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German Pages 411 [412] Year 2013
Cornelia Briel
Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet
Cornelia Briel
Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945 Herausgegeben von Hans Erich Bödeker und Gerd-Josef Bötte in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Mit einem Geleitwort von Barbara Schneider-Kempf
Akademie Verlag
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Inhalt Zum Geleit ………………………………………………………………………………… 5 Vorwort …………………………………………………………………………………… 7 Danksagung ………………………………………………………………………………… 10
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Einleitung ………………………………………………………………………………… 11
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Die Reichstauschstelle: Vom Schriftentausch zum Wiederaufbau zerstörter Bibliotheken
2.1 2.1.1
Bibliotheksförderung durch die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft Einrichtung und Aufgaben des Bibliotheksausschusses der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft………………………………………………………………… 29 Die Gründung der Reichstauschstelle ……………………………………………………… 33 Zur Praxis des Dublettentauschs …………………………………………………………… 34 Die Erschließung der Dubletten aus den Bibliotheken der Reichsbehörden ……………… 36 Die Anfänge des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs und die Dienststelle „Deutsches Buch“ ………………………………………………………………………… 37 Die Angliederung der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft an die Preußische Staatsbibliothek Die Kontroversen über das Fortbestehen der zentralen Bibliotheksförderung ……………… 39 Die Modalitäten der Angliederung an die Preußische Staatsbibliothek …………………… 41 Reichstauschstelle, Beschaffungsamt der Deutschen Bibliotheken und Deutsch-Ausländischer Buchtausch unter der Verwaltung des Generaldirektors der Preußischen Staatsbibliothek Das administrative Verhältnis zur Preußischen Staatsbibliothek …………………………… 44 Das Beschaffungsamt der deutschen Bibliotheken und die Reichstauschstelle an der Preußischen Staatsbibliothek Die prekäre finanzielle Situation des Beschaffungsamtes nach der Angliederung an die Preußische Staatsbibliothek ………………………………………………………… 48 Die wachsende Bedeutung der Reichstauschstelle seit 1934 ……………………………… 55 Der Aufbau von Bibliotheken durch die Reichstauschstelle ……………………………… 61 Jürgens’ Bemühungen um beschlagnahmte Literatur und ihre Verteilung durch die Reichstauschstelle ……………………………………………………………………… 62 Jürgens’ Konflikte mit dem NS-Regime …………………………………………………… 68 Der Deutsch-Ausländische Buchtausch an der Preußischen Staatsbibliothek – Buchpropaganda im Auftrag des Auswärtigen Amtes ……………………………………… 73 Die Aufgaben des Beschaffungsamtes während des Krieges. Die Beschaffung ,kriegswichtiger‘ Zeitschriften und die Auseinandersetzungen mit den Zensurbehörden des NS-Regimes ………………………………………………………… 78
2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3
2.3.1 2.3.2 2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.2.3 2.3.2.4 2.3.2.5 2.3.3 2.3.4
Inhalt 2.3.5 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.4.3 2.4.4 2.4.4.1 2.4.4.2 2.4.5 2.4.5.1 2.4.5.2 2.4.5.3 2.4.5.4 2.4.5.5 2.4.5.6 2.4.5.7 2.4.5.8 2.4.5.9 2.4.5.10 2.4.5.11 2.4.5.12 2.4.6 2.5
Personal und räumliche Unterbringung der Reichstauschstelle, des Beschaffungsamtes und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs …………………… 88 Das Wiederaufbauprogramm für die im Krieg beschädigten und zerstörten deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken Vorkehrungen zum Schutz der Bibliotheksbestände ……………………………………… 94 Jürgens’ Initiativen für den Wiederaufbau Die Konzeption eines Wiederaufbauprogramms ………………………………………… 98 Beschlagnahmte Bücher als Grundstock für den Wiederaufbau ………………………… 100 Die Bücher aus den Berliner ‚Judenwohnungen‘ ………………………………………… 103 Die Vorbereitungen des Wiederaufbauprogramms durch die beteiligten Ministerien …… 105 Die Regelungen zur Durchführung des Wiederaufbaus Das Verfahren der Schadensmeldung und der Ersatzleistungen für die Bibliotheken …… 110 Die finanzielle Ausstattung des Wiederaufbauprogramms………………………………… 112 Die Literaturbeschaffung für den Wiederaufbau Die logistischen Grundlagen ……………………………………………………………… 114 Erwerbungen auf dem Antiquariatsmarkt ………………………………………………… 122 Die Erwerbung von Privatbibliotheken …………………………………………………… 123 Die von den Finanzbehörden erworbenen Privatbibliotheken verfolgter Juden…………… 124 Hermann Fuchs’ Ankäufe für die Reichstauschstelle in Frankreich ……………………… 128 Jürgens’ Ankäufe in Belgien, den Niederlanden und Dänemark ………………………… 132 Jürgens’ Ankäufe in Italien………………………………………………………………… 136 Die Bücher des Tschechoslowakischen Historischen Instituts in Rom …………………… 137 Die ‚Dubletten‘ aus der Westraumbibliothek Metz ……………………………………… 139 Beschlagnahmte Bücher aus der Buchsammelstelle in Posen …………………………… 140 Beschlagnahmte Bücher aus der Synagoge in Triest ……………………………………… 142 Die Angebote des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg ………………………………… 143 Das Scheitern des Wiederaufbauprogramms ……………………………………………… 147 Die Reichstauschstelle bei Kriegsende und in der Nachkriegszeit………………………… 151
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NS-Raubgut in der bibliothekarischen Praxis der Preußischen Staatsbibliothek
3.1 3.1.1
Die Erwerbung beschlagnahmter Literatur aufgrund gesetzlicher Regelungen Das Ersuchen des Generaldirektors um die Berücksichtigung der Preußischen Staatsbibliothek bei der Verteilung von NS-Raubgut im Mai 1933 ……………………… 161 Die Begünstigung der Preußischen Staatsbibliothek durch die Erlasse des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934 und 16. Juli 1934 ………………… 162 Die Bemühungen um die Versorgung mit beschlagnahmten Büchern und ,Emigranten-Literatur‘ durch die Geheime Staatspolizei ………………………………… 164 Die Erwerbung der Bibliothek der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands…………… 166 Erwerbungen beschlagnahmter kleinerer Bibliotheken über die Geheime Staatspolizei und lokale Polizeibehörden ………………………………………………… 174
3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5
Inhalt 3.1.5.1
3.1.5.2 3.1.5.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.1.1 3.5.1.2 3.5.1.3 3.5.1.4 3.5.1.5 3.5.2 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.7 3.8 3.8.1 3.8.1.1 3.8.1.2 3.8.1.3
Die beiden Verfahren im Umgang mit dem NS-Raubgut: Auswahl für die Bestände der Preußischen Staatsbibliothek oder ,Unterverteilung‘ an andere wissenschaftliche Bibliotheken ……………………………………………………………………………… 174 Die Bücher und ihre Eigentümer ………………………………………………………… 178 Die Berücksichtigung anderer Interessenten und die Vernichtung des der Preußischen Staatsbibliothek ,zustehenden‘ Raubguts durch die beschlagnahmenden Behörden ……… 184 Die Beziehungen der Preußischen Staatsbibliothek zur SS Die Zurücksetzung der Ansprüche der Preußischen Staatsbibliothek hinter die der Zentralbibliothek des Sicherheitshauptamtes ……………………………………………… 186 Die Übernahme eines Teils der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main ………………………………………………………………………… 193 Der Dublettentausch mit der Zentralbibliothek des Sicherheitshauptamtes ……………… 196 Geschenke an die Bibliothek der Wewelsburg …………………………………………… 200 Die Kooperation zwischen der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle … 203 Die Zugänge von beschlagnahmten Hebraica und Judaica ……………………………… 206 Bibliotheksorganisatorische Konsequenzen aus der Erwerbung von Raubgut Zur Praxis der Sekretierung an der Preußischen Staatsbibliothek Die Frage des Eigentums an beschlagnahmter und verbotener Literatur ………………… 211 Die Entwicklung eines Geschäftsgangs zur Sekretierung beschlagnahmter und indizierter Literatur an der Preußischen Staatsbibliothek ………………………………… 213 Die Sekretierung der indizierten Altbestände……………………………………………… 217 Die Einführung einer zweiten Sekretierungsstufe durch die Generaldirektion im November 1936 …………………………………………………………………………… 220 Die Anordnung über die Behandlung des zu sekretierenden Schrifttums vom 8. Mai 1942 ……………………………………………………………………………… 222 Das mit der Erwerbung von NS-Raubgut befasste Personal der Preußischen Staatsbibliothek …………………………………………………………………………… 224 Unter dem Druck des NS-Regimes geplante oder erfolgte Überstellungen von Bibliotheken an die Preußische Staatsbibliothek ………………………………………… 230 Die Bücher und Möbel Walther Rathenaus ……………………………………………… 230 Kauf- bzw. Geschenkangebot und Auflösung: Zwei preußische Freimaurerbibliotheken … 233 Die Übernahme weiterer Bibliotheken …………………………………………………… 235 Ankäufe unter dem Druck der Verfolgung durch das NS-Regime ………………………… 236 Der Umgang der Preußischen Staatsbibliothek mit geraubter Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten ……………………………………………………… 241 Der Zugang von NS-Raubgut nach dem Überfall auf Polen Umfang und Herkunft polnischen Raubguts ……………………………………………… 242 Die Weitergabe geraubter polnischer Bücher an die Staatliche Kunstbibliothek in Berlin …………………………………………………………………………………… 244 Schutz oder Zerstörung und Umstrukturierung? Krüß’ und Beckers Umgang mit polnischem Bibliotheksgut und dem polnischen Bibliothekswesen ……………………… 245
Inhalt 3.8.2
3.9
Schutz von Bibliotheken, Rückforderungen von deutschem Kulturgut und Erwerbungen im besetzten Frankreich und Belgien Die Verknüpfung von Bibliotheksschutz und Rückforderungen und die Abgrenzung der Bibliotheksschutzreferate zum Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg ………………… 250 Die Einrichtung der Bibliotheksschutzreferate in Paris und Brüssel ……………………… 254 Zur Tätigkeit der Bibliotheksschutzreferate in Paris und Brüssel ………………………… 257 Ungeregelte Zuständigkeiten Heeresbüchereien und Heeresarchive ……………………… 261 Hermann Fuchs’ Erwerbungen in Frankreich Die Überstellung beschlagnahmter französischer Literatur ……………………………… 265 Ankaufsmittel und Importmodalitäten …………………………………………………… 269 Die Ankäufe für die Erwerbungs- und die Orientalische Abteilung ……………………… 271 Ankäufe für die Sonderabteilungen ……………………………………………………… 278 Zugänge von NS-Raubgut nach dem Überfall auf die Sowjetunion ……………………… 282 Die Preußische Staatsbibliothek und das Raubgut des Sonderkommandos Künsberg …… 284 Raubgut des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg ………………………………………… 285 Literaturverteilung durch die Wehrmacht ………………………………………………… 287 Die Bearbeitung der geraubten Bücher aus dem Geca Kon Verlag in Belgrad …………… 294 Die Geschenke des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda: „1.000 französische Publikationen“ ……………………………………………………… 296 Die unbearbeiteten Bestände der Preußischen Staatsbibliothek …………………………… 297
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Zusammenfassung …………………………………………………………………… 303
3.8.2.1 3.8.2.2 3.8.2.3 3.8.3 3.8.4 3.8.4.1 3.8.4.2 3.8.4.3 3.8.4.4 3.8.5 3.8.6 3.8.7 3.8.8 3.8.9 3.8.10
Abbildungen ……………………………………………………………………………… 313 Abkürzungen ……………………………………………………………………………… 335 Quellen und Literatur Ungedruckte Quellen ……………………………………………………………… 337 Gedruckte Quellen und Literatur …………………………………………………… 345 Register …………………………………………………………………………………… 364 Personenregister …………………………………………………………………… 365 Register der Bibliotheken und Privatbibliotheken ………………………………… 383 Register der Geographica, Institutionen und Organisationen ……………………… 391 Bildnachweis ……………………………………………………………………………… 407
Zum Geleit Die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz blickt im 350. Jahr ihres Bestehens zurück auf eine lange und zumeist auch ruhmvolle Vergangenheit. In der Rechtsnachfolge der Preußischen Staatsbibliothek stellt sich die Staatsbibliothek aber auch den dunklen Seiten ihrer Vergangenheit. Denn was zwischen 1933 und 1945 als rechtmäßig galt, gilt heute, 60 bis 70 Jahre später, bei weitem nicht mehr als rechtmäßig, sondern als widerrechtliche Aneignung fremden Eigentums. Es muss mit aller Deutlichkeit unterschieden werden zwischen Besitz und Eigentum – und Bücher, die in unserem Besitz sind, sind nicht notwendigerweise auch unser Eigentum. Oder, noch drastischer formuliert: Ich dulde es nicht, dass sich gestohlene Bücher unter unseren Beständen befinden. Die Staatsbibliothek zu Berlin beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Problematik von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in ihren Sammlungen. Die 2007 mit der Einrichtung eines speziellen Arbeitsbereichs in der Abteilung Historische Drucke begonnene systematische Aufarbeitung aller Verdachtsfälle wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen, gleichzeitig aber zusammen mit der wissenschaftlichen Erforschung der institutionellen Hintergründe wertvolle Erkenntnisse zur Ermittlung von NS-Raubgut auch über die Staatsbibliothek zu Berlin hinaus liefern.
Beschlagnahmt, erpresst, erbeutet – Die Preußische Staatsbibliothek mit ihrer führenden Rolle im deutschen Bibliothekswesen war nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten auf vielfältige Weise in Erwerbung und Verteilung von Raubgut involviert. Dieses Raubgut stammte zunächst aus dem Besitz von rassisch bzw. politisch Verfolgten, in den späteren Jahren befanden sich auch Bücher aus Kriegsbeute darunter. Im Spätsommer 1934 wurde zudem die Reichstauschstelle, die in ihrer zentralen Funktion ebenfalls an der Verteilung von Raubgut mitwirkte, dem Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek als eigenständige Dienststelle des Reiches unterstellt. Mit der vorliegenden Studie von Cornelia Briel, die im Rahmen eines Kooperationsprojekts zwischen der Staatsbibliothek zu Berlin und dem Max-Planck-Institut für Geschichte (Göttingen) / Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (Berlin) entstand, ist ein wesentlicher Schritt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Erwerbungs- und Verteilungspolitik der Reichstauschstelle und der Preußischen Staatsbibliothek im NS-Staat gelungen. Aufgrund der v. a. für die Reichstauschstelle lückenhaften Überlieferung konnten nicht alle Fragen geklärt werden, eine Bewertung der Rolle beider Institutionen im Bibliothekswesen der NS-Zeit ist nun aber möglich. Die vorgelegten Ergebnisse sollen nicht zuletzt dazu beitragen, die noch zu leistenden Recherchen nach NS-Raubgut in der Staatsbibliothek zu Berlin, aber auch in anderen Bibliotheken und Institutionen zu unterstützen. Erste Erfolge bei der Identifikation und
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Geleitwort
Restitution geraubter Bücher zum Beispiel in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg haben sich erfreulicherweise bereits eingestellt. Die Förderung durch die Fritz Thyssen Stiftung und den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (über die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz) machten die Durchführung dieses wichtigen Forschungsprojekts an der Staatsbibliothek zu Berlin erst möglich. Den Förderern und allen Beteiligten, die zum Gelingen des Projekts beigetragen haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Barbara Schneider-Kempf Generaldirektorin
Vorwort Cornelia Briels Untersuchung der Reichstauschstelle und der Preußischen Staatsbibliothek, zweier zentraler Einrichtungen des deutschen Bibliothekswesens in der Zeit des Nationalsozialismus, ist ein grundlegender Beitrag zur Erforschung von NS-Raubgut in deutschen Bibliotheken. Ihre minutiöse Analyse der alltäglichen Praxis des Personals bei der Erwerbung, Bearbeitung und schließlich auch Verteilung der beschlagnahmten Bücher eröffnet tiefe Einblicke in die Methoden und Dimensionen des legalisierten Raubs von Büchern und Bibliotheken von deutschen Juden, politischen Gegnern und anderen Opfern des Nationalsozialismus. Den methodischen Ausgangspunkt der Studie bildet die Einsicht, dass Bibliotheksgeschichte mehr ist als die Geschichte der Institutionen, des Personals und der Bestände. Dazu gehört auch die Erwerbungs- und Sammlungsgeschichte einschließlich ihrer Bedingungen. Diese strukturellen Rahmenbedingungen in den Blick nehmend analysiert Cornelia Briel deshalb die gesetzlichen, finanziellen, institutionellen, personellen sowie die wissenschafts- und die machtpolitischen Voraussetzungen des nationalsozialistischen Bücherraubs. Die vordergründige Gesetzesförmigkeit der Raubaktionen wird stringent herausgearbeitet. Die Enteignungen der deutschen Juden sowie der politischen Gegner des Nationalsozialismus geschahen auf der Grundlage von nach 1933 eingeführten Gesetzen und Rechtsverordnungen. Einer der Erlasse des Preußischen Finanzministeriums legte fest, dass die beschlagnahmte Literatur der Preußischen Staatsbibliothek anzubieten bzw. an sie abzuliefern sei. Die Preußische Staatsbibliothek wurde damit zur vorrangigen Adressatin der geraubten Bibliotheken. Einziehung und Überstellung der beschlagnahmten und enteigneten Bücher erfolgte durch die Behörden der Finanzverwaltung. Ohne die verwaltungstechnische Kompetenz der Finanzämter wäre der Bücherraub weit weniger effizient gewesen. Zu den Strukturen des zeitgenössischen Bibliothekswesens gehörten auch der Reichsbeirat für das Bibliothekswesen, das Beschaffungsamt der deutschen Bibliotheken und die Reichstauschstelle. Das 1934 eingerichtete Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung suchte das wissenschaftliche Bibliothekswesen – vom Personal bis hin zu den Beständen – im nationalsozialistischen Sinn zu steuern und zu kontrollieren. Um die Handlungsspielräume der Bibliothekare auszumessen, wird ihre alltägliche Zusammenarbeit mit den staatlichen und den parteiamtlichen Institutionen im polykratischen nationalsozialistischen Herrschaftssystem analysiert. Es überrascht kaum, dass die Anpassung an die vom NS-Regime gesetzten Rahmenbedingungen eindeutig dominiert hat. Die Reichstauschstelle mit den ihr später angegliederten Institutionen und die Preußische Staatsbibliothek waren zentrale Einrichtungen des deutschen Bibliothekswesens für die überregionale Literaturversorgung. Beide waren funktional und personell derart verknüpft, dass allzu leicht übersehen wurde, dass die Reichstauschstelle keine Abteilung der Staatsbibliothek war. Allerdings entsprach diese Verquickung, deren Strukturen Cornelia Briel kompetent entwirrt, durchaus den Ambitionen der Preußischen Staatsbibliothek, sich als übergeordnete
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Vorwort
‚Reichsbibliothek‘ zu etablieren. Beide Institutionen waren am nationalsozialistischen Bücherraub entscheidend, doch in unterschiedlicher Weise, beteiligt. Zunächst mit dem internationalen Austausch von amtlichen Druckschriften betraut, war die Reichstauschstelle nach 1933 zuständig für die Verteilung der Bestände der im Zuge der zentralistischen Verwaltungsreform aufgelösten Behördenbibliotheken. 1943 wurden ihre Aufgaben erheblich erweitert durch das Wiederaufbauprogramm für die durch alliierte Luftangriffe schwer geschädigten wissenschaftlichen Bibliotheken. Dafür hatte die Reichstauschstelle 5.000.000 RM vom Reichsfinanzministerium zur Verfügung. Zu den Ankäufen der Reichstauschstelle zählten natürlich auch beschlagnahmte Bücher und Bibliotheken, die bei den deutschen Finanzbehörden lagerten, sowie Literatur aus den von Deutschland annektierten und besetzten Gebieten, die teils unter militärischem Druck, teils unter Ausnutzung machtpolitisch erzwungener günstiger Wechselkurse erworben wurde. Die Reichstauschstelle legte über das ganze Reich verstreut, aber auch in Italien und im so genannten Protektorat Böhmen und Mähren, 40 ‚luftsichere‘ Depots an, in denen bei Kriegsende ca. 1.000.000 Bände eingelagert waren. Sie sollten nach dem ‚Endsieg‘ an die beschädigten wissenschaftlichen Bibliotheken verteilt werden. Diese außerordentliche Dimension der Aktivitäten der Reichstauschstelle im Zuge des Wiederaufbauprogramms deutscher Bibliotheken war in der Forschung bislang völlig unbekannt. Ein Großteil dieser Depotbestände wurde in den Jahren 1945/46 von den Alliierten beschlagnahmt und abtransportiert; ein beträchtlicher Teil dieser Bestände gilt auch noch heute als verschollen. Die Problematik des NS-Raubguts überlagert sich hier mit der der Kriegsbeute. Eine umfassende Publikation dieser den Fokus der vorliegenden Studie überschreitenden Erkenntnisse zu Einrichtung und Verwaltung der Bücherdepots der Reichstauschstelle sowie zum weiteren Schicksal der dort gelagerten Bestände nach 1945 wird derzeit von Cornelia Briel im Rahmen eines Sonderbandes der „Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie“ vorbereitet. Eines der wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung ist jedoch die Erkenntnis, dass die Preußische Staatsbibliothek viel stärker an der Bearbeitung und Verteilung geraubter Bücher beteiligt war, als bisher angenommen wurde. Allerdings lässt die Quellenlage zur Reichstauschstelle – im Gegensatz zur Preußischen Staatsbibliothek – eine quantitative Beurteilung des dort ‚umgeschlagenen‘ Raubguts derzeit nicht zu. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Dimension der über die Reichstauschstelle stattgefundenen Verteilung von Raubgut durch künftige Forschungsergebnisse zu den begünstigten Bibliotheken noch konkretisiert werden kann. Die Preußische Staatsbibliothek war die bevorrechtigte Empfängerbibliothek für NS-Raubgut sowohl für die im Reich beschlagnahmte Literatur als auch für die Kriegsbeute in den besetzten oder annektierten Gebieten Europas. Entgegen der vorherrschenden Meinung hat sie sich von Anfang an äußerst aktiv um die beschlagnahmten Bibliotheksbestände verfolgter Personen und Organisationen bemüht. Im Zuge der Etablierung des NS-Regimes geriet sie dann jedoch unter den Konkurrenzdruck von NS-Institutionen, die ihrerseits – wie etwa das Reichssicherheitshauptamt – eigene Bibliotheken aufbauten und dabei auf beschlagnahmte Bücher ihrer Opfergruppen rekurrierten. Hinter diesen Interessen musste die Preußische Staatsbiblio-
Vorwort
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thek zurückstehen, da es weder dem Reichsfinanz- noch dem Reichserziehungsministerium gelang, ihre eigenen Erlasse gegen den Reichsführer SS durchzusetzen. Die Staatsbibliothek arrangierte sich mit dieser Zurücksetzung. Da sich die Möglichkeiten der eigenen Bestandsergänzung aus dem Fundus der beschlagnahmten Bücher und Bibliotheken für die Staatsbibliothek rasch als begrenzt herausstellten, bestand ihre zentrale Funktion in deren weiterer Verteilung. Das nicht in den eigenen Bestand integrierte Raubgut leitete sie weiter an 22 Universitätsbibliotheken und neun Staats- bzw. Landesbibliotheken im Reich und seit dem ‚Anschluss‘ Österreichs im März 1938 auch an die Nationalbibliothek Wien und die Universitätsbibliotheken in Graz und Innsbruck. Die erstmalige gründliche Aufarbeitung der im Archiwum Państwowe in Jelenia Góra liegenden Akten der im Februar 1944 ins damalige Hirschberg verlagerten Erwerbungs- und Katalogabteilung der Preußischen Staatbibliothek belegt, dass der Staatsbibliothek zwischen 1941 und 1944 von der Wehrmacht beträchtliche Büchermengen überstellt wurden, die in der Sowjetunion und in Frankreich geraubt worden waren. Darüber hinaus informieren die dortigen Quellen detailliert über die Geschäftsbeziehungen der Staatsbibliothek zum Buchhandel sowie über die Käufe des Bibliotheks- und Kriegsverwaltungsrats Hermann Fuchs im besetzten Paris. Überdies erhielt die Staatsbibliothek damals auch Bücherbestände vom Reichssicherheitshauptamt, vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg sowie – über das Auswärtige Amt – vom Sonderkommando Künsberg. Cornelia Briels minutiöse Studie eröffnet tiefe Einblicke in die Methoden und Dimensionen des legalisierten Raubs von Büchern unter dem NS-Regime. Sie hat die grundlegenden Voraussetzungen geschaffen für weitere Recherchen nach NS-Raubgut sowohl in der Staatsbibliothek zu Berlin – hier vor allem im Bereich der Sonderabteilungen – als auch in anderen wissenschaftlichen Bibliotheken. Ihre Untersuchung ist unverzichtbar für eine zukünftige bibliothekarische Provenienzforschung. Der Fritz Thyssen Stiftung und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (durch die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz) gilt der Dank der Herausgeber für die Förderung des Projekts und der vorliegenden Publikation. Hans Erich Bödeker Gerd-Josef Bötte
Danksagung Zu danken ist an erster Stelle den Herausgebern Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Erich Bödeker und Gerd-Josef Bötte für die Initiierung, die Beantragung der Fördermittel und die Betreuung der Studie. Ebenso gebührt Dank der Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin, Barbara Schneider-Kempf, die diese Arbeit in ihrem Hause ermöglicht hat. Zum Gelingen der vorliegenden Studie haben Hinweise und Hilfestellungen zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Staatsbibliothek zu Berlin (insbesondere aus der Abteilung Historische Drucke), aber auch aus vielen anderen Bibliotheken, aus den Archiven, an denen die Verfasserin geforscht hat, und aus weiteren Institutionen und Forschungseinrichtungen beigetragen. Namentlich gedankt sei an dieser Stelle: Annette Wehmeyer, Michaela Scheibe, Heike Pudler und Maria Federbusch sowie Dr. Robert Giel, Olaf Hamann und Dr. Martin Hollender (alle SBB PK), Anja Moschke (Staatsfilialarchiv Bautzen), Carmen Lorenz, Matthias Meissner und Sven Schneidereit (Bundesarchiv Berlin), Sven Kriese (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz), Dr. Heike Schroll und Michael Albrecht (Landesarchiv Berlin), Dr. Gerhard Keiper (Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes), Dr. Claudia Steur (Stiftung Topographie des Terrors), Angelika von Knobelsdorff (Universitätsbibliothek der TU Berlin), Dr. Irina Schwab (Universitätsarchiv der TU Berlin), Dörte Engmann (Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden), Ivo Łaborewicz (Archiwum Państwowe in Jelenia Góra), Thomas Ulbrich und Torsten Hartisch (Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam), Dr. Rüdiger Zimmermann (Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn), Dr. Sem Sutter (University of Chicago), Dr. Björn Biester (Börsenverein des Deutschen Buchhandels), Dr. Jens Hoppe (Jewish Claims Conference), Maria Kesting und Ulrike Preuß (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg), Dr. Bernd Reifenberg (Universitätsbibliothek Marburg) und Dr. Christina Köstner-Pemsel (Universität Wien). In ähnlicher Weise halfen: Dr. Jürgen Babendreier (Bremen), Dr. Katharina Bergmann (Graz), Dr. Regine Dehnel (Berlin), Dr. Martin Friedenberger (Berlin), Horst Gärtner (Baruth), Alke Knobloch (Kleinbautzen), Hans-Werner Kyrieleis (Berlin), Dr. Hans-Joachim Lang (Tübingen), Dr. Peter Malina (Wien), Annelies Rentzsch (Bautzen), Werner Schroeder (Oldenburg), Karsten Sydow (Berlin), Barbara Szutenbach (Zgorzelec) und Erika Tettenborn (Frankfurt am Main). Ihnen allen sei herzlich für ihre Unterstützung gedankt. Cornelia Briel
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Einleitung
Die vorliegende Studie untersucht die Erwerbung und Verteilung von NS-Raubgut durch die Preußische Staatsbibliothek und die Reichstauschstelle. Sie versteht sich nicht als Beitrag zur Bibliotheksgeschichte im engeren Sinne, sondern analysiert die für den Umgang mit NS-Raubgut maßgeblichen institutionellen und strukturellen Voraussetzungen und Bedingungen. Zugleich rekonstruiert sie die Umfänge und die Zusammensetzung der beschlagnahmten und geraubten Büchermengen. Damit schließt sie eine wegen der zentralen Bedeutung dieser beiden Einrichtungen für das deutsche Bibliothekswesen als dringlich empfundene Forschungslücke und leistet einen grundlegenden Beitrag zur Provenienzforschung sowohl in der Staatsbibliothek zu Berlin als auch in anderen wissenschaftlichen Bibliotheken Deutschlands und Österreichs. Zugleich erforscht die Studie das Verhalten der verantwortlichen Leitung, der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle hinsichtlich der Angebote des NS-Regimes: Bemühten sie sich ihrerseits um beschlagnahmte, eingezogene und geraubte Literatur oder nahmen sie deren Überstellung lediglich hin? Gaben sie Raubgut an andere Bibliotheken weiter? Setzten sie die im Bibliothekshaushalt für Erwerbungen vorgesehenen Mittel ein, um beschlagnahmte Literatur zu kaufen? Oder lehnten sie es ab, Raubgut anzunehmen? Und wenn, aus welchen Gründen? Unterschieden sie zwischen rechtmäßigen und unrechtmäßigen Erwerbungen? Zeichneten sich Konflikte zwischen den einzelnen Verantwortlichen ab? Veränderte sich ihr Verhalten im Verlauf der zwölf Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft? Und wie verfuhren sie mit dem in die Bibliothek eingegangenen Raubgut? Wurden diese Zugänge in die Bestände eingearbeitet? Durchliefen sie den üblichen Geschäftsgang? Oder wurden sie zurückgehalten und gesondert aufbewahrt? Parallel zum Aufstieg Preußens war der Königlichen Bibliothek in Berlin im Laufe des 19. Jahrhunderts die Rolle der führenden deutschen Bibliothek zugewachsen. Sie übernahm zahlreiche zentrale Aufgaben für das deutsche wissenschaftliche Bibliothekswesen und agierte zunehmend als Repräsentantin der deutschen Bibliotheken auch auf internationaler Ebene. Schon bald nach der Machtübernahme begann das NS-Regime, die staatliche Verwaltung zu zentralisieren und die Kompetenzen der Länder zu beschränken. Am 4. Februar 1933 besetzte Hermann Göring als Preußischer Ministerpräsident die Stelle des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung kommissarisch mit dem nationalsozialistischen Funktionär und ehemaligen Gymnasiallehrer Bernhard Rust. Ein Jahr später wurde das Reichskultusministerium geschaffen. Ohne das Preußische Kultusministerium abzuschaffen, ernannte Hitler am 1. Mai 1934 Rust in Personalunion auch zum Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Um den Bereich Wissenschaft zu konstituieren, ging die Kulturabteilung des Reichsministeriums des Innern an das neugeschaffene Ministerium über. Damit wechselte zugleich die Zuständigkeit für die beiden großen außeruniversitären Wissenschaftsgesellschaften – die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und die 1920 gegründete Notgemeinschaft
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Einleitung
der Deutschen Wissenschaft – vom Reichsministerium des Innern zum Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Die anfänglich noch bestehende formale Trennung von Preußischem und Reichsministerium wurde zum 1. Januar 1935 aufgehoben. Im gleichen Jahr wurde die Stelle eines Bibliotheksreferenten im Amt Wissenschaft geschaffen und mit dem nationalsozialistischen Karrierebeamten Rudolf Kummer besetzt. Die Preußische Staatsbibliothek war nunmehr dem Bibliotheksreferat des Reichsministeriums nachgeordnet. Gleichwohl blieb sie weiterhin eine Einrichtung des Preußischen Staates. Prinzipiell befürwortete ihr Generaldirektor Hugo Andres Krüß den vom NS-Staat betriebenen Ausbau der Reichsverwaltung, hoffte er doch, dass die Preußische Staatsbibliothek aufgrund ihrer faktischen Vorrangstellung innerhalb des deutschen Bibliothekswesens auch nominell zur Nationalbibliothek erhoben würde. Die wiederholten Anläufe, dieses Vorhaben zu realisieren, scheiterten jedoch. Auf Vorschlag Kummers wandelte Rust 1936 immerhin den Preußischen Beirat für Bibliotheksangelegenheiten, ein wichtiges Gremium des wissenschaftlichen Bibliothekswesens, das als Kommunikationsinstrument zwischen Ministerium und Bibliotheken diente und in dem gleichfalls Krüß den Vorsitz innehatte, in einen Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten um. Im Jahre 1926 übertrug das Reichsministerium des Innern die Organisation des internationalen Schriftentausches der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses in der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und schuf damit eine Reichstauschstelle. Diese wurde – zusammen mit der Kulturabteilung des Ministeriums – im Frühjahr 1934 in das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung übernommen. Vier Monate später affiliierte das Ministerium die bis dahin in der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft angesiedelte länderübergreifende Bibliotheksförderung der Preußischen Staatsbibliothek und beauftragte deren Generaldirektor mit ihrer Verwaltung. Bei diesem Übergang wurde die Bibliotheksförderung wegen der unterschiedlichen Finanzierung und Ressortierung der Arbeitsbereiche in drei formal getrennte Dienststellen – die Reichstauschstelle, das Beschaffungsamt der deutschen Bibliotheken und den Deutsch-Ausländischen Buchtausch – aufgespalten. Als Dienststelle des Deutschen Reichs war die Reichstauschstelle im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ressortiert. 1941 wurden Reichstauschstelle und Beschaffungsamt zu einer Reichsbehörde zusammengefasst und gemeinsam im Reichshaushalt etatisiert, blieben aber weiterhin dem Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek unterstellt. Dank des engagierten Geschäftsführers des Bibliotheksausschusses und der Reichstauschstelle, des Bibliothekars Adolf Jürgens, hatte sich die ,gesamtnationale‘ Bibliotheksförderung bereits unter dem Dach der Notgemeinschaft stetig erweitert und differenziert. Im Verlaufe der zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre erschlossen und organisierten Jürgens, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer neue Wege zur kostengünstigen Literaturversorgung der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken. So kam es, dass unter der Bezeichnung Reichstauschstelle bald eine ganze Reihe von Aktivitäten zur Literaturbeschaffung und -verteilung firmierte, die über die namengebende Kernaufgabe hinausgingen. Da die Reichstauschstelle zwar über die Privilegien einer Dienststelle des Reiches, aber zunächst über keinerlei Erwerbungsetat verfügte, legte Jürgens den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die unentgeltliche Erwerbung
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von Literatur, die wiederum unentgeltlich – und häufig auf dem Wege des Tausches – an die Bibliotheken weitergeleitet wurde. Bei den Druckschriftenbeständen, die seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in großem Umfange übernahmen und bearbeiteten, um sie für interessierte Bibliotheken bereitzustellen, handelte es sich vor allem um ungenutzte Verwaltungsliteratur aus aufgelösten Behörden- und Firmenbibliotheken, spätestens seit Ende der dreißiger Jahre aber auch um beschlagnahmte und geraubte Literatur. Wegen ihrer zentralen Stellung und ihrer langjährigen Praxis in der Literaturbeschaffung und -verteilung beauftragten das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und das Reichsministerium der Finanzen die Reichstauschstelle 1943 mit der Durchführung des Wiederaufbauprogramms für die bei den Luftangriffen der Alliierten zerstörten oder beschädigten deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken. Mit fünf Millionen Reichsmark zu Erwerbungszwecken ausgestattet, sammelte sie im Rahmen dieses Programms ca. eine Million Bände teils legal, teils unrechtmäßig erworbener deutscher und ausländischer Literatur, die sie in ca. 40 eigens dafür eingerichteten über das gesamte Deutsche Reich und die angrenzenden Gebiete verstreuten Depots einlagerte.1 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestand die Reichstauschstelle noch einige Monate als selbständige Institution fort. Im Sommer 1945 wurde sie samt ihrer Bücherbestände als Abteilung „Tauschstelle“ in die – wie zuvor bereits intern – nur „Staatsbibliothek“ genannte Nachfolgeeinrichtung der Preußischen Staatsbibliothek eingegliedert. Nachdem das in Ostberlin gelegene Bibliotheksgebäude notdürftig wiederhergestellt und ein Teil der verlagerten Bibliotheksbestände dorthin zurückgeführt worden war, öffnete diese unter der Sowjetischen Militäradministration im Juni 1946 als „Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek“ wieder für die Leser. 1954 wurde sie in „Deutsche Staatsbibliothek“ umbenannt. Die in die nachmaligen Westzonen verlagerten Bibliotheksbestände der Preußischen Staatsbibliothek bildeten den Grundstock der im November 1946 unter amerikanischer Besatzungsmacht in Marburg eröffneten Hessischen Bibliothek, die 1949 in „Westdeutsche Bibliothek“ umbenannt und 1962 als Staatsbibliothek in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übernommen wurde. Seit den sechziger Jahren erfolgte der Umzug der Bibliothek nach Westberlin, wo sie 1978 ein eigenes Gebäude erhielt. 1990/92 wurden die beiden Nachfolgeeinrichtungen der Preußischen Staatsbibliothek wieder vereinigt, indem die Deutsche Staatsbibliothek in Ostberlin in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz überführt wurde. Lange Zeit hatten die Untersuchungen über das wissenschaftliche Bibliothekswesen im Nationalsozialismus einen vergleichsweise geringen Anteil an den vielfältigen Forschungen zur Naziherrschaft.2 Die Forschungen zu diesem Thema begannen in den 1970er Jahren und setzten sich in den 1980er Jahren fort. Entgegen früherer Annahmen belegen die seitdem erschienenen Beiträge überzeugend, wie stark der Nationalsozialismus auch die Arbeit in den 1
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Zur Einrichtung und Verwaltung dieser Bücherdepots der Reichstauschstelle sowie zum weiteren Schicksal der dort gelagerten Bestände nach 1945 ist derzeit eine separate Publikation der Verfasserin im Rahmen eines Sonderbandes der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie in Vorbereitung. Vgl. KOMOROWSKI, Bibliotheken während des Nationalsozialismus; KOMOROWSKI, Bibliotheken in der NSZeit sowie KOCH, Bibliothekswesen.
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wissenschaftlichen Bibliotheken prägte, die sich scheinbar neutral dem Dienst an den Wissenschaften verschrieben hatten.3 Zu nennen sind hier die monographischen Darstellungen von Ingo Toussaint u. a. zur Universitätsbibliothek Freiburg, zu den Universitätsbibliotheken in Heidelberg, Jena und Köln sowie von Hans-Georg Happel, der 1989 eine erste Überblicksdarstellung des deutschen wissenschaftlichen Bibliothekswesens während des Nationalsozialismus unter besonderer Berücksichtigung der Universitätsbibliotheken vorlegte.4 Ein entscheidender Impuls für die Erforschung dieses Zusammenhanges ging von den beiden Tagungen des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Bibliotheksgeschichte zum Thema ‚Bibliotheken während des Nationalsozialismus‘ in den Jahren 1988 und 1989 aus.5 Danach galt diesem Abschnitt ihrer Vergangenheit ein besonderes Interesse. So widmete sich Sören Flachowsky in seiner Arbeit über die Universitätsbibliothek Berlin ausschließlich der Zeit des Nationalsozialismus.6 Gerhard Lohse, Michael Labach und Julia Hiller von Gaertringen analysierten für die Bibliotheken der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen,7 für die Niedersächsische Landesbibliothek in Hannover8 und für die Landes- und Stadtbibliothek in Düsseldorf9 die NS-Zeit im Rahmen größerer Darstellungen. Für die Geschichte der Bayerischen Staatsbibliothek in München von 1933 bis 1945 fasste Fridolin Dressler das Wichtigste knapp zusammen.10 Eine synthetische Gesamtdarstellung der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken im Nationalsozialismus steht freilich noch aus. In enger Verbindung mit den Arbeiten zur Geschichte einzelner Bibliotheken erschienen biographische Untersuchungen und personenbezogene Darstellungen einiger besonders wichtiger Bibliothekare der NS-Zeit.11 In den Studien manifestiert sich das Bestreben, die Bibliotheksgeschichte auf die Persönlichkeiten der Bibliotheksdirektoren zu fokussieren. Das jeweilige soziale Umfeld bleibt weitgehend ausgespart. Tatsächlich funktionierte das nationalsozialistische Unrechtssystem aber nur, weil es sich auf die Verwaltung – sowohl in ihren oberen als auch ihren unteren Ebenen – stützen konnte. Ebenso hat es sich als Irrtum herausgestellt, man könne sich bei der Analyse der Gründe und Ursachen für dessen reibungsloses Funktionieren auf die formelle Parteimitgliedschaft der Akteure beschränken. Die Mitgliedschaft in der NSDAP allein lässt noch keine Aussage über die Aktivitäten im Dienste der herrschenden Ideologie zu, umgekehrt schließt die Nicht-Mitgliedschaft solche keineswegs aus.
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Vgl. etwa KNOCHE, Universitätsbibliotheken, insbes. 436 ff. Vgl. etwa TOUSSAINT, Universitätsbibliothek Freiburg; TOUSSAINT, Universitätsbibliotheken Heidelberg, Jena und Köln; HAPPEL, Das wissenschaftliche Bibliothekswesen. VODOSEK, Bibliotheken während des Nationalsozialismus. FLACHOWSKY, Bibliothek. LOHSE, Bibliotheken. LABACH, Vorgeschichte. HILLER VON GAERTRINGEN, Stadt und Bibliothek. DRESSLER, Bayerische Staatsbibliothek. Vgl. aus den zahlreichen Studien LOHSE, Bibliotheksdirektoren oder auch SCHOCHOW, Hugo Andres Krüß und die Preußische Staatsbibliothek; SCHOCHOW, Hugo Andres Krüß – letzter Generaldirektor; HABERMANN, Lexikon 1985; HABERMANN, Lexikon 2004.
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Die Erforschung der NS-Zeit darf nicht außer Acht lassen, dass nur die sechs Jahre des ‚Tausendjährigen Reiches‘ vor 1939 friedlich verliefen und die Geschichte, einschließlich der Bibliotheksgeschichte, entscheidend von den Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges geprägt war. Seit 1941 wurden bei den Bombardements der Alliierten auch Bibliotheksgebäude beschädigt oder zerstört. Durch mehr oder weniger wirksame Luftschutzmaßnahmen versuchten die Verantwortlichen, die Zerstörungen zu minimieren. Je nach Möglichkeit und entsprechend den Anweisungen der vorgesetzten Behörden verlagerten sie Teile der Bibliotheksbestände an sichere Orte. Gleichzeitig wurden die Bibliotheken in den besetzten Gebieten unter deutsche Herrschaft gestellt.12 In dem schon zuvor annektierten tschechischen Teil der Tschechoslowakischen Republik und in Polen richteten die Besatzer eine deutsche Bibliotheksverwaltung ein. In Polen und der Sowjetunion vernichteten sie im Zuge rassistisch motivierter Unterdrückung Bibliotheksbestände in großem Umfang, um die einheimische Bevölkerung auf niedrigstem Bildungsstand zu halten und zu versklaven.13 In Frankreich und Belgien arbeiteten deutsche Bibliothekare offiziell als Beauftragte für den ‚Bibliotheksschutz‘, unter der Hand erstellten sie Rückforderungslisten für von Deutschland beanspruchtes Kulturgut. Etliche zuvor an renommierten deutschen Bibliotheken beschäftigte bzw. ausgebildete Bibliothekare dienten den nationalsozialistischen Rauborganisationen wie dem Reichssicherheitshauptamt14 und dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg oder der Wehrmacht15 als fachlich versierte Mitarbeiter und wirkten so am organisierten Kulturgutraub sowohl in Ost- und Südosteuropa als auch in Westeuropa mit. Seit der Washingtoner Konferenz über Holocaust-Vermögen (1998) und der auf ihr basierenden „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom 14. Dezember 199916 beschäftigt die Frage, wie die deutschen Kulturinstitutionen ihre Sammlungen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg ergänzten und vermehrten, sowohl die mediale Öffentlichkeit als auch die Wissenschaft. Im Jahre 2002 bekannten sich Bibliotheksvertreterinnen und Bibliotheksvertreter im „Hannoverschen Appell“ zur Suche nach nationalsozialistischem Raubgut in ihren Beständen und zu seiner Restitution.17 Seit der Jahrtausendwende verschob sich das Interesse von der Geschichte der Bibliotheken als 12
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Aus der Fülle der Literatur vgl. dazu etwa KIRKEGAARD, Bibliotheken; PIROŻYŃSKI, Bibliothekspolitik; LEMAÎTRE, Les bibliothèques françaises; KLINKHAMMER, Abteilung „Kunstschutz“; MANASSE, Verschleppte Archive; ADUNKA, Raub; RAPMUND, Bibliothekspolitik; LUFT, Bibliothekswesen; HEUSS, Kunst- und Kulturraub. Andrzej MĘŻYŃSKI, Wissenschaftliche Bibliotheken; DERS., Polnische Bibliotheken. Vor allem: MĘŻYŃSKI, Kommando Paulsen. Vgl. MANASSE, Verschleppte Archive; ADUNKA, Raub; HARTUNG, Verschleppt; EICHWEDE, ‚Betr.: Sicherstellung‘; VRIES, Sonderstab Musik; vgl. auch HAMANN, Hinterm Horizont; KÜHN-LUDEWIG, Johannes Pohl; KÖSTNER, Bücherraub. ERKLÄRUNG DER BUNDESREGIERUNG, 304. http://www.gwlb.de/projekte/ns-raubgut/Symposium_2002/Hannoverscher_Appell/index.html [Stand: 09/2011].
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Institutionen auf die Geschichte ihrer Bestände, insbesondere die Frage ihrer Herkunft, sowie auf die Rückgabe unrechtmäßig eingegangenen Bibliotheksgutes.18 Zunächst stellten sich nur einzelne Bibliotheken – allen voran die Universitätsbibliothek Marburg und die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen – dieser Verpflichtung und überprüften ihre Bestände.19 Die von der Niedersächsischen Landesbibliothek in Hannover in diesem Kontext veranstalteten Hannoverschen Symposien initiierten, begleiteten und beschleunigten die Aufarbeitung.20 Inzwischen wurden in zahlreichen Sammlungen Projekte zur Provenienzforschung in Angriff genommen, u. a. in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin21, in einigen Universitätsbibliotheken, wie in Göttingen22, Leipzig23, Hamburg24, Münster u. a.25, sowie den beiden Staatsbibliotheken in München26 und Berlin. Die Forscher gingen dabei nicht immer von der Gesamtheit des heutigen Bestandes aus, sondern rekonstruierten auch die Wege, auf denen einzelne beschlagnahmte und geraubte Bibliotheken und Büchersammlungen in die öffentlichen Bibliotheken gelangten.27 Parallel dazu wurde die Detailforschung zu den Aktivitäten der NS-Rauborganisationen vorangetrieben.28 Als eine wichtige Voraussetzung für die Provenienzforschung erwiesen sich überdies die Untersuchungen zu den Finanzbehörden, die seit 1938 einen staatlicherseits legalisierten Raub an den verfolgten und ermordeten Juden betrieben.29 Anders als in Deutschland, wo Provenienzforschung und Restitution auf der Grundlage einer staatlichen Willensbekundung erfolgen, sind die Museen und Bibliotheken in Österreich seit 1998 per Gesetz verpflichtet, in ihren Beständen nach NS-Raubgut zu forschen. Im zurückliegenden Jahrzehnt wurden einschlägige Projekte in österreichischen Bibliotheken engagiert und stringent vorangetrieben. Die beeindruckenden Ergebnisse spiegeln sich in Ausstellungen, Einzelpublikationen und Tagungsbeiträgen wider.30 Vor allem Werner Schochow widmete in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten verschiedenen Aspekten der Geschichte der Preußischen Staatsbibliothek – einschließlich einer Würdigung ihres Generaldirektors Krüß – zahlreiche Publikationen und fasste sie schließlich in den
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Zu diesem Perspektivwechsel: BÖDEKER, Bibliotheksarchive; auch: WEBER, NS-Raubgut. Zu den praktischen Konsequenzen: LEHMANN, Restitution; KÜHN-LUDEWIG, Displaced Books; TOSCH, Erwerbungen; JÜDISCHER BUCHBESITZ; HAMANN, Schatten. ALBRINK, Geschichte; ELSMANN, Spuren; KUTTNER, Das bibliothekarische Gedächtnis. JÜDISCHER BUCHBESITZ; DEHNEL, Jüdischer Buchbesitz; DEHNEL, NS-Raubgut. GERLACH, Unrechtmäßiger Buchbesitz; BOCKENKAMM, Geraubt. www.sub.uni-goettingen.de/ebene_1/1_geschichte_raubgut.htm.de [Stand: 09/2011]. NITZSCHE, Suche; REUSS, Universitätsbibliothek Leipzig. KESTING, NS-Raubgut. POPHANKEN, Verbotene und beschlagnahmte Bücher; SUCHAN, Jüdischer Buchbesitz. LUTZ, Rückgabe; HIELSCHER, Arbeit. JANKOWSKI, Konfiszierung; HOFFRATH, Schicksal; LANG, Tübinger Juristen-Fakultät. SCHROEDER, Strukturen; SCHROEDER, Raub; DANNHAUSER, Hermann Gerstner; SCHROEDER, ,Zusammenholung‘; SUTTER, Lost Jewish Libraries; DERS., Looting. MEHL, Reichsfinanzministerium; MEINL, Legalisierter Raub; FRIEDENBERGER, Berliner Finanzamt; FRIEDENBERGER, Praktiken; FRIEDENBERGER, Fiskalische Ausplünderung; KULLER, Finanzbehörden; DIES., Finanzverwaltung. HALL, Geraubte Bücher; HALL, … allerlei; ALKER, Bibliotheken in der NS-Zeit.
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Darstellungen zu ihrer Geschichte in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus sowie der Geschichte der Bestandsverlagerungen während des Zweiten Weltkrieges zusammen.31 Wie bei den Forschungen zu anderen deutschen und österreichischen Bibliotheken verschob sich auch für die Staatsbibliothek in Berlin der Schwerpunkt des Interesses von der Geschichte der Institution zur Frage nach der Herkunft der Bestände. 1999 untersuchte Joachim Jaenecke in einer ersten Bestandsaufnahme die „Erwerbungen der Preußischen Staatsbibliothek aus jüdischem Besitz, 1933–1945“.32 Ausgehend von diesen Erfahrungen wurden bei einer Durchsicht der Akzessionsjournale auf unrechtmäßige Erwerbungen ca. 8.600 Titel als Erwerbungen eingestuft, die möglicherweise aus Raubgut stammten. Anhand von 330 Stichproben wurde der zu erwartende Arbeitsaufwand für die Überprüfung aller Erwerbungen abgeschätzt. Über die praktischen Erfahrungen bei dieser Arbeit berichtete Karin Tosch.33 Sensibilisiert durch die Diskussion, stießen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den vergangenen Jahren in den Sammlungen der Staatsbibliothek immer wieder auf ‚verdächtiges‘ Bibliotheksgut, das, wenn es sich als Raubgut erwies, nach Möglichkeit restituiert wurde.34 Mit der systematischen Provenienzrecherche konnte jedoch erst begonnen werden, nachdem die Katalog- und Nachweissituation für den Druckschriftenbestand der Preußischen Staatsbibliothek durch die Konversion der konventionellen Kataloge und ihre Integration in den Online-Katalog verbessert worden war. Auf Tagungen 2007 und 2008 erläuterte Heike Pudler den mittlerweile ausgearbeiteten Geschäftsgang für den Umgang mit NS-Raubgut in der Staatsbibliothek zu Berlin.35 Karsten Sydow leistete mit der Auswertung wichtiger Akzessionsjournale eine wertvolle Vorarbeit für die Überprüfung der Bestände. Seine darauf basierende bibliothekswissenschaftliche Magisterarbeit gab einen ersten Überblick über die Erwerbungspolitik der Preußischen Staatsbibliothek in der Zeit des Nationalsozialismus.36 Wie die bibliotheksgeschichtlichen Untersuchungen zeigen, erscheint in Zusammenhang mit der Verteilung von NS-Raubgut an die wissenschaftlichen Bibliotheken immer wieder die Reichstauschstelle als ‚Geschenk‘geber. Über die Umstände dieser Literaturversorgung war lange Zeit wenig bekannt. In einem 1992 erschienenen Aufsatz widmete sich Alexander Greguletz unter dem Schlagwort „Gleichschaltung“ verschiedenen Aspekten des Verhältnisses der Reichstauschstelle und dem Beschaffungsamt der Deutschen Bibliotheken zur Preußischen
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SCHOCHOW, Preußische Staatsbibliothek; SCHOCHOW, Bücherschicksale; SCHOCHOW, Berliner Staatsbibliothek. JAENECKE, Erwerbungen. TOSCH, Erwerbungen. HOLLENDER, Aus den geraubten Privatbibliotheken; HOLLENDER, Aus den Privatbibliotheken; HOLLENDER, Herrenlos. PUDLER, Geschäftsgänge; PUDLER, Recherche. SYDOW, Erwerbungspolitik. Vgl. jetzt auch: SCHEIBE, NS-Raubgut. – Einen Überblick über die aktuellen Projekte zur Provenienzforschung an der Staatsbibliothek zu Berlin bzw. innerhalb der Stiftung Preußischer Kulturbesitz geben SCHNEIDER-KEMPF, Staatsbibliothek zu Berlin; SCHEIBE, Provenienzforschung/ -erschließung sowie PARZINGER, Provenienzforschung.
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Staatsbibliothek.37 In der bislang einzigen Publikation, die ausschließlich die Reichstauschstelle zum Thema hat, konzentrierte sich Johannes Metz auf die Geschichte der Institution im Hinblick auf ihre Nachfolgeeinrichtung, die Zentralstelle der Bundesrepublik Deutschland für den Internationalen Schriftentausch.38 Ihre sonstigen Aktivitäten zur Literaturbeschaffung ließ Metz jedoch außer Betracht. Auf dem Zweiten Hannoverschen Symposium 2005 wies Barbara Schneider-Kempf auf die Rolle der Reichstauschstelle bei der Verteilung von NS-Raubgut hin.39 Kurze Zeit später wurde an der Staatsbibliothek zu Berlin ein Projekt installiert, das sowohl die Geschichte der Reichstauschstelle als auch der Preußischen Staatsbibliothek mit Bezug auf die Beschaffung und Verteilung beschlagnahmter Literatur erforschen sollte.40 Erste Ergebnisse stellte die Verfasserin im folgenden Jahr auf einem Symposium vor.41 Auf dem Dritten Hannoverschen Symposium präzisierte die Verfasserin, welche Stellung der Preußischen Staatsbibliothek in der Hierarchie der Raubgut-Verteilung zukam42 und erläuterte 2008 auf der Tagung „Livres et bibliothèques scientifiques dans les territoires occupés et annexés par l’Allemagne nationale-socialiste“ in ihrem Beitrag Hermann Fuchs’ Erwerbungen für die Preußische Staatsbibliothek und die Reichstauschstelle in Paris 1941–1944.43 Sowohl die Preußische Staatsbibliothek als auch die Reichstauschstelle und das Beschaffungsamt verstanden sich als Dienstleister an der Wissenschaft, deren Aufgabe darin bestand, Literatur für die Forschung bereitzuhalten. Überdies fungierte die Preußische Staatsbibliothek als Archivbibliothek, die gemäß ihrem Sammlungsauftrag in Preußen erschienenes deutsches und internationales Schriftgut zusammentrug und für die Zukunft bewahrte. Trotz dieses überzeitlichen und nicht vordergründig politisch-ideologischen Selbstverständnisses waren beide Einrichtungen Teil der dem Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung nachgeordneten ‚Schrifttumsbürokratie‘44 und erfüllten weitgehend die Vorgaben nationalsozialistischer Bibliothekspolitik. So bemühte sich die Preußische Staatsbibliothek, den Geheimhaltungsvorschriften, mit denen das NS-Regime bald nach der Machtübernahme die Benutzung restringierte, peinlich genau zu entsprechen, indem sie die Sekretierung ihrer Neuerwerbungen und Altbestände immer weiter ausdehnte. Ebenso wie die Reichstauschstelle passte sie sich mit ihren Erwerbungen an die veränderte Wissenschaftskultur an. Diese war durch eine verstärkte Wertschätzung der Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie durch die NS-ideologische Überformung der Geisteswissenschaften gekennzeichnet.45 Wegen des Primats der Ideologie – nicht zuletzt der Ausrichtung auf ideologisch motivierte
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GREGULETZ, Preußische Staatsbibliothek. METZ, Reichstauschstelle. SCHNEIDER-KEMPF, Preußische Staatsbibliothek. BÖTTE, Suche. BÖDEKER, NS-Raubgut, Vorträge. BRIEL, Preußische Staatsbibliothek. Publikation in Vorbereitung. BARBIAN, Literaturpolitik; BARBIAN, Bibliotheksbürokratie. LEHMANN, Nationalsozialismus 1 und 2.
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Forschungsfelder wie Rassenkunde, deutsche Siedlungsforschung und eine ideologisch begründete Vor- und Frühgeschichte – entkoppelte sich die Wissenschaft partiell von internationalen Standards.46 Dadurch und durch die Vertreibung jüdischer Gelehrter gerieten die Wissenschaften im nationalsozialistischen Deutschland international in die Isolation. Die Bedeutung wissenschaftlicher Publikationen aus Deutschland sank. Vor diesem Hintergrund beleuchtete Pamela Spence Richards in ihrer vergleichenden Untersuchung zum wissenschaftlichen Informationsaustausch zwischen den USA und Großbritannien auf der einen und Deutschland auf der anderen Seite den wissenschaftspolitischen Zusammenhang, in den sich auch die Anstrengungen der Preußischen Staatsbibliothek und des Beschaffungsamtes zur Literaturversorgung einordnen lassen.47 Dabei verfolgte vor allem das Beschaffungsamt das Ziel, aktuelle Literatur auf den Gebieten der Naturwissenschaften, Technik und Medizin aus dem Ausland – gerade auch während des Krieges – nach Deutschland einzuführen. Elke Behrends stellte diese Bemühungen in den Kontext anderer – konkurrierender – Institutionen, wie der Reichszentrale für naturwissenschaftliche Berichterstattung, der Informationsstelle für technisch-wissenschaftliches Schrifttum an der Bibliothek der Technischen Universität Berlin und der 1941 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Dokumentation.48 Die vorliegende Studie stützt sich im wesentlichen auf Primärquellen. Beinahe ausschließlich sind die benutzten Dokumente Zeugnisse bürokratischen Handelns: Erlasse, Berichte, Aktennotizen, Denkschriften, der Schriftverkehr zwischen Behörden, Institutionen und gelegentlich auch Privatleuten, die dazugehörigen Aufstellungen, Bücherlisten, Rechnungen, Haushaltsunterlagen. Mögen diese Schreiben auch in einer stereotypen, bürokratischen Sprache abgefasst sein, lassen sie – jenseits der Sachinformationen – dennoch Schlüsse auf die Beweggründe der Akteure und die Bedingungen, unter denen diese ihre Entscheidungen trafen, zu. Gelegentliche handschriftliche Kommentare, die Diskrepanz zwischen Entwürfen und Endfassungen oder die Diktion der Schreiben selbst bilden einen Subtext, den es zu interpretieren galt. Dagegen sind persönliche Äußerungen im eigentlichen Sinne selten. Die vorliegende Studie basiert auf Akten der Preußischen Staatsbibliothek und ihrer beiden Nachfolgeinstitutionen, der Öffentlichen Wissenschaftlichen und der Westdeutschen Bibliothek, des Reichsbeirats für Bibliotheksangelegenheiten und der Reichstauschstelle, die sich im Bundesarchiv und im Hausarchiv der Staatsbibliothek zu Berlin befinden. Hinzugezogen wurden außerdem Akten aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts, Akten der Preußischen Staatsbibliothek im Landesarchiv Berlin und im Geheimen Staatsarchiv in Berlin sowie verschiedene Bestände im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden und im Staatsfilialarchiv Bautzen, die sich auf das Wiederaufbauprogramm der Reichstauschstelle beziehen, sowie Akten zu einzelnen Verfolgten aus dem Bestand des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam.49 Einige dieser Quellen sind bislang noch nie ausgewertet worden: das Aktenkonvolut A 62, die Akten zur Durchführung des 46 47 48 49
HAUSMANN, Rolle. RICHARDS, Deutschlands wissenschaftliche Verbindungen; RICHARDS, Scientific Information. BEHRENDS, Dokumentation, 171 ff. Vgl. Verzeichnis der ungedruckten Quellen.
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Wiederaufbauprogramms der Reichstauschstelle und zu den Restitutionen durch die Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek im Archiv der Staatsbibliothek sowie die Erwerbungsakten der Dienststelle Hirschberg im Archiwum Państwowe in Jelenia Góra (Hirschberg). Die wichtigsten Aktenbestände in der Staatsbibliothek, im Bundesarchiv und im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes weisen große Lücken auf, was vor allem auf die Verluste bei Luftangriffen und Verlagerungen zurückzuführen ist. Es ist nicht auszuschließen, dass Akten oder einzelne Vorgänge auch von den Beteiligten selbst vernichtet wurden. Beinahe alle im Archiv der Staatsbibliothek aufbewahrten Akten der Preußischen Staatsbibliothek gehören zur Aktenüberlieferung der Generaldirektion – nicht der einzelnen Abteilungen. Doch enthalten auch sie einzelne Erwerbungs- und Tauschvorgänge, wenngleich ausschließlich solche, die besonders umfangreich oder – wegen bestimmter Tauschpartner, wie des Sicherheitshauptamts der SS – politisch heikel waren, so dass die Entscheidungen in diesen Angelegenheiten dem Generaldirektor oblagen. Eine Ausnahme stellt das Aktenkonvolut A 62 dar, in dem Schreiben Heinrich Feldkamps und/oder anderer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Erwerbungsabteilung abgelegt sind. Zu den Akten der Preußischen Staatsbibliothek gehören zudem die sogenannten Handakten des Generaldirektors sowie die in Einzelfällen außerordentlich aufschlussreichen Personalakten, die für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter, besonders ausführlich jedoch für die wissenschaftlichen Beamten angelegt wurden. Da Hugo Andres Krüß nicht nur Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, sondern auch Vorsitzender des Reichsbeirats für Bibliotheksangelegenheiten, und Josef Becker in beiden Positionen sein Stellvertreter war, bewahrt das Archiv der Staatsbibliothek heute auch die Akten des Reichsbeirats auf. Der überschaubare Bestand war in mehrerlei Hinsicht als ergänzende Quelle nützlich. Da diesem zentralen Gremium des deutschen Bibliothekswesens 1943 die Leitung des Wiederaufbauprogramms übertragen wurde, war der Reichsbeirat Adressat für die Schadensmeldungen der einzelnen Bibliotheken. In Zusammenhang mit der Verlagerung der Buchbestände hat Werner Schochow die Verlagerung dieser Akten während des Zweiten Weltkrieges so weit wie möglich rekonstruiert. Die Akten der Generaldirektion und des Reichsbeirates für Bibliotheksangelegenheiten wurden ebenso wie einige Dutzend Kisten mit Büchern in dem Herrenhaus in Oberoderwitz in der Lausitz untergebracht. Wie aus den Akten selbst ersichtlich ist, brachten Mitarbeiter sie mit mehreren Transporten im Auftrage des Generaldirektors im Winter 1945 zur Ausweichstelle der Generaldirektion nach Görlsdorf.50 In dem ebenfalls in der Niederlausitz gelegenen Beesdau, wo sich die Ausweichstelle des Auskunftsbüros der deutschen Bibliotheken befand, wurden sie zusammen mit Bücherkisten in Eisenbahnwaggons verladen und nach Hattorf in Thüringen geschickt, um in der dortigen Schachtanlage eingelagert zu werden. Fünf der abgesandten sechs Waggons erreichten ihr Ziel. Zusammen mit Hunderttausenden von Büchern und Zeitschriften wurden die Akten nach Kriegsende geborgen und gelangten später in die in der amerikanischen Besatzungszone eingerichtete Nachfolgeinstitution der Preußischen Staatsbibliothek, die Hessische bzw. Westdeutsche Bibliothek in Marburg. 50
Vgl. SBB PK, Historische Akten, I.12-96 (Personalakte Walter Mordau).
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Einige Aktenkonvolute wurden erst in Zusammenhang mit der Verlagerung der Bibliotheksbestände angelegt und waren dementsprechend nicht von der Verlagerung nach Hattorf betroffen. Sie enthalten u. a. die Korrespondenz zwischen den Ausweichstellen der Abteilungen und der sogenannten Leitstelle im Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin. Von dieser Leitstelle aus koordinierte Wilhelm Poewe, der Direktor der Benutzungsabteilung, bis zum März 1945 die Verlagerungen. Die Akten blieben entweder in Berlin oder sie gelangten aus den Ausweichstellen der Sonderabteilungen, die sich fast alle auf dem Gebiet der späteren Sowjetischen Besatzungszone befanden, nach Kriegsende zurück in das Gebäude der Staatsbibliothek Unter den Linden. Im Gegensatz zu den Akten erwiesen sich die in der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrten Briefe und Aufzeichnungen, wie z. B. die Briefe von Jürgens und Gisela von Busse, seiner Mitarbeiterin und der zeitweiligen Geschäftsführerin des Beschaffungsamtes der Deutschen Bibliotheken, als wenig aussagekräftig. Auch Vor- bzw. Nachlässe von Beteiligten wurden durchgesehen. Dazu zählten der Nachlass Josef Beckers, des Ersten Direktors der Preußischen Staatsbibliothek, und des Bibliotheksrats Eugen Paunel, der zu den Mitarbeitern der Dienststelle Hirschberg gehörte. Für die in der vorliegenden Studie behandelten Fragen waren sie von sehr unterschiedlicher Relevanz. Herangezogen wurden ferner Miszellanea von Hermann Fuchs, Mitarbeiter der Preußischen Staatsbibliothek und während des Krieges Leiter des Referats Bibliotheksschutz in Paris, und der ebenfalls zum Referat Bibliotheksschutz in Paris abgeordneten Bibliothekarin Irene Scheil sowie Aufzeichnungen des an den Verlagerungen beteiligten Kaufmanns Kurt Thöne. Von weitaus größerer Bedeutung für die Arbeit waren die Nachlässe von Hugo Andres Krüß und Rudolf Hoecker. Obzwar Krüß in seinen Tagebüchern nur sehr spärliche Angaben zu Besuchen, Sitzungen und Reisen machte und die Ereignisse nicht bewertete, sind sie dennoch ein nützliches Gerüst für die präzise chronologische Einordnung des Geschehens. Sowohl den Dokumenten aus dem Nachlass Rudolf Hoeckers, der nach dem Ende des Krieges die Leitung der Staatsbibliothek (bis 1954 Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek) in Berlin übernahm, als auch den frühen Nachkriegsakten der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek lassen sich wesentliche Informationen über das Schicksal der Bestände der Preußischen Staatsbibliothek bei Kriegsende und in den ersten Nachkriegsjahren entnehmen. Ohne Hoeckers Nachlass und die Akten der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek aus den ersten Nachkriegsjahren wäre die Dimension der in die Preußische Staatsbibliothek eingegangenen und in ihr verbliebenen Raubgutbestände kaum zu beurteilen gewesen. Da die Reichstauschstelle und das Beschaffungsamt der Verwaltungsaufsicht des Generaldirektors der Preußischen Staatsbibliothek unterstanden und ihr Geschäftsführer Adolf Jürgens durch ihn mit dem vorgesetzten Ministerium korrespondierte, existieren mehr oder weniger vollständige Parallelüberlieferungen im Bundesarchiv und in den Akten der Generaldirektion im Archiv der Staatsbibliothek. Diese Akten betreffen allgemeine oder als besonders brisant eingeschätzte Angelegenheiten. Als selbständige Dienststellen schufen die Reichstauschstelle, das Beschaffungsamt der Deutschen Bibliotheken und der Deutsch-Ausländische Buchtausch zugleich eigene, von der Preußischen Staatsbibliothek unabhängige Aktenüberlieferungen, von denen jedoch nur ein kleiner Teil erhalten ist.
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Die Dienststellen waren zweimal von den Luftangriffen auf Berlin direkt betroffen: ein erstes Mal in der Nacht vom 9. zum 10. April 1941 im Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek, wo die drei Einrichtungen in den oberen Geschossen an der Straße Unter den Linden und der Charlottenstraße untergebracht waren, und ein zweites Mal zu Beginn des Jahres 1944, als bei mehreren Luftangriffen die beiden Mietshäuser am Schiffbauerdamm, die den Dienststellen von der Stadtverwaltung als Ausweichdomizil zugewiesen worden waren, schwer beschädigt und schließlich fast gänzlich zerstört wurden. Da von den Zerstörungen auch Akten betroffen waren, konnte nur in Ansätzen geklärt werden, aus welchen Quellen die Reichstauschstelle beschlagnahmte und geraubte Literatur bezog, an welche Bibliotheken im Deutschen Reich, in Österreich und in den von Deutschland während des Krieges annektierten Gebieten sie diese verteilte, und auf der Grundlage welcher Vereinbarungen beides geschah. Ebenso fehlen für die Tätigkeit des Beschaffungsamtes und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs solche Unterlagen. Der Schwerpunkt der noch vorhandenen Überlieferung liegt auf den von Johannes Metz für seine Untersuchung der Geschichte der Reichstauschstelle benutzten Tauschakten und auf den Akten zum Wiederaufbauprogramm. Doch auch diese Überlieferung ist unvollständig und es ist nicht auszuschließen, dass ein Teil der Akten in den Ausweichstellen bzw. Depots der Reichstauschstelle, des Beschaffungsamtes und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs (Baruth, Frehne, Eberswalde, Frankenberg, Friedrichswerth und Lissa) entweder bei Kriegshandlungen und Plünderungen zu Kriegsende verlorenging oder später mit den dort lagernden Büchern von den Alliierten entfernt wurde. Der Bestand des Reichsministeriums des Innern im Bundesarchiv enthält einige wenige Akten, die in Zusammenhang mit der Tätigkeit der Reichstauschstelle angelegt wurden, als sie noch in diesem Ministerium ressortiert war. Der Hauptteil der Beschaffungsamt und Reichstauschstelle sowie die Preußische Staatsbibliothek betreffenden Akten gehört zum Bestand des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Sie stammen aus dem zum Amt Wissenschaft gehörigen Bibliotheksreferat. Dieser Bestand wurde bei dem Luftangriff auf Berlin am 23. November 1943 im Dienstgebäude des Ministeriums Unter den Linden 69 teilweise zerstört. Beim Vorrücken der Roten Armee verlagerte das Ministerium Akten nach Eisenach, die von den amerikanischen Militärbehörden sichergestellt wurden und auf Umwegen über das Geheime Staatsarchiv in Berlin schließlich ins Bundesarchiv gelangten. Im Bestand des Ministeriums befinden sich ebenfalls einige Personalakten, vornehmlich leitender Bibliotheksbeamter, sowie Akten anderer Bibliotheken aus dem Verwaltungsbereich des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Preußen und im Deutschen Reich, in Österreich und in den von Deutschland annektierten Gebieten, u. a. der Österreichischen Nationalbibliothek und der Universitäts- und Landesbibliothek Straßburg, der Staats- und Universitätsbibliothek Posen und der Büchersammelstelle Posen, der Stadt- bzw. Westraumbibliothek Metz. In der Büchersammelstelle Posen wurde das in dem von den Nationalsozialisten als „Warthegau“ bezeichneten Teil Westpolens, in der Westraumbibliothek Metz das aus Lothringen geraubte Buchgut konzentriert. Aus beiden Sammelstellen empfingen die Reichstauschstelle und die Preußische Staatsbibliothek Raubgut.
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Über diesen Bestand hinaus wurden Akten des Reichsministeriums der Finanzen im Bundesarchiv herangezogen, die sich zu den Fragen der Finanzierung und der Bewilligung beschlagnahmter und von der Finanzverwaltung eingezogener Buchbestände für das Wiederaufbauprogramm als sehr aufschlussreich erwiesen. Auf der Grundlage des Bestandes Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg konnten die Beziehungen zwischen diesem und der Reichstauschstelle teilweise aufgeklärt werden. Zur Feststellung einer etwaigen NSDAP-Mitgliedschaft des an den Raubguterwerbungen beteiligten Personals der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle dienten die im Bundesarchiv verfügbaren Mitgliederkarteien der NSDAP aus dem Bestand des Berlin Document Center. Die Angaben konnten durch einzelne Funde in den Personal- und Entnazifizierungsakten sowie aus den die „Staatsbibliothek“ betreffenden Akten des Berliner Magistrats im Landesarchiv Berlin ergänzt werden. Für Detailfragen wurden zahlreiche weitere einzelne Akten in verschiedenen Archiven ausgewertet. Im Geheimen Staatsarchiv in Berlin wird der Bestand des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung aufbewahrt, dem die Preußische Staatsbibliothek bis zur Schaffung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1934 unterstand. Dort befinden sich auch die Akten der preußischen Archivbehörden, genauer des Preußischen Geheimen Staatsarchivs. Beide Bestände belegen die Bemühungen der Preußischen Staatsbibliothek um beschlagnahmte Bibliotheken politischer Organisationen, nicht zuletzt die Bibliothek der SPD. Die von der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes geführten Akten des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs wurden zu einem großen Teil bei einem Verlagerungstransport durch Feuer vernichtet. Aus den erhaltenen Akten mit der Bezeichnung „Buchpropaganda“ ließen sich dennoch Informationen zum Deutsch-Ausländischen Buchtausch gewinnen, die u. a. für die Finanzierung der Institution aufschlussreich sind. Außer diesen Akten wurde im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes ein Teil des Bestandes „Sonderkommando Künsberg“ durchgesehen. Sie lieferten Anhaltspunkte für die Beziehungen der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle zu dieser unter der Leitung des Barons Eberhard von Künsberg stehenden Rauborganisation des Auswärtigen Amtes. Die Aktenbestände des Ministeriums des Innern, des Ministeriums der Finanzen und des Ministeriums für Volksbildung der Landesregierung Sachsen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden dokumentieren das Handeln der unter der Sowjetischen Militäradministration in den ersten Nachkriegsjahren bestehenden Landesverwaltung Sachsen. In ihren Zuständigkeitsbereich gehörte die Ausweichstelle der Reichstauschstelle in Baruth. Anhand der Akten der sächsischen Behörden lassen sich Rückschlüsse auf deren Tätigkeit in den Jahren 1945–1947 ziehen. Außerdem geben sie Hinweise auf die Ambitionen der sächsischen Finanzbehörden und den Abtransport der Bücher durch die sowjetische Besatzungsmacht. Im Staatsfilialarchiv in Bautzen fanden sich einige Vorgänge aus den Jahren 1943 und 1944, die das Depot der Reichstauschstelle im nahe Baruth gelegenen Drehsa sowie einige grundsätzliche Aspekte im Verhältnis zwischen der Berliner Dienststelle und den sächsischen Behörden betreffen.
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Die Akten des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, unter ihnen die über sogenannte Reichsfeinde von den Finanzbehörden angelegten Akten, lagern im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam. Sie geben Einblick in Praktiken der staatlichen Beraubung jüdischer Eigentümer. Die Reichstauschstelle erscheint in ihnen als Mitbewerber um das beschlagnahmte Eigentum der Verfolgten. Akten der Erwerbungsabteilung sind im Archiv der Staatsbibliothek nicht überliefert. Daher erwies es sich als Glücksfall, dass zumindest ein Teil von ihnen im Archiwum Państwowe in Jelenia Góra erhalten ist und im Zusammenhang mit der vorliegenden Studie erstmals eingesehen werden konnte. Im April 1944 lagerte die Preußische Staatsbibliothek die Katalog- und Teile der Erwerbungsabteilung nach Hirschberg in Niederschlesien aus und fasste sie zu einer Dienststelle zusammen. Im Frühsommer 1944 wurden zusammen mit anderen Arbeitsmaterialien auch die Bände des Realkatalogs und ein Teil der Erwerbungsakten nach Hirschberg gebracht. Die ebenfalls in Hirschberg befindlichen Akzessionsjournale (vermutlich sämtliche aktuellen Reihen mit Ausnahme der Slavica) und den Realkatalog transportierten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Beginn des Jahres 1945 ab, als die Besetzung Niederschlesiens durch sowjetische Truppen bevorstand. Realkatalog und Akzessionsjournale gelangten auf verschiedenen Wegen – der Realkatalog nicht ohne in den Wirren des Kriegsendes Schaden zu nehmen – wieder nach Berlin. In welchem Zusammenhang die leider ebenfalls zu verzeichnenden Verluste bei den Akzessionsjournalen – u. a. bei der Zeitschriften-Akzession – eingetreten sind, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Die in Schlesien zurückgelassenen Akten übergaben Rudolf Juchhoff, der Leiter der Dienststelle, und sein Mitarbeiter Eugen Paunel im Sommer 1945 in Hirschberg – polnisch Jelenia Góra – den polnischen Behörden. Sie fanden schließlich Eingang in das Archiwum Państwowe, wo der Bestand „Pruska Biblioteka Państwowa, Oddział Hirschberg“ – Preußische Staatsbibliothek, Abteilung Hirschberg – erschlossen wurde. Indem sie in Jelenia Góra blieben, entgingen diese Akten, die immerhin den Zeitraum von 1938–1945 abdecken, der möglichen Vernichtung. Die Akten in Jelenia Góra enthalten zahlreiche Schreiben, die sowohl legale als auch unrechtmäßige Erwerbungen, sowohl Geschenke als auch Ankäufe betreffen. Unter ihnen befindet sich die umfangreiche Korrespondenz der Erwerbungsabteilung mit Hermann Fuchs, der als Mitarbeiter der Preußischen Staatsbibliothek dem von Krüß initiierten Referat Bibliotheksschutz in Paris angehörte und während der gesamten Zeitspanne seines Aufenthalts in Frankreich französische Literatur für die Preußische Staatsbibliothek ankaufte. Überdies geben die gesondert abgelegten Begleitschreiben zu den Überstellungen von Kriegsbeute durch die Wehrmacht Aufschluss, wie die Generaldirektion und die Erwerbungsabteilung während des Krieges mit solchen ‚Geschenken‘ verfuhr. Die vorliegende Studie gliedert sich in zwei große Abschnitte. Der erste Abschnitt rekonstruiert den institutionellen Wandel der Reichstauschstelle und der beiden mit ihr verbundenen Dienststellen, des Beschaffungsamtes der Deutschen Bibliotheken und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs, über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten, von 1926 bis 1947, vor allem
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aber unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Herrschaft. Da in diesem Zusammenhang zugleich das Verhältnis zwischen Reichstauschstelle und Preußischer Staatsbibliothek abschließend geklärt werden sollte, sind die Ausführungen über die Reichstauschstelle denen über die Preußische Staatsbibliothek vorangestellt. Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf den Umgang der Preußischen Staatsbibliothek mit NS-Raubgut. Der Abschnitt über die Reichstauschstelle greift zurück bis zur Gründung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im Jahre 1920. Ihre Initiatoren installierten die länderübergreifende Bibliotheksförderung als ein wesentliches Teilgebiet der Wissenschaftsförderung in der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Ausführlich wird die Ausdifferenzierung verschiedener Tätigkeitsfelder in der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses der Notgemeinschaft erläutert, die seit 1926 teilweise von der Reichstauschstelle übernommen und ausgebaut wurden. Sodann geht die Studie auf die Gründe und Ereignisse ein, die 1934 zur Angliederung der Reichstauschstelle und der Funktionen des Bibliotheksausschusses an die Preußische Staatsbibliothek führten. Die Modalitäten dieser Übernahme, genauer die finanzielle Unterversorgung, führten dazu, dass die Doppelinstitution Reichstauschstelle und Beschaffungsamt den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit vom Ankauf wissenschaftlicher Literatur im Ausland auf die Aktivierung verschiedener Ressourcen zur unentgeltlichen Beschaffung von Literatur verlagerte. Anhand von Beispielen wird ausgeführt, wie die drei von Jürgens geleiteten Dienststellen nach ihrer Angliederung an die Preußische Staatsbibliothek im Machtgefüge des NS-Regimes agierten und sich unter veränderten Bedingungen behaupteten. In diesem Zusammenhang werden auch die Bemühungen der Reichstauschstelle um beschlagnahmte und geraubte Buchbestände thematisiert. Im Anschluss daran wird das Verhältnis ihres Geschäftsführers Adolf Jürgens zum Nationalsozialismus erörtert. In einem weiteren Kapitel wird versucht, auf der Grundlage der meist spärlichen Überlieferung den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Reichstauschstelle, des Beschaffungsamtes und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs ein Gesicht zu geben. Das Wiederaufbauprogramm für die bei Luftangriffen beschädigten und zerstörten deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken war der größte und ist aufgrund der Aktenlage der am besten fassbare Auftrag der Reichstauschstelle. Schon deshalb wird das Wiederaufbauprogramm einschließlich seiner administrativen Vorbereitung in den Ministerien und seiner finanziellen Ausstattung ausführlich behandelt. In einem umfangreichen Unterabschnitt wird danach gefragt: Wie gingen Jürgens und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Reichstauschstelle bei der logistischen Umsetzung dieses Programms vor? Wer erwarb wo welche Literatur zu welchen Preisen? In welchem Umfange bediente sich die Reichstauschstelle beschlagnahmter und geraubter Buchbestände für das Wiederaufbauprogramm? Gab es Kontakte zu den Rauborganisationen des NS-Regimes? Der Abschnitt über die Reichstauschstelle schließt mit den Ereignissen der unmittelbaren Nachkriegszeit, in deren Folge die bis dahin selbständige Dienststelle des Reiches als Abteilung in die Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek einging. Das in die Preußische Staatsbibliothek seit 1934 regelmäßig eingelieferte Raubgut spiegelt die Verfolgung verschiedener Bevölkerungsgruppen vor und die Ausplünderung der besetzten Ost- und Westgebiete während des Zweiten Weltkrieges durch den NS-Staat wider. Die ‚Wel-
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len‘ von Zugängen begannen mit dem Raubgut, das auf der Grundlage ministerieller Erlasse in die Preußische Staatsbibliothek gelangte. Dabei handelte es sich um Literatur, die seit 1933 von den Polizeibehörden, nicht zuletzt von der Geheimen Staatspolizei, bei politisch Verfolgten und ihren Organisationen, vor allem der SPD und der KPD, bei missliebigen Verlagen, verbotenen Religionsgemeinschaften, aufgelösten Vereinen u. a. beschlagnahmt worden war. Seit 1939 gingen auch – sogenannte – Judaica und Hebraica ein, die als Eigentum der zur Auswanderung gedrängten oder deportierten und ermordeten deutschen Juden von den Finanzbehörden eingezogen worden waren. Davon zu unterscheiden sind die Zugänge aus Kriegsbeute, die vor allem durch die Wehrmacht eingeliefert wurden. Die Studie setzt im zweiten Abschnitt mit den unmittelbar auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten folgenden Bemühungen der Preußischen Staatsbibliothek um beschlagnahmte Sozialistica ein. Der Zustrom der von den politischen Gegnern der Nationalsozialisten geraubten, aber keineswegs ausschließlich politischen Literatur hielt bis in die Kriegsjahre hinein an. Dieser Kategorie von Raubgut wird aus mehreren Gründen ein relativ breiter Raum gegeben: Zum einen nahm die Preußische Staatsbibliothek von den Polizeibehörden beschlagnahmte Literatur nicht nur in ihre eigenen Bestände auf, sondern ‚unterverteilte‘ sie – wie es im zeitgenössischen Sprachgebrauch heißt – an andere wissenschaftliche Bibliotheken. Zum anderen entspannen sich gerade um diese Literatur Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Institutionen, z. B. mit dem Preußischen Geheimen Staatsarchiv um die Bibliothek der SPD aus dem Gebäude des „Vorwärts“. Für die Einordnung der Preußischen Staatsbibliothek in das Machtgefüge des NS-Regimes erwies sich die Konkurrenz mit dem Sicherheitsdienst der SS um beschlagnahmte Bücherbestände als wesentlich. Das Verhältnis zwischen der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle wird ebenfalls erörtert. Hier spielt die Weitergabe von Werken, die in der Preußischen Staatsbibliothek als NS-Raubgut eingingen, im Bestand jedoch bereits vorhanden und damit nach bibliothekarischem Sprachgebrauch ,dublett‘ waren, eine wichtige Rolle. Daran schließt sich ein Kapitel über die Zugänge von Judaica und Hebraica an, über die im einzelnen weitaus weniger bekannt ist als über den Zugang politischer Literatur. Beide Kategorien von Raubgut waren der Sekretierung unterworfen. Die Bemühungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, verbotene Literatur von der Benutzung auszuschließen, sind ebenso Gegenstand eines weiteren Kapitels wie die mit den Raubguterwerbungen beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Preußischen Staatsbibliothek selbst. Über den gesamten Zeitraum der NS-Herrschaft gingen ebenso Bücher und Büchersammlungen einzelner zum Verkauf genötigter Eigentümer und aufgelöster Organisationen in die Preußische Staatsbibliothek ein. Sie wurden als Geschenk oder als Ankauf behandelt. So profitierte die Preußische Staatsbibliothek nicht nur direkt von den gesetzlichen Regelungen, die sie als Sammelstelle von Raubgut begünstigten, sondern auch indirekt von den Repressionen des NS-Regimes. Die weitere Erforschung dieser Erwerbungen, die ohne den Druck der Verfolgung nicht zustande gekommen wären und nicht zuletzt über den Buchhandel und namhafte Auktionshäuser erfolgten, muss der künftigen Provenienzforschung an der Staatsbibliothek vorbehalten bleiben.
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Um die Zugänge von in den besetzten Gebieten geraubter oder unter dem Druck der Besatzungsmacht käuflich erworbener Literatur einzuordnen, erschien es sinnvoll, zunächst die bibliothekspolitischen Aktivitäten der Generaldirektion der Preußischen Staatsbibliothek, insbesondere die Gründung von Bibliotheksschutzreferaten in den besetzten Gebieten, zu schildern. Kriegsbeute war per se kein durch die Gesetzgebung des NS-Staates ,legitimiertes‘ Raubgut. Sich an den überkommenen internationalen Regeln des Kriegsrechts orientierend betrachtete die Generaldirektion sie nach anfänglichem Schwanken als Gegenstand möglicher Friedensverhandlungen. Dementsprechend definierte sie, wie die Abteilungen der Preußischen Staatsbibliothek mit diesem Raubgut verfahren sollten. Dennoch gab es innerhalb der Preußischen Staatsbibliothek verschiedene Auffassungen über den Umgang mit dieser Kategorie von Raubgut. Im Blick auf den Kriegsverlauf wird im Einzelnen dargestellt und diskutiert, wie sich die verschiedenen Akteure in der Preußischen Staatsbibliothek zu dem aus Polen, Belgien, den Niederlanden, der Tschechoslowakei, Frankreich, der Sowjetunion und Jugoslawien eingehenden Raubgut verhielten. Auf der Grundlage der Akten im Archiwum Państwowe in Jelenia Góra können die Erwerbungen von Hermann Fuchs in Paris bis ins Detail nachvollzogen werden. Dabei werden nicht nur die Erwerbung wissenschaftlicher Literatur, sondern auch seine Ankäufe für die Sondersammlungen der Preußischen Staatsbibliothek in den Blick genommen. Das letzte Kapitel versucht, anhand der Aussagen der Bibliotheksbeamten abzuschätzen, welche Büchermengen im Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek im Laufe der Jahre unbearbeitet eingelagert wurden, ob und wie sie das Kriegsende überstanden. Wegen ihrer auch in anderer Hinsicht herausgehobenen Stellung innerhalb des deutschen Bibliothekswesens war die Preußische Staatsbibliothek die bevorzugte Empfängerbibliothek für NS-Raubgut – sowohl für beschlagnahmte Literatur als auch für Kriegsbeute – im Deutschen Reich, genauer im sogenannten Altreich (vor der De-facto-Annexion Österreichs). Darüber hinaus versorgte sie seit Beginn der Einlieferungen im Jahre 1934 andere wissenschaftliche Bibliotheken – in der ,Wahrnehmung‘ von deren Sammlungsinteressen – regelmäßig mit Raubgut. Sowohl was die Dimensionen der Raubgut-Zugänge als auch was das System der ,Unterverteilung‘ betrifft, zeigte sich im Laufe der Forschungen, dass die Preußische Staatsbibliothek viel stärker als bisher angenommen in den Bücherraub und die Weitergabe von Raubgut involviert war. Im Gegensatz dazu scheint die Reichstauschstelle bis zum Ende der dreißiger Jahre nicht oder kaum in die Verteilung beschlagnahmter Literatur einbezogen gewesen zu sein. Umso dringender bemühte sich ihr Geschäftsführer, der Bibliothekar Adolf Jürgens, seine Dienststelle in dieser Verteilungshierarchie zu platzieren. Aufgrund der unzureichenden Quellenlage ist es jedoch nicht möglich, verlässlich zu beurteilen, in welchem Umfang die Reichstauschstelle gerade von den NS-Rauborganisationen mit geraubten Büchern und Büchersammlungen bedacht wurde und was sie davon an welche Bibliotheken weiterleitete. In ihrem Anspruch auf geraubte Literatur standen freilich beide Institutionen, die Preußische Staatsbibliothek mit ihrer langen Tradition und die außerhalb der Bibliotheken kaum bekannte und anerkannte Reichstauschstelle, hinter den immer mehr erstarkenden parteiamtlichen Strukturen, insbesondere dem Sicherheitsdienst der SS, zurück, die sich vielfach über die staatliche
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Verwaltung hinwegsetzten und kraft ihrer Machtstellung deren Befugnisse okkupierten. Um ihr Ziel, die ,angemessene‘ Berücksichtigung bei der Verteilung von Raubgut, dennoch zu erreichen, arrangierte sich die Preußische Staatsbibliothek in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre mehr und mehr mit dem parteiamtlichen Machtapparat. Dessen ungeachtet erfüllten sich die Erwartungen der Erwerbungsabteilung und der Orientalischen Abteilung der Preußischen Staatsbibliothek – die Sondersammlungen wurden unter dem Gesichtspunkt fragwürdiger Erwerbungen noch nicht durchgehend untersucht – an eine Ergänzung ihrer Bestände durch Raubgut kaum. Überdies war es für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ihrer überkommenen Personalstärke unmöglich, die eingelieferten Büchermengen zu bearbeiten. Wenngleich die Studie keinen Schwerpunkt auf biographische Untersuchungen legt, lässt sich dennoch feststellen, dass weder die Mehrzahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle noch ihre Protagonisten überzeugte Anhänger des nationalsozialistischen Regimes waren. Als Beschäftigte im Staatsdienst bzw. Beamte waren sie dem Staat gegenüber traditionell loyal eingestellt. Tendenziell deutsch-national, revanchistisch und latent antisemitisch51 fanden sie aber wohl partiell und temporär Anknüpfungspunkte an die heterogene NS-Ideologie. Namentlich für Jürgens waren es gerade die schwierigen Bedingungen, die durch polykratische Herrschafts- und Verwaltungspraktiken verursachten Widrigkeiten, die knappen Geldmittel und Importbeschränkungen, die ihn in seinem Dienst anspornten. So konnte er die Dienstleistungen, die die von ihm geleiteten Institutionen der deutschen Wissenschaft und Industrie erbrachten, sogar im Sinne einer Widerständigkeit gegen parasitäre Strukturen des NS-Regimes umdeuten. In einem Konsens der Verblendung wurde 1943, ein Jahr nach der durch die Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad eingeleiteten Wende des Krieges, das Wiederaufbauprogramm für die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken beschlossen. Dadurch trugen die zentralen Institutionen des deutschen Bibliothekswesens, der Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten und die Reichstauschstelle, zu dem gigantischen Kulturguttransfer des Zweiten Weltkrieges bei.
