erstarrt ist. In einem gleichmäßigen
beil entdeckt.48
Grundgefüge aus groben Fayalitbalken und umgebender Glasphase mit eingelagertem, feinnadeligem Fayalit (Fe22+[SiO4]) wur-
Reviere Sieding und Gadenweith
den auch Einschlüsse aus Kupfer (Cu) und Kupfer-Eisen-Schwefel
In den 1970er-Jahren wurden sechs Schlackenfundplätze im Re-
(Cu-Fe-S) mit unterschiedlicher Zusammensetzung beobachtet.
vier Sieding (Revier Nr. 6) nachgewiesen, allerdings nicht näher
Der untersuchte Kupfertropfen (Abb. 07_14, g–i) ist oberfläch-
archäologisch untersucht.49 F. Hampl waren bereits einige Berg-
lich korrodiert. Ein Anschliff zeigt, dass im Kupfer noch fein-
bauspuren (Pingen) bekannt, deren Zeitstellung aber bis heute
körniges Kupfersulfid (Cu2S) vorliegt; daher kann man es als
nicht geklärt ist.50 Es gibt Erzvorkommen auf dem Florianikogel
Schwarzkupfer bezeichnen. Im polarisierten Licht sind die Kor-
(Bürg/Vöstenhof) und einen Eisenerzbergbau aus dem Anfang
rosionsprodukte Kupfer(I)-oxid (Cu2O, dunkelrot) und Malachit
des 20. Jh.s im Ambachgraben, vormals Saubachgraben ge-
(Cu2[(OH)2|CO3], türkis) gut zu erkennen.
nannt.51 1973 nahm H. Kerchler drei weitere Fundstellen im Weiler Gadenweith (Revier Nr. 7) auf, die durch Wegebau angeschnitten worden waren. Die Fundstelle Gadenweith I/Cu prä-
Revier Payerbach-Grillenberg
sentierte sich in typischer Hanglage mit einer ebenen Fläche, die
Auf dem Grillenberg wurde gleichfalls Kupfer im Rahmen des in-
in historischer Zeit als Kohlstätte genutzt wurde.52 Die Fundstel-
tensiven Eisenabbaus gewonnen.44 Eine einzige prähistorische
len beider Reviere können mangels aussagekräftiger Funde nur
Fundstelle – eine kleine, 0,20–0,25 m mächtige Schlackenhal-
als prähistorisch eingestuft werden. Im Raum Sieding liegen die
de – wurde im Revier Payerbach-Grillenberg (Revier Nr. 4) 1959
Schlackenfundplätze auf ca. 440–650 müA, während jene des
durch Grabung untersucht. Sie enthielt die typischen Kupfer-
Reviers Gadenweith zwischen 650–770 müA gefunden wurden.
schlacken, allerdings kaum Plattenschlacken. Die Suche nach
Reviere Schrattenbach-Stixenstein und Flatz
Röstbetten und Schmelzöfen blieb erfolglos.45
Den bereits 1948 von E. Preuschen entdeckten Schlackenfund-
Revier Prigglitz-Gasteil
platz Stixenstein-Siebentannen I/Cu im Revier Schrattenbach-
Das von F. Hampl erstmals 1955 untersuchte Kupfergewinnungs-
Stixenstein (Revier Nr. 8) untersuchte F. Hampl 1953.53 Die
zentrum von Prigglitz-Gasteil (Revier Nr. 5) nordöstlich von
Fundmeldungen weiterer Schlackenfundplätze im Gebiet von
Payerbach geriet durch neue Aufschlüsse seit 1999 wieder ins
Schrattenbach und Flatz Mitte der 1980er-Jahre bzw. 1999 ver-
Blickfeld der archäologischen Forschung. Die Ausgrabungen von
danken wir dem Neunkircher Optiker W. Haider-Berky (Reviere
P. Trebsche auf der Fundstelle Prigglitz-Gasteil (Prigglitz I/Cu)
Nr. 8 und 9).54 Auch sie befinden sich in einer mittleren Höhen-
in den Jahren 2010 bis 2014 bestätigten und erweiterten die
lage von etwa 600–760 müA und können zurzeit nur als prähis-
bisherigen Kenntnisse über die urnenfelderzeitliche Bergbau-
torisch eingestuft werden.
tätigkeit, die Bergbausiedlung und die dortigen metallurgischen und anderen handwerklichen Tätigkeiten (siehe Pkte. 7.2.2 und 7.2.3).
Revier Hafning-Kulm Im Raum Hafning, südlich von Neunkirchen, hatte M. Puhr in den
46
Die Lagerstätte mit Kupfer- und Eisenerzvorkommen nördlich
Jahren 1969 bis 1971 sechs Fundstellen entdeckt, von denen er
von Prigglitz, auf der Flur Sandriegel in Gasteil, wurde in prähis-
drei gemeinsam mit F. Hampl zum Teil ausgrub (Revier Nr. 10).55
torischer Zeit erstmals genutzt und durch mittelalter- und neu-
Einige der Fundmeldungen gingen auf Informationen von Grund-
zeitlichen Bergbau überprägt (Revier Nr. 5).
47
Im Klausgraben
nördlich von Gasteil-Sandriegel wurden nicht nur ein prähistorischer Schlackenfundplatz, die einzige Fundstelle dieser Art mit feinem Schlackensand, sondern auch ein spätbronzezeitliches 44 Hackenberg 2003, 25–29, Nr. 9. 45 Hampl/Mayrhofer 1963, 75–76. 46 Hampl/Mayrhofer 1963, 56–74; Pap 1987, 313, Tab. 1; Kühtreiber/ Trebsche 1999, 778–779; Kühtreiber/Trebsche 2001, 599–600; Trebsche/Pucher 2013; vgl. weitere Literatur im Beitrag Trebsche in diesem Band. 47 Hackenberg 2003, 30 Nr. 14; vgl. dazu auch Hackenberg 2003, 24, Nr. 3.
184
48 Hackenberg 2003, 13, Abb. Abb. 13; Hampl/Mayrhofer 1963, 74–75; Lang 2000; Hottwagner 2000. 49 Kerchler 1976, 95; Haider-Berky 1977, 352; Haider-Berky 2013, 113: Die Schlackenfundplätze mit der Bezeichnung Thann 1–3 entsprechen wohl den Fundstellen Sieding I/Cu–III/Cu von F. Hampl bzw. H. Kerchler (Hampl 1976, Tab. 1; Kerchler 1976, 95). 50 Hampl/Mayrhofer 1963, 54–56, 81–82. 51 Hackenberg 2003, 23–24, Nr. 2 und 4; Geologischer Bergbau- und Haldenkataster der GBA Wien, ÖK 50/105. 52 Kerchler 1976, 92–93. 53 Hampl 1953; Hampl/Mayrhofer 1963 77–78. 54 Haider 1977, 352; Haider-Berky 2013, 102, 113. 55 Hampl 1976, Tab. 1; Puhr 1972.
7.1 Prähistorische Kupfergewinnung
Abb. 07_15. Sogenannte Doppelschmelzgrube von Hafning I/Cu (nach Puhr 1972, Abb. 12).
Abb. 07_16. Bergbauspuren am Südabfall des Kohlbergs, östlich von Pottschach, digitales Höhenmodell (Grafik: S. Klemm/J. Klammer © Susanne Klemm; Kartengrundlage: Land NÖ).
besitzern zurück. Die Kupferkiesvorkommen dieses prähistori-
1973 folgten Untersuchungen von H. Kerchler.58 Sie stellte fest,
schen Kupferbergbaureviers liegen im Zentralalpin.
dass es sich bei den Fundstellen Hafning III/Cu und IV/Cu um
Hervorzuheben sind die bisher einzigartigen Befunde von den
einen einzigen, großen, mehrphasigen Schmelzplatz handelt.
Fundstellen Hafning I/Cu, Hafning II/Cu und Kulm I/Cu. Es wur-
Sie beschreibt eine Arbeitsbühne direkt am Steilabfall zum Bach
den kleine Gruben mit einem Durchmesser von 0,15–0,17 m,
mit einer grubenartigen Eintiefung von 0,27 × 0,30 m und einer
bzw. 0,29–max. 0,35 m und mit seitlichen Kanälen aufge-
Tiefe von 0,13 m, die an der Grubensohle durch Hitzeeinwirkung
deckt. Auf der späturnenfelderzeitlichen Fundstelle56 Hafning I/
rot verfärbt war; ihre Funktion ist ungeklärt. Die Schlackenhalde
Cu lagen zwei gleich tiefe Gruben nebeneinander, während in
bzw. größere Teile davon dürften aufgrund der steilen Hanglage
Hafning II/Cu eine Grube deutlich tiefer als die andere war. Auf
abgerutscht sein. Eine charakteristische Schlackenhalde mit
der Fundstelle Kulm I/Cu gab es nur eine tiefe Grube; ein ehema-
11 m Länge und 4,5 m Breite sowie Ablagerungen von 0,20–0,30 m
liger Aufbau aus Steinen war bei keiner der Gruben erkennbar
Mächtigkeit wurde auf dem gleichfalls mehrphasigen Schmelz-
(Abb. 07_15).
platz Weibnitz II/Cu festgestellt; typisch war hier das Fehlen von
Strukturen, die man als Röstbetten ansprechen kann, fehlen.
Vegetation im Areal der Halde.
Ob die gefundenen, verschlackten Ofenwandteile als Hinweise ben. Fragmente von Tondüsen fehlen gleichfalls. Den Fund von
Gab es weitere prähistorische Bergbaureviere im südöstlichen Niederösterreich?
fladenförmigen Schlacken und Plattenschlacken hat man bei der
Nördlich von Gloggnitz bzw. östlich und südlich des Reviers
auf Schachtöfen angesehen werden können, muss offen blei-
Beschreibung der Fundstelle Hafning I/Cu hervorgehoben. Es
Prigglitz-Gasteil (Revier Nr. 5) weisen Pingen unbekannter Zeit-
gibt keinen vergleichbaren Befund auf anderen Fundstellen prä-
stellung auf dem Kohlberg bei Pottschach, auf dem Silbersberg
historischer Kupfererzverhüttung in den Ostalpen. Denkbar ist,
nördlich von Gloggnitz und am Weißjacklberg gleichfalls auf
dass es sich bei diesen offenen Gruben um Nachweise des letz-
ehemalige – möglicherweise prähistorische – Bergbauaktivitäten
ten Schritts der Kupfergewinnung (Raffination) handeln könnte
hin; es gibt Kupferkies- und auch Fahlerzvorkommen.59 Diese
(siehe Abb. 07_03).57
Erze wurden im Stuppachgraben am Nordosthang des Silbersbergs vom 17.–20. Jh. geschürft.60 Archäologische Hinweise auf eine prähistorische Kupfergewinnung sind jedoch noch ausständig (Abb. 07_16).
56 Das Kegelhalsfragment auf Abb. 8 in Puhr 1972, 197 datiert aufgrund der geringen Größe des Kegelhalsgefäßes, der Gefäßform und der Ver zierung in die Spätphase der Urnenfelderzeit (Ha B3) vgl. Klemm 1992.
58 Kerchler 1976.
57 Puhr 1972.
60 Hackenberg 2003, 30–32, Nr. 15.
59 Hackenberg 2003, 29–30, Nr. 12, 13, 32, Nr. 16–18; vgl. Haider-Berky 2013, 107–108, mit Abb. 11–17.
185
7. Bergbau und Rohstoffe
Ein weiteres potenzielles Bergbaugebiet liegt westlich von
aus Kranichberg und Vöstenhof, das mittelbronzezeitliche
Gloggnitz zwischen Schwarza und Auebach im Bereich einer mi-
Gräberfeld von Pitten, die Grabfunde von Sieding, prähistori-
neralogisch außergewöhnlichen Kupfervererzung. In 50 m Ent-
sche Höhensiedlungen wie auf dem Schlossberg bei Pitten und
fernung von Pingen unbekannter Zeitstellung entdeckte man auf
auf dem Gfieder bei Ternitz könnten auf eine wesentlich längere
dem Ostabhang des Schafkogels ein Depot mit sieben Kupfer-
Nutzung der Kupfererzlagerstätten hinweisen.63
gusskuchen.61 Historische Kupferbergbaue sind vom 16.–20. Jh. aus Gloggnitz, Pettenbach und Eichberg, wo allerdings in erster Linie Magnesit gewonnen wurde, bekannt. Neolithische Kupferbeile vom Typus Altheim im Gebiet von Kranichberg südlich von Gloggnitz könnten ebenfalls als Hinweis für frühe Prospektion auf Kupfererze in der Region angesehen werden. Desgleichen könnte es im Nahbereich der Höhensiedlung Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg und der kupferzeitlichen Siedlung auf dem Hausstein bei Grünbach62 ein weiteres Bergbaurevier gegeben haben.
7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich (Peter Trebsche)
7.2.1 Regionale Siedlungsstrukturen
7.1.5 Ausblick
Bergbaulandschaft und ihre Einbettung in die Siedlungsstruk-
Das niederösterreichische Kupferbergbaugebiet beherbergt ein
zu skizzieren (Abb. 07_17) (siehe auch Abb. 07_06). Der natur-
großes Potenzial für zukünftige Forschungen. Viele Fragen blei-
räumlich vorgegebene Verkehrsweg im Untersuchungsgebiet ist
Man kann nur in Ansätzen versuchen, die urnenfelderzeitliche turen im südöstlichen Niederösterreich (Bezirk Neunkirchen)
ben bei den bisherigen Funden und Befunden zur Kupfererz-
das Flusstal der Schwarza, die vom engen Höllental zwischen
verhüttung, wie z. B. den Grabungsbefunden der Grabungen in
Rax und Schneeberg bis ins weite Steinfeld, den südlichsten
Prein III/Cu oder in Hafning I/Cu und II/Cu bzw. Kulm I/Cu of-
Ausläufer des Wiener Beckens, fließt. An den Engstellen des
fen: Gab es die sogenannten Doppelofenanlagen auch in Nieder-
Schwarzatals liegen mehrere prähistorische Höhensiedlungen.
österreich? Unterscheidet sich die Bauweise von Schmelzöfen
An diesen Kontrollpunkten sind der Petersberg in Dunkelstein
und Röstbetten wirklich von jenen in der Steiermark, in Salzburg
(Abb. 07_17/13), der Gfieder in Ternitz (Abb. 07_17/10), der
und Tirol? Oder sind der Erhaltungszustand der Strukturen bzw.
mit einem massiven Abschnittswall befestigte Burgstall in Pott-
die Datierung der mehrphasigen Fundstelle von Prein III/Cu ver-
schach (Abb. 07_17/8) und vermutlich der Schafkogel in Heufeld
antwortlich für die heute noch offenen Fragen? Stehen die Be-
bei Gloggnitz (Abb. 07_17/4) situiert, die auch urnenfelderzeit-
funde von Hafning I und II/Cu sowie von Kulm I/Cu mit speziellen
liche Funde erbracht haben.64 Mit Ausnahme des Petersbergs,
Prozessschritten in Zusammenhang? Warum gibt es in Nieder-
wo primär die mittelalterliche Burg untersucht wurde, fanden an
österreich fladenartige Schlackenkuchen?
keinem Ort reguläre Ausgrabungen statt, weshalb genauere In-
Systematische Prospektion, insbesondere in Gebieten bekann-
formationen zur Art der Besiedlung und zur präzisen Datierung
ter Kupfererzlagerstätten wie in Trattenbach oder nördlich von
fehlen. Ein Zusammenhang der Höhensiedlungen mit der Auf-
Gloggnitz, ebenso wie systematische Ausgrabungen von Berg-
siedlung des Tals oder mit der Kontrolle des Bergbaus und da-
bauspuren und kleinen, gut erhaltenen Schmelzplätzen würden
mit des Kupferhandels liegt nahe, bleibt aber bis zu weiteren ar-
neue Erkenntnisse bringen. Offen bleibt auch die Frage nach der
chäologischen Untersuchungen unbewiesen.
Herkunft der Erze, die auf den Schmelzplätzen in den Kleinrevie-
In unmittelbarer Nähe des Burgstalls von Pottschach, der durch
ren Gadenweith, Schrattenbach-Stixenstein und Flatz verhüttet
einen bislang undatierten Abschnittswall befestigt ist, wur-
wurden.
de 1840 beim Bau der Südbahn ein späturnenfelderzeitliches
Ungeklärt sind zudem noch der Beginn und das Ende der prähistorischen Kupfergewinnung in der Region. Kupferzeitliche Siedlungen, Einzelfunde aus Kupfer, insbesondere Kupferbeile 61 Hackenberg 2003, 54, Nr. 70, Abb. 65 auf S. 53 als Schlacke bezeich net, vgl. dazu Lang 2001. 62 Daim/Ruttkay 1981.
186
63 Z. B. Lang 1998 und 1999; Hottwagner 2000; Hausstein bei Grünbach: Daim/Ruttkay 1981; Gräberfeld in Pitten: Benkovsky 1991. 64 Petersberg: Kühtreiber 1995; Gfieder: Schwammenhöfer 1988, Nr. 77; Burgstall: Hrodegh 1918; Schwammenhöfer 1988, Nr. 56; Haider 1990b; Schafkogel: Lang 2001.
7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich
Gräberfeld entdeckt (Abb. 07_17/9).65 Die Flachlandsiedlungen befanden sich vermutlich am Talboden, z. B. im St. Johann im Sierningtal am Fuß des Gfieders.66 Durch Ausgrabungen bekannt sind zwei späturnenfelderzeitliche/frühhallstattzeitliche Siedlungen am Hauptplatz in Neunkirchen67 (Abb. 07_17/14) und in Urschendorf bei St. Egyden am Steinfeld68 (Abb. 07_17/19). Eine eigene Siedlungskammer bilden das Gebiet südlich der Hohen Wand und die Neue Welt zwischen der Hohen Wand
Abb. 07_17. Urnenfelderzeitliche Fundstellen in Zusammenhang mit dem Bergbau im südöstlichen Niederösterreich: 1. Großau – 2. Prein an der Rax – 3. Kammerwandgrotte – 4. Schafkogel – 5. Prigglitz-Gasteil – 6. Weißjacklberg – 7. Kohlberg – 8. PottschachBurgstallberg – 9. Pottschach – 10. Ternitz-Gfieder – 11. St. JohannGfiederäcker – 12. Mahrersdorf – 13. Dunkelstein-Petersberg – 14. Neunkirchen-Hauptplatz – 15. Neunkirchen-Klosteräcker – 16. Grünbach am Schneeberg Am Gelände – 17. Rothengrub – 18. Kienberg – 19. Urschendorf (Grafik: P. Trebsche; nach Hampl 1976; Kerchler 1976; Cech/Walach 1995; Haider-Berky 2013; Kartengrundlage: Österreichische Karte 1:200.000, mit freundlicher Genehmigung des österreichischen Bundesamts für Eich und Vermessungswesen) – Maßstab 1:200.000.
und den Fischauer Vorbergen. Hier befinden sich die 1934– 35 systematisch von Franz Mühlhofer untersuchte befestig-
führte.70 In beiden Höhensiedlungen entdeckte man Spuren der
te urnenfelderzeitliche Höhensiedlung Am Gelände bei Grün-
Metallverarbeitung in Form von Schlacken. Auch der Schloss-
bach am Schneeberg69 (Abb. 07_17/16) sowie der Kienberg, wo
berg von Pitten, der den Zugang zum Pittental kontrolliert, war
Margarete Kaus 1990 eine Ausgrabung (Abb. 07_17/18) durch-
u. a. in der Urnenfelderzeit besiedelt.71
65 Kerchler 1960. 66 Haider 1990c. 67 Haider 1990a. 68 Artner/Fettinger 2010.
70 Kaus M. 1992.
69 Mühlhofer 1952, 80 ff.
71 Zuletzt Steinegger 2012.
187
7. Bergbau und Rohstoffe
Metallverarbeitung im Siedlungsbereich
Abb. 07_18. Jüngerurnenfelderzeitlicher Depotfund von Mahrersdorf, Stadtgemeinde Ternitz (Foto: PA/NHM Wien).
Plankonvexe Gusskuchen aus Kupfer stellen das Endprodukt der spätbronzezeitlichen Verhüttung dar. Die Konzentration von Gusskuchen und Hortfunden mit Gusskuchen im südöstlichen Niederösterreich ist auffällig72 (Abb. 07_17/1.2.4.12.15.16). Sie geben Hinweise auf die Verteilung des Rohkupfers im näheren Umfeld der Bergbau- und Verhüttungsstätten. In diesem
für ein Griffdornmesser (siehe Abb. 07_21 und Abb. 07_25/7)
Zusammenhang ist der jüngerurnenfelderzeitliche Depotfund
belegen. Eigens zu erwähnen ist eine Höhle, die Kammerwand-
von Mahrersdorf (Stadtgemeinde Ternitz) erwähnenswert, weil
grotte (Abb. 07_17/3), oberhalb von Schneedörfl (Gemeinde
er außer fünf Tüllen-, vier Lappenbeilen und einem Meißel auch
Reichenau an der Rax) am Südwestabfall des Gahns gelegen, in
einen Bronzepickel (Gezähe?), einen Doppelaxtbarren sowie
der neben anderen urnenfelderzeitlichen Funden auch das Frag-
einen Gusskuchen enthält (Abb. 07_18).
ment einer Gussform entdeckt wurde.74
73
Die Weiterverarbeitung des Kupfers, die Legierung zu Bronze
Beim derzeitigen Forschungsstand deutet sich also ein komple-
und die Herstellung von Bronzegegenständen sind in den Höhen-
xes Bild funktional differenzierter Fundplätze – mit den Elemen-
siedlungen Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg sowie auf
ten Bergbausiedlung, Verhüttungsplatz, Pingen, Höhenbefesti-
dem Kienberg nachweisbar (s. o.). Auch in der Bergbausiedlung
gung, Flachlandsiedlung und Höhlennutzung – an. Ohne Zweifel
von Prigglitz-Gasteil wurde das Kupfer bis zum bronzenen Fertig-
wären hier umfangreiche, langfristige Forschungen lohnend, um
produkt verarbeitet, wie zahlreiche Gussreste und die Gussform
das Siedlungs- und Bergbausystem zu rekonstruieren.
72 Vgl. Hampl 1976, 62 f.: Neunkirchen-Klosteracker, Großau, Mahrersdorf, Prein; Lang 2001: Schafkogel in Heufeld, Stadtgemeinde Gloggnitz; Haider-Berky 2004, 9 f. und Abb. S. 17–19: Neunkirchen-Klosteracker. 73 Lauermann/Rammer 2013, 130, Taf. 44–47.
188
74 Hottwagner/Lang 1999.
7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich
7.2.2 Die Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil Die
urnenfelderzeitliche
Kupferbergbausiedlung
Prigglitz-
Abb. 07_19. Prigglitz-Gasteil, Übersicht der Grabungsflächen und Geländemerkmale: 1–8. Grabungsflächen 2010–2014 – A–D. Fundbergungen – M. Mundlöcher (Grafik: P. Trebsche; Kartengrundlage: NÖGIS, Land NÖ) – Maßstab 1:5.000.
Gasteil Cu I befindet sich beim Gehöft Gasteil Nr. 7 in der Katastral- und Ortsgemeinde Prigglitz, Bezirk Neunkirchen (Abb. 07_19). Die Fundstelle liegt in einer Seehöhe von rund 700– 730 m am östlichen Steilabhang des Gahns (höchste Erhebung
Aus geologischer Sicht liegt die Fundstelle genau an der Grenze
1.352 müA), der den östlichen Ausläufer des Schneebergmas-
zwischen Grauwackenzone und Kalkalpin. Die Kupfer- und Eisen-
sivs bildet. Die Fundstelle ist zwar durch einen Bauernhof und
erze treten hier in Form von Ganglagerstätten auf, die unmit-
seine Nebengebäude sowie einen Holzlagerplatz umgestaltet,
telbar im westlichen Bereich der Fundstelle am Ostabhang des
dennoch sind die älteren durch Menschen verursachten Verän-
Gahns verlaufen.76 Die Lagerstätte selbst ist heute jedoch nir-
derungen im Gelände klar zu erkennen. In erster Linie springen
gendwo aufgeschlossen, sondern von Hangschutt bedeckt. In
die mächtigen Haldenkegel ins Auge, die besonders gut in den
den Halden wurden hauptsächlich folgende Kupfer- und Eisen-
westlichen Böschungen der Landesstraße bzw. eines Fahrwegs
erze festgestellt: Chalkopyrit (Kupferkies), Pyrit, Malachit, Siderit
zu beobachten sind. Über der größten Halde liegt ein verstürz-
und Limonit.77 Die Art und Weise der urnenfelderzeitlichen Erz-
tes Mundloch im Wald. Direkt oberhalb davon befindet sich ein
gewinnung ist beim derzeitigen Forschungsstand nicht geklärt.
zweites Mundloch, das mit dem ersten durch eine deutlich aus-
Die für die Urnenfelderzeit zu erwartenden Abbauspuren sind
geprägte Rinne in Fallrichtung verbunden ist (Abb. 07_19/M).
nirgendwo eindeutig erkennbar; offenbar wurden sie durch
F. Hampl und R. Mayrhofer erkannten darin einen Bremsberg, der
Hangschutt überdeckt.
von einem jüngeren Eisenerzbergbau herrührt.75 75 Hampl/Mayrhofer 1963, 59; 71; Hackenberg 2003, 30.
76 Vgl. Hampl/Mayrhofer 1963, 57 f. Freundliche Mitteilung Günther Weixelberger und Michael Götzinger. 77 Hackenberg 2003, 30.
189
7. Bergbau und Rohstoffe
Grabungen F. Hampl, R. Mayrhofer 1956 und 195878 Die Fundstelle Cu I wurde vom Bergbauunternehmer Walter Haid im Jahr 1955 entdeckt und von F. Hampl und R. Mayrhofer in zwei Grabungskampagnen 1956 und 1958 archäologisch untersucht. Im darauffolgenden Jahr fand noch eine kleine Ausgrabung an dem wenig nördlich im Klausgraben gelegenen Schlackenplatz Gasteil Cu II statt. Mit 15 Suchschnitten, die teilweise zu Grabungsflächen erweitert wurden, konnte man zum einen die Mindestausdehnung des Fundplatzes mit ungefähr 270 × 135 m festlegen, zum anderen alle Arbeitsschritte vom Kupfererzabbau über die Aufbereitung und Verhüttung nachweisen. Die Ausgräber charakterisierten den Platz „nicht so sehr als Siedlung, sondern viel eher als eine gewaltige Arbeitsstätte“, die hauptsächlich während der Stufe Ha A belegt war und zu Beginn der Stufe Ha B aufgegeben wurde.79
Fundbergungen 1999–200180
Abb. 07_20. Luftbild der Bergbausiedlung Prigglitz-Gasteil Cu I von Osten aus dem Jahr 2011. In der Bildmitte liegt die Grabungsfläche 3, in der Straßenböschung sind die Halden gut zu erkennen (Foto: M. Schimanko).
Grabung 2010–201482 In den Jahren 2010–14 wurden die Ausgrabungen am Fund-
Nach den zwei Grabungskampagnen wurde es mehrere Jahr-
platz Prigglitz-Gasteil Cu I wieder aufgenommen. Im Gegensatz
zehnte lang still um den Fundplatz Gasteil, bis im Zuge von Bau-
zu den älteren Grabungen versuchte man nun, zwei bislang un-
maßnahmen 1999 wieder archäologische Funde gemeldet wur-
erforschte Siedlungsterrassen flächig zu untersuchen. Vor den
den. Bei Baggerarbeiten wurden nächst dem Haus Gasteil Nr. 12,
Grabungen fanden geomagnetische Prospektionen auf den frei
das im nördlichen Bereich des Fundplatzes liegt (Abb. 07_19/B),
zugänglichen, unbewaldeten Flächen der Fundstelle statt. Die
urnenfelderzeitliche Kulturschichten mit Keramik, Tierknochen,
stratigrafischen Ausgrabungen erbrachten vor allem die Erkennt-
Hüttenlehm und Plattenschlacken angeschnitten. Im darauf-
nis, dass die Siedlungsterrassen in vielen Phasen genutzt wur-
folgenden Jahr konnten in der Straßenböschung, die zwecks
den und dazwischen immer wieder Haldenmaterial angeschüttet
Verbreiterung der Landesstraße von Gasteil nach Bürg abge-
wurde. Auf den eingeebneten Arbeitspodien wurden kleinflächig
baggert wurde, zwei Kulturschichten über eine Länge von rund
sehr unterschiedliche Aktivitäten im Zusammenhang mit der
150 m beobachtet werden (Abb. 07_19/C). Auch hier fanden
Kupfererzeugung und Metallverarbeitung dokumentiert, die auf
sich urnenfelderzeitliche Keramik, Tierknochen, ein Schlacken-
vielfältige Weise Einblick in das Leben und Arbeiten der urnenfel-
kuchen und Plattenschlacke. Als im Jahr 2001 der Fahrweg vom
derzeitlichen Bergleute gewähren (siehe Kap. 6, Pkte. 6.4.1 und
Hof Gasteil Nr. 7 zum Wohnhaus Gasteil Nr. 12 verbreitert wur-
6.6.3).
de (Abb. 07_19/D), lag wiederum ein mehrphasiges Profil mit Kulturschichten und Herdstellen der Urnenfelderzeit frei. Unter
Die obere Siedlungsterrasse
den üblichen Funden befand sich auch eine Nadel mit kleinem
Auf der oberen Geländeterrasse wurden 2010 bis 2013 fünf
Vasenkopf (siehe Abb. 07_25/2), die charakteristisch für die
Teilflächen (Flächen 2–6) mit einer Ausdehnung von 102 m2
jüngere bis späte Urnenfelderzeit ist.81
archäologisch untersucht (Abb. 07_20).
Durch diese Fundbergungen kann die von Hampl angegebene
Der Schichtaufbau kann grob in fünf Phasen gegliedert werden:
Ausdehnung der Fundstelle geringfügig erweitert werden. Die
Phase 1: Die untersten erreichten Schichten bestehen aus fein-
größte Nord–Süd-Erstreckung beträgt demnach rund 305 m, die
körnigen Haldenschüttungen, die eindeutig die hän-
Ost–West-Erstreckung 100–135 m, was eine Fläche der Berg-
dische Aufbereitung von Kupfererz an Ort und Stelle
bausiedlung von mindestens 3,3 ha ergibt (Abb. 07_19).
belegen. Phase 2: Dieser Haldenkörper wurde in der Urnenfelderzeit zu einer Arbeitsplattform bzw. zu einem Wohnpodium planiert. Man legte eine Herdstelle und Pfostenbau-
78 Hampl/Mayrhofer 1963. 79 Hampl/Mayrhofer 1963, 71. 80 Kühtreiber/Trebsche 1999; Kühtreiber/Trebsche 2001; Lang 2000. 81 Říhovský 1979, 203 ff.
190
ten auf dem Podium an. Viele fundreiche Schichten lagerten sich sowohl auf der Terrasse selbst als auch auf 82 Projekt- und Grabungsleitung Peter Trebsche; zuletzt Trebsche 2015a; Trebsche 2015b.
7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich
Abb. 07_21. Prigglitz-Gasteil, Bruchstück einer steinernen Gussform für ein Griffdorn messer (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Abb. 07_22. Prigglitz-Gasteil, Fläche 2 (2010), Südprofil mit fundreichen Abfallschichten, Brandschichten und darunterliegenden Feinhalden, Aufnahme von Norden (Foto: P. Trebsche, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
dem unterhalb anschließenden Hang ab. Die flächi-
Die untere Siedlungsterrasse
gen Ablagerungen der zweiten Phase zeichneten sich
Die drei Grabungsflächen 1, 7 und 8 befinden sich auf einer der
durch zahlreiche Buntmetall- und Gussreste aus, die
unteren Geländeterrassen, wo in den Jahren 2010 und 2014
eine Kupfer- oder Bronzeverarbeitung an Ort und Stel-
eine zusammenhängende Fläche von rund 14 m × 8 m untersucht
le belegen. Zu diesen Metallverarbeitungsresten zählt
wurde. Auch hier lassen sich mehrere Nutzungsphasen (Hori-
auch das Fragment einer Gussform aus Sandstein
zonte 1–4) unterscheiden, die im Moment noch nicht mit jenen
für ein Griffdornmesser mit Heftscheibe (Abb. 07_21,
der oberen Geländeterrasse (Flächen 2–6) parallelisiert werden
dazu Abb. 07_25/7), das wahrscheinlich dem Typ
können.
Baumgarten zuzuordnen ist.83 Hangabwärts schlossen
Horizont 1: Der älteste Horizont war aus Sicherheitsgründen
äußerst fundreiche Schichten an, die große Mengen
2010 nur in einer kleinen Sondage von Fläche 1 er-
an Tierknochen, Keramik, Geweih- und Knochengerä-
fassbar, die im Jahr 2014 etwas erweitert wurde (Flä-
ten sowie Bronzegegenstände und Schlacken enthiel-
che 7). Die Verebnungsfläche liegt auf feinkörnigen
ten. Offensichtlich handelt es sich um die direkt unter-
Halden unbekannter Mächtigkeit auf. Die Schichten
halb der Aktivitätszonen entsorgten Abfälle.
des Horizonts 1 weisen insgesamt nur etwa 20 cm
Phase 3: Es folgen wiederum äußerst feinkörnige Haldenschich-
Mächtigkeit auf. Dennoch lassen sich acht Bauphasen von Holzbauten unterscheiden, zu denen auch zwei
ten von der Erzaufbereitung (Abb. 07_22). Phase 4: Über ihnen liegt eine Kulturschicht mit Pfostenlöchern,
Herdstellen gehören (Abb. 07_23). In der Verfüllung
die einer weiteren urnenfelderzeitlichen Nutzungs-
eines Balkengräbchens der siebten Bauphase wurde ein Griffangelmesser vom Typ Stillfried mit leicht ge-
phase der Terrassierung angehört. Phase 5: Nach einer Überschüttung mit grobem Haldenmaterial
schwungener Klinge gefunden. Dieser einfache Mes-
wurde im Mittelalter eine Arbeitsgrube mit einer Länge
sertyp weist zwar eine lange Laufzeit – beginnend in
von 3,70 m, einer Breite von 3,35 m sowie einer Tiefe
Ha A1 – auf, erreicht aber seine Blütezeit in der zweiten
von 1,23 m auf der Terrasse angelegt, die dendrochro-
Hälfte der Stufe Ha B, also in der jüngeren und späten
nologischen Untersuchungen und Radiokarbondaten
Urnenfelderzeit.85 Der erste Horizont wurde von Hal-
zufolge in das letzte Viertel des 11. Jh.s. datiert.
denmaterial überschüttet.
84
83 Říhovský 1972, 64–71. 84 Diese Grube wurde in den bisherigen Vorberichten als urnenfelderzeit lich bezeichnet (Trebsche 2012, 14; Trebsche/Pucher 2013, 130 f.), was zu korrigieren ist.
85 Říhovský 1972, 55–58.
191
7. Bergbau und Rohstoffe
Abb. 07_24. Prigglitz-Gasteil, Fläche 8 (2014): quadratischer Herd und erhaltener Estrich eines Gebäudes. Die Wandfluchten sind mit der roten Linie markiert (Foto: P. Trebsche, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Horizont 3: Dieses Gebäude wurde wiederum mit Haldenmaterial bedeckt, über dem eine flächige Brandschicht lag; aus ihr stammen einige dünne Plattenschlacken, Keramik sowie Hinweise auf BuntmetallAbb. 07_23. Prigglitz-Gasteil, Fläche 7 (2014), aus Steinen gesetzter Herd (SE 1041), Aufnahme von Westen (Foto: P. Trebsche, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
verarbeitung (Gusskuchen, Gusszapfen, Blasebalgdüse). Horizont 4: Den stratigrafisch jüngsten Horizont markieren zwei Gruben, die in eine weitere Haldenschüttung eingetieft wurden. Die eine Grube war oval (Dm.
Horizont 2: Auf einer Arbeitsplattform errichtete man danach
3,1 m × 2,6 m, Tiefe 1,37 m) und enthielt reinen, orts-
eine Herdstelle aus Lehm mit einem Unterbau aus
fremden Lehm, diente also offenbar als Aufberei-
Tonscherben sowie einen quadratischen Herd, der aus
tungs- oder Vorratsgrube für Lehm, zum Beispiel für
Steinen gesetzt und mit Lehm verstrichen war. Die-
den Ofenbau. Die zweite Grube war quadratisch mit
ser quadratische Herd befand sich in der Mitte eines
abgerundeten Ecken (Seitenlänge 3,2 m, Tiefe 0,92 m)
Schwellen- oder Blockbaus, dessen flächiger Estrich
mit zwei Ausnehmungen für Holzständer. Ihre Ver-
und die südwestliche Wand dokumentiert werden
füllung enthielt geröstete Siderit-/Limonit-Erze, die
konnten (Abb. 07_24).
auf eine Eisenverhüttung in der Nähe hindeuten. Ein noch unpubliziertes Radiokarbondatum aus der Verfüllung dieser Grube belegt eine hochmittelalterliche Zeitstellung.
192
7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich
1
2
3
4
5
6
7
Datierung Aus den neueren Grabungen wurden insgesamt neun Radio karbondatierungen an kurzlebigem organischem Material durchgeführt.86 Zwei datieren ins Mittelalter, die übrigen in die Spätbronzezeit. Aus den sieben urnenfelderzeitlichen
14
C-Daten er-
gibt sich durch Phasenkalibration ein Anfangsdatum von 1063– 961 BC und ein Enddatum von 957–857 BC (jeweils 68,2 %). Ausgehend von den Mittelwerten dieser Zeitspannen dauerte 86 Trebsche 2015b.
Abb. 07_25. Feinchronologisch aussagekräftige Bronze- und Steinfunde aus Kupfer produktionsstätten im südöstlichen Niederösterreich: 1. Rippenkopfnadel, Ausgrabung Prein P III (nach Hampl 1953, Taf. I/2) – 2. Nadel mit kleinem Vasenkopf, Einzelfund vom Fundplatz Prigglitz-Gasteil Cu I (Zeichnung: P. Trebsche) – 3. Tüllenbeil, Einzelfund Prigglitz-Gasteil, Klausgraben (Grafik: F. Drost) – 4. verzierte Messerklinge, Einzelfund vom Fundplatz Prein P III (nach Hampl 1953, Taf. I/1) – 5. sekundär bearbeitete Messer klinge, Ausgrabung Prigglitz-Gasteil Cu I 1956/58 (nach Hampl/Mayrhofer 1963, Taf. I/8) – 6. Griffangelmesser, Ausgrabung Prigglitz-Gasteil Cu I 2014 (Grafik: U. Weinberger, Landessammlungen Niederösterreich, Ur- und Frühgeschichte) – 7. Bruchstück einer Gussform für Griffdornmesser, Aus grabung Prigglitz-Gasteil Cu I 2013 (Grafik: U. Weinberger) – Maßstab 1:2 – Detail Nadel (2) Maßstab 1:1.
193
7. Bergbau und Rohstoffe
der urnenfelderzeitliche Bergbau also mindestens ein Jahrhundert, wahrscheinlich vom Ende des 11. bis zum Ende des 10. Jh.s v. Chr. Diese naturwissenschaftliche Datierung stimmt sehr gut mit den eindeutig jünger- bis späturnenfelderzeitlichen Bronzefunden überein (Abb. 07_25). Dadurch kann also eine spätere Nutzung des Fundplatzes als von Hampl angenommen belegt werden. Auch ein im Jahr 2000 gefundenes Tüllenbeil mit Bogenverzierung (Abb. 07_25/3) aus dem nicht weit entfernten Klausgraben spricht für ein Andauern der urnenfelderzeitlichen Besiedlung bis in die späte Stufe der Urnenfelderzeit.87 Unter beiden modern ergrabenen Terrassen, aus denen die 14
C-Daten stammen, liegen aber noch mehrere Meter mächtige
Feinhalden, die eindeutig stratigrafisch älter als die datierten Arbeitspodien sind. In den Jahren 2013 und 2014 wurde versucht, die Mächtigkeit der Feinhalden durch Rammkernsondierungen zu ermitteln. Aus einigen Rammkernen wurden auch datierbare organische Reste (Holzkohlen und Tierknochen) geborgen, die in einer weiteren 14C-Serie untersucht werden sollen.
Abb. 07_26. Prigglitz-Gasteil, Fläche 1 (2010), dünne Plattenschlacke von der Kupfer verhüttung aus SE 43 (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Solange diese Ergebnisse ausständig sind, kann über den Be-
Anomalien anzeigen, welche vermutlich auf Schachtöfen und die
ginn des Bergbaus in Prigglitz-Gasteil nichts Gesichertes ausge-
hangabwärts befindliche Schlackenhalde zurückzuführen sind.
sagt werden.
Raffination und Legierung des Kupfers sind schließlich durch zahlreiche dünne Plattenschlacken (Abb. 07_26) nachweisbar,
7.2.3 Aktivitäten in der Bergbausiedlung
ebenso die Weiterverarbeitung der Bronze sowie die Herstellung von Metallgegenständen. In den beiden untersuchten Siedlungsterrassen wurden zwei Bereiche der Metallverarbeitung mit Schmelzherden erfasst, die
In Prigglitz-Gasteil sind sowohl die einzelnen Arbeitsschritte
sich durch große Mengen an metallurgischem Abfall wie Guss-
der Kupfergewinnung und Metallverarbeitung als auch die da-
tropfen, Gussformen, Fragmenten von kleinen Gusskuchen, ei-
mit zusammenhängende Produktion von Werkzeug und Gerät für
nem Gusszapfen, dem Bruchstück einer Blasebalgdüse etc. aus-
Bergleute nachweisbar. Ebenso häufen sich Belege für die orga-
zeichnen (Abb. 07_27).
nisierte Versorgung mit Nahrungsmitteln.
Das Besondere an der Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil
Was den Kupferbergbau betrifft, so konnten die urnenfelderzeit-
ist, dass hier auch zahlreiche Hinweise auf die Versorgung der
lichen Abbauorte noch nicht entdeckt werden, weil sie offenbar
Bergleute mit Nahrungsmitteln, Werkzeugen und Geräten ent-
durch meterdicken Hangschutt bedeckt sind. Entweder wur-
deckt wurden, die eine Rekonstruktion des Betriebs und der
den die Ganglagerstätten im Pingenbau oder im Untertagebau
Arbeitsteilung innerhalb der Bergbausiedlung ermöglichen.
abgebaut. Indirekt ist der Bergbau durch entsprechende Grob-
Außergewöhnlich ist die riesige Menge von Schlachtabfällen,
halden sowie durch das Gezähe aus Hirschgeweih (Schlägel und
die sich besonders am Abhang der Grabungsfläche 2–6 konzen-
Spitzen) nachweisbar. Der nächste Arbeitsschritt, die Aufberei-
trierten. Ein erster Teilkomplex von mehr als 3.000 Tierknochen
tung des Erzes durch Pochen, Mahlen und Nassaufbereitung,
wurde bereits von Erich Pucher archäozoologisch analysiert
lässt sich im Moment nur durch entsprechende Ablagerungen
(siehe Kap. 6, Pkt. 6.4.1). Unter diesen Knochen überwiegen
unterschiedlicher Korngrößen in den Halden nachweisen; die
mit 63,5 % die Hausschweine, was ein Charakteristikum für ost-
typischen Steingeräte wie Unterlagsplatten oder Rillenschlägel
alpine Bergbausiedlungen der Bronzezeit darstellt.88 Die Selek-
fehlen aus unbekannten Gründen. Die Verhüttungsöfen und/
tion und die Zerlegungsspuren der Knochen deuten darauf hin,
oder Röstbetten lassen sich wahrscheinlich durch die geomag-
dass es sich um primäre Schlachtabfälle handelt. Auffällig ist,
netischen Prospektionen lokalisieren, die auf der größten Ver-
dass fast nur Knochen aus den fleischarmen Körperteilen vor-
ebnungsfläche nördlich von Grabungsfläche 2–6 einige starke
liegen. Die Skelettteilrepräsentanz ist genau komplementär zu
87 Lang 2000, 596 und Abb. 457; vgl. Mayer 1977, 197 f.
88 Trebsche/Pucher 2013, 138–147.
194
1
2
3 Abb. 07_27. Prigglitz-Gasteil, Fläche 1 (2010), Funde aus SE 43: 1. Gusskuchen (Buntmetall mit anhaftendem Lehm) – 2. Gusszapfen (Buntmetall) – 3. Bruchstück einer Blasebalgdüse (Keramik) (Grafik: U. Weinberger) – Maßstab 1:2.
den Schweineknochen vom Hallstätter Salzberg (Abb. 07_28),
Abb. 07_28. Aus Prigglitz-Gasteil liegen gehäuft genau jene Fragmente der Schweineunterkiefer vor (jeweils rechts, helle Farbe), die im etwa zeitgleichen Material des Hallstätter Salzbergs (jeweils links, dunkle Farbe) stark unter repräsentiert sind. Dazu zeigen sie denselben Zerlegungsmodus (Foto: E. Pucher, NHM Wien).
die als Überreste der Herstellung von gepökeltem Schinken interpretiert werden.89 Offensichtlich wandte man in Prigglitz
lang nur von bronzenen Lappenbeilen und -pickeln der Urnen-
dieselben Schlacht- und Verarbeitungstechniken wie in Hallstatt
felderzeit bekannt und wurden als Werkstatt-, Kontroll- oder
an; nur wurden hier die primären Abfälle, dort die Abfälle von
Besitzerzeichen gedeutet.91 Ein zweiter Geweihhammer (Abb.
der Weiterverarbeitung der Schinken ausgegraben. Spezielle
07_29/2) unterscheidet sich vom ersten durch den rechtecki-
Techniken der Fleischverarbeitung zur Versorgung von Bergbau-
gen Querschnitt des Schaftlochs. Beide Schlagflächen sind bis
siedlungen – sowohl beim Salz- als auch beim Kupferabbau –
aufs Letzte schräg abgearbeitet – offensichtlich wurde das Gerät
waren also im Ostalpenraum während der Bronzezeit weiter ver-
erst nach langem und intensivem Gebrauch endgültig entsorgt.
breitet als bisher angenommen, wie auch ein Fundkomplex aus
Bei einem dritten Geweihstück (Abb. 07_29/3) wurden die drei
Pichl (Steiermark) zeigt.90
Kronenenden abgeschnitten (nicht abgesägt); wahrscheinlich
Unter den zahlreichen Tierknochen war kein einziger Rest eines
handelt es sich um einen Rohling, der zur Herstellung eines
Wild- oder Jagdtiers. Das ist umso erstaunlicher, als nicht we-
Geweihschlägels vorbereitet worden war. Anhand zahlreicher
nige Geräte und Abfallstücke aus Hirschgeweih gefunden wur-
weiterer Abfallstücke lässt sich die Herstellung von Geweih-
den (Abb. 07_29). Der am besten erhaltene Geweihhammer
hämmern und Geweihspitzen an Ort und Stelle belegen. Mehre-
bzw. -schlägel (Abb. 07_29/1) weist ein ovales Schaftloch und
re Geweihsprossen (Abb. 07_29/4–6) weisen starke Gebrauchs-
eine Werkzeugmarke in Form eines X auf, die auf der Seite ein-
spuren auf; bei zwei Exemplaren sind die stumpfen Enden
geritzt ist. Ähnliche Werkzeugmarken sind meines Wissens bis-
auseinandergesplittert und die Spitzen mehrfach nachgeschnitten bzw. nachgeschärft.
89 Pucher/Barth/Seemann 2013. 90 Pucher 2013.
91 Mayer 1976, 378; Mayer 1977, 162; 232 f. und Abb. 2.
195
7. Bergbau und Rohstoffe
1
2
4
5
3 6 Abb. 07_29. Prigglitz-Gasteil, Fläche 4 (2012), Geweihgeräte aus den Kultur- und Abfallschichten (Horizont 4): 1–2. Geweihschlägel – 3. Geweihrohling – 4–6. Geweihsprossen (-keile) – 7. stumpfe Geweihspitze (Grafik: U. Weinberger) – Maßstab 1:4.
7
dass Abwurfstangen gesammelt und zur Werkzeugherstellung verwendet wurden. Darin zeigt sich im Grunde eine nachhaltige und schonende Gewinnung der nachwachsenden Ressource „Hirschgeweih“. Weitere handwerkliche Aktivitäten sind durch Knochengeräte
Offensichtlich handelt es sich bei der Kombination aus Geweih-
belegt, darunter zwei Nähnadeln und mehrere Werkzeuggriffe,
hammer und -spitzen um Schlägel und Keile, die als Bergmannsge-
etwa für Messer oder Ahlen. Sie dienten zur Herstellung von Klei-
zähe dienten. Das weiche Nebengestein der Erzgänge in Prigglitz
dung oder von Ausrüstungsgegenständen aus Leder (z. B. Kap-
konnte mit Geräten aus frischem, zähem Hirschgeweih sicher
pen, Tragesäcke, Handleder), wie sie in Hallstatt erhalten sind.
ohne Probleme abgebaut werden. Es ist zwar durchaus mög-
Für die Herstellung der Werkzeuggriffe verwendete man die lan-
lich, dass in Gasteil auch die in der Urnenfelderzeit üblichen
gen Mittelhand- und Mittelfußknochen vom Schaf, wie mehrere
Bronzepickel zum Einsatz kamen; einfacher in der Herstellung
abgeschnittene proximale und distale Stücke der Metapodien
und billiger waren aber sicherlich die Hirschgeweihgeräte. Da
belegen.
kein einziges schädelechtes Geweihstück und auch keine sonsti-
Aus den kürzeren Metapodien von Schweinen fertigte man Kno-
gen Hirschknochen gefunden wurden, liegt die Vermutung nahe,
chenperlen, wie mehrere abgeschnittene Knochenstücke mit
196
7.2 Siedlungsarchäologische Aspekte der Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich
Abb. 07_31. Prigglitz-Gasteil, Grabungsfläche VI (1958), Fragment einer Trensenseitenstange aus Geweih (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Schwieriger gestaltet sich die funktionale Ansprache von mehreren vierkantigen Bronzestäbchen, die an beiden Enden zugespitzt sind. Solche Doppelspitzen wurden als Meißel, Schneidpfrieme oder Tätowiergeräte gedeutet. Da die Prigglitzer Exemplare aber inmitten einer großen Menge an Schlacht- und Speiseabfällen Abb. 07_30. Prigglitz-Gasteil, Fläche 4 (2012), Produktionsabfall von Perlen aus Schweineknochen: 1. Hausschwein, Metacarpus III links (Vergleichsstück) – 2. proximales Ende mit umlaufenden Rillen – 3. abgebrochenes proximales Ende mit umlaufenden Rillen – 4. Knochenperle mit umlaufenden Rillen – 5. Hausschwein, Metatarsus III links (Vergleichsstück) – 6–7. abgebroche ne proximale Enden mit umlaufenden Rillen – 8. Hausschwein, Metacarpus IV rechts (Vergleichsstück) – 9. abgebrochenes proximales Ende mit umlaufenden Rillen. Die Vergleichsstücke Nr. 1, 5 und 8 stammen von einem Šiška-Schwein, einer alten Landrasse auf dem Balkan (Archäolo gisch-Zoologische Sammlung/NHM Wien, Ind. E525; Foto: E. Pucher).
(Tierknochen) gefunden wurden, scheint auch eine Deutung als Fleischspießchen oder Zahnstocher möglich.92 Zwei zweiflügelige Tüllenpfeilspitzen lassen sich mit Sicherheit als Bestandteile von Waffen ansprechen, da die Auswertung der Tierknochen belegt, dass keine Jagd in Gasteil ausgeübt wurde. Unklar bleibt aber vorerst, ob es sich um Verlustfunde der Einwohner selbst handelt oder die Pfeilspitzen von einem Angriff zeugen. Sie belegen jedenfalls die Anwesenheit von Bewaffneten in der Bergbausiedlung. Unter den Funden der Altgrabungen
umlaufenden Rillen (Abb. 07_30/2.3.6.7.9) und eine fertige zy-
1956/58 befindet sich die beinerne Seitenstange einer Pferde-
lindrische Knochenperle (Abb. 07_30/4) mit umlaufenden Rillen
trense (Abb. 07_31)93, die auf gezäumte Pferde und Reiter in der
bezeugen. Ihre Herstellung erforderte einige Geduld und etli-
Bergbausiedlung und damit möglicherweise auch auf die soziale
ches Geschick, weshalb sich der Eindruck aufdrängt, die Berg-
Stellung der Bergleute hinweist.
leute hätten die Perlen zum Zeitvertreib geschnitzt.
Die Ausgrabung in Prigglitz-Gasteil ermöglicht detaillierten Ein-
Unter den Bronzefunden finden sich sogar einige Fragmente von
blick in die Versorgung und Betriebsorganisation einer Kupfer-
Schmuckstücken wie Nadeln oder das Bruchstück eines Armreifs,
gewinnungsstätte. Die Bergbausiedlung konnte sich wohl durch
die zum größten Teil wohl als Verlustfunde in die Abfallhalde ge-
ihre günstige Lage gut entwickeln. Sie war nicht mehr als eine
raten sein dürften. Eine Ausnahme bildet die vollständig erhal-
Wegstunde von den landwirtschaftlichen Talsiedlungen entfernt
tene Kugelkopfnadel mit zwei umlaufenden Rillen auf dem Kopf,
und der Zugang bzw. die Anbindung an das Schwarzatal konnten
die stark abgewetzt sind. Ebenfalls zum Schmuck zählen etliche
durch mehrere Höhensiedlungen gut kontrolliert werden.
kleine Bronzeringe mit unterschiedlichen Durchmessern, die wahrscheinlich auf der Kleidung aufgenäht oder zu Ketten aufgefädelt waren, wie Grabfunde in anderen Regionen zeigen.
92 Trebsche/Pucher 2013, 132. 93 Hampl/Mayrhofer 1963, 105 und Taf. 2/3; Foltiny 1965, 245 und Taf. 2/2.
197
7. Bergbau und Rohstoffe
7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe (Peter Trebsche)
7.3.1 Zinn
Abb. 07_32. Zinnlagerstätten in Europa: 1. Cornwall und Devon – 2. Erzgebirgische Zinnprovinz (sächsisch-böhmisches Erzgebirge, Vogtland, Fichtelgebirge, Schlaggenwald bei Karlsbad) – 3. Bretagne – 4. Iberische Zinnprovinz – 5. Französisches Zentralplateau – 6. Sardinien – 7. Insel Elba – 8. Italieni sche Halbinsel, Monte Valerio bei Campiglia Marittima – 9. Serbien; Bosnien (Cer und Bukulja mit Seifen an der Drina) – 10. Slowakei (Westkarpaten) (Karte und Legende nach Haustein 2013, Abb. 4).
Die Herkunft des Zinns, das für die Herstellung von Bronze be-
Für Ostösterreich könnte man die am nächsten gelegenen Lager-
nötigt wird, ist für die Urnenfelderzeit Mitteleuropas eine offene
stätten von Zinnstein im sächsisch-böhmischen oder im slowaki-
Frage, obwohl hinsichtlich der Erforschung von Zinnbergwerken
schen Erzgebirge annehmen (Abb. 07_32); allerdings ist noch für
und -lagerstätten94 sowie der Herkunftsbestimmung des Zinns
keines der beiden Gebiete eine prähistorische Zinngewinnung
in jüngerer Vergangenheit große Fortschritte erzielt wurden. Die
gesichert.97 Allgemein geht man davon aus, dass in der Bronze-
Verhältnisse der stabilen Isotopen des Zinns im Kassiterit (Zinn-
zeit nicht die unterirdischen primären Lagerstätten des Zinn-
stein), dem wichtigsten Zinnerz, und in prähistorischen Bronzen
steins abgebaut wurden, sondern die einfacher zugänglichen
ermöglichen eine Unterscheidung bedeutender Lagerstätten
sekundären Flusslagerstätten, wo die Zinnseifen aufgesammelt
(z. B. Cornwall und sächsisch-böhmisches Erzgebirge) und damit
oder in Schurfen gewonnen werden konnten.98 Eine solche Art
eine Herkunftsbestimmung.95 Herkunftsanalysen wurden bereits
der Zinngewinnung lässt sich natürlich archäologisch kaum
an Bronzeobjekten der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur
nachweisen, zumal die Zinnseifen-Lagerstätten auch in späteren
durchgeführt.
Zeiten intensiv genutzt wurden und prähistorische Abbauspuren
96
Analysen urnenfelderzeitlicher Bronzen fehlen
hingegen zurzeit noch.
dabei vermutlich weitgehend zerstört wurden.
94 Z. B. Erb-Satullo/Gilmour/Khakhutaishvili 2015. 95 Haustein 2013.
97 Zu neueren Forschungen vgl. Garner/Cheben/Demant et al. 2014.
96 Brügmann/Berger/Pernicka et al. 2015
98 Berger/Pernicka/Nessel et al. 2014, 80.
198
7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe
Abb. 07_33. Kartierung der urnenfelderzeitlichen Goldfunde in Ostösterreich (Niederösterreich, Wien, Burgenland): 1. Plaika – 2. Franzhausen-Kokoron – 3. Unterradlberg – 4. Rothengrub – 5. Vösendorf – 6. Sigleß – 7. Leithaprodersdorf – 8. Petronell (Kartengrundlage: Land NÖ, BD3; Kartierung: P. Trebsche).
7.3.2 Gold Edelmetall ist unter den archäologischen Funden – nicht nur der Urnenfelderzeit – selten, da es großen Wert besaß und zum über-
Feststellbar ist aber, dass Zinn bzw. Zinnstein sowohl in die
wiegenden Teil wieder eingeschmolzen wurde. Im Osten Öster-
Kupferbergbaue als auch in andere Siedlungen gelangte, in de-
reichs sind urnenfelderzeitliche Goldobjekte bislang aus einem
nen Metallverarbeitung stattfand. Einerseits wurden nämlich
Hortfund (Rothengrub) und aus Gräbern bekannt (Abb. 07_33).
in der Kupferbergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil nachweis-
Im Gräberfeld von Vösendorf (VB Mödling) befanden sich in zwei
lich auch Bronzeobjekte hergestellt, andererseits fanden sich
als Steinkisten angelegten Gräbern aus der älteren Urnenfelder-
Rohkupferbarren (sog. Gusskuchen), die vor ihrer Verarbeitung
kultur auch Goldfunde. In der Steinkiste von Grab 10 fand man
erst mit Zinn zu Bronze legiert werden mussten, in zahlreichen
Goldfäden und dünne Golddrahtstücke, die an der Ostecke, an
Hortfunden auch weitab der Kupferlagerstätten.99 Zinnstein ist
der Ostseite und in der Nordostecke lagen, also gegenüber dem
ein unscheinbares braunes Mineral, das man bei Ausgrabungen
Leichenbrand, der sich in der Nordecke und an der Südostseite
leicht übersehen kann. An der Fundstelle Sursee-Gammainseli
befand. In Grab 11 lagen an der Südostseite in der Steinkiste
im Sempachersee (Kanton Luzern, Schweiz) wurde ein flacher,
mehrere Goldfäden, während sich der Leichenbrand an der Ost-
unregelmäßiger Zinnbarren mit einem ursprünglichen Gewicht
seite befand.101 Die Goldfäden waren Bestandteil eines gold-
von ca. 700 g entdeckt, der eine Vorstellung vermittelt, in wel-
durchwirkten Textils102, das abseits vom Leichenbrand im Grab
cher Form das Zinn während der Urnenfelderzeit in Mitteleuropa
deponiert wurde. Beide Steinkistengräber wurden als „gestört“
verhandelt wurde.
beschrieben, waren also vermutlich alt beraubt.
100
99 Z. B. Lauermann/Rammer 2013, 206–209, S. 39 Karte 11.
101 Ladenbauer-Orel/Seewald 1940–45, 31.
100 Nielsen 2014.
102 Grömer 2016, 193 f. und Abb. 112.
199
7. Bergbau und Rohstoffe
1
2
3
Abb. 07_34. Goldfunde aus Ostösterreich: 1. Sigleß, Hügelgrab 41 – 2. FranzhausenKokoron, Grab 677 – 3. Franzhausen-Kokoron, Grab 569 – 4. Plaika, Grab 9 (1. Foto D. Talaa – 2–3. nach Lochner/Hellerschmid 2016 – 4. Foto A. Preinfalk) – 1 und 4. ohne Maßstab.
4
Aus dem nördlichen Burgenland sind zwei weitere urnenfelderzeitliche Goldfunde zu erwähnen: In Leithaprodersdorf (VB Eisenstadt-Umgebung) wurde ein Ring aus dünnem Golddraht zusammen mit Bronzegegenständen unter einer Graburne gefunden.106 Das alt beraubte urnenfelderzeitliche Hügelgrab 41 in
Im älterurnenfelderzeitlichen Brandgrab 9 von Plaika (VB Melk),
Sigleß (VB Mattersburg) enthielt unter anderem einen Locken-
das ansonsten völlig beraubt war, fand sich ein 13 cm langes
ring aus tordiertem Golddraht (Abb. 07_34/1).107
Golddrahtstück (Abb. 07_34/4), vermutlich das Fragment ei-
Generell kann man feststellen, dass sich keine der ostöster-
nes aufgebogenen Spiralarmrings.103 Zwei Gräber der Nekropole
reichischen Nekropolen durch einen besonderen Reichtum an
von Franzhausen-Kokoron (VB St. Pölten-Land) enthielten eben-
Goldbeigaben auszeichnet. Das liegt zum größten Teil daran,
falls Goldgegenstände: In Grab 677, dem Grab einer erwachse-
dass die meisten Gräber beraubt sind. Daher ist es schwierig zu
nen Frau, lag ein goldener Spiralring (Finger- oder Lockenring) mit
entscheiden, welche Bedeutung dem Goldschmuck als Status-
vier Windungen (Dm. 14 mm) (Abb. 07_34/2). Ansonsten enthielt
oder Prestigeobjekt in den Gräbern zukam.108
das Grab nur eine bronzene Zwiebelkopfnadel und ein Beigefäß.
In Niederösterreich treten Goldfunde weder in bestimmten Zeit-
Deutlich reicher ausgestattet war hingegen Grab 569 aus Franz-
abschnitten noch in bestimmten Regionen gehäuft auf (siehe
hausen-Kokoron, in dem eine im Alter von 25 bis 35 Jahren ver-
Abb. 07_33). Es handelt sich hauptsächlich um Reste, die im
storbene Frau beigesetzt worden war. Im Grab fanden sich drei
Zuge der Beraubung in den Gräbern übrig blieben. Das Gold wur-
Goldblechfragmente (Abb. 07_34/3), von denen eines ein kon-
de materialsparend zu dünnstem Blech oder Draht verarbeitet;
zentrisches Kreisaugenmuster trägt. Es könnte sich zum Beispiel
es handelt sich in keinem Fall um mehr als einige Gramm Edel-
um die Reste einer goldblechverzierten Scheibe wie im Depot von
metall. Gleiches gilt auch für benachbarte Regionen wie Mäh-
Rothengrub (siehe weiter unten und Kap. 11, Abb. 11_27) oder
ren109, Oberösterreich110, die Steiermark111 oder Salzburg112.
um die Bruchstücke eines goldenen Gefäßes handeln. Außerdem konnten bei der Verstorbenen mehr als 30 Bronzeringe und mehr als 100 Perlen, ein bronzener Nadelschaft und weitere ver-
106 Ohrenberger 1951–55, 43. 107 Talaa/Herrmann 2014, 171. 108 Z. B. Sperber 1992; Clausing 2005, 84 ff.
schmolzene Bronzefragmente sowie zwei Gefäße im Grab doku-
109 Stuchlík 2015.
mentiert werden.
110 Traunkirchen: Blesl/Preinfalk 2008, 148 Kat.-Nr. 3.3.1.C (Grab 19); 149 Kat.-Nr. 3.3.5 (Grab 61); Hochhold 2016, 96 f. (Gräber 19, 61, 68, 78).
104
Auch in dem Ha A-zeitlichen Gräberfeld von
Unterradlberg (VB St. Pölten) werden Golddrahtreste erwähnt.
105
103 Müller/Preinfalk/Preinfalk 2013, 235; D1542 mit Abb. 104 Lochner/Hellerschmid 2016. 105 Blesl/Neugebauer/Preinfalk 2002, 32.
200
111 Kainach: Gutjahr 2014, 103, Kat.-Nr. 12–13, Taf. 2, 12–13, Abb. 5, 8–10; Graz: Tiefengraber 2015, 383 f., 425 f., Abb. S. 383 und S. 425. 112 Obereching: Höglinger 1993, 47; 70, Taf. 5, 3 (Grab 10); 88 Taf. 26, 15 (Grab 57); 97 Taf. 36, 9 (Grab 76); Bischofshofen-Pestfriedhof: Lippert/ Stadler 2009, Bd. 1: 39, Abb. 10; Bd. 2: 63, Taf. 80 (Grab 310).
7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe
Abb. 07_35. Spiralarmband aus massivem Gold aus Petronell (©NHM Wien, Foto: A. Schumacher).
fund vom Arikogel (KG Untersee, Bezirk Gmunden, Oberöster-
Massiver gegossener Goldschmuck, wie er im Karpatenbecken
wicht, und dem Hortfund XII aus dem Koppental (KG Straßen, VB
von Siebenbürgen bis in die Ostslowakei häufig in Deponierun-
Liezen, Steiermark), der sich aus drei Lockenringen, drei Gold-
gen auftritt,113 ist aus Ostösterreich bislang unbekannt. Die ein-
drahtbündeln, drei Golddrahtknäueln, zahlreichen Drahtstü-
den zwei schwersten Goldfunden aus den Ostalpen, dem Hortreich), bestehend aus zwei Paaren reich verzierter Armspiralen und fünf Paaren einfacher Spiralringe mit insgesamt 506 g Ge-
zige Ausnahme stellen zwei goldene Doppelspiralarmbänder
cken und Spänen mit einem Gesamtgewicht von 190 g zusam-
(Abb. 07_35) mit 99 g bzw. 126,5 g Gewicht dar, die in Petronell
mensetzt, scheint ein Zusammenhang mit dem Salzbergbau von
(VB Bruck an der Leitha) gefunden wurden.114 Der Verbreitungs-
Hallstatt höchst wahrscheinlich, da die beiden Depots an einer
schwerpunkt dieses charakteristischen Typs liegt im nordöstli-
wichtigen Wegroute, nur wenige Gehstunden von der Saline ent-
chen Teil des Karpatenbeckens zwischen den Flüssen Theiß und
fernt, verborgen waren.116
Körös, weshalb ihre Herstellung und Herkunft im rumänischen
Ein Zusammenhang mit Bergbau wird auch für den einzigen Gold
Siebenbürgen vermutet werden.
115
führenden Hortfund Niederösterreichs – das Depot aus Rothen-
Die Verteilung der Goldfunde erscheint eher zufällig und spora-
grub in der Gemeinde Höflein an der Hohen Wand (VB Neunkir-
disch (siehe Abb. 07_33). Gerade deshalb ist es schwierig, Her-
chen) – angenommen. Urgeschichtlicher Kupferbergbau ist für
kunft, Handelswege und die Mechanismen der Verteilung des
das Gebiet der Hohen Wand allerdings nicht gesichert nach-
Goldes während der Urnenfelderzeit zu rekonstruieren. Nur bei
weisbar, wenn auch nicht ausgeschlossen. Auch der Schmuck aus Rothengrub ist materialsparend hergestellt. Die Datierung
113 Moszolics 1973; 1981; Novotná 1988/89.
ist nach wie vor schwierig, am wahrscheinlichsten ist aber die
114 Barth 1997. 115 Zuletzt zu Typologie und Verbreitung: Lichter 2013, 133–138, Abb. 13.
116 Gruber 2008, 77 und 175–177, Kat.-Nr. 4.2.1–4.2.9.
201
7. Bergbau und Rohstoffe
Abb. 07_36. Schmuckdepot von Rothengrub: 1. Spiralringe – 2. Posamenteriefibel aus Golddraht (©NHM Wien, Foto: A. Schumacher).
1
2
Stufe Ha A2.117 Die fünf Spiralringe (Lockenringe) aus Golddraht
Lokalisierung der Herkunft gelang allerdings nicht.119 Die neu-
mit einem Durchmesser von etwa 2,6–3,0 cm bringen nur weni-
eren Goldanalysen der Depots vom Arikogel und aus dem Kop-
ge Gramm Gold auf die Waage (Abb. 07_36/1). Eine Posamente-
pental lassen ebenfalls auf Seifengold schließen. Sie werden der
riefibel besteht aus drei aufeinander gelegten Bronzeteilen, die
Materialgruppe A3 zugeordnet – dem häufigsten Material der
dicht mit Goldlahn (dünnem Golddraht) umwickelt wurden (Abb.
Mittelbronzezeit in Mitteleuropa, dessen Herkunft im Sieben-
07_36/2). 20 längliche Zierleisten sind aus Bronzeblech gefer-
bürgischen Erzgebirge vermutet wird.120 Die Materialgruppe A3
tigt sowie mit Goldfolie überzogen und zierten wahrscheinlich
zeichnet sich, ähnlich wie die Gruppe A1/N, durch einen hohen
einen Ledergürtel (siehe Kap. 11, Abb. 11_27). Eine runde Zier-
Silbergehalt, sehr geringe Zinnanteile und das Vorkommen von
scheibe aus Bronze ist ebenfalls nur mit einer dünnen Goldfolie
Kupfer aus.
überzogen.
Direkte Belege für urgeschichtliche Goldgewinnung in Sieben-
Bei dem Ensemble aus Rothengrub handelt es sich, wie Ver-
bürgen fehlen.121 Vor wenigen Jahren gelang der überraschende
gleichsfunde in ähnlicher Zusammensetzung z. B. aus Obuda,
Nachweis, dass Gold ab der Kupferzeit auch schon bergmän-
Velem, Sághegyi oder Dunántúl zeigen, um Bestandteile einer
nisch gewonnen wurde, also nicht nur durch Goldwaschen aus
Frauentracht mit Fibel, Kopfschmuck, Gürtel oder Kragen, Haar-
sekundären Seifenlagerstätten. Das älteste bekannte Goldberg-
haltern und golddurchwirkten Gewändern oder um den Schmuck
werk von Sakdrissi in Georgien stand bereits im 3. Jt. v. Chr. in
einer Kultstatue.
Betrieb.122 Für die mögliche Herkunft des urnenfelderzeitlichen
118
Ein solcher Ornat kennzeichnete ohne Zwei-
fel eine sozial hochstehende Person.
Goldes in Mitteleuropa ist aber vor allem eine Entdeckung
Der Frage nach der Herkunft des urnenfelderzeitlichen Goldes wur-
nahe der bulgarischen Stadt Krumovgrad von Bedeutung.
de bereits in mehreren archäometallurgischen Projekten unter-
Auf dem Berg Ada Tepe in den östlichen Rhodopen wurde
sucht. Die älteren Analysen des Goldes im Hort von Rothengrub
ein ausgedehntes bronzezeitliches Goldbergwerk mit der
ordneten das Edelmetall aufgrund seiner chemischen Zusam-
zugehörigen Werkstattsiedlung, in der das Gold verarbeitet
mensetzung der donauländischen Materialgruppe A1/N zu, die
wurde, entdeckt. Anhand der Keramik und Radiokarbondaten
ab der Spätbronzezeit auftritt und sich durch einen beträchtli-
lässt sich der Beginn der bronzezeitlichen Goldgewinnung auf
chen Anteil an Silber sowie wenige Prozente Kupfer auszeichnet.
dem Ada Tepe im 16./15. Jh. v. Chr. festlegen, der Höhepunkt fiel
Wegen der großräumigen Verbreitung dieser Materialgruppe
in die Zeit von 1200 bis 1000 v. Chr.123
und ihrer Häufigkeit vermutet man ein ergiebiges Vorkommen, das erst in der Urnenfelderzeit erschlossen wurde. Die Zusammensetzung deutet auf die Gewinnung von Flussgold hin; eine 117 Zur Zusammensetzung und Datierung des Hortfundes: Pittioni 1952; ; Modl 2011; zuletzt: Gleirscher 2014, 140 f.; Ilon 2015, 88 f., 93. 118 Barth 1988/89, 161; zusammenfassend zur Interpretation: Ilon 2015, 111 f.
202
119 Hartmann 1970, 42 und 116 f., Tabelle 18, Nr. Au198–200, 255, 289, 295. 120 Pernicka/Bühler/Leusch et al. 2008, 79; Hartmann 1982, 33 Abb. 4. 121 Vgl. Lazarovici/Lazarovici/Constantinescu 2015. 122 Stöllner 2014. 123 Popov/Nikov/Jockenhövel 2015, 55.
7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe
Der Forschungsstand lässt vermuten, dass das urnenfelderzeitliche Gold in Ostösterreich aus osteuropäischen Lagerstätten stammt und möglicherweise bergmännisch gewonnen wurde.124 Bislang fehlen jedenfalls jegliche Hinweise auf eine lokale Goldgewinnung in den Ostalpen oder in den Gold führenden Flüssen Österreichs während der Urnenfelderzeit.125
7.3.3 Eisen Die ersten Eisenartefakte in Mitteleuropa treten bereits in der Spätbronzezeit auf.126 In Ostösterreich datieren die ältesten Eisenfunde in die jüngere bis späte Urnenfelderzeit (Ha B2–B3).127 Die Entdeckung des neuen Metalls gelang wahrscheinlich Bronzemetallurgen in Ostanatolien, die zu Beginn des 2. Jt.s v. Chr. bei der Verhüttung von Kupferkies das Eisen in den Verhüttungsschlacken entdeckten und verarbeiteten. Vereinzelte Artefakte aus meteorischem Eisen sind bereits aus früheren Zeiten bekannt. Im Laufe des 2. Jt.s v. Chr. breiteten sich Eisengegenstände im Nahen Osten, in Ägypten, in der Ägäis und in Griechenland, auf dem Balkan und im nördlichen Schwarzmeergebiet aus.
Abb. 07_37. Kartierung der urnenfelderzeitlichen Eisenfunde in Ostösterreich (Niederösterreich, Wien, Burgenland): 1. Hadersdorf am Kamp – 2. FranzhausenKokoron – 3. St. Andrä – 4. Stillfried (Kartengrundlage: Land NÖ, BD3; Kartierung: P. Trebsche).
Ab dem 12. Jh. v. Chr. ist Eisen in kleinen Mengen, ab dem 8. Jh.
kurzem entwickelt und werden diese Forschungsfrage zukünftig
in größeren Mengen in Mitteleuropa bekannt.128 In diesem Zu-
hoffentlich klären können.130
sammenhang sei erwähnt, dass die häufig als ältester Eisenfund
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden hier nur Funde aus
Mitteleuropas bezeichnete eiserne Klinge aus Gánovce in der
gesicherten und datierbaren Befundzusammenhängen aufge-
Ostslowakei dem Befundzusammenhang nach nicht in die aus-
zählt (Abb. 07_37).
klingende Otomani-Kultur bzw. die beginnende Mittelbronzezeit
Im Gräberfeld von Stillfried an der March (VB Gänserndorf)
(15. Jh. v. Chr.) datiert, sondern offensichtlich im Zuge der hall-
kommt ein eisernes Griffangelmesser (Abb. 07_38/3) in Grab 12
stattzeitlichen Nachnutzung des verfüllten Brunnenschachts in
vor. In Grab 6 befanden sich ein Bruchstück einer eisernen
die Erde gelangte.129
Messerklinge (Abb. 07_38/5) sowie eine große Eisenscheibe
Die urnenfelderzeitlichen Eisenartefakte in Ostösterreich und
(Dm. mehr als 11 cm) und drei kleine Eisenscheiben (Abb.
in Mitteleuropa wurden entweder aus importiertem Eisen her-
07_38/6–9), die als Bestandteile von Pferdegeschirr dien-
gestellt oder als fertige Artefakte importiert. Archäometrische
ten (siehe Kap. 9, Abb. 09_26-1). Beide Gräber datieren in die
Methoden zur Herkunftsbestimmung von Eisen wurden, im Ge-
Stufe Ha B3.131
gensatz zu denen für Kupfer und dessen Legierungen, erst vor
Im Gräberfeld von St. Andrä vor dem Hagenthale (VB Tulln) fan-
124 Am Institut OREA der ÖAW begann 2015 ein von Barbara Horejs ge leitetes und vom FWF gefördertes Projekt mit dem Titel „Das Gold des Balkans. Die Goldmine von Ada Tepe“, das neue Ergebnisse zu dieser Frage erwarten lässt (FWF P-28451). Vgl. die Beiträge in: Haag/Popov/ Horejs et al. 2017. 125 Zu Goldlagerstätten in Österreich: Lehrberger 2001. – Die vor Kurzem geäußerte Hypothese, dass in der Obersteiermark Gold auf schmelz metallurgischem Weg aus Kupfererz gewonnen worden sei (Preßlinger/ Eibner/Preßlinger 2012), überzeugt nicht (so auch Gleirscher 2014, 130, Anm. 3). 126 Primas 2014, 272 f. 127 Lochner 1991, 207.
den sich eiserne Nadelschäfte (Abb. 07_38/1–2) – leider nur fragmentarisch erhalten und daher typologisch nicht aussagekräftig – in drei Gräbern (18, 32 und 35A) der Stufen Ha B2–3.132 Grab 21 von Hadersdorf am Kamp (VB Krems-Land) enthielt ein eisernes Griffangelmesser (Abb. 07_38/4).133 Gesicherte Grabkontexte sind aus der Nekropole von Franzhausen-Kokoron bekannt.134 In den Gräbern 35, 62, 123 und 347 130 Z. B. Charlton 2015. 131 Kaus M. 1984, 35 f.
128 Pleiner 2000, 3–17 Abb. 1–5.
132 Eibner C. 1974, 34.
129 Furmánek 2000, 158, mit älterer Literatur; zur Neudatierung: Benkovsky-Pivovarová 2002.
134 Lochner/Hellerschmid 2016.
133 Scheibenreiter 1954, 13 Taf. 11, 5.
203
7. Bergbau und Rohstoffe
4
2 3
1
5
7
8
6
9
10
13
11
14
Abb. 07_38. Eisenfunde aus Ostösterreich: 1. St. Andrä, Grab 32 – 2. St. Andrä, Grab 35 – 3. Stillfried an der March, Grab 12 – 4. Hadersdorf am Kamp, Grab 21 – 5–9. Stillfried an der March, Grab 6 – 10–16. Gräberfeld FranzhausenKokoron. (1. nach Eibner C. 1974, Taf. 34d – 2. nach Eibner C. 1974, Taf. 37f – 3. nach Kaus M. 1984, Taf. 13/12a – 4. nach Scheibenreiter 1954, Taf. 11/5 – 5–9. nach Kaus M. 1984, Taf. 8/6g, Taf. 9/6i.k.n – 10–16. nach Lochner/Hellerschmid 2016) – Maßstab 1:2.
204
12
15
16
7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe
(Abb. 07_38/10–16) lag jeweils ein eisernes Griffangelmesser. Der Anzahl der übrigen Beigaben und Beigefäße nach zu urteilen, handelt es sich um vier ganz unterschiedlich reich ausgestattete Gräber. Nur Grab 347 mit einer jüngeren Vasenkopfnadel lässt sich genauer in die jüngere bis späte Urnenfelderzeit datieren. Ein gebogenes bandförmiges Eisenfragment aus Grab 31 kann
2
man funktional nicht verlässlich ansprechen. Zwei eiserne Klingenfragmente wurden in der Urne von Grab 119 gefunden und als Toilettebesteck oder Eisenmesser gedeutet. Da ein Bruchstück eines bronzenen Griffangelmessers bei den Tierknochen außerhalb der Urne lag, dürfte den zwei Eisenfragmenten in der Urne eine andere Funktion als dem Fleischmesser zukommen. Schließlich sei noch auf eine gut befundete Nekropole im ungarischen Szombathely-Zanat hingewiesen, wo drei Gräber ebenfalls Eisenfunde enthielten, die in die dritte und letzte späturnenfelderzeitliche Phase des Gräberfelds datieren. In der Urne von Grab 4 fanden sich ein kleiner Ring (Dm. 27 mm), eine Perle (Dm. 20 mm), ein Beschlag mit Loch sowie ein Messer aus Eisen. Grab 33 enthielt fünf oder sechs größere Eisenringe (Dm. 55– 58 mm), die wahrscheinlich zu einem Pferdegeschirr gehörten.135 Wie aus der Zusammenstellung ersichtlich ist, sind datierbare urnenfelderzeitliche Eisenfunde im Arbeitsgebiet bislang nur aus Gräbern bekannt. Das Fehlen in den gut erforschten Höhenbefestigungen und in Flachlandsiedlungen ist auf die mehrphasige Besiedlung dieser Fundstellen zurückzuführen, die eine gesicherte Stratifizierung und Datierung kleiner Eisenfunde fast unmöglich machen. Bei den frühesten Eisenobjekten handelt es sich hauptsächlich um Messerklingen, Nadeln und wahrscheinlich Bestandteile des Pferdegeschirrs (Zierscheiben und -ringe), die so stark korrodiert, fragmentiert oder von so einfacher Form sind, dass sie keine nähere typologische Ansprache ermöglichen. So ist es auch nicht möglich zu entscheiden, ob es sich um lokal hergestellte oder importierte Produkte handelt. Ihr Vorkommen ist nicht nur an besonders reiche Grabausstattungen geknüpft, wes-
1
halb sich den Eisenfunden kein besonderer Prestigecharakter
Abb. 07_39. 1. Bimetallischer Dolch aus Altenmarkt bei Leibnitz, Steiermark (Länge 45,4 cm) – 2. Bruchstück eines solchen Dolchs aus Stillfried an der March (1. Archäologie & Münzkabinett /Universalmuseum Joanneum GmbH., Foto: N. Lackner – 2. nach Stroh schneider/Vahlkampf 1980, Taf. 55).
zuschreiben lässt. Ein Import war unter den Altfunden aus Stillfried. Es handelt sich
Altenmarkt bei Leibnitz in der Steiermark (Abb. 07_39/1). Auf-
um das Bruchstück eines Dolchs vom Typ Golovjatino-Leibnitz
grund des Verbreitungsmusters und der speziellen Herstellungs-
(Abb. 07_39/2), der aus einer Eisenklinge mit im Überfangguss
technik ist eine direkte Herkunft aus dem Kaukasusgebiet anzu-
angebrachten Bronzegriff besteht. Er gehört zu den Bronze-
nehmen.137 Mit diesen Dolchen kimmerische Einfälle zu belegen,
dolchen mit kreuzförmigem Griff und Eisenklinge, deren Verbrei-
wie in der älteren Forschung vertreten, wird den komplexen weit-
tungsschwerpunkt im Kaukasusgebiet liegt; einzelne Exemp-
räumigen Kulturkontakten am Übergang von der Urnenfelder- zur
lare streuen weit westlich bis in das Karpatenbecken und nach
Eisenzeit, die unter anderem zur Ausbreitung der Eisentechno-
Mitteleuropa.136 Ein äußerst gut erhaltenes Exemplar stammt aus
logie führten, nicht gerecht.138
135 Ilon 2011, 160; 162, Fig. 83; 22 f., Fig. 9; 10/4, 7; 34 f., Fig. 36
137 Mele 2011.
136 Strohschneider/Vahlkampf 1980, 144, Verbreitungskarte Taf. 55.
138 Strohschneider/Vahlkampf 1980, 144; Metzner-Nebelsick 1996.
205
7. Bergbau und Rohstoffe
Beim derzeitigen Forschungsstand lassen sich jene Mechanismen des Gütertauschs oder des Technologietransfers, die zur Ausbreitung der Eisenfunde, der Kenntnis der Eisenbearbeitung und später der Eisenverhüttung führten, nicht ausreichend konkretisieren. Die frühe Nutzungsphase des Eisens wird aufgrund der geringen Materialmengen auch als Sekelwirtschaft bezeichnet.139 Diese wurde in Mitteleuropa erst im 8. Jh. v. Chr. von der Minenwirtschaft140 abgelöst.141 Es wird zudem eine Schmuck- und Luxusphase des Eisengebrauchs angenommen, der erst in der Stufe Ha C ein materialgerechter Einsatz des Werkstoffs Eisen folgt.142 Erstaunlich ist, dass Eisen innerhalb Mitteleuropas während der Urnenfelderzeit über lange Zeit sporadisch, aber weiträumig gleichzeitig genutzt wurde und es nicht früher zu einer umfangreicheren eigenen Produktion bzw. Verhüttungsversuchen kam.