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In den Akten der PSB finden sich mehrere Hinweise auf antisemitische Einstellungen. Besonders deutlich werden sie in einer Äußerung von Emil Jacobs, der im Herbst 1933 als Erster Direktor der PSB Krüß während dessen Amerika-Reise vertrat. Auch an der PSB waren zahlreiche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vom ,Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums‘ vom 7. 4. 1933 betroffen und wurden entlassen bzw. in den Ruhestand versetzt. Etliche von ihnen erhoben Einspruch gegen die Maßnahmen. So rechnete Robert Lachmann, Mitarbeiter der Musikabteilung und ausgewiesener Spezialist für orientalische Musik, „fest damit […], daß seine hohe Qualifikation ihn retten könnte,“ wie Jacobs in seinem Bericht an Krüß schrieb. Und Jacobs fuhr fort: „Von allen Betroffenen ist er, nach meinem Gefühl der einzige, der Würde vermissen läßt, ich finde ihn persönlich typisch jüdisch im unangenehmen Sinne.“ Jacobs an Krüß, 7. 10. 1933. SBB PK, Historische Akten Nr. 124.
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Die Reichstauschstelle: Vom Schriftentausch zum Wiederaufbau zerstörter Bibliotheken
2. 1 Bibliotheksförderung durch die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft 2.1.1 Einrichtung und Aufgaben des Bibliotheksausschusses der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft Um der finanziellen Misere der deutschen Wissenschaft nach dem Ersten Weltkrieg abzuhelfen, wurde am 30. Oktober 1920 auf Initiative der Preußischen Akademie der Wissenschaften und anderer deutscher Akademien die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft1 als länderübergreifende Fördereinrichtung gegründet. Der an den Vorbereitungen maßgeblich beteiligte preußische Wissenschaftsorganisator Adolf von Harnack – Präsident der Kaiser-WilhelmGesellschaft und Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek – sah neben der Förderung von Forschungsvorhaben und der Finanzierung wissenschaftlicher Publikationen in der Bereitstellung aktueller wissenschaftlicher Literatur für die deutschen Bibliotheken die vordringliche Aufgabe der neuen Institution. Jede namhafte ausländische Zeitschrift sollte in Deutschland zumindest an einem Ort vorhanden sein. Dazu war es notwendig, die nur in einem oder in einigen wenigen Exemplaren erworbenen Zeitschriften sinnvoll an die Bibliotheken zu verteilen. Zu diesem Zweck wurde in der Notgemeinschaft ein mit hochrangigen Vertretern des deutschen Bibliothekswesens besetzter Ausschuss2 eingerichtet, in dem der jeweilige Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek den Vorsitz führte. Die Mitglieder des Bibliotheksaus1 2
Zur NG, insbesondere auch zum BA, vgl. ZIEROLD, Forschungsförderung, 94 ff. Dem BA gehörten der GD der Bayerischen Staatsbibliothek und die Direktoren der Universitätsbibliotheken Münster, Leipzig, Freiburg und Tübingen sowie der Vorsitzende des Vereins der Deutschen Bibliothekare und seitens der PSB außer dem GD auch dessen Stellvertreter, der sogenannte Erste Direktor, an. Als GD der PSB wurde von Harnack 1921 von Fritz Milkau und dieser Ende 1925 von Hugo Andres Krüß abgelöst. – Hugo Andres Krüß (1879–1945) stammte aus großbürgerlichen Verhältnissen. Er hatte zunächst Naturwissenschaften, vornehmlich Physik, studiert, um als ältester Sohn das Optisch-mechanische Institut A. Krüss in Hamburg zu übernehmen. Nach seiner Promotion 1903 an der Universität Jena berief ihn das Preußische Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten – das Preußische Kultusministerium – in das Vorbereitungskomitee für den deutschen Beitrag zur Weltausstellung in St. Louis. In dieser Funktion verbrachte Krüß ein Jahr in den USA. Nach seiner Rückkehr blieb er in der preußischen Wissenschaftsverwaltung tätig und wirkte als Ministerialbeamter während und nach dem Ersten Weltkrieg an der Gründung und administrativen Betreuung der beiden großen außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen, der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und der NG, mit. Vgl. LOHSE, Bibliotheksdirektoren; SCHOCHOW, Hugo Andres Krüß und die Preußische Staatsbibliothek; DERS., Die Berliner Staatsbibliothek, 192–218. – Die Vorbereitungen zur Gründung der NG fielen in die Monate des Jahres 1920, in denen Krüß an die neu geschaffene kulturpolitische Abteilung des RMI abgeordnet war. Am
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Die Reichstauschstelle
schusses kamen indes nur selten zusammen. Mit den laufenden Arbeiten beauftragte von Harnack den damals dreißigjährigen Bibliothekar Adolf Jürgens, der anderthalb Jahre zuvor als unbesoldeter Bibliotheksassessor in die Preußische Staatsbibliothek eingetreten war.3 Unter der wohlwollenden Aufsicht des Präsidenten der Notgemeinschaft, des ehemaligen Preußischen Kultusministers Friedrich Schmidt-Ott, hatte Jürgens bei der Ausgestaltung seines Geschäftsbereiches4 große Freiheit. Das Verhältnis zwischen ihm und Schmidt-Ott war von Respekt gegenüber dem Älteren auf der einen, von Vertrauen in das Geschick und die Energie des Jüngeren auf der anderen Seite geprägt.5 Um die zentrale Versorgung der Bibliotheken mit Literatur so effizient wie möglich zu gestalten, erweiterte Jürgens in den folgenden Jahren die Aufgabenfelder der von ihm geleiteten Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses stetig.
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1. 10. 1920 kehrte er in das Preußische Kultusministerium zurück und leitete dort die Universitätsabteilung. Der RMI [Erich] Koch an den PMWKV, 21. 11. 1919; Antwortschreiben vom 29. 11. 1919; Staatssekretär [Carl Heinrich] Becker an den RMI, 5. 8. 1920. BArch R 4901/13758. Gesuch des Bibliotheksrats Dr. Jürgens von der PSB, Berlin, um Genehmigung zur Annahme einer Sondervergütung an den [P]MWKV, z. Hd. des GD der PSB, 22. 7. 1924 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 60. – Adolf Jürgens (1890–1945) war Sohn eines Lehrers in Heide in Holstein. Er studierte Geschichte und Deutsche Philologie in München und Berlin, wo er 1913 promoviert wurde und 1914 das Staatsexamen ablegte. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, wurde 1916 zum Leutnant der Reserve befördert und im gleichen Jahr schwer verwundet. Seit dem 1. 10. 1915 ließ er sich „vom Felde aus“ als Volontär an der Universitätsbibliothek Kiel für den Bibliotheksdienst ausbilden. Am 23. 8. 1919 wurde er von der Universitätsbibliothek Kiel an die PSB überwiesen. Am 11. 5. 1920 erhielt er die unbesoldete Stelle eines Bibliotheksassessors und Hilfsbibliothekars. 1921 avancierte er zum Bibliotheksrat. 1919 hatte er sich als Angehöriger der Brigade Reinhard an der „Bekämpfung der Berliner Unruhen“ beteiligt. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 2 f. und 33. – Jürgens verfügte über umfangreiche Sprachkenntnisse, vor allem in den skandinavischen Sprachen. In den Jahren 1917 und 1918 war er in der Abteilung Fremde Presse in der Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung für das Referat Norwegen und später für den gesamten Raum Skandinavien zuständig. Diese Tätigkeit setzte er über das Kriegsende hinaus fort, nachdem das AA die Abteilung Fremde Presse als Politische Nachrichtenstelle übernommen hatte. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 11. Er arbeitete zunächst hauptamtlich im AA, nach seinem Eintritt in die PSB bis zum 30. 11. 1920 nebenamtlich, da er als Bibliotheksassessor keine Einkünfte hatte, und seit dem 14. 2. 1921 aushilfsweise. Schreiben an das Referat I M, 1. 12. 1920. PA AA, Personalakten, Angestellte, männlich Nr. 123 A (Dr. Adolf Jürgens); Schreiben vom 14. 2., 26. 2. 1921 und vom 5. 4. 1923. PA AA, Presseabteilung (Personalakten) 0394 (Dr. Adolf Jürgens). Schreiben der Politischen Nachrichtenstelle des AA [Unterschrift unleserlich] vom 29. 7. 1919. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 43. Wie Jürgens im Sommer 1945 rückblickend schrieb, trat er im Oktober 1920 seine Stelle bei der NG „mit 7 Briefen“ an. RBBA, RTS, Jürgens, an Ministerialrat [Dr. Erich Leist], 5. 6. 1945. BArch R 4901/15797 = ZB 2/2180 Akte 13, Bl. 15. [Jürgens]: Unsere Exzellenz. Zum 70. Geburtstage von Staatsminister Dr. F. Schmidt-Ott. [von Krüß’ Hand bezeichnet:] „Dr. Jürgens’ Entwurf f. D. A. Z.“. SBB PK, Historische Akten, Nr. 104 (Notgemeinschaft I b). „Herrn Bibliotheksrat Dr. Jürgens bezeuge ich hiermit, dass er mir vom Aufbau der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im J.1920 an nicht nur ein besonders lieber und zuverlässiger Kollege, sondern nicht minder einer der wertvollsten Mitarbeiter gewesen ist, […]. Als Geschäftsführer des Bibliotheksausschusses hat er dessen Entwicklung mit seltener Initiative und Tatkraft geleitet, unermüdlich Wege aufgesucht, um der Not der deutschen Bibliotheken durch Ergänzung der Auslandsliteratur abzuhelfen und die reichen aus der Vielseitigkeit seiner Auslandsbeziehungen zuströmenden Schätze für die Deutsche Wissenschaft im weitesten Umfange nutzbar zu machen“, schrieb Schmidt-Ott über Jürgens am 29. 11. 1934 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 13.
Bibliotheksförderung durch die Notgemeinschaft
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Zunächst widmete sich die Geschäftsstelle ausschließlich dem Ankauf ausländischer Zeitschriften und koordinierte ihre Verteilung an die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken. Dabei wurden die Preußische und die Bayerische Staatsbibliothek vorrangig mit Literatur versorgt; wenn eine Zeitschrift nur in einem Exemplar eingeführt wurde, erhielt es die Preußische Staatsbibliothek. Die Universitätsbibliotheken waren gehalten, nach dem Vorbild der preußischen Bibliotheken Sondersammelgebiete auszubauen, die die Geschäftsstelle mit ihren Erwerbungen unterstützte. Auf diese Weise sollte die kostspielige mehrfache Anschaffung ein und desselben Titels vermieden werden. Ohne dass es jemals gelungen wäre, die Lücken in den Jahrgängen, die durch Isolation und finanzielle Einschränkungen während des Krieges und in der Nachkriegszeit entstanden waren, vollständig zu schließen, kaufte die Geschäftsstelle bald nicht mehr nur ausländische Zeitschriften, sondern auch ausländische Monographien. Für ihre Verteilung erarbeitete sie sogenannte Standardlisten, nach denen sie die einzelnen Bibliotheken ausstattete. Hatte von Harnack die „Notgemeinschaftsangelegenheiten“ anfangs als Nebentätigkeit zusätzlich zu Jürgens’ Arbeit an der Preußischen Staatsbibliothek konzipiert, beanspruchten sie ihn bald voll und ganz.6 Überdies stellte die Notgemeinschaft, die rechtlich ein eingetragener Verein war, eine wachsende Zahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen7 für die Bibliotheksförderung ein. Im Gegensatz zu ihnen blieb Jürgens in den folgenden anderthalb Jahrzehnten Beamter der Preußischen Staatsbibliothek und empfing sein Gehalt aus ihrem planmäßigen Etat.8 Aber nicht nur personell, sondern auch räumlich bestand eine enge Verbindung zwischen dem Bibliotheksausschuss der Notgemeinschaft und der Preußischen Staatsbibliothek. So hatte die Geschäftsstelle bis zum Ende des Jahres 1921 ihren Sitz im Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin. Danach siedelte sie in das Berliner Stadtschloss über, wo auch die anderen Einrichtungen der Notgemeinschaft – beispielsweise der Verlagsausschuss – untergebracht waren. Dort befanden sich in den zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre sowohl die Arbeitsräume der Geschäftsstelle als auch das Bücherlager und die Expedition. Die von der Notgemeinschaft verwalteten Fördermittel stammten überwiegend aus dem Haushalt des Reiches. Obwohl die Unterstützung durch einen Stifterverband der Notgemeinschaft intendiert war, blieben die Zuschüsse aus der Industrie gering. Nach schwierigen Anfangsjahren wuchsen die Fördermittel seit 1923 stark an. Damit erhöhten sich zugleich die Zuwendungen für das Bibliothekswesen. 6
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Gesuch des Bibliotheksrats Dr. Jürgens von der PSB, Berlin um Genehmigung zur Annahme einer Sondervergütung, gez. Jürgens, an den [P]MWKV, z. Hd. des GD der PSB, 22. 7. 1924 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 60. Für die Mehrarbeit zahlte die NG Jürgens eine monatliche Sondervergütung in Höhe von ca. 100 RM. Vgl. 2.3.5 Personal und räumliche Unterbringung der Reichstauschstelle, des Beschaffungsamtes und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs. Jürgens’ Lebenslauf. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1; Vgl. auch die Personalverzeichnisse in den gedruckten Jahresberichten der PSB.
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Die Reichstauschstelle
Einnahmen und Ausgaben der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft9 Jahr
1920 1921 1922
1923
192410 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 Gesamt 9
10 11 12 13
Reichszuschüsse
Zuschüsse des Stifterverbandes
20 Mio 20 Mio 440 Mio + 400 Mio Vorschuss auf 1923 4,4 Mrd + 900 Mrd + 500 000 Goldmark 3 Mio 5 Mio + 3 Mio11 4,7 Mio 8 Mio 8 Mio 7 Mio 7 Mio 5,1 Mio 4,4 Mio13 4 Mio
Sonstige private Spenden, auch aus dem Ausland
Beihilfen für das wissenschaftliche Bibliothekswesen
Summe
%
Summe der Beihilfen
7,9 Mio
2,4 Mio
?
2.000 Goldmark
231.000 Goldmark
50.000 100.000
430.000 ?
1.000.000 1.200.000
35 25
2.900.000 4.800.000
100.000 100.000 120.000 180.000 230.000 180.000 130.000 130.000
? 60.000 92.000 92.000 190.000 422.000 460.000 ?
1.500.000 2.400.000 1.000.000 610.000 790.000 300.000 370.000 282.000 9.452.000
22 22 12 9 11 7 9 7 16
6.861.000 11.107.00012 8.026.000 6.590.000 6.848.000 4.325.000 3.985.000 3.917.000 59.359.000
Auszug aus der bei ZIEROLD, Forschungsförderung, 38–39, abgedruckten Tabelle. Laut Zierold wurden die Einnahmen aus privaten Quellen – vom Stifterverband, von der Rockefeller-Foundation, von der Reichsrundfunkgesellschaft usw. – nicht im Haushaltsplan nachgewiesen. Sie sind, soweit sie erfasst werden konnten, in den Spalten 3 und 4 nachrichtlich mitgeteilt. Zierold rundete die Beträge, soweit sie 1 Million überstiegen, auf 100.000, sonst auf 10.000 ab. Seit 1924 Angaben in RM. Für zwei Jahre bestimmt. Die Höhe der Summe erklärt sich aus hohen Kassenbeständen und 400.000 RM Bankzinsen. Nur dieser Betrag kam zur Auszahlung, obwohl im Etat des RMI 4.860.000 RM gestanden hatten. – Zu den Einnahmen und Ausgaben der ersten Jahre schreibt Zierold, dass, bevor die in der Tabelle erwähnten 40 Millionen Mark für die ersten beiden Jahre vom Plenum des Reichstages bewilligt bzw. überwiesen wurden, die Aufbaukosten der NG aus „kleineren Zahlungen des Reichsinnenministeriums, das dafür irgendeinen Fonds in Anspruch nahm, aus einem Beitrag des Preußischen Kultusministeriums und aus
Bibliotheksförderung durch die Notgemeinschaft
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Der Anteil der Bibliotheksförderung sank im Vergleich zu den Fördervolumina der anderen Arbeitsbereiche prozentual bereits seit der Mitte der zwanziger Jahre. Betrug er kurz nach der Gründung der Notgemeinschaft etwa ein Drittel, so umfasste er im Jahre 1926 nur noch ein Fünftel, und ging – trotz der zweifellos beeindruckenden Millionenbeträge – am Ende der zwanziger Jahre weiter zurück auf etwa ein Elftel des Gesamtvolumens. In den absoluten Zahlen manifestierte sich eine entscheidende Verringerung der Ausgaben für das Bibliothekswesen zwar erst zu Beginn der dreißiger Jahre, gleichwohl lässt sie sich nicht allein auf die Weltwirtschaftskrise zurückführen. Bereits 1926 stellte Schmidt-Ott die Frage, ob die Bibliotheksförderung in gleicher Weise fortgesetzt werden sollte oder nicht vielmehr die deutschen Länder die Notgemeinschaft auf diesem Gebiet entlasten müssten.14 Die bislang praktizierte zentrale Literaturversorgung sollte als Überbrückung für die schwierige Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verstanden werden und sich nicht verstetigen. Die Bibliotheken drängten jedoch auf eine Fortführung der Beihilfen15 und erwirkten, dass die finanzielle Förderung in geringerem Umfange weiterhin gewährt wurde. Die Kürzungen des Jahres 1931 trafen sie daher abrupt. Zahlreiche ausländische Zeitschriften mussten abbestellt werden. Auf der Versammlung des Vereins Deutscher Bibliothekare am 18. und 19. Mai 1932 kam es zum Eklat. Der Zorn der Bibliotheksvertreter entzündete sich an den Standardlisten, mit denen nach ihrer Ansicht die Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses die Bibliotheken zentralistisch bevormundete.16 Die zentrale Bibliotheksförderung blieb deutlich eingeschränkt und verharrte in den kommenden Jahren auf niedrigem Niveau.
2.1.2 Die Gründung der Reichstauschstelle Nach einem Abkommen des Deutschen Reiches mit Frankreich vom 15. Juli 1925 wurde der durch den Ersten Weltkrieg unterbrochene Schriftentausch zwischen beiden Staaten wieder aufgenommen. Die französische Seite bedang sich aus, nicht mit zahlreichen Dienststellen in den einzelnen deutschen Ländern in Kontakt treten zu müssen, sondern nur mit einer einzigen Partnerinstitution. Mit einer Verordnung vom 5. Januar 1926 schuf das Reichsministerium des
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einigen privaten Spenden bezahlt worden waren. Zu den privaten Spendern gehörte vor allem der Börsenverein der Deutschen Buchhändler, der aus Überschüssen seiner Einkaufsstelle der Notgemeinschaft Gelder für Bibliothekszwecke zur Verfügung stellte. Sie beliefen sich bis zum Ende des Etatjahres 1921 immerhin auf 3 Millionen Mark. Ein etwa gleich großer Betrag kam aus dem Ausland, vor allem aus den USA“. ZIEROLD, Forschungsförderung, 34. Zierold betont, dass in den jährlichen Veröffentlichungen der NG erst seit 1927 klare Finanzberichte gegeben wurden, vgl. EBD., 37. Wohl deshalb und wegen der Inflation sind die Aufwendungen in den ersten Jahren nicht exakt fassbar. Protokoll der Sitzung des BA der NG am 10. 2. 1926. SBB PK, Historische Akten, Nr. 105 (Notgemeinschaft II). Vgl. auch ZIEROLD, Forschungsförderung, 146. So klagte die Universitätsbibliothek Jena 1926, dass bisher lediglich ein Achtel der vor dem Ersten Weltkrieg gehaltenen Zeitschriften ergänzt werden konnte. Protokoll der Sitzung des BA der NG am 10. 2. 1926. SBB PK, Historische Akten, Nr. 105 (Notgemeinschaft II), 1 f. ZIEROLD, Forschungsförderung, 147.
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Die Reichstauschstelle
Innern daraufhin eine ,Reichstauschstelle‘ und ressortierte sie in seinem Geschäftsbereich. Ihre Leitung lag in den Händen des in der Kulturabteilung des Reichsministeriums des Innern für den Bereich Wissenschaft zuständigen Ministerialrats Max Donnevert. Die Durchführung der Aufgaben – die Organisation des Tauschverkehrs – übertrug das Ministerium vorläufig ohne eigenen Etat der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses der Notgemeinschaft und ernannte Jürgens zum Geschäftsführer der neu geschaffenen Reichsdienststelle.17 Der Tauschverkehr erstreckte sich auf amtliche Veröffentlichungen und schloss Dissertationen und andere Universitätsschriften sowie die Publikationen Gelehrter Gesellschaften ein. Um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können, genoss die Reichstauschstelle als Reichsdienststelle Portofreiheit und hatte Anspruch auf die Überweisung einer bestimmten Anzahl von Freiexemplaren durch die Behörden des Deutschen Reichs, was in der Folge immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den abgabepflichtigen Stellen führte.18 Bereits vor der Gründung der Reichstauschstelle hatte der Bibliotheksausschuss der Notgemeinschaft Tauschbeziehungen zu verschiedenen Ländern, u. a. zu Russland, Italien, Norwegen, Rumänien, Portugal, Spanien und Australien unterhalten. Seine Geschäftsstelle fungierte als zentrale Tauschstelle für das Deutsche Reich,19 die die im Inland erworbenen Zeitschriften und die von der Notgemeinschaft selbst geförderten wissenschaftlichen Publikationen zu Tauschzwecken einsetzte und mit der erhaltenen Literatur deutsche Bibliotheken versorgte. Diese Tauschbeziehungen gingen für die amtlichen Druckschriften auf die Reichstauschstelle über. Darüber hinaus dehnte Jürgens den Aufgabenbereich der Reichstauschstelle eigenständig auf weitere Tauschbeziehungen aus.20 Ziel dieser Bestrebungen war es, die Kosten der Literaturversorgung nach dem Grundsatz des Tausches Papier gegen Papier so niedrig wie möglich zu halten.
2.1.3 Zur Praxis des Dublettentauschs Neben dem Ankauf ausländischer Zeitschriften mit Mitteln der Notgemeinschaft erschloss Jürgens kontinuierlich weitere Ressourcen, um die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken unentgeltlich mit Literatur zu versorgen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich dabei auf überzählige Exemplare in den Bibliotheken, die für die eigene Sammlung nicht benötigt wurden. Zwar hatten die Bibliotheken solche Werke stets untereinander getauscht, Jürgens’ Verdienst war es jedoch, diesen Tausch konsequenter und umfassender in Angriff genommen und effektiver gestaltet zu haben als bisher.
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Vgl. METZ, Reichstauschstelle, 215–268. Ausführlich bei METZ, Reichstauschstelle. Vgl. auch JAHRESBERICHT, 1938, 77. [Jürgens:] Bericht des BA der NG über seine bisherige Tätigkeit im Geschäftsjahr 1926/27. SBB PK, Historische Akten, Nr. 105 (Notgemeinschaft II). METZ, Reichstauschstelle, 221 f.
Bibliotheksförderung durch die Notgemeinschaft
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1922/23 richtete die Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses einen Dubletten-Ringtausch für die Universitätsbibliotheken ein,21 bald darauf auch für die Bibliotheken der Technischen Hochschulen und zeitweise für die großen Stadtbibliotheken. Die Dublettenzirkel ermöglichten den Tausch unter Beteiligung zahlreicher Partner – und nicht, wie dies sonst üblich war, nur zwischen zwei Bibliotheken, die eine bilaterale Vereinbarung getroffen hatten. Jürgens optimierte das Verfahren, dublette Werke anzuzeigen, indem die Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses Angebotszettel solcher Werke in festgesetzter Reihenfolge in Umlauf gab. Die Zettel, auf denen jeweils ein Werk verzeichnet war, konnten von Interessenten in den Bibliotheken entnommen und die angebotene Literatur bestellt werden. Da keine starre Liste existierte, erschienen ein Buch oder eine Zeitschrift, die auf diese Weise vermittelt worden waren, vom Zeitpunkt der Entnahme nicht mehr im Angebot. Damit entfiel ein aufwendiger Schriftverkehr. Diese von der Geschäftstelle des Bibliotheksausschusses organisierte Tauschpraxis setzte voraus, dass die einzelnen Bibliotheken keinen Wertausgleich für die angebotenen Exemplare beanspruchten. Wie Jürgens 1934 in einem Aufsatz für die „Münchner medizinische Wochenschrift“22 betonte, war dies auch deshalb nicht nötig, weil die „Zentrale“ – die Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses bzw. die Reichstauschstelle – stets zahlreiche Werke aus ihrem eigenen Bestand in den Dublettenzirkel einspeiste. Somit erhielten die beteiligten Bibliotheken stets mehr Literatur, als sie selbst in Umlauf gegeben hatten. Jürgens führte aus, dass bald auch „Institute, Organisationen und Firmen“, wie Siemens, AEG und Bergmann sowie die Schriftleitungen, z. B. die der Reichszentrale für wissenschaftliche Berichterstattung und des „Literarischen Zentralblatts“, und Behörden ihre nicht mehr benötigten Bücher und Zeitschriften zur Verfügung stellten. Außerdem erhielt der Bibliotheksausschuss in wachsendem Umfang Material von Privatpersonen, darunter auch Nachlässe von Gelehrten. Die Teilnahme einiger ausländischer Bibliotheken, namentlich aus Österreich, Dänemark und den Niederlanden, an dem Tauschzirkel bereicherte das gesamte Angebot zusätzlich. Jürgens veranschaulichte die Steigerung des Dublettentausches; die Bibliotheken forderten 1922/23 1925/26 1928/29 1931/32 1933/34
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1.000 6.681 10.343 (mit 31.841 Bänden resp. Heften) 14.561 (mit 34.696 Bänden resp. Heften) 18.976 (mit 54.827 Bänden resp. Heften)
F.[riedrich] Schmidt-Ott: [Jürgens’ Tätigkeit bei der NG], 3. 8. 1934 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, I.9-156, Bd. 1, 14. Zur Praxis des Dublettentauschs vgl. JÜRGENS, Doppelstück- und Suchdienst, 1734–1736, und JÜRGENS, Suchdienst, 105–111.
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Die Reichstauschstelle
verzettelte Dubletten aus dem Lager der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses bzw. der Reichstauschstelle an. Im Geschäftsjahr 1934/35 waren bereits 16.000 neue Angebote in Umlauf gegeben worden, von denen 10.000 aus den Beständen der „Zentrale“ stammten. Neben dem Dublettentausch wurde im Geschäftsjahr 1926/27 ein Dubletten-Suchdienst eingerichtet. Zusammen mit den weißen Angebotszetteln kursierten nun auch rote Suchzettel, auf denen die Bibliotheken die zur Ergänzung ihrer Bestandslücken dringend erwünschten Werke vermerkten. Der Erfolg des Suchdienstes war jedoch weitaus geringer als das Umlaufverfahren. Immerhin konnte die Geschäftsstelle einige Wünsche der Bibliotheken befriedigen, vor allem indem sie die gesuchte Literatur aus ihren eigenen Beständen zur Verfügung stellte.23
2.1.4 Die Erschließung der Dubletten aus den Bibliotheken der Reichsbehörden Am 24. Februar 1927 verpflichtete das Reichsministerium des Innern in einem Erlass die Bibliotheken der Reichsbehörden, Werke, die in ihren Beständen dublett waren, der Reichstauschstelle zu melden.24 Auf diese Weise wurde „die Verwertung der Doppel der gesamten Reichsbehördenbüchereien bei der Reichstauschstelle zentralisiert“ und „die Verwaltung der Reichsdoppelstücke […] nach den Erfahrungen und den gleichen Grundsätzen wie in den bereits bestehenden Tauschzirkeln zwischen den wissenschaftlichen Bibliotheken und den Bibliotheken der Technischen Hochschulen“ organisiert.25 Die Reichstauschstelle richtete für die Behördenbibliotheken ebenfalls einen Tauschzirkel ein und ermöglichte den Tausch zwischen den einzelnen Bibliothekstypen, so dass die wissenschaftlichen Bibliotheken und die Bibliotheken der Technischen Hochschulen mit den Angeboten aus den Bibliotheken der Reichsbehörden versorgt werden konnten. Zwischen 1927, dem Beginn der Anmeldepflicht, und 1934 vermittelte die Reichstauschstelle 230.000 Bände. Die Dubletten aus den Bibliotheken der Reichsbehörden waren zunächst wenig gefragt. Erst nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 verstärkte sich das Interesse an diesen Fachgebieten. Zehntausende von Bänden kamen allein aus der Deutschen Heeresbücherei, die aus der Zusammenlegung der Bibliotheken der Kriegsakademie, der Militärtechnischen Akademie, des Großen Generalstabes, der Generalinspektion 22 23
24 25
JÜRGENS, Doppelstück- und Suchdienst, 1735. „Die roten Suchzettel internationalen Formats werden von der Reichstauschstelle gleichzeitig mit den weißen Angebotszetteln bei den Büchereien herumgeschickt. Aus den Durchschlägen dieser Lückenmeldungen der Büchereien hat die Reichstauschstelle einen Katalog von jetzt 10000 Suchzetteln in alphabetischer Ordnung angelegt, mit dem alle eigenen Erwerbungen der Reichstauschstelle verglichen werden. [...] Nachdem bereits im Jahre 1926/27 der Suchring zunächst einmal probeweise eingeführt war und 286 Bände den Büchereien geliefert hatte, konnte er bereits 1929/30 1172 Jahrgänge resp. Bände und 4350 Einzelhefte vermitteln, wodurch 193 Jahrgänge vervollständigt wurden. 1933/34 wurden 2508 Jahrgänge bzw. Bände und 5523 Einzelhefte beschafft, wodurch 270 Jahrgänge vervollständigt wurden“. EBD. Vgl. METZ, Reichstauschstelle, 241 f. JÜRGENS, Doppelstück- und Suchdienst, 1735.
Bibliotheksförderung durch die Notgemeinschaft
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des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen sowie der Generalinspektion des MilitärVerkehrswesens hervorgegangen war26 und zwangsläufig zahlreiche Dubletten enthielt. Mit diesen „bisher unbenützt daliegenden Beständen“ stattete die Reichstauschstelle die Bibliotheken der „neuen Lehrstühle für Wehrwissenschaft“ aus.27 Und sie konnte, wie Jürgens betonte, neben dem „neuerwachten Interesse an der Wehrkunde“ auch jenen genealogischen Forschungen Rechnung tragen, die „in Zusammenhang mit der Rassengesetzgebung unseres neuen Staates“ standen. Dafür stellte die Reichstauschstelle „durch Verwertung bisher unbeachteter Bestände an Armeeranglisten, Gothaer Taschenbüchern usw.“ die entsprechende Literatur bereit.28 Bei der Übernahme der Schriften sonderte die Reichstauschstelle solche aus, die mutmaßlich keine Interessenten mehr finden würden. Zwischen 1929 und 1934 gab sie 55.000 Bände zur Makulierung frei29 und erwirtschaftete dadurch, wenn auch in geringem Umfange, Einnahmen.30
2.1.5 Die Anfänge des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs und die Dienststelle „Deutsches Buch“ Neben den käuflich erworbenen Zeitschriften empfing die Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses von Anfang an Bücherspenden aus dem Ausland, vor allem aus Skandinavien und den USA, die als Sammelgeschenke eingingen. Zudem spendeten die American Library Association und seit 1923 die Rockefeller Foundation Geld für die Beschaffung von Zeitschriften. Beim Büchertausch mit ausländischen Wissenschaftsinstitutionen und Bibliotheken nutzte die Geschäftsstelle den Umstand, dass „die deutsche Gegengabe nicht bezahlt zu werden brauchte, sondern in den von der Notgemeinschaft unterstützten Zeitschriften und Einzelwerken in Freiexemplaren zur Verfügung stand.“31 So konnte sie in den von ihr initiierten Dublettentauschzirkeln unentgeltlich erworbene ausländische Druckschriften anbieten, was die Attraktivität der Tauschringe für die teilnehmenden Bibliotheken erhöhte.
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Vgl. GENGE, Militärbibliotheken, 172, Anm. 11. Die NG hatte zum Aufbau dieser Bibliothek, die insgesamt etwa 350.000 Bände umfasste, beigetragen. JÜRGENS, Doppelstück- und Suchdienst, 1735. Die PSB erhielt durch die RTS ebenfalls Dubletten aus der Deutschen Heeresbücherei: 1934 waren es 652 Bände, vgl. JAHRESBERICHT, 1934, 26. JÜRGENS, Doppelstück- und Suchdienst, 1735. EBD. Seit 1931 musste sie diese an die Reichshauptkasse abführen. Zur Deckung der Aufwendungen für die RTS durften nur die Einnahmen aus dem Verkauf von Büchern der NG verwendet werden. RMI, i. A. [Ministerialrat Ludwig] Pellengahr, an die RTS im RMI, 16. 1. 1931. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 67a. In diesem Zusammenhang stehen die Abschriften zweier Schreiben des RMF an das RMI aus dem Jahr 1929 (SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 67b), in denen es gestattet wird, die erwirtschafteten Beträge als Haushaltseinnahmen zu buchen. VON BUSSE, Deutsch-Ausländischer Buchtausch. Von Busse berichtet von 200 Tauschbeziehungen, die bereits im ersten Jahr – gemeint war damit wohl 1921 – bestanden.
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Die Reichstauschstelle
Obwohl sich die Aktivitäten der 1926 gegründeten Reichstauschstelle und die bereits eingeführte Praxis des Buchtauschs aufs engste berührten, bestand zwischen den Tätigkeitsbereichen stets eine formale Trennung. Nach Jürgens’ 1938 gegebener Definition beschränkte sich der Auftrag der Reichstauschstelle darauf, Tauschbeziehungen zu amtlichen Stellen im Ausland zu organisieren.32 Wesentlicher war aber wohl die Beteiligung des Auswärtigen Amtes an den Tauschaktivitäten des Bibliotheksausschusses. Bereits in den zwanziger Jahren nutzte das Auswärtige Amt die Kompetenz von dessen Geschäftsstelle für die Kulturpolitik des Deutschen Reiches. Im Bibliotheksausschuss der Notgemeinschaft richtete es die Dienststelle „Deutsches Buch“ ein, die Büchergeschenke für ausländische Bibliotheken zusammenstellte und deutsche Bibliotheken im Ausland33 ausstattete. Seit 1926/27 verwaltete Jürgens finanzielle Mittel des Auswärtigen Amtes, die „für die Verbreitung des deutschen wissenschaftlichen Buches im Ausland“ vorgesehen waren.34 1928 zahlte das Auswärtige Amt eine Pauschalvergütung in Höhe von 20.000 Reichsmark an die Notgemeinschaft, um Ausgaben für die Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für Material und Porto abzudecken.35 1929 schuf es „auf Anregung der Notgemeinschaft“ einen besonderen Fonds „Deutsches Buch“36 in Höhe von 500.000 Reichsmark.37 Daraus wurden vermutlich – die Quellen sind hier nicht eindeutig – sowohl der Kauf von Literatur bestritten als auch ein monatlicher Personalkostenzuschuss von ca. 1.000 Reichsmark an die Notgemeinschaft gezahlt.38 Wenn nötig, griff die Dienststelle „Deutsches Buch“ für die Ausstattung von Bibliotheken im Ausland gleichfalls auf die von der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses bzw. von der Reichstauschstelle gesammelten Dubletten zurück.39
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In einer Rundfunkaufnahme aus dem Jahr 1938 erläuterte Jürgens den Hörern die Aufgabenteilung zwischen der RTS und dem DAB. Der DAB pflege, so Jürgens, „die Beziehungen zu ausländischen Bibliotheken, Universitäten und Instituten“ und beschaffe „wissenschaftliche Veröffentlichungen im Austausch für Deutschland, indem er ihnen die in der ganzen Welt erwünschte deutsche wissenschaftliche Literatur anbietet.“ Die RTS hingegen verkehre mit den Amtsstellen des Auslandes und tausche mit ihnen Schriften aus. Zit. nach METZ, Reichstauschstelle, 218 und 223. „Auch auslandsdeutschen Büchereien kann vielfach geholfen werden, da Bücher, deren Vorhandensein in allen innerdeutschen Büchereien vorausgesetzt werden kann, für diese oft wichtige Wunschstücke darstellen“. JÜRGENS, Doppelstück- und Suchdienst, 1735. F.[riedrich] Schmidt-Ott: [Jürgens’ Tätigkeit bei der NG], 3. 8. 1934 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 14. PSB, Krüß, an Wildhagen, NG, 2. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 19; 21. Erwähnt in einem Schreiben von Jürgens, NG, BA, an das AA, 11. 4. 1934. PA AA, R 65.704. Jürgens fragte darin an, ob er ein Buch bei de Gruyter erwerben dürfe, um es in die USA zu schicken. F.[riedrich] Schmidt-Ott: [Jürgens’ Tätigkeit bei der NG], 3. 8. 1934 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 14. Undatiertes Schreiben Jürgens’ [wohl nach der Entscheidung des RuPMWEV vom 5. 9. 1934], in dem er die Aufgabengebiete des BA darlegte. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 15. So für den Aufbau der Bücherei der Landwirtschaftlichen Hochschule in Ankara, für die der BA Zeitschriftenreihen zur Verfügung stellte, und für den Wiederaufbau der Oriental Library in Shanghai, vgl. JÜRGENS, Doppelstück- und Suchdienst, 1735.
Angliederung der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses
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Die Angliederung der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft an die Preußische Staatsbibliothek
2.2.1 Die Kontroversen über das Fortbestehen der zentralen Bibliotheksförderung Im Zuge der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik wurde Schmidt-Ott im Juni 1934 aus dem Amt gedrängt. An die Spitze der Notgemeinschaft bzw. Deutschen Forschungsgemeinschaft trat der Nationalsozialist und Vertreter der ,Deutschen Physik‘, der Nobelpreisträger Johannes Stark. Stark setzte sich über die in der Satzung der Notgemeinschaft festgelegten Entscheidungsstrukturen hinweg und konzentrierte die Institution ganz und gar auf die Forschungsförderung. In der Verwaltung der Notgemeinschaft engagierte er sich indes kaum und überließ diese Arbeit dem Vizepräsidenten Eduard Wildhagen, der als früherer Mitarbeiter Schmidt-Otts die Strukturen und Personalien der Institution genau kannte.40 Nach Zierold war es Wildhagen, der maßgeblich die Ausgliederung des Bibliotheksausschusses betrieb.41 Auf der anderen Seite arbeitete Krüß darauf hin, im Falle einer Neuregelung die Bibliotheksförderung an der Preußischen Staatsbibliothek zu verankern. Gerade die schwer zu durchschauenden Vorgänge um die Angliederung der Reichstauschstelle veranschaulichen, wie Krüß mit den Machtstrukturen des sich etablierenden NS-Regimes kooperierte, um seine bibliothekspolitischen Ziele durchzusetzen. Die Preußische Staatsbibliothek hatte von allen wissenschaftlichen Bibliotheken am meisten von den Zuwendungen der Notgemeinschaft profitiert und ihren Erwerbungsetat auf diese Weise aufgestockt. Insofern musste die fast anderthalb Jahrzehnte währende Abordnung eines ihrer wissenschaftlichen Beamten als durchaus vertretbar erscheinen. Jürgens’ jährliches Gehalt betrug 1934 7.391 Reichsmark;42 die Förderung der Preußischen Staatsbibliothek durch den Bibliotheksausschuss belief sich lange Zeit auf ein Vielfaches dieser Summe. Zu Beginn der dreißiger Jahre hatten sich nicht nur die Fördermittel zur Literaturbeschaffung drastisch verringert; auch die Haushaltsmittel der Preußischen Staatsbibliothek reichten nicht mehr aus, um die von ihr übernommenen zentralen Aufgaben im deutschen Bibliothekswesen wie bisher weiterzuführen. Am 25. Juli 1934 eröffnete Krüß dem Preußischen Kultusministerium, dass 21.000 Reichsmark für die Entlohnung außerplanmäßiger Hilfskräfte fehlten und damit die Fortsetzung der von der Preußischen Staatsbibliothek für das gesamte deutsche Bibliothekswesen wahrgenommenen Aufgaben gefährdet sei. Krüß berief sich auf das besondere Interesse des Preußischen und Reichsministers Rust an der Preußischen Staatsbibliothek 40
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Zur „Selbstgleichschaltung“ Friedrich Schmidt-Otts vgl. MERTENS, Nur politisch Würdige, 50 ff. Zur Geschichte der DFG vgl. ZIEROLD, Forschungsförderung, 173 ff. Zur Politik der Neuordnung unter Stark vgl. HAMMERSTEIN, Forschungsgemeinschaft, 144 ff. ZIEROLD, Forschungsförderung, 178. [Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben der RTS]. BArch R 4901/2672, Bl. 8. 1939 betrug Jürgens’ Jahresgehalt 10.587 RM. BArch R 4901/15083.
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Die Reichstauschstelle
und ersuchte um Unterstützung aus Mitteln des neugeschaffenen Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.43 Dies war insofern konsequent, als die Beschaffung ausländischer Zeitschriften durch den Bibliotheksausschuss nichts anderes gewesen war als eine verdeckte Bezuschussung der Preußischen Staatsbibliothek aus dem Reichshaushalt, wurde die Notgemeinschaft doch im wesentlichen aus Mitteln des Reichsministeriums des Innern finanziert. Im Juli 1934 spitzten sich die Auseinandersetzungen zu. Gegenüber dem Leiter des Amtes Wissenschaft im Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Theodor Vahlen, machte Krüß geltend, dass die Preußische Staatsbibliothek „bei der Unmöglichkeit, Staatsmittel zur Annahme von Ersatzkräften in dem bisherigen Umfange bereitzustellen“ Jürgens’ Bezüge nicht mehr tragen könne.44 Vahlen wandte sich daraufhin an den Präsidenten der Notgemeinschaft und bat ihn, Jürgens’ Gehalt ab 1. August 1934 in ihren Fonds zu übernehmen. Stark erklärte, dass die Notgemeinschaft dazu nicht in der Lage sei, und verfügte Jürgens’ sofortiges Ausscheiden aus der Notgemeinschaft.45 Möglicherweise kam Krüß mit seinem Vorstoß im Juli 1934 Plänen im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zuvor, ein Reichszentralamt für die deutschen Bibliotheken einzurichten und die Bibliotheksförderung dort anzusiedeln.46 Stark bzw. Wildhagen waren über diese Pläne informiert und hatten vielleicht sogar den Anstoß dazu gegeben.47 Ein Reichszentralamt unter dem direkten Einfluss des Ministeriums hätte zweifellos dem NS-Regime näher gestanden als eine der Preußischen Staatsbibliothek affiliierte Institution. Ohne Jürgens’ Weiterbeschäftigung wäre überdies die in den zurückliegenden anderthalb Jahrzehnten erarbeitete Kompetenz der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses verloren gegangen. 43
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GD der PSB, Krüß, an Ministerialrat [Otto] von Rottenburg, [P]MWKV, 25. 7. 1934. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 179 f. Krüß’ Anliegen Folge leistend erkundigte sich von Rottenburg behördenintern bei Max Donnevert, ob es möglich sei, die zusammen mit der Kulturabteilung des RMI auf das RMWEV übergegangenen Fonds für die im nationalen Interesse liegenden Arbeiten der PSB zu verwenden. Daraufhin erhielt er den Rat, die nötigen Mittel bei der NG selbst zu beantragen. Die NG habe „ja mit Zustimmung des Reichsministeriums des Innern der Staatsbibliothek seit langen Jahren zum Teil erhebliche Beträge zugeführt“. Donnevert [?] an von Rottenburg, 8. 8. 1934. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 181. PMWKV, gez. Vahlen, an den Präsidenten der NG, 23. 7. 1934 (Abschrift, 2. 8. 1934). SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 80. Krüß hatte schon seit längerem darauf gedrungen, dass die PSB nicht mehr für Jürgens’ Gehalt aufkommen müsse, weil die Tätigkeit bei der NG diesen gänzlich in Anspruch nehme. Krüß in der Erläuterung zur Anmeldung der RTS und des Beschaffungsamtes zum Reichshaushalt 1934 an Ministerialrat Dr. Rottenburg im Preußischen Kultusministerium, 9. 2. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 95. Stark an Jürgens, 2. 8. 1934 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 79. In seinem Tagebuch vermerkte Krüß unter dem 3. 8. 1934: „Telefonische Mitteilung von Dr. Wildhagen – Notgemeinschaft, daß Neuordnung durch das Reichskultusministerium bevorstehe.“ SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. In dem von Stark unterzeichneten Schreiben an das Ministerium vom 15. 8. 1934 sprach sich Wildhagen „aufgrund der Erfahrungen der Notgemeinschaft mit dem Bibliotheksausschuss für die Einrichtung eines solchen Amtes“ aus, „um die für die wissenschaftliche Arbeit erforderliche Einheitlichkeit zu gewährleisten.“ NG, Stark, an PMWKV, 15. 8. 1934. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 183 f.
Angliederung der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses
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2.2.2 Die Modalitäten der Angliederung an die Preußische Staatsbibliothek Die Pläne für ein Reichszentralamt waren im Ministerium entweder nicht weit genug gediehen oder nicht energisch genug verfolgt worden. Krüß konnte sich mit der von ihm angebotenen pragmatischen Lösung des Konflikts, der Angliederung an die Preußische Staatsbibliothek, durchsetzen. Bevor Stark Jürgens’ Beschäftigung als Leiter der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses aufkündigte, versicherte Krüß gegenüber Vahlen, dass die Preußische Staatsbibliothek Jürgens’ Stelle weiterhin offenhalten, d. h. ihn wieder aufnehmen würde.48 Nachdem er sich mit Wildhagen besprochen hatte,49 unterbreitete Krüß am 14. August 1934 Vahlen seinen Vorschlag für die Angliederung der Reichstauschstelle an die Preußische Staatsbibliothek.50 Offenbar war wegen der relativ geringen Kosten, die für die Unterhaltung der Institution aufgewendet werden mussten, und der unstrittigen Bedeutung der Reichstauschstelle für die Darstellung des Deutschen Reiches im Ausland ein Konsens unschwer zu erzielen. Die Angliederung an die Preußische Staatsbibliothek erfolgte am 15. August 1934. Mit dem internationalen Tausch amtlicher Druckschriften ging zugleich der Dublettentausch als Bestandteil der Reichstauschstelle an die Preußische Staatsbibliothek über.51 Seine Bereitschaft, die Reichstauschstelle gleichsam unter den Schirm der Preußischen Staatsbibliothek zu nehmen, verband Krüß indes mit verschiedenen Forderungen an das Ministerium. So betonte er, dass sich die Notgemeinschaft bei Gründung der Reichstauschstelle gegenüber dem Reichsministerium des Innern verpflichtet habe, die Kosten für ihren Betrieb zu tragen. Darüber hinaus sollte die Reichstauschstelle das Privileg der Portofreiheit52 behalten dürfen. Die Angliederung sollte zudem den Haushalt der Preußischen Staatsbibliothek nicht belasten. Und
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PMWKV, gez. Vahlen, an den Präsidenten der NG, 23. 7. 1934 (Abschrift, 2. 8. 1934). SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 80. Vgl. auch GREGULETZ, Preußische Staatsbibliothek, 255, Anm. 47. Dass Jürgens Gehaltsansprüche an die NG hatte, konnte nicht verifiziert werden. Krüß in seinem Tagebuch unter dem 13. 8. 1934. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Vahlen hatte sich schon einige Tage zuvor auf die Angliederung an die Staatsbibliothek festgelegt. So hielt Jürgens in einer Aktennotiz fest: „Am 10. August 1934 eröffnete mir Herr Dr. Wildhagen die im Einverständnis mit Herrn Ministerialdirektor Vahlen getroffene Entscheidung des Herrn Präsidenten der Notgemeinschaft, die Reichstauschstelle an die Preussische Staatsbibliothek abzugeben.“ Nicht datierter Durchdruck des Schreibens von Jürgens, mit rotem Buntstift als Termin für die Übergabe hinzugefügt: „14. 8. 1934“. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 1. GD der PSB, Krüß, an den [P]MWKV, 14. 8. 1934. BArch R 4901/2672, Bl. 5. Krüß an den Minister, 14. 8. 1934 (Entwurf), abgesandt am 15. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 7. Vgl. METZ, Reichstauschstelle, 246. Die Kosten beliefen sich nach einer Aufstellung, die Jürgens im Herbst 1934 vorlegte, für das Kalenderjahr 1933 auf 36.848,18 RM. Dabei handelte es sich um Personalkosten und um die Aufwendungen für das Büro und die Expedition. Ausgaben der RTS im 8. Geschäftsjahr. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 3. Jürgens’ Gehalt ist in dieser Aufstellung nicht enthalten. Die Portofreiheit, auf der Krüß so nachdrücklich beharrte, stellte angesichts der finanziellen Situation eine erhebliche Vergünstigung dar. Obendrein unterstützte auch die Deutsche Reichsbahn die RTS. Die Zuschüsse betrugen für das Jahr 1933 3.200 RM. Ausgaben der RTS im 8. Geschäftsjahr. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 3.
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Die Reichstauschstelle
da das Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek nicht ausreichend Platz bot, müsste nach Räumlichkeiten für die Unterbringung der Dienststelle gesucht werden. Als wesentlich schwieriger erwies sich die von Krüß gleichzeitig angestoßene Übernahme des Arbeitsgebietes Kauferwerbung.53 Zwar gab Vahlen Krüß’ diesbezüglichem Vorschlag am 5. September 1934 statt. Der Bibliotheksausschuss wurde – unter der Bezeichnung Beschaffungsamt der deutschen Bibliotheken – „in die Preußische Staatsbibliothek verlegt“, die „seine Funktionen, soweit sie auch in Zukunft weiter zu erhalten sind“, übernehmen sollte.54 Damit war jedoch die Finanzierung der Bibliotheksförderung keinesfalls garantiert. Über diesen Punkt kam es in den folgenden Wochen und Monaten zu harten Verhandlungen zwischen der Preußischen Staatsbibliothek, der Notgemeinschaft und dem Ministerium. Am 5. September hatte Vahlen noch versichert, dass die Notgemeinschaft im laufenden Haushaltsjahr die Reichstauschstelle und das Beschaffungsamt finanzieren werde55 – gemeint war, dass sie die im Reichshaushalt für die Bibliotheksförderung vorgesehenen Mittel an die beiden inzwischen ausgegliederten Institutionen weitergeben würde. Die Verantwortlichen in der Notgemeinschaft waren indes nicht bereit, die Kosten für die ausgegliederten Dienststellen in vollem Umfang zu tragen. Die gegenseitige Aufrechnung der Forderungen und Verpflichtungen war schon deshalb kompliziert, weil die Leitung der Notgemeinschaft die Mittel, die sie auf Anordnung Vahlens für die bereits an der Preußischen Staatsbibliothek tätigen außerplanmäßigen Hilfskräfte abgeben sollte, in die Berechnungen einbezog.56 Krüß stellte die Kosten für die übernommenen Einrichtungen im laufenden Haushaltsjahr zusammen und sandte seine Forderung an Wildhagen.57 Aus den bisherigen Aufwendungen für die Bücherbeschaffung ergab sich für die ver53
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Aktenvermerk Wildhagens an Krüß, 10. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 9a; BArch R 4901/2672, Bl. 11. Krüß bezog sich auf die frühere Unterbringung in den Räumen der PSB und legte dem Ministerium nahe: „Soweit gewisse Funktionen des Bibliotheksausschusses auch in Zukunft weiter erhalten werden sollen, was sicher im Gesamtinteresse der deutschen Bibliotheken nützlich wäre, möchte ich glauben, daß die Wiedervereinigung mit der Staatsbibliothek das Zweckmäßigste wäre.“ Krüß an den Minister, 14. 8. 1934 (Entwurf). SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 7. PMWKV, i. V. gez. Vahlen, an den GD der PSB, 5. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 13; BArch R 4901/2672, Bl. 14 (Entwurf). PMWKV, i. V. gez. Vahlen, an den GD der PSB, 5. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 13. Vgl. GD der PSB, Krüß, an Ministerialrat von Rottenburg, [P]MWKV, 25. 7. 1934. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 179 f. Nachdem Donnevert von Rottenburg an die NG verwiesen hatte, forderte Vahlen diese auf, die PSB mit 10.000 RM zu unterstützen. Vahlens Antrag an die NG vom 8. 8. 1934. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 182. Wildhagen sicherte seinerseits zu, „daß, gemäß dem Erlaß des Herrn Ministers, die bisherigen Zuschüsse sowohl für die Reichstauschstelle als auch für den Bibliotheksausschuß von der Notgemeinschaft für das laufende Rechnungsjahr unverkürzt weitergezahlt werden würden. Ältere Sonderkredite jedoch wären vorerst gesperrt, […].“ Aktennotiz von Emil Jacobs, 14. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 17. Krüß verschaffte sich zunächst mit Jürgens’ und von Busses Hilfe einen Überblick über die Aufgaben des BA und die voraussichtlichen Aufwendungen. Undatiertes Schreiben Jürgens’ [wohl nach der Entscheidung des Ministeriums vom 5. 9. 1934]. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 15. Krüß in seinem Tagebuch, 27. 9. 1934: „Besprechung mit Dr. Jürgens und Frl. Dr. v. Busse über die Auseinandersetzung
Angliederung der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses
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bleibende Hälfte des laufenden Haushaltsjahres ein Betrag von 139.000 Reichsmark. Für das mit den bibliotheksübergreifenden Aufgaben der Preußischen Staatsbibliothek beschäftigte Hilfspersonal hatte die Notgemeinschaft dem Ministerium 10.000 Reichsmark zugesichert. Das Beschaffungsamt der deutschen Bibliotheken benötigte jedoch einschließlich der Personalund Sachkosten 155.548 Reichsmark. Für die Reichstauschstelle beantragte Krüß 17.177 Reichsmark. Ferner stand, worauf er ebenfalls aufmerksam machte, noch ein Restbetrag aus Geldern der Rockefeller Foundation in Höhe von 1.452,56 Reichsmark aus, der – den Intentionen der Stiftung folgend – zweckgebunden für die Beschaffung sozialwissenschaftlicher Literatur verwendet werden musste. Trotz der Mahnung Vahlens wegen des Zuschusses für wissenschaftliche Hilfskräfte58 und entgegen der Zusicherung Wildhagens, die durch den Bibliotheksausschuss gelieferten Zeitschriften soweit wie möglich zu halten,59 ignorierte Stark die bisherigen Vereinbarungen und setzte am 24. Oktober sowohl das Ministerium als auch Krüß ultimativ davon in Kenntnis, welche Mittel die Notgemeinschaft bereitzustellen gewillt war. Den Zuschuss für außerplanmäßige Hilfskräfte betrachtete er als Teil der Gesamtregelung. Ferner ging er davon aus, dass der Bibliotheksausschuss bereits 200.000 Reichsmark im laufenden Rechnungsjahr ausgegeben hatte. Deshalb reduzierte er den Anspruch für den Rest des Rechnungsjahres – das waren immerhin noch fünf Monate – auf 90.000 Reichsmark. Die Notgemeinschaft war bereit, 11.000 Reichsmark für Personalkosten beizusteuern. Stark sicherte zu, die durch den Umzug und die Neueinrichtung der Institutionen verursachten Kosten sowie mögliche noch ungeklärte Devisenauslagen tragen zu wollen.60
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mit der Notgemeinschaft“. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Daraufhin wandte er sich an Wildhagen. Krüß an Wildhagen, 2. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 19, 21. Vahlen an den Präsidenten der NG, 5. 10. 1934 (handschriftlicher Entwurf), abgesandt am 8. 10. 1934. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd.10, Bl. 186. In seinem Tagebuch notierte Krüß unter dem 13. 10. 1934: „Besprechung bei der Notgemeinschaft über die Vereinbarung wegen der Finanzierung des Bibliotheksausschusses“. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Aufzeichnung einer telefonischen Unterredung mit Wildhagen, Krüß, 22. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 49. NG, Stark, an den GD der PSB, Krüß, 24. 10. 1934; NG an das Ministerium, 24. 10. 1934 (Durchdruck). SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 59 ff.
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Die Reichstauschstelle
2.3
Reichstauschstelle, Beschaffungsamt der Deutschen Bibliotheken und Deutsch-Ausländischer Buchtausch unter der Verwaltung des Generaldirektors der Preußischen Staatsbibliothek
2.3.1 Das administrative Verhältnis zur Preußischen Staatsbibliothek Da die Preußische Staatsbibliothek keine Institution des Reiches, sondern eine Einrichtung des Landes Preußen war, musste eine administrative Konstruktion geschaffen werden, in der die Belange der Reichstauschstelle der Preußischen Staatsbibliothek untergeordnet werden konnten. Krüß unterbreitete die Problematik dem Ministerium: Sollte – wie bei Gründung der Reichstauschstelle – der zuständige Referent im Reichsministerium oder der Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek die Leitung übernehmen? Und er gab zu bedenken, dass die „Bezeichnung als Reichstauschstelle im Reichskultusministerium in mancher Richtung hin förderlich sein könnte.“61 Das Ministerium folgte weitgehend Krüß’ Überlegungen. Die Reichstauschstelle behielt den Charakter einer Dienststelle des Reichs bei und blieb weiterhin im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ressortiert, ohne jedoch von dort aus geleitet zu werden. Die Verwaltungsaufsicht wurde Krüß als Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek übertragen. Die Reichstauschstelle hieß offiziell „Reichstauschstelle im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“. Ferner bestätigte das Ministerium die leitenden Mitarbeiter, Jürgens und die seit 1930 in der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses tätige Bibliothekarin Gisela von Busse, bis auf weiteres in ihrer bisherigen Stellung und Tätigkeit,62 Jürgens als Geschäftsführer der Reichstauschstelle und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs, von Busse als seine Stellvertreterin und Geschäftsführerin des Beschaffungsamtes. Wegen der räumlichen Nähe und der personellen Verflechtung galten die angegliederten Dienststellen sowohl intern als auch in der Außenwahrnehmung als Teil der Preußischen Staatsbibliothek.63 Dieser unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Preußischen Staatsbibliothek verbreiteten Meinung trat Krüß in einem Rundschreiben im April 1935 entgegen. Er stellte klar, dass die beiden Dienststellen nicht als Abteilungen der Preußischen Staatsbibliothek zu behandeln seien.64 Gleichwohl nutzten die Beteiligten immer wieder das ungenaue 61
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Krüß an den Minister, 28. 10. 1934 (Entwurf), abgesandt am 30. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 67. Franz Bachér, Vahlens Stellvertreter, bestätigte die Festlegungen. Der RMWEV, i. A. gez. Bachér, an den GD der PSB, 29. 11. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 79. In der Außenwahrnehmung kehrte Jürgens zu der gewöhnlichen Tätigkeit eines Bibliothekars an der PSB zurück. Vgl. Schreiben des Direktors der Leipziger Universitätsbibliothek, Otto Glauning, an Jürgens vom 10. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 90. Krüß: Umlauf bei allen Abteilungen und Dienststellen, Reichstauschstelle und Beschaffungsamt. (Entwurf), 6. 4. 1935, abgesandt 8. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 123.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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Wissen über den Charakter der Einrichtungen, um aus dem Umstand, mit der Preußischen Staatsbibliothek in Verbindung gebracht zu werden, Vorteile für ihre Arbeit zu ziehen.65 Tatsächlich unterschied sich die Stellung des Beschaffungsamtes der deutschen Bibliotheken zur Preußischen Staatsbibliothek von der der Reichstauschstelle in den ersten Jahren nach der Angliederung.66 Das Beschaffungsamt war nicht, wie die Reichstauschstelle, dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, sondern allein dem Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek unterstellt. Dies änderte sich erst, als es im April 1939 durch einen Ministerialerlass gleichfalls in eine Reichsbehörde umgewandelt wurde.67 Doch auch danach herrschte – selbst bei den unmittelbar Betroffenen – Unklarheit darüber, welche Auswirkungen diese Änderung haben sollte.68 So bat von Busse die Generaldirektion im August 1939, „die Frage zu klären, ob das Beschaffungsamt als Preussische oder als ReichsDienststelle anzusehen ist“. Dem Ministerium sowie den ausländischen Lieferanten gegenüber trete es als „Beschaffungsamt der Deutschen Bibliotheken“ auf. Im Schriftverkehr mit den deutschen Bibliotheken behalte es hingegen die Bezeichnung „Bibliotheksausschuss“ bei, nur durch den Zusatz „Preussische Staatsbibliothek, Bibliotheksausschuss“ ergänzt.69 Dieser Widerspruch müsse geklärt werden. Krüß hatte bislang aus zwei Gründen in Fragen der Zugehörigkeit und Unterstellung taktiert. Zum einen war es von entscheidender Bedeutung für die finanzielle Ausstattung der Dienststellen, dass sie im Reichshaushalt verankert waren. Zum anderen nutzte er den Zu-
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Im Sommer 1943 wurde Jürgens durch Friedrich Glum, den früheren Generalsekretär und Direktor der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, auf leerstehende Räume in den Schlössern in Tann in der Rhön aufmerksam. Sowohl Glum als auch die Schlossherrschaft in Tann gingen davon aus, dass die RTS zur PSB gehörte. Der Umstand, dass sie bereit waren, die PSB bei der Suche nach Verlagerungsdepots zu unterstützen, erleichterte die Beschaffung geeigneter Bücherdepots auch für die RTS. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Tann. Ein Beispiel für die Gleichsetzung von DAB und PSB ist die Erwartung des Direktors der Kunstbibliothek, dass Jürgens unmittelbar Zugriff auf die Raubgutbestände der PSB hätte. Vgl. Kap. 3.8.1.2. Vahlen sprach denn auch von der „Überführung des Bibliotheksausschusses an die Staatsbibliothek“ und der „Angliederung der Reichstauschstelle an diese“. Vahlen an den Präsidenten der NG, 5. 10. 1934 (Handschriftlicher Entwurf). GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 186. GD der PSB, Krüß, an den RMWEV, 18. 8. 1939. BArch R 4901/15091, Bl. 298. Am 7. 8. 1939 fragte von Busse an, ob das Beschaffungsamt anstelle von Briefmarken nunmehr die üblichen Dienstmarken verwenden solle, weil es zur PSB gehöre. BADB, von Busse, an die Generalverwaltung der PSB, 7. 8. 1939. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 283. Im gleichen Schreiben folgerte sie jedoch aus der Tatsache, dass die RTS mit dem Beschaffungsamt in ein und demselben Etatposten geführt wurde: „Es wäre wohl richtig, einheitlich den Namen ‚Beschaffungsamt‘ für diese Dienststelle zu führen.“ BADB, von Busse, an die Generalverwaltung der PSB, 7. 8. 1939. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 283. Daraufhin ersuchte Krüß das Ministerium, dem Beschaffungsamt gleichfalls Portofreiheit zu gewähren. Dem wurde mit dem Einverständnis des Reichspostministers stattgegeben. Krüß an den Reichsminister (Entwurf), 18. 8. 1939, abgesandt am 21. 8. 1939. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 285. Das gleiche Schreiben im BArch R 4901/15091, Bl. 298. RMWEV. i. A. gez. [Ministerialrat Rudolf] Kummer, an den GD der PSB, 30. 11. 1939. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 317. Von da an erschien die Bezeichnung „Preußische Staatsbibliothek“ auf dem Briefkopf des „Beschaffungsamtes der Deutschen Bibliotheken“ nicht mehr.
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Die Reichstauschstelle
wachs an Funktionen, den die Preußische Staatsbibliothek durch die Angliederung der Dienststellen erfuhr, um den Anspruch auf den Status einer deutschen Nationalbibliothek zu untermauern. In einer kurzen Denkschrift aus dem Jahre 1928 hatte Krüß die ,gesamtnationalen‘ Aufgaben der Preußischen Staatsbibliothek bilanziert und – obgleich er Termini wie „Nationaloder Reichsbibliothek“ vermied – keinen Zweifel daran gelassen, dass die umfassenden Aufgaben einer deutschen Nationalbibliothek einzig und allein von der Preußischen Staatsbibliothek ausgefüllt werden könnten.70 Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten trafen sich seine Pläne mit denen der neuen Machthaber, die eine Stärkung der Reichsbehörden und Reichsinstitutionen anstrebten. Zwei Monate nach seiner Ernennung zum Preußischen Kultusminister äußerte Bernhard Rust die Absicht, die Preußische Staatsbibliothek in den Rang einer Nationalbibliothek zu erheben.71 In den folgenden Monaten bemühte sich Krüß, die Angelegenheit voranzutreiben,72 blieb dabei jedoch erfolglos. Offensichtlich hatte Rust die Machtverhältnisse zwischen dem von ihm geleiteten Ministerium und anderen Machtzentren des NS-Regimes, insbesondere dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, zu dessen Geschäftsbereich die Deutsche Bücherei in Leipzig gehörte, falsch eingeschätzt.73 Die Angliederung des Bibliotheksausschusses gab Krüß erneut Gelegenheit, die Umwandlung der Preußischen Staatsbibliothek in eine Nationalbibliothek anzuregen. Die Bezeichnung „Deutsche Reichsbibliothek“ würde, so Krüß in einem Schreiben an das Ministerium vom 19. Oktober 1934, wegen der ,gesamtnationalen‘ Funktionen „sachlich durchaus begründet sein und gleichzeitig der Staatsbibliothek die Durchführung der ihr übertragenen Reichsaufgaben entscheidend erleichtern“.74 In den folgenden Jahren wurde die Frage der Erhebung der Preußischen Staatsbibliothek zur National- bzw. ,Reichsbibliothek‘ immer wieder aufgeworfen. Zu Beginn des Jahres 1938 erwog der Präsident des Rechnungshofs des Deutschen Reichs in Zusammenhang mit der „in Aussicht genommenen Verreichlichung der wissenschaftlichen Hochschulen in Deutschland auch eine Überführung der wissenschaftlichen Bibliotheken […] auf das Reich“. Der Preußischen Staatsbibliothek sollte dabei „eine über die bisherigen Verhältnisse hinausgehende füh-
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KRÜSS, Staatsbibliothek. Mit dieser Forderung reihte sich Krüß in die Tradition der preußischen Kulturpolitiker Friedrich Althoff und Adolf von Harnack ein. „Bei der Eröffnung der Italienischen Buchausstellung in der Staatsbibliothek Anfang April d. J. hat Herr Minister Rust mit mir von seinem Plan gesprochen, die Staatsbibliothek zur Nationalbibliothek zu erheben.“ Krüß (handschriftlicher Entwurf) an Ministerialdirektor [Georg] Gerullis im [P]MWKV, 15. 8. 1933. SBB PK, Historische Akten, VII.2-2, Bd. 2, 59 f., 59. Vgl. [Gustav] Abb an Krüß, 16. 8. 1933; Entwurf von Direktor Abb, August 1933. SBB PK, Historische Akten, VII.2-2, Bd. 2, 63 und 65 f. Vgl. BRIEL, Verhältnis, 51 ff. Zur Konkurrenz zwischen beiden Ministerien vgl. BARBIAN, Bibliotheksbürokratie, 12 ff. Krüß an den Minister (handschriftlicher Entwurf), 19. 10. 1934, abgesandt am 22. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, VII.2-2, Bd. 2, 73 ff. Unter dem 22. 10. 1934 vermerkte er in seinem Tagebuch: „Anmeldungen zum Reichsetat. Reichstauschstelle, Bibliothek, Reichsbeirat – Antrag wegen Benennung der Staatsbibliothek als Reichsbibliothek.“ SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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rende Stellung“ zukommen.75 Im April 1938 fand eine Besprechung mit Vertretern des Reichsministeriums der Finanzen „über die Bezeichnung der Staatsbibliothek als Reichsbibliothek“ statt.76 1940 schien die Erhebung zur ,Reichsbibliothek‘ endlich unmittelbar bevorzustehen. „Sobald die geplante Überführung auch der Staatsbibliothek auf den Reichshaushalt durchgeführt sein wird, soll geprüft werden, ob die Reichstauschstelle in ‚Reichstauschstelle in der Reichsbibliothek Berlin‘ umzubenennen ist“, schrieb der für das wissenschaftliche Bibliothekswesen zuständige Referent im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Rudolf Kummer, am 20. Februar 1940.77 Während die Erhebung der Preußischen Staatsbibliothek zur ‚Reichsbibliothek‘ und die damit verbundene Übernahme auf den Reichshaushalt jedoch unterblieben, wurden ein Jahr später, 1941, die Reichstauschstelle und das Beschaffungsamt zu einer Dienststelle zusammengefasst und mit einem eigenen Haushaltstitel im Haushalt des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung etatisiert. Der Anstoß dazu ging vom Auswärtigen Amt aus.78 Weil die Reichstauschstelle und der Deutsch-Ausländische Buchtausch „zweifellos Reichsaufgaben“ ausführten – für das Auswärtige Amt waren dies vor allem ihre Leistungen im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik79 –, sprachen sich die Verantwortlichen der Kulturpolitischen Abteilung für Jürgens’ Beförderung zum Bibliotheksdirektor und für eine Etatisierung im Haushalt des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung aus. Das Reichsministerium der Finanzen gab dem Vorschlag schließlich statt.80 Mit Wirkung vom 1. Januar 1942 ernannte Rust Jürgens zum Bibliotheksdirektor.81 Jürgens leitete nunmehr eine aus beiden Dienststellen – Beschaffungsamt und Reichstauschstelle – bestehende Reichsbehörde, die durch die Etatisierung im Reichshaushalt mit Beginn des Rechnungsjahrs 1941 von der Notgemeinschaft finanziell unabhängig wurde.82 75
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Der Präsident des Rechnungshofs des Deutschen Reichs, [unleserlich], an den RuPMWEV, 9. 2. 1938. BArch R 4901/15051, Bl. 21. Notiz in Krüß’ Tagebuch: 12. 4. 1938 „Besprechung im Ministerium unter Beteiligung des Reichsfinanzministeriums und des Preuss. Finanzministeriums über die Bezeichnung der Staatsbibliothek als Reichsbibliothek.“ SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Kummer an Ministerialrat [Otto] Graf [zu] Rantzau, 20. 2. 1940 (Entwurf). BArch R 4901/15091, Bl. 318. Vgl. METZ, Reichstauschstelle, 260. AA, Kulturabteilung, Roth, an den GD der PSB, 15. 10. 1940; und Durchdruck eines Schreibens des AA, i. A. [Gesandter Fritz von] Twardowski, an das RMWEV, 15. 10. 1940. SBB PK, Historische Akten, I.9-156, 131 und 132. Vgl. 2.3.3 Der Deutsch-Ausländische Buchtausch an der Preußischen Staatsbibliothek – Buchpropaganda im Auftrag des Auswärtigen Amtes. Der RMF, i. A. (Dir. A I) [Kürzel], Vermerk 20. 5. 1941. BArch R 2/12436, 26. 11. 41. RMWEV, gez. Rust, an Bibliotheksdirektor Adolf Jürgens, 2. 3. 1942. SBB PK, Historische Akten I.9-156, 163 a; RTS und BADB. Jahresbericht für das Jahr 1941. BArch R 4901/15090, Bl. 188 ff., Bl. 188. Vermutlich stand Jürgens’ Eintritt in die NSDAP am 11. 7. 1940 in Zusammenhang mit der Ernennung. RTS im RMWEV, i. A. Jürgens, an die Generalverwaltung der PSB, 6. 8. 1940. SBB PK, Historische Akten I.9-156, 154. RMWEV, i. A. Kummer, an Oberregierungsrat Schade im Hause, 21. 5. 1941. BArch R 4901/15091, Bl. 463. Jürgens wurde vom preußischen Beamten zum Reichsbeamten. RMWEV, gez. Rust, an Bibliotheksdirektor Adolf Jürgens, 2. 3. 1942. SBB PK, Historische Akten, I.9-156, 163 a. Da der Schwerpunkt der folgenden Untersuchung auf der RTS und nicht auf dem BADB liegt, wird auch für die Zeit nach 1941 zumeist verkürzend nur von „Reichstauschstelle“ gesprochen.
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Die Reichstauschstelle
Von der Schaffung der Reichsbehörde erhoffte sich Jürgens die Entlassung aus Krüß’ Verwaltungsaufsicht. Er strebte eine Unterstellung unter den Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten an, was Krüß, der vermutlich die Option für die ,Reichsbibliothek‘ offenhalten wollte, jedoch entschieden ablehnte. Am Ende setzte sich Krüß mit seiner Auffassung im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung durch.83 Wie schon zuvor für die Reichstauschstelle wurden ihm nun auch „die Dienstgeschäfte eines Behördenvorstehers“ für die neue Reichsbehörde übertragen.84 Und obgleich es die Beamten des Reichsministeriums der Finanzen waren, die wegen des uneindeutigen Unterstellungsverhältnisses eine gesonderte Etatisierung verweigert hatten,85 konnte Krüß sie nun davon überzeugen, dass es angemessen sei, wenn „der Generaldirektor der Preussischen Staatsbibliothek von Reichs wegen den Auftrag erhielte, die Dienstaufsicht über die Reichstauschstelle wie bisher zu führen.“ Lediglich die Rechnungs- und Kassengeschäfte gingen von der Kasse der Preußischen Staatsbibliothek an die Reichshauptkasse über.86
2.3.2 Das Beschaffungsamt der deutschen Bibliotheken und die Reichstauschstelle an der Preußischen Staatsbibliothek 2.3.2.1. Die prekäre finanzielle Situation des Beschaffungsamtes nach der Angliederung an die Preußische Staatsbibliothek In den Verhandlungen mit dem Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und der Notgemeinschaft hatte Krüß erreicht, dass die zentrale Bibliotheksförderung unter seiner Aufsicht fortgeführt werden konnte und die Kontinuität in der Bearbeitung gewahrt blieb. Das Stammpersonal, nicht zuletzt von Busse als Geschäftsführerin des Beschaffungsamtes, wechselte an die Preußische Staatsbibliothek. Die finanziellen Restriktionen waren jedoch so einschneidend, dass die Versorgung der Bibliotheken mit Literatur in dem bisherigen Umfang in Frage gestellt war. Zunächst schienen sich die Einschränkungen im Budget nur auf das Haushaltsjahr 1934/35 zu erstrecken.87 Krüß beantragte auf der Grundlage der bisherigen Ausgaben für das Geschäfts83 84 85 86
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Vgl. METZ, Reichstauschstelle, 261 ff. RMWEV, gez. Rust, an den GD der PSB, Krüß, 2. 3. 1942. SBB PK, Historische Akten, I.9-156, 162. Vgl. 2.3.2.1. Auszug aus der Niederschrift über die Besprechung im RMF am 12. 6. 1941. BArch R 4901/15091, Bl. 458. Ende Oktober 1934 wandte sich Krüß in einem Rundschreiben an die wissenschaftlichen Bibliotheken, um den tatsächlichen Finanzbedarf bis zum Ende des Haushaltsjahres zu ermitteln. Vorsorglich wies er darauf hin, dass die Bibliotheken während des nächsten Halbjahres auf den Bezug ausländischer Einzelwerke verzichten müssten, gab aber seiner Erwartung Ausdruck, „daß ab 1. April 1935 wiederum Mittel zur Verfügung stehen werden, um auch die Beschaffung von Einzelwerken nicht nur in dem früheren Umfange wieder aufzunehmen, sondern auch die Lücken, die sich in den kommenden sechs Monaten ergeben, wieder auszugleichen.“ Krüß an den Minister (Entwurf), 28. 10. 1934, abgesandt am 30. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 67.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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jahr 1935 Haushaltsmittel in Höhe von 445.000 Reichsmark, die er als Teil der „Gemeinschaftsaufgaben für die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken“ auswies.88 44.700 Reichsmark – einschließlich Jürgens’ Gehalt – entfielen auf die Reichstauschstelle und 322.900 auf das Beschaffungsamt.89 Davon veranschlagte er 300.000 Reichsmark für den Ankauf von Literatur. Dieser Betrag entsprach den bisherigen Aufwendungen der Notgemeinschaft für die Literaturversorgung der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken und lag im übrigen auch Starks bzw. Wildhagens Verhandlungsposition zugrunde. Nach Krüß’ Willen sollten diese Ausgaben nicht wie bisher Teil der Gesamtbewilligung für die Notgemeinschaft sein, sondern unter einem gesonderten Haushaltstitel verbucht werden.90 Die Ergebnisse einer Umfrage, mit der Krüß den tatsächlichen Bedarf der geförderten Bibliotheken ermitteln wollte,91 veranschaulichten eindrucksvoll die Dringlichkeit der Zuwendungen. Dennoch konnte er sich mit seinen Forderungen nach ausreichenden Haushaltsmitteln für die verbleibenden Monate des Geschäftsjahres 1934/35 gegenüber der Notgemeinschaft nicht durchsetzen.92 Am 12. April 1935 bewilligte das Ministerium statt der geforderten 445.000 lediglich 150.000 Reichsmark für die Reichstauschstelle, das Beschaffungsamt und den Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten.93 Davon entfielen 107.900 Reichsmark auf 88
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Krüß an RMWEV, Anmeldung zum Reichshaushalt 1935, 19. 10. 1934 (Entwurf, teils handschriftlich), abgesandt 22. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 23 ff. Die beiden übrigen Posten waren 6.000 RM für den RBBA und 71.400 RM zur besonderen Verwendung, und zwar zur „Neuordnung des Bibliothekswesens – Ankäufe zur Sicherung des nationalen Besitzes an deutschen Handschriften und Literaturdenkmälern“. Der Fonds sollte dazu dienen, „wertvollstes deutsches Kulturgut, das infolge der durch wirtschaftliche Notlage bedingten Auflösung von Bibliotheken in bisherigem Privatbesitz zur Veräußerung gelangt, vor der Abwanderung ins Ausland zu bewahren.“ Krüß an den RMWEV, 19. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 23 ff. Dieser Posten erschien nur in der Anmeldung zum Reichshaushalt 1935. Krüß an den RMWEV, Anmeldung zum Reichshaushalt 1935, 19. 10. 1934 (Entwurf, teils handschriftlich), abgesandt 22. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 23 ff., 25. Die NG meldete für das Haushaltsjahr 1935/36 weiterhin Mittel für die Literaturbeschaffung an, als der BA bereits „im Einvernehmen mit dem Reichskultusministerium […] an die Preußische Staatsbibliothek als die Zentralstelle des deutschen Bibliothekswesens hinübergeleitet“ worden war. „Da aber für die notwendige Beschaffung der Auslandsliteratur, besonders der Zeitschriften, bisher andere Mittel nicht verfügbar sind, muß im Rahmen dieser Anforderung ein Betrag von RM 350.000 beantragt werden […].“ Insgesamt bezifferte die NG das von ihr aus dem Reichshaushalt geforderte Finanzvolumen auf 19.210.000 RM. Zusammenstellung der für die Förderung der deutschen Forschung im Haushaltsjahre 1935–1936 nötigen Mittel. BArch R 2/12421, Bl. 8 ff., Bl. 9 und Bl. 21. Krüß an den Minister (Entwurf), 28. 10. 1934, abgesandt am 30. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 67, Unterlagen zu der Umfrage: 57. Die NG weigerte sich, die im Oktober 1934 zugesicherten 90.000 RM der PSB vollständig zukommen zu lassen. Wildhagen behauptete, dass die NG einen Teil des Geldes bereits für den BA verauslagt habe, und überwies schließlich eine um etwa 30.000 RM verminderte Summe auf die nunmehr von Krüß verwalteten Konten. DFG (NG), Wildhagen, an Krüß, 23. 1. 1935; Krüß an Wildhagen, 2. 2. 1935; DFG, Wildhagen, an Krüß, 9. 2. 1935; Krüß an Wildhagen, 15. 2. 1934; DFG, Wildhagen, 20. 2. 1935; Krüß an Wildhagen, 1. 3. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 81–87, 89, 91, 105, 109, 111, 113. RuPMWEV, i. A. gez. von Rottenburg, an den GD der PSB, 12. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 141. Bei der Berechnung der Haushaltsmittel bezog sich das RMWEV auf die Aufstellung des Referenten der NG Eberhard von Schweinitz, derzufolge sich die Aufwendungen für die RTS und das
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Die Reichstauschstelle
das Beschaffungsamt. Für die Bücherbeschaffung blieben nach Abzug der Personal- und Sachkosten – Jürgens’ Gehalt war in der Bewilligung nicht enthalten – noch 74.210 Reichsmark – ein Viertel der verfügbaren Mittel des Vorjahres. Fortan musste die Bibliotheksförderung radikal beschnitten werden. Selbst für „die Weiterführung der laufenden ausländischen Zeitschriften“ reichten die bewilligten Mittel nicht aus,94 geschweige denn für die Beschaffung von Einzelwerken.95 Um die zur Verfügung gestellten 74.200 Reichsmark nicht zu überschreiten, wurden die Ausgaben für die Preußische und Bayerische Staatsbibliothek um zwei Drittel, die für Universitätsbibliotheken und Bibliotheken der Technischen Hochschulen um die Hälfte, die für Sondersammelgebiete um 30 Prozent und die Sonderbewilligungen um 20 Prozent gesenkt. Zudem bestanden noch Restverpflichtungen aus dem Bezug von Fortsetzungswerken in Höhe von knapp 44.000 Reichsmark. Im Juni 1935 versuchte Krüß, die für das Beschaffungsamt und die Reichstauschstelle unvorteilhafte Endabrechnung mit der Notgemeinschaft aus dem Herbst 1934 zu revidieren.96 Am 3. August 1935 teilte ihm Kummer mit, dass mit der Bewilligung weiterer Mittel nicht zu rechnen sei.97
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Beschaffungsamt im Jahre 1934 zusammen auf ca. 165.000 RM beliefen. Von Schweinitz’ Angaben entsprachen indes nicht den tatsächlichen Ausgaben. Diese hatten auch früher nicht mit den aktuellen Bewilligungen übereingestimmt, weil der BA seine Rücklagen aus den Vorjahren nutzte. DFG (NG), von Schweinitz, an Ministerialrat von Rottenburg im RMWEV, 11. 2. 1935. BArch R 4901/2672, Bl. 63. Vgl. auch GREGULETZ, Preußische Staatsbibliothek, 256. Dass die PSB die Kosten der Bibliotheksförderung selbst trug, lässt sich nicht belegen. Krüß bat lediglich um die Ermächtigung, „durch die Kasse der Staatsbibliothek einstweilen diejenigen Beträge vorschußweise zahlen zu lassen, die für die Fortsetzung der Tätigkeit beider Dienststellen erforderlich werden.“ GD der PSB, Krüß, an RuPMWEV, 1. 4. 1935. BArch R 4901/2672, Bl. 69. Josef Becker an RuPMWEV, 26. 6. 1935 (Entwurf), abgezeichnet von Jacobs am 4. 5. und von Krüß am 26. 6., abgesandt am 27. 6. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 145. Nachdem Emil Jacobs im Herbst 1934 die Altersgrenze erreicht hatte, blieb er noch einige Monate als Erster Direktor im Amt, bis Becker im Frühjahr 1935 den Dienst aufnahm. Der BA vermochte lediglich „die Lieferung der von ihm für die Staatsbibliothek bestellten Zeitschriften aufrechtzuerhalten“. JAHRESBERICHT, 1934, 25 f. „Weiterhin ist bei der Lösung der Beziehungen zur Notgemeinschaft die Bezahlung einer Anzahl von Posten zweifelhaft geblieben, mit denen bis jetzt der bisher von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft zur Abgeltung übermittelte Betrag von RM. 90.000.– belastet worden ist. […] Bei der gegenwärtigen Finanzlage des Beschaffungsamtes würde bereits die Rückerstattung der genannten RM. 5.306,17 durch die Notgemeinschaft eine fühlbare Entlastung bedeuten. Ich bitte den Herrn Minister, bei der Notgemeinschaft die Erstattung dieser Ausgaben zu erwirken.“ Becker an den RuPMWEV, 26. 6. 1935 (Entwurf), abgesandt am 27. 6. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 145. Parallel zu Krüß’ offiziellen Bemühungen versuchte Jürgens, einzelne Beamte des Reichsministeriums der Finanzen umzustimmen. Im November 1936 lud er Ministerialrat [Karl] Gossel ein, sich über die Arbeit der RTS selbst zu informieren. RTS im RMWEV, i. A. Jürgens an Ministerialrat Gossel im RMF, 13. 11. 1936. BArch R 2/12435, 12/3. An Ministerialrat [eigentlich Ministerialdirektor Joachim von ?] Manteuffel schickte er im darauffolgenden Februar den Jahresbericht der RTS, um „ins Gedächtnis zu rufen, dass diese Stelle auch heute noch nicht einen eigenen Etat hat“. RTS im RMWEV, Jürgens an Ministerialrat Manteuffel im RMF, 10. 2. 1937. BArch R 2/12435, 20/2. RuPMWEV, i. A. gez. Kummer, an den GD der PSB, 3. 8. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 177.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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Zu den Verpflichtungen des Bibliotheksausschusses gehörten die Zuzahlungen zu Zeitschriften, die für einige deutsche Universitäts- und Institutsbibliotheken durch Vermittlung der Germanistic Society in New York beschafft wurden. Diese Lieferungen waren an die Zuzahlungen gebunden, die jedoch nur einen kleinen Teil des Preises der Zeitschriften deckten.98 Krüß gelang es offenbar, die noch ausstehenden kleineren Beträge von der Notgemeinschaft und die Sonderbewilligung für die Germanistic Society zu erhalten. Nach dem Jahresbericht der Preußischen Staatsbibliothek für 1935 standen dem Beschaffungsamt 84.445 Reichsmark „für Bücherbeschaffung“ zur Verfügung.99 Die Kürzungen hatten dramatische Folgen für die Beschaffung ausländischer Literatur. So konstatierte Krüß zwei Jahre nach der Angliederung des Bibliotheksausschusses, dass die Beschaffung von Einzelwerken vollkommen, die von Fortsetzungswerken fast völlig eingestellt werden musste. Der Zeitschriftenbezug war drastisch eingeschränkt, so dass „nicht entfernt die für dringend nötig gehaltenen ausländischen Zeitschriften“ beschafft werden konnten.100 Eine gewisse Entlastung der prekären Finanzlage versprach sich Krüß von der Senkung der Personalkosten. Die Notgemeinschaft hatte die Angestellten der Reichstauschstelle und des Beschaffungsamtes seit 1932 „unter Anlehnung an den Reichstarif bezahlt“.101 Tatsächlich aber orientierten sich die Bezüge, insbesondere der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Beschaffungsamtes, weiterhin an den im Buchhandel üblichen Gehältern und Löhnen.102 Im April 1935 schlug Krüß vor, den Beschäftigten zu kündigen und sie zu einem niedrigeren Tarif neu einzustellen.103 Bei der Umstellung auf die Tarife des Staatsdienstes wurde ihnen jedoch weder die Dauer ihrer Beschäftigung bei der Notgemeinschaft angerechnet, noch entsprach die jeweilige Eingruppierung den vielseitigen und von den einzelnen relativ selbständig ausgeführten Tätigkeiten.104 Verständlich, dass sich die Betroffenen gegen die Kürzungen ihrer Bezüge wehrten.105 98
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Krüß an den R. u. P. Minister, 12. 11. 1935 (Entwurf), abgesandt am 15. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 213 ff., 217. Die Germanistic Society unterstützte die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken seit 1920 durch solche Zuzahlungen. Für das Jahr 1935 war eine Zuzahlung von 1.235 $ erforderlich, die Germanistic Society stiftete 500 $. Krüß befürchtete, dass für 1936 die Gesamtsumme, die 4.337,50 RM entsprach, vom Beschaffungsamt aufgebracht werden müsse. JAHRESBERICHT, 1935, 12, 85. Anmeldung zum Reichshaushalt 1937 „Zur Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken“, Krüß, 7. 8. 1936 (Entwurf), abgesandt: 8. 8. 1936. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 151 ff. Krüß an den Reichs- und Preußischen Minister, Aufstellung über die Beschäftigten, 9. 7. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 144a. Der Präsident der DFG an das RuPMWEV, 25. 7. 1935 (Durchdruck). SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 161. Vor allem die Schlechterstellung der männlichen Angestellten, und unter diesen insbesondere von Wolff und Sievers, wurde moniert. Krüß an den Reichs- und Preußischen Minister, 25. 4. 1935 (Entwurf), abgesandt am 27. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 143. Betroffen waren Theophil Will als Büroleiter, Franz Sievers, Max Wolff und Eva Saenger, Walter Ackermann, Elisabeth Beermann, Helene Schnell, Hildegard Vater und Erich Körber. In dem Schreiben an den Minister ging Krüß, sicher auf der Grundlage von Jürgens’ und von Busses Auskünften, näher auf ihre jeweilige Tätigkeit ein. Krüß an den Minister, Aufstellung über die Beschäftigten, 9. 7. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 144.
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Die Reichstauschstelle
In den folgenden Jahren erneuerte Krüß in der jeweiligen „Anmeldung zum Reichshaushalt“ hartnäckig seine Forderung nach einem angemessenen Etat für das Beschaffungsamt und die Reichstauschstelle in Höhe von 300.000 Reichsmark. Das Reichsministerium der Finanzen bewilligte jedoch stets nur die Hälfte,106 obgleich das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Krüß bzw. Jürgens und von Busse, die Krüß bei den Anträgen zuarbeiteten, in ihren Bemühungen unterstützte.107 Die Berechnung des Finanzbedarfs des Beschaffungsamtes und der Reichstauschstelle durch das Reichsministerium der Finanzen beruhte auf den Angaben des Referenten der Notgemeinschaft Eberhard von Schweinitz, der in seiner Kostenaufstellung nicht berücksichtigt hatte, dass der Bibliotheksausschuss 1933/1934 Rücklagen aus den vorangegangenen Jahren nutzte. Die Notgemeinschaft setzte in ihren Antrag auf Finanzierung aus dem Reichshaushalt weiterhin 350.000 Reichsmark für die Bibliotheksförderung ein.108 Weil Beschaffungsamt und Reichstauschstelle nicht mit einem gesonderten Haushaltstitel im Reichshaushalt eingestellt waren, stockte das Reichsministerium der Finanzen ihre Finanzmittel in den folgenden Jahren nicht auf. Als die Beihilfe der Rockefeller Foundation für den Deutschen Gesamtkatalog am 31. Dezember 1937 endete, erhöhten sich die Ausgaben der Preußischen Staatsbibliothek, so dass Krüß in der Anmeldung zum Reichshaushalt 1937 für „Gemeinschaftsaufgaben“ weitere 8.000 Reichsmark beantragte.109 Wieder bewilligte das Reichsministerium der Finanzen nur 150.000 Reichsmark.110 Gegen diese Verfügung protestierte nun auch der Staatssekretär aus dem Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Werner Zschintzsch111 und erreichte zumindest, dass Vertreter der beiden Ministerien über die Aufsto105 106
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Vgl. GREGULETZ, Preußische Staatsbibliothek, 257 ff. Wie aus einem handschriftlichen Vermerk zu entnehmen ist, wurden 165.000 RM für wissenschaftliche Bibliotheken in den Reichshaushalt weiterhin unter dem alten Haushaltstitel der NG – XIX Kap. 2 Tit. 1 eingestellt und 15.000 RM überdies mit dem Zusatz „kw“, also „künftig wegfallend“, versehen. – RMWEV, i. V. gez. [Staatssekretär Siegmund] Kunisch, an den RMF, 2. 11. 1935. BArch R 2/12435, 12/3 36. So gab der kommissarische Staatssekretär Siegmund Kunisch Krüß’ Anmeldung zum Haushalt für 1936 nur leicht auf 275.000 RM gekürzt an das RMF. „Die Länder“, so Kunisch, seien „an sich nicht in der Lage, die staatlichen Mittel der wissenschaftlichen Bibliotheken derart auszustatten, daß sie die Aufgaben der Reichstauschstelle und des Beschaffungsamtes übernehmen können.“ Überdies hätten die Aufgaben der RTS und des Beschaffungsamtes nach der Angliederung „mit der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft nichts mehr zu tun.“ RMWEV, i. V. gez. Kunisch, an den RMF, 2. 11. 1935. BArch R 2/12435, 12/3 36. Zusammenstellung der für die Förderung der deutschen Forschung im Haushaltsjahre 1935–1936 nötigen Mittel. BArch R 2/12421, Bl. 8 ff., Bl. 9 und Bl. 21. Zusätzlich zu den Ausgaben für RTS und Beschaffungsamt in Höhe von rund 52.000 bzw. 224.000 RM und 2.000 RM für den RBBA. Anmeldung zum Reichshaushalt 1937 „Zur Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken“, Krüß 7. 8. 1936 (Entwurf), abgesandt: 8. 8. 1936. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 151 ff. RuPMWEV, an die Reichshauptkasse, 15. 4. 1937, Durchdruck an den GD der PSB. Staatsbibliothek zu Berlin, i. A. gez. Wacker. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 236. RMWEV, i. V. gez. Zschintzsch, an den RMF, 14. 10. 1937. BArch R 2/12435, 25.4.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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ckung des Haushalts der Reichstauschstelle und des Beschaffungsamtes sowie über die Etatisierung des Deutschen Gesamtkatalogs berieten. Und wenngleich die Beamten des Reichsministeriums der Finanzen die Forderungen der Reichstauschstelle und des Beschaffungsamtes abermals ablehnten, konnte das Reichs- und Preußische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung dennoch einen Teilerfolg bei der Bewilligung von Finanzmitteln für den Deutschen Gesamtkatalog verbuchen.112 Kurze Zeit später stimmte das Reichsministerium der Finanzen einer Erhöhung des Etats „zur Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken“ für 1938/39 auf 225.000 Reichsmark zu.113 Obwohl die Bibliotheksförderung nicht denselben Umfang wie vor 1934 erreichte, konnte das Beschaffungsamt nunmehr rückwirkend Zeitschriften erwerben, die wegen der Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre abbestellt worden waren. Im folgenden Jahr blieb die Fördersumme konstant.114 Die Haushaltsmittel konnten nun auch, wie früher bei der Notgemeinschaft, auf das nächste Haushaltsjahr übertragen werden.115 Nach Kriegsbeginn wurden die Haushaltsmittel des Beschaffungsamtes und der Reichstauschstelle um zehn Prozent gekürzt.116 Während des Jahres 1940 erfolgten die Bewilligungen jeweils kurzfristig und nur für das nächste Vierteljahr.117 Für das Haushaltsjahr 1940 erhielt die 112
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„Die Rockefellerstiftung […] hat jetzt mitgeteilt, daß der Zuschuß nur noch bis zum 31. 12. 1937 bewilligt werden könne. Hiernach würden 1938 31.500 RM fehlen, die bisher zur Verfügung standen. Die Vertreter des K. M. [Kultusministeriums] stehen auf dem Standpunkt, daß es an sich die Aufgabe des Reichs sei, diesen Einnahmeausfall auszugleichen. Gleichwohl haben sie bei den preußischen Haushaltsberatungen versucht, einen Teil der Mittel vom Preuß. Finanzminister zu erhalten. […] Der Preuß. Finanzminister hat 19.500 RM zugesagt. Im Hinblick hierauf habe ich es für unvermeidbar gehalten, meinerseits 10.000 RM zu bewilligen. […] Die Mehrforderung für die sogenannte Reichstauschstelle wurde von den Vertretern des K. M. fallengelassen. Streitig bleibt hiernach der Betrag von 100.000 RM für das Beschaffungsamt.“ Ergebnis der kommissarischen Haushaltsberatung [im RMF] am 26. 1. 1938. BArch R 2/12435, 25/4. Dazu bemerkte der protokollierende Beamte des RMF: „Ich habe diese Forderung abgelehnt. Die Vertreter des K. M. erklärten, daß die Forderung weiter verfolgt werden würde.“ RuPMWEV, i. A. gez. Kummer, an den GD der PSB, 4. 4. 1938. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 89. Von dem Mehrbetrag von 75.000 RM sollten 10.000 RM für den Deutschen Gesamtkatalog und 65.000 RM für das Beschaffungsamt verwendet werden. RuPMWEV, an die Reichshauptkasse, 9. 5. 1938, Durchdruck an den GD der PSB. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 99. RuPMWEV, i. A. gez. [Rudolf] Mentzel, an den GD der PSB, 5. 5. 1939. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 269. Schreiben vom 2. 5. 1939 SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 255. Vgl. dazu auch RMWEV, i. A. gez. von Rottenburg, an den GD der PSB, 3. 8. 1939. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 279. Wegen der Verzögerungen im Devisenverkehr hatte von Busse bis dahin stets bangen müssen, bis zum Abschluss eines Haushaltsjahres alle Rechnungen beglichen zu haben. RMWEV, i. A. gez. Mentzel, an den GD der PSB, 14. 9. 1939 (Abschrift Kummers vom 29. 9. 1939). SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 301. Am 1. 4. 1940, also mit Beginn des Haushaltsjahres, standen die Bewilligungen noch nicht fest. RMWEV, i. A. gez. Kühnold, an den GD der PSB, 1. 4. 1940. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 353. Nunmehr versagte das RMF auch wieder die Übertragung der Haushaltsmittel. RMWEV, i. A. gez. Kummer, an den GD der PSB, 31. 8. 1940. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 412. Die kurzfristigen Bewilligungen setzten sich fort. Durchdruck eines Schreibens des RMWEV an die Reichshauptkasse für den GD der PSB, 1. 8. 1940. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 411; Durchdruck eines Schreibens des RMWEV an die Reichshauptkasse für den GD der PSB, 1. 10. 1940. SBB PK, Historische
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Die Reichstauschstelle
Preußische Staatsbibliothek insgesamt 202.500 Reichsmark zur „Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben“.118 Im Vorgriff auf die Vereinigung der Reichstauschstelle und des Beschaffungsamtes zu einer selbständigen Reichsdienststelle119 plante das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung für 1941 einen eigenen Titel im Reichshaushalt.120 Dem von Krüß angemeldeten Bedarf folgend121, sah Kummer für die zukünftige Reichsbehörde 297.490,24 Reichsmark vor, zusammen mit den geplanten Ausgaben für den Deutschen Gesamtkatalog und den Reichsbeirat 335.490,24 Reichsmark.122 Jürgens’ Gehalt war in den Kosten enthalten. Das Ministerium bewilligte für das Haushaltskapitel XIX/35 insgesamt 305.150 Reichsmark. Dies war mehr als von Krüß beantragt.123 Nach Kriegsbeginn verschob sich der Schwerpunkt der Tätigkeit des Beschaffungsamtes von der Bibliotheksförderung auf die Beschaffung ‚kriegswichtiger‘ Zeitschriften für die Rüstungsindustrie und die Wehrmacht. Das Beschaffungsamt war nicht mehr allein auf die Mittel aus dem Reichshaushalt angewiesen, sondern erhielt für diese zusätzlichen Aufgaben Devisen in Höhe von 116.000 Reichsmark vom Reichswirtschaftsministerium.124
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Akten, III E.25a, Bd. 3, 413; RMWEV an die Reichshauptkasse, Abschrift für das RMF, i. A. gez. Kummer, 1. 10. 1940. BArch R 2/12435, 23. 9. 40. Als Mindestbedarf für das Rechnungsjahr 1940 wurden 188.000 RM veranschlagt. RMWEV an die Reichshauptkasse, Abschrift für das RMF, i. A. gez. Mentzel, 4. 2. 1941. BArch R 2/12435, 21. 1. 41. Mit einem Erlass des RMWEV vom 2. 6. 1942. METZ, Reichstauschstelle, 265. Kummer, 20. 2. 1941: Vermerk Betr.: Haushaltsvoranschlag der Reichstauschstelle 1941. BArch R 4901/15091, 378–382; RMWEV, i. A. gez. Kummer, an den RMF, 9. 4. 1941. BArch R 2/12435, 24. 4. 41. Für das Haushaltsjahr 1941 beantragte Krüß 333.490,24 RM für Gemeinschaftsaufgaben, für die RTS 51.708,80 RM, für das Beschaffungsamt 245.781,44 RM, für den Deutschen Gesamtkatalog 34.000 RM und für den RBBA 2.000 RM. Wie stets machte er Jürgens’ Gehalt als Ausgabe geltend. Die gestiegenen Forderungen für das Jahr 1941 begründete Krüß mit der Rückführung der ,Ostmark‘ und der Angliederung weiterer Gebiete an das Deutsche Reich. Krüß an den RMWEV, 19. 6. 1940 (Entwurf), abgesandt am 22. 6. 1940. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 399 ff. RMWEV, i. A. gez. [Wilhelm] Groh, an den RMF, 12. 3. 1941. BArch R 2/12436, 26. 11. 41. Am 22. 4. 1941 fand im RMF eine Beratung über den Haushaltsvoranschlag der RTS für das Rechnungsjahr 1941 statt. RMWEV, i. A. gez. Kummer, an den RMF, 9. 5. 1941. BArch R 2/12436, 26. 11. 41. Vgl. Zur Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken 1941 [Anmeldung zum Reichshaushalt]. BArch R 4901/15091, Bl. 351 ff. Aufgrund des Erlasses des RMWEV vom 15. 10. 1941 wurden die Kassengeschäfte zum 1. 11. 1941 umgestellt. Insgesamt standen nun 349.000 RM für die RTS, das Beschaffungsamt, den Deutschen Gesamtkatalog und den Reichsbeirat zur Verfügung. In den beiden Dienststellen entfielen 96.500 RM auf Personal, 55.650 RM auf Sachkosten und 153.000 RM auf „allgemeine Haushaltsausgaben“, womit wohl die Bücherbeschaffung durch das Beschaffungsamt gemeint war. Hinzu kamen 41.000 RM zur Beseitigung der Schäden durch den Luftangriff vom 9./10. 4. 1941. Jürgens bilanzierte: „Verausgabt wurden im ordentlichen Haushalt 280.190,– RM, wobei 15.576,– RM auf das nächste Haushaltsjahr übertragen worden sind. Für Fliegerschäden wurden im Rahmen des Ausserordentlichen Haushalts 21.416,73 RM verausgabt, der Rest wird auf das nächste Haushaltsjahr übertragen. Dem standen Einnahmen von 15.816,68 RM gegenüber.“ RTS und BADB. Jahresbericht für das Jahr 1941. BArch R 4901/15090, Bl. 188 ff., hier Bl. 189. Zur Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken 1941 [Anmeldung zum Reichshaushalt]. BArch R 4901/15091, Bl. 351 ff., Bl. 353.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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2.3.2.2 Die wachsende Bedeutung der Reichstauschstelle seit 1934 Nachdem 1935 die Bemühungen um eine solide finanzielle Ausstattung des Beschaffungsamtes fehlgeschlagen waren, mussten Krüß und Jürgens neue Tätigkeitsfelder erschließen, wenn die beiden Dienststellen in ihrer bisherigen Größe fortbestehen sollten. Dafür kam einzig der Arbeitsbereich Dublettentausch in Betracht. Die Reichstauschstelle erzielte seit dem Ende der zwanziger Jahre Einkünfte aus dem Verkauf von Dubletten,125 die sie an die Reichshauptkasse abführen musste.126 So gering diese Einnahmen anfangs auch waren, die Tatsache, dass die Reichstauschstelle in der Lage war, sich „um die Verwertung der Bücher im Ausland zu bemühen und direkt oder indirekt Devisen hereinzubringen“, war ein Argument dafür, dass sie dem Deutschen Reich einen wirtschaftlichen Nutzen einbrachte.127 1937 drängte Jürgens darauf, da „die Verarbeitung dieser grossen Dublettenmengen auch erhebliche Aufwendungen an Personal- und Sachaufwand“ verursachte, den erwirtschafteten Erlös reinvestieren zu dürfen.128 Das Ministerium entsprach diesem Wunsch. Ein Jahr später, als Jürgens wiederum eine Einnahme – von 643 Reichsmark für das Etatjahr 1937 – vermelden konnte, bezog er sich bereits auf die
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Im Juni 1935 erkundigte sich Kummer nach den Einnahmen der RTS im zurückliegenden Haushaltsjahr. RuPMWEV, i. A., gez. Kummer, an den GD der PSB, 14. 6. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 149. Für den nachgefragten Zeitraum waren dies – neben den Zuschüssen der Deutschen Reichsbahn in Höhe von 4.000 RM – 862,38 RM, die von der Hoover War Library und der Firma Thompson in Kobe stammten. Ihrerseits unterstützte die RTS das Ibero-Amerikanische Institut mit Versandkosten aus dem Reichsbahnzuschuss in Höhe von 1.000 RM. Jürgens an den GD der PSB, 28. 6. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 151 ff. Im Haushaltsjahr 1935 wurde dem RuPMWEV am 31. 3. 1936 ein Betrag von 737 RM an Einnahmen für Bücher gemeldet. Diese Einnahmen mussten an die Reichshauptkasse abgeführt werden. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 67. Die RTS hatte bereits 1929 und 1931 ersucht, dass ihr diese Beträge gutgeschrieben werden. Vgl. die Schreiben 67 a und 67 b in der gleichen Akte. Antrag auf Genehmigung von Überschreitungen des Etats (Vordruck, Titel ausgestrichen), darin „Begründung“ von von Busses Hand. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 195. 1936 resümierte Krüß, dass bislang – und damit war vermutlich der gesamte Zeitraum des Bestehens der RTS gemeint – „Barerlöse in Höhe von etwa RM. 30.000 aus dem Ausland erzielt wurden, von denen gegen RM. 21.000 an die Reichshauptkasse überwiesen werden konnten. In diesem Geschäftsjahr ist bisher ein Betrag von RM. 1.994,10 aus dem Ausland eingegangen. Von dieser Summe sind RM. 500 an die Preussische Staatsbibliothek für ergänzende Lieferungen aus ihren Dublettenbeständen gezahlt worden, während der Rest der Summe mit RM. 1.494,10 an die Reichshauptkasse überwiesen werden wird. Eine weitere Zahlung aus dem Ausland in Höhe von RM. 1.064,40 ist angekündigt. Derartige Einnahmen, die auch der deutschen Devisenwirtschaft zu Gute kommen, können ohne die für die Bearbeitung der vorhandenen Bestände notwendigen Hilfskräfte nicht erzielt werden.“ So Krüß in einer offenbar nicht abgesandten Aufstellung und Begründung an RuPMWEV, 8. 12. 1936. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 181. Für das Jahr 1936 verzeichnete der Jahresbericht der PSB 2.500 RM, „die aus dem Ausland für abgegebene Dubletten hereingekommen waren“. JAHRESBERICHT, 1936, 76. RTS im RMWEV, i. A. Jürgens, an die Generalverwaltung der PSB, 1. 4. 1937. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 234. Die RTS bearbeitete 1937 Teile der Bibliothek des Preußischen Statistischen Landesamtes und bot aus diesem Bestand große Mengen Dubletten amerikanischen Behördenbibliotheken an.
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Die Reichstauschstelle
Praxis, „dass wie im Vorjahr diese Gelder für die Aufarbeitung hier lagernder Dubletten verwandt werden“.129 Im Zuge der sogenannten Verreichlichung130 gingen seit 1934 ehemals preußische Ministerien in den Reichsministerien der entsprechenden Ressorts auf. Ihre Ministerialbibliotheken wurden aufgelöst. Krüß und Jürgens bemühten sich um die Übernahme dieser Bestände durch die Reichstauschstelle. In einer Krüß und dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vorgelegten Denkschrift erörterte Jürgens die Auswirkungen der Verwaltungsreformen auf das wissenschaftliche Bibliothekswesen in Berlin.131 Ohne die Maßnahmen des NS-Staates offen zu kritisieren, deutete er an, dass sich die ‚Verreichlichung‘ negativ auf das Bibliothekswesen auswirken würde. Die Vereinheitlichung sei, schrieb er, „vom Standpunkt der Behördenorganisation unbedingt zu begrüssen, nicht aber vom Standpunkt des einzelnen wissenschaftlichen Arbeiters, der gewöhnt war, in diesen [Verwaltungs-, C. B.] Bibliotheken sein Material zu bekommen, das anderweitig nicht zu beschaffen war.“132 Da sie nunmehr auch von Behördenangehörigen frequentiert würden, werde sich der Benutzungsdruck auf die beiden großen wissenschaftlichen Bibliotheken Berlins, die Preußische Staatsbibliothek und die Berliner Universitätsbibliothek, erhöhen.133 Dieser misslichen Situation könne nur durch eine Neuordnung abgeholfen werden, indem in Berlin nach dem Vorbild New Yorks eine „zentrale Präsenzbibliothek für den durchschnittlichen Geistesarbeiter, der das landläufige Material benötigt“, geschaffen würde. Diese sollte der Berliner Stadtbibliothek zugeordnet werden, die, wie Jürgens meinte, im Vergleich mit den beiden großen wissenschaftlichen Bibliotheken wenig profiliert war und nur über geringe Erwerbungsmittel verfügte. Auf diese Weise wäre es möglich, die notwenigen Dienstleistungen für die Wissenschaft weiterhin zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus hielt er es für unumgänglich, die Reichstauschstelle mit der Verwertung der massenhaft anfallenden Verwaltungsliteratur der preußischen Behörden zu beauftragen. Bis dahin verfügte die Reichstauschstelle nur über die Bestände der Bibliotheken der Reichsbehörden. Die Bestände der preußischen Behördenbibliotheken übernahm die Preußische Staatsbibliothek in ihre Dublettenstelle. Mit seiner Aufstellung über die bereits an die 129
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RTS im RMWEV, Jürgens, an die Generalverwaltung der Staatsbibliothek, 5. 4. 1938. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 71. „Verkauft wurden Bücher ins Ausland zum Preis von rund 2 000 RM.“ JAHRESBERICHT, 1938, 78. Unter ,Verreichlichung‘ wird die Übertragung der Länderkompetenzen auf das Reich im Jahre 1934 verstanden; die preußischen Ministerien wurden dabei mit den entsprechenden Reichsministerien vereinigt. Unter dem 21. 2. 1935 notierte Krüß in seinem Tagebuch eine „Besprechung mit Dr. Kummer u.s.w. über die Organisation der Berliner Bibliotheken (Denkschrift Dr. Jürgens)“. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Es ist anzunehmen, dass die von Krüß erwähnte Denkschrift mit einem nicht datierten sechsseitigen Papier mit dem Titel „Thesen zum Thema Neugliederung des Reiches und Bibliotheken. Teil I.: Berlin“ identisch ist, das Krüß mit der Bemerkung „Stammt von Dr. Jürgens“ versah und in seinen Handakten ablegte. SBB PK, Historische Akten, Nr. 259, Mappe 6. Jürgens bezifferte die Bestände der Reichsbehördenbibliotheken mit 2,3 Millionen Bänden. Die PSB besaß 2,6 Millionen Bände, die Berliner Universitätsbibliothek 1 Million Bände. SBB PK, Historische Akten, Nr. 259, Mappe 6.
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Preußische Staatsbibliothek übergegangen Bibliotheken und jene, deren Auflösung in nächster Zeit bevorstand,134 umriss Jürgens zugleich ein mögliches zukünftiges Arbeitsgebiet für die Reichstauschstelle. Dafür mussten allerdings die gesetzlichen Regelungen geändert werden. Im April 1935 bemühte sich Krüß im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung nachdrücklich darum, die Befugnisse der Reichstauschstelle auf Bibliotheken in Landesbesitz auszudehnen.135 Nach wie vor stand den Ländern „die Entscheidung über die Verwertung der Bestände der in ihrem Besitz befindlichen Bibliotheken“ zu. Krüß’ Absicht aufgreifend, schloss Kummer nicht aus, dass der Reichstauschstelle schon damals – d. h. im Vorgriff auf die weitere Einschränkung der Länderkompetenzen – „vorkommendenfalls Bestände frei werdender Bibliotheken zugewiesen werden, für die die Länderregierungen keine Verwendung haben.“136 Er stellte es der Reichstauschstelle anheim, sich um die Zuweisung zu verwertender Buchbestände zu bewerben. Inzwischen fuhr die Reichstauschstelle fort, ‚freiwerdende‘ Bestände aus den Bibliotheken der Reichsbehörden zu bearbeiten.137 1935 übernahm sie die „Restbestände des früheren Preußischen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit mit etwa 25.000 Bänden“ sowie den letzten 134
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Zu diesen Bibliotheken gehörten: „1.) die frühere Bibliothek des Reichskolonialamtes (zum Teil aufgegangen in der Bibliothek des Auswärtigen Amtes), 2.) die Bibliothek des [preußischen] Herrenhauses (grossenteils in die Dublettenbestände der Preussischen Staatsbibliothek gewandert), 3.) die Bibliothek des Preussischen Statistischen Landesamtes (von der Preussischen Staatsbibliothek übernommen, aber grösstenteils noch nicht zugänglich gemacht), 4.) die Bibliothek des Reichsministeriums für die besetzten Gebiete, 5.) eine Bibliothek der Industrie- und Handelskammer Berlin durch Zusammenlegung.“ Die vom Regime betriebene Auflösung historisch gewachsener Buchbestände schritt weiter fort. Als im Zuge der „Neugliederung des Reiches“ bedroht nannte Jürgens: „1.) die Bibliothek des preussischen Abgeordnetenhauses, 2.) die Bibliotheken des Reichs- oder Preussischen Ministeriums des Innern, 3.) des Reichs- oder Preuss. Justizministeriums, 4.) des Reichs- oder Preuss. Finanzministeriums, 5.) des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft oder des Preuss. Landwirtschaftsministeriums, 6.) des Preuss. Ministeriums für Arbeit, und andere, jedenfalls eine grössere Anzahl bedeutender Spezialbibliotheken.“ SBB PK, Historische Akten, Nr. 259, Mappe 6. RTS im RMWEV, Krüß [das Schreiben von Jürgens aufgesetzt], an den RuPMWEV, 11. 4. 1935. BArch R 4901/2672 Bl. 75. Kummer an RTS im RMWEV (handschriftlicher Entwurf), 4. 5. 1935. BArch R 4901/2672 Bl. 76. Die Jahresberichte der PSB, die von 1935 bis zu ihrer kriegsbedingten Einstellung 1939 über die angegliederten Dienststellen RTS, DAB und Beschaffungsamt berichten, enthalten zahlreiche Hinweise, dass die RTS große Mengen von Büchern und amtlichen Druckschriften aus Behördenbibliotheken zur Bearbeitung erhielt. Sie beziffern zwar den jeweiligen Umfang des Dublettentausches, in den diese Schriften zum Teil eingingen, geben jedoch kaum Informationen über die Herkunft dieser Bestände. Hinweise auf den gesteigerten Arbeitsaufwand der RTS, der mit dem vermehrten Zugang aus Behördenbibliotheken in Zusammenhang steht, lassen sich auch den Begründungen zur Anmeldung des Reichshaushalts entnehmen. So heißt es bspw. in der Begründung für 1936, die Krüß am 26. 7. 1935 an den RuPMWEV absandte: „Auch der Dubletten- und Suchdienst der Reichstauschstelle zeigt eine starke Vermehrung.
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Teil der Bibliothek des Reichskolonialamtes – die naturwissenschaftlichen Veröffentlichungen –, nachdem sie zuvor dessen politische und juristische Bestände „den deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken zugeführt“ hatte.138 Ebenso hatte sie Teile der Bibliothek des Reichsministeriums für die besetzten Gebiete – und zwar die Titel, die im Reichsministerium des Innern dublett waren – und die Bibliothek des Reichskommissars für die besetzten rheinischen Gebiete in Koblenz erhalten.139 Durch die erfolgreiche Vermittlung von Zehntausenden Bänden etablierte sich die Reichstauschstelle als Einrichtung der Literaturversorgung. Auch wenn in den Quellen immer wieder von ‚Verwertung‘ die Rede ist, wurden die Dubletten nur in Einzelfällen verkauft. Die Reichstauschstelle ‚verwertete‘ überzählige Buchbestände, indem sie die einzelnen Bände an interessierte Bibliotheken abgab oder zum Aufbau neuer Bibliotheken verwendete. Die Bearbeitung derart großer Büchermengen veranlasste Krüß immer wieder, beim Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung um die Einstellung von Hilfskräften zu ersuchen, die für einzelne Aufträge herangezogen wurden. Durch die ‚Verreichlichung‘ waren auch die Bestände der Bibliothek des Preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe ‚frei‘ geworden. Das Verfahren der Übernahme, Bearbeitung und Verteilung durch die Reichstauschstelle ist für diese Bibliothek deshalb dokumentiert, weil das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung davon erst Kenntnis erlangte, nachdem die Angelegenheit bereits abgeschlossen war und Krüß das rasche und eigenmächtige Handeln von Jürgens und seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen rechtfertigen musste. Die Bestände der Bibliothek lagerten im Frühjahr 1936 im Reichs- und Preußischen Ministerium für Wirtschaft, wo sie nicht oder kaum noch genutzt werden konnten, waren sie doch „durch vielfache Umzüge völlig in Unordnung“ geraten. Die Reichstauschstelle hatte sich um ihre Überstellung bemüht, um sie an interessierte Bibliotheken verteilen zu können. Schließlich wurde sie vom Reichs- und Preußischen Ministerium für Wirtschaft aufgefordert, die Bestände innerhalb kürzester Zeit abzutransportieren, andernfalls wären sie makuliert worden. Wegen ihrer Arbeitsbelastung waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Reichstauschstelle nicht in der Lage, die 20.000 Bände allein zu bearbeiten. Aus diesem Grund bezogen sie die künftigen Nutznießer der Bestände in die Arbeiten ein. Bei einer Besichtigung hatte sich ergeben, dass die Bibliothek „vorzüglich geeignet sein müsse, die vor etwa 20 Jahren ins Leben gerufene Bibliothek des Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr in Kiel historisch zu ergänzen.“ Der Leiter der Institutsbibliothek siedelte daraufhin mit zwei Arbeitskräften nach Berlin über, „um hier in dreiwöchiger Arbeit die völlig ungeordneten Bestände roh nach dem Grund-
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Durch ihn wurden über 60 000 Bände und weit über 40 000 Hefte den Bibliotheken auf Anforderung zugeführt. Auf Suchzettel wurden 3 800 Bände gegenüber 2 500 im Vorjahre geliefert.“ GD der PSB an RuPMWEV, 26. 7. 1935, und Anmeldung zum Reichshaushalt 1936 „Zur Durchführung von Gemeinschaftsaufgaben der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken“. BArch R 4901/2672, Bl. 234 ff, Bl. 236. JAHRESBERICHT, 1935, 81. RTS im RMWEV, Krüß [das Schreiben von Jürgens aufgesetzt], an den RuPMWEV, 11. 4. 1935. BArch R 4901/2672 Bl. 75.
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satz ‚erwünscht und unerwünscht‘ zu ordnen.“ Zuvor hatten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Reichstauschstelle die „Hauptzeitschriftenserien“ und das „gesamte, sehr reiche Schrifttum über ältere Weltausstellungen und anderes“ herausgezogen. Die Zeitschriften gab die Reichstauschstelle zur Ergänzung lückenhafter Bestände an diejenigen Bibliotheken weiter, von denen sie entsprechende Suchzettel erhalten hatte. Die nicht angeforderten Werke gingen in den Dublettentausch. „Die gesamten Ausstellungskataloge und Berichte wurden unaufgenommen an die Bayerische Staatsbibliothek geleitet, deren Sondersammlung auf diesem Gebiet durch die Reichstauschstelle bereits seit Jahren erheblich gefördert wird.“ Schließlich stellten die Mitarbeiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr 80 Kisten zusammen und sandten sie nach Kiel, „wo die bibliothekarische Vergleichung und Einordnung erfolgte.“ Als Krüß das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung informierte, waren 5.688 Bände der Kieler Bibliothek eingefügt und etwa die gleiche Zahl war „auf den Dublettenformularen der Reichstauschstelle“ den übrigen deutschen Bibliotheken angeboten worden. Einige Tausend Bände harrten in Kiel noch der Bearbeitung.140 Zwischen Dezember 1937141 und Februar 1938 bearbeiteten Jürgens’ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Bibliothek des Preußischen Statistischen Landesamtes – im internen Sprachgebrauch der Preußischen Staatsbibliothek „Stala“ genannt –, über die Jürgens in der erwähnten Denkschrift mitteilte, dass sie „von der Preussischen Staatsbibliothek übernommen, aber grösstenteils noch nicht zugänglich gemacht“ sei.142 Das Preußische Statistische Landesamt war 1934 aufgelöst und in das Statistische Reichsamt eingegliedert worden.143 Die Verwertung der Bestände übernahm der vom Auswärtigen Amt finanzierte Deutsch-Ausländische Buchtausch.144 Warum sich die Preußische Staatsbibliothek dieser Institution und nicht der Reichstauschstelle bei der Bearbeitung der „Stala“-Bibliothek bediente, ist nicht bekannt. Zweifellos hatte sie ein Interesse daran, ihre Dublettensammlung, die durch Zugänge aus den aufgelösten preußischen Behördenbibliotheken derart vermehrt worden war, dass an ihre Einarbeitung auf Jahre hinaus nicht gedacht werden konnte, nicht weiter anwachsen zu lassen. Als Kompensation für die mit dem Verkauf verbundenen Geschäftsausgaben erhielt das Auswärtige Amt einige Bücher aus dem Bestand für seine Zwecke.145
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RTS, Krüß, an den RuPMWEV, 29. 4. 1936. BArch R 4901/2672, Bl. 389 ff. Am 23. 12. 1937 eröffnete Krüß bei der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft ein Konto unter der Bezeichnung „Stala“, auf dem die Einnahmen aus dem Verkauf eingingen. Deutsche Bank und DiscontoGesellschaft an GD der PSB, 23. 12. 1937. SBB PK, Historische Akten, V.18, Bd. 1, 3. Thesen zum Thema Neugliederung des Reiches und Bibliotheken. Teil I.: Berlin. SBB PK, Historische Akten, Nr. 259, Mappe 6. 1933 bestand eine Arbeitsstelle „Sammlung Statistisches Landesamt“ an der PSB, die von Bibliotheksrat Walther Schubert geleitet wurde, der 1934 starb. Sie hatte bereits 49.548 Werke mit 121.829 Bänden „revidiert, mit Individualsignaturen versehen und nach dem numerus currens aufgestellt“. 812 Bände – „Haushaltspläne und Verwaltungsberichte der Städte“ – wurden in die „Hauptbibliothek“ übernommen. JAHRESBERICHT, 1933, 32 und 34. Krüß an den DAB, 21. 12. 1937. SBB PK, Historische Akten, V.18, Bd. 1, 1. Jürgens an Krüß, 27. 2. 1938. SBB PK, Historische Akten, V.18, Bd. 1, 13. Auf der Seite des AA wurden die Ausgaben aus dem Fonds „Deutsches Buch“ bestritten.
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Die Reichstauschstelle
Die Überstellung überzähliger Bestände bzw. ganzer aufgelöster Bibliotheken an die Reichstauschstelle stand im Ermessen der Länder. Das Reichsjustizministerium hielt seit Mai 1937 seine mehr als 2.000 nachgeordneten Stellen in den Ländern an, sich „zur Überprüfung ihrer Dublettenbestände und zur Anmeldung des auszuscheidenden Materials“ an die Reichstauschstelle zu wenden.146 Andere Einrichtungen, wie die Reichsarbeitsverwaltung, folgten.147 1938 erhielt die Reichstauschstelle Dubletten aus der Reichskanzlei, aus dem Auswärtigen Amt und aus dem Reichsverkehrsministerium sowie Bestände der Reichstagsbibliothek148, aber auch von Privatpersonen und Firmen. Im Geschäftsjahr 1938/39 wurden allein in Berlin „an 160 Stellen Bücher abgeholt; dazu kommen Hunderte von Kisten und Paketen aus allen deutschen Gauen. Zu nennen sind vor allem die AEG in Berlin, der Verein Deutscher Ingenieure, die Siemenswerke, die Reichsrundfunkanstalt, die Deutsche Arbeitsfront; ferner das Geheime Staatsarchiv in Dahlem, die Preußische Akademie der Wissenschaften, die Reichszentrale für wissenschaftliche Berichterstattung.“149 1940 kamen die Firmen Merck in Darmstadt und Junkers in Dessau hinzu. Jürgens betonte, dass die Reichstauschstelle zu einem Mittler von „Geschenken von Privatpersonen an öffentliche Bibliotheken“ wurde. Von den 110 Spendern, von denen sie 1940 Bücher abholte, waren die meisten Privatleute.150 Vor allem die Bearbeitung der Dubletten aus den Justizbehörden stellte eine „erhebliche Mehrarbeit“ dar.151 Die Anmeldungen der Justizbehörden wurden wegen ihrer großen Zahl nicht wie bisher üblich auf Zetteln erfasst, sondern auf Listen. Allein 1937 bearbeitete die Reichstauschstelle 800 Bücherlisten und verwertete 20.000 Bücher aus dem Besitz der Justizbehörden.152 Wegen des Papiermangels drängte die Wirtschaft während des Krieges auf die Aussonderung überzähliger Schriften. Um die Altpapiergewinnung zu beschleunigen, wurden 1943 die Bestimmungen zur Abgabe nicht mehr benötigter Literatur aus den Justizbehörden vereinfacht. Die Justizbehörden sollten nunmehr ein Verzeichnis der in ihrem Bereich entbehrlichen Druckschriften anlegen und der Reichstauschstelle zusenden. „In das Verzeichnis sind nur bis zu drei Stück jeder Auflage eines Einzelwerkes oder jedes Jahrganges einer Zeitschrift oder amtlichen Veröffentlichung aufzunehmen. Weitere entbehrliche Mehrstücke können sogleich der Altpapierverwertung zugeführt werden.“ Die nach 1850 erschienenen Druckschriften sollten nur dann aufgenommen werden, wenn sie – worüber folglich die Behörden selbst entschieden – 146 147
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JAHRESBERICHT, 1937, 72. Vgl. auch METZ, Reichstauschstelle, 252 f. Im Jahresbericht der PSB für das Geschäftsjahr 1937/38 heißt es dazu: „Veranlaßt wurde diese Ausdehnung des Geschäftsbereiches auf weitere Behörden durch die Bemühungen des Reichsfinanzministeriums, neue Bestimmungen für die Dublettenverwertung bei den einzelnen Reichsbehörden zu erwirken.“ JAHRESBERICHT, 1937, 72 f. JAHRESBERICHT, 1938, 82. JAHRESBERICHT, 1938, 80. Jahresbericht der RTS im RMWEV für das Jahr 1940. SBB PK, Historische Akten, zu III E.25a. Im Juli 1937, zwei Monate nachdem der Erlass ergangen war, bemerkte Krüß: „Bereits jetzt ist der tägliche Meldeeingang sehr erheblich, so daß die vorhandenen Arbeitskräfte zu dessen Bewältigung nicht ausreichen.“ Anmeldung zum Reichshaushalt 1938, Krüß, 28. 7. 1938, an den RuPMWEV. BArch R 4901/15091, Bl. 63 ff., Bl. 64. JAHRESBERICHT, 1937, 77.
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nicht nur Altpapierwert besäßen. „Älteres Schrifttum und Werke von rechts- und kulturgeschichtlichem Wert sind ausnahmslos in das Verzeichnis aufzunehmen; der Erhaltungszustand ist dabei anzugeben.“153 Die Reichstauschstelle war angehalten, die Verzeichnisse binnen zwei Monaten zu bearbeiten. Am 3. November 1944 resümierte Jürgens, dass die Reichstauschstelle den deutschen Bibliotheken bislang eine Million entbehrliche Druckschriften der Behördenbibliotheken „kostenlos zur Verfügung gestellt“ habe, womit „Bücher gesichert [wurden], die vielfach an keiner anderen Stelle vorhanden waren.“ Außerdem wurden „jährlich über 150.000 Bücher der Altpapierverwertung zugeführt.“ Die Reichstauschstelle versorgte, so Jürgens, „mit Beginn des Bombenterrors“ ausschließlich die bombengeschädigten Bibliotheken. Im November 1944 waren die Bestände erschöpft, so dass Jürgens das Reichsministerium für Wissenschaft und Volksbildung bat, „erneut auf die Anmeldepflicht der amtlichen Sammlungen hinzuweisen.“154
2.3.2.3 Der Aufbau von Bibliotheken durch die Reichstauschstelle Mit den Beständen der aufgelösten Behördenbibliotheken stattete die Reichstauschstelle nicht nur die großen wissenschaftlichen Bibliotheken, sondern auch NS-Behörden und NS-Institute aus. Im November 1935 begründete Jürgens die Forderung nach neuen Regalen für seine Dienststelle mit der intensiven Arbeit, durch die die Reichstauschstelle „im beschleunigten Verfahren zum Neubau deutscher Bibliotheken, wie der Akademie für Deutsches Recht, Reichsstelle für Sippenforschung, Deutsches Museum München, Luftfahrtministerium, Propagandaministerium erhebliche Mengen von Büchern“ zuführte.155 1937/38 erhielten auch das Reichsarchiv Potsdam, das Personalamt der NSDAP, Gau Berlin, die Hauptstelle für Sippenforschung, das von Reinhard Höhn geleitete und dem Sicherheitsdienst der SS nahestehende Institut für Staatsforschung in Berlin-Wannsee sowie das Arbeitswissenschaftliche Institut der Deutschen Arbeitsfront Dubletten von der Reichstauschstelle.156 Im folgenden Jahr kamen das Hauptschulungsamt der NSDAP, die ‚Ordensburgen‘, die neuerrichteten Behörden in der ,Ostmark‘ und im ,Sudetengau‘ und das Institut für Grenz- und Auslandsstudien in Berlin hinzu.157 Die Dimensionen und Modalitäten dieser Zuweisungen sind im einzelnen nicht bekannt. Betrachtet man Herkunft und Zusammensetzung der verwerteten Bestände, so überrascht es kaum, dass die Reichstauschstelle nicht in der Lage war, wissenschaftliche Spezialbibliotheken aufzubauen. In dieser Hinsicht überschätzte Kummer bei weitem ihre Möglichkeiten, als er im Frühjahr 1936 mit einer Anfrage der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft in Istanbul an
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Zeitungsausschnitt aus Deutsche Justiz. BArch R 4901/15090, Bl. 206. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 3. 11. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 375. Jürgens’ Aufstellung vom 6. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 203. JAHRESBERICHT, 1937, 76 f. JAHRESBERICHT, 1938, 80. Das Weltwirtschaftsarchiv in Hamburg und die Geheime Staatspolizei erhielten Dubletten. JAHRESBERICHT, 1938, 26.
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Die Reichstauschstelle
Krüß herantrat.158 Krüß antwortete abschlägig, „da das hier vorhandene orientalische Schrifttum aus gelegentlichen und zufällig zusammengesetzten Eingängen stammt.“ Einen solchen Auftrag könnte allein der Deutsch-Ausländische Buchtausch ausführen. Dieser habe der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft schon früher Bücher geliefert und sei im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt bereit, einmalig für 500 Reichsmark deutsche Bücher nach deren Wünschen zu beschaffen.159 Kummer stimmte dem Vorschlag zu.160 Im Frühjahr 1937 hatte der Deutsch-Ausländische Buchtausch den Auftrag ausgeführt.161 Die Stärke der Reichstauschstelle bestand neben der Ausstattung von neuen Bibliotheken mit Verwaltungsliteratur darin, einzelne schwer erhältliche Titel zu beschaffen, mit denen die Bibliotheken Lücken in ihren Beständen ergänzten. Sowohl die Preußische162 und Bayerische Staatsbibliothek als auch die Landes- und Universitätsbibliotheken, mitunter aber auch Spezialbibliotheken, wie die Biblioteca Hertziana in Rom163, profitierten von der Erschließung großer, im einzelnen meist geringwertiger Büchermengen.
2.3.2.4 Jürgens’ Bemühungen um beschlagnahmte Literatur und ihre Verteilung durch die Reichstauschstelle Im November 1937 traten „die Beamten des Sicherheitshauptamtes, die bei der Reichstauschstelle häufiger verkehren“, an Jürgens heran, um „aus den Dubletten der Staatsbibliothek Veröffentlichungen zu erhalten.“164 In diesem Fall galt ihr Interesse den seltenen ausländischen Sozialistica aus der beschlagnahmten Bibliothek des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main. Auf der Grundlage eines Erlasses des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934 war die Bibliothek des Instituts für Sozialforschung der Preußischen Staatsbibliothek zugesprochen worden. Doch sollte die Preußische Staatsbibliothek Schriften, die sich bereits in ihren Beständen befanden, die also ‚dublett‘ waren, an die Zentralbibliothek des Sicherheitshauptamtes abgeben und im Tausch dafür Freimaurerliteratur erhalten.165 158
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Kummer leitete das Schreiben weiter. RuPMWEV, i. A., gez. Kummer, an GD der PSB, 25. 4. 1936. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 93. Krüß an den Minister (Entwurf), 18. 5. 1936, abgesandt am 24. 5. 1936. Im Entwurf zu seinem Antwortschreiben strich Krüß die Fortsetzung des Satzes: „und der Erwerb einer grösseren Sammlung derartigen Materials nicht in Aussicht steht.“ SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 95. RuPMWEV, gez. Mentzel, an GD der PSB, 19. 6. 1936. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 187. Das Geld wurde im Winter 1936 überwiesen. Krüß an die Hauptkasse der Preußischen Bau- und Finanzdirektion, 18. 12. 1936 (Entwurf), abgesandt am 23. 12. 1936. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 189. Krüß an den R. u. P. Minister (Entwurf), 8. 4. 1937, abgesandt am 10. 4. 1937. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 235. Die Jahresberichte der PSB verzeichnen bis zum Ende des Geschäftsjahres 1938/1939 den zahlenmäßigen Umfang dieser Zugänge, die Akzessionsjournale auch die Akzessionsnummern und Titel. Krüß an Regierungsrat a. D. Krahmer-Möllenburg in Berlin (Entwurf), 9. 12. 1936. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, 180 a. RTS im RMWEV, i. A. Jürgens, an den GD der PSB, 30. 11. 1937. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 383. Vgl. Kap. 3.2.3.
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Vermutlich wollten die Beamten des Sicherheitshauptamtes über Jürgens Druck auf die Preußische Staatsbibliothek ausüben, da sich der Beginn des vereinbarten Dublettentauschs verzögerte. Jürgens befürwortete denn auch „eine weitgehende Abgabe aller russischen Dubletten an den Chef des Sicherheitshauptamtes für den Aufbau seiner Russlandbibliothek.“166 Seine Beziehungen – zumindest zu den maßgeblichen Verantwortlichen in der Zentralbibliothek des Sicherheitshauptamtes – waren indes nicht so gut, wie er sie in dem Schreiben an die Preußische Staatsbibliothek darstellte. Zwei Wochen später schrieb Alexander Schnütgen, der Direktor der Erwerbungsabteilung, an Krüß, die SS wünsche nicht, dass ihre „Doppelstücke in eine andere Stelle kommen als an die Staatsbibliothek.“167 Schnütgen bezog sich auf die Meinung Paul Heigls, der auf seiten der Preußischen Staatsbibliothek die Verhandlungen mit dem Sicherheitsdienst der SS führte. Heigl war 1935 als aktiver Nationalsozialist aus Österreich abgeschoben worden, machte jedoch in Deutschland schnell Karriere.168 Ende 1937 war er Leiter der Zeitschriftenstelle in der Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek. Vom Reichsstatthalter der ‚Ostmark‘, Arthur Seyß-Inquart, zum kommissarischen Generaldirektor der Nationalbibliothek in Wien ernannt, kehrte er im März 1938 noch vor Abschluss der Tauschaktion mit dem Sicherheitsdienst nach Österreich zurück. Im Herbst 1938 übersandte ihm der Sicherheitsdienst Freimaurerliteratur nach Wien.169 Den Transport der in Kisten verpackten Werke organisierte die Reichstauschstelle. Der Hintergrund war folgender: Im März oder April 1938 waren ohne Kenntnis und Beteiligung Heigls die Bestände der Wiener Logen geraubt, nach Berlin abtransportiert und im Sicherheitshauptamt gesichtet worden. Heigl intervenierte beim Sicherheitsdienst und beanspruchte diese aus Wien stammenden Masonica für die Nationalbibliothek. Das Sicherheitshauptamt erklärte sich bereit, „35 Kisten mit einem Gesamtgewicht von ca. 3.500 kg der Nationalbibliothek zur Verfügung zu stellen“. Nachdem die Sendung in Wien eingegangen war, erbot sich Jürgens, „weitere namentliche Wünsche“ Heigls an das Sicherheitshauptamt zu erfüllen.170 Spätestens 1938 war es ihm also gelungen, die Reichstauschstelle beim Sicherheitsdienst als Dienstleistungseinrichtung zu etablieren. Dies konnte ihm jedoch nicht genügen. Vielmehr strebte er danach, dass die von ihm geleiteten Dienststellen – die Reichstauschstelle und der Deutsch-Ausländische Buchtausch – bei der Verteilung beschlagnahmter Bücherbestände berücksichtigt wurden. Beide Institutionen hatten, wie er 1942 an das Oberfinanzpräsidium von Berlin-Brandenburg schrieb, stets „einen erheblichen Bedarf an ausländischer und namentlich auch deutscher Literatur“.171 Von der 166
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RTS im RMWEV, i. A. Jürgens, an den GD der PSB, 30. 11. 1937. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 383. Schnütgen an den GD, 30. 11. [1937]. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd 7, 385. Dank seiner guten Beziehungen zu Rudolf Kummer, der ihn nach einem kurzen Intermezzo an der Universitätsbibliothek Greifswald im September 1935 in die Erwerbungsabteilung der PSB versetzte, fasste er umgehend in Deutschland beruflich Fuß. Heigl galt als Experte für Freimaurerliteratur. Vgl. HALL, …allerlei, 46. HALL, …allerlei, 47. Die zitierten Schreiben von Jürgens und Heigl datieren vom 25. und 31. 10. 1938. Zit. n. HALL, … allerlei, 105. RTS, i. A. J[ürgens], an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, 21. 5. 1942. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 1 Bibliothek Petschek.
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Die Reichstauschstelle
Übernahme beschlagnahmter Bücher und Büchersammlungen versprach er sich eine thematische Bereicherung. Bei der Auflösung von Behördenbibliotheken gelangte die Reichstauschstelle vor allem in den Besitz von Verwaltungsschriften. Das Interesse der Bibliotheken an dieser Literatur war naturgemäß begrenzt. Tatsächlich konnte die Reichstauschstelle immer wieder beschlagnahmte Literatur in ihren Besitz bringen. „Seitens der Geheimen Staatspolizei“, bemerkte Jürgens 1942 rückblickend, erhalte die Reichstauschstelle „sowohl die an Grenzübertrittsstellen beschlagnahmte Literatur als auch die aus Volksbüchereien stammenden Bestände an verbotener Literatur zur weiteren Verwertung, durch das vorgesetzte Ministerium überwiesen.“172 Über den Umfang und über die Umstände dieser Überstellungen ist im einzelnen kaum etwas bekannt.173 Im Jahresbericht der Reichstauschstelle für 1941 erwähnte Jürgen ein „grösseres Dublettenangebot des Sammelgebietes Judaica“, das vom „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands in München restlos angefordert“ wurde.174 Diesen Fall führte er gleichwohl nur als Beispiel an, weil die Reichstauschstelle damit eine ganze Büchersammlung geschlossen weitervermittelte. Nach der Annexion Österreichs und der Zerschlagung der Tschechoslowakei flossen der Reichstauschstelle erhebliche Mengen von Büchern und Schriften zu. „Die ehemalige österreichische Gesandtschaft in Berlin gab ihre Bibliothek an die Reichstauschstelle ab. […] Auch die durch die Auflösung der deutschen Konsulate in der Ostmark, im Sudetengau und in Rußland freigewordenen Büchereien gingen in den Besitz der Reichstauschstelle über.“175 Für diese Zuweisungen war vermutlich das Auswärtige Amt ebenso verantwortlich wie für „zwei grössere Lieferungen“, die die Reichstauschstelle 1941 erhielt und die Jürgens als „besonders erwähnenswert“ anführte: „die ehemaligen Konsulatsbibliotheken Polens und der Tschechoslowakei.“176 Ebenso empfing die Reichstauschstelle geraubte Literatur von der Rauborganisation des Auswärtigen Amtes, dem Sonderkommando Künsberg. Das Sonderkommando des Legations172
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RTS, i. A. J[ürgens], an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, 21. 5. 1942. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 1 Bibliothek Petschek. Bei Kriegsende befand sich aus den Volksbüchereien stammende Unterhaltungsliteratur unter den verlagerten Beständen in der Ausweichstelle des DAB in Schloss Frehne in der Prignitz. Ida Sühring, eine Mitarbeiterin des DAB, versuchte, die dort noch vorhandenen Bestände bei einem Besuch in Schloss Frehne im August 1945 vor Plünderern zu schützen, was ihr teilweise auch gelang. Sie stellte vorsorglich die Romane aus den Volksbüchereien in die oberen Fächer der Regale. Bericht vom 30. 8. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frehne. Im Dezember 1941 erhielt die Universitätsbibliothek Marburg von der RTS eine „Geschichte der jüdischen Literatur“ von Markus Brann. Im Rahmen der Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in der Universitätsbibliothek Marburg wurde der Jüdische Jugendverein Schweinfurt als ursprünglicher Eigentümer des Werkes identifiziert. BARTH, Jugendverein. Vgl. auch Kap. 3.3. Jahresbericht für das Jahr 1941. BArch R 4901/15090, Bl. 188 ff., hier Bl. 193 (im Bericht S. 12). Der Bericht befindet sich ebenfalls in einem Durchdruck in SBB PK, Historische Akten, III E.25a. JAHRESBERICHT, 1938, 82. Die in der österreichischen Gesandtschaft geführten umfangreichen Ausbürgerungslisten, die „zum Teil handschriftlich geführt“ waren, wurden dem Archiv der NSDAP zugeleitet. Jahresbericht für das Jahr 1941. BArch R 4901/15090, Bl. 188 ff., Bl. 194 (im Bericht S. 13). Bernd Reifenberg nennt „je ein[en] Band aus dem Besitz der polnischen Gesandtschaften in Berlin und Prag“, die als Geschenke der RTS 1943 in die Universitätsbibliothek Marburg gelangten. REIFENBERG, Beispiel Marburg, 130 f.
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rates Baron Eberhard von Künsberg plünderte seit Kriegsbeginn in West-, Ost- und Südosteuropa vor allem die politischen Archive der besetzten Länder. 1939 hatte das Auswärtige Amt Künsberg mit der Beschlagnahmung politischer Akten des polnischen Außenministeriums beauftragt. Nach dem Überfall auf Norwegen und dem Überfall auf Frankreich betätigten sich die Angehörigen des Sonderkommandos dort in gleicher Weise. In zunehmendem Maße, insbesondere nach dem Angriff auf die Sowjetunion, raubten sie nicht nur politisch bedeutsame Archivalien, sondern auch Bücher und Kunstwerke.177 Reste aus diesen Raubzügen, an denen weder das Auswärtige Amt noch andere Stellen, wie das Oberkommando der Wehrmacht, Interesse hatten, lagerten im Juli 1942 im Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin. Eine mit „Abzugebende Bestände der Archivkommission“ betitelte Liste verzeichnet u. a. „Polnische, tschechische, russische und serbische Bücher und Zeitschriften, mehrere tausend Bände unverpackt […]“. Als Empfänger dieser Bücher waren die „Reichstauschstelle, Universitätsbibliothek, Seminar für osteuropäische Geschichte und Slawisches Institut der Universität“ – gemeint war die Berliner Universität – vorgesehen. Am 22. Juni 1942 – dem Datum des Begleitschreibens zu dieser Aufstellung – war die Abgabe an die genannten Stellen „im Gange“.178 In den vom Deutschen Reich nach Kriegsbeginn annektierten Gebieten, Lothringen und dem sogenannten Warthegau, das im Kern die ehemalige preußische Provinz Posen umfasste, hatte die Reichstauschstelle durch ihre Verbindungen zum Personal der dortigen Bibliotheken Zugriff auf beschlagnahmte Büchersammlungen. Seit Dezember 1939 mussten im ,Warthegau‘ auf Anordnung des Reichsstatthalters Arthur Greiser „Bücher- und Zeitschriftenbestände sowie Zeitungssammlungen von wissenschaftlichem und kulturellem Wert“ angemeldet werden.179 Davon ausgenommen waren jene „Bibliotheken und Bücherbestände, die Eigentum von Reichsdeutschen und Volksdeutschen“ waren.180 Der Universitätskurator Hanns Streit beauftragte SS-Untersturmführer Jürgen von Hehn mit der Erfassung und Sicherstellung der Bibliotheken und Büchersammlungen polnischer Institutionen und Privatpersonen. Am 20. Juni 1940 befanden sich in der Sammelstelle Thüringer Straße 7 in Posen – der beschlagnahmten St. Michaelskirche – bereits „60.000 verschiedene Druckstücke aus polni177
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Am 1. 8. 1942 wurde das SS-Sonderkommando des AA Künsberg in „Bataillon der Waffen-SS z.b.V.“ umbenannt und am 29. 7. 1943 aufgelöst. Vgl. HARTUNG, Raubzüge, 13 ff., 100 und 111. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen im Mai 1940 in Paris raubte das Sonderkommando Künsberg die Botschaften Polens und der Tschechoslowakei aus. Dabei wurden nicht allein politisch wichtige Unterlagen beschlagnahmt und nach Berlin verbracht, sondern, weil unterschiedslos das gesamte Schriftgut aus den Gebäuden verladen wurde, vermutlich auch Bücher. Handschriftliche Notiz, 29. 7. [1940] „Karten verladen 14 h 2 LKW (halb Bücher halb Rest)“ PA AA, R 27.528. Betr. Abzutransportierendes Material der Archivkommission, [unleserlich] an SS-Sturmbannführer Dr. Nitsch, 22. 7. 1942. PA AA, R 27.558. Am 3. 10. 1940 trafen „3 Dodge Wagen mit Aktenladung aus Paris“ im Kaiser-Friedrich-Museum ein. Schreiben vom 3. 10. 1940 an Künsberg. PA AA, R 27.524. Zu den Buchsammelstellen Posen und Litzmannstadt vgl. KOMOROWSKI, Bibliotheken im Generalgouvernement; PIROSZYŃSKI, Bibliothekspolitik; RAPMUND, Bibliothekspolitik, 120 ff. Der Reichsstatthalter, Greiser, „Bekanntmachung betreffend Anmeldepflicht von Bibliotheken und Bücherbeständen vom 13. Dezember 1939“, in: Ostdeutscher Beobachter, 16. 12. 1939 (Jg. 1, Nr. 46). Zeitungsausschnitt in: BArch R 4901/13658, Bl. 8.
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Die Reichstauschstelle
schem Privatbesitz und aus polnischen Instituten“. Streit beabsichtigte, mit den „bei der Buchsammelstelle eingegangenen Werken“ die Bestände der Staats- und Universitätsbibliothek Posen aufzufüllen und die Institute der im Aufbau befindlichen Reichsuniversität Posen zu versorgen. Gegen „Erstattung der Kosten, die die Büchersammlung verursacht hat“, sollten die wissenschaftlichen Bibliotheken im sogenannten Altreich ebenfalls von den im ,Warthegau‘ geraubten Büchersammlungen profitieren dürfen.181 Seit Juli 1940 galt die Buchsammelstelle Posen als eine Einrichtung der Universität, „die als besondere Universitätsanstalt behandelt wird“.182 Von Hehn, der in großem Umfange die Makulierung der eingelieferten polnischen Literatur betrieben hatte, wurde im Oktober 1940 seiner Funktion enthoben.183 Die Preußische Staatsbibliothek erhielt in den Jahren 1940 bis 1944 durch die Reichstauschstelle nachweislich Werke aus der Staats- und Universitätsbibliothek Posen.184 Auch in anderen Bibliotheken gingen ‚Dubletten‘ aus Posen ein, bei denen es sich mutmaßlich um Raubgut aus der Buchsammelstelle handelte.185 Die Staats- und Universitätsbibliothek Posen baute ihre Bestände sowohl mit beschlagnahmter Literatur aus dem sogenannten Warthegau als auch mit Dubletten aus deutschen Bibliotheken auf.186 Dennoch klagte ihr Direktor Alfred Lattermann 1940, dass seine Institution in den beschlagnahmten polnischen Bibliotheken zwar „ausgezeichnetes Tauschmaterial in den verschiedensten Sprachen“ besitze, welches sie gegen die Dubletten aus anderen Bibliotheken eintauschen könnte. Doch mangele es an Arbeitskräften, um diese Bestände zu bearbeiten.187 Der Mangel an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die geraubten Bestände hätten sichten können, setzte auch den Bestrebungen der Reichstauschstelle, Raubgut aus polnischen Privat-, Instituts- und Kirchenbibliotheken an wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland zu verteilen, Grenzen.188
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Der Kurator der Universität, Streit, an den Reichserziehungsminister, Posen, 20. 6. 1940; Durchdruck eines Schreibens Streits vom 20. 6. 1940 an den Generaltreuhänder für die Sicherstellung deutschen Kulturgutes in den ehem. polnischen Gebieten, z. H. SS-Hauptsturmführer Prof. Dr. Ing. Hans Schleif. BArch R 4901/13658, Bl. 32 ff. und Bl. 34. Aktennotiz von Rottenburgs, 27. 7. 1940. BArch R 4901/13660, Bl. 10. PISKORSKI, Reichsuniversität Posen, 259. Akzessionsjournale der PSB. Akz. Ausländisch Dona 1940: 51; Akz. Notgemeinschaft 1941: insgesamt 19, 1942 innerhalb eines Zugangs von 879 Titeln viele aus der Staats- und Universitätsbibliothek Posen, 1943: 75, 1944: 39. Die für das Jahr 1944 im Akzessionsjournal eingetragenen Titel tragen den Vermerk „Dublettentausch“. Vermutlich kamen alle Titel im Tausch oder als Geschenk in die PSB. Ein Eintrag, dass diese Literatur, wie die Zugänge aus der Stadt- bzw. Westraumbibliothek Metz, angekauft worden wäre, findet sich in den durchgesehenen Akzessionsjournalen nirgends. REIFENBERG, Beispiel Marburg, 127. Der an die Staats- und Universitätsbibliothek Posen abgeordnete Bibliothekar Hans-Moritz Meyer berichtete: „Gerade in diesen Tagen wurde ein Möbelwagen aus der ehemaligen Deutschen Bücherei Posen übernommen. Auch gelegentliche Streifzüge durch die Buchsammelstelle sichern immer wieder wertvollstes Material. […] Die Reichstauschstelle und andere Bibliotheken haben zur Ergänzung der Bestände schon in dankenswerter Weise beigetragen.“ Arbeiten und Probleme an der SuUB Posen, Oktober 1940, Meyer [an Kummer]. BArch R 4901/13658, Bl. 76-88, 76. Zit. n. LANG, Reichstauschstelle, 141. Vgl. Kap. 2.4.
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Bereits 1941 traf die Reichstauschstelle Vereinbarungen mit der Stadtbibliothek Metz über die Abgabe von ‚Dubletten‘ aus beschlagnahmten Büchersammlungen, die sich im Besitz der Bibliothek befanden.189 In der Folge erhielten zahlreiche deutsche Bibliotheken – nicht zuletzt die Preußische Staatsbibliothek190 – Dutzende französische Werke. Die deutsche Besatzungsmacht konzentrierte in der Stadtbibliothek Metz beschlagnahmte Kloster- und Privatbibliotheken aus Lothringen. Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda beanspruchte die Büchersammlungen zu „Auswertungszwecken“ und bestimmte ihre weitere Verwendung. „Wertvolles schöngeistiges Schrifttum (Klassiker und Neuerscheinungen), alle wissenschaftliche und sonstige Literatur von Wert soll den deutschen Bibliotheken und Instituten, Seminaren und sonstigen Forschungsstätten zum Kauf angeboten werden.“ Was auf diese Weise „nicht abgesetzt werden kann“, sollte „dem deutschen Buchhandel zur Aufnahme in die fremdsprachigen Sortimente zugeleitet“ werden.191 Den Verkauf organisierte Albert Reker, der Beauftragte für die wissenschaftlichen Bibliotheken in Lothringen und Direktor der Stadtbibliothek in Metz. Reker wurde im Frühjahr 1942 von dem Kunsthistoriker Hans Wegener, der zuvor Beamter der Preußischen Staatsbibliothek gewesen war und vom September 1940 bis zum Ende des Jahres 1941 mit kurzer Unterbrechung dem Referat Bibliotheksschutz in Paris angehört hatte, abgelöst.192 Ähnliche Pläne für das „aus den Stadtbüchereien im Elsaß auszuscheidende französische Schrifttum“ scheiterten am Chef der Zivilverwaltung im Elsass. Er wollte verhindern, dass Institutionen außerhalb des Elsass’ von dieser Literatur profitierten, und hatte deshalb verfügt, dass sie der Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg überwiesen werde. Die Staatliche Volksbüchereistelle für Baden, die sich für die Absichten der Reichstauschstelle eingesetzt hatte, musste dies ebenso akzeptieren193 wie Josef Rest, der Direktor der Universitätsbibliothek Freiburg, der gegenüber Krüß bereits sein Interesse an der Literatur aus dem Elsass angemeldet hatte.194 189 190
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Jahresbericht für das Jahr 1941. BArch R 4901/15090, Bl. 188 ff., Bl. 193 (im Bericht S. 12). Die PSB erwarb sowohl direkt als auch über die RTS 1941 und 1942 mehrere Dutzend Titel. Akzessionsjournale Akz. Notgemeinschaft und Akz. Ausländisch [=Kauf]. RMVP, i. A. gez. [Paul] Hövel, an den GD der PSB, 13. 2. 1941 (Abschrift), und: „Aufzeichnung über die Anwesenheit von Sachbearbeiter Dr. Bauer in Metz vom 27. bis 29. 1. 1941“. Betrifft: Beschlagnahmtes französisches Schrifttum in Lothringen (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). In der gleichen Weise sollte auch mit den in Luxemburg beschlagnahmten Buchbeständen verfahren werden. Dass Bestände aus Luxemburg an die RTS oder in die PSB gelangt sind, ließ sich bisher nicht nachweisen. Reichsstatthalter der Westmark und Chef der Zivilverwaltung Lothringen, i. A. [unleserlich], an RMWEV, 20. 4. 1942; Antwortschreiben Kummers vom 28. 4. 1942 und weitere Schreiben wegen Verlängerung der Abordnung. BArch R 4901/13802. Staatliche Volksbüchereistelle für Baden [Unterschrift unleserlich] an die RTS im RMWEV, 5. 3. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Dieses Schreiben ging an Krüß als den Leiter der RTS. Weil dies „einen schlechten Eindruck in der Öffentlichkeit hervorrufen würde“, sollte kein Kulturgut aus dem Elsass weggeführt werden. Zu Beginn des Jahres 1941 sicherte Krüß Rest zu, bei der Verwertung der aus der Stadtbibliothek in Mühlhausen ausgeschiedenen Bücher berücksichtigt zu werden. Antwortschreiben der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau, Rest, an Krüß, 4. 3. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Krüß an Rest, 10. 3. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner).
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Die Reichstauschstelle
Der Dublettendienst der Reichstauschstelle setzte keineswegs voraus, dass sich die zum Tausch angebotenen Schriften und Bücher in ihrem Besitz, d. h. in ihren Lagern in Berlin, befanden. Wegen des Raummangels war es sogar erwünscht, dass die gesuchte Literatur direkt bei der anbietenden Bibliothek abgerufen wurde. So vermittelte die Reichstauschstelle in den Jahren 1934 bis 1936 Freimaurerschriften aus Besitz der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden, die aus sächsischen Logen stammten, an die Universitätsbibliothek Münster.195 Dabei stellte sie lediglich den Kontakt zwischen den Tauschpartnern her, die eigentlichen Tauschoder Geschenkaktionen wickelten die Bibliotheken untereinander ab.
2.3.2.5 Jürgens’ Konflikte mit dem NS-Regime Im Juni 1945 verfasste Jürgens, um sich als Leiter einer neu zu gründenden unabhängigen Tauschstelle zu empfehlen, ein Schreiben an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, das damals aufgelöst wurde. In dem beigefügten Lebenslauf führte er an, dass gegen ihn in der Zeit des Nationalsozialismus zweimal – 1934 und 1937 – „Strafverfahren“ anhängig waren. 1934 sei er von der „Entlassung aus allen Stellungen wegen des Vorwurfs der Judenbegünstigung“ bedroht gewesen. Infolge des Eingreifens des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt Bernhard Wilhelm von Bülow wurde ihm jedoch „die Beamteneigenschaft belassen und die Entlassung nicht unterzeichnet“. Für 1937 erwähnte er ein „Erneutes Strafverfahren beim Stellvertreter des Führers wegen Judenbegünstigung, das niedergeschlagen wurde“ und eine „SS Untersuchung wegen der Förderung der Beziehungen zu Sowjet-Russland.“196 Zweifelsohne beabsichtigte Jürgens mit diesen Angaben, seine Nähe zum NS-Regime herunterzuspielen. Es stellt sich dennoch die Frage, auf welche Vorgänge er sich bezog. Wenngleich über die „Strafverfahren“ nichts bekannt ist, kann dennoch ihr Kontext rekonstruiert werden. Dabei wird deutlich, dass Jürgens’ Konflikte mit dem NS-Regime in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für das Auswärtige Amt standen und aus der Unschärfe der Machtsphären verschiedener Behörden und Dienststellen resultierten. Nach seiner „Entlassung“ aus der Notgemeinschaft meldete sich Jürgens Anfang August 1934 zum Dienst in der Preußischen Staatsbibliothek zurück.197 Damit endeten aber keineswegs seine persönlichen Auseinandersetzungen mit der Leitung der Notgemeinschaft. Deren Präsident Johannes Stark setzte den Minister Rust über ein Fehlverhalten in Kenntnis, das Jürgens sich auf seiner Reise in die Türkei im Frühjahr 1934 hatte zuschulden kommen lassen. Auf Veranlassung Rusts und der NSDAP forderte Stark nunmehr von Krüß Aufklärung darü-
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Vgl. POPHANKEN, Verbotene und beschlagnahmte Bücher, 145 f. Lebenslauf Dr. Adolf Jürgens als Anlage zu dem Schreiben an Ministerialrat [Leist], 5. 6. 1945. BArch R 4901/15757 = ZB 2/2180 Akte 13, Bl. 15 ff., Bl. 18. Jürgens an die Generalverwaltung der PSB, 6. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1,78.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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ber, ob Jürgens „in Konstantinopel in einer dem deutschen Ansehen schädigenden Weise Verbindungen mit den Emigranten-Professoren aufgenommen“ hatte.198 Tatsächlich weilte Jürgens im Juni 1934 im Auftrag des Auswärtigen Amtes und auf Weisung Schmidt-Otts zu Verhandlungen in Istanbul. Die Pläne für diese Reise reichten bis zum Dezember 1933 zurück. Der Generalkonsul des Deutschen Reiches in Istanbul, Ministerialrat Hans Gerald Marckwald, beabsichtigte, Schmidt-Ott, der zu diesem Zeitpunkt noch Präsident der Notgemeinschaft war, nach Istanbul einzuladen, „um mit dem Gremium der Professoren zu beraten, wie der Charakter der Universität in deutschem Geiste gestaltet werden könnte“.199 Die Notgemeinschaft hatte es abgelehnt, einen Vertreter nach Istanbul zu entsenden, war dann aber, so Jürgens in seiner umfassenden Rechtfertigung, vom Auswärtigen Amt zu der Reise gedrängt worden. Mit dem Einverständnis des Reichsministeriums des Innern reiste Jürgens schließlich anstelle Schmidt-Otts nach Istanbul. Er hatte den Auftrag, „mit den aus Deutschland nach Konstantinopel berufenen Professoren Fühlung aufzunehmen, um dabei festzustellen, ob eine vom Auswärtigen Amt aus allgemeinen kulturpolitischen Erwägungen aus Fonds des Auswärtigen Amtes beabsichtigte Bücherspende für die Universität Konstantinopel geeignet sein würde, die deutschen Interessen an der Universität Konstantinopel zu fördern.“200 In einem Jürgens’ Denkschrift beiliegenden Schreiben erläuterte von Bülow die Situation, die sich durch die kulturpolitischen Anstrengungen Frankreichs ergab und durch die Tatsache, dass „die nach Istanbul berufenen Professoren zum grossen Teil sich aus Personen zusammensetzten, die im Zusammenhang mit der deutschen Ariergesetzgebung die Berufung angenommen hatten“. Für das Auswärtige Amt bestand „also die Gefahr […], dass sich diese Professoren anderen als deutschen Kultureinflüssen geneigt zeigen könnten.“ Deshalb „erachtete es die Deutsche Botschaft in Ankara und das Generalkonsulat in Istanbul als dringend erwünscht, dass ein Herr der Notgemeinschaft an Ort und Stelle Verhandlungen zur Sicherung der deutschen kulturpolitischen Belange führte.“ Jürgens sei für diese Aufgabe ausersehen worden, weil er bereits die Bibliothek für die landwirtschaftliche und veterinärmedizinische Hochschule in Ankara (insgesamt 18.000 Bände) im Auftrage des Auswärtigen Amtes zusammengestellt hatte. Und von Bülow entlastete ihn vollends, indem er schloss: „Dr. Jürgens hat sich seiner 198
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NG, Stark, an GD der PSB, Krüß, 24. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 84. Gemeint waren die Professoren, die in Deutschland nach dem Gesetz zur Herstellung des Berufsbeamtentums vom 7. 4. 1933 aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden waren und in der Türkei Aufnahme gefunden hatten. Zur Aufnahme deutscher Wissenschaftler in der Türkei vgl. RICHARDS, Scientific Information, 50. Jürgens’ Denkschrift über seine Reise nach Konstantinopel, 1. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 82. EBD. Im Rahmen dieses Auftrags traf Jürgens mit folgenden Professoren zusammen: den Nationalökonomen Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow und Fritz Neumark, mit den Medizinern, Mathematikern und Naturwissenschaftlern Rudolf Nissen, Richard Edler von Mises, Hans Winterstein, Reginald Oliver Herzog, Julius Hirsch und Erwin Finlay Freundlich und mit den Geisteswissenschaftlern Helmuth Theodor Bossert und Leo Spitzer. Außerdem sprach er mit verschiedenen Angehörigen der deutschen Kolonie, u. a. mit Dr. [Jakob Paul?] Naab und Prof. Hellmut Ritter, und er nahm Kontakt zu dem in Istanbul tätigen deutschen Buchhändler Kalis auf.
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delikaten Aufgabe mit grossem Geschick unterzogen und damit letzten Endes auch die deutsche kulturelle Einflussnahme auf Istanbul gesichert. Ich bitte daher, zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass Dr. Jürgens nicht nur bei seinen Verhandlungen in Istanbul in unmittelbarem Auftrage des Auswärtigen Amtes gehandelt, sondern nach dessen Auffassung auch den deutschen kulturellen Belangen in der Türkei wesentliche Dienste geleistet hat.“201 Dass Jürgens 1937 – nach seiner Darstellung – wegen ‚Judenbegünstigung‘ ein zweites Mal in Schwierigkeiten geriet, stand in Zusammenhang mit den vom Deutsch-Ausländischen Buchtausch monatlich herausgegebenen Auswahllisten deutscher wissenschaftlicher Literatur. Die Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses stellte seit 1929 maschinenschriftlich vervielfältigte Listen mit Neuerscheinungen zusammen und versandte sie an ausländische Interessenten. Die Listen dienten als Grundlage für Buchbestellungen, Kataloge und Bibliographien. Seit 1933 wurden diese bibliographischen Hilfs- und Propagandamittel in Kartenform gedruckt.202 Die Zahl der Abnehmer war 1937 auf 550 „Bibliotheken und Gelehrte des Auslands“ gestiegen. Überdies erschienen seit dem April 1937 zweimonatlich spezielle Auswahllisten für technische Literatur.203 Diese bibliographischen Zusammenstellungen erregten zunächst das Misstrauen des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Seit 1935 war Krüß dazu angehalten, die jeweiligen Fahnenabzüge vor ihrer Drucklegung zur Genehmigung einzureichen.204 Bis 1937 gab es jedoch keine Beanstandungen dieser Listen, es sei denn, dass sie zwischen Kummer, Krüß und Jürgens mündlich erörtert worden wären. Dann gerieten jedoch der Deutsch-Ausländische Buchtausch und die Reichstauschstelle auf mehreren Tätigkeitsfeldern gleichzeitig ins Visier der Geheimen Staatspolizei und des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda: auf dem Gebiet des Buchimports aus der Sowjetunion, der Auswahllisten und der Bereitstellung von im Ausland gewünschter wissenschaftlicher Literatur. Zu der ins Ausland versandten Literatur zählten Buchtitel und Zeitschriftenbände, die bereits vor 1933 erschienen waren und deren Autoren ebenso wie einige Verfasser von in Deutschland noch erhältlichen wissenschaftlichen Standardwerken nach den Nürnberger Rassegesetzen als Juden definiert wurden, weshalb ihre Schriften indiziert waren. Im Oktober 1937 reagierte das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung offensichtlich auf einen Anwurf aus dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda; es forderte Krüß auf, zu Jürgens’ kulturpolitischer Betätigung Stellung zu nehmen. Krüß verwies auf die alleinige Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes. Bei den Verhandlungen im Jahre 1934, als die Verwaltungsgeschäfte des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs auf ihn als Generaldirektor der Preußischen Staatbibliothek übertragen wurden, habe er abgelehnt, die „Verant201
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AA, i. V. gez. von Bülow, an das RMWEV, 10. 9. 1934 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 86. VON BUSSE, Deutsch-Ausländischer Buchtausch. DAB, gez. Jürgens, vermutlich an den Ersten Direktor der PSB, Becker, [März oder April 1937]. BArch R 4901/15091, Bl. 75. RuPMWEV, i. A., gez. Bachér, an den Leiter der RTS, den GD der PSB, 2. 7. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 157.
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wortung für die kulturpolitische und sonstige Tätigkeit des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs“ zu übernehmen.205 Die Beamten der Kulturpolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes waren bemüht, den Konflikt mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda über die ideologische Ausrichtung der Auswärtigen Kulturpolitik nicht offen ausbrechen zu lassen.206 Der Ministerialdirektor Friedrich Stieve stellte dem Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung eine „grundsätzliche Klärung“ der Frage, wie das Auswärtige Amt in Zukunft mit indizierter Literatur umzugehen gedenke, in Aussicht. Er machte deutlich, dass es in der Praxis außerordentlich schwierig sein würde, die nicht genehme Literatur aus dem Bücherversand auszuschließen, zumal, wie er wohl in Anspielung auf den Aktionismus des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda bemerkte, die Verbotspraxis von verschiedenen Stellen uneinheitlich gehandhabt werde.207 Wenig später regte Legationsrat Paul Roth an, die Angelegenheit zum Gegenstand einer Ressortbesprechung zu machen. Jedoch dürfe die Einschaltung einer Prüfungsstelle, wie Krüß sie vorgeschlagen hatte, „nicht zu einer Verzögerung der laufenden Arbeit des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs führen.“208 Um eine weitere Stellungnahme ersucht, präzisierte Krüß im Januar 1938 seine Vorstellungen über einen beratenden Ausschuss für die allgemeinen Fragen der kulturpolitischen Werbung, „der bei gegebener Veranlassung vom Auswärtigen Amt zu hören wäre.“ Dieser könnte sich „aus Vertretern des Auswärtigen Amts, des Reichserziehungsministeriums, des Propagandaministeriums (für die Reichsschrifttumskammer), der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums, des Außenpolitischen Amtes, des Reichsführers SS und einigen Bibliothekaren“ zusammensetzen.209 Zudem könnte Jürgens ein Berater bei der Erledigung seiner Aufgaben zur Seite gestellt werden, z. B. ein Beauftragter der Parteiamtlichen Prüfungskommission, der auch die monatliche bibliographische Auswahl begutachten würde. Ein solches Gremium wurde nicht installiert. Anderthalb Jahre später kam Roth noch einmal auf das Thema zurück: „Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda hat leider auch seither auf die hiesigen Rückfragen wegen einer gutachtenden Beratung beim DeutschAusländischen Buchtausch nicht endgültig Stellung genommen.“210 Um sich keine Versäumnisse bei der Beaufsichtigung von Jürgens’ Tätigkeit nachweisen zu lassen, machten Krüß und der Erste Direktor der Preußischen Staatsbibliothek, Josef Becker, seit Dezember 1937 stets genaue Angaben zu den in Jürgens’ Listen enthaltenen, möglicherweise zu beanstandenden Titeln. Am 15. Dezember 1937 stand „das Werk ‚Abendmahlsgesell205
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GD der PSB, Krüß, an den RuPMWEV, 14. 10. 1937. BArch R 4901/15091, Bl. 98. Vgl. auch: GD der PSB an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 28. 10. 1934. BArch R 4901/2672, Bl. 20 ff., Bl. 21. Die „Frage der kulturpolitischen Werbung durch das deutsche Buch im Ausland“ führte immer wieder zu Kontroversen zwischen dem AA und dem RMVP. Vgl. Kap. 2.3.3. AA, i. A. Stieve, an das RuPMWEV, 27. 10. 1937. BArch R 4001/15091, Bl. 101. Mit der Anlage „Zur Frage der kulturpolitischen Werbung durch das deutsche Buch im Ausland“, Bl. 102 ff. AA, i. A. Roth, an das RuPMWEV, 8. 11. 1937. BArch R 4901/15091, Bl. 99. GD der PSB, Krüß, an den RuPMWEV, 7. 1. 1938. BArch R 4901/15091, Bl. 117. AA, i. A. Roth, an das RMWEV, 9. 6. 1939. BArch R 4901/15091, Bl. 316.
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Die Reichstauschstelle
schaft?‘“ von Hans Asmussen „und anderen Mitgliedern der bekennenden Kirche“ auf der eingereichten Auswahlliste.211 Am 4. März 1938 war ein Werk von Richard Courant und David Hilbert „mit aufgenommen worden, obgleich Courant nichtarisch ist“. Dessen Auslassung würde jedoch „vom Ausland kritisch vermerkt werden und die bisherige Einstellung des Auslandes zu den Auswahllisten ungünstig beeinflussen“, gab Krüß zu bedenken.212 Am 19. Juni 1939 bat Becker wegen der „Grundlagen der Mathematik“ von David Hilbert und Paul Bernays „um besondere Entscheidung.“213 Die bibliographischen Empfehlungen des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs fasste Jürgens schließlich in einer Buchpublikation mit dem Titel „Ergebnisse deutscher Wissenschaft“214 zusammen. Angeblich war sie „unter Mitwirkung der Parteiamtlichen Prüfungskommission“215 zustande gekommen, was deren Stellvertretender Leiter, Karl Heinz Hederich, jedoch vehement bestritt.216 Vielmehr hätten „schwerwiegende Bedenken gegen die Hereinnahme einer Reihe von Titeln und gegen die getroffene Auswahl auf einigen Gebieten“ bestanden, „die nur hinfällig wurden durch die Tatsache, daß ausdrücklich vereinbart wurde, daß der Katalog unter keinen Umständen als ein nationalsozialistisches Ausleseverzeichnis bezeichnet oder unter einem entsprechenden Titel im Inland vertrieben wird.“217 Im Gegensatz zum Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda beargwöhnte der Sicherheitsdienst der SS die Tauschbeziehungen der Reichstauschstelle mit der Sowjetunion nicht wegen der exportierten, sondern wegen der importierten Literatur. Jürgens hatte bereits 1927 mit der staatlichen Knižnaja Palata in Moskau einen Tauschvertrag abgeschlossen.218 Im Frühjahr 1936 konzentrierte das Auswärtige Amt die Tauschbeziehungen zur Sowjetunion bei der Reichstauschstelle.219 Auf Anweisung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom Juni 1936 mussten die einzelnen Bibliotheken fortan für den Schriftentausch mit sowjetischen Stellen, bspw. Universitäten, die Genehmigung der Reichstauschstelle einholen.220 211 212 213 214 215 216
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DAB, i. V. Becker, an den RuPMWEV, 15. 12. 1937. BArch R 4901/15091, Bl. 106. DAB, Krüß, an den RuPMWEV, 4. 3. 1938. BArch R 4901/15091, Bl. 169. DAB, i. V. Becker, an den RuPMWEV, 19. 6. 1939. BArch R 4901/15091, Bl. 266. JÜRGENS, Ergebnisse. AA, i. A. Roth, an das RMWEV, 9. 6. 1939. BArch R 4901/15091, Bl. 316. NSDAP, Reichsleitung, Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums, [Karl Heinz] Hederich, an Ministerialrat Kummer, RMWEV, 9. 1. 1940. BArch R 4901/15091, Bl. 342. EBD. Vgl. SBB PK, Historische Akten, I 9-156, Bd. 1, 2 f. und 11. (Lebenslauf) und Anlage zu Jürgens’ Schreiben an Ministerialrat [Leist], 5. 6. 1945. BArch R 4901/15757 = ZB 2/2180 Akte 13, Bl. 15 ff., Bl. 17. Hier erwähnte Jürgens, dass der Tauschvertrag bis 1941 gültig war. Am 21. 4. 1936 fand eine Besprechung im AA statt, in der „die Frage des Schriftentausches mit Rußland“ erörtert wurde. An ihr nahmen Krüß und Jürgens teil. PSB, Krüß, an das AA, 15. 4. 1936 (Entwurf), abgesandt am 17. 4. 1936. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, Bl. 65. Erwähnt u. a. in einem Schreiben des RMWEV an den Thüringischen Minister für Volksbildung in Weimar vom 9. 7. 1936 (hier Durchdruck). SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 2, Bl. 121. Noch am 3. 6. 1940 wies Jürgens die Universitätsbibliothek Graz auf das Procedere, neue Tauschbeziehungen stets bei der RTS anmelden zu müssen, hin. RTS im RMWEV, i. A. gez. Jürgens, an die Universitätsbibliothek Graz, 3. 6. 1940. Hinweis von Katharina Bergmann.
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Im April 1936 richtete der Sicherheitsdienst der SS bei der Buchhandlung Koehler & Volckmar in Leipzig eine Kontroll- und Zensurstelle ein. Dieses sogenannte Russland-Lektorat gehörte zu der seit 1934 bestehenden Verbindungsstelle des Sicherheitsdienstes in der Deutschen Bücherei.221 Die gesamte aus der Sowjetunion eingeführte Literatur – einschließlich der Tauschsendungen – sollte an Koehler & Volckmar gesandt und erst, nachdem sie dort von den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes kontrolliert worden war, an die Empfänger weitergeleitet werden. Davon waren nicht nur die Geschäftsbeziehungen privater Buchhandlungen betroffen. Die Zensoren griffen auch in den Verkehr der wissenschaftlichen Bibliotheken, z. B. der Deutschen Bücherei, ein und behinderten den Import, so dass letztendlich der Bezug sowjetischer Literatur insgesamt gefährdet war. Die Zensurmaßnahmen erstreckten sich auch auf die Reichstauschstelle und den DeutschAusländischen Buchtausch. Um deren Tauschaktivitäten weiterhin zu gewährleisten, erwirkte das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung im Juli 1937 eine Vereinbarung mit dem „Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern“, nach der die exportierte Literatur von der Kontrolle ausgenommen war und die importierten Sendungen nicht über die „Überwachungsstelle in Leipzig“ geleitet werden mussten. Doch musste sich die Reichstauschstelle verpflichten, „von allen aus der Sowjetunion eingehenden Sendungen dem Geheimen Staatspolizeiamt unverzüglich (fernmündlich) Anzeige zu machen und die Öffnung erst vorzunehmen, wenn der Beauftragte des Geheimen Staatspolizeiamts zur Prüfung eingetroffen ist. Dem Beauftragten ist ferner die Einsicht in die bei der Reichstauschstelle und dem Deutsch-Ausländischen Buchtausch vorhandenen Akten über den Schriftverkehr mit der Sowjetunion zu gestatten.“222 Die Reichstauschstelle und der Deutsch-Ausländische Buchtausch setzten die Buchimporte aus der Sowjetunion bis 1941 fort. Hauptabnehmer waren die Bibliothek des dem Sicherheitsdienst nahestehenden Instituts für Staatsforschung, die Preußische und die Bayerische Staatsbibliothek, die Universitätsbibliotheken in Breslau und Königsberg „sowie eine Anzahl von Spezialinstituten.“223
2.3.3 Der Deutsch-Ausländische Buchtausch an der Preußischen Staatsbibliothek – Buchpropaganda im Auftrag des Auswärtigen Amtes Der Deutsch-Ausländische Buchtausch wurde im Herbst 1934 gleichfalls unter Krüß’ Verwaltungsaufsicht gestellt.224 Da das Auswärtige Amt die Dienststelle finanzierte, war sie von den finanziellen Restriktionen, unter denen die Reichstauschstelle und das Beschaffungsamt litten, 221 222
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Vgl. SCHROEDER, Buchhändler. RMWEV an die RTS – oder Vertreter im Amt – in Berlin, 9. 7. 1937, Abschrift, i. A. Groh, an das AA, Schimpke, PA AA, R 60.598, Bl. 183. RTS und BADB, Jürgens, an GD der PSB, Krüß, 30. 3. 1943. SBB PK, Historische Akten, R XII-1, Bd. 2, 163. Krüß an den RuPMWEV, 14. 10. 1937. BArch R 4901/15091, Bl. 98. Vgl. auch Krüß an das AA (Entwurf), 13. 11. 1934, abgesandt 14. 11. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 77.