7.3.4 Grafit Grafit wurde während der Urnenfelderzeit bei der Herstellung von Keramik für die Grafitierung von Gefäßoberflächen verwen-
Abb. 07_40. Kartierung der Grafitlagerstätten (nach Weiß 1987, Beilage 2; Hlava 2008, Karte 1a) und urnenfelderzeitlicher Grafittonkeramik sowie Rohgrafitstücke in Ostösterreich (Niederösterreich, Wien, Burgenland): 1. Hafnerbach – 2. Hain – 3. Unterradlberg – 4. Grünbach am Schneeberg Am Gelände – 5. Hollabrunn (Kartengrundlage: Land NÖ, BD3; Kartierung: P. Trebsche).
det. Die Keramik wird dadurch besser abgedichtet und erhält einen dunklen, metallischen Glanz, wenn man ein Rohgrafitstück
Grafitknollen.145 In der Nähe von Hafnerbach liegen die Grafit-
an der Gefäßoberfläche abreibt.
lagerstätten des Dunkelsteinerwalds, der einen Ausläufer der
Grafitlagerstätten sind in Niederösterreich (Abb. 07_40) vor al-
Böhmischen Masse südlich der Donau bildet. Diese Lagerstätten
lem im Bereich der Böhmischen Masse, im sog. Graphitbezirk
wurden auch im Mittelalter für die Schwarzhafnerei genutzt, die
Bunte Serie zu finden, der sich in Südböhmen fortsetzt. Verein-
dem Ort den Namen gab. In einigen urnenfelderzeitlichen Sied-
zelt kommt Grafit auch in der Veitscher Decke der Grauwacken-
lungsobjekten am Göllersbach in der KG Hollabrunn (VB Holla-
zone vor, die den Ausläufer der entsprechenden Lagerstätten in
brunn) entdeckte man ebenfalls Grafitbruchstücke, die offenbar
der Obersteiermark darstellt.143 Bis in die Neuzeit waren viele
mit der durch zahlreiche Fehlbrände nachgewiesenen Töpferei
dieser kleinen Lagerstätten oberflächlich leicht erkennbar und
an Ort und Stelle in Zusammenhang stehen.146
ohne großen Aufwand abbaubar, weshalb man eine Gewinnung
Abgesehen von der Oberflächengestaltung bietet der Grafit eine
durch Aufsammlung von Grafitstücken oder einfache Schurfe
zweite Verwendungsmöglichkeit, die vor allem in späteren Zei-
auch für die gesamte Urgeschichte annehmen kann. Ein archäo-
ten wie der Latènezeit oder im Mittelalter weithin gebräuchlich
logischer Nachweis von Grafitabbau ist deshalb äußerst schwie-
war: die Herstellung von Grafittonkeramik, also die Magerung
rig zu erbringen und fehlt bislang. Indirekte Hinweise sind
des Tons mit fein zermahlenem Grafit, um eine besonders feuer-
Rohgrafitfunde aus mehreren Siedlungsbefunden: „Teilweise ab-
feste und wasserabweisende Keramik zu erzeugen. In geringem
gescheuerte Grafitknollen“ wurden beispielsweise in der Höhensiedlung Am Gelände bei Grünbach am Schneeberg (VB Wr. Neustadt-Land) gefunden.144 In zwei Ha-A-zeitlichen Gruben von Hafnerbach (VB St. Pölten) fand sich eine größere Anzahl von 139 Nach der vorderasiatischen Gewichtseinheit Sekel/Schekel (16 g). 140 1 Mine entspricht ca. 0,5 kg. 141 Pleiner 2000, 6–8. 142 Primas 2014, 305 f. 143 Weber 1997, 231. 144 Mühlhofer 1952, 84.
206
145 Göller 1995, 273, 279. 146 Hasenhündl 1988, 278.
Abb. 07_41. Typenspektrum der Grafittonkeramik in Unterradlberg (nach Adametz 2011): 1–11. häufige Typen – 12–17. seltene Typen. (Adametz 2011, 1. Taf. 23/6 – 2. Taf. 24/7 – 3. Taf. 30/2 – 4. Taf. 30/1 – 5. Taf. 123/4 – 6. Taf. 21/4 – 7. Taf. 21/6 – 8. Taf. 21/3 – 9. Taf. 22/1 – 10. Taf. 24/8 – 11. Taf. 34/3 – 12. Taf. 81/6 – 13. Taf. 41/6 – 14. Taf. 25/7 – 15. Taf. 63/6 – 16. Taf. 49/10 – 17. Taf. 124/6; Montage: P. Trebsche) – Maßstab 1:4.
7.3 Weitere bedeutende Rohstoffe
1 2
3
4
5
7
6
8
10
9
11
13
16 15
12
14
17
207
7. Bergbau und Rohstoffe
Ausmaß kommt Grafittonkeramik auch während der mittleren und späten Bronzezeit in Niederösterreich, Oberösterreich, im östlichen Oberbayern und in der Steiermark vor.147 In der urnenfelderzeitlichen Siedlung von Unterradlberg (Stadt St. Pölten) wurden zahlreiche grafitgemagerte Keramikfragmente gefunden148; in zwei Gruben fanden sich außerdem Grafitstücke149. Von den Gefäßformen her handelt es sich vor allem um Töpfe mit geradem oder S-förmigem Rand, manche von ihnen sind mit Fingerstrichrauung, horizontalen Grifflappen oder Fingertupfenleisten versehen (Abb. 07_41/1–11). Selten wurden auch Schalen mit vertikalem oder eingezogenem Rand, Keramikperlen und Siebgefäße aus Grafitton gefertigt (Abb. 07_41/12– 17). In der benachbarten Katastralgemeinde Hain (Gemeinde Obritzberg-Rust, VB St. Pölten-Land) wurde ebenfalls eine urnenfelderzeitliche Grube mit grafitgemagerter Grobkeramik entdeckt.150 Wenige Kilometer östlich der bereits erwähnten Grafitlagerstätten im Dunkelsteinerwald lässt sich also eine lokale Produktion von Grafittonkeramik während der Urnenfelderzeit vermuten (siehe Abb. 07_40). Die Funktion der urnenfelderzeitlichen Grafittonkeramik ist noch nicht geklärt. Weitmundige, außen mit senkrechten Fingerstrichen geraute Grafittongefäße aus Hallstatt brachte man zuerst mit dem Gradieren von Quellsole in Zusammenhang.151 Für die Grafittonkeramik aus Niederösterreich und der Steiermark152 kann diese Erklärung aber nicht zutreffen, da sie weitab von Solequellen vorkommt. Möglicherweise handelt es sich um spezielle Kochgefäße, die zum Auskochen von Knochen und Fleischabfällen verwendet wurden, um haltbare Brühe herzustellen.153
7.4 Literatur Adametz 2011: K. Adametz, Eine Siedlung der Urnenfelderkultur in Unterradlberg, Niederösterreich, FÖ 50, 2011, 67–92; D4-D493 (Digitalteil). Aidona/Scholger/Mauritsch et al. 2006: E. Aidona/R. Scholger/ H. J. Mauritsch/E. Schnepp/S. Klemm, Spatial distribution of archaeomagnetic vectors within archaeological samples from Eisenerz (Austria), Geophysical Journal International 166, 2006, 46–58. Artner/Fettinger 2010: G. Artner/B. Fettinger, KG Urschendorf, FÖ 49, 2010, 325–326. Barth 1983: F. E. Barth, Bronzezeitliche Graphittonkeramik vom Salz bergtal bei Hallstatt, Annalen NHM Wien 85A, 1983, 19–26. Barth 1988/89: F. E. Barth, Zum Goldscheibenfund von Óbuda, MAG 118/119 (Wien 1988/89), 155–162. Barth 1997: F. E. Barth, Zwei bronzezeitliche Goldarmreife aus Petronell, Niederösterreich. In: C. Becker/M.-L. Dunkelmann/ C. Metzner-Nebelsick/H. Peter-Röcher/M. Roeder/B. Teržan (Hrsg.), Chrónos. Beiträge zur prähistorischen Archäologie zwischen Nord- und Südosteuropa. Festschrift für Bernhard Hänsel, Internat. Arch. Stud. Honoraria 1 (Espelkamp 1997), 403–408. Barth 2011: F. E. Barth, Haute Cuisine in der Urzeit. MAG Wien 141, 2011, 91-96. Benkovsky-Pivovarová 1991: Z. Benkovsky-Pivovarová, Das mittel bronzezeitliche Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich. Ergebnisse der Ausgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums in den Jahren 1967 bis 1973, Band 3: Ergänzungskatalog, MPK 24 (Wien 1991). Benkovsky-Pivovarová 2002: Z. Benkovsky-Pivovarová, Zur Datierung des bronzezeitlichen Brunnens von Gánovce, Slovenská Arch. 50/2, 2002, 229–243. Berger/Pernicka/Nessel et al. 2014: D. Berger/E. Pernicka/B. Nessel/ G. Brügmann/C. Frank/N. Lockhoff, Neue Wege zur Herkunfts bestimmung des bronzezeitlichen Zinns, Blickpunkt Archäologie 4, 2014, 76–82. Blesl/Neugebauer/Preinfalk 2002: C. Blesl/J.-W. Neugebauer/ F. Preinfalk, SG St. Pölten, KG Unterradlberg, FÖ 41, 2002, 31–32.
147 Trebsche 2011, 453 mit Anm. 20. 148 Adametz 2011. 149 Adametz 2011, D64 (Obj. 1397); D68 (Obj. 1591). 150 Leingartner 2012, D487. 151 Barth 1983. 152 Kaiserköpperl bei Berndorf: Preßlinger/Eibner C. 2014, 71, Taf. 8.2/10; Pichl: Modl 2013, 50, 61 f. 153 Barth 2011, 91 f.; Modl 2013, 50.
208
Blesl/Preinfalk 2008: C. Blesl/A. Preinfalk, Urnenfelder- und hallstatt zeitliche Gräber im Kloster Traunkirchen. In: schätze.gräber. opferplätze traunkirchen.08 – Archäologie im Salzkammergut. Katalog zur Ausstellung im ehemaligen Kloster Traunkirchen 29. April bis 2. November 2008, FÖ, Materialhefte Reihe A, Sonderheft 6 (Wien 2008), 58–63. Brügmann/Berger/Pernicka et al. 2015: G. Brügmann/D. Berger/ E. Pernicka/B. Nessel, Zinn-Isotope und die Frage nach der Herkunft prähistorischen Zinns. In: T. Gluhak/S. Greiff/K. Kraus/ M. Prange (Hrsg.), Archäometrie und Denkmalpflege 2015. Jahrestagung an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, 25.–28. März 2015, Metalla Sonderheft 7 (Bochum 2015), 189–191.
7.4 Literatur
Cech/Walach 1995: B. Cech/G. Walach, Prospektion urzeitlicher Kupferschmelzplätze im Höllental, ArchA 79, 1995, 249–257. Cech/Walach 2002: B. Cech/G. Walach, Urzeitliche Kupferschlacken plätze in der Grauwackenzone zwischen Eisenerzer Alpen (Steiermark) und Rax-/Schneeberggebiet (Niederösterreich) – eine Übersicht, res montanarum 28, 2002, 17–20. Charlton 2015: M. F. Charlton, The last frontier in ‘sourcing’: the hopes, constraints and future for iron provenance research, Journal of Archaeological Science 56, 2015, 210–220. Clausing 2005: C. Clausing, Untersuchungen zu den urnenfelderzeit lichen Gräbern mit Waffenbeigaben vom Alpenkamm bis zur Südzone des Nordischen Kreises. Eine Analyse ihrer Grab inventare und Grabformen, BAR International Series 1375 (Oxford 2005). Czajlik 1993: Z. Czajlik, Exploration géoarchéologique du Mont Szent Vid. Recherches franco-hongroises à Velem Acta Archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 45 (Budapest 1993), 317–347. Daim/Ruttkay 1981: F. Daim/E. Ruttkay, Die Grabung von Franz Hampl am „Hausstein“ bei Grünbach am Schneeberg, Niederöster reich, ArchA 65, 1981, 35–51. Doonan/Klemm/Ottaway et al. 1996: R. C. P. Doonan/S. Klemm/B. S. Ottaway/G. Sperl/H. Weinek, The East Alpine Bronze copper smelting process: evidence from the Ramsau Valley, Eisenerz, Austria. S. Demirci (Hrsg.), Archaeometry 94, The Proceedings of the 29th International Symposium on Archaeometry, Ankara 9–14 May 1994 (Ankara, Tübitak 1996), 17–22. Eibner C. 1974: C. Eibner, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von St. Andrä v. d. Hgt., p. B. Tulln, NÖ. Aussagewert und Aussagegrenzen von Brandbestattungen für eine historische Interpretation, ArchA Beiheft 12 (Wien 1974). Eibner C. 1982: C. Eibner, Kupfererzbergbau in Österreichs Alpen. In: B. Hänsel (Hrsg.), Prähistorische Archäologie in Südosteuropa. Südosteuropa zwischen 1600 und 1000 v. Chr., 1 (Berlin 1982), 399–408. Emmerer/Steinlechner/Trinkaus et al. 2003: B. Emmerer/E. Stein lechner/P. Trinkaus/W. Gössler, Ökologische Untersuchungen von prähistorischen Kupferschlacken in der Eisenerzer Ramsau. In: S. Klemm, Montanarchäologie in den Eisenerzer Alpen, Steiermark. Archäologische und naturwissenschaftliche Unter suchungen zum prähistorischen Kupferbergbau in der Eisen erzer Ramsau, MPK 50 (Wien 2003), 165–173. Erb-Satullo/Gilmour/Khakhutaishvili 2015: N. L. Erb-Satullo/B. J. J. Gilmour/N. Khakhutaishvili, Crucible technologies in the Late Bronze-Early Iron Age South Caucasus: copper processing, tin bronze production, and the possibility of local tin ores, Journal of Archaeological Science 61, 2015, 260–276. Foltiny 1965: S. Foltiny, Bronze- und urnenfelderzeitliche Hirschhornund Knochentrensen aus Niederösterreich, MAG (Wien 95), 1965, 243–249. Furmánek 2000: V. Furmánek, Eine Eisensichel aus Gánovce. Zur Inter pretation des ältesten Eisengegenstandes in Mitteleuropa, PZ 75/2, 2000, 153–160.Furmánek/Veliačik/Vladár 1999: V. Furmánek/L. Veliačik/J. Vladár, Die Bronzezeit im slowaki schen Raum, Prähistorische Archäologie in Südosteuropa 15 (Rahden/Westf. 1999).
Garner/Cheben/Demant et al. 2014: J. Garner/M. Cheben/D. Demant/ U. Enke/R. Herd/J. Labuda/D. Modarressi-Tehrani/T. Stöllner/ P. Tóth, Neue montanarchäologische Untersuchungen im Slo wakischen Erzgebirge, Der Anschnitt 66/2–3, 2014, 66–77. Gleirscher 2014: P. Gleirscher, Frühes Gold aus Kärnten. In: S. Tecco Hvala (Hrsg.), Studia Praehistorica in Honorem Janez Dular, Opera Instituti Archaeologici Sloveniae 30 (Ljubljana 2014), 137–147. Goldenberg 2015: G. Goldenberg, Prähistorische Kupfergewinnung aus Fahlerzen der Lagerstätte Schwaz-Brixlegg im Unterinntal, Nordtirol. In: T. Stöllner/K. Oeggl (Hrsg.), Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen. Wissenschaftlicher Bei band zur Ausstellung im Deutschen Bergbaumuseum Bochum vom 30. Oktober 2015–24. April 2016, vorarlberg museum Bregenz vom 10. Juni 2016–26. Oktober 2016 (Bochum 2015), 151–163. Göller 1995: B. Göller, Zwei urnenfelderzeitliche Siedlungsgruben von Hafnerbach, Flur Gänsbichl, VB St. Pölten, Niederösterreich, FÖ 34, 1995, 273–292. Grömer 2016: K. Grömer, The Art of Prehistoric Textile Making. The development of craft traditions and clothing in Central Europe, Veröffentlichungen der Prähistorischen Abteilung 5 (Wien 2016). Gruber 2008: H. Gruber, Schätze aus Gold. Die urnenfelderzeitlichen Depotfunde vom Arikogel und aus dem Koppental. In: schätze. gräber.opferplätze traunkirchen.08 – Archäologie im Salzkam mergut. Katalog zur Ausstellung im ehemaligen Kloster Traun kirchen 29. April bis 2. November 2008, FÖ, Materialhefte Reihe A, Sonderheft 6 (Wien 2008), 72–77. Gutjahr 2014: C. Gutjahr, Das spätbronzezeitliche Grab 79 aus dem Gräberfeld von Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk. In: S. Tecco Hvala (Hrsg.), Studia Praehistorica in Honorem Janez Dular. Opera Instituti Archaeologici Sloveniae 30 (Ljubljana 2014), 91–112. Haag/Popov/Horejs et al. 2017: S. Haag/H. Popov/B. Horejs/ S. Alexandrov/G. Plattner (Hrsg.), Das erste Gold. Ada Tepe: Das älteste Goldbergwerk Europas (Wien 2017). Hackenberg 2003: M. Hackenberg, Bergbau im Semmeringgebiet, Archiv für Lagerstättenforschung der Geologischen Bundes anstalt 24 (Wien 2003), 5–97. Haider 1977: W. Haider, KG Sieding, FÖ 16, 1977, 352. Haider 1990a: W. Haider, KG Neunkirchen, FÖ 29, 1990, 244–245. Haider 1990b: W. Haider, KG Pottschach, FÖ 29, 1990, 202. Haider 1990c: W. Haider, KG St. Johann im Sierningtale, FÖ 29, 1990, 250–251. Haider-Berky 1987: W. Haider-Berky, Das Kart, ein ausgedehntes his torisches Bergbaugebiet südlich von Neunkirchen, Niederös terreich. In: A. Kusternig (Hrsg.), Bergbau in Niederösterreich. Vorträge und Diskussionen des sechsten Symposions des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde, Pitten, 1.–3. Juli 1985, Studien und Forschungen aus dem Niederösterrei chischen Institut für Landeskunde 10 (Wien 1987), 355–367.
209
7. Bergbau und Rohstoffe
Haider-Berky 2004: W. Haider-Berky, 2800 Jahre Hauptplatz in Neun kirchen. Teil 1: Die Siedlungen zwischen 800 vor und 1000 nach unserer Zeitrechnung. Schriften des „Berkyseum“ 1 (Neunkirchen 2004). Haider-Berky 2013: W. Haider-Berky, Urgeschichtlicher Bergbau in Grünbach und der näheren Umgebung, res montanarum 52, 2013, 100–113.
Europe IV. Bibliotheca praehistorica hispana 33 (Madrid 2017), 135–142. Haustein 2013: M. Haustein, Isotopengeochemische Untersuchungen zu möglichen Zinnquellen der Bronzezeit Mitteleuropas, Forschungsberichte des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 3 (Halle an der Saale 2013).
Hampl 1953: F. Hampl, Urzeitlicher Kupfererzbergbau im südöstlichen Niederösterreich, ArchA 13, 1953, 46–72.
Heinrich 2006: M. Heinrich, Rohstoffe und Bergbau. In: G. Wessely (Hrsg.), Geologie der österreichischen Bundesländer. Nieder österreich (Wien 2006), 265–298.
Hampl 1966–1970: F. Hampl, Reichenau an der Rax, BH Neunkirchen, FÖ 9, 1966–70, 74.
Hlava 2008: M. Hlava, Grafit v době laténské na Moravě [Grafit in der Latènezeit in Mähren], Památky Arch. 99, 2008, 189–258.
Hampl 1974: F. Hampl, KG Klein- und Großau, FÖ 13, 1974, 63.
Hochhold 2016: M. Hochhold, Der Wandel der Grab- und Beigabensitten am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit im ostalpinen Raum. Ein regionaler Vergleich am Beispiel des urnenfelder- und hall stattzeitlichen Gräberfeldes von Traunkirchen, OÖ, unveröf fentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 2016).
Hampl 1976: F. Hampl, Die bronzezeitliche Kupfergewinnung in Niederösterreich. Forschungsstand Ende 1974 und Aufgaben. Das Experiment in der Urgeschichte. In: H. Mitscha-Märheim/ H. Friesinger/H. Kerchler (Hrsg.), Festschrift für Richard Pittioni zum siebzigsten Geburtstag. II. Industriearchäologie und Metalltechnologie. Römerzeit, Frühgeschichte und Mittelalter. Sonstiges, ArchA Beih. 14 (Wien, Horn 1976), 58–67. Hampl/Fritsch 1959: F. Hampl/V. Fritsch, Geoelektrische Messungen in ihrer Anwendung für die Archäologie, Technische Beiträge zur Archäologie I (Mainz 1959), 104–117. Hampl/Mayrhofer 1958: F. Hampl/R. J. Mayrhofer, Die ur- und früh geschichtliche Bergbauforschung in Niederösterreich, ArchA Beih. 3 (Wien, Horn 1958), 46–56. Hampl/Mayrhofer 1963: F. Hampl/R. Mayrhofer, Urnenfelderzeitlicher Kupferbergbau und mittelalterlicher Eisenbergbau in Nieder österreich. 2. Arbeitsbericht über die Grabungen d. NÖ. Landesmuseums 1953–1959, ArchA 33, 1963, 50–106. Hanning/Herdits/Silvestri 2015: E. Hanning/H. Herdits/E. Silvestri, Alpines Kupferschmelzen – technologische Aspekte. In: T. Stöllner/K. Oeggl (Hrsg.), Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Berg bau in den Ostalpen. Wissenschaftlicher Beiband zur Ausstel lung im Deutschen Bergbaumuseum Bochum vom 30. Oktober 2015–24. April 2016, vorarlberg museum Bregenz vom 10. Juni 2016–26. Oktober 2016 (Bochum 2015), 225–231. Hartmann 1970: A. Hartmann, Prähistorische Goldfunde aus Europa. Spektralanalytische Untersuchungen und deren Auswertung, Studien zu den Anfängen der Metallurgie 3 (Berlin 1970). Hartmann 1982: A. Hartmann, Prähistorische Goldfunde aus Europa II. Spektralanalytische Untersuchungen und deren Auswertung, Studien zu den Anfängen der Metallurgie 5 (Berlin 1982). Hasenhündl 1988: G. Hasenhündl, KG Hollabrunn, FÖ 27, 1988, 278. Haubner/Strobl/Klemm et al. 2015: R. Haubner/S. Strobl/S. Klemm/ P. Trebsche, Prähistorische Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich – archäometallurgische Untersuchungen an alten und neuen Fundstücken. In: E. Lauermann/P. Trebsche (Hrsg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landes archäologie 2015. Katalog des Niederösterreichischen Landes museums N. F. 521 (Asparn/Zaya 2015), 26–33. Haubner/Strobl/Klemm 2017: R. Haubner/S. Strobl/S. Klemm, Investigations of a slag from copper smelting discovered at the Bronze Age site Prein VII/Cu in Lower Austria. In: I. Montero-Ruiz/A. Perea (Hrsg.): Archaeometallurgy in
210
Höglinger 1993: P. Höglinger, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld von Obereching, Land Salzburg, Archäologie in Salzburg 2 (Salzburg 1993). Hottwagner 2000: F. Hottwagner, KG Vöstenhof, OB Vöstenhof, VB Neunkirchen, FÖ 39, 2000, 576. Hottwagner/Lang 1999: F. Hottwagner/R. Lang, KG Reichenau, FÖ 38, 1999, 779. Hrodegh 1918: A. Hrodegh, Der Burgstall von Pottschach, Bezirk Neunkirchen, Niederösterreich, WPZ 5, 1918, 58–68. Ilon 2011: G. Ilon, The Late Urnfield period cemetery from SzombathelyZanat. Supplemented by an assessment of prehistoric and medieval settlement features and interdisciplinary analyses, VIA – Monographia Minor in Cultural Heritage 2 (Budapest 2011). Ilon 2015: G. Ilon, The Golden Treasure from Szent Vid in Velem. The Costume of a High-Ranking Lady of the Late Bronze Age in the Light of New Studies, Archaeolingua Series Minor 36 (Budapest 2015). Kaus M. 1984: M. Kaus, Das Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit von Stillfried an der March. Ergebnisse der Ausgrabungen 1975–1977, FIST 6 (Wien 1984). Kaus M. 1992: M. Kaus, KG Willendorf, FÖ 31, 1992, 440–442. Kerchler 1960: H. Kerchler, Grabreste der Urnenfelderkultur aus Pottschach, B. H. Neunkirchen, NÖ, ArchA 28, 1960, 36–43. Kerchler 1976: H. Kerchler, Urzeitliche Kupferschmelzplätze im Gebiet des Kulmberges, in der Umgebung von Sieding und im Höllen tal, Niederösterreich. In: H. Mitscha-Märheim/H. Friesinger/ H. Kerchler (Hrsg.), Festschrift für Richard Pittioni zum sieb zigsten Geburtstag. II. Industriearchäologie und Metalltech nologie. Römerzeit, Frühgeschichte und Mittelalter. Sonstiges. ArchA Beih. 14 (Wien, Horn 1976), 89–99. Klemm 1992: S. Klemm, Die Malleiten bei Fad Fischau, NÖ, Monogra phie zu den Grab- und Siedlungsfunden der urgeschichtlichen Höhensiedlung. Ein Beitrag zur Kenntnis der Urnenfelder- und der Hallstattzeit im Ostalpenraum, unveröffentlichte Disserta tion Universität Wien (Wien 1992).
7.4 Literatur
Klemm 2003: S. Klemm, Montanarchäologie in den Eisenerzer Alpen, Steiermark. Archäologische und naturwissenschaftliche Unter suchungen zum prähistorischen Kupferbergbau in der Eisener zer Ramsau, MPK 50 (Wien 2003). Klemm 2004: S. Klemm, Der prähistorische Kupferschmelzplatz S 1 in der Eisenerzer Ramsau (Steiermark). Ein Vorbericht. In: G. Weisgerber/G. Goldenberg (Hrsg.), Alpenkupfer – Rame delle Alpi. Der Anschnitt, Beiheft 17 (Bochum 2004), 189–198. Klemm 2006: S. Klemm, Die Erforschung der prähistorischen Kupfer gewinnung in den Eisenerzer Alpen 1955–2005, res montanar um 38, 2006, 26–36. Klemm 2011: S. Klemm, Archäologische Dokumentation von histo rischen Kohlstätten in der Eisenerzer Ramsau, Steiermark, Mitteilungen der Korrespondentinnen und Korrespondenten der Historischen Landeskommission für Steiermark 10 (Graz 2011), 238–245. Klemm 2012: S. Klemm, Die Bergbaufolgelandschaft in der Eisenerzer Ramsau, Steiermark (Österreich): Methoden und Ergebnisse montanarchäologischer Forschung. In: P. Anreiter/E. Bánffy/ L. Bartosiewicz/W. Meid/C. Metzner-Nebelsick (Hrsg.), Archaeo logical, Cultural and Linguistic Heritage. Festschrift for Erzsébet Jerem in Honour of her 70th Birthday, Archaeolingua 25 (Budapest 2012), 337–348. Klemm 2015a: S. Klemm, Bronzezeitliche Kupfergewinnung in den Eisenerzer Alpen, Steiermark. In: T. Stöllner/K. Oeggl (Hrsg.), Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen. Wis senschaftlicher Beiband zur Ausstellung im Deutschen Berg baumuseum Bochum vom 30. Oktober 2015–24. April 2016, vorarlberg museum Bregenz vom 10. Juni 2016–26. Oktober 2016 (Bochum 2015), 195–200. Klemm 2015b: S. Klemm, Der bronzezeitliche Kupferschmelzplatz S1 in der Eisenerzer Ramsau. In: B. Hebert (Hrsg.), Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark, Geschichte der Steiermark 1 (Wien, Köln, Weimar 2015), 318–331. Klemm 2015c: S. Klemm, Holzkohleproduktion in den Ostalpen in Mit telalter und Neuzeit, am Beispiel der archäologischen Befunde in der Eisenerzer Ramsau, Steiermark. In: T. Stöllner/P. Thomas (Hrsg.), Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen. Wissenschaftlicher Beiband zur Ausstellung im Deutschen Bergbaumuseum Bochum vom 30. Oktober 2015–24. April 2016, vorarlberg museum Bregenz vom 10. Juni 2016–26. Oktober 2016 (Bochum 2015), 577–581. Klemm/Nelle/Grabner et al. 2005: S. Klemm/O. Nelle/M. Grabner/ D. Geihofer/E. Schnepp, Interdisziplinäre Untersuchungen von Kohlstätten aus Mittelalter und Neuzeit in der Eisenerzer Ramsau, Steiermark, ArchA 89, 2005, 269–329. Kraus/Pernicka (in Vorbereitung): S. Kraus/E. Pernicka, Untersuchun gen der metallurgischen Funde vom Kupferschmelzplatz S1. In: S. Klemm (Hrsg.), Der mittelbronzezeitliche Kupferschmelz platz S1 in der Eisenerzer Ramsau, Steiermark, Österreich (in Vorbereitung). Kraus/Klemm/Pernicka 2015: S. Kraus/S. Klemm/E. Pernicka, Unter suchungen zur bronzezeitlichen Kupfergewinnung in der Eisenerzer Ramsau, Steiermark. Erste schlackenkundliche Ergebnisse. In: J. Cemper-Kiesslich/F. Lang/K. Schaller/ C. Uhlir/M. Unterwurzacher (Hrsg.), Secundus Conventus Austriacus Archaeometriae. Tagungsband zum Zweiten Öster
reichischen Archäometriekongress MMX, 13.–14. Mai 2010, Schriften zur Archäologie und Archäometrie der Paris-LodronUniversität Salzburg 2 (Salzburg 2011), 115–118. Kraus/Schröder/Klemm et al. 2015: S. Kraus/C. Schröder/S. Klemm/ E. Pernicka, Archaeometallurgical studies on the slags of the Middle Bronze Age copper smelting site S1, Styria, Austria. In: A. Hauptmann/D. Modaressi-Tehrani (Hrsg.), Archaeometallurgy in Europe III, Proceedings of the 3rd International Conference June 29–July 1, 2011, Deutsches Bergbaumuseum Bochum. In: Der Anschnitt, Beiheft 26 (Bochum 2015), 301–308. Kühtreiber 1995: K. Kühtreiber, KG Dunkelstein, FÖ 34, 1995, 737–741. Kühtreiber/Trebsche 1999: T. Kühtreiber/P. Trebsche, KG Prigglitz, FÖ 38, 1999, 778–779. Kühtreiber/Trebsche 2001: T. Kühtreiber/P. Trebsche, KG Prigglitz, FÖ 40, 2001, 599–600. Ladenbauer-Orel/Seewald 1940–45: H. Ladenbauer-Orel/O. Seewald, Wien XXV. – Vösendorf. FÖ 4, 1940–45, 29–34. Lang 1998: R. Lang, KG Kranichberg, MG Kirchberg/Wechsel, VB Neunkirchen, FÖ 37, 1998, 699. Lang 1999: R. Lang, KG Kranichberg, MG Kirchberg/Wechsel, VB Neunkirchen, FÖ 38, 1999, 747. Lang 2000: R. Lang, KG Prigglitz, FÖ 39, 2000, 596–598. Lang 2001: R. Lang, KG Heufeld, FÖ 40, 2001, 597–598. Lauermann/Rammer 2013: E. Lauermann/E. Rammer, Die urnenfelder zeitlichen Metallhortfunde Niederösterreichs. Mit besonderer Berücksichtigung der zwei Depotfunde aus Enzersdorf im Thale, UPA 226 (Bonn 2013). Lazarovici/Lazarovici/Constantinescu 2015: G. Lazarovici/C.-M. Lazarovici/B. Constantinescu, New Data and Analyses on Gold Metallurgy during the Romanian Copper Age. In: S. Hansen/ P. Raczky/A. Anders/A. Reingruber (Hrsg.), Neolithic and Copper Age between the Carpathians and the Aegean Sea. Chronologies and Technologies from the 6th to the 4th Millen nium BCE. International Workshop Budapest 2012, Archäologie in Eurasien 31 (Bonn 2015), 325–352. Lehrberger 2001: G. Lehrberger, Prähistorische Goldgewinnung in Mitteleuropa – Erkenntnisse und Perspektiven für die inter disziplinäre Forschung. In: G. Ammerer/A. S. Weiß (Hrsg.), Das Tauerngold im europäischen Vergleich, Archäologische und historische Beiträge des Internationalen Kongresses in Rauris vom 7. bis 9. Oktober 2000 (Salzburg 2001), 13–32. Leingartner 2012: B. Leingartner, KG Hain, MG Obritzberg-Rust, Mnr. 19125.12.01, FÖ 51, 2012, 193–194; D480–D504 (Digitalteil). Lichter 2013: C. Lichter, Das mittelbronzezeitliche Doppelspiralarm band aus Illingen und seine Beziehungen. Bayer. Vorgeschbl. 78, 2013, 113–158. Lippert/Stadler 2009: A. Lippert/P. Stadler, Das spätbronze- und früh eisenzeitliche Gräberfeld von Bischofshofen-Pestfriedhof, UPA 168 (Bonn 2009). Lochner 1991: M. Lochner, Studien zur Urnenfelderkultur im Waldviertel (Niederösterreich), MPK 25 (Wien 1991).
211
7. Bergbau und Rohstoffe
Lochner/Hellerschmid 2016: M. Lochner/I. Hellerschmid, Dokumenta tion Franzhausen-Kokoron: Ein Gräberfeld der jüngeren Urnen felderkultur aus Zentraleuropa. Erweiterte interaktive Daten bank mit Illustrationen und Fundbeschreibungen, Version 03/ epub, Wien 2016, http://epub.oeaw.ac.at/franzhausenkokoron2, letzter Zugriff: Mai 2020. Mayer 1976: E. F. Mayer, Zur Herkunft der Marken auf urnenfelderund hallstattzeitlichen Bronzegeräten des Ostalpenraumes, Germania 54/2, 1976, 365–381. Mayer 1977: E. F. Mayer, Die Äxte und Beile in Österreich, PBF 9/9 (München 1977). Mayrhofer 1953: R. Mayrhofer, Geologische, mineralogische und technologische Beobachtungen und Untersuchungen auf den urzeitlichen Preiner Schmelzplätzen und ihrem Assoziations kreis, ArchA 13, 1953, 73–104. Mele 2011: M. Mele, Kreuzgriffdolch aus Leibnitz. In: K. Peitler/ M. Mele/B. Porod/D. Modl (Hrsg.), Lebensspuren. Die bedeu tendsten Objekte der Archäologischen Sammlungen und des Münzkabinetts, Schild von Steier 24 (Graz 2011), 74–75. Metzner-Nebelsick 1996: C. Metzner-Nebelsick, Die Urnenfelder- und Hallstattzeit in Südostpannonien – eine Region im Spannungs feld zwischen Osthallstattkreis karpatenländisch-balkanischer Eisenzeit und Steppenkultur. In: E. Jerem/A. Lippert (Hrsg.), Die Osthallstattkultur. Akten des Internationalen Symposiums, Sopron 10. –14. Mai 1994, Archaeolingua 7 (Budapest 1996), 283–314. Modl 2011: D. Modl, Spiralringe aus dem urnenfelderzeitlichen Gold depot von Rothengrub. In: K. Peitler/M. Mele/B. Porod/ D. Modl (Hrsg.), Lebensspuren. Die bedeutendsten Objekte der Archäologischen Sammlungen und des Münzkabinetts. Schild von Steier 24 (Graz 2011), 36-37. Modl 2013: D. Modl, Archäologische Untersuchungen in einer Siedlung der Urnenfelderzeit und der Römischen Kaiserzeit in Pichl, Steiermark. Ein Vorbericht, FÖ 52, 2013, 43–64. Mozsolics 1973: A. Mozsolics, Bronze- und Goldfunde des Karpaten beckens. Depotfundhorizonte von Forró und Ópályi (Budapest 1973). Mozsolics 1981: A. Mozsolics, Der Goldfund von Várvölgy-Felsőzsid. In: H. Lorenz (Hrsg.), Studien zur Bronzezeit. Festschrift für Wilhelm Albert v. Brunn (Mainz/Rhein 1981), 299-308. Mozsolics 2000: A. Mozsolics, Bronzefunde aus Ungarn. Depotfund horizonte Hajdúböszörmény, Románd und Bükkszentlászló, Prähistorische Archäologie in Südosteuropa 17 (Kiel 2000). Mühlhofer 1952: F. Mühlhofer, Die Forschung nach urgeschichtlichem Bergbau im Gebiet der Hohen Wand in Niederösterreich, ArchA 9 (= Archiv für Österreichische Bergbauforschung Mit teilung Nr. 1, 1952) 1952, 77–99. Müller/Preinfalk/Preinfalk 2013: S. Müller/A. Preinfalk/F. Preinfalk, KG Plaika, OG Bergland, Mnr. 14413.12.02, 14413.13.01, FÖ 52, 2013, 233–235; D1525–D1561 (Digitalteil). Nelle/Klemm 2010: O. Nelle/S. Klemm, Wood and charcoal supplies for prehistoric and mediaeval mining activities in the Eisener zer Ramsau, Styria, Austria. In: P. Anreiter/G. Goldenberg/ K. Hanke/R. Krause/W. Leitner/F. Mathis/K. Nicolussi/K. Oeggl/ E. Pernicka/M. Prast/J. Schibler/I. Schneider/H. Stadler/
212
T. Stöllner/G. Tomedi/P. Tropper (Hrsg.), Mining in European History and its Impact on Environment and Human Societies. Proceedings for the 1st Mining in European History-Conference of the SFB-HiMAT, Innsbruck 12.–15. Nov. 2009 (Innsbruck 2010), 177–182. Nielsen 2014: E. H. Nielsen, A Late Bronze Age tin ingot from SurseeGammainseli (Kt. Luzern), Arch. Korrbl. 44/2, 2014, 177–193. Novotná 1988/89: M. Novotná, Jungbronzezeitliche Goldfunde aus der Ostslowakei, MAG 118/119 (Wien 1988/89), 175–180. Ohrenberger 1951–55: A. Ohrenberger, KG Leithaprodersdorf, BH Eisenstadt, FÖ 6, 1951–55, 42–43. Pap 1987: J. R. Pap, 3000 Jahre Bergbau im Raxgebiet. In: A. Kusternig (Hrsg.), Bergbau in Niederösterreich. Vorträge und Diskussio nen des sechsten Symposions des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde, Pitten, 1.–3. Juli 1985, Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 10 (Wien 1987), 311–319. Pernicka/Bühler/Leusch et al. 2008: E. Pernicka/B. Bühler/V. Leusch/ M. Mehofer, Chemische und technologische Untersuchungen an den Goldobjekten vom Arikogel und aus dem Koppental. In: schätze.gräber.opferplätze traunkirchen.08 – Archäologie im Salzkammergut. Katalog zur Ausstellung im ehemaligen Kloster Traunkirchen 29. April bis 2. November 2008, FÖ, Materialhefte Reihe A, Sonderheft 6 (Wien 2008), 78–81. Pittioni 1952: R. Pittioni, Der Goldfund von Rothengrub (N.-Ö.) und seine wirtschaftsgeschichtliche Verankerung, ArchA 11, 1952, 89–99. Pleiner 2000: R. Pleiner, Iron in Archaeology. The European Bloomery Smelters (Praha 2000). Popov/Nikov/Jockenhövel 2015: H. Popov/K. Nikov/A. Jockenhövel, Ada Tepe (Krumovgrad, Bulgarien) – ein neu entdecktes spät bronzezeitliches Goldbergwerk im balkanisch-ägäischen Kommunikationsnetz. In: G. von Bülow (Hrsg.), Kontaktzone Balkan, Beiträge des internationalen Kolloquiums „Die DonauBalkan-Region als Kontaktzone zwischen Ost-West und NordSüd“ vom 16.–18. Mai 2012 in Frankfurt a. M. Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 20 (Bonn 2015) 45–62. Preßlinger/Eibner C.1993: H. Preßlinger/C. Eibner, Prähistorischer Kupfererzbergbau und die Verhüttung der Erze. In: H. Preßlinger/ H. J. Köstler (Hrsg.), Bergbau und Hüttenwesen im Bezirk Liezen, Kleine Schriften der Abteilung Schloß Trautenfels am Steier märkischen Landesmuseum Joanneum 24 (Trautenfels 1993), 37–44. Preßlinger/Eibner C. 2014: H. Preßlinger/C. Eibner, Der Beginn der Metallzeiten im Bezirk Liezen – eine montanarchäologische Dokumentation, Kleine Schriften Schloss Trautenfels - Universalmuseum Joanneum 31 (Trautenfels 2014). Preßlinger/Eibner C./Preßlinger 2012: H. Preßlinger/C. Eibner/B. Preßlinger, Metallkundliche Befunde zur schmelzmetallurgi schen Gewinnung von Gold in der Urnenfelderzeit im Paltental, Schild von Steier 25, 2012, 262–266. Primas 2014: M. Primas, Klima und Eisen – Die Anfangsbedingungen der Eisenzeit in Mitteleuropa. Jahresschriften für mitteldeut sche Vorgeschichte 94, 2014, 271–315.
7.4 Literatur
Pucher 2013: E. Pucher, Neue Aspekte zur Versorgungslogistik Hall statts: Tierknochenfundkomplexe aus Pichl, Steiermark, FÖ 52, 2013, 65–93. Pucher/Barth/Seemann 2013: E. Pucher/F. E. Barth/R. Seemann, Bronzezeitliche Fleischverarbeitung im Salzbergtal bei Hallstatt, MPK 80 (Wien 2013). Puhr 1972: M. Puhr, Ein neues urzeitliches Bergbauzentrum im Gebiete des Kulmberges südlich von Neunkirchen, NÖ, ArchA 51, 1972, 190–206. Říhovský 1972: J. Říhovský, Die Messer in Mähren und dem Ostalpen gebiet, PBF 7/1 (München 1972). Říhovský 1979: J. Říhovský, Die Nadeln in Mähren und im Ostalpen gebiet (von der mittleren Bronzezeit bis zur älteren Eisenzeit), PBF 13/5 (München 1979). Scheibenreiter 1954: F. Scheibenreiter, Das hallstattzeitliche Gräber feld von Hadersdorf am Kamp, N.Ö., Veröffentlichungen der Urgeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft 2 (Wien 1954). Schnepp/Lanos 2006: E. Schnepp/P. Lanos, A preliminary secular vari ation reference curve for archaeomagnetic dating in Austria, Geophysical Journal International 166, 2006, 91–96. Schwammenhöfer 1988: H. Schwammenhöfer, Archäologische Denkmale. Viertel unter dem Wienerwald. Lehrbehelf für das „Archäologische Praktikum“ (Wien 1988). Silvestri/Hauptmann/Bellintani et al. 2015: E. Silvestri/A. Hauptmann/ P. Bellintani/E. Mottes/F. Nicolis, Bronzezeitliche Kupferver hüttung im Trentino. In. T. Stöllner/K. Oeggl (Hrsg.), Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen. Wissenschaft licher Beiband zur Ausstellung im Deutschen Bergbaumuseum Bochum vom 30. Oktober 2015–24. April 2016, vorarlberg museum Bregenz vom 10. Juni 2016–26. Oktober 2016 (Bochum 2015), 201–208. Sperber 1992: L. Sperber, Bemerkungen zur sozialen Bewertung von goldenem Trachtschmuck und Schwert in der Urnenfelderzeit, Arch. Korrbl. 22/1, 1992, 63–77. Steinegger 2012: A. Steinegger, KG Pitten, FÖ 51, 2012, 218–219. Stöllner 2009: T. Stöllner, Die zeitliche Einordnung der prähistorischen Montanreviere in den Ost- und Südalpen – Anmerkungen zu einem Forschungsstand. In: K. Oeggl/M. Prast (Hrsg.), Die Geschichte des Bergbaus in Tirol und seinen angrenzenden Gebieten. Proceedings zum 3. Milestone-Meeting des SFB-HiMAT vom 23.–26.10.2008 in Silbertal (Innsbruck 2009), 37–60. Stöllner 2014: T. Stöllner, Gold in the Caucasus: New research on gold extraction in the Kura-Araxes Culture of the 4th millennium BC and early 3rd millennium BC. In: H. Meller (Hrsg.), Metalle der Macht – Frühes Gold und Silber. 6. Mitteldeutscher Archäolo gentag vom 17. bis 19. Oktober 2013 in Halle (Saale), Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 11 (Halle/Saale 2014), 71–110. Stöllner/Oeggl 2015: T. Stöllner/K. Oeggl (Hrsg.), Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen. Wissenschaftlicher Bei band zur Ausstellung im Deutschen Bergbaumuseum Bochum vom 30. Oktober 2015–24. April 2016, vorarlberg museum Bregenz vom 10. Juni 2016–26. Oktober 2016 (Bochum 2015).
Strohschneider/Vahlkampf 1980: M. Strohschneider/G. Vahlkampf, Ein Dolchgriffbruchstück vom Typ Golovjatino-Leibnitz aus dem Much’schen Gräberfeld von Stillfried an der March, NÖ, FIST 4 (Wien 1980), 143–145. Stuchlík 2015: S. Stuchlík, Zlato v období popelnicových polí na Moravě a ve Sleszku (Gold from the Urnfield Period in Moravia and Silesia). In: O. Ožďáni (Hrsg.), Popolnicové polia a doba halštatská. Zborník referátov z XII. medzinárodnej konferencie “Doba popolnicových polí a doba halštatská”, Hriňová-Poľana 14.–18. máj 2012, Archaeologica Slovaca Monographiae 17 (Nitra 2015), 235–244. Talaa/Herrmann 2014: D. Talaa/I. Herrmann, KG Sigleß, OG Sigleß, FÖ 53, 2014, 171–172. Tiefengraber 2015: G. Tiefengraber, Bronzezeit. In: B. Hebert (Hrsg.), Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark, Geschichte der Steiermark 1 (Wien, Köln, Weimar 2015), 279–483. Töchterle/Goldenberg/Schneider et al. 2013: U. Töchterle/G. Golden berg/P. Schneider/P. Tropper, Spätbronzezeitliche Verhüt tungsdüsen aus dem Bergbaurevier Mauken im Unterinntal, Nordtirol: Typologie, mineralogisch-petrographische Zusam mensetzung und experimentelle Rekonstruktionsversuche, Der Anschnitt 65/1, 2013, 1–18. Trebsche 2011: P. Trebsche, Eisenzeitliche Graphittonkeramik im mittleren Donauraum. In: K. Schmotz (Hrsg.), Vorträge des 29. Niederbayerischen Archäologentages (Rahden/Westf. 2011), 449–481. Trebsche 2012: P. Trebsche, Die zweite und dritte Grabungskampagne in der urnenfelderzeitlichen Bergbausiedlung von PrigglitzGasteil, AÖ 23/2, 2012. Trebsche 2015a: P. Trebsche, Urnenfelderzeitlicher Kupferbergbau in Niederösterreich. In: T. Stöllner/K. Oeggl (Hrsg.), Bergauf Bergab. 10.000 Jahre Bergbau in den Ostalpen. Wissenschaft licher Beiband zur Ausstellung im Deutschen Bergbaumuseum Bochum vom 30. Oktober 2015–24. April 2016, vorarlberg museum Bregenz vom 10. Juni 2016–26. Oktober 2016 (Bochum 2015), 209–214. Trebsche 2015b: P. Trebsche, Zur Absolutdatierung der urnenfelder zeitlichen Kupfergewinnung im südöstlichen Niederösterreich. Arch. Korrbl. 45/1, 2015, 41–59. Trebsche/Pucher 2013: P. Trebsche/E. Pucher, Urnenfelderzeitliche Kupfergewinnung am Rande der Ostalpen. Erste Ergebnisse zu Ernährung und Wirtschaftsweise in der Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil (Niederösterreich), PZ 88/1–2, 2013, 114–151. Weber 1997: L. Weber, Die metallogenetischen Einheiten Österreichs. In: L. Weber (Hrsg.), Handbuch der Lagerstätten der Erze, Industrieminerale und Energierohstoffe Österreichs, Archiv für Lagerstättenforschung 19 (Wien 1997), 230–394. Weiß 1987: A. Weiß, Zur Geschichte der niederösterreichischen Grafit bergbaue. In: A. Kusternig (Hrsg.), Bergbau in Niederösterreich. Vorträge und Diskussionen des sechsten Symposions des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde Pitten, 1.–3. Juli 1985, Studien und Forschungen aus dem Nieder österreichischen Institut für Landeskunde 10 (Wien 1987), 389–407.
213
8. Bewaffnung und Kampfesweise
8. Bewaffnung und Kampfesweise Ernst Lauermann, Marianne Mödlinger Mit metallenen Angriffswaffen (Schwert, Speer, Lanze, Axt, Beil),
dar. Mangels weiterer Quellen muss man zumeist von bewaffne-
Schutzwaffen (Schild, Panzer, Beinschienen, Helm) sowie Pfeil
ten Konflikten sprechen. Darunter fallen auch Auseinanderset-
und Bogen war am Ende des 2. Jt.s v. Chr. ein Waffenensemble
zungen zwischen verschiedenen Stämmen und Gruppen, wie wir
entstanden, das über einen langen Zeitraum hinweg die Ausrüs-
sie von dem erst kürzlich entdeckten Schlachtfeld von Tollense
tung einzelner Krieger bestimmte. Erst im ausgehenden Mittel-
(Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland) dokumentiert haben
alter – durch die Erfindung des Schießpulvers – durchlief die
(Abb. 08_01).
Ausrüstung einen grundlegenden Wandel.
Wer war an bewaffneten Konflikten interessiert? Initiatoren, Ak-
Das Aufkommen der metallenen Schutzwaffen in der Urnenfelder-
jene aus der Allgemeinheit herausstechenden Persönlichkeiten,
zeit war kein Zufall und ging mit zahlreichen gesellschaftlichen
die in reich ausgestatteten Gräbern beigesetzt wurden.2 In urnen-
teure und Nutznießer von Kriegen in der Bronzezeit waren wohl
Veränderungen einher. Darauf deuten die Bevölkerungsverschie-
felderzeitlichen Grabfunden kann man so eine allmähliche sozi-
bungen ebenso hin wie zahlreiche Hortfunde. Die gesteigerte
ale Differenzierung und die Etablierung einer lokalen Kriegerelite
Waffenproduktion, die Änderungen in der Kampfweise – insbe-
ablesen, der an der Spitze der Gesellschaft stand. Grab- und
sondere die Entwicklung des Schwerts von der Stich- zur Hieb-
Depotfunde lassen auf tiefgreifende Zentralisierungsprozesse
waffe – sowie der Ausbau von Befestigungsanlagen waren auf-
schließen und sind Indizien dafür, dass die Urnenfelderzeit von
fällige Folgen. Während der Spätbronzezeit entwickelte sich eine
machtvollen Eliten beherrscht wurde. Auf niederösterreichischen
neue soziale Schicht, der sogenannte Kriegeradel, der in den
Gräberfeldern der Spätbronzezeit ist diese Entwicklung in erster
Grabausstattungen fassbar wird. Bronzene Schutz- und Trutz-
Linie in den Grabausstattungen der frühen (Bz D) und späten
waffen zeugen von der bedeutenden sozialen Position dieser
Urnenfelderzeit (Ha B3) nachvollziehbar (vgl. Kap. 9).
Krieger. Dies lässt darauf schließen, dass bewaffnete Konflikte
Funde und Befunde, die Rückschlüsse auf eine vollständige Be-
zunehmend eine zentrale Rolle eingenommen haben dürften.
waffnung zulassen, d. h. eine Ausrüstung mit allen Schutzwaf-
Hier stellen sich die Fragen, wie wir uns kriegerische Auseinan-
fen und den Großteil der Angriffswaffen, sind mit Ausnahme
dersetzungen vorzustellen haben und wie der Begriff Krieg für
des Grabfunds von Dendra in Griechenland (ca. 1450 v. Chr.)
die Bronzezeit zu definieren ist. Für die Definition von Krieg
unbekannt. In Niederösterreich sind es Gräber sowie Fluss- und
wollen wir hier der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Kriegs-
Depotfunde, die immer wieder auch Waffen enthalten und so
ursachenforschung (AKUF)1 folgen, die klar zwischen Krieg und
ihren Beitrag zur Thematik liefern.
bewaffneten Konflikten unterscheidet. Als Krieg gilt, wenn a) an den Kämpfen zwei oder mehr bewaffnete (reguläre) Streitkräfte beteiligt sind, b) auf beiden Seiten Kriegsführende und Kämpfe zentral organisiert gelenkt werden und c) Auseinandersetzungen sich kontinuierlich und strategisch geplant ereignen. Daraus schlussfolgernd können wir für die Urgeschichte nur sel-
8.1 Schriftliche und bildliche Quellen Schon ältere Keilschriften und Hieroglyphentexte berichten uns von kriegerischen Konflikten ab der Mitte des 3. Jahrtausends im Mittelmeerraum. Als frühester bildschriftlicher Nachweis kriege-
ten eindeutig einen Krieg belegen. Ausnahmen stellen etwa der
rischer Ereignisse gilt die sogenannte Geierstele von Girsu (Telloh,
Krieg Ramses II. gegen die Seevölker oder der Kampf um Troja
Irak), die um 2470 v. Chr. datiert. Sie berichtet vom Sieg des sumerischen Königs Eannatum von Lagaš über die Stadt Umma.3
1
214
https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/ professuren/jakobeit/forschung/akuf/kriegsdefinition.html (letzter Zugriff: Mai 2020).
2
Falkenstein 2006/2007, 34.
3
Edzard 2004, 54.
8.1 Schriftliche und bildliche Quellen
Abb. 08_01. Rekonstruktionsvorschlag eines Ausschnitts der Schlacht an der Tollense (Grafik: K. Schauer, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt).
Rund tausend Jahre danach, 1457 v. Chr., kam es zur Schlacht
tigste Quelle über diesen Feldzug sind die Hieroglyphen, die
bei Megiddo (Nordisrael). Sie ist vermutlich die am ausführ-
Thutmosis III. an den Tempelwänden des Annalensaals im Karnak-
lichsten dargestellte kriegerische Auseinandersetzung aus dem
Tempel anbringen ließ.4
alten Ägypten. Unter der Herrschaft Hatschepsuts fielen wich-
Das 13. und 12. Jh. v. Chr. ist für den östlichen Mittelmeerraum
tige Gebiete in Vorderasien von Ägypten ab, wodurch die ägyp-
buchstäblich eine Epoche der Krisen und Katastrophen. So be-
tische Vormachtstellung verloren ging. Als sich in Vorderasien
drohten die kriegerischen Scharen der sogenannten Seevölker
eine Koalition syrischer Fürsten unter der Führung des Fürsten
das ägyptische Reich und weite Teile der Levanteküste.5 Bei die-
von Kadesch zusammenschloss, rüstete Hatschepsuts Nachfol-
sen Seevölkern handelte es sich um landsuchende Verbände,
ger Thutmosis III. in den ersten Monaten seiner Alleinregierung
die in altägyptischen Quellen als Nordleute bezeichnet werden.
für einen Feldzug. Die Gegner um den Fürsten von Kadesch ver-
Einen lebendigen Eindruck vom Aussehen dieser Nordleute ver-
sammelten sich bei der Festung von Megiddo. Nach einem Über-
mittelt die Reliefdarstellung auf der Fassade des Totentempels
raschungsangriff von Thutmosis über das Karmelgebirge zogen sich die überrumpelten Gegner in die Festung zurück. Die Ägypter siegten erst nach mehrmonatiger Belagerung. Die wich-
4
Kühn 2001, 16–25.
5
Yasur Landau 2008; Sternberg-el Hotabi 2012.
215
8. Bewaffnung und Kampfesweise
Abb. 08_02. Medinet Habu, Ausschnitte von dem abgebildeten Kampf am Nil von Ramses III. gegen die Seevölker (nach Epigraphic Survey 1930, Tafel 32).
von Ramses III. in Medinet Habu, auf der die Siege des Pharaos
08_03). Aus Skandinavien kennen wir darüber hinaus Felsbilder,
gegen diese gefährlichen Feinde verherrlicht werden. Deutlich
die unter anderem Bewaffnete zeigen – wie etwa in Vitlycke
unterscheiden sich hier die Nordleute durch Bewaffnung und
Tanumshede (Westschweden).10
Ausrüstung von den ägyptischen Soldaten. Abgebildet werden Rundschilde, Griffzungenschwerter, Brustpanzer, Hörnerhelme und Federkronen (Abb. 08_02). Letztere sind mit Funden aus dem Tholos-Grab von Praisos (1200 v. Chr.) auf Kreta und PortesKephalovryson, Zypern, belegt.6
8.2 Die Bewaffnung
Im Jahr 1274 v. Chr. kämpfte Ramses II. gegen die Hethiter und
Die meisten Krieger waren mit metallenen Angriffswaffen wie
schlug die Schlacht bei der Befestigung von Kadesch (Westsyri-
Speer oder Lanze, Schwert oder Dolch ausgerüstet. Schutzwaf-
en).7 Der Blick auf Europa zeigt, dass auch die spätmykenischen
fen wie Schild, Helm, Brustpanzer und Beinschienen, ob orga-
Palastkulturen (Mykene, Tyrins, Pylos) ein jähes Ende nahmen.
nisch oder aus Metall, gehörten wohl ebenso zur Ausstattung,
Das weltberühmte Heldenepos vom Trojanischen Krieg – die
zumindest zu jener der wohlhabenden Krieger. Sie finden sich
Ilias, die den Krieg der mykenischen Griechen gegen die von
allerdings mit Ausnahme von Čaka (Slowakei) und Dendra (Grie-
König Priamos regierte Stadt Troja um 1200 v. Chr. beschreibt –
chenland) nicht in Gräbern. Einen weitgehend unbekannten
ist ebenfalls in diesen unruhigen Zeiten angesiedelt.
Faktor stellen organische Schutz- und Angriffswaffen dar, die
8
Ähnlich gut dokumentierte Nachweise zu Kriegen und Konflik-
nur unter guten Erhaltungsbedingungen archäologisch fass-
ten fehlen für diese Zeit im übrigen Europa. Im Gegensatz zu den
bar sind. Die Keulen, Prügel bzw. die einem Poloschläger äh-
mediterranen Funden hat sich jedoch ein Schlachtfeld an den
nelnde Waffe vom Schlachtfeld Tollense sind seltene Ausnah-
Ufern der Tollense (Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland)
men (Abb. 08_04).11 Es ist wahrscheinlich, dass wir dadurch
komplett erhalten.9 Hier gelingt es erstmals, ein Kampfgesche-
viele Krieger im archäologischen Kontext nicht als solche er-
hen der europäischen Bronzezeit näher zu erforschen, obwohl
kennen.
der Anlass und die beteiligten Parteien unbekannt bleiben (Abb. 6
Mödlinger 2017, 71.
7
Klengel 2002.
8
Drerup 1924, 1232–1262.
10 Brock, 2015, 62 f.
9
Jantzen/Orschiedt/Piek et al. 2014; Jantzen/Terberger 2016.
11 Klooß/Lidke 2014, 117–120, Abb. 1 und 4.
216
8.2 Die Bewaffnung
Abb. 08_03. Tollensetal, Grabungsausschnitt. Bei der Hauptfundstelle, Weltzin 20, wurde u. a. eine dichte Streuung an Skelettresten entdeckt. Die meisten Kämpfer wurden durch Pfeile getötet, an einigen wenigen zeigten sich auch massive Verletzungen am Schädel durch stumpfe Gewalteinwirkung (Foto: S. Sauer, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt). Abb. 08_04. Tollensetal, Holzkeule mit hammerartigem Keulenkopf aus Schlehenholz. Die Holzkeule kann über die Fundlage sowie durch die C14-Daten dem Kampfgeschehen zugeordnet werden, sodass eine Deutung als Waffe außer Frage steht, ca. 1200 v. Chr. (Graphik: LAKD M-V, Landesarchäologie, D. Schulze).
Das Pferd spielte als Reittier, aber auch als Zugtier in der Urnenfelderkultur eine wichtige Rolle; das beweisen Grabbeigaben von Pferdegeschirr. Viele dieser Funde der späteren Urnenfelderzeit zeigen Einflüsse aus dem Osten, vielleicht durch die Kimmerier, die in den südrussischen Steppen lebten – sei es, dass diese selbst oder zumindest ihr Kulturgut durch Handelsbeziehungen bis nach Mitteleuropa gelangten. Terminologisch ist zwischen Waffe und Bewaffnung zu unterscheiden, also dem einzelnen Funktionstyp und der mehr oder weniger regelhaften Waffenausstattung von Kriegern.12 Dabei ist man aber bei der Rekonstruktion der Bewaffnung auf aussagekräftige Waffenkombinationen in Fundverbänden und auf Bildwerken angewiesen. Allerdings ist nicht gesichert, ob die Fundverbände in den Gräbern auch der tatsächlichen Bewaffnung zu Lebzeiten entsprechen. In den Gräbern sind dementsprechend immer wieder verschiedene Waffen bzw. Waffensets anzutreffen. 12 Falkenstein 2006/2007, 34.
217
8. Bewaffnung und Kampfesweise
Ab Ende des 14. Jh.s v. Chr. sind in Mitteleuropa Schutzwaffen
lich erkennen. Am namensgebenden Fundort in Sauerbrunn
aus Bronzeblech, bestehend aus Helm – mit oder ohne Wangen-
treten Schwert und Dolch gemeinsam in einem Grab auf, was
klappen –, Panzer, Beinschienen, Schild sowie Metallwaffen mit
auf eine gemeinsame Verwendung im Kampf schließen lässt.16
Lanze, kombinierten Hieb- und Stichschwert sowie Dolch nachge-
Während der Stufe Bz D waren vor allem bronzene Vollgriff-
wiesen. Diese maximale Ausstattung dürfte wohl ranghohen Per-
schwerter vom Typ Riegsee, Griffplattenschwerter vom Typ Rix-
sönlichkeiten – Anführern – vorbehalten gewesen sein. Archäo-
heim und vereinzelt frühe Griffzungenschwerter verbreitet. Wäh-
logisch nachgewiesen ist sie, mit Ausnahme des Grabfunds von
rend der Zeitstufe Ha A1 (um 1200 v. Chr.) waren unter anderem
Dendra, noch nicht.
Vollgriffschwerter mit drei Wülsten auf der Griffstange, sog. Dreiwulstschwerter üblich, die in der Stufe Ha B2/3 (um 950– 800 v. Chr.) durch Antennen- und Schalenknaufschwerter abge-
8.2.1 Offensivwaffen
löst wurden (Abb. 08_05). Aus Niederösterreich kennen wir zahlreiche Gräber mit Vollgriffschwertern, darunter ein Riegseeschwert mit typischem Schei-
Schwert
benknauf aus Grab 6 von Baierdorf 17 (siehe Kap. 9, Abb. 09_06)
In der Bronzezeit entstand mit dem Schwert die erste allein zum
oder ein kleines Scheibenknaufschwert vom Typ Unterradl, das
Kampf bestimmte Waffe. Im Gegensatz zu anderen Waffen, die
bei der Bergung eines Brandgrabs in Unterradl18 entdeckt wur-
auch zur Jagd eingesetzt wurden, diente das Schwert einzig dazu,
de. Beim Ausbaggern des Donauschotters bei Ybbs19 kamen zwei
einen Gegner zu verletzen, kampfunfähig zu machen oder zu tö-
Vollgriffschwerter ans Tageslicht. In Unterradlberg20 wurde in ei-
ten.13 Von allen Waffen scheint besonders das Schwert neben der
nem alt beraubten Grab ein gebrochenes, jedoch vollständiges
Funktion als Kriegswaffe auch eine Funktion als Statussymbol er-
Schalenknaufschwert vom Typ Wörschach entdeckt (siehe Kap.
füllt zu haben. Der Besitz eines Schwerts, beziehungsweise die
9, Abb. 09_15). Ein Griffangelschwert vom Typ Terontola stammt
Beigabe eines solchen ins Grab, scheint einer der wichtigsten
aus Grab 7 von Baierdorf21. Griffzungenschwerter sind aus Grä-
Indikatoren für einen höheren Status zu sein.14
bern wie Petronell22, Mannsdorf23, Grab 2 von Baierdorf24, Wolfs-
Je nachdem, wie die bronzene Schwertklinge und der Schwert-
thal25, Langmannersdorf26, Unterradl27, Grab 26 von Vösendorf 28
griff aus organischem Material miteinander verbunden waren,
sowie aus den Horten von Wöllersdorf I29und II30 (Abb. 08_06),
lassen sich Exemplare mit Griffzunge, -platte und -dorn unter-
Puch31 und aus den ungesicherten Depotfunden vom Sem-
scheiden. Unter Vollgriffschwertern versteht man Schwerter
mering32, Mannersdorf an der March33 sowie den Flussfunden
mit üblicherweise reich verziertem, bronzenen Griff. Der Griff
aus Melk34 und Zwentendorf 35 bekannt. Aus einer Schottergrube
wurde bis in die ausgehende Spätbronzezeit separat gegossen
in Nitzing 36 stammt ein weiteres Griffzungenschwert.
und an die Klinge angepasst. Bei den jüngsten bronzezeitlichen Schwerttypen goss man den Griff im Überfangguss über die Klinge. Vollgriffschwerter liefen mit dem Ende der Bronzezeit aus, während die Form der Griffzungenschwerter bis in die Eisenzeit
16 Laue 1985, 62. 17 Lochner, 1986, 290, Taf. 8/1. 18 Mödlinger 2011b, 199. 19 Neugebauer 1978, 270, Abb. 170, 171.
gebräuchlich blieb.
20 Blesl/Krumpl 2003, 32, Abb. 33; Mödlinger 2011b, 219.
Im 18. Jh. v. Chr. entstanden in der Ägäis Schwerter, die haupt-
21 Lochner 1986, 291, Taf. 9/1; Mödlinger 2011b, 257.
sächlich als Stichwaffen verwendet wurden und bis nach Südosteuropa verbreitet waren. In der Folge kam ab 1700 v. Chr. das Vollgriffschwert vom Typ Apa auf, das sowohl als Stich- als auch als Hiebwaffe verwendbar war. Ab 1500 v. Chr. wurden Kurzschwerter mit trapezförmiger Griffplatte und Langschwerter mit Griffzunge hergestellt. Aus Grab 3 von Leobersdorf kennen wir ein Griffplattenkurzschwert vom Typ Sauerbrunn (Bz B, ca. 1550 v. Chr.).
15
Diese oft sehr langen und dünnen, rapierartigen Klingen lassen die Verwandtschaft zu ihren vorderasiatischen Vorfahren deut-
22 Schauer 1971, 120, Taf. 54/369. 23 Schauer 1971, 133, Taf. 59/401. 24 Schauer 1971, 137, Taf. 60/411; Lochner 1986, 286, Taf. 4/1. 25 Schauer 1971, 143, Taf. 63/431, 156, Taf. 67/459. 26 Schauer 1971, 189, Taf. 89/580. 27 Schauer 1971, 192, Taf. 91/600. 28 Schauer 1971, 192, Taf. 91/601. 29 Lauermann/Rammer 2013, Abb. 31, Taf. 59/ 1–4. 30 Lauermann/Rammer 2013, Abb. 32, Taf. 61/1. 31 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 30/3. 32 Schauer 1971,143, Taf. 63/428; Lauermann/Rammer 2013, Taf. 101/2. 33 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 98/1.
13 Mödlinger 2015a, 269.
34 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 105.
14 Mödlinger 2011b, 69.
35 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 104/2.
15 Willvonseder 1937, Taf. 26/1; Schauer 1971, 21, Taf. 2/13.
36 Spitzer 1962, 25 ff., Taf. II.
218
8.2 Die Bewaffnung
Abb. 08_05. Leopoldsberg, 1190 Wien, Antennenschwert, Länge 62 cm (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Anhand technischer Untersuchungen und Gebrauchsspurenanalysen kann man bei der Funktion und Bedeutung der Schwerter
Abb. 08_06. Depotfund Wöllersdorf II, unter anderem mit vier Teilen eines Griffzungen schwerts, dem Bruchstück einer Helmwangenklappe, Fragmenten von Lappen- und Tüllenbeilen, zahlreichen Zungensichelbruchstücken und dem Fragment eines Griffzungenmessers (Foto: NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Dass mit den bronzezeitlichen Schwertern auch gekämpft wurde,
von praktischen, sozialen und symbolischen Aspekten ausgehen.
belegen Scharten und Nachschärfungen. Versuche an Schweine-
Das Schwert war ein wichtiger Indikator für den gesellschaftli-
kadavern haben gezeigt, dass mit den kurzen Schwertern der
chen Status der Bestatteten. So wird z. B. für die nordische Bronze-
Bronzezeit schnelle Schläge, schneidende Bewegungen und za-
zeit angenommen, dass die Anzahl der Schwertträger in Höhe
ckige Stiche durchgeführt wurden, die keine Spuren an den Kno-
von 10–20 % der erwachsenen Männer darauf hindeutet, dass
chen hinterließen.38 Gebrauchsspuren an Schwertern kennen
sie weniger als kleine Elite, sondern eher als breitere Schicht
wir auch von österreichischen Vollgriffschwertern und Schwer-
von freien Männern anzusehen sind. Insgesamt stellt sich die
tern mit organischen Griffen: Zahlreiche Scharten, Nachschär-
Gesellschaft der nordischen Bronzezeit als komplexes und insta-
fen, Recyceln von sowohl Griff als auch Klinge, organische Griff-
biles Netzwerk ohne zentralisierte Macht dar, in dem einzelne
umwicklungen bei Vollgriffschwertern für einen besseren Halt39
soziale Gruppen auf verschiedene Weise konkurrierten. In die-
und die Härtung der Schneiden lassen klar auf die Optimierung
sem Kontext muss der Schwertträger als Mann mit einem gewis-
für die Verwendung im Kampf schließen.40
sen Status, aber nicht notwendigerweise als Häuptling gesehen werden.37
38 Molly 2011, 67–84. 39 Grömer/Mödlinger 2005, 51–55.
37 Bunnefeld 2014, 134–143.
40 Mödlinger 2011b.
219
8. Bewaffnung und Kampfesweise
Dolch Die ersten Kupferdolche kamen in der Glockenbecherkultur auf. Besonders stark verbreitet waren trianguläre Dolche sowie Griffplattendolche aus Kupfer bzw. in der Frühbronzezeit bereits aus Bronze. Am Ende der Frühbronzezeit traten Vollgriffdolche auf. Ab der Mittelbronzezeit sind Griffplattendolche geläufig. In den Stufen Bz D–Bz A waren Peschieradolche (Griffzungendolche) verbreitet. Der Dolch entwickelte sich vom spitzen Stoßinstrument zum zweischneidigen Gerät mit der zusätzlichen Funktion als Messer. Dolche wurden damit vielseitiger verwendbar. Die Abgrenzung zwischen Dolch und frühem Schwert fällt zumeist nicht leicht. Allgemein wird die längere Waffe als Schwert, die kürzere als Dolch angesprochen, dennoch bleiben Terminologie und Ansprache autorenspezifisch. Die Dolche können als Multifunktionswerkzeug der Bronzezeit – als Waffe, Messer und Werkzeug – angesprochen werden.41 Für B.-U. Abels dagegen ist der Dolch in der Mittel- und der Spätbronzezeit, in der Messer vorhanden sind, ausschließlich eine kurze Stichwaffe.42 Eine weitverbreitete Meinung ist auch, dass in der Urnenfelderzeit der Dolch durch das Messer ersetzt wurde.43 Im 13. Jh. v. Chr. verdrängte das einschneidige Bronzemesser schließlich den Dolch.44 Hier sollte eher vom Ende der Dolchbeigabe und dem Beginn der Messerbeigabe in der Stufe Ha A1 gesprochen werden, ohne dass vom Messer ausgehend Rückschlüsse auf die Funktion des Dolchs gezogen werden.45
Pfeil und Bogen Kampfszenen, bei denen fast immer mit Pfeil und Bogen bewaffnete Männer auftreten, sind uns seit der Entdeckung der LevanteKunst aus zahlreichen Beispielen bekannt.46 Dennoch kann man vom Auftreten einzelner Pfeilspitzen aus Stein oder Metall in Gräbern nicht grundsätzlich auf eine Kriegerbestattung schließen. Die in weiten Teilen Europas verbreiteten Grundtypen der bronzezeitlichen Pfeilspitzen sind Blattpfeilspitzen, Pfeilspitzen mit Schaftzunge und Schaftdorn sowie Tüllenpfeilspitzen (Abb. 08_07).47 Über die Konstruktion der Bögen ist wenig bekannt, da diese sehr selten – wie im Fall der Gletschermumie vom Haus-
Abb. 08_07. Grundtypen der bronzezeitlichen Pfeilspitzen (nach Eckhardt 1996, zusammengestellt von A. Preinfalk).
labjoch – erhalten blieben. Man muss annehmen, dass jeder Bogen eine spezielle, auf die Bedürfnisse des Schützen gearbei-
Bogen und Pfeile vollständig erhalten, könnte man sogar Aussa-
tete Individualwaffe war, die nur in Ausnahmefällen von ande-
gen zum Typ des Bogenschützen – Rückschlüsse auf Kraft, Statur
ren Schützen benutzt wurde. Wären im archäologischen Idealfall
und Ausbildungsstand – treffen.48
41 Schwenzer 2004, 19 f.; Mödlinger 2011b, 53. 42 Abels 1972, 92. 43 Hundt 1958, 357; Stary 1980, 64; Říhovský 2000, 103. 44 Clausing 2005, 76 f. 45 Mödlinger 2011b, 54. 46 Beltrán 1982, 70. 47 Eckhardt 1996, 25–35.
220
Die meisten bisher bekannten Pfeilspitzen aus einem nieder österreichischen Grab stammen aus dem Gräberfeld Hollabrunn an der Aspersdorferstraße, wo in einem beraubten Urnengrab (V 57) neun Pfeilspitzen entdeckt wurden.49 Aus Niederösterreich 48 Eckhardt 1996, 168. 49 Lauermann/Lindinger/Hasenhündl in Vorbereitung. In einem weiteren Grab (8/2014) fanden sich zwei Pfeilspitzen.
8.2 Die Bewaffnung
sind sonst wenige gesicherte Gräber mit Pfeilspitzen bekannt – so etwa aus Grab 271, Fundstelle A von Gemeinlebarn, wo man fünf Tüllenpfeilspitzen fand.50 In Großmugl entdeckte man in einem Urnengrab eine Tüllenpfeilspitze.51 Das archäologische Bild der Beiwaffen in den Pfeilgräbern änderte sich im Lauf der Zeit. In der Stufe Bz D kommen außer den Pfeilen, Schwert, Beil und Dolch vor, in der Stufe Ha A/B ist neben den Pfeilen Schwert und Messer typisch.52 Im Depotfund von Purkersdorf53 wurde eine Pfeilspitze nachgewiesen, im Depotfund von Kronberg54 sind hingegen 15 Pfeilspitzen enthalten – wobei Letzterer aber als nicht gesichert gilt. Von der bekannten Fundstelle der Heidenstatt bei Limberg ist ebenfalls eine große Anzahl an Pfeilspitzen erhalten (siehe Kap. 3, Abb. 03_30); zusammen mit den übrigen von dieser Fundstelle bekannten Gussteilen und Halbfabrikaten kann man hier an ein entsprechendes Herstellungszentrum denken. Im Gegensatz dazu sind von den gut dokumentierten großen Höhensiedlungen wie Stillfried an der March, Oberleiserberg und Thunau am Kamp keine bzw. nur einzelne Bronzepfeilspitzen aus der Urnenfelderzeit bekannt.55 Von letzterer Fundstelle sind jedoch Exemplare aus Knochen bzw. Geweih erhalten (siehe Kap. 4, Abb. 04_25). Zwei Tüllenpfeilspitzen sind aus dem südlichen Niederösterreich im Bergbaugebiet Prigglitz belegt.
Wurfspeer und Stichlanze Speere zählen zu den ältesten Jagdwaffen des Menschen. Allge-
Abb. 08_08. Depot von Rannersdorf, drei vollständig erhaltene Lanzenspitzen, größte L. 222 mm (Foto: P. Kolp).
mein geläufig ist die Einteilung nach schweren Lanzenspitzen als Stoßwaffen und kleineren Speerspitzen als leichten Wurfgeschossen; Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel, wie etwa die Fälle von Hernádkak (Ungarn) und Lerna (Griechenland) zeigen.
56
Lang- und Kurzspieß, Wurfspieß, Speer- und Fechtspieß. Erschwerend für die Einteilung archäologischer Funde kommt hin-
Eindeutige Unterscheidungsmerkmale zwischen Lanzen- und
zu, dass aufgrund des in der Regel nicht erhalten Schafts eine
Speerspitzen wurden und werden, obwohl J. Tarot57 diese für die
klare Ansprache nicht möglich ist. Gewöhnlich wird die Länge
Urgeschichte klar definierte, nicht einheitlich, sondern eher be-
der Spitze als einziges Aussagekriterium herangezogen.58 Im
liebig verwendet. Darüber hinaus scheint der Spieß auch völlig
Folgenden ist daher einheitlich von Speerspitzen die Rede, was
unbekannt in der urgeschichtlichen Literatur zu sein. Kurz zu-
sowohl Lanzen- und Spießspitzen einschließt.59
sammengefasst, handelt es sich bei dem Speer um eine reine
Bronzene Tüllenspeerspitzen traten im Laufe der ersten Hälfte
Wurfwaffe, die sowohl von Fuß- als auch von Wagenkämpfern
des 2. Jt.s v. Chr. in Erscheinung. Ab der Mittelbronzezeit gehör-
oder Reitern verwendet wird. Unter Lanze versteht man die Stoß-
ten Lanze, Speer und/oder Spieß zur regelhaften Bewaffnung.
waffe eines Reiters oder Wagenkämpfers, wohingegen der Spieß
Das vermehrte Auftreten von Speerspitzen unterschiedlicher
die Stoßwaffe des Fußkämpfers ist. Unterschieden werden hier
Typen in Gräbern, Horten und Flussfunden ab dem 13. Jh. v. Chr. spricht für eine gesteigerte Bedeutung von Stichlanzen und Wurf-
50 Szombathy 1929, 65, Taf. 23/6; Eckhardt 1996, 282, Taf. 54/12. 51 Angeli 1959, 127, Taf. 4/2; Eckhardt 1996, 282, Taf.54/14. 52 Eckhardt 1996, 159–162. 53 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 90/4.
speeren im Kampf.60 In der beginnenden Urnenfelderzeit (Bz D/ Ha A) war in weiten Teilen Europas der Typ der langen – teilweise auch überlangen – schmalen Lanzenspitze verbreitet.
54 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 97/18–32. 55 Griebl/Biederer in Vorbereitung, Taf. 15/1 (St. 16738.1).
58 Říhovský 1996, 5.
56 Osgood 2006, 331–340; Mödlinger 2011b, 11–21.
59 Tarot 2000, 40.
57 Tarot 2000.
60 Falkenstein 2006/2007, 35.
221
8. Bewaffnung und Kampfesweise
Speere, Lanzen und Spieße können als Stich-, Stoß- oder Hiebwaffe, aber auch als schneidende Waffen (vgl. etwa die in der Ilias beschriebenen Verletzungen)61 verwendet werden. Mit Beil oder Schwert kombiniert, kann man Kurzspieße auch als einhän-
Abb. 08_09. Depotfund von Haslau mit fünf Tüllenbeilen, einer Bronzetasse, zwei Trensenknebeln und zwei Trensenmundstücken, zwei großen und zwei kleinen Brillenfibeln, neun Zungensicheln und einem Griffangelmesser (Foto: N. Weigl, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
dige Stichwaffen verwendet haben. Eine Verwendung als Wurfwaffe wird weniger in Betracht gezogen, da diese dadurch an den Gegner verloren geht.62
Axt und Beil
Aus Niederösterreich sind etliche Speerspitzen aus Hortfunden
Traditionell werden Äxte eher als Waffen und Beile – wenn sie
bekannt, etwa aus den Horten von Michelstetten II (zwei Bruch-
nicht in Gräbern vorkommen – zumeist als Werkzeuge gedeutet.69
stücke) , Puch (eine komplette Spitze und ein Bruchstück) ,
Jedoch ist etwa die Funktion der Tüllenbeile mehr als umstritten.
Scheiblingkirchen (eine komplette Spitze) , Rannersdorf (drei
So werden sie sowohl als Beilgeld oder Votivgabe70 angesehen
Spitzen) (Abb. 08_08) (dazu Kap. 11, Abb. 11_07)66, Maiersdorf
als auch als Streitbeil, Dechsel zur Holzbearbeitung, Bergbau-
(eine fragmentierte Tüllenspitze)
gerät oder Fleischerbeil71. Untersuchungen zu den Gebrauchs-
63
64
65
67
oder Höflein (zwei Bruch-
stücke)68.
spuren an britischen Tüllenbeilen erbrachten den Hinweis, dass
61 Apostolakis/Apostolaki/Apostolaki et al. 2010; Mödlinger 2011a, 15–18.
selten auf Metall trafen.72 Eine klare Unterscheidung in Werk-
diese überwiegend zur Holzbearbeitung genutzt wurden und nur
62 vgl. Mödlinger 2011a, 17.
zeug oder Waffe ist jedenfalls nicht möglich; wir können wohl
63 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 28/6.
von einer den Umständen entsprechenden Verwendung dieser
64 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 30/1, 2.
multifunktionalen Bronzen ausgehen.
65 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 48/5.
69 Mödlinger 2011b, 51.
66 Lauermann/Rammer 2013, Abb. 30 a, b; Reiter/Linke 2016, 158 f., Abb. 54 und 55.
70 Kibbert 1984, 118 f.,152, 167 f.
67 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 54/1.
71 Wanzek 1989, 150 f.
68 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 89/1, 4.
72 Ottaway/Roberts 2003, 119–140.
222
8.2 Die Bewaffnung
Grünbach Depot I80 (drei Beile) oder auch Mahrersdorf81 mit vier kompletten Lappenbeilen (Ha B1/B2) (Siehe Kap. 7, Abb. 07_18). Insgesamt sind derzeit aus Niederösterreichs Horten 20 komplette und 17 Bruchstücke von Lappenbeilen bekannt.
8.2.2 Defensivwaffen Zurzeit sind etwa 320 metallene Schutzwaffenfunde (ca. 90 Schilde, 30 Panzer, 120 Helme und 75 Beinschienen), wie sie erstmals in Griechenland um 1400 v. Chr. und in Europa ab Bz D im Karpatenbecken auftraten, bekannt.82 Die praktische Funktion als tatsächliche Schutzwaffe wurde sowohl den Panzern als auch Helm, Schild und Beinschienen lange abgesprochen. Zu selten, kostbar und schön seien sie, um tatsächlich als Schutzwaffen eingesetzt zu werden. Man nahm daher eine reine Symbol- oder Statusfunktion für sie an. Zahlreiche Gebrauchsspuren sowie die auf eine Optimierung für den Kampf abzielende Herstellung verweisen jedoch auf den tatsächlichen Gebrauch der metallenen Schutzwaffen als solche. Darüber hinaus boten sie, sei es mit fix befestigtem Innenfutter oder mit darunter getragener organischer Schutzkleidung, zusätzlichen Schutz im Kampf. Organische Schutzwaffen aus Leder, Leinen, Fell, Holz, Filz und anderen Materialien haben sich nicht erhalten; wir kennen nur einen
Abb. 08_10. Depotfund von Puch: zwei Lappenbeile mit starker Lappenpartie und Nackenkerbe, ein endständiges Lappenbeil vom Typ Bad Goisern und ein Lappenbeil mit konzentrischen Kreisen und Punktreihen verziert (Lauermann/Rammer 2013, Taf. 29).
Kopfschutz aus Weidengeflecht aus Fiave (Italien).83 Aufgrund
Beile sind generell sehr häufig in Horten anzutreffen, so auch in
Aus Niederösterreich sind keine Funde von Panzern oder Schil-
Niederösterreich. Tüllenbeile bzw. deren Bruchstücke sind u. a.
den bekannt. Fragmente einer Beinschiene Typ Lengyltóti ken-
der einfacheren, kostengünstigeren Herstellung ist jedoch von einer weiten Verbreitung organischer Schutzwaffen, etwa Lederkappen oder -wämser, auszugehen.
in den Depots von Großweikersdorf (ein Beil, ein Bruchstück),
nen wir aus dem Hortfund von Stetten. Die Wangenklappe eines
Haslau74 (fünf Beile, Ha B2/B3) (Abb. 08_09), Stillfried an der
Helmes vom Typ Paks stammt aus Wöllersdorf (siehe dazu weiter
March Depot II75 (zwei Beile), Herrenbaumgarten76 (zwei Beile)
unten).
73
und Michelstetten Depot77 (fünf Bruchstücke) vertreten. Insgesamt finden sich in den gesicherten Horten Niederösterreichs 35
Schild
komplette und 16 Bruchstücke von Tüllenbeilen.
Knapp 90 Schilde aus dünnem Bronzeblech sind bisher aus
Ähnlich verhält es sich mit den Lappenbeilen, die ebenfalls häu-
Skandinavien, Irland, England, vereinzelt auch Deutschland
fig in Horten anzutreffen sind, etwa in den Horten von Enzersdorf-
und Ungarn bekannt.84 Ihre durchschnittliche Größe betrug 50–
Thale Depot II
(drei Bruchstücke) (siehe Kap. 11, Abb. 11_5),
70 cm, mit Blechstärken von 0,3–1,4 mm und einem Gewicht von
Puch79 (zwei Beile, zwei Bruchstücke) (Ha B1/B2) (Abb. 08_10),
1–2 kg.85 Die Bronzeschilde sind oft kunstvoll mit Rippen und
78
73 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 17/1, 2.
Buckeln dekoriert. Die Anforderungen, die ein Schild für ausrei-
74 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 20/1–5; Taf. 21/1–5.
80 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 34/1–3.
75 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 23/1, 2.
81 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 47/1–4.
76 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 25/4; Taf. 27/4.
82 Mödlinger 2015b, 293.
77 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 28/1–5.
83 Mödlinger 2017, Kat. no. 60.
78 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 3/1–3.
84 Mödlinger 2011b, 61.
79 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 29/1–4.
85 Brock 2015, 65.
223
8. Bewaffnung und Kampfesweise
Abb. 08_11. Vertreter der drei Panzergruppen: 1. griechischer Panzer (Dendra, Grab 12; (Müller-Karpe 1980) – 2. karpatischer Panzer (aus der Donau bei Pilismarót, Ungarn; Petres/Jankovits 2014 mit Ergänzungen durch die Autoren) – 3. westeuropäischer Panzer (Fillinges, Frankreich; Mottier 1988).
chende Stabilität im Kampf zu erfüllen hatte, hat A. Geiger zu-
in Sommerein die Abbildung eines Sanduhrschilds (siehe Kap. 9,
sammengefasst.86 Dazu gehören ein nicht zu großer Schilddurch
Pkt. 9.2.6). Eventuell können die Blechbuckel aus dem Horten
messer, ausreichende Blechstärke (mehr als 0,5 mm), breite
von Kemmelbach90 und Zvolen91 als Metallzier eines hölzernen
konzentrische Rippen, ein umgebördelter Schildrand als Ver-
Schilds gedeutet werden. Gelochte Blechbuckel fanden sich in
stärkung, stabile Schildfesseln und eine ausreichend dicke Füt-
mehreren Horten in Mähren.92
terung. Trotzdem wird ihre Kampftauglichkeit immer wieder in
Die einfacheren Stücke, die hinsichtlich der Materialien er-
Frage gestellt. Neue Experimente belegen jedoch, dass umgebör-
schwinglicher waren, bestanden vermutlich in der Regel aus di-
delte Schilde durchaus den Hieben von Bronzeschwertern stand-
ckem zähen Leder oder Holz. Solche Funde kennen wir allerdings
hielten. Speere drangen, wenn überhaupt, nur mit der Spitze
soweit nur aus Irland: zwei Holzschilde, zwei Schildformer aus
ein und hätten den Träger nicht verletzen können. Insgesamt er-
Holz und ein Lederschild sind erhalten.93 Im Experiment stellte
wiesen sich die Repliken als wehrfähige Schutzwaffen, die auch
man mehrere Schilde aus Leder her und konnte deren Kampf-
nach wiederholtem Einsatz ohne größere Schäden blieben. Im
tauglichkeit bestätigen.94
87
Gegensatz dazu stehen die Experimente der frühen 1970er-Jahre, bei denen die Schilde den Angriffen nicht standhalten konn-
Panzer
ten; hier wurden allerdings fälschlicherweise Kupferschilde ver-
Bronzezeitliche Metallpanzer werden in drei Gruppen unterteilt,
wendet. Neben der Verwendung im Kampf können die Schilde
die sich chronologisch, geografisch und typologisch deutlich
natürlich auch bei rituellen Kämpfen oder Waffentänzen verwen-
unterscheiden (Abb. 08_11). Die älteste Gruppe stellen die der
det worden sein.89
griechischen Panzer dar, die um 1450 v. Chr. (Späthelladisch IIB)
Aus Niederösterreich ist bisher kein Teil eines Schilds bekannt;
erstmals im Gräberfeld von Dendra (Griechenland) auftraten.