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Die Reichstauschstelle
nicht berührt. Mit 125.000 Reichsmark jährlich225 erreichte das Budget des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs 1934 fast die Höhe der Bewilligungen des Reichsministeriums der Finanzen für Reichstauschstelle und Beschaffungsamt zusammen.226 Zusätzlich standen ihm Dubletten der Reichstauschstelle und Freistücke der von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft unterstützen Zeitschriften und Einzelwerke zur Verfügung, deren Wert, so Jürgens im Oktober 1934, „mit jährlich RM 100.000.- nicht zu hoch veranschlagt“ war.227 Man kann annehmen, dass die finanziellen Aufwendungen für den Deutsch-Ausländischen Buchtausch in den folgenden Jahren stetig stiegen. Im Geschäftsjahr 1941/42 erreichten sie nahezu eine Dreiviertel Million Reichsmark.228 Mit diesen Finanzmitteln erwarb der DeutschAusländische Buchtausch deutsche Literatur und versorgte sowohl zahlreiche Institutionen als auch einzelne Gelehrte im Ausland229 mit dem Ziel, die deutsche wissenschaftliche Literatur im Ausland zu propagieren und für das nationalsozialistische Deutschland zu werben. Indirekt – durch die Gegengaben der Tauschpartner – nutzten diese Ausgaben den deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken und entlasteten die Devisenbilanz des Deutschen Reiches. Mitte der dreißiger Jahre ging der Absatz deutscher wissenschaftlicher Literatur im Ausland – nicht zuletzt wegen des sinkenden Niveaus der deutschen Wissenschaft nach dem Exodus der Elite jüdischer Wissenschaftler230 – zurück. Die Kulturpolitische Abteilung des Auswärtigen Amtes ergriff in Abstimmung mit dem Börsenverein der Deutschen Buchhändler Gegenmaß-
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RTS im RMI, i. A. Jürgens, an das AA, 20. 10. 1934, Anlage: „Etat der Werbung für das deutsche wissenschaftliche Buch im Auslande“. PA AA, R 65.704, Bl. 409 ff. Das AA entlohnte das Personal und trug die Kosten für die Büroeinrichtung. Als das Beschaffungsamt und die RTS 1941 finanziell eigenständig wurden, stellte sich für Kummer die Frage, wenn nunmehr sowohl Jürgens’ Dienstbezüge als auch „die gesamten Ausgaben für das Dienstgebäude für Heizung, Beleuchtung, Reinigung, Steuern usw.“ aus diesem Haushalt bestritten wurden, ob nicht auch das AA mit einem „Pauschbetrag als angemessenen Anteil“ an diesen Kosten beteiligt werden sollte. Ob diese Frage vor der Etatisierung des Beschaffungsamtes und der RTS unter einem gesonderten Haushaltstitel in anderer Weise geregelt, d. h. die jeweiligen Ausgaben völlig getrennt behandelt wurden, ist nicht bekannt. – Kummer, 20. 2. 1941: Vermerk Betr.: Haushaltsvoranschlag der Reichstauschstelle 1941. BArch R 4901/ 15091, 378–382, Bl. 379. RTS im RMI, i. A. Jürgens, an das AA, 20. 10. 1934, Anlage: „Etat der Werbung für das deutsche wissenschaftliche Buch im Auslande“. PA AA, R 65.704, Bl. 409 ff. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch abzusehen, dass diese Freistücke – wegen der Trennung von der NG 1935 – nicht mehr verfügbar sein würden. Deshalb ersuchte Jürgens um eine Erhöhung der Förderung durch das AA. 1941/42 hatten die im Auftrag der Abteilung Kult W ausgeführten Aufträge einen Umfang von 500.382,76 RM. Hinzu kamen die Mittel aus der Kriegsschädenrückerstattung für den Luftangriff vom 9./10. 4. 1941 in Höhe von 51.860,07 RM und die Ausgaben für die Abteilungen Kult U [wissenschaftliche Auslandsinstitute] und Spr [Literatur für Sprachkurse] in Höhe von 194.097,78 RM. Jürgens an das AA, 25. 11. 1942: Bericht des Deutsch-Ausländischen Buchtausches über seine Arbeit im Geschäftsjahr 1941. SBB PK, Historische Akten, III E.25a (Mappe). Vgl. PA AA, R 65.704 und 65.705, jeweils „Liste 2“. Zu den vom DAB ausgestatteten Universitätsbibliotheken in Belgrad und Sofia vgl. Heinz Kindermann: Bericht über meine Balkanreise, 24. 5. 1940. BArch R 4901/15091, Bl. 362 ff. und Bl. 371. RICHARDS, Scientific Information, 49 ff.
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nahmen,231 an denen sich Jürgens mit gutachterlichen Äußerungen beteiligte. Aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit auf dem Gebiet des Buchtauschs war er über die Situation auf dem Buchmarkt im In- und Ausland umfassend informiert. In seinen Stellungnahmen und Vorschlägen sprach er sich für die Intensivierung der kulturpolitischen Aktivitäten im Ausland aus. Die Exporte der Buchhändler sollten durch eine „devisenrechtliche Sonderregelung“232 subventioniert werden. Da es sich in Jürgens’ Diktion um eine Propagandamaßnahme handelte, schlug er vor, dass das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda dafür finanziell einstehen sollte.233 Ein wichtiges Feld auswärtiger Kulturpolitik war der Aufbau und die Ausstattung von Bibliotheken. Die deutsche Bücherspende für die Bibliothek der Universität Oviedo zeigt, wie eine anfangs beschränkte Initiative zu einer politischen Geste umfunktioniert wurde, deren Umsetzung der Deutsch-Ausländische Buchtausch übernahm. Josef Rest, der Direktor der Universitätsbibliothek Freiburg, deren Sondersammelgebiet Spanische Literatur war, rief dazu auf, Bücher für die 1934 während des Aufstandes der Bergarbeiter in Asturien zerstörte Universitätsbibliothek in Oviedo zu spenden.234 Auf einem Empfang im Staatsministerium in Madrid anlässlich des Internationalen Bibliothekskongresses 1935 kündigte Krüß eine Bücherspende im Umfange von 1.200 Bänden an.235 Der Direktor des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin, Hermann B. Hagen, hatte inzwischen angeregt, „durch Zusammenfassung aller Kräfte eine grössere Spende entstehen zu lassen, mit der in Spanien ein nachhaltiger Eindruck zu Gunsten des neuen Deutschlands zu erzielen wäre“, wenn diese „unter dem Protektorat des Herrn Reichsministers [für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, C. B.] und des hiesigen Botschafters von Spanien zustande käme.“236 Krüß hielt es gleichfalls für ratsam, die Sammlung auszudehnen, befriedigte die bisherige Spende die Wünsche der Universitätsbibliothek Oviedo hinsichtlich ihrer Zusammensetzung doch nicht ganz. Den Auftrag für die Zusammenstellung des Geschenks leitete er an die Reichstauschstelle und den Deutsch-Ausländischen Buchtausch weiter.237
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Vgl. PA AA, R 65.704, R 65.705, 65.706 (Deutsche Buchpropaganda / Wissenschaft. Bücher und Zeitschriften). Zur Exportförderung des deutschen wissenschaftlichen Buches vgl. DAB, Jürgens, an das AA, Abt. VI W, 23. 1. 1935. PA AA, R 65.705. Das RMVP subventionierte fortan die Auslandspreise für deutsche wissenschaftliche Literatur mit einer Exportprämie in Höhe von 25 Prozent. Vgl. German Book Dumping. A New Form of Propaganda, in: Times of India, 17. 10. 1935 (Zeitungsausschnitt in der Akte PA AA, R 65.708). Zum staatlich geförderten Buchexport: BARBIAN, Literaturpolitik, 282 ff. Zwei Rundschreiben: RuPMWEV, i. A. gez. Vahlen, 11. 2. 1935 und Der Minister des Kultus und Unterrichts, Karlsruhe, 26. 1. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 281, 283. Am 22. 5. 1935. Krüß an den Minister, 10. 6. 1935 (handschriftlicher Entwurf), abgesandt am 11. 6. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 293. RuPMWEV, i. V. gez. Kunisch: Abschrift eines Schreibens des Direktors des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin vom 13. 5. 1935, an GD der PSB, 5. 6. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 291. Deutsche Botschaft in Spanien, H. Welczek, an Krüß, 10. 8. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 309.
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Die Reichstauschstelle
Der Deutsch-Ausländische Buchtausch konnte – wohl nach der Angliederung an die Preußische Staatsbibliothek – die Bestände der Reichstauschstelle nicht mehr ohne Wertausgleich nutzen.238 Im Sommer 1936 beabsichtigte das Auswärtige Amt, die Bibliothek des Institute of Historical Research in London mit Büchern zur deutschen Geschichte auszustatten. Die Bibliothek des Instituts äußerte die Bitte, auch die „Verhandlungen“ des Deutschen Reichstages, der beiden Preußischen Kammern, sowie des Provinziallandtages Hannover zu erhalten. Die betreffende Literatur war bei der Reichstauschstelle vorhanden. Es war jedoch nicht ohne weiteres möglich, die Bände, die einen Buchhandelswert von etwa 3.000 Reichsmark hatten, an den Deutsch-Ausländischen Buchtausch abzugeben. Dazu bedurfte es der Erlaubnis des Reichsministeriums der Finanzen. Dem Ministerium musste Becker, der als Krüß’ Stellvertreter die Verwaltungsaufsicht über beide Dienststellen hatte, nachweisen, dass für diese Literatur in Deutschland keine Einnahmen erzielt werden konnten.239 Auch während des Krieges setzte der Deutsch-Ausländische Buchtausch Büchergeschenke zu kulturpolitischen Zwecken ein. Diese Aktivitäten erstreckten sich auf die neutralen Staaten in Europa – die Schweiz, Schweden, Spanien –, die kollaborierenden Regimes – Kroatien, Rumänien, Bulgarien –, einzelne Volksgruppen – die Flamen in Belgien –, auf die militärischen Verbündeten Japan und Italien, aber teilweise auch auf die besetzten Gebiete in Frankreich und Belgien. Sie schlossen die Türkei, Iran, Afghanistan sowie die Staaten Lateinamerikas ein. Der Deutsch-Ausländische Buchtausch stattete die Bibliotheken der Deutschen Wissenschaftlichen Institute in diesen und anderen Ländern aus, so in Athen, Rom, Paris, Stockholm, Bukarest, Sofia, Belgrad, Lissabon, Kopenhagen, Agram (Zagreb), Brüssel, Madrid und Barcelona.240 Die kulturpolitische Tätigkeit des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs erreichte kurz vor dem Zweiten Weltkrieg und in den ersten Kriegsjahren ihren Höhepunkt. Über die seit langem gepflegten Tauschbeziehungen hinaus organisierte Jürgens in den Jahren 1939, 1940 und 1941 eine Reihe von Buchausstellungen im Auftrage des Auswärtigen Amtes und in Zusammenarbeit mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.241 Sie waren Bestandteil 238
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Im Herbst 1934 war Jürgens davon noch ganz selbstverständlich ausgegangen. RTS im RMI, i. A. Jürgens, an das AA, 20. 10. 1934, Anlage: Etat der Werbung für das deutsche wissenschaftliche Buch im Auslande. PA AA, R 65.704, Bl. 409 ff. RMWEV, Abschrift eines Schreibens von Becker, an RMF, 31. 8. bzw. 24. 9. 1936. BArch R 2/435, 30/9. Vgl. Jürgens an das AA, 25. 11. 1942: Bericht des Deutsch-Ausländischen Buchtausches über seine Arbeit im Geschäftsjahr 1941. SBB PK, Historische Akten, III E.25a (Mappe). Zu den Universitätsbibliotheken in Belgrad und Sofia vgl. Heinz Kindermann: Bericht über meine Balkanreise, 24. 5. 1940. BArch R 4901/15091, Bl. 362 ff., Bl. 371. Deutsche Buchausstellungen in Rom und in Belgrad 1939, in Preßburg, Budapest, Agram [Zagreb], Bukarest, Madrid, Kopenhagen, Aarhus und Stockholm. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 2 ff., 2-3. Im Mai 1942 fand in Verbindung mit einer Ausstellung deutscher Technik eine Buchausstellung in Lissabon statt. Jürgens reiste nach Lissabon und Madrid, bereitete die Ausstellung vor und führte zugleich zahlreiche Gespräche im Auftrage des AA. Bericht des Bibliotheksdirektors Dr. Adolf Jürgens über seine im Auftrage des Auswärtigen Amtes durchgeführte Reise nach Madrid und Lissabon. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 171. Jürgens war bereits an der unter dem Titel „Schweden. Land und Volk im Buch“ 1937 in Berlin stattfindenden Ausstellung beteiligt. Vgl. auch SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. 1938 folgte eine portugiesische Buchausstellung in Berlin. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 2 ff., 2.
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einer zwischen den beiden Ministerien vereinbarten kulturpolitischen Offensive.242 An dem von Jürgens verantworteten Ausstellungsteil – der wissenschaftlichen Literatur – entzündeten sich immer wieder Auseinandersetzungen, in denen die differierenden Propagandastrategien der beiden Ministerien sichtbar wurden. Bereits im Herbst 1935 lag der Gegensatz zwischen der vom Auswärtigen Amt und dem Deutsch-Ausländischen Buchtausch einerseits und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda andererseits vertretenen auswärtigen Kulturpolitik offen zutage. Das Propagandaministerium hatte mit der Reichsarbeitsgemeinschaft für Deutsche Buchwerbung eine Institution geschaffen, die in Konkurrenz zur Buchpropaganda des Auswärtigen Amtes stand. Verunsichert von dieser Entwicklung, suchte Jürgens sich umgehend zu vergewissern, ob das Auswärtige Amt die bisherige kulturpolitische Strategie beibehalten würde. In diesem Zusammenhang umriss er die Eckpunkte der bislang von seiner Dienststelle in Übereinstimmung mit dem Auswärtigen Amt vertretenen kulturpolitischen Strategie. Der Deutsch-Ausländische Buchtausch habe, schrieb er, „ein Netz von tausenden von Beziehungen“ geknüpft, „die in gegenseitiger aktiver Wissenschaftshilfe ausländische Stellen mit Deutschland in Verbindung halten.“ Dabei leiste die von ihm geleitete Dienststelle eine „stille Aufbauarbeit“ und trete – absichtlich, muss man ergänzen – „als Propagandaorgan“ nicht in Erscheinung.243 Nach Meinung der NS-Ideologen war die von Jürgens gestaltete wissenschaftliche Abteilung der deutschen Buchausstellung, die Anfang Mai 1939 in Rom stattfand, „in keiner Weise“ eine „politisch und weltanschaulich einwandfreie[n] Repräsentierung nationalsozialistischen Geisteslebens“.244 Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda versuchte, den Anteil des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs in den Auslandsausstellungen zurückzudrängen. Nach der Buchausstellung im Klub „Bellas Artes“ in Madrid äußerte Jürgens 1940 über die Zusammenarbeit, dass sie „besser als bei früheren Ausstellungen“ gewesen sei, „doch war auch diesmal wiederum für die wissenschaftliche Literatur nur verhältnismässig wenig Raum bereitgestellt, sodass etwa ein Drittel des wissenschaftlichen Ausstellungsgutes in Regalen aufgestellt werden musste oder überhaupt nicht gezeigt werden konnte“.245
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Zur ,Aktivierung‘ der Buchausstellungen im Ausland vgl. BARBIAN, Literaturpolitik, 289 ff., 290. DAB, i. A. Jürgens, an das AA, Abt. VI W, 5. 10. 1935, PA AA, R 65.707. Vorsorglich fragte Jürgens an, ob seine Dienststelle „sich in irgendeiner Form an der Reichsarbeitsgemeinschaft beteiligen“ solle. NSDAP, Reichsleitung, Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums, Hederich, an Ministerialrat Kummer, RMWEV, 9. 1. 1940. BArch R 4901/15091, Bl. 342. Die wissenschaftliche Abteilung der Ausstellung fußte, wie Hederich bemerkte, auf dem von Jürgens herausgegebenen Verzeichnis „Ergebnisse deutscher Wissenschaft“, „was ganz gegen die getroffene Absprache war.“ Bericht des Bibliotheksrats Dr. Jürgens über seine im Auftrag des Auswärtigen Amtes unternommene Reise nach Spanien. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 135. Über die Zurücksetzung der wissenschaftlichen Abteilung hatte Jürgens nach der Ausstellung in Rom im Mercato di Traiano an der Piazza Venezia gleichfalls zu klagen. So konnten „die grossen Standardwerke“ nicht geschlossen gezeigt werden. Umso mehr verschaffte ihm der Besuch Mussolinis Genugtuung, der sich von Jürgens durch die Ausstellung führen ließ. Mussolini verweilte lange in der Abteilung des DAB und zeigte „in den ungemein vielfachen Fragen, die er dem Unterzeichneten stellte“ sein Interesse an Forschung und Technik. Jürgens: Bericht über die deutsche Buchausstellung in Rom 1939. SBB PK, Historische Akten, VII.1-k, Bd. 9, 109.
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Die Reichstauschstelle
Während des Krieges war der Deutsch-Ausländische Buchtausch in die Verteilung von Raubgut aus den besetzten Gebieten involviert. Im November 1941 vermittelte Jürgens der Preußischen Staatsbibliothek ein Angebot des Militärverwaltungschefs in Brüssel. Es handelte sich um Schriften aus einer Brüsseler kommunistischen Buchhandlung, deren Beschlagnahme von der Propagandaabteilung der Militärverwaltung initiiert worden war. Je ein Exemplar der beschlagnahmten Werke hatte die „Dienststelle Rosenberg“ erhalten. Es sei „zu erwägen“, schrieb Jürgens, „ob nicht von den wissenschaftlich wertvollen Werken ein Exemplar einer geeigneten deutschen wissenschaftlichen Bibliothek zugeleitet werden soll.“246 Seinem Schreiben lag eine Aufstellung über die beschlagnahmten Werke bei. Wegen der ungenauen Angaben zu den einzelnen Titeln und des geringen Bedarfs sprach sich Hans Sveistrup, der zuständige Referent für Sozialistica an der Preußischen Staatsbibliothek, gegen den pauschalen Erwerb der Buchhandlung aus.247
2.3.4 Die Aufgaben des Beschaffungsamtes während des Krieges. Die Beschaffung ,kriegswichtiger‘ Zeitschriften und die Auseinandersetzungen mit den Zensurbehörden des NS-Regimes Während des Zweiten Weltkrieges erwiesen sich die von Jürgens geleiteten Dienststellen als überaus flexibel. Die Aufstockung der Haushaltsmittel für 1938/39 gestattete es dem Beschaffungsamt, seine angestammte Funktion wieder in größerem Umfang wahrzunehmen. Mit Beginn des Krieges verschob sich der Schwerpunkt seiner Tätigkeit von der Literaturversorgung der wissenschaftlichen Bibliotheken auf die Bereitstellung ‚kriegswichtiger‘ Literatur für die Rüstungsindustrie und die Wehrmacht. Als Reaktion auf das Verbot Großbritanniens, wissenschaftliche Zeitschriften nach Deutschland zu exportieren,248 kamen am 28. September 1939249 die Vertreter des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, des Reichsministeriums des Innern und des Auswärtigen 246
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Der Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich, Militärverwaltungschef, i. A. gez. [Erwin?] Feller, an den DAB, Brüssel, 14. 11. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 253. Das Referat Bibliotheksschutz in Brüssel war in die Angelegenheit nicht einbezogen. – Es könnte sich hier um die Buchhandlung OBLA in Brüssel gehandelt haben, die schließlich in das Bücherlager der „Ostbücherei“ des ERR nach Ratibor gelangte, vgl. LUST, Spoils of War, 59. Handschriftliche Stellungnahme Sveistrups, 20. 11. 1941, mit Vermerken Schnütgens. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 254. Schnütgen gab die Liste an den DAB zurück. Einzig das darin explizit erwähnte „Protokoll des 4. Kongresses (1923) der Komintern in deutscher Sprache“ erwog er für die PSB anzufordern. Schn[ütgen] an den DAB, 21. 11. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 252. Sveistrup bemerkte handschriftlich, das Werk, wenn es denn wirklich im Bestand fehle, ließe sich möglicherweise auch „aus den inländischen Anfällen ergänzen und befindet sich vielleicht sogar in unseren unverarbeiteten Resten.“ Das RMWEV erhielt durch Becker Kenntnis von der Anordnung der britischen Regierung, die die Ausfuhr von Büchern und Zeitschriften auch in neutrale Länder verbot. Handschriftlicher Vermerk Kummers vom 4. 11. 1939. BArch R 4901/15091, Bl. 305. Laut Krüß’ Tagebuch gab es zwei Termine, den 18. und 28. 9., an denen die Beschaffung von Büchern und Zeitschriften „aus dem feindlichen Ausland“ erörtert wurde. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher.
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Amtes zu einer Sitzung zusammen.250 Krüß und Jürgens wurden ebenfalls zu den Besprechungen hinzugezogen. Erörtert wurde „die Sicherstellung der wissenschaftlichen Zeitschriften-Literatur der Feindländer für die Information der deutschen Behörden, der deutschen Wissenschaft, Technik und Wirtschaft“. Jürgens befürwortete eine dezentrale Belieferung. Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda wünschte hingegen einen einzigen Beschaffungsweg, und zwar über eine niederländische Buchhandlung und die Firma Hirschwald in Berlin, den Buchhandlungszweig des Wissenschaftsverlages Springer. Jürgens musste sich dieser Regelung fügen; sein Vorschlag, ein zweites Exemplar der Zeitschriften über die Firma Einar Munksgaard in Kopenhagen zu beziehen, wurde fallengelassen.251 Während das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda den Bezug organisierte, sollte das Beschaffungsamt die Auswahl der wissenschaftlichen Zeitschriften treffen. Die Referateorgane der einzelnen Fachgebiete hatten die Aufgabe, über den Inhalt der Artikel zu berichten und sie zu bewerten. Wenn einzelne Artikel „ganz für die Wissenschaft benötigt werden“, sollten Reproduktionen aus dem einmal vorhandenen Exemplar hergestellt werden.252 Diese Aufgabenteilung schloss die vom Direktor der Bibliothek, Albert Predeek, geleitete Informationsstelle für technische Literatur an der Bibliothek der Technischen Hochschule in Berlin, die gleichfalls Erfahrungen mit der Vervielfältigung und Verteilung wissenschaftlicher Zeitschriftenartikel hatte, vorerst aus.253 Im Verlaufe des Krieges versagten die Beschaffungswege des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, namentlich der Import über die Niederlande. Für den Bezug amerikanischer Zeitschriften hatte das Beschaffungsamt im Februar 1940 noch einmal eine Sonderdevisengenehmigung erwirkt.254 1940 endete die Lieferung amerikanischer Zeitschriften durch die Germanistic Society in New York.255 Im Mai 1940 rechnete Jürgens damit, dass englische und französische Zeitschriften nicht mehr eingeführt werden könnten.256 Daraufhin ging das Beschaffungsamt dazu über, Zeitschriften über die Firma Nößler in Shanghai zu importieren. Das importierte Exemplar blieb Eigentum des Beschaffungsamtes. Die Interessenten er250 251
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Zu den Vorgängen um die Beschaffung ,kriegswichtiger‘ Literatur vgl. BEHRENDS, Dokumentation. BADB, i. A. Jürgens, an die Generalverwaltung der PSB, 14. 5. 1940. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 361. So erläuterte Jürgens das Verfahren gegenüber Regierungsrat [Heinrich] Dahnke, nachdem auf einer weiteren Sitzung am 3. 11. 1943 im RMVP die organisatorischen und technischen Einzelfragen erörtert worden waren. BADB, i. A. Jürgens, an Regierungsrat Dr. Dahnke, Deutsch-Akademischer Austauschdienst, 16. 11. 1939. BArch R 4901/15091, Bl. 311. Vgl. auch: Einladung zur Sitzung, Schnellbrief. RMVP, i. A. gez. Dr. [Paul] Hövel, an das RMWEV, Ministerialrat Kummer, 30. 10. 1939. BArch R 4901/15091, Bl. 304; und: BADB, i. V. Becker, an das RMWEV, 3. 10. 1939. BArch R 4901/15091, Bl. 300. Der Auftrag gab Becker Anlass, die Einstellung von Hilfskräften, die aus vorhandenen Mitteln bezahlt werden sollten, zu fordern. Bibliothek der Technischen Hochschule Berlin, Predeek, an den RMWEV, 2. 11. 1939. BArch R 4901/15091, Bl. 306 ff. Bücherei der Technischen Hochschule Braunschweig an den GD der PSB, 21. 2. 1940. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 341. BADB, i. A. von Busse, an die PSB, 9. 12. 1939. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 318. BADB, i. A. Jürgens, an die Generalverwaltung der PSB, 14. 5. 1940. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 361.
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Die Reichstauschstelle
hielten die gewünschte Literatur leihweise und mussten dafür eine Gebühr bezahlen.257 Der Leihverkehr erreichte 1941 den „Umfang der Ausleihe einer kleinen Universitätsbibliothek“; das Beschaffungsamt versandte etwa 34.000 einzelne Zeitschriftenhefte.258 Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde auch der Import über Shanghai unmöglich. Auf einer „Ministerialanleitung“ im Auswärtigen Amt am 11. September 1941 wurde das Beschaffungsamt beauftragt, nach neuen Wegen für die Einfuhr ausländischer wissenschaftlicher Zeitschriften zu suchen.259 Jürgens reiste im November 1941 zu Gesprächen nach Schweden.260 Die schwedischen Bibliotheken waren nicht von Einfuhrbeschränkungen betroffen und konnten nach wie vor britische und amerikanische Zeitschriften bestellen. Trotz der Neutralität Schwedens sagte der Direktor der Universitätsbibliothek Lund, Gunnar Carlquist, Jürgens zu, Zeitschriften, die für die deutsche Industrie und die Wehrmacht von Interesse waren, vervielfältigen zu lassen. Das deutsche Generalkonsulat in Malmö leitete die Filme dann nach Deutschland weiter. Mit anderen schwedischen Bibliotheken in Göteborg, Stockholm und Uppsala konnte Jürgens ähnliche Vereinbarungen treffen. Der Versand der Filme erfolgte im Einvernehmen mit der Gesandtschaft in Stockholm durch den Leiter der Zweigstelle des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an den Deutsch-Ausländischen Buchtausch. Einige Tage später fuhr Jürgens in die Schweiz und führte in Basel, Bern, Fribourg, Luzern und Zürich Gespräche mit Bibliotheksdirektoren und anderen Personen, zu denen er durch den Deutsch-Ausländischen Buchtausch seit langem Kontakt unterhielt, über die Anfertigung von Reproduktionen. Außerdem bestellte er Zeitschriften – auch französische – bei Schweizer Buchhandlungen,261 etwa bei Ferber in Zürich und Franke in Bern.262 Zu der Buchhandlung Payot in Lausanne nahm er ebenfalls Kontakt auf. Deutsche und deutschfreundliche Professoren in der Schweiz wurden gebeten, Zeitschriften zu halten, die für die Weiterleitung an das Beschaffungsamt bestimmt waren. Legationssekretär Herbert Blankenhorn von der Deutschen Gesandtschaft in Bern sicherte ihm seine Unterstützung zu. So versandte die Gesandtschaft in Bern Zeitschriften für einen nicht namentlich genannten Luzerner Professor. In Genf war der Leiter der Bibliothèque Publique et Universitaire bereit, für Jürgens Zeitschriften aus der Bibliothek des Völkerbundes zu beschaffen. Sowohl verfilmte Zeitschriften als auch Zeitschriftenhefte sollten auf dem Kurierweg aus der Schweiz nach Deutschland gebracht werden.263 257
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BADB, i. A. von Busse, an das RMWEV, Regierungsoberinspektor Friedlein, 6. 5. 1941. BArch R 4901/ 15091, Bl. 446 f. Insgesamt 290 Zeitschriften wurden über Shanghai bezogen, 152 englische, 9 indische und 129 amerikanische. BADB, Krüß, an das RMWEV, 4. 6. 1941, Anlage. BArch R 4901/15092, Bl. 57. BADB, Krüß, an das RMWEV, 4. 6. 1941. BArch R 4901/15092, Bl. 56. Wegen der damit verbundenen Mehrarbeit bat Krüß im Juni 1941 um die Erlaubnis, eine zusätzliche Hilfskraft einstellen zu dürfen. BADB, i. V. Becker, an den RMWEV, 25. 10. 1941. BArch R 4901/15091, Bl. 490. Bericht des Bibliotheksrats Jürgens über seine Besprechungen in Schweden vom 14. bis 20. November 1941. BArch R 4901/15091, Bl. 493–497. BADB, Jürgens: Bericht des Bibliotheksrats Dr. Jürgens über seine Besprechungen in der Schweiz vom 29. 11.–6. 12., 24. 12. 1941. BArch R 4901/15091, Bl. 551–559. Deutsche Gesandtschaft Bern, gez. [Otto] Köcher, an das AA, 7. 2. 1942 (Durchdruck). BArch R 4901/ 15090, Bl. 4. BADB, Jürgens: Bericht des Bibliotheksrats Dr. Jürgens über seine Besprechungen in der Schweiz vom 29. 11.–6. 12., 24. 12. 1941. BArch R 4901/15091, Bl. 551-559. Während seiner Auslandsreisen erkun-
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Im Januar 1942 richtete Kummer ein offizielles Ersuchen an das Auswärtige Amt, diese Möglichkeit für die Beschaffung ‚kriegswichtiger‘ Informationen zu eröffnen.264 Die Herstellung der Reproduktionen in Deutschland verursachte erhebliche Kosten, die die wissenschaftlichen Institute nicht tragen konnten. Schmidt-Ott, der ehemalige Präsident der Einrichtung, warb um die finanzielle Hilfe des Stifterverbandes der Deutschen Forschungsgemeinschaft, als die die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft nunmehr firmierte, und erreichte, dass das Gremium die Vervielfältigungsarbeiten des Beschaffungsamtes mit 50.000 Reichsmark unterstützte.265 Nachdem Ende 1941 neue Beschaffungswege durch Jürgens’ Initiative angebahnt worden waren, kam es erneut zu Konflikten mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und mit anderen Stellen, die auf dem gleichen oder auf ähnlichem Gebiet wie das Beschaffungsamt tätig waren. Da das Beschaffungsamt die importierten Zeitschriftenhefte vollständig vervielfältigte, brachte es mit den Reproduktionen zwangsläufig in den britischen und amerikanischen Zeitschriften abgedruckte Karikaturen und sogenannte Hetzartikel in Umlauf. Das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Institut kritisierte im Februar 1942 das Beschaffungsamt für die Verbreitung solcher Artikel.266 Zu dem Institut gehörte die mit Unterstützung des Reichsministeriums für Wirtschaft gegründete Auswertungsstelle der technischen und wirtschaftlichen Weltfachpresse e. V., die, wie das Beschaffungsamt, ausländische technische und Wirtschaftszeitschriften sammelte und einzelne Artikel für Interessenten reproduzierte, über die im „Referatenblatt“ des Weltwirtschaftsinstituts berichtet worden war.267 Da sich die Auswertungsstelle teilweise aus dem Verkauf dieses „Referatenblatts“ finanzierte,268 konkurrierte das
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dete Jürgens auch die Stimmung in der schwedischen und schweizerischen Bevölkerung und Presse und berichtete darüber dem AA. In der Schweiz stieß er auf „keinerlei Antipathie gegen Russland, während das Gespräch über das Vordringen des Asiatentums in Schweden stets Verständnis fand.“ Sein Augenmerk galt nicht zuletzt den Erfolgsaussichten der deutschen Buchpropaganda in den besuchten Ländern. Die reservierte Haltung gegen die nationalsozialistische Ideologie in der Schweiz ließ es seiner Ansicht nach nicht geraten erscheinen, mit eindeutigem Propagandamaterial zu arbeiten. Nur „indirekteste Propaganda […] mit positivsten Äusserungen deutschen Geistes, namentlich der Wissenschaft, guter deutscher Literatur und Musik“ sei angebracht. Deshalb empfahl sich, so Jürgens, die Aktivitäten des von ihm geleiteten DAB in der Schweiz zu verstärken. Vgl. vor allem Bl. 558 f. RMWEV, i. A. Kummer, an das AA, 22. 1. 1941 (Entwurf). BArch R 4901/15091, Bl. 560. Jahresbericht für das Jahr 1941. BArch R 4901/15090, Bl. 188 ff. und Bl. 198. Bei manchen umfangreichen Heften kostete die Reproduktion 100 bis 150 RM. Der Stifterverband der DFG finanzierte die Vervielfältigung von Zeitschriften auf den Gebieten der Biologie und Medizin. BADB, Krüß, an den RMWEV, 9. 3. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 20. Abschrift eines Schreibens der Direktion des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts e.V. an das Reichswirtschaftsministerium, Ministerialrat Dr. [Carl-Gisbert] Schultze-Schlutius, 24. 2. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 16. Der Reichswirtschaftsminister, i. A. gez. Dr. [Hermann] Reinhardt, an den RMWEV, 2. 4. 1943, im Anhang die Abschrift eines Schreibens der Direktion des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts e.V. an das Reichswirtschaftsministerium, Ministerialrat Dr. Schultze-Schlutius, 24. 2. 1942. BArch R 4901/ 15090, Bl. 15 f. Die Publikation hatte den Titel „Referatenblatt der Auswertungsstelle der technischen und wirtschaftlichen Weltfachpresse“. BEHRENDS, Dokumentation, 179 f.
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Die Reichstauschstelle
Weltwirtschaftsinstitut bei der Einfuhr und dem Vertrieb von Kopien mit dem Beschaffungsamt, hatte jedoch keine Handhabe, dessen Aktivitäten zu unterbinden. Mit weitaus größerem Nachdruck forderte im April 1942 das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda die sofortige Einstellung des vom Beschaffungsamt unterhaltenen Leihdienstes.269 Krüß protestierte und erinnerte daran, dass das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda den Devisenbetrag, den das Reichswirtschaftsministerium für die Beschaffung ,kriegswichtiger‘ Zeitschriften zur Verfügung gestellt hatte, gemeinsam mit dem Beschaffungsamt verwalte. „Die Sicherung gegen mißbräuchliche Benutzung“, war, wie er in seiner Stellungsnahme von 9. Mai 1942 versicherte, bereits „im Benehmen mit der Geheimen Staatspolizei geregelt.“ Jede der belieferten Stellen hatte einen Revers in doppelter Ausfertigung zu unterschreiben. Ein Exemplar dieser Erklärung ging an die Geheime Staatspolizei, die somit über den Kreis der Empfänger unterrichtet war. Überdies nutze das Beschaffungsamt ein Postschließfach der Geheimen Staatspolizei.270 Um deutlich zu machen, dass von einem Verbot des Leihdienstes des Beschaffungsamtes die kriegswichtige Industrie und Forschung unmittelbar betroffen seien, fügte Krüß dem Schreiben zwei Listen bei, auf denen insgesamt 187 Empfänger verzeichnet waren. Die erste Liste umfasste die staatlichen Stellen – Forschungsinstitute und Ämter – die zweite Firmen der Großindustrie und Berufsvereinigungen.271 Aus dem Kreis der Bezieher in den wissenschaftlichen Instituten und in der Industrie – unter ihnen nicht wenige, die mit der Luftfahrtforschung befasst waren – übergab Jürgens im Mai 1942 dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung mehr als zwei Dutzend Protestschreiben, die sich allesamt gegen das Verbot des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda richteten.272 Darüber hinaus hielt die Industrie ihre finanzielle Unterstützung für das Beschaffungsamt aufrecht. Im Juni 1942 überwies der Stifterverband der Deutschen Forschungsgemeinschaft 137.000 Reichsmark durch die Deutsche Industriebank.273 Faktisch war die Belieferung der Industrie mit den sie interessierenden Zeitschriften nur kurz von Ende April bis Anfang Juni 1942 unterbrochen.274 Die Kopiertätigkeit war zu keinem Zeitpunkt eingestellt.275 Die Presseabteilung der Reichsregierung, Abteilung Zeitschriftenpresse, ermächtigte Jürgens zunächst mündlich, dann schriftlich, die Belieferung der Industrie mit Zeitschriftenartikeln fortzusetzen, jedoch unter der Maßgabe, „dass auf keinen Fall der Inhalt politischer Artikel oder hetzerischer Bemerkungen in Fachartikeln, sowie politische
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Der RMVP, Dr. Goebbels, an das BADB, 24. 4. 1942, BArch R 4901/15090, Bl. 30. BADB, Krüß, an den RMWEV, 9. 5. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 27 f. Liste A. BArch R 4901/15090 Bl. 31 ff. BADB, i. A., Jürgens, an RMWEV, zu Hdn. von Amtsrat [Karl] Latzel, 18. 5. 1942. BArch R 4901/ 15090, Bl. 40. BADB, i. A., Jürgens, an RMWEV, zu Hdn. von Amtsrat Latzel, 23. 5. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 73. RTS und BADB, i. A. Jürgens, an RMWEV, 13. 6. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 99. BADB, Jürgens, an RMWEV, 13. 7. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 126. Dies geht aus Krüß’ Schreiben vom Mai 1942 hervor. BADB, Krüß, an RMWEV, 9. 5. 1942. BArch R 4901/15 090, Bl. 27 f.
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Anzeigen und politische bildliche Darstellungen weder im Original noch in Photokopie Ihren Beziehern zugänglich gemacht werden.“276 Damit lag die Verantwortung für die Zensierung der Artikel beim Beschaffungsamt. Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda hob sein Verbot de jure nie auf.277 Während sich das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda darauf konzentrierte, die Verbreitung amerikanischer und britischer Zeitschriften zu verhindern, erschwerte die Geheime Staatspolizei die Einfuhr französischer Zeitschriften. Die Auslands-Zeitungshandels GmbH in Köln, eine im Einvernehmen mit der Geheimen Staatspolizei von der Reichspressekammer gegründete Einrichtung, überwachte den Bezug ausländischer Zeitungen und Zeitschriften. Sie zentralisierte die Einfuhr und hinderte die Abonnenten daran, direkte Beziehungen zu ihren ausländischen Lieferanten zu unterhalten, was zu Verzögerungen bei der Bestellung, Auslieferung und Bezahlung der aus Frankreich bezogenen Literatur führte.278 In einem Schreiben an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 11. November 1942 bat Jürgens, „die deutschen amtlichen Stellen im Bezug der französischen Literatur dem neutralen Ausland gleichzustellen.“279 Neben dem Beschaffungsamt waren die wissenschaftlichen Bibliotheken von den Einfuhrrestriktionen betroffen.280 Lediglich für die Deutsche Bücherei galt eine Ausnahmeregelung. Diese Bevorzugung nahm Krüß zum Anlass, im November 1942 die Gleichbehandlung der beiden großen Bibliotheken zu fordern.281 Nach vielfachen Beschwerden kam es zu einer Neuregelung des Imports durch die Sicherheitspolizei. Die Aufgaben der Auslands-Zeitungshandels GmbH entfielen indes nicht einfach, sondern wurden im März 1943 der 1941 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Dokumentation übertragen, deren Vorsitzender der Direktor der Leipziger Universitätsbibliothek, der Nationalsozialist Fritz Prinzhorn, war. Krüß, der das ihm unterstellte Beschaffungsamt für die geeignete Stelle hielt, den Literaturimport zu organisieren, hatte an der entscheidenden Sitzung 276
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Abschrift eines Schreibens der Presseabteilung der Reichsregierung, Abtl. Zeitschriftenpresse, i. A. gez. Mertzig, Referent, an das BADB, Dr. Jürgens, 24. 6. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 127. BADB, Jürgens, an RMWEV, 19. 12. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 163. „Ein endgültiger Bescheid des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda ist dem Beschaffungsamt nicht erteilt worden, so daß ich nicht in der Lage war, hierüber zu berichten. Das Propagandaministerium hat sich darauf beschränkt, mündlich sein Einverständnis mit der weiteren Arbeit zu erklären, in der Weise, wie sie bisher ausgeführt wurde. Die gesamten Bezieher sind vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda überprüft worden.“ Vgl. auch: Aktenvermerk, i. A. K[ummer], 28. 9. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 235. „Der endgültige Bescheid des Reichspropagandaministeriums […] liegt auch jetzt noch nicht vor und ist auch kaum mehr zu erwarten.“ BADB, Krüß, an den RMWEV, 14. 5. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 134. Vgl. auch: Walter von Kielpinski, Aktenvermerk, 25. 2. 1943, Online-Version von Gerd Simon unter http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/KielpinskiNeuregelg.pdf [Stand 11/2011]. Die Auslands-Zeitungshandels GmbH in Köln wurde am 27. 11. 1935 gegründet. Sie vertrieb Zeitungen und Bücher, „insbesondere von und nach dem Ausland“, fungierte dabei jedoch als eine Kontrolleinrichtung des RMVP und der Geheimen Staatspolizei. Vgl. BArch R 55/768, Bl. 3 ff., Bl. 77. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 11. 11. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 145 f. Erwerbungsabteilung, Schnütgen, an den GD (Kopie), 13. 11. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 147. GD der PSB, Krüß, an den RMWEV, 24. 11. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 148.
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Die Reichstauschstelle
im Reichssicherheitshauptamt nicht teilgenommen. „Bei der gegebenen Sachlage“ hielt er „einen Einspruch gegen diese von der Sicherheitspolizei getroffene Regelung für zwecklos.“ Prinzhorn konnte er lediglich die Zusage abringen, „daß die Durchführung in engem gegenseitigen Einvernehmen zwischen der Reichstauschstelle und der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation“ erfolgen werde.282 Auf der Sitzung war ein Plan vorgelegt worden, der bestimmte, durch welche Einrichtungen die Auslands-Zeitungshandels GmbH ersetzt werden sollte. Danach wurde die wissenschaftliche Literatur in fünf Bereiche – Chemie, Technik, Wirtschaft, Medizin und Naturwissenschaft – aufgeteilt und mit ihrer Bearbeitung jeweils die Deutsche Chemische Gesellschaft, das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut, der Verlag Springer, das Beschaffungsamt und die Buchhandlung Koehler & Volckmar beauftragt. Die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation sollte „die weitere Verteilung der Auslandsliteratur in Deutschland vornehmen, sowie einen zentralen Nachweis führen. Es seien daher die gesamten Eingänge dieser Stelle zu melden. Die Durchführung der Einfuhr der ausländischen Literatur soll der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation zentral unterstehen, die die Richtlinien für die Literatur-Beschaffung auszuarbeiten hat und darüber zu wachen hat, daß diese Richtlinien beachtet werden. […] Die Frage der Beschaffung der Devisen soll von einer Arbeitsgemeinschaft unter Führung der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation geregelt werden.“283 Am 11. April 1943 sandte Prinzhorn die detaillierte „Arbeitsordnung“ an das Beschaffungsamt. Noch „am Eingangstag der Zeitschrift bzw. des Buches“ war „eine entsprechende Mitteilung an den Zentralnachweis bei der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation, Berlin W 35, Sigismundstr. 2“284 zu richten. Zur Erläuterung hieß es: „Der Zentralnachweis bei der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation ist in Erfüllung der vom Reichssicherheitshauptamt aufgegebenen politischen Verantwortung berechtigt, jederzeit Einblick in die Art der Verwertung und Verwahrung bei den fünf genannten Stellen285 zu nehmen.“ Der weitergeleiteten Literatur lag ein Revers bei, in dem die Empfänger der „leihweise oder auf dem Wege der Photokopie
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GD der PSB, Krüß, an den RMWEV, 16. 3. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 180. BADB, Jürgens, an den RMWEV, durch den GD der Staatsbibliothek, 13. 3. 1942. BArch R 4901/15090, Bl. 181. Außer Jürgens nahmen Maximilian Pflücke von der Chemischen Gesellschaft, Leo F. Hausleitner von der Auswertungsstelle der technischen und wirtschaftlichen Weltfachpresse am Hamburger Weltwirtschaftsinstitut und [vermutl. Tönjes] Lange vom Verlag Springer und Prinzhorn teil. Sie waren in die Abteilung IV C 3 des Reichssicherheitshauptamtes zu [Fritz] Rang eingeladen. „Ausgangspunkt waren die langjährigen Klagen über die Arbeit der AZH, der Kölner Auslandszeitungshandel-G.m.b.H., die abzuschaffen der SD sich entschlossen hat.“ Für den Import von Zeitungen sollte die AZH ihre Befugnisse behalten. Deutsche Gesellschaft für Dokumentation, Prinzhorn, an BADB, 11. 4. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 220 ff., hier 221. Als die fünf Stellen wurden genannt: die Deutsche Chemische Gesellschaft (Dr. Pflücke), Berlin, Sigismundstraße 4, für Chemie; Lange und Springer für Medizin und Naturwissenschaften; das Referatenblatt der technischen und wirtschaftlichen Weltfachpresse e. V. (Hamburgisches WeltwirtschaftsArchiv) für Technik und Wirtschaft; das BADB für die Bibliotheken und Koehler & Volckmar, Abteilung Ausland, für Einzelbezieher.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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überlassenen ausländischen Bücher und Zeitschriften“ mit ihrer Unterschrift zur Geheimhaltung „der darin befindlichen politischen Mitteilungen“ verpflichtet werden sollten.286 Die Meldepflicht gegenüber der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation erhöhte den Arbeitsaufwand für das Beschaffungsamt beträchtlich.287 Die Instrumentalisierung von Geheimhaltungsvorschriften und die Konkurrenz der beteiligten Stellen führten zu Verzögerungen. Jürgens bemühte sich um die größtmögliche Effizienz der von ihm geleiteten Reichsbehörde.288 Dabei kämpfte er nicht nur gegen die vielfältigen Einschränkungen durch die Kriegswirtschaft, sondern auch gegen die aus seiner Sicht kontraproduktiven Machenschaften der auf dem gleichen Arbeitsgebiet tätigen Dienststellen, Ämter und Machtassoziationen. In der Hierarchie der konkurrierenden Institutionen und Instanzen war die Stellung des Beschaffungsamtes prekär, da Jürgens mit den von ihm geleiteten Dienststellen nicht unter dem besonderen Schutz der großen Machtpotentiale des Regimes stand.289 Dennoch konnte er sich immer wieder zahlrei286
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Deutsche Gesellschaft für Dokumentation, Prinzhorn, an das BADB, 11. 4. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 220 ff. Für jedes Einzelheft – im Haushaltsjahr 1943/44 waren dies 3.074 – musste ein gesonderter Meldezettel ausgeschrieben werden. BADB Eberswalde. Jahresbericht 1943/44. BArch R 4901/15090 Bl. 341. Wegen des von ihm abgewickelten Leihverkehrs gehörte das Beschaffungsamt „zu den aktivsten Bibliotheken“. Allein im ersten Vierteljahr 1943 verlieh es 10.141 Originalhefte und Fotokopien zu ermäßigter Gebühr sowie 533 Fotokopien. „Für Universitätskreise wurden angefertigt: 43 840 Blatt Fotokopien“. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 28. 5. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 224. Dies geht aus einem Schreiben an Georg Leyh, den Direktor der Universitätsbibliothek Tübingen, hervor, der Jürgens’ Vertrauen genoss. Leyh hatte Jürgens in einem Brief vorgeschlagen, englische und amerikanische Zeitschriften in der Schweiz und in Schweden fotografieren zu lassen. Jürgens antwortete, dass das Beschaffungsamt diesen Weg längst eingeschlagen und in den vergangenen mehr als zwei Jahren bereits „viele 10 000 Seiten“ vervielfältigt habe. In dem gleichen Brief beklagte er sich über die schwerwiegenden Behinderungen durch die verschiedenen vom NS-Regime bevorzugten Stellen: „Wir haben es immer vorgezogen, die ganzen Zeitschriften fotokopieren zu lassen und nicht einzelne Aufsätze, da wir als Bibliothekare nur mit Heften zu arbeiten gewöhnt sind. Nach unserem Debakel in Berlin hat die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation es auch übernommen, die Auskunft zu erteilen über die in Deutschland vorhandenen einzelnen Zeitschriftenhefte aus England und Amerika und hat dafür eine ungeheure Papiermenge in Bewegung gesetzt, obwohl die selben Stellen, die jetzt an die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation melden, diese Meldungen auch bereits an die Reichstauschstelle ohne diesen Aufwand gemacht haben.“ Das Beschaffungsamt stand jedoch nicht nur in Konkurrenz zur Deutschen Gesellschaft für Dokumentation, sondern auch zur Informationsstelle an der Bibliothek der Technischen Hochschule in Berlin. „Wir haben auch versucht, bestimmte naturwissenschaftliche Aufsätze dem Titel nach bekannt zu geben. Diese Gedanken waren mit 1 500 Titeln im Dezember 1939 druckreif in der Reichstauschstelle fertig. Aus bestimmten Gründen genehmerer Personen, angeführt von Herrn Predeek [dem Direktor der Bibliothek der Technischen Hochschule Berlin], sind uns diese Gedanken entwunden worden und jetzt nach 4 Jahren gab Herr Predeek das erste Heft heraus, welches die englischen Titel enthält und abweichend von unseren Gedanken eine Übersetzung ins Deutsche. Wenn dieser einfache Gedanke damals von uns durchgeführt worden wäre, hätte er unendliche Förderung unserer Kriegswirtschaft bedeutet. So aber hat man mir das Geld wieder fortgenommen und ebenso die bereits angenommenen Kräfte, während Herr Predeek als Erster 20 Zellen aus Eisen und Glas bauen liess, weil sein in anderen Dingen sehr bedeutender ‚Schutzherr‘ über diese Dinge verfügte. Sachlich leider ist diese Tragödie eine der vielen, über die ich ihnen berichten könnte. Dass auch Herr [Wilhelm?] Gülich und eine für Mode interessierte Stelle eine Zentrale Nachrichtenpolitik unmöglich gemacht hat, gehört in diese Reihe von Erfahrungen hinein.“ Jürgens an Leyh, Baruth/Sa., 31. 5. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien.
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Die Reichstauschstelle
cher Fürsprecher versichern. Nicht zuletzt durch die Unterstützung der verschiedenen Interessenten in Industrie und Wehrmacht, denen das Beschaffungsamt stets „auch beim Versagen anderer Quellen […] wichtigste Informationen“ lieferte,290 gelang es Jürgens seine Position im Verhältnis zu den Gegenspielern zu verteidigen. Als im Spätsommer 1944 das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda die Einstellung der Arbeit des Beschaffungsamtes – „im Zuge des totalen Kriegseinsatzes“ – erreichen wollte,291 suchte Jürgens, wie schon zwei Jahre zuvor, den Beistand einflussreicher Stellen bei der Wehrmacht, in Industrie und Wissenschaft, die Zeitschriftenartikel durch das Beschaffungsamt bezogen hatten. Erwartungsgemäß sprachen sie sich für eine Fortsetzung seiner Tätigkeit aus.292 An das Beschaffungsamt wandten sich auch solche Funktionäre, für deren Belange nach der durch die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation festgelegten Aufgabenteilung andere Stellen hätten zuständig sein müssen. So konnte Jürgens durch seine Kontakte zum Auswärtigen Amt dem Wunsch des Reichsärzteführers entsprechen und dringend benötigte Literatur bereitstellen. Er ließ sie durch die Deutsche Gesandtschaft in der Schweiz in der Bibliothek des Völkerbundes suchen und wurde „erwartungsgemäß durch die Lieferung von Fotokopien der benötigten Hefte durch das Generalkonsulat in Genf in der Ansicht bestärkt […], daß hier wohl der größte Teil jedenfalls der medizinischen Literatur vorhanden ist, welche wir brauchen.“
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RTS und BADB, Jürgens, an das RMWEV, 15. 9. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 260. Mitteilung Kummers an den Amtschef W[issenschaft], 26. 9. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 320. „Reichsminister Dr. Goebbels hatte die Schließung der Reichstauschstelle im Zuge des totalen Kriegseinsatzes verlangt.“ Kummer vertrat hingegen die Ansicht, „daß die Reichstauschstelle tatsächlich Aufgaben von kriegswichtiger Bedeutung zu erfüllen hat.“ Um dies zu untermauern, unterbreitete er die von von Busse eingereichten Befürworterschreiben. Von Busse übersandte am 29. 8. 1944 dem RMWEV einen Auszug aus einem Schreiben der Firma Siemens & Halske Aktiengesellschaft, Wernerwerk F, an Ackermann in Eberswalde vom 10. 8. 1944, in dem es heißt: „Von einem schönen Erfolg Ihrer eigenen Arbeit möchten wir Ihnen berichten, weil ein solcher sicher auch Sie erfreuen wird. In einer Arbeit aus dem Journal of the Institution of El. Engs., London, waren Erkenntnisse auf dem Gebiet der Ultrakurzwellen niedergelegt, die für uns von ganz ausschlaggebender Bedeutung waren. Die Kenntnis der Arbeit hilft uns selbst ein grosses Stück weiter. Wir haben die betreffende Arbeit (Kemp) übersetzen und 200 mal vervielfältigen lassen […]“. BArch R 4901/15090, Bl. 261 f. Unter den Fotokopien der Protestschreiben befindet sich ein weiteres Schreiben von Siemens & Halske Aktiengesellschaft, Wernerwerk Z, vom 7. 9. 1944, in dem die Bedeutung des Beschaffungsamtes gegenüber anderen Stellen, die sich ebenfalls mit der Literaturbeschaffung beschäftigen, aber damit „irgendwelche Sonderinteressen verbinden“, hervorgehoben wurde. BArch R 4901/15090, Bl. 271. Prof. Dr. E[ugen] Haagen vom Hygienischen Institut der Universität Straßburg attestierte dem Beschaffungsamt gleichfalls, mit seiner Tätigkeit für seine Arbeit unersetzlich zu sein. „Die von mir bearbeiteten Themen sind auch für die Feindseite von größter praktischer Bedeutung und werden sogar als kriegsentscheidend bezeichnet. Es handelt sich hier um die Erforschung und Bekämpfung ansteckender Krankheiten wie Influenza, epidemische Gelbsucht, Fleckfieber und Feldnephritis. Auch die Kenntnis der Fortschritte bestimmter Behandlungsweisen auf der Feindseite ist für meinen Betrieb unersetzlich. Ich halte aus den oben genannten Gründen die Tätigkeit des Beschaffungsamtes u. U. sogar für kriegsentscheidend.“ BArch R 4901/15090, Bl. 326. Der Bakteriologe und Virologe Eugen Haagen führte 1943/44 Fleckfieberversuche an Häftlingen im KZ Natzweiler-Struthof durch.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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Jürgens erbot sich, die angeforderte naturwissenschaftlich-technische Literatur in der Schweiz weiterhin beschaffen zu lassen.293 Das Beschaffungsamt lieferte nicht nur Zeitschriften an die Wehrmacht. Die Reichstauschstelle und das Beschaffungsamt bezogen umgekehrt ausgeschiedene Zeitschriften von der zum Oberkommando der Wehrmacht gehörenden Zeitschriftenstelle. Aus diesen Geschenken wählte das Beschaffungsamt die britischen und amerikanischen medizinischen und naturwissenschaftlichen Zeitschriften aus und stellte sie – ebenso wie die von ihm aus dem Ausland eingeführte Literatur – Interessenten zur Verfügung.294 Die Reichstauschstelle lagerte von der Wehrmacht ausgeschiedene Zeitschriften für den Wiederaufbau ein. Wegen dieser Praxis intervenierte das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. In einem Rundschreiben an die obersten Reichsbehörden warnte es am 9. Oktober 1944 vor der „Verbreitung von Feindnachrichten im Wege der Auswertung ausländischen Schrifttums durch deutsche Dienststellen“.295 Daraufhin lehnte die Wehrmachts-Zeitschriftenstelle „die Herausgabe des laufend anfallenden Zeitschriftenmaterials“ an die Reichstauschstelle und das Beschaffungsamt ab. Jürgens wies das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung darauf hin, dass seine Behörde die Zeitschriften stets vorsorglich auf „politische Hetzartikel“ durchsehe und diese eliminiere, bevor sie sie an andere Wehrmachtsstellen, Firmen und Forschungsstellen weitergebe.296 Auch dieses Mal lenkte das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda ein und übertrug Jürgens wiederum die persönliche Verantwortung für die Zensur der Zeitschriften.297 Da das Beschaffungsamt neben der Rüstungsindustrie auch das Oberkommando des Heeres mit ausländischen Zeitschriften versorgte, beanspruchte Jürgens die Einstufung der von ihm geleiteten Reichsbehörde als ,kriegswichtige‘ Einrichtung.298 Im Mai 1943 wurden Reichstauschstelle und Beschaffungsamt „als Bedarfsstelle I. Ordnung“ anerkannt. Kummer begrün293
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RTS und BADB, Jürgens, an den RMWEV, 25. 5. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 225. Daraufhin befürwortete der zuständige Bearbeiter im RMWEV, Latzel, eine Reise Jürgens’ in die Schweiz. Handschriftliche Bemerkungen Latzels auf dem Schreiben. Die RTS und das Beschaffungsamt erhielten mindestens seit 1942 britische und amerikanische Zeitschriften von der Wehrmacht. Aktenvermerk, 9. 1. 1943. BArch 4901/15 094, Bl. 191. Vermerk, i. A. K[ummer], 9. 1. 1945. BArch R 4901/15090, Bl. 357. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 3. 11. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 355. Die RTS übernahm den verbleibenden Rest der Wehrmachtszeitschriften für den Wiederaufbau. Möglicherweise handelte es sich dabei um Kriegsbeute. RMWEV, [Kummer], an RMVP (Entwurf), 20. 11. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 356. Am 9. 1. 1945 vermerkte Kummer, dass es sich eigentlich um die Zuarbeit des RMVP zu einem Vortrag des Reichsministers Goebbels gehandelt habe. Ihm sollte lediglich näher erläutert werden, „daß Dr. Jürgens die Gewähr für die sinngemäße Auswertung ausländischen Schrifttums bietet und dabei die Bekanntgabe ungeeigneter Schriftsätze (Hetzartikel usw.) vermeidet.“ Vermerk, i. A. K[ummer], 9. 1. 1945. BArch R 4901/15090, Bl. 359. Am 16. 1. 1945 verpflichtete die Presseabteilung der Reichsregierung Jürgens erneut auf seine stellvertretend wahrgenommene Zensorfunktion. Presseabteilung der Reichsregierung im RMVP, Abteilung Zeitschriftenpresse, Kulturpresse, i. A. [unleserlich], an RMWEV, 16. 1. 1945. BArch R 4901/15090, Bl. 364. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 10. 2. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 212. Seinem Schreiben fügte Jürgens eine Liste über die „zu beliefernden Stellen, soweit sie dem O.K.W. unterstehen“, bei.
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Die Reichstauschstelle
dete dies mit den zentralen Aufgaben der beiden Dienststellen: der Beschaffung von Zeitschriften und mit dem Wiederaufbau der durch die Luftangriffe der Alliierten beschädigten Bibliotheken.299 Es lässt sich nicht ermessen, welchen Nutzen Reichstauschstelle und Beschaffungsamt im Einzelfall aus dieser Einstufung ziehen konnten. Zu vermuten ist, dass sich etwa die Position der Reichstauschstelle bei der Anmietung von Lagerräumen gegenüber den lokalen Behörden verbesserte.300 Dennoch konkurrierten die von Jürgens geleiteten Dienststellen bei der Zuteilung materieller Ressourcen mit anderen Interessenten, die gleichfalls auf Privilegien verweisen konnten oder die sich über die Einstufung als „Bedarfsstelle I. Ordnung“ hinwegsetzten.301
2.3.5 Personal und räumliche Unterbringung der Reichstauschstelle, des Beschaffungsamtes und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs Jürgens wechselte 1934 mit sechzehn oder siebzehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an die Preußische Staatsbibliothek.302 Da es bis dahin keine von der Notgemeinschaft getrennte Versandabteilung des Bibliotheksausschusses gab, gingen auch die Fahrer Lobbes und Mucha als Packer mit an die Preußische Staatsbibliothek. Vermutlich erfolgte die Aufteilung des Personals erst nach der Aufgliederung in drei verschiedene Dienststellen. Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Entlassung und Gehaltskürzung verfasste Jürgens ausführliche Tätigkeitsbeschreibungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Walter Ackermann arbeitete bereits seit 1921 für die Notgemeinschaft, zunächst in ihrer Einkaufsstelle in Leipzig, seit 1931 in Berlin. Jürgens’ Büroleiter Theophil Will, die Sekretärinnen Helene Schnell und Elisabeth Beermann und der später als Sachbearbeiter für die Russlandabteilung des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs geführte Otto Schnell303 waren seit Mitte der zwanziger Jahre in der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses beschäftigt. Die Expedienten Franz Sievers und Max Wolff arbeiteten seit 1927 bzw. 1928, Gisela von Busse und die Sekretärin und Sachbearbeiterin Hildegard Vater seit 1930 bei der Notgemeinschaft.
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RMWEV, i. A. Kummer, an RTS und BA, 22. 5. 1943 (Entwurf). BArch R 4901/15090, Bl. 207. So insistierte Jürgens 1944 gegenüber dem Landrat von Uffenheim auf der Anerkennung als „Bedarfsstelle erster Ordnung“. Jürgens an den Landrat von Uffenheim, 6. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frankenberg. 301 RTS und BA, Jürgens, an RMWEV, 8. 11. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 376 (Abb. 8). 302 In den Aufstellungen erscheinen folgende Namen: von Busse, Frl. Schirmer, Otto Schnell, Herr Lobbes, Wilhelm Gieche, Herr Markgraf, Walter Ackermann, Helene Schnell, Hildegard Vater, Elisabeth Beermann, Frl. Romanowski, Frl. Gisevius und Frl. Beneke sowie Max Wolff, Franz Sievers und Erich Körber. PSB, Krüß, an den RuPMWEV, Aufstellung über die Beschäftigten, 9. 7. 1935 (Entwurf). SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 144a ff. Der Fahrer Mucha ist in der Aufstellung nicht genannt. Am 1. 5. 1935 wurde die Sekretärin Eva Saenger eingestellt. Zu Eva Saenger vgl. SBB PK, Historische Akten, I.20 (1935) Saenger; zu Körber vgl. SBB PK, Historische Akten, zu VI.19b (1935) Körber. 303 SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 210 d. 300
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Bis auf von Busse304 waren sie keine ausgebildeten Bibliothekarinnen oder Bibliothekare. Charlotte Steinbrucker, die seit etwa 1938 vermutlich beim Deutsch-Ausländischen Buchtausch arbeitete, war promovierte Kunsthistorikerin.305Ackermann hatte die Buchhändlerlehranstalt in Leipzig besucht.306 Der Versandleiter Wolff hatte in der Verlagsbuchhandlung Hoffmann & Campe gelernt.307 Hildegard Vater war ebenfalls ausgebildete Buchhändlerin.308 Helene Schnell war, wie der vermutlich mit ihr verwandte Otto Schnell309, aus St. Petersburg gebürtig, hatte dort als Lehrerin gearbeitet und war infolge der Russischen Revolution 1921 nach Deutschland übergesiedelt.310 Elisabeth Beermann war ihrer Ausbildung nach Volksschullehrerin und arbeitete seit 1926 bei der Notgemeinschaft.311 Will stammte aus Thorn. Er hatte einige Semester Mathematik und Naturwissenschaften studiert.312 Weil er durch den Tod seines Vaters die Unterstützung verlor, hatte Sievers sein Medizinstudium nach dem Physikum abbrechen müssen und als Praktikant und Hilfsarbeiter an der Preußischen Staatsbibliothek gearbeitet.313 Etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügten über Fremdsprachenkenntnisse, Französisch, Englisch, Spanisch und Italienisch, aber auch – so Will und Ines von Langendorff – Polnisch und Helene Schnell Russisch. Die Sekretärin Ines von Langendorff, die 1936 eingestellt wurde, konnte auf eine zweijährige Ausbildung an einer kaufmännischen Lehreinrichtung in England verweisen.314 Jürgens hatte im Auftrage der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitsbeschaffung in den Jahren 1933 und 1934 bei der Notgemeinschaft die wissenschaftliche Akademikerhilfe aufgebaut.315 Im Rahmen dieses Programms wurden immer wieder Erwerbslose für mehrere Monate mit der Bearbeitung von Dubletten aus den Behördenbibliotheken beschäftigt. Am 1. Juli 1937 beantragte Krüß eine Vertragsverlängerung für den bereits seit etwa einem Jahr in der Reichstauschstelle tätigen Willy Püschel.316 In den ersten Monaten des Jahres 1937 arbeiteten Leonie Reygers, Willy Püschel, Viktor Riedel und Herbert Evers in der Reichstausch304
Gisela von Busse hatte nach ihrem akademischen Studium die Ausbildung zum Höheren Bibliotheksdienst an der PSB absolviert und 1929 die Bibliothekarische Fachprüfung abgelegt. SBB PK, Historische Akten, I.9-221, Bd. 1, 85 u. 120. 305 SBB PK, Historische Akten, ÖWB Personalakten Nr. 45. 306 BA, Krüß, an den RMWEV, 22. 2. 1940. BArch R 4901/15092, Bl. 43 f. Ackermann war Mitglied der Reichsschrifttumskammer. 307 RTS im RuPMWEV, Krüß, an RuPMWEV, 17. 12. 1937. BArch R 4901/15092, Bl. 23 f. SBB PK, Historische Akten, I.20 (1928) Wolff, 5. 308 BA, Krüß, an RuPMWEV, 6. 9. 1937; BA, Krüß, an den RMWEV, 17. 7. 1938. BArch R 4901/15092, Bl. 21 f. und Bl. 26 f. 309 Vgl. Zentralkartei und Ortskartei der NSDAP. Mitgliedsnummer 5853298. BArch BDC, NSDAP-Zentralkartei 31XX P 0124 und NSDAP-Ortskartei 3200 U 0022. 310 SBB PK, Historische Akten, I.20 (1935) Schnell. 311 Ebd., 17. 312 RTS im RMWEV, Krüß, an RMWEV, 22. 2. 1941. BArch R 4901/15092, Bl. 40 f. 313 SBB PK, Historische Akten, I.10-H (1926) Sievers und I.20 (1927) Sievers; LAB C Rep 375-01-08. 314 RTS im RuPMWEV, Krüß, an RMWEV, 30. 9. 1938. BArch R 4901/15092, Bl. 30; SBB PK, Historische Akten, I.20 (1936) von Langendorff. 315 Lebenslauf des Bibliotheksrats Dr. Adolf Jürgens. SBB PK, Historische Akten, I.9-156 Bd. 1, 2. 316 RTS im RuPMWEV, Krüß, an den RuPMWEV, 1. 7. 1936. BArch R 4901/15092, Bl. 1.
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Die Reichstauschstelle
stelle.317 Auch der Deutsch-Ausländische Buchtausch beschäftigte Hilfskräfte, so Herrn Weinbender, der 1934/35 ein Jahr u. a. mit dem Aufbau der Bibliothek für die Universität Oviedo beschäftigt war.318 Jürgens konnte sich auf einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – insbesondere auf von Busse, Will, Ackermann und Vater – dauerhaft stützen. Dennoch kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, so wegen der Kürzung der Gehälter bei der Übernahme an die Preußische Staatsbibliothek und der Einstufung in den Reichsangestelltentarif 1937/38. Die Fluktuation, besonders unter den weiblichen Angestellten, war hoch. So wurde die Stelle von Helene Schnell, die beim Beschaffungsamt arbeitete und Ende 1937 ausschied, binnen eines Jahres zweimal neu besetzt, zuerst mit der Bildberichterstatterin Charlotte Pontzen, die in der Photographischen Lehranstalt des Lette-Vereins, einer Frauenbildungsanstalt in Berlin, gelernt hatte,319 und seit September 1938 mit der aus Odessa gebürtigen Erika Bressem.320 Mitunter wechselten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie von Langendorff und Wolff, auch zwischen den Dienststellen, die dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unterstanden, und dem Deutsch-Ausländischen Buchtausch.321 Wolff, Otto Schnell und Ackermann traten – ähnlich wie Jürgens wohl aus Karrieregründen – 1937 bzw. 1940 der NSDAP bei.322 Sievers war, ebenso wie Hildegard Vater, bereits seit 1933 Parteimitglied.323 Dass er in seiner Parteifunktion als „Ortsgruppen-Hauptstellenleiter“ Uniform trug, rief den Spott anderer Mitarbeiter hervor, was ihn wiederum veranlasste, sich über die mangelnde nationalsozialistische Haltung seiner Kollegen zu beschweren. Dabei warf er auch Jürgens eine nicht „wahrhaft nationalsozialistische“ Betriebsführung vor.324 Die Spannungen lösten sich auf, als Sievers im August 1939 eine Stelle bei der Geheimen Staatspolizei annahm.325 Vom 15. November 1943 bis zum März 1945 war er Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der SS.326 317 318 319 320 321
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RTS im RuPMWEV, Krüß, an den RuPMWEV, 12. 3. 1937. BArch R 4901/15092, Bl. 9. Jürgens an den GD, 9. 10. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 188. SBB PK, Historische Akten, I.20 (1938) Pontzen. SBB PK, Historische Akten, I.20 (1938) Bressem. RTS im RuPMWEV, Krüß, an den RMWEV, 30. 9. 1938. BArch R 4901/15092, Bl. 30. RTS im RMWEV, i. V. Becker, an RMWEV, 30. 11. 1940. BArch R 4901/15092, Bl. 36. PSB, i. V. Becker, an den Reichsminister, 19. 4. 1940 (Entwurf). SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 251. Wolffs Eintritt fiel mit den Auseinandersetzungen um die Einstufung im Reichsangestelltentarif zusammen. Er erfolgte am 1. 7. 1937. BArch BDC, 3200 A0004 Mitgliedsnummer 7622551. Otto Schnell war ebenfalls seit dem 1. 7. 1937 NSDAP-Mitglied. Mitgliedsnummer 5853298. BArch BDC 31XX P 0124 und 3200 U 0022. Ackermann trat am 1. 6. 1940 in die NSDAP ein. BArch BDC, 31XX T0107 Mitgliedsnummer 4828770. Jürgens stellte am 9. 4. den Aufnahmeantrag und wurde am 1. 7. 1940 mit der Mitgliedsnummer 8153011 aufgenommen. BArch BDC, 31XX K0119. Vater seit dem 1. 5. 1933. BArch BDC, 31XX X0060 Mitgliedsnummer 3079848. Sievers am 1. 4. 1933. BArch BDC, 3200 V0055 Mitgliedsnummer 1772023. Außer über Jürgens beschwerte sich Sievers über zwei Mitarbeiter des DAB, von Buchholtz und den Packer Gieche. Franz Sievers an den GD der PSB, Krüß, 24. 8. 1939. SBB PK, Historische Akten, I. 20 (1927) Sievers, 32 a. PSB, Krüß, an den Reichsminister, 14. 9. 1939 (Entwurf). SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 295. LAB C Rep 031-02-03. (Akte der Entnazifizierungskommission Berlin-Kreuzberg).
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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1939 arbeiteten sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Reichstauschstelle,327 fünf im Beschaffungsamt,328 und sieben beim Deutsch-Ausländischen Buchtausch,329 jeweils eine bzw. einer bei der Reichstauschstelle und beim Deutsch-Ausländischen Buchtausch waren Pauschalkräfte. Außerdem wurden für alle drei Dienststellen fünf Packer und zwei Reinemachfrauen beschäftigt.330 Eine Stenotypistin bearbeitete ausschließlich die Bibliothek des Preußischen Statistischen Landesamtes.331 Wie die übrigen Einrichtungen der Notgemeinschaft befanden sich die Räume des Bibliotheksausschusses im Berliner Stadtschloss. 1934 sollte er diese auf Geheiß des Preußischen Ministerpräsidenten räumen. Bei der Angliederung des Bibliotheksausschusses an die Preußische Staatsbibliothek drängte Wildhagen, die von den Einrichtungen der Bibliotheksförderung genutzten Räume im Schloss bis zum 15. November 1934 freizumachen.332 Wenngleich sich die Notgemeinschaft in fast allen finanziellen Belangen gegenüber Krüß durchsetzte, gelang ihr das in den Fragen der Unterbringung nicht: Die Expedition behielt ihren Standort in den Kellern des Schlosses noch für mehrere Jahre. Die Büros und Bücherlager wurden hingegen im dritten und vierten Stockwerk333 des zur Straße Unter den Linden gelegenen Flügels, zwischen der Kuppel und der Charlottenstraße, sowie in den Kellern der Preußischen Staatsbibliothek untergebracht. Im Herbst 1937 verließ auch die Versandstelle das Berliner Stadtschloss. Da sich in unmittelbarer Nähe der Preußischen Staatsbibliothek keine geeigneten Räumlichkeiten finden ließen, wies ihr das Preußische Finanzministerium schließlich die Räume des Museums für Meereskunde im gegenüber dem Schloss gelegenen Marstall (Breite Straße 36) zu.334 Diese Räumlichkeiten waren zwar 80 qm kleiner als die im Schloss, lagen aber ebenerdig um den Fahrhof des Marstalls, was die Pack- und Versandarbeiten sehr erleichterte. Die Bauarbeiten in den Kellern des Schlosses begannen am 30. November 1937,335 der Umzug der Versandstelle fand Ende des Jahres 1937 statt. Im Jahre 1940 belegte die Reichstauschstelle – wohl zusammen mit dem Beschaffungsamt – im Marstall drei Räume von insgesamt 350 qm, der Deutsch-Ausländische Buchtausch zwei 327
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Will, Sievers, von Langendorff, Elisabeth Pfaff, Elli Krause, Runge, Helene Peukert. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 210 d. Zu Elli Krause vgl. SBB PK, Historische Akten, I.20 (1939) Krause. Zu Peukert vgl. ebd. Zu Pfaff SBB PK, Historische Akten, zu VI.19b (1938) Pfaff. Von Busse, Ackermann, Vater, Gerda Storch, Erika Bressem. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 210 d. Otto Schnell, Walter Bieletzke, Wolff, Ursula Keferstein, Gretel Graser, Helga Finke und von Buchholtz. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 210 d. Die Reinemachfrauen Anna Wietzsch und Karkossa, die Packer Albert Poerschke, Rudolf Ehreke, Körber, Gieche und Paul Haase. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 210 d. Zu Paul Haase SBB PK, Historische Akten, I.20 (Hilfsarbeiter) Bd. 1 (1916–1921). Zu Poerschke SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 189; SBB PK, Historische Akten, zu IV.19b (1938) Poerschke und I.20 (1938) Poerschke. Ursula Paulsen. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 3, 210 d. Aktennotiz von Jacobs über einen Ortstermin mit Wildhagen, 14. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.25a, Bd. 1, 17. Organisationsfragen der Staatsbibliothek, 1. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, Nr. 122, Erhebungsbogen I, Anlage 1. Raumverhältnisse, S. 5. RTS im RMWEV, Krüß, an den RuPMWEV, 20. 10. 1937. BArch R 4901/15094, Bl. 1. BArch R 4901/15094, Bl. 10.
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Die Reichstauschstelle
Räume von 170 qm. Im Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek hatte die Reichstauschstelle vier Räume von 112 qm, das Beschaffungsamt einen Raum von 43 qm und der DeutschAusländische Buchtausch sechs Räume von 110 qm. Außerdem nutzten die Reichstauschstelle 280 qm, das Beschaffungsamt 16 qm und der Deutsch-Ausländische Buchtausch 25 qm in den Fluren und die Reichstauschstelle weitere 360 qm im Keller der Preußischen Staatsbibliothek. Damit standen den drei Dienststellen alles in allem 946 qm im Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek und 520 qm im Marstall zur Verfügung.336 1940 sollte auf Befehl Hitlers das geplante Reichskolonialministerium im Marstall untergebracht werden. Die Preußische Bau- und Finanzdirektion kündigte der Expedition zum 31. Dezember 1940.337 Weil die zuständigen Stellen keine Ersatzräume anbieten konnten, verzögerte sich der Auszug. Der Druck, die Räume im Marstall aufzugeben, nötigte das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und das Reichsministerium der Finanzen zu verstärkten Bemühungen, ein neues Domizil – und zwar für alle drei Dienststellen, einschließlich der Bücherlager und der Versandstelle – zu suchen. Eine Lösung schien sich anzubahnen, als das Reichsministerium der Finanzen das Versammlungsgebäude der Loge „Blücher von Wahlstatt“ in Berlin-Charlottenburg, Berliner Straße 61 (heute: Otto-Suhr-Allee), Ecke Ahéstraße 2-4 (heute: Warburgzeile), für die drei Dienststellen zu kaufen beabsichtigte.338 Am 31. März 1941 ‚übernahm‘ Jürgens das Logengebäude, um es als Dienstgebäude einzurichten.339 Anderthalb Wochen später, in der Nacht vom 9. zum 10. April 1941, wurden die Arbeitsräume im Lindenflügel der Preußischen Staatsbibliothek bei einem britischen Luftangriff von Brandbomben getroffen, Akten, Bücher und Inventar teilweise zerstört oder beschädigt. In seinem Schadensbericht erwähnte Jürgens, dass von den „Länderakten“ vor allem der Schriftwechsel mit Frankreich vernichtet worden sei. „Zahlreiche Dublettenakten für den Zeitraum 1937-1940“ waren verbrannt. Sie enthielten den Schriftwechsel „mit rund 2.000 Behörden und wissenschaftlichen Bibliotheken über Abgabe und die Lieferung von Büchern und Zeitschriften.“ Das Beschaffungsamt verlor fast seine gesamte Korrespondenz und die Karteien.340 Betroffen war auch die „Hauptverwaltung“ des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs. Die „Hälfte der Akten, einschliesslich der Akten über den Verkehr mit dem Auswärtigen Amt“ war verbrannt.341 336
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RTS, Will, an den Ministerialrat [Kummer], 28. 10. 1940. [Aufstellung o. D., vermutlich von Will]. BArch R 4901/15094, Bl. 14 und 15. AA, i. V. Roth, an das RMWEV, 19. 11. 1940. BArch R 4901/15094, Bl. 27. Kummer an den Präsidenten der Preußischen Bau- und Finanzdirektion, 30. 4. 1941. BArch R 4901/ 15094, Bl. 55. Hinweis auf die Loge von Hans-Peter Quandt, Archivar der Großen Landesloge der Freimaurer in Berlin. BArch R 4901/15094, Bl. 44, Bl. 50. Jürgens: [Schadensbericht] o. D. [vor dem 4. 7. 1941] BArch R 4901/15094, Bl. 139 ff. „Durch Brand und Wasserschaden sind 450 laufende Meter Bücher und Zeitschriften mit rund 15.000 Einheiten vernichtet worden. Diese Bücherbestände standen vornehmlich im 4. Stock der Preussischen Staatsbibliothek. Die im 3. Stock befindlichen Bücherbestände, etwa 12.000 Bände, haben teilweise Wasserschaden erlitten, doch ist dieser verhältnismässig geringfügig.“ RTS im RMWEV, Jürgens, 21. 4. 1941, an den RMWEV. BArch R 4901/15094, Bl. 53.
Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch
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Nachdem ihre Arbeitsräume in der Preußischen Staatsbibliothek verwüstet worden waren, kehrten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fahrhof des Marstalls zurück und besetzten kurzerhand die ehemaligen Räume der Expedition, die sie erst kürzlich hatten verlassen müssen.342 Vier Tage nach dem Luftangriff meldete Jürgens, dass seine Dienststellen im Marstall wieder arbeitsfähig seien.343 In dem Logengebäude in Berlin-Charlottenburg hatte der Umbau für die Zwecke der drei Dienststellen begonnen344 und der Umzug war bereits im Gange, als die Firma Julius Pintsch K.G. als kriegswichtiger Betrieb ihren Anspruch auf das Gebäude anmeldete und durchsetzte.345 Da der Marstall geräumt werden musste, erhielten die drei Dienststellen nun von der Bezirksverwaltung Berlin-Mitte mit Unterstützung des Kolonialpolitischen Amtes zwei Gebäude am Schiffbauerdamm, die Hausnummern 26 und 33, zugewiesen. Die Häuser wurden als Abbruchhäuser bezeichnet und interimsmässig Bombengeschädigten angeboten.346 Sie gehörten zu dem sich vom Spreebogen bis nach Tempelhof erstreckenden innerstädtischen Areal, das dem von Albert Speer als Generalbauinspektor geplanten Stadtbauprojekt Germania geopfert werden sollte.347 Nach Pfingsten 1941 begannen Jürgens’ Dienststellen mit dem Umzug zum Schiffbauerdamm. Die Räumung des Logengebäudes in Charlottenburg verzögerte sich allerdings noch bis zum Juli 1941, waren doch Bücher und Inventar schon dorthin verfrachtet worden.348 Das Gebäude Schiffbauerdamm 26 teilten sich die drei Dienststellen mit der Reichsstelle für Sippenforschung, dem sogenannten Sippenamt.349
342
343 344
345
346 347
348
349
Kummer an den Präsidenten der Preußischen Bau- und Finanzdirektion, 30. 4. 1941. BArch R 4901/ 15094, Bl. 55. RTS im RMWEV, Jürgens, 21. 4. 1941, an den RMWEV. BArch R 4901/15094, Bl. 53. Kummer an den Präsidenten der Preußischen Bau- und Finanzdirektion, 30. 4. 1941. BArch R 4901/ 15094, Bl. 55. Die Julius Pintsch K.G. war auf die Herstellung der Gasbeleuchtung von Eisenbahnen und die Herstellung von Gasglühbrennern spezialisiert. Ihr Firmensitz in der Andreasstraße 71–73 in Berlin-Friedrichshain war bei einem Luftangriff zerstört worden. Während des Krieges forschte sie auch auf dem Gebiet der Antriebstechnik für Raketen. BArch R 4901/15094, Bl. 102 ff. „Dieses Haus ist ein altes Wohnhaus, das der künftigen Stadterweiterung und der Umgestaltung der Hauptstadt weichen muss und zum Abbruch bestimmt ist. Es ist schon im weitgehenden Umfange geräumt und einige weitere Mieter beabsichtigen in den nächsten Tagen zu räumen.“ Vermerk zu dem Haus Schiffbauerdamm 33, Breuer [RMWEV], 4. 6. 1941. BArch R 4901/15094, Bl. 95. Zu Schiffbauerdamm 26: Kolonialpolitisches Amt der NSDAP, Dienststelle Berlin, gez. Wirth, Aktenvermerk, 13. 6. 1941 (Abschrift). BArch R 4901/15094, Bl. 103. Julius Pintsch Kommanditgesellschaft an den RMI, abschriftlich an den RMF, 1. 7. 1941. BArch R 4901/ 15094, Bl. 134. RMF, i. A. [unleserlich], an den RMWEV, 18. 8. 1941. BArch R 4901/15094, Bl. 165. Vgl. auch: WILLEMS, Der entsiedelte Jude, 171, 203, 205 (Anmerkungen). 210, 223. Kolonialpolitisches Amt der NSDAP, Dienststelle Berlin, gez. Wirth, Aktenvermerk, 13. 6. 1941 (Abschrift). BArch R 4901/15094, Bl. 103.
94
Die Reichstauschstelle
2.4
Das Wiederaufbauprogramm für die im Krieg beschädigten und zerstörten deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken
2.4.1 Vorkehrungen zum Schutz der Bibliotheksbestände Die nahezu völlige Zerstörung der Hessischen Landesbibliothek in Kassel bei einem Luftangriff in der Nacht vom 8. zum 9. September 1941, bei der ca. 350.000 Bände verlorengingen, schreckte die Verantwortlichen in den Bibliotheken und bei den Kultusbehörden auf. Dennoch vergingen Monate, bis Maßnahmen zum Schutz der Bibliotheken eingeleitet wurden. Seit dem 15. April 1942 lag dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ein von Friedrich Smend, dem Betriebsluftschutzleiter der Preußischen Staatsbibliothek, und Albert Hartmann, dem Leiter der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek, ausgearbeiteter Entwurf der „Richtlinien zur Sicherung von Bibliotheksgut vor Luftangriffen“ vor.350 Diese Richtlinien waren für die 550 im Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken verzeichneten Einrichtungen bestimmt. Auf der Grundlage dieser Vorarbeit und auf Krüß’ Drängen351 verfügte das Ministerium am 28. August 1942 in einem Rundschreiben an die Bibliotheken, dass der Grundsatz „Sicherheit vor Benutzung“ zu gelten habe. Das Ministerium forderte die Bibliotheken zur Auslagerung der wertvollen Bestände auf. Sie sollten diese in der Reihenfolge: Kataloge, Handschriften, Inkunabeln, Rara, Sondersammlungen an sicheren Orten unterbringen. Alle übrigen – also die ersetzbaren – Bestände sollten innerhalb der Bibliotheksgebäude verlagert werden.352 Einige Bibliotheken gingen von sich aus dazu über, den Leihverkehr einzuschränken und die Gebäude zu räumen.353 Obwohl die Bibliotheken selbst Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, nahm das Ausmaß der Zerstörungen immer weiter zu, auch wenn wegen der Evakuierungen nun eher die Gebäude und nicht so sehr die Bücher und Schriften in den Bibliotheken betroffen waren. Bis zum 21. Oktober 1942 hatten folgende Bibliotheken substantielle Schäden erlitten bzw. waren zerstört worden:354
350 351
352 353 354
KOMOROWSKI, Tagungsprotokolle, 94. PSB, Krüß, an den Minister, 16. 7. 1942 (Entwurf, abgesandt 16. 7. 1942). SBB PK, Historische Akten, R XII-1, Bd. 2, 60. „Mit dem Längerwerden der Nächte ist, wie im vergangenen Jahr, auf eine Vermehrung der Luftangriffe auf deutsche Städte und mit ihrer Ausdehnung auf seit längerer Zeit verschonte Orte zu rechnen, nach dem neuerlichen Angriff auf Danzig auch darauf, dass Orte in Mitleidenschaft gezogen werden, die bislang als einigermassen luftsicher gegolten haben.“ RMWEV, Runderlass, 28. 8. 1942. BArch R 4901/13704, Bl. 1 ff. RMWEV, Runderlass, 29. 10. 1942. BArch R 4901/13704, Bl. 28. RMWEV, i. V. gez. Zschintzsch, an den RMF, 21. 10. 1942. BArch R 4901/13705, Bl. 1 ff., 1. Die Daten der Luftangriffe sind ergänzt. Vgl. LEYH, Bibliotheken.
Das Wiederaufbauprogramm
Bibliothek
Datum des Luftangriffs
Verluste in Bänden
Wert in Reichsmark
Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel
19. 10. 1940
10.000
100.000
Reichstauschstelle u. a.
9./10. 4. 1941
50.000
400.000
14./15. 7. 1941
50.000
400.000
9. 9. 1942
350.000
14.000.000
Universitätsbibliothek Kiel
29. 4. 1942
350.000
6.000.000
Badische Landesbibliothek Karlsruhe
2./3. 9. 1942
350.000
5.000.000
1942
30.000
50.000
3. 9. 1942
90.000
2.000.000
1.280.000
27.950.000
Bibliothek der Technischen Hochschule Hannover Hessische Landesbibliothek Kassel
Bibliothek der Hansestadt Bremen (Volksbücherei) Gewerbebücherei des Badischen Landesgewerbeamtes Karlsruhe Zwischensumme
95
Bald folgten weitere Zerstörungen. Am 10. März 1943 verbrannten in der Bayerischen Staatsbibliothek etwa 450.000 Bände.355 Am 24./25. Juli 1943 wurde die Bibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg fast völlig vernichtet; der Verlust belief sich auf mehr als 700.000 Bände.356 Die Einschränkungen des Publikumsverkehrs und die Verlagerungen dienten dem Schutz des noch vorhandenen Bibliotheksguts. Auf der Tagung des Reichsbeirats für Bibliotheksangelegenheiten am 30. Juni und 1. Juli 1942 berieten die anwesenden Bibliotheksdirektoren und die Vertreter des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung aber nicht nur über diese Frage, sondern auch über die Möglichkeiten, verlorene Bibliotheksbestände zu ersetzen.357 Angesichts der besorgniserregenden Situation hatte der Deutsche Gemeindetag den Kontakt zu Krüß als dem Vorsitzenden des Reichsbeirats gesucht und ange355 356 357
BArch R 4901/13702, Bl. 53. KRAWEHL, Verlagert, 248. KOMOROWSKI, Tagungsprotokolle, 94. Außer Krüß und Becker waren die Generaldirektoren der Bayerischen Staatsbibliothek, Rudolf Buttmann, und der Nationalbibliothek in Wien, Heigl, der stellvertretende Direktor der Deutschen Bücherei in Leipzig, Werner Rust, der Direktor der Universitätsbibliothek Göttingen, Karl Julius Hartmann, der der Stadtbibliothek Breslau, Ernst Wermke, der der Universitätsbibliothek Jena, Theodor Lockemann, und der der Universitätsbibliothek Heidelberg, Karl Preisendanz, als Mitglieder des Beirats sowie Kummer und Latzel von seiten des Ministeriums anwesend.
96
Die Reichstauschstelle
regt, dass „die Bibliotheken veranlaßt werden sollen, in ihrem örtlichen Bereich das Angebot von Büchern bei Versteigerungen und beim Verkauf von Privatbibliotheken zu beachten, um die geschädigten Bibliotheken auf solche Möglichkeiten zur Ausfüllung von Lücken in ihren Beständen hinzuweisen.“358 Krüß berichtete auf der Tagung, dass die Preußische Staatsbibliothek zusammen mit Reichstauschstelle und Beschaffungsamt bereits einige Privatbibliotheken erworben habe, die teilweise an geschädigte Bibliotheken abgegeben werden könnten.359 Er sprach sich dafür aus, die Maßnahmen zur Wiederbeschaffung verlorener Bestände bei der Reichstauschstelle und dem Beschaffungsamt zu zentralisieren. Die bevorstehenden Ankäufe bedürften zudem „eines größeren Fonds aus Reichsmitteln“, der später aus den Entschädigungen der Bibliotheken zurückgezahlt werden könnte.360 Die Preußische Staatsbibliothek war nicht mehr bereit, auf ihre Kosten gleichsam eine Reserve für die vernichteten Bibliotheksbestände anzulegen. Im Frühjahr 1942 hatte sich die Witwe des Hallenser Altphilologen Otto Kern, Else Kern, direkt an Rust gewandt und dem Ministerium einen Teil der Bibliothek ihres Mannes zum Ankauf angeboten.361 Da die angebotene Goethe-Literatur in der Preußischen Staatsbibliothek bereits vorhanden war, regte Krüß an, sie für den Wiederaufbau zerstörter Bibliotheken zu verwenden. Generell bestand, so Krüß, wegen der „fortschreitenden Erschöpfung des Büchermarktes“ die „dringliche Notwendigkeit, Bücherbestände, die für den Wiederaufbau zerstörter wissenschaftlicher Bibliotheken in betracht kommen, für diesen Zweck sicherzustellen, sobald die Möglichkeit dazu gegeben ist.“ Krüß empfahl dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, die Reichstauschstelle und das Beschaffungsamt „zu veranlassen, einen Plan für die zu treffenden Massnahmen vorzulegen.“362 358
359
360 361
362
In seinem Schreiben vom 28. 5. 1942 an Krüß als den Vorsitzenden des Reichsbeirats machte der Vertreter des Deutschen Gemeindetags, Otto Benecke, den Vorschlag, eine zentrale Stelle beim Gemeindetag einzurichten, um die Kommunikation zwischen den Direktoren der einzelnen Bibliotheken zu fördern. Wenn diese nur über die Verluste der jeweils anderen Bibliotheken Bescheid wüssten, so könnten sie deren Interessen mit wahrnehmen und sich gegenseitig über die auf dem Antiquariatsmarkt erhältlichen Titel informieren. Dabei hatte er in erster Linie die Stadtbibliotheken im Auge. Benecke hatte erfahren, dass die PSB „aus einem Berliner Nachlaß wertvolle Bestände für den Wiederaufbau der Landesbibliothek Kassel erworben“ hatte. Deutscher Gemeindetag, Beigeordneter Dr. Benecke, an den GD der PSB, 28. 5. 1942. SBB PK, Historische Akten, RBBA XII-1, Bd. 2, 28. Das Akzessionsjournal Akz. Deutsch [=Kauf] der PSB verzeichnet für 1942 die Erwerbung einer verwaltungsrechtlichen Bibliothek von Dr. Friedrich Glum für 580 RM, die als Ersatz für zerstörte Bibliotheken gedacht war. Das Beschaffungsamt kaufte die Bibliothek des verstorbenen Arztes Fritz Veiel aus Cannstadt. Krüß an RMWEV, 28. 5. 1942. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 2 Veiel. KOMOROWSKI, Tagungsprotokolle, 94 f. Else Kern an den Reichsminister, Halle, 31. 5. 1942 (Abschrift); SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 3 Kern. Am 15. 7. 1942 ersuchte Krüß den Minister, den Ankauf der Goethe-Bibliothek des Altphilologen Otto Kern aus Halle zu genehmigen. PSB, Kr.[üß], an den Minister, RTS zur gefl. Mitzeichnung, 15. 7. 1942. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien.
Das Wiederaufbauprogramm
97
Die Reichstauschstelle hatte schon 1941 mit Vorbereitungen begonnen, um die zu erwartenden Kriegsverluste zu ersetzen. Bei der Überprüfung der als entbehrlich angemeldeten amtlichen Druckschriften aus den Behördenbibliotheken erlegte sie sich „im Gegensatz zu der früheren Praxis grösste Zurückhaltung“ auf und hielt Exemplare, die früher als Altpapier zur Einstampfung freigegeben worden wären, zurück. Jürgens entschied, „ganze Amtsbibliotheken“ aufzubewahren, die „für den Bedarfsfall“ in Anspruch genommen werden sollten.363 „Bereits unmittelbar nach der Katastrophe von Kassel“ hatte sich der von Jürgens hochgeschätzte Schmidt-Ott, der einen Teil seiner Schulzeit in Kassel verbracht hatte und deshalb der Stadt besonders verbunden war, erboten, seine Privatbibliothek für den Wiederaufbau der dortigen Hessischen Landesbibliothek zu stiften. Im September 1942 berichtete Jürgens dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung von dieser gelungenen Hilfeleistung, bedauerte aber, dass die meisten Eigentümer von Privatbibliotheken nicht so leicht bereit sein würden, sich ohne finanziellen Ausgleich von ihren Sammlungen zu trennen. Die Besichtigung zweier wertvoller Bibliotheken – der des Kunsthistorikers Otto von Falke und der des Chemikers Max Bodenstein – nahm er zum Anlass, auf die Bewilligung von Ankaufsmitteln für den Wiederaufbau zu drängen. Jürgens mahnte, dass diese Ankäufe rasch erfolgen müssten – solange wichtige Privatbibliotheken noch erhältlich seien.364 Gleichzeitig unterbreitete der Direktor der Kasseler Kunstakademie, Oberregierungsrat Hermann Nollau, im Namen des Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung seine Pläne zur Wiederbeschaffung verlorener Buchbestände. Er beabsichtigte, die eingezogenen und im Besitz der Finanzämter befindlichen Bücher für den Wiederaufbau der Hessischen Landesbibliothek Kassel zu nutzen. Nollau bezog sich auf den Runderlass des Reichsfinanz- und des Reichsinnenministers vom 9. April 1942, wonach die Reichsstatthalter bzw. die Oberpräsidenten eine unentgeltliche Übertragung eingezogener Vermögensgegenstände beanspruchen durften, wenn diese für die „Erfüllung der Aufgaben von gebietlichen Selbstverwaltungskörperschaften ihres Bereichs“ nützlich seien. Diesen gesetzlich verbürgten Anspruch wollte Nollau wegen der „außerordentlich hohen Verluste“ der Hessischen Landesbibliothek auf Vermögen, die außerhalb „des Bezirksverbandes Hessen anfallen“, ausgeweitet sehen.365 Der Antrag lief darauf hinaus, dass die Hessische Landesbibliothek mit den „beschlagnahmten Bibliotheken von Reichsfeinden […] auch aus anderen Gebieten Deutschlands“ wiederaufgebaut würde, „während die anderen beschädigten oder vernichteten Bibliotheken (Kiel,
363 364
365
Jahresbericht für das Jahr 1941. BArch R 4901/15090, Bl. 188 ff., S. 10 f. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 12. 9. 1942. BArch R 4901/13705, Bl. 8. Zur Schenkung SchmidtOtt vgl. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 5 Schenkung Schmidt-Ott. Der Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau, i. V. Nollau, an den RMWEV, Kassel, 15. 9. 1942. BArch R 4901/13705, Bl. 9.
98
Die Reichstauschstelle
Karlsruhe, Bremen usw.) leer ausgingen“. Gegen eine solche Bevorzugung bestanden im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung begreiflicherweise Bedenken.366
2.4.2 Jürgens’ Initiativen für den Wiederaufbau 2.4.2.1 Die Konzeption eines Wiederaufbauprogramms Am 7. September 1942 legte Jürgens dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung einen umfassenden Plan für den Wiederaufbau der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken vor.367 Eingangs betonte er, dass der Wiederaufbau eine Aufgabe des Reiches und mithin des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung sei, „da die Kriegsschäden durch kriegerische Einwirkung in der gemeinsamen Abwehr der Reichsfeinde erwachsen“ waren. Vor der Gefahr eines sich verknappenden Angebotes sah Jürgens die Schwierigkeiten der Wiederbeschaffung der verlorenen Buchbestände voraus. Um eine „unnötige Verteuerung des Aufbaus zu verhindern“, konnte nur eine Zentrale – und für diese Aufgabe bot sich die Reichstauschstelle mit ihren Erfahrungen bei der Beschaffung und Verteilung von Literatur an – die sinnvolle und sparsame Verwendung der staatlichen Haushaltsmittel garantieren. Jürgens, der selbstverständlich von einem für Deutschland siegreichen Ende des Krieges ausging, prognostizierte, dass sich Bücher und Zeitschriften nach dem zu erwartenden Friedensschluss noch verteuern würden, da dann weitere Konkurrenten aus dem Ausland auf den Plan träten, um ebenfalls wissenschaftliche Literatur, Zeitschriftenserien usw. zu kaufen.368 Er listete deshalb alle Ressourcen auf, die für den Wiederaufbau in Anspruch genommen werden konnten. Ob die benötigte Literatur aus legalen Erwerbungen oder aus Raubgut stammte, interessierte ihn nicht. Der „Rückgriff auf bereits beschlagnahmte Bücherbestände“ stand in seinem Konzept sogar an erster Stelle. Dabei hatte er die ‚Dubletten‘ im Auge, die sich in den von Deutschland annektierten Gebieten beim Zusammentragen beschlagnahmter Büchersammlungen ergaben. Die Verteilung solcher ‚Dubletten’ hatte die Reichstauschstelle in den zurückliegenden Jahren schon beispielhaft in der Kooperation mit der Stadtbibliothek Metz praktiziert. Jürgens wusste, dass die Inanspruchnahme dieser Bestände zwangsläufig zu Konflikten mit den lokalen Machthabern des NS-Regimes führen musste. Die beschlagnahmten Sammlungen waren „Eigentum der betreffenden Gaue, welche zum Teil eifersüchtig darü366
367
368
Bemerkungen Latzels auf dem Schreiben BArch R 4901/13705, Bl. 9; Vermerk Latzels vom 26. 10. 1942. BArch R 4901/13705, Bl. 12. Das erwähnte Schreiben an den RMF und an den RMI „WE 3171/72 (Datum noch nicht bekannt)“ ist nicht überliefert. RTS, Jürgens, an RMWEV, durch den GD der PSB. Betrifft Wiederaufbau zerstörter Bibliotheken, 7. 9. 1942. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien. Daraus alle Zitate in diesem Kapitel. Jürgens führte als Beispiel an, dass durch die Ankäufe von deutscher wissenschaftlicher Literatur in Schweden die Preise erheblich gestiegen seien.
Das Wiederaufbauprogramm
99
ber wachen, dass kein Buch aus diesen Beständen in andere Gaue abwandert.“ Jürgens appellierte deshalb an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, seine Verfügungsgewalt über diese Buchbestände durchzusetzen. Gleichwohl sollte „die Abgabe von Büchern zum Wiederaufbau von zerstörten Bibliotheken im übrigen Reich von einer Geldzahlung abhängig gemacht werden [können], die zum Aufbau von Bibliotheken innerhalb des Gaues Verwendung findet.“ Nicht anders verfuhr die Reichstauschstelle in ihrer Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Metz. Um die innerhalb des Deutschen Reiches beschlagnahmten Bücher ebenfalls für den Wiederaufbau nutzen zu können, sollte mit der Geheimen Staatspolizei eine Übereinkunft über deren Abgabe getroffen werden. Jürgens ergänzte: „soweit diese [die Geheime Staatspolizei, C. B.] nicht eigene Verwendungszwecke damit verfolgt.“ Doch unterstrich er auch, dass die von ihm geleiteten Dienststellen das Vertrauen der SS und der Geheimen Staatspolizei genossen, indem er darauf verwies, dass die Reichstauschstelle schon früher mit der SS zusammengearbeitet habe. Darüber hinaus aber wollte er jene Büchersammlungen, die sich nicht mehr im Besitz der Geheimen Staatspolizei befanden, sondern inzwischen an die Finanzbehörden übergegangen waren und „auf Grund von Steuerrückständen usw.“ verwertet werden sollten, für den Wiederaufbau heranziehen. An zweiter Stelle in seinem Konzept nannte Jürgens die „Bücherbestände aufgelöster Bibliotheken und Institute“. Darunter verstand er sowohl die infolge der „Neuordnung des Deutschen Reiches“ – also der ,Verreichlichung‘ – aufgelösten Behördenbibliotheken als auch Bücher aus polnischen Bibliotheken, die seiner Dienststelle im Zuge der „Neuordnung des Ostlandes“ zufallen würden. So erwartete Jürgens nicht, dass „die bisher bestehenden polnischen Universitäten in ihrer Gesamtheit aufrecht erhalten bleiben“ könnten. Zukünftig, dessen war er gewiss, würden „die ganzen Sammlungen von Universitätsschriften Deutschlands und des Auslands, die sich in ihnen befinden, überflüssig, ebenso wie zahlreiche Schriftenreihen der wissenschaftlichen Spezialgebiete.“ Deshalb erschien es ihm nur billig, dass diese ‚überflüssigen‘ „Teile früherer polnischer Universitäts-Bibliotheken [...] für den Wiederaufbau der zerstörten deutschen Bibliotheken herangezogen werden“ müssten. Und er empfahl, das Eigentum an allen aufgelösten Bibliotheken dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zu übertragen. Wegen der bereits von Krüß erwähnten „fortschreitenden Erschöpfung des Buchmarktes“369 hatte der Rückgriff auf die „bereits im Staatsbesitz befindliche[n] Büchermengen“ Vorrang für Jürgens. Darüber hinaus aber galt sein Interesse den „Professoren-Bibliotheken“, die regelmäßig auf den Markt gelangten. Von diesen Privatbibliotheken erhoffte er sich, dass sie die wissenschaftliche Literatur eines bestimmten Fachgebietes, die sonst nur in den Verlagen oder im Antiquariat vorhanden war, einschließlich der einschlägigen Zeitschriftenreihen vollständig repräsentierten. Neben den aktuellen in- und ausländischen Zeitschriften, die während des Krieges schwer zu erwerben waren, sollten sie vorerst den Kern der Ersatzleistungen bilden. 369
PSB, Kr.[üß], an den Minister, RTS zur gefl. Mitzeichnung, 15. 7. 1942. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien.
100
Die Reichstauschstelle
Erwerbungen im Ausland müssten, so Jürgens, vorerst zurückgestellt werden. Ausdrücklich davon ausgenommen waren Erwerbungen in Frankreich. Er wies darauf hin, dass „dem deutschen Reich erhebliche Francbestände regelmässig“ zuflössen. Diese sollten, „anstatt zu unnötigen Ankäufen dienstbar gemacht zu werden, dazu benutzt werden“, so Jürgens in dem nicht abgesandten Entwurf seines Plans,370 „auf allen wissenschaftlichen Gebieten wertvolle Zeitschriftenreihen, sowie die neue französische wissenschaftliche Literatur für den Wiederaufbau kriegsgeschädigter Bibliotheken bereits jetzt anzukaufen. Auch ganze Bibliotheken wären in Frankreich en bloque anzukaufen, wobei ihre Verteilung späterer Zeit vorzubehalten ist.“ Die Ankäufe in Frankreich sollten „grundsätzlich ohne Dazwischenschaltung der Kölner Auslandszeitungshandels GmbH erfolgen.“ Neben dem Ankauf von Neuerscheinungen und von antiquarischer Literatur auf dem Buchmarkt plante Jürgens, die Dubletten der Reichstauschstelle für den Wiederaufbau heranzuziehen. Ebenso sollten die wissenschaftlichen Bibliotheken verpflichtet werden, ihre Dubletten ohne Gegenleistung anderen Bibliotheken zur Verfügung zu stellen. Jürgens glaubte, die deutschen Bibliotheken würden „nach dem Friedensschluss“ vom „Feinde“ in natura entschädigt werden: „Da auch im Versailler Frieden Deutschland derartige Bedingungen auferlegt sind, muss bei günstigem Ausgang des jetzigen Krieges seitens der deutschen Regierung eine derartige Massnahme erwogen werden.“ Dann könnten die Bibliotheken ihre Schäden an ausländischer Literatur gegenüber den unterworfenen Nationen geltend machen. Um mit den Maßnahmen für den Wiederaufbau beginnen zu können, veranschlagte er fürs erste einen Betrag von 300.000 Reichsmark, mit dem zugleich die Verwaltungskosten gedeckt wären.
2.4.2.2 Beschlagnahmte Bücher als Grundstock für den Wiederaufbau Jürgens wartete nicht ab, bis die Ministerien sich der Angelegenheit annahmen, sondern bemühte sich bereits im April 1942, während die Preußische Staatsbibliothek für den Wiederaufbau der geschädigten Bibliotheken private Büchersammlungen ankaufte, um beschlagnahmte Buchbestände. So hatte er erfahren, dass das Finanzamt Berlin Moabit-West, das von der Finanzverwaltung seit 1933 mit der ,Verwertung‘ des Vermögens der sogenannten Emigranten beauftragt war, die englisch- und französischsprachigen Bücher aus der beschlagnahmten Bibliothek der Industriellen-Familie Petschek von dem Berliner Auktionshaus Union versteigern lassen wollte.371 Der Petschek-Konzern mit Sitz in Außig war u. a. im Braunkohlenabbau in der Lausitz engagiert. Um ihn zu ,arisieren‘, konstruierte die Finanzbehörde eine immense Steuerschuld, zu deren Tilgung das zurückgelassene Privatvermögen der Petscheks eingezogen 370
371
Vgl. nicht bezeichneter Durchdruck in der Mappe Wiederaufbau Richtlinien. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien. Vgl. BRIEL, Verhältnis, 73 ff.
Das Wiederaufbauprogramm
101
wurde.372 Jürgens informierte zunächst die Preußische Staatsbibliothek über diese Auktion. Schnütgen zeigte sich wenig interessiert an den Büchern, die für die Preußische Staatsbibliothek seines Erachtens keine Bereicherung darstellten. Doch Jürgens war entschlossen, die Gelegenheit zu nutzen und gleichsam exemplarisch das Interesse seiner Dienststellen an der beschlagnahmten Literatur im Besitz der Finanzbehörden durchzusetzen.373 Am 21. Mai 1942 wandte er sich an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg und bat darum, „daß dem Reich verfallene Bücherbestände, soweit es sich nicht um kleine Bibliotheken und einzelne Bände handelt, der Reichstauschstelle angeboten werden.“ Kleine Mengen sollten unentgeltlich abgeben werden, „während beim Vorliegen von Steuerschulden etc. und bei wertvolleren Beständen auch ein Ankauf in Frage kommt.“374 Damit überschritt Jürgens bewusst die Möglichkeiten seiner Dienststelle, denn die Reichstauschstelle verfügte zu diesem Zeitpunkt noch über keinerlei Ankaufsmittel. Kurze Zeit später teilte Krüß dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung mit, dass das Beschaffungsamt – welches anders als die Reichstauschstelle einen Erwerbungsetat hatte – beabsichtige, die englischen und französischen Bücher aus der Bibliothek Petschek zu erwerben, und sie zur Besichtigung nach Berlin kommen lassen wolle.375 Jürgens’ Vermutung, dass sich unter ihnen bedeutende Rara befänden, bewahrheitete sich nicht. Dennoch verfolgte er sein Anliegen gegenüber den Finanzbehörden unbeirrt weiter. Er kritisierte ihre Praxis, zugunsten des Reichsfiskus eingezogene Büchersammlungen öffentlich versteigern zu lassen. Der Gesichtspunkt, dass die auf den Auktionen erzielten Preise die Vorkriegspreise erheblich überschritten, sollte „bei einer Beschaffung aus Staatsmitteln für ein anderes Ministerium nicht in Betracht kommen.“ Die Sammlungen sollten „zu einem von Buchhändlern und Sachverständigen festgesetzten Preis einem Bücherfonds“ zugewiesen werden. Dies bedeutete, dass das Reichsministerium der Finanzen „den Wert der Bücher einesteils in Einnahme stellt und gleichzeitig durch Bewilligung in gleicher Höhe wieder verausgabt.“376 Beim Finanzamt Moabit-West erreichte Jürgens, dass die Reichstauschstelle im Sommer 1943 die „741 (oder 722?) Bände“ aus der Sammlung Petschek für einen etwas geringeren als den maximalen Schätzpreis, nämlich für 10.000 Reichsmark, ankaufen konnte, nachdem sie
372 373
374
375
376
Zu den Vorgängen um die ,Arisierung‘ des Petschek-Konzerns: FRIEDENBERGER, Berliner Finanzamt, 686 ff. Schnütgen, 23. 4. 1942. Auf dem Schreiben Jürgens’ handschriftliche Bemerkung vom 23. 5. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 1 Bibliothek Petschek. Jürgens an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, z. Hd. von Oberregierungsrat Biedermann, 21. 5. 1942. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 1 Bibliothek Petschek. Krüß an den Minister (Entwurf), 12. 6. 1942, abgesandt 13. 6. 1942. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 1 Bibliothek Petschek. Jürgens an RMWEV, durch den GD der PSB, 13. 7. 1942 (Durchdruck). SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 1 Bibliothek Petschek. Jürgens exemplifizierte seine Ausführungen über die Auktionserlöse anhand der Bibliothek Petschek. Für sie könne sicher ein „Preis von 10.000.– RM bis 12.000.– RM erreicht, wenn nicht erheblich überschritten“ werden. Angemessen seien jedoch 6.000 RM.
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Die Reichstauschstelle
durch den von der Industrie- und Handelskammer bestellten Gutachter Max Niederlechner377 taxiert worden waren.378 Als Reaktion auf Jürgens’ Schreiben an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg vom 21. Mai 1942 ließ der Referatsleiter im Bereich „Verfallene Vermögen“, Oberregierungsrat Günther Biedermann,379 eine Verfügung an alle Finanzämter in seinem Amtsbereich ergehen.380 Jürgens’ Formulierungen wörtlich übernehmend forderte er darin die Finanzämter auf, der Reichstauschstelle entsprechende Angebote zuzuleiten. Im Ergebnis dieses Rundschreibens erhielt die Reichstauschstelle am 1. August 1942 vom Finanzamt Berlin-Wilmersdorf-Nord eine Sendung mit vierzehn Büchern von Autoren, wie Frank Wedekind, Heinrich und Thomas Mann, Alfred Kerr, August Bebel, Lion Feuchtwanger, und einem jüdischen Gebetbuch.381 Diese Literatur, welche die Finanzbehörden unentgeltlich abzugeben bereit waren, war allerdings kaum geeignet, die Kriegsverluste der wissenschaftlichen Bibliotheken zu ersetzen. Nachdem Jürgens sein Anliegen noch einmal verdeutlicht hatte, kam es im Herbst 1942 zu einer Vereinbarung zwischen dem Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg und der Reichstauschstelle. Alle Bücherbestände, „soweit es sich nicht um kleinste Bibliotheken oder Einzelbände handelt“, sollten der Reichstauschstelle angeboten werden.382 Zweifellos rechneten die Finanzbehörden nunmehr damit, dass die Reichstauschstelle, wenn sie an den Büchern interessiert war, diese ankaufen würde und nicht mehr auf einer unentgeltlichen Übereignung bestand. Auf dieser Grundlage kaufte die Reichstauschstelle die Bibliotheken der Berliner Ägyptologin und Kunsthistorikerin Hedwig Fechheimer und des Berliner Arztes Hans Hirschfeld.383 Die Vermögensverwertungsstelle gewährte, da die Finanzierung des Wiederaufbauprogramms im Reichsministerium der Finanzen noch nicht beschlossen worden war, einen Zahlungsaufschub.
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Niederlechner leitete von 1928–1970 das Antiquariat der Hirschwaldschen Buchhandlung Unter den Linden 68. 1921 kauften Ferdinand und Julius Springer die Buchhandlung und den Verlag von August Hirschwald. 1941 wurde die Hirschwaldsche Buchhandlung in Lange & Springer umbenannt. SARKOWSKI, Springer-Verlag, 245 ff. und 371. Niederlechner fungierte als Vermittler zwischen den Finanzbehörden und der RTS und als Gutachter und Schätzer der eingezogenen Bibliotheken jüdischer Eigentümer, die die RTS von den Finanzbehörden erwarb. Ankauf am 23. 4. und 13. 7. 1943 laut Deckblatt der Akte. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 1 Bibliothek Petschek. Vgl. BRIEL, Verhältnis, 73. FRIEDENBERGER, Fiskalische Ausplünderung, 268, Anm. 3. Der Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, i. A. Biedermann, an die RTS im RMWEV, 2. 6. 1942. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Wpr 2 Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg. Finanzamt Wilmersdorf-Nord, Vollstreckungsstelle, gez. Dr. [Otto] Dennert, an die RTS im RMWEV, o. D., Eingangsdatum mit Bleistift: „1. 8. 42“, darunter, ebenfalls mit Bleistift „Z“ und daneben „best.“ SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Wpr 2 Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg. Otto Dennert war Vorsteher des Finanzamts Wilmersdorf-Nord. Zu seiner Tätigkeit vgl. FRIEDENBERGER, Fiskalische Ausplünderung, 310 ff. Der Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, Vermögensverwertungsstelle, i. A. gez. Böttcher, an Max Niederlechner, 20. 11. 1942 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Wpr 2 Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg. EBD.
Das Wiederaufbauprogramm
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2.4.2.3 Die Bücher aus den Berliner ‚Judenwohnungen‘ Fast gleichzeitig bemühte sich Jürgens um die in den Wohnungen der deportierten Juden zurückgelassenen Bücher. Aufgrund der Elften Verordnung zum Reichbürgergesetz verfiel seit 1941 das gesamte Vermögen der in die Vernichtungslager im Osten verschleppten jüdischen Bürgerinnen und Bürger dem Reich und unterstand daher der Finanzverwaltung.384 Für diese war die ‚Verwertung‘ des beweglichen Vermögens der Deportierten mit einer erheblichen Verwaltungstätigkeit verbunden. Die Finanzbehörden waren interessiert, diesen Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten, um sich ganz auf die fiskalisch ergiebigen Aktiva zu konzentrieren. Ende 1941 gab deshalb das bereits seit 1933 auf die steuerliche Ausplünderung jüdischer Emigranten spezialisierte Finanzamt Berlin-Moabit die Räumung der Wohnungen und den Verkauf der Wohnungseinrichtungen in Berlin an die Wirtschaftgruppe Einzelhandel/ Zweckgemeinschaft Gebrauchtwarenhandel ab. Weil die Gebrauchtwarenhändler ihrer Zusage, die Wohnungen innerhalb einer Woche zu räumen, oftmals nicht nachkamen, kündigte das Finanzamt den am 30. Oktober 1941 geschlossenen Vertrag. An die Stelle der Wirtschaftsgruppe Einzelhandel trat am 1. Dezember 1942 das Hauptwirtschaftsamt der Stadt Berlin, „das die Weiterveräußerung der Einrichtungsgegenstände aus den Wohnungen deportierter Juden von seiner Außenstelle-Gebrauchtmöbel, […] oder über die Städtische Pfandleihanstalt übernahm.“385 Für Bücher, Kunstgegenstände und Schmuck bestand seit dem 27. April 1942 eine gesonderte Regelung. Sie wurden, ebenso wie manche raren Gebrauchsgegenstände, z. B. Schreibmaschinen, oder die für die Produktion von Wehrmachtsbekleidung im Ghetto Litzmannstadt benötigten Nähmaschinen, nicht mit verkauft, sondern mussten von den Gebrauchtwarenhändlern zur Verfügung des Oberfinanzpräsidiums eingelagert werden.386 Wie aus dem Schriftwechsel zwischen Jürgens und der Stadt Berlin hervorgeht, hatte die Stadt schon früher, nämlich am 7. Februar 1942, von den Finanzbehörden „den Inhalt einer bestimmten Anzahl von Judenwohnungen käuflich erworben.“ Die Bücher aus diesen Wohnungen wurden von der Städtischen Pfandleihanstalt verwaltet. Am 1. Dezember 1942 beanspruchte Jürgens von den Berliner Behörden, die noch vorhandenen Bücher unentgeltlich zu erhalten, da sie nach seiner Ansicht ohnehin nur noch Makulaturwert besaßen. Der Vertreter der Stadt Berlin, Lindig, lehnte dieses Ansinnen am 6. Januar 1943 in einem Schreiben an das Oberfinanzpräsidium Berlin-Branden384
Vgl. FRIEDENBERGER, Fiskalische Ausplünderung, 267 ff. Die Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz wurde am 25. 11. 1941, einen Monat nach Beginn der Massendeportationen, erlassen. 385 Martin Friedenberger geht ausführlich auf diese Vorgänge ein. Die Finanzverwaltung drängte u. a. deshalb auf die rasche Räumung der Wohnungen der Deportierten, weil andernfalls die Mietforderungen für die Wohnungen der Deportierten auf sie übergingen. Die Wirtschaftsgruppe Einzelhandel/Zweckgemeinschaft Gebrauchtwarenhandel sollte „die Wohnungseinrichtungen komplett übernehmen und den Verkauf über die ihr verbundenen Händler organisieren“. FRIEDENBERGER, Fiskalische Ausplünderung, 293 f., Zitat S. 296. Der Stadtverwaltung war daran gelegen, sowohl mit den ,freiwerdenden Wohnungen‘ als auch mit den Möbeln und dem Hausrat die bombenkriegsgeschädigte ,arische‘ Bevölkerung zu versorgen. Für die Wohnungseinrichtungen zahlte die Stadt Berlin einen Schätzpreis abzüglich 30 Prozent. FRIEDENBERGER, Fiskalische Ausplünderung, 293, 296 ff., 301 ff. 386 Zu der Rolle des Finanzamts Berlin-Moabit vgl. FRIEDENBERGER, Berliner Finanzamt.
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Die Reichstauschstelle
burg kategorisch ab.387 Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Stadtverwaltung mit der Veräußerung des Hausrates in den zurückliegenden Monaten nicht den erhofften Gewinn hatte erzielen können. Weil „die verauslagten Pauschalpreise in der Gesamtsumme nicht erreicht“ würden, werde, so Lindig, das Oberfinanzpräsidium gemäß dem Vertrag vom 7. Februar 1942 den Kaufpreis nachträglich ermässigen müssen. Eine unentgeltliche Abgabe der noch vorhandenen Bücher an die Reichstauschstelle käme nur in Frage, wenn das Reich, vertreten durch das Oberfinanzpräsidium, die Kosten trüge.388 Gemäß diesem Vertrag stellte die Stadt Berlin dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg „das vorgefundene jüdische und verbotene Schrifttum“ zur Verfügung und musste, falls Interesse daran bestand, es dessen Vertretern unentgeltlich überlassen. Diese wählten „eine größere Anzahl von Büchern“ aus. Die übrigen verkaufte die Stadt „zum Teil an Buchhändler […], die sich zum Erwerbe dieser Schriften [verbotener Literatur, C. B.] als ermächtigt ausgewiesen“ hatten. Ende des Jahres 1942 waren noch etwa 2.000 Bände vorhanden. Lindig ging davon aus, dass diese pro Band den „wenn auch geringen Handelswert“ von 20 Pfennig – also insgesamt ca. 400 Reichsmark – hatten.389 Vermutlich verzichtete Jürgens auf den Kauf der Bücher. Der Vorgang illustriert das eingespielte Ineinandergreifen öffentlicher und privater ,Arisierungs‘gewinner. Eine Rauborganisation des NS-Regimes, wie der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, setzte sich jedoch durch Ausnahmeregelungen über das Verwaltungshandeln hinweg. Trotz seiner Anstrengungen konnte Jürgens mit seinem – seiner Ansicht nach völlig legitimen – Anspruch auf Beteiligung seiner Dienststelle in diese Strukturen nicht eindringen. Nachdem Ende 1942 das Oberfinanzpräsidium die „Bearbeitung [aller, C. B.] Bücherbestände in beschlagnahmten Wohnungen“ der Stadt Berlin übertragen hatte, wandte sich Jürgens am 9. April 1943 an das zuständige Hauptwirtschaftsamt in Berlin-Schöneberg und bekundete abermals sein Interesse. Er betonte, dass die Reichstauschstelle „größere derartig anfallende Bibliotheken bisher von dem Herrn Landes-Finanzpräsidenten des Bezirkes Berlin gekauft“ habe.390 Dennoch erhielt die Reichstauschstelle auch nach diesem erneuten Vorstoß mutmaßlich keine Bücher und Büchersammlungen deportierter Juden von der Stadt Berlin. Offenbar 387
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Der Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin, i. V. Lindig, an die RTS; Abschrift bzw. Durchdruck eines Schreibens der gleichen Behörde an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, Vermögensverwertungsstelle, 6. 1. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Wpr 2 Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg. Lindig bezog sich auf ein nicht überliefertes Schreiben Jürgens’ vom 1. 12. 1942. Nach Friedenberger hatte die Stadt Berlin schon 1941 „Judenwohnungen für Obdachlose nach Luftangriffen“ übernommen, der käufliche Erwerb der Wohnungseinrichtungen wurde jedoch erst am 7. 2. 1942 geregelt. FRIEDENBERGER, Fiskalische Ausplünderung, 297, Anm. 114. Der Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin, i. V. Lindig, an den Oberfinanzpräsidenten BerlinBrandenburg, Vermögensverwertungsstelle, 6. 1. 1943 (Durchdruck für die RTS). Adresse der Behörde: Städtische Pfandleihanstalt, Abtl. IV, Berlin N4, Elsässerstr. 74. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Wpr 2 Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg. EBD. „Die Ergebnisse der Verkäufe, die noch fortgesetzt werden, zeigen“, so Lindig, „daß Nachfrage berechtigter Stellen vorhanden ist, von welchen nicht angenommen werden kann, daß sie ihre Schränke mit wertloser Makulatur füllen werden.“ RTS, Jürgens, an das Hauptwirtschaftsamt Berlin-Schöneberg, Hauptstraße 45, 9. 4. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Wpr 2 Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg.
Das Wiederaufbauprogramm
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war über die Bücher aus den ‚Judenwohnungen‘ inzwischen anderweitig entschieden worden: Im April 1943 erwarb die Berliner Stadtbibliothek 40.000 in der Städtischen Pfandleihanstalt lagernde Bände für 45.000 Reichsmark.391
2.4.3 Die Vorbereitungen des Wiederaufbauprogramms durch die beteiligten Ministerien Jürgens’ Konzeption für den Wiederaufbau stimmten die Verantwortlichen im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zu. Einem Schreiben des Staatssekretärs Zschintzsch vom 21. Oktober 1942 an das Reichsministerium der Finanzen lag unverkennbar Jürgens’ Konzeption zugrunde. Zschintzsch schlug vor, eine Besprechung zwischen den beteiligten Ministerien, also dem Reichsministerium der Finanzen, dem Reichsministerium des Innern und dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung anzusetzen, um die Einzelheiten des Vorhabens zu klären.392 Im Reichsministerium des Innern bestanden zunächst Bedenken gegen die Entschädigung mit Ersatzliteratur; üblich war, dass bei Luftangriffen geschädigte Institutionen Geldleistungen empfingen.393 Im Reichsministerium der Finanzen führte vor allem Jürgens’ Plan, die im Besitz der Dienststellen der Reichsfinanzverwaltung befindliche beschlagnahmte Literatur für den Wiederaufbau zu verwenden, zu langwierigen Erwägungen. Dabei stellte sich heraus, dass bereits eine Reihe überaus machtvoller Kontrahenten ihr Interesse an den in Frage kommenden Beständen angemeldet hatte. Anspruch auf ein sehr enges Fachgebiet erhob die 2. Stabsgruppe des Chefs der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres – die Dolmetscher-Lehr-Abteilung. Sie interessierte sich für „fremdsprachige Literatur, insbesondere Wörterbücher, Enzyklopädien, Lexika und Fachliteratur“, die sie „ohne Wertausgleich“ für ihre Zwecke erhielt.394 Die Interessen des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg erstreckten sich auf ein weitaus umfangreicheres Gebiet. Ihm hatte der Reichsminister der Finanzen in einer Verfügung vom 21. März 1942 über „Eingezogenes und verfallenes Vermögen“ die Überstellung „jüdischen Schrifttums und sonstiger kultureller und künstlerischer Erzeugnisse jüdischen Schaffens“, die der „Erforschung der Judenfrage“ dienen sollten, zugesichert. Die Dienststellen der Reichsfinanzverwaltung waren 391 392 393
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GERLACH, Unrechtmäßiger Buchbesitz, 310 f. RMWEV, i. V. gez. Zschintzsch, an den RMF, 21. 10. 1942. BArch R 2/12423, Bl. 2. Trotz seiner Vorbehalte stimmte der zuständige Referent im RMI, Danckelmann, dem Vorhaben des Wiederaufbaus zu. RMWEV: Abschrift eines Schreibens des RMI, i. A. Dr. [Bernhard] Danckelmann, 24. 11. 1942 (Abschrift für Ministerialrat [Friedrich] Baccarcich). BArch R 2/12423, Bl. 12. Vgl. auch: Niederschrift über die mündliche Verhandlung in der Angelegenheit betreffend den Wiederaufbau deutscher wissenschaftlicher Bibliotheken, die durch Feindeinwirkung beschädigt oder zerstört wurden, am 23. März im Reichserziehungsministerium. BArch R 4901/15090, Bl. 176 ff., 177. Abschrift eines Schreibens der 2. Stabsgruppe des Chefs der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, Dolmetscher-Lehr-Abteilung, an die Oberfinanzpräsidenten, 1. 7. 1942. BArch R 2/12423, 18/6.43. Die Abschrift ging am 8. 2. 1943 im RMF ein.
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Die Reichstauschstelle
gehalten, sich wegen der den Einsatzstab interessierenden Bestände mit diesem in Verbindung zu setzen. Der Einsatzstab behielt sich dann vor, „durch seine Beauftragten darüber Entscheidung zu treffen, ob eine Abgabe an den Einsatzstab gewünscht wird oder nicht.“ Ebenso wie der Wehrmacht wurde dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg die beschlagnahmte und eingezogene Literatur unentgeltlich überstellt.395 Ein ähnliches Sammelinteresse verfolgte die Zentralbibliothek des Reichssicherheitshauptamtes. Durch die institutionelle Nähe zu den Dienststellen der Geheimen Staatspolizei hatte sie einen entscheidenden Machtvorteil, den sie nutzte, um die Finanzbehörden zu umgehen. Am 12. August 1942 ordnete das Reichssicherheitshauptamt in einem Schreiben an die Staatspolizeistellen an: „Vor allem in den Fällen, in denen im Zuge der laufenden Judenabschiebungen zu treffenden vermögensrechtlichen Maßnahmen festgestellt wird, daß ein Jude im Besitz einer Privatbibliothek grösseren Umfanges ist, die auch inhaltlich aus dem Rahmen des Alltäglichen herausfällt, ist vor der Übergabe der beschlagnahmten, eingezogenen oder verfallenen Vermögenswerte an den zuständigen Oberfinanzpräsidenten sofort das Amt VII des Reichssicherheitshauptamtes zu unterrichten. Dieses wird durch Fachkräfte die Bibliotheken sichten und die Auswahl der für die Arbeit der Sicherheitspolizei und des SD in Frage kommenden Bücher treffen lassen. […] Die ausgewählten Bücher werden vom Amt VII übernommen.“ Nachdem die in Frage kommenden Bücher ausgesondert waren, hatten „die Staatspolizei(leit)stellen sofort mit dem zuständigen Oberfinanzpräsidenten wegen der unentgeltlichen Überlassung dieser Bücher an das Reichssicherheitshauptamt Fühlung zu nehmen. Die Oberfinanzpräsidenten, die vom Reichsfinanzminister mit entsprechenden Weisungen versehen werden, sind darauf hinzuweisen, daß dieses Verfahren vorerst die letzte Möglichkeit der Buchbeschaffung zum Aufbau einer Zentralbibliothek im Reichssicherheitshauptamt bietet und daher an der Zuweisung der Bücher größtes sowie reichswichtiges Interesse besteht.“396 Und noch eine vierte Institution hatte Interesse an den beschlagnahmten Büchern: die Reichskammer der bildenden Künste. Der zuständige Referent im Reichsministerium der Finanzen ordnete im September 1942 an, dass „Kunstgegenstände (Bilder, Plastiken usw.), die nicht von vornherein als minderwertige Erzeugnisse anzusehen sind“, nicht veräußert werden dürfen. Sie seien „in geeigneter Weise zu lagern und dem zuständigen Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste zu melden. Der Landesleiter wird binnen Monatsfrist erklären, ob ein museales Interesse für diese Gegenstände besteht.“ Die Oberfinanzpräsidenten waren angewiesen, „auch künstlerisch bedeutsame Erzeugnisse der Druckerpresse, wertvolle Handschriften und Zeichnungen (Inkunabeln, Wiegendrucke, Graphiken usw.) den Landesleitern der Reichskammer der bildenden Künste zu melden.“397 395
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RMF: Eingezogenes und verfallenes Vermögen, an die Oberfinanzpräsidenten – außer Prag –, 21. 3. 1942 (gedruckte Verfügung). BArch R 2/12423, 18/6.43, Bl. 14. Reichssicherheitshauptamt, i. V., gez. [Heinrich] Müller, an alle Staatspolizei(leit)stellen – außer Prag und Brünn –, den Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD – Abwicklungsstelle der Zentralstelle für jüdische Auswanderung Wien, 12. 8. 1942. BArch R 2/12423, Bl. 15. Abschrift eines Schreibens des RMF, i. A. gez. Maass [Otto Maaß], an den RMVP, 10. 9. 1942, für die Oberfinanzpräsidenten – außer Prag –. BArch R 2/12423, Bl. 16.
Das Wiederaufbauprogramm
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Die Prüfung der Ansprüche innerhalb des Reichsministeriums der Finanzen offenbarte, dass die Absicht, den wissenschaftlichen Bibliotheken durch Bücher aus dem Reichsfiskus verfallenen oder eingezogenem Vermögen kostengünstig Ersatz für ihre Kriegsverluste zu schaffen, auf den Widerstand einiger mächtiger Institutionen des NS-Staates stoßen würde, die ihrerseits miteinander konkurrierten. Darüber hinaus war dem Reichsministerium der Finanzen und den ihm nachgeordneten Finanzbehörden an der ertragreichen und möglichst aufwandsarmen ,Verwertung‘ der durch Beschlagnahme und Einziehung in ihren Besitz gelangten Vermögen gelegen. Dieses Interesse stellten sie zwar gegenüber den genannten NS-Behörden zurück. Wenn es jedoch um die Begleichung der gegen die jüdischen Eigentümer konstruierten Steuerschuld ging, forderte das Reichsministerium der Finanzen auch vom Reichssicherheitshauptamt, „anteilig nach dem Wert der übernommenen Gegenstände für die zu begleichenden Schulden“ zu haften.398 Ein Beamter aus dem Referat VI des Reichsministeriums der Finanzen schien schließlich einen gangbaren Weg gefunden zu haben, die wissenschaftlichen Bibliotheken bei der Verteilung der Bücher aus verfallenem und eingezogenem Vermögen zu berücksichtigen. Er deklarierte wissenschaftliche Bücher als „wertvolles Kulturgut“. Üblicherweise behielt sich das Reichsministerium der Finanzen vor, selbst über die ,Verwertung‘ von Kulturgut zu entscheiden. Der Beamte versicherte, „die nachgeordneten Dienststellen der Reichsfinanzverwaltung gelegentlich noch ausdrücklich“ auf diesen Umstand hinzuweisen. Zugleich dämpfte er die Hoffnung; nach seinen Erfahrungen fielen „Bücher wissenschaftlichen Inhalts bei der Durchführung der Steuergesetze […] nur selten“ an.399 Ebenso gründlich prüften die Beamten des Reichsministeriums der Finanzen Jürgens’ Vorschlag, Bücher aus dem Generalgouvernement für den Wiederaufbau der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken zu verwenden. Ministerialrat Hermann Burmeister forderte am 20. November 1942 dazu eine Stellungnahme von der Hauptabteilung Finanzen der Regierung des Generalgouvernements an, die ihrerseits die Hauptabteilung Wissenschaft und Unterricht in der Regierung konsultierte.400 Die Kultusbehörde in Krakau sprach sich mit Nachdruck gegen diese Pläne aus. Sie stünden im Widerspruch zu der bisher auch vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung im Generalgouvernement betriebenen Bibliothekspolitik.401 In einer Unterredung mit Kummer erreichte Gustav Abb, Direktor der Universitätsbibliothek Berlin, Kommissar für den Bibliotheksschutz in den besetzten Ostgebieten und Leiter der Hauptverwaltung der Bibliotheken in der Kultusbehörde des Generalgouvernements, dass Jürgens’ Vorhaben, das „[s]chon aus staatsrechtlichen Gründen“ unmöglich war,
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RMF, i. A. Maass, an die Oberfinanzpräsidenten – außer Prag –, 10. 9. 1942. BArch R 2/12423, Bl. 17. Referat VI/16, gez. Engelbrecht, an die Abteilung I, 30. 11. 1942. BArch R 2/12423, Bl. 22. Das Schreiben des Leiters der Hauptabteilung Wissenschaft und Unterricht, Ludwig Eichholz, vom 16. 12. 1942 ist abgedruckt in: MĘŻYŃSKI, Biblioteki naukowe, 141 ff. Abschrift eines Schreibens der Regierung des Generalgouvernements, Hauptabteilung Finanzen, Abt. I, gez. Dr. v. Streit, an den RMF, z. Hd. von Ministerialrat [Hermann] Burmeister, Krakau, 8. 1. 1943, für den Referenten Dr. Baccarcich. BArch R 2/12423, Bl. 23 f.
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Die Reichstauschstelle
zurückgezogen wurde. Kummer und Jürgens beteuerten, dass sie nicht an eine Besitzüberweisung der Bibliotheken des Generalgouvernements, sondern lediglich jener in Posen und Litzmannstadt402 gedacht hätten.403 Damit war Jürgens mit seinem Plan, Bibliotheksbestände aus Warschau, Krakau, Lublin und Lemberg für den Wiederaufbau deutscher Bibliotheken heranzuziehen, in die Schranken gewiesen. Um das Wiederaufbauprogramm zu finanzieren, erwog das Reichsministerium der Finanzen, jene Mittel, die als Entschädigungszahlungen für die Zerstörungen im Ersten Weltkrieg an die Universitätsbibliothek Leuven flossen, für den Wiederaufbau deutscher wissenschaftlicher Bibliotheken einzusetzen.404 Für die Erwerbungen im besetzten Frankreich stellte es im Januar 1943 eine Million Reichsmark in Devisen in Aussicht, die aus den Besatzungskosten, die die französische Regierung zu zahlen hatte, genommen werden sollten. Der zuständige Beamte machte lediglich zur Bedingung, dass die Ankaufsmittel auf diesen Umfang zu beschränken seien.405
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Łódź (deutsch Lodz oder Lodsch) wurde 1940 nach dem deutschen General Karl Litzmann (1850–1936) in Litzmannstadt umbenannt. Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte Łódź nicht zur preußischen Provinz Posen, sondern zu Russland. Abb begründete die entschiedene Weigerung damit, dass die deutschsprachige Literatur in den vier von der deutschen Besatzung gebildeten Staatsbibliotheken in Warschau, Krakau, Lublin und Lemberg „zum Teil veraltet oder durch Kriegseinflüsse lückenhaft geworden“ sei. Eine Abgabe von Buchbeständen würde die Leistungsfähigkeit der Staatsbibliotheken mindern. „Neben den eigentlichen Universitätsbibliotheken sind von den 4 genannten Staatsbibliotheken auch Bibliotheken von Instituten und Seminaren zu erheblichem Teil in beschädigtem und lückenhaftem Zustand übernommen worden. Die deutsche Bibliotheksverwaltung ist damit beschäftigt, aus diesen Beständen die Lücken der Hauptbibliotheken zu ergänzen. Die übrigbleibenden Doppelstücke sollen zum Ausbau der Handbibliotheken der Sektionen des Institutes für Deutsche Ostarbeit und anderer wissenschaftlicher Institute des Generalgouvernements verwendet werden.“ Abb erinnerte daran, dass die von ihm vertretenen bibliothekspolitischen Maßnahmen im Generalgouvernement bislang vom RMWEV mitgetragen worden seien. „Die endgültige Planung sowohl über das Gebiet des Generalgouvernements im Allgemeinen, wie über den Aufbau der Wissenschaftspflege in seinem Raum im besonderen muß der Zeit nach Beendigung des Krieges überlassen bleiben. Es wäre deshalb unzweckmäßig, jetzt schon anderweitige Entschlüsse zu fassen, die späteren Entscheidungen vorauseilen.“ Abschrift eines Schreibens der Regierung des Generalgouvernements, Hauptabteilung Finanzen, Abt. I, gez. Dr. v. Streit, an den RMF, z. Hd. von Ministerialrat Burmeister, Krakau, 8. 1. 1943, für den Referenten Dr. Baccarcich. BArch R 2/12423, Bl. 23 f. Der Fonds umfasste im November 1942 noch 2 Millionen RM. Jürgens war über das Verfahren, mit dem die Reparationsleistungen für die Universitätsbibliothek Leuven abgewickelt wurden, nämlich durch die Bildung einer Einkaufsgesellschaft, unterrichtet. Die Einstellung dieser Leistungen war jedoch nicht Bestandteil seiner Konzeption für den Wiederaufbau. Die Lieferungen an die Bibliothek in Leuven wurden von dem Direktor der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a. M., Richard Oehler, als Staatskommissar überwacht. Die Beamten des RMF veranlassten, dass der Liefervertrag baldmöglichst, und zwar zum 1. 5. 1943, gekündigt wurde. „Nach Ablauf dieser Frist ist beabsichtigt, den Rest des Fonds zugunsten des Reichs – erforderlichenfalls unter Inanspruchnahme des Militärbefehlshabers in Brüssel – zu vereinnahmen.“ Internes Schreiben im RMF, i. A. gez. Litter vom Referat V/I an die Abteilung I, 18. 11. 1942. BArch R 2/12423, Bl. 18. Dr. [Walter] Bußmann, an Ref. Dr. Baccarcich, 7. 1. 1943. BArch R 2/12423, Bl. 25.
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Zum 23. März 1943 lud Kummer Vertreter der beteiligten Ministerien sowie Krüß und Jürgens in das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ein.406 Mittlerweile waren zwei Millionen Bände in den deutschen öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken durch die Luftangriffe der Alliierten vernichtet worden. In seiner Einführung erklärte Kummer, dass der Wiederaufbau beschädigter und zerstörter Bibliotheken noch vor Kriegsende in Angriff genommen werden müsse. „Die Flucht in die Sachwerte“ habe, so Kummer, „eine ungeheure Überteuerung der auf dem freien Büchermarkt noch vorhandenen Bestände durch gegenseitiges Überbieten zur Folge.“ Durch staatliches Handeln müsse verhindert werden, dass die Preise für die dringend benötigte Ersatzliteratur weiter anstiegen. „Der Verschleuderung öffentlicher Mittel durch die geschädigten Bibliotheken Einhalt zu gebieten“ sei ein Grund, den Wiederaufbau zentral zu regeln. Der andere war, dass es in Frankreich und den Niederlanden große und wertvolle Büchermengen gab, die von deutschen Dienststellen außerordentlich günstig zu erwerben sein würden. In Kummers Diktion hieß dies, sie sollten „zentral erfaßt“ werden, „damit sie einheitlich gelenkt den betroffenen Bibliotheken zugeführt werden können.“ Kummer folgte weitgehend Jürgens’ Konzeption, als er den Schwerpunkt auf die Erwerbung der von den „Hinterbliebenen verstorbener Professoren“ angebotenen Privatbibliotheken legte. Daneben sollten die in den wissenschaftlichen Bibliotheken vorhandenen Dublettenbestände für die Zwecke des Wiederaufbaus bereitgehalten und keinesfalls an „Privatpersonen, deren zum Teil umfangreiche Bibliotheken vernichtet“ worden waren, verkauft werden.407 Der Vertreter des Reichsministeriums des Innern, Oberregierungsrat Vollprecht, sagte zu, dass die wissenschaftlichen Bibliotheken im Bereich des Reichsministeriums des Innern angewiesen würden, ihre Dublettenbestände für den Wiederaufbau zur Verfügung zu halten.408 Zweifellos verfügte die Zentralbibliothek des Reichssicherheitshauptamts wegen ihres weitreichenden Anspruchs auf beschlagnahmte Literatur aus dem In- und Ausland über besonders große Dublettenbestände. Ohne dies genauer zu präzisieren, stellte dessen Vertreter, Karl Burmester, die „weitgehende Unterstützung durch das Reichssicherheitshauptamt in Aussicht“. Im Gegenzug beanspruchte er, dass die Zentralbibliothek des Reichssicherheitshauptamts bei Ersatzleistungen im Schadensfall mit berücksichtigt werde.409 406
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Außer ihm nahmen Ministerialrat Heinz Dähnhardt und Amtsrat Latzel für das RMWEV, Ministerialrat Friedrich Baccarcich, Regierungsrat Borchers und Oberregierungsrat Geilenbrügge für das RMF, Oberregierungsrat Vollprecht für das RMI und SS-Sturmbannführer Karl Burmester für das Reichssicherheitshauptamt teil. Dähnhardt war im RMWEV zuständig für das Volksbüchereiwesen. Von den Planungen für den Wiederaufbau waren auch die von den Gemeinden unterhaltenen Bibliotheken tangiert, insofern sie den Charakter wissenschaftlicher Stadtbibliotheken hatten. Niederschrift über die mündliche Verhandlung in der Angelegenheit betreffend den Wiederaufbau deutscher wissenschaftlicher Bibliotheken, die durch Feindeinwirkung beschädigt oder zerstört wurden, am 23. März im Reichserziehungsministerium. BArch R 4901/15090, Bl. 176 ff., Bl. 178. EBD., Bl. 176. EBD., Bl. 177. Bibliotheken, die dem RMI unterstanden, waren solche, die direkt aus dem Reichshaushalt finanziert wurden. An welche dabei gedacht war, führte Vollprecht nicht aus. EBD., Bl. 179.
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Amtsrat Karl Latzel, Kummers Mitarbeiter, schlug vor, mit der Ermittlung der Schäden den Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten zu beauftragen. Bibliothekare und nicht die Feststellungsbehörden410 sollten den Geldwert der Schäden festlegen.411 Krüß und Jürgens bezweifelten, dass die Verluste exakt berechnet werden könnten. Kummer betonte, dass es beim Wiederaufbau der Bibliotheken nicht darauf ankomme, „die vernichteten Bücher wiederzubeschaffen“, was bei Kostbarkeiten gar nicht möglich sei, sondern darauf, „daß die betreffende Bibliothek in den Stand gesetzt wird, ihre Aufgaben wieder zu erfüllen.“412 Schließlich erklärte er, dass das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung eine Stelle mit der Bezeichnung „Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten. Reichstauschstelle. Abteilung für den Wiederaufbau von Bibliotheken“ einrichten und mit der Durchführung des Wiederaufbauprogramms beauftragen werde.413 Der Vertreter des Reichsministeriums der Finanzen, Ministerialrat Friedrich Baccarcich, sicherte zwei Millionen Reichsmark für die Literaturbeschaffung im Inland und in Frankreich zu. In der wochenlang diskutierten Frage der beschlagnahmten Literatur aus dem Besitz der Finanzbehörden verwies er auf die Ansprüche der NS-Stellen und erklärte lediglich, dass das Reichsministerium der Finanzen nachprüfen wolle, „ob und in welchem Umfange die Entscheidungen […] zugunsten des Wiederaufbaus zerstörter Bibliotheken abzuändern sind.“414
2.4.4 Die Regelungen zur Durchführung des Wiederaufbaus 2.4.4.1 Das Verfahren der Schadensmeldung und der Ersatzleistungen für die Bibliotheken Ein Erlass des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 13. August 1943 informierte die deutschen Bibliotheken über die Modalitäten des Wiederaufbaus und die Richtlinien für die Schadensmeldung.415 Nach einem vorgegebenen Schema sollten betroffene Bibliotheken eine Schadensaufstellung beim Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten einreichen. Die „Abwicklung der Vorschüsse“ unterschied sich danach, ob sich die
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Feststellungsbehörden wurden die jeweils zuständigen Verwaltungsbehörden genannt. Sie nahmen „die Anträge der Geschädigten auf Sach- und Nutzungsentschädigungen“ an. SCHWANDT, Kriegssachschädenrecht, 172 ff. Niederschrift über die mündliche Verhandlung in der Angelegenheit betreffend den Wiederaufbau deutscher wissenschaftlicher Bibliotheken, die durch Feindeinwirkung beschädigt oder zerstört wurden, am 23. März im Reichserziehungsministerium. BArch R 4901/15090, Bl. 176 ff., Bl. 178. EBD. EBD., Bl. 177. EBD. Erlass des RMWEV vom 13. 8. 1943 – WE 1060/43 Vb, Rv – und Erlass des RMI vom 21. 9. 1943 – II a 11 778/43.245 a. MBlWEV.1943, S. 266. Als gesonderter Druck „Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten: Wiederaufbau der durch Kriegseinwirkung zerstörten oder beschädigten öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken“ wohl in vielen Bibliotheken erhalten. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien.
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Bibliotheken in der Trägerschaft des Reiches befanden oder nicht.416 Die Schadensaufstellung umfasste Angaben über die betroffenen Abteilungen, den Umfang der zerstörten Bestände und ihren Geldwert. Der Reichsbeirat beurteilte diese Ersatzansprüche und leitete sein Gutachten an die jeweilige Feststellungsbehörde weiter. Die Schätzung der Schadenshöhe genügte, um noch vor der endgültigen Anerkennung des Schadens mit den Ersatzleistungen zu beginnen. Dabei diente die Hälfte der geschätzten Schadenssumme als vorläufiger Richtwert. Völlige Freiheit blieb den Bibliotheken beim Kauf noch lieferbarer Bücher. Die Reichstauschstelle wies die Rechnungen an, mischte sich aber bei der Auswahl der Titel nicht ein. Die Bibliotheken durften auch kleinere Privatbibliotheken im Wert von bis zu 3.000 Reichsmark selbständig erwerben. Überstieg der Wert der Büchersammlungen diese Grenze, sollte die Reichstauschstelle die Verhandlungen mit dem Anbieter führen, jedoch der Bibliothek, durch die sie auf das Angebot aufmerksam geworden war, die Bücher anbieten. Antiquarische Bücher durften hingegen nur gekauft werden, „soweit es sich einwandfrei um Preise handelt, die die Antiquariatspreise von 1939 nicht erheblich überschreiten.“ Die Bibliotheken mussten die mit dem Vermerk „Alt“ versehenen Rechnungen einreichen, um den Betrag erstattet zu bekommen. „Bei ungewöhnlicher Erhöhung über den Preisstand von 1939 ist vorher bei der Reichstauschstelle anzufragen unter Vorlage einer als solche bezeichneten Vorfaktur.“417 Die Verluste der Bibliotheken sollten nicht dem Geldwert nach ersetzt werden, sondern vor allem im Hinblick auf ihre Bedeutung für die wissenschaftliche Arbeit. So war es unumgänglich, dass der Wiederaufbau zu einer Veränderung der Bestandsstruktur der Bibliotheken führen würde, was Jürgens durchaus intendierte. In den gedruckten Richtlinien merkte er an: „Vielfach wird neueste Literatur als Ersatz des verlorenen älteren Bücherbestandes dienen müssen.“418 Die Gefahr weiterer Luftangriffe stellte sowohl die Reichstauschstelle als auch die einzelnen Bibliotheken hinsichtlich der Unterbringung der neu angeschafften Literatur vor große Probleme. Um die Ankäufe bereits vor Kriegsende in Besitz nehmen zu können, mussten die Bibliotheken nachweisen, dass sie sie sicher vor Luftangriffen einlagern konnten. Die Reichstauschstelle mietete selbst Lagerräume von erheblicher Dimension für die von ihr beschafften und noch nicht an einzelne Bibliotheken weitergegebenen Büchermengen an. 416
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Wiederaufbau beschädigter und zerstörter Bibliotheken. Runderlass des RMWEV vom 13. 8. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 30 ff. Abgedruckt in: DEUTSCHE WISSENSCHAFT, ERZIEHUNG UND VOLKSBILDUNG, 1943, Heft 16. Zwischen Jürgens und Johannes Hofmann, dem Direktor der Leipziger Stadtbibliothek, kam es aufgrund dieses Verfahrens zu Differenzen. Hofmann hatte eigenmächtig bei den Leipziger Buchhändlern Antiquaria gekauft, die nach Jürgens’ Ansicht überteuert waren. Jürgens machte seinen Leipziger Kollegen darauf aufmerksam, dass die RTS Titel, die Hofmann teuer erworben hatte, selbst in ihren Beständen vorrätig hatte. Hofmann durfte sich bei einem Besuch in Berlin anhand der Kartei der RTS darüber informieren, welche Titel auf diese Weise frei verfügbar waren. BRIEL, Bücher, 182 f. Wiederaufbau beschädigter und zerstörter Bibliotheken. Runderlass des RMWEV, RMWEV, i. A. Kummer, an die Unterrichtsverwaltungen der Länder – außer Preußen –, die Reichsstatthalter in den Reichgauen, in Hamburg und in der Westmark, die Vorsteher der nachgeordneten Reichs- und Preußischen Dienststellen der Wissenschaftsverwaltung, 13. 8. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 30 ff.
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Die Reichstauschstelle
2.4.4.2 Die finanzielle Ausstattung des Wiederaufbauprogramms Für den Wiederaufbau der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken erhielt die von Jürgens geleitete Reichsbehörde „Reichstauschstelle und Beschaffungsamt der Deutschen Bibliotheken“ vom Reichsministerium der Finanzen über einen Zeitraum von anderthalb Jahren insgesamt fünf Millionen Reichsmark, davon eine Million in Französischen Francs. Das Geld wurde als Vorschuss für den Ersatz der Kriegsschäden von der Reichshauptkasse ausgezahlt und zum überwiegenden Teil für den Ankauf verwendet. In welchem Umfang von diesem Geld auch die Gehälter der Angestellten, die Kosten für zusätzliche Arbeitskräfte, Mieten, Transportkosten, einschließlich der Anfertigung von Bücherkisten, und sonstige Sachkosten beglichen wurden, ist nicht bekannt.419 Das Reichsministerium der Finanzen stellte am 18. Juni 1943 zunächst einen Betrag von einer Million Reichsmark für Ankäufe im Inland und noch einmal eine Million Reichsmark für Ankäufe in Frankreich zur Verfügung.420 Nach dem von der deutschen Besatzungsmacht festgelegten Wechselkurs entsprach dieser Betrag 20 Millionen Francs. Er wurde auf dem Besatzungskostenkonto „Frankreich A I“ verbucht,421 d. h. Frankreich in Rechnung gestellt. Für die Bereitstellung dieser finanziellen Mittel bedurfte es einer devisenrechtlichen Genehmigung durch das Reichswirtschaftsministerium.422 In der Annahme, dass die Bezahlung der in Frankreich anzukaufenden Bücher und Buchsammlungen „auf dem üblichen Wege nicht durchführbar ist“, befreite das Reichswirtschaftsministerium die Reichstauschstelle davon, bei der 419
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„Die Mittel für die Beschaffung von Kisten, den Transport der Bücher, die Inanspruchnahme von Räumen für die Bergung der Büchermassen usw. werden außerplanmäßig zur Verfügung gestellt werden, sobald zu überblicken ist, welche Kosten voraussichtlich entstehen werden“, bemerkte Baccarcich während der Sitzung im RMWEV am 23. 3. 1943. Niederschrift über die mündliche Verhandlung in der Angelegenheit betreffend den Wiederaufbau deutscher wissenschaftlicher Bibliotheken, die durch Feindeinwirkung beschädigt oder zerstört wurden, am 23. März im Reichserziehungsministerium. BArch R 4901/15090, Bl. 176 ff., 178. Im November 1943 beliefen sich die Kosten auf 96.400 RM für den Zeitraum, in dem die RTS bereits an dem Wiederaufbauprogramm arbeitete, offiziell also seit dem August 1943. In diesen Kosten waren Personalkosten in Höhe 40.400 RM enthalten. Einen erheblichen Teil – nämlich 30.000 RM – machten die Frachtkosten, einschließlich der Transporte aus Frankreich und Belgien in Eisenbahnwaggons und die Herstellungskosten für Kisten aus. Die Mieten betrugen 6.500 RM. RBBA. RTS, Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, an RMWEV, Jürgens’ Bericht vom 10. 11. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 37ff., Bl. 39. Für 1944 wurden 144.000 RM angemeldet, davon 46.240 RM für nichtbeamtete Hilfskräfte und 56.000 RM für Transportkosten u. ä. Ausserordentlicher (Kriegs-)Haushalt. BArch R 4901/ 13705, Bl. 68 f. RMF, i. A. gez. Dr. Kluge, an RMWEV, 18. 6. 1943 (Abschrift zu WE Nr. 1023). BArch R 4901/13705, Bl. 27. Vgl. auch: RMWEV, i. A. gez. Breuer, an die Reichshauptkasse, 9. 8. 1943, Abschrift für Jürgens. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien. Das entsprechende Einverständnis von Ministerialdirigent Dr. Litter an Ministerialrat Dr. Baccarcich am 12. 5. 1943. BArch R 2/12423, Bl. 42. In dem Erlass vom 18. 6. 1943 wies der Beamte des RMF, Dr. Kluge, ausdrücklich darauf hin, „dass nach dem vom Reichsmarschall [Hermann Göring] inzwischen erlassenen strengen Verbot jeglicher Schwarzmarktkäufe in Frankreich eine Verwendung dieser Mittel für den Ankauf von Büchern auf dem schwarzen Markt nicht zulässig ist.“ BArch R 4901/13705, Bl. 27. Dr. Bußmann an Ref. Dr. Baccarcich, 15. 5. 1943. BArch R 2/12423, Bl. 43.
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Reichsstelle für Papier, wie sonst üblich, eine Devisenbescheinigung zur Überweisung auf dem Clearingwege beantragen zu müssen.423 Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ermächtigte Jürgens, Auszahlungsanordnungen zu erteilen. Die Reichskreditkasse in Paris zahlte dann die jeweiligen Beträge aus.424 Für die Bücherkäufe in Belgien gab es keine Ausnahmeregelung; die Devisen mussten von der Reichsstelle für Papier bewilligt werden. Im Dezember 1943 erhielt die Reichstauschstelle Belgische Francs im Gegenwert von 50.000 Reichsmark.425 Fünf Monate später berichtete Jürgens von einer erneuten Bewilligung der Reichsstelle für Papier für Ankäufe in Belgien in Höhe von 200.000 Reichsmark.426 Im Winter 1944/45 kaufte Jürgens für 100.000 Reichsmark Bücher in Italien. Den Betrag dafür erhielt er in Lire direkt vom Reichswirtschaftsministerium.427 Ursprünglich hatte er 200.000 Reichsmark in Lire gefordert.428 Es blieb aber vermutlich bei dem niedrigeren Betrag.429 Als die Mittel für die Ankäufe in Frankreich zu Ende gingen, wandte sich Jürgens im Mai 1944 an das Reichsministerium der Finanzen und bat um eine zusätzliche Bewilligung von einer Million Reichsmark in Französischen Francs.430 Das Ministerium lehnte ab. Stattdessen bewilligte es eine weitere Million Reichsmark für den Kauf von Büchern innerhalb des Deutschen Reiches.431 Der Betrag war zu dem Zeitpunkt, als er bewilligt wurde, also im Mai 1944, 423
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Der Reichswirtschaftsminister an den RMWEV, 14. 7. 1943 (Abschrift, die Richtigkeit bescheinigt durch von Busse). SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien. RMWEV (Kummer, von Rottenburg, Kühnhold, Latzel), Vermerk, an die Reichshauptkasse sowie an Bibliotheksdirektor Jürgens, 24. 7. 1943 (Abschrift). BArch R 4901/13705, Bl. 28 f. Vgl. auch SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an den RMWEV, Jürgens, 9. 12. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 34. RTS des RMWEV, Jürgens, an RMWEV, 2. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 126 f. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an den RMWEV, von Busse, an RMWEV, 2. 1. 1945. BArch R 4901/13705, Bl. 176. Abschrift eines Schreibens von Jürgens an die Reichsstelle für Papier, 11. 12. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 177; und Abschrift eines Schreibens von Jürgens an RMWEV, Mailand, 29. 12. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 179. In einem nicht datierten und nicht unterzeichneten, aber wohl von Kummer stammenden Schreiben an die Reichskreditkasse in Mailand heißt es: „Herr Bibliotheksdirektor Dr. Jürgens ist berechtigt, über die von der Reichshauptkasse auf seinen Namen an die Reichskreditkasse Mailand überwiesenen Gelder in Höhe von RM 100.000.– resp. 200.000.– RM in italienischer Lire zu verfügen.“ BArch R 4901/13705, Bl. 168. Vgl. RTS des RMWEV, Jürgens, an RMWEV, 8. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 130. In seinem Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944 erwähnte Fuchs die Bewilligung einer weiteren Million RM für Ankäufe in Frankreich. Fuchs schrieb: „Die erste Rate von 20 Millionen wurde bis auf rund 100.000,– Francs für diese Käufe aufgebracht. Eine zweite Rate war bewilligt, konnte aber nicht mehr verwertet werden.“ SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 21. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 19. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 146. Bereits am 11. 12. 1943 hatte sich Jürgens an das RMWEV gewandt, um eine zweite Million RM für Ankäufe im Inland beim RMF zu erwirken. RBBA, RTS, Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an
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Die Reichstauschstelle
bereits verplant. Die Reichstauschstelle hatte Rechnungen in Höhe von 955.000 Reichsmark zu begleichen, davon standen 300.000 der Universität Leipzig zu, die die Gelder ihrerseits schon für Käufe verauslagt hatte. Jürgens forderte weitere zwei Millionen als neue Rate des Vorschusses an432 und erneuerte diese Forderung noch einmal am 31. August 1944, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er auf die Beantragung einer weiteren Million Reichsmark in französischen Francs verzichtet hatte.433 Am 3. November 1944 bewilligte das Reichsministerium der Finanzen die beantragten zwei Millionen Reichsmark.434 Bis zum 10. Oktober 1944 hatte die Reichstauschstelle dreieinhalb Millionen Reichsmark für den Wiederaufbau aufgewendet.435 Es ist jedoch fraglich, ob sie die zuletzt bewilligten Mittel bis zum Kriegsende vollständig ausschöpfte.436
2.4.5 Die Literaturbeschaffung für den Wiederaufbau437 2.4.5.1 Die logistischen Grundlagen Im Herbst 1943 stellte die Reichstauschstelle „ihre sonstigen friedensmässigen Arbeiten“ ein438 und widmete sich seitdem ausschließlich der Durchführung des Wiederaufbauprogramms, was mit einer erheblichen Vergrößerung des Personalbestandes verbunden war. Bei Kriegsende waren in den von Jürgens geleiteten Dienststellen 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig.439 In den Haushaltsjahren 1942/43 und 1943/44 arbeiteten jeweils 21 Angestellte und Arbeiter bei der Reichstauschstelle und dem Beschaffungsamt.440 Diese Zahlen geben indes nicht die tatsächliche Personalstärke wieder, weil die Dienststellen immer wieder Hilfskräfte beschäftigten. Bereits 1941/42 kamen zu den etwa zwanzig festangestellten Mitarbeiterinnen und Mit-
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RMWEV, 11. 12. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 82. Hinweise auf die Bewilligung der Million in der Folge der Forderung vom Dezember 1943 finden sich in den Akten nicht. Es ist anzunehmen, dass sie erst im Frühjahr 1944 erfolgte. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 19. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 146. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an den RMWEV, Jürgens, an RMWEV, 31. 8. 1944. BArch R 4901/13705, Bl.147. RMF, i. A. gez. Dr. Kluge, an RMWEV, 3. 11. 1944, BArch R 4901/13705, Bl. 156. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 10. 10. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 161. In seinem dem Schreiben als Anlage beigefügten Lebenslauf schrieb Jürgens, dass er „in zwei Jahren etwa 700.000 Bände wissenschaftlicher Literatur für 5.000.000 RM“ angekauft habe. RBBA, RTS, Jürgens, an Ministerialrat [Leist], 5. 6. 1945. BArch R 4901/15757, Bl. 15 ff., Bl. 18. Ein umfangreiche Publikation zu den Depots der RTS als Sonderband der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie ist in Vorbereitung. Weitere Publikationen zu den Erwerbungen im Rahmen des Wiederaufbauprogramms sind geplant. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 10. 10. 1944, BArch R 4901/13705, Bl. 161. RBBA. RTS, Jürgens an Ministerialrat [Leist], 5. 6. 1945. BArch R 4901/15757 = ZB 2/2180 Akte 13, Bl. 15. Für das Haushaltsjahr 1937/38 verzeichnete der Jahresbericht der PSB für die drei Dienststellen RTS, Beschaffungsamt und DAB 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. JAHRESBERICHT, 1937, 105 f. Nachweisungen über den Vergütungsbedarf der nichtbeamteten Hilfskräfte und Lohnempfänger für das Rechnungsjahr 1942 und für das Rechnungsjahr 1943. BArch R 4901/15093, Bl. 40 ff. und 91 ff.
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arbeitern neun Hilfskräfte, von denen die meisten nur wenige Wochen oder Monate beschäftigt waren.441 Zu Pack- und Transportarbeiten im Rahmen des Wiederaufbauprogramms wurden Kriegsgefangene,442 Zwangsarbeiterinnen443 und Dienstverpflichtete444 eingesetzt. Bei der erwähnten Besprechung im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung am 23. März 1943 regte Latzel an, die Mitarbeiter der geschädigten Bibliotheken für die Arbeiten des Wiederaufbaus heranzuziehen.445 Dies betraf indes nur wenige ausgebildete Bibliothekarinnen und Bibliothekare. Seit August 1943 arbeitete Christoph Weber, den Jürgens sogleich mit der Leitung der Abteilung Wiederaufbau betraute,446 bei der Reichstauschstelle. Weber war wegen seiner religiösen Haltung – er war gläubiger Katholik – als Direktor der Universitätsbibliothek Kiel seines Amtes enthoben, zum Bibliotheksrat degradiert und an die Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg versetzt worden, die sein Gehalt während seiner Abordnung weiterzahlte.447 Seine Tätigkeit war zunächst auf drei Monate befristet, wurde aber vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung – bis zum Beginn des Jahres 1945 – immer wieder verlängert.448 Wegen der Bestandsverlagerungen und der Einstellung des Leihverkehrs musste die Preußische Staatsbibliothek 1944 entbehrliche Arbeitskräfte an das Arbeitsamt melden und für kriegswichtige Arbeiten zur Verfügung stellen. Im Kontext dieser Bestimmungen wechselten die 1941 ‚repatriierte‘ Bibliothekarin der Lettischen Staatsbibliothek in Riga Helene Butuls449 und die Juristin und Bibliothekarin Luise von Schwartzkoppen an die Reichstauschstelle. Von Schwartzkoppens Dienstbezüge zahlte wie im Falle Webers die entsendende Bibliothek.450
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RTS und BADB. Jahresbericht für das Jahr 1941. BArch R 4901/15090, Bl. 188 ff. Bl. 188 und 198. In dem Berichtszeitraum waren es 14 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. „Die Zahl des benötigten Personals schwankt. Es hat sich erwiesen, dass die regulären Kräfte der Reichstauschstelle bei der Verladung grösserer Büchermengen nur als Leitung eingesetzt werden können, während die eigentlichen Transportarbeiten von Gefangenen, Kindern und Frauen ausgeführt werden, für die wechselnde Beträge erforderlich sind.“ RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an RMWEV, Jürgens, 10. 11. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 37 ff., Bl. 37 Rs. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 1. 2. 1944. BArch R 4901/15094, Bl. 203. Vgl. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Tann. Niederschrift über die mündliche Verhandlung in der Angelegenheit betreffend den Wiederaufbau deutscher wissenschaftlicher Bibliotheken, die durch Feindeinwirkung beschädigt oder zerstört wurden, am 23. März im Reichserziehungsministerium. BArch R 4901/15090, Bl. 176 ff., 178. Weber an den Direktor der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, 30. 8. 1943: „Seit kurzem bin ich mit der Leitung der Abteilung Wiederaufbau der zerstörten Bibliotheken bei der Reichstauschstelle beauftragt worden.“ SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Ww 60 Stadt- und Landesbibliothek Dortmund. RMWEV, i. A. Kummer, an den Universitätskurator in Königsberg, 7. 7. 1943. BArch R 4901/13801. EBD. und weitere Scheiben in der derselben Akte. SBB PK, Historische Akten, zu I.10-A-1941. Von Schwartzkoppen sollte zunächst an die Universitätsbibliothek in Kiel abgeordnet werden, deren Direktor Herbert Oberländer bei einem Luftangriff getötet worden war. Im Juli 1944 wurde sie schließlich an die RTS versetzt. RMWEV, i. A. Kummer, an den GD der PSB, 12. 7. 1944. SBB PK, Historische Akten, I.9-259, Bd. 3.
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Die Reichstauschstelle
Während der letzten beiden Kriegsjahre versuchte Jürgens, seine Mitarbeiter unabkömmlich stellen zu lassen und zu verhindern, dass sie zur Wehrmacht oder zu anderen Diensten eingezogen wurden.451 Für Will gelang ihm das bis zum Kriegsende, während andere Arbeiter und Angestellte zur Wehrmacht einberufen wurden.452 Dementsprechend waren die Dienststellen in den letzten Kriegsjahren vor allem mit Frauen besetzt. Nach der Besprechung im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung am 23. März 1943 war Jürgens sich sicher, dass seine Dienststelle mit dem Wiederaufbau beauftragt werden würde. Umgehend begannen er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den logistischen Vorbereitungen des Vorhabens. Sie erkundeten Lagermöglichkeiten, schlossen Mietverträge für geeignete Räume ab und lagerten dort unentgeltlich erhältliche amtliche Druckschriften ein. Im März453 oder April454 1943 mietete Jürgens von der Prinzessin zur Lippe-Weissenfeld große Teile des bis auf die Chauffeurswohnung leerstehenden Schlosses Baruth in der Lausitz, acht Kilometer östlich von Bautzen, an, das die Familie aus steuerlichen Gründen seit langem als Wohnung aufgegeben hatte.455 Die Reichstauschstelle belegte in mehreren Geschossen über 632 qm456 und ließ im Herbst 1943 in den Arbeitsräumen im Erdgeschoss sowie in den drei oberen Stockwerken eine Zentralheizung einbauen.457 Schloss Baruth diente in den folgenden Jahren nicht nur als Bücherlager mit Arbeitsplätzen, sondern auch als Wohnung für den Leiter der Dienststelle Baruth, Will, und seine Familie. Zeitweise quartierte Jürgens dort auch seine
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RTS im RMWEV, i. V. Becker, an RMWEV, 30. 11. 1940; RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 28. 4. 1943; Der Universitätskurator in Berlin, gez. Dr. [Karl] Büchsel, an das Wehrbezirkskommando Berlin I, über das Arbeitsamt Berlin, 11. 5. 1943 (Abschrift). BArch R 4901/15092, Bl. 36, 81 und 83 f. So z. B. Rudolf Ehreke und Erich Körber. RTS und BADB. Jahresbericht für das Jahr 1941. BArch R 4901/15090, Bl. 188 ff. Bl. 198. Otto Schnell war Mitarbeiter des DAB. Als „Sonderführer“ setzte er „im Osten“ seine Arbeit in privater Initiative fort und schickte Bücher an seine Dienststelle in Berlin. Vgl. UNSERE STAATSBIBLIOTHEK, Nr. 39 (Januar 1942): „Habe heute meinen letzten Rest an Ausbeute aus dem gegenwärtigen Standort verpackt, es sind 14 Päckchen Bücher geworden. […] Ich hätte nie gedacht, daß ich in noch primitiverer Weise für den DAB arbeiten würde, wie ich es zwar oft genug getan habe [gemeint ist, dass ihm kein Bindfaden zur Verfügung steht]. Sie würden über die ulkige Figur lachen, die mit einem Feuerhaken bewaffnet einen Kehrrichthaufen, bestehend aus Heu, Papieren, Glasscherben und Büchern, auseinanderheddert. Verlacht werde ich oft, aber das tut nichts, die Hauptsache bleibt, daß ich etwas herauswirtschafte. Wo sich die nächste Gelegenheit bietet, weiß ich noch nicht, doch will ich am Ort hier noch ein bißchen stöbern. Das schlimmste ist, daß die Bolschewisten selbst von solcher Zerstörungswut besessen sind. Das Aufräumen besorgen unsere Landser, und in den Kehrrichthaufen herumstochern tue ich; es ist immer noch gut, wenn sie wenigstens unter Dach liegen.“ NSDAP, Kreisleitung Bautzen, Martin, an Landrat von Bautzen, 24. 11. 1943. StFilA Bautzen Bestand 62 AH Btz. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den RMWEV, 24. 8. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 241. Nach Auskunft des Ortschronisten Horst Gärtner, Baruth, 8. 2. 2007. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den RMWEV, 10. 11. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 37 ff. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den RMWEV, 24. 8. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 241.
Das Wiederaufbauprogramm
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Frau und seine vier Kinder ein.458 In Schloss Baruth arbeiteten zeitweilig etwa zwanzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Dorf wohnten.459 Anfang Mai und im Juni 1943 verschickte Jürgens Anfragen an die Direktoren von etwa dreißig wissenschaftlichen Bibliotheken mit der Bitte, ihm Räumlichkeiten zu nennen, die sich als Bücherlager eigneten, seien es die von der jeweiligen Bibliothek genutzten Verlagerungsdepots oder Räume in Schlössern der Umgebung, deren Besitzer den Bibliotheksdirektoren bekannt waren. Dort sollten die aus den Justizbehörden ausgesonderten Druckschriften eingelagert werden. Unmittelbarer Anlass für Jürgens’ Rundschreiben waren die vom Reichsjustizministerium ausgegebenen Richtlinien „Zur Vereinfachung der Verwaltung und der Förderung der Altpapiergewinnung“.460 Damit drohte die Makulierung zahlreicher, auch historisch wertvoller Behördenschriften. Da es sich bei den ausgesonderten Schriften um regionalspezifische Rechtsliteratur handelte, sollte sie den jeweiligen Landes- und Universitätsbibliotheken zugutekommen, in deren Nähe die Reichstauschstelle nach geeigneten Depots suchte.461 Nicht alle Anfragen waren erfolgreich. In einigen Fällen zerschlugen sich die Verhandlungen mit den Besitzern oder Verwaltern der Lagerräume, in anderen zogen sie sich monatelang hin, bis es endlich zu einem Mietvertrag kam. Auf diese Weise wurden schließlich etwa 25 kleinere Depots in „fast allen Reichsgauen“ eingerichtet.462 Diese kleinen Depots konnten jeweils 20 bis 30 Bücherkisten463 aufnehmen; manche waren indes weitaus geräumiger. 458 459
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Gespräch mit dem Ortschronisten Horst Gärtner und mit Alke Knobloch, Baruth, 8. 2. 2007. In den Haushaltsakten der RTS finden sich Hinweise auf die Abordnung von Arbeitskräften nach Baruth, so z. B. dass bereits bis zum 31. 3. 1943 „Gefolgschaftsmitglieder im Angestellten- und Arbeiterverhältnis nach Baruth versetzt“ wurden. Nachweisung der Mehr- oder Minderausgaben des ausserordentlichen (Kriegs-)Haushalts-Einzelplan XVII a, Teil XIX, Unterteil 35, 1943. BArch R 4901/15093, Bl. 111. Vgl. auch die Aussagen der Zeitzeugin Margarete Hamer in: HAMER, Baruth, 8. Zeitungsausschnitt aus Deutsche Justiz. BArch R 4901/15090, Bl. 206. In einem Schreiben vom 12. 4. 1943 wies Jürgens das vorgesetzte Ministerium auf diese am 9. 3. 1943 erklärte Absicht des Reichsministeriums der Justiz hin. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 12. 4. 1943. BArch R 4901/15090, Bl. 205. Z. B. Jürgens an den Oberstleutnant a. D. Karl Freiherr Rüdt von Kollenberg, Bödigheim, Kreis Buchen, 9. 6. 1943: „Da die Reichstauschstelle mit dem Wiederaufbau der zerstörten Bibliotheken beauftragt ist, besteht unsere Aufgabe zunächst darin, die jetzt bei den einzelnen Behörden überzähligen amtlichen Sammlungen für den Wiederaufbau heranzuziehen und an geeigneten Orten sicherzustellen.“ SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Bödigheim. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den RMWEV, 10. 11. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 37 ff. Nach Jürgens’ Umfrage vom Frühjahr 1943 ergaben sich folgende Unterbringungsmöglichkeiten: Bischofshof in Schleswig, Amtsgericht Tessin in Mecklenburg, Rittergut Pansin in Pommern, Schloss Marienburg in Westpreußen, Evangelisches Pfarramt in Groß Wolfsdorf-Dönhofstädt in Ostpreußen, Rittergut Holzendorf und Gut Jagow in der Uckermark, Gut Raakow in der Niederlausitz, Schloss Burgstadt (Kórnik) bei Posen, Volksschule in Börßum bei Braunschweig, Wochenendhaus von Alfred Rannenberg in Luttertal bei Göttingen, Oberpräsident der Provinz Sachsen in Magdeburg, Fürstenwallstraße, Amtsgericht Wurzen bei Leipzig, Gut Lissa bei Görlitz, Schloss Friedrichswerth bei Gotha, Schule in Rudigshain in Hessen, Amtsgericht Ziegenhain, Amtsgericht Hofgeismar in Hessen, Priestererholungsheim St. Thomas bei Kyllburg in der Eifel, Reichsarchiv in Troppau (Opava), Technische Hochschule in Brünn, Herrenhaus in Fränkisch Crumbach, Schloss Hundshaupten, Schloss Wässerndorf und Schloss Frankenberg in Mainfranken, Schloss Greifenstein bei Heiligenstadt, Pfarrgebäude Oberstotzingen und Niederstotzingen, Altes Schloss in Bödigheim in Baden, Universitätsbibliothek Tübingen, Universitäts- und Landesbi-
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Die Reichstauschstelle
Die Justizbehörden sandten ihre entbehrlichen Druckschriften, die sonst makuliert worden wären, an die Depots ab. Dort sollten sie – jeweils eine Schriftenreihe in einer entsprechend beschrifteten Kiste – „bis zu ihrer späteren Neuverwertung nach Kriegsschluss verpackt“464 eingelagert bleiben. Die Reichstauschstelle zahlte den Einsendern die Fracht- und Verpackungskosten und schickte, wenn nötig, Leerkisten.465 Die Einlagerung der Behördenschriften verlief schleppend. Die Mengen der eingelagerten Schriften waren gering. Mitunter gingen Kisten beim Transport verloren.466 Als im August 1943 die vom Reichsministerium der Finanzen am 18. Juni bewilligten zwei Millionen Reichsmark verfügbar waren,467 wurden größere Lagerräume benötigt. Im Laufe des Jahres 1943 und 1944 waren geeignete Räume schwer zu finden. Andere Kultureinrichtungen, Museen, Archive, Bibliotheken, und auch Behörden suchten gleichfalls nach Ausweichstellen und nach sicheren Möglichkeiten für die Unterbringung ihrer Bestände oder ihres Inventars. Adelsschlösser, die von ihren Besitzern nur teilweise als Wohnräume genutzt wurden, boten sich für diese Zwecke an. Zunehmend mussten aber auch Einwohner aus den Großstädten, die ihre Wohnungen und ihren Hausrat bei Luftangriffen verloren hatten, an solchen Orten untergebracht werden. Aus verschiedenen Gründen konzentrierte sich die Suche der Reichstauschstelle auf die Lausitz, die Uckermark, Thüringen, die Rhön und Teile Frankens. Im August 1943 unternahm Christoph Weber eine Reise nach Fulda und erkundete mit Unterstützung des Direktors der Fuldaer Landesbibliothek, Joseph Theele, geeignete Örtlichkeiten in der Umgebung Fuldas. Letztendlich wurde aber nur das Pfarrhaus in Eichenzell genutzt, um eine Büchersendung unterzubringen.468 Weber und Jürgens waren auf das Gelbe Schloss in Tann in der Rhön aufmerksam geworden. Dessen Besitzer hatte der Preußischen Staatsbibliothek angeboten, in den Kellern Bücher zu lagern, was diese jedoch – vermutlich, weil die Keller als zu feucht erachtet wurden – ablehnte. Will besichtigte die Örtlichkeit, ließ in den Kellern Messungen vornehmen und Vorkehrungen gegen die Feuchtigkeit treffen. Schließlich gewährte die Verwaltung der Tanner Schlösser der Reichstauschstelle die mietfreie Nut-
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bliothek Straßburg, Bergwerk in Bad Hallein bei Salzburg. Über einige dieser Depots, wie z. B. über die Depots in Tessin, in Magdeburg und in Straßburg, ist kaum mehr als der Name bekannt. Einige wurden nicht belegt, so die Depots in Wurzen, Ziegenhain und Hallein. Gemeint waren wie immer in den Unterlagen der RTS und der PSB Kisten, die durchschnittlich 200 Bände fassten. Die einsendenden Behörden verwendeten jedoch andere Größen, mitunter auch Pappkartons. Die Normkisten hatten die Maße 85 x 50 x 45 cm. Vgl. VOIGT, Auslagerung, 12, 13, Abbildung. RTS Baruth/Sa. bei Bautzen: Richtlinien für die Versendung angeforderter Druckschriften. SBB PK, Historische Akten, RTS, Depots für Verlagerung, Schleswig, mehrfach als Rückseite. EBD. Dutzende Kisten aus dem Bayerischen Staatsministerium für Kultur und Unterricht verbrannten im Sommer 1944 während eines Luftangriffs bei einem Münchner Spediteur. Freiherrlich von Pöllnitz’sche Forstverwaltung Hundshaupten [Unterschrift unleserlich], an die RTS, 30. 8. 1944; von Busse an Freiherrn Dr. von Pölnitz, 29. 11. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Hundshaupten. Material für die Besprechung im RFM, Jürgens an Ministerialrat Kummer, eingegangen am 22. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 81. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Eichenzell, Fulda, Blankenau, Adolfseck, Wallenstein.