88
allerdings findet sich auf einer Steinplatte vom Steinkistengrab
90 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 12 und Taf. 13.
86 Geiger 1994, 110 f.
91 Paulík 1965, Obr. 1 und Obr. 4.
87 Uckelmann 2011, 252.
92 Salaš 2005, Tab. 40, Tab. 135, Tab. 197, Tab. 198, Tab. 230–236.
88 Coles 1973, 201 ff.
93 Coles 1962, 160 f., 175 f., 180 f., 186, Nr. 9, 10, 21–23.
89 Uckelmann 2011, 249–258.
94 Coles 1973, 140–144.
224
8.2 Die Bewaffnung
Weitere Funde kennen wir aus Theben. Diese Panzer zeichnen
Abb. 08_12. Die wichtigsten Helmtypen der europäischen Bronzezeit. Typen mit mehr als zwei zugehörigen Helmen sind abgebildet (Mödlinger 2017, Fig. 2.2).
sich durch ein dickes, unverziertes Bronzeblech, daran permanent befestigten Innenfutter und zusätzlichen Schulter-, Hals-,
sowie ein Fragment eines Schildes Typ Nyírtura.97 Vermutlich
Becken- und Oberschenkelschutz aus.95
ebenfalls zur Gruppe der Karpatenpanzer zu zählen ist ein An-
Die Gruppe der Karpatenpanzer trat in Bz D–Ha A1 auf. Diese
hänger in Form eines Panzers aus Brandgraben, Bad Aussee.98
Panzer schützten nur mehr den Oberkörper, wurden aus dünne-
Aus Niederösterreich sind bislang keinerlei Funde bronzezeitli-
rem, leicht verzierten Bronzeblech gefertigt und über einem se-
cher Panzer bekannt.
paraten, organischen Wams getragen. Durch das dünnere Blech war es nötig, die Ränder des Panzers zu verstärken. Dies konn-
Helm
te durch angenietete, zusätzliche Bleche geschehen (Funde von
Bronzezeitliche Helme kann man grob in zwei Gruppen einteilen:
Čaka und Pázmándfalu)96, oder der Rand wurde um einen Draht
westeuropäische Kammhelme, gefertigt aus zwei in der Mitte zu-
gebogen. Dadurch – und auch durch die Verzierung – wurden die
sammengehefteten Bronzeblechen, und osteuropäische Kappen-
Panzer stabiler. Mit Ausnahme eines Grabfunds (Čaka, Südslowa-
helme mit Knauf, die aus einem Bronzeblech getrieben wurden
kei) und zweier Flussfunde (aus der Donau bei Pilismarót sowie
und einen angegossenen Knauf oder eine Tülle aufweisen (Abb.
aus der Saône bei Saint-Germain-du-Plain) stammen alle Funde
08_12). Einfache Kappenhelme ohne Knauf kennen wir hingegen
aus Depots und sind nur in Fragmenten erhalten. Der Depotfund
hauptsächlich aus Westeuropa. Die ersten Helme sind solche
bei Nadap (Ungarn) am Nordufer des Velencei-Sees enthielt ein
vom Typ Oranienburg; sie traten bereits in Griechenland im Lau-
Fragment, das wahrscheinlich zu einem Panzer gehörte. Zudem
fe des 15. Jh.s v. Chr. auf und kamen dann gehäuft im Karpaten-
fanden sich darin zahlreiche Bruchstücke weiterer Schutzwaffen:
becken ab Bz D–Ha B1 vor. Weitere osteuropäische Helmtypen
ein fragmentierter Helm Typ Oranienburg, Fragmente von Helmen
stellen Typ Paks (der einzige verzierte Kappenhelm; Ha A), Typ
Typ Paks, vier Beinschienen der Typen Lengyeltóti und Desmontà
Nagytétény (Kappenhelm mit massiven Knauf; Bz D–Ha A) und
95 Mödlinger 2017, 171–188.
97 Mödlinger 2017, 41.
96 Mödlinger 2017, Kat. no. 128 und 131.
98 Mödlinger 2017, 180, Fig. 3.8
225
8. Bewaffnung und Kampfesweise
Typ Pişcolt (massiver, unverzierter Kappenhelm, Ha B1; Glockenhelm) dar. Westeuropäische Helme werden bevorzugt vollständig im Fluss versenkt; osteuropäische Helme zumeist als Fragment in Hortfunden deponiert, aber auch vollständig im Fluss versenkt. Einige vollständige Helme Typ Pişcolt kennen wir aus Depotfunden aus Hajdúböszörmény, Mezőkövesd, Bonyhád (alle Ungarn), Pişcolt, Şoarş (Rumänien), Služín (Tschechien) und Škocjan (Slowenien).99 Hiebspuren von Schwertern sind auf einigen wenigen Helmen zu erkennen, so etwa dem ungarischen Helm von Hajdúböszörmény und einem Helm Typ Nagytétény aus der Ukraine.100 Aus Niederösterreich ist ein Bruchstück einer Wangenklappe eines Helm Typ Paks aus dem Depot II von Wöllersdorf101 bekannt (siehe Abb. 08_06).
Beinschiene Beinschienen sind von Mittelfrankreich über Ungarn bis in den ostägäischen Raum verbreitet. Eine Konzentration ist im südlichen Transdanubien und im Save-Drau-Zwischenstromland zu
Abb. 08_13. Depotfund von Stetten, Beinschienenfragment (Lauermann/Rammer 2013, Taf. 56/5).
8.2.3 Pferdegeschirr
erkennen. Alle Beinschienen Mitteleuropas stammen aus Hort-
Gegen Ende der Urnenfelderzeit erschienen verschiedene Metall-
funden, wohingegen Grabfunde sowohl aus Griechenland als
gegenstände, vor allem zu Pferdegeschirr gehörende Bronzen,
auch aus Italien und Albanien belegt sind.
für die keine einheimischen Vorbilder existierten. Ihr Ursprungs-
Der Nutzen von Beinschienen für den Krieger wurde vielfach
ort wird im Nordschwarzmeergebiet und in Kaukasien vermu-
diskutiert.
Wahrscheinlich erscheint der Schutz vor Angriffen
tet.108 Erstmals traten nun gegossene dreilochige Seitenstangen
durch Schwert oder Speer unter der Schildlinie.103 Beinschienen
mit Knöpfen auf, die spitzkegelig oder seltener auch tierkopf-
wurden nie direkt auf der bloßen Haut getragen, sondern über
förmig ausgebildet sein konnten. Ebenfalls zum ersten Mal gab
einer organischen Umwicklung, und dann mit Riemen, vermut-
es nun auch Waffen und Geräte aus Eisen, wobei Eisen in ver-
lich aus Leder, fixiert. Eindeutige Gebrauchsspuren sind unbe-
einzelten Fällen bereits seit der Stufe Ha A bekannt war. Auch
kannt; einige Beinschienen sind jedoch am oberen Ende mittig
sind seit dieser Stufe zweiteilige Gebissstangen bekannt, die auf
eingerissen. Sie weisen häufig Reparaturspuren auf, was auf
eine entwickelte Reittechnik schließen lassen, weil sie gegen-
102
Verschiedene gebräuchliche
über den zuvor verwendeten einteiligen Trensen eine bessere
Beinschienen, vor allem organischer Natur, kennen wir von den
Beherrschung des Pferdes ermöglichen. Dies ist vor allem in
ihre intensive Nutzung verweist.
104
Kriegerfiguren aus Bronze von Sardinien.105
Extremsituationen eine Voraussetzung für eine effektive militäri-
Aus Niederösterreich kennen wir den gebrochenen Teil ei-
sche Nutzung des Pferds als Reittier.109 In einigen Fällen wurden
ner Beinschiene Typ Lengyltóti aus dem Hort von Stetten (Abb.
Pferdegeschirrbronzen paarweise in Gräber beigegeben. Dies
08_13).106 Das Beinschienenbruchstück mit Radmotiv hat gute
lässt den Schluss zu, dass Pferde auch als Zugtiere von Streit-
Parallelen z. B. im Hort von Nadap (Ungarn).
wagen benutzt wurden. Mit dem Reitpferd kam während der jün-
107
geren Urnenfelderzeit auch die Kampftechnik mit der Streitaxt 99 Mödlinger 2017, 57–68. 100 Mödlinger 2017, Kat. no. 38 and 44.
als Hiebwaffe wieder auf. Wagen- und Reiterkrieger hatten sicher eine hohe soziale Stellung in der urnenfelderzeitlichen Gesell-
101 Lauermann/Rammer 2013, Taf. 63/4.
schaft inne.
102 Mödlinger 2017, 261–264.
Sehr gute Beispiele hierfür liefert uns das Gräberfeld von Still-
103 Mödlinger 2011b, 61.
fried an der March – und hier besonders Grab 6 (siehe Kap. 9,
104 Mödlinger 2017, Fig. 4.16 105 Lilliu 1966.
Pkt. 9.3.4, Abb. 09_26/1 und 26/2). Zu erwähnen sind in die-
106 Persy 1962; Lauermann/Rammer 2013, Taf. 56/5; Mödlinger 2017, Kat. no. 174.
108 Dietz 1998, 2.
107 Petres 1982, 61, Abb. 3.
109 Dietz 1998, 7.
226
8.2 Die Bewaffnung
sem Zusammenhang zwei unvollständige Zaumzeuggarnituren pontisch-kaukasischer Prägung.110 Es handelt sich um Trensen mit Zügelhaken, teilweise repariert bzw. mit Altstücken ergänzt,
Abb. 08_14. Stockern. Die Trense gibt die Form der sogenannten Winkelknebel wieder – das sind Trensenkneben mit geknickten Seitenstangen mit Endscheiben und Zügelhaken (Foto: P. Ableidinger, Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).
sowie gebogene und geknickte Seitenstangen. Vom Zaumdekor sind eine große und drei kleine Eisenscheiben sowie eine massive Bronzescheibe erhalten.111 Da aus Grab 6 keine Wagenbestand-
Inventar aus zwei Männergräbern handelt,115 besteht neben
teile vorliegen, kann man das zweite Zaumzeug auch als Zäumung
den zwei vollständigen erhaltenen Garnituren noch aus je einer
eines Beipferds werten.
Wagenbestandteile befinden sich hin-
Zügelhakentrense und einem Seitenstangenpaar mit Pferdekopf-
gegen im außergewöhnlich reich ausgestatteten Wagengrab von
enden (siehe Kap. 11, Abb. 11_1). Außerdem gibt es aus Still-
Künzing (Niederbayern, Deutschland), neben einer Lanzenspitze,
fried an der March auch eine einzelne Trense mit D-Enden und
einem Tüllenbeil und Teilen von Pferdegeschirr.113 Eine Trense
eine einzelne gebogene Seitenstange.116
mit Zügelhaken, ein Griffdornmesser und ein Tüllenbeil stammen
Vermutlich aus einem zerstörten Brandgrab stammen die beiden
noch aus Grab 38 von Stillfried an der March.114 Beide Stillfrieder
Ringtrensen aus Retz.117 Ein Einzelfund ist aus Stockern bekannt
Gräber sind Männergräber und bekunden die Anwesenheit von
(Abb. 08_14).118 Zwei Trensenknebel und zwei Trensenmundstü-
Reiterkriegern im mitteldonauländischen Raum am Ende der
cke stammen aus dem Hortfund von Haslau (siehe Abb. 08_09),
Urnenfelderzeit. Das Inventar des 1895 gefundenen sogenann-
den man in die Stufe Ha B2/B3 stellen kann.119
112
ten Stillfrieder Depots, bei dem es sich vermutlich eher um das 110 Metzner-Nebelsick 1998, 409.
115 Kaus M. 1988, 112.
111 Kaus M. 1984, 79–81, Taf. 9; Lochner 2013, 27.
116 Kaus M. 1988/89; Lauermann/Rammer 2013, Taf. 102a/21; Taf. 102b/4–11.
112 Kaus M. 1984, 49.
117 Lochner 1991, 134 f., Taf. 90/6,7.
113 Clausing 2005.
118 Lochner 1991, 143 f., Abb. 1; Metzner-Nebelsick 1994, 369.
114 Kaus M. 1984, 159, Taf. 37/a–c.
119 Lauermann/Rammer 2013, 229, Taf. 18/2–5.
227
8. Bewaffnung und Kampfesweise
Außer aus Bronze wurden Trensenteile in dieser Zeit auch aus Geweih gefertigt. Zu nennen sind hier u. a. Stangenknebel aus Stillfried an der March120 und Roggendorf (Abb. 08_15).
8.3 Zusammenfassung Ab dem 2. Jt. v. Chr. treten in ganz Europa in Gräbern und Horten unzählige metallene Waffen wie Schwerter, Dolche, Beile, Pfeilspitzen, Speerspitzen, Schutzwaffen und andere Ausrüstungsteile aus Bronze ans Tageslicht. Diese Quellenlage führt uns nachdrücklich vor Augen, dass Konflikte und Gewalt eine wesentliche Rolle im Leben der Menschen spielten. Eindeutige Belege in Zentraleuropa liefern dafür etwa die Forschungen im Tollensetal, wo ein größerer bewaffneter Konflikt unmittelbar erkennbar wird. Möglicherweise nimmt der Fundort Tollense eine Sonderstellung ein; klar ist aber, dass gewalttätige Auseinandersetzungen keine Einzelerscheinungen waren. Spuren von Gewalteinwirkung an menschlichen Skeletten und Gebrauchsspuren an Waffen unterstreichen dieses Bild. Obwohl nur auf wenige Regionen beschränkt, sind bildliche Darstellungen von Waffen, Kämpfen und Kriegern ein wertvolles Zeugnis für kriegerische Auseinandersetzungen. Der Bau befestigter Höhensiedlungen, oft mit gewaltigen Wall- und Grabenanlagen, ergänzt das Bild von Gewalt sowie kleineren und größeren Konflikten in der ausgehenden Bronzezeit. 120 Penz 2006, 346, Taf. 21/2 Obj. 777/318; Taf. 28 Obj. 952/8001.
228
Abb. 08_15. Roggendorf, Seitenstangen aus Geweihsprossenendstücken, Einzelfund, L. ca. 16 cm (Foto: P. Ableidinger, Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).
8.4 Literatur
8.4 Literatur Abels 1972: B.-U. Abels, Die Randleistenbeile in Baden-Württemberg, dem Elsass, der Franche-Comté und der Schweiz, PBF 9/4 (Mainz 1972).
Falkenstein 2006/2007: F. Falkenstein, Gewalt und Krieg in der Bronzezeit Mitteleuropas, Bericht der Bayrischen Bodendenkmalpflege 47/48, 2006/2007, 33–52.
Angeli 1959: W. Angeli 1959, Zwei urnenfelderzeitliche Brandgräber von Großmugl, MAG 88/89 (Wien 1959), 127–128.
Griebl/Biederer in Vorbereitung: M. Griebl/B. Biederer, Die Speicher gruben der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. Von der Getreidelagerung bis zur profanen oder kultischen Verfüllung. MPK (Wien) in Vorbereitung.
Apostolakis/Apostolaki/Apostolaki et al. 2010: E. Apostolakis/ G. Apostolaki/M. Apostolaki/M. Chorti, The reported thoracic injuries in Homer’s Iliad, Journal of Cardiothoracic Surgery 5, 2010, 114 Beltrán 1982: Beltrán, Rock art of the Spanish Levant (Cambridge 1982). Borchhardt 1972: J. Borchhardt, Homerische Helme. Helmformen der Ägäis in ihren Beziehungen zu orientalischen und europäischen Helmen in der Bronze und frühen Eisenzeit (Mainz 1972). Brock 2015: T. Brock, Archäologie des Krieges. Die Schlachtfelder der deutschen Geschichte (Mainz 2015). Brunnefeld 2014: J.-H. Brunnefeld, Der Häuptling und sein Schwert? – Anmerkungen zur sozialen Stellung des Schwertträgers in der älteren nordischen Bronzezeit. In: T. Linke/H. Peter-Röcher (Hrsg.), Gewalt und Gesellschaft. Dimensionen der Gewalt in Ur- und frühgeschichtlicher Zeit, Int. Tagung an der JuliusMaximilians-Universität Würzburg 14.–16.3. 2013, UPA 259 (München 2014), 134–143. Clausing 2005: Ch. Clausing, Macht und Grab – zum Wagengrab von Künzing in Niederbayern und seiner Stellung im urnenfelder zeitlichen Mitteleuropa. In: L. Husty/K. Schmotz, Vorträge des 23. Niederbayerischen Archäologentages (Rahden/Westf. 2005), 75–103. Coles 1962: J. Coles, European Bronze Age shields, Proceedings of the Prehistoric Society 28, 1962, 156–190. Coles 1973: J. Coles 1973, Erlebte Steinzeit. Experimentelle Archäologie (München 1973). Dietz 1998: U. L. Dietz, Spätbronze- und früheisenzeitliche Trensen im Nordschwarzmeergebiet und im Nordkaukasus, PBF 16/5 (Mainz 1998). Drerup 1924: E. Drerup, Trojanischer Krieg. In: W. H. Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Band 5 (Leipzig 1924), Sp. 1232–1261. Eckhardt 1996: H. Eckhardt, Pfeil und Bogen. Eine archäologisch-tech nische Untersuchung zu urnenfelder und hallstattzeitlichen Befunden, Intern. Archäologie 21 (Rahden, Westf. 1996). Edzard 2004: D. O. Edzard, Geschichte Mesopotamiens von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen (München 2004). Epigraphic Survey 1930: The Epigraphic Survey (Ed.), Medinet Habu, Volume I. Earlier Historical Records of Ramses III, Oriental Institute Publications 8 (Chicago 1930).
Geiger 1994: A. Geiger, Treibverzierte Bronzerundschilde der italien ischen Eisenzeit aus Italien und Griechenland, PBF 3/1 (Mainz 1994). Grömer/Mödlinger 2005: K. Grömer/M. Mödlinger, Metallographische und textilkundliche Untersuchungen an einem urnenfelderzeit lichen Schwert aus Nordböhmen, AÖ 16/2, 2005, 51–55. Hundt 1958: H.-J. Hundt, Spätbronzezeitliches Doppelgrab in Frankfurt-Berkersheim, Germania 36, 1958, 344–361. Jacob-Friesen 1967: G. Jacob-Friesen, Bronzezeitliche Lanzenspitzen Norddeutschlands und Skandinaviens, Veröff. Urgesch. Slg. Landesmuseum Hannover 17 (Hannover 1967). Jantzen/Orschiedt/Piek et al. 2014: D. Jantzen/J. Orschiedt/J. Piek/ T. Terberger (Hrsg.), Tod im Tollensetal. Forschungen zu den Hinterlassenschaften eines bronzezeitlichen Gewaltkonfliktes in Mecklenburg-Vorpommern Teil 1: Die Forschungen bis 2011, Beiträge zur Ur und Frühgeschichte MecklenburgVorpom merns 50 (Schwerin 2014). Jantzen/Terberger 2016: D. Jantzen/T. Terberger, Überfall an der Brücke? Das bronzezeitliche Fundareal im Tollensetal, Archäologie in Deutschland 3, 2016, 8–13. Kaus M. 1984: M. Kaus, Das Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit von Stillfried an der March. Ergebnisse der Ausgrabungen 1975–1977, FIST 6 (Wien 1984). Kaus M. 1988: M. Kaus, Das Stillfrieder Gräberfeld. In: F. Felgenhauer/ J. Szilvássy/H. Kritscher/G. Hauser (Hrsg.), Stillfried. Archäolo gie – Anthropologie, Veröff. Mus. Ur- und Frühgesch. Stillfried, Sonderband 3 (Stillfried 1988), 113–120. Kaus M. 1988/89: M. Kaus, Kimmerischer Pferdeschmuck im Karpatenbecken – das Stillfrieder Depot aus neuer Sicht, MAG 98/99 (Wien 1988/89), 247–257. Kibbert 1984: K. Kibbert, Die Äxte und Beile im mittleren Westdeutsch land II, PBF 9/10 (Mainz 1984). Klengel 2002: H. Klengel, Hattuschili und Ramses, Hethiter und Ägypter – ihr langer Weg zum Frieden (Mainz 2002). Klooß/Lidke 2014: S. Klooß/G.Lidke, Zwei Holzkeulen vom Fundplatz 20 bei Weltzin und weitere Holzobjekte aus dem Tollensetal. In: D. Jantzen/J. Orschiedt/J. Piek/T. Terberger (Hrsg.), Tod im Tollensetal. Forschungen zu den Hinterlassenschaften eines bronzezeitlichen Gewaltkonfliktes in MecklenburgVorpom mern Teil 1: Die Forschungen bis 2011, Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns 50 (Schwerin 2014), 117–120.
229
8. Bewaffnung und Kampfesweise
Kristiansen 2002: K. Kristiansen, The Tale of the Sword – Swords and Swordfighters in Bronze Age Europe. Oxford Journal of Archaeology 21/4, 2002, 319–332. Kühn 2001: T. Kühn, Das pharaonische Ägypten. Ägyptens Aufstieg zur Weltmacht. Die Feldzüge Tutmosis’ III, Kemet 10/3 (Berlin 2001), 16–25. Laue 1985: S. Laue, Das namengebende Schwert vom „Typus Sauer brunn“, Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 71, 1985, 57–63. Lauermann/Rammer 2013: E. Lauermann/E. Rammer, Die urnenfelder zeitlichen Metallhortfunde Niederösterreichs. Mit besonderer Berücksichtigung der zwei Depotfunde aus Enzersdorf im Thale, UPA 226 (Bonn 2013). Lauermann/Lindinger/Hasenhündl in Vorbereitung: E. Lauermann/ V. Lindinger/G. Hasenhündl, Das Gräberfeld von Hollabrunn an der Aspersdorferstraße, in Vorbereitung. Lilliu 1966: G. Lilliu, Sculture della Sardegna nuragica (Cagliari 1966). Lochner 1986: M. Lochner, Das frühurnenfelderzeitliche Gräberfeld von Baierdorf, Niederösterreich – eine Gesamtdarstellung, ArchA 70, 263–293. Lochner 1991: M. Lochner, Studien zur Urnenfelderkultur im Wald viertel – Niederösterreich, MPK 25 (Wien 1991). Lochner 2013: M. Lochner, Bestattungssitten auf Gräberfeldern der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur. In: M. Lochner/ F. Ruppenstein (Hrsg.), Brandbestattungen von der mittleren Donau bis zur Ägäis zwischen 1300 und 750 v. Chr., Akten des internationalen Symposiums an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, 11.–12. Februar 2010, MPK 77 (Wien 2013), 11–31. Metzner-Nebelsick 1994: C. Metzner-Nebelsick, Die früheisenzeitliche Trensenentwicklung zwischen Kaukasus und Mitteleuropa. In: B. Hänsel (Hrsg.), Archäologische Untersuchungen zum Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit zwischen Nordsee und Kaukasus, Regensburger Beiträge zur Prähistorischen Archäologie 1, (Regensburg 1994), 383–447. Metzner-Nebelsick 1998: C. Metzner-Nebelsick, Abschied von den „ThrakoKimmerern“? – Neue Aspekte der Interaktion zwischen karpatenländischen Kulturgruppen der späten Bronze- und frühen Eisenzeit in der osteuropäischen Steppe. In: B. Hänsel/ J. Machnik (Hrsg.), Das Karpatenbecken und die osteuropäische Steppe. Nomadenbewegungen und Kulturaustausch in den vorchristlichen Metallzeiten (4000–500 v. Chr.), Symposium Mogilany 1995, Prähistorische Archäologie in Südosteuropa 12 (München, Berlin 1998), 361–422. Metzner-Nebelsick 2005: C. Metzner-Nebelsick, Das Wagengrab von Künzing im Licht seiner östlichen Beziehungen. In: Vorträge des 23. Niederbayerischen Archäologentages (Rahden/Westf. 2005), 105–138. Mödlinger 2011a: M. Mödlinger, Eine urnenfelderzeitliche Speerspitze vom Hochgosch, Kärnten, Carinthia I, 201, 2011, 11–21. Mödlinger 2011b: M. Mödlinger, Herstellung und Verwendung bronze zeitlicher Schwerter Mitteleuropas. Eine vertiefende Studie zur mittelbronze- und urnenfelderzeitlichen Bewaffnung und Sozialstruktur, UPA 193 (Bonn 2011).
230
Mödlinger 2015a: M. Mödlinger, Bronzezeitliche Bewaffnung und Kampfesweise in Mitteleuropa. In: H. Meller/M. Schefzik (Hrsg.), Krieg – eine archäologische Spurensuche. Begleitband zur Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) (Halle/Saale 2015), 269–272. Mödlinger 2015b: M. Mödlinger, Bronzezeitliche Schutzwaffen. In: H. Meller/M. Schefzik (Hrsg.), Krieg – eine archäologische Spurensuche. Begleitband zur Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) (Halle/Saale 2015), 293–296. Mödlinger 2017: M. Mödlinger, Protecting the body in war and combat: metal body armour in Bronze Age Europe, Oriental and Euro pean Archaeology 6 (Wien 2017). Molloy 2011: B. Molloy, Use-wear analysis and use-patterns of Bronze Age swords. In: M. Uckelmann/M. Mödlinger (Hrsg.), Bronze Age Warfare: Manufacture and Use of Weaponry, BAR interna tional Series 2255 (Oxford 2011). Mottier 1988: Y. Mottier, Die Bronzepanzer von Fillinges aus der späten Bronzezeit (800 v. Chr.), Helvetia Archaeologica 76, 1988, 110–145. Müller-Karpe 1980: H. Müller-Karpe, Handbuch der Vorgeschichte 4, Bronzezeit (München 1980). Neugebauer 1978: J. W. Neugebauer, Ybbs, FÖ 17, 1978, 269 f. Ottaway/Roberts 2003: B. S. Ottaway/B. Roberts, The Use and Signifi cance of Socketed Axes during the Late Bronze Age, European Journal of Archaeology 6/2, 2003, 119–140. Osgood 2006: R. Osgood, The Dead of Tormarton: Bronze Age Combat Victims? In: T. Otto/H. Thrane/H. Vandkilde (Hrsg.), Warfare and Society. Archaeological and Social Anthropological Per spectives (Aarhus 2006), 331–340. Paulík 1965: J. Paulík, Fund von Schildbuckeln aus der jüngeren Bronzezeit in Zvolen, Študijné zvesti Archeologického ústavu SAV 15, 1965, 17–32. Petres 1982: E. Petres, Neue Angaben über die Verbreitung der spät bronzezeitlichen Schutzwaffen, Savaria 16, 1982, 57–70. Petres/Jankovits 2014: E. F. Petres/K. Jankovits, Der spätbronze zeitliche zweiteilige Bronzebrustpanzer aus der Donau in Ungarn, Acta Archaeologica 65/1, 2014, 43–71. Persy 1962 : A. Persy, Eine neue urnenfelderzeitliche Beinschiene aus Niederösterreich, ArchA 31, 1962, 37–48. Reiter/Linke 2016: V. Reiter/R. Linke, Ein Werkplatz mit Brucherzdepot der ausgehenden Bronzezeit aus Rannersdorf, Niederöster reich, FÖ 55, 2016, 144–182. Penz 2006: M. Penz, Die Kleinfunde aus Stillfried a. d. March, NÖ – Hügelfeldgrabung 1969–1989. In: I. Hellerschmid, Die urnen felder-/hallstattzeitliche Wallanlage von Stillfried an der March. Ergebnisse der Ausgrabungen 1969–1989 unter be sonderer Berücksichtigung des Kulturwandels an der Epochen grenze Urnenfelder-/Hallstattkultur, MPK 63 (Wien 2006), 343–394. Říhovský 1996: J. Říhovský, Die Lanzen-, Speer- und Pfeilspitzen in Mähren, PBF 5/2 (Stuttgart 1996).
8.4 Literatur
Říhovský 2000: J. Říhovský, Die bronzezeitlichen Vollgriffschwerter in Mähren, Pravěk. Supplimentum 7, 2000, 95–178. Salaš 2005: M. Salaš, Bronzové depoty střdední ažpozdní doby bron zové na Moravě ave Slezsku I/II, Moravské zemské muzeum (Brno 2005). Salaš 2014: M. Salaš, Urnenfelderzeitliche Ambosse, Hämmer und Helme in Mähren vor dem Hintergrund des Hortfundes von Brno-Řečkovice, Památky archeologické 105, 2014, 47–86. Salaš/Šmid 1999: M. Salaš/M. Šmid, Hromadný bronzový nález ze Služina (okr. Prostějov). Přiklad sémanticky signifikantního depozita dopy popelnicových polí, Pravěk. Supplementum 2, 1999, 9–42. Schauer 1971: P. Schauer, Die Schwerter in Süddeutschland, Öster reich und der Schweiz I, PBF 4/2 (München 1971). Schauer 1979: P. Schauer, Eine urnenfelderzeitliche Kampfweise, Arch. Korrbl. 9, 1979, 69–80. Spitzer 1962: G. Spitzer, Neue Schwertfunde aus Niederösterreich, ArchA 32, 1961, 19–36. Schwenzer 2004: S. Schwenzer, Die frühbronzezeitlichen Vollgriff dolche. Typologische, chronologische und technische Studien auf der Grundlage einer Materialaufnahme von Hans-Jürgen Hundt, Kataloge Vor- und Frühgeschichtlicher Altertümer 36, (Mainz 2004).
Stary 1980: P. F. Stary, Das spätbronzezeitliche Häuptlingsgrab von Hagenau, Kr. Regensburg. In: K. Spindler (Hrsg.), Vorzeit zwi schen Main und Donau. Neue archäologische Forschungen und Funde aus Franken und Altbayern, Erlanger Forschungen Reihe A, 26 (Erlangen 1980), 46–97. Tarot 2000: J. Tarot, Die bronzezeitlichen Lanzenspitzen der Schweiz, UPA 66, (Bonn 2000). Terberger/Heinemeier 2014: T. Terberger/J. Heinemeier, Die Ernährungsweise der bronzezeitlichen Menschen aus Tollensetal im Spiegel ihrer 13C- und 15N-Isotopie – erste Ergebnisse. In: D. Jantzen/ J. Orschiedt/J. Piek/T. Terberger (Hrsg.), Tod im Tollensetal. Forschungen zu den Hinterlassenschaften eines bronzezeitli chen Gewaltkonfliktes in Mecklenburg-Vorpommern Teil 1: Die Forschungen bis 2011, Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns 50 (Schwerin 2014), 209–214. Trebsche/Pucher 2013: P. Trebsche/E. Pucher 2013, Urnenfelderzeitli che Kupfergewinnung am Rande der Ostalpen. Erste Ergebnisse zu Ernährung und Wirtschaftsweise in der Bergbausiedlung von Prigglitz-Gasteil (Niederösterreich). PZ 88, 1–2, 2013, 114–151. Uckelmann 2011: M. Uckelmann, Jungbronzezeitliche Schilde – Nutzung und Bedeutung. In: U. L. Dietz/A. Jockenhövel (Hrsg.), Bronzen im Spannungsfeld zwischen praktischer Nutzung und symbolischer Bedeutung, PBF 20/13, (Mainz 2011), 249–258. Wanzek 1989: B. Wanzek, Die Gußmodel für Tüllenbeile im südöstlichen Europa, UPA 2 (Bonn 1989).
Sternberg-el Hotabi 2012: H. Sternberg-el Hotabi, Der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III. Archäologie, Inschriften und Denkmäler Altägyptens 2. (Rahden/Westf. 2012).
Willvonseder 1937: K. Willvonseder, Die Mittlere Bronzezeit in Öster reich (Wien/Leipzig 1937).
Szomathy 1929: J. Szomathy, Prähistorische Flachgräber bei Gemein lebarn in Niederösterreich, RGF 3 (Berlin, Leipzig 1929).
Yasur Landau 2008: A. Yasur Landau, Die Seevölker. In: Zeit der Helden. Die „dunklen Jahrhunderte“ Griechenlands 1200– 700 v. Chr., Katalog der Ausstellung Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Karlsruhe 2008), 56–59.
231
9. Aufbrüche ins Jenseits
9. Aufbrüche ins Jenseits Michaela Lochner Zu Beginn des 13. Jh.s v. Chr. setzte sich die für die Urnenfelder-
legung in ihren zeitlichen und räumlichen Dimensionen erfor-
kultur charakteristische Brandbestattung durch. Diese grund-
derlich. Die Veränderungen und Besonderheiten werden nach-
legende Änderung des Bestattungsritus, die Verbrennung des
folgend anhand ausgewählter Grabbefunde aus Ostösterreich
Leichnams auf einem Scheiterhaufen und die nachfolgende Be-
präsentiert.
stattung des Leichenbrandes in Urnen, wird zum tragenden und
Meist ist die Bestattung mit einem mehr oder minder aufwendi-
identitätsstiftenden Ritual der damaligen Gesellschaft. Diese
gen Ritual verbunden. Die Feier definiert das Verhältnis der Le-
Umstellung war wohl der äußere Ausdruck des Wandels geistig-
benden zu dem/der Toten bzw. dem Tod generell. Sie gibt den
religiöser Vorstellungen.
Hinterbliebenen Gelegenheit, Abschied zu nehmen, um den
1
persönlichen Verlust zu verkraften. Zugleich dienen Totenfeiern
9.1 Bestattungswesen und Grabritus
vielerlei gesellschaftlichen Zwecken innerhalb einer größeren Gemeinschaft. Die Archäologie profitiert vom Repräsentationseffekt einer Bestattung. Zeremonien um bedeutende Ereignisse im Lebenszyklus eignen sich zur Demonstration der gesell-
Die Urnengräberfelder wurden außerhalb der Siedlungen ange-
schaftlichen Bedeutung, zum Beispiel einer Familie oder einer
legt. Die Verstorbenen kamen in ihrer Tracht – oft mit Schmuck,
bestimmten Gruppe. Archäologisch fassbar wird dies am besten
Waffen und Werkzeugen ausgestattet – auf den Scheiterhaufen
im Grabbrauch. Prachtvoll ausgestattete Gräber spiegeln den ge-
(siehe Kap. 10, Pkt. 10.2). Als Schmuck waren Nadeln, Hals- und
sellschaftlichen Rang der Bestatteten wider, den sie zu Lebzeiten
Armringe sowie vielfältige Kleidungsapplikationen üblich; erst-
einnahmen und in der Welt der Toten ungeschmälert beibehalten
mals wurden in dieser Zeitperiode auch in unserem Raum Fibeln
wollen. Der Bestattungsritus hat als religiöse Basis maßgebliche
verwendet. Nach der Einäscherung sammelte man die Knochen-
Bedeutung. Die Entwicklung des Totenkults ist ohne die intensi-
reste (Leichenbrand) und verwahrte sie, meist in einem Keramik-
ve mentale Beschäftigung des Menschen mit dem Sinn von Le-
gefäß (Urne). Im Rahmen einer Zeremonie wurden dann die Urne
ben und Sterben sowie den inneren Vorgängen zum Zeitpunkt
sowie Speisen- und Trankbehälter in einer Grabgrube arran-
des Todes unvorstellbar.3
giert und anschließend mit Erde bedeckt. Zu den nachweisbaren
Vom Totenzeremoniell der Urnenfelderzeit ist uns nur ein gerin-
Speisebeigaben, die man dem Toten mitgab, zählen portionierte
ger Teil zugänglich. Es handelt sich dabei um die im Boden er-
Fleischteile von Schwein oder Schaf.
haltenen Spuren von Verbrennungsplätzen, Gräbern und Gräber-
Grabniederlegungen werden in besonderem Maße von rituellen
feldern. Sie ermöglichen uns begrenzte Einblicke in Teilbereiche
Handlungen bestimmt. Sie sind daher eine der wenigen archäo-
des Bestattungsbrauchtums. Die jeweils geltenden Bestattungs-
logischen Quellen, die solche Handlungen zumindest erahnen
sitten bzw. die dementsprechend agierenden Angehörigen be-
lassen. Gleichzeitig sind Bestattungssitten und Grabausstat-
stimmen, was mit den Toten ins Grab zu gelangen hat. Das heißt,
tung Ausdruck der kulturellen Identität.2 Obwohl sie eine wichti-
jeder Gegenstand und auch die Art und Weise, wie er im Grab
ge Quelle zum Verständnis der Sozialstruktur einer Gesellschaft
deponiert wird, kann eine bestimmte Bedeutung haben. Die re-
sind, bleiben viele Fragen offen – insbesondere jene, inwieweit
gelhaften Handlungen zu erfassen, ist der erste Schritt, um die
Grabausstattungen direkte Rückschlüsse auf die Welt der Leben-
materiellen Hinterlassenschaften eines Grabs in Richtung zere-
den zulassen.
monieller Abläufe und geistiger Hintergründe zu deuten sowie
Um solche Fragen beantworten zu können, ist die Analyse der
die sozialen Ordnungsmuster zu beschreiben, die mit der jewei-
Grabformen, der Grabausstattung und der Rituale der Grab-
ligen Bestattungssitte verbunden sind.
1
Basisliteratur: Lochner 2012 und Lochner 2013.
2
Eggert 2001, 57 f.; weiterführende Literatur: Hofmann 2008.
232
3
Daim 2003, 42 f.
9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur
9.1.1 Phänomen Brandbestattung
heißt sein Körper, zur Opfergabe wird. Die rituelle Verbrennung seines Körpers auf dem Scheiterhaufen wird zur Voraussetzung, um mit Hilfe eines rituell erwirkten Körpers den jenseitigen Ort
Nachdem in vorhergehenden Kulturperioden zeitweilig Körper-
zu erlangen, wobei Agni (das Opferfeuer) ihn geleitet.“ 5 Im Rig-
bestattung und Leichenverbrennung nebeneinander praktiziert
veda und in späteren Schriften zum indischen Totenritual fin-
wurden, ist einer der interessantesten Aspekte der Urnenfelder-
den sich aber auch Hinweise auf die Praxis der Erdbestattung,
kultur die konsequente Anwendung der Brandbestattung. Erst-
offenbar als Reminiszenzen an eine ältere Form der Beisetzung.
mals werden komplexe philosophische Veränderungen in einer
Eine gewisse Zeit bestanden demnach in Indien ebenso wie im
schriftlosen Kultur mit archäologischen Methoden fassbar. Das
mittelbronzezeitlichen Zentraleuropa beide Bestattungsformen
Phänomen des weiträumig uniformen Totenbrauchtums lässt
nebeneinander. Der Rigveda enthält zudem Opfersprüche, die
auch auf überregionale Kommunikationsstrukturen schließen,
wiedergeben, wie die kalzinierten Knochen den ursprünglichen
die weit über Wirtschafts- und Machtbeziehungen hinausgingen,
Körperteilen entsprechend zusammengestellt werden. Hinweise
auch wenn sie sich gegebenenfalls untereinander bedingten.
auf ein ähnliches Vorgehen finden sich auf Gräberfeldern der
Erklärungsmuster zum Rituswandel zur Brandbestattung liefern
Südslowakei und der Ungarischen Tiefebene.6
– über die archäologischen methodischen Möglichkeiten hinaus – z. B. die Ethnologie, die Religionswissenschaften und die Sozialwissenschaften. Hier bieten sich Modelle an, die mit Bedacht auf archäologische Befunde übertragbar sind bzw. behilflich sein können, Grundstrukturen zu erkennen. Beispiele aus der Ethnologie deuten an, dass der Wandel in den
9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur
Bestattungssitten eine radikale Wende im Denken der damaligen Menschen darstellte und äußerer Ausdruck geistig-religiöser
Die Bestattungs- und Beigabensitten der älteren Urnenfelderkul-
Vorstellungen war, insbesondere der Auffassung vom Leben
tur Niederösterreichs bzw. insgesamt Ostösterreichs basieren
im Jenseits. Vermutlich glaubte man, die Seelen der Toten könn-
zu einem großen Teil auf den mittelbronzezeitlichen Traditionen
ten nur durch Einäscherung aus den Körpern befreit werden.
insbesondere der Hügelgräberkultur. Zu diesen Traditionen ge-
Die Wechselwirkung zwischen Seele und Körper schien bei der
hören die rechteckige Grabform, die Ost-West-Orientierung des
Brandbestattung eine wichtige Rolle einzunehmen. Die Verbren-
Schachtes, die urnenlose Brandbestattung und die fallweise auf-
nung bedeutet nicht einfach nur die Zerstörung des Körpers;
tretenden körperlangen Steinpackungen. Zu Beginn der Urnen-
vielmehr spielen vermutlich Vorstellungen von der reinigen-
felderkultur setzte eine Wandlung dieser Bestattungssitte ein,
den Kraft des Feuers eine zentrale Rolle. Andererseits kann die
die etwa mit Ende der Stufe Ha A1 abgeschlossen war. Es ent-
Kremation auch als Opfergabe angesehen werden – man opferte
stand eine große Vielfalt an Bestattungsformen, wobei das un-
sozusagen seinen Körper einem höheren Wesen.
terschiedliche Brauchtum kleinräumig verteilt erscheint.7
Besondere Aussagen dazu liefert uns eine der wichtigsten
Wichtige Merkmale bei der Analyse der Bestattungssitten sind
Schriften des Hinduismus, der Rigveda, dessen älteste Texte zwi-
die Art des Grabbaus, die Verwendung einer Urne, die Beigaben-
schen 1700 und 1200 v. Chr. entstanden und somit zeitlich mit
ausstattung sowie Befunde, die verschiedene Handlungen am
der Bronzezeit in Mitteleuropa vergleichbar sind.4 Es lässt sich
Grab erkennen lassen.
allerdings nicht nachweisen, ob und wie dies tatsächlich impuls-
Beim Grabbau vollzog sich der Wandel von den großen Grab-
gebend für unsere Region war. Tatsache ist, dass ein zeitgleicher
hügeln der mittleren Bronzezeit zu kleinen Grabhügeln bzw.
Wandel in den Ritualen stattgefunden hat und der Rigveda die
Flachgräbern. Diese Grabform wurde ab der Stufe Bz D2 im We-
einzige schriftliche Quelle für eine solche grundlegende Verän-
sentlichen bis ans Ende der Urnenfelderkultur beibehalten. Mög-
derung ist. Aus diesen vedischen Texten Indiens lässt sich ein
licherweise führten Veränderungen in der Gemeinschaftsstruk-
Zusammenhang mit Opferhandlungen ableiten, für die eine
tur zu einer Abwendung von arbeitsintensiveren Grabbauten,
Transformation durch Feuer erforderlich war. Angelika Malinar
die eine langfristigere Zusammenarbeit einer größeren Gemein-
schreibt dazu folgendes: „Im Kontext spätvedischer Texte ist der
schaft erforderten.
Tod das letzte Opfer des Opferherrn, in welchem er selbst, das
4
Zitiert nach Primas 2008, 47 f.
5
Malinar 2002, 767.
6
Primas 1977, 80, Anm. 410.
7
Lochner 2013, 12.
233
9. Aufbrüche ins Jenseits
BzC2/D1
BzD2
HaA1
HaA2
HaA2/B1
HaB1
HaB2
HaB3
HaC1
Grabbau – Hügel/flach
H
(H) F
(H) F
F
(H) F
F
F
F
H
Grabform – lang/rund/ quadratisch
L
L
L/R
R
R
R
R
R/Q
L/R/Q
Urne
Nein
Nein
Ja/Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja/Nein
Ja/Nein
Waffen/Prunk
Ja
Ja
(Ja) Nein
Nein
(Ja) Nein
Nein
Nein
Ja/Nein
Ja
Geschirrsätze T=Trinksitte
Nein
Ja T
Ja T
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja T
Ja T
Handlungen*
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
* mitverbrannte und/oder zerscherbte Gefäße als Teil einer Vielzahl an Handlungen
Tabelle 09_01. Überblick über die Bestattungssitten der älteren Urnenfelderkultur (graues Feld).
und generell eine Angleichung in den Bestattungs- und Beigabensitten eingeleitet, die im Wesentlichen bis ans Ende der Urnenfelderkultur andauert. Mit den Toten wurden ab der Stufe Ha A1 in der Regel (nur) einfache Trachtausstattungen wie Fibeln, Nadeln, Hals- und Armreife, Knöpfe und Ringe verbrannt sowie zusammen mit dem Leichenbrand bestattet. Hinzu kam gelegentlich ein Bronzemesser, das in Zusammenhang mit Speisebeigaben stand, da es des Öfteren mit einer Schale und mit Fleischteilen vergesellschaftet ist; eine Sitte, die in der jüngeren Urnenfelderzeit fast zum Standard wurde. Selten gab man Geräte oder Werkzeuge (Ahlen, Angelhaken) bei. Vereinzelt werden auch unverbrannte Beigaben aus Bronze, selten aus Knochen, im Grab aufgefunden. Gräber mit reicheren Ausstattungen – z. B. Kombinationen von zahlreichen Keramikgefäßen, besonderen Beigaben aus Bronze sowie Waffen – sind auf die Stufe Bz D beschränkt (Baierdorf) und treten später nur mehr in einer relativ kurzen Zeitspanne
Abb. 09_01. Straß im Straßerthale, Grab 118, Steinkiste mit mehreren Bestattungen (Foto: B. Wewerka/ASINOE).
zwischen Ha A2 und Ha B1 auf (Unterradlberg [dazu weiter un-
Regionale Ausnahmen finden sich im Bereich der Čaka-Gruppe
zeit und der frühesten Urnenfelderzeit in erster Linie Bestandteil
im südöstlichen Niederösterreich und nördlichen Burgenland.
von Handlungen, die man während und nach der eigentlichen
Grabhügel, aber auch Steinkistengräber und Waffenbeigaben
Bestattung durchführte. Der mit der Grabkeramik verbundene
ten], Velatice, Grab 1/Tschechien9, Očkov/Slowakei10). Die Beigabe von Keramikgefäßen war in der mittleren Bronze-
lassen sich in diesem Raum bis in die Stufe Ha A1 nachweisen.
Ritus änderte sich im Laufe der frühen Urnenfelderzeit (ab der
Bei der Grabform werden teilweise noch bis in die Stufe Ha A1
Stufe Bz D2) deutlich. Nach wie vor wurden einzelne Schalen
langrechteckige und rechteckige Grundrisse mit diversen Stein-
oder Töpfe, die direkt bei dem Verstorbenen auf dem Scheiter-
einbauten bzw. Steinkisten beibehalten (Abb. 09_01).8 Ab der
haufen standen, mitgegeben. Ebenso können größere Scherben-
Stufe Ha A2 setzte sich der runde Grundriss von Grabgruben
konvolute als Reste von Zeremonien am Grab beobachtet werden.
durch.
Gleichzeitig begann in dieser Stufe die Bedeutung von Keramik-
Seit Beginn des 13. Jh.s v. Chr. war in unserer Region fast aus-
beigefäßen als Prestigebeigaben in Form gleichartiger Geschirr-
nahmslos die Brandbestattung üblich. Erst in der nachfolgenden
sätze (auf Bz D2/Ha A1 beschränkt) sowie als Behälter von
Hallstattkultur sind in Mitteleuropa wieder Körpergräber auf re-
Speisen und Getränken stark zuzunehmen. Einzelne Sets und
gulären Bestattungsplätzen nachweisbar. Die anfangs vorherr-
nach der eigentlichen Grablegung eingebrachte flaschenförmige
schende urnenlose Brandbestattung war vor allem in der frühen
Gefäße lassen außerdem auf verschiedene Arten von Trinksitten
Urnenfelderzeit der Stufe Bz D verbreitet. Im Laufe der älteren
schließen.
Urnenfelderzeit (Ha A1, 12. Jh. v. Chr.) wurden Urnen verwendet 9 8
234
Vgl. Adamik 2012 für Polen.
Říhovský 1958.
10 Paulík 1962.
9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur
Baierdorf-Velatice-Gruppe (Abb. 09_03):11 1 – Baierdorf, VB Hollabrunn (Lochner 1986) 2 – Horn, VB Horn (Lochner 1991b) 3 – Straß im Straßertale, VB Krems (Wewerka 1994, Vorbericht) 4 – Hollabrunn, VB Hollabrunn (Lauermann/Hasenhündl 1996, Vorbericht) 5 – Franzhausen, VB St. Pölten (Blesl/Gattringer 2007, Vorbericht) 6 – Getzersdorf, VB St. Pölten (Kaus K. 1971; Maurer 1971; Groiss 1976) 7 – Inzersdorf ob der Traisen, VB St. Pölten (Neugebauer/ Gattringer 1985/86, Vorbericht; Lochner 2013 und 2015) 8 – Unterradlberg, VB St. Pölten (Blesl/Neugebauer/
Abb. 09_02. Plaika, älterurnenfelderzeitliches Brandgrab (Müller/Preinfalk A./Preinfalk F. 2013, Abb. 32).
9 – Gemeinlebarn, VB St. Pölten (Szombathy 1929; Neugebauer/
Nur manche der im folgenden angeführten Gräberfelder sind voll-
10 – Michelndorf, VB Tulln (Adametz 2005)
ständig publiziert, wenige nur in Ausschnitten und die meisten le-
11 – Rannersdorf, VB Schwechat (Gruber 2006, Vorbericht)
diglich in Vorberichten veröffentlicht. Im nördlichen Niederöster-
12 – Sommerein, VB Bruck an der Leitha (Kaus M. 1991,
Preinfalk F. 2002; Blesl/Krumpel 2003, Vorberichte) Blesl/Gattringer et al. 1997, 455, Vorbericht)
reich, am Ostrand des Waldviertels, befinden sich die bereits publizierten Gräberfelder von Baierdorf und Horn sowie das aus Vorberichten bekannte Gräberfeld von Straß im Straßertale (siehe Abb. 09_01) – ein Bestattungsplatz, der möglicherweise durchgehend während der gesamten Urnenfelderzeit belegt war. Im Weinviertel ist das Gräberfeld von Hollabrunn zu nennen, von dem bislang nur zwei Kinderbestattungen veröffentlicht wurden.
Vorbericht) 13 – Mannersdorf am Leithagebirge, VB Bruck an der Leitha (Pomberger 2009) 14 – Leithaprodersdorf-Edelseeäcker, VB Eisenstadt-Umgebung (Kaus M. 2003, unpubliziert) 15 – Plaika, VB Melk (Müller/Preinfalk A./Preinfalk F. 2013, Vorbericht)
Südlich der Donau ist für das westliche Niederösterreich beson-
Čaka-Gruppe:12
ders das 2013 ergrabene Gräberfeld von Plaika hervorzuheben
16 – Zurndorf, VB Neusiedl am See (Helgert 1995)
(Abb. 09_02). Die Region des Unteren Traisentals mit dem öst-
17 – Neusiedl-Hutweide, VB Neusiedl am See (Kaus M. 1993/94)
lich anschließenden Tullnerfeld liefert die größte Dichte an Be-
18 – Siegendorf-Schuschenwald, VB Eisenstadt-Umgebung
stattungsplätzen: Franzhausen-Kokoron, Getzersdorf, Inzersdorf und Unterradlberg, Gemeinlebarn sowie Michelndorf. Östlich dieser Region sind das 2000 und 2001 erforschte Gräber-
(Kaus K. 1975; Kaus M. 1985/86, Vorberichte) 19 – St. Margarethen, VB Eisenstadt-Umgebung (Kaus M. 2003; unpubliziert)
feld von Rannersdorf mit charakteristischem Grabinventar der Stufe Ha A2, die Anlage von Sommerein mit Einflüssen aus der Čaka-Gruppe, das 2009 publizierte Gräberfeld von Mannersdorf am Leithagebirge und der große, noch unpublizierte Bestattungsplatz von Leithaprodersdorf hervorzuheben. Zur Čaka-Gruppe zählen auf burgenländischem Gebiet die
9.2.1 Gräberfeld Pitten Anhand der größten mittelbronzezeitlichen Nekropole Mittel-
publizierten Grabhügelbestattungen von Zurndorf und Neu-
europas, dem im südlichen Niederösterreich gelegenen Gräber-
siedl-Hutweide, die teilweise vorgelegten Hügel von Siegen-
feld von Pitten mit 221 Gräbern, lassen sich die Veränderungen
dorf-Schuschenwald sowie das unpublizierte Gräberfeld von
im Bestattungsritus während der mittleren Bronzezeit und zu
St. Margarethen.
11 Dazu Kap. 1, Pkt.1.2. Nachfolgend in den Listen angegebene Zitate betreffen Primärliteratur bzw. Erstnennungen. 12 Dazu Paulík 1963.
235
9. Aufbrüche ins Jenseits
Abb. 09_03. Verbreitungskarte von Gräberfeldern der Stufen Bz D–Ha A2 in Niederösterreich/Burgenland mit aussagekräftigen Grabbefunden.
Beginn der frühen Urnenfelderzeit demonstrieren.13 Bereits in den ältesten Gräbern (frühe Mittelbronzezeit, ca. 16. Jh. v. Chr.) zeigt sich eine birituelle Bestattungsweise; daneben ist auch der Variantenreichtum der sonstigen Bestattungspraktiken bemerkenswert. Es finden sich Flachgräber, Schachtgräber mit bis zu 1,8 m Tiefe, die ersten Hügelgräber, die teilweise Kreisgraben und Lehmmantel aufweisen, sowie Hügel mit Steinmantel und Grabkammer. Die Bestattungen in Hügeln gelten – neben der birituellen Bestattungsweise – als das kennzeichnende Element der mittleren Bronzezeit, das ihr auch die Bezeichnung Hügel-
Abb. 09_04. Pitten, Grab 189, Originalbefund mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner nach Hampl/ Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1978–81 und Benkovsky-Pivovarová 1991).
gräberkultur einbrachte.
Nadelfragment. Der Leichenbrand eines Erwachsenen war leicht
In der jüngsten Phase des Gräberfelds von Pitten (Stufe Bz C2/
hügelartig auf eine Länge von 1,2 m aufgeschüttet.
D1, Mitte 14. bis Mitte 13. Jh. v. Chr.), an der Wende von der jün-
Der gesamte Grabbau war auf einer Brandschicht errichtet, die
geren Hügelgräberzeit zur frühen Urnenfelderzeit, finden sich in
im Süden über das Konstrukt hinausreichte. Vor der Öffnung
den Gräbern praktisch ausschließlich Brandbestattungen, die
lagen zahlreiche Scherben, offenbar absichtlich zerschlagene
vereinzelt innerhalb einer körperlangen Grabkammer nieder-
Keramik, darunter ein großes bauchiges Gefäß mit trichterförmi-
gelegt wurden. Ein charakteristisches Grab dieser Spätphase ist
gem Hals und vier großen Buckeln auf der Schulter (Höhe 35 cm)
Grab 189 (Abb.09_04). Das Wissenschaftsteam – Franz Hampl,
sowie mindestens drei kleine Tassen, alle unverbrannt.
Helga Kerchler und Zoja Benkovsky-Pivovarová – bezeichnet die
Der Befund lässt die Deutung zu, dass der Verstorbene an Ort
Form als Zylindergrab. Es hat einen rundovalen Grundriss (Dm.
und Stelle verbrannt wurde; danach wurde die Steinsetzung er-
circa 3 m) und ca. 65 cm hohe, fast senkrechte Wände aus Stei-
richtet und die Asche gemeinsam mit den Beigaben und Toten-
nen. An der Südseite war eine Öffnung zur Grabkammer mit ei-
opfern vom Scheiterhaufen beigesetzt. Dann wurde die Kammer
ner Brandflächenbestattung ausgespart. In der ca. 2 m langen,
mit Sand gefüllt und mit Steinen abgedeckt. Die zerscherbte
50 cm breiten und 40 cm hohen Kammer lagen drei teilweise voll-
Keramik am Eingang zum Grab kann von Totenfesten und Besu-
ständig erhaltene, aber durchwegs sekundär verbrannte Tassen
chen am Grab herrühren, wobei man die bei der Feier verwende-
und Töpfchen sowie einige Scherben, eine ca. 50 cm lange Schei-
ten Gefäße absichtlich zerbrochen und an Ort und Stelle belas-
benkopfnadel mit mehrfach verdicktem Schaftoberteil und ein
sen hatte.14
13 Hampl/Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1978–81; Hampl/Kerchler/ Benkovsky-Pivovarová 1982–85; Benkovsky-Pivovarová 1991.
14 Hampl/Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1978–81, 113 ff.; Benkovsky-Pivovarová 1991, 94 f.
236
9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur
Katharina Rebay-Salisbury und Marie Louise Stig Sørensen
mit den Funden von Baierdorf den jüngeren Abschnitt der frü-
führten eine ausführliche Analyse des Rituswandels von Körper-
hen Urnenfelderkultur (etwa 2. Hälfte der Stufe Bz D).17 Trotz der
bestattung zur Brandbestattung anhand des Beispiels des Gräber-
nach heutigen Maßstäben unsachgemäßen Bergung der Gräber
felds von Pitten durch.15 Ihr Resümee ist, dass alte Bestattungs-
in den 1920er-Jahren geben sie uns für die Bestattungssitte der
formen nicht einfach unreflektiert und abrupt durch neue ersetzt
frühen Urnenfelderzeit wichtige Hinweise. Dies gilt vor allem für
wurden. Die Einführung der Brandbestattung führte nicht sofort zu
die Ausstattung mit reichen Grabbeigaben und Waffen, die – wie
einem neuen Verständnis des verbrannten Körpers als reduzier-
bereits erwähnt – ab der Stufe Ha A1 nur mehr in Ausnahme-
te Substanz, die beliebig vom Ort der Verbrennung entfernt und
fällen auftritt.
verlagert werden kann. Die Verbrennung diente anfangs nicht der
Aus Grab 1 (Abb. 09_05) liegt die reiche Ausstattung einer Frau
völligen Auslöschung des Körpers; die Überreste blieben bedeut-
vor. Die Kombination von paarweise auftretenden, schwer-
sam und die Idee eines Körpers ging nicht verloren.
gerippten Armreifen und Nadeln ist typisch für Frauengräber
Einer der Riten, die zum Ziel haben, diese fortdauernde Anwesen-
dieser Zeit. Die Nadeln vom Typ Paudorf – früher als Turbankopf-
heit eines verbrannten Körpers zu bestätigen, bestand darin, die
nadeln bezeichnet – kommen vornehmlich im Raum von Nieder-
Körpergröße und -form nach der Verbrennung durch den Bau von
österreich und entlang der Donau bis nach Südbayern vor. Ein
Grabstrukturen über dem Verbrennungsplatz wiederherzustellen,
Teil der Beigaben, das Griffzungenmesser und die Metallzier der
was besonders in den Gräbern mit langrechteckigen Grabgruben
Kleidung, war dem Feuer ausgesetzt, wie ein verschmorter Zier-
mit Steinkammern zum Ausdruck kommt. Das konnte so weit ge-
knopf belegt. Das Grab war zudem reich mit Keramik ausgestat-
hen, dass man die verbrannten Knochen in Körperform auf die
tet. Es liegen, neben den typischen Formkombinationen dieser
Grabsohle legte.
Zeit bestehend aus Doppelkonus, Zylinderhalsgefäß (mit gegen-
Ein anderer Ritus, Knochenreste als transformierte Substanz zu
ständigen Henkeln), Henkelschale und etlichen kleineren Bei-
betrachten, bestand darin, diese zu selektieren und zu bewegen,
gefäßen – darunter profilierte Henkeltassen, sogenannte Baier-
um sie schließlich in einer Urne zu bestatten. Die Urnen begrenzen
dorf-Velatice-Tassen –, weiters ein hohes, becherförmiges Gefäß
den Körper zwar, berücksichtigen jedoch nicht die Körpergröße
mit Standfuß sowie fünf tordierte Henkelbruchstücke von einer
und sind Ausdruck dafür, dass man die Reduzierung des Körpers
Säulchenschüssel vor.
zu einer anderen Art von Substanz akzeptiert.
Von den sieben uns bekannten Gräbern aus Baierdorf enthielten
Urnenbestattungen kommen im Gräberfeld von Pitten zwar eben-
drei je ein Schwert. Die Gräber werden daher als Kriegergräber
falls schon vor, stellen aber Sonderfälle dar und sind in die unter-
interpretiert. In Grab 6 (Abb. 09_06) befand sich ein Vollgriff-
schiedlichsten Kontexte eingebettet.
schwert vom Typ Riegsee samt Schwertgehänge aus zinnreicher
Zusammenfassend kann man sagen, dass die geistige Neuorien-
Bronze, die den Knöpfen und Ringen eine silbrige Oberfläche
tierung, die sich im Rituswechsel ausdrückt, nicht durch die Ver-
verleiht. Die Spitze der Waffe ist durch Feuereinwirkung stark de-
brennung des Toten ihren letzten Ausdruck fand. Erst später sag-
formiert und gebrochen. Als weitere männertypische Grabaus-
te man sich endgültig vom Konzept der Körperlichkeit los. Dazu
stattung dieser Zeit sind eine einzelne Nadel, ein Messer und
gehört, dass das Nachbauen von Körpern – z. B. die Positionie-
– sonst eher selten – eine Ahle erhalten. Das Grab war zudem
rung des Leichenbrands in Körperform, die Errichtung langrecht-
mit zahlreichen Keramikgefäßen ausgestattet: Zylinderhalsgefä-
eckiger Grabgruben oder Steinkisten – aufgegeben wurde. Dieser
ße (mit und ohne ausladendem Rand und Henkel), (Fuß-)Schalen
Wandel wurde erst durch die Verlagerung der Verbrennungsreste
und weitmündige große (Fuß-)Schüsseln mit charakteristischer
in eine neue Hülle – eine Urne – fassbar.
Kannelurverzierung am Bauchteil. Diese reich ausgestatteten Gräber mit Beigaben, die teilweise aus weit entfernten Gebieten stammten, darunter ein Schwert
9.2.2 Gräberfeld Baierdorf
vom Typ Terontola (vermutlich aus der Poebene) und einige Bernsteinperlen aus dem Ostseeraum, zeigen an, dass es sich hier um eine sozial und ökonomisch bessergestellte Menschen-
Das Gräberfeld von Baierdorf im nördlichen Niederösterreich
gruppe handelte, die das auch in ihrem Grabritus zum Ausdruck
wurde immer wieder zur Gliederung der älteren Urnenfelder-
brachte. Beigaben wie diese belegen zugleich das weiträumige
kultur im Ostalpenraum herangezogen.
Handelsnetz, in das Niederösterreich eingebunden war.
16
Heute illustriert man
15 Sørensen/Rebay 2005. 16 Bayer 1931; Pittioni 1937, 167 f.
17 Lochner 1986, 263–293; dazu Lochner 2012, 42.
237
9. Aufbrüche ins Jenseits
Abb. 09_05. Baierdorf, Grab 1, Keramik und Bronzefunde (Grafik: M. Lochner nach Lochner 1986).
Betrachten wir in diesem Zusammenhang umliegende Gräberfelder, so deutet alles darauf hin, dass sich im nördlichen Niederösterreich einschließlich der Region südlich der Donau sowie im südlichen Mähren von der frühen zur älteren Urnenfelderzeit
9.2.3 Gräberfeld Horn
kein auffälliger Wandel in der Bestattungssitte vollzog, sondern – in einzelnen Riten der Grabausstattung – ein längeres Beharren in alten Traditionen erkennbar ist. Ein verbindendes Element waren sicher die Säulchenschüsseln, eine typische Grabkeramik
In seinem Schwerpunkt chronologisch etwas jünger als die Fund-
der frühen und älteren Urnenfelderzeit (Bz D/Ha A1). Dabei
komplexe aus Baierdorf repräsentiert das Gräberfeld von Horn,
handelt es sich um oft aufwendig mit Kanneluren und Knubben
ebenfalls im nördlichen Niederösterreich gelegen, mit seinen 32
verzierte Gefäße mit gegenständigen oder kreuzständigen, oft
erhaltenen Bestattungen großteils die Stufe Ha A1 der älteren
säulchenartig zwischen Rand und Schulter platzierten, Henkeln
Urnenfelderkultur.18
(Abb. 09_07).
Die Flachgräber bestanden aus runden, häufig auch noch ovalen
Interessant ist in diesen Zusammenhang das Grab 14 (Abb.
bis lang gestreckten Grabgruben, in denen die Gefäßbeigaben –
09_08), das sowohl traditionelle als auch zukunftsweisende Ele-
obwohl zahlreich – nur einen kleinen Teil der Fläche einnahmen.
mente – die Deponierung des Leichenbrands in Tongefäßen –
Die rechteckige Grabform, die Ost-West-Orientierung, die urnen-
zeigt.
lose Brandbestattung und die fallweise auftretenden manns-
Die Grabgrube war ost-west-orientiert, annähernd rechteckig
langen Steinpackungen stellen ältere mittelbronzezeitliche Tra-
und ca. 2 m lang. Der Grabboden war mit grobem Bachsand aus-
ditionen dar.
gekleidet – eine Sitte, die immer wieder zu beobachten und mit
18 Lochner 1991b; dazu Lochner 2012, 42 f.
sohle vergleichbar ist.
der in manchen Regionen üblichen Steinpflasterung der Grab-
238
9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur
Abb. 09_06. Baierdorf, Grab 6, Keramik und Bronzefunde (Grafik: M. Lochner nach Lochner 1986).
Abb. 09_07. Horn: Auswahl an sog. Säulchenschüsseln aus dem Gräberfeld (Foto: IUHA).
Abb. 09_08. Horn, Grab 14, Befundrekonstruktion und zugeordnete Funde (Grafik: M. Lochner nach Lochner 1991).
239
9. Aufbrüche ins Jenseits
Abb. 09_09. Inzersdorf ob der Traisen, Gesamtplan des Gräberfelds (Grafikgrundlage BDA, Überarbeitung M. Lochner, OREA/ÖAW 2014).
9.2.4 Gräberfeld Inzersdorf ob der Traisen
Die Beigaben lagen alle an der Ostseite des Grabs und bestan-
In Inzersdorf ob der Traisen (Schottergrube Handl), einige Kilo-
den aus etwa sieben Gefäßen. In einer großen Schüssel und
meter südlich von Getzersdorf gelegen, erforschte man ein aus-
einem Doppelkonus waren Reste des Scheiterhaufens, tief-
gedehntes Brandgräberfeld mit zeitlichem Schwerpunkt in der
schwarze Erde mit Holzkohle und Leichenbrand sowie einige ver-
Stufe Ha A, das aber vermutlich bis zum Beginn der Stufe Ha B
brannte Bronzen, ein Messerfragment, ein Ringfragment und ein
belegt wurde.19 Es wurde in den Jahren 1981–1983 und 1987
zerschmolzenes Metallstück deponiert. Die Aussortierung des
unter der Leitung von Johannes-Wolfgang Neugebauer freigelegt.
Leichenbrands, die später allgemein üblich war, hatte man hier
Insgesamt konnten 273 Gräber festgestellt werden, dazu elf run-
unterlassen.
de und ein quadratisches Fundamentgräbchen um ein zentral ge-
Wir haben es hier mit einer frühen Form der Urnenbestattung zu
legenes Grab, vermutlich eine Einfriedung oder Hügelbegrenzung
tun. Größere Teile des Brandschutts wurden in Tongefäßen nie-
(Abb. 09_09). Das exakte Ausmaß des Gräberfelds ist aufgrund
dergelegt und nicht mehr im Grab ausgestreut oder zu einem
der widrigen Bedingungen während der Rettungsgrabungen im
Häufchen (vermutlich in einem organischen Behälter), umgeben
Bereich einer Schottergrube nicht mehr eruierbar.20
von Gefäßbeigaben, zentral auf der Grabsohle niedergelegt, wie das folgende Beispiel aus dem Gräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen zeigt.
240
19 Das Gräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen wird derzeit am Institut OREA/ÖAW im Rahmen von Master- und Dissertationsarbeiten aufgearbeitet. 20 Zur Situation des Großbauvorhabens im Unteren Traisental zu Beginn der 1980er-Jahre: Neugebauer/Gattringer 1981, 157–119; zuletzt ein Überblick in: Neugebauer/Blesl 1998.
9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur
1 Abb. 09_10. Inzersdorf ob der Traisen, Grab 39: 1. Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab – 2. Detailansicht mit Bronzegefäß und darüber liegendem Stein (Grafik: M. Lochner; Foto: J.-W. Neugebauer/BDA).
2 241
9. Aufbrüche ins Jenseits
Abb. 09_11. Michelndorf, Grab Verf. 844, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner nach Adametz 2005, Abb. 4 und Taf. 1–3).
Neben den großteils runden Grabgruben gab es auch einige
runter auch eine Bronzetasse vom Typ Friedrichsruhe (8).24 Der
rechteckige Grundrisse, zum Teil mit Steinpackungen, die die
bandförmige Henkel fehlt, außerdem weist das Stück einen alten
frühesten Belegungen im Gräberfeld darstellen. Vor allem un-
Riss mit Flickspuren auf.
ter diesen konnten auch umfangreich ausgestattete Gräber –
Ursprünglich hatte man angenommen, dass es sich um ein be-
wie die bereits publizierten Gräber 3921 und 10622, letzteres ein
raubtes Männergrab handelt, doch es ist die nicht beraubte Be-
Doppelgrab mit der ungewöhnlichen Beigabe einer Keramik-
stattung einer Frau.
trommel (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.6 und Abb. 11_45) – dokumen-
Auch hier kann man wieder unterschiedliche Vorgänge im Be-
tiert werden.
stattungsritual erkennen: zum einen die Beigabe eines Satzes
Auf der Grabsohle im Zentrum von Grab 39 (Abb. 09_10/1) be-
von vollständigen Gefäßen, zum anderen die vorgefundenen
fand sich flächig verteilt der Leichenbrand – vermutlich von einer
Überreste einer zeremoniellen Handlung der Trauergäste (siehe
Frau zwischen 19 und 40 Jahren23 – und darin der durch sekun-
weiter unten).
dären Brand deformierte Griffteil eines Griffzungenmessers von
Die Vervielfachung von Gefäßen des gleichen Typs in einem Grab,
Typ Dašice (10). Daneben, in einer Linie aufgereiht, fanden sich
wie wir sie hier bei den großen Tassen (13, 14, 15, 16) sehen, ist
weitmündige große Tassen (13, 14, 15, 16), großteils vom glei-
ein typisches Element der beginnenden und frühen Urnenfelder-
chen Typ, westlich davon ein großes Zylinderhalsgefäß (11) mit
zeit und etwa auch im Gräberfeld von Baierdorf erkennbar.25 Es
mehreren kleineren Tassen und Henkeltassen (10, 12, 18), da-
handelt sich hier vermutlich um Prestigebeigaben, die nicht mit
21 Lochner 2013, 16–18.
24 Die Beigabe eines Griffzungenmessers vom Typ Dašice und einer Bronzetasse vom Typ Friedrichsruhe spricht für einen Datierungsansatz der Bestattung in die Stufe Ha A1.
22 Lochner 2015; Fritzl 2017. 23 Die anthropologische Bestimmung der Leichenbrände wurde von Silvia Renhart durchgeführt.
242
25 Lochner 1986, Grab 5, Taf. 5–6.
9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur
der später üblichen Beigabe von Gefäßen als Behältnisse für Nahrung konform gehen. Dazu kommt das große Zylinderhalsgefäß, das als eine Art Trankbehälter mit beigestellten kleinen
Abb. 09_12. Hollabrunn, Blockbergung und Computertomografie (CT) einer Urne: Um mantelung der Urne mit Gips; CT-Aufnahmen der Urne; Freilegung der im Block geborgenen Urne in der Werkstatt (Fotos: NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Tassen als Trinkgefäße gedeutet werden kann. Sowohl die Vervielfältigung von Gefäßen als auch die Kombination von Trank-
(4) nachgereicht, das ursprünglich aufrecht stehend positioniert
behälter und Trinkgefäßen stellen Elemente dar, die im Verlauf
war.
der Stufen Bz D/Ha A1 verschwinden und erst wieder in der spä-
Einen ähnlichen Befund kennen wir aus Michelndorf, wo er
testen Urnenfelderzeit und frühen Hallstattzeit in ähnlicher Form
2003 im Zuge einer Rettungsgrabung dokumentiert wurde. Ver-
auftreten. Diese Gefäßbeigaben betonen die besondere sozia-
färbung 84427 war eine west-ost-orientierte Grabgrube, in der
le, ranghohe Stellung der Verstorbenen und dienten nicht (aus-
wahrscheinlich eine Frau (30–50 Jahre) mit charakteristischem
schließlich) zur leiblichen Versorgung der Toten im Jenseits, wie
Bronze- und Keramikinventar der Stufen Bz D/Ha A1 bestattet
sonst im größten Teil der Urnenfelderzeit üblich.
war (Abb. 09_11).
Die Platzierung des Steins genau über der Bronzetasse (8) lässt
Typisch ist, dass die Gefäße wieder hintereinander in der Längs-
auf eine besondere Sicherung des Bronzegefäßes bzw. dieses
achse der Grube auf der Grabsohle angeordnet waren und dass
Bereichs (Abb. 09_10/2) schließen. Gleichzeitig mit der Depo-
wie in Inzersdorf ein intakter Trankbehälter – hier ein Zylinderhals-
nierung des Steins und eines Scherbenkonvoluts von einem gro-
gefäß ohne Henkel – in einer Ecke abgesondert abgestellt war.
ßen Doppelkonus (6) an einer Schmalseite des Grabes wurde die gesamte Grube vermutlich soweit verfüllt, dass die darin abgestellten Gefäße nicht mehr sichtbar waren. Über dem nun teilverfüllten Grabschacht fanden Zeremonien statt, in deren Verlauf weitere Teilmengen des Brandschutts vornehmlich an den
9.2.5 Gräberfeld Hollabrunn
Grubenrändern zu liegen kamen. In diesem Material lagen auch
Dass in unserer Region auch kleinräumig verschiedene Bräu-
sekundär gebrannte Scherben (5) sowie der zweite Teil des be-
che nebeneinander existierten, zeigt ein Bz D/Ha A1-zeitliches
reits erwähnten Messers. Außerdem fand man eine unbeschä-
Brandgrab aus Hollabrunn.28
digte Plattenkopfnadel (3)26, die offensichtlich nicht auf den
Am Nordrand dieser Bezirkshauptstadt wurden ab 1993 groß-
Scheiterhaufen gelangt war. Möglicherweise ist das ein Beleg
flächige Ausgrabungen durchgeführt. In einem Vorbericht wer-
dafür, dass man zusätzliche, nicht mitverbrannte Bekleidung mit
den u. a. 20 Urnen- und Brandschüttungsgräber, ein zugehöriger
zugehörigem Schmuck ins Grab legte.
Verbrennungsplatz und ein Gefäßdepot aus der Urnenfelderzeit
Zuletzt, vor der vollständigen Verfüllung des Grabs, wurde an
angeführt (Abb. 09_12).
der westlichen Schmalseite ein flaschenförmiges, ganzes Gefäß 27 Adametz 2005, 212–216. 26 Vgl. Wiesner 2009, 71.
28 Lochner 2013, 18 f.
243
9. Aufbrüche ins Jenseits
Abb. 09_13. Hollabrunn, Grab V 82, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner nach Lauermann/Hasenhündl 1996, Abb. 3).
Die Grabgrube des hier vorgestellten Grabs V 8229 war kaum grö-
dem Feuer ausgesetzt worden. Als Gefäßbeigaben waren drei
ßer als die Urne (Abb. 09_13). Direkt unter der Urne war Brand-
Baierdorf-Velatice-Tassen (12–14), ein eiförmiger Henkeltopf
schutt mit einigen Gefäßbruchstücken deponiert. In der Urne (1)
(15) und eine kannelurenverzierte kleine Tasse (16) in der Urne
lag auf dem Gefäßboden eine Schale mit der Mündung nach un-
in kreisförmiger Anordnung um den Leichenbrand deponiert.
ten (2). Leider gibt es keinen Hinweis darauf, was sich unter der
In diesem Fall hat die Urne eine besondere Bedeutung: Sie ist
umgestülpten Schale am Boden der Urne befand. Darüber fand
offensichtlich ein Ersatz für den menschlichen Körper, dient so-
sich der sorgsam aus den Scheiterhaufenresten herausgesuchte
zusagen als Körperhülle. Der Brandschutt unter der Urne könnte
Leichenbrand eines 7–14-jährigen Kindes. Auf und in diesem la-
den Scheiterhaufen symbolisieren. Schmuck und Trachtbestand-
gen Schmuck- und Trachtbestandteile aus Bronze, darunter eine
teile der Kleidung waren wohl für das Kind bestimmt, wurden
zweiteilige Blattbügelfibel vom Typ Gemeinlebarn (3), ein ver-
aber von diesem noch nicht getragen und lagen daher auch nicht
zierter Blechtutulus, zahlreiche Spiralröllchen, ein Noppenring,
auf dem Scheiterhaufen. Sie sind möglicherweise die zukünfti-
zwei Armreife und ein tordiertes Fragment, weiters eine Näh-
ge Ausstattung fürs Erwachsenenalter und wurden als solche ins
nadel und ein Gerät mit Meißelschneide (4–11). Sämtliche in der
Grab mitgegeben. Die kleinen Gefäße, die um den Leichenbrand
Urne niedergelegten Bronzen sowie die Beigefäße waren nicht
deponiert wurden, belegen in diesem Fall eindeutig die Versorgung des verstorbenen Kindes mit Nahrung.
29 Lauermann/Hasenhündl 1996, 310–312.
244
9.2 Gräberfelder der älteren Urnenfelderkultur
9.2.6 Gräberfeld Sommerein
männlich/spätadult (30–40)
Im südöstlichen Niederösterreich und dem nördlichen Burgenweiblich??/frühadult (19–30)
land findet man Einflüsse der Čaka-Gruppe, die schwerpunktmäßig zwischen Bz D und Ha A1 anzusetzen ist und hauptsächlich in der Südwestslowakei und in Westungarn verbreitet war. Sie geht in der Stufe Ha A1 in der Velatice-Gruppe auf.30 Im Grabbrauch sind einige Unterschiede zum übrigen ostösterreichischen Raum zu erkennen. Während allgemein in Österreich ab der Urnenfelderkultur Grabhügel nicht mehr üblich waren, gibt es im Einflussbereich der Čaka-Gruppe bei bestimmten Bevölkerungsgruppen noch die Bestattung unter Hügeln. Als Beigaben sind Geschirrsets und für Männer zusätzlich Waffen und Werkzeuge aus Bronze sowie für Frauen der bronzene Trachtschmuck kennzeichnend. Waffen und Kleidungsbestandteile wurden in der Regel mitverbrannt, die Keramik kam zerbrochen oder unversehrt, aufrecht oder mit der Mündung nach unten stehend in die Gräber. Obwohl beim Bestattungsbrauch immer wieder dieselben Handlungen, etwa das Zerschlagen von Gefäßen und das Verteilen oder Anhäufen des Leichenbrands im Grab zu beobachten sind, gleicht kaum ein Grab dem anderen. Vielleicht sind aber gerade die unterschiedlichen Varianten typisch für den Ritus dieser Zeit, wo möglicherweise die Handlung wichtiger war als die Einheitlichkeit des Ergebnisses. Eine weitere regionale Besonderheit sind die teilweise mit Gravuren versehenen Steinplattenkisten für die Bestattungen. Der leicht zu verarbeitende Leithakalk, der zum Bau dieser Kisten verwendet wurde, zeigt vor allem konzentrische Kreise und
Abb. 09_14. Sommerein, Grab 1, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeord neten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab – darunter: Platten der Steinkiste mit Gravuren (Grafik: M. Lochner nach Kaus M. 1991, Abb. 1–4).
Schildmotive. Diese seltenen Grabeinbauten aus Stein bieten Anlass zu Spekulationen, ob ähnlich gestaltete Elemente aus or-
Doppelkonus, südlich davon eine große weitmündige Schüssel
ganischen Materialien vorhanden waren.
und eine Henkeltasse. An der Nordwestwand der Kiste waren ein
Ein anschauliches Beispiel ist das im Jahre 1984 entdeckte früh-
weiterer etwa gleich großer Doppelkonus, zwei Schalen und der
urnenfelderzeitliche Steinkistengrab aus Sommerein (Grab 1).31
Rest eines Fußgefäßes abgestellt. Es fanden sich auch etliche
Der Fundort liegt am Westrand des Leithagebirges in einer Re-
Einzelscherben in der Grabgrube.
gion, die nicht mehr direkt zum Čaka-Kulturbereich zu zählen
Der zweite, etwas höher stehende Doppelkonus in der Nordost-
ist. Dies ist vor allem am Fundmaterial erkennbar, das eindeutig
Ecke könnte laut Ausgräberin Margarete Kaus eine Nachbestat-
nach Baierdorf-Velatice verweist. Die Bestattungssitte zeigt je-
tung sein. In beiden doppelkonischen Gefäßen war Leichenbrand
doch, unter anderem durch die Anlage von Hügelgräbern, dass
und je ein Objekt aus Bronze, in einem eine Lanzenspitze, im
es einen immateriellen geistig-kulturellen Einfluss aus den öst-
anderen ein Messer. Oberhalb der Gefäße lag eine durch Hitze-
lich anschließenden Gebieten gibt.
einwirkung verschmolzene Kugelkopfnadel. Die anthropologi-
Sommerein Grab 1 war aus vier behauenen Steinplatten zusam-
sche Auswertung des Leichenbrands durch Eike-Meinrad Winkler
mengestellt; der Boden wurde von drei kleineren, rechteckigen
ergab in der einen Urne ein spätadultes männliches Individuum,
Platten gebildet (Abb. 09_14). Annähernd im Zentrum stand ein
in der anderen Urne ein frühadultes, wahrscheinlich weibliches Individuum, wobei im Falle der Frau ein Teil des Leichenbrands
30 Paulík 1963. 31 Melzer/Opferkuh 1984; Kaus M. 1991; dazu Lochner 2012, 43 f.
zusammen mit den Resten des Scheiterhaufens ins Füllmaterial der Grabgrube gelangte. Leider kann auf Grund der bislang 245
9. Aufbrüche ins Jenseits
vorliegenden Befunde nicht eruiert werden, welches Individuum
2
nachbestattet wurde; vermutlich war es die Frau. Sicher ist, dass die Urne mit der Lanzenspitze die männliche Bestattung war, sodass man der Frau das Messer zuordnen kann. Die Nadel war vermutlich mit dem Brandschutt und somit mit dem Leichenbrand der Frau vergesellschaftet. Auf Grund des guten Erhaltungszustands der Knochenfragmente versuchte E.-M. Winkler eine Rekonstruktion des Verbrennungsritus. Den auffälligen Unterschied im Erhaltungszustand der Individuen interpretiert der Anthropologe so, dass die Frau in Rückenlage auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde worden sei, der Mann jedoch in Bauchlage. Das würde einen tief greifenden geschlechtsspezifischen Unterschied im Verbrennungsritus bedeuten und bedarf noch weiterer einschlägiger Befunde von anderen Grabungsplätzen.32 Die Außenseiten der sorgfältig behauenen Steinplatten sind mit tiefen Rillen verziert (Abb. 09_14). Drei Platten zeigen rechteckig gerahmte Felder, in denen je drei aus mehreren konzentrischen Kreisen bestehende Motive nebeneinanderstehen. Eines dieser Motive ist mit einer Lochung versehen, bei der es sich wohl um ein sogenanntes Seelenloch handelt. Konzentrische Kreise und gelochte Steinplatten werden allgemein mit Sonnenkult und Seelenvorstellungen in Verbindung gebracht (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.6). An der Platte im Osten erkennt man ein mit zwei Rillen umrissenes Schildmotiv. Hier handelt es sich wahrscheinlich um die Darstellung eines Sanduhrschilds. Man vermutet, dass solche Schilde
Abb. 09_15. Unterradlberg: 1. Befund des stark gestörten Grabs mit Schalenknauf schwert – 2. Schwert vom Typ Wör schach (Foto: BDA, Grafik: F. Siegmeth).
aus Holz und Rindsleder, die im früheisenzeitlichen Griechenland verbreitet waren, auch in Mitteleuropa Verwendung fanden. Vielleicht soll das in Stein gemeißelte Schildsymbol den hier bestatteten Lanzenkrieger im Jenseits beschützen.
9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur Ab der Stufe Ha A2 ist generell eine Nivellierung im Bestattungsbrauch erkennbar, die sich in unserer Region zumindest bis ans Ende der Stufe Ha B2 fortsetzt.33 Dieser Vorgang kann auch als Anzeichen einer gewissen Gleichstellung der damaligen Menschen angesehen werden; zumindest lassen sich über weite Strecken keine ausgeprägten Herrschaftsstrukturen oder größeren sozialen Unterschiede in der Gesellschaft aus der Grabaus32 Winkler 1992. 33 Lochner 2013, 19 f.
246
1
9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur
BzC2/D1
BzD2
HaA1
HaA2
HaA2/B1
HaB1
HaB2
HaB3
HaC1
Grabbau – Hügel/flach
H
(H) F
(H) F
F
(H) F
F
F
F
H
Grabform – lang/rund/ quadratisch
L
L
L/R
R
R
R
R
R/Q
L/R/Q
Urne
Nein
Nein
Ja/Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja/Nein
Ja/Nein
Waffen/Prunk
Ja
Ja
(Ja) Nein
Nein
(Ja) Nein
Nein
Nein
Ja/Nein
Ja
Geschirrsätze T=Trinksitte
Nein
Ja T
Ja T
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja T
Ja T
Handlungen*
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
* mitverbrannte und/oder zerscherbte Gefäße als Teil einer Vielzahl an Handlungen
Tabelle 09_02. Überblick über die Bestattungssitten der jüngeren Urnenfelderkultur (graues Feld).
stattung herauslesen. Bei genauerer Betrachtung gut befundeter Gräber kann man jedoch unterschiedliche Ausstattungsmuster erkennen, deren wesentliche Kriterien die Art der Urne sowie Anzahl und Art der Beigefäße für Speisen und Getränke sowie der sonstigen Beigaben darstellen. Diese Ausstattungsmuster stehen in direktem Bezug zu den verschiedenen Altersstufen, dem Geschlecht der Bestatteten und somit zur sozialen Identität der Verstorbenen. Einfache runde Grabgruben mit Urnen, Beigefäßen und die – großteils verbrannte – Kleidungs- und Schmuckausstattung der Verstorbenen sind nun Standard. Wo vollständige Grabbefunde vorliegen, bleibt die Anzahl und Vielfalt von Metallbeigaben ab der mittleren Phase der Urnenfelderzeit weitgehend gleich, nur Prunkobjekte fehlen und auch Waffen werden weiterhin selten beigegeben. Ausnahmen gibt es; in einem relativ kurzen Zeitrahmen zwischen der älteren und jüngeren Urnenfelderkultur können bei bestimmten Gruppen Grabhügel mit reichen Ausstattungen nachgewiesen werden. Das belegt ein 2003 während einer Notgrabung in Unterradlberg
Abb. 09_16. Franzhausen-Kokoron, Grab 65, typisches jungurnenfelderzeitliches Grab mit der Kombination von flachkonischer Schale, großem Bronzemesser und Tierknochen als Reste von Speisebeigaben (Foto: J.-W. Neugebauer/ BDA).
im Unteren Traisental entdecktes Ha A2/B1-zeitliches Schwert-
Was den Grabbau betrifft, so sind Hügelaufschüttungen in der
grab, das von einem Kreisgraben umgeben war, der als Rest des
jüngeren Urnenfelderzeit nicht nachweisbar, sondern erst ab Be-
Entnahmegrabens zur Hügelaufschüttung interpretiert werden
ginn der Hallstattzeit (Ha C) wieder belegt. Wahrscheinlich ab
kann. Die Teile des Schalenknaufschwerts vom Typ Wörschach
der Stufe Ha B2, sicher aber ab Ha B3 werden vereinzelt quadra-
(siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.6, Symbole) sind trotz Beraubung des
tische Grabgruben angelegt, wie sie dann in der folgenden Hall-
Grabs glücklicherweise erhalten geblieben (Abb. 09_15).34 Das
stattkultur üblich werden.
Gräberfeld von Unterradlberg war in mehrere Gräbergruppen un-
Was Grabsitten und Ausstattungen betreffen sind gegen Ende
terteilt und offensichtlich durchgehend von der Stufe Ha A bis in
der Stufe Ha B3 gravierende Veränderungen erkennbar. Dazu
die jüngere Urnenfelderkultur der Stufe Ha B belegt. U. a. kom-
gehört, dass – wie etwa in Stillfried – der Leichenbrand nicht
men hier große Grabanlagen vor, die von Kreisgräben (Grab-
mehr in einer Urne, sondern im Grab ausgestreut deponiert wird.
gärten oder Umfassungsgräben von Grabhügeln) mit Durchmes-
Auch finden wir in dieser Phase wieder verstärkt Gräber mit Waf-
sern bis zu 25 m umfriedet waren.35
fen und Zaumzeug sowie Prunkausstattungen. Die Kombination von (großem) Bronzemesser mit einer flachkonischen Schale
34 Blesl/Mödlinger/Ntaflos et al. 2009. 35 Blesl/Neugebauer/Preinfalk F. 2002, 32.
inklusive Fleischteilen (zumeist Knochen von Schaf/Ziege oder Schwein) ist in den Gräbern der jüngeren Urnenfelderzeit eine 247
9. Aufbrüche ins Jenseits
auffällig häufige Erscheinung. Diese Ensembles kommen in gleicher Weise sowohl in Frauen- als auch Männergräbern vor. Das Messer diente offensichtlich zum Zerteilen der Fleischstücke. Die wahrscheinlichste Interpretation dieser Beigabe ist natürlich, dass es sich um Nahrung für den Verstorbenen handelt und das Messer ist das zugehörige „Besteck“. Das Messer in repräsentativer Größe könnte aber auch eine weiterte Bedeutung haben: vielleicht symbolisiert es, dass die bestattete Person in einer Gruppe oder in der Familie für die Aufteilung der Nahrung verantwortlich war (Abb. 09_16). Während der gesamten jüngeren Urnenfelderkultur sind umfangreiche Gefäßbeigaben in regelhafter Zusammensetzung üblich, die die Sitte der angeordneten Geschirrsätze (Tafelgeschirr) der Hallstattkultur bereits vorwegnehmen. Eine Differenzierung in Richtung der spezifischen Tranksitte der Hallstattkultur ist im Verlauf der spätesten Urnenfelderzeit (Ha B3) erkennbar. Das größte Gefäß im Grab, das früher generell die Urne war, ist nun der Trankbehälter mit kleinem Schöpfgefäß (Tasse, Schale) darin. Nach wie vor belegen die in die Gräber geschütteten, teilweise sekundär verbrannten Gefäßscherben rituelle Handlungen: einen Leichenschmaus oder eine Totenfeier, die vor und während der Grablegung erfolgten und in deren Verlauf Gefäße zerbrochen und im Grab deponiert wurden. Es gibt noch weitere Belege für Handlungen am offenen Grab,
Abb. 09_17. Verbreitungskarte von Gräberfeldern der Stufen Ha A2/B1 bis Ha B3 in Niederösterreich mit aussagekräftigen Grabbefunden.
Gefäßdepositionen deutlich über der Grabsohle: Die Grube war schon bis in Bauch- oder Schulterniveau der Großgefäße verfüllt, da wurde noch ein Topf oder eine Schale abgestellt und oft waren
Zu nennen ist hier das größte erhaltene Gräberfeld der Region
auch Tierknochen dabei.
Franzhausen-Kokoron mit 403 nachgewiesen Bestattungen.
Für die jüngere Urnenfelderkultur sind in Ostösterreich die Be-
Inzersdorf ob der Traisen und Unterradlberg; beide wurden be-
Dazu kommen die in Aufarbeitung befindlichen Gräberfelder stattungsplätze von Hadersdorf am Kamp, St. Andrä vor dem
reits ab der älteren Urnenfelderzeit belegt.
Hagenthale, Stillfried an der March und nicht zuletzt Franz-
Weiter östlich sind die Gräberfelder von St. Andrä v. d. Hagen-
hausen-Kokoron kennzeichnend.
thale und Stillfried an der March sowie ein großteils zerstörtes
Am altbekannten Gräberfeld von Hadersdorf, das Ende des
Gräberfeld am Leopoldsberg oberhalb von Wien bekannt.
19. Jh.s untersucht wurde, hat man bei Rettungsgrabungen in
Im südlichen Niederösterreich sind – in Zusammenhang mit den
den 1990er-Jahren noch ca. 90 Gräber geborgen. Im Zentral-
hier in den Ausläufern der Ostalpen vorhandenen Kupferabbau-
raum von Niederösterreich nördlich der Donau sind noch wei-
und Verhüttungsplätzen – das noch unpublizierte Gräberfeld
tere, kleinere Aufschlüsse aus Haindorf, Straß im Straßertale
von Pitten-Schlossberg und ein kleines Gräberfeld in Ober-
und Fels am Wagram36 zu nennen. Südlich der Donau gibt es ein
piesting37 belegt. In der Nähe der Staatsgrenze befindet sich auf
2002 in Furth bei Göttweig entdecktes Gräberfeld.
ungarischer Seite die Nekropole von Sopron-Krautacker, wo im
Wie schon in Zusammenhang mit der älteren Urnenfelderzeit
Bereich des bedeutenden hallstattzeitlichen Gräberfelds sowohl
erwähnt, liegen im Unteren Traisental auf den Niederterrassen
einige älterurnenfelderzeitliche Bestattungen als auch zahl-
des Flusses Traisen große Bestattungsplätze, die zum Teil bis
reiche jungurnenfelderzeitliche Gräber geborgen wurden.38
in die jüngere Urnenfelderkultur weiter genutzt werden. Man kennt auch die zugehörigen Siedlungen in unmittelbarer Nähe. 37 Kaus M. 2003, 37. 36 Lochner 1991a, 73–81; Wewerka 1994; Engelhardt 1973.
248
38 Jerem/Metzner-Nebelsick 2002.
9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur
Stillfried-Podoler-Gruppe (Abb. 9_17):39 1 – Hadersdorf am Kamp, VB Krems-Land (Scheibenreiter 1954;
Abb. 09_18. Hadersdorf am Kamp, Auswahl an Grabbefunden aus dem Gräberfeld, Grabung 1997/98 (Fotos: B. Wewerka/ASINOE).
Wewerka 1998, Vorbericht) 2 – Furth bei Göttweig, VB Krems-Land (Pieler/Hellerschmid 2004, Vorbericht) 3 – Franzhausen-Kokoron, VB St. Pölten (Lochner/Hellerschmid 2016) 4 – Inzersdorf ob der Traisen, VB St. Pölten (Neugebauer/ Gattringer 1985/86, Vorbericht) 5 – Unterradlberg, VB St. Pölten ((Blesl/Neugebauer/Preinfalk F. 2002; Blesl/Krumpel 2003, Vorberichte)
fried bezeichnet wurde.41 Leider sind die Aufzeichnungen und Fundberichte sehr spärlich und damit das Fundmaterial quellenkritisch für Betrachtungen zur Bestattungssitte, aber auch für eine relativchronologische Diskussion aus heutiger Sicht nicht mehr zulässig.42 Daher hat dieser Fundkomplex heute nur mehr
6 – St. Andrä v. d. Hagenthale, VB Tulln (Eibner C. 1974)
forschungsgeschichtliche Bedeutung.
7 – Stillfried an der March, VB Gänserndorf (Kaus M. 1984)
1997 und 1998 wurde auf einer größeren Fläche im Bereich des
8 –1190 Wien, Leopoldsberg (Kerchler 1962)
Bahnhofs von Hadersdorf eine Notgrabung durchgeführt. Neben
9 – Pitten-Schlossberg, VB Neunkirchen (S. Klemm,
zahlreichen Befunden anderer Zeitstellung konnte man auch wie-
unpubliziert)
der Gräber der Urnenfelderkultur – ca. 90 Brandbestattungen – bergen, die allerdings durch Ackertätigkeit teilweise stark gestört
9.3.1 Gräberfeld Hadersdorf am Kamp
waren (Abb. 09_18).43 Die Bestattungen waren in Gruppen angeordnet, in denen die einzelnen Gräber ca. 1–2 m auseinander lagen. Die Schächte hatten einen runden Grundriss von ca. 0,5 m Durchmesser und waren durchschnittlich 0,8 m tief. Drei reicher
Im Jahre 1888 stießen Arbeiter beim Bau der Kamptalbahn im
ausgestattete Gräber wiesen eine Steinumrandung auf. In jedem
Bereich von Hadersdorf auf Brandbestattungen in Tongefä-
Grab befand sich zumindest ein Tongefäß, zumeist ein Kegel-
ßen. Der Abt von Stift Göttweig, Pater Adalbert Dungl, schickte
halsgefäß oder eine große Schüssel. Darin wurde der Leichen-
einige Fundstücke an das k. k. Hofmuseum in Wien, worauf im
brand deponiert und eventuell auch die Reste von mitverbrann-
April 1889 unter der Leitung von Josef Szombathy durch Ignaz
tem Schmuck und Kleidungsbestandteilen – z. B. Armreife und
Spöttl und dem Pfarrer Gustav Schacherl eine Ausgrabung im
Fibeln aus Bronze. In der Regel standen ein bis fünf Beigefäße
Bereich des heutigen Bahnhofs durchgeführt wurde. Die 130
um die Urne herum – Tassen, Schalen und kleine Kegelhals-
Brandgräber mit ca. 600 Gefäßen wurden als Materialpublikati-
gefäße, die vermutlich Speisebeigaben enthielten. Erhalten ha-
on vorgelegt.40
ben sich Knochen von Fleischbeigaben, zumeist von Schaf oder
In seiner Gesamtheit stellte das Gräberfeld von Hadersdorf seit
Ziege; sie lagen oft zusammen mit einem großen Bronzemesser
den 1950er-Jahren eine wichtige Quelle für den Ha B-Horizont
auf oder zumindest im Bereich einer flachen Schale.
in Niederösterreich dar, der von Richard Pittioni als Typus Still-
41 Pittioni 1954, 484.
39 Nachfolgend in den Listen angegebene Zitate betreffen Primärliteratur bzw. Erstnennungen.
42 Chronologische Überlegungen zum Gräberfeld von Hadersdorf bei Stegmann-Rajtár 1992, 57–60.
40 Scheibenreiter 1954.
43 Wewerka 1998.
249
9. Aufbrüche ins Jenseits
9.3.2 Gräberfeld St. Andrä vor dem Hagenthale Im Urnengräberfeld von St. Andrä vor dem Hagenthale wurden in den Jahren 1965–66 von Clemens Eibner 45 Gräber geborgen.44 Die Belegung begann in der Stufe Ha B1, der chronologische Schwerpunkt lag in den Stufen Ha B2 und Ha B3.45 Im Zuge der Auswertung des Gräberfelds konnte C. Eibner einige den Grabritus betreffende Beobachtungen herausarbeiten.46 Unter anderem versuchte er eine spezifische, mit dem Geschlecht des Toten übereinstimmende Ausrichtung der Beigaben nachzuweisen. Die Idee war, dass jedes Grab bei der Beisetzung eine Schauseite gehabt haben müsse. Weiters konnte C. Eibner als einer der Ersten nachweisen, dass einzelne Gefäße in höheren Positionen niedergelegt und/oder während des Verfüllungsprozesses beigegeben worden waren. Diese keramischen Nachgaben waren immer nur in Teilen vorhanden, C. Eibner interpretiert sie als Teil von Handlungen in Zusammenhang mit Totenfeiern, wobei die entsprechenden Gefäße teils in die Grabverfüllung gelangten, teils auf einem eigenen Ritualplatz, dem sogenannten Scherbenpflaster unmittelbar neben dem Gräberfeld, verblieben.47 Auch jährlich wiederkehrende Handlungen oder solche in einem größeren Zeitabstand wären laut C. Eibner denkbar, da Teile von Gefäßen nach seinen Beobachtungen mit Sicherheit auf verschiedene Gräber verteilt waren. Solche Befunde können ein Hinweis auf sogenannte Gedächtnisopfer sein, die noch Jahre nach der Beerdigung erfolgten. Als Beispiel für ein Grab, das mehrere Deponierungsphasen anzeigt, deren zeitliche Abfolgen allerdings heute nicht mehr zu klären sind, führt er Grab 26 an (Abb. 09_19). Es handelt sich um eine Bestattung aus der frühesten Belegungsphase, der Stufe Ha B1.48
Abb. 09_19. St. Andrä v. d. Hagenthale, Grab 26, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner nach Eibner C. 1974, 221, Abb. 20).
Die Grabgrube war in den Humus eingetieft und die Konturen daher nicht erkennbar. In einem Kegelhalsgefäß (1) befanden sich der Leichenbrand, eine Zargenkopfnadel49, ein kleiner
wie eine flachkonische Henkelschale (11). Diese wurden nicht,
Bronzering, Drahtbruchstücke, vier kleine scheibchenförmi-
wie zumeist üblich, neben der Urne auf den Grabboden platziert,
ge Stein- und Glasperlen, Teile eines Radanhängers sowie ein
sondern auf der Urnenschulter und auf der schon bis zu die-
Hüttenlehmbröckchen (2–8). Weitere Beigaben waren ein klei-
ser Höhe eingebrachten Grabverfüllung. Auch ein weiterer – im
nes Kegelhalsgefäß (10) – ein Behälter für Flüssigkeiten – so-
Feuer deformierter, aber sonst vollständig intakter – Radanhän-
44 Eibner C. 1974; dazu Lochner 2013, 22–24.
Gefäßbruchstücke (12), darunter ein Topf (13), der offensichtlich
ger (9) lag auf der Urnenschulter. 45 Zu chronologischen Fragestellungen zuletzt Stegmann-Rajtár 1992, 50–57; Eibner C. 2000, 95–96. 46 Eibner C. 1974; Wiesner 2009, bes. 66 ff. 47 Zuletzt Eibner C. 2000, 99–104; Wiesner 2009, 68–71.
sekundärem Brand ausgesetzt war, und Knochenteile scheinen Nachgaben im Zuge von Handlungen am offenen Grab zu sein. Ebenso als Nachgaben deutete C. Eibner einzelne Gefäßscher-
48 Eibner C. 1974, 229–233.
ben (14, 15), die er als Bruchstücke von Gefäßen aus einem
49 Nach Form und Verzierungsmuster dürfte es sich um den kugeligen Körper einer jüngeren Vasenkopfnadel mit großem Vasenkopf handeln, deren oberer Teil fehlt. Eventuell könnte es auch eine junge Spindel kopf- bzw. Zwiebelkopfnadel sein.
ca. 5 m entfernten Grab identifizierte.
250
9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur
Abb. 09_21. Franzhausen-Kokoron, Gesamtplan des Gräberfelds (Grafikgrundlage BDA; Digitalisierung und Bearbeitung T. Stadler, U. Schuh, M. Lochner, OREA/ ÖAW 2006).
9.3.3 Gräberfeld Franzhausen-Kokoron Die ersten Brandgräber in Franzhausen, Flur Kokoron wurden beim Bau der Kremser Schnellstraße S33 angeschnitten (Abb. 09_20).50 Durch Rettungsgrabungen der Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamts unter der Leitung von Johannes-Wolfgang Neugebauer konnten in den Jahren 1981–1984 und 1991 auf einer ca. 12.000 m2 großen Fläche 403 Gräber der jüngeren Urnenfelderkultur geborgen werden (Abb. 09_21). Die Bestattungen sind wegen der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung des Geländes teilweise stark gestört. Berücksichtigt man die Verluste durch Bauarbeiten und insbesondere durch das Pflügen, kann man ein ursprünglich ca. 500 Bestattungen
Abb. 09_20. Franzhausen-Kokoron, Notbergung auf der Trasse der zukünftigen Schnell straße S33 im Jahr 1981 (Foto: J.-W. Neugebauer/BDA).
zählendes Gräberfeld annehmen. Dieses lässt sich in eine ältere Ostgruppe und eine dichter belegte jüngere Westgruppe gliedern, wobei die Belegung in der Stufe Ha A2/B1 (ca. 1050 v. Chr.) beginnt und im Verlauf von Ha B3 (ca. 800 v. Chr.) endet. 50 Lochner/Hellerschmid 2016.
251
9. Aufbrüche ins Jenseits
1
2
Abb. 09_22. Franzhausen-Kokoron: 1. einteilige Drahtbügelfibel – 2. Ohrgehänge mit blauen Glasperlen (Grafik: F. Siegmeth, Foto: IUHA).
An einer Stelle inmitten des jüngeren Friedhofteils wurde auf einer unregelmäßig ovalen Fläche von 3,0 m × 2,5 m eine aschige, holzkohlehaltige Schicht angeschnitten. Es handelt sich vermutlich um die Reste eines zentralen Verbrennungsplatzes.
1
Von den insgesamt 403 Gräbern sind aufgrund unterschiedlichen Erhaltungszustands mindestens 268 als Urnengräber anzusprechen, davon sind 24 Doppelbestattungen51. Bei 135 Gräbern war die Bestattungsart nicht mehr erkennbar. Es handelt sich in der Mehrzahl um rund-ovale, seltener um quadratische Grubengrundrisse von 0,4–1,0 m Durchmesser bzw. Kantenlänge. Abgesehen von vier Grabgräbchen und zwei zu einem Grab gehörigen Pfostengruben zeigen die Befunde keine auffälligen Elemente der Grabarchitektur. Bei den gut erhaltenen Befunden
2
waren Urne und Beigaben zumeist auf der Grabsohle abgestellt und füllten in der Regel die Grabgrube komplett aus. Insgesamt konnten 529 Metallobjekte aufgenommen werden.52 Die Gegenstände aus Bronze sind intakt oder feuerdeformiert und es gibt eine große Anzahl an Schmucknadeln (vor allem Vasenkopfnadeln und Zwiebelkopfnadeln), Fibeln (einteilige
Abb. 09_23. Franzhausen-Kokoron: 1. Bronzetasse vom Typ Jenišovice – 2. kalottenförmige Bronzeschale mit fein eingeritzten, hängenden Dreiecken (Grafik: F. Siegmeth).
An Werkzeug und Geräten aus Bronze sind besonders die zahl-
Drahtbügelfibeln (Abb. 09_22/1), Brillenfibeln, Harfenfibeln),
reichen Messer zu nennen (vor allem große Griffdornmesser mit
Arm- und Halsreife, diverse Ringe (u. a. ein goldener Lockenring,
geradem Rücken, Vollgriffmesser und Griffangelmesser, es gibt
siehe Kap. 7, Abb. 07_34) und Zierknöpfchen. Als Besonderhei-
vereinzelt auch Eisenmesser), Rasiermesser (halbmondförmige
ten sind zwei als Gürtelschnallen interpretierte Objekte und Ohr-
Rasiermesser mit Ringgriff, Typ Herrenbaumgarten und Určice),
gehänge mit blauen Glasperlen (Abb. 09_22/2)
zu erwähnen,
zahlreiche Nähnadeln, zwei Ahlen und als Einzelfunde ein klei-
zahlreiche kleine Scheiben- und Ringperlen die aus Knochen-,
ner Spinnwirtel aus Bein, ein Angelhaken und eine Pfeilspitze.
Mollusken- und Steinmaterial gefertigt sind sowie Schmuck aus
Letztere ist der einzige Fund im Gräberfeld, den man als Waffe
53
Märzenschnecken . Hervorzuheben sind auch etliche Gräber
bezeichnen kann.
mit Astragalsätzen (siehe Kap. 6, Pkt. 6.5.1).
An Bronzegefäßen sind eine Bronzetasse vom Typ Jenišovice
54
51 Vgl. Hess 2013. 52 Lochner/Hellerschmid 2016, Typentafeln. 53 Neuninger/Pittioni 1959. 54 Frank 2000.
252
(Grab 722) und eine kalottenförmige Bronzeschale mit fein eingeritzten, hängenden Dreiecken unterhalb des Rands (Grab 31) zu nennen (Abb. 09_23). Eine Besonderheit sind bronzene Beschläge eines organischen Gefäßes aus Grab 119 aus der
9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur
1
2 Abb. 09_24. Franzhausen-Kokoron, Grab 119: 1. Rekonstruktion eines organischen Gefäßes mit Blechbeschlägen – 2. Grabbefund während der Ausgrabung (Grafik: F. Siegmeth, Foto: J.-W. Neugebauer/BDA).
Abb. 09_25. Franzhausen-Kokoron, Grab 11, Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab (Grafik: M. Lochner).
253
9. Aufbrüche ins Jenseits
Spätphase des Gräberfelds (Ha B3) (Abb. 09_24/1und 24/2).
Zaumzeuggarnituren pontisch-kaukasischer Prägung zu erwäh-
Einen nahezu identen Randbeschlag kennen wir aus Grab 6 des
nen, darunter vier bronzene Seitenstangen mit Pferdekopfenden
Gräberfelds von Stillfried an der March (siehe weiter unten).
(siehe Kap. 11, Abb. 11_01).
Im Konvolut von insgesamt 1427 Stück Grabkeramik kann man
In den Jahren 1975–77 konnten 51 Gräber dieses ursprünglich
ein breites Spektrum von Gefäßtypen und Varianten mit ver-
wohl viel größeren Bestattungsplatzes regulär erforscht wer-
schiedenen Verzierungsmotiven erkennen.55
den.58 Die Belegung des Gräberfelds dürfte die gesamte Stufe
Die Reste von Speisebeigaben liegen meist in Form unverbrann-
Ha B angedauert haben; einige Altfunde lassen die Vermutung
ter Tierknochen vor. Vielfach lagen sie auf einer Schale und es
zu, dass man dort noch bis Ha C bestattete. Die vorliegenden
war ein Messer dabei. Zirka 100 Gräber enthielten einen oder
Fremdformen im Fundmaterial belegen die Bedeutung der Wall-
mehrere Knochen von insgesamt 134 Tieren. Den zahlenmä-
anlage als Zentralort mit reger Handelstätigkeit in der späten
ßig bedeutendsten Anteil nehmen zusammengehörige Skelett-
Urnenfelderzeit.59 Die von östlichen Sitten beeinflusste Wand-
elemente von Hausschwein und Hausschaf ein; in mehr als
lung des besser gestellten Mannes zum Reiterkrieger und das
40 Gräbern waren es Knochen aus dem Schulterbereich, die von
Aufkommen von Trinkgefäßgarnituren im Grabensemble deuten
zugerichteten Fleischbeigaben zeugen (siehe Kap. 6, Pkt. 6.5.1).
auf die beginnende Hallstattkultur hin.60
Das hier vorgestellte Grab 11 (Abb. 09_25), ein Urnengrab einer
Die Beisetzungen im Gräberfeld von Stillfried erfolgten in runden
20–30-jährigen Frau, lässt sich anhand der Funde als ein typi-
und quadratischen Grabgruben. Anfangs gab man den Leichen-
scher Vertreter der entwickelten jüngeren Urnenfelderzeit (etwa
brand in eine Urne, später herrschten Leichenbrand- und Scher-
Stufe Ha B2) bezeichnen.
benschüttung vor. Art und Anzahl der Beigaben in den Gräbern
Die Urne (1) stand am Rand der Grabgrube, vier Beigefäße wa-
waren sehr unterschiedlich, wobei man betonen muss, dass nur
ren um die Urne gruppiert: ein Kegelhalsgefäß (3) mit einer
zwölf Gräber aus der dokumentierten Forschungsgrabung als
Bodenscherbe als Abdeckung (2)56, eine Tasse (4), eine kleinere
einigermaßen geschlossene Fundkomplexe zu betrachten sind.
Flasche (5) sowie eine flachkonische Schale (9) zusammen mit
Sie erlauben, besonders für die Spätphase der Urnenfelder-
dem Vorderlaufknochen eines Schafs und einem großen Griff-
kultur, Beobachtungen zum Bestattungsritus. Die in die Gräber
dornmesser (10). Die Kombination von flachkonischer Schale als
geschütteten, teilweise sekundär verbrannten Gefäßscherben
Unterlage für eine Fleischportion und zumeist großem Bronze-
belegen rituelle Handlungen vor und während der Grablegung
messer ist, wie eingangs erwähnt, typisch für Gräber der jünge-
(Leichenschmaus oder Totenfeier), in deren Verlauf Gefäße zer-
ren Urnenfelderzeit.
brochen wurden.
Metallbeigaben: eine unverbrannte einteilige Drahtbügelfibel
Vor allem in den spätesturnenfelderzeitlichen Gräbern von
(7) (dazu Abb. 09_22/1), ein oder zwei stark verbrannte Armreif-
Stillfried (6, 14, 43) erkennt man das Aufkommen einer Art
fragmente (14, 15), ein Nadelschaftfragment (8) und eine Näh-
Trinksitte, weil große Trankbehälter sowie Schöpf- und Trink-
nadel (16) lagen neben der Keramik. Sie waren ursprünglich
gefäße in den Gräbern beigegeben sind. Das Kegelhalsgefäß
wohl gemeinsam in einem organischen Behälter verwahrt.
wurde im Grabbrauch nicht mehr als Urne, sondern als Trank-
Über dem ganzen Ensemble lag ein zerscherbter, unvollständi-
behälter, vermutlich für gemischten Wein, verwendet. Dieser
ger Topf (6), quasi eine Nachgabe.
Wandel in der Beigabensitte ist der Beginn einer Entwicklung, die später in der Hallstattkultur die typischen Trinkservicegarnituren hervorbringt.
9.3.4 Gräberfeld Stillfried an der March
Gegensatz zur vorangegangenen Periode Ha B1 bis Ha B2 wie-
Etwas außerhalb der Wehranlage von Stillfried liegt das seit 1879
einer Frau von Grab 26 (spätes Ha B3)61 mit zwei Harfenfibeln,
bekannte, zugehörige Gräberfeld In der Gans.57 Aus dem undo-
einer Kette aus vielen kleinen Bronzeringen, einem Bronze-
kumentiert geborgenen Altmaterial sind vor allem die bekannte
drahtreif und weiteren Ringen, die vermutlich Brustschmuck
Bronzetasse vom Typ Stillfried (siehe Kap. 3, Abb. 03_41) sowie
Der besondere Rang einer Person wird in der Grabausstattung im der dargestellt. Als Beispiel nehmen wir die Grabausstattung
oder Gürtelzubehör waren. Oder sehen wir uns Grab 6 näher an, eine Männerbestattung (Ha B3); das beigegebene Pferdezaum-
55 Lochner/Hellerschmid 2016, Typentafeln. 56 Keramische Gefäßabdeckungen sind generell in Gräberfeldern der Re gion selten anzutreffen, auch in Franzhausen-Kokoron sind insgesamt nur elf Stück belegt. 57 Strohschneider 1976.
254
58 Kaus M. 1984. 59 vgl. Metzner-Nebelsick 2010, 211. 60 Kaus M. 1988, 117 f.; vgl. Nebelsick 1997. 61 Kaus M. 1984, 46.
9.3 Gräberfelder der jüngeren Urnenfelderkultur
Abb. 09_26/1. Stillfried an der March, Grab 6: Umzeichnung des Originalbefunds mit den zugeordneten rekonstruierten Funden und ihren Positionen im Grab(Grafik: M. Lochner nach Kaus M. 1984, Taf. 7).
zeug deutet vielleicht an, dass der Bestattete Reiterkrieger oder
Das große Kegelhalsgefäß (1) ist vermutlich als Getränkebehälter anzusprechen. Darin befand sich das dazugehörige Trink-
Fürst war.
gefäß aus organischer Substanz, von dem bronzene Randbe-
Der Grubengrundriss von Grab 6 (Abb. 09_26/1)62 war annä-
schläge, Zierbleche und Drahtklammern vorliegen (2) (siehe den
hernd quadratisch mit ca. 1,6 m Seitenlänge. Das östlich an-
ähnlichen weiter oben erwähnten Fund: Franzhausen-Kokoron,
schließende, tiefer liegende Grab 31 dürfte bei der Anlage von
Grab 119, Abb. 09_24).
Grab 6 teilweise zerstört worden sein. Vermutlich wurde Grab 6,
Ein Leichenbrandbehälter ist nicht nachzuweisen. Nordöstlich
vor allem der Ostteil, mit Erdmaterial samt Beigabenresten aus
des Kegelhalsgefäßes (1) lag ein Teil vom Leichenbrand eines
diesem zerstörten Grab zugeschüttet (31/1–5).
Mannes zusammen mit zerscherbten, aber unverbrannten Gefäß-
62 Kaus M. 1984, 76–83, Taf. 7–10.
(3–7). Solche Scherbenlagen treten auch in weiteren Gräbern,
teilen von mindestens zwei Kegelhalsgefäßen und drei Schalen
255
9. Aufbrüche ins Jenseits
Abb. 09_26/2. Stillfried an der March, Grab 6: zwei unvollständige bronzene Zaumzeug garnituren (Foto: F. Ostmann/OREA/ÖAW).
am Ende der Urnenfelderzeit einzelne Männer wieder mit ihrer Krieger- bzw. Reitausrüstung begraben wurden – eine Sitte, die
etwa dem ähnlich reich ausgestatteten Männergrab 38, auf. Die-
seit der Übergangsphase Ha A/Ha B, also seit ca. 200 Jahren,
se Keramikschüttungen, in diesem Fall von nicht sekundär ver-
nicht gebräuchlich war. Die Schirrungsgarnituren für zwei Pferde
brannten Gefäßen, kann man als Teil einer rituellen Handlung
weisen entweder auf einen Reiter mit Handpferd oder einen
deuten. Der Leichenbrand, zumeist nur ein Bruchteil der angefal-
zweispännigen Wagen hin (siehe Kap. 11, Pkt. 11.1 Exkurs).65
lenen Menge, wurde anscheinend, wie auch in anderen Gräbern
Wie schon öfter bei anderen Gräbern erwähnt, gab es auch hier
in Stillfried zu beobachten, zusammen mit dieser zerbrochenen
eine Schale (19) mit Fleisch (Knochen von Schaf/Ziege) und ei-
Keramik in das Grab geschüttet.
63
Bei den zwei unvollständigen Zaumzeuggarnituren 64 handelt
nem – mit einer Länge von 25 cm besonders großen – Griffdornmesser vom Typ Baumgarten (20). Dieses Ensemble lag etwas
es sich um Trensen mit Zügelhaken (8, 12) – teilweise repariert
erhöht auf dem Niveau der Schulter von Gefäß (1). Vermutlich
bzw. mit Altstücken ergänzt – sowie gebogene (9) und geknick-
wurde es erst beim Zuschütten des Grabs beigegeben oder es
te Seitenstangen (10, 13) (Abb. 09_26/2). Vom Zaumdekor sind
stand auf einem hölzernen Sockel bzw. Tischchen, gleichsam
eine große (15) und drei kleine Eisenscheiben (11, 14, 16) sowie
wie in einem miniaturisierten letzten Wohnraum.
eine massive Bronzescheibe (17) erhalten. Auch eine Messer-
Ein kleiner Ring (21) und eine zweispitzige Nadel (22) – vermut-
klinge aus Eisen (18) liegt vor. Hier wird offensichtlich, dass
lich eine Tätowiernadel – dürften über den westlichen Grabrand hinaus verschleppt worden sein.
63 Kaus M. 1984, 44. 64 Metzner-Nebelsick 1998, 409.
256
65 Kaus M. 1984, 118 f.
9.5 Literatur
9.4 Ausblick Gesamteuropäisch betrachtet ermöglicht die enorm angewachsene Datengrundlage alte Fragen zur kulturellen und identitätsstiftenden Rolle der Brandbestattung am Beginn einer Epoche und ihrer rasanten Ausbreitung im Kontext soziokultureller Perspektiven neu zu beleuchten. Die vorhandenen und publizierten Daten von zahlreichen modern ausgegrabenen wie auch altbekannten spätbronzezeitlichen Gräberfeldern und die dazugehörigen Siedlungen bilden die Basis für neue Studien. Schließlich liegen die Gründe für die tiefgreifenden Veränderungen in einem für den Menschen seit jeher sehr sensiblen Bereich – dem Umgang mit dem Sterben und Vergehen – nach wie vor im Dunkeln. Die Untersuchung der vielschichtigen Wege und Ausbreitungsformen des Bestattungsrituals über alle kulturellen Grenzen hinweg sowie die damit verbundenen Hypothesen zu Ursprüngen, dem Transfer von Glaubensvorstellungen oder Wegen der Kommunikation zu untersuchen wird Prähistoriker auch in Zukunft
Blesl/Mödlinger/Ntaflos et al. 2009: Ch. Blesl/M. Mödlinger/ T. Ntaflos/D. Salaberger, Untersuchungen zu Herstellung und Gebrauch eines Schalenknaufschwertes aus Unterradlberg, Niederösterreich, FÖ 48, 2009, 47–56. Blesl/Neugebauer/Preinfalk F. 2002: Ch. Blesl/J.-W. Neugebauer/ F. Preinfalk, St. Pölten (KG Unterradlberg). In: Ch. Farka, Die Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes. Jahresbericht 2002, FÖ 41, 2002, 9–88. Daim 2003: F. Daim, Vom Umgang mit toten Awaren. Bestattungs gebräuche im historischen Kontext. In: J. Jarnut/M. Wemhoff (Hrsg.), Erinnerungskultur im Bestattungsritual. ArchäologischHistorisches Forum, Mittelalterstudien des Instituts zur Interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens 3 (Paderborn 2003), 41–60. Eibner C. 1974: C. Eibner, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von St. Andrä v. d. Hgt., p. B. Tulln, NÖ., ArchA Beiheft 12, 1974. Eibner C. 2000: C. Eibner, Die geistige Sphäre des HaB-zeitlichen Gräberfeldes von St. Andrä v. d. Hgt. in Niederösterreich, ein Beispiel der Mitteldanubischen Urnenfelderkultur. In: B. Gediga/D. Piotrowska (Hrsg.), Die symbolische Kultur des Urnenfelderkreises in der Bronze und frühen Eisenzeit Mittel europas (Warszawa-Wroclaw-Biskupin 2000), 95–114.
intensiv beschäftigen.
Engelhardt 1973: K. Engelhardt, Fels am Wagram, p. B. Tulln, N.Ö. Monographie einer bronzezeitlichen Fundstelle, unveröffen tlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1973).
9.5 Literatur
Frank 2000: C. Frank, Über urnenfelderzeitliche Schmuckschnecken aus Nußdorf ob der Traisen (Niederösterreich), Geistes-, sozial-und kulturwissenschaftlicher Anzeiger 135, 2000, 5–20.
Adametz 2005: K. Adametz, Zwei Brandgräber der älteren Phase der Urnenfelderkultur aus Michelndorf, Niederösterreich, FÖ 44, 2005, 211–222.
Fritzl 2017: M. Fritzl, Die mehrfachbelegten Gräber des Gräberfeldes von Inzersdorf ob der Traisen, NÖ. Eine Studie zu sozialen, religiösen und rituellen Implikationen von mehrfachbelegten Gräbern der Urnenfelderkultur, ungedruckte Masterarbeit Uni versität Wien (Wien 2017).
Adamik 2012: J. Adamik, Idea skrzyni kamiennej jako formy grobu na terenie ziem polskich w późnej epoce brązu i wczesnej. [Das Phänomen der Steinkiste als Grabform in der späten Bronze und der frühen Eisenzeit auf den Gebieten Polens, mit Zsfg. in dt. Sprache], Collectio archaeologica Ressoviensis 18 (Rzeszów 2012).
Groiss 1976: F. Groiss, Urnenfelderzeitliche Brandgräber aus Getzers dorf, p. B. St. Pölten, NÖ, ArchA 59/60, 1976, 99–126.
Bayer 1931: J. Bayer, Jungbronzezeitliche Gräber bei Baierdorf, p. B. Hollabrunn, MAG 61, 1931, 209–212.
Hampl/Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1978–1981: F. Hampl/ H. Kerchler/Z. Benkovsky-Pivovarová, Das mittelbronzezeitli che Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich. Ergebnisse der Ausgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums in den Jahren 1967 bis 1973 mit Beiträgen über Funde aus an deren Perioden, Band 1: Fundbericht und Tafeln (F. Hampel/ H. Kerchler), MPK 19/20 (Wien 1978–1981).
Benkovsky-Pivovarová 1991: Z. Benkovsky-Pivovarová, Das mittel bronzezeitliche Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich. Ergebnisse der Ausgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums in den Jahren 1967 bis 1973, Band 3: Ergänzungskatalog, MPK 24 (Wien 1991). Blesl/Gattringer 2007: Ch. Blesl/A. Gattringer, KG Franzhausen. In: Ch. Farka und Mitarbeiter, Die Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes. Jahresbericht 2007, FÖ 46, 2007, 9–95. Blesl/Krumpel 2003: Ch. Blesl/J. Krumpel, St. Pölten (KG Unterradl berg). In: Ch. Farka, Die Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes. Jahresbericht 2003, FÖ 42, 2003, 9–89.
Gruber 2006: H. Gruber, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld. In: F. Sauer (Hrsg.), Die archäologischen Grabungen auf der Trasse S1. Fundstelle Rannersdorf (Bad Vöslau 2006), 32–45.
Hampl/Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1982–1985: F. Hampl/H. Kerchler/Z. Benkovsky-Pivovarová, Das mittelbronzezeitli che Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich. Ergebnisse der Ausgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums in den Jahren 1967 bis 1973 mit Beiträgen über Funde aus anderen Perioden, Band 2: Auswertung, MPK 21/22 (Wien 1982–1985). Helgert 1995: H. Helgert, Grabfund der Čaka-Kultur (Bz D/Ha A1-Über gangsperiode) aus Zurndorf, P. B. Neusiedl am See, Burgen land. Ein Beitrag zur weiblichen Totentracht, ArchA 79, 1995, 197–248.
257
9. Aufbrüche ins Jenseits
Hess 2013: M. S. Hess, Mehrfachbestattungen von der späten Bronzebis zur frühen Eisenzeit, Freiburger archäologische Studien 6 (Rahden, Westf. 2013). Hofmann 2008: K. P. Hofmann, Der rituelle Umgang mit dem Tod. Untersuchungen zu bronze- und früheisenzeitlichen Brand bestattungen im Elbe-Weser-Dreieck, Schriftenreihe des Land schaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden 32 (= Archäologische Berichte des Landkreises Roten burg Wümme 14) (Oldenburg 2008). Jerem/Metzner-Nebelsick 2002: E. Jerem/C. Metzner-Nebelsick, Eine außergewöhnliche Grabausstattung aus dem urnenfelderzeit lichen Gräberfeld von Sopron-Krautacker, Budapest Régiségei 36, 2002, 313–325. Kaus K. 1971: K. Kaus, Das Hallstatt-A-Gräberfeld von Getzersdorf, p. B. St. Pölten, NÖ, ArchA 50, 1971, 68–112. Kaus K. 1975: K. Kaus, Das Kriegergrab von Siegendorf. In: Festschrift Siegendorf im Burgenland (Siegendorf 1975), 42–51. Kaus M. 1984: M. Kaus, Das Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit von Stillfried an der March. Ergebnisse der Ausgrabungen 1975–1977, FIST 6 (Wien 1984). Kaus M. 1985/86: M. Kaus, KG Siegendorf, FÖ 24/25, 1985/86, 237 f. Kaus M. 1988: M. Kaus, Das Stillfrieder Gräberfeld. In: F. Felgenhauer/ J. Szilvássy/H. Kritscher/G. Hauser (Hrsg.), Stillfried. Archäolo gie – Anthropologie, Veröffentlichungen Museum Ur- und Früh geschichte Stillfried, Sonderband 3 (Stillfried 1988), 113–120. Kaus M. 1991: M. Kaus, Das frühurnenfelderzeitliche Steinkistengrab von Sommerein-Stockäcker, AÖ 2/1, 1991, 27–30. Kaus M. 1993/1994: M. Kaus, Ein mittelbronzezeitliches Hügelgrab mit Čaka-Nachbestattungen von Neusiedl-Hutweide, Burgen land, MAG Wien 123/124, 1993/94, 89–104. Kaus M. 2003: M. Kaus, Zum Stand der UK-Forschung im Burgenland. In: M. Lochner (Red.), Broschüre zum Symposium „Die Urnen felderkultur in Österreich – Standort und Ausblick“, eine Ver anstaltung der Prähistorischen Kommission der Österreichi schen Akademie der Wissenschaften, Wien 24.–25. April 2003 (Wien 2003), 37. Kerchler 1962: H. Kerchler, Das Brandgräberfeld der jüngeren Urnen felderzeit auf dem Leopoldsberg, Wien, ArchA 31, 1962, 49–73. Lauermann/Hasenhündl 1996: E. Lauermann/G. Hasenhündl, Zwei urnenfelderzeitliche Kinderbeisetzungen aus dem Gräberfeld Hollabrunn „An der Aspersdorfer Straße“, Niederösterreich, FÖ 35, 1997, 309–318. Lochner 1986: M. Lochner, Das frühurnenfelderzeitliche Gräberfeld von Baierdorf, Niederösterreich – Eine Gesamtdarstellung, ArchA 70, 1986, 263–294. Lochner 1991a: M. Lochner, Studien zur Urnenfelderkultur im Wald viertel (Niederösterreich), MPK 25 (Wien 1991). Lochner 1991b: M. Lochner, Ein Gräberfeld der älteren Urnenfelderzeit aus Horn, Niederösterreich, ArchA 75, 1991, 137–220.
258
Lochner 2012: M. Lochner, Bestattungsrituale auf Gräberfeldern der älteren Phase der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur. In: G. Danek/I. Hellerschmid (Hrsg.), Rituale – identitätsstif tende Handlungskomplexe, 2. Tagung des Zentrums für Archäologie und Altertumswissenschaften, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2.–3. Nov. 2009, Origines 2 (Wien 2012), 37–45, Taf. 17–23. Lochner 2013: M. Lochner, Bestattungssitten auf Gräberfeldern der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur. In: M. Lochner/ F. Ruppenstein (Hrsg.), Brandbestattungen von der mittleren Donau bis zur Ägäis zwischen 1300 und 750 v. Chr. Cremation Burials in the Region between the Middle Danube and the Aegean, 1300–750 BC. Symposium Vienna, Austrian Academy of Sciences, February 11th–12th, 2010, MPK 77 (= Veröffen tlichungen der Mykenischen Kommission 32) (Wien 2013), 11–31. Lochner 2015: M. Lochner, Eine Mehrfachbestattung mit Keramiktrom mel aus dem älterurnenfelderzeitlichen Brandgräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen, Niederösterreich. In: I. Szathmári (Hrsg.), An der Grenze der Bronze- und Eisenzeit. Festschrift für Tibor Kemenczei zum 75. Geburtstag, Magyar Nemzeti Múze um (Budapest 2015), 339–351. Lochner/Hellerschmid 2016: M. Lochner/I. Hellerschmid, Dokumenta tion Franzhausen-Kokoron: Ein Gräberfeld der jüngeren Urnen felderkultur aus Zentraleuropa. Erweiterte interaktive Daten bank mit Illustrationen und Fundbeschreibungen. Version 03/ epub (Wien 2016), http://epub.oeaw.ac.at/franzhausenkokoron2/, letzter Zugriff: Mai 2020. Malinar 2002: A. Malinar, Wiederverkörperung oder Abschied vom Ich. Der Tod und sein Jenseits in der altindischen Literatur. In: J. Assmann/R. Trauzettel (Hrsg.), Tod, Jenseits und Identität. Perspektiven einer kulturwissenschaftlichen Thanatologie, Ver öffentlichungen des Instituts für historische Anthropologie 7, 2002, 764–798. Metzner-Nebelsick 1998: C. Metzner-Nebelsick, Abschied von den „Thrako-Kimmerern“? – Neue Aspekte der Interaktion zwischen karpatenländischen Kulturgruppen der späten Bronze- und frühen Eisenzeit in der osteuropäischen Steppe. In: B. Hänsel/ J. Machnik (Hrsg.), Das Karpatenbecken und die osteuropäische Steppe. Nomadenbewegungen und Kulturaustausch in den vorchristlichen Metallzeiten (4000–500 v. Chr.), Symposium Mogilany 1995 (München, Rahden/Westf. 1998), 361–422. Metzner-Nebelsick 2010: C. Metzner-Nebelsick, Phänomene und Ur sachen kulturellen Wandels durch östliche Beziehungen am Beginn der Eisenzeit in Europa. In: E. Jerem/M. Schönfelder/ G. Wieland (Hrsg.), Nord-Süd, Ost-West Kontakte während der Eisenzeit in Europa (Budapest 2010), 207–225. Maurer 1971: H. Maurer, Ein urnenfelderzeitliches Brandgrab aus Getzersdorf, p. B. St. Pölten, NÖ, ArchA 50, 1971, 115–122. Melzer/Opferkuh 1984: G. Melzer/F. Opferkuh, KG Sommerein, FÖ 23, 1984, 253 f. Müller/Preinfalk A./Preinfalk F. 2013: S. Müller/A. Preinfalk/F. Preinfalk, Berichte zu archäologischen Maßnahmen, KG Plaika, OG Berg land, FÖ 52, 2013, 233–235.
9.5 Literatur
Nebelsick 1997: L. Nebelsick, Trunk und Transzendenz: Trinkgeschirr im Grab wischen der frühen Urnenfelder- und späten Hallstatt zeit im Karpatenbecken. In: C. Becker et al. (Hrsg.), Chronos: Beiträge zur prähistorischen Archäologie zwischen Nord- und Südosteuropas. Festschrift für Bernhard Hänsel, Internationale Archäologie, Studia honoraria 1 (Espelkamp 1997), 373–388. Neugebauer 1993: J.-W. Neugebauer, Archäologie in Niederösterreich. St. Pölten und das Traisental (St. Pölten – Wien 1993). Neugebauer/Blesl 1998: J.-W. Neugebauer/Ch. Blesl, Das Traisental in Niederösterreich. Die Siedlungserschließung einer Tal landschaft im Alpenvorland in der Bronzezeit. In: B. Hänsel (Hrsg.), Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas (Kiel 1998), 395–418. Neugebauer/Blesl/Gattringer et al. 1997: J.-W. Neugebauer/Ch. Blesl/ A. Gattringer/Ch. Neugebauer-Maresch/F. Preinfalk, Rettungs grabungen im Unteren Traisental in den Jahren 1996 und 1997. 14. Vorbericht über die Aktivitäten der Abteilung für Boden denkmale des Bundesdenkmalamtes im Raum St. Pölten – Traismauer, FÖ 36, 1997, 451–565.
Pomberger 2009: B. M. Pomberger, Das urnenfelderzeitliche Gräber feld von Mannersdorf am Leithagebirge, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2009). Primas 1977: M. Primas, Untersuchungen zu den Bestattungssitten der ausgehenden Kupfer- und frühen Bronzezeit, BRGK 58, 1977, 77 ff. Primas 2008: M. Primas, Bronzezeit zwischen Elbe und Po, UPA 150 (Bonn 2008). Říhovský 1958: J. Říhovský, Zarovy hrob Velatic I a jeho postaveni ve vyvoji velaticke kultury [Das Brandgrab I von Velatice und seine Position in der Entwicklung der Velatice-Kultur], Památky archeologické 49, 1958, 67–118. Scheibenreiter 1954: F. Scheibenreiter, Das hallstattzeitliche Gräber feld von Hadersdorf am Kamp, N.-Ö., Veröffentlichungen der urgeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft 2 (Wien 1954). Sørensen/Rebay 2005: M. L. S. Sørensen/K. Ch. Rebay, interpreting the body: burial practices at the Middle Bronze Age cemetery at Pitten, Austria, ArchA 89, 2005, 153–176.
Neugebauer/Gattringer 1981: J.-W. Neugebauer/A. Gattringer, Die Kremser Schnellstraße S 33, Vorbericht über Probleme und Ergebnisse der archäologischen Überwachung des Großbau vorhabens durch die Abt. f. Bodendenkmale des Bundesdenk malamtes, FÖ 20, 1981, 157–190.
Stegmann-Rajtar 1992: S. Stegmann-Rajtar, Spätbronze- und früh eisenzeitliche Fundgruppen des mittleren Donaugebietes, BRGK 73, 1992, 29–180.
Neugebauer/Gattringer 1985/86: J.-W. Neugebauer/A. Gattringer, Rettungsgrabungen im Unteren Traisental im Jahre 1985/86. Fünfter Vorbericht über die Aktivitäten der Abt. f. Bodendenk male des Bundesdenkmalamtes im Raum St. Pölten-Traismauer, FÖ 24/25, 1985/86, 71–106.
Szombathy 1929: J. Szombathy, Prähistorische Flachgräber bei Gemeinlebarn in Niederösterreich, RGF 3 (Wien 1929).
Neuninger/Pittioni 1959: H. Neuninger/R. Pittioni, Woher stammen die blauen Glasperlen der Urnenfelderkultur? ArchA 26, 1959, 52–66. Paulík 1962: J. Paulík, Das Velatice-Baierdorfer Hügelgrab in Očkov, Slovenská archeológia 10/1, 1962, 1–95. Paulík 1963: J. Paulík, K problematike čakanskej kultúry v Karpatskej kotline [Zur Problematik der Čaka-Kultur im Karpatenbecken], Slovenská archeológia 9/2, 1963, 269–338. Pieler/Hellerschmid 2004: F. Pieler/I. Hellerschmid, Ein urnenfelder zeitliches Gräberfeld in Furth bei Göttweig, FÖ 43, 2004, 742–751. Pittioni 1937: R. Pittioni, Allgemeine Urgeschichte und Urgeschichte Österreichs (Leipzig, Wien 1937). Pittioni 1954: R. Pittioni, Urgeschichte des österreichischen Raumes (Wien 1954).
Strohschneider 1976: M. Strohschneider, Das späturnenfelderzeitli che Gräberfeld von Stillfried, FIST 2 (Wien 1976), 31–69.
Taylor 2016: N. Taylor, Burning question. Identity and Late Bronze Age/ Early Iron Age cremation cemeteries, UPA 286, Human de velopment in landscapes 7 (Bonn 2016). Wewerka 1994: B. Wewerka, Die Grabung Straß im Straßertale. In: Be richt zu den Ausgrabungen des Vereins ASINOE im Projektjahr 1994/95, FÖ 33, 1994, 216–219. Wewerka 1998: B. Wewerka, Rettungsgrabungen beim Bahnhof von Hadersdorf am Kamp, FÖ 37, 1998, 264–279. Wiesner 2009: N. Wiesner, Grabbau und Bestattungssitten während der Urnenfelderzeit im südlichen Mitteleuropa: Ein Beitrag zur Entwicklung der Grabsitten in der späten Bronzezeit, Internati onale Archäologie 110 (Rahden/Westf. 2009). Willvonseder 1938: K. Willvonseder, Das Steinkistengrab der älteren Urnenfelderzeit von Illmitz im Burgenland, WPZ 25, 1938, 109–128. Winkler 1992: E.-M. Winkler, Urnenfelderzeitliche Leichenbrände aus Sommerein, Niederösterreich, ArchA 76, 1992, 113–120.
259
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche Karin Wiltschke-Schrotta, Silvia Renhart Nomen est omen! Der Name Urnenfelderkultur verweist auf den vorherrschenden Bestattungsbrauch in der Spätbronzezeit – die Brandbestattung. Im Gegensatz zu Untersuchungen an Skeletten ist die Analyse von Leichenbränden eine anspruchsvolle und mühevolle Aufgabe für Anthropologen und stellt eine zusätzliche Herausforderung dar.
10.1.1 Bewährte Methoden und neue archäometrische Analysen Aufbauend auf umfassende Überblickswerke beziehungsweise anwendbare Methoden von R. W. Rösing, J. Wahl und B. Hermann hat B. Großkopf in ihrer Dissertation den Weg von der Leiche zum
10.1 Anthropologische Zugänge zur Urnenfelderzeit
Leichenbrand höchst detailliert beschrieben.1 Zudem hinterfragt sie die gängigen Methoden zur Feststellung des Sterbealters sowie der Geschlechtsbestimmung 2 und überprüft zahlreiche neue technische Methoden auf ihre Anwendbarkeit bei Leichenbranduntersuchungen wie z. B. metrische oder chemische Geschlechtsbestimmung, histologische Sterbealtersbestimmung –
Die eigentliche anthropologische Geschlechts- und Sterbealters-
z. B. mit Hilfe einer Cementochronologie anhand verbrannter
bestimmung sowie die Feststellung etwaiger pathologischer Ver-
Zahnwurzelreste. Bemerkenswert ist der Diskurs über archäo-
änderungen anhand des Leichenbrands erfolgen ähnlich wie bei
metrische Analysemethoden wie Spurenelementanalysen an
einem Skelett. Massiv erschwert werden diese Bestimmungen
verbrannten Knochen, Messung der Lumineszenz, Möglichkei-
jedoch durch die Zersplitterung, Verformung und vor allem auch
ten und Grenzen der Radiocarbondatierung, Röntgendiffrakto-
Schrumpfung der verbrannten Knochenreste. Durch die Hitzeein-
metrie und a-DNA-Analysen am Leichenbrand. Insgesamt kommt
wirkung einer gut durchgeführten, gekonnten Leichenverbren-
sie zum Schluss, dass die meisten Methoden nicht bzw. nur sehr
nung werden die Knochen so stark zersplittert, dass sehr gute
eingeschränkt bei Leichenbranduntersuchungen anwendbar
anatomische Detailkenntnisse und viel Zeit erforderlich sind,
sind.
um die Knochenreste identifizieren zu können. Auch sind die Er-
Über die Verfeinerungen der Methodik sowie der Anwendbarkeit
kenntnisse, die man über die Analyse der Einzelindividuen tref-
und vor allem der Interpretation der archäometrischen Analyse-
fen kann (z. B. körperliche Erscheinung, Krankheitsbelastung,
möglichkeiten diskutierte man zuletzt auch 2017 in Wien an-
verwandtschaftliche Beziehungen), aufgrund der Fragmentie-
lässlich der Tagung „New Approaches to Burnt Human Bones
rung und der in vielen Fällen unvollständig vorliegenden Brand-
and Teeth. The bioarchaeology of cremations and tooth cemen-
reste stark eingeschränkt. Damit sind Aussagen zur Demografie
tum annulation“.3 So untersuchte C. Snoeck4 den spezifischen
oder Epidemiologie schwieriger zu treffen bzw. durch den hohen
Einfluss des Alters des bei der Verbrennung verwendeten Holzes
Anteil an unbestimmbaren Resten gar nicht möglich. Vielleicht
auf die Radiocarbondatierungen. Generell gesehen stammen die
ist das mit ein Grund, dass viele der in Niederösterreich archäo-
datierbaren Kohlenstoffe vom Holz des Scheiterhaufens und ver-
logisch untersuchten urnenfelderzeitlichen Nekropolen anthro-
zerren die Datierungen der Knochen, die dadurch als älter ange-
pologisch noch nicht erfasst wurden.
260
1
Siehe dazu Rösing 1977; Wahl 1982; Hermann 1988; Hermann/Gruppe/Hummel et al. 1989; Großkopf 2004.
2
Ferembach/Schwidetzky/Stloukal 1979; Szilvàssy 1988.
3
International conference Vienna 15–17 November 2017/OREA, Austrian Academy of Sciences. https://www.orea.oeaw.ac.at/veranstaltungen/event-detail/article/ newapproachestoburnthumanbonesandteeth, letzter Zugriff: Juni 2020.
4
Snoeck/Brock/Schulting 2014; Snoeck 2017.
10.1 Anthropologische Zugänge zur Urnenfelderzeit
Abb. 10_01. Gräberfeld Kainach, Südsteiermark, Grab 98, Computertomographie einer im Block geborgenen Urne (Grafik: S. Renhart).
tertomografiedaten hinsichtlich Restaurierung, Konservierung, Archäologie und Anthropologie vorgenommen (Abb. 10_01).7 Für die Anthropologie galt es, Datenerkenntnis zu Leichen-
geben werden. Diese Information ist essenziell, da sich z. B. die
branddimension, Sterbealter, Geschlecht und Brenntemperatur
abweichende Datierung der angekohlten Knochen einer älteren
anhand der 3D-CT-Aufnahmen zu gewinnen. Die Ergebnisse
Frau aus Stillfried Grube V601 damit relativieren lässt (siehe Abb.
der CT-Analyse wurden der Analyse nach den herkömmlichen
10_13).5 Die Zahnzement-Annullation bestimmt das Lebensalter
Leichenbranduntersuchungskriterien8 gegenübergestellt.
des Individuums und wird, wenn es die Erhaltung erlaubt, be-
Das Ergebnis war eine relativ gute Übereinstimmung von CT-
reits häufig und erfolgreich angewandt.6
Analyse und makroskopischer Untersuchung hinsichtlich der
Eine schon seit einigen Jahren angewandte Analysemethode sind
Festlegung von Verbrennungsgrad, Leichenbrandfarbe, Fragmen-
die computertomografischen Untersuchungen von im Block ge-
tierungsgröße und Einschätzung der Verbrennungstemperatur
borgenen Urnen bzw. Grabbefunden (siehe Kap. 9, Abb. 09_12).
sowie der Deponierung der Brandknochen in der Urne (z. B. anato-
Im Rahmen des seit 2012 laufenden Pilotprojekts „Computer-
mische Schichtung des Leichenbrands) und sogar der Individual-
tomographie und Archäologie“ wurde erstmals in Österreich eine
diagnose. Eine weitere positive Erkenntnis war, dass das Volu-
konkrete Überprüfung der Auswertbarkeit virtueller 3D-Compu-
men der Leichenbrände höher ist als bisher angenommen: Viele
5
Das 14C-Datum aus einem Knochen der Frau: 1406 BC (94,4 % 1213 BC [POZ 59966, Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung]), ist wesentlich höher und stimmt nicht mit dem archäologischen Fundmaterial über ein (Ha B2/B3, ca. 950–800 v. Chr.).
7
Renhart 2015. Die CT-Untersuchungen wurden mit einem Computertomografen „Somatom Definition Flash“ der Firma Siemens durchge führt. Die Auswertungen der CT-Daten erfolgte technisch betreut durch die Firma Siemens.
6
Kanz/Rebay-Salisbury 2017; Gocha 2017; Wedel 2017; Mani-Caplazi/ Wittwer-Backofen/Vach et al. 2017; Urban 2017.
8
Brothwell 1981; Ferembach/Schwidetzky/Stloukal 1979; Hansen 1953/54; Knussmann 1988; Rösing 1977; Wahl 1982.
261
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
große Stücke, die messbar sind, zerbrechen beim Entleeren/Abbau der Urnen sowie der Lagerung. Das ist ein Hinweis darauf,
Glossar: Archäometrie – Anthropologie
dass nicht immer ein rituelles Zerbrechen der Knochen vorliegt.
Demografie: Wissenschaft der Erforschung von Bevölkerungs-
Zudem bleiben auch kleinere Stücke/Teile bei einer Mikroaus-
entwicklungen und deren Zusammensetzungen
grabung der Urne erhalten, die ansonsten zerfallen würden. Dar-
Epidemiologie: Wissenschaft der Ursachen, Ausbreitung und Be-
über hinaus liefern CT-Untersuchungen auch wertvolle Hinweise
kämpfung von Massenerkrankungen
auf einen möglichen Bestattungsritus, der mit gegebener Vor-
Cementochronologie: histologische Untersuchungsmethode
sicht fassbar wird: Einfüllhöhe, Bevorzugung eines bestimmten
zur Bewertung von Sterbealter und Bestimmung der Saison des
Urnenteils durch eventuelle Rechts-Links-Händigkeit, Verteilung
Todes anhand des Schichtenaufbaus des Zahnzements
von verbrannten und unverbrannten Beigaben sowie bewusster
Lumineszenz: physikalische Methode, um gespeicherte Ener-
Gestaltung der Einfülloberfläche.
gie-/Lichtmengen in Objekten zu messen. Besonders bekannt ist die Thermolumineszenzmethode, wo es zur Freisetzung von
10.1.2 Neuinterpretationen von Befunden aus Stillfried an der March Auch an den wenigen erhaltenen Skelettresten aus der Urnen-
im Material gespeicherter Energie durch Temperaturerhöhung kommt. Radiocarbondatierung: auch als 14C-Datierung bekannt. Chemische Methode zur meist archäologischen Altersdatierung kohlenstoffhaltiger, abgestorbener Organismen. Der zeitliche Anwendungsbereich liegt zwischen 300 und etwa 60.000 Jahren.
felderzeit werden aktuelle Analysemethoden angewandt. Dazu
Röntgendiffraktiometrie: auch Röntgenbeugung genannt. Phy-
gehören Strontium-Isotopenuntersuchungen, die für die Fra-
sikalisches Verfahren zur Strukturaufklärung und Untersuchung
ge nach der Herkunft der Individuen, ob Ansässige oder Frem-
von Kristallen. Besonders wichtige Methode bei der DNS-
de, zum Einsatz kommen. Sie führen zu Neuinterpretationen von
Strukturanalyse.
Befunden. So hat sich bei den sieben Skeletten aus der Grube
a-DNA-Analysen: molekularbiologisches Verfahren zur Unter-
V1141 von Stillfried an der March gezeigt, dass vier der sieben
suchung von alter DNA (deutsche Abkürzung DNS, das ist die
Individuen außerhalb von Stillfried aufgewachsen sind. Die rest-
genetische Erbinformationen von Lebewesen/Menschen), ge-
lichen drei haben ihre Kindheit im unmittelbaren Umfeld von
wonnen aus altem Knochenmaterial zur Entschlüsselung ver-
Stillfried verbracht. In den letzten Lebensjahren lebten dann alle
schiedener Aspekte von verstorbenen Menschen.
sieben in Stillfried.9 Die Ergebnisse derselben Untersuchungs-
mtDNA-Analysen: Die mitochondriale DNA, mtDNA, findet sich
methode von der zweiten Massenbestattung in Stillfried – Gru-
nicht im Zellkern von Lebewesen/Menschen, sondern in den
be V841 – sind hier gut anzuschließen: Drei der neun untersuch-
Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zellen. Die mtDNA wird
ten Individuen wuchsen nicht an dem Ort auf, wo ihre sterblichen
nur von der Mutter vererbt.
Überreste (im heutigen Ort Stillfried) gefunden wurden. Alle neun
Zahnzement-Annulation: mikroskopische Methode zur Sterbe-
waren allerdings zu ihrem Todeszeitpunkt in Stillfried sesshaft
altersbestimmung menschlicher Knochen aus archäologischen
– wie die Menschengruppe aus V1141. Auch mtDNA-Analysen
Ausgrabungen. Der Zahnzement lagert sich in dünnen Schichten
wurden durchgeführt. Dabei kann die genetische Verwandtschaft
auf der Zahnwurzel ab. Diese lassen sich unter dem Mikroskop
10
über die mütterliche Linie bestimmt werden, was bei den sieben
zählen wie die Jahresringe eines Baums.
Individuen aus V1141 zu einem interessanten und unerwarteten
Computertomographische Untersuchungen: Die Computertomo-
Ergebnis geführt hat: Es zeigte sich nämlich nur an zwei der sie-
graphie (CT) ist ein bildgebendes Verfahren in der Radiologie.
ben Personen eine (mütterliche) Verwandtschaftslinie (zwischen
Mithilfe von Computern ist es möglich, Schnitt-/Schichtbilder
11
der älteren Frau SK 5 und Kind SK 6). Von den DNA-Analysen von
des Körpers/der Objekte anzufertigen, die detaillierte Diagno-
Stillfried, Grube V841, gibt es bislang noch keine schlüssigen
sen erlauben.
Interpretationen, da man Kontaminationen bei Material aus Alt-
Strontium-Isotopenuntersuchungen: biochemische Methode zur
grabungen noch nicht ausschließen kann (vgl. Punkt 10.4 und
Identifikation des Strontium-Isotopengehaltes in alten Zähnen.
Abb. 10_10 und 10_11; dazu Kap. 11, Punkt 11.3.5).
Der jeweilige Gehalt erlaubt Rückschlüsse auf Herkunft, Aufent-
9
Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020.
10 Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020. 11 Parson/Eduardoff/Xavier et al. 2018.
262
halt, Lebenssituation und Ernährungslage des jeweiligen Individuums – vor allem in der Kindheit.
10.2 Der Ablauf der Totenverbrennung im Experiment
10.2 Der Ablauf der Totenverbrennung im Experiment Eine Brandbestattung ist ein komplexer Vorgang. Ähnlich wie bei einer Körperbestattung stehen am Beginn der Brandbestattung die Vorbereitung und wohl auch eine Aufbahrung des toten Körpers. Dafür wurde der Leichnam – wie schriftliche und grafische Quellen für andere Kulturen und Epochen belegen12 – möglicherweise mit duftenden Ölen gesalbt, mit entsprechendem Gewand bekleidet oder in ein Totentuch gewickelt. Parallel dazu erfolgte die Errichtung eines geeigneten Scheiterhaufens. Vor der eigentlichen Verbrennung auf dem Scheiterhaufen wurden meist noch Beigaben (Gefäße mit und ohne Inhalt, Schmuck, Waffen, Werkzeuge etc.) am oder neben dem Leichnam am Scheiterhaufen positioniert. Darauf erfolgte das Entfachen des Feuers, dessen Intensität durch das Nachlegen von Holz, ein eventuelles Umschaufeln der heißen Glut oder auch ein vorzeitiges Ablöschen mit Flüssigkeit, wohl meist Wasser, stark beeinflusst werden konnte. Nach dem Abkühlen der Verbrennungsrückstände wurden die Überreste mehr oder weniger sorgfältig aufgesammelt und zumeist in einem Keramikgefäß – der Urne – deponiert und diese in einer Grabgrube bestattet. Um Rückschlüsse auf die bei archäologischen Ausgrabungen geborgenen Leichenbrandreste treffen zu können, wurden und werden immer wieder verschiedene experimentelle Studien zur Leichenverbrennung mit Tierkadavern durchgeführt (Abb. 10_02).13 Bei diesen Experimenten testet man die physikalischen Einflüsse und Veränderungen unter kontrollierten
Abb. 10_02. Experimentell nachgestellte Leichenverbrennung (Pany-Kucera/Berner/ Binder et al. 2013) (Foto: M. Kucera).
Bedingungen aus. Unter anderem gilt das Forschungsinteresse dem Aufwand, der für die Verbrennung eines Toten notwendig
dig verbrannten, schwarzen Holzresten viel einfacher erkennen
ist, also welche Mengen und Sorten von Holz gebraucht werden
und vereinfachten so wohl auch ihr Einsammeln (Abb. 10_04).
und welche Faktoren eine Verbrennung beschleunigen oder ver-
Die vollständige Verbrennung eines menschlichen Körpers (Abb.
zögern könnten. Aber auch den Fragen nach möglichen Manipu-
10_05) benötigt eine Holzmenge von 2–4 rm.15
lationen am Toten und deren Einfluss auf die Verbrennung wird
Bezüglich der Hitzeentwicklung, die man zum Verbrennen eines
nachgegangen. So konnte man feststellen, dass für das vollstän-
menschlichen Körpers braucht, gelangte man zu der Erkenntnis,
dige Ausglühen der Knochen in unserer Klimazone ein Nach-
dass vor allem zu Beginn des Vorgangs eine hohe externe Hitze-
legen von Holz samt einem Umschaufeln der Glut notwendig ist
einwirkung erforderlich ist – dies, obwohl rein rechnerisch ein
(Abb. 10_03).
Auch die Wirkung des vorzeitigen Ablöschens
menschlicher Körper bei der Verbrennung eine positive Energie-
eines Brands mit Wasser wurde ausgetestet und es zeigte sich,
bilanz aufweist. So besteht ein Individuum von rund 70 kg aus
dass so der Fragmentierungsgrad wesentlich stärker war. Zudem
ca. 11 kg Fett, 12 kg Eiweiß und 1 kg sonstigen brennbaren Sub-
14
ließen sich die weißen Knochenreste in den noch nicht vollstän-
stanzen. Damit kann mehr Energie freigesetzt werden, als zum Verbrennen der nicht brennbaren Substanzen16 notwendig ist.17
12 Becker/Döhle/Hellmund et al. 2005. 13 Becker/Döhle/Hellmund et al. 2005; Shipman/Foster/Schoeninger 1984; Pany-Kucera/Berner/Binder et al. 2013; dazu Fritzl/Konrad/ Grömer et.al. 2019.
15 Becker/Döhle/Hellmund et al. 2005, 130.
14 Z. B. Pany-Kucera/Berner/Binder et al. 2013.
17 Holck 1986, 33.
16 42 kg Wasser und 4 kg andere nicht brennbare Substanzen wie Knochen und Zähne.
263
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
Abb. 10_06. Korrelation Verbrennungstemperatur, Farbe und Festigkeit des Leichen brands (modifiziert nach Hermann 1988).
Im Zuge des Verbrennungsvorgangs einer menschlichen Leiche Abb. 10_03. Gluthaufen der abgebrannten Leichenverbrennung (Foto: M. Kucera).
schrumpft zunächst die Haut. Bei einer Temperatur zwischen 50–87 °C kommt es zu einer maximalen Verkürzung der Sehnen, was zu kleinen Bewegungen des Körpers, im Speziellen der Hände und Füße, führen kann. Die Körperflüssigkeiten verdampfen, wobei ein Leichentuch oder Kleidung den Körper isolieren und beim Verbrennen eine schlecht wärmeleitende Kruste bilden können. In forensischen Fällen wurde beobachtet, dass das Feuer den Körper zwar bis auf einen Brandtorso reduziert hat, aber die inneren Organe noch intakt waren. In vielen Fällen konnte man eine sehr große Temperaturdifferenz zwischen der Oberfläche und dem Inneren eines Körpers feststellen.18 Die Versuche führten u. a. auch zur Erkenntnis, dass zur Erreichung eines vollständig ausgeglühten Leichenbrands die Knochen über längere Zeit einer Temperatur von über 800 °C ausgesetzt sein müssen. Knochen besteht aus 30–40 % organischem Material, das sind 90 % Kollagen und 10 % nicht kolla-
Abb. 10_04. Knochenreste bei einer abgelöschten Leichenverbrennung (Foto: M. Kucera).
gene Proteine und Fette. Die restlichen 60–70 % zählen zu den anorganischen Bestandteilen wie Kalziumphosphat und Wasser. Je nach Temperatureinwirkung verändert sich nun der Knochen: er schrumpft, verformt und verfärbt sich und zersplittert. Am Ende dieser physikalischen und auch chemischen Prozesse bleiben Knochenreste aus Kalziumphosphat übrig, die eine geringere Löslichkeit als unverbrannter Knochen aufweisen. Dadurch sind aus Grabkomplexen Leichenbrandreste meist besser erhalten als Knochen, die nicht dem Feuer ausgesetzt waren. Je nach Manipulation vor und nach dem Verbrennungsakt sowie währenddessen bleiben die kalzinierten Knochenreste mit unterschiedlicher Farbe, Größe und anatomischer Verteilung erhalten. Diese Tatsachen werden bei der anthropologischen Untersuchung von menschlichen Leichenbränden genutzt und interpretiert. Anhand der Farbe der Knochenreste kann man auf die ungefähre Verbrennungstemperatur schließen.
Abb. 10_05. Knochenreste bei einer ausgeglühten Leichenverbrennung (Foto: M. Kucera).
264
Braun-schwarzer Knochen ist nur unvollständig verbrannt, bei 18 Dirkmaat 2002; Prokop/Radam 1987.
10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder
kreideartiger Konsistenz wurde eine Verbrennungstemperatur von 800 °C nicht überschritten. Erst bei höherer Temperatur glüht der Knochen aus, zeigt eine altweiße Farbe und weist eine höhere Festigkeit auf (Abb. 10_06).
10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder
Die Menge an verbleibendem Leichenbrand ist naturgemäß sehr variabel. Aus Untersuchungen in Krematorien ist ein durch-
Wie oben angemerkt, wurden bisher nur wenige archäologisch
schnittliches Gewicht bei Frauen von 1500–1700 g und bei Män-
dokumentierte urnenfelderzeitliche Gräberfelder auch anthro-
nern von 1800–2000 g zu erwarten.
19
pologisch systematisch untersucht.
Typisch parabolisch verlaufende Hitzerisse an den Langknochen-
Umfangreiches anthropologisches Datenmaterial aus großteils
schäften können darauf hinweisen, dass der Tote kurz nach sei-
vollständig ergrabenen Gräberfeldern liegt aus Pitten (221 Grä-
nem Ableben verbrannt wurde. Fehlen diese, ist auch die Mög-
ber, 201 Individuen, mittelbronzezeitlich bis beginnende frühe
lichkeit der Verbrennung von „altem, trockenem“ Knochen nicht
Urnenfelderzeit)22, aus den älterurnenfelderzeitlichen Gräber-
auszuschließen.20
feldern Horn, Ziegelei Thalhammer (32 Gräber, 19 Individuen)23
Die vorhandenen anatomischen Regionen und die Gleichmäßig-
und Inzersdorf ob der Traisen (273 Gräber)24 sowie aus dem jung-
keit von Verfärbungen können Rückschlüsse auf die Lage des
urnenfelderzeitlichen Bestattungsplatz Franzhausen-Kokoron
Toten auf dem Scheiterhaufen, vor allem aber hinsichtlich der
(403 Gräber, 339 Individuen)25 vor. Erwähnenswerte Einzelunter-
Sorgsamkeit beim Aufsammeln der Überreste erlauben. Ist ein
suchungen gibt es aus den älterurnenfelderzeitlichen Gräber-
Leichenbrand z. B. sehr klein zersplittert, lässt sich annehmen,
feldern Baierdorf (8 erhaltene Gräber, 5 Individuen)26, Hollabrunn,
dass es zu einer Ablöschung der Glut oder auch zu einer Manipu-
An der Aspersdorferstraße (ca. 20 Gräber, 2 Individuen unter-
lation der Überreste im noch heißen Zustand kam.21
sucht und publiziert)27, Weinstein (1 Grab, 1 Individuum)28, Michelndorf (2 Gräber, 2 Individuen)29 und Sommerein am Leithagebirge (1 Grab, 2 Individuen)30. Aus dem Wiener Stadtgebiet sind anthropologische Untersuchungen von Bestattungen aus 1110 Wien, Mühlsangergasse (5 Gräber, 7 Individuen)31 bekannt. Zahlreiche weitere Leichenbrandreste mit den Datierungsvermerken „späte Bronzezeit“, „Urnenfelderkultur“ oder aus „zeitlich gemischten“ Komplexen sind im Depot der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums verwahrt, vorhanden und stehen für zukünftige Forschungen zur Verfügung (siehe Tabelle 10_01 auf folgender Doppelseite).
22 Teschler-Nicola 1982–85. 23 Wiltschke-Schrotta 1991. 24 Anthropologische Bestimmungen: S. Renhart. 25 Renhart 2016. 26 Lochner 1986, 268 (M. Teschler-Nicola). 27 Lauermann/Hasenhündl 1997 (M. Teschler-Nicola); Stadlmayr/Berner in Vorbereitung. 28 Trnka 1983, 213 (M. Teschler-Nicola). 19 Becker/Döhle/Hellmund et al. 2005, 139.
29 Adametz 2005, 216 (M. Binder).
20 Shipman/Foster/Schoeninger 1984.
30 Winkler 1992; Kaus 1991; Lochner 2012, 43 f.
21 Wahl 1982; Becker/Döhle/Hellmund et. al. 2005.
31 Wanschura 1942 (Kloiber 1942).
265
266 3/09/12154.6.3
an der Aspersdorferstraße
Ziegelei Thalhammer
Akte 255 und 256, 1981–83 Schottergrube Handl
Agnesstr. 6, St. Martin
Hollabrunn
Horn
Inzersdorf
Klosterneu burg
Herzogenburg/ Akte 222/86 Angern
3/20/01704.4.5
3/15/19105.2.4
3/15/19127.3.8 3/15/19127.3.9
3/15/19469.6.9
HLAG Detail 11
Fünfkreuzäcker, Rebschule, Parz. 27/1
Furth bei Göttweig
Haselbach
Kokoron
Franzhausen
1984
1986
2004
1984
2003
1938
1959
1990
3/15/19115.1.9
Wimpassing
Franzhausen Mitte, Akte 291, Siedlung UK+HaK, westlich der S33, Schottergrube Kies union, Parz. 349, 351, 353, 355, 356
Franzhausen
2005
1987
1905
1984
3/15/19115.2.3
Hafnerbach
Franzhausen II, Akte 290/05
Franzhausen
3/15/19115.2.4?
3/15/19469.6.9
Akte 297, Traunfellner
Franzhausen
3/17/20009.2.3
Feuerwehrhaus, Parz. 618/5
Kogl (Kirchberg)/ Fels/Wagram
Fels am Wagram
Hafnerbach
Flur Gastal, Parz. 655, 656/2
Baierdorf
3/03/05002.12.3
3/08/11123.7.3
Hofer Grenzbachä cker
Au am Leitha gebirge
BDA-Fundstellen- Grabungsnummer jahr
Großmugl
Flur/nähere Ortsangabe
KG
LB, Tierknochen
273 Gräber, davon LB 248 Individuen
32 Gräber, davon LB 19 Individuen
19 Gräber, 2 LB publiziert, andere i.V.
LB
LB
LB
LB
LB, Tierknochen
LB, Tierknochen
403 Gräber, davon LB 339 Individuen
LB
LB
LB
LB
8 Gräber, LB 5 Individuen
LB Grab 23, 24
Skelett/ Leichenbrand
J.-W. Neugebauer/ BDA
J.-W. Neugebauer/ BDA
J.-W. Neugebauer/ BDA
Ch. Blesl/BDA
J.-W. Neugebauer/ BDA
Ch. Blesl/BDA
J. Benninger
ASINOE
J.-W. Neugebauer/ BDA
J.-W. Neugebauer/ BDA
J.-W. Neugebauer/ BDA
Ch. Blesl/BDA
J. Szombathy/ NHM-Wien
G. Melzer/BDA
Ausgräber
Urnenfelder kultur
ältere Urnen felderkultur
ältere Urnen felderkultur
ältere Urnen felderkultur
Urnenfelder kultur
Urnenfelder kultur, Latène kultur (289)
Urnenfelder kultur?
Urnenfelder kultur
späte Bronze zeit
jüngere Urnen felderkultur
jüngere Urnen felderkultur
Urnenfelder kultur
Urnenfelder kultur
Urnenfelder kultur
späte Bronze zeit
ältere Urnen felderkultur
Urnenfelder kultur
Zeitstellung
?
Lochner 2012, 15-18. Lochner 2015.
Lochner 1991
Lauermann/ Hasenhündl 1997
?
Blesl/Preinfalk 2005
Neugebauer, 1984
Preinfalk 2003
Angeli 1959
Pieler/Hellerschmid 2004
Lochner/Hellerschmid 2016
?
Blesl/Gattringer 2005
?
?
Lochner 1986
Melzer 1984
Literatur/ Archäologie
?
Renhart et al. in Vorbereitung
Wiltschke-Schrotta (Lochner 1991)
Teschler-Nicola (Lauermann/ Hasenhündl 1997); Stadlmayer/ Berner in Vorbereitung
?
?
?
?
?
?
Renhart 2016
?
?
?
?
Teschler-Nicola (Lochner 1986)
?
Literatur/ Anthropologie
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
Atzenbruck/Tulln NÖ/Haidfeld
Schotterabbau Hummer, Parz. 1174/2
Wetzleinsdorf
Zwentendorf
Zwentendorf 3/17/20201
3/17/20201.1.7
3/08/11021.2.6
2006/ 2007
1921
1973
1944
LB, Schädel- und Skelettreste
LB
LB
1 Grab, LB 1 Individuum
LB
Ch. Blesl/BDA
H. LadenbauerOrel/BDA
Ch. Blesl/BDA
J. Dungel
Ch. Blesl/BDA
ASINOE
G. Melzer/BDA
Hautmann/ Mühlhofer
Ausgräber
Angeli 1960
Nebehay 1979
Wanschura 1942
Trnka 1983
Ladenbauer-Orel/ Seewald 1952
Adametz 2011
u. a. Hellerschmid 2006
Kaus 1991, Lochner 2012
Hampl/Kerchler/ Benkovsky-Pivovarová 1978–81, 1982–85; Benkovsky-Pivovarová 1991
Angeli 1960
?
Ebner 2006
Adametz 2005
Melzer 1982, 1983
Fischer/Mühlhofer 1934
Literatur/ Archäologie
Urnenfelder Blesl 2005 kultur, späte Frühbronzezeit, Věteřov-Kultur
späte Bronze zeit (BzD)
Urnenfelder kultur
ältere Urnen felderkultur
BzD–HaA
Urnenfelder kultur
Urnenfelder kultur
ältere Urnen felderkultur
Urnenfelder kultur/MBZ
späte Bronze zeit
Urnenfelder kultur
Bronzezeit C2–D
ältere Urnen felderkultur
Urnenfelder kultur
Urnenfelder kultur
Zeitstellung
Tabelle 10_01. Leichenbrand mit den Datierungsvermerken „späte Bronzezeit“, „Urnenfelderkultur“ sowie aus „zeitlich gemischten“ Komplexen, verwahrt im Depot der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums (Stand 2018, Zusammengestellt von K. Wiltschke-Schrotta)
Mühlsangergasse
Ziegelei Vogl
Wien 1110
Weinstein
3/13/16126.1.6
Eisgrubfeld?
Vösendorf
Schädel- und Skelettreste
Flur Pfaffing, Akte 330/1997, Parz. 334, 335
Unterradlberg 1997
23 Skelette, 7 LB
Siehe Tabelle 2 in diesem Buch
Stillfried
3/22/19555.1.30
1 Grab, LB 2 Individuen
Sommerein am Leithagebirge
LB 221 (201 Individuen LB, großteils MBZ)
1884
Pitten
Lfd. Nr. 12147.6
LB
Paudorf bei Göttweig
1988/89
Paudorf
3/15/19148.6.6
Akte 301/89, Firma Willach, Flur Langwiesfeld
Ossarn
1998/99
LB
3/07/10040.3.2
LB
Ortsumfahrung, Flur In der Au-Süd
1979
LB
Mörtersdorf
3/03/05012.2.7
1933
Skelett/ Leichenbrand
2 Gräber, LB 2 Individuen
Reinthal-Süd
Mannersdorf a. d. Leitha
3/02/04018.2.2 (BzD UK) oder 2.3 (HaC)
BDA-Fundstellen- Grabungsnummer jahr
Michelndorf
Schottergrube Fischer, Parz. 825, Flur Pölla Krautgär ten
Flur/nähere Ortsangabe
Leobersdorf, p.B. Baden
KG
?
Ehgartner 1960
?
Kloiber 1942
Teschler-Nicola (Trnka 1983)
?
Wiltschke-Schrotta 2011
Breitinger 1976,1980,1996; Szilvàssy et al. 1988; Wiltschke-Schrotta 2006, i.V.
Winkler 1992
Teschler-Nicola 1982–85
Ehgartner 1960
?
Novotny/Spannagl (Ebner 2006)
Binder (Adametz 2005)
?
?