Das Wiederaufbauprogramm
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zung der Keller, die nach Einschätzung Wills und des von ihm hinzugezogenen Bausachverständigen für die einigermaßen trockene Lagerung von etwa 1.000 Bücherkisten geeignet waren.469 Auch weil in Schloss Baruth Büchersendungen nicht nur gelagert, sondern zuvor bearbeitet werden konnten, erschien es sinnvoll, in der Nähe weitere Räumlichkeiten zu besetzen. Dazu gehörten die Depots auf Gut Raakow bei Cottbus und auf Gut Lissa, einige Kilometer nördlich von Görlitz am rechten Ufer der Neiße gelegen, die beide bereits für die Einlagerung amtlicher Druckschriften angemietet worden waren. Darüber hinaus boten sie jedoch Platz für Hunderte, in Lissa für mindestens 1.000 Bücherkisten. Den Mietvertrag für Schloss Baruth hatte Jürgens noch abschließen können, bevor die Behörden in Sachsen nichtsächsischen Institutionen die Anmietung sächsischer Schlösser verwehrten. Deshalb gelang es ihm im Spätherbst 1943 nicht mehr, die behördliche Genehmigung für die von der Besitzerin, Elisabeth Fürstin von Hanau, einer Verwandten der Baruther Schlossbesitzer, zugesagten Räume im Hauptgebäude des Schlosses in Drehsa zu erhalten. Die Reichstauschstelle begnügte sich schließlich mit der zum Schloss gehörigen Kegelbahn.470 Graf Einsiedel, der Besitzer von Schloss Reibersdorf bei Zittau, hatte einen Teil des Schlosses an die Wehrmacht vermietet, die indes die Räume nicht benötigte, so dass die Reichstauschstelle im Juni 1944 ein weiteres Depot in der Umgebung von Baruth erhielt. In Schloss Reibersdorf sollten sowohl Arbeits- als auch Lagerräume eingerichtet werden, die 400 Bücherkisten fassten. Die Räume wurden außer für einige amtliche Druckschriften weder als Arbeitsstelle noch als Bücherlager genutzt.471 In der Umgebung Berlins war es besonders schwierig, ungenutzte Räume zur Einlagerung von Büchern zu finden. Zu Beginn des Jahres 1944 war „auf Grund einer Anordnung des […] Reichsverteidigungskommissars die Provinz Brandenburg für die Anmietung von Räumen gesperrt“ und für „die Aufnahme von Evakuierten aus Berlin bestimmt“.472 Dennoch gelang es der Reichstauschstelle im Mai 1944, von der Schwiegertochter des Arztes August Bier eine Scheune in Pfaffendorf bei Beeskow anzumieten. Wegen der Nähe zu Berlin kümmerten sich Weber und von Schwartzkoppen um die Einlagerung der Büchertransporte.473 Auch die bereits für die Einlagerung amtlicher Druckschriften vorgesehenen Depots im Rittergut Pansin in Pommern und in Holzendorf in der Uckermark eigneten sich für die Einlagerung von einigen Zehntausend Büchern. Ihre Kapazität wurde indes, wie bei einigen anderen Bücherlagern auch, nicht ausgenutzt. Das größte Depot der Reichstauschstelle befand sich in dem nördlich von Gotha gelegenen Schloss Friedrichswerth in Thüringen. In dem ehemals herzoglichen barocken Schloss belegte 469 470
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SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Tann. RBBA. RTS. Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den Landrat in Bautzen, 14. 11. 1943. StFilA Bautzen Bestand 62 AH Btz. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Reibersdorf. Jürgens an den Landrat in Uffenheim, 6. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frankenberg. Jürgens an Forstmeister Bier, 11. 3. 1944, und weitere Schreiben. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Pfaffendorf.
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Die Reichstauschstelle
die Reichstauschstelle 16 Räume mit über 600 qm, die, abgesehen von einigen Arbeitsplätzen und einem Schauraum der Buchhandlung Natura, mit der sich die Reichstauschstelle das Depot teilte, ausschließlich als Bücherlager dienten. Einige der Depots ließ Jürgens durch das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion (Reichsministerium für Bewaffnung und Munition) beschlagnahmen. Diese Gunst des von Albert Speer geleiteten Ministeriums nutzte er vor allem für die Schlösser in Franken, derentwegen es zu langwierigen Auseinandersetzungen mit den örtlichen Behörden kam. Den Kontakt zu den Besitzern der fränkischen Schlösser in Hundshaupten, Wässerndorf, Frankenberg und Greifenstein, zu verschiedenen Zweigen der Familie von Pölnitz und zu Berthold von Stauffenberg, vermittelte der Direktor der Erlanger Universitätsbibliothek, Eugen Stollreither. Wegen seiner geringen Größe war der mietfrei überlassene Raum in Schloss Greifenstein nur für Verwaltungsliteratur vorgesehen. Die anderen drei Schlösser hingegen boten Platz für die Ankäufe: in Schloss Hundshaupten 100 qm, was die Aufstellung von 900 Bücherkisten ermöglichte, in Schloss Wässerndorf 106 qm und in Schloss Frankenberg 350 qm. Die Schlösser wurden in der folgenden Zeit gar nicht oder nur wenig belegt, weil in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 die Eisenbahntransporte im Raum München immer wieder unterbrochen waren. Wegen der noch ungestörten Lage im östlichen Deutschland, der günstigen Entfernung der Lausitz von Berlin und der Nähe anderer großer Depots konnte die Dienststelle Baruth ihrer Aufgabe als Drehscheibe für die eingehenden Büchersendungen weitgehend gerecht werden. Büchersammlungen größeren Umfangs, vor allem die mehrere Bücherkisten umfassenden Privatbibliotheken und größere Antiquariatsankäufe, wurden auf die Depots in Drehsa, Lissa, Raakow und Pansin verteilt, während kleinere Sendungen, die keine ganzen Bücherkisten umfassten, in Baruth blieben.474 Im Gegensatz dazu lagerten in den Depots in Tann, Friedrichswerth und Pfaffendorf fast ausschließlich große zusammenhängende Sendungen, die in Eisenbahnwaggons direkt von den Absendern dorthin geschickt worden waren. Die Reichstauschstelle sandte, um ihre Depots zu entlasten, in einigen Fällen die für bestimmte Bibliotheken erworbene Literatur in deren Verlagerungsdepots, so z. B. für die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg nach Schloss Hermsdorf bei Dresden.475 Im Winter 1943/44 wurde das Domizil der drei Dienststellen Reichstauschstelle, Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischer Buchtausch in Berlin mehrfach von Bomben getroffen. Bei dem Luftangriff am 29. Januar 1944 wurden schließlich beide Häuser im Spreebogen am Schiffbauerdamm vollständig zerstört. Das eigentliche Bürogebäude Schiffbauerdamm 26 brannte nach einem Treffer mit Phosphorbomben aus. Das Haus Schiffbauerdamm 33 mit dem Dublettenlager der Reichstauschstelle war schon am 20. Januar 1944 von einer Sprengbombe getroffen worden und „zur Hälfte eingestürzt.“ Bei dem Luftangriff vom 29. Januar stürzte es völlig ein.476 474
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Will: Unterbringung der angekauften Bücherbestände, 20. 11. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung. BRIEL, Preußische Staatsbibliothek, 41 ff. RTS und BADB, Jürgens [eigentlich von Busse], an RMWEV, 1. 2. 1944. BArch R 4901/15094, Bl. 203. Die Häuser wurden insgesamt sechsmal von Bomben getroffen. Aus dem Gebäude Schiffbauerdamm 26
Das Wiederaufbauprogramm
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Die Schäden an Beständen und Gebäuden und die Neuorganisation der Dienststellen nach den Luftangriffen verzögerten die Durchführung des Wiederaufbauprogramms. Die Verhandlungen wegen der Anmietung und Belegung der Depots waren für Wochen und Monate unterbrochen und wurden erst im Frühjahr 1944 wieder aufgenommen. Die Zerstörung der Dienstgebäude führte zu einer Trennung der Geschäftsstellen und der Erwerbungsabteilung von der Verwaltung der Depots. Nach dem Luftangriff am 16. Dezember 1943, bei dem das Haus Schiffbauerdamm 26 – „das Bürogebäude“ – so sehr in Mitleidenschaft gezogen worden war, dass man dort nur noch einige wenige Räume nutzen konnte, gewährte Jürgens den Dienststellen in seinem Privathaus in Berlin-Wannsee Unterkunft und vermietete ihnen dort einige Räume.477 Das Gebäude war freilich zu klein, um alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, geschweige denn die geretteten Bücher aus dem Haus Schiffbauerdamm 33 aufzunehmen. Am 1. Februar 1944 ersuchte Jürgens das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition zu erwirken, dass Schloss Baruth als Ersatzunterkunft der Reichstauschstelle anerkannt würde.478 In den Monaten zuvor waren schon Möbel, Büromaterial und Akten dorthin gebracht worden.479 In Jürgens’ Privathaus in der Tristanstraße 26 in Berlin-Wannsee arbeiteten er selbst, von Busse, Weber und von Schwartzkoppen. Während Jürgens Ankaufsreisen ins Ausland unternahm und die Reichstauschstelle nach außen vertrat, besichtigten und kauften von Busse und Weber Büchersammlungen im Inland. Will leitete die Dienststelle in Baruth und verwaltete von dort aus die Depots. Er unternahm Reisen, um neu anzumietende Räumlichkeiten zu begutachten, mit den Eigentümern zu verhandeln, die Einlagerungen, vor allem in den Schlös-
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rettete nach dem Luftangriff vom 29.1. an den folgenden beiden Tagen, dem 29. und dem 30. 1., zunächst die „Nachtwache“ und dann auch das „gesamte Personal“ einen großen Teil der Einrichtung, darunter „alle Karteien, ein[en] Teil der Akten, die letzten Büchereingänge des Beschaffungsamtes“. Dennoch wurde ein „großer Teil der Akten der Reichstauschstelle“ vernichtet, weil „die im 1. Stock gelegenen Räume auch in der Nacht nur noch unter Lebensgefahr zu betreten waren. Trotzdem hat die Wachmannschaft (Herr Will von der Reichstauschstelle und Fräulein Hemmerling vom DAB) aus dem 1. Stock das Wichtigste noch herunterschaffen können.“ Am zweiten Tag nach dem Luftangriff erhielt das Personal der drei Dienststellen Unterstützung durch einen Trupp von Soldaten. Das gerettete Inventar wurde auf fünf Lastwagen verladen. Bereits in den Monaten zuvor waren neben Einrichtungsgegenständen auch „die Unterlagen für den Etat und die Gehaltsabrechnung“ nach Baruth gebracht worden. Die Akten der Abteilung Wiederaufbau befanden sich nunmehr in Jürgens’ Privathaus in Berlin-Wannsee, Tristanstr. 26, „in dem auch bereits 2 Räume für diese Abteilung eingerichtet worden sind.“ Einige Tage zuvor, zwischen den beiden Angriffen vom 20. und 29. 1., evakuierte das Personal der Dienststellen das beschädigte Gebäude Schiffbauerdamm 33 „mit Hilfe von Russinnen“ [also wohl Zwangsarbeiterinnen]. Sie bargen aus dem noch stehenden Seitenflügel einen Teil der Bücherbestände. Unter diesen befanden sich, soweit sie nicht verschüttet worden waren, „die bereits versandfertig gepackten Bücherkisten mit der für den Wiederaufbau angekauften Bibliothek Penck“. Zunächst waren dies 42 qm. RTS und BADB, Jürgens, an den RMWEV, 12. 1. 1944. BArch R 4901/ 15094, Bl. 202. Nach den verheerenden Luftangriffen im Januar 1944 schließlich 102 qm. Jürgens handelte mit dem RMWEV über die Nutzung der fünf Räume einen Mietvertrag aus. RBBA. RTS, Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den RMWEV, 15. 2. 1944. BArch R 4901/15094, Bl. 199 f.; vgl. auch RTS und BADB, i. V. von Busse, an den RMWEV, 8. 2. 1944. BArch R 4901/15090 Bl. 252. RTS und BADB, i. V. von Busse, an den RMWEV, 8. 2. 1944. BArch R 4901/15090 Bl. 252. RTS und BADB, Jürgens [von Busse], an den RMWEV, 1. 2. 1944. BArch R 4901/15094, Bl. 203.
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Die Reichstauschstelle
sern in Tann und Friedrichswerth, zu überwachen und den Zustand der Depots zu kontrollieren. Bereits im Sommer 1943 war die für die ‚kriegswichtigen‘ Zeitschriften zuständige Abteilung des Beschaffungsamtes „zur Sicherung ihrer wertvollen Zeitschriftenbestände“ in die Forstliche Hochschule nach Eberswalde verlegt worden, wo sie am 20. August 1943 die Arbeit aufnahm. Unter der Leitung Ackermanns arbeiteten sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser Ausweichstelle.480 Ein Ladenlokal in Eberswalde war als Standort eines Photokopierers eingerichtet worden. Der Deutsch-Ausländische Buchtausch unterhielt eine Ausweichstelle in Schloss Frehne in der Prignitz, wo sich ebenfalls ein Bücherlager befand.481
2.4.5.2 Erwerbungen auf dem Antiquariatsmarkt Die Reichstauschstelle kaufte, obgleich den einzelnen Bibliotheken kleinere antiquarische Erwerbungen erlaubt waren, nach Möglichkeit selbst Literatur in namhaften deutschen Antiquariaten.482 Die Ankäufe umfassten jeweils mehrere Dutzend, auch mehrere Hundert Bände. Sie waren häufig für bestimmte Bibliotheken vorgesehen, wurden aber vorerst in den Depots in Baruth, Lissa und Raakow eingelagert. Die weitaus größte Erwerbung auf dem Antiquariatsmarkt war die nahezu vollständige Übernahme des von Paul Budy geführten Antiquariats R. Friedländer & Sohn in Berlin. Budys Bruder Kurt war 1936 aus dem Geschäft gedrängt worden, weil seine Ehefrau nach den Nürnberger Rassegesetzen Jüdin war.483 Daraufhin leitete Paul Budy das Geschäft – Buchhandlung und Verlag – allein.484 1941 wurde die im 19. Jahrhundert gegründete Buchhandlung auf Veranlassung der Reichsschrifttumskammer in „Natura. Buchhandlung für Naturkunde und exakte Naturwissenschaften“ umbenannt.485 Als wegen der Luftangriffe auf Berlin die Dachböden geräumt werden mussten, „sah sich die Firma gezwungen, einen Teil ihres Lagers der damali480 481 482
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BADB Eberswalde. Jahresbericht 1943/44, Abtlg. Kriegszeitschriften. BArch R 4901/15090 Bl. 341 f. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frehne. Zahn & Jaensch, Dresden; Schulz & Co., Plauen; Antiquariat von Oswald Weigel, Leipzig; Buchhandlung Gsellius, Berlin; Twietmeyer, Leipzig; Trenkle, München; Antiquariat Lorentz, Leipzig; Günther Koch, Marquardstein (früher München); Elwert, Marburg; Harrassowitz, Leipzig. [ohne Unterschrift, Reichsschrifttumskammer], an den Oberbürgermeister der Stadt Berlin, 27. 10. 1936. „Nach Ausscheiden des jüdisch versippten Dr. Karl Budy ist die Firma Friedländer & Sohn als arisches Unternehmen anzusehen.“ LAB ARep. 243-02, Nr. 61. Den Hinweis auf das Schreiben im Landesarchiv Berlin verdanke ich Werner Schroeder, Oldenburg. Die Firma wurde mit Papier beliefert und arbeitete „selbst über die Zeit hinaus, in der viele Verlagshäuser auf Anordnung der staatlichen Organe ihre Produktion stillegen mußten“, weiter. BUCHHANDLUNG FRIEDLÄNDER, 25. Die Ursprünge der Firma, die Buchhandlung, Antiquariat und Verlag in einer Hand vereinigte, gingen in das Jahr 1828 zurück. Der Lehrer und Vorsteher einer jüdischen Knabenschule Raphael Friedländer eröffnete im Nebenerwerb ein den Bedürfnissen der Gelehrten und Studierenden der Berliner Universität entsprechendes Antiquariat mit dem Schwerpunkt auf naturwissenschaftlicher, vor allem zoologischer Literatur. Nach dem Tode der Witwe von Raphael Friedländers Sohn Julius im Jahre 1889 führten die beiden ehemaligen Mitarbeiter Ernst Buschbeck und Otto Budy sowie der Neffe Friedländers, Wilhelm Junk, die
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gen ‚Reichstauschstelle‘ käuflich zu überlassen“.486 Die Reichstauschstelle kaufte den gesamten Zeitschriftenbestand des Antiquariats in zwei vollständigen Exemplaren an.487 Über diesen Ankauf hinaus traf Jürgens mit Budy eine Vereinbarung über einen Großteil des übrigen Lagers, nach der Budy der Reichstauschstelle als Gegenleistung für die Verlagerung der Bestände „ohne Anzahlung und bei Garantie der Friedenspreise“ das Vorkaufsrecht einräumte. Dieser Rest wurde mit 500.000 Reichsmark veranschlagt. Er sollte „nach Massgabe der Auswahl der beschädigten Bibliotheken“ als Reserve dienen, je nachdem, wie sich die Verluste der Bibliotheken während des Krieges ausweiteten.488 Dass Budy die Bestände seines Antiquariats verkaufte und der Reichstauschstelle ein umfassendes Vorkaufsrecht einräumte, war den Kriegsumständen geschuldet. Die Reichstauschstelle diktierte als alleiniger Käufer auf dem Antiquariatsmarkt die Konditionen. Jürgens nutzte Budys Lage aus, sein Eigentum und damit seine Lebensgrundlage vor den drohenden Luftangriffen retten zu müssen. Antiquariats- bzw. Buchhandlungsbestände, die noch in dem Haus in der Karlstraße 11 (Reinhartstraße) verblieben waren, verbrannten Ende April 1945 bei den Kämpfen um Berlin.489
2.4.5.3 Die Erwerbung von Privatbibliotheken Aus den gleichen Gründen sahen sich auch die Besitzer großer Privatbibliotheken gedrängt, ihr Eigentum zu veräußern. Im März 1944 betonte Jürgens gegenüber Kummer, Bücher zu Preisen gekauft zu haben, „die im ganzen gesehen unter den Friedenspreisen liegen, […] da es möglich war, infolge der grossen zur Verfügung stehenden Mittel die Zwangslage der durch den Bombenterror entstehenden Umstände u. A. in einzelnen Fällen auszunutzen.“490 Denn selbstver-
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Firma weiter. Wilhelm Junk schied 1899 aus dem Antiquariat aus, um seinen eigenen Verlag zu gründen. Nach Buschbecks und Budys Tod übernahmen die Söhne des letzteren, Paul und Kurt Budy, die Firma. 1921 trat J. R. Löwe als Teilhaber ein, der 1939 tödlich verunglückte. Vgl. BUCHHANDLUNG FRIEDLÄNDER. BUCHHANDLUNG FRIEDLÄNDER, 25. Material für die Besprechung im Reichsfinanzministerium, Jürgens an Ministerialrat Kummer, eingegangen am 22. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 81. Mit 10 RM pro Zeitschriftenband waren die Kosten, wie Jürgens gegenüber dem RMWEV entschuldigend bemerkte, bei diesem Ankauf relativ hoch. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den RMWEV, 10. 11. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 37 ff., Bl. 37 Rs. Material für die Besprechung im Reichsfinanzministerium, Jürgens an Ministerialrat Kummer, eingegangen am 22. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 81. Der Botanische Garten und das Botanische Museum in Berlin-Dahlem, deren Bibliothek ebenfalls bei einem Luftangriff zerstört worden war, interessierten sich für die aus der Buchhandlung Natura angekauften Zeitschriften. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an den RMWEV, Jürgens, 10. 11. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 37 ff., Bl. 37 Rs. Weil die als Ersatz für die Verluste beschaffte Literatur in Berlin stets akut gefährdet war, wurde sie jedoch nicht ausgeliefert. Gutachten des Buchprüfers und Steuerberaters von R. Friedländer & Sohn, 22. 6. 1954. Privatarchiv Frau Erika Tettenborn, Frankfurt a. M. Material für die Besprechung im Reichsfinanzministerium, Jürgens an Ministerialrat Kummer, eingegangen am 22. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 81.
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ständlich mussten diejenigen Eigentümer privater Bibliotheken – emeritierte Professoren und deren Witwen und Nachkommen –, die in den Großstädten wohnten, den Verlust der jahrzehntelang zusammengetragenen Sammlungen ebenso fürchten wie die öffentlichen Bibliotheken. Bei seinen Bemühungen wurde Jürgens von Hermann Grapow, dem Präsidenten der Preußischen Akademie der Wissenschaften, unterstützt. Er rief im Februar 1944 die deutschen Gelehrten und ihre Familien dazu auf, „der Reichstauschstelle beim Wiederaufbau der vernichteten Bibliotheken zu helfen, indem ihr Bücher und ganze Büchersammlungen von wissenschaftlichem und kulturellem Wert zum Kauf angeboten oder als Geschenk zur Verfügung gestellt werden.“491 Bis Ende März 1944 hatte die Reichstauschstelle rund 100 Bibliotheken von Gelehrten gekauft, darunter die Bibliotheken des Chemikers Max Bodenstein, des Arztes August Bier, des Nationalökonomen Friedrich von Gottl-Ottilienfeld, des Mineralogen Gottlob Eduard Linck sowie der Historiker Georg Mentz und Friedrich Meinecke. Dazu zählte auch „die wichtigste deutsche Privatbibliothek auf dem Gebiet der Geographie“, die Bibliothek von Albrecht Penck mit einem sehr großen Bestand an Zeitschriften,492 die die Reichstauschstelle für 75.000 Reichsmark kaufte.493 Im März 1944 stand der Ankauf von weiteren „20 Gelehrtenbibliotheken im Werte von RM 200.000.–“ an.494
2.4.5.4 Die von den Finanzbehörden erworbenen Privatbibliotheken verfolgter Juden Auf der interministeriellen Sitzung am 23. März 1943 hatte der Vertreter des Reichsministeriums der Finanzen, Baccarcich, offengelassen, ob die Reichstauschstelle beschlagnahmte Büchersammlungen aus dem Besitz der Finanzbehörden erhalten würde. Wenige Tage später ersuchte der Leiter des Amtes Wissenschaft und Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, SS-Sturmbannführer Ministerialdirektor Rudolf Mentzel, das Reichsministerium der Finanzen um die Bestätigung der zugesicherten Finanzmittel und bat zugleich, die Anordnungen über die beschlagnahmten Buchbestände „einer Nachprüfung zu unterziehen und diese Bestände möglichst auch für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen.“495 Das Reichsministerium der Finanzen vermied es jedoch, in die bestehenden Regelungen über die Verwendung der beschlagnahmten Bestände einzugreifen. Statt dessen vereinbarte der zuständige Referent Otto Maedel mit dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, dass dieses selbst in einem Rundschreiben die „Dienststellen, denen Bücher aus verfallenem und 491
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Der Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften, gez. [Hermann] Grapow, an RMWEV, 21. 2. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 90. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 10. 11. 1943. BArch R 4901/ 13705, Bl. 37 ff., Bl. 37 Rs. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 21 Penck. Die Bibliothek wurde von Niederlechner auf 60.000 RM geschätzt, doch für 75.000 RM angekauft. Sie umfasste 70 Kisten. Material für die Besprechung im Reichsfinanzministerium, Jürgens an Ministerialrat Kummer, eingegangen am 22. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 81. RMWEV, i. A. gez. Mentzel, an RMF, 5. 4. 1943 (Abschrift). BArch R 4901/15090, Bl. 174 f., 174
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eingezogenem Vermögen zugesagt sind“, bitten sollte, „den Wünschen der Reichstauschstelle im Hinblick auf die Wichtigkeit ihrer Aufgaben möglichst weitgehend entgegenzukommen.“496 Der Appell blieb unerwidert; die begünstigten Dienststellen traten ihre Ansprüche auf Raubgut nicht an die Reichstauschstelle ab. Gleichwohl berichtete Jürgens im November 1943 von einer großen Anzahl von Büchereien „aus dem Besitz des Reichsfinanzministeriums“, die die Reichstauschstelle „zu Schätzungspreisen, welche durchaus als angemessen, aber als mässig zu bezeichnen sind“, für den Wiederaufbau angekauft habe.497 Soweit bekannt, stammten diese beschlagnahmten Sammlungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg. Und die Reichstauschstelle kam nur deshalb in ihren Besitz, weil Jürgens entweder zu einem frühen Zeitpunkt – lange bevor die Verhandlungen mit dem Reichsministerium der Finanzen abgeschlossen waren – auf sie aufmerksam wurde oder weil es sich um Sammlungen handelte, die bis dahin aus dem einen oder anderen Grund der ‚Verwertung‘ zugunsten des Reichsfiskus entgangen waren. Jürgens und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühten sich intensiv um beschlagnahmte Literatur und folgten den Hinweisen, die sie von verschiedener Seite erhielten. Mutmaßlich nutzte ihnen dabei der Kontakt zum Leiter der Hirschwaldschen Buchhandlung, Max Niederlechner, der auch später immer wieder Privatbibliotheken im Auftrage der Reichstauschstelle taxierte. Insgesamt beliefen sich die Ankäufe von Raubgut aus dem Besitz der Finanzbehörden auf ca. 100.000 Reichsmark.498 Offenbar vermittelte Niederlechner auch zwischen den Finanzbehörden und der Reichstauschstelle. Oberregierungsrat Böttcher vom Oberfinanzpräsidium Berlin-Brandenburg adressierte am 20. November 1942 ein Schreiben, in dem er dem Verkauf der Bibliotheken der Ägyptologin Hedwig Fechheimer und des Arztes Hans Hirschfeld an die Reichstauschstelle zustimmte, an ihn. Böttcher bezweifelte jedoch, dass die Reichstauschstelle Interesse an der medizinischen Spezialliteratur aus der Bibliothek Hirschfeld haben könnte, und verfügte, dass sie in diesem Fall „an die Buchhandlung Oscar Rothacker verkauft werden“ sollte. „Die belletristischen und philosophischen Werke sowie alle Bücher, die nicht von der Reichstauschstelle übernommen werden“, sollten an Obersteuersekretär Korge zur Versteigerungsstelle der Finanzbehörde am Kottbuser Ufer 39/40 in Berlin-Kreuzberg geschickt werden.499 Die Beden496
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Referat [Otto] Maedel an Ref. Dr. Baccarcich, 16. 6. 1943, handschriftliche Notiz vom 30. 6. 1943. BArch R 2/12423, Bl. 46. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 10. 11. 1943. BArch R 4901/ 13705, Bl. 37 ff., Bl. 37 Rs. BLha Rep. 36 A II Nr. 4.589 (Philipp Bonn), Nr. 12.299 (Gustav und Franziska Gottschalk), Nr. 15.752 (Hans Hirschfeld), Nr. 35.890 (Hedwig Simon), Nr. 38.052 und Nr. 38.058 (Georg und Martin Tietz).‚ In seinem Bericht vom 31. 8. 1944 schrieb Jürgens, dass die RTS bis dahin vom Oberfinanzpräsidenten Berlin Bibliotheken im Werte von 50.000 RM übernommen habe, der Ankauf einer Bibliothek im Werte von 50.000–80.000 RM aber noch ausstehe. RBBA. RTS. Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 31. 8. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 147. Der Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, Vermögensverwertungsstelle, i. A. gez. Böttcher, an Max Niederlechner, Berlin-Steglitz, Albrechtstr. 91, 20. 11. 1942 (Durchdruck). SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 12 Hirschfeld. Die Buchhandlung Rothacker ,übernahm‘ offenbar routinemässig medizinische Spezialliteratur, war aber an den übrigen
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Die Reichstauschstelle
ken Böttchers erwiesen sich als gegenstandslos; die Reichstauschstelle übernahm die Bibliothek Hirschfeld vollständig für 4.000 Reichsmark.500 Für die ägyptologische Literatur der Bibliothek Fechheimer gab es ebenfalls potentielle Interessenten. Ernst F. Weidner, Professor für Orientkunde an der Universität Graz, hatte schon „seit einiger Zeit nach der Bibliothek von Frau Fechheimer“ gesucht. Im Dezember 1943 musste er erfahren, dass die Reichstauschstelle sie erworben hatte.501 Nachdem Niederlechner die Bibliothek geschätzt hatte, kaufte die Reichstauschstelle sie für 10.500 Reichsmark an. Niederlechner stellte 200 Reichsmark Taxationskosten in Rechnung.502 Dem Arzt Dr. Kurt Mendel hatte das Oberfinanzpräsidium offenbar erlaubt, „Virchows Archiv für pathologische Anatomie“ selbst zu verkaufen. Am 6. Oktober 1943 wandte sich Mendel wegen des Verkaufs zunächst an die Buchhandlung Rothacker, die den Ankauf aber der Reichstauschstelle überließ. Die Bände waren auf 6.000 Reichsmark geschätzt worden. Der erzielte Erlös musste auf ein Sperrkonto eingezahlt werden. Die Reichstauschstelle zahlte 6.500 Reichsmark auf das „beschränkt verfügbare“ Konto Mendels bei der Deutschen Bank.503 Die Zeitschriften waren für die Bibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg vorgesehen, die am 20. Januar 1944 deren Erhalt bestätigte.504 Durch Dr. Schmidt505 von der Reichskammer der bildenden Künste war Jürgens auf die Bibliothek von Philipp Bonn aufmerksam geworden. Von Busse besichtigte die Bibliothek im Sommer 1943.506 Sie bestand „aus englischen, spanischen, französischen, deutschen Werken des 16. bis 19. Jahrhunderts“ und enthielt „eine Reihe von wertvollen älteren Werken aus den Gebieten der Geschichte, Dichtung, Sprachwissenschaft, Theologie in gut erhaltenen meist
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weniger fachspezifischen Titeln nicht interessiert und überließ es daher der Vermögensverwertungsstelle, sie selbst zu versteigern. Deckblatt. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 12 Hirschfeld. Archiv für Orientforschung, Ernst F. Weidner, [an Jürgens], Berlin-Frohnau, 14. 12. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 13 Fechheimer. In Absprache mit Weidner meldete auch die Universitätsbibliothek Graz ihr Interesse an der ägyptologischen Literatur an. Universitätsbibliothek Graz, Rery, an die RTS, Jürgens, 8. 12. 1943. Das Schreiben Böttchers vom Oberfinanzpräsidium Berlin-Brandenburg vom 20. 11. 1942 ist identisch mit dem in der Akte W 12. Will an den Oberfinanzpräsidenten. Vermögensverwaltungsstelle, 2. 4. 1944 (handschriftliche Abschrift). SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken, W 13 Fechheimer. „Wir bestätigen mit verbindlichstem Dank Ihr Schreiben vom 6. 10. und nahmen davon Kenntnis, dass einem Verkauf Ihrer Bücherei nichts im Wege steht, wenn die Zahlung auf Ihr beschränkt verfügbares Sicherungskonto überwiesen wird. Wir werden diese Anordnung des Oberfinanzpräsidenten befolgen.“ Oscar Rothacker, Buchhandlung und Antiquariat für Medizin, Berlin, Friedrichstr. 105 B, an Dr. Kurt Mendel, 9. 10. 1943 (Abschrift); Kurt Mendel, Berlin, Prager Str. 33, an die RTS, 26. 10. 1943, und weitere Schreiben. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 44 Mendel. Es wird aus den Akten nicht deutlich, welche Rolle Kurt Mendels Sohn Rudolf Mendel, an den einige Schreiben adressiert sind, bei dem Verkauf der Bücher spielte. Deckblatt und undatiertes Schreiben. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 44 Mendel. Vermutlich war ihr Vorsitzender, der Ministerialdirigent im RMVP Hans Schmidt-Leonhardt, gemeint. Jürgens an den Oberfinanzpräsidenten für die Provinz Brandenburg, z. Hd. von Oberregierungsrat Böttcher, 26. 7. 1943 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 32 Bonn.
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zeitgenössisch und schön gebundenen Exemplaren […]“.507 Die ca. 4.000 Bände umfassende Bibliothek sollte im Auktionshaus Dr. W. Achenbach in der Hardenbergstraße 29a in BerlinCharlottenburg versteigert werden. Niederlechner schätzte sie auf 15.000 Reichsmark.508 Auch diese Bibliothek wurde von der Reichstauschstelle angekauft. Am 20. März 1943 empfahl Niederlechner Christoph Weber, die „Reste aus dem Verlag Bruno Cassirer“ anzukaufen,509 die sich im Auktionshaus von Charlotte Oellerich in Berlin befanden. Niederlechner taxierte die Bücher auf 10.000 Reichsmark. Etliche Titel waren in mehreren Exemplaren vertreten. Weil ein solches Angebot den Bedürfnissen der geschädigten Bibliotheken kaum entsprach, weigerte sich Jürgens, Niederlechners Schätzpreis zu akzeptieren, und schlug seinerseits 7.000 Reichsmark als angemessen vor.510 Oellerich ließ sich auf den Vorschlag ein und berechnete darüber hinaus nur das übliche Aufgeld in Höhe von 15 Prozent.511 In den Besitz der bibliophilen Kostbarkeiten der Warenhausunternehmer Georg und Martin Tietz gelangte die Reichstauschstelle nur, weil ihre Enteignung die Finanzbehörden vor rechtliche Probleme stellte und sich daher verzögerte. Beide Brüder waren mit ihren Familien ins Ausland geflohen, bevor die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz in Kraft trat, nach der das Vermögen der Juden, die das Deutsche Reich verließen, unmittelbar und vollständig dem Reichsfiskus verfiel. Letzten Endes wurden die 1933 erlassenen Gesetze zur Einziehung kommunistischen und volksfeindlichen Vermögens auf die Brüder Tietz angewandt, so dass ihr bei Berliner Speditionsunternehmen eingelagertes Eigentum an verschiedene Interessenten verkauft werden konnte. Zusammen mit den Bibliotheken der Brüder Tietz kaufte die Reichstauschstelle noch drei kleinere Bibliotheken, nämlich die von Ilse Stiebel, von Schlesinger und von Balke für 30.000 Reichsmark. Die Büchersammlungen Tietz, Stiebel, Schlesinger und Balke – auch sie waren von Niederlechner taxiert worden – sollte die am 3./4. Dezember 1943 nahezu völlig zerstörte Leipziger Stadtbibliothek erhalten.512 Im April 1944 meldete sich eine Nachbarin des deportierten Ehepaars Gottschalk aus Berlin-Wilmersdorf, die einen Aufruf der Reichstauschstelle mit dem Titel „Wissenschaft braucht 507
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Max Niederlechner an das BADB, Weber, 3. 9. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 32 Bonn. Der Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg. Vermögensverwertungsstelle, i. A. Wehringer [?] an den RBBA – RTS – Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken, 6. 9. 1943; und Deckblatt. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 32 Bonn. Niederlechner an das BADB, Weber, 20. 3. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 77 Cassirer. Jürgens an Herrn Michaelsen, Berlin, Lützowplatz 15, 24. 3. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 77 Cassirer. Charlotte Oellerich, Berlin-Wilmersdorf, Brabanter Platz 2, i. A. [unleserlich], an RTS und BADB, z. Hd. Jürgens, 31. 3. 1944. Für den Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek Albert Boeckler, der zuvor Mitarbeiter der Handschriftenabteilung der PSB war und als Gutachter für die Devisenstellen benannt worden war, wurden aus dem Ankaufsposten Cassirer zwei Exemplare von „Goldschmidt, Byzantinische Elfenbeinskulpturen. Textbd. und Tafelbd. 2 Bde. zus. 100.–“ reserviert. Aktennotiz, nicht datiert. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 77 Cassirer. Vgl. BRIEL, Bücher.
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Die Reichstauschstelle
Bücher“ im Berliner Lokalanzeiger gelesen hatte. Sie teilte mit, dass sich in einer „geräumten Juden Wohnung cirka 5-600 sehr gut erhaltene […] Bände befinden“.513 Daraufhin besichtigte Weber die Bibliothek des Kaufmanns Gustav Gottschalk – 1½ Kubikmeter Bücher, die, wie Haushalt und Wohnung der Gottschalks, bei der ,Verwertung‘ durch die Finanzbehörden bzw. ihren Auftragnehmern offenbar vergessen worden waren. Weber nahm Kontakt zur Finanzbehörde auf.514 Auch diese Bibliothek wurde von Niederlechner, der sie mit den Worten „eine gute literaturgeschichtliche usw. Sammlung, hauptsächlich Goethe-Literatur, auch Veröffentlichungen bibliophiler und literarischer Gesellschaften“ charakterisierte,515 taxiert und von der Reichstauschstelle angekauft.516 Im Sommer 1944 erwarb die Reichstauschstelle die Bibliothek des 1940 in Potsdam verstorbenen Historikers Kurt Breysig für 52.300 Reichsmark vom Finanzamt Potsdam, das sie auf Anordnung des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg anbot.517 Breysig hatte seine Ehefrau, die Jüdin war, als Erbin eingesetzt. Der Vorsteher des Finanzamts Potsdam schrieb an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung: „Durch diesen Erbantritt ist der gesamte Nachlaß jüdisches Vermögen geworden.“ Und er fuhr fort: „Die Jüdin ist am 21. Januar 1944 aus dem Reichsgebiet entfernt und ihr gesamtes Vermögen durch Verfügung der Geheimen Staatspolizei Berlin vom 1. Februar 1943 zu Gunsten des Deutschen Reiches eingezogen worden.“518
2.4.5.5 Hermann Fuchs’ Ankäufe für die Reichstauschstelle in Frankreich Die legalen und illegalen Erwerbungen innerhalb des Deutschen Reiches machten nur einen Teil der Erwerbungen für den Wiederaufbau aus. Gleichzeitig konzentrierte sich Jürgens auf die Beschaffung ausländischer, vor allem französischer Literatur. Dabei nutzte er die Strukturen des auf Krüß’ Betreiben 1940 eingerichteten und dem Militärverwaltungschef in Frankreich unterstellten Referats Bibliotheksschutz in Paris. 1943 wurde das Referat von Hermann 513
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Postkarte von Frau Rohdwald, 5. 4. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 129 Gottschalk. Weber [an Oberfinanzpräsidium Berlin-Brandenburg], 10. 5. 1944 (Durchdruck). SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 129 Gottschalk. Max Niederlechner an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, 23. 5. 1944 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 129 Gottschalk. Deckblatt. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 129 Gottschalk. Am 6. 9. 1944 dankte die Bayerische Staatsbibliothek für „die Bereitstellung der Goethe-Bibliothek“ und bat um die Zusendung von 16 [?] Kisten an ihre Ausweichstelle in Schloss Grünfurt bei Memmingen. Der Zusammenhang in der Akte legt nahe, dass diese Sendung auch Bücher aus der Bibliothek Gottschalk enthielt bzw. enthalten sollte. „Die Reichstauschstelle hat die Bibliothek des verstorbenen Professors Dr. Kurt Breysig zum Preis von RM 52.300.– vom Finanzamt Potsdam gekauft.“ RBBA. RTS. Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken, i. V. Dr. v. Busse, an den RMWEV, 8. 1. 1945. BArch R 4901/13705, nicht foliiertes Blatt nach Blatt 170. Der Vorsteher des Finanzamts Potsdam [Unterschrift unleserlich], an RMWEV, 13. 7. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 139.
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Fuchs geleitet, der in seiner zivilen Stellung Bibliotheksrat an der Preußischen Staatsbibliothek war und deshalb mit Jürgens gut bekannt gewesen sein dürfte. Seit 1941 kaufte Fuchs, wenngleich in geringerem Umfange, bereits für die Preußische Staatsbibliothek Literatur in Paris an. Die Bewilligung der Ankaufsmittel in Höhe von 20.000.000 Francs durch das Reichsministerium der Finanzen war ausdrücklich an die Bestimmung geknüpft, „dass der Ankauf von Büchern und Buchsammlungen in Frankreich nur im Einverständnis mit dem Herrn Militärbefehlshaber in Frankreich, Verwaltungsstab, Gruppe V 4/Bibliotheksschutz, vorgenommen werden darf“. Mit ihm seien „erforderlichenfalls auch die anzulegenden Preise vorher abzustimmen“. Das Reichsministerium warnte davor, „dass ausserhalb des Clearings gezahlt wird. Wenn die französische Regierung von den Ankäufen erfährt, ist damit zu rechnen, dass die Verkäufer zur Rechenschaft gezogen werden und die Ausfuhr der Bücher etc. verhindert wird.“ Insbesondere sollte sich die Reichstauschstelle mit dem Militärbefehlshaber in Verbindung setzen, damit die Sendungen, ohne den Verdacht der französischen Regierung zu erregen, die Grenze passierten.519 Jürgens hatte zunächst „an das Auswärtige Amt die Bitte gerichtet, für die Durchführung dieser Arbeiten einen Arbeitsplatz im Rahmen des [vom Auswärtigen Amt unterhaltenen, C. B.] Deutschen Instituts in Paris zur Verfügung zu stellen, da eine Angliederung an den Verwaltungsstab des Herrn Militärbefehlshabers, Abteilung Bibliothekenschutz, nicht tunlich erscheint.“520 Die Position konnte nur, so Jürgens, mit einem zu selbständigen Entscheidungen fähigen Fachmann, vornehmlich einem Bibliothekar, der im Referat Bibliotheksschutz tätig gewesen war, besetzt werden. Er schlug Ludwig Klaiber von der Universitätsbibliothek Freiburg vor, der vom September 1940 bis zum Januar 1942 zum Referat Bibliotheksschutz in Paris gehört hatte.521 Letztlich wurde aber nicht der ehemalige Mitarbeiter des Referats, Klaiber, mit den Ankäufen beauftragt, sondern dessen gegenwärtiger Leiter Fuchs, der aufgrund seiner Stellung im Stab des Militärbefehlshabers berechtigt war, die angekaufte Literatur als Wehrmachtsgut nach Deutschland zu senden. Im Sommer 1943 reiste Jürgens nach Paris, besuchte zahlreiche Verleger und leitete die Ankäufe auf dem französischen Buchmarkt in die Wege.522 Drei Monate später waren in Frankreich „insgesamt etwa 30 Verlage gekauft worden“. Genauer gesagt: Im Auftrag der Reichstauschstelle hatte Fuchs die jeweilige Verlagsproduktion in zwei Exemplaren angekauft. „Der Kauf erfolgte zu Preisen, welche ungefähr den Preisen des Jahres 1939 entsprechen, d. h. ohne Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Franc-Entwertung“, schrieb Jürgens in seinem Bericht an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Die französischen Verleger lieferten „ungemein gut, da ein gewisser Druck seitens des Referenten der Abteilung Bibliotheksschutz, der mit der Durchführung betraut ist, dahinter steht.“ Antiquari519
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Der Reichswirtschaftsminister, i. A. gez. Poehlmann, an den RMWEV, 14. 7. 1943 (Abschrift). BArch R 2/12423, Bl. 69. Jürgens an den RMWEV, durch den GD der PSB, 20. 4. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft). RTS des RMWEV, Jürgens, an RMWEV, 15. 9. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 150.
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Die Reichstauschstelle
sche Erwerbungen hätten sich, so Jürgens gegenüber dem Ministerium, als „untunlich erwiesen“, weil der französische Antiquariatsmarkt zu teuer sei. Bei „der Auflösung eines der grössten Antiquariate in Paris“ erwarb die Reichstauschstelle „seltene Zeitschriftenreihen, allerdings zu hohen Preisen“.523 Um die Jahreswende 1943/44 stand das ohnehin nur noch mit Fuchs und der Zivilangestellten Irene Scheil besetzte Referat Bibliotheksschutz vor seiner Auflösung. Um das drohende Ende von Fuchs’ Abordnung abzuwenden, entwarf Jürgens ein Schreiben an den Militärbefehlshaber in Frankreich, das von Krüß befürwortet und von Kummer als Ersuchen des Reichsministeriums abgesandt wurde.524 Jürgens betonte, dass es für das deutsche Bibliothekswesen unbedingt notwendig sei, Fuchs so lange in Frankreich zu belassen, bis sämtliche Gelder aufgebraucht seien. Von großem Nutzen sei gewesen, dass Fuchs „in seiner Eigenschaft als Militärverwaltungsrat“ auftrat. Die französischen Verleger hätten wohl kaum „in so grosszügiger Weise ihre Produktion geliefert […], wenn sie nicht der Ansicht gewesen wären, dass es sich um eine militärische Massnahme handelt.“525 Jürgens und Krüß526 konnten schließlich den Fortbestand des Referats erwirken. So setzte Fuchs seine Ankaufstätigkeit für das Wiederaufbauprogramm bis zum Sommer 1944 fort. Bis zum März 1944 hatte die Reichstauschstelle acht Millionen Francs ausgegeben; 100.000 Bände waren nach Deutschland geliefert worden.527 Zwei Monate später war der Ankauf der Verlagsexemplare so gut wie abgeschlossen. Jürgens konnte darauf verweisen, dass die französische Literatur „dabei zum vollen Friedenspreis mit 30 % Aufschlag gekauft worden“ war. Der Durchschnittspreis pro Band lag bei umgerechnet drei Reichsmark, obwohl es sich, wie er hervorhob, „um schwer-wissenschaftliche Literatur aller Sparten handelt.“ Es sei auch möglich
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RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den RMWEV, 10. 11. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 37 ff., Bl. 37 Rs und 38. Es geht aus den Unterlagen nicht hervor, welches Antiquariat Jürgens meinte. RMWEV an den Militärbefehlshaber in Frankreich, Paris, Hotel Majestic, Avenue Kléber, 19 (Entwurf), 9. 2. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 250. [Jürgens/Krüß] an den Militärbefehlshaber in Frankreich, 11. 1. 1944 (Entwurf). BArch R 4901/15090, Bl. 248. Als Militärverwaltungsrat stand Fuchs im Range eines Hauptmannes und trug Uniform, was durch Fotografien in Krüß’ Tagebuch bestätigt wird. Im Abschlussbericht seiner Tätigkeit als Mitarbeiter und Leiter des Referats Bibliotheksschutz in Frankreich bemerkte er, dass er aufgrund seiner Dienststellung „die allerdings nur vereinzelt auftretenden Widerstände von französischer Seite zu überwinden“ vermochte. Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 19. Auch Krüß betonte in einem privaten Schreiben an den Militärverwaltungschef Dr. [Franz Albrecht] Medicus, dass Fuchs’ „Stellung als Militärverwaltungsrat und die Uniform dabei entscheidend sind.“ Krüß an Militärverwaltungschef Dr. Medicus beim OKH, Gen. Qu. (Wildente), 17. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (graue Mappe). Krüß an Militärverwaltungschef Dr. Medicus beim OKH, Gen. Qu. (Wildente), 17. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (graue Mappe). Es geht aus den Unterlagen nicht hervor, ob dieses Schreiben tatsächlich abgesandt wurde. Krüß erwähnte darin u. a., dass „mit Sicherheit auf die kommende Invasion gerechnet“ werde. Material für die Besprechung im Reichsfinanzministerium, Jürgens an Ministerialrat Kummer, eingegangen am 22. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 81.
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gewesen, geschlossene Zeitschriften und grosse Reihenwerke zu beschaffen. Die Reichstauschstelle habe außerdem ganze Abteilungen großer Antiquariate, z. B. des Antiquariats Geuthner, geschlossen erwerben können, ebenso wie Privatbibliotheken und Antiquariate, die „zum grössten Teil ausgekauft worden“ waren.528 Im Mai 1944 belief sich das Guthaben auf nur noch 2.000.000 Francs. Über sie war gleichwohl schon verfügt worden, „so dass diese besonders fruchtbare Maßnahme in absehbarer Zeit zum Erliegen kommt.“529 Stockten Fuchs’ Ausgaben zunächst, möglicherweise auch deshalb, weil die Beschaffung der Verlagsproduktion bei weitem nicht so kostenträchtig war wie der Ankauf antiquarischer Literatur, so sah sich Jürgens im Mai 1944 dazu veranlasst, weitere Finanzmittel zu beantragen. Krüß befürwortete die „Ausnutzung des französischen Buchmarktes“.530 Fuchs sollte seine Tätigkeit im Auftrag der Reichstauschstelle nicht nur in Paris, sondern auch im übrigen Frankreich fortsetzen. Jürgens wünschte, dass er sich dem „Zentrum Toulouse“ zuwenden würde, wo „bedeutende Zeitschriften“ zu finden waren, „die für die kulturpolitische Haltung Frankreichs von besonderem Wert sind.“ Außerdem hatten sich die Erwerbungen in den zurückliegenden Monaten notgedrungen auf die aktuelle wissenschaftliche und schöngeistige Literatur beschränkt.531 Die Wiederbeschaffung der französischen Literatur des 18. Jahrhunderts war noch gar nicht in Angriff genommen worden.532 Für eine solche sowohl räumliche als auch inhaltliche Erweiterung von Fuchs’ Auftrag hätte es einer weiteren Million Reichsmark bedurft. Um die Beamten des Reichsministeriums für Finanzen wohlwollend zu stimmen, stellte Jürgens die neueste französische Finanzliteratur für sie zusammen und versprach, sie damit zu beliefern.533 Freilich konnte er die Beamten des Reichsministeriums der Finanzen zu keiner weiteren Bewilligung von Francsbeträgen bewegen.
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RTS des RMWEV, an RMWEV, 8. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 130. Außer Geuthner nannte Fuchs in seinem Bericht vom September 1944 noch eine ganze Reihe von Antiquariaten – Champion, Morancé, Droz, Maisonneuve, Rapilly, Denis, Vrin, Thiébaud und viele andere –, die „ständig wertvolle Angebote“ machten, welche „entweder sofort gekauft oder der Reichstauschstelle zur Prüfung übersandt wurden.“ Es gelang ihm auch, mehrere Privatbibliotheken französischer Gelehrter zu kaufen. Fuchs’ Tätigkeitsbericht vom September 1944 ist in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Zum einen sprach er von Privatbibliotheken, die ihm von Antiquariaten angeboten wurden, zum andern von geschlossenen Sammlungen aus privater Hand. Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 20 f. RTS des RMWEV, Jürgens, an RMWEV, 8. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 130. EBD. Handschriftliche Notiz Krüß’. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 14. 9. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 150. RTS des RMWEV, Jürgens, an RMWEV, 8. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 130. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an Ministerialrat Dr. Kummer, 16. 6. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 145. Kummer teilte er mit: „Wahrscheinlich werden Sie in der nächsten Zeit noch eine grosse Wunschliste des Finanzministeriums erhalten, für das ich an Hand des Kataloges des französischen Finanzministeriums eine Zusammenstellung der neuesten französischen finanzwissenschaftlichen Literatur gemacht habe. Ich habe die Zusammenstellung unserer Abteilung Finanzen übergeben, die sie nach Sichtung an das Reichsfinanzministerium zu einer weiteren Sichtung schicken wird. Von dort aus wird man die Titel der erbetenen Sachen wahrscheinlich an Sie senden.“
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Die Reichstauschstelle
Wegen der zunehmenden Verluste bei Luftangriffen war der Bedarf an französischer Literatur weiter gestiegen. So hatte das Romanische Seminar der Universität Berlin 60.000 Bände verloren; das Romanische Seminar der Universität Leipzig war ebenfalls zerstört worden.534 Fuchs suchte auf dem Pariser Antiquariatsmarkt gezielt nach Titeln, die von den Instituten in Deutschland gewünscht wurden.535 Er stellte Sendungen zusammen, „die nicht für die Reichstauschstelle direkt, sondern für andere Bibliotheken oder Institute bestimmt“ waren.536 Zu diesen gehörten u. a. die Bayerische Staatsbibliothek, die Universitätsbibliothek Hamburg, das Romanische Seminar Leipzig, das Reichsministerium der Finanzen, die Medizinische Akademie in Düsseldorf, das Physiologische Institut in Leipzig, das Archäologische Institut in Leipzig, das Wallraf-Richartz-Museum in Köln, das Orientalische Institut in Leipzig, die IngenieurSchule in Hamburg und das Philosophische Institut in Leipzig. Um die angekaufte Literatur nach Deutschland auszuführen, nutzte Fuchs die Dienste der Transportfirma Schenker, die die Ankäufe zunächst sammelte und sie dann waggonweise als Wehrmachtsfrachtgut nach Deutschland brachte.537 Wie Fuchs im September 1944 schrieb, war dies nur möglich wegen seiner „Zugehörigkeit zur Militärverwaltung“. Schon Anfang des Jahres 1944 begegnete er „steigenden Schwierigkeiten“ bei der Versendung der Ankäufe, so dass es ihm „zuletzt nur noch dank besonderer Beziehungen zum General des Transportwesens“ gelang, Bücherkisten aus Frankreich hinauszuschaffen.538 Der Kriegsverlauf zwang Fuchs, im August 1944 Paris zu verlassen. Die 20 Millionen Francs waren bis auf einen Rest von 5.000 Reichsmark bei der Reichskreditkasse aufgebraucht.539 Bis zum 31. August 1944 waren sieben Waggons mit französischer Literatur und sieben Waggons aus Belgien vor allem mit französischen und englischen Zeitschriften nach Deutschland gebracht worden. Fuchs musste für die Reichstauschstelle angekaufte Literatur im Umfange eines Viertel Waggons540 in Frankreich zurücklassen. Die „Teilkäufe bei den Firmen: Morancé, Geuthner, Pedoné, G. P. Maison neuf, Librairie General de Droit“ verblieben bei den Buchhandlungen.541 Jürgens hoffte, dass sie nicht endgültig verloren waren.
2.4.5.6 Jürgens’ Ankäufe in Belgien, den Niederlanden und Dänemark Noch größere Möglichkeiten, Literatur für den Wiederaufbau zu erwerben, eröffnete der belgische Buchmarkt. Jürgens frohlockte, dass „die beim Verlag vorhandene Literatur die belgische 534 535
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RTS des RMWEV, Jürgens, an RMWEV, 8. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 130. Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940 bis 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 20 und S. 21. PSB, Fuchs, an Jürgens, 28. 10. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Erworbene ausländische Bibliotheken (rosa Hefter). Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940 bis 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 20 f. EBD., S. 20 und S. 19. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 15. 9. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 150. 104.586 Francs. Nach den bei der RTS und in der PSB zugrundegelegten Durchschnittswerten waren dies 7.500 Bände.
Das Wiederaufbauprogramm
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Geldentwertung kaum mitgemacht“ habe.542 Im Spätherbst 1943 begann er, ähnlich wie Fuchs in Paris, in den Niederlanden und in Belgien Bücher direkt bei den Verlagen zu erwerben, „sodass die Reichstauschstelle die wichtige wissenschaftliche Literatur der Gegenwart aus Frankreich, Belgien und Holland in 2 Exemplaren für den Wiederaufbau zur Verfügung“ hatte.543 Weil die Reichstauschstelle in Belgien keinen ständigen Vertreter hatte, verhandelte Jürgens im Januar 1944 wegen des Ankaufs der Verlagsexemplare mit der Buchhandlung Standaard.544 Ebenso wie in Frankreich kaufte er auch in Belgien und in den Niederlanden antiquarische Literatur.545 Um exemplarisch zu belegen, wie günstig die Literatur in Belgien zu haben war, führte er in seinem Bericht für das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung bereits im November 1943 einige große Erwerbungen auf, die bis dahin abgeschlossen bzw. angebahnt worden waren, unter ihnen den Ankauf „eines belgischen Antiquariats von 120–150 000 Bänden“ zum Preis von 160.000 Reichsmark.546 Das von Jürgens erwähnte belgische Antiquariat, das er für einen so geringen Preis erwarb, war das beschlagnahmte Antiquariat Moorthamers. Einschließlich der „Vorbereitungs- und Versandgebühren“547 kostete dieser Ankauf die Reichstauschstelle 190.000 Reichsmark.548 Ein Mitarbeiter des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich, Militärverwaltungsrat Dr. Müller, hatte die Beschlagnahmung des Antiquariats betrieben. Im September 1943 setzte die Militärbehörde einen Geschäftsführer namens Schirrmann-Hamkens ein. Bei Jürgens’ Aufenthalt in Brüssel im Frühjahr 1944 wurde die „Überleitung der Verwaltung [des Antiquariats, C. B.] an die Reichstauschstelle“ vollzogen. Schirrmann-Hamkens legte Jürgens eine Abrechnung über 160.000 Reichsmark vor.549 Damals waren bereits fünf ausschließlich mit Zeitschriften aus dem Antiquariat Moorthamers beladene Waggons nach Deutschland abgesandt worden. Die Kisten für weitere zwei Waggons waren gepackt. „Der Rest der noch unverpackten Bücher dürfte nochmals 2–3 Wag541 542
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RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 15. 9. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 150. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den RMWEV, 9. 12. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 34. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 10. 11. 1943. BArch R 4901/ 13705, Bl. 37 ff., Bl. 38. Bericht des Bibliotheksdirektors Dr. Jürgens über eine Dienstreise nach Belgien, Berlin, 25. 1. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 49. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 26. 1. 1944. BArch R 4901/ 13705, Bl. 48. Nachweislich weilte Jürgens vom 13. bis 24. 1. 1944 in Brüssel und Antwerpen. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 10. 11. 1943. BArch R 4901/ 13705, Bl. 37 ff., Bl. 37 Rs. EBD. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 24. 8. 1943. BArch R 4901/ 13705, Bl. 34. „Ich habe in Brüssel ein riesiges Antiquariat im Umfange von etwa 100–200 000 Bänden gekauft, das noch ausgearbeitet wird, ebenfalls ein Antiquariat von 34 000 Bänden.“ Jürgens an den Direktor der Bayerischen Staatsbibliothek, 7. 7. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Ww 12 Staatsbibliothek München. An den Herrn Militärverwaltungschef Dr. Bayer bei der Militärverwaltung Belgien und Nordfrankreich. BArch R 4901/13705, Bl. 128.
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Die Reichstauschstelle
gons ergeben“, schrieb Jürgens im Mai 1944. Die Beaufsichtigung der weiteren Arbeiten überließ er „dem schon von der Militärverwaltung beauftragten Herrn Bernaerts, welcher zu denselben Bedingungen die Abwicklung durchführen wird wie bisher.“ Weil „die gesamte Beschlagnahmung der Buchhandlung auch auf die Anregung des Herrn Schirrmann-Hamkens zurückzuführen“ war und dieser „die ganze Verwaltung ehrenamtlich durchgeführt“ hatte, unterbreitete Jürgens im Mai 1944 dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung den Vorschlag, „ein Dankschreiben für die Übernahme dieser Arbeit“ zu übermitteln.550 Offenbar unterließ es das Ministerium jedoch, dem Mittelsmann einer Raubaktion einen offiziellen Dank auszusprechen. Für Ankäufe belgischer Literatur verwendete Jürgens im Januar 1944 – „bevorschusst von der deutschen Continentalen Bank in Brüssel“ – die bereits bewilligten 50.000 Reichsmark. Es folgten weitere Ankäufe antiquarischer Literatur. So erwarb er „eine grosse Sammlung von Kolonialliteratur in weitestem Umfange von etwa 7.000 Bänden zum Preis von 24 000.– RM“, wie er bemerkte: „auf Antrag der Bayerischen Staatsbibliothek“.551 Bereits im Juli 1943 hatte er bei einem Brüsseler Buchhändler, „welcher wahrscheinlich auch allerhand beschlagnahmtes Gut lagert, […] Archäologie im Hinblick auf die Bayerische Staatsbibliothek“ gekauft.552 Die Bayerische Staatsbibliothek interessierte sich gleichfalls für „wertvolle Inkunabeln“, die der Reichstauschstelle angeboten worden waren.553 Zehn weitere Ankäufe umfassten vor allem Standardwerke zur belgischen Geschichte. „Dabei war es möglich, im einzelnen erhebliche Rabatte zu erzielen.“554 Das Antiquariat Tulkens555 in Brüssel besaß im Januar 1944 „noch ein ungeheures Lager schwer wissenschaftlicher Literatur aller Fachgebiete“. Jürgens berichtete: „Der Inhaber war, nachdem ich ihm die Erfahrungen deutscher Gelehrter bei den Bombenangriffen geschildert hatte, bereit, einige wichtige Abteilungen seiner Buchhandlung komplett abzugeben, vor allem die Fächer Romanistik, Geschichte, Alte Geschichte und Wappenbücher, alte Archäologie, Botanik, Musik und alter Orient.“ Bei der Auswahl halfen „einige Vertreter des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts“ in Brüssel, die die Bestände der Buchhandlung für ihr jeweiliges Fachgebiet durchsahen. Gleichzeitig beantragte Jürgens Ankaufsmittel bei der Reichsstelle für
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RTS des RMWEV, Jürgens, an RMWEV, 2. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 126 f., Bl. 127. Bericht des Bibliotheksdirektors Dr. Jürgens über eine Dienstreise nach Belgien, Berlin, 25. 1. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 49. Jürgens an den Direktor der Bayerischen Staatsbibliothek, 7. 7. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Ww 12 Staatsbibliothek München. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an RMWEV, Jürgens, 26. 1. 1944. BArch R 4901/ 13705, Bl. 48. Bericht des Bibliotheksdirektors Dr. Jürgens über eine Dienstreise nach Belgien, Berlin, 25. 1. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 49. Die Kartenabteilung der PSB unterhielt ebenfalls Beziehungen zu Tulkens. Am 22. 7. 1944 erwähnte Smend in einem Schreiben an Annemarie Andresen in Hirschberg zwei von der Kartenabteilung erworbene Stücke, die für 807,15 RM angekauft und am 30. 10. 1943 unter der Acc. Nr. Kart 43/434 und 435 akzessioniert wurden. PSB, Karten-Abteilung, Smend, an Andresen, Berlin, 22. 7. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 35.
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Papier.556 Im März 1944 konnte er schließlich einen Kredit der Reichsstelle für Papier in Höhe von 200.000 Belgischen Francs „zum Ankauf von Teilbeständen des grössten Brüsseler Antiquariats“ – gemeint war das Antiquariat Tulkens – abwickeln.557 Vom 17. bis 29. April 1944 war Jürgens wieder in Brüssel. In dem Bericht über seine Reise führte er die angekauften Bibliotheken, Antiquariate und die Ankäufe in Buchhandlungen detailliert auf, sogar unter Angabe der Nummern, unter denen die jeweiligen Sendungen in den Depots der Reichstauschstelle eingelagert wurden.558 Indem er zugleich auf den Schätzpreis hinwies, verdeutlichte er, dass die Erwerbungen überaus günstig erfolgt waren. Unter ihnen befanden sich die archäologische Bibliothek O. Hamdi Bey, die ihm der stellvertretende Direktor des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Brüssel, Krönig, empfohlen hatte, sowie – auf Empfehlung von Professor Johannes Mattfeld vom Botanischen Museum in Berlin-Dahlem – „eine Bibliothek bestehend aus Botanik, Zoologie, Astronomie und Anthropologie“, außerdem eine Bibliothek moderner Geschichte und eine Sammlung Romanica, die er drei Monate zuvor im Antiquariat Tulkens besichtigt hatte. Weitere Ankäufe erfolgten bei der Buchhandlung Gaston Tavernier in Gent, bei den Antiquariaten und Buchhandlungen Moens und Maurice Lamertin, Victor Hankard, Montaigne, J. Landrain, F. de Nobele, George Moorthamers, J. von Vortsenbos und in der Librairie Encyclopèdique in Brüssel.559 Während Jürgens die Ergebnisse seiner Reisen nach Belgien ausführlich darlegte, ist über die Abwicklung der Ankäufe in den Niederlanden kaum etwas bekannt. Im November 1943 berichtete er über den Ankauf von Büchern aus dem 16. und 17. Jahrhundert im Antiquariat Burgersdijk & Niermans in Leiden, der „zu einem Durchschnittspreis von 2.– RM pro Band bei insgesamt 32.000 Bänden“ erfolgte.560 Die Ankäufe in anderen Antiquariaten fielen mit durchschnittlich 100 Bänden sehr viel kleiner aus.561 Es geht aus den Unterlagen nicht hervor, ob Jürgens sein Ziel für den Finanzierungsabschnitt seit dem März 1944, die niederländische Literatur systematisch anzukaufen, tatsächlich erreichte. In den Depots der Reichstauschstelle gingen Sendungen der Buchhandlung Nijhoff ein, die in einer Aufstellung über die Erwerbungen in den Niederlanden nicht enthalten waren.562 Im März 1944 gelang Jürgens der Ankauf „einer grossen anglistischen Bibliothek in Kopenhagen im Werte von RM 30.000.– “. Den Ankauf vermittelte das Auswärtige Amt.563
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Bericht des Bibliotheksdirektors Dr. Jürgens über eine Dienstreise nach Belgien, Berlin, 25. 1. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 49. Material für die Besprechung im RFM, Jürgens an Ministerialrat Kummer, eingegangen am 22. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 81. RTS des RMWEV, Jürgens, an den RMWEV, 2. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 126 f. RTS des RMWEV, Jürgens, an den RMWEV, 2. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 126 f., Bl. 126. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an RMWEV, Jürgens, 10. 11. 1943. BArch R 4901/ 13705, Bl. 37 ff. SBB PK, Historische Akten, RTS, Erworbene ausländische Bibliotheken (rosa Hefter): Holland. SBB PK, Historische Akten, RTS, Verzeichnis der Aktenzeichen des Wiederaufbaus. Material für die Besprechung im RFM, Jürgens an Ministerialrat Kummer, eingegangen am 22. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 81.
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Die Reichstauschstelle
2.4.5.7 Jürgens’ Ankäufe in Italien Jürgens plante gleichermaßen den Ankauf der gesamten italienischen Verlagsproduktion. Dieses Vorhaben ließ sich wegen des Kriegsverlaufs nicht realisieren.564 Ende des Jahres 1944 wies ihn Horst Becker, ein Mitarbeiter der Kulturpolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, der sich selbst kurz zuvor in Mailand aufgehalten hatte, darauf hin, dass in Norditalien noch Literatur für die Zwecke der Reichstauschstelle erhältlich sei.565 Das Auswärtige Amt hatte kurz zuvor in Italien Literatur für das Auslandswissenschaftliche Institut angekauft. Jürgens rechnete damit, dass er die Titel, die bei diesem Kauf in zwei Exemplaren angeschafft worden waren, erhalten würde.566 Um Literatur in Italien anzukaufen, flog Jürgens am 29. Dezember 1944 nach Mailand.567 Das Reichswirtschaftsministerium bewilligte für diesen Zweck 100.000 Reichsmark in Lire. Jürgens hoffte, dass er die Bücher gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt aus Italien abtransportieren könnte, „soweit nicht wider Erwarten militärische Umstände erschwerend eintreten.“568 Als er von Becker erfuhr, dass die Buchpreise in Italien beträchtlich gestiegen waren, beantragte er abermals Ankaufsmittel in Höhe von 100.000 Reichsmark in Lire.569 Diese zweite Forderung lehnte die Reichsstelle für Papier jedoch ab. Die in den Mailänder Antiquariaten und Buchhandlungen erworbenen Bücher und Zeitschriften lagerte Jürgens im deutschen Generalkonsulat ein. Zwischen dem 8. und 12. Januar 1945 hielt er sich in Turin auf und kaufte dort ebenfalls Literatur. „Ein Teil der angekauften Werke befand sich ausserhalb der Grossstädte in sicherem Gewahr der Buchhändler“, teilte er dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung mit. Er kaufte die Bücher unter dem Namen seiner holländischen Nachbarin, „Frau Polman-Mooy“, und plante, die angekaufte Literatur über die Schweiz nach Deutschland einzuführen. Auf seine Bitte wandte sich das Generalkonsulat in Mailand „durch die deutsche Gesandtschaft Bern an den Leiter der Universitätsbibliothek Basel, Herr Dr. Schwarber“ und fragte, „ob dieser in der Lage
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RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 10. 11. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 37 ff., Bl. 38. Jürgens an die Reichsstelle für Papier in Niederschlema, 11. 12. 1944 (Abschrift). BArch R 4901/13705, Bl. 177. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Dr. v. Busse, an RMWEV, 2. 1. 1945. BArch R 4901/13705, Bl. 176. Wohl deshalb wurden in dem Schriftwechsel zu dem Depot Frankenberg in Mainfranken schon Mitte Dezember, also drei Wochen bevor Jürgens in Italien eintraf, Bücher erwähnt, die in der deutschen Gesandtschaft in Mailand lagerten. Referenz des RMWEV, i. A. Kummer, 19. 12. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 165. Jürgens an die Reichsstelle für Papier in Niederschlema, 11. 12. 1944 (Abschrift). BArch R 4901/13705, Bl. 177. EBD. Am 2. 1. 1945, als Jürgens sich bereits in Italien aufhielt, wandte sich von Busse noch einmal an Kummer und bat ihn, die 100.000 RM direkt beim Reichswirtschaftsminister „dringlich anzufordern“. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Dr. v. Busse, an RMWEV, 2. 1. 1945. BArch R 4901/13705, Bl. 176.
Das Wiederaufbauprogramm
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ist, die Aufbewahrung der Bücher für die Kriegsdauer zu übernehmen.“570 Dazu kam es aber wohl nicht. Die in Italien erworbene Literatur ließ Jürgens in Mailand und in Turin zurück.571
2.4.5.8 Die Bücher des Tschechoslowakischen Historischen Instituts in Rom Nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei ging das Tschechoslowakische Historische Institut in Rom am 15. März 1939 in das Eigentum des deutschen Protektorats Böhmen und Mähren über. Nach der Ernennung Reinhard Heydrichs zum Reichsprotektor wurde es gemäß einer finanziellen Vereinbarung zwischen dem Deutschen Reich und dem Protektorat Böhmen und Mähren über „das Staatsvermögen und die innere Staatsschuld der ehemaligen tschechoslowakischen Republik“ vom 4. Oktober 1941 als Auslandsvermögen der ehemaligen Tschechoslowakischen Republik vom Deutschen Reich übernommen.572 Die zuständige Kultusbehörde des Protektorats Böhmen und Mähren beabsichtigte, das Institut weiterzuführen, und ersuchte deshalb das Reichsministerium der Finanzen, künftig für seine Unterhaltung aufzukommen.573 Das Reichsministerium der Finanzen war dazu offenkundig nicht bereit. Ministerialrat Baccarcich übergab das Institut am 3. März 1942 in die Verwaltung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, drängte aber zugleich auf dessen Auflösung.574 Am 15. April 1942 löste der Vertreter des zur tschechischen Scheinregierung gehörenden Ministeriums für Schulwesen und Volkskultur in Prag, Oberkommissär Franz Stuchlik, unter Mitwirkung der Deutschen Botschaft in Rom575 das Institut auf.576 Der zuständige Beamte des Reichsprotektors, Liebenow, verfügte, dass die Bibliothek zwischen dem Auswärtigen Amt und der Landes- und Universitätsbibliothek in Prag – wie die National- und Universitätsbibliothek von den deutschen Machthabern 1939 umbenannt worden war – aufgeteilt werden sollte. Den Teil,
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RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Bericht des Bibliotheksdirektors Dr. Jürgens über seine Reise nach Oberitalien zum Ankauf italienischer Bücher, an RMWEV, 30. 1. 1945. BArch R 4901/13705, Bl. 196. Die Akten der RTS nennen neben den zahlreichen anderen Bücherlagern in Deutschland, Österreich, Mähren und dem Elsass auch Mailand und Turin. Jedoch ist über diese Depots nichts Näheres bekannt. RGBl. 1941 II, S. 195. Bei der Übergabe an das Deutsche Reich hatten die Inneneinrichtung und die Bibliothek des Instituts, das sich in der Via Crescenzio 91 befand, einen Schätzwert von etwa 100.000 Kronen und gehörten in den Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Schulwesen und Volkskultur in Prag. Verzeichnis des im Ausland befindlichen beweglichen Vermögens der ehem. Tschecho-Slowakischen Republik. BArch R 2/12520, 83. Anlage zu einem Schreiben vom 15. 11. 1941. Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, i. A. gez. Schmeißer, an RMF, Prag, 31. 10. 1941. BArch R 2/12520, 81. Vermerk von Ministerialrat Dr. Baccarcich, 3. 3. 1942, an RMWEV und den Reichsprotektor in Böhmen und Mähren. BArch R 2/12520, Bl. 91. „Ich bitte, im Benehmen mit der Deutschen Botschaft in Rom a) auf eine beschleunigte Schließung des Instituts hinzuwirken und mir das Veranlaßte mitzuteilen, […]“. RMWEV, i. A. gez. Mentzel, an das AA, 23. 4. 1942, Durchdruck an den RMF. BArch R 2/12520, Bl. 93. Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, i. A. gez. Liebenow, an das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur in Prag, Prag, 30. 5. 1942 (Abschrift für das RMWEV). BArch R 2/12520, Bl. 96.
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Die Reichstauschstelle
den das Auswärtige Amt nicht verwenden konnte, sollte die Landes- und Universitätsbibliothek als „Leihgabe des Reiches“ erhalten.577 Das Auswärtige Amt bemühte sich, die Bibliothek des Tschechoslowakischen Historischen Instituts nach Berlin bringen zu lassen. Im Januar 1943 teilte einer seiner Mitarbeiter dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung mit, dass „die Deutsche Botschaft in Rom wiederholt um die Übersendung der Bibliothek des genannten Instituts an die Reichstauschstelle in Berlin gebeten worden ist.“ Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich allerdings noch keine günstige Transportgelegenheit ergeben. Inzwischen hatten „sowohl das Archäologische Institut als auch das Historische Institut in Rom eine Anzahl diese Institute interessierender Bücher aus den Beständen herausgezogen“. Der Rest – und damit waren wohl die Bücher gemeint, die die Reichstauschstelle für ihre Zwecke nicht brauchen konnte – sollte nach der Überprüfung in Berlin dem Slowakischen Schulministerium zur Verfügung gestellt werden.578 Seit dem Sommer 1942 war für den Reichsprotektor der Bibliothekar Wolf von Both mit der Angelegenheit befasst.579 Schließlich gelangte die Bibliothek – 5.000 bis 6.000 Bände580 – in den Besitz der Reichstauschstelle, die sie in einem ihrer in der Lausitz angemieteten Depots, der Kegelbahn des Schlosses Drehsa, einlagerte. Bei seiner Bestandsaufnahme vermerkte Theo Will, der Schloss Drehsa im Oktober 1945 aufsuchen konnte, dass die Bibliothek restituiert worden sei.581
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Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, i. A. gez. Liebenow, an den Vertreter des AA beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren in Prag, Prag, 30. 5. 1942. BArch R 2/12520 (RMF Abt. I Gruppe Wissenschaft. Selbständige Wissenschaftliche Institute und Anstalten), 97. Dasselbe sollte für die „Bibliothek der ehemaligen tschechoslowakischen Gesandtschaft in Rom“ gelten. Sie war „von der Deutschen Botschaft dem Tschechischen Historischen Institut übergeben worden“ und befand sich nun „zum Teil in den Räumen des ehemaligen Instituts […], während 73 Kisten in der Via Montevideo eingelagert“ waren. 578 AA, i. A. gez. Dittmann, an das RMWEV, 19. 1. 1943 (Abschrift für das RMF). BArch R 2/12520, Bl. 100. Professor Bock vom Deutschen Historischen Institut in Rom hatte bereits Stuchlik um die Überlassung von ca. 15 Werken gebeten. Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, i. A. gez. Liebenow, an den Vertreter des AA beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren in Prag, Prag, 30. 5. 1942. BArch R 2/12520, Bl. 97. Das RMWEV hatte offenbar bereits entschieden, die in seinem Eigentum befindliche – inzwischen durch einige andere Interessenten dezimierte – Bibliothek der RTS für das Wiederaufbauprogramm zur Verfügung zu stellen. Preußen sollte also für eine nicht genau bezeichnete Menge von entnommenen Büchern zahlen. RMF, Ministerialrat Baccarcich, Regierungsrat Borchers, an RMWEV, 18. 2. 1943. BArch R 2/12520, Bl. 101. 579 Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, i. A. gez. Dr. v. Both, an RMWEV, Prag, 31. 7. 1942. (Abschrift für den RMF, 8. 8. 1942). BArch R 2/12520, Bl. 98. Von Both war Mitarbeiter der Generaldirektion der PSB gewesen, gehörte 1940 zu den Mitarbeitern Abbs in Krakau und anschließend zum Referat Bibliotheksschutz in Paris. Als das Referat in Paris verkleinert wurde, wechselte er in die Kultusbehörde des Reichprotektorats. Im Frühjahr 1944 wandte sich von Busse mit dem Ansinnen an von Both in Prag, für die RTS Depots in den böhmischen und mährischen Schlössern zu akquirieren. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Böhmen und Mähren. 580 SBB PK, Historische Akten, RTS, Erworbene ausländische Bibliotheken (rosa Hefter). 581 SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Drehsa.
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2.4.5.9 Die ‚Dubletten‘ aus der Westraumbibliothek Metz Am 1. Januar 1944 wurde durch Verordnung des Chefs der Zivilverwaltung in Lothringen die Westraumbibliothek Metz gegründet, in der die Stadtbibliothek Metz und die in Lothringen beschlagnahmten Bibliotheksbestände zu einer deutschen wissenschaftlichen Bibliothek vereinigt werden sollten. Sie sollte vornehmlich französische Literatur für deutsche Leser bereithalten. Die französischsprachigen Einwohner Lothringens durften sie nicht benutzen. Zu ihrem Direktor wurde Hans Wegener ernannt, der zuvor schon Direktor der Stadtbibliothek in Metz gewesen war. Wegener war mit Jürgens’ Absicht, aus den beschlagnahmten Beständen in Lothringen weiterhin Literatur – nunmehr für das Wiederaufbauprogramm – zu erhalten, vertraut. Bereits im Februar 1944 stellte er ihm 250.000 bis 300.000 ,Dubletten‘ französischer Literatur in Aussicht. Die Westraumbibliothek Metz habe ihre Bestände „so weit geordnet, daß mit dem Katalogisieren und Aussortieren der Dubletten begonnen werden konnte.“582 Rund 10.000 gebundene französische Zeitschriftenbände stünden bereit. Wie in den Jahren zuvor wollte Wegener sie jedoch nicht unentgeltlich abgeben. Wegener schlug Jürgens vor, die ,Dubletten‘ aus der Westraumbibliothek mit aktueller französischer Literatur zu tauschen. Diese könnten Fuchs bzw. er selbst in Paris mit einem Teil der Mittel, die der Reichstauschstelle vom Reichsministerium der Finanzen bewilligt worden waren, kaufen. Wegeners Vorschlag umfasste 200.000 Francs. Sein Vorhaben begründete er damit, dass er zwar gern ,Dubletten‘ verkaufen würde, um Platz in den Räumen zu schaffen, ihm jedoch der Geldwert als solcher nichts nütze. Mit den Ankäufen auf dem deutschen Buchmarkt könne er die Lücken der Bibliothek nicht schließen. Es fehle seiner Bibliothek vielmehr an neueren französischen Werken. Fuchs hatte sich schon bereit erklärt, „die Verrechnung des Franksfonds mit der Westraumbibliothek zu übernehmen.“583 Verständlicherweise hatte Jürgens Vorbehalte gegen den Tausch. Während Wegener gezielt Literatur in Frankreich kaufen konnte, war es dem Zufall überlassen, welche Literatur in der Westraumbibliothek dublett war, welche Bücher und Zeitschriften Wegener für die Reichstauschstelle auswählen und absenden würde. Um das Risiko zu verringern, änderte Jürgens den Gegenwert von 200.000 in 100.000 Francs ab.584 Am 12. April 1944 waren Fuchs’ Ankäufe für die Westraumbibliothek abgeschlossen. Von Busse bat ihn, mit Wegener die Verrechnung „der für Ihre Einkäufe in unserem Auftrage bereitgestellten Ffrs. 100.000.– vorzunehmen.“585 Um im Gegenzug 10.000 Bände französischer Zeitschriften liefern zu können, benötigte Wegener Kisten. Nach einem ausführlichen, zwischen Juni und August 1944 geführten Schrift582
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Westraumbibliothek, Wegener, an RTS des RMWEV, 2. 2. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 127 Metz. EBD. Jürgens an die Westraumbibliothek, 22. 2. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 127 Metz. Dr. v. Busse an den Ersten Bibliotheksrat der Westraum-Bibliothek Metz, 12. 4. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 127 Metz.
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Die Reichstauschstelle
wechsel über die Größe der zu verpackenden Zeitschriftenbände und die Größe der Kisten begann er, Zeitschriften an die Reichstauschstelle abzusenden. Nachweislich ging eine Sendung der Stadtbibliothek Metz im Depot Lissa ein.586
2.4.5.10 Beschlagnahmte Bücher aus der Buchsammelstelle in Posen Bei dem Vorhaben, das in der Buchsammelstelle Posen zusammengetragene Raubgut für den Wiederaufbau zu nutzen, plante Jürgens ebenfalls, die Praxis der Abgabe von ,Dubletten‘ fortzuführen. Doch erst im Frühsommer 1944 versuchte er, die großen Bestände der Buchsammelstelle in Posen direkt, d. h. bevor sie von den Mitarbeitern der Staats- und Universitätsbibliothek Posen gesichtet worden waren, für das Wiederaufbauprogramm zu übernehmen. Ein Grund für diese Verzögerung war sicher der bereits früher vom Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Posen beklagte Arbeitskräftemangel, ein anderer das vergleichsweise geringe Interesse an polnischer und jüdischer Literatur.587 Am Pfingstmontag, dem 29. Mai 1944, hatte die Buchsammelstelle Posen bei einem Luftangriff schwere Schäden erlitten. Eine Woche später, am 6. und 7. Juni 1944, besuchte Jürgens Posen.588 Bei dieser Gelegenheit besichtigte er sowohl die unbearbeiteten Bestände der Staatsund Universitätsbibliothek als auch die Bücherlager der Sammelstelle in der Thüringer Straße 7 und in der Margaretenkirche. In der Staats- und Universitätsbibliothek meldete Jürgens den Anspruch der Reichstauschstelle auf die Dubletten an, die sich bei der Einarbeitung beschlagnahmter Bestände – namentlich der Schlossbibliothek Paulshuben – ergeben würden. In der Margaretenkirche lagerte hauptsächlich polnische Literatur, darunter „10.000 Bände aus der Bibliothek der ehemaligen polnischen Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften“. Weil über ihnen Möbel gestapelt waren, waren die Bücher schwer zugänglich. Jürgens entschied, dass eine „Bearbeitung vor Kriegsende nicht möglich“ sei. Sein Interesse konzentrierte sich daher auf die Buchbestände in der Michaelskirche, Thüringer Straße 7. Unter ihnen erachtete er „als in erster Linie verwendbar […] a) ältere Bestände aus den Bibliotheken Leslau und Gnesen […] b) Bibliothek der Handelshochschule Posen. c) Jüdische Bestände aus Litzmannstadt. d) Polnische enzyklopädische Werke. e) Medizinische Literatur. f) Französische und englische Belletristik. g) Ältere juristische Literatur. h) […] Literatur verschiedener Art und Provenienz“.589
586
Bezeichnet W 127. SBB PK, Historische Akten, RTS, Verzeichnis der Aktenzeichen des Wiederaufbaus. RBBA. RTS. Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den RMWEV, 30. 6. 1944, mit einem handschriftlichen Vermerk von Krüß vom 3. 7. BArch R 4901/15090, Bl. 347. 588 Lattermann berichtete Kummer: „Die teilweise Zerstörung der Buchsammelstelle am 29. Mai, aus der noch im Laufe der Zeit ausser dem schon herausgeholten vieles für die Bibliothek hätte verwandt werden können, ist ein schwerer Verlust.“ Lattermann an Ministerialrat [Kummer], 20. 7. 1944; Tätigkeitsbericht für April bis Juni 1944. BArch R 4901/13660, Bl. 165 und 166. 589 Abschrift des Berichts über die Besprechungen mit Bibliotheksdirektor Dr. Jürgens, 16. 6. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 349. 587
Das Wiederaufbauprogramm
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Auf Jürgens’ Geheiß entwarf der Bibliothekar Hans-Moritz Meyer von der Staats- und Universitätsbibliothek Posen eine Vereinbarung, nach der die unter den Punkten a–e genannten Bestände der Reichstauschstelle sofort zur Verfügung stehen sollten. Die Stapel verschiedener Provenienz wurden auf etwa 40.000 bis 60.000 Bände, die „Jüdische[n] Bücher aus Litzmannstadt“ auf etwa 20.000 Bände geschätzt.590 Der Universitätskurator Streit sprach sich dafür aus, dass die „Versorgung und der Aufbau wartheländischer Bibliotheken aus dem gesammelten Material“ Vorrang behalten sollten. Damit meinte er in erster Linie die Staatsund Universitätsbibliothek, aber auch die Institutsbibliotheken der Reichsuniversität Posen und Behördenbibliotheken.591 Als Gegenleistung für die Überlassung eines Teils der Bestände erwartete er, dass Jürgens für deren Bearbeitung sorgen würde. Dazu sollten ausgebildete Bibliothekare aus dem ,Altreich‘ nach Posen entsandt werden.592 Es wurde vereinbart, dass die Reichstauschstelle sowohl Literatur im Tausch bereitstellen als auch für besonders wichtige und wertvolle Werke bezahlen sollte.593 Ende Juni 1944 berichtete Jürgens dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, dass in Posen noch mehr als eine Million Bände vorhanden waren. Selbst wenn man die „nur wenig in Betracht kommenden polnischen und jüdischen Bestände“ außer acht ließ, waren dies mehr, „als irgendein Antiquariatsbestand in Deutschland“ umfasste. Deshalb schlug er vor, dass, anstatt sich weiterhin mit einzelnen antiquarischen Erwerbungen zu beschäftigen und an Auktionen teilzunehmen, die Leiter der Erwerbungsabteilungen der geschädigten Bibliotheken sich nach Posen begeben sollten, „um dort die Bestände, die bereits von der Reichs- und Universitätsbibliothek freigegeben sind, durchzusehen und ohne vorherigen Vergleich mit ihren Katalogen das für ihre Bibliotheken wertvoll Erscheinende auszuwählen. Dieses Material müsste den wiederaufbauenden Bibliotheken zur freien Bearbeitung unverzettelt zugesandt werden.“594 Jürgens sprach sich dafür aus, zunächst fünf Anwärter des Mittleren Dienstes zur Bearbeitung nach Posen abzuordnen.595 Wegen des Kriegsverlaufs ist es dazu wohl nicht mehr gekommen.
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Abschrift des Entwurfs einer Vereinbarung zwischen Reichsuniversität Posen und RTS Berlin über die Verwertung der Buchbestände in der Buchsammelstelle, 19. 6. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 348. Abschrift des Berichts über die Besprechungen mit Bibliotheksdirektor Dr. Jürgens, 16. 6. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 349. Abschrift des Entwurfs einer Vereinbarung zwischen Reichsuniversität Posen und RTS Berlin über die Verwertung der Buchbestände in der Buchsammelstelle, 19. 6. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 348. Jürgens gedachte, für diese Arbeit vor allem Mitarbeiter der „geschädigten Bibliotheken, denen die ausgewählten Werke zugute kommen sollen“, nach Posen zu senden. Abschrift des Berichts über die Besprechungen mit Bibliotheksdirektor Dr. Jürgens, 16. 6. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 349. RBBA. RTS. Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 30. 6. 1944, mit einem handschriftlichen Vermerk von Krüß vom 3. 7. BArch R 4901/15090, Bl. 347. RBBA, i. A. Juchhoff, an RMWEV, 25. 7. 1944. BArch R 4901/15090, Bl. 351. Juchhoff, der an der PSB u. a. für die Ausbildung von Bibliothekaren verantwortlich war, entschied, dass fünf Bibliothekarinnen, die am 1. 10. 1944 ihre Prüfungen ablegen würden, nach Posen gesandt werden sollten.
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Die Reichstauschstelle
2.4.5.11 Beschlagnahmte Bücher aus der Synagoge in Triest Wie bei den Büchern aus Mailand und Turin und aus der Buchsammelstelle Posen verhinderte das Kriegsgeschehen den Abtransport des in der Triestiner Synagoge eingelagerten Raubguts. Nach dem Sturz Mussolinis am 25. Juli 1943 deklarierten die deutschen Besatzer das östliche Norditalien und Teile Sloweniens als „Operationszone Adriatisches Küstenland“. Auf Anordnung des am 29. September 1943 zum Obersten Kommissar der Operationszone ernannten Gauleiters von Kärnten, Friedrich Rainer, begann im Oktober 1943 die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und die Beschlagnahmung ihres Vermögens. Die beschlagnahmten Bücher wurden in der Triestiner Synagoge gesammelt. Rainer und der Generaldirektor der Nationalbibliothek in Wien, Heigl, planten gemeinsam die Verteilung der Literatur, von der sowohl wissenschaftliche und nicht zuletzt NS-Institutionen in Kärnten als auch die Nationalbibliothek in Wien profitieren sollten.596 Am 10. August 1943 stellte Heigl während einer Besprechung im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Kummer in Aussicht, dass die Reichstauschstelle ebenfalls einen Teil der in Triest zusammengetragenen geraubten Bücher erhalten solle. Damit stieß er auf den Widerstand des Leiters der Finanzabteilung beim Obersten Kommissar, Alois Fischbach, der die Bücher nach „kaufmännischen Grundsätzen“ verwerten wollte.597 Sowohl Heigl als auch Jürgens hielten einen Kaufpreis von einer Reichsmark pro Band für angemessen. Im August 1944 konnte Jürgens damit rechnen, rund 100.000 bis 120.000 Bände der in der Operationszone beschlagnahmten Literatur für das Wiederaufbauprogramm zu erhalten. Am 18. August 1944 teilte Heigl Kummer mit: „Gauleiter Rainer hat alle meine Vorschläge angenommen, daher habe ich sofort Jürgens davon verständigt, dass er nun zum Zug kommen kann. Am besten wäre, wenn er anfangs September mit mir nach Triest käme. Ich habe alles dafür entriert.“598 Ob Jürgens nach Triest reiste, ist nicht bekannt. Nichtsdestoweniger wurden von den Besatzungsbehörden in Triest Vorbereitungen zum Abtransport der Bücher getroffen. Im Dezember 1944 bat Jürgens Heigl, den Kauf abzuschließen. Die Menge der für die Reichstauschstelle verfügbaren Bücher war inzwischen wegen der Verteilung an andere Interessenten, nicht zuletzt aus Kärnten, der beabsichtigten Makulierung vor allem der jüdischen Literatur – Romane, Gebetbücher – und wegen des Diebstahls besonders wertvoller Bücher aus der Synagoge im Herbst 1944 auf etwa 80.000 Bände zusammengeschmolzen. Heigl erwog eine einstweilige Unterbringung in Schloss Ebenthal oder in einer Brauerei in Silberegg bei Althofen. Zu Beginn des Jahres 1945 schwand die Aussicht, die Bücher aus Triest abtransportieren zu können.599 Etwa 10.000 Bände gelangten schließlich dennoch nach Silberegg in Kärnten. Dort wurden sie von durchziehenden deutschen Truppen in den letzten Kriegstagen geplündert. Britische Truppen fanden nur noch einen Berg von halbverbrannten Büchern vor. Jürgens war über die in 596 597 598 599
HALL, … allerlei, 448 f. EBD., 451. Zitiert nach HALL, … allerlei, 452. EBD., 453.