Literatur/ Anthropologie
10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder
267
268 7 1 1 1
Stillfried V1133
Stillfried V601
Stillfried V445
6
Stillfried V1141
Stillfried V1141
5
Stillfried V1141
2
Stillfried V1141 3
1
Stillfried V1141
4
15
Stillfried V841
Stillfried V1141
14
Stillfried V841
Stillfried V1141
12 13
Stillfried V841
11
Stillfried V841
Stillfried V841
9 10
Stillfried V841
Stillfried V841
8
Stillfried V841
Stillfried V841
6 7
Stillfried V841
5a 5b
Stillfried V841
Stillfried V841
4
Stillfried V841
Stillfried V841
2 3
Stillfried V841
1 (sog. Fischer)
Individuum
Stillfried V841
Fundort
1981
1969
1976
1976
1976
1976
1976
1976
1976
1986
1986
1986
1986
1986
1986
1986
1986
1986
1986
1986
1986
1986
1986
1985/1986
1985/1986
-
-
-
Mann
Frau
Frau?
(Mann)
Frau
Frau
Frau
Mann?
Mann
Frau
(Frau)
(Frau)
(Mann)
Frau
(Mann)
Frau
(Mann)
-
-
-
-
-
Mann
Grabungs Geschlecht jahr
matur
matur
Infans II
Infans II
Infans II
matur
Infans II
matur
Infans I
adult
Infans I
adult
matur
Infans II
Infans II
Infans I
Infans II
Juvenis
Juvenis
adult
Infans II
adult
Juvenis
adult
Infans II
matur
Altersgruppe
40–60 J.
40–60 J.
12–13 J.
9 J.
6 J.
45 J.
8 J.
40 J.
3 J.
30 J.
3–4 J.
20–25 J.
30–40 J.
7–10 J.
8–10 J.
3–4 J.
11–13 J.
15–18 J.
15–19 J.
25–30 J.
10–12 J.
20–25 J.
13–15 J.
25–35 J.
8–9 J.
40–60 J.
Sterbealter
-
(156 cm)
157 cm
168 cm
173 cm
154 cm
168 cm
-
154 cm
(154 cm)
(165 cm)
Körperhöhe*
Tierverbiss
Tierverbiss, Hiebspuren
Tierverbiss
Tierverbiss
Hitzespuren
Anmerkungen
Schädel
fragmentiert
Schädel
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
vollständig
fast vollständig
unvollständig
vollständig
vollständig
vollständig
fast vollständig
fast vollständig
fast vollständig
fast vollständig
Brandspuren, Hiebverletzungen
Hiebverletzungen
Mikrocephalus
Schädel fragmentiert, Tierverbiss Pk vollständig
unvollständig
unvollständig
unvollständig
tlw. fragmentiert
stark fragmentiert
tlw. fragmentiert
stark fragmentiert
Vollständigkeit
Heinrich (Eibner 1980)
Breitinger 1996
Breitinger 1976
Breitinger 1980
Breitinger 1980
Breitinger 1980
Breitinger 1980
Breitinger 1980
Breitinger 1980
Breitinger 1980
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Wiltschke-Schrotta 2006
Literatur
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
16032 16033 1 2 3 1 1
Stillfried V5000
Stillfried V5000
Thunau S161/167 Sig. 3
Thunau S161/167 Sig. 3
Thunau S161/167 Sig. 3
Mannersdorf am Leithagebirge
Unterradlberg
1996
1987
1988
1988
1986
1986
1986
1986
-
-
Mann
Frau?
Unbest.
Frau
Mann
Mann?
Grabungs Geschlecht jahr
matur-senil
spätadult/früh matur
Infans II
matur
matur
Juvenis
matur
Infans II
Altersgruppe
-
-
50–70 J.
35–45 J.
8–9 J.
40–60 J.
40-60 j. (153 cm)
Körperhöhe*
167 cm
160 cm
-
15 J. +/- 36 Mon.
40–60 J.
9–10 J.
Sterbealter
Kondylen manipulation
Kondylen manipulation
Kondylen manipulation
Anmerkungen
Brandspuren an den Phalangen
schwache Hitzeeinwirkung
Tierverbiss
Tierverbiss
vollständiges Skelett -
Schädel, große Teile des pk-Skelettes
Schädel, pk Fragmente
Schädel, pk Fragmente
Fragmente
Schädel ohne Unterkiefer
Schädel ohne Unterkiefer
Schädel
Vollständigkeit
Tabelle 10_02. Erhaltene, unverbrannte Skelette der Urnenfelderkultur aus Niederösterreich (pk = postkranial = Körperskelett) siehe Kap. 10.4.
* Körperhöhenberechnung nach Sjøvold 1990, Breitinger 1937, Bach 1965.
16029
Individuum
Stillfried V5000
Fundort
Wiltschke-Schrotta 2011
Winkler/Großschmidt 1987
Lochner/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung
Lochner/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung
Lochner/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung
Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung
Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung
Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung
Literatur
10.3 Anthropologisch untersuchte Gräberfelder
269
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
10.3.1 Zur anthropologischen Auswertung des Gräberfeldes Franzhausen-Kokoron
Sterbealtersverteilung 100 90 80 70
Franzhausen-Kokoron ist das größte anthropologisch bearbeitete Gräberfeld der Urnenfelderkultur in Niederösterreich (siehe Kap. 9, Pkt. 9.3.3). Aus den insgesamt 403 Gräbern des Brandgräberfelds konnten 339 Individuen anthropologisch identifiziert werden.
32
Die Gräber setzen sich aus 291 Einzel- und
60 50 40 30 20 10 0
24 Doppelgräbern sowie 38 Befunden mit „völlig unbestimm-
147 (43,4 %) Frauen, 90 (26,5 %) Subadulte und 13 (2,9 %) 19-
den weiblichen – entfallen. Rückschlüsse u. a. anhand des Verbrennungsgrads zeigen, dass bei den subadulten und weiblichen Toten etwas höhere Verbrennungstemperaturen zustande kamen als bei den männlichen Verstorbenen. Die vorherrschende Kombination bei den 24 Doppelbestattungen ist Frau-Subadult (41,7 %) gefolgt von Mann-Frau (33,3 %), Mann-Subadult (20,8 %) und Frau-?, 19–60 (4,2 %).
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
Aus Abb. 10_07 ist klar ersichtlich, dass der Sterblichkeitsgipfel der Kinder in der Sterbealtersklasse Infans I – gleichwertig gefolgt von Infans II und Juvenil – lag. Aus den vorliegenden Daten ist somit errechenbar, dass ein Kind bei seiner Geburt die
gungen sowie Infektionskrankheiten könnten wohl primär für die Kindersterblichkeit verantwortlich sein. Bei den Erwachsenen
Gesamt
7–12 13–15 13–18 19–30 25–35 31–40 35–45 41–50 45–55 51–70
Männer
Frauen
Gesamt
35
25
Frauen 87,4 % zwischen dem 19. und 40. Lebensjahr.
20
Bemerkenswert ist, dass bei beiden Geschlechtern innerhalb
15
der Altersklasse Adult nicht im ersten Drittel vermehrt gestorben
10
wurde, sondern in der Mitte und eher zum Ende der Altersklasse
5
hin – also um die 30 bzw. zwischen 31 und 40 Lebensjahren.
0
keit zu Beginn und am Ende der Sterbealtersklasse eher gering.
19–60
40
zu finden. Bei den Männern verstarben 60,1 % und bei den
Adult zum Ausdruck. Im Vergleich dazu ist die Sterbehäufig-
Senil
Durchschnittliche Lebenserwartung (ex)
30
hohen weiblichen Sterblichkeitsanteil in der Sterbealtersklasse
Frauen
Matur
Abb. 10_08. Franzhausen-Kokoron, Sterbefrequenz (dx) (Renhart 2016, Diagramm 14).
ist die höchste Sterbefrequenz in der Sterbealtersklasse Adult
Besonders augenscheinlich kommt dies in Abb. 10_08 durch den
0–6
Subadulte
Chance hatte, durchschnittlich 8,7 Jahre alt zu werden. Hohe Geburtensterblichkeit, schlechte Lebens- und Ernährungsbedin-
Männer
Adult
Sterbefrequenz (dx)
kleinteilige Knochenzusammensetzung – meist aller Regionen – brandgewichte – im Durchschnitt fast doppelt so hoch wie bei
Juv.
Abb. 10_07. Franzhausen-Kokoron, Sterbealtersverteilung (Renhart 2016, Diagramm 13).
bis 60-Jährige. Der Erhaltung nach herrscht eine überwiegend vor, wobei auf die männlichen Individuen die höchsten Leichen-
Inf. II
Subadulte
baren“ bis „keinen“ menschlichen Resten zusammen. Die Individualdatenanalyse ergab u. a. 89 (26,2 %) Männer,
Inf. I
Subadulte
Männer
Frauen
Gesamt
Abb. 10._09. Franzhausen-Kokoron, Durchschnittliche Lebenserwartung (ex) (Renhart 2016, Diagramm 15).
Der Kurvenverlauf der Männer ist im Vergleich dazu relativ einheitlich. Die Erwachsenen, die die Sterbealtersklasse Matur er-
reichten, verstarben zwischen Beginn und Mitte dieser Klasse. Bei beiden Geschlechtern erreichte nur jeweils ein Individuum
32 Renhart 2016.
270
knapp das 60. Lebensjahr.
10.4 Skelette statt verbrannter Knochen
Diese Ergebnisse drücken sich auch in der berechneten durch-
menschlichen Skelettreste aus den ehemaligen Speichergruben
schnittlichen Lebenserwartung aus (Abb. 10_09). Die höchste
des Siedlungsareals Hügelfeld stehen bereits seit Auffindung
Sterbefrequenz liegt bei beiden Geschlechtern in der Sterbe-
der ersten Massenbestattung (V1141) im Jahr 1976 im Fokus
altersklasse Adult. Die mittelrobust bis robust gebauten Männer
der Forschung.33 Die aufgefundenen Skelette waren zumeist
wurden im Durchschnitt 37,3 Jahre und die eher grazilen Frauen
mit Brand- oder Ascheschichten abgedeckt, was vermutlich auch
31,4 Jahre alt. So beträgt die Differenz zwischen den Geschlech-
ihren hervorragenden Erhaltungszustand bedingte.34
tern beinahe sechs Jahre – zugunsten der Männer. Die Ursachen
Die bekannteste Grube ist die mit der Bezeichnung V1141 (Abb.
sind hier bei Frauen wohl nicht in der gern postulierten hohen
10_10/1 und 2) (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.5 Sonderbestattun-
Kindbettsterblichkeit zu suchen, sondern eventuell eher auf eine
gen und Abb. 11_19). In ihr fand man sieben Individuen – einen
allgemeine Schwächung des Organismus aufgrund der fordern-
Mann, zwei Frauen und vier Kinder.35 Die Skelette lagen über-
den Lebensumstände zurückzuführen; auch Infektionskrankhei-
und nebeneinander und waren in die Grube gelegt bzw. gewor-
ten kommen in Frage.
fen worden.36
Das Leben dieser Menschen war von zahlreichen alters- und ab-
Eine weitere Grube (V841) mit den Resten von mindestens
nützungsbedingten Erkrankungen sowie chronischen Infektio-
23 Individuen wurde 1985/1986 aufgedeckt (Abb. 10_11) (sie-
nen und etlichen Hungerperioden geprägt. Dadurch kam es zur
he Kap. 11, Pkt. 11.3.5 Sonderbestattungen und Abb. 11_20,
Schwächung der Abwehrkräfte; grassierenden Keimen konnte
11_21).37 Von sieben Toten waren nur angekohlte und nicht voll-
wenig Widerstand geboten werden. Eine einfache Grippe oder
ständig verbrannte, isolierte Skelettfragmente erhalten. Von
eine heute sogenannte Kinderkrankheit hatten fatale Auswir-
16 Individuen konnten mehr oder weniger vollständige Skelette
kungen – auch auf die Erwachsenen. Dies scheint bei den Dop-
geborgen werden. Dabei handelt es sich um die Überreste von
pelbestattungen von Franzhausen „Erwachsene/Subadulte“ zu-
zwei erwachsenen Männern, vier erwachsenen Frauen, je einem
zutreffen. Besonders bei den sechs adulten Frauen, die mit 0- bis
weiblichen und einem männlichen Jugendlichen, einem Jugend-
6-jährigen Kindern bestattet wurden, ist eine Ansteckung mit
lichen, dessen Geschlecht unbestimmbar ist, und sieben Kin-
Todesfolge denkbar.
dern. Auch hier deponierte man die Körper in mehreren Lagen
Die schweren Gelenkserkrankungen treten bei über 50-jährigen
übereinander. Einige davon wurden in die Grube gelegt, bei an-
Menschen beiderlei Geschlechts auf. Damit zeigt sich, dass es
deren entsteht wiederum der Eindruck, dass sie wenig sorgsam
sich sowohl um eine durch hohe Belastungen hervorgerufene Er-
„entsorgt“ wurden. Interessant sind die an den gut erhaltenen
krankung handelt als auch eine durch ein höheres Sterbealter
Knochen sichtbaren pathologischen Veränderungen, wie z. B.
verstärkte und im Alltag starke Schmerzen verursachende.
Entzündungen an den Langknochenschäften. Auffallend sind Tierverbissspuren, die an einigen Skelettelementen von fünf
10.4 Skelette statt verbrannter Knochen In dieser Zeitperiode gibt es aufgrund der vorherrschenden
Individuen zu beobachten sind. Dies lässt auf ein längeres, offenes Liegen der Toten im Freien – noch vor der Deponierung in der Grube – schließen. Bei Individuum 5b sind auch Spuren perimortaler 38 Gewalteinwirkung zu sehen. Bei allen anderen Individuen sind keine Hinweise auf die Todesursache zu erkennen.
Bestattungssitte sehr wenige Skelettfunde, die daher für die Anthropologie besonders interessant sind (Tabelle 10_02). Soweit dokumentiert, stammt der Großteil dieser Funde aus ehemaligen Speichergruben im unmittelbaren Bereich einer Siedlung. Ob es sich bei den genannten Gruben mit menschlichen Skeletten um eine Art Zwischendeponierung vor der eigentlichen Leichenverbrennung, eine abweichende Bestattung der Toten aufgrund der gesellschaftlichen Stellung der Individuen, Seuchengruben oder Gruben für Opferrituale handelt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich zu interpretieren (siehe Kap. 11, Pkt. 11.3.5 Sonderbestattungen). Der überwiegende Teil nicht verbrannter menschlicher Überreste der Urnenfelderkultur stammt, wie aus Tabelle 10_02 ersichtlich, aus der Höhensiedlung Stillfried an der March. Die
33 Felgenhauer 1974; Eibner C. 1980; Breitinger 1980; Szilvássy/ Kritscher/Hauser 1988; Hellerschmid 2006; Hellerschmid 2015; Griebl/Hellerschmid 2013; Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020. 34 Mit der Bedeutung dieser Niederlegungen der Toten in aufgelassenen, urnenfelderzeitlichen Gruben in Stillfried an der March befasste sich das Forschungsprojekt „Menschen- und Tierdepositionen – Kult in Stillfried?“ Projektleitung I. Hellerschmid/OREA (FWF P 22755). Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung. 35 Die Rekonstruktion dieses Befunds mit den originalen Skeletten ist im Museum in Stillfried an der March ausgestellt. 36 Breitinger 1980; Felgenhauer/Szilvássy/Kritscher et al. 1988; Hellerschmid 2015; Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020. 37 Griebl/Hellerschmid 2013; Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung. 38 Perimortal = unmittelbar vor oder nach dem Tod.
271
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
Abb. 10_10/1. Stillfried an der March, grafische Darstellung der sieben Skelette in Grube V1141 (nach Hellerschmid 2015, Abb. 14).
Abb. 10_10/2. Stillfried an der March, Grube V1141, Befundsituation während der Ausgrabung 1976 (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
272
10.4 Skelette statt verbrannter Knochen
Der Fund eines isolierten Schädels eines 12- bis 13-jährigen Kindes aus der Grube V1133 von Stillfried an der March weist vier rundliche bis ovale Lochfrakturmuster an der rechten Schädelseite auf, die als Todesursache interpretiert werden (Abb. 10_12).39 Ein weiterer einzelner Schädel aus Grube V445 ist derzeit leider verschollen und entzieht sich so der anthropologischen Analyse. Das vollständige Skelett einer älteren Frau aus der Grube V601 weist teilweise angekohlte oder verbrannte Knochen sowie perimortale Hiebspuren am Schädel auf (Abb. 10_13).40 Auch in diesem Fall sind die Skelettreste derzeit nicht auffindbar.
39 Breitinger 1976. 40 Breitinger 1996. Abb. 10_11. Stillfried an der March, Grube V841 mit den Resten von mindestens 23 In dividuen, Befundsituation während der Ausgrabung 1986 (Foto: Grabungs dokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Abb. 10_12. Stillfried an der March, einzelner Schädelfund aus Grube V1133 mit Spuren perimortaler Hiebverletzungen (Foto: W. Reichmann, Anthropologische Abteilung NHM Wien).
Abb. 10_13. Stillfried an der March, teilverbranntes Skelett einer älteren Frau mit Hieb verletzungen am Kopf aus Grube V601 (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
273
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
Dagegen wurden die drei isolierten Schädel aus einer Grube am Wagneracker (V5000) neu untersucht und zeigen allesamt Manipulationsspuren an den Hinterhauptskondylen (Abb. 10_14/1 und 2).41 Diese an prähistorischen Skeletten sehr selten beschriebenen Abrissfrakturen kamen vermutlich durch Ausriss der Gelenkskapsel und der dort ansetzenden Bänder zustande. Der Schädel war zum Zeitpunkt dieser Manipulation demnach noch im Sehnenverband mit der Wirbelsäule, das Geschehen kann vom Todeszeitpunkt an bis mehrere Monate nach dem Tod erfolgt sein. Im zentralen Bereich der Höhensiedlung Thunau am Kamp wurde eine vorhandene, wenig in den Fels eingetiefte Grube (Dm. 3 m) – vermutlich eine ehemalige Arbeits- oder Speichergrube – dazu verwendet, um die skelettierten Reste einer älteren Frau, eines älteren Mannes und eines 8- bis 9-jährigen Kindes, mit Beigaben ausgestattet, zu bestatten (Abb. 10_15/1 und 2).42 Einzelne Kriterien legen den Schluss nahe, dass dies im Fall von Thunau am Kamp im Rahmen eines vermutlich vielschichtigen Totenkults abgelaufen ist und es sich möglicherweise um eine Art Ahnenkult gehandelt hat. Auf jeden Fall liegt hier ein spezielles BeAbb. 10_14/1. Stillfried an der March, Grube V5000. Die ehemalige Getreidespeichergrube wurde abschließend als Niederlegungsort für drei menschliche Schädel genutzt. (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
gräbnis – eine ungewöhnliche Niederlegung von Toten, abweichend vom gängigen Bandbestattungsritus – vor. Aus dem südlichen Niederösterreich, aus Mannersdorf am Leithagebirge, wurde 1986 ebenfalls ein einzelner Befund mit unverbrannten, dislozierten menschlichen Skelettresten dokumentiert. Die Knochen stammten vermutlich nur von einem Individuum, einer 35- bis 45-jährigen Frau. Sie wiesen neben degenerativen Knochenveränderungen auch Entzündungszeichen im Schädelbereich, im Kiefer und an den Langknochen auf. Diese Veränderungen am Skelett könnten auf eine länger andauernde Mangelsituation, die am Skelett eine Hungerosteopathie hinterließ, zurückzuführen sein.43 Hier anzuschließen ist noch eine Bestattung aus der Siedlung von Unterradlberg. In einer Grube befand sich das Skelett eines 50- bis 70-jährigen Mannes in starker Hockerstellung. Das Skelett war annähernd vollständig und ungestört erhalten, Beigaben wurden nicht gefunden (Abb. 10_16).44
Abb. 10_14/2. Stillfried an der March, Grube V5000, Manipulationsspuren an den Hinterhauptskondylen (Foto: Anthropologische Abteilung NHM Wien).
41 Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung. 42 Lochner/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung; dazu auch Lochner 2018, 33 und Abb. 12. 43 Winkler/Großschmidt 1987; Schutzbier/Hahnel 1987. 44 Wiltschke-Schrotta 2011, dazu Adametz 28 f., und 35, Verfärbung Nr. 865, Abb. 23; Adametz 2011.
274
10.4 Skelette statt verbrannter Knochen
Abb. 10_15/1. Thunau am Kamp, Schnitt 161/167, intentionell in einer ehemaligen Siedlungsgrube niedergelegte Skelettreste mit Gefäßbeigaben; gelb = Frau, grün = Mann, blau = Kind, rot = Keramik (Grafik: M. Lochner).
Abb. 10_15/2. Thunau am Kamp, Schnitt 161/167, Befundsituation während der Ausgrabung (Foto: IUHA).
275
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
10.5 Krankheiten und Mangelerscheinungen Leichenbranduntersuchungen erlauben nur einen kleinen Einblick in das Krankheitsgeschehen sowie das Krankheitsspektrum und vor allem die Krankheitsbelastung einer Bevölkerung. Entzündungszeichen an Schädel- und Langknochenfragmenten können zwar beobachtet, aber mangels systematischer Erfassung nicht berechnet werden. Dasselbe gilt für Erkrankungen des Zahn- und Kieferapparats; es sind bestenfalls nur die Reste von Zahnwurzeln erhalten, da der Zahnschmelz durch die Hitze abgeplatzt ist. Einzig die in einer größeren Anzahl erhaltenen Skelettreste aus den ehemaligen Speichergruben aus Stillfried an der March geben einen kleinen Einblick.45 Neben degenerativen Veränderungen, vor allem bei den älteren Individuen, waren auch Kariesbefall bei 10 von 14 untersuchbaren Skeletten vorhanden. Durch Mangelsituationen in der Kindheit hervorgerufene Schmelzhypoplasien (Unterentwicklung des Zahnschmelzes; gruben- oder ringförmige Abb. 10_16. Siedlung Unterradlberg, Objekt 865: In einer Grube fand sich das vollständige Skelett eines älteren Mannes in gehockter Haltung (Foto: Ch. Blesl, J.-W. Neugebauer, BDA).
Kerben im Zahnschmelz) sind zu beobachten, meist jedoch nicht sehr markant ausgeformt. Durch den überwiegend recht guten Erhaltungszustand der Knochen ließen sich kleinste Veränderungen an der Knochenoberfläche beurteilen. Cribra orbitalia (Porositäten im Dach der Augenhöhle, vmtl. durch Anämie) sind bei acht der elf untersuchbaren Individuen zu sehen. Eine porotische Hyperostose (ein durch eine Erkrankung schwammartig porös verdicktes Schädeldach) ist bei zwei Individuen aus Grube V841 zu beobachten. Auffallend sind die häufigen und starken Entzündungszeichen an der Schädeldachinnenseite. Bei fast allen untersuchten Individuen zeigen sich verkalkte Auflagerungen in den unterschiedlichsten Regionen der Lamina interna (Schädelinnenfläche), was auf Gehirnhautentzündungen oder Entzündungen der venösen Blutleiter rückschließen lässt. Ebenfalls bei fast allen Individuen sind streifenförmige Rauigkeiten, vor allem an den Schienbeinen, festzustellen. Dies deutet auf Entzündungsgeschehen an der Knochenhaut hin. Zwei Kinder aus der Grube V841 weisen die klassische Ausprägung einer Möller-Barlow-Erkrankung – einer Vitaminmangelerkrankung – auf. An verheilten Verletzungsspuren sind nur wenige, kleinräumige Traumata wie z. B. Rippenfraktur, Unterarmfraktur, Wadenbeinfraktur, Sprungbeinabsplitterungen und Fingerfrakturen vorhanden. Interessant sind zwei Knochennarben, die bei beiden Frauen aus der Grube V1141 (Ind.-Nr. 5 an der linken Stirnhälfte und Ind.45 Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung.
276
10.6 Zusammenfassung
Nr. 3 am linken Scheitelbein) zu beobachten sind. Beide Narben beschränken sich auf die Lamina externa, die Schädelinnenflächen sind intakt. Emil Breitinger erklärt die Narbenbildung
10.6 Zusammenfassung
plausibel, indem er sie auf eine sogenannte symbolische Trepanation zurückführt – also auf einen chirurgischen Eingriff, der
Die anthropologische Untersuchung urnenfelderzeitlicher Be-
das Schädeldach jedoch nicht vollständig durchstößt.46
stattungen wird durch den fast durchgehend einheitlichen
E. Breitinger hat auch die perimortalen Hiebverletzungen des
Brauch der Brandbestattung erschwert. Diese mehrphasige Be-
Mädchenschädels aus Grube V1133 ausführlich vorgestellt.
47
stattungsweise verändert die menschlichen Überreste physika-
Laut seiner Analyse handelt es sich bei den vier rundlichen bis
lisch sehr stark, sodass trotz aufwendiger anthropologischer
ovalen Öffnungen an der rechten Seite des Schädeldachs um
Analysen manchmal nur vage Aussagen möglich sind. Dennoch
charakteristische Lochfrakturen, die durch Einwirkung stumpfer
lassen Leichenbrandreste anthropologische Rückschlüsse zu,
Gewalt entstanden sind. Ein weiteres perimortales Schädel-
liefern Hinweise auf die Technik des Verbrennungsvorgangs so-
trauma ließ sich auch bei Individuum 5b aus V841 beobachten.
wie die damit verbundenen Rituale.
Zusammenfassend kann zumindest für die Menschen aus Still-
In seltenen Fällen kam es nicht zur Verbrennung der Toten, wie
fried, deren Skelette erhalten sind, folgende Lebenssituation an-
Beispiele aus Stillfried an der March, Thunau am Kamp, Man-
genommen werden:
nersdorf am Leithagebirge und Unterradlberg belegen. Diese
Zum Zeitpunkt ihres Todes litten die meisten Individuen an
Skelette verschaffen Erkenntnisse zur urnenfelderzeitlichen Be-
Entzündungen. Die Kindheit der Erwachsenen war jedoch nicht
völkerung und geben Anhaltspunkte zur Krankheitsbelastung
sonderlich von extremen Mangelerscheinungen oder körper-
und Mangelerscheinungen.
licher Gewalt geprägt. Die beobachtbaren Frakturmuster sind zum größten Teil als Alltagsverletzungen zu interpretieren. Auch dürften mögliche aktive Heilverfahren, wie zum Beispiel die Knochennarben andeuten, auf ein „medizinisches Können/ Wissen“ in dieser Bevölkerung schließen lassen. Erst einige Zeit vor dem Tod der Individuen dürfte es zu massivem Nahrungsmangel und vermutlich zu einer intensiven Krankheitsbelastung der gesamten Gruppe gekommen sein. Todbringende Gewaltanwendungen waren nur bei zwei subadulten Individuen und der teilverbrannten älteren Frau aus Grube V601 nachzuweisen.
46 Breitinger 1980. 47 Breitinger 1976.
277
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
10.7 Literatur Adametz 2005: K. Adametz, Zwei Brandgräber der älteren Phase der Urnenfelderkultur aus Michelndorf, Niederösterreich, FÖ 44, 2005, 211–222. Adametz 2009: K. Adametz, Eine urnenfelderzeitliche Siedlung von Unterradlberg, VB St. Pölten, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien (Wien 2009). Adametz 2011: K. Adametz, Eine Siedlung der Urnenfelderkultur in Unterradlberg, Niederösterreich, FÖ 50, 2011, 67–92. Angeli 1959: W. Angeli, Zwei urnenfelderzeitliche Brandgräber von Großmugl, MAG 87/89 (Wien 1959), 127–128.
Dirkmaat 2002: D. C. Dirkmaat, Recovery and Interpretation of the Fatal Fire Victim: The Role of Forensic Anthropology. In: W. D. Haglund, M. H. Sorg (Hrsg.), Advances in Forensic Taphonomy. Method, Theory and Archaeological Perspectives, 2002, 451–472. Ebner 2006: D. Ebner, Mittelbronzezeitliche Grabhügel in Mörtersdorf, Niederösterreich, FÖ 45, 2006, 211–232. Ehgartner 1960: W. Ehgartner, Zwei urnenfelderzeitliche Leichenbrände von Paudorf und Zwentendorf in Niederösterreich, MAG 90 (Wien 1960), 118–119.
Angeli 1960: W. Angeli, Grabfunde der älteren Urnenfelderzeit aus Niederösterreich, MAG 90 (Wien 1960), 112-114 und 115-117.
Eibner C. 1980: C. Eibner, Die Mehrfachbestattung aus einer Grube unter dem urnenfelderzeitlichen Wall in Stillfried an der March, NÖ., FIST 4 (Wien 1980), 107–142.
Bach 1965: H. Bach, Zur Berechnung der Körperhöhe aus den langen Gliedmaßenknochen weiblicher Skelette, Anthropologischer Anzeiger 29, 1965, 12–21.
Felgenhauer 1974: F. Felgenhauer, Geschichte der prähistorischen Erforschung von Stillfried, FIST 1, (Gänserndorf 1974).
Becker/Döhle/Hellmund et al. 2005: M. Becker/H.-J. Döhle/M. Hellmund/ R. Leineweber/R. Schafberg, Nach dem großen Brand. Verbren nung auf dem Scheiterhaufen – ein interdisziplinärer Ansatz. BRGK 86, 2005, 61–195. Benkovsky-Pivovarová 1991: Z. Benkovsky-Pivovarová, Das mittel bronzezeitliche Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich. Ergebnisse der Ausgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums in den Jahren 1967 bis 1973, Band 3: Ergän zungskatalog, MPK 24 (Wien 1991). Blesl/Gattringer 2005: Ch. Blesl/A. Gattringer, KG Franzhausen, MG Nußdorf ob der Traisen, VB St. Pölten. FÖ 44, 2005, 17. Blesl/Hermann 2005: Ch. Blesl/L. Hermann, KG Zwentendorf, MG Zwentendorf an der Donau, VB Tulln, FÖ 44, 2005, 38. Blesl/Preinfalk 2004: Ch. Blesl/F. Preinfalk, KG Haselbach und Perschling, OG Weißenkirchen an der Perschling, VB St. Pölten, FÖ 43, 2004, 19. Breitinger 1937: E. Breitinger, Zur Berechnung der Körperhöhe aus den langen Gliedmaßenknochen, Anthropologischer Anzeiger 14, H. 3/4, 1937, 249–274. Breitinger 1976: E. Breitinger, Das Kalvarium unter dem späturnenfel derzeitlichen Wall von Stillfried an der March, FIST 2 (Wien 1976), 86–100. Breitinger 1980: E. Breitinger, Skelette aus einer späturnenfelderzeitli chen Speichergrube in der Wallburg von Stillfried an der March, NÖ, FIST 4 (Wien 1980), 46–106. Breitinger 1996: E. Breitinger, Infertilität als gesellschaftspsycholo gisches Problem der Urnenfelderzeit, FIST 9/10 (Wien 1996), 41–73. Brothwell 1981: D. R. Brothwell, Digging up Bones, British Museum of Natural History, 19813.
278
Felgenhauer/Szilvássy/Kritscher et al. 1988: F. Felgenhauer/J. Szilvássy/ H. Kritscher/G. Hauser (Hrsg.), Stillfried. Archäologie – Anthro pologie, Veröff. Mus. Stillfried, Sonderband 3 (Stillfried 1988). Ferembach/Schwidetzky/Stloukal 1979: D. Ferembach/I. Schwidetzky/ M. Stloukal, Empfehlungen für die Alters- und Geschlechtsdiagnose am Skelett, Homo 30, 1979, 1–32. Fischer/Mühlhofer 1934: A. Fischer/F. Mühlhofer, Leobersdorf, BH Baden, FÖ 1, 1934, 231. Fritzl/Konrad/Grömer et al. 2019: M. Fritzl/M. Konrad/K. Grömer/ A. Stadlmayr, Rituale in der mitteldonauländischen Urnenfelderzeit: Eine Annäherung durch experimentelle Kremation. In: F. Pieler/P. Trebsche, Beiträge zum Tag der Niederöster reichischen Landesarchäologie 2019 (Asparn/Zaya 2019), 42–54. Gocha 2017: T. P. Gocha, Examining the utility of tooth cementum annulations for age estimation in thermally altered human remains. (Abstract) New Approaches to Burnt Human Bones and Teeth: the bioarchaeology of cremations and tooth cementum annulation, International conference Vienna 15–17 November 2017, https://www.orea.oeaw.ac.at/fileadmin/Institute/OREA/ Events/2017/UKGespraeche/Bones_Programme_2017.pdf, letzter Zugriff: Juni 2020. Griebl/Hellerschmid 2013: M. Griebl/I. Hellerschmid, Menschenknochen und Menschenniederlegungen in Siedlungsgruben der befestigten Höhensiedlung von Stillfried an der March, Niederösterreich: Gängige Praxis der Totenbehandlung in der jüngeren Urnenfelderkultur? In: N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), „Irreguläre“ Bestattungen in der Urgeschichte: Norm, Ritual, Strafe …? Internationale Tagung in Frankfurt a. M. (3.–5. 2. 2012), Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 19 (Frankfurt/ Main 2013), 327–346.
10.7 Literatur
Großkopf 2004: B. Großkopf, Leichenbrand. Biologisches und kultur historisches Quellenmaterial zur Rekonstruktion vor- und frühgeschichtlicher Population und ihrer Funeralpraktiken, Dissertation Universität Leipzig (Leipzig 2004), https://ul.qucosa.de/api/qucosa%3A10624/attachment/ATT-0/, letzter Zugriff: Juni 2020.
Kaus 1991: M. Kaus, Das frühurnenfelderzeitliche Steinkistengrab von Sommerein-Stockäcker, AÖ 2/1, 1991.
Hampl/Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1978–81: F. Hampl/H. Kerchler/ Z. Benkovsky-Pivovarová, Das mittelbronzezeitliche Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich. Ergebnisse der Ausgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums in den Jahren 1967 bis 1973 mit Beiträgen über Funde aus anderen Perioden, Band 1: Fundbericht und Tafeln (F. Hampel/H. Kerchler), MPK 19/20 (Wien 1978–1981).
Knussmann 1988: R. Knussmann (Hrsg.), Anthropologie. Handbuch der vergleichenden Biologie des Menschen, Band I/1 (Stuttgart, New York 1988).
Hampl/Kerchler/Benkovsky-Pivovarová 1982–85: F. Hampl/H. Kerchler/ Z. Benkovsky-Pivovarová, Das mittelbronzezeitliche Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich. Ergebnisse der Ausgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums in den Jahren 1967 bis 1973 mit Beiträgen über Funde aus anderen Perioden, Band 2: Auswertung, MPK 21/22 (Wien 1982–1985). Hansen 1953/54: G. Hansen, Die Altersbestimmung am proximalen Humerus- und Femurende im Rahmen der Identifizierung menschlicher Skelettreste, Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin, mathematisch-naturwissen schaftliche Reihe 3, 1953/54. Hellerschmid 2006: I. Hellerschmid, Die urnenfelder-/hallstattzeitliche Wallanlage von Stillfried an der March: Ergebnisse der Aus grabungen 1969–1989 unter besonderer Berücksichtigung des Kulturwandels an der Epochengrenze Urnenfelder-/ Hallstattkultur, MPK 63 (Wien 2006). Hellerschmid 2015: I. Hellerschmid, Mord oder Opferung? Die Nieder legung der „Sieben“ in Grube V1141 am Kirchhügel von Still fried, ArchA 99, 2015, 213–231. Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung: I. Hellerschmid/M. Griebl, Die späturnenfelderzeitlichen Tier- und Menschenniederlegungen von Stillfried an der March und die Stratigraphie der Wall befestigung, MPK (Wien, in Vorbereitung). Hermann 1988: B. Hermann, Behandlung von Leichenbrand. In: R. Knußmann (Hrsg.), Anthropologie. Handbuch der verglei chenden Biologie des Menschen. Band I. Wesen und Methoden der Anthropologie (Stuttgart, New York 1988), 576–585. Hermann/Gruppe/Hummel et al. 1989: B. Hermann/G. Gruppe/ S. Hummel/H. Piepenbrink/H. Schutkowski, Leichenbrand. In: Prähistorische Anthropologie. Leitfaden der Feld- und Labormethoden (Berlin, Heidelberg, New York 1989), 256–275. Holck 1986: P. Holck, Cremated Bones: A Medical-anthropological Study of an Archaeological Material on Cremation Burials, Antropologiske skrifter 1 (Oslo, 1986). Kanz/Rebay-Salisbury 2017: F: Kanz/K. Rebay-Salisbury, An introduction to tooth cementum annulation: Austrian case studies. (Abs tract) New Approaches to Burnt Human Bones and Teeth: the bioarchaeology of cremations and tooth cementum annulation. International conference Vienna 15–17 November 2017, https://www.orea.oeaw.ac.at/fileadmin/Institute/OREA/ Events/2017/UKGespraeche/Bones_Programme_2017.pdf, letzter Zugriff: Juni 2020.
Kloiber 1942: A. Kloiber, Die anthropologische Auswertung des Leichenbrandes aus den Gräbern von Wien XI.-Mühlsangergasse, MAG 72 (Wien 1942), 298–300.
Ladenbauer-Orel/Seewald 1952: H. Ladenbauer-Orel/O. Seewald, Vösendorf, FÖ 4, 1952, 29–30. Lauermann/Hasenhündl 1997: E. Lauermann/G. Hasenhündl, Zwei urnenfelderzeitliche Kinderbeisetzungen aus dem Gräberfeld Hollabrunn „An der Aspersdorfer Straße“, Niederösterreich, FÖ 35, 1997, 309–318. Lochner 1986: M. Lochner, Das frühurnenfelderzeitliche Gräberfeld von Baierdorf, Niederösterreich – Eine Gesamtdarstellung, ArchA 70, 1986, 263–294. Lochner 1991: M. Lochner, Ein Gräberfeld der älteren Urnenfelderzeit aus Horn, Niederösterreich (mit einem Beitrag von K. WiltschkeSchrotta), ArchA 75, 1991, 137–220. Lochner 2012: M. Lochner, Bestattungsrituale auf Gräberfeldern der älteren Phase der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur. In: G. Danek/I. Hellerschmid (Hrsg.), Rituale – identitätsstif tende Handlungskomplexe, 2. Tagung des Zentrums für Archäologie und Altertumswissenschaften, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2.–3. Nov. 2009, Origines 2, 2012, 37–45, Tafel 17–23. Lochner 2015: M. Lochner, Eine Mehrfachbestattung mit Keramiktrom mel aus dem älterurnenfelderzeitlichen Brandgräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen, Niederösterreich. In: I. Szathmári (Hrsg.), An der Grenze der Bronze- und Eisenzeit. Festschrift für Tibor Kemenczei zum 75. Geburtstag, Magyar Nemzeti Múzeum 2015, 339–351. Lochner/Hellerschmid 2016: M. Lochner/I. Hellerschmid, Dokumenta tion Franzhausen-Kokoron: Ein Gräberfeld der jüngeren Urnen felderkultur aus Zentraleuropa. Erweiterte interaktive Daten bank mit Illustrationen und Fundbeschreibungen Version 03/ epub (Wien 2016). http://epub.oeaw.ac.at/franzhausen-kokoron2, letzter Zugriff: Juni 2020. Lochner/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung: M. Lochner/K. WiltschkeSchrotta, Menschliche Skelettreste aus einer Siedlungsgrube der urnenfelderzeitlichen befestigten Höhensiedlung von Thunau am Kamp, Niederösterreich, in Vorbereitung. Mani-Caplazi/Wittwer-Backofen/Vach et al. 2017: G. Mani-Caplazi/ U. Wittwer-Backofen/W. Vach/G. Hotz, The tooth cementum analysis: A critical verification of the method to identify preg nancies and diseases. (Abstract) New Approaches to Burnt Human Bones and Teeth: the bioarchaeology of cremations and tooth cementum annulation, International conference Vienna 15–17 November 2017, https://www.orea.oeaw.ac.at/fileadmin/Institute/OREA/ Events/2017/UKGespraeche/Bones_Programme_2017.pdf, letzter Zugriff: Juni 2020.
279
10. Der Mensch – eine anthropologische Spurensuche
Marschler/Wiltschke-Schrotta in Vorbereitung: M. Marschler/ K. Wiltschke-Schrotta, Die Schädel aus der urnenfelder zeitlichen Grube am Wagneracker (V5000), in Vorbereitung (unpublizierter Vorbericht 2019).
Renhart 2015: S. Renhart, Pilotprojekt „Computertomographie und Archäologie“. Innovative Einsatzmöglichkeiten für Restaurie rung und Forschung – Teilbereich Anthropologie, FÖ 54, 2015, D78–D81.
Melzer 1982: G. Melzer, KG Mannersdorf am Leithagebirge, FÖ 21, 1982, 248.
Renhart 2016: S. Renhart, Zur Anthropologie des urnenfelderzeitlichen Brandgräberfeldes von Franzhausen-Kokoron. In: M. Lochner/ I. Hellerschmid, Dokumentation Franzhausen-Kokoron: Ein Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderkultur aus Zentraleuropa. Erweiterte interaktive Datenbank mit Illustrationen und Fund beschreibungen, Version 03/epub (Wien 2016). http://epub.oeaw.ac.at/franzhausen-kokoron2, letzter Zugriff: Juni 2020, http://www.austriaca.at/8062-3inhalt, letzter Zugriff: Juni 2020
Melzer 1983: G. Melzer, KG Mannersdorf am Leithagebirge, FÖ 22, 1983, 253–254. Melzer 1984: G. Melzer, KG Au im Leithagebirge, MG Au am Leitha gebirge, VB Bruck an der Leitha, FÖ 23, 1984, 248. Nebehay 1979: S. Nebehay, Vorbericht über die Notgrabungen 1972–1978 in Wetzleinsdorf, Gemeinde Großrußbach, NÖ, FÖ 18, 1979, 179–187. Neugebauer, 1984: J.-W. Neugebauer, KG Wimpassing an der Pielach, MG Hafnerbach, VB St. Pölten, FÖ 23, 1984, 255. Novotny/Spannagl 2006: F. Novotny/M. Spannagl, Anthropologische Bestimmung der menschlichen Leichenbrände aus Mörters dorf. In: D. Ebner, Mittelbronzezeitliche Grabhügel in Mörters dorf, Niederösterreich, FÖ 45, 2006, 211–232. Pieler/Hellerschmid 2004: F. Pieler/I. Hellerschmid, Ein urnenfel derzeitliches Gräberfeld in Furth bei Göttweig, FÖ 43, 2004, 742–751. Pany-Kucera/Berner/Binder et al. 2013: D. Pany-Kucera/M. Berner/ M. Binder/M. Kucera/M. Marschler/A. Penkner/H. Reschreiter/ M. Schmitzberger, Experimentelle Kremationen – ein Beitrag zum besseren Verständnis anthropologischer und archäologi scher Funde und Befunde. GAPA – Gesellschaft für Archäozoo logie und Prähistorische Anthropologie 9, 2013, 203–216. Parson/Eduardoff/Xavier et al. 2018: W. Parson/M. Eduardoff/ C. Xavier/B. Bertoglio/M. Teschler-Nicola, Resolving the matri lineal relationship of seven Late Bronze Age individuals from Stillfried, Austria, Forensic Science International, Genetics 36 (2018) 148–151. Preinfalk 2003: F. Preinfalk, KG Hafnerbach, MG Hafnerbach, VB St. Pölten, FÖ 43, 2003, 15–17. Prokop/Radam 1987: O. Prokop/G. Radam, Atlas der gerichtlichen Medizin (Basel 1987). Renhart 1996: S. Renhart, Das Brandgräberfeld von Bischofshofen – Anthropologische Ergebnisse. In: E. Jerem (Hrsg.), Die Ost hallstattkultur. Akten des internationalen Symposiums, Sopron, 10.–14. Mai 1994, Archaeolingua 7, (Budapest 1996), 413–430. Renhart 2009: S. Renhart, Die anthropologischen Untersuchungen zum spätbronzezeitlichen und früheisenzeitlichen Gräberfeld von Bischofshofen-Pestfriedhof. In: A. Lippert/P. Stadler, Das spätbronze- und früheisenzeitliche Gräberfeld von Bischofs hofen-Pestfriedhof, Bd. 1, UPA 168 (Bonn 2009), 279–319.
280
Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020: A. Retzmann/A.-M. Kriechbaum/M. Griebl/K. Wiltschke-Schrotta/M. TeschlerNicola/J. Irrgeher/T. Prohaska, Sr Isotope Analysis of Human Remains from Settlement Pits at Stillfried/March – Reasses sing Diagenetic Changes, ArchA 104, 2020, 53-87. Rösing 1977: R. W. Rösing, Methoden und Aussagemöglichkeiten der anthropologischen Leichenbrandbearbeitung. Archäologie und Naturwissenschaft 1, 1977, 53–80. Schutzbier/Hahnel 1987: H. Schutzbier/B. Hahnel, Skelettreste in einer urnenfelderzeitlichen Siedlungsgrube in Mannersdorf am Leithagebirge, NÖ, FÖ 26, 1987, 85–101. Shipman/Foster/Schoeninger 1984: P. Shipman/G. Foster/M. Schoeninger, Burnt Bones and Teeth: an Experimental Study of Color, Morphology, Crystal Structure and Shrinkage. Journal of Archaeological Science 11, 1984, 307–325. Sjøvold 1990: T. Sjøvold, Estimation of stature from long bones utilizing the line of organic correlation, Human Evolution 5, 1990, 431–447. Snoeck/Brock/Schulting 2014: C. Snoeck/F. Brock/R. J. Schulting, Carbon exchanges between bone apatite and fuels during cremation: impact on radiocarbon dates, Radiocarbon 56/2, 2014, 591–602. Snoeck 2017: C. Snoeck, Do’s and don’ts: Isotopic analyses and radiocarbon dating of cremated bone. (Abstract). New Appro aches to Burnt Human Bones and Teeth: the bioarchaeology of cremations and tooth cementum annulation, International conference Vienna 15–17 November 2017, https://www.orea.oeaw.ac.at/fileadmin/Institute/OREA/ Events/2017/UKGespraeche/Bones_Programme_2017.pdf, letzter Zugriff: Juni 2020. Stadlmayr/Berner in Vorbereitung: A. Stadlmayr/M. Berner, Anthropo logische Untersuchung der urnenzeitlichen Brandbestattungen aus Hollabrunn, „An der Aspersdorferstraße“, in Vorbereitung.
10.7 Literatur
Szilvássy/Kritscher/Hauser 1988: J. Szilvássy/H. Kritscher/G. Hauser, Eine urnenfelderzeitliche Mehrfachbestattung in Stillfried an der March, NÖ. In: Stillfried Archäologie - Anthropologie. Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Stillfried, Sonderband 3, 9–76. Teschler-Nicola 1982–85: M. Teschler-Nicola, Die Körper- und Brand bestattungen des mittel-bronzezeitlichen Gräberfeldes von Pitten, Niederösterreich. Demographische und anthropologi sche Analyse, MPK 21/22 (Wien 1982–85), 127–272. Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016: M. Teschler-Nicola/J. Irrgeher/ T. Prohaska, Wohnsitz und Geneaologie der sieben Menschen aus der späturnenfelderzeitlichen Vorratsgrube V1141 von Stillfried an der March: Eine archäometrische Ergänzung an lässlich eines „Schauplatzwechsels“, MAG 146 (Wien 2016), 159–168. Trnka 1983: G. Trnka, Ein Hallstatt-A-zeitliches Brandgrab aus Weinsteig, NÖ, FÖ 21, 1983, 211–216. Urban 2017: P. Urban, Decidious teeth and the neonatal line. (Abs tract) New Approaches to Burnt Human Bones and Teeth: the bioarchaeology of cremations and tooth cementum annulati on. International conference Vienna 15–17 November 2017, https://www.orea.oeaw.ac.at/fileadmin/Institute/OREA/ Events/2017/UKGespraeche/Bones_Programme_2017.pdf, letzter Zugriff: Juni 2020. Wanschura 1942: V. Wanschura, Gräber der älteren Urnenfelder zeit aus Wien XI.-Mühlsangergasse, MAG 72 (Wien 1942), 291–297. Wahl 1982: J. Wahl, Leichenbranduntersuchungen. Ein Überblick über die Bearbeitungs- und Aussagemöglichkeiten von Brand gräbern, PZ 57, 1982, 1–125. DOI: https://doi.org/10.1515/prhz.1982.57.1.1, letzter Zugriff: Juni 2020.
Wedel 2017: V. L. Wedel, Expanding cementum annulation theory and method. (Abstract) New Approaches to Burnt Human Bones and Teeth: the bioarchaeology of cremations and tooth cementum annulation. International conference Vienna 15–17 November 2017, https://www.orea.oeaw.ac.at/fileadmin/Institute/OREA/ Events/2017/UKGespraeche/Bones_Programme_2017.pdf, letzter Zugriff: Juni 2020. Winkler 1992: E.-M. Winkler, Urnenfelderzeitliche Leichenbrände aus Sommerein, Niederösterreich, ArchA 76, 1992, 113–120. Winkler/Großschmidt 1987: E.-M. Winkler/K. Großschmidt, Symptome einer Hungerosteopathie an einem Skelett aus einer urnen felderzeitlichen Siedlungsgrube in Mannersdorf am Leitha gebirge, NÖ, FÖ 26, 1987, 95–102. Wiltschke-Schrotta 2006: K. Wiltschke-Schrotta, Stillfried – Grube V841 (1985/86), eine anthropologisch-detektivische Heraus forderung. In: I. Hellerschmid, Die urnenfelder-/hallstattzeit liche Wallanlage von Stillfried an der March: Ergebnisse der Ausgrabungen 1969–1989 unter besonderer Berücksichtigung des Kulturwandels an der Epochengrenze Urnenfelder-/Hall stattkultur, MPK 63 (Wien 2006), 414–416. Wiltschke-Schrotta 2011: K. Wiltschke-Schrotta, Anthropologische Auswertung der Siedlungsbestattung aus Obj. 865. In: K. Adametz, Eine Siedlung der Urnenfelderkultur in Unterradl berg, Niederösterreich, FÖ, 50, 2011, 84. Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung: K. Wiltschke-Schrotta/ M. Marschler, Die menschlichen Überreste aus den Gruben von Stillfried an der March/NÖ. In: Hellerschmid/Griebl, Die späturnenfelderzeitlichen Tier- und Menschenniederlegungen von Stillfried an der March und die Stratigraphie der Wall befestigung, MPK (Wien, in Vorbereitung).
281
11. Gesellschaft, Kult und Religion
11. Gesellschaft, Kult und Religion Monika Griebl In Niederösterreich sind eine Reihe auffälliger Gegenstände und
des Pferdes (als Reit- und Zugtier) enorm war. In Südosteuropa
Befundsituationen vorhanden, die eine Sonderstellung im ar-
sind diese Kontakte durch die gesamte Bronzezeit hindurch be-
chäologischen Fundbild einnehmen. Sie lassen auf ein vielfäl-
leg- und verfolgbar.2 Ein augenfälliger Nachweis dieser Verbin-
tiges Zusammenspiel des Menschen mit einer übergeordneten
dungen in Niederösterreich sind mehrteilige Pferdezaumzeuge
mythischen Ebene schließen, deren Unterstützung es zu sichern
pontisch-kaukasischer Form aus dem Brandgräberfeld von Still-
galt. Einfluss zahlreicher Fernkontakte ist in diesem Zusammen-
fried an der March3 (Abb. 11_01). Sie belegen eindrucksvoll die
hang erkennbar.
Existenz der politischen Oberschicht des Zentralorts. Mit diesen
Der Nachweis kultisch-religiöser Handlungen ist aufgrund feh-
begehrten Gegenständen kam auch vermehrt Eisen nach Mittel-
lender Schriftquellen nur indirekt möglich. Aus Befund und Fund
europa. Bezeugt ist ein spezieller Dolchtyp, der bereits eine
muss abgewogen werden, ob es sich um Überreste aus dem All-
Eisenklinge besaß und ebenfalls in ein Stillfrieder Brandgrab
tagsleben oder um Spuren kultischer Handlungen gehandelt ha-
mitgegeben wurde (siehe Kap. 7, Pkt. 7.3.3).4
ben könnte. Aus diesem Grund werden bei einigen der vorgestellten Fundgruppen Vergleichsbeispiele auch aus benachbarten oder weiter entfernten Kulturräumen herangezogen, wenn sie zur Deutung des Vorhandenen maßgeblich beitragen.
Exkurs: Zeremonialwagen Seit der Erfindung des hölzernen Scheibenrads waren bis in die
11.1 Einführung in die Welt der späten Bronzezeit Europas
späte Bronzezeit von Rindern gezogene, schwere Karren in Gebrauch. Mit der Verwendung von Pferden ist während der Bronzezeit in Mitteleuropa und darüber hinaus eine Entwicklung zu Zaumzeug und leichteren Wagentypen mit Speichenrädern festzustellen. In erster Linie waren solche aufwendig gebauten und reich geschmückten hölzernen Fahrzeuge als Kult- oder Zeremo-
Die Entwicklung von Kult und Religion der Urnenfelderzeit ist in
nialwagen in Gebrauch. Nachzuweisen sind deren bronzene Be-
Zusammenhang mit der gesamten Epoche der Bronzezeit zu be-
standteile in einigen der reichsten Gräber während der frühen
trachten. Fremdeinflüsse sind verstärkt festzustellen, wobei als
und älteren Urnenfelderzeit (13.–12. Jh. v. Chr.) in weiten Teilen
Hauptvermittler der Neuerungen die mykenische Welt des anti-
Europas. Die Wagen wurden bei den Feuerbestattungen meist
ken Griechenlands zu nennen ist. Ein wesentlicher Grund für den
mitverbrannt; erhalten blieben Überreste ihrer bronzenen Be-
Kontakt der frühen Hochkulturen zum spätbronzezeitlichen Mit-
schläge, Verzierungen und Aufsätze, worunter solche in Vogel-
teleuropa war das Interesse an den wichtigen Erzlagerstätten in
form besonders kennzeichnend sind (siehe Pkt. 11.3.6 Sym-
Mittel- und Westeuropa. Die systematische Ausbeutung der Roh-
bole).5 Unverbrannte bronzene Wagenzierteile sind auch aus
stoffe ließ an den Handelswegen befestigte Zentralsiedlungen
Horten bekannt.6
als Hauptumschlagplätze für die begehrten Waren entstehen. Im Verlauf der späten Urnenfelderzeit (Ha B3) mehren sich Nachweise für Verbindungen zu den reiternomadischen Völkern aus
2
Poroszlai 2003, Abb. 2, 143.
3
Aus zwei reichen Männergräbern des Brandgräberfelds von Stillfried: Kaus M. 1984, Taf. 8–9 (Grab 6); Taf. 37–39 (Grab 38) (siehe Kap. 9, Pkt. 9.3.4 und Abb. 09_26); sowie Pferdegeschirrbronzen aus dem sogenannten Stillfrieder Depot, das höchstwahrscheinlich ebenfalls aus einem (gestörten) Grabverband stammt (Strohschneider 1976; Kaus M. 1988), Späte Urnenfelderzeit/Ha B3; vgl. Metzner-Nebelsick 2002.
4
Strohschneider/Vahlkampf 1980.
5
Baumeister 2011, 66 f.; Metzner-Nebelsick 1997a, 93 f.
6
Z. B. Schumann 2017.
der Schwarzmeerregion, die nach Westen vorstießen.1 Sie äußern sich hauptsächlich in Reitzubehör, da aus dieser Region das Wissen um die Pferdezucht kam und das Interesse an der Nutzung 1
Patek 1993, 18, 21, 140, Abb. 8, 9 (Fundkomplexe Südosttransdanubiens und Ostungarns mit pontisch-kaukasischen Beziehungen, 9.–8. Jh. v. Chr.); Metzner-Nebelsick 2002.
282
11.1 Einführung in die Welt der späten Bronzezeit Europas
In der späten Urnenfelderzeit treten Überreste dieser Wagen neuerlich in ausgesuchten Grabanlagen auf. Sie standen als wirkmächtige Repräsentationsgegenstände bei besonderen Anlässen im Einsatz und wurden letztendlich in Gräber mitgegeben. Indem auch nur einzelne Wagenteile vorliegen (als Pars-pro-toto-
Abb. 11_01. Stillfried an der March. Seitenstangen mit Pferdeköpfen aus dem sog. Depot (Altfund 1895). Diese besonderen Bronzegegenstände wurden im Bereich des späturnenfelderzeitlichen Brandgräberfeldes gefunden. Wahrscheinlich stammen diese wertvollen Pferdeausstattungen aus zwei zerstörten reichen Männergräbern (©NHM Wien, Foto: A. Schumacher).
Prinzip), zeigt sich die symbolische Bedeutung des Wagens als Transportmittel ins Jenseits am besten.7 Regelmäßig finden sich in der späten Bronzezeit auch Modelle
Vierspeichenräder verraten, dass sie als Kultgeräte tatsächlich
solcher Wagen aus Bronze und Keramik, ebenfalls vorherrschend
im Einsatz standen. Die Verbreitung reicht vom Karpatenbecken
mit Wasservogelprotomen. „Beladen“ sind diese oft mit einem
bis in den westlichen Ostseeraum.8 Als letzter Akt wurden diese
fix aufgesetzten großen (Getränke-)Behältnis, was zu der Be-
Kultgegenstände vergraben.9
zeichnung Kesselwagen führte (Abb. 11_02). Ihre beweglichen 7
Vosteen 2011, 70; Pare 1989; Nebelsick 2014.
8
Hänsel A./Hänsel B. 1997, 126; Kossack 1995, 51.
9
Vosteen 2011.
283
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_02. Vadei/Orastie (Ungarn). Der bronzene Kesselwagen ist reich mit Entenvogelprotomen verziert. Kennzeichnend für diese Miniaturwagen sind darüber hinaus die vier Räder mit den jeweils vier Speichen. Das gut erhaltene Stück wurde aus einem Teich geborgen, sodass an eine Opfergabe zu den ken ist (© NHM Wien, Foto: A. Schumacher).
11.2 Urnenfelderzeitliche Gesellschaft Wichtigster Gradmesser für den Rang im spätbronzezeitlichen Gesellschaftsgefüge sind die über die Metallindustrie11 sichtbar gemachten Kontakte und Beziehungen. Wer über den Zugang
Aus unserem Raum kann kein Beispiel eines urnenfelderzeitli-
zu solch wertvollen Gegenständen12 verfügte, der hatte die Vor-
chen Wagens bzw. Wagenmodells genannt werden. Das bekann-
herrschaft in politischer, wirtschaftlicher und wohl auch religiö-
teste Exemplar aus der folgenden Hallstattzeit ist der Kultwagen
ser Hinsicht inne. Es waren diese Angehörigen der obersten Ge-
von Strettweg in der Obersteiermark (um 600 v. Chr.). Das aus
sellschaftsschicht, die die Erzeugung der Prunkgegenstände bei
einem überaus reich ausgestatteten Fürstengrab stammende
Spezialisten in Auftrag gaben, sie verwendeten und am Schluss
Bronzekunstwerk zeigt eine Opferszene mit Hirsch und diente
für deren Entäußerung bzw. Entsorgung zuständig waren.
vermutlich zur Aufnahme von Trankspenden.
10 Egg 1991; Egg/Stawinoga 1996.
284
10
11 I. Heske erstellte anhand des jeweiligen Fundaufkommens eine soziale Rangordnung der befestigten spätbronzezeitlichen Höhensiedlungen im süddeutschen Raum. Die Reihung ergibt sich hauptsächlich aus der Anzahl und Qualität der nachgewiesenen Metallgegenstände (sogenannter schichtspezifischer Bronzen) (Heske 2010, 286). 12 Metallgefäße, (Prunk-)Waffen und Prunkausstattung aus Bronze, aber auch aus Gold (Tassen, Spiralringe).
11.3 Kult und Religion
Rangunterschiede innerhalb der urnenfelderzeitlichen Gemeinschaften sind hauptsächlich in den Gräberfeldern fassbar. Am intensiv ergrabenen späturnenfelderzeitlichen Zentralort Stillfried an der March (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3.5) lassen sich konkrete Anzeichen einer hierarchisch gegliederten Gesellschaftsordnung sowohl im Gräberfeld als auch an der Wallanlage erkennen: • Luxusgegenstände in den Gräbern (Oberschicht) wie Bronzetassen und Pferdzaumzeug. • große abgeschlossene Bauvorhaben wie die mächtige Wallanlage aus Holzkästen und Erdwall mit vorgelagertem Graben. Sie erforderte die Bewegung von ca. 60.000 m3 Erde und einen Materialaufwand von etwa 10.000 m3 Holz (Abb. 11_03).13 • ungleich verteilter Zugang zu Nahrung unter den Einwohnern, festzumachen an zwei Mehrfachbestattungen auf der Wallanlage: Die in Grube V1141 bestattete Gruppe zeigt einen besseren Gesundheitszustand als jene aus der großen Eintiefung V841 (siehe Pkt. 11.3.5 Menschliche Sonderbestattungen). • Beide Gruben mit Mehrfachbestattungen (V1141 und V841)
Abb. 11_03. Stillfried an der March. Das Arbeitsfoto zeigt die Grabung am Wallschnitt im Jahr 1980. Es gibt eine Vorstellung von den Erdmassen, die hier am ungeschützten Westbereich der Anlage herangeschleppt und aufgeschich tet wurden (heutige Höhe 4 m). Der oberste Bereich stammt allerdings von späteren Aufschüttungen (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
in den etwa hundert vollständig erhaltenen Urnengräbern die
wurden am Innenfuß des westlichen Abschnittwalls angelegt.
Urnengrößen in Beziehung zu Alter und Geschlecht der Verstor-
Die Grube für die Bestattung jener Gruppe mit dem besseren
benen gesetzt.14 Obwohl die Gräber auf den ersten Blick in ihrer
Gesundheitszustand (V1141) befindet sich im Nahbereich des
Gesamtheit einen gleichrangigen Eindruck machen, ergab die
vermuteten einstigen Ansitzes der Führungsschicht (Kirch-
Untersuchung, dass die Urnengröße mit dem erreichten Lebens-
hügel), während V841 abseits davon liegt (siehe Abb. 11_18).
alter zunimmt, wobei Männer tendenziell in größeren Behältnis-
• das Vorhandensein einer Art von Menagerie (für Repräsentati-
sen bestattet wurden als Frauen. Beigaben wie Werkzeuge und
onszwecke?) mit Wildtieren, die über Jahre durchgefüttert
Fleisch wurden überhaupt erst ab einer gewissen Urnengröße
wurden, bei gleichzeitiger ungenügender Nahrungsversorgung
mitgegeben. Demnach zeigt sich die Bestattungsgemeinschaft
von Teilen der Bevölkerung (siehe Pkt. 11.3.5 Tiernieder-
von Franzhausen als eine vor allem nach Lebensalter geschich-
legungen).
tete Gesellschaft, die Mann vor Frau und Erwachsenen vor Kind stellt.
In der Grabausstattung erkennbare stufig gegliederte Gesellschaften sind besonders in Zeiten kultureller Umbrüche fassbar. Dies trifft nicht nur für die späteste Urnenfelderzeit am Übergang zur Hallstattzeit mit dem zuvor genannten Gräberfeld von Stillfried an der March zu, sondern auch auf die frühe Urnenfelderkultur des 13. Jhs. v. Chr. (z. B. Gräberfeld von Baierdorf) und die mittlere Urnenfelderzeit (Übergangsphase Ha A2/B1, 11. Jh.) (z. B. Schwertgrab von Unterradlberg) (siehe Kap. 9, Abb. 09_15). Die Mehrzahl der Bestattungen in den urnenfelderzeitlichen
11.3 Kult und Religion 11.3.1 Opferritual – von Verzicht und Zerstörung
Gräberfeldern Niederösterreichs zeigt allerdings im Regelfall
Unter dem Begriff „Opfer“ ist eine Abfolge ritueller Handlungen
keine großen gesellschaftlichen Unterschiede. Die Gräber sind
zu verstehen, in deren Zentrum eine Entäußerung bzw. Vernich-
meist waffenlos und Prunkgräber annähernd unbekannt. Das
tung von meist wertvollen Gütern steht – hauptsächlich handelt
jungurnenfelderzeitliche Gräberfeld Franzhausen-Kokoron (sie-
es sich um Metall- und Keramikgegenstände, Speisen, Getränke
he Kap. 9, Pkt. 9.3.3) bietet aufgrund seiner Größe die Möglich-
und Pflanzen (Blumen). Aber auch lebende Tiere oder auch Men-
keit, gesellschaftliche Unterschiede innerhalb der Alters- und
schen wurden geopfert.15 Alle Opfergaben enthalten Leben oder
Geschlechterrollen herauszuarbeiten. Zu diesem Zweck wurden 13 Eibner C. 1980, 128.
14 Lochner/Hellerschmid 2009, 30 f. 15 Metzner-Nebelsick 2012, 157; Menschenopfer aus der Ethnologie: Piepke 2009, 55–58 (Maya und Azteken).
285
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Lebenskraft, entweder in direkter Form als Blut16 oder indirekt
zeigt, bietet allein die exakte Einhaltung der Regeln die beste Er-
als Nahrungsmittel bzw. durch ihren Wert und ihre Funktion als
folgsgarantie.23 Damit sind Rituale nie zufällige oder willkürliche
Waffe oder Metallwerkzeug. Ein wesentliches Kennzeichen des
Veranstaltungen.
Opfervorgangs ist die Zerstörung der Opfergaben.17 Sie werden
Zu den historisch ältesten Opfern gehören das Erstlings- und
mechanisch zerstört, unwiederbringlich verbrannt bzw. durch
das Totenopfer. Beim Erstlingsopfer gibt man jeweils das Erste
Vergraben und Versenken (Gewässerfunde) dem profanen Zu-
seiner Art den Göttern (erste Erntefrüchte, erster Schluck etc.).24
griff entzogen. Der Akt der Zerstörung war der Höhepunkt in der
Bitt-25 und Dankopfer sind selbsterklärend, wobei antike Schrif-
Zeremonie und konnte helfen, Spannungen und Konflikte in der
ten vielfach von Gelübden (votum) berichten, mit denen sich eine
Gemeinschaft abzubauen.18
Gruppe oder ein Einzelner in ein Vertragsverhältnis (do ut des)26
Alle Arten von Opfer (Bitt-, Dank-, Sühneopfer usw.) können als
mit der angerufenen Gottheit begab. Stellte sich der Erfolg ein,
ein Gabentausch zwischen der übernatürlichen und der mensch-
musste die Spenderseite ihre Verpflichtung einlösen. S. Hansen
lichen Ebene betrachtet werden. Da man die geopferten Bron-
vermutet dabei einen gewissen Spielraum hinsichtlich des Um-
zen in verschiedene Horttypen (Brucherz, Gewässerfunde usw.)
fangs und des Zeitpunkts der Einlösung solcher Gelübde.27
und zum Teil in zählbare Gewichtseinheiten unterscheiden kann,
Beim Sühneopfer wird das zu sühnende Vergehen eines Einzel-
könnte auf die Vorstellung eines klaren Verhältnisses zwischen
nen oder einer Gruppe auf das Opfer, meist ein Tier, übertragen.
19
dem Anliegen, der Gabenmenge und dem jeweiligen Empfänger
Mit diesem gewaltsamen Tod haben sich die Opfernden von ihrer
geschlossen werden. Daraus lässt sich ein Götterbild mit stark
Schuld befreit (Sündenbockprinzip).28
menschlichen Zügen ableiten, wie es antike Schriftquellen bele-
A. van Gennep prägte den Begriff Übergangsrituale, da der An-
gen (fordernd, rachsüchtig, bestechlich und grausam).
lass für Rituale vielfach durch einen Übergang markiert ist.29
20
Sie führen den Menschen durch die prägenden Übergänge wie Geburt und Tod und umfassen immer drei Abschnitte: Die Tren-
Exkurs: Ritual
nungsphase, die den Bruch mit dem bestehenden Gefüge anzeigt, die Schwellen- oder Umwandlungsphase und schließlich
Ein Ritual ist eine geregelte Handlung, die die geistige Ebene be-
die Angliederung an die neue Ordnung. Die Schwellenphase ist
wusst einschließt , um auf der menschlichen Ebene eine Wir-
gefährlich, da übernatürliche Kräfte wie Geister und Ahnen in
kung zu erzielen. Das erwünschte Ziel der Rituale ist im Regelfall
dieser Zeit wirken und kurzfristig gesellschaftliche Regeln und
die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Ordnungen,
Ordnungen außer Kraft gesetzt werden können.30
in die sich die Menschen eingebunden fühlen, im Kleinen wie
Zu den Übergängen, die der Mensch als Einzelpersönlichkeit
im Großen: die Gesellschaft, den Naturkreislauf einschließlich
zu bewältigen hat, gehören neben Geburt und Tod auch Initia-
des Kosmos mit seinen Himmelsbewegungen sowie die geistige
tionsfeiern31, Hochzeit sowie die Wechsel in Altersklassen und
Welt bzw. die Götterwelt. Für die Durchführung sind bestimmte
Berufsgruppen. Archäologisch am besten fassbar sind Bestat-
21
22
Personen verantwortlich, wobei die Darbringung einer (wert-
tungsriten. Deren klare Struktur soll den Verstorbenen und die
vollen) Gabe an übernatürliche Mächte – eines Opfers – den
Gemeinschaft vor Gefährdung jedweder Art schützen.
Höhepunkt des Rituals darstellt. Hauptsächlich handelt es sich um Tier-, Speise- und Trankopfer, aber auch Hortfunde werden als solche Gaben an die Götter für deren (erhoffte) Gunsterweisung betrachtet. Da das Ritual meist kein unmittelbares Ergebnis 16 Zipf 2003, 13; Langer 2017, 297. 17 Metzner-Nebelsick 2012, 161 f.; Nebelsick 1997. 18 Metzner-Nebelsick 2012, 158; Piepke 2009, 66, 68–70. 19 Hänsel B. 1997, 12 f. 20 Metzner-Nebelsick 2012, 168 f.; Homer, Ilias I, 218: Wer dem Gebot der Götter gehorcht, den hören sie wieder; Klengel 1996, 558: Anwei sung für hethitische Tempelbeamte: […] Und er [der Tempelbeamte] gibt ihm [dem Gott] entweder stets etwas zu essen oder er gibt ihm etwas zu trinken. Und weil er seinen Herrn speist und ihm zu trinken gibt, so ist jener [Gott] in seiner Stimmung gelöst und er fühlt mit ihm.
23 Trachsel 2008, 2. 24 Steiner 2010, 454 f.; Burkert 1977, 115–119; Burkert 1985, 66–67; Krumm 2011b, 25; Homer, Ilias IX, 220–221: […] dieser gehorcht’ und warf die Erstling’ [die ersten Fleischstücke] ins Feuer. Und sie erhoben die Hände zum lecker bereiteten Mahle. Auch Genesis: AT, Mos.1. 4, 3–5. 25 Zum Beispiel für eine gute Ernte, Piepke 2009, 53–55. 26 (Ich gebe, damit du gibst), Piepke 2009, 60. 27 Hansen 1997, 29; Nachweis von Opfern zur Bekräftigung von Eiden in der griechischen Antike (um 500 v. Chr.), siehe Scheibelreiter 2012. 28 Piepke 2009, 52, 71, 75–81; Lang 2009, 41 f.; Langer 2017, 297. 29 Van Gennep 1909; auch Beilke-Voigt 2015, 8–9; Lang 2009, 44.
21 Trachsel 2008, 1–2 (transzendente Wirkungsweise).
30 Sogenannte liminale Phase der Übergangsrituale, Turner 1964; van Gennep 1909; Garwood 2011; Zipf 2003, 13.
22 Brück 2011, 394, 398; Verhoeven 2011, 120.
31 Eibner A. 2015, 70–73.
286
11.3 Kult und Religion
Jahreszeitfeste stehen im Einklang mit den Sonnen- und Mondkreisläufen und dem landwirtschaftlichen oder sakralen Kalender. Ein zentrales Thema der bäuerlichen Gesellschaften war die überlebenswichtige Fruchtbarkeit von Feld, Tier und Mensch. In
11.3.2 Bronzehorte: tonnenweise erzeugt und aus dem Verkehr gezogen
Darstellungen von Pflügeszenen32 und der aus späterer Zeit belegbaren Heiligen Hochzeit 33 sind solche Fruchtbarkeitsrituale
Das kennzeichnende Materialopfer der Bronzezeit in nahezu
bereits bildlich festgehalten. Der Vegetationskreislauf der Natur
allen Teilen Europas ist der Bronzehort. Die Zahl der Hort- bzw.
fand seine mythische Verkörperung in der weiblichen Gottheit,
Depotfunde nimmt in bis dahin unbekanntem Ausmaß zu, was
die alljährlich (nach der Ernte) in die Unterwelt entschwindet, wo-
sich in der Urnenfelderzeit noch verstärkt.35 Das begann in
her sie zurückkehrt, um den nächsten Zyklus von Keimung-Reifen-
der Frühbronzezeit mit neu gegossenen Ösenhalsreifen, die
Ernte zu veranlassen.34 Bemerkenswert ist die Verknüpfung der
als messbare Werteinheit in Massen geopfert wurden. Im Lauf
(oberirdischen) Natur mit der Unterwelt.
der mittleren Bronzezeit bis in die jüngere Urnenfelderzeit ver-
Anlassbezogene Rituale werden in Zeiten besonderer Not durch-
grub man dann Bruchstücke von absichtlich zerstörten Bronze-
geführt, um diese zu lindern (Krieg, Seuche, Naturgefahren
gegenständen. Der kennzeichnende Bronzehort der späten
usw.). Sie sind als Weihe- oder Votivgaben archäologisch unter
Urnenfelderzeit besteht aus anzahlmäßig kleineren Einheiten
anderem in Hort- und Gewässerfunden zu fassen und aus späte-
aus unterschiedlichen, vollständigen Bronzeobjekten.
ren historischen Textquellen gut belegt.
Die Forschung stimmt heute großteils darin überein, Metallhorte
Von den im privaten Umfeld durchgeführten Ritualen, sogenann-
als Materialopfer zu deuten, begründet in den inhaltlichen und
ten Haus- bzw. Herdkulten, liegen meist nur indirekte Hinweise
räumlichen Mustern, nach denen sie angelegt wurden.36 Zuvor
in Form keramischer Kultgegenstände aus dem Siedlungsbereich
wurden Metallhorte oft als nicht mehr gehobene Altmaterial-
vor, z. B. Feuerbockbruchstücke, Miniatur- und Ausgussgefäße
lager von Metallhandwerkern oder als (Händler-)Verstecke ge-
usw. Sie deuten auf einen Haus- bzw. Herdkult mit Trankspen-
deutet. Der berechtigte Einwand, wonach der Anteil verunglück-
den/opfern hin. Auch plastisch ausgeführte Keramiksymbole –
ter Schrotthändler unbegreiflich hoch und auf die Bronzezeit
Stecker, Anhänger und sonstige Kleingegenstände aus Keramik –
beschränkt gewesen sein muss37, unterstreicht die aktuelle Deu-
dürften als Votivgaben, Amulette und Ritualgegenstände vielfäl-
tung, da mit dem Beginn der Eisenzeit (8. Jh. v. Chr.) die Hort-
tig kultisch eingesetzt worden sein (siehe Pkt. 11.3.6 Figürliche
sitte in den meisten Teilen Europas abbricht.38 Zeitlich parallel zu
Kunstäußerungen).
den letzten Horten in urnenfelderzeitlicher Tradition wurden die wertvollen Gegenstände vermehrt in den Gräbern auserwählter Personen, meist berittener oder Wagen fahrender Männer, entäußert.39 Ungeachtet dessen sind Gruben natürlich quer durch alle Zeiten bis heute willkommene Orte zum Aufbewahren und Verstecken von Gegenständen.40 Ein jüngst publizierter Brucherzhort aus Rannersdorf wird in diese Richtung gedeutet (siehe
32 Eibner A. 2012, 51 f., Taf. 10/14–17; aus einem hethitischen Tontafel text des 13. Jhs. v. Chr. erfahren wir, dass anlässlich fürstlicher Begräb nisfeierlichkeiten mythisches Geschehen in Handlung umgesetzt wird, wobei u. a. eine Furche für den Acker gezogen wird, den der Verstorbene bestellen lässt, Kossack 1995, 52. 33 Dieser Geschlechtsakt (Hierogamos) ist als rituelle Befruchtung der Königin-Priesterin/Göttin/Erde durch den König oder Fürst/Gott/Him mel zu verstehen und garantierte Fülle und gute Ernte, Eibner A. 1997, 138–139; Eibner A. 2012, 52 f.; Eibner A. 2015, 74–77, Taf. 8k; Zingsem 1999, 19, 20, 78–80: auf sumerischen Tontäfelchen wird das Ritual der Heiligen Hochzeit zwischen König und Königin als Stell vertreter für Inanna und Dumuzi in einem „Hohelied“ ausführlich be schrieben. Es fördert die Wachstumskräfte im Land für Mensch, Tier und Pflanzen und fand im Herbst statt, wenn die neue Saat sich regte; ethnologische Beispiele für Fruchtbarkeitsmythen auf Indonesien, Neuguinea usw.: Jensen 1960; Weiss 1987, 165–172; Piepke 2009, 53–55. 34 Palátová/Salaš 2002, 147 f. Gut bekannt sind solche Mythen um die Göttinnen Inanna, Persephone usw., Giebel 2000, 24 f.; Zingsem 1999, 18, 41.
weiter unten). Die in Mooren und Flüssen endgültig versenkten Gegenstände wurden dagegen schon immer recht einhellig als Opfergaben betrachtet.
35 Metzner-Nebelsick 2012, 159; Hansen 1995, 73, Abb. 3. 36 Metzner-Nebelsick 2012, 160 f.; Hansen 1997, 29 f.; Zipf 2003, 14; Hänsel B. 1997. 37 Sommerfeld 2005, 92. 38 Metzner-Nebelsick 2012, 169. 39 Beispiel: Hügelgräber von Langenlebarn, Preinfalk 2003; Metzner-Nebelsick 1997a, 94. 40 Penz 2012, 197–199.
287
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Stellen der Niederlegung von Bronzehorten Metallhorte zeigen in ihrer Verortung oft einen Bezug zu den befestigten Höhensiedlungen. M. Salaš konnte für Mähren aufzeigen, dass meist deutlich mehr als zwei Depots je Höhenanlage bekannt geworden sind, die nicht nur auf der Hochfläche, sondern auch an den Hängen gefunden wurden.41 Diese sind meist unterschiedlichen Zeitabschnitten innerhalb der Urnenfelderzeit zuzuweisen, was für wiederholte, ortsbezogene Niederlegungen über längere Zeiträume hinweg spricht.42 In ebenem Gelände finden sich die Horte entlang der Verkehrswege. Sie sind üblicherweise auf trockenem Grund in einer Tiefe von 0,3–1,0 m im freien Erdreich vergraben und durch einen Behälter aus Ton oder organischem Material geschützt. Beispielhaft lässt sich das im Unteren Traisental, einer gut erschlossenen Siedlungslandschaft im Herzen Niederösterreichs, aufzei-
Abb. 11_04. Enzersdorf im Thale. Fundgegenstände aus dem Brucherzdepot mit einem Gesamtgewicht von 51,156 kg. Sie waren wahrscheinlich auf zwei eng bei einanderliegende Bronzehorte (2a und 2b) verteilt (Foto: NÖ Landessamm lungen, Ur- und Frühgeschichte).
gen: Von den elf bekannt gewordenen Metalldepots und fünf Keramikhortfunden stammen drei aus der Urnenfelderzeit.43
des Leichnams während der Bestattungsfeierlichkeiten betrachtet werden.48 Große Fundmengen sind dabei als Opfergaben einer größeren Gemeinschaft zu deuten.49 Die Metalle könnten
Brucherzhorte
aber auch über einen längeren Zeitraum gesammelt und in ei-
Im Laufe der mittleren Bronzezeit werden Bruchstücke von ab-
nem Abschlussakt zerstört und vergraben worden sein.
sichtlich zerstörten Bronzegegenständen wie Trachtbestand-
Selten, aber doch finden sich absichtlich verformte Bronze-
44
teilen, Sicheln, Waffen usw. vergraben. Auch Rohmetallbarren
gegenstände auch in Brandgräbern, was eine ideenmäßige Ver-
(Gusskuchen) sind darunter. Der Abnützungsgrad dieser Frag-
bindung zu den Brucherzhorten vermuten lässt.50
mente entspricht meist jenem von noch brauchbaren Stücken
Die meisten bronzezeitlichen Horte wurden in jüngster Zeit ille-
und auch ältere Bronzen und Fremdformen sind anzutreffen.45
gal von Sondengängern entdeckt und die Befunde beim Ausgra-
Offensichtlich wurde hier nach dem Akt der gewaltsamen Zerstö-
ben zerstört. Die Aussagekraft dieser Horte zur Geisteswelt der
rung ein Teil für die Empfänger der Opfer – Götter oder das allge-
Urnenfelderkultur und für die Erforschung Niederösterreichs ist
meine, gestaltlose Göttliche – bestimmt und andere Teile einbe-
damit wissenschaftlich verloren. Welche unvorstellbar großen
halten. Dahinter steht der Grundsatz do ut des – ich gebe, damit
Mengen an wertvollem Metall dem Boden übergeben worden wa-
du gibst – wonach zwischen dem Anliegen und der Gabenmenge
ren, zeigen Angaben aus Mähren. 90.000 Bronzeobjekte aus der
ein klares Preis-Leistungs-Verhältnis besteht. In der älteren und
Bronzezeit werden dort pro Jahr gefunden – großteils rechtswid-
mittleren Urnenfelderzeit sind diese Brucherzhorte die vorherr-
rig von Sondengängern.51
schende Form des Materialopfers.47 Nach L. Nebelsick kann die
Nachfolgend drei charakteristische Brucherzhorte aus Nieder-
gewaltsame Zerstörung der Bronzegegenstände als eine Analo-
österreich, die das weite Spektrum der Depotinhalte und Depo-
gie zur Tötung bzw. Wandlung des Opfertiers im Brandopfer oder
nierungsmöglichkeiten darstellen.
46
41 Auch außerhalb der Befestigungen (sogenannte Deponierungsland schaften), Salaš 2012, 199–200, Abb. 1–3, 5 und 9. 42 Salaš 2012, 205. 43 Neugebauer 1998/1999, 6, Abb. 1 (Bronzedepots von Rassing und Hafnerbach; Keramikdepot von Inzersdorf ob der Traisen); allgemeine schematische Darstellung von Hortfundplätzen und Auffindungssitua tionen siehe Windholz-Konrad 2018, 203, Abb. 117. 44 Erstmals in der ausgehenden Frühbronzezeit im späten 17. bis 16. Jh. v. Chr. in Mitteleuropa und dem Karpatenbecken bezeugt, Metz ner-Nebelsick 2012, 160; Sommerfeld 2005, 92. 45 Sommerfeld 2005, 92; ähnlich den Flussfunden, vermehrt Importstücke; Hansen 1997. 46 Hänsel B. 1997, 17. 47 Ab dem 13. Jh. v. Chr. bis ca. 1000 v. Chr., Hansen 1994; Metzner-Nebelsick 2012, 160–162.
288
48 Nebelsick 1997, 40 f.; Metzner-Nebelsick 2012, 161 f. 49 Metzner-Nebelsick 2012, 163. 50 Beispiel Gräberfeld Baierdorf, Grab 2, Taf. 3/5: Griffzungenmesser vom Typ Baierdorf, gegossen, Griffzunge der Länge nach um 180 Grad verbogen, in drei Teile zerbrochen, keine Brandeinwirkung (Lochner 1986a, 266); verbogene Nadeln aus Grab 1, Taf. 2/11, 12, in zwei bzw. drei Teile zerbrochen, ohne Feuereinwirkung (Lochner 1986a, 265). 51 Allein für den Großraum Klentnice geht man von 100 gestohlenen Hort funden aus; freundliche Mitteilung von M. Salaš. In Ungarn will man diesem Unwesen zuvorkommen, indem die Archäologen (Leitung: G. Szábo) selbst Detektoren für systematische Flächenuntersuchungen einsetzen.
11.3 Kult und Religion
Enzersdorf im Thale (Ha A1/A2)52 Auf einer ausgedehnten Siedlungsfläche53 in Enzersdorf im Thale (VB Hollabrunn) wurden Gusskuchenbruchstücke und absichtlich zerstörte, neuwertige Bronzegegenstände mit einem Gesamt-
Abb. 11_05. Enzersdorf im Thale. Gesichert zum Brucherzdepot 2b gehörige Funde. Die Gegenstände wurden gebrauchsfertig ausgeführt, noch im gussfrischen Zustand fragmentiert und im Boden abgelegt. Dafür wurden zwei Beile ihrer Klingen entledigt, das dritte Beil und die Sichel wurden absichtlich halbiert (Foto: NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
gewicht von mehr als 12 kg aufgefunden (Abb. 11_04). Sie stammen vermutlich von zwei eng beieinanderliegenden Bronze-
ohne gesicherte Zugehörigkeit im direkten Umfeld entdeckt wur-
horten, wovon einer als reiner Gusskuchenhort anzusprechen ist
den. Hier hat wohl ein größerer Personenkreis für ein wichtiges
(Depot 2a mit neun Gusskuchen[-teilen]).
Anliegen ein Gemeinschaftsopfer vollzogen. Die meisten gaben
Das 1,2 m südlich abgelegte Depot 2b setzt sich aus drei ober-
Rohmetallbarren, einige auch fertige Erzeugnisse.
ständigen Lappenbeilen, Teilstücken von Armreifen, Sicheln und drei Gusskuchenbruchstücken mit einem Gesamtgewicht von ca. 7,2 kg zusammen. Ein Lappenbeil und eine Sichel wurden genau
Rassing (Ha A2)
in der Mitte gebrochen bzw. durchgehackt. Die zwei anderen
In einer kleinen Grube auf einem Abhang zum Fluss Perschling
Bronzebeile liegen ohne Schneiden vor, die abgebrochen bzw.
fand sich in Rassing (VB St. Pölten) ein Hortfund in seiner noch
abgeschrotet wurden. Die Gegenstände waren gebrauchsfertig
eng gepackten, ursprünglichen Lage, allerdings sekundär durch
ausgeführt und wurden vor ihrer Deponierung fragmentiert (Abb.
Ackertätigkeit gestört.55 Die kleineren Gegenstände – wie zahlrei-
11_05). Sie könnten aus einer Serienproduktion stammen.54 Mit
che Bruch- bzw. Teilstücke von Sicheln, Messern und Schmuck-
hoher Wahrscheinlichkeit war die Bronzeniederlegung um 39 kg
stücken – lagen in der Mitte, darunter auch zwei komplette, je-
schwerer – so viel wiegen nämlich weitere Gusskuchenteile, die
doch abgenützte ritzverzierte Armreife und zwei vollständige
52 Lauermann/Rammer 2013, 24; auch 240.
11_06). Diese sowie mehrere Gusskuchen waren entlang des
Bronzetassen vom Typus Fuchsstadt (Datierung Ha A2) (Abb. 53 Lauermann/Rammer 2013, 8–24. 54 Leusch 2013, 60, 62.
55 Dm. 55 cm, erh. Tiefe 25 cm; Lochner 1994, 209 f., Abb. 111; Lochner 1998/1999, Abb. 20–23.
289
11. Gesellschaft, Kult und Religion
290
11.3 Kult und Religion
Abb. 11_06. Rassing, Brucherzdepot. Unter den zahlreichen Bruchstücken von Sicheln, Messern und Schmuck befanden sich auch zwei komplette, jedoch abgenützte ritzverzierte Armreife und zwei vollständige Bronzetassen vom Typus Fuchsstadt (Ha A2) (nach Lochner 1998/99, Abb. 22 und 23).
gen vollständig untersucht werden. Am Rand der zugehörigen Siedlung entdeckte man einen Brucherzhort in einem Kegelhalsgefäß, der sich unmittelbar neben einem Kaltschmiedeplatz befand (Abb. 11_07).
Grubenrands gestapelt. Es sind wiederum die unverarbeiteten
Der Hort setzt sich aus 7,5 kg Gusskuchen, Altmetall und guss-
Gusskuchen, die die Hauptmasse von annähernd 23 kg Gewicht
frischen Waffen zusammen (Gesamtgewicht 8,5 kg). Besonders
beisteuern, während der gesamte Hortfund etwa 24 kg wiegt.
bemerkenswert sind drei voll funktionstüchtige Tüllenlanzen-
Wenn wir davon ausgehen, dass keine Hebung des Ensembles
spitzen ohne Gebrauchsspuren (siehe Kap. 8, Pkt. 8.2.1, Abb.
vorgesehen war, hat dieser ungenutzte Rohstoff wahrscheinlich
08_08).56 Unter den Gusskuchen überwiegen Halb- und Viertel-
einen großen Verzicht für die Spendergruppe bedeutet.
stücke. Altstücke stammen von einer Sichel und einem Lappenbeil mit jeweils sauber ausgeführten Schnittkanten sowie einem mehrfach reparierten Rasiermesser. Darüber hinaus konnten
Rannersdorf (Ha B1)
vier Gürtelbleche mit Punkt-Buckel-Zier (Abb. 11_08) und eine
Bei einer großflächigen Rettungsgrabung in Rannersdorf bei
massive, getriebene, beschädigte Kupferscheibe mit Ringöse
Schwechat (VB Bruck/Leitha) in den Jahren 2001 und 2002
geborgen werden, die wahrscheinlich Teil eines prachtvollen
konnten aus der Urnenfelderzeit (Ha A2/B1) Hausgrundrisse
Pferdegeschirrs war.
großer zweischiffiger Längshäuser (siehe Kap. 3, Pkt. 3.2.1 und Abb. 03_11) und ein Brandgräberfeld mit 95 Urnenbestattun-
56 Gruber 2003.
291
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_07. Rannersdorf. Das Brucherzdepot unmittelbar nach seiner Entdeckung (Foto: F. Sauer/BDA).
Abb. 11_08. Rannersdorf. Im Brucherzdepot fanden sich vier Zierbleche mit linearer Kreisaugenzier in Punkt-Buckel-Technik. Sie waren vermutlich an ledernen Gürteln befestigt (Foto: P. Kolp).
Beil- und Sichelbruchstücke unterstützen die Vermutung, dass es sich dabei bereits um Zahlungsmittel gehandelt haben könnte.57 Hinzu kommt, dass die Stücke aus sehr unterschiedlichen Legierungen hergestellt waren. Im Keramikgefäß befanden sich auch daumengroße Stücke eines Eisen- und eines Buntmetallbarrens, denen wohl besonderer Wert beigemessen wurde. Die Bearbeiterin Violetta Reiter schlägt als Deutung dieses Befunds das De-
Personengebundene Horte
pot einer Person vor, die kleine Reparaturen und Umarbeitungen
Im 10. und 9. Jh. v. Chr. werden die Brucherzdepots von kleine-
vornahm und mit einer breiten Palette an unterschiedlichen Me-
ren Fundverbänden aus vollständigen Bronzen verdrängt. Deren
tallqualitäten handelte (Niederlegungszeitpunkt Ha B1).
Der
Zusammenstellung erinnert an einzelne reiche Grabausstattun-
Vergleich der vertretenen Bronzefundtypen von Hort und Gräber-
gen, sodass C. Metzner-Nebelsick diese Gruppe als personen-
feld am Fundort von Rannersdorf zeigt kaum Überschneidungen,
gebundene Hortfunde bezeichnet.59 Typisch sind hier Waffen,
vor allem, weil sich in den Gräbern eher bescheidene Beigaben
Bestandteile der Frauentracht, Pferdegeschirr und Metallgefäße.
58
(Trachtbestandteile, Schmuck und Geräte wie Messer) befinden.
Arbeits- und Erntegeräte, Wagenteile oder Gusskuchen fehlen.
Allerdings wurde am Kaltschmiedeplatz eine zum Armreif umge-
Die Spender sind nach Metzner-Nebelsick60 nun einzelne, gut
arbeitete Gewandnadel gehoben, wie sie aus den Gräbern be-
situierte Mitglieder der Gesellschaft. So zeigt sich der Bronze-
kannt ist. Die Artefakte aus dem Hort kündigen mit dem Eisen-
schmuckhort von Thunau am Kamp als ein neuwertiger Frauen-
stück am Ende der späten Bronzezeit bereits Neuerungen der
schmucksatz bestehend aus Radanhänger, Röllchen, Ringlein
nächsten Epoche, der Eisenzeit, an.
und Bernsteinperlen. Er wurde sorgsam in organisches Material
57 Nebelsick 1997, 40.
59 Metzner-Nebelsick 2012, 165.
58 Reiter/Linke 2016, 161 und 169; Datierung: 168.
60 Metzner-Nebelsick 2012, 168.
292
11.3 Kult und Religion
gehüllt und im Boden vergraben (siehe Kap. 3, Abb. 03_24). Ein weiteres Beispiel eines personengebundenen Bronzehorts aus Niederösterreich ist der einzige bisher bekannte Metalldepot-
Abb. 11_09. Stillfried an der March. Der Bronzehort besteht aus vollständigen und neu wertigen Bronzegegenständen, wobei Frauenschmuck mit verschiedenen Armreifen, Harfen- und Brillenfibeln überwiegt (nach Penz 2006, Taf. 22 und 23).
fund auf der Wallanlage in Stillfried an der March. Beil63, wobei das Beil als Schlachtgerät gedeutet wird, wie dies Stillfried an der March (Ha B3)
bildlich mehrfach in der Situlenkunst bezeugt ist.64
Der Bronzehort ist eine eng gepackte Einheit aus vollständigen
Das Bronzedepot von Stillfried an der March war in einer kegel-
und neuwertigen Bronzegegenständen: zehn Armreife, drei Paar
stumpfförmigen Speichergrube (Nr. 2784) am Hügelfeld, dem
Gewandspangen (Brillenfibeln und Harfenfibeln), zwei Tüllenbei-
höchsten Bereich der befestigten Anlage, zwischen Grubenwand
le und zwei Gussklumpen (Ha B3) (Abb. 11_09). E. Lauermann
und Sohle versteckt worden (Abb. 11_10). Verfärbung 2784 ist
und E. Rammer ordnen ihn den Ausstattungsdepots mit Tracht-
eine von etwa 85 vergleichbaren Gruben am Hügelfeld, die als
61
62
bestandteilen und Prestigegütern erster Qualität zu. C. MetznerNebelsick bezeichnet solche Fundverbände als Votivopfer mit
63 Metzner-Nebelsick 2012, 165.
61 Penz 2006, 353, Taf. 22–23; Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung.
64 Auch am Kultwagen von Strettweg Beil und Opferhirsch (Hallstattkultur): Egg/Stawinoga 1996, ebenso z. B. auf der Ziste von Eppan (Mitte 5. Jh. v. Chr.): Lucke/Frey 1962, 58, Kat. Nr. 2 und Zemmer-Plank 1976, 312, Abb. 36; Koch 2003.
62 Lauermann/Rammer 2013, 96–99.
293
11. Gesellschaft, Kult und Religion
11.3.3 Gewässerfunde Die durchwegs neuwertigen Bronzegegenstände aus Flüssen, stehenden Gewässern und Mooren werden bereits seit Längerem übereinstimmend als Opferfunde gedeutet.67 S. Hansen schätzt, dass die Zahl der geborgenen Bronzegegenstände aus Flüssen in Europa in die Zehntausende geht, wobei Waffen den Hauptanteil ausmachen.68 Metallgefäße, Arm- und Halsringe sowie Gürtel sind aus Gewässern hingegen nicht bekannt; sie wurden in Horten und Gräbern niedergelegt. Wie bei den Bronzehorten liegt es an diesen überregional festzumachenden Regeln, die auch die Gewässerfunde als Weihegaben ausweisen und manch Abb. 11_10. Stillfried an der March. Fundsituation des Bronzehorts. Ursprünglich war der wertvolle Metallverband in vergängliches Material (z. B. Stoff, Leder) gewickelt und hinter dem Sohlen-Wandübergang einer aufgelassenen Vor ratsgrube (V2784) versteckt worden (Foto: Grabungsdokumentation Still fried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
ältere Deutung wie Transportverluste entkräften.69 Gewässerfunde aus Flussabschnitten, deren Durchfahrt in der Vergangenheit nachweislich riskant war, lassen sich leicht als Opfergaben an die dort herrschenden gefährlichen Mächte deuten. Zu fassen ist diese Sitte ab der frühen und mittleren Bronzezeit mit einem Höhepunkt in der späten Bronzezeit. Mit der älteren Eisenzeit
Getreidespeicher gedeutet werden.65 Direkt auf der Sohle die-
bricht diese Tradition dann annähernd vollständig ab. Erst in
ser Grube fanden sich zwei weitere einschlägige Fundansamm-
der Latènezeit lassen sich erneut Flussfunde nachweisen.70 Als
lungen, nämlich die Scherben von insgesamt 22 Keramikgefä-
Einzelbeispiel sei ein vollständiges, gussfrisches Schwert aus
ßen – großteils Töpfen – und ein Verband von teils bereits stark
dem Au- bzw. Überschwemmungsgebiet der Donau bei Krems
benutzten Arbeitssteinen. Sechs neuwertige Gefäße ließen sich
genannt, das als Weihe- oder Opferfund im feuchten Milieu ge-
vollständig zusammensetzen. Nach der Deponierung wurde in
deutet wird.71
der halbverfüllten Grube Feuer entfacht. In die dadurch entstan-
In Oberösterreich, an der Grenze zu Niederösterreich, bildete die
dene gebrannte Lehmwanne brachte man einen annähernd voll-
Donau zwischen Grein und Struden zwei scharfe Krümmungen
ständigen älteren Wolf und ein altes Reh ein. Skelettteile von
mit gefürchteten Strudeln und Wirbeln aus (Abb. 11_11).72 Aus
Wolf und Reh belegen ein Leben in Gefangenschaft, was am Zen-
dem Wasser ragende Felsbrocken verschärften die Passage für
tralort Stillfried an der March kein Einzelfall ist (siehe Pkt. 11.3.5
die Schifffahrt bis zur Regulierung um 1860. Es kam häufig zu
Tierniederlegungen). Der Zeitraum, der zwischen dem Verste-
Schiffsunglücken mit tödlichem Ausgang. Zahlreiche Gewässer-
cken des Metallhorts in der leeren Grube und dem Befüllen der
funde aus diesem Bereich legen dar, dass dort in urgeschicht-
Grube vergangen sein mag, lässt sich nicht bestimmen. Daher ist
licher Zeit über Generationen geopfert wurde.73 Davon datieren
die Frage, ob bei der Befüllung die Existenz des Horts bekannt
allein 70 Funde in die Urnenfelderzeit, mit einem Schwerpunkt
war, nicht zu beantworten. Da die Grube an das Ende der spät-
in Bz D und Ha A, während lediglich 16 Fundstücke der frühen
urnenfelderzeitlichen Wallanlage zu stellen ist, könnten hier im
und mittleren Bronzezeit zuzuweisen sind.74 Die meisten Funde
Zuge von Aufräumarbeiten Hausinventare und verendete Tiere entsorgt worden sein. Die Grube könnte allerdings auch nicht alltägliche Vorgänge belegen, die im Rahmen einer rituellen Grubenschließung vor sich gingen.66
67 Unterstützt durch literarische Belege für einen sakralen Hintergrund, Hansen 1997, 29. 68 Etwa die Hälfte aller bekannten Schutzwaffen und mehr als 40 % der kostbaren Vollgriffschwerter Süddeutschlands stammen aus Gewäs sern, Hansen 1997, 29. 69 Hansen 1997, 29 f. 70 Pollak 1986, Tab. 4, 43, Abb. 6; Metzner-Nebelsick 2012, 169. 71 Trnka 1994; Geistler 1994.
65 M. Griebl und B. Biederer widmeten sich dem Thema der Vorratshaltung in Gruben am Beispiel Stillfried: Griebl/Biederer in Vorbereitung.
72 Pollak 1986, 2–4.
66 Siehe auch: Thunau am Kamp, Kap. 3, Pkt. 3.3.1, Abb. 03_24.
74 Pollak 1986, 55, 58, Tab. 4; 43, Abb. 5 (Karte).
294
73 Metzner-Nebelsick 2012, 169.
11.3 Kult und Religion
stammen aus der schmalen Wasserstraße südlich von Grein, wo sie offensichtlich vom Boot aus versenkt wurden.75 Bemerkenswerterweise sind keine Schwerter darunter, während Beile und Gusskuchen gut vertreten sind. Dieser Umstand spricht für spe-
Abb. 11_11. Der Stich „Der Strudel an der Thonaw“ aus dem Jahr 1649 zeigt, dass die Flussenge und die aus dem Donaustrom herausragenden Felsen zwischen Grein und Struden die Durchfahrt zu einem enorm gefährlichen Unterfangen machten. Kolorierte Radierung, mit Gold gehöht, von Kaspar Merian nach Vorlage von Wenzel Hollar (© Österreichische Nationalbibliothek Wien, baa19198618).
zielle Versenkungsregeln.76 Auch Kultobjekte wurden dem Was-
Grubenverfüllung versiegelt.79 Eine Wiedereröffnung und da-
ser übergeben, wie eine gussfrische Vogelfigur der ausgehen-
mit Zerstörung durch Menschenhand war offensichtlich nicht
den Urnenfelderkultur belegt (siehe Abb. 11_29).
vorgesehen.80
Es liegt auf der Hand, dass der große natürliche Gefahrenbereich
Kennzeichnend sind ein Großgefäß und eine große Anzahl von
beim heutigen Ort Grein als Aufenthaltsort einer gefährlichen
Schöpf- und Trinkgefäßen. Mittelgroße Gefäße enthielten ver-
Gottheit betrachtet wurde, die mit Opfergaben besänftigt oder
mutlich jene Flüssigkeiten, die im Großgefäß abgemischt wur-
beschwichtigt werden musste, wollte man sicher hindurchfahren.
den. Die glänzend geglättete Gefäßoberfläche sollte wertvolle
77
Metallgefäße nachahmen. Hier sind auch jene Geschirrsätze aus
11.3.4 Keramikgefäßdepots – für Trinkgelage? Unter Keramikgefäßdepots werden bewusste Niederlegungen
Hortfunden anzureihen, bei denen kostbares (Prunk-)Geschirr aus Bronze und auch aus Gold zum Einsatz kam.81 Fragt man nach der dahinterstehenden Absicht, könnte diese in imaginierten Trinkgelagen gefunden werden. Als Festteilnehmer sind ausgewählte Mitglieder der menschlichen Gemeinschaften
von Geschirrsätzen auf der Sohle von Gruben verstanden. In der
und die geistige Welt (bestimmte Götter?) vorzustellen, die im
Regel handelt es sich um unbenutzte, neue Gefäße, die mit gro-
Erdboden zu erreichen waren.82
ßer Wahrscheinlichkeit für den speziellen Zweck angefertigt und
Vergrabene Trinkgarnituren finden sich in Mitteleuropa seit der
mit Getränken (und Speisen?) befüllt waren.78 Sie wurden sorg-
ausgehenden Kupferzeit und während der gesamten Bronzezeit,
fältig und auf ähnliche Weise zusammengestellt und durch die
mit einer besonderen Häufung in der mittleren Bronzezeit.83
75 Das Hauptfundgebiet bildet die schmälere Wasserstraße nördlich der Insel Wörth bei Werfenstein, die nur von kleineren Schiffen befahrbar war, Pollak 1986, 2, Abb. 1 (Nr. A, als „Waldwasser“ bezeichnet).
79 Krenn-Leeb 2014, 27.
76 Pollak 1986, 58.
82 Metzner-Nebelsick 2012, 170.
77 Pollak 1986, 64, Taf. 2/11, Grein, Fundstelle Waldwasser (Abb. 1A). 78 Palátová/Salaš 2002, 145 f.
80 Überlegungen dazu auch Palátová/Salaš 2002, 145. 81 Metzner-Nebelsick 2003, 100–106. 83 Palátová/Salaš 2002, 87, 135, Abb. 14; Lindinger 1998/1999; Lauermann/Hahnel 1998/1999; Palátová/Salaš 1998/1999.
295
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Ein räumlicher Schwerpunkt liegt in einem klar umrissenen Gebiet, das sich mit dem heutigen Niederösterreich nördlich der Donau, Südmähren und der Südwestslowakei umschreiben lässt, wo ab dem Ende der älteren Bronzezeit bis in die mittlere Urnenfelderzeit (Ha A2/B1) zahlreiche Keramikgefäßhorte bekannt wurden.84 In der späten Urnenfelderzeit endet dieser Brauch schlagartig, obwohl die zahlreichen Darstellungen auf den bronzenen Weinbehältern (Situlen) der Eisenzeit die zentrale Rolle der Trinkgelage im Kultgeschehen belegen. In Anlehnung an die griechischen Symposien war dieser Akt des gemeinsamen geselligen Trinkens ein kultur- und zeitenüberspannender, fester Bestandteil von Großereignissen aller Art und ist es bis heute geblieben (siehe Pkt. 11.3.5 Festessen – Kultmahl – Ahnenkult). An Beispielen für Keramikgefäßdepots aus Niederösterreich sind hier die Fundstelle Gobelsburg mit insgesamt drei Niederlegungen und ein Altfund aus Oberravelsbach angeführt, dessen Keramik weitreichende Kultur- und Handelskontakte aufzeigt.
Abb. 11_12. Gobelsburg. Das Keramikgefäßdepot (SE 774) ist ein schönes und kenn zeichnendes Beispiel: Vierzig Trink- und Schöpfgefäße (Tassen/Henkel schalen) wurden um ein Großgefäß platziert, das vermutlich ein Getränk enthielt (Foto: ASINOE).
Gobelsburg Der urgeschichtliche Siedlungsplatz von Gobelsburg bei Langenlois (VB Krems-Land)85 wartet mit einer archäologischen Sensation auf, weil dort über mehrere Jahrhunderte hindurch Horte vergraben wurden. Das markante Fundgelände liegt auf einem Geländesporn, dessen Ostseite steil zum Augebiet des Kamps abfällt. Mehrere Vorratsgruben sind der ausgehenden Mittelbronzezeit und der Urnenfelderzeit zuzuweisen. In drei dieser Gruben wurde jeweils ein Keramikgefäßhort mit unterschiedlicher Zusammensetzung angelegt: Das Gefäßdepot SE 1964 der späten Mittelbronzezeit besteht aus 14 Tassen, die paarweise – je eine große und eine kleine Tasse – am Grubenrand niedergelegt wurden.86 Als ein typischer Verband von aufrecht stehenden – gefüllten? – Gefäßen finden sich in Gobelsburg in einem Fundverband rund 40 Tassen von zweierlei Größen, die sorgsam um ein Großgefäß (Zylinderhalsgefäß) gruppiert sind (SE 774) (Abb. 11_12). Weitere sieben Henkelschalen könnten als Schöpfgefäße gedacht gewesen sein. Sie datieren in die ältere Urnenfelderzeit. In das mit-
Abb. 11_13. Gobelsburg. Bei diesem Keramikgefäßdepot (SE 986-1683) reihen sich fünf Großgefäße um absichtlich zerbrochene Trinkgefäße, die sich wahr scheinlich in einem vergänglichen Beutel befanden. Vier der fünf Großgefäße wurden mit der Mündung nach unten abgestellt (Foto: ASINOE).
tig aufgestellte Großgefäß wurden allerdings zahlreiche Tassen sorgfältig gestapelt. Möglicherweise war der Umtrunk bereits
fünf Töpfe entlang des Grubenrands, von denen nur einer auf-
zum Teil abgeschlossen, als es zur Überdeckung kam.
recht stand, während die vier anderen verkehrt abgestellt waren
Kennzeichnend für Gefäßhorte sind auch absichtlich zerbroche-
(Abb. 11_13). In der Grubenmitte wurde ein Behältnis mit den
nes Trinkgeschirr und auf den Kopf gestellte Gefäße. In der zeit-
zerscherbten Überresten von ehemals 32 vollständigen Tassen
gleichen Grube SE 986-1683 von Gobelsburg (Ha A) reihen sich
deponiert.87 In diesem Fall könnte das Symposion ebenfalls real stattgefunden haben. Das benutzte Geschirr wurde zerschlagen
84 Palátová/Salaš 2002; Palátová/Salaš 1998/1999. 85 Kultus/Schmitsberger/Stöckl 2010. 86 Krenn-Leeb 2014.
296
und als Zeugnis des Ereignisses eingebettet. 87 Eine Henkelschüssel, eine Schale, drei große, 13 mittelgroße und 14 kleine Tassen, Krenn-Leeb 2014, 29.
11.3 Kult und Religion
Das mehrfache Vorliegen tönerner Geschirrsätze aus der Mittel- bis Spätbronzezeit (15.–12. Jh. v. Chr.) im heutigen Gobelsburg führt zu der Überlegung, ob Keramikhorte nicht allgemein häufiger angelegt wurden, als die archäologischen Fundberichte das widerspiegeln. Zerscherbte Keramikgefäße auf der Grubensohle werden schnell als nicht mehr gehobene Vorratsbehälter gedeutet. Allerdings können die vertretenen Gefäßtypen helfen, diese Frage zu beantworten, da Tafelgeschirr für Vorratshaltung ungeeignet und damit als Hinweis auf eine kultische Handlung zu werten ist.
Oberravelsbach Bei dem Gefäßverwahrfund von Oberravelsbach (VB Hollabrunn) handelt es sich um einen großen Tafelgeschirrsatz aus 33 feinkeramischen Tassen und Schüsseln sowie einem Zylinderhalsgefäß als Trankbehälter und mehreren Schalen (Ha A2/B1) (Abb. 11_14).88 Der Verband fand sich in einer Grube mit Brandschutt. Bemerkenswert ist, dass ein Großteil der Tassen enge 88 Lochner 1986b, Taf. 1–6 (Fundstelle 1).
Abb. 11_14. Oberravelsbach. Bei dem Keramikgefäßdepot handelt es sich um einen großen Geschirrsatz aus feinkeramischen Tassen (eine Auswahl ist hier abgebildet) und Schalen, einigen Schüsseln sowie einem großen Zylinderhalsgefäß als Trankbehälter (Ha A2/B1) (Foto: L. Streinz, Grafik: M. Lochner).
297
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Beziehungen zum Westen (Böhmen und Niederbayern) aufweist.
Gesicherte Nachweise rituell genutzter Bauwerke sind für die
Ihre kennzeichnende Verzierung ist der Attinger Dekor, der im
Urnenfelderzeit noch kaum zu erbringen. Belege liegen außer-
Wesentlichen aus waagrechten Rillenbändern und begrenzen-
halb des Betrachtungsraums und stehen meist in Zusammen-
den feinen Kerbreihen besteht. Durch die unterschiedliche Ton-
hang mit Ahnenverehrung am Gräberfeld.94
zusammensetzung der einzelnen Tassen ist sogar mit einigen
Ein Beispiel kann man aus Stillfried an der March nennen, wo sich
importierten Stücken zu rechnen. Das Großgefäß belegt Verbin-
Gruben mit Menschen- und Tierniederlegungen am höchstgele-
dungen zu Nordtirol und unterstreicht die Westkomponente des
genen Bereich der Anlage entlang der inneren Wallflanke häufen.
Fundverbandes noch zusätzlich. Die Schulterzier setzt sich aus
Über einer menschlichen Sonderbestattung mit sieben Personen
nicht ganz regelmäßig aneinander gereihten Ritzmotiven zusam-
(V1141) wurde ein Holzbau (V2274) errichtet. Anpassende Kera-
men, darunter vor allem schraffierte Dreiecke als Sanduhr- und
mikfunde vom Holzbau und der Grubenverfüllung zeigen eine di-
Doppelaxtmotiv.89 Möglicherweise verbirgt sich dahinter eine
rekte Verbindung an. Diese Menschengruppe gehörte mit großer
über die reine Zier hinausgehende Botschaft, die sich uns nicht
Wahrscheinlichkeit einer höheren Gesellschaftsschicht an und
erschließt (siehe Pkt. 11.3.6 Kalender in Ton). Die ganze Ge-
verstarb annähend gleichzeitig eines unbekannten Todes. Sie
schirrgarnitur könnte über längere Zeit in ritueller Verwendung
wurde am höchsten Punkt der Anlage bestattet, was annehmen
gestanden sein, was die gemeinsame Entäußerung im Boden
lässt, dass ihr Tod zumindest allgemein wahrgenommen wurde.
erklären würde, da solche Gegenstände für eine Alltagsnutzung
Der Holzbau wird als Kult- oder Gedenkstätte gedeutet, die sich
tabu waren.
auf dieses Ereignis bezog (siehe Pkt. 11.3.5 Menschliche Sonderbestattungen).95 Die Wallanlage ist als beeindruckende Grenzlinie ein wirkmächtiges Zeichen für Herrschaft und Gewalt. Auf
11.3.5 Orte – Gaben – Handlungen
ritueller Ebene stellt sie einen klassischen Schwellenort dar, wo man sich einen Übertritt in die andere, jenseitige, Welt besonders gut vorstellen kann.
Ritualorte – Kultplätze – Kultbauten Rituale finden oft in Grenzbereichen zwischen unterschiedlichen Welten statt, was sich räumlich in Zugangsbereichen aller Art
Verbrennen von Opfergaben – der direkte Draht zum Himmel
niederschlägt. Darunter sind Hauseingänge, Toranlagen, Höhlen-
Das Feuer hat eine überaus symbolkräftige Bedeutung bei Opfer-
öffnungen, Talzugänge oder sonstige eindrucksvolle Naturgebil-
handlungen, da es den Zerstörungsvorgang und seine Umwand-
de wie Felsentore zu nennen, die auch als naturheilige Plätze be-
lungskraft unmittelbar vor Augen führt. Von der neuen ver-
zeichnet werden.
stärkten Gewichtung der Verbrennung bei den großen Ritualen
90
Eine Häufung von Sonder(be)funden kann einen Kultplatz an-
während der Urnenfelderzeit (Scheiterhaufen, Brandopferplatz)
zeigen91, wobei C. Colpe die Belegungsfortdauer von Kultstät-
ist ein Wandel in der geistig-spirituellen Vorstellungswelt abzu-
ten und oft deren natürliche Außergewöhnlichkeit betont. Hier
leiten. Durch den aufsteigenden Rauch entsteht ein Himmels-
sind auch Quellen, Moore und Höhlen angesprochen.93 Für einen
bezug, der im damaligen Verständnis möglicherweise in direk-
Kultplatz ist der Nachweis von Feuer kennzeichnend, da Feuer im
ter Kommunikation mit der (vergöttlichten) Sonne stand. Auch
Ritual nie fehlen darf.
bei jenen Kulthandlungen bzw. Zeremonien, die unverbrannte
In Niederösterreich sind vor allem die (Opfer-)Gaben als Zeugnis-
Leichen oder Tierkadaver in Gruben einbrachten, finden sich
se der Zeremonien erhalten. Als Ritualorte sind hier Bestattungs-
Hinweise auf Feuer (z. B. Feuernachweise bei den Siedlungs-
92
plätze mit Verbrennungsstätte, Totenschmaus, Zerschlagen des
bestattungen in Stillfried an der March). Da das Feuer im Kult-
Geschirrs usw. festzumachen. Höhlenaktivitäten und Brand-
geschehen unverzichtbar ist, ist die Himmelsebene praktisch
opferplätze sind nicht belegbar.
immer mit einbezogen.
89 Lochner 1986b, 303 f., 306, Taf. 2/10. 90 Zipf 2003, 13; Morrissey 2011; Baumeister 2011,34–37. 91 Colpe 1970. 92 Auch Beilke-Voigt 2015, 20; C. Colpe erwähnt auch (mögliche) beson dere Umstände beim Auffinden des rechten Orts, die archäologisch nicht zu belegen sind, Colpe 1970, bes. 32–34; auch Zipf 2003, 14.
94 Metzner-Nebelsick 2012, 158; Baumeister 2011, 20–21.
93 Reim 2011, 12.
95 Hellerschmid 2015, 226.
298
11.3 Kult und Religion
Exkurs: Brandopferplätze
Es kann kaum Zweifel daran bestehen, dass diese gemeinschaft-
Bei den Brandopferplätzen handelt es sich um Stätten von so-
nen Brandopferplätze.
lich genutzte Kultstätte den gleichen Zweck erfüllte wie die alpi-
wohl Blut- als auch Brandopfern.96 Sie sind bisher aus dem Bereich der Ostschweiz bis ins östliche Südtirol bekannt97 und durchlaufen eine lange zeitliche Entwicklung vom Ende der Mittelbronzezeit (14. Jh. v. Chr.) bis in die beginnende Römische
Naturwissenschaftliche Untersuchungen zeigen immer mehr,
Kaiserzeit. Sie finden sich meist an herausragenden Plätzen ab-
dass das Darbringen landwirtschaftlicher Erzeugnisse an den
seits der Siedlungen.
(alpinen) Brandopferplätzen die Regel darstellte, wobei Getrei-
In der Bronzezeit wurden vorwiegend Pflanzen98 und Tiere99
de auch weiterverarbeitet als Brei und Brot gespendet wurde.105
sowie entsprechende Nahrungsmittel geopfert. In Ausnahme-
Es gibt Hinweise darauf, dass Tier- und Pflanzenopfer gemein-
fällen kann aufgrund verkohlter Pflanzenarten und des Todes-
sam erfolgten, was auch aus antiken Schriftquellen belegt ist.
zeitpunkts von getöteten Jungtieren (Opfertieren) auf den Fest-
Als Zeitpunkt der Opferungen ist Hochsommer bis Herbst festzu-
zeitraum geschlossen werden, der zwischen (Spät)Sommer und
machen.106 Damit ist jener Zeitraum umrissen, in dem die Feld-
Winter fiel.100
früchte geerntet wurden und möglicherweise als Erstlingsopfer
Ab der Eisenzeit kam es dann zur Weihung metallischer Gegen-
(gemeinsam mit den Erstgeborenen der Herden?) im Rahmen
stände, die am Ende der Entwicklung in der Römischen Kaiser-
von Erntedankfesten verbrannt wurden (siehe Pkt. 11.3.1 Exkurs:
zeit die Blutopfer vollständig verdrängt haben.
Ritual).
Eine Fundsituation in Süddeutschland (Knittlingen im Enzkreis)
Auch aus unserem Raum sind Getreideopfer bekannt. Wiederum
zeigt an, dass auch im Flachland mit solchen Kultstätten zu
ist es Stillfried an der March, wo entsprechende Hinweise do-
rechnen ist. Dort wurde nämlich am Rand einer großen urnen-
kumentiert wurden, wobei das augenfälligste Beispiel zugleich
felderzeitlichen Siedlung (Ha A2–B3) ein jahrzehntelang genutz-
das am wenigsten Erklärbare ist: Eine Grube vom Wallbereich
ter Brandopferplatz entdeckt
, bestehend aus einer mächti-
(V1133) enthielt nämlich große Mengen veraschter Gersten-
gen Brandschüttung von einander wechselweise überlagernden
spelzen. Dabei handelt es sich um Verbrennungsrückstände
101
Die Funde – absichtlich zer-
von etwa 40 kg Gerstenkörnern bzw. 10–20 kg spelzenreichem
schlagene Schalen103, Tierknochen und viele verbrannte Körner
Abfall.107 Es konnte nicht geklärt werden, wie so eine Substanz
und Samen – sind unschwer als Überreste von Brandopfern
zustande kommt; mit alltäglichen Handlungsschritten hat es
und Opfermahlzeiten zu deuten. Auch zahlreiche unverbrannte
sehr wahrscheinlich nichts zu tun.108 Ein Miniaturgefäß (Deckel-
Mondidolbruchstücke mit Sonnenmotiven und Tierkopfenden
dose) war mit dieser besonderen Asche gefüllt (Abb. 11_15). Die
sind darunter.
beutelförmige Grube V1133 barg des Weiteren den Schädel ei-
Brand- und Ascheschichten.
102
104
nes Mädchens (ohne Unterkiefer) mit tödlichen Hiebverletzungen (siehe Kap. 10, Abb. 10_14), das Skelett eines Hundes und 96 Metzner-Nebelsick 2012, 170; Zohmann/Forstenpointer/Galik 2010, 832, Tab. 2; Steiner 2010, 460. 97 Parzinger/Nekvasil/Barth 1995 unterscheiden die Brandopferplätze in einen inneralpinen und einen nordalpinen Typ. Während der inneralpine Typ durch große Mengen kalzinierter Tierknochen gekennzeich net ist, zeichnet sich der nordalpine Typ gerade durch das Fehlen von Tierknochen und meist auch Brandspuren aus. 98 Steiner 2010, 449–457; Heiss 2008; Heiss 2010, 811, Tab. 7. 99 Der weitaus größte Teil des Tierknochenmaterials stammt von jungen Rindern, Schafen und Ziegen, Krumm 2011a, 10; Tschurtschenthaler/ Wein 1996, 17; Steiner 2010, 457–463; Zohmann/Forstenpointer/ Galik 2010, v. a.832, Tab. 2. 100 Pucher in Vorbereitung, Kap. 8 Taphonomische Aspekte; Steiner 2010, 454. 101 Baumeister 1995, Baumeister 2011, 19. 102 Mit Ausmaßen von noch immer mehr als 40 m2 bei einer Tiefe von fast 1,5 m.
keramische Sonderformen (Backhaube, Backplatte, Webgewichte).109 Der Grubeninhalt wird als das entsorgte Inventar eines Kultplatzes gedeutet.110 Aus Stillfried an der March sind einige weitere Grubenbefunde mit einer größeren Menge an verkohltem Getreide zu nennen, darunter auch Saatgut. Da verkohltes Getreide allerdings auch als Folge von Kochunfällen oder Brandkatastrophen entsteht, ist ein eindeutiger Beleg für Pflanzenopfer im Siedlungsbereich kaum zu erbringen. Findet sich allerdings sorgfältig gereinigtes und verkohltes Saatgut gemeinsam mit einem jungen Feld105 Heiss 2008; Heiss 2010, 811, Tab. 7; Steiner 2010, 452–453. 106 Steiner 2010, 454. 107 Sauter/Wurst/Hoke 1976, 102, 107.
103 140 vollständig erhaltene Tongefäße, mehrheitlich Schalen.
108 Sauter/Wurst/Hoke. 1976, 108.
104 Mehr als 20 Mondidolbruchstücke mit Sonnenmotiven und Tierkopfenden.
110 Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung.
109 Eibner C. 1976, Taf. 26–30; Griebl/Hellerschmid 2013, 331–332.
299
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_15. Stillfried an der March. Diese keramische Sonderform, eine Deckeldose (Höhe 7 cm), war mit veraschten Gerstenspelzen gefüllt und zusammen mit einem Mädchenschädel mit runden Hiebverletzungen in die späturnenfelderzeitliche Grube V1133 am inneren Wallfuß eingebracht worden (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Pflanzenteile, wodurch der Mensch Zugang zu den dem Räucherwerk innewohnenden Kräften erhält. Ein in der Literatur für Niederösterreich gern zitierter Fund soll hier der Vollständigkeit und der Korrektur halber erwähnt werden: H. L. Werneck schreibt über „zwei Handvoll Bilsensamen“ aus einem 1932 in Leobersdorf bei Baden ergrabenen älter-
hasen(teil)skelett in einer Grube – wie in Verfärbung V643 von Stillfried
111
–, dann ist an Opfergaben zu denken (anlässlich
eines Fruchtbarkeitsrituals?).
urnenfelderzeitlichen Grab. Die Nachschau 2018 ergab indes, dass es sich tatsächlich um unverkohlte und deshalb wohl rezente Sämereien des Weißen Gänsefußes (Chenopodium album) handelt.115 Tatsächlich nachgewiesen ist das Bilsenkraut (Hyo scyamus niger) als Rauschmittel für die Hallstattzeit.116
Exkurs: Gerste im Kultzusammenhang Gerste nimmt im Kultzusammenhang unter den Getreidesorten
Festessen – Kultmahl – Ahnenkult
einen herausragenden Stellenwert ein, was sich in den antiken
Festmahle unterscheiden sich immer vom Alltagsgeschehen,
Schriftquellen bestätigt. Homer erwähnt Gerste als jenes Opfer-
sind aber nicht zwangsläufig rituell aufgeladen. Ein wesentli-
getreide, das vor der Schlachtung der Opfertiere zu streuen
cher Stellenwert kommt der politischen Ebene zu, da sich durch
war.112 Und im Mysterienkult des antiken Griechenland nimmt
den Austausch nicht haltbarer Güter ein spezieller Mechanis-
Gerste in einem beliebten Mischgetränk (mit Gerstenmehl und
mus von sozialer Zusammengehörigkeit und gegenseitiger Ver-
Minze) und als Opferkuchen (Weizen und Gerste) eine wesentli-
pflichtung bzw. Abhängigkeit ergibt.117 Gastgeschenke können
che Rolle ein.113 Erklärbar ist der hohe Anteil von Gerste insofern,
da einen Ausgleich bewirken. C. Metzner-Nebelsick geht davon
als die alljährliche Getreideernte mit der Wintergerste beginnt
aus, dass viele der wertvollen (Metall-)Gefäße und sonstige (Me-
und somit diese Getreideart das vorbestimmte Erstlingsopfer
tall-)Gegenstände aus Hortfunden ursprünglich Gastgeschenke
darstellt.114
waren.118
Zu den Pflanzenopfern zählt im weiter gefassten Sinn auch das im Ritual vielfältig eingesetzte Räucherwerk. Verräuchert werden meist pflanzliche Stoffe wie Baumharze und getrocknete 111 Kohler-Schneider 2001, 77–82; Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung. 112 Homer, Ilias I, 449, 458; II, 410, 421–429. 113 Giebel 2000, 20, 34. 114 Baumeister 2011, 20.
300
115 Werneck 1949, 71–72; Berg 1957, 28. Die Gänsefuß-Nüsschen waren vermutlich im Zuge der Vorratshaltung durch Ameisen in den Grabkontext eingebracht worden. Der Grund für die doch recht merkwürdige Fehlbestimmung durch E. Hofmann 1947/48 sowie durch H. L. Werneck 1948 konnte nicht mehr eruiert werden (persönliche Mitteilung von A. G. Heiss, mit Dank für die Bestimmung der Probe). 116 Urban/Kern D. 2011, 164–165. 117 Dietler 2001, 65; Öhlinger 2015, 174. 118 Metzner-Nebelsick setzt sich im Zusammenhang mit den wertvollen aus Hortfunden bekannten Metallgefäßen mit der wichtigen Funktion des Gastgeschenks auseinander, Metzner-Nebelsick 2003.
11.3 Kult und Religion
Abb. 11_16. Stillfried an der March, Grubenhaus V601. In unmittelbarer Nähe der Herd platte wurden neben einem vollständigen Hundekadaver große Teile eines geschlachteten Pferdes abgelegt, die wahrscheinlich im Rahmen einer Kultmahlzeit verzehrt wurden. Dem Hund könnte in diesem Verband eine symbolische Bedeutung zugekommen sein (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Beim Kultmahl werden Teile des nach bestimmten Ritualen geschlachteten (Opfer-)Tieres sowie sonstige Speisen und Getränke gemeinsam genossen. Dieser gesellige Verzehr stellt zu allen
Abb. 11_17. Plaika. Eine dicht mit zerbrochenen (Trink-)Gefäßen gefüllte Grube aus dem Bereich des Gräberfeldes (Foto: F. Preinfalk/ARDIG).
Zeiten einen ganz wesentlichen und unverzichtbaren Aspekt des Opfers dar und ist zugleich direkter Ausdruck der Kommunikati-
abgelegt. Da dem Hund ein mythologischer Bezug zur Totenwelt
on mit der Gottheit.119
zukommt, könnte in seiner Anwesenheit ebenfalls eine symboli-
Fleisch war damals für die meisten Menschen ein seltenes
sche Bedeutung liegen.
Nahrungsmittel, sodass das Tieropfer und die Bereitstellung
Die in den Verfüllungen urnenfelderzeitlicher Brandgräber auf-
Auch bedingte die
gefundenen Keramikgeschirrfragmente werden als Belege ritu-
große anfallende Fleischmenge ein Gruppenereignis, weil
eller Umtrunke bzw. Kultmahle gedeutet, die im Rahmen von Be-
Fleisch nicht haltbar war. Wie Schriftquellen der griechischen
stattungsritualen ausgeführt wurden. Damit ist der gemeinsame
von Fleisch meist Hand in Hand gingen.
120
Archaik (8.–7. Jh. v. Chr.) berichten, wurde auch in Fällen, wo
Genuss, der wohl auch den/die Verstorbenen einbezog, genau-
der Fleischverzehr das vorrangige Ziel der Schlachtung war, ein
so wesentlicher Bestandteil des zelebrierten Toten- und Ahnen-
kleiner Fleischteil den Göttern geopfert.121
kults. M. Kaus vermutet, dass in Stillfried an der March noch
In der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der
am Verbrennungsplatz der rituelle Leichenschmaus abgehalten
March dürften die Überreste eines nicht alltäglichen Festmahls
wurde. Abschließend wurden die Gefäße zerschlagen und in die
entdeckt worden sein. Es wurden nämlich in Herdnähe eines
Grabverfüllung geworfen.124 Es ist auch mit Trankopfern zu rech-
Grubenhauses (V601) große Teile eines geschlachteten und ver-
nen, die lange nach der Bestattung im Sinne eines regelmäßigen
speisten Pferdes abgelegt (Abb. 11_16). Da Pferdefleisch sehr
Toten- bzw. Ahnenkults durchgeführt wurden (siehe Kap. 9).125
selten am Speiseplan der Stillfrieder Bevölkerung stand (5 %
Sehr offenkundig zeigt sich der Brauch ausgiebiger Totenmahle
aller Tierknochen)122, ist hinter dem gemeinschaftlichen Ver-
bzw. ritueller Umtrunke im BZ D/Ha A-zeitlichen Brandgräber-
zehr eines ganzen Tieres und der auffälligen Entäußerung sei-
feld von Plaika (VB Melk), wo abseits des Bestattungsbereichs
ner Überreste ein Kultmahl zu vermuten.123 Unmittelbar neben
zwei dicht mit zerbrochenen (Trink-)Gefäßen gefüllte Gruben
den Pferdeüberresten wurde der Kadaver einer jungen Hündin
entdeckt wurden.126 Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei
119 Metzner-Nebelsick 2012, 162; Steiner 2010, 511–514; Piepke 2009, 63–64; Hirsch 2017.
Bestattung verwendete und danach einem weiteren, profanen
um jenes Geschirr, das man bei den Feierlichkeiten während der 120 Lehar 2017, 155–156; Isaakidou/Halstead 2013, 93. 121 Lehar 2017, 156.
124 Kaus M. 1984, 16–19.
122 Pucher 1982, 148–149.
125 Siehe auch Bartelheim/Heyd 2001.
123 Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung.
126 Müller/Preinfalk A./Preinfalk F. 2013.
301
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Gebrauch durch Zerschlagen entzog. Am Boden einer dieser bei-
In Stillfried an der March fand sich eine große Birkenpechknol-
den Gruben wurde ein kopfloser Tierkörper – Pferd oder Rind127 –
le134 in einer zylindrischen Grube am Innenfuß des westlichen
abgelegt, was die besondere Bedeutung dieser Objekte unter-
Abschnittwalls (V748).135 Die unregelmäßig geformte Knolle wog
streicht (Abb. 11_17).
250 g und war 15,5 × 12,5 × 3 cm groß. Baumpech stand als urzeitlicher Klebstoff vielseitig in Verwendung, sodass dieser wertvolle Gegenstand wahrscheinlich als Opfergabe im obigen Sinn
Rituale bei der Errichtung von Bauten (Bauopfer)
dort niedergelegt wurde.
Die archäologische Forschung geht davon aus, dass die Art und
In den aufgelassenen und rasch verfüllten (Getreide-)Speicher-
Weise, wie prähistorische Bauten errichtet, genutzt und letzt-
gruben von Stillfried an der March zeichnet sich ein Verfüllmuster
endlich wieder ihrem ursprünglichen Zweck enthoben wurden,
ab, das die Gruben axial in drei Bereiche teilt. Ob bzw. inwiefern
fest vorgeschriebenen Regeln und Handlungsschritten unterla-
mit vorgeschriebenen Abläufen bzw. Ritualen im Zuge der Auf-
gen.
lassung zu rechnen ist, war Thema einer Untersuchung.136
128
Werden einzelne, meist vollständige Fundgegenstände
in den Fundamenten von Bauwerken angetroffen, kann man daraus auf absichtsvolle Niederlegungen aus der Errichtungsphase schließen. Ihre Zahl ist quer durch die Zeiten als bescheiden einzustufen.
129
Menschliche Sonderbestattungen in Siedlungen – geregelte Ausnahmen?
Eine systematische Untersuchung solcher Befunde aus der spä-
Großteils unverbrannte menschliche Skelette bzw. Skelettteile
ten Bronzezeit und den Eisenzeiten erbrachte Regelhaftigkei-
aus Siedlungen sind in nahezu allen Abschnitten der mittel
ten sowohl bei den abgelegten Gegenständen als auch bei der
europäischen Urgeschichte anzutreffen.137 Während der Urnen
Lage.
So hat sich gezeigt, dass sich pro Gebäude meist nur
felderzeit belegen sie eine Praxis der Totenbehandlung, die
eine Deponierung findet, wobei drei Viertel aller Objekte jeweils
zeitgleich zur üblichen Brandbestattung am Gräberfeld durchge-
in einer Pfostengrube des südwestlichen Hausbereichs abgelegt
führt wurde. Auffallend stark ausgeprägt ist diese Erscheinung
130
wurden. Der Grund dieses Deponierungsmusters bleibt uns ver-
in der frühen und späten Bronzezeit, wobei der geografische
borgen.131 Unter den Bauopfern aus der Urnenfelderzeit überwie-
Schwerpunkt während der späten Bronzezeit nördlich des Unter
gen vollständige keramische Trinkgefäße – Henkeltassen und
suchungsgebiets liegt (Böhmen, Mähren, Nord-, Mittel- und
Schalen – aus Pfostengruben.132 Sie sind als Trankopfer zu deu-
Süddeutschland).138 Auch in den östlich und südöstlich an-
ten, demgemäß der Inhalt wertvoller als das Behältnis gewesen
schließenden Gebieten Europas (Ungarn, Balkan) sind Siedlungs
sein mag. Gespendet und niedergelegt mit der Bitte um ein lan-
bestattungen ein gut bekanntes Phänomen vom Neolithikum bis
ges Bestehen des Hauses wurden sie möglicherweise von jener
in die Eisenzeiten.139
Personengruppe, die den Hausbau gemeinschaftlich bewältig-
Das überregional übereinstimmende Erscheinungsbild der
te. Die große Zahl an Trinktassen im urnenfelderzeitlichen Kult
spätbronzezeitlichen Siedlungsbestattungen sind vollständi-
zusammenhang spiegelt die enorme Beliebtheit ritueller Um-
ge, manchmal verlagerte menschliche Skelette, Teilskelette und
trunke und Trankopfer wider. Ab der Hallstattzeit werden dann
Einzelknochen in Siedlungsgruben. Die Leichen(-teile) wurden
bevorzugt persönliche Gegenstände von teils sehr hohem Wert
zumeist im (waagrechten) Sohlenbereich der aufgelassenen
in den Pfostengruben abgelegt, darunter auch Schmuckgegen-
Vorratsgruben abgelegt, die man dann rasch verfüllte.
stände aus Bernstein und Gold. Dem könnte ein Analogiezauber
Es überwiegen Totenhaltungen in Bauch- und Seitenlage bei
zugrunde liegen, wodurch den Bewohnern Reichtum gesichert
lockerer Hockerstellung.140 Einige Leichen dürften auch in die
werden sollte (siehe 11.3.6 Exkurs: Schamanismus).
Gruben geworfen (z. B. Stillfried an der March, V841/SK1, 2
133
und 3) oder mit Tüchern oder Stricken (Fesselung) fixiert worden 127 Die archäologischen und zoologischen Untersuchungen stehen noch aus. 128 Beilke-Voigt 2007, 87, 90 f.; Weikart 2002; Piepke 2009, 53; Ulin Agan 2009, 151–153 (Beispiel aus Ethnologie). 129 Beilke-Voigt 2016, 124, 128. 130 Trebsche 2008, 70 f., 75; Abb. 4. 131 P. Trebsche verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Bestatteten der Hallstattzeit mit den Köpfen nach SW gelegt wurden, Trebsche 2008, 70.
134 Sauter/Jordis/Hayek 1996, 78, 86, Anm. 1, Abb. 3; Dobrezberger 2016, 52, Probe 113. 135 Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung. 136 Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017, 200 f.; Griebl/Biederer in Vorbereitung. 137 Siehe beispielsweise Müller-Scheeßel 2013. 138 Stapel 1999, 218; Wiesner 2009, 150–161, Liste 24, 902–907.
132 Trebsche 2008, 72 f.
139 Z. B. Ailincai 2016.
133 Trebsche 2008, 74.
140 Stapel 1999, 410, Fußnote 1809; Wiesner 2009, 150–151.
302
11.3 Kult und Religion
sein141 (z. B. Stillfried an der March, V841/SK7, 14). Kennzeichnend sind darüber hinaus Mehrfachbelegungen und Ansammlungen von Schädeln.142 Viel seltener finden sich Siedlungsbestattungen auch in (Gruben-)Häusern, Wallbauten und Gräben, wobei wir grundsätzlich ohnehin nur einen Bruchteil aller sterb-
Abb. 11_18. Stillfried an der March. Übersichtsplan der Wallanlage mit den späturnen felderzeitlichen Befunden, wovon die meisten kegelstumpfförmige (Speicher-)Gruben sind. Eingefärbt sind die Gruben mit menschlichen (Teil-)Skeletten (V601, V841, V1133, V1141/2350/2274) (Grafik: ARDIG, I. Hellerschmid, I. Petschko, S. Tikatsch auf der Grundlage der Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
lichen Überreste der damaligen Bevölkerung im archäologischen
Zentralort Stillfried an der March
Befund fassen.
Die große Zahl an unvollständigen Skeletten
In Stillfried an der March wurde die Praxis der Siedlungsbestat-
in den Gruben zeigt, dass die Verwesung teilweise an einem
tung aus den nördlichen Nachbarregionen (vor allem Mähren
anderen Ort erfolgt war, was auf zumindest zweistufige Bestat-
und Böhmen) übernommen und dürfte als Ausgangspunkt für
tungsvorgänge schließen lässt. In den meisten Fällen ist die
die weitere – bescheidene – Verbreitung in unserem Raum ge-
Todesursache unbekannt, sodass die dahinterstehenden Grün-
wirkt haben.145 Drei kennzeichnende Befunde sind die Gruben
de bzw. Ereignisse verborgen bleiben. Sie könnten mit Todesart,
V841, V1141 und V601 mit den Überresten von 31 Verstorbenen
143
sozialem Stand, Herkunft, kriegerischen Auseinandersetzungen,
in allen möglichen Vollständigkeitsgraden (vgl. weiter unten und
Ahnenverehrung144 oder auch Gründen wie Jahreszeit bzw. Not-
Kap. 10, Pkt. 10.4). Alle drei Befunde stammen vom höchstgele-
zeiten zu tun haben.
genen und am stärksten befestigten Bereich der Anlage (Hügel-
141 Stapel 1999, 207.
feld und Kirchhügel), der auch als Getreidespeicherplatz diente
142 Beispiel V5000 von Stillfried, Wagneracker, Griebl/Biederer in Vorbereitung. 143 Aspöck 2013, 34 mit weiterführender Literatur. 144 Einzelne menschliche (grob rechteckige) Kalottenteile und Unter kiefer(hälften) von der Wallanlage von Stillfried und der Nachweis von Schädelzertrümmerung unter den Siedlungsbestattungen (V841 und V601) lassen dahinterstehende Praktiken der Ahnenverehrung zumindest vermuten. Griebl in Vorbereitung b; Griebl/Biederer in Vorbereitung.
(Abb. 11_18). Die Bestattungen befinden sich folglich in einem speziellen (öffentlichen?) Bereich und waren sehr wahrscheinlich für die ganze Gemeinschaft von Bedeutung. 145 Weitere unverbrannte menschliche Skelette bzw. Skelettteile aus urnenfelderzeitlichen Siedlungen in Niederösterreich siehe Kap.10, Pkt. 10.4 (Thunau am Kamp, Mannersdorf am Leithagebirge, Unterradlberg); vgl. Stapel 1999, 218, 397 f.; Hahnel 1994, 177.
303
11. Gesellschaft, Kult und Religion
walls (V1154), was Siedlungsphase III/1 zwischen 900–850 v. Chr. entspricht bzw. dem älteren Abschnitt von Ha B3. Es gibt drei C14-Datierungen von V1141. Davon ist die dritte von einem menschlichen Knochen aus der Schicht über den „Sieben“, nur die beiden ersten Proben stammen direkt von den Skeletten der Siebener-Menschengruppe:150 1/1141: VERA-2918: 2745+-35 BP [980 BC (95,4 %) 810 BC, Mw. 895 BC] Knochen von SK1 (Mann, 30 Jahre, Sign. 09023) 2/1141: VERA-2919: 3000+-35 BP[1380 BC (95,4 %) 1120 BC, Mw. 1250 BC] Knochen von SK7 (9-jähriges Mädchen, Sign. 09029) Abb. 11_19. Stillfried an der March, Grube V1141, während der Ausgrabung im Sommer 1976 mit den Überresten der sieben Skelette (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
3/1141: Poz-78217: 2770+-30 BP [997 BC (95,4 %) 839 BC,
In zahlreichen weiteren Gruben fanden sich menschliche Einzel
Im Vergleich zu den Skeletten aus V841 zeigen sie einen besse-
knochen, darunter besonders viele Schädel und deren Teil
ren Gesundheitszustand bei größerem Körperwuchs.151 Alles in
Mw. 910 BC] menschlicher Knochen aus der Schicht über den sieben Skeletten (Fnr. 9208)
stücke wie (rechteckige) Kalottenbruchstücke und Unterkiefer
allem erscheint es naheliegend, dass sie Mitglieder der höheren
(hälften). Darauf sind Manipulationen wie Schnitte und Brüche
Gesellschaftsschicht waren. Die Todesursachen der „Sieben“
am kollagenhaltigen Knochen festzustellen146, wie sie allgemein
sind unbekannt, was Raum für unterschiedliche Szenarien
an Skelettresten aus Siedlungsbestattungen immer wieder vor
schafft.152 Ein zeitgleicher, direkt über der Bestattungsgrube er-
kommen.147 Erklärungen lassen sich dafür schwer finden, zu
richteter Holzbau (V2274) steht in direktem Zusammenhang mit
überlegen sind Aktivitäten im Rahmen von Totenpraktiken. Wer-
diesem Ereignis und wird als darauf bezogene Kult- bzw. Gedenk
den die urnenfelderzeitlich datierten Einzelknochen noch dazu
stätte gedeutet (siehe Pkt. 11.3.5 Ritualorte).153
gezählt, kommen wir auf eine Maximalanzahl von ca. 60 Indivi-
In die große Grube V841 (21 m3) wurden die Überreste von 23
duen, von denen Überreste in der Anlage von Stillfried gefunden
Individuen154 in mindestens vier Handlungsschritten gelegt
wurden.148
(Abb. 11_20) (dazu Kap. 10, Abb. 10_11). Während die Leichen
Bei V841 und V1141 handelt es sich um zwei kegelstumpf
anfänglich noch vollständig im Sohlenbereich positioniert wur-
förmige Gruben von sehr unterschiedlicher Größe, die beide in
den, liegen die weiteren Individuen in unterschiedlichen Hal-
Wallnähe zu verorten sind.
tungen und Vollständigkeitsgraden samt Tierverbiss vor, was
In Grube V1141 (2,5 m3) wurden sieben vollständige Leichen ab-
für einen Erstlagerungsplatz an einem anderen Ort spricht. An
gelegt (ein Mann, zwei Frauen, vier Kinder) (Abb. 11_19) (dazu
den Skelett(-teil)en zeigen sich mit Gewalt einhergehende
Kap. 10, Abb. 10_10/1 und 10/2).
149
Die Bestattung datiert an
den Beginn des Bauabschnitts II des westlichen Abschnitts146 In Stillfried großteils von Einzelknochen: z. B. Schnitte am Oberarm bruchstück eines Kindes aus V1044, einer undatierten Grube vom Hügelfeld (St. 4430), Schnitte am Schädel der Frau aus V601; Brüche: St. 4570/V377, St. 4443/V445, St. 4772/V1047 (Wiltschke-Schrotta/ Marschler in Vorbereitung). 147 Z. B. Altdorf-Römerfeld, Grube 361: ein menschlicher Humerusschaft, Epiphysenfuge wurde abgeschlagen, Stapel 1999, 50, Bz D (Stapel 1999, 59); Blucina-Cezavy: Salaš/Dočkalova/Horáčková et al. 2012, 204, 207, Abb. 36, 40 (Obj. K7/90): Linkes Schienbein von Skelett 10/90 mit Längsschnitten ohne Heilungsmerkmale; rechtes Waden bein von Skelett 12/90 mit denselben Merkmalen (Ha A).
150 1/1141 und 2/1141: VERA Eva Maria Wild, VERA-Laboratorium Institut für Isotopenforschung und Kernphysik, Universität Wien, Währinger straße 17, 1090 Wien; Hellerschmid 2006, 293. – 3/1141: Poz Dr. Tomasz Goslar, Poznan Radiocarbon Laboratory, Foundation of the Adam Mickiewicz University, ul. Rubiez 46, 61-612 Poznan, Poland. 151 Entsprechend der niedrigeren Anzahl an Entzündungsanzeigern an den Knochen siehe Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung, Griebl in Vorbereitung b. Zur größeren Körperhöhe (V1141) Breitinger 1980, 61: Mann SK1: Körperhöhe 172 cm „übermittelgroß“; bei Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung: SK1 173 cm usw.; beide Frauen aus V1141 zeigen am Schädeldach je eine Knochennarbe, was für gute medizinische Versorgung sprechen kann, Breitinger 1980, 76–78. 152 Hellerschmid 2015, 226.
148 Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung.
153 Hellerschmid 2015.
149 Hellerschmid 2015; Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020.
154 Wiltschke-Schrotta 2006; Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung.
304
11.3 Kult und Religion
Abb. 11_20. Stillfried an der March, Grube V841. Schematische Darstellung der vier Skelettlagen mit insgesamt 16 menschlichen Skeletten oder Teilskeletten (SK1–4, 5/1, 5/2, 6–15). In Skelettlage 4 wurden auch verbrannte Knochenstücke von mindestens sieben weiteren Individuen (SK16–22) gefunden (Grafik: bearbeitet von I. Hellerschmid und St. Tikatsch auf der Grundlage der Grabungsdokumentation Stillfried, Landessammlung Niederösterreich, Bereich Ur- und Frühgeschichte).
Auch diese Vorgänge datieren in Siedlungsphase III/1, als die zweite – die letzte und mächtigste – Ausbauphase der Wallanlage (Wall II) bereits abgeschlossen war. Die Phasenzuordnung nach III/1 erfolgt auf der Grundlage von C14-Daten, welche mit der archäologischen Zeitstellung übereinstimmen:155
Manipulationen, die alle an den bereits toten Körpern durch-
1/V841: Poz-59980: 2735+-30 BP [970 BC (95,4 %) 814 BC,
geführt worden sein könnten – darunter eine Schädelzertrüm-
Mw. 892 BC] Knochen von SK1 (Mann, 40–60 Jahre,
merung bei einem 10- bis 12-jährigen Kind (SK5/2), von dem keine sonstigen Knochen vorhanden waren. Fesselung (SK7) und
matur, Sign. 09041, Fnr. 13150) 2/V841: Poz-59981: 2735+-30 BP [998 BC (95,4 %) 838 BC,
Schnürungen (SK14) (Abb. 11_21) können auf Transportzwecke
Mw. 918 BC] Knochen von SK12 (Kind, 7–10 Jahre,
zurückzuführen sein. Zuletzt dürften drei Leichen(teile) in die
Infans II, Sign. 09053, Fnr. 13150)
noch heiße Ascheschicht geworfen worden sein, in der sich verbrannte Körperteile von weiteren sieben Individuen befanden.
155 Hellerschmid 2015, 208: stellt V841 in die Siedlungsphase III/2 (etwa 850–800/780).
305
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_21. Stillfried an der March, Grube V841. Das Bild zeigt SK14 (20- bis 25-jährige Frau) und SK15 (3- bis 4-jähriges Kind) in Fundlage. Die extreme Hocker stellung von SK14 lässt eine Fesselung vermuten. Der Unterteil eines Topf es mit Bodenloch ist zwischen SK14 und SK13 (Schädel links im Bild) gut zu erkennen (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessamm lungen, Ur- und Frühgeschichte).
jenen zwischen der älteren Frau SK5 und dem Knaben SK6. Diese beiden Skelette fanden sich in sehr enger, aufeinander bezogener Lage (Abb. 11_22), was sich gut mit diesem Ergebnis deckt, demnach dort Mutter und Sohn bzw. Großmutter und Enkel bestattet sind. Die Menschenniederlegungen von Stillfried an der March wer-
Wir wissen, dass die Grube zwischenzeitlich und auch nach der
den von vielfältigen Sonderfunden begleitet, die sich vor allem
letzten (vierten) Einfüllung abgedeckt war, sodass möglicher-
aus Teil- und Bruchstücken von Webgewichten, Feuerböcken,
weise mit weiteren Einbringungen gerechnet wurde. Alles in al-
Mahlsteinplatten (Abb. 11_22) und so fort zusammensetzen. Im
lem fügt sich diese Massenbestattung gut in das oben gezeich-
Beckenbereich eines Jugendlichen (SK4 in V841) wurde ein Korb
nete Bild von Totenbehandlungen im Siedlungsbereich.
mit unbekanntem Inhalt abgestellt. Der Unterteil eines Keramik-
Beim dritten Befund (V601) wurde eine Frauenleiche mit einge-
topfes wurde nachträglich mit einem Bodenloch versehen, be-
schlagenem Schädel in einem Grubenhaus abgelegt. Danach
füllt (?) und beim Kopf der Frau SK13 in V841 abgestellt (siehe
entzündete man ein Feuer, das ihren Körper bauchseitig zerstör-
Abb. 11_21).
te (siehe Kap. 10, Abb. 10_13). Überraschend sind die Ergebnisse der aktuellen naturwissenschaftlichen Untersuchungen zu Herkunft156 und Blutsverwandt-
Tierniederlegungen in Siedlungen
schaft (mtDNA-Untersuchungen) der Individuen aus den Siedlungsbestattungen (V841, 1133, 1141, siehe Abb. 11_18): Der
Stillfried an der March – Menagerie vor 2900 Jahren?
Anteil von auswärtig aufgewachsenen und „einheimischen“ Per-
Tierniederlegungen im Siedlungsbereich sind eine seltene Er-
sonen hält sich in den Verfärbungen nämlich in etwa die Waage.
scheinung. Eine Ausnahme ist die bereits gut erforschte Wall-
Zum Zeitpunkt ihres Todes waren sie alle bereits seit Längerem
anlage von Stillfried an der March, wo am Hügelfeld ganze Tier-
in Stillfried und Umgebung ansässig und damit sehr wahrschein-
kadaver – Wild- und Haustiere – in mehreren aufgelassenen
lich Mitglieder der dortigen Gemeinschaft.
Speichergruben abgelegt wurden (siehe Kap. 6, Pkt. 6.4.2). Es
Die für V1141 durchgeführte Untersuchung zur Blutsverwandt-
herrscht der Rothirsch vor, gefolgt von Hausschwein und Feld-
schaft (über die Mutterlinie
157
) zeigte nur einen Treffer, nämlich
156 Sr-Isotopenanalysen: Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016; Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020. 157 Parson/Eduardoff/Xavier et al. 2018.
306
hase. Kennzeichnend sind Einzel- und Mehrfachbelegungen von Wildtieren, während die Haustiere meist einzeln vorgefunden wurden. Die Kombination von Haustier und Mensch liegt zweimal vor, indem jeweils ein einzelner menschlicher Schädel ohne
11.3 Kult und Religion
Abb. 11_22. Stillfried an der March, Grube V1141. Dreiergruppe der unteren Skelettlage: Am „Schoß“ der älteren Frau SK5 befindet sich zu ihrer Rechten (linker hand) der Knabe SK6, dessen Füße so positioniert wurden, dass sie unter den Oberschenkeln der Frau einhaken. An ihrer linken Seite der ältere Knabe SK4. Im Kopfbereich der Dreiergruppe wurde eine vollständige Reib platte abgelegt (Foto: Bildarchiv Anthropologische Abteilung/NHM Wien).
Abb. 11_23. Stillfried an der March. Grube V628 während der Ausgrabung im Jahr 1982. Im Zentrum ist der mächtige Hirschschädel zu sehen, in der rechten oberen Ecke der in der Grube verendete Wolf in Todesstellung und im Vordergrund Teile der Wölfin. Die weiteren Knochenabschnitte gehören großteils zum Hirsch. Beide Wölfe lebten vermutlich in Gefangenschaft (Foto: Grabungs dokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Unterkiefer mit Hund (V1133) bzw. mit Schwein (V0445) verge-
sich ein altes Wolfspaar und ein junger Hirsch etwa 60 cm über
sellschaftet ist. Sehr bemerkenswert ist die Tatsache, dass die
der Sohle befanden (Abb. 11_23 und Abb. 11_24).
meisten abgelegten Wildtiere – darunter viele sehr alte Tiere – in
Beim männlichen Wolf handelt es sich um den einzigen gesi-
Gefangenschaft gehalten und sogar gezüchtet wurden (Hirsch,
cherten Nachweis eines Tieres, das lebendig in eine der Gruben
Wolf, Feldhase, Fuchs).
158
gelangte. Er dürfte den Hirsch als Nahrung erhalten haben und
Ein Gutteil der niedergelegten Tiere starb in jungen Jahren, darun-
später mangels Nahrungsnachschub in den Hirschknochen ge-
ter zahlreiche Haustiere (Hunde, Schweine, Rinderkalb, Bastard
bissen haben, bevor er verstarb.160 Direkt im Zentrum der Gruben
ferkel, Wildschweinfrischling, Feldhasen, einige Rothirsche). Die
sohle wurde eine mächtige Geweihstange auf einer Keramik
Todesursachen sind nur von zwei Tieren bekannt, dennoch konn-
unterlage abgelegt.
te E. Pucher in vielen Fällen den Todeszeitpunkt mit Herbst und
Nachgewiesene Zuchterfolge sind ein Phänomen, das in Stillfried
Winter bestimmen159, wenn die männlichen Rothirsche im Voll-
an der March kein Einzelfall ist und im Grund (bisher) keine Par-
besitz ihres Geweihs stehen. Eine Hirschkuh starb an einer Fehl-
allelen hat. Es gilt allerdings zu bedenken, dass die Tierknochen
geburt (V1140) (siehe Kap. 6, Abb. 06_14); eine weitere erlag ih-
analysen in der Vergangenheit oft nicht auf diese Fragestellung
ren durch einen Unfall erlittenen Verletzungen (V994). Unter den
hin durchgeführt wurden. Entsprechende systematische Unter-
Sonderfunden aus dem direkten Umfeld der Tierdepositionen ist
suchungen könnten hier die Diskussion vorantreiben.
ein Geweihanhänger in menschlicher Form hervorzuheben, der
Der Aufwand, Wildtiere bis ins hohe Alter durchzufüttern und so-
sich im Halsbereich der Hirschkuh aus V1140 fand (siehe Abb.
gar zu züchten, spricht dafür, dass diesen Tieren eine große Be-
11_33, dazu Kap. 6, Abb. 06_14).
deutung für Besitzer und Betreiber zukam. Denkbar ist, dass die
Besonders interessant und aussagekräftig ist die große Grube
Tiere bei religiösen Festen und Prozessionen eingesetzt wurden,
V628 (Dm. 3,5 m, rek. Tiefe 2,9 m, rek. Volumen 11,54 m3), in der
um die Dramatik eines dargebotenen mythischen Geschehens
158 Pucher 1986; Pucher 2017; Pucher in Vorbereitung.
160 Pucher 2017, 211, Abb. 6; Pucher in Vorbereitung, Kap. 8 Taphonomi sche Aspekte; ähnliche Situation in V2648 mit vom Fuchs angebisse nem Wildschweinfrischling(-knochen), Pucher 2017, 211–212, Abb. 7.
159 Pucher in Vorbereitung, Kap. 8 Taphonomische Aspekte.
307
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_24. Stillfried an der March, Grube V628. Lage der Tierskelette, Detailansicht. Die Hirschteile (grün) liegen zuunterst. Wolf 1 liegt darüber (rot). Zuoberst befinden sich Teile der Wölfin (Wolf 2, gelb) (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte, Bearbeitung: E. Pucher/NHM Wien).
11.3.6 Religiöse Kommunikation Symbole Sonne – (Wasser-)Vogel und Vogelsonnenbarke –
zu steigern.161 Immerhin befinden wir uns an einem Zentralort,
(Vierspeichen-)Rad – Doppelaxt, Lanzettform und Sanduhr-
wo wirtschaftlich und politisch andere Gesetzmäßigkeiten zum
schild – Dreieck und anthropomorphe Abwandlungen
Tragen gekommen sein könnten bzw. das Machtgehabe der dort ansässigen Elite in vielerlei Hinsicht seltsame Blüten getrie-
Symbole sind Zeichen, die zwischen der gegenwärtigen Gesell-
ben haben könnte. Eine Menagerie könnte eine solche gewe-
schaft und wesentlichen Ereignissen aus der mythischen Vergan-
sen sein.
Die benötigten Tiere mussten gefangen, gezähmt
genheit vermitteln.164 Ihre Bedeutung liegt demnach im Leben-
und angelernt werden, um bei den großen Ereignissen ihre Rol-
dighalten von Werten und Geschehnissen, die der Gesellschaft
len zufriedenstellend und mit großer Wirkkraft ausüben zu kön-
ihren Sinn verleihen. Für die praktische Umsetzung sind Riten
nen. Möglicherweise handelte es sich um Tiere mit besonderen
notwendig, welche die Religion und deren Glaubensinhalte be-
162
Körpermerkmalen wie Fellzeichnungen, Geweihformen usw. In
greifbar machen. Sinnbilder finden sich auf Gegenständen aller
der Folge könnte ihnen eine schlichte Verehrung zugekommen
Art, wo sie als Glücksbringer und Heilszeichen eingesetzt wer-
sein, die sich in einem Speiseverbot für Mensch und Tier aus-
den. Obwohl sie grundsätzlich in allen Bereichen der menschli-
drückte.
163
Gut angelernte Tiere waren dann bis ins hohe Alter im
Einsatz (Hirschkuh, Wölfe, Fuchs). 161 Lang 2009, 40–41.; Ulin Agan 2009, 152–153; Metzner-Nebelsick 2012, 165.
chen Kultur vorkommen, werden sie von archäologischer Seite meist in einen religiösen Zusammenhang gestellt, da mit einer klaren Trennung zwischen dem Alltäglichen und dem Heiligen nicht zu rechnen ist.
162 Pucher 2017, 219 f. 163 Griebl in Vorbereitung a.
308
164 Minta-Tworzowska 2000, 53; Beilke-Voigt 2015, 11–13.
11.3 Kult und Religion
Abb. 11_25. Die in der mittleren und späten Bronzezeit Europas verwendeten Symbole lassen sich im Großen und Ganzen auf diese Formen zusammenfassen. Diese Übereinstimmung über so weite Räume hinweg kann man allein damit erklären, dass die Menschen nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in geistiger Hinsicht regen Austausch pflegten (Müller-Karpe 1985, Abb. 61).
aus den als Kalender in Gold gedeuteten Goldhüten ableiten, die eine ganz außergewöhnliche Fundgruppe darstellen.168 Besonders häufig findet sich der konzentrische Kreis als beliebte Zier und wohl auch als Schutzsymbol auf bronzenen Trachtund Schmuckgegenständen sowie Geweihgeräten. Ein Geweih-
Zur Sinndeutung steht wie bei den materiellen Hinterlassen-
hammer von der Siedlung auf der Heidenstatt bei Limberg im
schaften nur der Zusammenhang zur Verfügung, in dem das Zei-
Waldviertel wurde mit konzentrischen Kreisen samt Mittelpunkt
chen angetroffen wird. H. Müller-Karpe konnte aufzeigen, dass
verziert (Abb. 11_26).169 (Konzentrische) Kreise sind genauso
die mittel- bis spätbronzezeitlichen Symbole in annähernd ganz
kennzeichnendes Zierelement auf keramischen Kultgegenstän-
Europa in auffälliger Weise übereinstimmen, was den weiträu-
den (z. B. Feuerbock/Mondidol).
migen Kontakt der Bewohner nicht nur in wirtschaftlicher, son-
Das Motiv fand auch Eingang in die Alltagswelt, wie einzelne
dern auch in geistiger Hinsicht belegt (Abb. 11_25).165 Die Zu-
Keramikgefäßverzierungen mit Kreisaugen bzw. Dellen mit Punkt
sammenstellung mit Vogel, Stier, Sonne usw. beweist, dass sich
umrahmung vermuten lassen (Abb. 11_27).170 So sind Haupt
die Scheu vor naturalistischer Darstellungsweise langsam auf-
motive des oft beidseitigen Dekors von Schlesischen Schüsseln
löst. In der nachfolgenden Hallstattzeit finden sich dann natur-
(flachkonischer Unterteil und kurzer, geschwungen eingezogener
nah gestaltete, wiederkehrende Bildszenen von Festereignissen
Hals) der konzentrische Kreis bzw. große, runde Dellen.171
auf Metall- und Tongefäßen aus Kultzusammenhang (v. a. aus
Unter den aus Gold gefertigten Kostbarkeiten des Hortfunds von
Gräbern).
Rothengrub bei Neunkirchen zeigen die Zierleisten aus Blattgold
166
einen völlig übereinstimmenden Dekor aus rosettenartig angeordneten Kreisaugen (Abb. 11_28) (siehe Kap. 7, Pkt. 7.3.2). Der Sonne
Versuch, der Sonne im Gegenständlichen Ausdruck zu verleihen,
Das wesentliche Merkmal der mythologisch-geistigen Vorstel-
lässt sich kaum treffender realisieren als mittels Scheibe, Kreis
lungswelt der Urnenfelderzeit ist die Sonnenverehrung. Dem-
auge und Goldfarbe.
gemäß verkörpert das Sonnenmotiv das wichtigste Symbol der Urnenfelderkultur. Es wurde als konzentrische Kreise (Kreis augenzier), einfacher Kreis ohne und mit Strahlenkranz, Spirale und Spiralwirbel ausgeführt.167 Verlässliche Hinweise auf die Verknüpfung von Kreis und Sonne lassen sich unter anderem
168 Es sind bisher vier solche langschmalen, aus Gold getriebenen Kult objekte bekannt (Südwestdeutschland und Ostfrankreich). Drei sind 60 bis annähernd 90 cm hoch und datieren ins 11.–9. Jh. v. Chr., während der vierte Goldkonus etwas kürzer und älter ist (1350– 1250 v. Chr., Bz C1/2–D1). Sie alle zeigen eine dichte Aneinanderrei hung von waagrechten Zonen aus konzentrischen Kreisen, Leisten und Punktbuckeln in konstanten Wiederholungen, Krumm 2011g.
165 Müller-Karpe 1985, dazu auch Abb. 28 (hethitische Heilszeichen), Abb. 62 (jungbronzezeitliche Heilszeichen des mykenischen Kreises).
169 Tuzar 1998, 126, Taf. 84/41.
166 Nebelsick 1992.
171 Podborsky 1970, 49–51, Taf. 54/10, 55/6, 83/5; Wewerka 2001, Taf. 88/11; Kern D. 2001, Taf. 24/13.
167 Baumeister 2011,78.
170 Z. B. Thunau am Kamp: Wewerka 2001, Taf. 341/10 und 345/1.
309
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_26. Heidenstatt bei Limberg. Geweihhammer mit flächig angebrachten, einge tieften konzentrischen Kreisen samt Mittelpunkt (Foto: P. Ableidinger/ Archiv Krahuletz-Museum Eggenburg).
310
Abb. 11_27. Thunau am Kamp. Grafitierte Henkeltasse – die großen Dellen, von ovalen Eindrücken umrahmt, erinnern an symbolische Sonnen (Foto: N. Sautner/ IUHA).
11.3 Kult und Religion
Abb. 11_28. Depotfund von Rothengrub. Zierleisten aus Blattgold mit einem Dekor aus rosettenartig angeordneten Kreisaugen (Höhe der Stücke jeweils ca. 7 cm) (© NHM Wien, Foto: A. Schumacher)
(Wasser-)Vogel und Vogelsonnenbarke Seit der späten Bronzezeit stellt das (Wasser-)Vogelmotiv ein ganz wesentliches und durchgängig verbreitetes religiöses Sinnbild in Mitteleuropa dar.175 Es findet sich auf Status anzeigenden
Verewigt in Stein findet sich das Sonnenmotiv auf den Grab-
Gegenständen wie Waffen (Schwerter) und Bronzegefäßen als
platten der Steinkistengräber von Sommerein (NÖ) und Illmitz
Gravur, Stempelabdruck oder in Treibtechnik ausgeführt. Als ge-
(Burgenland). In Sommerein wurden auf drei der vier Platten je
gossener plastischer Aufsatz auf unterschiedlichsten (Kult-)Ge-
drei konzentrische Kreise mit Mittelpunktdelle nebeneinander
genständen ist oft nur der Vorderteil des Tieres dargestellt wie
eingemeißelt (siehe Kap. 9, Abb. 09_14).
172
Der mittlere Kreis
der Südplatte weist anstatt der Delle eine Lochung auf, die als
auf den Wagenmodellen (siehe Abb. 11_02) und einer Figur von Grein, die als Vogel gedeutet wird (Abb. 11_29).176
Seelenloch bezeichnet wird. Die flächig verzierte, einzelne Grab-
Die frühesten ganzfigürlichen (Enten-)Vogeldarstellungen finden
platte von Illmitz wird von einem großen konzentrischen Kreis
sich auf urnenfelderzeitlichen Blechen des mittleren Donau-
in der Mitte beherrscht, der aus fünf Ringen mit Mittelpunkt be-
raums.177 Chronologisch zuletzt sind die Hallstattvögel, die stem-
steht. Unmittelbar darunter befindet sich eine große, quadrati-
pelartig in Bronzeblechgefäße – allerdings in schwungvollerer
sche Öffnung, die ebenfalls ein Seelenloch ist.
Ausführung – getrieben wurden, zu datieren (6. Jh. v. Chr.).178
173
Konzentrische
Kreisringe und Seelenloch in Steinarchitektur lassen sich nach M. Kaus auf kupferzeitliches Megalith-Brauchtum zurückführen.
175 Krumm 2011e.
Absichtsvolle Durchlochungen als Durchlass für die Seele sind
176 Pollak 1986, 64, Taf 2/11 (siehe Gewässerfunde); Beispiele für Trink hornbeschläge aus Nachbarregionen: Kossack 1954, 56 f., Taf. 14.
auch von Urnen der Lausitzer Kultur gut bekannt. 172 Kaus M. 1991; Lochner 2012, 43 f., Taf. 23, Abb. 9. 173 Willvonseder 1938, Abb. 1. 174 Buck 1996, 280.
174
177 Szabó/Bálint/Váczi 2017; Sydow 1995, 19; Kossack 1954, 26 f., Taf. 8/10, 15, 17, in Buckeltechnik ausgeführte Vögel auf einer Beinschiene aus dem westungarischen Hort von Rinyaszentkirály und Bronzeblechgefäßen (Ha A2). 178 Sydow 1995, 51, Taf. 47, Frg. Nr. 269; Prüssing 1991, 84, 87, Taf. 110/313 (Rippenziste aus Hallstatt, Ha D1).
311
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_29. Dieser bronzene Aufsatz mit Tierkopf schmückte ursprünglich möglicher weise einen hölzernen Wagen, bevor er als Opfergabe im Bereich des gefährlichen Donauabschnitts bei Grein den Fluten übergeben wurde (Pollak 1986, Taf. 2/11).
Abb. 11_30. Hajdúböszörmény (Ostungarn). Frühe Darstellung einer Vogelsonnenbarke auf einem Bronzeblechgefäß (Szabo/Bálint/Váczi 2017, fig. 1).
Das häufigste zusammengestellte Sinnbild ist die Vogelsonnen-
Osten gezogen – regelrecht getreidelt – werden, was dort Göttin-
barke, die sich erst in der späten Bronzezeit über ganz Europa
nen übernommen haben.184
verbreitet.
Eine als Sonne gedeutete Scheibe wird in und von
Während das Schiffssymbol in der nordischen Welt in der ge-
einem Boot mit Vogelkopfenden geführt. Mit der Vogelsonnen-
samten Bronzezeit verbreitet ist, wurde es in Mitteleuropa erst
barke drückt sich der zentrale Glaubensinhalt der spätbronze-
in der Spätbronzezeit heimisch.185 Das Motiv der Sonnenbarke
179
zeitlichen Religiosität aus, wonach die Sonne als Leben spen-
erscheint in Punktbuckel-Treibtechnik erstmals in der frühen
dende göttliche Kraft ihre tägliche Reise durch Tag und Nacht auf
Urnenfelderzeit (Bz D) auf Bronzeblechgefäßen des ungarisch-
einem von tierischen Wesen gezogenem Schiff unternimmt (dazu
slowakischen Raumes (Abb. 11_30).186 Später findet es sich als
Abb. 11_30).
magisches Schutz- und Heilszeichen auch auf Gürtelblechen,
180
Die Vorstellung, dass sich Himmelsgötter mit einem Boot am
Schwertern187 und Schutzwaffen188.
Himmel bewegen, ist alt. Die sumerische Göttin Inanna (akkad.
Ab der älteren Urnenfelderzeit (Ha A) kennen wir das Sonnen-
Ischtar bedeutet so viel wie Himmelskönigin)
reiste in ihrem
barkenmotiv an Schwertern aus Niederösterreich. Ein 68 cm
Himmelsboot182, das in den mythologischen Texten als rea-
langes Dreiwulstschwert189 aus Oberravelsbach steckte senk-
les Boot oder Schiff erscheint.183 Nach ägyptischer Vorstellung
recht in einem Acker und wurde 1926 beim Pflügen entdeckt.
181
musste die Sonne in der Nacht gegen die Strömung Richtung 179 Krumm 2011d. 180 Kossack 1954, 27–29; 38, 42 f.; Sydow 1995, 16. 181 Inanna ist auch Stadtgöttin von Uruk, hauptsächlich im Morgen- und Abendstern verehrt. Die Silbe an in ihrem Namen verweist auf ihre Verbundenheit mit dem Himmel und den gleichnamigen Himmelsgott An von Uruk, Zingsem 1999, 17.
184 Krumm 2011d, 56. 185 Meller 2005, 29, die Schiffsdarstellung auf der Himmelsscheibe von Nebra in Mitteldeutschland ist eine Einzelerscheinung (um 1600 v.Chr. vergraben). 186 Sydow 1995, 16. 187 Ilon 2012.
182 Zugleich ein Synonym für ihre Vulva, Zingsem 1999, 18.
188 Helme, Beinschienen und Panzer, Kossack 1954, 27 f., 46, 48.
183 Vgl. Zingsem 1999, 27 und 31.
189 Krämer 1985, 29, Nr. 82, Taf. 14/82; Becker 2015, Taf. 17/7, SW117.
312
11.3 Kult und Religion
Abb. 11_31. Au am Leithagebirge. Das Vogelsonnenmotiv war als mächtiges Schutzzeichen am Heft des Schalenknauf schwerts eingraviert (Krämer 1985, Taf. 16/94).