Das Wiederaufbauprogramm
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der Brauerei in Silberegg eingelagerten Bücher informiert, wie der Leiter der Abteilung Wissenschaft und Unterricht beim Obersten Kommissar, Dr. Franz Zojer, am 28. Februar 1945 Heigl mitteilte. Er beabsichtigte, den Kaufpreis in Lire anzuweisen.600
2.4.5.12 Die Angebote des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg Dass der Reichstauschstelle beschlagnahmte Bibliotheken durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg zugewiesen wurden, ließ sich bisher in den Akten der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle nicht nachweisen. Am 11. Februar 1943 hatte der Oberpräsident in Kassel – dieselbe Behörde, die nach der Zerstörung der Hessischen Landesbibliothek um die Zuteilung beschlagnahmter Büchersammlungen aus dem Besitz der Finanzbehörden ersuchte – den Einsatzstab „um Zuteilung von Büchern allgemein wissenschaftlichen Charakters für die Landesbibliothek in Kassel“ gebeten. Daraufhin bot der Stabsleiter aus dem Zentralamt des Einsatzstabs in Berlin, Gerhard Utikal, am 22. März 1943 Krüß an, „unter Umständen aus den beschlagnahmten Beständen französischer Juden den luftgeschädigten Bibliotheken geeignetes Material zu[zu]weisen.“ Utikal erkundigte sich, welche Bibliotheken „Luftschäden von solchem Ausmass erlitten haben, dass sie für ihren Wiederaufbau besondere Bestände benötigten“, gab aber zu bedenken, „dass vom Einsatzstab in erster Linie jüdisches und Verbotsmaterial erfasst wurde und dass von der allgemeinen Literatur hauptsächlich die französische anfiel.“ Darüber hinaus war der Einsatzstab bereit, russische Literatur unter der Bedingung abzugeben, dass sie in den Bibliotheken sekretiert würde. Deshalb ersuchte er Krüß um eine Empfehlung, „in welcher staatlichen Bibliothek [...] die wissenschaftliche Bereitstellung von sowjetischem Material (unter Verschluss) gerechtfertigt erscheint.“601 Krüß, der um eine strikte Abgrenzung der Arbeit der von ihm initiierten Bibliotheksschutzreferate in Paris und Brüssel von den Raubaktionen des Einsatzstabs bemüht war,602 ging auf das Angebot nicht ein. Statt dessen reichte er das Schreiben an Jürgens weiter und verwies in seiner Antwort an den Einsatzstab darauf, dass die Reichstauschstelle für den Wiederaufbau zuständig sei.603
600 601
602 603 604
EBD., 454. ERR, Der Stabsführer, [Gerhard] Utikal, an den GD der PSB, 22. 3. 1943. – SBB PK, Historische Akten, R XII-1, Bd. 2, 161. – Der Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau hatte sich bereits am 15. 9. 1942 an den RMWEV gewandt, um Bücher aus dem Vermögen von sogenannten Reichsfeinden, das nach dem Runderlass des RMI und des RMF vom 9. 4. 1942 den Selbstverwaltungskörperschaften zufallen konnte, für den Wiederaufbau der Hessischen Landesbibliothek in Kassel zu erhalten, und zwar nicht nur solche, die in Hessen „anfallen“. BArch R 4901/13705, Bl. 9. Vgl. Kap. 3.8.2.1. Krüß an den ERR, 6. 4. 1943. SBB PK, Historische Akten, R XII-1, Bd. 2, 165. RTS und BADB, Jürgens, an den GD der PSB Krüß, 30. 3. 1943. SBB PK, Historische Akten, R XII-1, Bd. 2, 163. Wegen der französischen Kolonie in Hessen sei gerade französische Literatur in Kassel reichlich vorhanden.
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Die Reichstauschstelle
Jürgens war nicht abgeneigt, einen Teil der vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg geraubten Literatur für das eben erst offiziell bestätigte Wiederaufbauprogramm zu nutzen. Allerdings sollte nicht nur die Hessische Landesbibliothek davon begünstigt werden. „Alle nur einmalig vorhandene Literatur sollte [...] bei der Reichstauschstelle sichergestellt werden, um bei Kriegsschluß den geschädigten Bibliotheken nach Maßgabe ihrer Sammelgebiete zugeteilt zu werden.“604 Seine anfängliche Bereitschaft, Raubgut aus dieser Quelle zu akzeptieren, schwächte sich jedoch ab, nachdem der Reichstauschstelle Ankaufsmittel in ausreichendem Maße zur Verfügung standen. Von dem Mitarbeiter der Akzessionsabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek, Ernst Mehl, im Juni 1943 um Auskunft über „eine Stelle“ in Brüssel gebeten, „die von reichswegen den Vertrieb von Beständen aus beschlagnahmtem Bibliotheksgut […] an bombengeschädigte Bibliotheken [...] besorge“,605 teilte Jürgens mit: „Die Reichstauschstelle möchte es vermeiden, zunächst mit der Stelle Rosenberg und den von ihr beschlagnahmten Bibliotheken in Verbindung zu treten.“606 Dennoch stellte der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg – wohl mit Jürgens’ Zustimmung vom März/April 1943 – von April bis Juni 1943 47 Kisten „Zur evtl. Weitergabe an die Reichstauschstelle“ zusammen. Mit diesen 47 waren im Frühjahr insgesamt 63 Kisten für die Reichstauschstelle gepackt worden.607 Im folgenden Quartal vom 1. Juli bis zum 30. September 1943 waren weitere 28 Kisten mit Dubletten „ggfls. zur Weitergabe an die Reichstauschstelle“ vorgesehen.608 Im vierten Quartal 1943 waren unter den insgesamt 179 Kisten, die „in der Berichtszeit verpackt und abgesandt oder auf Lager gegeben“ wurden, sechs für die Reichstauschstelle.609 Für das erste Quartal 1944 fehlen Zahlen; im zweiten Quartal waren 48 Kisten für die Reichstauschstelle bestimmt.610 Im dritten Quartal 1944 wurden unter dem Kistenausgang 63 Kisten aufgeführt, doch heißt es auch hier lediglich, dass sie gepackt, aber nicht dass sie abgeschickt wurden.611 Im dritten Quartal 1944 hatten sich insgesamt 224 für die Reichstauschstelle bestimmte Kisten angesammelt.612 Vermutlich war dies die Gesamtzahl aus den vergangenen anderthalb Jah605
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Bayerische Staatsbibliothek, i. A. Mehl, an Jürgens, BADB, München, 15. 6. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Ww 12 Staatsbibliothek München. Jürgens an den Direktor der Bayerischen Staatsbibliothek, 7. 7. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Ww 12 Staatsbibliothek München. Materialien zum Vierteljahresbericht vom April bis Juni 1943, Cruse o. D. BArch NS 30/17. o. P. Unter den insgesamt 241 in diesem Zeitraum verpackten Kisten befanden sich u. a. auch „vom Finanzamt Berlin drei Wagenladungen voll Bücher“. Unterlagen für den Vierteljahresbericht. 1. 7. 1943 bis 30. 9. 1943, [Paul] Ruhbaum, o. D. BArch NS 30/17. Buchleitstelle der Zentralbibliothek der Hohen Schule im Einsatzstab, Hauptabteilung IV, [handschriftlich] Ruhbaum, Vierteljahresbericht für die Zeit vom 1. 10. 1943–31. 12. 1943. Ratibor, 7. 1. 1944. BArch NS 30/17. Willem de Vries bildet einen Ausschnitt aus dem Vierteljahresbericht der ERR-Stabsführung für das zweite Quartal 1944 ab, aus dem hervorgeht, dass 48 Kisten von der Stabsführung des ERR an die RTS geliefert werden sollen. DE VRIES, Sonderstab Musik, 85. ERR, Stabsführung IV,5. Vierteljahresbericht für die Zeit vom 1. 7. 1944 bis 30. 9. 1944. BArch NS 30/17. ERR, Stabseinsatzführer [Herbert] Lommatzsch, an den Stabsführer des ERR [Utikal], Berlin, Margaretenstraße 17, Ratibor, 14. 8. 1944. BArch NS 30/26.
Das Wiederaufbauprogramm
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ren, was nahelegt, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine Kisten an die Reichstauschstelle abgeschickt worden waren, sondern weiterhin in der Ausweichstelle des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg in Ratibor613 lagerten. Legt man das Fassungsvermögen der üblicherweise von der Preußischen Staatsbibliothek und von der Reichstauschstelle verwendeten Transportkiste zugrunde,614 so wären dies über 40.000 Bände gewesen. Im Januar 1944 wandte sich der Zweite Direktor des Botanischen Gartens und des Botanischen Museums in Berlin-Dahlem, Prof. Dr. Robert Pilger, an Peter Wörmke von der Hauptarbeitsgruppe Frankreich des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg. Pilgers Sohn hatte Wörmke in Paris kennengelernt und bei dieser Gelegenheit erfahren, dass dessen Dienststelle größere Büchersammlungen besaß, darunter auch botanische Werke.615 Pilger war bestrebt, die Verluste, die die Bibliothek des Botanischen Museums bei einem Luftangriff erlitten hatte, zu ersetzen. Für Wörmke war dies eine Gelegenheit, sich der geraubten wissenschaftlichen Fachliteratur zu entledigen, für die es in der geplanten Parteiakademie, der Hohen Schule, keine Verwendung gab und die lediglich die Bearbeitungs- und Lagerkapazitäten des Einsatzstabs blockierte.616 Die Stabsführung des Einsatzstabes in Berlin griff diesen Gedanken auf und plante eine „Bücherspende des ERR an die deutschen Hochschulen“.617 Mit der Durchführung einer solchen „Bücheraktion“ sollte die Reichstauschstelle beauftragt werden. Für seine Gesprächspartner überraschend lehnte Jürgens, der zu der vorbereitenden Besprechung am 4. April 1944 hinzugezogen worden war, das Ansinnen ab. Der ,Parteigenosse‘ Hans Braun vom Sonderstab Wissenschaft konnte jedoch nicht umhin, Jürgens’ Argumenten gegen die „Durchführung der Bücherspende während des Krieges“ eine gewisse Berechtigung zuzusprechen.618
613
Im Sommer 1943 wurden fast alle Abteilungen des ERR evakuiert. Ende des Jahres erfolgte der Umzug des Personals und der Lagerbestände aus Berlin nach Ratibor und Pless in Schlesien. DE VRIES, Sonderstab Musik, 67 ff. „Ratibor bildete […] das große Auffanglager für Hunderttausende (vielleicht Millionen) von Büchern und Zeitungen, die der ERR in den besetzten Ländern beschlagnahmt hatte und die ursprünglich für die gigantische Großbibliothek der Hohen Schule in Berlin bestimmt waren.“ Der ERR nutzte in Ratibor mindestens 18 Gebäude als Lagerhäuser. „Neben einfachen Lagerschuppen beschlagnahmte man auch das Bereichslager der Firma Ebel, aber auch die Zigarettenfabrik Paulsgrund (dort lagerten rund 200.000 Bücher), die Villa Nova, die Synagoge, das Schloß Tunskirch und eine ehemalige Brauerei.“ DE VRIES, Sonderstab Musik, 83 ff. 614 Vgl. VOIGT, Auslagerung, 12, 13 Abbildung. 615 Botanischer Garten und Museum, Prof. Dr. R. Pilger, an Wörmke, Berlin-Dahlem, 22. 1. 1944. BArch NS 30/26. 616 An Utikal gewandt schrieb er: „Ich hoffe, mit dieser Anregung ein Ventil für diejenigen Buchbestände zu öffnen, mit denen weder Sie noch wir recht etwas anfangen können. Also Naturwissenschaften, Mathematik, technische Wissenschaft, Medizin, Jurisprudenz, Geographie und Geologie, soweit nicht bereits bestimmte Interessenten, wie OKW usw. dafür vorhanden sind.“ ERR für die besetzten Gebiete, Hauptarbeitsgruppe Frankreich, Dienststelle F. P. N., Wörmke, an die Stabsführung des ERR, 31. 1. 1944. BArch NS 30/26. 617 ERR, i. A. Braun [Sonderstab Wissenschaft], an Utikal, 5. 4. 1944. Betr. Bücherspende der ERR an die deutschen Hochschulen. BArch NS 30/26. 618 EBD.
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Die Reichstauschstelle
Welche Argumente Jürgens gegen die Beteiligung der Reichstauschstelle vorbrachte, lässt sich nur vermuten. Grundsatz der Reichstauschstelle war, wiederbeschaffte Literatur den geschädigten Bibliotheken erst nach Kriegsende auszuhändigen. Es ist anzunehmen, dass Jürgens dieser Richtlinie folgte, als er sich weigerte, die Verteilung der vom Einsatzstab geraubten Buchbestände zu organisieren. Während des Abtransports aus dem von Luftangriffen noch wenig bedrohten schlesischen Ratibor und in den Bibliotheken der Universitätsstädte selbst wären sie den Gefahren der Zerstörung ausgesetzt gewesen, und dies letztendlich nur, weil die Verantwortlichen des Einsatzstabes den Zustrom von Raubgut nicht mehr beherrschten und nicht in der Lage waren, die Massen geraubter Bücher zu ordnen und sachgemäß aufzubewahren. Nachdem Jürgens eine Zusammenarbeit abgelehnt hatte, blieb dem Einsatzstab nichts anderes übrig, als die Verteilung selbst zu übernehmen. Als Ergebnis der Besprechung vom 4. April 1944 formulierte Braun einige Vorschläge zu „einer selbständigen Durchführung dieser Bücheraktion“. Er schlug vor, „Pg. Dr. Bretthauer619 mit der weiteren Bearbeitung der Buchaktion […] zu betrauen“, um die Dienststellen in Paris und Amsterdam von geraubten Büchern zu entlasten. Zuerst sollten die wissenschaftlichen Lehrbücher aussortiert, nach Ratibor geschickt und von dort an einzelne Hochschulen verteilt werden.620 Bei der Besprechung mit Braun ging es aber nicht nur um die „Bücherspende“ für die deutschen Hochschulinstitute, sondern auch um die Kisten, die der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg bis dahin für die Reichstauschstelle vorrätig gehalten hatte. Offenbar hatte Jürgens sich ebenfalls geweigert, die bereits gepackten Kisten zu übernehmen. Am 14. April 1944 schrieb Haupteinsatzführer Paul Ruhbaum von der Hauptabteilung Erfassung und Sichtung in Ratibor: „Nachdem die Verhandlungen, die Parteigenosse Braun mit der Reichstauschstelle führte, ergebnislos verliefen, schlage ich nach Rücksprache mit Stabsführer Lommatzsch folgendes vor: Die Bestände, für die weder die Hohe Schule noch die Ämter des Hauses Interesse haben, werden weiter unter der Signatur RT verpackt. Die in Ratibor gepackten Kisten werden in Schloss Tunskirch gelagert, die im Westen anfallenden RT-Bestände im Reich, wofür ein bei Karlsbad gelegenes ehemaliges Fabrikgebäude in Aussicht genommen ist. […] Bibliotheken und Forschungsinstitute, die zur Vervollständigung oder zum Wiederaufbau ihrer zerstörten Büchereien schon während des Krieges von uns Bücher zu den geltenden Bestimmungen (vorerst leihweise auf Kriegsdauer) übernehmen wollen, richten ihre Buchwünsche über die Stabsführung an die Buchleitstelle bei der Hauptabteilung IV.“621 Im August 1944 revidierte der Einsatzstab seine Entscheidung, die für die Reichstauschstelle vorgesehenen 224 Kisten weiterhin aufzubewahren.622 Die Gründe für dieses plötzliche 619
Karl Brethauer leitete die Hauptarbeitsgruppe Frankreich. DE VRIES, Sonderstab Musik, 137. ERR, i. A. Braun, an Utikal, 5. 4. 1944. Betr. Bücherspende der ERR an die deutschen Hochschulen. BArch NS 30/26. 621 ERR. Die Stabsleitung. Hauptabteilung Erfassung und Sichtung, Ruhbaum, Aktenvermerk für den Stabsführer, Ratibor, 14. 4. 1944, Betr.: Bücherspende des ERR für die deutschen Hochschulen. BArch NS 30/26. Die wissenschaftlichen Lehrbücher sollten über die Reichsstudentenführung verteilt werden. 622 Vom 7. und vom 14. 8. 1944 datieren zwei beinahe identische für Utikal bestimmte Listen der Verantwortlichen in Ratibor, die erste von dem Haupteinsatzführer Ruhbaum, die andere vom Stabseinsatzführer 620
Das Wiederaufbauprogramm
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Umschwenken sind nicht bekannt. Sahen sich die Verantwortlichen in Ratibor dazu gezwungen, ihre Lagerbestände aufzulösen? Hatte der Einsatzstab Jürgens nahegelegt, die Kisten doch zu übernehmen? Und hatte dieser abgelehnt, weil er sich außerstande sah, sie in den Depots der Reichstauschstelle unterzubringen bzw. sie dorthin bringen zu lassen? Oder hatte Krüß Jürgens gedrängt, von den Raubgutbeständen des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg abzulassen? Wenn die Reichstauschstelle vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg auch keine Literatur für den Wiederaufbau erhielt, so vermittelte Jürgens doch augenscheinlich Raubgut aus dieser Quelle. Bei dem Luftangriff auf München im März 1943 waren die Bestände der Universitätsbibliothek teilweise vernichtet worden. Betroffen war vor allem die Sammlung der Dissertationen. Die Reichstauschstelle bemühte sich, Dissertationen in Utrecht und Amsterdam sowie in Schweden, Dänemark und in Straßburg wiederzubeschaffen.623 Er wies die Universitätsbibliothek München aber auch auf „etwa 1.000 Bände französischer Literatur“ hin, die „[b]ei der Hohen Schule in Annenheim, Adresse 12 b St Andrae, Post St. Tobrich“ lagerten. „Darunter auch einige Bände Deutscher Medizin, meist aus der Zeit nach 1930. Diese sind der Reichstauschstelle zur Verfügung zu stellen. Ich bitte um Äusserung auf diesem Schreiben, ob die geschlossene Abnahme als Block dort erwünscht ist.“ Das gleiche Angebot unterbreitete er der Universitätsbibliothek Kiel und der Bibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg.624
2.4.6
Das Scheitern des Wiederaufbauprogramms
Jürgens’ rastlose Tätigkeit scheiterte, weil auch eine noch so umfangreiche Sammeltätigkeit die Kriegsverluste der Bibliotheken nicht ausgleichen konnte. Das Dilemma in der Strategie des Wiederaufbauprogramms machte sich allerdings schon vorher bemerkbar. Wie Krüß war Jür-
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Lommatzsch unterschrieben. Ruhbaum, Ratibor, 7. 8. 1944: Aktennotiz für den Stabsführer; und Lommatzsch, Ratibor, 14. 8. 1944, an den Stabsführer des ERR. BArch NS 30/26. Neben der RTS, die mit 224 Kisten an zweiter Stelle in den Listen aufgeführt ist, stehen die Zentralbibliothek der Hohen Schule mit 1.296 Kisten, das Hauptamt Schrifttum, das Amt Musik, das Institut zur Erforschung der Judenfrage u. a. Die meisten hier erwähnten Institute gehörten zum ERR. Vgl. DE VRIES, Sonderstab Musik. Wie an gleicher Stelle schon in früheren Listen vermerkt wurde, waren die Kisten gepackt und „zum Teil an die Empfänger zum Versand gebracht“ worden. In der Liste vom 7. 8. ist die RTS als Empfänger ausgestrichen, die entsprechende Zeile mit einem Fragezeichen versehen und handschriftlich „(Dubletten)“ hinzugesetzt. In der Liste vom 14. 8. 1944 erscheint schließlich der Vermerk: „Der Posten ‚Für die Reichstauschstelle bestimmt‘ steht jetzt zur allgemeinen Verwendung für Tauschzwecke zur Verfügung.“ Dr. Kirchner, Universitätsprofessor, Direktor der UB München, an die RTS, München, 15. 12. 1943. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Ww 19 Universitätsbibliothek München. Darin auch zwei Schreiben Webers an den Direktor der Universiteitsbibliotheek Amsterdam vom 11. 12. 1943 und an den Direktor der Bibliotheek der Rijksuniversiteit vom 11. 12. 1943, in denen Weber dafür dankt, dass diese sich bemühen wollen, die fehlenden Dissertationen antiquarisch zu erwerben. Jürgens an die Universitätsbibliothek München, 29. 6. 1944. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Ww 19 Universitätsbibliothek München. Auf dem Schreiben vermerkte er: „Ebenfalls bei 8 und 18 angefragt.“ Damit waren die Bibliothekssigel der Universitätsbibliothek Kiel und der Bibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg gemeint. Annenheim war die Postadresse für Schloss Tanzenberg in Kärnten, wo für die Hohe Schule geraubte Literatur lagerte. Vgl. ADUNKA, Raub.
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Die Reichstauschstelle
gens von der Effizienz einer zentralen Lenkung des Wiederaufbaus überzeugt. Die strengen Richtlinien fanden indes kaum ungeteilte Zustimmung in den zu versorgenden Bibliotheken. Insbesondere die Vertreter der großen Bibliotheken bzw. Universitäten außerhalb Preußens ordneten sich nicht ohne weiteres unter. So ermächtigte das Sächsische Ministerium für Volksbildung nach der Zerstörung der Leipziger Universität bei dem Luftangriff Anfang Dezember 1943 die Institutsdirektoren, in alle Gegenden des Reichs zu fahren, um dort nach Möglichkeit Bücher zu kaufen. Am 14. Dezember 1943 beschwerte sich Jürgens beim Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung über diese Eigenmächtigkeit und bat dringend, „auf das Sächsische Kultusministerium dahin zu wirken, dass die von der Reichstauschstelle aufgestellten Grundsätze des zentralen Ankaufes geschlossener Bibliotheken auch auf den Wiederaufbau der Universität Leipzig zur Anwendung kommen […]“.625 Bei dem Luftangriff waren, wie der Rektor der Universität Leipzig, Wolfgang Wilmanns, dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung mitteilte, „die Bibliotheken sämtlicher geisteswissenschaftlicher Institute und Seminare mit drei Ausnahmen, sowie die Bibliotheken einer Reihe naturwissenschaftlicher und medizinischer Institute restlos vernichtet“ worden.626 Wegen der immensen Verluste von mehreren Hunderttausend Bänden fürchteten die Verantwortlichen, dass die von der Reichstauschstelle gesammelten Bücher und Zeitschriften nicht ausreichen würden.627 Der Leipziger Sortiments- und Antiquariatsbuchhandel war bei dem Luftangriff ebenfalls fast vollständig vernichtet worden. Wilmanns schrieb: „Wie die Bezugsscheine bombengeschädigter Privatpersonen für das ganze Reich gelten, da in den zerstörten Städten keine Einkaufsmöglichkeiten mehr bestehen, so waren und sind auch die Leipziger Professoren auf den auswärtigen Buchhandel angewiesen.“ Bei ihren Reisen hatten sie überdies „Hunderte von Bänden kostenlos“ erhalten.628 Die Erwerbungsfahrten währten mehrere Monate. Mit einem Erlass vom 26. Januar 1944 setzte sich schließlich das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung gegen das Sächsische Ministerium für Volksbildung durch: Die Reisekosten wurden gestrichen; die Professoren mussten ihre Reisen einstellen.629
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RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an RMWEV, Jürgens, 14. 12. 1943. BArch R 4901/13705, Bl. 42. Der Rektor der Universität Leipzig, Wilmanns, an RMWEV, 21. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 113 f., 113. Die Sorge war durchaus berechtigt. Bis zum Winter 1943/44 hatte die RTS zwar Lagerkapazitäten für 3 Millionen Bände angemietet, aber nicht annähernd so viel Ersatzliteratur beschafft, während die Verluste der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken weiter stiegen. Am 20. 4. 1944 nannte Kummer die Zahl von mehr als 6 Millionen Bänden. RMWEV, Kummer/von Rottenburg/Latzel, an den Rektor der Universität Leipzig, durch das Sächsische Ministerium für Volksbildung, 20. 4. 1944. BArch R 4901/ 13705, Bl. 116 f. Der Rektor der Universität Leipzig, Wilmanns, an RMWEV, 21. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 113 f., 113. EBD. Zu dem Erlass: RMWEV, Kummer/von Rottenburg/Latzel, an den Rektor der Universität Leipzig, durch das Sächsische Ministerium für Volksbildung, 20. 4. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 116 f., 116.
Das Wiederaufbauprogramm
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Wilmanns lud Kummer und Jürgens daraufhin zu einem Gespräch nach Leipzig ein und erklärte sich bereit, den Vorgaben der Reichstauschstelle zu folgen. Der Leipziger Universitätsleitung war bis dahin „verwaltungsmäßig unklar, in welchem Umfange die Reichstauschstelle bei den Bücherkäufen zustimmen muß, wie weit diese Zustimmung nur eine innere Bindung der Institutsdirektoren darstellt oder wie weit sie die förmliche Voraussetzung für die Zahlungen ist. Daher ist auch unklar, wie weit die Institutsdirektoren den Verkäufern gegenüber handlungsfähig sind.“ Wilmanns beklagte, dass die laufenden Kaufverhandlungen abgebrochen werden müssten und den Instituten durch die damit verbundenen „unvermeidlichen Verzögerungen beträchtlicher Schaden“ erwuchs.630 Bei der Besprechung, die er Ende März oder Anfang April 1944 mit dem Vertreter der Leipziger Universitätsleitung führte, kam Jürgens den Leipziger Professoren entgegen. Er genehmigte die bisherigen Ankäufe verlagsneuer und „antiquarischer [Werke], die noch dem Friedenspreis entsprechen“, und wies an, sie aus dem Schadensguthaben der Institutsbibliotheken zu bezahlen. „Auch hinsichtlich der eingeleiteten Kaufverhandlungen mit ganzen Bibliotheken sei die Reichstauschstelle bereit, den Wünschen der Leipziger Institute weitestgehend zu entsprechen.“ Darüber hinaus versprach er, Bestellungen der Leipziger Institute an Fuchs in Paris weiterzugeben.631 Jürgens’ Entgegenkommen änderte allerdings nichts an dem Dilemma, in dem sich die Professoren der Leipziger Universität befanden. Da auch für die wiederbeschaffte Literatur befürchtet werden musste, dass sie bei den fortgesetzten Luftangriffen zerstört wurde, hatte das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ihre sichere Unterbringung angeordnet, sie damit aber dem Lehrbetrieb entzogen. Von dem Grundsatz, dass die Bücher gegen neue Bombenangriffe unbedingt gesichert werden müssten, wich Jürgens in den Verhandlungen nicht ab.632 Dennoch erkannte er an, dass ein Kompromiss zwischen der Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs und dem Schutz vor Zerstörung gefunden werden musste. Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung hatte gleichfalls die „Aufrechterhaltung von Forschung und Lehre […] des öfteren ausdrücklich betont und zur Pflicht gemacht“. Vor allem für „die kriegswichtigen Forschungen der chemischen und physikalischen Institute“ durfte die benötigte Literatur nicht zurückgehalten werden. Diese Institute brauchten zumindest eine Handbibliothek. Im Mai 1944 drang denn auch Jürgens auf eine Lockerung der Richtlinien.633 In der zweiten Hälfte des Jahres 1944 ging die Reichstauschstelle dazu über, trotz der Bedenken dringend benötigte Werke aus den wiederbeschafften Beständen an wissenschaftliche Institute verschiedener Universitäten auszuhändigen.634 630
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Der Rektor der Universität Leipzig, Wilmanns, an RMWEV, 21. 3. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 113 f., 113. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 6. 4. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 115. Besprechung mit Dr. Mank vom Wirtschaftswissenschaftlichen Institut. EBD. RTS und BADB, Jürgens, an den RMWEV, 19. 5. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 146. RBBA. RTS. Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an RMWEV, Jürgens, an den RMWEV, 31. 8. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 147. „Die Literatur kriegswichtiger Fachgebiete wurde dabei sofort wieder der Benutzung am sichern Ort zugeführt so namentlich chemische und physikalische Literatur, ebenso wie die
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Die Reichstauschstelle
Jürgens musste auch in einem anderen Punkt von den Richtlinien des Wiederaufbaus abweichen. Er erkannte, dass es nicht mehr möglich sein würde, die Bestände sämtlicher Einrichtungen zu ersetzten. Es sollte nunmehr genügen, wenn wiederbeschaffte Titel in nur einem Exemplar an einem Ort vorhanden waren. Anlass dieser Überlegungen war ebenfalls die Zerstörung der Leipziger Institutsbibliotheken. Die Reichstauschstelle war zwar bereit, „auf Antrag und unter Mitwirkung der Institute angekaufte Bibliotheken den Instituten unter Voraussetzung sicherer Unterbringung zu übergeben unter der Einräumung gewissermassen einer ersten Hypothek auf diese Bibliotheken, doch unter Ausschluss des Überganges in das Eigentum dieser Institute.“635 In einem Schreiben an den Rektor der Leipziger Universität, das die Auseinandersetzungen zwischen der Universität, dem Ministerium in Dresden und dem Reichsministerium zu einem vorläufigen Abschluss bringen sollte, machte Kummer deutlich, dass trotz des Umfangs der Zerstörungen auch die Interessen anderer Bibliotheken gewahrt werden müssten. Die Verluste der deutschen Bibliotheken waren derart angewachsen, dass an einen Ersatz aller verlorenen Bücherbestände nicht mehr zu denken war. Kummer legte den Institutsdirektoren nahe, sich der Bestände der Leipziger Universitätsbibliothek zu bedienen. Im Vergleich mit anderen Universitäten, z. B. Kiel und Münster, wo die Hauptbibliotheken zerstört waren, seien sie in einer glücklichen Lage, die Universitätsbibliothek in Leipzig, „wenn auch in begrenztem Umfang“, benutzen zu können.636 Wie andere große Bibliotheken war freilich auch die Universitätsbibliothek Leipzig im Begriff, ihre Bestände zu verlagern. Da die Reichstauschstelle nicht mehr den vollen Ersatz für die Kriegsverluste der Bibliotheken versprechen konnte, musste sie ihnen größere Freiheiten bei ihren Kaufentscheidungen einräumen. Im Verlaufe des Jahres 1944 wandelte sich die Reichstauschstelle, nachdem sie durch den Ankauf zahlreicher Privatbibliotheken einen Großteil attraktiver Angebote abgeschöpft hatte, von einer Beschaffungsstelle mehr und mehr zu einer Genehmigungsbehörde, die die Bemühungen der Bibliotheken kontrollierte und ihre Ankäufe mit den festgesetzten Schadenssummen verrechnete. Jürgens deutete diese Entwicklung positiv: „Da die geschädigten Bibliotheken“, schrieb er im Oktober 1944, „im zunehmenden Masse zur Selbsthilfe greifen und alles, was im Verlagsbuchhandel noch lieferbar ist, erfreulicherweise gemäss den Richtlinien der Reichstauschstelle direkt ankaufen, ist mit einem erheblichen Anwachsen der von der Reichstauschstelle auszuzahlenden Beträge zu rechnen.“ Bis zum 15. September 1944 hatte der Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten Schäden in Höhe von 31.846.000 Reichsmark anerkannt und den Bibliotheken eine Einkaufsgenehmigung von 17.912.000 Reichsmark gewährt. Die Reichstauschstelle war in diesem Umfang befugt, sowohl nach vorheriger Überprüfung Rechnungen zu bezahlen als auch selbst Literatur für die einzelnen Bibliotheken anzukaufen.637
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Arbeitsbibliotheken mancher Universitätsinstitute [erwähnt wurden Leipzig und Münster] in kleinerem Umfang wieder hergestellt wurden.“ RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 6. 4. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 115. RMWEV, Kummer/von Rottenburg/Latzel, an den Rektor der Universität Leipzig, durch das Sächsische Ministerium für Volksbildung, 20. 4. 1944. BArch R 4901/13705, Bl. 116 f. RTS und BADB, Jürgens, an RMWEV, 10. 10. 1944, BArch R 4901/13705, Bl. 161.
Das Wiederaufbauprogramm
151
Am 25. Januar 1945 aber war Jürgens’ Zuversicht, dass sich der Wiederaufbau „in der Form, in der die Bibliotheken einmal bestanden haben“, verwirklichen lassen würde, geschwunden. Auf den Gebieten Medizin, Technik, Forstwirtschaft, „d. h. allen angewandten Wissenschaften“ sollte nun „grundsätzlich eine Bewertung aller zerstörten Einzelwerke, die vor dem Jahr 1910 erschienen sind, […] unterbleiben“. Der Wiederaufbau aus Reichsmitteln müsse auf solche Literatur beschränkt werden, die dem neuesten wissenschaftlichen Stand entsprach. Und an den Reichsbeirat gerichtet, schloss er: „Ich bitte diesen Gesichtspunkt auch bei den Schadensbeurteilungen zu berücksichtigen.“638
2.5
Die Reichstauschstelle bei Kriegsende und in der Nachkriegszeit
Die Reichstauschstelle existierte über das Ende des Krieges hinaus. Weder Jürgens’ Haus in Berlin-Wannsee noch Schloss Baruth waren zerstört oder beschädigt. Nachdem sie vor den Kriegshandlungen in die nähere Umgebung ausgewichen waren, kehrte Will mit seiner Frau und zwei Mitarbeiterinnen, Elinor Berent und der aus der Dienststelle Hirschberg nach Baruth geflohenen Mitarbeiterin der Preußischen Staatsbibliothek Ursula Dietrich, nach Baruth zurück. Im Dorf und im Schloss hatte es zwar einzelne Zerstörungen und Plünderungen gegeben,639 das Bücherlager hatte aber nur geringfügig Schaden genommen.640 Am Ende des Krieges befanden sich in den Depots der Reichstauschstelle ca. 1.000.000 Bände. Jede Zahlenangabe war schon deshalb ungenau, weil sie auf der Basis des durchschnittlichen Fassungsvermögens der Transportkisten berechnet wurde. Jürgens gab im Juni 1945 einmal 900.000 Bände als Gesamtbesitz der Reichstauschstelle an,641 ein anderes Mal 700.000, davon 300.000 Bände „Auslandsliteratur“, die für fünf Millionen Reichsmark angekauft worden seien.642 In diesen Angaben waren die Bände der Buchhandlung Friedländer & Sohn, die zusammen mit den Beständen der Reichstauschstelle in Schloss Friedrichswerth lagerten und für die die Reichstauschstelle das Vorkaufsrecht besaß, zweifellos nicht mit einbezogen. Ein Teil der eingelagerten Literatur waren Dubletten. Damit bezeichneten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jene amtlichen Druckschriften, die ihnen von verschiedenen, hauptsächlich Justizbehörden überstellt worden waren. Zumindest teilweise gehörten dazu auch die
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RBBA. RTS, Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an den Vorsitzenden des RBBA, 25. 1. 1945. SBB, Akten R XII-1, Bd. 3, 104. Gespräch mit dem Ortschronisten Horst Gärtner und mit Alke Knobloch, der als Kind nach Kriegsende im Schloss wohnte, Baruth, 8. 2. 2007; HStA Dresden, 11377/3913, Bl. 1/1. Den Verlust bezifferte Will auf etwa 1.000 Bände bei einer Gesamtzahl von etwa 100.000. Will an Hoecker: Bericht über den Zustand der in Schloss Baruth eingelagerten Bücherbestände, 1. 8. 1945. SBB PK, Historische Akten, Leitstelle Berlin (Haenisch), Bd. A-F. RBBA. RTS, Jürgens, an Ministerialrat [Dr. Leist], 5. 6. 1945. BArch R 4901/15757, Bl. 1 ff., Bl. 13. RBBA, RTS, Jürgens, an Ministerialrat [Dr. Leist], 5. 6. 1945. BArch R 4901/15757, Bl. 15 ff., Bl. 18.
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Die Reichstauschstelle
100.000 Bände, die in den ‚Depot 1‘ genannten Kellern der Preußischen Staatsbibliothek643 nicht oder kaum beschädigt das Kriegsende überstanden hatten. Vermutlich handelte es sich dabei um den für den Dublettentausch vorgesehenen alten Kernbestand der Reichstauschstelle. Bei dem Umzug in die Häuser am Schiffbauerdamm im Jahre 1941 war er gar nicht mit verlagert worden. Die Bücher und Zeitschriften repräsentierten also wohl das Sammelspektrum der Reichstauschstelle, bevor sie seit 1943 über Ankaufsmittel für den Wiederaufbau verfügt hatte. Unter ihnen mochte sich Literatur aus aufgelösten Behörden- und Firmenbibliotheken ebenso befinden wie beschlagnahmte Literatur. Die mit den Mitteln des Wiederaufbauprogramms angekaufte Literatur lagerte vor allem in den großen Depots in Friedrichswerth, Lissa, Tann, Baruth, Raakow, Pfaffendorf und Drehsa. Durch Kriegshandlungen und Plünderungen im Frühjahr 1945 wurden einige der Depots stark in Mitleidenschaft gezogen; völlig vernichtet wurden die Bestände in Holzendorf in der Uckermark. Davon waren auch Bücherkisten der Gesellschaft zum Studium Osteuropas betroffen, der die Reichstauschstelle erlaubt hatte, ihre Bestände in dem Depot unterzubringen.644 Über die in Polen gelegenen Depots erhielten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Reichstauschstelle nach Kriegsende keine Nachrichten mehr. In dem Pfarrhaus in Groß Wolfsdorf-Dönhofstädt, in der Marienburg, in den Schlössern Kórnik (Burgstadt) bei Posen und Pansin in Pommern sowie in Reibersdorf bei Zittau lagerten vor allem amtliche Druckschriften. In Schloss Pansin waren außerdem Teile des Kopenhagener Antiquariats Lynge untergebracht. Das zweitgrößte Depot der Reichstauschstelle war Gut Lissa am rechten Neißeufer. In dem Renaissanceschloss und vermutlich auch in den Wirtschaftgebäuden des Gutes befanden sich zahlreiche Privatbibliotheken und Antiquariatsankäufe aus Deutschland, den Niederlanden und Frankreich, die in Kisten verpackt auf das Kriegsende warteten. Darunter war die beschlagnahmte Bibliothek des Historikers Kurt Breysig, die im Winter 1944/45 in einem Möbelwagen von Potsdam nach Lissa gebracht worden war.645 Für die Zeit zwischen dem 1. und 30. April 1945 plante Jürgens eine Dienstreise von etwa drei Wochen nach Schweden. Dort wollte er „die wichtigsten titelmässig hier zusammengestellten Veröffentlichungen auf Grund persönlicher Beziehungen“ ankaufen. Er begründete dies damit, dass „die Terrorakte unserer Feinde […] besonders schwere Lücken in den skandinavischen Beständen der Universitätsbibliotheken Kiel und Hamburg gerissen“ hätten.646 Der Antrag wurde vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an das Auswärtige Amt weitergeleitet647 und nicht mehr genehmigt. Die schweren Zerstörungen der Bibliotheken in Kiel und Hamburg lagen zu diesem Zeitpunkt bereits Jahre zurück. Von 643 644
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Erwähnt in mehreren Aufstellungen. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung. Aktennotiz Jürgens’, 2. 10. 1943; Deutsche Gesellschaft zum Studium Osteuropas an die RTS, Jürgens, 3. 11. 1943; DAB, Jürgens, an Will, 31. 8. 1944; Gutsverwaltung Holzendorf, Kaune, an RTS, 10. 12. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung; Depots für Verlagerung, Holzendorf. SBB PK, Historische Akten, RTS, Depots für Verlagerung, Lissa. RBBA. RTS. Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken, Jürgens, an RMWEV, 14. 3. 1945. BArch R 4901/ 15090, Bl. 370. RMWEV an das AA (Entwurf), 15. 3. 1945. BArch R 4901/15090, Bl. 372.
Kriegsende und Nachkriegszeit
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Schwartzkoppen glaubte, dass Jürgens sich rechtzeitig vor Kriegsende ins sichere Ausland absetzen wollte.648 Nichtsdestoweniger füllte Jürgens sein Amt bis zum Ende des Krieges aus. Noch am 20. April 1945, einen Tag, bevor der Beschuss Berlins durch die Rote Armee begann, beschwerte er sich beim Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung über das Marodieren der Wehrmacht auf Gut Lissa und die Verwendung der dort entnommenen Bücher für die Truppenbetreuung. Er bat das Ministerium, „an die Wehrmacht heranzutreten mit der Bitte um Abstellung und Rückgabe der Kisten.“649 Ein ähnliches Schreiben schickte er an das Auswärtige Amt, weil es sich bei den Bücherpaketen um für die Versendung ins Ausland vorgesehene Bestände des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs handelte.650 Kaum einen Monat nach Kriegsende wandte er sich mit einer Stellungnahme an Ministerialrat Erich Leist in der Auffangstelle des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, in der auch Latzel und von Rottenburg arbeiteten. Jürgens erklärte, dass die von ihm „vertretenen Dienststellen heute mehr als je vorher notwendig sind und dass die Reichstauschstelle gerade heute unentbehrlich beim Wiederaufbau des wissenschaftlichen Lebens in Deutschland ist, da ein Wiederaufbau überhaupt ohne das Fundament der Wissenschaft nicht möglich ist, kann man doch nur mit Anwendung der feinsten und genauesten wissenschaftlichen Methoden z. B. die Ernährung des Volkes sicherstellen.“ Nach seiner Darstellung gliederten sich die von ihm geleiteten Dienststellen mittlerweile in fünf Abteilungen. Beginnend mit der Reichstauschstelle, nannte er die Dublettenverwaltung, die Abteilung Wiederaufbau, das Beschaffungsamt „mit Sonderabteilung zur Beschaffung und Ausleihe der englischen und amerikanischen technischen Literatur“ und den Deutsch-Ausländischen Buchtausch „für den direkten Austausch zur Devisenersparnis“651. Jürgens erbot sich, sowohl den Tausch „wieder ins Leben zu rufen“ als auch Auslandsliteratur anzukaufen und die Bibliotheken entsprechend neu aufzustellender Standardlisten mit Literatur zu versorgen. Dafür meldete er einen Finanzbedarf zwischen 40.000 und 120.000 Reichsmark an. Von den 55 Angestellten sollten 18 weiterhin beschäftigt werden.652 Dass er Mitglied der NSDAP war, leugnete er nicht, bat aber, da er unentbehrlich sei, ihn einstweilen im Amt zu belassen.653 648
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In einem Brief an den kriegsgefangenen französischen Bibliothekar René Robinet kommentierte sie: „Wie finden Sie die Idee meines Chefs, zwischen dem 1. und 20. April nach Schweden zu fahren, um Bücher zu kaufen! Rette sich wer kann!“ HOLLENDER, Un havre de paix, 317. Am 6. 4. 1945 befand sich Lissa bereits hinter der Frontlinie. Der Besitzer des Gutes schrieb: „Einige Kisten sind von der Wehrmacht abtransportiert worden, wohin ist mir unbekannt. Einige Kisten sind von den deutschen Soldaten aufgebrochen worden, wieviel davon entwendet worden ist, lässt sich hier nicht feststellen. Die losen Bücher sind von der Wehrmacht in einem anderen Raum auf einen großen Haufen geworfen worden. Die Sammelpakete bestehend aus 5–6 Büchern m. E. Geschenkausgaben sind von der Wehrmacht abgeholt und für die Truppenbetreuung verwendet worden.“ [Johannes] Droescher an die RTS, 6. 4. 1945. Dieses Schreiben sandte Jürgens in Abschrift an die Ministerien. Jürgens an den RMWEV, 20. 4. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Lissa. Jürgens an das AA, 20. 4. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Lissa. RBBA, RTS, Jürgens, an Ministerialrat [Leist], 5. 6. 1945. BArch R 4901/15757, Bl. 15 f. BArch R 4901/15757, Bl. 3. Anlage zu dem Schreiben vom 5. 6. 1945. BArch R 4901/15757, Bl. 10.
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Die Reichstauschstelle
Spätestens Anfang Juni 1945 nahm die Reichstauschstelle die Arbeit des Büchersammelns und Büchertauschens wieder auf. Am 7. Juni 1945 erwirkte Jürgens von der Besatzungsverwaltung Berlin-Zehlendorf die Beschlagnahme der Büroräume in seinem Haus in Berlin-Wannsee „für Zwecke der Wiederherstellung der wissenschaftlichen Bibliotheken“.654 Am 12. Juni teilte er dem zuständigen Unterbezirksbürgermeister in Berlin-Nikolassee mit, dass „die ersten Schritte von Sowjet-russischer Seite“ zur Wiederaufnahme des Austauschs unternommen worden waren,655 und zwar „auf Anregung von Professor Lazareff“.656 Jürgens erklärte, dass er und seine Mitarbeiter „Bücher aller Art zum Wiederaufbau des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens unserer Stadt“ im Auftrage „unserer Kulturabteilung“ sammelten. „Es wird in den verlassenen Häusern und leeren Wohnungen unseres Bezirkes Schriftgut geben, das für den geistigen Bedarf unseres Volkes von Wert ist und auch geeignet ist, Lücken in unseren schwergeprüften Bibliotheken zu füllen.“657 Ende Juni 1945 lud Leist Jürgens zu einem Gespräch ein.658 Eine detaillierte Aufstellung über die zu erwartenden Kosten der Reichstauschstelle, die Jürgens später, sicher aber vor dem 10. August 1945, nachreichte, lässt darauf schließen, dass inzwischen bereits über die Eingliederung in die Preußische Staatsbibliothek entschieden war: „Die bibliothekarische Leitung der Reichstauschstelle wird von abgeordneten Angestellten der Staatsbibliothek wahrgenommen, für die bei dieser Gehalt angefordert ist.“659 Die Aufstellung wurde eingehend geprüft und einzelne Posten leicht nach unten korrigiert. Die Einsetzung der Viermächteverwaltung in Berlin machte der Arbeit der Reichstauschstelle in Berlin-Wannsee ein Ende. Zum 1. Oktober 1945 beschlagnahmte die amerikanische Besatzungsmacht Jürgens’ Haus in der Tristanstraße.660 Die Reichstauschstelle erhielt die an der Universitätsstraße gelegenen Räume des Ibero-Amerikanischen Instituts in dem zwischen der Straße Unter den Linden, der Universitäts-, Dorotheen- und Charlottenstraße gelegenen Gebäudekomplex, der die Preußische Staatsbibliothek und die Universitätsbibliothek umfasste.661 Rudolf Hoecker, der kommissarische Direktor der beiden Bibliotheken, ermöglichte 654
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Unterbezirksleitung Nikolassee des Verwaltungsbezirks Zehlendorf, [Unterschrift unleserlich], 7. 6. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Reichstauschstelle 1944/45: Personalaufstellungen, Raumfrage, Buchtransport (gelbe Mappe). Jürgens an den Unterbezirksbürgermeister von Nikolassee, 12. 6. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Reichstauschstelle 1944/45: Personalaufstellungen, Raumfrage, Buchtransport (gelbe Mappe). Jürgens an die Kulturabteilung, Nikolassee, Rathaus, 16. 6. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Reichstauschstelle 1944/45: Personalaufstellungen, Raumfrage, Buchtransport (gelbe Mappe). An die Vertrauensleute, 20. 6. 1945, Herrn Dr. Podach und Herrn Snoek zur Kenntnis. SBB PK, Historische Akten, RTS, Reichstauschstelle 1944/45: Personalaufstellungen, Raumfrage, Buchtransport (gelbe Mappe). Amt Wissenschaft [des ehemaligen RMWEV], Leist, an Jürgens, 29. 6. 1945. BArch R 4901/15757, Bl. 21. BArch R 4901/15757, Bl. 11. Jürgens an van Dorp, Firma J. G. Henze, 19. 9. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Reichstauschstelle 1944/45: Personalaufstellungen, Raumfrage, Buchtransport (gelbe Mappe). Aktennotiz Jürgens’ vom 12. 9. 1945 und Schreiben vom 14. 9. 1945 [?]. SBB PK, Historische Akten, RTS, Reichstauschstelle 1944/45: Personalaufstellungen, Raumfrage, Buchtransport (gelbe Mappe).
Kriegsende und Nachkriegszeit
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den Wiedereinzug einschließlich der in Jürgens’ Haus in Wannsee lagernden Buchbestände.662 Danach firmierte die Reichstauschstelle unter der Adresse Charlottenstraße, dem nach den schweren Beschädigungen noch benutzbaren Eingang in das Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek. Bereits am 26. Juli 1945 hatte Hoecker beim Magistrat der Stadt Berlin einen Haushaltsvoranschlag für die „Staatsbibliothek und die Reichstauschstelle“ eingereicht.663 Die Reichstauschstelle entließ nach dem Ende des Krieges und im Laufe des Sommers 1945 die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Weber lehnte es ab, weiter mit Jürgens zusammenzuarbeiten, und wechselte an die Preußische Staatsbibliothek.664 Die Mitarbeiterin Melitta Schulz-Keßler blieb in Friedrichswerth, obwohl sie nicht mehr entlohnt wurde.665 Die Stadt Berlin gewährte der Reichstauschstelle die Unterstützung, die im Juni 1945 noch wohlwollend geprüft worden war, doch nicht. Am 18. September 1945 schrieb Jürgens an Baronin Poellnitz, die Besitzerin des Schlosses Frankenberg: „Leider ist mit dem Reich auch die Reichstauschstelle in das Nichts entschwunden. Die Reichstauschstelle hat keine Kasse und kein Geld mehr […].“666 Sie war nicht mehr in der Lage, die fälligen Mieten für die Depots zu zahlen.667 Noch zu Beginn des Jahres 1945 waren in der Ausweichstelle des Beschaffungsamtes in Eberswalde ‚kriegswichtige‘ Zeitschriften in großer Zahl eingegangen. Das Beschaffungsamt belieferte ca. 130 Stellen beim Oberkommando der Wehrmacht, im Luftfahrt- und im Rüstungsministerium und in der Rüstungsindustrie.668 Vielfach hielt es die einzigen in Deutschland vorhandenen Exemplare vorrätig. Als im Winter 1944/45 die Lage in Eberswalde wegen der näherrückenden Front immer bedrohlicher wurde, suchte Will nach Möglichkeiten, Personal und Bestände nach Westen zu verlagern.669 Zum Verlagerungsort für das Beschaffungsamt war das bisher wenig ausgelastete Depot Schloss Frankenberg bei Herrenberchtheim in Franken ausersehen. Am 21. Februar 1945 wurden mit Genehmigung und Unterstützung von Wehrmacht und Rüstungsministerium 16 Zentner Zeitschriften und Büromaterial als Wehrmachtsgut
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Den Umzug erledigte die Speditionsfirma Henze, die zuvor schon für die RTS, vor allem aber für die PSB tätig gewesen war, Ende September 1945. Rechnungen vom 27. 9. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Reichstauschstelle 1944/45: Personalaufstellungen, Raumfrage, Buchtransport (gelbe Mappe). Universitätsbibliothek, [Hoecker], an den Magistrat der Stadt Berlin, Abteilung für Volksbildung, 6. 8. 1945. SBB PK, Historische Akten, G I/A/50: Verkehr mit dem Bürgermeister, dem Magistrat und mit Bezirksämtern in Groß-Berlin 1945–1949. Handschriftliche Notiz, 28. 7. 1945. BArch R 4901/15757, Bl. 20. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Friedrichswerth. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frankenberg. Da die Besitzerin von Schloss Frankenberg auf die Zahlungen drängte, schickte Jürgens die Ehefrau des verschollenen Leiters der Dienststelle Eberswalde, Martha Ackermann, die sich mit den Mitarbeiterinnen auf die Flucht nach Frankenberg begeben hatte und zur Berichterstattung nach Berlin zurückgekehrt war, am 18. 9. 1945 mit 150 RM als Abschlagszahlung auf die Miete nach Frankenberg. Jürgens’ Aktennotiz vom 19. 9. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frankenberg. Durchdruck als Konzept für den RMWEV, Kummer/Latzel, an das OKW, 13. 2. 1945. BArch R 4901/ 15090, Bl. 366. Will an von Poellnitz, 31. 1. 1945; Will an die Universitätsbibliothek Erlangen, 7. 2. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frankenberg.
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Die Reichstauschstelle
dorthin verbracht.670 Der größere Teil der Zeitschriften blieb in Eberswalde. Die Mitarbeiterinnen siedelten nach Frankenberg über.671 Ackermann, der Leiter der Ausweichstelle, war zum Volkssturm eingezogen worden.672 Schloss Frankenberg überstand das Kriegsende ohne Schäden. Im Sommer 1945 begannen jedoch amerikanische Offiziere, sich für die dort lagernden Bestände des Beschaffungsamtes zu interessieren. Mitte September erschienen Offiziere des CIC Windsheim auf Schloss Frankenberg, beschlagnahmten die Bestände, verbrannten Photokopien auf dem Schlosshof und nahmen Adresskarteien und Büromaterial mit. Sie bezichtigten die Angestellten des Beschaffungsamtes der Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage.673 Vermutlich wurde Jürgens kurze Zeit später verhaftet.674 Er starb am 1. November 1945675 in einem amerikanischen Gefangenenlager in Berlin-Lichterfelde676 an einem Herzschlag.677 Während der Haft hatte er „noch das Schicksal seiner Entlassung über sich ergehen lassen“ müssen, schrieb Stollreither ein halbes Jahr, nachdem von Busse ihm von Jürgens’ Tod berichtet hatte.678 Seit November 1945 führte von Busse die Geschäfte der Tauschstelle, die intern immer noch Reichstauschstelle genannt wurde. Im Einvernehmen mit Hoecker bemühte sie sich, die Bestände aus den Depots nach Berlin zu holen. Zu diesem Zeitpunkt war das administrative Verhältnis zur Staatsbibliothek bereits geklärt. 1947 schrieb Hoecker in Zusammenhang mit den Bemühungen um die Wiedererlangung der Bestände des Depots Raakow: „Nach dem Zusammenbruch wurde die Reichstauschstelle eine Abteilung (Tauschstelle) der Öffentlichen 670
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BADB, Jürgens, 23. 2. 1945. BArch R 4901/15090, Bl. 374. Dies war sicher nicht das gesamte, in Eberswalde befindliche Zeitschriftenmaterial, war doch in den vorangegangenen Schreiben des RMWEV von 5 Tonnen Zeitschriften die Rede, deren Abtransport anstünde, sich aber wohl auf die neuesten der etwa 200 Zeitschriftenjahrgänge beschränken müsste. Der gewünschte 6-Tonnen-LKW konnte nicht bereitgestellt werden. Durchschlag als Konzept für den RMWEV, Kummer/Latzel, an das OKW, 13. 2. 1945. BArch R 4901/15090, Bl. 366. Jürgens an das RMWEV, 14. 3. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frankenberg. RBBA, RTS, Abt. III Wiederaufbau von Bibliotheken an die Kreisleitung der NSDAP, 13. 2. 1945; RMWEV, i. A. Kummer, an die Kreisleitung der NSDAP, 14. 2. 1945. BArch R 4901/15092, Bl. 96 f. Hildegard Bardtfeld an von Busse, 3. 12. 1945; Schreiben von Freiin von Poelnitz an von Busse, 27. 12. 1945 und 2. 2. 1946. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frankenberg. Wie von Busse vermerkte, befanden sich in Schloss Frankenberg „some boxes with German books and a lot of English and some American scientific, medical & technical journals from wartime, destined for the State Library of Berlin and most valuable for it because these journals are in very few copies in Germany“. Die Kisten waren „Opened and attached [ausgestrichen und darüber gesetzt ‘confiscated’] by the American CIC, but still present in the castle“. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung. Nach von Busses Schreiben an Bardtfeld war Jürgens sieben Wochen in Haft, also in der zweiten Septemberhälfte und im Oktober 1945. SCHOCHOW, Bücherschicksale, XIV. Angabe von Rainer Jürgens, dem Sohn von Adolf Jürgens, Oktober 2008. Von Busse an Bardtfeld in Frankenberg, 4. 1. 1946. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frankenberg. Stollreither an von Busse, 4. 4. 1946. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Frankenberg.
Kriegsende und Nachkriegszeit
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Wissenschaftlichen Bibliothek (vormals Staatsbibliothek) Berlin, mit der sie bereits vorher personell eng verbunden war. Die Bücherbestände der Reichstauschstelle gingen auf Anordnung der Zentralverwaltung in den Besitz der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek über.“679 Die Versuche von Busses, von Schwartzkoppens und Wills, die Bestände aus den Depots, die sich nunmehr in den Westzonen, der sowjetisch besetzten Zone, in Polen, Österreich, Italien und Frankreich befanden, wiederzuerlangen, hatten nur in einigen unbedeutenden Fällen Erfolg.680 Wegen der Schwierigkeiten, Sendungen aus den Westzonen nach Berlin zu transportieren, entschloss sich von Busse, die dort lagernden amtlichen Druckschriften der nächstgelegenen Universitätsbibliothek zukommen zu lassen, für die sie bei ihrer Einlagerung 1943 und 1944 ohnehin bestimmt waren. Der Verlust der großen Depots schmerzte sie weitaus mehr.681 Bereits im Sommer oder Herbst 1945 transportierten amerikanische Truppen 50.000 Bände – dies war ein Großteil der von Fuchs in Paris angekauften Literatur – aus dem Depot im Gelben Schloss in Tann bei Fulda ab.682 Schon bald nach der Besetzung Thüringens besichtigten amerikanische Offiziere die Bücherbestände – insgesamt etwa 450.000 Bände – in Schloss Friedrichswerth und beschlagnahmten sie. In ihrer Begleitung befand sich ein Belgier, der das in Schloss Friedrichswerth eingelagerte Antiquariat Moorthamers als Raubgut identifizierte und die Rückgabe verlangte. Die Mitarbeiterin Schulz-Keßler konnte jedoch Rechnungen über den Kauf des Antiquariats vorweisen, weshalb die amerikanischen Besatzer dem Anliegen des Belgiers nicht entsprachen. Nach dem Wechsel der Besatzungsmacht erregte das Bücherlager die Aufmerksamkeit der sowjetischen Militärbehörden. Im Februar 1946 wurden die Bestände in Kisten verpackt und abtransportiert. Von Busse hoffte, dass die Tauschstelle in Berlin Teile davon
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Hoecker an das Brandenburgische Ministerium für Wissenschaft, Volksbildung und Kunst in Potsdam, 16. 8. 1947. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Raakow. In einem Schreiben an die Deutsche Verwaltung für Volksbildung, Abteilung Hochschulen und Wissenschaft, schrieb Hoecker am 25. 8. 1947: „Mit Kriegsende war diese Stelle [RTS und Beschaffungsamt] als solche erloschen. Ein Teil ihrer Aufgaben wurde von der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek übernommen, die dafür ihre Tauschstelle einrichtete.“ SBB PK, Historische Akten, G I/A/30 (Verkehr mit der Auffangstelle des Reichserziehungsministeriums und der Deutschen Verwaltung für Volksbildung). So erhielt die RTS die bei Kriegsende in den Schacht der Preussag in Schönebeck an der Elbe verbrachten Bücherkisten zurück, ebenso die Bestände aus dem kleinen Depot in Schloss Sondershausen in Thüringen, in dem die Besitzerin, Fürstin Anna Luise zu Schwarzburg, im August 1944 der RTS die Einstellung einiger Bücherkisten mietfrei gestattet hatte. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Schönebeck. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Friedrichswerth. Oberförster Krause an von Busse, 15. 12. 1945. „Ich glaube, dass der Grund für die Beschlagnahme der ist, dass man vermutete, es handele sich hier um ‚Beuteware‘. […] Die quittierten Rechnungen für diese umfangreichen Käufe sind bei uns vorhanden und können jederzeit vorgelegt werden. Es wäre für uns sehr wichtig, wenn festgestellt werden könnte, wohin die Bücher, insgesamt drei Waggons [,] gelangt sind, ob sie sich noch in Deutschland befinden und ob schon irgendwie darüber verfügt worden ist. […] Diese Anfrage ist im März Mr. Vanderbilt übergeben worden, der sich darum kümmern wollte.“ ÖWB, von Busse, 23. 6. 1947. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Tann und Allgemeines.
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Die Reichstauschstelle
zurückerhalten könnte, nachdem sie von den sowjetischen Militärbehörden gesichtet worden waren.683 Was mit den Beständen in Gut Lissa geschah, ist nicht bekannt. Bei Kriegsende wurde das Bücherlager geplündert,684 aber nicht völlig vernichtet. Will gab das Depot Lissa, wie die übrigen Depots, die sich nunmehr auf polnischem Territorium befanden,685 verloren. Geplündert wurden auch die Depots in Gut Raakow686 mit etwa 40.000 Bänden und die Scheune in Pfaffendorf, in der etwa 8.000 Bände aus dem Brüsseler Antiquariat Tulkens lagerten. Die Reste aus der Scheune in Pfaffendorf wurden von sowjetischen Truppen im April 1946 abtransportiert.687 Das stark dezimierte Bücherlager in der Ausweichstelle des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs in Schloss Frehne in der Prignitz wurde in die Staatsbibliothek überführt.688 Bereits im Spätsommer 1945 entnahmen die sowjetischen Besatzer dem Bücherlager in Schloss Baruth etwa 20.000 Bände. Für das Depot Baruth interessierte sich indes auch die Sächsische Finanzverwaltung, deren Mitarbeiter mit der Erfassung von Reichsvermögen befasst waren.689 Kurzzeitig erwog der Landesrechnungshof in Dresden die Übernahme der dort lagernden Bestände in die Deutsche Bücherei in Leipzig.690 In Baruth befanden sich etwa 100.000 Bände, von denen 82.000 von der sowjetischen Armee abtransportiert wurden.691 Die Dienststelle Baruth bestand als „Reichstauschstelle in Abwicklung“ noch bis 1947 fort.692 Kontinuierlich schickte Will Bücher von dort an die Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek.693 Im Sommer 1947 erfolgte der Umzug sämtlicher
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SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Friedrichswerth. LEHMANN, Trophäenkommissionen, 137 f. Abwicklungsstelle RTS Baruth, Will, an von Busse, 21. 3. 1946. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Lissa. Landesverwaltung Sachsen, Landesrechnungshof, Vermerk, November 1945. HStA Dresden, 11381 Landesregierung Sachsen – Ministerium der Finanzen Nr. 3618, Bl. 4 f., Bl. 4; Will, Baruth, an die RTS in Berlin, 1. 12. 1945. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Reibersdorf. LEHMANN, Trophäenkommissionen, 137 f.; SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Raakow. Von Busse: Bericht über das Depot Pfaffendorf, 7. 9. 1946 und weitere Scheiben. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Pfaffendorf/Sauen. In Frehne lagerten ca. 4.000 Bücher. Weil sie der Witterung ausgesetzt und deshalb gefährdet waren, bat Wolf Haenisch, der stellvertretende Direktor der Staatsbibliothek, um Treibstoff für einen LKW, damit sie geborgen werden könnten. Direktor der Staatsbibliothek, i. V. [Kürzel Wolf Haenisch] an den Magistrat der Stadt Berlin, Abt. Volksbildung, Büchereiwesen, 8. 5. 1946. SBB PK, Historische Akten, A 36/4. Über die Bergungskosten: SBB PK, Historische Akten, A 38/8. Landesverwaltung Sachsen, Landesrechnungshof, Amtsrat Grabs, 4. 10. 1945. HStA Dresden, 11381 Landesregierung Sachsen – Ministerium der Finanzen Nr. 3666, Bl. 155. Landesverwaltung Sachsen, Landesrechnungshof, Vermerk, November 1945. HStA Dresden, 11381 Landesregierung Sachsen – Ministerium der Finanzen Nr. 3618, Bl. 4 f., Bl. 5. Die Zahlen ergeben sich aus den Aufstellungen, die von Busse und/oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vermutlich seit dem Herbst 1945 anfertigten. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung. HStA Dresden, 11401 Landesregierung Sachsen – Ministerium für Volksbildung Nr. 1732 bzw. 1733. Gespräch mit dem Ortschronisten Horst Gärtner und mit Alke Knobloch, Baruth, 8. 2. 2007.
Kriegsende und Nachkriegszeit
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Bestände nach Berlin. Einige der für den Wiederaufbau vorgesehenen Büchersammlungen waren über das Kriegsende hinweg bei den ursprünglichen Eigentümern verblieben und gingen erst nach Kriegsende in der Staatsbibliothek ein.694
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SBB PK, Historische Akten, RTS, Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen, W 223 Prof. Dr. Johann Georg und Ella Meyer, Ballenstedt; W 50 Prof. Dr. Georg und Frida Mentz, Jena; W 90 Walter Kühne; W 247 Prof. Ulrich Wilcken.
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NS-Raubgut in der bibliothekarischen Praxis der Preußischen Staatsbibliothek
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Die Erwerbung beschlagnahmter Literatur aufgrund gesetzlicher Regelungen
3.1.1 Das Ersuchen des Generaldirektors um die Berücksichtigung der Preußischen Staatsbibliothek bei der Verteilung von NS-Raubgut im Mai 1933 Alarmiert durch einen Artikel des „Berliner Tageblattes“ vom 24. Mai 1933 ergriff Krüß die Initiative, um die Ansprüche der Preußischen Staatsbibliothek bei der Verteilung beschlagnahmter Buchbestände durchzusetzen. Das „Berliner Tageblatt“ hatte gemeldet, dass aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 4. Februar 1933 „Zehntausend Zentner Zersetzungsliteratur beschlagnahmt“ worden seien, deren Vernichtung nun unmittelbar bevorstünde. Es hätten sich „bereits Vertreter von Papiermühlen eingefunden, die für dieses ‚Altpapier‘ Interesse haben“.1 Am gleichen Tage machte Friedrich Siegmund-Schultze, Professor für Sozialpädagogik und Sozialethik an der Berliner Universität, Krüß darauf aufmerksam, dass die Bibliothek der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Gebäude des „Vorwärts“ in der Berliner Lindenstraße in Gefahr sei, beschlagnahmt zu werden, und ihr Archivar eine Übernahme durch die Preußische Staatsbibliothek nicht ungern sähe.2 Am 26. Mai 1933 sandte Krüß zwei Schreiben ab, eines an das vorgesetzte Ministerium, das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, und eines an die Geheime Staatspolizei. Nach der Verordnung des Reichspräsidenten und den Ausführungsbestimmungen des Preußischen Staatsministeriums vom 6. Februar und des Preußischen Ministeriums des Innern vom 26. April 1933 lagen die Beschlagnahme und Einziehung von Druckschriften, „deren Inhalt geeignet ist, die öffentliche Sicherheit zu gefährden“, in den Händen der Polizeibehörden. Krüß wollte erreichen, dass das Preußische Innenministerium seine nachgeordneten Stellen anwies, von allen beschlagnahmten und eingezogenen Schriften jeweils ein Exemplar an die Preußische Staatsbibliothek abzugeben.3 An das Geheime Staatspolizeiamt richtete er 1
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Krüß empfing die Meldung „Zehntausend Zentner Zersetzungsliteratur beschlagnahmt“ vom Schnelldienst Berliner Tageblatt. SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 139; REICHSGESETZBLATT 1933 I, 35–40. Siegmund-Schultze an Krüß, 24. 5. 1933. SBB PK, Historische Akten, III J.1 Bd. 15, 141 f. Seine Sekretärin G. Kühlmann ergänzte hinter dem Namen „Inzwischen abgereist“. Mit dem „Archivar“ war wohl der Bibliothekar Johnny Hinrichsen gemeint. GD der PSB, Krüß, an den [P]MWKV, 26. 5. 1933. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 16. Der Entwurf im Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin. SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 135 ff.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
die gleiche Bitte, nicht ohne zu betonen, dass die Preußische Staatsbibliothek auch an solcher Literatur, die nicht im Buchhandel erschienen und in anderen technischen Verfahren als dem Buchdruck veröffentlicht war, interessiert sei. Dazu zählte er Flugblätter und Plakate, „überhaupt die gesamte unterirdische politische Propagandaliteratur“.4 Auf der Grundlage einer Verfügung des Preußischen Justizministers vom 31. Juli 1926 waren die Staatsanwaltschaften und das Polizeipräsidium schon in der Weimarer Republik verpflichtet, von allen Schriften, „deren Unbrauchbarmachung in einem Strafverfahren durch rechtskräftiges Urteil eines preußischen Gerichts ausgesprochen wird, je ein Exemplar an die Staatsbibliothek […] zu überweisen“.5 Dadurch gelangten vor allem Erotica in die Preußische Staatsbibliothek.6 Nach der Verordnung des Reichspräsidenten vom 4. Februar 1933 war indes eine Beteiligung der Justizbehörden nicht zwingend vorgesehen. Krüß wusste, dass nicht die gesamte geraubte Literatur vernichtet werden sollte. Die Ministerien und andere Stellen des nationalsozialistischen Machtapparats behielten sich vor, einige Exemplare zu archivieren.7 Zu den Behörden und Institutionen, für die jeweils 25 Exemplare ausgesondert und ihnen „zur Aufbewahrung“ übergeben werden sollten, zählte auch die Preußische Staatsbibliothek. Er äußerte den Wunsch, dass das Geheime Staatspolizeiamt zusätzlich weitere Exemplare für interessierte Stellen – womit selbstverständlich andere wissenschaftliche Bibliotheken gemeint waren – zurückhalten möge. Krüß versicherte, dass die Schriften sicher verwahrt und der allgemeinen Benutzung entzogen würden.8
3.1.2 Die Begünstigung der Preußischen Staatsbibliothek durch die Erlasse des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934 und 16. Juli 1934 Das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung erinnerte das Preußische Innenministerium nicht weniger als fünfmal an Krüß’ Ersuchen. Das Preußische Innenministerium hatte die Angelegenheit stets an die Geheime Staatspolizei in der Berliner PrinzAlbrecht-Straße 8 weitergeleitet.9 Es verging allerdings ein Dreivierteljahr, bevor es zu einer 4
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GD der PSB, Krüß, an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin, 26. 5. 1933. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 17 f., Bl. 17. GD der PSB, Krüß, an den [P]MWKV, 26. 5. 1933. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 16. [Feldkamp, mit Korrekturen Schnütgens] an das Geheime Staatspolizeiamt, Presseabteilung, August 1934, Entwurf, mit Jacobs’ Unterschrift, 10. 9. 1934, abgesandt am 11. 9. 1934, SBB PK, Historische Akten, A 62, 2. Vgl. auch SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 191 ff. „Zehntausend Zentner Zersetzungsliteratur beschlagnahmt“. SBB PK, Historische Akten, III J.1 Bd. 15, 139. GD der PSB, Krüß, an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin, 26. 5. 1933. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 17 f., Bl. 17. Dass jeweils 25 Exemplare zurückgehalten werden sollten, hatte Krüß einer „halbamtlichen Veröffentlichung des Wolff’schen Telegraphen-Bureaus“ entnommen. Der PMI, i. A. gez. Dr. [Erwin] Schütze, an den PMWKV, 6. 4. 1934. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 115.
Erwerbung beschlagnahmter Literatur
163
Regelung über die Verwendung beschlagnahmter Literatur kam. Die Regelung war Teil des umfassenden Erlasses des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934, der sich auf die Gesetze über die Einziehung kommunistischen und sogenannten volksfeindlichen Vermögens vom 26. Mai10 und vom 14. Juli 193311 bezog. Diese Gesetze boten in den folgenden Jahren eine Handhabe, um die politischen Gegner der Nationalsozialisten ihrer finanziellen und materiellen Grundlagen zu berauben. Der Erlass regelte die ‚Verwertung‘ der „beweglichen Gegenstände – mit Ausnahme von Bargeld und Wertpapieren“. Voraussetzung war, dass „die Sachen rechtswirksam zu Gunsten des Preußischen Staates eingezogen“ worden waren und „über etwaige Anträge auf Freigabe der eingezogenen Sachen oder Anmeldungen von Eigentumsvorbehalten endgültig entschieden“ war. Sie sollten „in erster Linie Staatsbehörden“ des jeweiligen Bezirks, „die nachweisbar Bedarf daran haben, der anderenfalls durch Ankauf gedeckt werden müßte“ übereignet werden. Dabei sollten „das SA-Feldjägerkorps und die staatlichen Konzentrationslager“ den Staatsbehörden gleichgestellt werden. Reichs- und Gemeindebehörden sowie Parteiorganisationen durften die eingezogenen Gegenstände – der Erlass erstreckte sich auf so verschiedenartige Güter wie Fahrräder, Musikinstrumente, Sportgeräte und Brieftauben, Filme und Lichtbilder, Waffen und Munition sowie staatsfeindliche Symbole und Abzeichen – käuflich erwerben. Zu diesen hinsichtlich ihres Vermögenswertes unbedeutenden Gegenständen gehörten unter Punkt II.7 auch Handschriften und Archive, die „nach Sichtung und Auswertung durch die Behörden der Geh. Staatspolizei“ dem Preußischen Geheimen Staatsarchiv in Berlin oder den zuständigen Zweigstellen in den Provinzen überwiesen werden sollten. Punkt II.8. behandelte die ,Verwertung‘ von Büchern. Diese sollten zunächst vom Landesbeauftragten des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda gesichtet und dann der Preußischen Staatsbibliothek nach einem vorgegebenen Muster – Laufende Nummer, Zahl der Exemplare, Titel, Verfasser, Auflagenhöhe, Erscheinungsjahr, Verlag, Vermerk, ob gebunden oder geheftet, und zusätzliche Bemerkungen – gemeldet werden. Es wurde festgelegt, dass die Preußische Staatsbibliothek, wenn sie die gemeldete Literatur nicht selbst beanspruchte, sie an andere Bibliotheken, insbesondere die Universitätsbibliotheken, weitergeben durfte.12 Am 16. Juli 1934 korrigierte das Preußische Finanzministerium den Erlass noch einmal. Bücher und Schriften mussten von nun an nicht mehr dem Vertreter des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda vorgelegt werden.13
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REICHSGESETZBLATT I, 1933, 293. EBD., 479. Der PFM, [Unterschrift unleserlich], an sämtliche Herren Regierungspräsidenten und den Herren Polizeipräsidenten in Berlin, 27. 3. 1934 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 186, S. 1 ff., S. 5. Der Passus über die Weitergabe der beschlagnahmten Schriften lässt vermuten, dass Krüß bzw. das Preußische Kultusministerium auf die Formulierung Einfluss nahmen. Wenn die wissenschaftlichen Bibliotheken kein Interesse an der gemeldeten Literatur hatten, musste sie der Hochschule für Politik in Berlin und dem Reichsschulungsleiter bei der Reichsleitung der NSDAP angeboten werden. PFM, i. A. gez. Dr. Meyer, 16. 7. 1934, an sämtliche Herren Regierungspräsidenten und den Herren Polizeipräsidenten in Berlin (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, A 62.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
3.1.3 Die Bemühungen um die Versorgung mit beschlagnahmten Büchern und ,Emigranten-Literatur‘ durch die Geheime Staatspolizei 1933 konnte die Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek etliche der von ihr bislang regelmässig bezogenen Zeitungen und Zeitschriften nicht mehr beschaffen. Infolge des nationalsozialistischen Terrors waren ihre Herausgeber und Redakteure ins Ausland geflohen und setzten dort ihre publizistische Tätigkeit fort. Im September 1933 führte Heinrich Feldkamp14 Gespräche mit der Geheimen Staatspolizei.15 Dabei ging es sowohl um die Beschaffung der außerhalb des Deutschen Reiches erscheinenden Periodica als auch um die von den Polizeibehörden, insbesondere von der Geheimen Staatspolizei, beschlagnahmten politischen Schriften. Im Anschluss an Feldkamps Gespräch am 4. September 1933 bat Krüß das Geheime Staatspolizeiamt „im Interesse einer späteren wissenschaftlichen Erforschung der geschichtlichen Zusammenhänge die im Ausland in deutscher Sprache erscheinende Emigranten-Literatur“ für die Preußische Staatsbibliothek anzukaufen. In der Anlage listete die Erwerbungsabteilung 19 Zeitungen und Zeitschriften auf, von denen sie einzelne Hefte zu erhalten wünschte, darunter die „Arbeiter-Illustrierte“, die in Amsterdam erscheinende „Freie Presse“ und „Der Aufbruch“ aus Prag.16 Nach dem 1. Oktober 1933 lieferte das Geheime Staatspolizeiamt Berlin einen Teil der gewünschten Titel gegen Erstattung des – geringen – Kaufpreises an die Preußische Staatsbibliothek.17 Ob diese Lieferungen über den Februar 1934 andauerten18 und ob sie durch andere Einfuhrgepflogenheiten abgelöst wurden, ist nicht bekannt.
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Heinrich Feldkamp übte als Leiter der Kaufstelle, der Pflichtexemplarstelle, der Stelle für Amtliche Drucksachen und der Dublettenstelle zahlreiche Funktionen aus. JAHRESBERICHT, 1933, 33 f.; EBD., 1935, 30; EBD., 1936, 30; EBD., 1937, 24; EBD., 1938, 25 f.; EBD., 1939, 28. Er galt als besonders versiert in Rechts-, Finanz- und Wirtschaftsfragen; ihm wurde Verwaltungsgeschick attestiert. HABERMANN, Lexikon 1985, 75. Einige der Schreiben aus dem Aktenkonvolut A 62 finden sich auch in der gebundenen Akte III J.1, Bd. 15 (Pflichtexemplare Inland). Zum einen sind es die Entwürfe, zum anderen Durchdrucke der Korrespondenz. Da Feldkamp auch persönlich mit den Beamten des Geheimen Staatspolizeiamtes verhandelte, liegt es nahe, dass er an der Abfassung der Schreiben, die Krüß unterzeichnete, beteiligt war. [Feldkamp:] Entwurf eines Schreibens an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin, 4. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, A 62. Seine Gesprächspartner waren Oberregierungsrat Janicke [Regierungsassessor Dr. Franz Janich?] und Regierungsassessor Dr. [Hermann] Gotthardt. Das Schreiben mit Krüß’ Unterschrift datiert vom 8. 9., abgesandt am 9. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 159 f. [Feldkamp:] Entwurf eines Schreibens an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin, 4. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, A 62. Geheimes Staatspolizeiamt, i. A. gez. Dr. Gotthardt, an die PSB, Berlin, 12. 3. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62. In der Anlage die Abrechnung bis zum 31. 12. 1933. Geheimes Staatspolizeiamt, i. A. gez. [Werner] Kryschak, an die PSB, Berlin, 12. 4. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62. In der Anlage befand sich die Abrechnung bis einschließlich Februar 1934. Die PSB erhalte seit dem Herbst 1933 „regelmässig eine grössere Zahl verbotener ausländischer Zeitschriften und Zeitungen“, bemerkte Krüß/Feldkamp im August 1934. Entwurf [von Feldkamp, mit Korrekturen Schnütgens] eines Schreibens an das Geheime Staatspolizeiamt, Presseabteilung, August 1934, abgesandt am 11. 9. [1934]. SBB PK, Historische Akten, A 62.
Erwerbung beschlagnahmter Literatur
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Wegen der Herausgabe der beschlagnahmten Schriften kooperierte die Geheime Staatspolizei jedoch nicht ohne weiteres, auch wenn Krüß bereit war, „durch eine geeignete Kraft der Staatsbibliothek das in Frage kommende Titelmaterial im Geheimen Staatspolizeiamt kopieren oder Schriftenmaterial selbst abholen zu lassen.“19 Ende September 1933 besuchte Feldkamp die Lagerräume der Geheimen Staatspolizei in der Berliner Magazingasse. Dort waren bereits Exemplare beschlagnahmter Schriften für die wissenschaftlichen Bibliotheken ausgesondert worden. Feldkamp hatte sich des Wohlwollens des Regierungsassessors Jaager versichert und wollte eben den Abtransport der beschlagnahmten Literatur vorbereiten,20 als sich bei der Besichtigung der Lagerbestände unverhofft ein anderer Beamter der Geheimen Staatspolizei seinen Absichten entgegenstellte. Doch auch mit dem förmlichen Antrag, den Emil Jacobs, der Erste Direktor der Preußischen Staatsbibliothek, als Krüß’ Stellvertreter daraufhin an die Geheime Staatspolizei richtete, konnten die Bibliothekare der Preußischen Staatsbibliothek die Herausgabe der vordem zugesicherten beschlagnahmten Schriften nicht erreichen.21 Als im Ergebnis des Erlasses vom 27. März 1934 vorwiegend solche Titel eingingen, die vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten regulär erschienen und deshalb „bereits in grossem Umfange“ in den Bibliotheksbeständen vorhanden waren, erneuerte Krüß, assistiert von Feldkamp, noch einmal den dringenden Wunsch, „von allen beschlagnahmten Druckschriften und Zeitschriftenreihen einschliesslich der metallographierten oder chemigraphisch vervielfältigten Veröffentlichungen, der Preußischen Staatsbibliothek gleich nach der Beschlagnahme entweder unmittelbar oder durch Vermittlung des Geh. Staatspolizeiamtes in Berlin“ ein Exemplar zu überstellen. Ebenso sollte von allen in Berlin beschlagnahmten Zeitschriften-Heften ein Exemplar in die Preußische Staatsbibliothek gegeben werden. Dem Schreiben lag eine in „1) Berliner Zeitungen, 2) Zeitungen aus der Provinz Brandenburg, 3) Zeitungen aus dem übrigen Reiche, 4) Zeitungen aus dem Auslande“ unterteilte Liste mit 287 Titeln bei.22 Im Spätsommer 1934 bezog die Preußische Staatsbibliothek verbotene ausländische Literatur immer noch über die jüdische Buchhandlung Asher & Co., Berlin, Behrenstraße 17. Diesen Bezugsweg beargwöhnte die Geheime Staatspolizei. Eventuellen Einwänden versuchte Krüß mit dem Argument zuvorzukommen, dass die Preußische Staatsbibliothek „mit Rücksicht auf die Devisenersparnisse“ solange nicht auf „den teilweisen Bezug dieser ausländischen Literatur“ verzichten könnte, „bis eine generelle Regelung für alle Behörden in dieser Frage getroffen ist.“23 19 20
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[Feldkamp:] an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin, 4. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, A 62. [Feldkamp:] an Regierungsassessor [Kurt] Jaager, Geheimes Staatspolizeiamt, 27. 9. 1933 (Entwurf), abgesandt mit Krüß’ Unterschrift ebenfalls am 27. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 167 f. PSB, i. V. Jacobs, an das Geheime Staatspolizeiamt, 4. 10. 1933 (Entwurf), abgesandt am 5. 10. 1933. SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 171. Für das Jahr 1933 verzeichnen die Akzessionsjournale der PSB keine Geschenke der Polizeibehörden. [Feldkamp, mit Korrekturen Schnütgens] an das Geheime Staatspolizeiamt, Presseabteilung, August 1934, Entwurf, mit Unterschrift Jacobs’, 10. 9. 1934, abgesandt am 11. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, und SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 191 ff. [Feldkamp, mit Korrekturen Schnütgens] an das Geheime Staatspolizeiamt, Presseabteilung, August 1934, abgesandt am 11. 9. [1934], SBB PK. Historische Akten, A 62.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
3.1.4 Die Erwerbung der Bibliothek der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Wie die Reaktion auf den Hinweis Siegmund-Schultzes belegt, zielten Krüß’ Bemühungen um beschlagnahmte Schriften vor allem auf die Übernahme der von den Bibliothekaren der Preußischen Staatsbibliothek als wissenschaftlich wertvoll eingeschätzten zentralen Bibliothek der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. In einem Schreiben an das Geheime Staatspolizeiamt betonte er am 26. Mai 1933, dass es wünschenswert sei, die Bibliothek in öffentlichen Besitz zu überführen. „Auch für die weitere Verwertung dieser Bibliothek dürfte die Einreihung in die Bestände der Staatsbibliothek in erster Linie in Frage kommen.“ Deshalb wünschte er, die Preußische Staatsbibliothek an „der weiteren Behandlung dieser Angelegenheit“ zu beteiligen.24 Im März 1933 forderte das Preußische Innenministerium im Auftrag des Auswärtigen Amtes die Preußische Staatsbibliothek auf, die Bibliothek der Sozialistischen Partei Russlands, der Menschewiki, die sich ebenfalls im Gebäude des „Vorwärts“ befand, zu begutachten.25 Die etwa 100 Bücherkisten umfassende Sammlung war an die Bibliothèque Nationale verkauft worden und sollte nach Paris gebracht werden. Krüß erkundigte sich bei der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und der Deutschen Gesellschaft zum Studium Osteuropas; beide Stellen waren über die Bibliothek der Menschewiki nicht näher informiert.26 Daraufhin konsultierte er einen ehemaligen Mitarbeiter der Preußischen Staatsbibliothek, Ernst Drahn,27 der aufgrund seiner eigenen politischen Betätigung in den zwanziger Jahren ein Kenner von Sozialistica war. Drahn recherchierte den biographischen und politischen Hintergrund der Eigentümer und lieferte Krüß eine Begründung, dass deren Legitimation, die Bibliothek zu verkaufen, zweifelhaft sei.28 Ganz ähnlich, nämlich dass „die Eigentumsverhältnisse bezüglich dieser Bibliothek nicht völlig klar sind“, schrieb 24
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GD der PSB, Krüß, an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin, 26. 5. 1933. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 17 f., Bl. 17 Rs. f. PMI, Oberregierungsrat [unleserlich], an Krüß, 14. 3. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K. 16, Bd. I, 1. Handschriftliche Notiz Krüß’ auf dem Schreiben. PMI, Oberregierungsrat [unleserlich], an Krüß, 14. 3. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 1. Das Schreiben des AA datierte bereits vom 19. 4. 1933. Darin wurde auf eine Verbalnote der französischen Botschaft hingewiesen, nach der die Bibliothèque Nationale vor einiger Zeit „die Archive der russischen Bibliothek über die Geschichte der Sozialistischen Parteien Russlands“ erworben hatte. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 3. PSB, Krüß, an Ernst Drahn, 19. 5. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd 1, 9. Drahn war Leiter des sozialdemokratischen Parteiarchivs und von 1919 bis 1924 staatlicher Kommissar für die Revolutionssammlung der PSB. Er arbeitete 1933 auch für das RMVP, was aus einem Brief Jacobs’ an Krüß vom 13. 10. 1933 hervorgeht. Jacobs an Krüß, 13. 10. 1933. SBB PK, Historische Akten, Nr. 124. Drahn recherchierte in „Russische Porträts, 1917–1918, 1921“ und in „Bol’naja Russkaja Pečat’, 1920“ nach den als Eigentümer genannten Rafail Abramovič Rein und Theodor Dan alias F. J. Gurwitsch oder Hurwitsch. Er schloss sein Antwortschreiben mit der Bemerkung, dass, schon wenn man sich bei Vertragsabschluss anders legitimiere als im Pass, der Vertrag ungültig sei. Drahn an Krüß, 19. 5. 1933, Akten III K.16, Bd. 1, 13.
Erwerbung beschlagnahmter Literatur
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Krüß daraufhin an das Preußische Innenministerium und die Geheime Staatspolizei.29 Damit hatte sie die erwünschte Bestätigung: Die Überführung der Bibliothek nach Paris war unrechtmässig.30 Im August 1933 erkundigte sich Drahn, wie Krüß’ „Bemühungen bzgl. der Russenbibliothek“ ausgegangen waren. „Gleichfalls möchte ich fragen“, schrieb er, „ob Sie wohl etwas unternehmen wollen, die große Bibliothek des Vorstandes der deutschen Sozialdemokratie („Archiv“ etwa 15.000 Bände) Lindenstr. 3 II. Hof IV Treppen für die Staatsbibliothek sichern [zu] wollen. Wie ich hörte, hat der Staat alles mit Beschlag belegt und Bankdirektor Müller Wallstraße (Arbeiterbank) ist z. Zt. Treuhänder.“31 Zwei Tage später benachrichtigte er Krüß, dass die Bibliothek inzwischen in den Pferdeställen in der Magazinstraße lagere.32 Drahn, der mittellos war,33 machte sich offenbar Hoffnungen, sollte die Bibliothek der SPD in die Preußische Staatsbibliothek eingehen, zu deren Bearbeitung sowie zur Bearbeitung anderer, neuerlich eingegangener Sozialistica herangezogen zu werden. An die schwebende Angelegenheit erinnert, betonte Krüß Anfang September 1933 in einem Schreiben an die Geheime Staatspolizei, dass die Preußische Staatsbibliothek weiterhin an der Bibliothek der SPD interessiert sei.34 Zu Beginn des Jahres 1934 drang das Auswärtige Amt darauf, dass der Buch- bzw. Archivbestand, der sich immer noch im Hause des „Vorwärts“ befand, von sachverständigen Biblio-
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PSB, Krüß, an den PMI, 20. 5. 1933 (Entwurf), abgesandt 22. 5. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 11. Seinen Bericht an das PMI schickte Krüß nach einem Telefonat mit dem Assessor Kessler im Geheimen Staatspolizeiamt in der Prinz-Albrecht-Straße 8 in Berlin in zwei Abschriften auch an die Geheime Staatspolizei. PSB, Krüß, an den PMI, 22. 6. 1933, und: PSB, Krüß, an Assessor [Gerhard] Kessler im Geheimen Staatspolizeiamt, 22. 6. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 15 und 17. Drahn an Krüß, 28. 8. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 19. Drahn an Krüß, 30. 8. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 21. Drahns Behauptung, dass die Bibliothek der SPD inzwischen in die Pferdeställe in der Magazinstraße gebracht worden sei, steht im Widerspruch zu Sveistrups und Feldkamps Besichtigungstermin am 7. 2. 1934 in der Berliner Lindenstraße, dem angestammten Aufbewahrungsort der Bibliothek, wo sie zwar die Bibliothek der Menschewiki nicht vorfanden, die SPD-Bibliothek jedoch noch vorhanden war. Die Ställe in der Magazinstraße wurden bereits in dem Krüß am 24. 5. 1933 vorliegenden Artikel aus dem Berliner Tageblatt erwähnt. Der VÖLKISCHE BEOBACHTER vom 13. 1. 1934 (Nr. 13, 1934) beschreibt die Lokalität im hämischen Ton des nationalsozialistischen Triumphes: „Wohl die merkwürdigste ‚Bibliothek‘ der Reichshauptstadt beherbergt das sogenannte ‚Kleine Polizei-Präsidium‘ in der Magazinstraße am Alexanderplatz. In den ausgedehnten Kellerräumen und ehemaligen Stallungen der berittenen Schupomannschaften lagern bis an die Decke gestapelt Tausende von Büchern. […] Es gibt keine wohlgeordneten Regale und Schränke, keine sorgfältig durchdachte Katalogisierung und Registratur. Hier herrscht vielmehr ein verwirrendes Durcheinander […] Das seltsamste aber: Mehrmals in der Woche treffen auf hohen Lastwagen neue Bücherladungen ein […] Einige leere Kastenwagen fahren vor, werden bis obenauf aus jenen geheimnisvollen Bücherbeständen gefüllt und von dort in plombierten Waggons nach einer Papiermühle außerhalb Berlins gebracht, wo ihr Inhalt unter polizeilicher Aufsicht entleert und eingestampft wird.“ Gleichzeitig versuchte Drahn, russische Werke aus seinem Besitz zu verkaufen. Drahn an Krüß, 28. 8. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 19. PSB, Krüß, an die Geheime Staatspolizei, 9. 9. 1933 (Entwurf), abgesandt 12. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 23. Jacobs und Schnütgen zeichneten das Schreiben ab.