Das kosmische Schutzzeichen findet sich wie bei allen Belegen am Heft: Das Boot/Schiff ist in gespiegelten S-förmigen Linien ausgeführt und mittig darüber bzw. darin steht die Sonne (im konkreten Fall als Halbbogen und gefiedert dargestellt). Beim Schwert aus Au am Leithagebirge190 sind Griff und Knaufplatte dicht mit waagrechten und konzentrisch angelegten Kreisen mit Mittelpunkt versehen (Abb. 11_31). Dass es sich dabei um Sonnenzeichen handelt, bestätigt sich in der Vogelsonnenbarkendarstellung am Heft, wo das Boot gleich mit zwei solchen Mittelpunktkreisen – zwei Sonnen – beladen ist. Die eine könnte die Tagesreise, die andere die Nachtreise der Sonne symbolisieren, möglicherweise ursprünglich unterschiedlich eingefärbt. Das Motiv der Sonnenbarke mit zwei Sonnen kennen wir noch von einem weiteren Schalenknaufschwert aus einem Brandgrab aus Unterradlberg (siehe Kap. 9, Abb. 09_15/2).
(Vierspeichen-)Rad Im rituellen Zusammenhang treten in der Bronzezeit und Urnenfelderzeit oftmals Darstellungen von Rädern – meist als vierspeichige Wagenräder – auf.191 Den archäologischen Funden nach zu schließen, finden Vierspeichenräder in diesem Zeitraum ausschließlich im Kultzusammenhang Verwendung192, während im Alltagsgebrauch nach wie vor hölzerne Scheibenräder in Gebrauch waren (siehe Pkt. 11.1 Exkurs: Zeremonialwagen). F. Kaul deutet das Radmotiv in Zusammenhang mit dem Sonnenkult:193 Die Sonne bewegt sich dank ihrer Helfer (Schiff/Barke, Tiere) entlang einer angenommenen Kreislinie zwischen den drei sichtbaren markanten Sonnenständen (Aufgang, Zenit, Untergang), verlängert um den Höchststand in der Nacht. Daraus ergibt sich ein gleicharmiges Kreuz im Kreis – ein Vierspeichenrad – als weiteres Abbild der urnenfelderzeitlichen Kosmologie.194 Es könnte als Symbol für das Wissen um Werden und Vergehen allen Seins stehen und damit einen Zugang in die jenseitige Welt eröffnen.195 190 Krämer 1985, 32, Nr. 94, Taf. 16/94; Becker 2015, Taf. 8/2, SW54. 191 Vizdal 1972. 192 Als Bestattungswagen und in Miniaturform, Vosteen 2011, 69. 193 Kaul 2003, 36–51; Krumm 2011f. 194 Baumeister 2011,66 f. 195 Vosteen 2011.
313
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_32. Gemeinlebarn, Brandgrab 3. Bronzene Anhänger in Sanduhrschildform, Lanzettform und Radform (Szombathy 1929, Taf. 16).
Im urnenfelderzeitlichen Brandgräberfeld von Gemeinlebarn fand sich eine große Vielfalt an bronzenen Anhängern u. a. auch in Form von (Wagen-)Rädern196 (Abb. 11_32). Zwei bronzene Radanhänger mit Innenring stammen aus dem Brandgräberfeld von Eggenburg im Waldviertel und aus Thunau am Kamp, um nur einige Beispiele zu nennen (siehe Kap. 3, Abb. 03_24).197
Doppelaxt, Lanzettform und Sanduhrschild Reich verzierte Zeremonialwaffen (Beile, Doppeläxte usw.) sind im nord- und mitteleuropäischen Raum sowie bis nach Griechenland und darüber hinaus198 gut bekannt. Im Regelfall sind sie aufgrund ihrer zum Kampfeinsatz untauglichen Form (Übergrößen bzw. Miniaturformat, Verzierung), des Fundzusammenhangs, des Materials usw. als Weihegaben anzusprechen. Die Motive Doppelaxt und Schild leiten sich demnach von (Zeremonial-)Angriffs- und Schutzwaffen ab. Sie wurden in Stein eingetieft und als Amulette in Form bronzener Anhänger getragen. Während das Doppelaxtmotiv aus Niederösterreich bisher noch
Abb. 11_33. Stillfried an der March. Der anthropomorphe Geweihanhänger (Länge 2,5 cm) mit Bronzering fand sich im Halsbereich einer Hirschkuh, die in einer Grube (V1140) abgelegt wurde. Das junge, in Gefangenschaft gehaltene Tier starb an einer Fehlgeburt (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
nicht belegt ist, zeigt sich die Sanduhrschildform sowohl als Bronzeanhänger im bereits genannten Grab 3 von Gemeinlebarn
Vorbild dienten möglicherweise große Sanduhrschilde, die im
(Abb. 11_32)199 als auch eingeritzt auf einer Steinplatte des früh-
früheisenzeitlichen Griechenland (13./12. Jh. v. Chr.) aus orga-
urnenfelderzeitlichen Steinkistengrabs von Sommerein (siehe
nischem Material (mit Rinderhaut bespanntes Rahmengeflecht)
Kap. 9, Abb. 09_14).200 Aus dieser Region ist eine weitere Grab-
gut bekannt waren und wahrscheinlich auch im spätbronzezeit-
platte mit Schilddarstellung gleicher Zeitstellung erhalten.201 Als
lichen Europa verwendet wurden.202 Damit haben wir es beim Schildmotiv mit einem Schutzzeichen zu tun.
196 Szombathy 1929, z. B. Grab 3 (Ha A), Taf. 16/1 (Dm. 3,1 cm).
Die Lanzettform geht möglicherweise auf das Schwert bzw. den
197 Lochner 1991, 49 f., Taf. 41/1, 2 (Dm. beider Stücke 5,3 cm).
Dolch zurück. Beispiele unvollständiger blattförmiger Lanzettan-
198 Z B. reich verzierte Bronzeaxt aus Krottenthal in Bayern und Kultäxte bzw. Axtpaare aus Schweden und Dänemark (Depotfund aus Stockhult, Dänemark), Krumm 2011h, 80 f.
(siehe Abb. 11_32).
hänger finden sich im Gräberfeld von Gemeinlebarn (Grab 3)203
199 Szombathy 1929, Grab 3, Taf. 16/7 (Länge 6,5 cm). 200 Kaus M. 1991; Lochner 2012, 43 f., Taf. 23, Abb. 9.
202 Kaus M. 1991, 29.
201 Eisenstadt-Gölbesäcker, Kaus M. 2003.
203 Szombathy 1929, Grab 3, Taf. 16/3, 5 (erhaltene Länge 6 cm).
314
11.3 Kult und Religion
Dreieck und anthropomorphe Abwandlungen In der Bronzezeit erscheint das in der Urgeschichte äußerst beliebte Dreieck-Motiv erstmals in plastischer Form.204 Als meist gegossener, metallener Anhänger mit Ringöse schmückt es kultische Gegenstände wie Kettengehänge und Kultwagen. Es gibt unterschiedliche Abwandlungen: Durch die Verlängerung der beiden Eckpunkte entsteht die Schwalbenschwanzform. Durch waagrechte, seitliche Fortsätze zeichnet sich wiederum ein menschlicher Umriss ab.205 Diese Deutung wird durch Punktverzierungen, die kleidartige Gewänder nachzeichnen, noch gestützt. Ein schönes Beispiel eines solchen menschenförmigen Anhängers aus Geweih206 mit Bronzeringlein fand sich bei einer in Gefangenschaft gehaltenen Hirschkuh von Stillfried an der March. Der in einer Grube abgelegte Tierkadaver trug diesen Anhänger
1
wahrscheinlich um den Hals (Abb. 11_33) (siehe Pkt. 11.3.5 Tierniederlegungen und Kap. 6, Abb. 06_14).
Figürliche Kunstäußerungen Feuerböcke/Mondidole – Gefäße in Tiergestalt mit Ausguss (Sauggefäße) – (Miniatur-)Mehrfachgefäße, Schuhgefäß und Kleinplastiken – Die Frauenkröte von Maissau – Stecker, Anhänger (Amulette) und sonstige Kleingegenstände – Kalender in Ton – Die Kalendertasse aus dem Gräberfeld von St. Andrä vor dem Hagenthale – Musikinstrumente Feuerböcke/Mondidole Bevorzugte Träger von Symbolen sind die meist bruchstückhaft im Siedlungsmaterial der Urnenfelder- und Hallstattzeit auftretenden Feuerböcke bzw. Mondidole.207 Die Entwicklung geht in der Urnenfelderzeit von einfachen Barrenformen ohne und mit Tierkopfenden bzw. Hörnern aus (Feuerböcke) (Abb. 11_34).208
2 Abb. 11_34. Fragmente von barrenförmigen Feuerböcken: 1. Oberleiserberg (mit Längsrillen) – 2. Stillfried an der March (Foto: G. Gattinger/IUHA; Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Manche zeigen eine mittige Längsrille am Rücken, wo verbliebene Rußreste auf ihre Verwendung mit Feuer hinweisen.209 Kennzeichnende Zierelemente für den urnenfelderzeitlichen Abschnitt sind des Weiteren runde Durchlochungen210 und konzentrische
den Anfängen als Alltagsgegenstand im Herdbereich eingesetzt
kreisförmige Vertiefungen. Ob diese Fundgruppe zumindest in
wurde, lässt sich nicht beantworten, auch weil es keine entsprechenden Befunde gibt. Die barrenförmigen Rücken würden sich
204 Krumm 2011c, 44.
zum Stützen von Feuerholz, aber auch Holzspießen eignen. Für
205 Kossack 1954, 41, Taf. 15, 16.
eine vorrangige Verwendung als Symbolträger spricht allerdings
206 Der Gegenstand ist verschollen, nach Auskunft von G. K. Kunst ist von Geweih als Ausgangsmaterial auszugehen. 207 Matzerath 2011. 208 Nagy 1979, 70; Verbreitung der Tonfeuerböcke in Gräbern siehe Nebelsick 1996, Abb. 15.
die Tatsache, dass Feuerböcke/Mondidole in den Siedlungen außerhalb des Betrachtungsraums während der frühen Eisenzeit weitgehend fehlen.211 Würden sich dahinter tatsächlich Feuerböcke zum praktischen Gebrauch verbergen, wäre mit einer weit-
209 Z. B. aus Stillfried: St.17064.2/Verf. 5006/Wagneracker mit Delle auf beiden Frontflächen; Nagy 1979, 72–73, Abb. 36, 37.
läufigeren Verbreitung zu rechnen.
210 Gelochte Feuerböcke z. B.: Lochner in Vorbereitung, Taf. 111/7; Stillfried: St.10632/o. F./Bügeleisen; Nagy 1979, 49, Abb. 47, Taf. X.
211 Bereich der Kalenderbergkultur am Nordostalpenrand, Griebl 2004, 129–130; Griebl 2012, 865–866; Matzerath 2011, 120–121.
315
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Es sind die Grabfunde, die die Verbindung zwischen Feuerbock und Herd belegen212, was auf einen Hauskult schließen lässt. Konkret finden sich runde Miniaturplatten (als Herdmodelle)
Abb. 11_35. Vösendorf, Grab 6. Vier Sauggefäße in Form von Rindern mit menschlichen Füßen (Höhe 9 cm). Sie bilden als Tier-Mensch-Mischform eine Ausnahme in dieser Sondergefäßgruppe, die großteils aus Gräbern stammt (Foto: Enver Hirsch/Wien Museum, Inv.-Nr. MV 8231).
mit aufsitzenden halbmondförmigen Feuerböcken vor allem in Gräbern des westböhmisch/ostbayerischen Raums und der
Stücke jegliche praktische Verwendungsmöglichkeit verloren
Lausitzer Kultur.
Wer das häusliche Herdfeuer hütete, hegte
und können nur mehr als kultische Symbolträger betrachtet wer-
den Mittelpunkt der Wohn- und Speisegemeinschaft und bekam
den. Am namengebenden Kalenderberg bei Mödling fanden sich
dieses Statussymbol mit ins Grab.
bei Altgrabungen217 Mondidolbruchstücke und Aschelagen in so
213
214
Der Hals der Tierkopfenden wächst in der fortgeschrittenen Ur-
großer Menge, dass dort eine hallstattzeitliche Kultstätte zu ver-
nenfelderzeit auf- und einwärts, sodass sie Rinderhörnern
,
muten ist. Aufgrund vieler jüngerer Geländeveränderungen ist
einer Barke oder einem Sichelmond gleichen, woher der Name
es schwierig, die Gesamtsituation auf dieser bedeutenden Fund-
Mondidol rührt.
stelle zu bewerten.218
216
215
Diese Entwicklung gipfelt in der älteren und
mittleren Hallstattzeit in barock anmutenden Formen, die dicht mit Knubben und Leisten im Kalenderbergstil verziert sind (Kalenderbergkultur, Ha C–D1). Spätestens dann haben die 212 Nebelsick 1996, 332, Abb. 6, 8, 12. 213 Nebelsick 1996, 348, Abb. 12, 16. 214 In der nachfolgenden Hallstattzeit (Kalenderberggruppe) lässt sich die Verbindung HerdMondidol in gut ausgestatteten Frauengräbern in Form großer, innen verzierter Fußschalen mit Rußspuren und hineinge stelltem Mondidol nachweisen, Patek 1982, 166, z. B. Frauengrab 224 und 131, Abb. 22/3, 4; Matzerath 2011; auch Lang 2009, 23. 215 Stiere spielen in der bronzezeitlichen Bildersprache Mitteleuropas allerdings eine untergeordnete Rolle, sodass der kosmischen Deutung allgemein der Vorzug gegeben wird, auch Baumeister 2011, 84. 216 Griebl 2004, 187.
316
Gefäße in Tiergestalt mit Ausguss (Sauggefäße) Eine verhältnismäßig häufig auftretende Gefäßsonderform stellen Sauggefäße dar. Sauggefäße kommen bevorzugt in Gräbern – auch Kindergräbern –, aber genauso in Siedlungen vor. In unserer Region handelt es sich großteils um rotationssymmetrische Gefäße mit schräg ansteigender Tülle.219 Beispiele können 217 Kyrle 1912. 218 Melichar 1973. 219 Eibner C. 1973, 148–150; dazu Lochner 1991, 293, 302 f.; Tuzar 1998, 89, Taf. 97/3.
11.3 Kult und Religion
u. a. von den Höhensiedlungen in Thunau am Kamp (siehe Kap. 4,
Wein in die heilige Flamme des Opfers“.226 Aus Stillfried an der
Abb. 04_05) und Stillfried an der March genannt werden.220
March stammt der mögliche Nachweis einer Flüssigkeitsspende:
Kennzeichnend sind auch Ausführungen in Tierform, wobei die
Beim Kopf einer Frau aus der Siedlungsbestattung V841 wurde
Vogelgestalt überwiegt. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in
ein großes Gefäß nachträglich mit einem Bodenloch versehen,
, allerdings gibt es auch in Niederöster-
wahrscheinlich eine unbekannte Masse eingefüllt und mit einem
reich ein schönes Beispiel: vier Sauggefäße in Rinderform (Abb.
Reibplattenteilstück beschwert (siehe Abb. 11_21). Der Inhalt
11_35). Sie sind etwas Besonderes, da Rinderdarstellungen in
sollte offensichtlich langsam in die Erde einsickern.227
Ton erst für die Hallstattzeit typisch sind. Die Stücke kommen
Trankopfer (Libationen) fanden meist während gemeinschaft-
aus einem gut ausgestatteten älterurnenfelderzeitlichen Brand-
licher ritueller Umtrunke statt, die sich indirekt durch das ritu-
der Lausitzer Kultur
221
grab von Vösendorf (VB Mödling)
und bestechen durch ihre
ell entsorgte Geschirr und Keramikgefäßhorte nachweisen las-
ähnlichen, aber nicht ganz gleichen Formen. Es handelt sich
sen. Flüssigkeitsgaben an die Götter bzw. an den Geist des Ortes
um Mischwesen (Rinder mit menschlichen Füßen). Am Schwanz
(genius loci), die – wie von Homer geschildert – dem geselligen
befindet sich jeweils das Saugloch, am Rücken die Eingussöff-
(Kult-)Mahl vorangestellt wurden, haben sich bis heute in dem
nung. Aus diesem Gräberfeld konnten auch zarte Goldfäden do-
Brauch erhalten, den ersten Schluck gezielt der Erde zu überge-
kumentiert werden, die als Bestandteile von Textilien gedeutet
ben (Trankspende als Erstlingsopfer).
werden.
222
223
Die Oberflächen von Sauggefäßen können aufwendig verziert und poliert sein, was eine rituelle Nutzung dieser kleinen Aus-
(Miniatur-)Mehrfachgefäße, Schuhgefäß und Kleinplastiken
gussgefäße als Flüssigkeitsspender für Trankopfer wahrschein-
(Miniatur-)Mehrfachgefäße sind eine bemerkenswerte Fundgrup-
lich macht.224 Allerdings erbrachten jüngst durchgeführte Unter-
pe, die besonders kennzeichnend als Grabbeigabe während der
suchungen möglicher Inhaltsüberreste den Nachweis von
älteren Hallstattzeit (Kalenderberggruppe) ist.228 Die frühesten
Milchfetten und adipösen Fetten.
Dies lässt auf Milch und ev.
Vertreter finden sich bereits in urnenfelderzeitlichen Verbänden.
Suppe schließen und legt eine Nutzung als Saugfläschchen zur
Älterurnenfelderzeitliche Belege kommen aus den Brandgräber-
Flüssigkeitsaufnahme für Säuglinge, Kleinkinder, kranke und alte
feldern von Gemeinlebarn (VB Traismauer)229 und Großenzers-
Personen nahe (siehe Kap. 4, Pkt. 4.2.2).
dorf (VB Gänserndorf)230. Siedlungsfunde sind aus jungurnenfel-
225
derzeitlichen Höhensiedlungen bekannt, wie Thunau am Kamp (Abb. 11_36), Stillfried an der March und Brno-Obřany zeigen.231
Exkurs: Libationen – Trankopfer
Ein ganz besonderer Fund ist ein annähernd vollständig er-
Es gibt eine Vielzahl von Trink-, Schöpf- und Sammelgefäßen
felderzeitlichen Grube von Unterhautzenthal (VB Korneuburg)
mit und ohne Ausgussvorrichtung im Kultbereich. Deren Einsatz
entdeckt wurde. Es zeigt die überaus naturnahe Nachahmung
als Trankspendegefäße ist durch Bilddarstellungen gut belegt:
eines rechten Lederschuhs mit angedeutetem Faltenwurf im
Flüssigkeitsspenden aus Schnabelkannen auf den Steinreliefs der Hethiter oder aus Rhyta auf der griechischen Vasenmalerei. Homer schildert diesen weit verbreiteten Opferbrauch ausführlich: „[…] hielt den goldenen Becher, sprengend den funkelnden
220 Thunau am Kamp: z.B. Kern D. 2001, 31, Taf. 178/17; Stillfried: Gräberfeld: Strohschneider 1976, Taf. 14/11, 23/2; Wallanlage: Hellerschmid 2006, Taf. 66/5, 93/4. 221 Vogelförmige Plastiken treten vorwiegend in Gräbern der jüngeren Urnenfelderzeit und in der älteren Hallstattzeit auf (Lausitzer Kultur Stufen IV–V), Buck 1996, 278; Gediga 1996, 340; Gedl 1996, Abb. 1/1–6. 222 Grab 6, Seewald 1940–1945; Eibner C. 1973, 169 f., Gefäße in Vier füßlergestalt ohne Rückgratbildung, Typ Kluk, Abb. 10/140–143.
haltenes Schuhgefäß als Modell aus Ton, das in einer urnen-
226 Dieses Trankopfer führte Peleus im Zuge eines Fleischopfers (fette Stierschenkel) für Zeus beim Altar im Innenhof seines Palasts durch, danach wurde das restliche Fleisch des Tieres gemeinschaftlich verzehrt: Homer, Ilias XI, 774–775; Eine weitere Nennung: Homer VI, 258–260: Hekabe, die Mutter Hektors, ersucht ihren Sohn ein Bittopfer zu bringen: „Aber verzeuch [warte], bis ich jetzo des süssen Weines dir bringe, Dass du Zeus, dem Vater, zuvor und den anderen Göttern Sprengest und dann auch selber des Labetrunks dich erfreuest.“ 227 Skelettlage 1, SK13 (Frau (?) in Bauchlage). Was letztendlich eingefüllt wurde, konnte nicht geklärt werden, Dobrezberger 2016, 77, 84. 228 Z. B. Nebelsick 1994, 87, 109, Kalenderbergtassen-Doppel- und Drei fachgefäße (Ha C1 bzw. Ha C): Fundstelle 36a/Taf. 62; 47/75; 49/77; 57/92 (drei Dreifachgefäße); 75/109 usw.; zur Kalenderberggruppe: Griebl 2012, 865–866; Griebl 2004, 129–130.
223 Grömer/Mehofer 2006, 60; Talaa 1991, Abb. 33.
229 Grab 4, Szombathy 1929, unverziert, allerdings zwei senkrechte Warzen (Hörnchen) am verbindenden Steg in Höhe des Mundsaums (H. 7,2 cm; Dm. 16 cm).
224 Baumeister 2009, bes. 52.
230 Hetzer/Willvonseder 1952, 70, Abb. 8/4.
225 Rebay-Salisbury 2017, 22–24; Dunne/Rebay-Salisbury/Salisbury et al. 2019; Rebay-Salisbury/Dunne/Kern in Vorbereitung.
231 Thunau am Kamp: Kern D. 2001, Taf. 126/2; Brno-Obřany: Adámek 1961, 185, Taf. 117/5, 6.
317
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_36. Thunau am Kamp. Miniaturmehrfachgefäß mit senkrechter Kannelur (Höhe 4 cm) (Foto: G. Gattinger/IUHA).
Vorderfuß und einer Ristverschnürung (Abb. 11_37).232 Ähnliche Schuhgefäße sind in der Lausitzer Kultur und in Ungarn verbrei-
Abb. 11_37. Unterhautzenthal. Das Schuhgefäß zeigt die naturnahe Darstellung eines rechten Lederschuhs mit angedeutetem Faltenwurf im Vorderfuß und einer Ristverschnürung, Länge 9 cm (Lauermann 1991, Abb. 2).
tet (siehe Kap. 4, Pkt. 4.3.5).233 Kleine Tierfiguren runden das Spektrum ab (Abb. 11_38).234 Der Schwerpunkt all dieser besonderen Ausformungen, deren Einsatz in erster Linie im Kultbereich anzunehmen ist, liegt in der nachfolgenden Hallstattzeit.
Die Frauenkröte von Maissau Bei der Frauenkröte von Maissau handelt es sich um einen Fund mit großem Seltenheitswert.235 Er stammt aus der urnenfelderzeitlichen Siedlung von Maissau im Waldviertel (VB Hollabrunn). Dargestellt ist ein keramisches Mischwesen aus Mensch und Kröte (Abb. 11_39). Dem Stück fehlt jegliches äußere Zeichen herrschaftlicher Macht oder ästhetischer Ansprüche. Die Unterseite der 7,5 cm langen, grob geformten Figur zeigt eine mensch232 Lauermann 1991, Abb. 2. 233 Kalicz-Schreiber 2010, 259–260, im Gräberfeld von Budapest-Békás megyer sind insgesamt 22 Stiefelgefäße gefunden worden, wobei der Stiefel dort oft in einer Schüssel mündet, womit der Stiefel zum Schüsselfuß wird. Meist ist ebenfalls der rechte Fuß/Schuh dargestellt. Kalicz-Schreiber 2010, Typentafel S. 345; Parallele zu Unterhautzenthal: Grab 47, Taf. 26/1. 234 Bruchstücke von Tierfiguren z. B. aus Thunau am Kamp: Kern D. 2001, 33–34; Lochner in Vorbereitung, Taf. 130/6; Heidenstatt bei Limberg: Tuzar 1998, 96, Tiertorso: Taf. 99/10; Füßchen: Taf. 97/12, 13. 235 Eine in groben Zügen vergleichbare Keramikfigur (Länge 11,4 cm) stammt aus der frühurnenfelderzeitlichen Fundstelle Velim in Böhmen (menschliche Vorderseite, Tieranteil nicht vorhanden oder nicht er kennbar), Šumberová/Harding 2007, 76, pl. 15.
318
Abb. 11_38. Thunau am Kamp. Plastische Tierfigur, Kopf und Hinterteil fehlen (erh. Länge 7,5 cm) (Lochner in Vorbereitung, Taf. 130/6).
11.3 Kult und Religion
Abb. 11_39. Maissau. Die sogenannte Frauenkröte ist ein keramisches Mischwesen aus Mensch und Kröte (Länge 7,5 cm). Sie zeigt die äußeren Geschlechtsorgane von Frau und Kröte. Das grob geformte Objekt wird als Ritualgegenstand interpretiert (Grafik: L. Leitner, Fotos: W. Andraschek/Museen der Stadt Horn).
Exkurs: Schamanismus und Analogie- oder Sympathiezauber Schamanismus ist eine weit in die Zeit zurückreichende, vielschichtige Heiltradition, bestehend aus Heilungstechniken, Riten und Visionen. Die unterschiedlichen Wirkungsweisen von
liche Bauchseite mit Brüsten und den weiblichen äußeren Ge-
Pflanzen und die besonderen Fähigkeiten von Tieren werden in
schlechtsorganen in sehr beeindruckender Weise, während auf
den Behandlungen gezielt eingesetzt. Im erweiterten Bewusst-
der Oberseite ein naturgetreuer Krötenkopf und am Ende des
seinszustand (Trance) vermittelt der Schamane zwischen der
Rückens die extrem vergrößerte Kloake weiblicher Froschlurche/
Welt der Lebenden, der Toten und der Geister. Sollen unsicht-
Kröten gestaltet ist.
bare Mächte bekämpft werden, muss magischer Einfluss auf sie
Der Gegenstand könnte uns einen kleinen Einblick in die Welt der
ausgeübt werden, um sie dem schamanischen Willen zu unter-
magischen Vorstellungen in der Urnenfelderzeit gewähren. Sei-
werfen. Je nach Anliegen werden bestimmte Krafttiere gerufen,
ne Gestaltung als Mischwesen spricht für eine Verwendung als
um mit ihrem Wissen und ihrer Kraft die Heilbehandlung zu un-
Ritualgegenstand.
terstützen. Darstellungen von Mischwesen aus Mensch und Tier
Interessanterweise ist die Kröte ab dem Hochmittelalter in unse-
könnten Ausdruck für verschiedene Abschnitte der Trance sein.
rem Raum als Sinnbild für die Gebärmutter schriftlich belegt.236
Im Zuge einer solchen magischen Operation können Opfer mit
Sie wurde als ein sich frei bewegendes Lebewesen im Unter-
Lebenskraft benötigt werden, worunter Blut, Gliedmaßen oder
leib der Frau vorgestellt. Entsprechend den vielen möglichen
Lebewesen verstanden wurden.238
Beschwerden in diesem Bereich sind unzählige Votivgaben in
Analogie- oder Sympathiezauber sind mit sehr vielen magischen,
Krötenform durch die Jahrhunderte erhalten, die jüngsten datie-
religiösen oder therapeutischen Praktiken verbunden. Es geht
ren tatsächlich in die jüngste Vergangenheit (19./20 Jh.).
um die Vorstellung, dass zwischen äußerlich ähnlichen Dingen
Großteils zweidimensionale Krötendarstellungen (auf Keramik)
eine Verbindung (Sympathie) besteht und dass diese sich gegen-
finden sich übrigens in vielen ur- und frühgeschichtlichen Kul-
seitig beeinflussen. Das bedeutet, dass eine Abbildung dessen,
turen Europas.237
was beeinflusst werden soll, als Ersatzobjekt während der Handlung eingesetzt werden kann. Demnach stehen etwa die Farbe
236 Besonders im Ostalpenraum, Gulder 1962, 21, 24. 237 Gulder 1962, Abb. 65, 45–143.
238 Panoff, Perrin 1982, 269 f.
319
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Abb. 11_40. Heidenstatt bei Limberg. Tönerner Stecker in Quirlform mit zwei spitzen Enden. Solche Stücke stammen nahezu ausschließlich aus dem Karpaten raum. Ihre Funktion ist unbekannt (Länge 8,8 cm) (Foto: W. Andraschek/ Museen der Stadt Horn).
Abb. 11_41. Stillfried an der March. Zackenscheibe. Für solcherart mittig gestielte Symbole bietet sich ein Einsatz als Tonstempel an (Dm. ca. 7 cm) (Foto: L. Streinz).
Rot und Blut in Beziehung oder phallische Objektformen und
11_41).244 Für solche mittig gestielten Exemplare liegt ein Einsatz
männliche Zeugungskraft. Das bekannteste Beispiel dafür ist die
als Tonstempel nahe (Pintadera). Zu denken ist hier an das Ver-
Voodoo-Puppe.
zieren und Kennzeichnen von Haut (Körperbemalung) und Leder
239
(Trommelleder, Kleidung), ungebranntem Lehm (z. B. Hauswände, Kochstellen usw.) und vielleicht auch Butter und Backwerk. Randlich rechtwinkelig gestielte Exemplare (Stecker) könnten Stecker, Anhänger (Amulette) und sonstige Kleingegenstände
wesentlicher Zubehör spezieller (Kalender-)Zählsysteme gewe-
Eine spezielle Fundgruppe bilden plastisch in Ton ausgeführte
sen sein, die laufend (entsprechend dem Mondstand) umge-
Sinnbilder, die nur in Ausnahmefällen auch als Anhänger aus
steckt werden mussten. Hinweise in diese Richtung geben ge-
Bronze (wie das Speichenrad) oder Knochen/Geweih bekannt
lochte Feuerböcke. C. Metzner-Nebelsick schlägt anhand eines
sind. Es gibt Hand- und Tatzensymbole (siehe Kap. 3, Abb. 03_34),
Steckerfundes aus dem Bereich einer Hausaußenmauer vor, dass
Zackenscheiben, Dreiwirbel usw. Großteils handelt es sich um
der Stecker an der Gebäudewand auf- bzw. eingehängt gewesen
gestielte Formen aus Grab- und Siedlungsverbänden240, die weit
sein könnte.245
verbreitet waren und lange Zeit – von der mittleren Urnenfelder-
Ein gelochter Altfund in Form eines Handsymbols aus einer Still-
zeit (Ha A2/B1) bis in die jüngere Hallstattzeit – verwendet
frieder Siedlungsgrube246 stand vermutlich als Schutz bringen-
wurden.241
des, Unheil abwehrendes Amulett in Verwendung (Abb. 11_42).
Ein schönes Beispiel kommt von der Höhensiedlung auf der
Bei dem größeren äußeren Zacken handelt es sich zweifelsfrei um
Heidenstatt bei Limberg (Abb. 11_40).242 Es handelt sich um eine
den Daumen. Gelochte und ungelochte Handformen sind vor al-
Quirlform mit zwei spitzen Enden, wie sie nahezu ausschließlich
lem von befestigten Höhensiedlungen bekannt, wo jeweils Metall
aus dem Karpatenraum bekannt ist.243 Ebenfalls ohne Fundver-
verarbeitet wurde.247 Ob hier ein Zusammenhang besteht, muss
band wurden gleich zwei gestielte runde Zackenscheiben aus
offen bleiben, da ihre Verwendung letztlich nicht bekannt ist.
dem Siedlungsbereich von Stillfried an der March geborgen (Abb. 239 Löhr 1943, 21–22; auch Piepke 2009, 61; Drexler 1993, 22–24. 240 Metzner-Nebelsick 1997b, 577, 590 f., Abb. 3, 10 (11.–6. Jh. v. Chr.). 241 Chytráček/Chvojka/Michálek 2008. 242 Tuzar 1998, 96, Taf. 99/9 (als Tiertorso genannt). 243 Metzner-Nebelsick 1997b, 586, 590, 598, Karte 3, Abb. 6 und 10; Ha A1–Ha C2/D1.
320
244 Fnr. 2617 und 16058; Datierung dieser Fundgruppe nach MetznerNebelsick 1997b, 584, 590: Ha A2/B1–Ha B. 245 Metzner-Nebelsick 1997b, 595, 597 (Siedlung Feudvar, Serbien). 246 Willvonseder 1931, 127, Abb. 3, Länge 8,4 cm; Dicke max. 1,6 cm. 247 Heidenstatt bei Limberg: Tuzar 1998, 93–96, Taf. 45/14; tatzenförmiges (rundes) Exemplar Taf. 97/1; Velem St. Vid: Miske 1908, Taf. 54/27; Oberleiserberg: Handsymbolfragment, Kern A. 1987, Taf. 31/8; Brno-Obřany: Handsymbol, Adámek 1961, Taf. 91/7.
11.3 Kult und Religion
Abb. 11_43. Stillfried an der March. Sprunggelenkknochen von Paarhufern waren als Spiel- oder Orakelsteine im Einsatz. Solche ritzverzierten Stücke (Rind) sind selten und unterstreichen deren besondere Bedeutung (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
Abb. 11_42. Stillfried an der March. Dieses tönerne Handsymbol aus einer Siedlungs grube könnte als Unheil abwendender Glücksbringer im Haus gedient haben (Länge 9 cm) (Foto: F. Ostmann/OREA/ÖAW).
Darüber hinaus gibt es eine Reihe keramischer Gegenstände in
Tonlöffel/Tonlämpchen mit zapfenförmigem Griff gelten als Be-
Miniaturausführung, die im Alltagsgebrauch vermutlich auch
sonderheit späturnenfelderzeitlicher Siedlungen des Wald-
aus anderem Material (Holz, Horn) im Einsatz standen: (Schna-
viertels (siehe Kap. 3, Pkt. 3.3.1 und Abb. 03_22), die sich dort
bel-)Schuhmodell248, Trinkhornfragment aus Ton249, Miniatur-
bis in die Hallstattzeit finden.253 Obwohl sie teilweise auch mit
webgewicht 250 und Miniaturfeuerbock 251 sowie runde und ge-
rinnenförmigen Ausgüssen versehen sind, ist ihr Zweck unklar.
zackte Tonknöpfe252. Sie zeigen oftmals glänzend polierte und
Eine profane Verwendung als Ausgusslöffel oder als Lämpchen
aufwendig verzierte Oberflächen. Durch ihre Verkleinerung, das
erscheint ebenso möglich wie der Einsatz zum Ausfassen oder
außergewöhnliche Material und die hervorstechende Gestaltung
Ausgießen von Opfergaben.
sollten sie sich von ihren im Alltag verwendeten Vorbildern un-
Sprunggelenkknochen der Paarhufer (Astragale) standen mit ih-
terscheiden, was einen Gebrauch im Kultbereich nahelegt.
rer prägnanten und besonders handlichen Form in vielen Kulturen
248 Kern D. 2001, 33, Taf. 260/13.
Belege dafür gibt es aus urnenfelder- und hallstattzeitlichen
249 Kern D. 2001, 32, Taf. 134/5.
Siedlungs- und Grabverbänden (siehe Kap. 6, Pkt. 6.5.1), darun-
250 Z. B. Stillfried an der March, Much 1875, 173 f., Fig. 16 (pyramidenförmig, Höhe 8 cm), Fig. 19 (kegelförmig, Höhe 5 cm).
ter auch gelochte und ritzverzierte Stücke (Abb. 11_43).254
und Zeiten als beliebte Spiel- und Orakelsteine in Verwendung.
251 Loretto: Grab Fundstelle 131, Nebelsick 1994, 49, Taf. 131/7 (späteste Urnenfelderzeit); Thunau am Kamp: Lochner in Vorbereitung (Taf. 130/6). 252 Gräberfeld Franzhausen-Kokoron, Grab 694, rund, Lochner/Heller schmid 2016; gezackt vermehrt in der Hallstattzeit, Griebl 1997, 55–56; Metzner-Nebelsick 1997b, 590, Abb. 10 (ein- oder zweifach gelochte Zackenscheiben).
253 Griebl 1997, 55. 254 Vgl. auch Klemm 1992, 167, 268.
321
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Kalender in Ton Da Beobachtungen zum Zeitverlauf im Jahreskreis vor allem für die Landwirtschaft überlebensnotwendig waren255, ist es naheliegend, dafür Zählhilfen zu verwenden, von denen einige wenige die Zeiten überdauert haben könnten. Geeignet erscheinen die bereits erwähnten Stecksysteme, wie sie Feuerböcke256 mit Durchlochungen oder regelmäßigen Vertiefungen anzeigen. In diese Löcher oder Mulden konnten dann Gegenstände (Stecker) je nach Mondstand gesteckt werden. Auch pyramidenstumpf förmige Webgewichte mit auffällig punktgenauer (Dellen-)Zier wurden bereits als Gegenstände zum Zeitmessen gedeutet.257 Wenn Zierzonen auf auffälligen Fundgegenständen trotz sorgfältigster Ausführung keine Regelmäßigkeit in der Motivabfolge erkennen lassen, ist eine dahinterliegende Absicht zumindest nicht auszuschließen. Ein Beispiel dafür liefert das große Zylinderhalsgefäß aus dem Gefäßverwahrfund von Oberravelsbach, wiewohl allerdings völlig offen ist, was in die Zierzone am Großgefäß dauerhaft eingebrannt worden sein könnte (siehe Abb. 11_14).
Abb. 11_44. St. Andrä v. d. Hgt., Brandgrab 28. Die sogenannte Kalendertasse wurde mit Winkelhaken und dellenförmigen Punkten in unregelmäßiger Abfolge versehen. Eine Hypothese besagt, dass es sich um kalendarische Zählzei chen handelt, die sich auf ein Naturereignis (Sonnenfinsternis) beziehen. Diese Zählzeichen wären anlässlich des besonderen (Furcht einflößenden) Ereignisses anstelle einer Aufzeichnung auf vergänglicherem Material in Ton eingeritzt und gedrückt sowie durch Brand fixiert worden (Eibner C. 2000, Abb. 6).
achtungen rund um diese vier Fixtage gedeutet werden. Punkte stehen für reine Zähltage ohne Besonderheiten. Die Kalendertasse aus dem Gräberfeld von St. Andrä vor dem
Aufzeichnungen über Himmelsbeobachtungen wurden wahr-
Hagenthale
scheinlich hauptsächlich auf vergänglichem Material festgehal-
Anders verhält es sich bei der Kalendertasse aus dem Gräberfeld
ten. Falls auf einer Tasse aus Ton ein bestimmter Mondzyklus
von St. Andrä v.d. Hgt.258, für deren ungewöhnliche Verzierung es
verewigt wurde, spricht das für ein ganz besonderes Himmels
eine Deutung gibt (Abb. 11_44). Die Gefäßbeigabe kommt aus
ereignis. C. Eibner vermutet eine Sonnenfinsternis und schlägt
Grab 28, dessen bestimmbares Knochenklein des Leichenbran-
dafür ein Datum einer solchen Begebenheit im fraglichen Zeit-
des ausschließlich von einem männlichen Hausschwein stammt.
raum von Ha B1 vor, auf das die Zeichenabfolge (mit gewissen
Im Verband befand sich auch ein Gefäßboden, den man in die-
Unsicherheiten/Lücken) passt.259
sem Zusammenhang als Futternapf deuten kann. Hier wurde ein
Aus antiken Überlieferungen ist bekannt, dass ein solches
Tier offensichtlich wie ein Mensch in einer Urne bestattet, wo-
Naturereignis als schlechtes Omen gesehen wurde, das gesühnt
bei die Orientierung des Grabverbands und ein mitgegebener
werden musste.260 C. Eibner schließt daher bei dem aufwendig
Halsreif auf eine männliche Bestattung weisen. Die einhenkelige
bestatteten, männlichen Jungschwein aus Grab 28 auf ein Er-
Kalendertasse trägt auf der Schulter eine geritzte Zierleiste, be-
satzopfer (Substitutionsopfer). Möglicherweise handelt es sich
stehend aus einer unregelmäßigen Abfolge von – großteils ste-
um ein Sühneopfer, das für die „Ursache“ bzw. den „Auslöser“
henden – Winkelhaken und dellenförmigen Punkten. Das sorgfäl-
der Sonnenfinsternis erbracht wurde.
tige Anbringen von einfachen und zweifachen Winkelhaken bzw. von einer bzw. zwei, vier und sieben Dellen dazwischen lässt an einer willkürlichen Verzierung zweifeln. C. Eibner schließt aus
Musikinstrumente
der speziellen Zeichenabfolge auf Schulter, Henkel und Mund-
Sehr wesentlich beim Ritual ist die klangliche Komponente, da
saum, dass auf der Tasse eine konkrete Mondphasen-Nieder-
Musik zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt ver-
schrift vorliegt. Die vier Doppelhaken markieren demnach die
mittelt.261 Die Spezialisten (unabhängig vom Geschlecht) für das
vier Hauptstände des Mondes (Neumond, zu- bzw. abnehmen-
Jenseitige – Schamanen, Zauberer, Heiler, Priester und Mönche –
der Halbmond und Vollmond). Die einfachen und halben Winkel
sind daher vorrangig singende, musizierende und tanzende
haken können als notwendige Angaben über die Mondbeob-
Menschen.262
255 Schlosser 2005; Lorenz 2011.
259 30.4.984 v.Chr., Eibner C. 2000, 107.
256 Baumeister 2011, 83–86.
260 Eibner C. 1974, 119.
257 Teržan 1996.
261 Riethmüller 2003, 15–19.
258 Eibner C. 1974, 112–120, Taf. 30c; Eibner C. 2000, 106–107.
262 Suppan 1997, 922–923.
322
11.3 Kult und Religion
1 Abb. 11_45. Inzersdorf ob der Traisen, Grab 106, Mehrfachbestattung mit Keramiktrommel. 1. Befund (Bestattung Nord: Frau (19–40 Jahre); Bestattung Süd: Kind (7–12 Jahre)) – 2. Keramiktrommel (erh. Höhe 13 cm, Randm. 22 cm) (Grafik: M. Lochner, Foto: L. Streinz).
Der Charakter der Rituale wird durch die Wahl und das Zusammenspiel bestimmter Klanginstrumente und Formeln, Lieder und Lobgesänge verdeutlicht.263 Demgemäß sind Musikinstrumente nicht nur als Unterhaltungs-, sondern auch als Ritualgegenstände zu verstehen, woraus eine enge Beziehung zu ihren Besitzern erwächst. Bestimmte Schwingungen der Trommel bewirken Tiefenentspannung und können in weiterer Folge beim Musiker und den Zuhörern zu anderen, geistig nicht mehr kontrollierbaren Bewusstseinszuständen führen sowie Musiker und Zuhörer in Trance versetzen.
2
263 Dally 2003, 172.
323
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Mehr als die Hälfte der Fundplätze mit Keramiktrommeln aus der Urgeschichte sind Grabanlagen oder Kultplätze.264 Das einzige bekannte Beispiel aus der Urnenfelderzeit kommt aus einer Mehrfachbestattung am älterurnenfelderzeitlichen Brandgräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen265 (siehe Kap. 9, Punkt 9.2.4). Unter den zahlreichen Beigaben für die 19- bis 40jährige Frau befand sich eine (absichtsvoll?) zerscherbte Keramiktrommel (Abb. 11_45). Der besondere Fund besteht aus einem zylindrischen, schwach gebauchten Fuß und einem schalenförmigen, flachen Oberteil (erh. Höhe 13 cm, Schalendm. 22 cm, Fußdm. 10,5 cm). Es ist gut vorstellbar, dass das Instrument seine Besitzerin auf dem Weg ins Jenseits begleitete (und „rituell“ getötet wurde), wie es für schamanisch eingesetzte Instrumente überliefert ist.266 Die Rassel ist ein Klang- und Rhythmusinstrument267, das auch zur Abwehr böser Geister und Dämonen eingesetzt wird.268 Den in Kindergräbern aufgefundenen Tonrasseln könnte demgemäß neben ihrem Einsatz als beruhigendes und vertrautes Spielzeug auch eine Schutzfunktion zugekommen sein. Eine vollständige Rassel wurde im Stillfrieder Siedlungsbereich geborgen (Abb. 11_46) 269, eine unvollständige in Thunau am Kamp.270 Beide sind von birnenförmiger Gestalt, glänzend poliert, grafitiert und üppig verziert. Solche Exemplare sind kennzeichnend für die Endstufe des schlesischen Zeitabschnitts der Lausitzer Kultur (Ha B), aber auch im ostösterreichischen Raum verbreitet.
264 Pomberger 2011, 36; diese Bestattungen zeigen meist erhöhten Bestattungsaufwand und überdurchschnittlich viele Grabbeigaben, Lustig 2002, 175. 265 Lochner 2015; Fritzl 2017. 266 Oppitz 2007, 106; Vitebsky 2001, 95. 267 Baumeister 2009, bes. 52. 268 Adámek 1961, 213. 269 Aus einer weiteren Grube aus Stillfried an der March kommt auch ein sehr grob gearbeitetes, unvollständiges Exemplar, Hellerschmid 2006, Taf. 50/9. 270 Wewerka 2001, Taf 236/18.
324
Abb. 11_46. Stillfried an der March. Diese Tonrassel (Höhe 4,4 cm) – sie stammt aus einer Siedlungsgrube – wurde höchst aufwendig poliert und verziert, was eine Verwendung als Ritualgegenstand vermuten lässt (Foto: Grabungsdokumentation Stillfried, NÖ Landessammlungen, Ur- und Frühgeschichte).
11.5 Literatur
11.4 Zusammenfassung
11.5 Literatur
Der Beitrag bietet einen Einblick in die Vielfalt kultischer Hinter-
Adámek 1961: F. Adámek, Pravěké Hradisko u Obřan, Monografické práce Moravského musea v Brne (Brne 1961).
lassenschaften und möglicher religiöser Aktivitäten im ostösterreichischen Raum von etwa 1300 bis 800 v. Chr. Kult und Ritual sind Ausdruck des religiösen Weltbilds einer Gemeinschaft. Unter den im Untersuchungsgebiet zur Verfügung stehenden rein archäologischen Quellen lassen sich Opfer- bzw. Weihegaben als Bronze- und Keramikhorte, Gewässerfunde, pflanzliche Opfergaben, Tier-, Trank- und Speiseopfer fassen. Sie zeigen den Menschen in einem Geber-Nehmer-Verhältnis mit der unsichtbaren (Götter-)Welt. Wesentlicher Aspekt ist der Verzicht durch die Zerstörung der Gaben (Verbrennen, Zertrennen, Vergraben, Versenken). Oftmals erschließt sich uns der Niederlegungsort als ein bewusst gewählter Platz mit Bezug zu einer befestigten Zentralsiedlung. Diese Orte stehen in Zusammenhang mit Verkehrswegen und Gewässern usw. Als gesicherter Kultplatz bzw. Ritualort ist in unserem Raum bisher hauptsächlich der Bestattungsplatz zu nennen. Von der am Gräberfeld durchgeführten Verbrennung des Leichnams am Scheiterhaufen ist eine gesteigerte Gewichtung des Feuers in der geistig-spirituellen Vorstellungswelt der Urnenfelderzeit abzuleiten. Ausgangspunkt ist die durch Symbole und Kultgegenstände bezeugte Sonnenverehrung der Bronzezeit. Mit der in der frühen Urnenfelderzeit aufkommenden Vogelsonnenbarke als zusammengesetztes Sinnbild aus Sonne, Wasservogel und Schiff drückt sich der zentrale Glaubensinhalt der spätbronzezeitlichen Religiosität aus. Demnach unternimmt die Sonne als Leben spendende göttliche Kraft ihre tägliche Reise durch Tag und Nacht auf einem von tierischen Wesen gezogenem Schiff. Die Darstellung der Sonnenbarke findet sich in unserem Raum hauptsächlich am Heft von Schwertern und bezeugt, dass in der Urnenfelderzeit die Scheu vor der naturalistischen Darstellungsweise überwunden wurde. Künftige Forschungen werden dieses schier endlos scheinende, jedoch überaus spannende Themenfeld weiter erschließen und Antworten auf einige der noch vielen offenen Fragen finden.
Ailinčai 2016: S.-C. Ailinčai, Living with the dead. Burials in early iron age settlements between the Balkans, Tisza and Dnestr. In: V. Sĭrbu/M. Jevtić/K. Dmitrović/M. Ljuština, Funerary practices during the bronze and iron ages in central and southeast Europe. Proceedings of the 14th International Colloquium of Funerary Archaeology in Čačak, Serbia, 24th–27th September 2015 (Belgrad, Čačak 2016), 135–164. Aspöck 2013: E. Aspöck, Über die Variabilität von Totenpraktiken. Oder: Probleme einer dichotomen Auffassung von Totenbzw. Bestattungsbrauchtum. In: N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), „Irreguläre“ Bestattungen in der Urgeschichte: Norm, Ritual, Strafe …?“ Internationale Tagung in Frankfurt a. M. (3.–5. 2. 2012), Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 19 (Frankfurt/ Main 2013), 25–38. Bartelheim/Heyd 2001: M. Bartelheim/V. Heyd, Cult after Burial: Patterns of Postfuneral Treatment in the Bronze and Iron Ages of Central Europe. In: P. F. Biehl/F. Bertemes/H. Meller (Hrsg.), The Archaeology of Cult and Religion, Archaeolingua 13 (Budapest 2001), 261–276. Baumeister 1995: R. Baumeister, Außergewöhnliche Funde der Urnen felderzeit aus Knittlingen, Enzkreis. Bemerkungen zu Kult und Kultgerät der Spätbronzezeit. Mit einem Exkurs von M. Rösch, Fundberichte aus Baden-Württemberg 20, 1995, 377–422. Baumeister 2009: R. Baumeister, Opfergefäße oder Kinderspielzeug? Überlegungen zur Kindheit in der Bronzezeit. In: R. Baumeister (Hrsg.), Mord im Moor. Die Bronzezeit am Federsee im Spiegel von Archäologie und Naturwissenschaft (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2009), 50–53. Baumeister 2011: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011). Becker 2015: S. Becker, Birds on Bronzes. A study of religious brand ing in later prehistoric Europe, unveröffentlichte Dissertation Universität Cambridge (Cambridge 2015). Beilke-Voigt 2007: I. Beilke-Voigt, Das „Opfer“ im archäologischen Befund. Studien zu den sog. Bauopfern, kultischen Niederlegungen und Bestattungen in ur und frühgeschichtlichen Siedlungen Norddeutschlands und Dänemarks, Berliner Archäologische Forschungen 4 (Rahden/Westf. 2007). Beilke-Voigt 2015: I. Beilke-Voigt, Archäologie, Ritual und Symbol. Ein Beitrag zu Ritualräumen und Befunden mit Ritualcharakter MAG 145, 2015, 1–40. Beilke-Voigt 2016: I. Beilke-Voigt, Bauopfer, Klangverstärker und Nachgeburtstöpfe. Ein Beitrag zur Interpretation von Gefäßdeponierungen in Hausbefunden, MAG 146, 2016, 121–143. Berg 1957: F. Berg, Grabfunde der frühen Bronzezeit und der älteren Urnenfelderzeit aus Leobersdorf, N.–Ö., ArchA 22, 1957, 14–31. Breitinger 1980: E. Breitinger, Skelette aus einer späturnenfelderzeitlichen Speichergrube in der Wallburg von Stillfried an der March, NÖ, FIST 4 (Wien 1980), 46–106.
325
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Brück 2011: J. Brück, Fire, Earth, Water. An Elemental Cosmography of the European Bronze Age. In: T. Insoll (Hrsg.), The Oxford Handbook of The Archaeology of Ritual & Religion (Oxford 2011), 387–404. Buck 1996: D.-W. R. Buck, Symbolgut, Opferplätze und Deponierungs funde der Lausitzer Gruppe. In: Archäologische Forschungen zum Kultgeschehen in der jüngeren Bronzezeit und frühen Eisenzeit Alteuropas. Ergebnisse eines Kolloquiums in Regensburg 4.–7. Okt. 1993, Regensburger Beiträge zur Prähistorischen Archäologie (Regensburg 1996), 271–300. Burkert 1977: W. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche. Die Religionen der Menschheit 15 (Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1977). Burkert 1985: W. Burkert, Greek Religion, Archaic and Classical (Oxford 1985). Chytráček/Chvojka/Michálek 2008: M. Chytráček/O. Chvojka/J. Michálek, Das Kultareal bei Nemejice in Südböhmen und die religiöse Symbolik in der Urnenfelder- und Hallstattzeit. In: C. Eggl/P. Trebsche/I. Balzer/J. Fries-Knoblach/J. K. Koch/H. Nortmann/J. Wiethold (Hrsg.), Ritus und Religion in der Eisen zeit. Beiträge zur Sitzung der AG Eisenzeit während der Jahres tagung des Mittel- und Ostdeutschen Verbandes der Alter tumsforschung e.V. in Halle an der Saale 2007, Beiträge zur Ur– und Frühgeschichte Mitteleuropas 49 (Langenweissbach 2008), 97–106. Colpe 1970: C. Colpe, Theoretische Überlegungen zur Identifizierung von Heiligtümern und Interpretationen von Opfern in urund parahistorischen Epochen. In: H. Jankuhn (Hrsg.), Vor geschichtliche Heiligtümer und Opferplätze in Mittel– und Nordeuropa (Göttingen 1970), 18–39. Dally 2003: O. Dally, Alte Rituale in neuem Gewand? Zu Fortleben und Umdeutung heidnischer Rituale in der Spätantike. In: C. Metzner-Nebelsick (Hrsg.), Rituale in der Vorgeschichte, Antike und Gegenwart. Studien zur Vorderasiatischen, Prä historischen und Klassischen Archäologie, Ägyptologie, Alten Geschichte, Theologie und Religionswissenschaft. Internati onale Archäologie. Arbeitsgemeinschaft, Symposium Tagung Kongress 4 (Rahden Westfalen 2003), 171–181. Dietler 2001: M. Dietler, Theorizing the Feast. Rituals of Consumption, Commensal Politics and Power in Africa. In: M. Dietler/B. Hayden (Hrsg.), Feasts. Archaeological and ethnographic per spectives on food, politics, and power (Washington, London 2001), 65–114. Dobrezberger 2016: K. Dobrezberger, Chemische Untersuchungen von Keramikscherben, Asche- und Steinproben aus Stillfried/ March, unveröffentlichte Diplomarbeit, Technische Universität Wien (Wien 2016). Drexler 1993: J. Drexler, Die Illusion des Opfers. Ein wissenschaftlicher Überblick über die wichtigsten Opfertheorien ausgehend vom deleuzianischen Polyperspektivismusmodell (München 1993). Dunne/Rebay-Salisbury/Salisbury et. al. 2019: J. Dunne/K. RebaySalisbury/R. B. Salisbury/A. Frisch/C. Walton-Doyle/R. P. Evershed, Milk of ruminants in ceramic baby bottles from prehistoric child graves. Nature 574: 246–248. Egg 1991: M. Egg, Neues zum Fürstengrab von Strettweg, AÖ 2/2, 1991, 25–29.
326
Egg/Stawinoga 1996: M. Egg/G. Stawinoga, Das hallstattzeitliche Fürstengrab von Strettweg bei Judenburg in der Obersteier mark, Monographien RGZM 37 (Mainz 1996). Eibner A. 1997: A. Eibner, Die „Große Göttin“ und andere Vorstellungs inhalte der östlichen Hallstattkultur. In: L. D. Nebelsick/A. Eibner/E. Lauermann/J.-W. Neugebauer, Hallstattkultur im Osten Österreichs, Wissenschaftliche Schriftenreihe Nieder österreich 106–109 (St. Pölten 1997), 129–145. Eibner A. 2012: A. Eibner, Die Situla von Kuffern. Zu Ritualen und iden titätsstiftenden Handlungskomplexen in der Situlenkunst. In: G. Danek/I. Hellerschmid (Hrsg.), Rituale. Identitätsstiftende Handlungskomplexe. 2. Tagung des Zentrums Archäologie und Altertumswissenschaften an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2.–3. November 2009, Origines. Schriften des Zentrums Archäologie und Altertumswissenschaften 2 (Wien 2012), 47–69. Eibner A. 2015: A. Eibner, Feste und Rituale in der Situlenkunst, MAG 145, 2015, 55–84. Eibner C. 1973: C. Eibner, Die urnenfelderzeitlichen Sauggefäße. Ein Beitrag zur morphologischen und ergologischen Umschreibung, PZ 48, 1973, 144–199. Eibner C. 1974: C. Eibner, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von St. Andrä v. d. Hgt., P.B. Tulln, NÖ. Aussagewert und Aussage grenzen von Brandbestattungen für eine historische Interpre tation, ArchA Beiheft 12 (Wien 1974). Eibner C. 1976: C. Eibner, Eine späturnenfelderzeitliche Grube unter der Aufschüttung des Westwalles von Stillfried. Zum Befund einer Schädeldeposition, FIST 2 (Wien 1976), 70–85. Eibner C. 1980: C. Eibner, Die Mehrfachbestattung aus einer Grube unter dem urnenfelderzeitlichen Wall in Stillfried an der March, NÖ. Forschungen in Stillfried 4 (Wien 1980), 107–142. Eibner C. 2000: C. Eibner, Die geistige Sphäre des HaB-zeitlichen Grä berfeldes von St. Andrä v.d. Hgt. in Niederösterreich: Ein Bei spiel der Mitteldanubischen Urnenfelderkultur. In: B. Gediga/ D. Piotrowska (Hrsg.), Die symbolische Kultur des Urnenfelder kreises in der Bronze- und frühen Eisenzeit Mitteleuropas. Kul tura symboliczna kregu pól popielnicowych epoki brazu i Wczesnej epoki zeleza w europie Srodkowej, Poln. Akad. d. Wissenschaften, Abt. Breslau, Arbeiten der Archäolog. Kommission 13 (Warschau, Breslau, Biskupin 2000), 95–114. Fritzl 2017: M. Fritzl, Die mehrfachbelegten Gräber des Gräberfeldes von Inzersdorf ob der Traisen, NÖ. Eine Studie zu sozialen, religiösen und rituellen Implikationen von mehrfachbelegten Gräbern der Urnenfelderkultur, ungedruckte Masterarbeit Uni versität Wien (Wien 2017). Garwood 2011: P. Garwood, Rites of Passage. In: T. Insoll (Hrsg.), The Oxford Handbook of The Archaeology of Ritual & Religion, 2011, 261–284. Gediga 1996: B. Gediga, Symbolgut, Opferplätze und Deponierungen in West- und Nordpolen während der jüngeren Bronze- und frühen Eisenzeit. Archäologische Forschungen zum Kult geschehen in der jüngeren Bronzezeit und frühen Eisenzeit Alteuropas. Ergebnisse eines Kolloquiums in Regensburg 4.–7. Okt. 1993, Regensburger Beiträge zur Prähistorischen Archäologie (Regensburg 1996), 335–347.
11.5 Literatur
Gedl 1996: M. Gedl, Symbolgut, Opferplätze und Deponierungsfunde in Süd- und Ostpolen. Archäologische Forschungen zum Kult geschehen in der jüngeren Bronzezeit und frühen Eisenzeit Alteuropas. Ergebnisse eines Kolloquiums in Regensburg 4.–7. Okt. 1993, Regensburger Beiträge zur Prähistorischen Archäologie (Regensburg 1996), 349–360. Geistler 1994: M. B. Geistler, Betrachtungen zu den Lagerungs verhältnissen des Schwertfundes aus dem Kremser Hafen, AÖ 5/2, 1994, 38–39. van Gennep 1909: A. van Gennep, Le rites de passage (Paris 1909). Giebel 2000: M. Giebel, Das Geheimnis der Mysterien. Antike Kulte in Griechenland, Rom und Ägypten (Düsseldorf, Zürich 2000). Griebl 1997: M. Griebl, Siedlungsobjekte der Hallstattkultur aus Horn (Niederösterreich), MPK 31 (Wien 1997). Griebl 2004: M. Griebl, Die Siedlung der Hallstattkultur von Göttles brunn, Niederösterreich. Rettungsgrabungen im Zuge des Ostautobahnbaus (A4) im Jahre 1989, MPK 54 (Wien 2004). Griebl 2012: M. Griebl, Kalenderberggruppe. In: S. Sievers/O. H. Urban/ P. C. Ramsl (Hrsg.), Lexikon zur keltischen Archäologie, MPK 73 (Wien 2012), 865–866. Griebl in Vorbereitung a: M. Griebl, Tierniederlegungen im Siedlungs bereich vom Neolithikum bis in die Eisenzeiten in Mitteleuropa. Ein Einblick anlässlich der Tierdepositionen von Stillfried (Niederösterreich). In: I. Hellerschmid/M. Griebl, Die spät urnenfelderzeitlichen Tier- und Menschenniederlegungen von Stillfried an der March und die Stratigraphie der Wall befestigung, MPK (Wien, in Vorbereitung). Griebl in Vorbereitung b: M. Griebl, Siedlungsbestattungen, Schädel depositionen und menschliche Einzelknochen von der spä turnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March (Niederösterreich). In: I. Hellerschmid/M. Griebl, Die spätur nenfelderzeitlichen Tier- und Menschenniederlegungen von Stillfried an der March und die Stratigraphie der Wallbefesti gung, MPK (Wien, in Vorbereitung). Griebl/Biederer in Vorbereitung: M. Griebl/B. Biederer, Die Speicher gruben der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. Von der Getreidelagerung bis zur profanen oder kultischen Verfüllung. MPK (Wien, in Vorbereitung). Griebl/Biederer/Jachs et al. 2017: M. Griebl/B. Biederer/T. Jachs/ I. Petschko, Aktuelle Forschungen zu den Speichergruben auf der späturnenfelderzeitlichen Wallanlage von Stillfried an der March. In: F. Pieler/P. Trebsche (Hrsg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017. Festschrift für Ernst Lauermann. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N.F. 541 (Asparn/Zaya 2017), 195–206. Griebl/Hellerschmid 2013: M. Griebl/I. Hellerschmid, Menschen knochen und Menschenniederlegungen in Siedlungsgruben der befestigten Höhensiedlung von Stillfried an der March, Niederösterreich. Gängige Praxis der Totenbehandlung in der jüngeren Urnenfelderkultur? In: N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), „Irreguläre“ Bestattungen in der Urgeschichte: Norm, Ritual, Strafe …?“ Internationale Tagung in Frankfurt a. M. (3.–5. 2. 2012), Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 19 (Frankfurt/ Main 2013), 327–346.
Griebl/Hellerschmid 2015: M. Griebl/I. Hellerschmid, Arbeitsgrube und Kultgrube? Verfärbung V0479 der späturnenfelderzeit lichen Wallanlage von Stillfried, Niederösterreich, ArchA 99, 2015, 179–201. Grömer/Mehofer 2006: K. Grömer/M. Mehofer, Rasterelektronen mikroskopische Analysen an korrodierten Textilien. Unter suchungsbeispiele an urnenfelderzeitlichen und spätantiken Fundstücken, AÖ 17/1, 2006, 59–65. Gruber 2003: H. Gruber, Ein neu entdeckter Brucherzhort der Urnen felderkultur aus Schwechat-Rannersdorf, Niederösterreich. – Ein erster Überblick, FÖ 42, 2003, 569–571. Gulder 1962: A. Gulder, Die urnenfelderzeitliche „Frauenkröte“ von Maissau in Niederösterreich und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, MPK 10 (Wien 1960–1962). Hahnel 1994: B. Hahnel, Leichenzerstückelung, Kannibalismus, Amulett? Die Stellung eines Unterkiefers aus der Sicht seiner artifiziellen Defekte und in Bezug auf urnenfelderzeitliche Skelettreste, FÖ 33, 1994, 169–187. Hänsel A./Hänsel B. 1997: A. Hänsel/B. Hänsel (Hrsg.), Gaben an die Götter: Schätze der Bronzezeit Europas. Freie Universität Berlin und Museum für Vor– u. Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin. Bestandskataloge Band 4 (Berlin 1997). Hänsel B. 1997: B. Hänsel, Gaben an die Götter – Schätze der Bronze zeit Europas – eine Einführung? In: A. Hänsel/B. Hänsel (Hrsg.), Gaben an die Götter: Schätze der Bronzezeit Europas. Freie Universität Berlin und Museum für Vor– u. Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin, Bestandskataloge Band 4 (Berlin 1997), 11–22. Hansen 1994: S. Hansen, Studien zu den Metalldeponierungen während der älteren Urnenfelderzeit zwischen Rhonetal und Karpatenbecken, UPA 21 (Bonn 1994). Hansen 1995: S. Hansen, Aspekte des Gabentauschs und Handels während der Urnenfelderzeit in Mittel- und Nordeuropa im Lichte der Fundüberlieferung. In: B. Hänsel (Hrsg.), Handel, Tausch und Verkehr im bronze- und früheisenzeitlichen Süd osteuropa, Südosteuropa-Schriften 17 (München 1995), 67–80. Hansen 1997: S. Hansen, Sacrificia ad flumina – Gewässerfunde im bronzezeitlichen Europa. In: A. Hänsel/B. Hänsel (Hrsg.), Gaben an die Götter. Schätze der Bronzezeit Europas, Freie Universität Berlin u. Museum für Vor- u. Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin, Bestandskataloge Band 4 (Berlin 1997), 29–34. Heiss 2008: A. G. Heiss, Weizen, Linsen, Opferbrote: Archäobotani sche Analysen bronze- und eisenzeitlicher Brandopferplätze im mittleren Alpenraum (Saarbrücken 2008). Heiss 2010: A. G. Heiss, Speisen, Holz und Räucherwerk. Die verkohl ten Pflanzenreste aus dem jüngereisenzeitlichen Heiligtum von Ulten, St. Walburg. In: H. Steiner (Hrsg.), Alpine Brand opferplätze. Archäologische und naturwissenschaftliche Unter suchungen, Forschungen zur Denkmalpflege in Südtirol 5 (Trient 2010), 787–825.
327
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Hellerschmid 2006: I. Hellerschmid, Die urnenfelder-/hallstattzeit liche Wallanlage von Stillfried an der March. Ergebnisse der Ausgrabungen 1969–1989 unter besonderer Berücksichtigung des Kulturwandels an der Epochengrenze Urnenfelder-/Hall stattkultur, MPK 63 (Wien 2006). Hellerschmid 2015: I. Hellerschmid, Mord oder Opferung? Die Nieder legung der „Sieben“ in Grube V1141 am Kirchhügel von Still fried, ArchA 99, 2015, 203–231. Hellerschmid/Griebl in Vorbereitung: I. Hellerschmid/M. Griebl, Die späturnenfelderzeitlichen Tier- und Menschenniederlegungen von Stillfried an der March und die Stratigraphie der Wallbefes tigung, MPK (Wien, in Vorbereitung). Heske 2010: I. Heske, Herrschaftssitz oder Elitenort? Zum Nachweis einer jungbronzezeitlichen Außensiedlung an der Hünenburg bei Watenstedt, Kr. Helmstedt, und ihre Bedeutung im über regionalen Vergleich. In: B. Horejs/T. L. Kienlin (Hrsg.), Siedlung und Handwerk. Studien zu sozialen Kontexten in der Bronze zeit. Beiträge zu den Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Bronzezeit 2007 und 2008, UPA 194 (Bonn 2010), 285–300. Hetzer/Willvonseder 1952: K. Hetzer/K. Willvonseder, Das Urnenfeld von Groß-Enzersdorf (Wien, 22. Bezirk), ArchA 9, 1952, 52–76. Hirsch 2017: B. Hirsch, Nahrung für Menschen – Nahrung für Götter. Überlegungen zu Alltag und Festen der Latènezeit, MAG 47, 2017, 75–82. Homer, Ilias: P. von der Mühll (Hrsg.), Homer, Ilias. Übersetzung aus dem Griechischen von J. H. Voss (Zürich 1980). Ilon 2012: G. Ilon, Das Rad, die Sonne, der Wasservogel und die Vogelbarken auf spätbronzezeitlichen Schwertern … mögliche Aus drucksformen des Handels oder anderer Beziehungen? In: M. Liviu (Hrsg.), The Gáva Culture in the Tisza plain and Trans sylvania. [Die Gáva-Kultur in der Theißebene und Siebenbürgen], Symposium Satu Mare 17.–18. Juni 2011, Satu Mare 2012, Muzeul Judeţean Satu Mare, Satu Marestudii Şi Comunicari seria Arheologie XXVIII (Satu Mare 2012), 169–315. Isaakidou/Halstead 2013: V. Isaakidou/P. Halstead, Bones and the body politic? A diachronic analysis of structured deposition in the Neolithic–Early Iron Age Aegean. In: G. Ekroth/J. Wallensten (Hrsg.), The zoomorphical evidence as a source in ritual practice in Greece and beyond, Acta institute atheniensis regni sueciae 4/55 (Stockholm 2013), 87–99. Jensen 1960: A. E. Jensen, Mythos und Kult bei Naturvölkern (Wies baden 1960). Kalicz-Schreiber 2010: R. Kalicz-Schreiber, Ein Gräberfeld der Spät bronzezeit von Budapest-Békásmegyer (Budapest 2010). Kaul 2003: F. Kaul, Der Mythos von der Reise der Sonne. Darstellungen auf Bronzegegenständen der späten Nordischen Bronzezeit. In: G. U. Großmann (Hrsg.), Gold und Kult der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Nürnberg 2003), 37–51. Kaus M. 1984: M. Kaus, Das Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderzeit von Stillfried an der March, FIST 6 (Wien 1984). Kaus M. 1988: M. Kaus, Das sogenannte Stillfrieder Depot mit Pferde geschirrbronzen. In: F. Felgenhauer/J. Szilvássy/H. Kritscher/ G. Hauser (Hrsg.), Stillfried. Archäologie – Anthropologie, Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Stillfried, Sonderband 3 (Stillfried 1988), 111–112.
328
Kaus M. 1991: M. Kaus, Das frühurnenfelderzeitliche Steinkistengrab von Sommerein-Stockäcker, AÖ 2/1 1991, 27–30. Kaus M. 2003: M. Kaus, Eine urnenfelderzeitliche Grabplatte mit Schilddarstellung aus Eisenstadt-Gölbesäcker, Burgenland. In: M. Lochner (Hrsg.), Broschüre zum Symposium „Die Urnen felderkultur in Österreich – Standort und Ausblick, Veranstal tung der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien, 24.–25. April 2003 (Wien 2003), 57–59. Kern A. 1987: A. Kern, Die urgeschichtlichen Funde vom Oberleiser berg, MG. Ernstbrunn. Die unstratifizierten Bestände aus Privatsammlungen, Bundes-, Landes- und Heimatmuseen, unveröffentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1987). Kern D. 2001: D. Kern, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensied lung (Grabung 1965–1990): Urnenfelderzeitliche Siedlungs funde der unteren Holzwiese, MPK 41 (Wien 2001). Klemm 1992: S. Klemm, Die Malleiten bei Bad Fischau, NÖ. Mono graphie zu den Grab- und Siedlungsfunden der urgeschichtli chen Höhensiedlung. Ein Beitrag zur Kenntnis der Keramik der Urnenfelder- und der Hallstattzeit im Ostalpenraum, unveröf fentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1992). Klengel 1996: H. Klengel, Kultgeschehen und Symbolgut im Text zeugnis der Hethiter. In: Archäologische Forschungen zum Kultgeschehen in der jüngeren Bronzezeit und frühen Eisen zeit Alteuropas. Ergebnisse eines Kolloquiums in Regensburg 4.–7. Okt. 1993, Regensburger Beiträge zur Prähistorischen Archäologie (Regensburg 1996), 557–566. Koch 2003: L. C. Koch, Zu den Deutungsmöglichkeiten der Situlen kunst. In: U. Veit/T. L. Kienlin/C. Kümmel/S. Schmidt (Hrsg.), Spuren und Botschaften: Interpretation materieller Kultur. Tübinger Archäologische Taschenbücher 4 (Münster 2003), 347–367. Kohler-Schneider 2001: M. Kohler-Schneider, Verkohlte Kultur- und Wildpflanzenreste aus Stillfried an der March als Spiegel spätbronzezeitlicher Landwirtschaft im Weinviertel, Nieder österreich, MPK 37 (Wien 2001). Kossack 1954: G. Kossack, Studien zum Symbolgut der Urnenfelderund Hallstattzeit Mitteleuropas, RGF 20 (Berlin 1954). Kossack 1995: G. Kossack, Mitteleuropa zwischen dem 13. und 8. Jahrhundert v. Chr. Geb. Geschichte, Stand und Probleme der Urnenfelderforschung. In: H. Müller-Karpe (Hrsg.), Beiträge zur Urnenfelderzeit nördlich und südlich der Alpen, Monographien RGZM 35 (Bonn 1995), 1–64. Krämer 1985: W. Krämer, Die Vollgriffschwerter in Österreich und der Schweiz, PBF 4/10 (München 1985). Krenn-Leeb 2014: A. Krenn-Leeb, Tabuisierung – Inszenierung – Trans formierung: Bemerkungen zum Phänomen deponierter Gefäß ensembles im Ritualkontext, AÖ 25/1, 2014, 26–31. Krumm 2011a: C. Krumm, Opferplätze in den Alpen. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Aus stellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 8–11. Krumm 2011b: C. Krumm, Die Bibel als Quelle – Opferriten zur Zeit Moses. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 22–26.
11.5 Literatur
Krumm 2011c: C. Krumm, Unter dem Zeichen des Anch. In: R. Bau meister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronze zeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 44–51. Krumm 2011d: C. Krumm, Göttliche Schiffe – die Sonnenbarken. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 52–59. Krumm 2011e: C. Krumm, Mittler zwischen Himmel und Erde – Enten vögel als Sonnenbegleiter. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubens sachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 62–64. Krumm 2011f: C. Krumm, In alter Tradition – das Radkreuz. In: R. Bau meister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronze zeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 74–76.
Lindinger 1998/1999: Mittelbronzezeitliche Gefäßdeponierung von Zwerndorf an der March, NÖ. In: A. Krenn–Leeb/J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Depotfunde der Bronzezeit im mittleren Donauraum, AÖ 9/10, 1998/1999, 78–87. Lochner 1986a: M. Lochner, Das frühurnenfelderzeitliche Gräberfeld von Baierdorf, Niederösterreich – eine Gesamtdarstellung, ArchA 70, 1986, 263–294. Lochner 1986b: M. Lochner, Ein urnenfelderzeitliches Keramikdepot aus Oberravelsbach, Niederösterreich. ArchA 70, 1986, 295–315. Lochner 1991: M. Lochner, Studien zur Urnenfelderkultur im Wald viertel – Niederösterreich, MPK 25 (Wien 1991).
Krumm 2011g: C. Krumm, Kegel und Kappen, die Frage nach der Nut zung. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 102–110.
Lochner 1994: M. Lochner, Späte Bronzezeit, Urnenfelderzeit. Aktueller Überblick über die Urnenfelderkultur im Osten Österreichs. In: J.-W. Neugebauer, Bronzezeit in Ostösterreich, Wissen schaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 98–101 (Wien, St. Pölten 1994), 195–224.
Krumm 2011h: C. Krumm, Mehr als nur ein Dekor – Axtmotive als Zeichen der Macht. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 79–82.
Lochner 1998/1999: M. Lochner, KG Rassing, MG Kapelln VB St. Pölten. In: A. Krenn–Leeb/J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Depotfunde der Bronzezeit im mittleren Donauraum, AÖ 9/10, 1998/1999, 22–28.
Kultus/Schmitsberger/Stöckl 2010: M. Kultus/O. Schmitsberger/ C. Stöckl, KG Gobelsburg, SG Langenlois, VB Krems, FÖ 49, 2010, 274.
Lochner 2012: M. Lochner, Bestattungsrituale auf Gräberfeldern der älteren Phase der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur. In: G. Danek/I. Hellerschmid (Hrsg.), Rituale. Identitätsstiftende Handlungskomplexe. 2. Tagung des Zentrums Archäologie und Altertumswissenschaften an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2.–3. November 2009, Origines. Schrif ten des Zentrums Archäologie und Altertumswissenschaften 2 (Wien 2012), 37–45.
Kyrle 1912: G. Kyrle, Prähistorische Keramik vom Kalenderberg bei Mödling. Mit besonderer Berücksichtigung der hallstatt zeitlichen Mondidole, Jahrbuch der Altertumskunde 6 (Wien 1912), 221–266. Lang 2009: B. Lang, Der Tempel. Religiöses Ritual als Lebensmacht in biblischer Zeit. In: M. Neuhauser (Hrsg.), Religion und Rituale. Akademie Völker und Kulturen 2009, Akademie Völker und Kulturen Vortragsreihe 31 (Berlin 2009), 13–49. Langer 2017: G. Langer, „Ist das noch koscher?“ Speisevorschriften im Judentum, MAG 147, 2017, 293–314.
Lochner 2015: M. Lochner, Eine Mehrfachbestattung mit Keramiktrom mel aus dem älterurnenfelderzeitlichen Brandgräberfeld von Inzersdorf ob der Traisen, Niederösterreich. In: I. Szathmári (Hrsg.), An der Grenze der Bronze- und Eisenzeit. Festschrift für Tibor Kemenczei zum 75. Geburtstag (Budapest 2015), 339–351.
Lauermann 1991: E. Lauermann, Archäologische Grabungen in Unter hautzenthal 1990, AÖ 2/2, 1991, 30.
Lochner in Vorbereitung: M. Lochner, Thunau am Kamp – Eine befes tigte Höhensiedlung der Urnenfelderkultur (Grabung 1965– 1990), epub, in Vorbereitung.
Lauermann/Hahnel 1998/1999: E. Lauermann/B. Hahnel, Die mittel bronzezeitlichen Gefäßdepots von Großmugl in Niederöster reich. In: A. Krenn-Leeb/J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Depotfunde der Bronzezeit im mittleren Donauraum, AÖ 9/10, 1998/1999, 88–102.
Lochner/Hellerschmid 2009: M. Lochner/I. Hellerschmid, Sozial strukturen im Gräberfeld Franzhausen–Kokoron, Niederöster reich. Eine Analyse anhand der Urnengrößen, ArchA 93, 2009, 23–32.
Lauermann/Rammer 2013: E. Lauermann/E. Rammer (Hrsg.), Metall hortfunde Niederösterreichs. Mit besonderer Berücksichtigung der zwei Depotfunde aus Enzersdorf im Thale, UPA 226 (Bonn 2013). Lehar 2017: H. Lehar, Tieropfer und Fleischgeschmack in der griechi schen Archaik – ein Praxistest, MAG 147, 2017, 155–167. Leusch 2013: V. Leusch, Enzersdorf im Thale – Eine technologische Untersuchung der Halbfertigprodukte. In: E. Lauermann/ E. Rammer (Hrsg.), Metallhortfunde Niederösterreichs. Mit besonderer Berücksichtigung der zwei Depotfunde aus Enzersdorf im Thale, UPA 226 (Bonn 2013), 60–64.
Lochner/Hellerschmid 2016: M. Lochner/I. Hellerschmid, Dokumenta tion Franzhausen-Kokoron: Ein Gräberfeld der jüngeren Urnen felderkultur aus Zentraleuropa. Erweiterte interaktive Daten bank mit Illustrationen und Fundbeschreibungen. Version 03/ epub (Wien 2016), http://epub.oeaw.ac.at/franzhausen-kokoron2, letzter Zugriff: Juni 2020 Löhr 1943: H. Löhr, Aberglauben und Medizin, Leipzig 1943. Lorenz 2011: T. Lorenz, Raum, Zeit und Zahl – Kalender und Mathema tik der Bronzezeit. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 93–100.
329
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Lucke/Frey 1962: W. Lucke/O. H. Frey, Die Situla in Providence (Rhode Island), RGF 26 (Berlin 1962). Lustig 2002: M. Lustig, Die neolithischen Tontrommeln im mittel- und norddeutschen Raum. In: E. Hickmann/A. Draffkorn-Kilmer/ R. Eichmann (Hrsg.), Studien zur Musikarchäologie III, Orient– Archäologie 10 (Rahden/Westf. 2002), 171–186. Meller 2005: H. Meller, Die Himmelsscheibe von Nebra. In: Meller H. (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren, Begleitband zur Sonderausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle/Saale (Halle/ Saale 2005), 22–31. Matzerath 2011: S. Matzerath, Feuerbock und Mondidol in der späten Urnenfelderzeit – Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung eines Symbolträgers und seinen frühesten Belegen in der Beigaben sitte. In: K. Schmotz (Hrsg.), Vorträge des 29. Niederbayeri schen Archäologentages (Deggendorf 2011), 95–138. Melichar 1973: H. Melichar, Vorbericht über die bisherigen Aus grabungen auf dem Kalenderberg bei Mödling 1970–1972, MAG 103, 1973, 63–73. Metzner-Nebelsick 1997a: C. Metzner-Nebelsick, Vom Hort zum Heros. Betrachtungen über das Nachlassen der Hortungstätigkeit am Beginn der Eisenzeit und die besondere Bedeutung des Königsgrabes von Seddin. In: A. Hänsel/B. Hänsel (Hrsg.), Gaben an die Götter. Schätze der Bronzezeit Europas, Freie Universität Berlin u. Museum für Vor– u. Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin, Bestandskataloge Band 4 (Berlin 1997), 93–99. Metzner-Nebelsick 1997b: C. Metzner-Nebelsick, Tönerne Stecker – „magische Gegenstände“? Ein Beitrag zum keramischen Symbolgut der Urnenfelder- und Hallstattzeit in Südost- und Mitteleuropa. In: C. Becker/M. L. Dunkelmann/C. MetznerNebelsick/H. Peter-Röcher/M. Roeder/B. Terzan (Hrsg.), Beiträ ge zur prähistorischen Archäologie zwischen Nord- und Süd osteuropa, Festschrift für Bernhard Hänsel (Espelkamp 1997), 577–599. Metzner-Nebelsick 2002: C. Metzner-Nebelsick, Der „thrako-kimme rische“ Formenkreis aus der Sicht der Urnenfelder- und Hall stattzeit im südöstlichen Pannonien, Vorgeschichtliche For schungen 23 (Rahden/Westf. 2002). Metzner-Nebelsick 2003: C. Metzner-Nebelsick, Ritual und Herrschaft. Zur Struktur von spätbronzezeitlichen Metallgefäßdepots zwischen Nord– und Südosteuropa. In: C. Metzner-Nebelsick (Hrsg.), Rituale in der Vorgeschichte, Antike und Gegenwart. Studien zur Vorderasiatischen, Prähistorischen und Klassischen Archäologe, Ägyptologie, Alten Geschichte, Theologie und Religionswissenschaft. Internationale Archäologie. Arbeits gemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress Band 4 (Rahden/ Westfalen 2003), 99–117. Metzner-Nebelsick 2012: C. Metzner-Nebelsick, Das Opfer. Betrach tungen aus archäologischer Sicht. In: A. Lang/P. Marinković (Hrsg.), Bios–Cultus–(Im)mortalitas. Zu Religion und Kultur – Von den biologischen Grundlagen bis zu Jenseitsvorstellungen, Beiträge der interdisziplinären Kolloquien vom 10.–11. März 2006 und 24.–25. Juli 2009 in der Ludwig-Maximilians-Univer sität München (Rahden/Westfalen 2012), 157–179.
Minta-Tworzowska 2000: D. Minta-Tworzowska, Symbole i symbolika z perspektywy badań archeologicznych. [Symbole und Sym bolik aus der Perspektive archäologischer Forschungen]. In: B. Gediga/D. Piotrowska (Hrsg.), Kultura symboliczna kregu pól popielnicowych epoki brazu i Wczesnej epoki zeleza w europie Srodkowej. [Die symbolische Kultur des Urnenfelderkreises in der Bronze- und frühen Eisenzeit Mitteleuropas], Arbeiten der Archäologischen Kommission 13 (Warschau, Breslau, Biskupin 2000), 45–54. Miske 1908: K. v. Miske, Die prähistorische Ansiedlung Velem St. Vid. Beschreibung der Raubfunde 1 (Wien 1908). Morrissey 2011: Ch. Morrissey, Archäologie zwischen Fels und Höhle: „Naturheilige“ Plätze im Oberen Donautal, Tübinger Verein zur Förderung der Ur- und Frühgeschichte – Archäologische Mit teilungen 12, 2011, 71–88. Much 1875: M. Much, Germanische Wohnsitze und Baudenkmäler in Niederösterreich – Ergebnisse der archäologischen Unter suchungen im Jahre 1874, Bl. d. Vereins f. Landeskunde für NÖ, NF 9, 1875, 85–179. Müller/Preinfalk A./Preinfalk F. 2013: S. Müller/A. Preinfalk/F. Preinfalk, KG Plaika, OG Bergland, FÖ 52, 2013, 233–235. Müller-Karpe 1985: H. Müller-Karpe, Frauen des 13. Jahrhunderts v. Chr., Kulturgeschichte der Antiken Welt 26 (Mainz am Rhein 1985). Müller–Scheeßel 2013: N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), „Irreguläre“ Be stattungen in der Urgeschichte: Norm, Ritual, Strafe …?“ Inter nationale Tagung in Frankfurt a. M. (3.–5. 2. 2012), Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 19 (Frankfurt/Main 2013). Nagy 1979: L. Nagy, A tüzikuta és holdidol kérdeje magyarországi leletek alapján. [Zur Feuerbock- und Mondidolfrage aufgrund der ungarländischen Funde.] Á Vesprem Megyei Muzeumok Közlemenyei 14, 1979, 19–73. Nebelsick 1992: L. Nebelsick, Figürliche Kunst der Hallstattzeit am Nordostalpenrand im Spannungsfeld zwischen alteuropäi scher Tradition und italischem Lebensstil. In: Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Inst. f. Ur- und Frühgeschichte der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (Innsbruck 1992), 401–432. Nebelsick 1994: L. Nebelsick, Das ältereisenzeitliche Gräberfeld von Loretto im Burgenland. Ein Beitrag zum Wandel der Bestat tungssitten und des Beigabenspektrums während der Urnen felder- und Hallstattzeit am Nordostalpenrand, unveröffent lichte Dissertation Freie Universität Berlin (Berlin 1994). Nebelsick 1996: L. Nebelsick, Herd im Grab? Zur Deutung der kalenderberg-verzierten Ware am Nordostalpenrand. In: E. Jerem/A. Lippert (Hrsg.), Die Osthallstattkultur, Akten des Internationalen Symposiums, Sopron (10.–14. Mai 1994), Archaeolingua 7 (Budapest 1996), 327–367. Nebelsick 1997: L. Nebelsick, Auf Biegen und Brechen. Ekstatische Elemente bronzezeitlicher Materialopfer – Ein Deutungsver such. In: A. Hänsel/B. Hänsel (Hrsg.), Gaben an die Götter. Schätze der Bronzezeit Europas. Freie Universität Berlin u. Museum für Vor– u. Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin, Bestandskataloge Band 4 (Berlin 1997), 35–41. Nebelsick 2014: L. Nebelsick, Mit dem Wagen in Richtung Jenseits, Archäologie in Deutschland 3, 2014, 36–39.
330
11.5 Literatur
Neugebauer 1998/1999: J.-W. Neugebauer, Zu Metall- und Keramik depots der Bronzezeit aus dem Zentralraum Niederösterreichs. In: A. Krenn-Leeb/J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Depotfunde der Bronzezeit im mittleren Donauraum, Archäologie Österreichs 9/10, 1998/1999, 5–45. Öhlinger 2015: B. Öhlinger, Ritual und Religion im archaischen Sizilien. Formations- und Transformationsprozesse binnenländischer Kultorte im Kontext kultureller Kontakte, Italiká 4 (Wiesbaden 2015). Oppitz 2007: M. Oppitz, Trommeln der Schamanen (Zürich 2007). Palátová, Salaš 1998/1999: H. Palátová, M. Salaš, Bronze- und urnen felderzeitliche Gefäßdepotfunde in Mähren. In: A. Krenn-Leeb/ J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Depotfunde der Bronzezeit im mitt leren Donauraum, Archäologie Österreichs 9/10, 1998/1999, 103–114. Palátová/Salaš 2002: H. Palátová/M. Salaš, Depoty keramických nádob doby bronzové na moravě a v sousendních zemích. [Bronze zeitliche Gefäßdepotfunde in Mähren und benachbarten Gebieten], Pravěk supplementum 9 (Brünn 2002). Panoff/Perrin 1982: M. Panoff/M. Perrin, Taschenwörterbuch der Ethnologie. Begriffe und Definitionen zur Einführung (Berlin 1982). Pare 1989: Ch. Pare, From Dupljaja to Delphi: The ceremonial use of the wagon in later Prehistory, Antiquity 63, 1989, 80–101. Parson/Eduardoff/Xavier et al. 2018: W. Parson/M. Eduardoff/C. Xavier/ B. Bertoglio/M. Teschler-Nicola, Resolving the matrilineal re lationship of seven Late Bronze Age individuals from Stillfried, Austria, Forensic Science International, Genetics 36, 2018, 148–151. Parzinger/Nekvasil/Barth 1995: H. Parzinger/J. Nekvasil/F. E. Barth, Die Býčí skála-Höhle, RGF 54 (Mainz 1995). Patek 1982: E. Patek, Neue Untersuchungen auf dem Burgstall bei Sopron, BRGK 63 (Frankfurt/Main 1982), 105–177. Patek 1993: E. Patek, Westungarn in der Hallstattzeit, Acta Humaniora 7 (Weinheim 1993). Penz 2006: M. Penz, Die Kleinfunde aus Stillfried a. d. March, NÖ – Hügelfeldgrabungen 1969–1989. In: I. Hellerschmid, Die urnenfelder-/hallstattzeitliche Wallanlage von Stillfried an der March. Ergebnisse der Ausgrabungen 1969–1989 unter besonderer Berücksichtigung des Kulturwandels an der Epochengrenze Urnenfelder-/Hallstattkultur, MPK 63 (Wien 2006), 343–394. Penz 2012: M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben: Von einer urnen felderzeitlichen Speichergrube in Wien-Unterlaa zu den neu zeitlichen Getreidegruben in Mitteleuropa, Fundort Wien 14, 2011, 186–201. Piepke 2009: J. G. Piepke, Der Mensch und seine Opferrituale. In: M. Neuhauser (Hrsg.), Religion und Rituale. Akademie Völker und Kulturen 2009, Akademie Völker und Kulturen Vortragsreihe 31 (Berlin 2009), 51–83. Podborský 1970: V. Podborský, Mähren in der Spätbronzezeit und an der Schwelle der Eisenzeit, Opera Universitatis purkynianae Brunensis Facultas Philosophica 142 (Brünn 1970).
Pollak 1986: M. Pollak, Flußfunde aus der Donau bei Grein und den oberösterreichischen Zuflüssen der Donau, ArchA 70, 1986, 1–85. Pomberger 2011: B. M. Pomberger, Trommeln in der Urgeschichte. Das Beispiel der urnenfelderzeitlichen Keramiktrommel aus Inzers dorf ob der Traisen, Niederösterreich, AÖ 22/2, 2011, 34–43. Poroszlai 2003: I. Poroszlai, Tell cultures of the early and middle bronze age. In: Z. Visy (Hrsg.), Hungarian Archeology at the turn of the millennium (Budapest 2003), 142 ff. Preinfalk 2003: F. Preinfalk, Hallstattzeitliche Grabhügel von Langen lebarn, Niederösterreich., FÖ Mat A 12 (W 2003). Prüssing 1991: G. Prüssing, Die Bronzegefäße in Österreich, PBF 2/5 (Stuttgart 1991). Pucher 1982: E. Pucher, Tierknochenfunde aus Stillfried an der March (Niederösterreich), unveröffentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1982). Pucher 1986: E. Pucher, Untersuchungen an Skeletten aus der urnenfelderzeitlichen Wehranlage von Stillfried an der March (Niederösterreich), FIST 7 (Wien 1986), 23–116. Pucher 2017: E. Pucher, 40 Jahre im Banne des urzeitlichen Tiergartens von Stillfried. In: F. Pieler/P. Trebsche (Hrsg.), Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2017. Fest schrift für Ernst Lauermann. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N.F. 541, Asparn/Zaya 2017, 207–221. Pucher in Vorbereitung: E. Pucher, Eine prähistorische Menagerie – Neue archäozoologische Befunde zu den vorgeschichtlichen Tierskeletten von Stillfried an der March (Niederösterreich). In: I. Hellerschmid/M. Griebl, Die späturnenfelderzeitlichen Tier- und Menschenniederlegungen von Stillfried an der March und die Stratigraphie der Wallbefestigung, MPK (Wien, in Vorbereitung). Rebay-Salisbury 2017: K. Rebay-Salisbury, Breast is best – and are there alternatives? Feeding babies and young children in prehistoric Europe, MAG 147, 2017, 13–29. Rebay-Salisbury/Dunne/Kern et al. in Vorbereitung: K. Rebay-Salisbury/ J. Dunne/D. Kern/R. B. Salisbury/A. Frisch/R. P. Evershed, Feeding babies at the dawn of urbanization in Central Europe. (Childhood in the Past). Retzmann/Kriechbaum/Griebl et al. 2020: A. Retzmann/A.-M. Kriech baum/M. Griebl/K. Wiltschke-Schrotta/M. Teschler-Nicola/ J. Irrgeher/T. Prohaska, Sr Isotope Analysis of Human Remains from Settlement Pits at Stillfried/March – Reassessing Dia genetic Changes, ArchA 104, 2020, 53-87. Reim 2011: H. Reim, Naturheilige Orte im oberen Donautal. In: R. Bau meister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronze zeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 12–17. Reiter/Linke 2016: V. Reiter/R. Linke, Ein Werkplatz mit Brucherzdepot der ausgehenden Bronzezeit aus Rannersdorf, Niederöster reich, FÖ 55, 2016, 144–182. Riethmüller 2003: A. Riethmüller, Antike Mythen vom Ursprung der Musik. In: H. de la Motte-Haber (Hrsg.), Musik und Religion (Laaber 2003), 15–34.
331
11. Gesellschaft, Kult und Religion
Salaš 2012: M. Salaš, Mikro- und makroräumliche Zusammenhän ge der urnenfelderzeitlichen Hortfunde auf Höhenanlagen in Mähren. In: S. Hansen/D. Neumann/T. Vachta (Hrsg.), Hort und Raum. Aktuelle Forschungen zu bronzezeitlichen Deponierun gen in Mitteleuropa (Berlin, Boston 2012), 199–209. Salaš/Dočkalova/Horáčková et al. 2012: M. Salaš/M. Dočkalova/ L. Horáčková/I. Jarošová/J. Nedbalová/M. Nývltová- Fišáková/ J. Petřík/M. Roblíčková/L. Vargová, Mladobronzová kumulace lidských skeletů na Cezavách u Blučiny (okr. Brno-venkov) a její environmentální kontext. Die jungbronzezeitliche Kumula tion menschlicher Skelette auf der Anhöhe Cezavy bei Blučina (Landkr. Brno-venkov) im Kontext der Landschaftsgeschichte, Památky Archeologické 103 2012, 173–231. Sauer 2006: F. Sauer (Hrsg.), Die archäologischen Grabungen auf der Trasse der S1. Fundstelle Rannersdorf (Bad Vöslau 2006). Sauter/Jordis/Hayek 1996: F. Sauter/E. Hayek/U. Jordis, Chemische Untersuchungen eines eigenartigen organischen Materials aus einer späturnenfelderzeitlichen Opfergrube in Stillfried an der March, NÖ. FIST 9/10 (Wien 1990–1992, 1996), 75–88. Sauter/Wurst/Hoke 1976: F. Sauter/F. Wurst/E. Hoke, Inhaltsunter suchung einer späturnenfelderzeitlichen Deckeldose aus Stillfried, FIST 2 (Wien 1976), 101–109. Scheibelreiter 2012: P. Scheibelreiter, „Und zur Bekräftigung der Eide versenkten sie Metallklumpen im Meer“. Überlegungen zu einem Ritual der Vertragsbesicherung zwischen ewiger Bindung und Sympathiezauber. In: G. Danek/I. Hellerschmid (Hrsg.), Rituale. Identitätsstiftende Handlungskomplexe. 2. Tagung des Zent rums Archäologie und Altertumswissenschaften an der Öster reichischen Akademie der Wissenschaften. 2.–3. November 2009, Origines. Schriften des Zentrums Archäologie und Alter tumswissenschaften Band 2 (Wien 2012), 93–105. Schlosser 2005: W. Schlosser, Die Himmelsscheibe von Nebra – astronomische Untersuchungen. In: H. Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren. Begleitband zur Sonderausstellung des Landes museums für Vorgeschichte Halle/Saale (Halle/Saale 2005), 44–47. Schumann 2017: R. Schumann, Ein außergewöhnliches Fundensemble aus dem Bereich eines spätbronze-/urnenfelderzeitlichen Bestattungsplatzes bei Tarsdorf, Bezirk Braunau am Inn, Ober österreich. Vorbericht zur Fundbergung 2010 und zur Grabung 2012, ArchA 101, 2017, 145–158. Schürer v. Waldheim 1919: H. Schürer v. Waldheim, Vorgeschichtliche menschliche Funde aus Stillfried, MAG 48, 1919, 247–263. Schutzbier/Hahnel 1987: H. Schutzbier/B. Hahnel, Skelettreste in einer urnenfelderzeitlichen Siedlungsgrube in Mannersdorf am Leithagebirge, NÖ, FÖ 26, 1987, 85–101. Seewald 1940–1945: O. Seewald, XXV Vösendorf, FÖ 4, 1940–1945, 30–34. Sommerfeld 2005: C. Sommerfeld, Handel mit den Göttern – das Hort phänomen im nördlichen Mitteleuropa. In: H. Meller (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren. Begleitband zur Sonderausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle/Saale (Halle/Saale 2005), 90–93.
332
Stapel 1999: A. Stapel, Bronzezeitliche Deponierungen im Siedlungs bereich: Altdorf-Römerfeld und Altheim, Landkreis Landshut, Tübinger Schriften zur Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie 3 (München. Berlin 1999). Steiner 2010: H. Steiner (Hrsg.), Alpine Brandopferplätze. Archäologi sche und naturwissenschaftliche Untersuchungen, Forschungen zur Denkmalpflege in Südtirol 5 (Trient 2010). Strohschneider 1976: M. Strohschneider, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von Stillfried, FIST 2 (Wien 1976), 31–69. Strohschneider/Vahlkampf 1980: M. Strohschneider/G. Vahlkampf, Ein Dolchgriffbruchstück vom Typ Golovjatino-Leibnitz aus dem Much’schen Gräberfeld von Stillfried an der March, NÖ, FIST 4 (Wien 1980), 143–146. Šumberová/Harding 2007: R. Šumberová/A. Harding, The finds. In: A. Harding/R. Šumberová/Chr. Knüsel/A. Outram (Hrsg.), Velim. Violence and Death in Bronze Age Bohemia. The results of fieldwork 1992–95, with a consideration of peri-mortem trauma and deposition in the Bronze Age (Prag 2007), 53–78. Suppan 1997: W. Suppan, Musikanthropologie: II Musik und Musik hören. 1. Musik und Kult. In: L. Finscher (Hrsg.), Musik in Ge schichte und Gegenwart, Sachteil Band 6, Allgemeine Enzyklo pädie der Musik (Kassel, Stuttgart 1997), 921–924. Sydow 1995: W. Sydow, Der hallstattzeitliche Bronzehort von Fliess im Oberinntal, Tirol, FÖ Mat. A3 (Wien 1995). Szabo/Bálint/Váczi 2017: G. Szabó/M. Bálint/G. Váczi (Hrsg.), A má sodik hajdúböszörményi szitula és kapcsolatrendszere. The second situla of Hajdúböszörmény and its relations, Studia Oppidorum Haidonicalium XIII (Budapest-Hajdúböszörmény 2017). Szombathy 1929: J. Szombathy, Prähistorische Flachgräber bei Gemeinlebarn in Niederösterreich, RGF 3 (Berlin 1929). Talaa 1991: D. Talaa, Urgeschichtliche Funde aus Vösendorf (Vösendorf 1991). Teržan 1996: B. Teržan, Weben und Zeitmessen im südostalpinen und westpannonischen Gebiet. In: E. Jerem/A. Lippert (Hrsg.), Die Osthallstattkultur, Akten des Internationalen Symposiums, Sopron (10.–14. Mai 1994), Archaeolingua 7 (Budapest 1996), 507–536. Teschler-Nicola/Irrgeher/Prohaska 2016: M. Teschler-Nicola/J. Irrgeher/ T. Prohaska, Wohnsitz und Genealogie der sieben Menschen aus der späturnenfelderzeitlichen Vorratsgrube V1141 von Stillfried an der March: Eine archäometrische Ergänzung anlässlich eines „Schauplatzwechsels“, MAG 146, 2016, 159–168. Trachsel 2008: M. Trachsel, Rituale in der Prähistorischen Archäologie. Definition – Identifikation – Interpretation. In: C. Eggl/P. Trebsche/I. Balzer/J. Fries-Knoblach/J. K. Koch/H. Nortmann/ J. Wiethold (Hrsg.), Ritus und Religion in der Eisenzeit. Beiträge zur Sitzung der AG Eisenzeit während der Jahrestagung des Mittel- und Ostdeutschen Verbandes der Altertumsforschung e.v. in Halle an der Saale 2007, Beiträge zur Ur- und Frühge schichte Mitteleuropas 49 (Langenweissbach 2008), 1–5.
11.5 Literatur
Trebsche 2008: P. Trebsche, Rituale beim Hausbau während der Spät bronze– und Eisenzeit. Zur Aussagekraft und Interpretation von Deponierungen in Pfostenlöchern. In: C. Eggl/P. Trebsche/ I. Balzer/J. Fries-Knoblach/J. K. Koch/H. Nortmann/J. Wiethold (Hrsg.), Ritus und Religion in der Eisenzeit. Beiträge zur Sitzung der AG Eisenzeit während der Jahrestagung des Mittel- und Ostdeutschen Verbandes der Altertumsforschung e.V. in Halle an der Saale 2007, Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mittel europas 49 (Langenweissbach 2008), 67–78. Trnka 1994: G. Trnka, Ein bronzenes Griffzungenschwert aus Krems an der Donau in Niederösterreich, AÖ 5/2, 1994, 35–37. Tschurtschenthaler/Wein 1996: M. Tschurtschenthaler/U. Wein, Kon tinuität und Wandel eines alpinen Heiligtums im Laufe seiner 1.800-jährigen Geschichte, AÖ 7/1, 1996, 14–28. Turner 1964: V. W. Turner, Betwixt and Between: The Liminal Period in Rites de Passage. In: M. E. Spiro (Hrsg.), Symposium on New Approaches to the Study of Religion (Seattle), American Ethnological Society (Seattle 1964), 4–20. Tuzar 1998: J. Tuzar, Die ur- und frühgeschichtliche Besiedlung der Heidenstatt bei Limberg, NÖ, unveröffentlichte Dissertation Universität Wien (Wien 1998). Ulin Agan 2009: P. Ulin Agan, Das Ritualverständnis in den Stammes religionen in Ost-Flores (Indonesien). Anschluss an das Über zeitliche und Überräumliche. In: M. Neuhauser (Hrsg.), Religion und Rituale. Akademie Völker und Kulturen 2009, Akademie Völker und Kulturen Vortragsreihe 31 (Berlin 2009),145–175. Urban/Kern D. 2011: O. Urban/D. Kern, Rauchen und Räucherungen in der Urzeit mit einem Fallbeispiel von Bilsenkraut aus Vix, MAG 141, 2011, 151–169. Verhoeven 2011: M. Verhoeven, The many dimensions of ritual. In: T. Insoll (Hrsg.), The Oxford Handbook of the Archaeology of Ritual & Religion (Oxford 2011), 115–132. Vitebsky 2001: P. Vitebsky, Schamanismus (Köln 2001). Vizdal 1972: J. Vizdal, Erste bildliche Darstellung eines zweirädigen Wagens vom Ende der mittleren Bronzezeit in der Slowakei, Slovenská archaeológia 20, 1972, 223–231. Vosteen 2011: M. Vosteen, Mit den Göttern reisen – bronzezeitliche Wagen und Räder. In: R. Baumeister (Hrsg.), Glaubenssachen. Kult und Kunst der Bronzezeit (Ausstellungskatalog) (Bad Buchau 2011), 68–71. Weikart 2002: St. Weikart, Griechische Bauopferrituale. Intention und Konvention von rituellen Handlungen im griechischen Bau wesen (Berlin 2002). Weiss 1987: G. Weiss, Elementarreligionen. Eine Einführung in die Religionsethnologie (Wien, New York 1987).
Wewerka 2001: B. Wewerka, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung (Grabung 1965–1990), MPK 38 (Wien 2001). Wiesner 2009: N. Wiesner, Grabbau und Bestattungssitten während der Urnenfelderzeit im südlichen Mitteleuropa: Ein Beitrag zur Entwicklung der Grabsitten in der späten Bronzezeit, Inter nationale Archäologie 110 (Rahden/Westf. 2009). Willvonseder 1931: K. Willvonseder, Eine Wohngrube in Stillfried a. d. March (Niederösterreich), WPZ 28, 1931, 121–134. Willvonseder 1938: K. Willvonseder, Das Steinkistengrab der älteren Urnenfelderzeit von Illmitz im Burgenland, WPZ 25, 1938, 109–128. Wiltschke-Schrotta 2006: K. Wiltschke-Schrotta, Stillfried – Grube V841 (1985/86): Eine anthropologisch-detektivische Heraus forderung. In: I. Hellerschmid, Die urnenfelder-/hallstattzeit liche Wallanlage von Stillfried an der March. Ergebnisse der Ausgrabungen 1969–1989 unter besonderer Berücksichtigung des Kulturwandels an der Epochengrenze Urnenfelder-/Hall stattkultur. MPK 63 (Wien 2006), 414–415. Wiltschke-Schrotta/Marschler in Vorbereitung: K. Wiltschke-Schrotta/ M. Marschler, Die menschlichen Überreste aus den Gruben von Stillfried an der March/NÖ. In: I. Hellerschmid/M. Griebl, Die späturnenfelderzeitlichen Tier- und Menschennieder legungen von Stillfried an der March und die Stratigraphie der Wallbefestigung, MPK (Wien, in Vorbereitung). Windholz-Konrad 2018: M. Windholz-Konrad, Urnenfelderzeitliche Mehrstückhorte aus dem Salzkammergut zwischen Ödensee und Hallstättersee, Österreichische Denkmaltopographie 2 (Wien 2018). Zemmer-Plank 1976: L. Zemmer-Plank, Situlenkunst in Tirol, Ver öffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 56 (Innsbruck 1976), 289–337. Zingsem 1999: V. Zingsem, Göttinnen großer Kulturen (Berlin 1999). Zipf 2003: G. Zipf, Formalisierung, Reduzierung, Inszenierung – Zur wissenschaftlichen Konzeption von Ritualen und ihrer Um setzung in der Interpretation archäologischer (Be-)Funde. In: Metzner-Nebelsick (Hrsg.), Rituale in der Vorgeschichte, Antike und Gegenwart. Studien zur Vorderasiatischen, Prähistorischen und Klassischen Archäologe, Ägyptologie, Alten Geschichte, Theologie und Religionswissenschaft, Internationale Archäolo gie, Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress Band 4 (Rahden/Westf. 2003), 9–16. Zohmann/Forstenpointer/Galik 2010: St. Zohmann/G. Forstenpointer/ A. Galik, Die Tierreste vom Opferplatz St. Walburg im Ultental. Ein Beitrag zur Archäozoologie des alpinen Brandopfers. In: H. Steiner (Hrsg.), Alpine Brandopferplätze. Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen, Forschungen zur Denkmalpflege in Südtirol 5 (Trient 2010), 829–891.
Werneck 1949: H. L. Werneck, Ur- und frühgeschichtliche Kultur- und Nutzpflanzen in den Ostalpen und am Ostrande des Böhmer waldes: 100 Jahre Ur- und Frühgeschichte des Pflanzen- und Waldbaues, 1847–1947, Schriftenreihe der O.-Ö. Landesbau direktion 6 (Linz 1949).
333
12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist
12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist Sigrid StrohschneiderLaue Der vorliegende Band gibt einen Überblick über den aktuellen
brände sind für die urnenfelderzeitlichen Menschen das Über-
Forschungsstand zur Spätbronzezeit in Niederösterreich. Der
gangsritual, um die Schwelle zum Jenseits zu überschreiten
Zeitraum zwischen 1300 und 800 v. Chr. wird darin einer ge-
(Kap. 9). Die verbrannten Knochenreste aus den Gräberfeldern
nauen Betrachtung – über die politischen Grenzen Niederöster-
ermöglichen Rückschlüsse auf die Einäscherung des Leichnams.
reichs hinaus – unterzogen. Der letzte Abschnitt der Bronzezeit,
Andererseits liefern sie zahlreiche körperbezogene Daten über
die sogenannte Urnenfelderkultur, war nicht auf das heutige
die Bestatteten (Kap. 10) und in Summe betrachtet zu lokalen
Bundesland beschränkt. Im Gegenteil: Niederösterreich war zu
und regionalen Bevölkerungsgruppen. Am schwersten fassbar
jener Zeit Teil eines mitteleuropäischen Kulturphänomens. Die
ist die geistige Welt, also die kultisch-religiösen Vorstellungen,
materiellen Errungenschaften und kulturellen Entwicklungen der
die Menschen durch den Alltag begleiteten und ihre Handlungen
Bronzezeit – u. a. die Verarbeitung der Rohmaterialien Kupfer
vermutlich maßgeblich mitbestimmten. Obwohl es dem Kult zu-
und Zinn zu Bronze sowie das Entstehen einer gegliederten Ge-
ordenbare Artefakte gibt, kann man über deren Bedeutung nur
sellschaft – erreichten in dieser Zeit ihren Höhepunkt.
durch kulturelle Quervergleiche spekulieren (Kap. 11). Die ar-
Natur- und Kulturraum haben sich in den vergangenen ca. 3.300
chäologische Forschung sammelt und bewertet akribisch alle
Jahren drastisch verändert. Es ist daher nötig, die Umweltbedin-
erhobenen Daten und erarbeitet einen chronologischen Zusam-
gungen, die natur- und kulturräumlichen Situationen zu erfassen
menhang (Kap. 1). In Folge gilt es, die Dinge immer wieder neuen
und zu vergleichen (Kap. 2). Sie sind der Rahmen und der Hin-
Betrachtungen hinsichtlich ihrer Veränderungen, Mobilität, Zeit-
tergrund, in die sämtliche archäologischen Forschungsergebnis-
lichkeit und Querbeziehungen sowie ihres Bedeutungswandels
se als Puzzleteile eines lückenhaften Gesamtbildes eingepasst
bzw. ihrer Wechselwirkungen zu unterziehen. Viele Forschungs-
werden. Pollen, Körner, Hölzer und mehr belegen den Pflanzen-
fragen ließen sich im Lauf der Zeit beantworten. Es scheint den-
bestand in der damaligen Zeit. Sie helfen, den Lebensraum, die
noch, dass alle gefundenen Antworten noch mehr Fragen zur Fol-
(Über-)Lebensbedingungen und vor allem das Nahrungsspek-
ge haben. Die Aussagekraft von Funden und Befunden ist ebenso
trum einer bäuerlich lebenden Gesellschaft zu rekonstruieren
limitiert wie die Möglichkeiten ihrer Auswertung – zumindest so-
(Kap. 5). Dass Tiere mehr waren als nur eine Bereicherung des
lange bis es neue Konzepte für sie gibt.1
Speiseplans, verdeutlichen Untersuchungen der zahlreichen Tierknochen aus verschiedenen Bereichen des urnenfelderzeitlichen Alltags, des Totenbrauchtums und Kults (Kap. 6). In das so entstehende Bild passt die Forschung die vielfältigen Siedlungsstrukturen ein (Kap. 3). Diese werden durch die Untersuchungen von Wohnen und Wirtschaften rund um das bäuerliche Haus- und Hofleben detailliert bereichert (Kap. 4). Die Bergbauregionen fügen dem Gesamtbild noch die spezialisierte Arbeitswelt rund um
12.1 Archäologie – Arbeiten zwischen sprudelnden und versiegenden Quellen
den gut organisierten Kupferbergbau hinzu (Kap. 7). In der urnenfelderzeitlichen Gesellschaft nehmen der bewaffnete Mann und
Die prähistorische Archäologie ist eine historische Kulturwissen-
mit ihm der Krieg eine wichtige Rolle ein. Die Spuren von Tod,
schaft2, die realienkundliche Quellen nutzt. Sie ist ebenso his-
Plünderung und Zerstörung lassen sich bis in die antiken Hoch-
torische Anthropologie, in der sich Naturwissenschaften und
kulturen verfolgen. Kriegerische Auseinandersetzungen wurden dort in Schrift- und Bildquellen festgehalten (Kap. 8). Die Verbrennung der Verstorbenen und die Beisetzung der Leichen334
1
Hahn 2018, 1–25.
2
Wodtke 2013.
12.1 Archäologie – Arbeiten zwischen sprudelnden und versiegenden Quellen
Geisteswissenschaften vereinigen, um den kulturschaffenden
sie z. B. Verfärbungen im Boden oder Abdrücke in gebranntem
Menschen in seiner jeweiligen Zeit zu erforschen.3 Die Urge-
Ton hinterlassen haben. Oft sind es gerade diese kleinen, zu-
schichte selbst ist schriftlos, dennoch gibt es über bewaffne-
nächst unspektakulär erscheinenden Funde, die das Gesamt-
te Auseinandersetzungen mit urnenfelderzeitlichen Gruppen
bild entscheidend bereichern – angefangen bei der genauen
schriftliche Überlieferungen. Hochkulturen des Mittelmeerraums
Datierungsmöglichkeit bis hin zur Rekonstruktion einer Speise
berichten aus ihrer kulturellen und politischen Perspektive über
(siehe Kap. 5, Exkurs: Bronzezeit-Risotto).
diese Ereignisse.
Die Ergebnisse aus Gräberfeldern belegen die Wichtigkeit von Fund und Befund sowie interdisziplinären wissenschaftlichen
12.1.1 Funde und Befunde
Analysen. Ein fachgerecht untersuchtes Grab wird in allen Details dokumentiert und komplett geborgen. Die Funde können klassifiziert, katalogisiert, anschließend interpretiert und wieder mit inhaltlicher Bedeutung aufgeladen werden. Mit ihnen sind Aus-
Die Urgeschichtsforschung schöpft einen Großteil ihrer Erkennt-
sagen über Reihenfolge und Ausrichtung der ins Grab gelangten
nisse aus Artefakten, also aus von Menschenhand geschaffenen
Gegenstände sowie ihre Lage zueinander möglich. Die Auswer-
Objekten. Dazu kommen Quellen, welche die absichtsvoll herge-
tung der Gefäßinhalte sowie Untersuchungen der menschlichen
stellte Materialkultur ergänzen. Dies sind die sterblichen Über-
und tierischen Knochen komplettieren die Datenerhebung. Die
reste des Menschen selbst, Tierknochen mit und ohne Bearbei-
statistische Betrachtung aller Fakten erlaubt es, Ausschließen-
tungsspuren oder im Lebensumfeld abgelagerte Pollen, um nur
des und Regelhaftes (z. B. alters- und geschlechtsspezifische
einige zu nennen. Weiters kommen noch die auf Menschen be-
Kombinationen) festzustellen. Damit verhelfen Gräberfelder zu
ziehbaren Spuren hinzu, die Veränderungen in Landschaft und
umfassenderen demografischen Aussagen über eine größere
Boden hinterlassen haben.
Gemeinschaft. Archäozoologische Untersuchungen der Tierkno-
Die Ausgrabung selbst ist vor allem hinsichtlich der Befunde (z. B.
chen zeigen u. a. die Verteilung auf die bevorzugten Haus- bzw.
Bodenverfärbungen) eine systematische dokumentierte Zerstö-
Wildtiere und in welchem Lebensalter diese geschlachtet wurden.
rung. Ihre vergänglichen Informationsquellen müssen beob-
Schlachtspuren wiederum weisen auf die verwendeten Werk-
achtet sowie fotografisch, zeichnerisch und digital festgehalten
zeuge hin. Die Teilstücke zeigen Auswahl und Umfang der Fleisch-
werden. Zur Befunddokumentation gehören auch die mit größ-
portionen. Alle diese Fakten sind Aspekte der Lebensrealität, des
ter Genauigkeit erfassten Kulturschichten, Lageverhältnisse von
Grabaufbaus sowie der Handlungsabläufe während und nach der
Objekten (z. B. Gruben, Gräber, Brunnen) zueinander sowie die
Beisetzung.
genaue Verortung der in den Objekten und Kulturschichten einge-
Letztlich trägt die Gesamtheit aller wissenschaftlich erhobenen
lagerten Funde. Ohne diese Dokumentation ist die Aussagekraft
Puzzleteile dazu bei, vollständigere Bilder von Zeitabschnit-
von Funden wesentlich geschmälert. Erst ein im Befundzusam-
ten, kulturellen Strömungen und regionalen Verhältnissen zu
menhang in situ dokumentierter Fund kann mehr Aussagen er-
skizzieren.
möglichen als nur eine relative Altersbestimmung. Allen voran sind es die anorganischen, also nahezu unvergänglichen Materialien, die den Löwenanteil im Fundmaterial ausmachen. Unter diesen sind mengenmäßig Gefäßbruchstücke sowie gebrannter Hüttenlehm die Spitzenreiter, gefolgt von tierischen und menschlichen Knochen. Metallfunde (Rohstoff, Halbfabri-
12.1.2 Auffinden – ausgraben – aufarbeiten – ausstellen
kat, Fertigprodukt, Altmetall) sind trotz der urnenfelderzeitlichen
Niederösterreich hat eine lange Tradition in der Heimatforschung.
Massenproduktion wesentlich seltener. Steine sind im Fund-
Hierzu zählen Pioniere der Urgeschichte und Museumsgründer
material u. a. als Gussformen, Glätt-, Mahl- und Kochsteine ver-
wie Candid Pontz von Engelshofen (1803 – 1866), Matthäus Much
treten.
(1832 – 1909), Johann Krahuletz (1848 – 1828), Josef Höbarth
Organische Materialien können bei entsprechender Lagerung im
(1891 – 1952), um nur einige zu nennen. Ihre Geländebege-
Boden (siehe Kap. 3, Pkt. 3.1.2) und entsprechenden Berge- und
hungen und Sammeltätigkeit trugen wesentlich dazu bei, dass
Konservierungsmaßnahmen (siehe Kap. 5, Pkt. 5.2.1) gesichert
Niederösterreich und damit auch die Urnenfelderkultur be-
werden. Sogar ihre Absenz kann Erkenntnisse bringen, wenn
reits früh in den Fokus der Wissenschaft rückten (siehe Kap. 1, Pkt. 1.1).
3
Ickerodt 2011, 278–280.
335
12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist
Das Arbeitsspektrum der modernen Archäologie beginnt idealer-
tes Beispiel zur Subjektivität ist die Bandbreite der Deutungen
weise mit systematischer Bestandsaufnahme und Geländeunter-
von Depotfunden. Persönliche Erfahrungen und Lebenseinstel-
suchungen (survey). Dabei werden naturräumlich abgeschlosse-
lungen können dazu beitragen, dass einzelne Hortfunde als Ver-
ne Regionen vorab in ihrer Besiedlungsgeschichte erfasst. Nicht
wahrfund in Krisenzeiten, Opfer an die Götter, Selbstausstattung
immer besteht der Auftrag dazu, und oft reicht die Arbeitszeit
für das Jenseits, Überschusslager eines Erzeugers/Händlers und
nicht aus. Es ist dem archäologischen Forschungsdrang zu ver-
mehr interpretiert werden. Dennoch ist es nötig, Theorien zu
danken, dass systematische Begehungen trotzdem stattfinden.
entwickeln und zur Diskussion zu stellen. Ob sie sich als halt-
Zu den nichtinvasiven Untersuchungsmethoden gehört die geo-
bar erweisen, werden zukünftige Funde und Aufarbeitungen zei-
magnetische Prospektion, die im Vorfeld von Grabungen hilf-
gen Erst eine Analyse mehrerer vergleichbarer Befunde kann
reich ist. Wo zuvor keine Bestandsaufnahme durchgeführt wur-
Gemeinsames und Unterschiedliches aufzeigen, um damit Inter-
de, ist das Auffinden eher der Bautätigkeit zu verdanken, dem
pretationen zu bestätigen oder zu widerlegen.5 Es ist also kein
Zufall überlassen oder im schlimmsten Fall durch Raubgräber
Wunder, dass ein Kennzeichen seriöser archäologischer Publi-
verursacht.
kationen der Konjunktiv ist.
Langfristig geplante Ausgrabungen zu Forschungszwecken,
Es wird zunehmend schwieriger, archäologische Erkenntnisse
wie in den befestigen Höhensiedlungen von Thunau am Kamp,
zu veröffentlichen. Der rigorose politische Sparkurs trifft in
Stillfried an der March und der Bergbausiedlung Prigglitz, sind
erster Linie Bildung, Wissenschaft und Kultur hart. Da auch
nicht die Regel. Häufiger sind die unter Zeitdruck stehenden
die Forschung der wirtschaftlichen Rentabilität unterworfen
Notgrabungen im Vorfeld von großflächigen Bauvorhaben (z. B.
wird, kommt es zur Unterfinanzierung von Institutionen, Verla-
Pixen dorf). Am zahlreichsten sind die kurzfristig angesetz-
gen und Vereinen. Seither werden akademischen Publikatio-
ten Notbergungen, die das rasche Arbeiten vor und neben der
nen enge Grenzen gesteckt; dem Kommunikationsmittel für den
Baggerschaufel nötig machen.
wissenschaftlichen Austausch aktueller Forschungsergebnis-
Die Aufarbeitung archäologischer Fundkomplexe erfordert ein
se wird damit zum Teil die Basis entzogen. Trotzdem ist es der
breit gefächertes Wissenschaftsteam mit ausreichend finanziel-
Prähistorischen Kommission bzw. ihrer Nachfolgerin OREA an
len Ressourcen, um auch externe Untersuchungen (14C-Datierun-
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gelungen,
gen, chemische Analysen etc.) in Auftrag geben zu können – vom
einen Schwerpunkt auf die Erforschung der Spätbronzezeit zu
Platz ganz zu schweigen, der benötigt wird, um eine große Fund-
legen und für regelmäßigen Informationsfluss zu sorgen (siehe
menge zu sichten und zu restaurieren. Während unter Bedacht-
Kap. 1).
nahme auf bestimmte Fragestellungen Forschungsgrabungen
Ausstellungen sind quer durch die Zeiten dem Wandel unter-
über Jahre im Rahmen von FWF-Projekten4 aufgearbeitet werden,
worfen. Was in zunehmend nationalistisch geprägten Zeiten
bleiben für die Materialfülle aus Notgrabungen meist weder Zeit
nach dem Ersten Weltkrieg mehr und mehr politisch eingefor-
noch Platz und kaum Budget übrig. Dazu kommt, dass in den De-
dertes Forschungsergebnis und Vermittlungsziel zu sein hatte,
pots Altmaterial lagert, das schon seit 100 Jahren und länger der
wurde inhaltlich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch
kompletten Aufarbeitung harrt. Die Bearbeitung größerer Fund-
Krieg und Wiederaufbau beeinflusst. Die wirtschaftlichen und
materialien im Rahmen von universitären Abschlussarbeiten ist
gesellschaftlichen Tendenzen nach 1968 dürften dazu beigetra-
rückläufig. Solche Arbeiten trugen als Teil des Studiums maß-
gen haben, dass die Experimentalarchäologie als Forschung ab-
geblich dazu bei, die Grundlagenforschung voranzutreiben.
seits des Schreibtischs sowie die interaktive Vermittlung an die
Am Ende der Aufarbeitung stehen einerseits die Publikation des
Öffentlichkeit auch in Niederösterreich an Bedeutung gewannen.
Materialkatalogs und andererseits die kulturhistorische Aus-
Es bleibt abzuwarten, wie sich ab 2020 die Covid-19-Pandemie
wertung. Letztere ist eine große Herausforderung an die wis-
wissenschaftlich niederschlagen wird. Anzunehmen ist, dass
senschaftliche Objektivität. Es ist ein schmaler Grat zwischen
Museen an die stay at home sowie physical distancing Maßnah-
der Wirklichkeit objektiv erhobener Fakten und der vermeintli-
men angepasst werden müssen. Zu erhoffen wären vielgestalti-
chen Wahrheit subjektiv gefärbter Interpretation. Ein oft zitier-
ge Onlineangebote sowie Outreachprogramme, um Vermittlung kultureller, archäologischer Inhalte weiterhin zu ermöglichen.
4
336
FWF-Forschungsprojekte/Auswahl: Die urnenfelderzeitliche befestigte Höhensiedlung Thunau am Kamp; Ein Gräberfeld der jüngeren Urnen felderkultur aus Franzhausen Kokoron (FWF 1996–1998); Der Oberlei serberg in der Bronzezeit (P 14568); Menschen- und Tierdepositionen – Opferkult in Stillfried? (P 22755); Ressourcensicherung, Macht und Kult in Stillfried (P 29005); Leben und Arbeit im bronzezeitlichen Bergbau von Prigglitz (P 30289).
5
Hodder 1992; Hodder 1995, 253.
12.2 Das Fassbare: Der Hang zur Konformität
12.2 Das Fassbare: Der Hang zur Konformität
Die materielle Kultur der Spätbronzezeit ist trotz ihrer Vielfalt dennoch sehr ähnlich in Material, Form, Funktion, Gebrauch und Kombination von Gegenständen. All dies belegt eine gesellschaftliche Verbundenheit mit einer gemeinsamen Kommunikationsbasis. Diese ermöglicht es, die gefundene Gemeinsamkeit
Die Urnenfelderkultur ist ein mitteleuropäisches Phänomen.
intern zu tradieren und extern weiterzutragen. Die einheitli-
Vom mitteldonauländischen Kerngebiet zwischen Karpaten,
che Bestattungsform und die damit verbundene Weltanschau-
nördlichem Balkan und Ostalpen ausgehend, erreichte sie ihre
ung waren mit den gesellschaftlichen Strukturen verflochten.
größte Ausdehnung im 11. Jh. v. Chr. bis Nord-Mitteleuropa, Süd-
Gruppenspezifisches, die Rolle und der Status von Personen in
ost-Europa, Italien und zur Iberischen Halbinsel.6 In diesem Kul-
urnenfelderzeitlichen Gemeinschaften werden über die anthro-
turraum, der naturräumlich ein vielfältiges Spektrum an Land-
pologischen Analysen fassbar. Demografische Daten – Ge-
schaften, Klimaten, Bodenqualitäten und Ressourcen etc. zu
schlecht, Alter, Körpermaße und Stressfaktoren – werden in
bieten hat, war als einheitlicher Umgang mit Verstorbenen die
einen Zusammenhang mit der Ausstattung, die Indikatoren für
Leichenverbrennung üblich. Der regelhaft ablaufende Übertritt
Identitäten enthält, gebracht. Zu den anthropologischen Daten
von der Welt der Lebenden in das Jenseits durch das Feuer ist
und Artefakten wie Ausstattungsensembles und Trachtbestand-
ein fundamentaler Bestandteil der urnenfelderzeitlichen Gesell-
teilen gesellen sich botanische und archäozoologische Untersu-
schaft. Die Leichenverbrennung und Beisetzung der Überreste
chungen. Erst die Interpretation der Befunde macht ein Grab und
in Gräberfeldern wurde zur einzigen Bestattungsform. Sie war
in Folge Gräberfelder zu mehr als die Summe auswertbarer Lei-
namengebend für die Urnenfelderkultur. Diese konsequente
chenbrandreste, die statistisch und chronologisch in Bezug zu
Umsetzung lässt vermuten, dass es eine ebenso einheitliche
den Beigaben gesetzt werden. Erst wenn es gelingt, Tote über
Weltanschauung gab, die auf philosophisch-religiöser Ebene
die Summe der biologischen Daten und das Grab über die Masse
großräumig identitätsstiftend war. Diese Vorstellungen müssen
der archäologischen Nachweise hinaus zu betrachten, erschließt
alle Lebensbereiche beeinflusst und maßgeblich mitbestimmt
sich ihr sozialer Anteil an einer Gemeinschaft. Lebensbilder klei-
haben. Hinweise geben in den kultischen Zusammenhang ge-
nerer Gruppen können innerhalb größerer Gemeinschaften – un-
stellte Sonderfunde, die Vogelsonnenbarken und das auffällige
ter Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Verhältnisse –
Fehlen von Menschendarstellungen.7 Es ist die Aufgabe der prä-
entworfen werden.10
historischen Archäologie, die zugehörigen identitätsstiftenden
Der nachweisbare Abbau und Austausch von Rohstoffen, Halb-
Gemeinsamkeiten, welche die urnenfelderzeitliche Gesellschaft
und Fertigfabrikaten, Gütern des täglichen Bedarfs sowie luxu-
formten, herauszuarbeiten. Außerdem gilt es, die gegenseitigen
riöser Importe machen deutlich, dass die Kommunikation zwi-
Beziehungen und Abhängigkeiten von Menschen untereinander
schen naheliegenden Siedlungen üblich war und auch über
sowie ihre Beziehung zu Artefakten einer genaueren Betrach-
weite Distanzen funktionierte. Der Warenfluss basierte auf tra-
tung zu unterziehen.
dierten Erfahrungswerten zu Bedarf und Überschussproduktion.
8
Während der Urnenfelderzeit kam es zu einem Bevölkerungs-
Die Führungseliten bauten mithilfe ihrer Kenntnisse hinsicht-
wachstum. Es entstanden mehr Siedlungen in den Tallagen,
lich Lager- und Produktionsstätten Organisationsstrukturen auf
während in natürlich geschützten Höhenlagen mit großem Auf-
und sorgten für gesicherten Warentransfer. Der mit dieser wirt-
wand befestigte Zentralorte angelegt wurden. Der Wandel der
schaftlich motivierten Mobilität einhergehende Güteraustausch
Siedlungsstrukturen verweist auf veränderte politische und
förderte zugleich den Ideentransfer. Er wird über den kulturellen
wirtschaftliche Verhältnisse, die auf eine differenzierte soziale
Wandel regionaler Gruppen im Vergleich zu überregionalen Ver-
Gliederung (siehe Kap. 11, Pkt. 11.2) mit martialischem Charak-
hältnissen sichtbar. Mit territorialem Denken und angehäuftem
ter schließen lassen. Die Urnenfelderzeit wurde von einer soge-
Wohlstand wächst das Schutzbedürfnis – und das zieht wiede-
nannten heroischen Gesellschaft getragen, die den Status und
rum Aufrüstung nach sich. Die befestigten Wallanlagen waren
die Rechte der Frau definierte und im Vergleich zur nachfolgen-
als Herrschafts-, Kult- und Wirtschaftszentren an kontrollierba-
den Eisenzeit stark einschränkte. 6
9
Siehe zur Identifizierung sozialer Gruppen allgemein Burmeister/ Scheeßel 2006.
7
Metzner-Nebelsick 2018, 42–46.
8
Hodder 2016.
9
Metzner-Nebelsick 2015, 46–49.
ren Verkehrsknotenpunkten situiert. Inwieweit wirtschaftliche Interessen im Vordergrund standen, religiöse Motivation einen Beitrag leistete, ist unbekannt. Fest steht, dass gut bewaffnete Gruppen, die kulturell Mitteleuropa und dem Balkan zugeordnet 10 Perego 2015.
337
12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist
werden können, an Migrationsbewegungen beteiligt waren. Die-
Textilien und Geflechten, die es gegeben haben muss: Gezwirn-
se kriegerisch motivierten Unternehmungen wiederholten sich
tes, Gesponnenes, Gewebtes, Genähtes, Geknüpftes, Geflochte-
teilweise zyklisch; Ziel waren die reichen Mittelmeerregionen.
11
In welchem Maße sich in diesen Migrationen politische, wirt-
nes aus pflanzlichen und tierischen Materialien. Die Menschen waren bekleidet und der Haushalt war mit vielerlei Alltagsobjek-
schaftliche und religiöse Verbindungen der urnenfelderzeitli-
ten, vermutlich in typischen Designs, ausgestattet. Nicht nach-
chen Gruppen abzeichnen, bleibt noch zu klären. Sicher ist, dass
vollziehbar bleiben daher die Lebensdauer, die sogenannte
die regionalen und überregionalen Land- und Wasserwege, die
Laufzeit, und der u. a. durch Muster und Farben zum Ausdruck
in die lukrativen Regionen führten, bekannt waren. Die antiken
gebrachte Symbolgehalt von Textilien. Wie oft wurden sie gewa-
Schrift- und Bildquellen sind Belege für die großen Distanzen,
schen, eingefärbt, geflickt, umgearbeitet, einer neuen Funktion
die diese Gruppen zurücklegten.
zugeführt bis sie auf ein Minimum reduziert als winziges „Putz-
Es sind keine künstlich angelegten Straßen, sondern Wege, die
fetzerl“ den Weg in eine Abfallgrube fanden?
heute im Gelände nur vermutet werden können und sich selten
In der Spätbronzezeit in Niederösterreich muss man sich bis-
nachweisen lassen. Durch naturräumliche Gegebenheiten be-
lang mit dem an einem Armreif ankorrodierten Textilfragment
günstigte Routen, darunter auch Wasserwege, wurden schon
aus einem Urnengrab in Vösendorf bescheiden. Die feinen Gold-
lange vor der Urnenfelderzeit genutzt; mit ihrem Fortbestand,
fäden, die im selben Gräberfeld geborgen wurden, waren eben-
ihrer Pflege sowie einer Erweiterung ist zu rechnen zumal Rei-
falls Teil eines Textils.14 Nachdem das edle Metall der wenigen
ten und Fahren an Bedeutung gewinnen.12 Die Vermutung liegt
urnenfelderzeitlichen Goldfunde in Ostösterreich (siehe Kap. 7,
nahe, dass die nachfolgenden eisenzeitlichen Kulturen eben-
Pkt. 7.3.2) möglicherweise aus osteuropäischen Lagerstätten15
falls das etablierte Wegenetz verwendeten und in späterer Fol-
stammt, liegt der Schluss nahe, dass auch das zugehörige Textil
ge der römische Straßenbau abschnittsweise altbewährte Wege
in Osteuropa erzeugt wurde. Es ist ein luxuriöser Import, dessen
in ihre weitgehend geradlinige Streckenführung einbezog. An-
Laufzeit von Erzeugung, Transport und Verwendung bis zur Grab-
gelegte Wege und durch regelmäßige Benutzung entstande-
lege nicht nachvollzogen werden kann. Der glitzernde Blickfang
ne Begehungshorizonte sind in urnenfelderzeitlichen Siedlun-
hatte vielleicht mehrere Besitzerwechsel hinter sich gebracht,
gen und Gräberfeldern nachgewiesen. Eine Wagenfahrspur, wie
bis er zuletzt ins Grab mitgegeben wurde.
sie im Bereich der Hügelgräbergruppe aus der Čaka-Kultur von Siegendorf-Schuschenwald (Burgenland) dokumentiert werden konnte, ist dennoch eine Ausnahme.13
12.3 Das Unfassbare: Gedanken, Ideen und Philosophien
Scherben, nichts als Scherben und viele Fragen Zerbrochene Keramikgefäße sind das tägliche Brot der prähistorischen Archäologie. Welchen Erkenntnisgewinn kann aus dem gigantischen Scherbenhaufen der Jahrtausende gezogen werden? Keramik ist die Hauptquelle der Datierung. Machart, Form und Oberflächendesign sind sowohl zeit- als auch lokaltypisch. Scherben sind als unstratifizierte Oberflächenfunde zumindest Fundstellenanzeiger und gut für eine grobe zeitliche Einordnung.
Ist das wirklich alles?
Im Idealfall wurden sie schichtbezogen geborgen. Das bedeu-
Dem erhaltenen materiellen Spektrum der Urnenfelderkultur
tet, dass die Keramik aus tiefer liegenden Schichten älter als
mangelt es an Vielfalt und Farbe, was organische Materialien be-
jene Scherben ist, die aus später abgelagerten, höher liegenden
trifft. Die Erhaltungsbedingungen dafür sind nur selten optimal.
Schichten stammen. Prinzipiell ist damit zumindest die relati-
Was im Fundmaterial Niederösterreichs fehlt, ist z. B. die Fülle an
ve Datierung – älter bzw. jünger – möglich. Für die archäologi-
11 Ilon 2015, 253 f. 12 Nessel/Uhnér 2019. 13 Mein Dank für die Auskünfte zu den Funden und Befunden der Ausgrabung Siegendorf-Schuschenwald (Burgenland) gilt Margarete Kaus. Die während der Ausgrabung launig entwickelte Theorie, dass der Krieger aus Hügel 1 die Pyramiden gesehen haben könnte, geht mir seit 1982 nicht aus dem Kopf. Ein Hügelgrab, das an seiner Basis nicht mit einer kreisförmigen, sondern mit einer annähernd quadratischen Steineinfassung befestigt ist, bietet einfach Anlass zu (wilden) Theorien. Kaus K. 1975; Kaus M. 1985/86.
338
sche Forschung ist die leichte Zerbrechlichkeit von Keramik von Vorteil. Ihre Haltbarkeitsspanne ist damit begrenzter als jene von Metall. Insbesondere die zumeist kurze Laufzeit, in der das Objekt funktional war und verwendet wurde, lässt sich damit 14 Grömer/Mehofer 2006; Grömer 2016a, 193 f. und Abb. 112; Grömer 2016b. 15 FWF-Forschungsprojekt: Das Gold des Balkans. Die Goldmine von Ada Tepe (P 28451).
12.3 Das Unfassbare: Gedanken, Ideen und Philosophien
zeitlich enger eingrenzen. Anders bei Metall: Die Stillfrieder
gegrenzt. Es werden Typen definiert und benannt.18 Artefakte
Tasse16 (siehe Kap. 3, Abb. 03_40) wurde über einen längeren
werden gemessen, gewogen, beschrieben, gezeichnet, fotogra-
Zeitraum verwendet. Sie wurde repariert, weitergegeben und en-
fiert, kartiert, nach vielfältigen Kriterien immer wieder neu sor-
dete zuletzt (vermutlich) in einem Grab. Das gute Stück wurde
tiert, verglichen und in Beziehungen zueinander gesetzt. Damit
zumindest nicht wie viele andere ausgediente Bronzeprodukte in
sind die Puzzleteile vorbereitet; das Bühnenbild kann mit Cha-
einem Brucherzdepot mit dem restlichen „Schrott“ gesammelt
rakteristischem ausgestattet werden.
und eingeschmolzen.
Die Lebenswelt wird hierarchisch in Kategorien (Leben, Tod),
Vor allem im Grabzusammenhang stellt sich oft die Frage nach
Unterkategorien (Siedlung, Gräberfeld, Kult) und mehr unterteilt,
der Laufzeit der Dinge und ihrer Wertschätzung. Wurden be-
wie es auch für die vorliegende Publikation getan wurde. Dies ist
stimmte Gefäße extra für diesen Anlass gefertigt? Wurde nur al-
das Bühnenbild, das mit den klassifizierten Puzzleteilchen der
tes oder nur neues Geschirr oder bunt gemischt alte und neue
materiellen Kultur aufgefüllt wird. Viele Puzzleteilchen sind ohne
Keramik mitgegeben? Sollte die Auswahl dem Toten im Jenseits
größeren Zusammenhang, andere bereits in größere Cluster zu
dienen, das Verhältnis der Familie zum Verstorbenen reflektie-
Teilbildern zusammengefügt.
ren, einen Beitrag zur Selbstdarstellung der Erben leisten? Was
Wie die eigentlichen Protagonisten, die Träger der Urnenfelder-
davon war wichtig für den Verstorben, was für die Hinterbliebe-
kultur, sich auf dieser Bühne bewegten und verhielten, kann nur
nen? Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach den Kosten: Wer hat
durch Rückschlüsse erahnt werden. Gesellschaftliche Grenzen,
das organisiert und am Ende die Zeche – von der Aufbahrung
Regulative und Freiräume sind nicht fassbar. Das in vielerlei Be-
über die Einäscherung bis zur Beisetzung der Urne sowie den
langen automatisch ablaufende Verhalten von Personen wird ei-
Totenschmaus – bezahlt? Dies alles sind Fragen, die auch heute
nerseits von familiärer Erziehung, gesellschaftlicher Erwartung
noch bei Begräbnissen relevant sind.
und persönlicher Erfahrung geprägt. Andererseits schnürt eine fundamentale, alles beeinflussende religiös-kultische Weltordnung das Gesamtpaket mit dem Strick der moralisch-rechtlichen
Die Aussagekraft der Lücke
Wertvorstellungen. Werte, die mit all ihren regulativen Elemen-
Sogar die Abstände bei Gefäßensembles in Gruben und Kellern
ten das Leben sämtlicher Mitglieder der Gesellschaft (mit)be-
werfen Fragen auf. Stehen sie dicht gedrängt oder gibt es auf-
stimmten. Inwieweit dieses Wertesystem über oder neben den
fällige Leerräume zwischen ihnen? Die Interpretierbarkeit einer
führenden Eliten stand oder diese sogar das Wertesystem schu-
deutlich sichtbaren Lücke ist eine Herausforderung an jede Auf-
fen und repräsentierten, ist ohne Schriftquellen nicht fassbar.
arbeitung. Ist es ein gewollter Abstand oder befand sich an die-
Dass weltlich Mächtige sich nicht oder zumindest nicht lang über
ser Stelle ein organisches Behältnis? Wo hingen, standen und
die religiös Mächtigen erheben können, wurde in der Geschichts-
lagen die Säcke aus Textil und Leder, die Flechtkörbe und Holz-
schreibung immer wieder festgehalten. So mancher Herrscher
kisten? Weisen Anhäufungen botanischen Materials auf solche
musste schon vor und nach Kaiser Heinrich IV. (1050 – 1106)
vergänglichen Objekte hin? Gibt die Form des Getreidehäuf-
einen Canossagang machen. Anders verhielt es sich, wenn die
chens oder des Leichenbrands Hinweise auf den längst vergan-
Führungsschicht selbst der Priesterkaste angehörte oder die
genen organischen Behälter? Der sorgsam längs ausgerichte-
weltlichen Herrscher irdische Vertreter der himmlischen Mächte
te und nebeneinander liegend vorgefundene Leichenbrand im
waren, wie es unter Pharao Echnaton († 1335 v. Chr.) der Fall
Hügel 2 von Siegendorf-Schuschenwald (Burgenland) legt Ver-
war. Seine politisch-religiöse Tendenz zum Monotheismus ging
mutungen nahe, dass er in einem rechteckigen, organischen Be-
mit einer Entmachtung der Priesterschaft einher. Echnaton ver-
hältnis einsortiert und anschließend beigesetzt wurde.
17
änderte – allerdings nur für die Dauer seiner 17-jährigen Herrschaft – die ägyptische Weltanschauung samt ihrer zugehörigen
Wenn das Bühnenbild steht …
Strukturen maßgeblich.19
Die materiellen Hinterlassenschaften der Urnenfelderkultur werden durch die archäologische Forschung klassifiziert. Sie werden aufgrund übereinstimmender Merkmale voneinander ab-
16 Strohschneider 1976; Kaus M. 1988. 17 Kaus K. 1975; Kaus M. 1985/86.
18 Diese Namen gehören zur Fachsprache und stellen sicher, dass Fach leute schon bei Namensnennung wissen, um welchen Typ es sich handelt, welche Form, Funktion, Datierung etc. damit verbunden sind. 19 Der Sonnengott Aton wurde nicht mehr in Menschengestalt abgebildet, stattdessen wurde die Sonnenscheibe das zentrale Motiv. Dies lädt dazu ein, einen Analogieschluss zum Fehlen von Menschendarstellun gen sowie zu den Sonnenscheiben der Urnenfelderzeit zu ziehen und einen gewissen Ideentransfer anzudenken.
339
12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist
Der Alltag ist kultisch, Kult ist alltäglich
weggeworfen worden sein. Seltenheit, Herkunft, Aufwand sind Wertmaßstäbe, die regelmäßig an archäologische Funde ange-
Das Kultische ist mit dem Alltäglichen aufgrund tradierter, ritu-
legt werden. Sie decken aber nur ein Teilspektrum ihres Werts
alisierter Handlungsabläufe untrennbar verflochten. Eine katho-
ab. Reich und arm allein über Masse statt Klasse zu definieren,
lische Bäuerin, die automatisch ein schnelles Kreuz über dem
ist einseitig.22
Brotlaib schlägt, bevor sie ihn anschneidet, vollzieht dies als ganz normale zugehörige Handbewegung, ohne vorher über die Bedeutung des Segens nachzudenken. In der Spätbronzezeit
Was vom Krieg übrig blieb
muss es zahlreiche vergleichbare Akte im Alltag gegeben haben,
Zuletzt noch ein abschließender Blick auf die martialische
die aus kultischen Gründen dazugehörten, ohne funktional re-
Seite der Urnenfelderkultur: Die Bronzewaffen waren keine Zier-
levant zu sein – weil man das machte, weil sich das so gehörte,
stücke, sondern hochwertige Produkte in funktionalem Design
weil der ursprüngliche Zweck nicht mehr überlegt werden muss-
am Puls der Zeit. Gebrauchsspuren an erhaltener Bewaffnung
te. Es gibt funktionale Handlungen, die religiös wirken, jedoch
sowie an Waffenbruchstücken in Bronzedepots beweisen, dass
eigentlich als Zeitmessung fungierten, weil z. B. der Brotteig
sie im Kampf eingesetzt wurden. Bronzewaffen decken aller-
nur beim Absingen/Aufsagen eines bestimmten Lieds/Gedichts
dings nur einen kleinen Teil des Arsenals ab. Erst die Funde vom
aufgeht.
Erahnen lassen sich gleichförmig ausgeführte Hand-
Schlachtfeld23 im Tollensetal (Deutschland, Mecklenburg-Vor-
lungsabläufe im urnenfelderzeitlichen Totenbrauch, bei dem
pommern) erweiterten aufgrund der dortigen Erhaltungsbedin-
das Begräbnis einem Ritual folgte, das sich z. B. in Reihenfolgen
gen das Spektrum. Es gab durchaus Waffen aus organischem
20
aus Funden und Befunden erschließen lässt. Die materielle
Material, wie z. B. Keulen und Knüppel. Zahlreiche Waffenfunde
Kultur mit kultischem Bezug lässt jedenfalls keinen Rückschluss
sowie Skelettfunde mit tödlichen Verletzungen belegen ausge-
auf diesen ritualisierten Bestandteil des Tagesablaufs zu.21
dehnte Kampfhandlungen, die sich über ein größeres Areal erstreckten. Die zahlreichen Opfer waren, bis auf wenige fragliche
Die Illusion des Wertes
Individuen, ausschließlich junge erwachsene Männer.24 Es wird geschätzt, dass in die Kämpfe, die um 1250 v. Chr. datiert wer-
Der Wert eines Artefakts ist nicht allein über den Materialwert
den, bis zu 1.000 Bewaffnete – darunter möglicherweise Krieger
und den Aufwand bei Herstellung und Herkunft (Import) definier-
aus süddeutschen sowie aus südeuropäischen Gebieten – invol-
bar. Der Materialwert ist abhängig von Angebot und Nachfrage.
viert waren. Solche kriegerischen Konflikte sind weder Ausnah-
Wasser und Brot sind wertvoller als Gold – auf jeden Fall, wenn
men noch lokale Krisenherde, sondern ein Teil der Kriegszüge,
sie in Notzeiten Mangelwaren sind. Nicht umsonst gilt als wert-
die bis nach Griechenland und Ägypten führten. Die Dimensio-
vollstes Gut, was Leib und Seele zusammenhält. Die nicht im-
nen der Schlachten und Auswirkungen der Kämpfe waren jeden-
mer archäologisch belegbaren Trank- und Nahrungsspenden ge-
falls so einschneidend, dass sie im Fund- sowie Befundmaterial
hören somit wahrscheinlich zu den wichtigsten und häufigsten,
fassbar werden und im besten Fall über sie berichtet wurde.
wenn nicht sogar alltäglichsten Opfergaben. Wasser und Brot
Herausragende Ereignisse wurden lange Zeit ausschließlich
sind mit moralischen Werten bemessen auch dann wertvoller,
mündlich überliefert, bis sie zuletzt schriftlich festgehalten wur-
wenn Gold die Mangelware ist. Tatsächlich hat Gold unbestritten
den. „Ilias“ und „Odyssee“, die Epen Homers, zählen zu den be-
einen zeitlos universellen Wert, der über allen anderen Werten
deutendsten Werken der Weltliteratur. Sie beschreiben Ereignis-
zu stehen scheint. Wert ist also Ansichtssache und keine Kons-
se, die im 13. Jh. v. Chr., also am Beginn der Urnenfelderkultur,
tante. Artefakte und Strukturen können ihren Material-, Bedeu-
stattgefunden haben, aber erst im 8. Jh. v. Chr., also am Beginn
tungs- und Funktionswert verlieren. Erinnerungsstücke werden
der Eisenzeit, aufgeschrieben wurden. Die Gesänge der „Ilias“
höher bewertet als Objekte ohne emotionale Bezüge. Positive
rücken zentrale Figuren im Kampf um Troja in den Mittelpunkt.
Emotionen werden als wertsteigernd, negative Konnexe als wert-
Von der 10-jährigen Belagerung werden nur die schicksalsträch-
mindernd empfunden. Der Wert ist abhängig von der persönli-
tigen letzten 51 Tage bis zum Fall der Stadt beschrieben. Die
chen Betrachtung. Was im archäologischen Zusammenhang ein
„Odyssee“ hingegen schildert die abenteuerliche Rückreise des
wichtiges Fundstück (z. B. Geweberest) und daher wertvoll ist,
listenreichen Königs von Ithaka, der am Trojanischen Krieg nur
mag in der Vergangenheit als geringwertig angesehen und daher 20 Mündliche Überlieferung aus der Familiengeschichte meiner Mutter Irmgard Laue (1931–2020).
22 Stockhammer 2016.
21 Fogelin 2007.
24 Terberger/Dombrovsky/Dräger et al. 2014, 105–106 Abb. 3.
340
23 Jantzen/Orschiedt/Piek et al. 2014.
12.4 Literatur
widerwillig teilgenommen hatte, weil er dazu verpflichtet worden war. Alle Protagonisten sind heldenhafte Archetypen, die ein reichhaltiges Identifikationspotenzial für Männer bieten. Ein wesentlicher Grund, warum diese beiden Epen quer durch drei Jahrtausende international großen Einfluss auf Kunst und Literatur ausüben. Seit der Spätbronzezeit haben sich „Ilias“ und „Odyssee“ als Blockbuster erwiesen, heute sind sie Bestandteil der Popkultur. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Geschichtenerzähler im öffentlichen Bereich und Vortragende im elitären Kreis von großer Bedeutung waren. Inhaltlich angesiedelt zwischen Information und Unterhaltung, trugen sie zum Statuszuwachs der Waffenträger und dem Aufrechthalten der Wertevorstellungen bei. Gemeinschaftserlebnisse verbinden, umso mehr, wenn sie traumatisierende Ereignisse wie Kämpfe, Schlachten und Kriege betreffen. Es ist im Fundgut nicht nachweisbar, doch muss ein bedeutendes Ausmaß an Kontakten, Bindungen und Verpflichtungen unter den Veteranen angenommen werden. Das bedeutet, dass Schlachten und kriegerisch motivierte Migrationen nicht nur kurzfristige Auswirkung auf die betroffenen Siedlungen und Regionen hatten, sondern bestehende und zukünftige Allianzen entscheidend beeinflussten. Die Grenze der archäologischen Forschung ist erreicht, wenn gesellschaftliche Interaktionen mit allen ihren Aspekten über die materielle Kultur hinaus erschlossen werden sollen. Was bleibt, ist Theorien zu entwickeln und Analogieschlüsse zu ziehen, die sich vielleicht langfristig bestätigen – oder eben auch nicht.
12.4 Literatur Burmeister/Scheeßel 2006: S. Burmeister/N. Müller-Scheeßel, Einfüh rung: Die Identifizierung sozialer Gruppen. Die Erkenntnismög lichkeiten der Prähistorischen Archäologie auf dem Prüfstand. In: S. Burmeister/N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), Soziale Gruppen – kulturelle Grenzen. Die Interpretation sozialer Identitäten in der Prähistorischen Archäologie, Tübinger Archäologische Taschenbücher 5 (Münster, New York, München, Berlin 2006), 9–37. Egger 2006: M. K. H. Egger, Archäologie. Grundzüge einer historischen Kulturwissenschaft (Tübingen 2006). Fogelin 2007: L. Fogelin, The Archaeology of Religious Ritual, Annual Review of Anthropology 2007/36, 55–71. Grömer 2016a: K. Grömer, The Art of Prehistoric Textile Making. The development of craft traditions and clothing in Central Europe, Veröffentlichungen der Prähistorischen Abteilung 5 (Wien 2016). Grömer 2016b: K. Grömer, Colour, Pattern and Glamour. Textiles in Central Europe 2000–400 BC. In: J. Ortiz/C. Alfaro/L. Turell/ M. J. Martínez (Hrsg.), Textiles, Basketry and Dyes in the An cient Mediterranean World Textiles, Proceedings of the Vth International Symposium on Textiles and Dyes in the Ancient Mediterranean World, Montserrat 19–22 March 2014 (València 2014), 37–44. Grömer/Mehofer 2006: K. Grömer/M. Mehofer, Metallfunde mit ankorrodierten Textilien aus Vösendorf und Mautern. Rasterelek tronenmikroskopische Analysen anhand urnenfelderzeitlicher und spätantiker Beispiele, AÖ 17/1, 59–65. Hodder 1992: I. Hodder, Theorie und and Practice in Archaeology (London 1992). Hodder 1995: I. Hodder, Towards a contextual methodology. In: M. Kuna/N. Vencelová, Wither Archaeology? Papers in Honour of Evžen Neustupný (Praha 1995), 249–254. Hodder 2016: I. Hodder, Studies in Human-Thing Entanglement (Open Access 2016). Ickerodt 2011: U. F. Ickerodt, Der ganze Mensch: Archäologie und Geschichte als Historische Anthropologie. In: S. Burmeister/ N. Müller-Scheeßel (Hrsg.), Fluchtpunkt Geschichte, Archäolo gie und Geschichtswissenschaft im Dialog (Münster, New York, München, Berlin 2011), 269–296. Jantzen/Orschiedt/Piek et al. 2014: D. Jantzen/J. Orschiedt/J. Piek/ Th. Terberger (Hrsg.), Tod im Tollensetal. Forschungen zu den Hinterlassenschaften eines bronzezeitlichen Gewaltkonfliktes in Mecklenburg-Vorpommern Teil 1: Die Forschungen bis 2011, Beiträge zur Ur und Frühgeschichte MecklenburgVorpom merns 50 (Schwerin 2014). Ilon 2015: G. Ilon, Zeitstellung der Urnenfelderkultur (1350/1300–750/ 700 BC) in West-Transdanubien. Ein Versuch mittels Typochronologie und Radiokarbondaten. In: S. Berecki/R. E. Németh/ B. Rezi (Hrsg.), Bronze Age Chronology in the Carpathian Basin. Proceedings of the International Colloquium from Târgu Mureş 2–4 October 2014, Bibliotheca Mvsei Marisiensis seria archae ologica VIII (Târgu Mureş 2015), 223–397.
341
12. Puzzleteile – Warum das Interpretieren so schwierig ist
Kaus K. 1975: K. Kaus, Das Kriegergrab von Siegendorf. In: Festschrift Siegendorf im Burgenland (Siegendorf 1975), 42–51. Kaus M. 1985/86: M. Kaus, KG Siegendorf, FÖ 24/25, 1985/86, 237 f. Metzner-Nebelsick 2015: C. Metzner-Nebelsick, Frauenrollen in der Bronzezeit. In: Faszinosum Lausitzer Kultur. Identitäten und Persönlichkeiten der Bronzezeit. Eine Annäherung über die Jahrtausende. Schriftenreihe der Spreewälder Kulturstiftung Burg-Müschen 5 (Berlin 2015), 36–52. Metzner-Nebelsick 2018: C. Metzner-Nebelsick, Creativity versus Taboo in Late Bronze Age Central and Southeast Europe. In: J. Sofaer, Considering Creativity Creativity, Knowledge and Practice in Bronze Age Europe (Oxford 2018), 39–54. Nessel/Uhnér 2019: B. Nessel/C. Uhnér, Transportation in Bronze Age Europe. Digging in the Past of Old Europe. In: V. Sîrbu/ A. Comșa/D. Hortopan (Hrsg.), Studies in Honor of Christian Schuster at his 60th Anniversary, Editura Istros a Muzeului Brăilei “Carol I” (Târgu Jiu, Brăila 2019), 256–276. Perego 2015: E. Perego, Bodies and Persons. In: A. Gardner/M. Lake/ U. Sommer, The Oxford Handbook of Archaeological Theory, (Stand 17. Nov. 2015). DOI: 10.1093/oxfordhb/9780199567942.013.021, letzter Zugriff: August 2020.
342
Stockhammer 2016: P. W. Stockhammer, Arm und Reich in der Urgeschichte: Methodische Überlegungen. In: H. Meller/H. P. Hahn/ R. Jung/R. Risch (Hrsg.), Arm und Reich – Zur Ressourcenver teilung in prähistorischen Gesellschaften, 8. Mitteldeutscher Archäologentag vom 22. bis 24. Oktober 2015 in Halle (Saale) Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale) 14/1 (Halle [Saale] 2016), 77–84. Strohschneider 1976: M. Strohschneider, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von Stillfried, FIST 2 (Wien 1976), 31–69. Terberger/Dombrovsky/Dräger: et al. 2014: Th. Terberger/ A. Dombrowsky/J. Dräger/D. Jantzen/J. Krüger/G. Lidke, Professionelle Krieger in der Bronzezeit vor 3300 Jahren? Zu den Überresten eines Gewaltkonfliktes im Tollensetal, Mecklenburg-Vorpommern. In: T. Link/H. Peter-Röcher (Hrsg.), Gewalt und Gesellschaft. Dimensionen der Gewalt in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Internationale Tagung vom 14.–16. März 2013 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. UPA 259 (Bonn 2014), 93–109. Wodtke 2013: P. Wodtke, Archäologie als Kulturwissenschaft, Forum Kritische Archäologie 2, 2013, 1–13.
13. Abkürzungen von Zeitschriften und Reihen
13. Abkürzungen von Zeitschriften und Reihen
Annalen NHM Wien = Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien AÖ = Archäologie Österreichs ArchA = Archaeologia Austriaca BAR = British Archaeological Reports BRGK = Berichte der Römisch-Germanischen Kommission FIST = Forschungen in Stillfried FÖ = Fundberichte aus Österreich FÖMat = Fundberichte aus Österreich, Materialhefte MAG = Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien MPK = Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften PamA = Památky archeologické UPA = Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie WPZ = Wiener Prähistorische Zeitschrift
344
14. Autorinnen und Autoren
14. Autorinnen und Autoren Mag. Katharina Adametz
Priv.-Doz. Mag. Dr. Andreas G. Heiss
Eisenbergeramt 16, A-3542 Jaidhof; [email protected]
Österreichisches Archäologisches Institut (ÖAI) der Österrei-
Studium der Ethnologie, Soziologie und Ur- und Frühgeschichte
chischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Zentrale Wien,
an der Universität Wien, 2010 Diplomprüfung. Während des
Franz-Klein-Gasse 1, A-1190 Wien; [email protected]
Studiums sowie danach Mitarbeit bei verschiedenen Grabungs-
Studium der Biologie (Schwerpunkt Archäobotanik) an der
firmen, Leitung von Ausgrabungen verschiedener Epochen in
Universität Innsbruck, seit 2001 in zahlreichen nationalen
Niederösterreich. Zurzeit lebt sie mit ihrer Familie im Waldviertel
und internationalen Forschungsprojekten tätig, mit Fokus auf
und ist bei der Grabungsfirma ASINOE GmbH beschäftigt.
Ernährungs-, Landwirtschafts- und Bergbaugeschichte, u. a.
Dr. Ruth Drescher-Schneider
Fundstelle Prigglitz. Lehrtätigkeit an der Universität für Boden-
Schillingsdorfer Straße 27, A-Kainbach bei Graz;
kultur Wien (BOKU), der Universität Wien und der Universität
archäobotanische Untersuchungen der urnenfelderzeitlichen
[email protected]
für Angewandte Kunst Wien. 2015 Gründungsmitglied der Bio-
Geboren und aufgewachsen in der Schweiz. Studium der Botanik,
archäologischen Gesellschaft Österreichs (BAG). Seit 2016
Zoologie und Ur- und Frühgeschichte in Bern, Göttingen und
Mitglied des Departments für Bioarchäologie des ÖAI und
Bologna. Nach dem Doktorat in Vegetationsgeschichte Mitarbeit
Leiter des Archäobotaniklabors, Leitung der Forschungsgruppe
in zahlreichen Projekten zur Vegetations-, Klima- und Landschafts-
„Mensch-Umweltverhältnis in historischen Gesellschaften“.
geschichte der vergangenen 300.000 Jahre in der Schweiz, Österreich und Italien. Aktuell: „Face Alps – Interdisziplinäre
Dipl.-Päd. Mag. Dr. Irmtraud Hellerschmid
Forschung zum Mensch-Umweltverhältnis rund um den Hall-
Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA),
stätter See“.
Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Hollandstraße 11–13, A-1020 Wien; [email protected]
Mag. Dr. Monika Griebl
Studium der Ur- und Frühgeschichte und Anthropologie an der
Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA),
Universität Wien. Seit Mitte der 1990er Jahre Mitarbeiterin bei
Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Holland-
archäologischen Notbergungen in Niederösterreich; Projekt-
straße 11–13, 1020 Wien; [email protected]
entwicklung und Durchführung des FWF-Projekts „Stillfried am
Studium der Ur- und Frühgeschichte und Völkerkunde an der
Übergang von der Urnenfelder- zur Hallstattzeit“. Seit 2007
Universität Wien, wissenschaftliche Mitarbeiterin in mehreren
wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Österreichischen Akade-
Forschungsprojekten. Seit 2007 Forschungsschwerpunkt Still-
mie der Wissenschaften. 2011–2015 Leitung des Projekts
fried an der March, dazu ab 2011 in zwei FWF-Projekten zu den
„Menschen- und Tierdepositionen. Opferkult in Stillfried?“
Themen „Tier- und Menschenniederlegungen – Kult in Stillfried?“ sowie „Ressourcensicherung. Macht und Kult in Stillfried?“ – tätig.
346
14. Autorinnen und Autoren
Dr. Susanne Klemm
Dr. Ernst Lauermann WHR
Wien; [email protected]
Landesarchäologe von Niederösterreich i. R, lebt in Stockerau;
Studium der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien,
[email protected]
Lehramt für Volksschulen an der Pädagogischen Akademie
Ab 1976 Studium der Ur- und Frühgeschichte und der Mittel
in Baden bei Wien, freiberufliche Archäologin und Kultur-
alterlichen Geschichte an der Universität Wien, 1988 Promotion.
vermittlerin, Leitung von Forschungsprojekten (FWF) an der
Ab 1992 Prähistoriker im Niederösterreichischen Landesdienst,
Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
Abt. K1 Kultur und Wissenschaft. In den Jahren 2005–2017
(2003–2014), Forschungsschwerpunkte: Siedlungs-, Land-
Landesarchäologe für Ur- und Frühgeschichte und Mittelalter
schafts- und Montanarchäologie (Urgeschichte bis Neuzeit),
archäologie Niederösterreichs, wissenschaftlicher Leiter des
archäologische und interdisziplinäre Publikationen.
MAMUZ in Asparn an der Zaya und der ur- und frühgeschichtlichen Landessammlung. Projekte und Ausgrabungen: u. a.
Dr. Daniela Kern †
1983–1994 Unterparschenbrunn und Unterhautzental,
Studium der Ur- und Frühgeschichte sowie der Humanbiologie
1995–2005 Michelstetten und Mitterretzbach, 2006–2009
an der Universität Wien. Ab 1980 überwiegend freiberufliche
Hausleiten, Herzogbierbaum und Getzersdorf, 2010–2013
Tätigkeit im Rahmen von Projekten u. a. für die Universität Wien,
Michelberg, 2014–2015 Hollabrunn, 2017 Großmugl.
die Österreichische Akademie der Wissenschaften, das Naturhistorische Museum Wien und das Niederösterreichische Landes-
Dr. Michaela Lochner
museum. Arbeitsschwerpunkte bildeten das Spätneolithikum
Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA),
sowie die Spätbronzezeit mit den Themenschwerpunkten ma-
Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Holland-
terielle Kultur, Mobilität, Migration und Kindheit in urzeitlichen
straße 11–13, A-1020 Wien; [email protected]
Gesellschaften, u. a. Publikationen zu den Höhensiedlungen
Studium der Ur- und Frühgeschichte und Humanbiologie an
Thunau am Kamp und Oberleiserberg.
der Universität Wien. Seit 1997 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Prähistorischen Kommission, danach Institut für Orienta-
Mag. Dr. Günther Karl Kunst
lische und Europäische Archäologie der Österreichischen
Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS), Interdiszipli-
Akademie der Wissenschaften. 2003 Durchführung der 1. Ta-
näre Forschungsplattform Archäologie der Universität Wien,
gung zur Urnenfelderkultur in Österreich, in Folge Aufbau des
UZA II, Althanstraße 14, A-1090 Wien;
Forschungsschwerpunkts Spätbronzezeit, Etablierung des
[email protected]
jährlich stattfindenden Workshops „UK-Gespräche“, Leitung
Studium der Erdwissenschaften an der Universität Wien,
von Forschungsprojekten zu Thunau am Kamp, Oberleiserberg,
Studienabschluss 1992 im Bereich Wirbeltierpaläontologie,
Franzhausen-Kokoron, zahlreiche Publikationen u. a. zur Urnen
2001 Promotion zum Dr. rer. nat. in Paläontologie an der Univer-
felderkultur im Waldviertel und den Gräberfeldern Baierdorf,
sität Wien. Seit 1994 Vertragsbediensteter für das Fach Archäo-
Horn und Franzhausen-Kokoron. Ab 2015 Leiterin des Langzeit-
zoologie bei VIAS. Bearbeitung von Tierresten aus archäozoolo-
forschungsvorhabens „Urnfield Culture Networks“. Von Mai 2017
gischen Fundzusammenhängen von der jüngeren Urgeschichte
bis zur Pensionierung im Februar 2018 stellvertretende Direk-
bis in die Neuzeit aus Österreich, u. a. von den Fundstellen
torin von OREA. Mitherausgeberin der Zeitschrift „Archaeologia
Carnuntum und Thunau am Kamp. Mitarbeiter bei Grabungs
Austriaca“. Forschungsschwerpunkte: späte Bronzezeit/Urnen-
projekten in Ägypten und der Türkei. Seit 1994 Lehrbeauftragter
felderkultur in Zentraleuropa, Keramiktypologie sowie Grabritus
für Archäozoologie; Forschungsschwerpunkte: menschliche
und Gesellschaft.
Arbeitsspuren am Tierskelett, Tierreste und Fundschichtbildung, regionale Faunengeschichte.
347
14. Autorinnen und Autoren
Mag. Dr. (habil.) Marianne Mödlinger
Dr. Hans-Peter Stika
Institut de recherche sur les Archéomatériaux, Centre de recher-
Institut für Botanik FG Molekulare Botanik (190a), Universität
che en physique appliquée à l’archéologie (IRAMAT-CRP2A),
Hohenheim, Garbenstraße 30, D-70593 Stuttgart; hans-peter.
Université de Bordeaux Montaigne;
[email protected]
[email protected]
Studium der Wirtschaftswissenschaften und Biologie an der
Studium und Promotion am Institut für Ur- und Frühgeschichte
Universität Hohenheim, Stuttgart. Archäologische Ausgrabungen
der Universität Wien. Nach dem Studium Tätigkeit für das Landes-
beim Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Promotions-
museum Kärnten sowie für internationale Projekte im Baltikum,
studium am Institut für Vor- und Frühgeschichte der Ludwig-
Frankreich und Italien. Forschungsschwerpunkte sind die euro-
Maximilians-Universität München. Promotion an der Leopold-
päische Bronzezeit, Bronzemetallurgie, Archäometrie und ur-
Franzens-Universität Innsbruck nach Vorlage der Dissertations-
geschichtliche Bewaffnung. Habilitation in Italien, wo sie heute
schrift „Römerzeitliche Pflanzenreste aus Baden-Württemberg“.
lebt.
Mitarbeit an vielen internationalen archäologischen Projekten in Europa sowie der Türkei, Ägypten und Nigeria. Seit 2011 Fest
Dr. Michaela Popovtschak
anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für
Laudongasse 69, 1080 Wien; [email protected]
Botanik der Universität Hohenheim.
Studium der Botanik, Anthropologie sowie Philosophie, Sozialund Kulturanthropologie an der Universität Wien; Promotion im
Mag. Sigrid Strohschneider-Laue
Fachbereich Archäobotanik. Seit 1989 Mitarbeit bei archäologi-
Kaiserstraße 67/2/32, A-1070 Wien; [email protected]
schen Grabungen, vorwiegend in Österreich als – eine dreijäh-
Geboren und aufgewachsen in Frankfurt am Main.
rige Karenzvertretung an der interdisziplinären Einrichtung für
1981–1987 Studium der Ur- und Frühgeschichte, Klassischen
Archäologie an der Universität Wien (IDEA, heute VIAS) ausge-
Archäologie, Philosophie und Numismatik an der Universität
nommen – freiberufliche Archäobotanikerin.
Wien. Ausgrabungen im In- und Ausland sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin (u. a. Projekte zu Stillfried an der March).
Dr. Silvia Renhart
1994–2002 Stadtarchäologin in Wien, Kulturabteilung (MA 7).
Abteilung Archäologie & Münzkabinett, Universalmuseum
Ab 2003 freiberufliche Publizistin, Kulturvermittlerin im Museums-
Joanneum Graz, Schloss Eggenberg, Eggenberger Allee 90,
und Ausstellungswesen – darunter NÖ Museen und Landesaus-
A-8020 Graz; [email protected]
stellungen – mit Schwerpunkten auf Lehrmaterialien und Abfas-
Studium der Anthropologie, Völkerkunde und Ur- und Frühge-
sung barrierefreier Inhalte; Fachlektorin v. a. für archäologische
schichte an der Universität Wien; Universitätslektorin, Sach-
Publikationsvorhaben.
verständigentätigkeiten, Kulturvermittlerin sowie Publizierende, Museums- und Ausstellungsberatungen, Korrespondentin der Historischen Landeskommission für Steiermark. Archäologisch-anthropologische Forschungsschwerpunkte: Leichenbranduntersuchungen (u. a. der Gräberfelder FranzhausenKokoron und Inzersdorf ob der Traisen), Sonderbestattungen v. a. Mittel- und Jungsteinzeit, Studien zu Bevölkerungen der letzten 2.000 Jahre im Osten und Süden Österreichs.
348
14. Autorinnen und Autoren
Univ.-Prof. Mag. Dr. Peter Trebsche Institut für Archäologien, Universität Innsbruck, Langer Weg 11, 6020 Innsbruck; [email protected] Studium der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien, 2005 Promotion und 2018 Habilitation für das Fach Urgeschichte und Historische Archäologie. 2001–2005 Mitarbeiter an der Römisch-Germanischen-Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts in Frankfurt am Main; 2009–2019 Mitarbeiter am Urgeschichtemuseum Asparn/Zaya; seit 2019 Universitätsprofessor für Ur- und Frühgeschichte am Institut für Archäologien der Universität Innsbruck. Forschungsschwerpunkte: Siedlungsarchäologie der Eisenzeit, Bergbau der Bronzezeit (Grabung Prigglitz), urgeschichtliche Architektur, Mikroarchäologie, Ausgrabungsmethoden und Theorien in der Archäologie. Dr. Karin Wiltschke-Schrotta Anthropologische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien, Burgring 7, A-1010 Wien; [email protected] Studium der Anthropologie und Zoologie an der Universität Wien, Promotion 1988. Nach einem Auslandsaufenthalt in den USA ist sie seit 1995 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums. Schwerpunkte ihrer Forschung sind Themen der prähistorischen Anthropologie. Seit Anbeginn ihrer beruflichen Tätigkeit im Museum war sie in die Befundaufnahme der urnenfelderzeitlichen Skelette aus Stillfried involviert. Seit 2016 leitet sie die Anthropologische Abteilung des Naturhistorischen Museums.
349