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thekaren der Preußischen Staatsbibliothek begutachtet werde.35 Nachdem sie am 27. Januar 1934 von der Geheimen Staatspolizei endlich die Erlaubnis dazu erhalten hatten,36 begaben sich die Bibliotheksräte Heinrich Feldkamp und Hans Sveistrup am 7. Februar 1934 in das Gebäude des „Vorwärts“.37 Die „Direktion des Hauses“ wusste von der Menschewiki-Bibliothek nichts. „Erst nach langen Überlegungen und Nachforschungen konnte auf Grund der Aussagen eines Herrn Albrecht, der schon vor der Besetzung des Vorwärtsgebäudes als Angestellter im Hause tätig gewesen und von der gegenwärtigen Leitung übernommen worden war, folgender Tatbestand durch die Direktion ermittelt werden: Kurz vor der Besetzung des Vorwärtsgebäudes ist die betr. Bibliothek durch den Bibliothekar der S.P.D., Herrn Hinrichsen, der Französischen Botschaft übergeben worden. Da die in der Angelegenheit überreichte Verbalnote der Französischen Botschaft vom 11. April datiert ist, die Besetzung des Vorwärtsgebäudes aber Anfang Mai stattgefunden hat, dürfte der Abtransport wahrscheinlich schon Ende April v. J. erfolgt sein.“38 Die Bücher der SPD waren hingegen noch vorhanden. Um sie entgegenzunehmen, mussten sich Krüß und die Bibliothekare der Preußischen Staatsbibliothek allerdings gedulden, bis Ende März 1934 der Erlass des Preußischen Finanzministers erging. Da ihnen die Bücher und Schriften ja ohnedies zustanden, schien es mit dem Abtransport keine Eile zu haben. Erst am 30. Juli 1934 fragte Krüß bei der Geheimen Staatspolizei an, „wann und an welchem Orte die […] Druckschriften aus der zum eingezogenen S.P.D.-Vermögen gehörenden Bibliothek“ abgeholt werden könnten.39 Die Beamten des Geheimen Staatspolizeiamtes glaubten, dass Bibliotheksgut und Archivalien inzwischen einvernehmlich zwischen der Preußischen Staatsbiblio-
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Geheime Staatspolizei, i. A. gez. [Georg] Wittich, an GD der PSB, 13. 1. 1934, Anlage: AA an die Geheime Staatspolizei (Abschrift), 21. 1. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 25 f. PSB, Krüß, an das Geheime Staatspolizeiamt, 18. 1. 1934 (Entwurf), abgesandt 20.1.1934; Geheimes Staatspolizeiamt, i. A. gez. Jaager, an GD der PSB, 27. 1. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 29 und 31. In Sveistrups Erinnerung fand die Besichtigung bereits 1933, nicht lange nach der Besetzung des Vorwärtsgebäudes am 2. Mai, statt. Die Datierung des einschlägigen Schreibens von Krüß an das Geheime Staatspolizeiamt ist jedoch eindeutig. Die Bibliothekare hatten erst am 27. 1. 1934 durch die Geheime Staatspolizei die Erlaubnis erhalten, die Räume zu betreten. Geheimes Staatspolizeiamt, Jaager, an GD der PSB, 27. 1. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 31, und PSB, Krüß, an das Geheime Staatspolizeiamt 14. 2. 1934 (Entwurf Feldkamps). SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 33. Krüß an das Geheime Staatspolizeiamt, 14. 2. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 33. Sveistrup erinnerte sich 1941: „Trotz Öffnung aller in Betracht kommenden, sofort bei der Besetzung versiegelten Räume, war das Archiv nicht mehr aufzufinden. […] Schließlich ermittelten Herr Feldkamp und ich einen Kalfaktor, der als hauskundig übernommen war. Dieser wusste Bescheid: Wenige Tage vor der Besetzung des Gebäudes sei das Archiv der SPD in einem Möbelwagen abtransportiert und auf das Grundstück der Französischen Botschaft gebracht worden. Ausserdem auch das Archiv der MenschewikiPartei, das vor den Bolschewisten von Petrograd nach Berlin geborgen worden sei.“ Sveistrup an Krüß, 7. 1. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). PSB, Krüß, an die Geheime Staatspolizei, 30. 7. 1934 (Entwurf), abgesandt 1. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 37.
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thek und dem Preußischen Geheimen Staatsarchiv aufgeteilt worden wären.40 Wegen der von den Nationalsozialisten gebrauchten, hämischen Bezeichnung „Ruhmesarchiv“ der SPD hatte das Preußische Finanzministerium einzig und allein das Preußische Geheime Staatsarchiv zum Empfänger der SPD-Bibliothek bestimmt und sie im April 1934 nach Berlin-Dahlem bringen lassen.41 Die Geheime Staatspolizei legte Krüß nahe, sich mit dem Preußischen Finanzministerium ins Benehmen zu setzen.42 Krüß und seine Mitarbeiter entschieden jedoch anders. Sie entschlossen sich, die Angelegenheit auszufechten und ihren Anspruch auf den gesamten Bestand zu behaupten. Gerade von der Bibliothek der SPD, die von Anfang an im Zentrum von Krüß’ Bemühungen gestanden hatte, erhofften sie sich jene maßgebliche Bereicherung der Sozialistica-Bestände der Preußischen Staatsbibliothek, die durch die sonstigen Überstellungen beschlagnahmter Literatur nicht eintreten wollte. Als erstes erkundigte sich Feldkamp am 13. September 1934 beim Preußischen Geheimen Staatsarchiv nach dem Verbleib der Bibliothek, wurde jedoch an den Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, Albert Brackmann, verwiesen, der im Urlaub war.43 Einige Tage später rief Jacobs im Preußischen Geheimen Staatsarchiv an. Dessen Direktor, Adolf Brenneke, gab sich „auffallend reserviert“.44 Daraufhin wandte sich Jacobs an die Generaldirektion der Preußischen Staatsarchive.45 Nun antwortete Brenneke, versicherte aber, dass seitens des Preußischen Finanzministeriums „von einer Beteiligung der Staatsbibliothek keine Rede“ gewesen sei.46 Anfang November 1934 legte Krüß dem vorgesetzten Ministerium die Angelegenheit ausführlich dar. Die „Archivleitung“ selbst habe, indem sie 1929 den Katalog ihrer Sammlung der Preußischen Staatsbibliothek schenkte, kundgetan, „daß der Bibliotheksteil des ‚Ruhmesarchivs‘ eben als Büchersammlung in die Staatsbibliothek gehört“. Dieser Katalog zeige im 40
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Von Rottenburg sandte Krüß am 23. 7. 1934 zugleich die Abschrift eines Schreibens des Geheimen Staatspolizeiamtes Berlin an den Preußischen Ministerpräsidenten vom 16. 6. 1934, in dem das Geheime Staatspolizeiamt zu zwei Erlassen der Behörde des Preußischen Ministerpräsidenten – vom 30. 3. und vom 29. 5. 1934 – Stellung nahm. Darin hieß es: „Die in der Bibliothek vorgefundenen Handschriften sind dem Geheimen Staatsarchiv, die Druckschriften der PSB zur Verfügung gestellt worden.“ PMWKV, i. A. gez. von Rottenburg, an GD der PSB und Vorsitzenden des RBBA, 16. 6. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 35. PFM, i. A. Meyer, an die PSB, 12. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 63. „Bei dieser Überleitung leitete mich die Erwägung, daß die bei dem Ruhmesarchiv befindlichen Bücher und die Akten, Urkunden, Drucksachen sowie Archivalien dieses Archivs bei wissenschaftlichen Arbeiten nur in Verbindung miteinander benutzt werden können, das Archiv mithin als organisches Ganzes angesehen werden müßte, worauf schon die Bezeichnung hindeutet.“ Geheimes Staatspolizeiamt, i. A. gez. Kleikamp, an GD der PSB, 4. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 41 f. Aktennotiz Feldkamps, 15. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 39. Aktennotiz Jacobs’, 21. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 45. PSB, i. V. Jacobs, an die Generaldirektion der Preußischen Staatsarchive, 21. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 47. Preußisches GStA, Brenneke, an den GD der PSB, 29. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 61. Brenneke bezog sich auf ein Schreiben des PFM vom 25. 4. 1934.
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übrigen, über welch „erheblichen Mehrbesitz“ – verglichen mit dem Bestand der Preußischen Staatsbibliothek – das „Archiv“ der SPD verfügte.47 Das Preußische Finanzministerium war indes nicht gewillt, die einmal getroffenen Verfügungen rückgängig zu machen, also die Bibliothek dem Preußischen Geheimen Staatsarchiv wieder zu entziehen, es suchte zu vermitteln. Der mit der Angelegenheit befasste Beamte, Dr. Meyer, griff den Vorschlag des Preußischen Geheimen Staatsarchivs auf, „eine Anzahl privater nachgelassener Büchereien und Redaktionsbüchereien, die zum ‚Ruhmesarchiv‘ gehören und mehrere tausend Bände, darunter beispielsweise wertvolle englische und französische Literatur von Eduard Bernstein, umfassen, der Staatsbibliothek zu überlassen“.48 Doch gerade damit erregte er den Zorn der Bibliothekare, die an dem Kernbestand der SPD-Bibliothek, an jenem „erheblichen Mehrbesitz“, interessiert und keineswegs bereit waren, sich mit Dubletten abspeisen zu lassen. Am 10. Mai 1935 empfing Feldkamp den Archivrat Johannes Schultze in der Preußischen Staatsbibliothek und machte ihm gegenüber den Standpunkt seiner Institution unmissverständlich deutlich: Eine Spezialbibliothek wie die SPD-Bibliothek würde im Preußischen Geheimen Staatsarchiv nur wenigen Benutzern zugänglich sein, was ihrem wissenschaftlichen Wert nicht entsprach. Wenn sie dort bliebe, könnten die in ihr enthaltenen Schriften nicht in den Gesamtkatalog der Preußischen Staatsbibliothek aufgenommen werden und wären damit vom Leihverkehr so gut wie ausgeschlossen. Nur weil die Preußische Staatsbibliothek ihre Bestände durch den Katalogdruck veröffentlichte, hätte „jeder wissenschaftlich interessierte Deutsche […] die Möglichkeit, die Bände zu benutzen.“49 Im weiteren Verlauf der Unterredung trieb Feldkamp Schultze immer mehr in die Enge. Dieser gestand schließlich zu, „dass die Bibliothek geschlossen erhalten bleiben soll“, was Feldkamp nicht anders interpretierte, als dass Schultze von seiner ursprünglichen Position, „dass Archivalien und Bibliothek“ unbedingt zusammenbleiben sollten, abgerückt war.50 47
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PSB, Krüß, an den Minister, 2. 11. 1934. (Entwurf), abgesandt am 3. 11. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 67 ff., 69 und 71. Der Druckschriftenteil zähle „weit über 40 000 bibliographische Einheiten und enthält in großer Zahl Schriften zur politischen Geschichte Deutschlands seit dem 19. Jahrhundert, insbesondere zur Geschichte der sozialdemokratischen Partei, Schriften zur Theorie des Sozialismus und der Politik, zur Sozialwissenschaft und Volkswirtschaft, die in der Staatsbibliothek bisher nicht vorhanden sind, aber sie überaus wertvoll bereichern und nur als Bestandteil ihrer Sammlungen der Forschung in geeigneter Weise dienlich sein werden.“ RuPMWEV, i. A. gez. von Rottenburg, an GD der PSB, 26. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 73. Darin das Schreiben des PFM, i. A. gez. Dr. Meyer, an den RuPMWEV, 17. 4. 1935, als Abschrift. Wegen der inzwischen eingeführten Benutzungsbeschränkungen entsprach dies freilich nicht den Tatsachen. Aktennotiz Feldkamps vom 10. 5. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 75 ff. Zum Schluss drohte Feldkamp, „dass bei einer Verschiebung der Aufgabenteilung zwischen Archiven und Bibliotheken die Staatsbibliothek sehr leicht dahin kommen könnte, ihrerseits Archivalien zu erwerben, schon um ein geeignetes Tauschobjekt gegenüber dem Archiv in die Hand zu bekommen.“ Und für die internen Erwägungen bestimmt, bemerkte er: „Vielleicht kann die Staatsbibliothek den Versuch machen, die Archive der Freimaurerlogen zu erwerben, die ja doch für das Geheime Staatspolizeiamt, wo sie sich jetzt befinden, kaum Interesse haben dürften. Jedenfalls ist das Geheime Staatsarchiv an den Logenarchiven sehr interessiert.“
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Als Feldkamp und Sveistrup einige Zeit später das Preußische Geheime Staatsarchiv besuchten, bekamen sie sowohl die eigentliche SPD-Bibliothek als auch die übrigen Büchersammlungen zu Gesicht. Wie Feldkamp bemerkte, waren „die vorgefundenen und übernommenen Archivbestände an Akten sehr unbedeutend“. Die Archivräte Johannes Schultze und Wilhelm Rohr gestanden ein, „dass das eigentliche Geheimarchiv anscheinend schon vor der Beschlagnahme des Vorwärts-Gebäudes in Sicherheit gebracht worden“ sei. Feldkamp wusste von seinem und Sveistrups Besuch im Gebäude des „Vorwärts“, dass Archivalien vor der Beschlagnahme geborgen worden waren. Die Archivare des Preußischen Geheimen Staatsarchivs verwehrten ihm denn auch, das sogenannte Archivgut der SPD in Augenschein zu nehmen.51 Über seine Begegnung mit Feldkamp verfasste Schultze gleichfalls eine Aktennotiz. Nach seinen Ausführungen hatte Feldkamp angedeutet, „daß die St. B. durchaus befriedigt sein würde, wenn sie einige Stücke, die ihr fehlten, erhalten könnte.“ Dies hätten er und seine Kollegen jedoch abgelehnt. Schultze schloss, dass die Preußische Staatsbibliothek wohl nicht mehr beabsichtige, „unter allen Umständen einen Kampf um den Gegenstand zu führen.“52 Darin sollte er sich täuschen. Indem die Bibliothekare jene Stücke beanspruchten, die in der Preußischen Staatsbibliothek nicht vorhanden waren, hielten sie sich die Möglichkeit offen, ihren Beständen doch noch einen größeren Teil der SPD-Bibliothek einzuverleiben.53 Anhand des dreibändigen, Ende der zwanziger Jahre erstellten Katalogs der SPD-Bibliothek54 ließ Sveistrup im Laufe des Jahres 1935 prüfen, inwieweit sich deren Bestände mit denen der Preußischen Staatsbibliothek deckten. Er kam zu dem Ergebnis, dass etwa die Hälfte der Titel nicht vorhanden war.55 Die Bibliothek der SPD umfasste 20.000–30.000 Bände. Nach einer weiteren Besprechung am 7. November 1935, an der für die Preußische Staatsbibliothek neben Feldkamp und Sveistrup auch Schnütgen beteiligt war,56 händigte Brenneke 51
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Aktennotiz über den Besuch Feldkamps und Sveistrups im Preußischen Geheimen Staatsarchiv am 14. 8. 1935, mit Bemerkungen Schnütgens und Beckers, 22. 8. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 85 ff., Zitate 87. Nicht nur das Archiv der Menschewiki, sondern auch die Archivalien der deutschen Sozialdemokraten wurden kurz vor der Beschlagnahmung des SPD-Vermögens – am 10. 5. 1933 – auf verschiedenen Wegen in Sicherheit gebracht. Vgl. BUNGERT, Zu retten, 44 ff. Aktennotiz Schultzes, 14. 8. 1935. GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 131. Ein solches Vorgehen empfahl Schnütgen der Generaldirektion. Auch Becker sprach sich für die Fortführung der Verhandlungen im September aus. Notizen Schn[ütgens] und B[eckers] vom 22. 8. auf dem Schreiben Feldkamps und Sveistrups vom 22. 8. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 85 ff., 85. Systematischer Katalog. Bibliothek der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Berlin 1927–30. Sveistrup, 26. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 115. Dabei waren, wie Sveistrup bemerkte, die chinesischen, japanischen, russischen und tschechoslowakischen Literaturen in dem Katalog von 1929 noch gar nicht aufgeführt. An der Besprechung am 7. 11. 1935 im Preußischen Geheimen Staatsarchiv nahmen auf seiten des Preußischen Geheimen Staatsarchivs die Archivräte Heinrich Otto Meisner, Schultze und Brenneke und auf seiten der PSB Feldkamp, Sveistrup und Schnütgen teil. Meisner betonte noch einmal, dass Akten und Bücher zusammengehörten. PSB, [Schnütgen] an den GD; Aktennotiz Feldkamps, 19. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 97 ff. Vorentwurf eines Berichts von Sveistrup über die Verhandlungen am 7. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1,109 ff.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
den Bibliothekaren das Schreiben des Preußischen Finanzministeriums aus, durch das das Preußische Geheime Staatsarchiv begünstigt wurde.57 Dass in dem Schreiben von einer Übergabe, nicht aber von einer Übereignung der SPD-Bibliothek die Rede war, gab den Bibliothekaren der Preußischen Staatsbibliothek Grund, die Auslegung dieser Verfügung durch die Archivbeamten in Frage zu stellen.58 In einer Besprechung mit Ministerialdirektor Meyer und Ministerialrat Liebenow am 5. Februar 1936 versicherten sich die Beamten des Preußischen Geheimen Staatsarchivs der Unterstützung des Preußischen Finanzministeriums.59 Anderthalb Wochen später trafen die Vertreter beider Ministerien – des Preußischen Finanzministeriums und des Reichs- und Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung – sowie der Preußischen Staatsbibliothek und des Preußischen Geheimen Staatsarchivs zusammen. Dabei sprach sich Kummer für die Überführung der SPD-Bibliothek in die Preußische Staatsbibliothek aus, weil auf diese Weise die in ihr enthaltenen Unica im Deutschen Gesamtkatalog erfasst werden könnten. Im Gegenzug warf Archivrat Meisner die Frage der Sekretierung der nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Schriften auf. Doch Krüß parierte mit der Behauptung, dass Bibliotheken dafür nicht weniger geeignet seien als Archive. Die Vertreter des Preußischen Geheimen Staatsarchivs erwirkten nun lediglich die Zusage, dass sie dann im Besitz eines bestimmten Buches bleiben dürften, „sofern die Staatsbibliothek es bereits in einem Exemplar besitze.“60 Damit hatten die Bibliothekare der Preußischen Staatsbibliothek mit Unterstützung des vorgesetzten Ministeriums ihre Auffassung durchgesetzt. Die Zerschlagung der Bibliothek der SPD begann. Um festzustellen, welche Schriften das Preußische Geheime Staatsarchiv besaß, benötigte die Preußische Staatsbibliothek nicht nur den gedruckten, sondern den aktuellen Katalog der SPD-Bibliothek. Schultze weigerte sich zunächst, ihn auszuhändigen,61 musste dann aber einlenken.62 Es nahm ein Dreivierteljahr in Anspruch, diesen Katalog mit den Beständen der Preu-
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Vgl. auch: Aktennotiz Brennekes vom 19. 3. 1936. GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 149. Preußisches GStA, Brenneke, an die PSB, z. H. Schnütgens, 11. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 91. Aktennotiz Feldkamps, 19. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 97 ff., 99 Rs. Schultze: Besprechung am 5. 2. 1936 über das Ruhmesarchiv der ehemaligen S.P.D. mit den Vertretern des PFM. GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 139. Diese Konferenz fand am 15. 2. 1936 im PFM statt. An ihr nahmen Meyer, Liebenow, von Rottenburg und Kummer teil, ferner Brachmann, Brenneke, Meisner und Georg Winter von der Archivverwaltung sowie Krüß, Schnütgen und Feldkamp von der PSB. Niederschrift über die am 15. 2. 1936 stattgefundene Konferenz über den Verbleib der Bibliothek des sog. Ruhmesarchivs der SPD. GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 145. Aktennotiz Schultzes vom 19. 2. 1936. GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 144. In der PSB werde bereits anhand des gedruckten Katalogs das Verzeichnis der vorhandenen Titel erarbeitet, schrieb Krüß. GD der PSB, Krüß, an den GD der Staatsarchive, 18. 2. 1936. GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 147. PSB, Schnütgen, 24. 2. 1936, Ausweis mit dem Vermerk, dass der Katalog am 26. 2. ausgehändigt wurde. Ebd., Bl. 148.
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ßischen Staatsbibliothek zu vergleichen. Dabei stellte sich heraus, dass 6.700 bibliographische Einheiten bisher nicht vorhanden waren. „Im Sinne der Besprechung vom 15. Februar d. J.“ bat Krüß, diese Einheiten der Preußischen Staatsbibliothek zu überlassen.63 Zu diesem Zeitpunkt besaß das Preußische Geheime Staatsarchiv jedoch „[e]ine grössere Zahl von Werken“ gar nicht mehr. Wie Feldkamp notierte, hatten inzwischen „Vertreter der Münchener Partei die gesamten Bestände durchgesehen und bestimmte Stücke an sich genommen“.64 Wenngleich weniger als beansprucht, fielen der Preußischen Staatsbibliothek dennoch Stücke aus der SPD-Bibliothek „in einem so großen Umfang“ zu, dass Schultze resigniert feststellte: „Der Wert des verbleibenden Restes dürfte für das Geh. St. A. sehr gering sein und mehr eine Belastung als einen Gewinn bedeuten.“65 Ernst Zipfel, der Nachfolger Brackmanns als Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, ermächtigte denn auch das Preußische Geheime Staatsarchiv, auf „diejenigen Werke […], die für die Bibliotheken der preußischen Staatsarchive ohne Interesse sind“ zu verzichten und sie gleichfalls der Preußischen Staatsbibliothek zu überlassen.66 Doch im Oktober 1939 hatten die Archivare aus dem ihnen verbliebenen „Rest“ die für ihre eigene Bibliothek „brauchbaren Teile“ noch immer nicht herausgezogen.67 Für die von der Preußischen Staatsbibliothek übernommenen Werke legte deren Erwerbungsabteilung ein gesondertes Akzessionsjournal mit der Bezeichnung „S.P.D. (Teile der Bibliothek der ehemaligen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, 1933)“ an,68 das nicht vollständig überliefert ist.69 1937 erkundigte sich die Treuhänderin des SPD-Vermögens, die 63
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GD der PSB [Krüß] an den GD der Staatsarchive, 24. 11. 1936 (Abschrift). GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 151. Von dieser Zahl geht auch Rüdiger Zimmermann aus. Vgl. ZIMMERMANN, Gedächtnis, 32. Notiz „S.P.D.“, vermutlich von Feldkamp, 14. 10. 1938. Akzessionsjournal SPD. Vgl. dazu auch ein Schreiben der NSDAP, Reichsleitung, Hauptarchiv der NSDAP, [Unterschrift unleserlich], an das Preußische GStA, München den 23. 8. 1935. GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 132. „Auf Grund der Verfügung des Preuss. Finanzministers vom 25. 4. 1934, II G 1500/120 erlaube ich mir den dahingehenden Antrag zu stellen, dass das Geheime Staatsarchiv dem Hauptarchiv der NSDAP Doppelstücke und solche von Photocopien, die sich auf die Kampfzeit der NSDAP, ihre Vorläufer sowie den Marxismus, Kommunismus etc. beziehen, überlässt.“ Notiz oder Briefentwurf Sch[ultzes] 7. 12. 1936. GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 150. Der GD der Staatsarchive, i. V. gez. Dr. Zipfel, an das Geheime Staatsarchiv, 10. 12. 1936, GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922, Bl. 152. EBD. Auf dem Schreiben notierte Sch[ultze]: „Von der Ermächtigung ist kein Gebrauch gemacht worden. Es bleibt zunächst die Aufgabe, die brauchbaren Teile für unsere Bücherei herauszuziehen, erst dann kommt die Abgabe des Restes in Frage. Sch[ultze] 17/10 39“. „Neben den allgemeinen Zugangslisten für Neuzugänge durch Kauf oder als Geschenke oder als Pflichtstücke, deren Nummern einfach nach dem Rechnungsjahre laufen, pflegen bei der Bearbeitung größerer geschlossener Sammlungen selbständige Sonderlisten angelegt zu werden.“ Aus der Akzession, in: UNSERE STAATSBIBLIOTHEK Nr. 5 (April 1939). Überliefert ist ein 34 Nummern, ausschließlich Schriften August Bebels umfassendes Journal aus dem Jahre 1938. Es stand vermutlich in Zusammenhang mit der Bearbeitung der Schriften Bebels für den Gesamtkatalog. Hermann Fuchs bat Krüß im September 1938 „um die Erlaubnis, im Einvernehmen mit der Erwerbungsabteilung die Schriften von Bebel aus der SPD-Bibliothek herauszunehmen und ihre Titel
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Konzentration A. G. i. L., Betriebs- und Grundstücksverwaltung, nach dem Verbleib der Bibliothek, die sie in ihrem Schreiben als „Karl-Marx-Bibliothek“ bezeichnete. Die Gesellschaft beabsichtigte, aus dem Verkauf der Bibliothek noch Geld zu erlösen. Krüß antwortete kurz, es habe sich seinerzeit um eine Übereignung, nicht um ein leihweises Zur-Verfügung-Stellen gehandelt.70 1942 richtete die Deutsche Arbeitsfront eine Anfrage an die Preußische Staatsbibliothek, ob einer ihrer Mitarbeiter die SPD-Bibliothek zu wissenschaftlichen Zwecken nutzen könnte. Daraufhin teilte Schnütgen mit: „Die Bibliothek der ehemaligen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist, wenige Einzelstücke ausgenommen, noch nicht katalogisiert. Dennoch können Stücke aus ihr in besonderen Fällen an Hand ihres hier befindlichen Katalogs benutzt werden.“71
3.1.5 Erwerbungen beschlagnahmter kleinerer Bibliotheken über die Geheime Staatspolizei und lokale Polizeibehörden 3.1.5.1 Die beiden Verfahren im Umgang mit dem NS-Raubgut: Auswahl für die Bestände der Preußischen Staatsbibliothek oder ,Unterverteilung‘ an andere wissenschaftliche Bibliotheken Auch wenn sich die Erwartung der Bibliothekare, aufgrund der Verfügung des Preußischen Finanzministeriums in den Besitz der „aktuellen unterirdischen politischen Propagandaliteratur“ zu kommen, nicht erfüllte, widmeten sie sich den im Ergebnis des Erlasses vom 27. März 1934 eingehenden Listen mit großer Sorgfalt. Die Erwerbungsabteilung – in der Hauptsache wohl Heinrich Feldkamp – entwickelte zwei verschiedene Modi der Bearbeitung, je nachdem, ob ein Titel nur in einem einzigen oder einigen wenigen Exemplaren in dem beschlagnahmten Bestand vorhanden war oder ob die Polizeibehörden viele, manchmal mehrere Hundert Exemplare des gleichen Titels anboten. Nur wenn es sich um große Mengen handelte, gab die Preußische Staatsbibliothek ihr überstellte Werke an andere wissenschaftliche Bibliotheken weiter. Diese sogenannte ‚Unterverteilung‘ hatte Krüß bereits in seinem ersten Ersuchen an die Geheime Staatspolizei im Mai 1933 intendiert. Bei weitem die meisten Einsender waren Bürgermeister und Amtsvorsteher, die in ihrer Funktion als Ortspolizeibehörden Bücher und Schriften beschlagnahmt und eingezogen hatten.
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im Gesamtkatalog drucken zu dürfen.“ Es hatte sich als unmöglich erwiesen, „die ganze SPD-Bibliothek in absehbarer Zeit dem Druck des Gesamtkatalogs verfügbar zu machen.“ Fuchs an Krüß, 23. 9. 1938. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 137. Konzentration AG i. L. an die PSB, 4. 1. 1937. Die Aktien der Gesellschaft befanden sich sämtlich im Besitz des PFM. Krüß’ Antwort, 16. 1. 1937. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 133 und 135. PSB an das Zentralbüro der DAF, (Entwurf Schnütgens, 6. 6. 1942, abgesandt am 8. 6. 1942). SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 147.
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Seltener kamen die Listen von den Regierungspräsidien und Landratsämtern.72 Beschlagnahmte Verlagsbestände überwiesen vor allem die Geheime Staatspolizei und das Polizeipräsidium in Berlin. Im Umgang mit den beschlagnahmten Beständen, bei der Abfassung und Gestaltung der Listen gab es große Unterschiede zwischen den Polizeibehörden in den einzelnen Regierungsbezirken. Meist waren die Angaben äußerst knapp und im einzelnen oft fehlerhaft. Gewöhnlich schickte die Erwerbungsabteilung nach Eingang einer Liste einen vorläufigen Bescheid an den Absender. In den Jahren 1934 und 1935 verzögerte sich die Bearbeitung der Listen oft monatelang. Seit dem Frühjahr 1935 war Gerhard Reincke als Assistent des Abteilungsdirektors der Erwerbungsabteilung mit der Bearbeitung der Listen beschäftigt.73 Anhand der Kataloge musste er feststellen, welche Titel in der Preußischen Staatsbibliothek schon vorhanden waren. Deshalb konsultierte die Erwerbungsabteilung Mitarbeiter anderer Abteilungen, namentlich die für Deutsche Literatur bzw. für Staatswissenschaften und Philosophie zuständigen Mitarbeiter des Realkatalogs Wilhelm Nickel und Sveistrup74. Die gewünschten Titel wurden rot oder blau angestrichen und die Listen an die beschlagnahmende Behörde zurückgeschickt. Mit Feldkamps Unterschrift bat die Preußische Staatsbibliothek um die Zusendung der gekennzeichneten Titel. Nachdem sie die markierten Listen zurückerhalten hatten, sandten die Behörden die gewünschten Bücher und Schriften an die Preußische Staatsbibliothek ab. Nicht selten vermerkten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsbibliothek auf den Begleitschreiben anschließend die Inventarnummern, unter denen die eingehenden Schriften akzessioniert werden sollten. Je nachdem, ob sie in Preußen oder außerhalb Preußens erschienen waren, ob es sich um Bücher oder Zeitschriften handelte, wurden sie als Pflichtexemplare, Geschenke oder im Akzessionsjournal für Zeitschriften aufgenommen. Da vieles von der angebotenen Literatur in der Bibliothek ohnehin längst vorhanden war und sich allmählich durch die Überstellung beschlagnahmter Exemplare auch manche Lücke schloss, hatte die Erwerbungsabteilung immer häufiger an keinem der aufgelisteten Titel Interesse. In diesen Fällen wies Feldkamp die einsendende Behörde an, die Schriften der 72
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So sammelte das Regierungspräsidium im Regierungsbezirk Wiesbaden die Listen einzelner Landkreise und Gemeinden – des Landrates in Weilburg, des Landrates in Wetzlar, der Ortspolizeibehörden in Eppstein, Eschborn, Münster und Rod an der Weil sowie des Untertaunuskreises – und gab sie dann gebündelt an die PSB weiter. Der Regierungs-Präsident, i. A. gez. Engler, an die PSB, Wiesbaden, 19. 11. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Wiesbaden. Ebenso verfuhr das Regierungspräsidium in Stade mit den Listen der Kreise Bremervörde, Osterholz, Rotenburg, Stade, Wesermünde und des Stadtkreises Wesermünde. Der Regierungspräsident, i. A. gez. Funke, an die PSB, Stade, 1. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Stade. Vgl. JAHRESBERICHT, 1935, 30. In den Akten zeichnete Reincke mit dem Bearbeitungsvermerk „Re“. Reincke vermerkte auf dem Anschreiben wegen der beschlagnahmten Bücher des SPD-Funktionärs Gast aus Gonzenheim im Obertaunuskreis: „Liste Gast an Herrn Dr. Nickel. zurück 17/6“. Der RegierungsPräsident, i. A. gez. Völpel, an die PSB, Wiesbaden, 25. 4. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Wiesbaden. III. Namentliches Verzeichnis sämtlicher unter I aufgeführten Beamten, Angestellten usw., nach dem Stichtage 1. 4. 1935. Organisationsfragen der Staatsbibliothek, 1. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, Nr. 122, im Verzeichnis Nickel Nr. 173, Sveistrup Nr. 181.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
nächstgelegenen Universitätsbibliothek anzubieten, deren Namen er jeweils in den Vordruck des Antwortschreibens einfügte.75 Aus beschlagnahmten Verlagsbeständen forderte die Preußische Staatsbibliothek, unabhängig davon, wie viele Exemplare eines Titels von der Polizeibehörde aufgelistet worden waren, jeweils 33 Exemplare zur ‚Unterverteilung‘ an.76 Waren es 33 oder weniger, bestellte sie alle. Aus den handschriftlichen Vermerken auf den Listen lässt sich ein Verteilerschlüssel rekonstruieren, der die bedeutendsten deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken umfasste. Dazu gehörten: Universitätsbibliothek Bonn Universitätsbibliothek München Universitätsbibliothek Erlangen Universitätsbibliothek Münster Universitätsbibliothek Freiburg Universitätsbibliothek Rostock Universitätsbibliothek Gießen Universitätsbibliothek Tübingen Universitätsbibliothek Göttingen Universitätsbibliothek Würzburg Universitätsbibliothek Greifswald Staatsbibliothek Bremen Universitätsbibliothek Halle Staats- und Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Heidelberg Hessische Landesbibliothek Darmstadt Universitätsbibliothek Jena Sächsische Landesbibliothek Dresden 77 Universitätsbibliothek Kiel Landes- und Stadtbibliothek Düsseldorf Universitätsbibliothek Leipzig Stadt- und Universitätsbibliothek Universitätsbibliothek Marburg Frankfurt am Main
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Z. B. Regierungsbezirk Potsdam – Universitätsbibliothek Berlin. F[eldkamp] an den Landrat des Kreises Teltow, 16. 11. 1935; Regierungsbezirk Koblenz – Universitätsbibliothek Bonn. F[eldkamp] an den Landrat Bad Kreuznach, 29. 11. 1935; Regierungsbezirk Liegnitz – Universitätsbibliothek Breslau. F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten in Liegnitz, 31. 7. 1936; Regierungsbezirke Stade, Lüneburg und Hannover – Universitätsbibliothek Göttingen. F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten in Stade, 21. 10. 1936; F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten des Reg.-Bez. Lüneburg, 5. 7. 1934; Der Landrat von Hannover, i. V. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 7. 12. 1935. „Die übrigen Bücher habe ich s. Zt. gemäß Ihres vorbezeichneten Schreibens der Universitäts-Bibliothek Göttingen angeboten, die davon aber keinen Gebrauch gemacht hat. Die Bücher sind daraufhin der Reichsschrifttumsstelle beim RMVP in Berlin W. 8, Mohrenstr. 65, zur Verfügung gestellt worden.“; Regierungsbezirk Stettin – Universitätsbibliothek Greifswald. F[eldkamp] an den Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde Stralsund, 10. 7. 1934; Regierungsbezirk Magdeburg – Universitätsbibliothek Halle. Feldkamp an den Regierungspräsidenten in Magdeburg, 5. 11. 1935; Regierungsbezirk Schneidemühl – Universitätsbibliothek Königsberg. Feldkamp an den Regierungspräsidenten in Schneidemühl, 20. 1. 1936; Regierungsbezirk Wiesbaden – Universitätsbibliothek Marburg. F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden, 20. 9. 1935; Regierungsbezirke Minden und Münster – Universitätsbibliothek Münster. F[eldkamp] an den Landrat von Lüdinghausen, 25. 10. 1935; F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten in Minden, 7. 9. 1935. Die Schreiben befinden sich sämtlich in den jeweiligen Konvoluten der Regierungsbezirke. SBB PK, Historische Akten, A 62. Z. B. Feldkamp an Polizeipräsidenten (Staatspolizeistelle für den Landesbezirk Berlin), 18. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62. Feldkamp bat, „von den beschlagnahmten Exemplaren der aufgeführten Werke soweit verfügbar jeweils 33 Exemplare der Preussischen Staatsbibliothek überweisen zu wollen, die ihrerseits die Unterverteilung an die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken vornehmen wird unter der Auflage der Sekretierung.“
Erwerbung beschlagnahmter Literatur
Vormals Königliche und Provinzial-Bibliothek Hannover Hessische Landesbibliothek Kassel Badische Landesbibliothek Karlsruhe Universitäts- und Stadtbibliothek Köln
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Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg Bayerische Staatsbibliothek München Württembergische Landesbibliothek Stuttgart Thüringische Landesbibliothek Weimar
Nach der Annexion Österreichs im März 1938 kamen noch mindestens drei österreichische Bibliotheken hinzu: die Nationalbibliothek Wien, die Universitätsbibliothek Graz und die Universitätsbibliothek Innsbruck. Die Bibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg erscheint in den Akten der Erwerbungsabteilung nicht als Empfängerbibliothek. Den Büchersendungen lag ein Standardschreiben Feldkamps bei,78 in dem es heißt, dass die versandten Bücher zu sekretieren seien und, falls nicht erwünscht, nicht zurückgesandt, sondern makuliert werden müssten, keinesfalls aber weiter in Umlauf gegeben werden dürften.79 Obwohl die einzelnen Vorgänge unvollständig sind,80 entsprechen die erhaltenen Unterlagen wohl durchaus den Dimensionen der tatsächlichen Erwerbungen. Für den Zeitraum von 1934 bis 1939 sind durch die Akten knapp 2.000 Bücher und Schriften belegt, die der Preußischen Staatsbibliothek von rund 140 verschiedenen Polizeibehörden gemäß dem Erlass vom 27. März 1934 zugesandt wurden. Den geschätzten 2.000 Büchern und Schriften stehen ca. 1.200 in dem Journal „Deutsch Dona“81 verzeichnete Akzessionsnummern gegenüber, deren Einlieferer nach einer ersten Durchsicht mit den in den Akten erscheinenden Behörden übereinstimmen. Die Journale der Pflicht- und Zeitschriftenakzession sind noch nicht analysiert worden. Wenn man für sie ähnliche Zahlen zugrundelegt, könnten sich die in den Akzessionsjournalen verzeichneten und die anhand der Akten belegbaren Zugänge in etwa decken. Ebenso wie das Akzessionsjournal „Deutsch Dona“ zeigen die Vorgänge in den Akten einen Schwerpunkt bei den Zugängen beschlagnahmter Literatur in den Jahren 1934 und 1935. 1937 gingen die Einlieferungen beschlagnahmter Literatur durch die Polizeibehörden zurück und blieben in den folgenden Jahren weiterhin gering. Doch setzten sie sich bis in die Kriegsjahre hinein fort.
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Vgl. BÖTTE, Suche, Anm. 23. Solche Schreiben sind z. B. in den Akten der Universitätsbibliotheken Tübingen und Leipzig aufgefunden worden. Ein in den Akten der PSB (SBB PK, Historische Akten, A 62) erhaltenes Exemplar ist auf den August 1938 datiert. SBB PK, Historische Akten, IV.4, Bd. 3, 251. Sowohl die in den Akten der PSB enthaltenen Schriftwechsel mit den Bürgermeistern und Regierungspräsidien als auch die Unterlagen über die ,Unterverteilung‘ sind unvollständig. Die Listen mit den Vermerken und Anstreichungen wurden stets an die Behörden, die sich im Besitz der Bücher befanden, zurückgesandt. Sie sollten den eingesandten Büchern und Schriften wieder beigelegt werden. An diesen Wunsch haben sich die Behörden allerdings nicht immer gehalten. Weil es sich bei den Eigentümern der beschlagnahmten Bücher und Schriften, die aufgrund des Erlasses des PFM vom 27. 3. 1934 in die PSB gelangten, um im weiteren Sinne politisch Verfolgte handelte, können die Akzession ausländischer Literatur und die Akzession der Orientalischen Abteilung nahezu vernachlässigt werden.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Die in den Verlagen und Leihbüchereien beschlagnahmte Literatur ist bei den geschätzten 2.000 Werken noch nicht berücksichtigt. Diese Werke wurden in ein gesondertes „SekretiertenJournal“ eingetragen,82 das nicht überliefert ist. Die Preußische Staatsbibliothek verheimlichte die Zugänge von NS-Raubgut keineswegs, und zwar ebensowenig die der namhaften Bibliotheken – der Bibliothek der SPD, des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main und der Potsdamer Loge „Teutonia zur Weisheit“ – wie die Einlieferung kleiner Büchersammlungen durch die Polizeibehörden in der Provinz. Im Jahresbericht 1935 heißt es lapidar: „Auf Grund des Runderlasses des Herrn Preußischen Finanzministers vom 27. März 1934 ging in größerem Umfang durch Regierungs-, Kreis- und Gemeindebehörden beschlagnahmte Literatur ein, aus der die in der Staatsbibliothek bisher nicht vorhandenen Stücke ausgewählt wurden.“83
3.1.5.2 Die Bücher und ihre Eigentümer Einige der eingesandten Listen enthalten Hinweise auf die verfolgten Eigentümer. Oft fehlen solche Hinweise, oder es wurde lediglich der Landkreis, aus dem die beschlagnahmten Bücher und Schriften stammten, angegeben. Mitunter machten die Behörden allgemeine, zum Teil diffamierende Aussagen zur Herkunft, wie „Nachweisung der eingezogenen Bücher staatsfeindlicher Organisationen und Einzelpersonen“84 oder „Verzeichnis über beschlagnahmte kommunistische Bücher und Hetzschriften“.85 Zahlreiche Listen belegen oder lassen vermuten, dass die Bücher und Schriften Eigentum der SPD oder der KPD waren. Der Großteil kam aus den Bibliotheken der SPD-Ortsgruppen in kleineren Gemeinden86, ein kleinerer Teil aus KPDBibliotheken87. Weiterhin wurden als institutionelle Eigentümer genannt: die Zentral-ArbeiterBibliothek in Brackwede88, der Arbeiter-Turn- und Sportverein in Cottbus89 und die Arbeiterwirtschaftsschule in Steinseifersdorf.90 Manchmal erwähnten die Behördenvertreter auf den Sammellisten auch die Namen und Funktionen einzelner Personen, denen die beschlagnahmten 82
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Aufgrund einer irrtümlichen Eintragung im Journal „Pflichtlieferung“ stellte die Mitarbeiterin der Erwerbungsabteilung Ruth Helwig klar, dass in Zukunft diese Werke außerdem „in die Pflichtlisten eingetragen werden sollen“, wenn es sich um Werke handelte, auf die die PSB das Pflichtexemplarrecht hatte. Handschriftliche Notiz [Helwigs], 16. 4. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62. JAHRESBERICHT, 1935, S. 28. Der Landrat von Melsungen an die PSB, 11. 8. 1934, SBB PK, Historische Akten, A 62, Regierungsbezirk Kassel. Der Amtsvorsteher des Bezirks Bötzow als Ortspolizeibehörde, [Unterschrift unleserlich], an die PSB, Neu-Bötzow, 26. 3. 1935. SBB PK, Historische Akten, A 62, Potsdam. Z. B. Himmelsthür im Regierungsbezirk Hildesheim; Buxtehude, Karlshöfen und Gnarrenburg im Regierungsbezirk Stade; Rod a. d. Weil im Regierungsbezirk Wiesbaden, Rotenburg a. F. im Regierungsbezirk Kassel; Merkstein und Würselen im Regierungsbezirk Aachen. SBB PK, Historische Akten, A 62. Z. B. Leichlingen im Regierungsbezirk Düsseldorf. SBB PK, Historische Akten, A 62. Amtsbürgermeister des Amtes Brackwede an die PSB, 25. 3. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Minden. SBB PK, Historische Akten, A 62, Frankfurt/Oder. Landrat des Kreises Reichenbach an die PSB, 12. 5. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Breslau.
Erwerbung beschlagnahmter Literatur
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Bücher und Schriften gehört hatten. Genannt wurden der Vorsitzende des Bergarbeiterverbandes in Langenbochum, Kurt Senkel91, Willi Wacker aus Mögelin, Paul Nita und der Schlosser Walter Franz aus Plaue im Westhavelland92, das SPD-Mitglied Wilhelm Schneider jr. aus dem Landkreis St. Goar93, der SPD-Funktionär Gast aus Gonzenheim und Hans Möhn aus Bad Homburg94 sowie Hermann de Lorenzis aus Naurod.95 Bei dem Maurer Emil Krause aus Bahn im Kreis Greifenhagen waren Bücher aus dem Besitz des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes beschlagnahmt worden.96 Dezidiert politische Schriften kamen eher aus den Bibliotheken der KPD als aus denen der SPD. Dennoch ließ sich auch aus den KPD-Bibliotheken kaum jene Graue Literatur, die bis dahin von der Preußischen Staatsbibliothek nicht hatte erworben werden können, gewinnen.97 In den Bibliotheken der SPD-Ortsgruppen überwog bei weitem die für die Partei-Mitglieder und ihre Familien vorrätig gehaltene Unterhaltungs- und Ratgeberliteratur, die keinesfalls verboten war. Die genauen Prüfungen Reinckes und seiner Kolleginnen und Kollegen ergaben freilich, dass in der Preußischen Staatsbibliothek hin und wieder einzelne Titel auch dieser Genres fehlten. So nutzte die Preußische Staatsbibliothek die Angebote der Ortspolizeibehörden und der Geheimen Staatspolizei vor allem, um mit der beschlagnahmten Literatur Lücken in den Beständen zu schließen.98 Aus den Listen wählten die Bibliothekarinnen und Bibliothekare 91
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Eine Meldung der Staatspolizeileitstelle in Münster vom 27. 9. 1934 bezog sich auf „210 Stück marxistische[n] Druckschriften“, die bei dem Bergmann Kurt Senkel, dem Vorsitzenden des Bergarbeiterverbandes, in Langenbochum beschlagnahmt worden waren. Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Münster, in Vertretung gez. Skiba, an den Regierungspräsidenten in Münster, Recklinghausen, 27. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Münster. Landrat des Westhavellandkreises an die PSB, Rathenow, i. V. [Unterschrift unleserlich] 2. 2. 1935. SBB PK, Historische Akten, A 62, Potsdam. Landrat St. Goar an die PSB, 9. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Koblenz. Der Regierungs-Präsident, i. A. gez. Völpel, an die PSB, Wiesbaden, 25. 4. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Wiesbaden. Reincke lehnte die Übernahme der angebotenen Bücher ab. Die PSB hatte an de Lorenzis’ Büchersammlung kein Interesse. In seinem Antwortschreiben vom 20. 9. 1935 empfahl Feldkamp, die Liste der Universitätsbibliothek Marburg anzubieten. F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden, 20. 9. 1935. SBB PK, Historische Akten, A 62, Wiesbaden. Bürgermeister Ritschl an die PSB, Bahn, 6. 7. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Stettin. In dem „Verzeichnis über kommunistische Bücher und Hetzschriften“ aus Bötzow im Regierungsbezirk Potsdam kreuzten die Bibliothekare die Titel „Aufbau in der Sowjetunion, Verlag des Bundes der Freunde der Sowjetunion, Berlin SW 68, Zimmerstr. 77“, „Die Wahrheit über ‚Religionsverfolgungen‘ in der Sowjetunion“, „Im Lande der Roten Fahne, Verlag ‚Die Einheit‘, Berlin S 14, Alexandrinenstr. 62“, „ABC der Org-Arbeit von A. Bewer“, „40 Jahre Weltkampftag“, „10 Jahre K.P.D., Trotz alledem“ an. Der Amtsvorsteher des Bezirks Bötzow als Ortspolizeibehörde, [Unterschrift unleserlich], an die PSB, Neu-Bötzow, 26. 3. 1935. SBB PK, Historische Akten, 62, Potsdam. Auf dem beiliegenden Verzeichnis die handschriftliche Notiz, dass die Schriften unter „Akz. Nr. P 1935.1982-87“ als Pflichtexemplare akzessioniert wurden. So strichen die Bibliothekare in der 44 Titel umfassenden Liste über eine „sozialdemokratische Bibliothek“ aus Stolzenau an der Weser vier Titel an. Und zwar: „Kulturbilder wider die Pfaffenherrschaft von Emil Rosenow. Band 1 und 2“, „Der Wobbly von B. Traven“, „Der denkende Planet. Roman von Franz Matowitz“ und „Handbuch für sozialdemokratische Ortsvereine“. Verzeichnis der Bücher aus einer sozialdemokratischen Bibliothek aus Stolzenau, lagernd bei der Gendarmerieabteilung Stolzenau a/Weser. SBB PK, Historische Akten, A 62, Hannover. Auf dem Verzeichnis vermerkt: „Akz. Nr. P 1935.1291.92“
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Titel aus, die ihnen in den zurückliegenden Dekaden aus unterschiedlichen Gründen entgangen waren. Sei es, dass versäumt worden war, Pflichtexemplare anzumahnen, sei es, dass die Titel der Bibliothek bislang als zu unbedeutend und abseitig und damit nicht wert erschienen waren, um in die Bestände der Preußischen Staatsbibliothek aufgenommen zu werden, sei es, dass die Ankaufsmittel nicht ausgereicht hatten. Nun bot sich die Gelegenheit zu ergänzenden Erwerbungen, die noch dazu unentgeltlich waren. Außer der Literatur, die bei den politischen Parteien und ihren Funktionären sowie bei dem von der SPD dominierten „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ beschlagnahmt worden war, erhielt die Preußische Staatsbibliothek auch Literatur aus dem beschlagnahmten Vermögen religiöser und anderer von den Nationalsozialisten verbotener und aufgelöster Vereinigungen. Dazu zählten die Mazdaznan-Bewegung99, die Anthroposophische Gesellschaft, ein Katholischer Jungmänner-Verein, die Internationalen Bibelforscher, verschiedene freireligiöse Gemeinden100, der Verband für Freidenkertum und Feuerbestattung e. V.101, der Bund NeuDeutschland102 und der Bund der Guoten.103 Solche Schriften gingen besonders zahlreich aus dem Regierungsbezirk Liegnitz ein. Im Sommer 1936 bot das dortige Regierungspräsidium sowohl beschlagnahmte Bücher der Ortsgruppe der Mazdaznan-Bewegung104 als auch der Anthroposophischen Gesellschaft in Gör-
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und „erl. Re 11/3 1935“. Aus der 55 Titel umfassenden Bibliothek der Ortsgruppe der SPD in Merkstein forderten sie drei Titel an: „Johann Fersch: Mutter, ein Frauenschicksal; M. Wagner: Berge und Menschen; Dr. Walter Schoenichen: An der Wiege des Lebens“. Schriftwechsel zu Merkstein. SBB PK, Historische Akten, A 62, Aachen. Hauptsächlich auf dem Zoroastrismus basierende moderne religiöse Lehre. Der Mazdaznan-Bund wurde 1935 verboten. Z. B. 15 Akzessionsnummern im Akzessionsjournal „Akz. Deutsch Dona“, die sich auf die Überstellung aus der Bibliothek einer freireligiösen Gemeinde in Wiesbaden beziehen. Der Regierungs-Präsident, i. A. gez. Völpel, an die PSB, 15. 6. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Wiesbaden. Als Anlage ein Schreiben des Polizeipräsidenten Wiesbaden, gez. [Adolf Freiherr] von Gablenz, an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden, 3. 6. 1936. Betrifft: Verwertung des Vermögens der freireligiösen Gemeinde in Wiesbaden. Da die Bücher verpackt und verschickt werden mussten, forderte der Polizeipräsident in Wiesbaden die PSB auf, die Transportkosten zu übernehmen. 1934 leitete das Regierungspräsidium Münster den Schriftwechsel über den Verband für Freidenkertum und Feuerbestattung e.V. in Holsterhausen an die PSB weiter. Der Landrat, i. V. [Unterschrift unleserlich] Regierungsassessor, an den Regierungspräsidenten in Münster, Recklinghausen, 8. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Münster. Bund Neudeutschland – katholische Jugendvereinigung, 1939 von der Geheimen Staatspolizei aufgelöst. Anhänger der Ariosophie, einer okkultistisch-rassistischen, dem Nationalsozialismus nahestehenden Lehre. Der Regierungspräsident, i. A. gez. [Ludwig?] Adenauer, an die PSB, Liegnitz, 16. 7. 1936. Der Regierungspräsident, i. A. gez. Adenauer, an die PSB, Liegnitz, 25. 7. 1936. A 62, Liegnitz. Reincke wählte aus der nicht erhaltenen Liste der Mazdaznan-Bewegung die Nummern 2–5 aus. Sie wurden als Geschenk akzessioniert – D 1936.1899. Einen Titel überwies die Erwerbungsabteilung an die Musikabteilung der PSB. F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten in Liegnitz, 31. 7. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Die PSB bat um Überweisung der „unter Nr. 16 aufgeführten ‚102 verschiedenen Bücher der anthroposophischen Lehre‘“. Die Schriften wurden als Pflichtexemplare mit der Akzessionsnummer P 1938.2645 ff. und zwei von ihnen mit den Akzessionsnummern ZD 1936.828 und 829 in den Bestand der Zeitschriften eingereiht. Im Nachtrag zur Übersendung der Schriften ersuchte die Ortspolizeibehörde
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litz105 und der Anthroposophischen Gesellschaft in Liegnitz106 an, zu Beginn des Jahres 1938 des Neu-Deutschland-Bundes in Glogau.107 Etwa zur gleichen Zeit meldete es auch die Bücherbestände der Ortsgruppen des Bundes in Görlitz,108 in Muskau im Kreis Rothenburg/Oberlausitz109 und in Warmbrunn bei Hirschberg.110 Im April 1938 musste sich die logenähnliche jüdische Vereinigung „B’nai B’rith“ selbst auflösen.111 Bereits am 11. April 1938 übersandte das Regierungspräsidium Liegnitz eine Aufstellung über die 164 im „Haus Giersdorf“, einem „Erholungsheim der Breslauer Logen des ‚Unabhängigen Ordens Bne Briss‘ in Krummhübel“, beschlagnahmten Bücher,112 die der Amtsvorsteher von Krummhübel sämtlich am 30. Mai 1938 der Preußischen Staatsbibliothek überstellte.113 Die Orientalische Abteilung der Preußischen Staatsbibliothek akzessionierte 232 Gebetbücher.114 Unter den Nummern der „Nachweisung“ aus Krummhübel waren mitunter mehrere Exemplare aufgeführt worden. Bereits einige Wochen nach dem Inkrafttreten des Erlasses vom 27. Mai 1934 erhielt die Preußische Staatsbibliothek Aufstellungen über bei Verlagen und in Leihbibliotheken massenhaft beschlagnahmte Werke. Am 2. August 1934 teilte das Berliner Polizeipräsidium mit, „daß am 9. 6. 34 bezw. 17. 7. 34 folgende größere Anzahl von staatsfeindlichen Büchern beschlagnahmt wurden“. Aufgeführt wurden „Der rote Napoleon“ von Floyd Gibbons, „Adolf Hitler –
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in Görlitz um Erstattung der Portokosten in Höhe von 1,60 RM. Die Ortpolizeibehörde in Görlitz, [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 17. 8. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Vgl. auch Akzessionsjournal Akz. Deutsch [=Kauf], wo der Betrag von 1,60 RM als „Porto für 102 beschlagnahmte Bücher der anthroposophischen Lehre“ verzeichnet ist. Auf dem Schreiben sind sieben Dona-Akzessionsnummern vermerkt, die in dem Journal als Eintrag unter Regierungsbücherei Liegnitz erscheinen. D 1936.1954-1960. Der Regierungspräsident, i. A. gez. Adenauer, an die PSB, Liegnitz, 4. 11. 1936. F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten in Liegnitz, 16. 11. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Der Regierungspräsident, i. A. gez. Balluseck, an die PSB, Liegnitz, 13. 1. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Reincke prüfte die Liste und bestimmte die gewünschten Titel. Schließlich wurden 12 Titel angefordert. Der Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde, i. A. [Unterschrift unleserlich] Stadtobersekretär, an die PSB, Glogau, 3. 2. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Der Regierungspräsident, i. A. von Balluseck, an die PSB, Liegnitz, 24. 2. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Der Regierungspräsident, i. A. gez. Sommer, an die PSB, Liegnitz, 23. 3. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten in Liegnitz, 1. 4. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Übersandt wurden drei Hefte der „Burgwacht“, von denen zwei als Pflichtexemplare akzessioniert wurden und eines zu den Dubletten gegeben wurde. Der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde, [Unterschrift unleserlich], an die PSB, Muskau, 20. 4. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Zu dem logenähnlichen Charakter des Ordens vgl. NEUBERGER, Winkelmaß, 45, 265, Anm. 17. Im August 1935 verfügte der RMI die zwangsweise Auflösung aller Logen, die sich bis dahin noch nicht selbst aufgelöst hatten, sowie die Einziehung ihres Vermögens. „Lediglich der jüdische B’nai-B’rith Orden blieb davon vorläufig ausgenommen.“ Am 20. 4. 1938 mussten auch alle Logen des „Unabhängigen Ordens B’nai B’rith“ aufgelöst werden. Der Regierungspräsident, i. A. gez. Dr. von Balluseck, an die PSB, Liegnitz, 11. 4. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Der Amtsvorsteher als Ortspolizeibehörde [Unterschrift unleserlich], an die PSB, Krummhübel, 30. 5. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Vgl. Akzessionsjournal der Orientalischen Abteilung.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Wilhelm der Dritte“ von Weigand von Miltenburg, „Kommt das Dritte Reich?“ von Walter Oehme und Kurt Caro und „Wie ich Moskau wiederfand“ von A. Goldschmidt.115 Die vier Titel waren in Dutzenden von Exemplaren vorhanden und stammten aus der BeschlagnahmeAktion gegen den Rowohlt-Verlag. Vom gleichen Tag, dem 2. August 1934, datiert ein weiteres Schreiben des Polizeipräsidiums Berlin, in dem ebenfalls vier Titel, jedoch ohne Angabe der Verfasser, aufgeführt sind, die in zahlreichen Exemplaren vorlagen.116 Ihre Herkunft identifizierten die Bibliothekare und Bibliothekarinnen als „Büchergilde Gutenberg & Buchmeisterverlag“. Am 8. Juli 1934 hatte der zuständige Sachbearbeiter im Berliner Polizeipräsidium dem Landesbeauftragten des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda die Beschlagnahme von 618 Exemplaren von „Das Totenschiff“ von B. Traven gemeldet. Nachdem der Erlass des Preußischen Finanzministeriums am 16. Juli 1934 dergestalt abgeändert worden war, dass das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda an der ‚Verwertung‘ beschlagnahmter Literatur nicht mehr beteiligt werden musste, bot er sie der Preußischen Staatsbibliothek an.117 Feldkamp antwortete am 12. September 1934 mit einem formalisierten Schreiben, dass der Preußischen Staatsbibliothek 32 Exemplare zur ‚Unterverteilung‘ an die wissenschaftlichen Bibliotheken „willkommen“ seien.118 Einige Tage später forderte er von den angebotenen 607 Exemplaren „Männer der Tat“ des Autors Frank Arnau ebenfalls 33 Exemplare an.119 Damit war die Zahl der Empfängerbibliotheken festgelegt. Die Zahl der gemeldeten Exemplare differierte stark.120 Wie es scheint, konzentrierte sich die Übernahme von beschlagnahmten Verlagsbeständen auf Berlin und auf das Jahr 1934.121 115
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Der Polizeipräsident, Staatspolizeistelle für den Landespolizeibezirk Berlin, i. A. gez. [Heinrich] Zilch, an die PSB, 2. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Berlin. EBD. Mit handschriftlichen Vermerken. Der Polizeipräsident, Staatspolizeistelle für den Landespolizeibezirk Berlin, i. A. gez. [Albert?] Reinke, an die PSB, 28. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Berlin. F[eldkamp] an den Polizeipräsidenten von Berlin, 12. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Berlin. Der Polizeipräsident, Staatspolizeistelle für den Landespolizeibezirk Berlin, i. A. gez. Reinke, an die PSB; 14. 9. 1934. F[eldkamp] an den Polizeipräsidenten von Berlin (Staatspolizeistelle für den Landespolizeibezirk), 19. 9. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Berlin. So waren 2.500 Exemplare der Broschüre „Der Zwang“ von Stefan Zweig vorhanden. Der Polizeipräsident in Berlin, Staatspolizeistelle für den Landespolizeibezirk Berlin, i. A. gez. Reinke, an die PSB, o. D. Eingangsstempel 24. 9. 1934. Einige im Kiepenheuer Verlag erschienene Werke lagen dagegen nur in einem oder zwei Exemplaren vor, wie z. B. „Vasantasena“ von Lion Feuchtwanger bzw. „Erfolg“, II. Band, von Lion Feuchtwanger. Der Polizeipräsident, Staatspolizeistelle für Landespolizeibezirk Berlin, i. A. gez. Reinke, an die PSB, 18. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Berlin. In dem Aktenkonvolut A 62 fehlen Schreiben des Polizeipräsidiums Berlin für die Jahre nach 1934. Es ist zu vermuten, dass Feldkamp bzw. Schnütgen die Bearbeitung der ,unterzuverteilenden‘ Literatur in die Hände der Mitarbeiterin der Vorakzession Margarete Pott gaben. „Die Begleitschreiben des Polizeipräsidenten bewahrt die Vor-Accession (Frl. Pott) auf, in die Bände wird eingeschrieben: Mit Bleistift: ‚Vom Polizeipräsidenten Berlin, beschlagnahmt und überwiesen!‘ […]“ Handschriftliche Notiz [Ruth Helwigs], 16. 4. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62. 1935 erhielt die PSB ein Angebot des Polizeipräsidiums Berlin über „37 Kisten mit Büchern und Bänden der Vossischen Zeitung, 612 lose Bände versch. Zeitschriften (hauptsächlich Vossische Zeitung)“. Sie befanden sich „in der Wirtschaftsstelle Ost, Kaserne Zeughofstr.“ Der Polizeipräsident in Berlin, i. A. gez. Will, an die PSB, 17. 6. 1936. SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 229.
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Dennoch gingen vereinzelt auch Angebote aus den Regierungsbezirken der preußischen Provinz ein. Am 20. Mai 1937 listete eine nicht näher bezeichnete Amtsstelle im Regierungsbezirk Potsdam 22 Titel auf.122 Die meisten von ihnen waren in 33 Exemplaren vorhanden, was darauf schließen lässt, dass zuvor schon Absprachen mit der Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek stattgefunden hatten. Das Aktenkonvolut Regierungsbezirk Liegnitz enthält eine vom Dezember 1938 datierende Liste mit 22 Titeln, die ebenfalls in mehreren Exemplaren vorlagen.123 Dass solche massenhaft angebotenen Titel aus beschlagnahmten Leihbibliotheken stammten, lässt sich indes kaum nachweisen. „300 gebrauchte Bücher“ – sämtlich Werke Upton Sinclairs –, die das Polizeipräsidium Berlin der Preußischen Staatsbibliothek am 24. Oktober 1934 anbot, waren jedoch sicher nicht bei einem Verlag beschlagnahmt worden. Durch eine Verfügung des Geheimen Staatspolizeiamts vom 9. Juli 1934 waren die in deutscher Sprache erschienenen Werke Sinclairs „für den Bereich des Landes Preußen verboten worden.“124 Feldkamp forderte wie üblich 33 Exemplare an und sicherte deren Sekretierung zu.125 Für eine gezielte und effiziente Bestandsvermehrung war der Wert der ,Unterverteilung‘ zweifelhaft. Vermutlich war es Feldkamp selbst, der im Sommer 1938 bei den Empfängerbibliotheken anfragte, ob die Sendungen weiterhin erwünscht seien. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. Der Leiter der Akzessions-Abteilung der Bayerischen Staatsbibliothek, Otto Handwerker126, bedankte sich: „Da fast jedes Paket wenigstens einige Werke bringt, die bei uns noch nicht vertreten sind, wären wir für die Fortsetzung der Sendungen recht dankbar.“127 Der Direktor der Universitätsbibliothek Graz, Franz Gosch, verwahrte sich dagegen, mit unverlangten Zusendungen überschüttet zu werden, weil es wegen Raum- und Personalmangels nicht möglich sei, die Sendungen zu bearbeiten.128
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Ein handschriftlicher Vermerk auf dem Schreiben besagt, dass sie „an die Bibl. abgeschickt August 1938“ wurden. „Verzeichnis der an die Preussische Staatsbibliothek Berlin am 20. Mai 1937 abgegebenen Druckschriften“. SBB PK, Historische Akten, A 62, Potsdam. Unter den Schriften waren: Kasimir Edschmid, „Die sechs Mündungen“; Hellmuth von Schweinitz, „Geschichte im Raum“; Claire Goll, „Eine Deutsche“ in Paris; Iwan Goll, „Die Eurokokke“; Otto Dibelius-Niemöller, „Wir rufen Deutschland zu Gott“; Otto Martin Hoffmann, „Lenin“; Dr. F. Everling, „Der Kaiser. Wie er war – wie er ist“; Mascha Kaleko, „Das lyrische Stenogrammheft“; Otto Pankok, „Die Passion“ und „S. A. Sturmliederbuch“. „Liste der beschlagnahmten Druckschriften.“ SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Die Liste umfasste u. a. „Arbeiterinnen erzählen. Berlin 1935“, „Becker, Fünf Millionen Deutsche übersiedeln nach den afrikanischen Kolonien. Berlin 1936“, „Bloem, Brüderlichkeit. Leipzig 1922“, „Daudistel, Eine schön missglückte Weltreise. Berlin 1926“, „Ehrenstein, Schi-King. (Leipzig 1922)“, „Gorki, Drei Menschen. Berlin 1926“, „Wassermann, Caspar Hauser. Berlin 1924.“ Der Polizeipräsident, Staatspolizeistelle und den Landespolizeibezirk Berlin, i. A. gez. Reinke, an die PSB, 24. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Berlin. F[eldkamp] an den Polizeipräsidenten von Berlin, 22. 11. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Berlin. Vgl. HABERMANN, Lexikon 1985, 108 f. Bayerische Staatsbibliothek, Akzessions-Abteilung, Handwerker, an die PSB, 26. 8. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62, Berlin. Direktion der Universitätsbibliothek Graz, [Franz] Gosch, an die Generaldirektion der PSB, 25. 8. 1938. SBB PK, Historische Akten, IV.4, Bd. 3, 249.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Die sogenannte ‚Unterverteilung‘ von in Preußen beschlagnahmten Büchern und Schriften lief Ende der dreißiger Jahre aus. Als im Frühjahr 1939 absehbar war, dass Feldkamp wegen seiner Krankheit für längere Zeit ausfallen würde,129 entledigte sich Reincke, wie es scheint, der restlichen angehäuften Bücher, indem er sie sämtlich auflistete und an die vorgesehenen Adressaten absandte.130
3.1.5.3 Die Berücksichtigung anderer Interessenten und die Vernichtung des der Preußischen Staatsbibliothek ,zustehenden‘ Raubguts durch die beschlagnahmenden Behörden Verglichen mit den Tausenden in Zentnern, Tonnen, LKW- oder Waggonladungen gemessenen Büchern und Schriften wurde der Preußischen Staatsbibliothek nur ein relativ kleiner Teil der seit den ersten Monaten des Jahres 1933 beschlagnahmten Literatur angeboten, von der die Bibliothekare und Bibliothekarinnen einen noch viel kleineren Teil auswählten. Oft waren es Reste vernichteter Büchersammlungen, aus denen sich überdies häufig bereits andere Interessenten bedient hatten. So erläuterte der Vertreter der Ortspolizeibehörde in Stralsund, die Anfang Juni 1934 der Preußischen Staatsbibliothek ein 41 Titel umfassendes „Verzeichnis der bei der O. P. B. Stralsund sichergestellten Broschüren und Druckschriften der K. P. D. und S. P. D.“ zugesandt hatte, dass die „beschlagnahmten Zeitschriften, wie A. J. Z. [Arbeiter-Illustrierte-Zeitung], Die Wahrheit, Handzettel, Wahlplakate […] bereits durch Verbrennung vernichtet“ worden waren.131 Die Polizeibehörden mussten sich zwischen einander widersprechenden Anweisungen entscheiden. Gemäß der Verordnung des Reichspräsidenten vom 4. Februar 1933 waren sie angehalten, die im eigentlichen Sinne politische Literatur zu vernichten. Dem entgegen standen die Gesetze, nach denen das Eigentum der KPD, der SPD und anderer verbotener Organisationen als Vermögen zu betrachten war, das zugunsten des Staates verwertet werden sollte. Ob sie als marxistisch klassifizierte Titel an die Preußische Staatsbibliothek abgaben, stand also im
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Feldkamp war in den Frühjahrsmonaten längere Zeit krank; er starb am 29. 7. 1939. Vgl. SBB PK, Historische Akten, I.9-194. SBB PK, Historische Akten, A 62, Berlin. Wie ein „Verzeichnis der an die Preussische Staatsbibliothek in Berlin am 21. X. 1936 abgegebenen Druckschriften“ zeigt, bearbeitete er die schon mehrere Jahre in der Bibliothek aufbewahrten Bücher. Die 930 Exemplare dieser 29 Titel umfassenden Aufstellung wurden – der handschriftliche Vermerk stammte von Reincke – „abgeschickt Mai 1939“. Der Oberbürgermeister von Stralsund – als Ortspolizeibehörde – sandte einen Bericht vom 27. 4. 1934 an das Regierungspräsidium in Stettin, das daraufhin die Behörde in Stralsund ersuchte, die Angelegenheit selbst zu erledigen. Am 1. 6. 1934 sandte Krim. Assistent Schröder von der Stralsunder Ortspolizeibehörde die Liste an die PSB. SBB PK, Historische Akten, A 62, Stettin. Das Verzeichnis enthielt in Preußen erschienene politische Schriften, von denen die PSB 21 Titel als Pflichtexemplare akzessionierte. „Den Rest“, bat Feldkamp, „der Universitätsbibliothek Greifswald anzubieten.“ F[eldkamp] an den Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde Stralsund, 10. 7. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Stettin.
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Ermessen einzelner Behördenvertreter und hing von dem Zeitpunkt, zu dem sie über die entsprechenden Regelungen in Kenntnis gesetzt wurden, oder schlicht von Zufällen ab.132 Der Vernichtungseifer richtete sich nicht nur gegen marxistische Literatur, sondern auch gegen die Schriften anderer verfolgter Organisationen. Am 17. August 1934 antwortete die Staatspolizeistelle in Recklinghausen auf eine zuvor ergangene Anfrage aus dem Regierungspräsidium Münster nach beschlagnahmter Literatur, dass im „hiesigen Bezirk […] nur 88 Bücher beschlagnahmt worden“ seien, die für die Abgabe an die Preußische Staatsbibliothek in Frage kämen. Davon gehörten einige „der Bibelforschervereinigung“ und mussten gemäß einem Erlass des Geheimen Staatspolizeiamts vom 5. Dezember 1933 – II E 2 244/151 – vernichtet werden.133 Die Staatspolizeistelle Recklinghausen befolgte die Anweisung und nahm die Bücher der Bibelforscher aus der Sendung heraus.134 Den Erlass des Preußischen Finanzministeriums betrachteten die Beamten demzufolge als nachrangig. Die stockende Bearbeitung der Listen in der Preußischen Staatsbibliothek führte mitunter dazu, dass die gewünschten Schriften über einen so langen Zeitraum nicht aufbewahrt, sondern vernichtet oder an andere Interessenten abgegeben wurden. Als eine Sendung der Geheimen Staatspolizei kleiner als erwartet ausfiel,135 klärte die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Münster die Beamten der Preußischen Staatsbibliothek auf: Die gewünschten Werke waren inzwischen an andere Behörden gegangen. „Auch sind verschiedene Werke versehentlich mit zur Einstampfung gelangt.“136 In ähnlicher Weise wurden für Bücher aus den Landkreisen Diez und Bad Homburg lokale Interessenten bevorzugt. In einer Sendung, die Ende April 1936 an die Preußische Staatsbibliothek ging, fehlte das Liederbuch „Mit uns zieht die neue Zeit“.137 Es war inzwischen dem Nassauischen Sängerbund „zu einer evtl. Verwertung überlassen worden.“138 132
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Der Amtsvorsteher von Großbesten im Regierungsbezirk Potsdam erwähnte in seinem Begleitschreiben, dass ein Werk, das in der Liste aufgeführt war – „Wider die Pfaffenherrschaft“ von E. Rosenow – „versehentlich bei der Vernichtung marxistischer Schriften mit vernichtet“ worden war. Der Amtsvorsteher als Ortspolizeibehörde, [Unterschrift unleserlich], an die PSB, Großbesten, 23. 7. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Potsdam. Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Münster, gez. [Günther] Graf [von] Stosch, an den Regierungspräsidenten in Münster, Recklinghausen, 17. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Münster. Zumindest eine der Listen, in der die beschlagnahmten Schriften der Zahl, aber nicht nach Verfasser, Titel usw. aufgeführt sind, ist in den Unterlagen des Regierungsbezirks Münster erhalten. Die Beschlagnahme erstreckte sich auf den Kreis Bottrop. Außer den besonders beargwöhnten Bibelforschern – die Namen dreier Bibelforscher aus Bottrop sind in der Liste gestrichen – waren die KPD und die SPD Eigentümer der eingezogenen Literatur. Reg. Bez.: Münster. Anlage A / Kreis Bottrop / Ortspolizeibehörde Bottrop. Nachweisung über beschlagnahmtes Vermögen staatsfeindlicher Organisationen und Einzelpersonen. Und: Verzeichnis der im März 1933 bei der K. P. D. beschlagnahmten Bücher. SBB PK, Historische Akten, A 62, Münster. Der k. Landrat, [Unterschrift unleserlich], an den Regierungspräsidenten in Münster, Lüdinghausen, 9. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Münster. F[eldkamp] an den k. Landrat Lüdinghausen, 25. 10. 1935. SBB PK, Historische Akten, A 62, Münster. Die Verzögerung betrug mehr als ein Jahr. Preußische Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Münster i. W., i. V. gez. Schelle, an die PSB, 3. 3. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Münster. Der Regierungs-Präsident, i. A. gez. Völpel, an die PSB, Wiesbaden, 25. 4. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Wiesbaden. Die PSB hatte am 21. 12. 1935 die Liste mit Anstreichungen geschickt.
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Die Bibliotheken der Gewerkschaften waren von dem Erlass des Preußischen Finanzministeriums von 27. März 1934 von Anfang an ausgenommen. Nach der Auflösung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes ging das gesamte Gewerkschaftsvermögen auf die am 10. Mai 1933 gegründete Deutsche Arbeitsfront über. Die Regelung wurde aber nicht immer streng befolgt. So beabsichtigte das Regierungspräsidium Münster, neben den in Recklinghausen und in den Landkreisen Beckum, Lüdinghausen und Recklinghausen eingezogenen Büchern und Broschüren aus dem Eigentum der KPD und der SPD der Preußischen Staatsbibliothek auch Schriften aus Gewerkschaftseigentum zukommen zu lassen. Die Deutsche Arbeitsfront beharrte allerdings auf ihrem Anspruch. Der zuständige Beamte musste die Beschlagnahmen durch die Ortspolizeibehörden aufheben und „die Bücher usw.“ dem örtlichen Beauftragten der Deutschen Arbeitsfront übergeben.139 In einem anderen Fall ging eine Anordnung des Landrats in Pinneberg vom 13. Mai 1933 der Übernahme des Gewerkschaftsbesitzes durch die Deutsche Arbeitsfront um wenige Tage voraus, so dass die Preußische Staatsbibliothek bei der Verteilung berücksichtigt wurde. Sie erhielt eine Liste über 121 beim Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund in Wedel in Holstein beschlagnahmte Werke.140 Möglicherweise gelangte 1941 geraubte Literatur aus dem Eigentum der freien Gewerkschaften auch auf einem Umweg, nämlich als Geschenk des Arbeitswissenschaftlichen Instituts der Deutschen Arbeitsfront, in die Preußische Staatsbibliothek.141
3.2. Die Beziehungen der Preußischen Staatsbibliothek zur SS 3.2.1 Die Zurücksetzung der Ansprüche der Preußischen Staatsbibliothek hinter die der Zentralbibliothek des Sicherheitshauptamtes Im Januar 1936 bestellte Feldkamp zwei Titel aus einer Liste des Regierungspräsidiums der Grenzmark Posen-Westpreußen142 und empfahl, die übrigen der Universitätsbibliothek Königsberg anzubieten.143 Einige Tage später kam die Antwort aus Schneidemühl: Der zuständige 138
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Die Polizeiverwaltung Diez an der Lahn erscheint gleich zweimal für das Jahr 1936 mit Eintragungen im Donajournal der PSB, einmal mit 39 und einmal mit 27 Titeln. Wahrscheinlich ist die zweite Eintragung „Diez a. d. Lahn“ fälschlicherweise erfolgt, und es handelte sich um die Schriften aus Bad Homburg v. d. H., denn in den Akten findet sich an anderer Stelle eine zugehörige Liste, welche insgesamt 26 Titel umfasst. Der Landrat des Obertaunuskreises, i. V. [unleserlich], an die PSB, Bad Homburg v. d. H., 20. 3. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Wiesbaden. Der Regierungs-Präsident, i. A. gez. Hilgers, an die PSB, Münster i. W., 12. 10. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Münster. Der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde, [Unterschrift unleserlich], Wedel (Holst.), 23. 5. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Schleswig. In der Liste sind die eingezogenen Werke nach den Kategorien „Romane, Novellen, Erzählungen usw.“, „Wissenschaft“, „Allgemeines“ sowie solchen Büchern, „welche infolge ihres marxistischen Inhalts vollständig wertlos sind“, aufgeführt. Akzessionsjournal Akz. Deutsch Dona: 12 Akzessionsnummern. Der Regierungs-Präsident des Regierungsbezirks Grenzmark Posen-Westpreußen, i. V. gez. Kothe, an die PSB, Schneidemühl, 9. 1. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Schneidemühl. Die PSB hatte bereits
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Beamte, Dr. Mückley, hatte „die hiesige Staatspolizeistelle, bei der die Bücher aufbewahrt werden, ersucht, das Buch: Caro und Oehme: Schleichers Aufstieg“ an die Adresse der Preußischen Staatsbibliothek abzusenden. Über das zweite Buch „Karl May: Durch die Wüste“ war „bereits Abgabe an eine andere Bücherei verfügt worden“.144 Dass sich für Unterhaltungsliteratur schnell andere Interessenten fanden, verwundert nicht. Doch im Nachgang zu dem Schreiben vom 24. Januar 1936 teilte der Mitarbeiter Dr. Bertrams mit, „daß die hiesige Staatspolizeistelle nach einer […] Anordnung des Stellvertretenden Chefs der Preußischen Geheimen Staatspolizei die s. Zt. angebotenen Bücher nicht herausgeben“ dürfe, und er ergänzte: „Die Bücher sollen in einer wissenschaftlichen Zentralbibliothek beim Sicherheitshauptamt des Reichsführers SS in Berlin erfaßt werden.“145 Ein ganz ähnlicher Vorfall ereignete sich mit einer in Aussicht genommenen Büchersendung aus dem Regierungsbezirk Arnsberg. Am 20. Dezember 1935 schickte der Oberbürgermeister von Lüdenscheid als zuständige Ortspolizeibehörde 35 Bücher aus der beschlagnahmten Bücherei der freireligiösen Gemeinde Lüdenscheid an das Regierungspräsidium in Arnsberg, das sie an die Preußische Staatsbibliothek weiterleitete.146 Mit rot angestrichenen Bücherwünschen sandte Feldkamp am 20. Januar 1936 das Verzeichnis an den Regierungspräsidenten in Arnsberg zurück.147 Doch auch diese Bücher wurden der Preußischen Staatsbibliothek nicht überstellt. Zwei Monate später erging ein Bescheid aus dem Regierungspräsidium Arnsberg, in dem gleichfalls auf den Erlass des Geheimen Staatspolizeiamts in Berlin vom 22. Januar 1936 – II 2 J 27/35 – verwiesen wurde. Danach seien „die gesamten beschlagnahmten Bestände, Broschüren und sonstige Druckschriften, die nicht bei den Staatspolizeistellen und Politischen Polizeien der Länder lagern, oder sonst sich in beschlagnahmten und sichergestellten Bibliotheken befinden, einer eingehenden Sichtung und Prüfung zu unterziehen, inwieweit sie für die einzurichtende Bücherei in Frage kommen.“148 Seit Ende 1935 unterstand die gesamte Polizei dem Reichsführer SS Heinrich Himmler. Der Erlass des Geheimen Staatspolizeiamtes vom 22. Januar 1936 war Ausdruck der in Zusammen-
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1934 Bücher aus dem Regierungsbezirk Schneidemühl erhalten. Der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde, in Abschrift gez. Wende, an die PSB, Freystadt (Westpreußen), 24. 12. 1934. SBB PK, Historische Akten, A 62, Schneidemühl. Feldkamp an den Regierungspräsidenten in Schneidemühl, 20. 1. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Schneidemühl. Der Regierungs-Präsident des Regierungsbezirks Grenzmark Posen-Westpreußen, i. A. gez. Dr. Mückley, an die PSB, Schneidemühl, 24. 1. 1936 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, A 62, Schneidemühl. Der Regierungs-Präsident des Regierungsbezirks Grenzmark Posen-Westpreußen, i. A., gez. Dr. Bertrams, Schneidemühl, 9. 3. 1936. SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 245; Abschrift in: SBB PK, Historische Akten, A 62, Schneidemühl; Abschrift in: BArch R 4901/2663, Bl. 323. Der Ortsbürgermeister als Ortspolizeibehörde, i. V. [Unterschrift unleserlich], an den Regierungspräsidenten Arnsberg / an die PSB, 20. 12. 1935. II. Ausfertigung. SBB PK, Historische Akten, A 62, Arnsberg. Feldkamp an den Regierungspräsidenten in Arnsberg, 20. 1. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Arnsberg. „Den Rest“, so forderte er die Behörde auf, „entsprechend dem Erlass des Herrn Finanzministers der Universitätsbibliothek Münster anzubieten.“ Der Regierungs-Präsident, i. A. gez. Hansen, an die PSB (Abschrift), 12. 3. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Arnsberg. Das Schreiben ist in Abschrift sowohl in der Akte R 4901/2663 des BArch als auch im Original in den Akten der Generaldirektion der PSB erhalten.
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hang mit diesem Machtwechsel angemaßten Befugnisse des Sicherheitsdienstes der SS. Nachdem die abschlägigen Schreiben aus Schneidemühl und Arnsberg eingegangen waren, verständigte die Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek die Generaldirektion, um die Rechtslage zu klären.149 Am 6. April 1936 mahnte Krüß beim vorgesetzten Ministerium eine Richtlinie an, wie sich die Preußische Staatsbibliothek nunmehr zu verhalten habe. Sicher war ihm bekannt, dass das bislang in Besitz genommene Raubgut keineswegs den Erwartungen der Bibliothekare entsprach. Dennoch beharrte er darauf, dass sich aufgrund des Erlasses vom 27. März 1934 für die Preußische Staatsbibliothek „bisher ein nicht zu unterschätzender Zuwachs an politischem Schrifttum“ ergeben habe, „das wegen seines teilweise unterirdischen Charakters den Weg in die Bibliotheken nicht gefunden hätte.“150 Die Angelegenheit war brisant genug, um auf Staatssekretärsebene behandelt zu werden.151 Auf Anfrage des Reichs- und Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung stellte sich heraus, dass die Beamten des Preußischen Finanzministeriums über die Einschränkung ihres Erlasses durch den Reichsführer SS gar nicht informiert waren. Sie mussten sich zunächst selbst beim Geheimen Staatspolizeiamt erkundigen.152 Da sie einer Auseinandersetzung aber offenkundig aus dem Wege gehen wollten, sollte wenigstens der „nicht [Hervorhebung C. B.] für die Zentralbücherei beim Sicherheitshauptamt des Reichsführers SS geeignete Teil des eingezogenen Schrifttums nach Maßgabe“ des Erlasses vom 27. März 1934 behandelt werden. Dem Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung stellten sie indes frei, sich wegen der beschlagnahmten Buchbestände selbst mit dem Geheimen Staatspolizeiamt ins Benehmen zu setzen.153 Fortan schmälerte der Anspruch des Reichsführers SS auf die von den Polizeibehörden beschlagnahmte ‚Gegnerliteratur‘ die älteren, auf dem Erlass des Preußischen Finanzministeriums fußenden Rechte der Preußischen Staatsbibliothek als Empfängerbibliothek für die in Preußen eingezogenen Schriften verfolgter Organisationen und politischer Oppositioneller,154
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Feldkamp machte Krüß darauf aufmerksam, dass der Erlass Himmlers „mit dem in gleicher Angelegenheit ergangenen Erlass des Preuss. Finanzministers vom 27. 3. 1934 – II G 1500/120 – offenbar nicht in Einklang steht.“ Feldkamp an den GD, 23. 3. 1936, von Sch[nütgen] am 26. 3. abgezeichnet. SBB PK, Historische Akten, A 62. PSB, Krüß, an den Minister, 6. 4. 1936 (Entwurf, von F[eldkamp] abgezeichnet), abgesandt 9. 4. 1936. SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 243. Vgl. auch BArch R 4901/2663, Bl. 322. RuPMWEV, i. V. Zschintzsch, an den PFM, 3. 4. 1936. BArch R 4901/2663, Bl. 324. Bei dem Streit zwischen dem Preußischen Geheimen Staatsarchiv und der PSB um die Bibliothek der SPD hatte das PFM ebenfalls nicht auf der Umsetzung seiner Anweisungen bestanden. PFM, i. A. Dr. Meyer, an den RuPMWEV, 30. 4. 1936. BArch R 4901/2663, Bl. 325; Abschrift in: SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15, 289. So kündigte der Sachbearbeiter Hampel vom Regierungspräsidium Marienwerder kurze Zeit später, im Juni 1936, an, dass er seine Zusicherung vom 9. 5. 1936, die beschlagnahmten und eingezogenen Bücher der Ortsgruppe Elbing des „aufgelösten Touristenvereins ‚Naturfreunde‘“ an die PSB abzugeben, nicht einhalten könne. Die Bücher würden „auf Anordnung der Preußischen Geheimen Staatspolizei am 1. 7. 36 an die Reichszentralbücherei des Reichsführers SS abgegeben“. Der Regierungspräsident, i. A. gez. Hampel, an die PSB, Marienwerder, 24. 6. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62, Allenstein/Marienwerder.
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hob sie jedoch nicht völlig auf. Zumeist aber folgten wohl Krüß und die leitenden Bibliothekare von nun an der Empfehlung des Preußischen Finanzministeriums und arrangierten sich mit dem Sicherheitsdienst der SS und der Geheimen Staatspolizei. Möglicherweise lag es an der Entschlossenheit eines einzelnen Beamten, dass das Preußische Finanzministerium seine zuvor so nachgiebige Haltung gegenüber dem Machtbereich des Reichsführers SS 1940 noch einmal kurzzeitig änderte. Dieser Beamte – [Lothar ?] Scheche – versuchte, den nach dem Erlass vom 27. März 1934 bestehenden Anspruch der Preußischen Staatsbibliothek auf einige größere Bibliotheken gegen die Interessen des Sicherheitsdienstes der SS durchzusetzen. Bereits 1934 war die zugunsten des Preußischen Staates eingezogene Bibliothek des Volksvereins für das katholische Deutschland mit Sitz in Mönchen-Gladbach155 an die Stadt Mönchen-Gladbach verkauft worden, um eine finanzielle Forderung an den Verein zu begleichen. 1940 erhob der Sicherheitsdienst der SS Anspruch auf die Bibliothek. Sie sollte in die Zentralbibliothek des Reichssicherheitshauptamtes eingegliedert werden. Das Preußische Finanzministerium forderte er auf, sie ihm für diesen Zweck zuzusprechen. Scheche bot die Bibliothek jedoch der Preußischen Staatsbibliothek an, weil er davon ausging, dass eine in Preußen beschlagnahmte Bibliothek dieser vorrangig zustünde.156 Nach Feldkamps Tod im Sommer 1939 nahm sich Schnütgen als Leiter der Erwerbungsabteilung der Vorgänge um beschlagnahmte Literatur an. Während Feldkamp alle nur irgendwie greifbaren, bislang nicht vorhandenen Bücher und Schriften erwarb, wog Schnütgen ab, ob der mit der Übernahme verbundene Arbeitsaufwand vertretbar war. Das Angebot der Bibliothek des Volksvereins für das katholische Deutschland lehnte er ab, mit der Begründung, dass die Preußische Staatsbibliothek die Bücher „in ihrer überwältigenden Mehrheit“ bereits besaß.157 Auch die im Dezember 1939 auf der Grundlage einer Verfügung des Regierungspräsidiums in Düsseldorf eingezogene Bibliothek des Zentralverbandes der katholischen Jungfrauenvereinigungen und des Verbandsverlages weiblicher Vereine G.m.b.H. in Düsseldorf konnte Scheche nicht, wie beabsichtigt, an die Preußische Staatsbibliothek vermitteln. Jedoch nicht, weil die Anspruchsberechtigten den Aufwand scheuten, sondern weil die Sicherheitspolizei die Bibliothek bereits vernichtet hatte. Im Frühjahr 1940 ordnete er an, dass der Katalog an die Preußische Staatsbibliothek übersandt werde.158 Als Becker nach einem Vierteljahr die Über155
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Nach Schnütgens Angabe betrugen die Bestände „der Zentralstelle des Volksvereins für das Katholische Deutschland […] am 1. Juni 1932 83 000 Bände. Die Bibliothek umfasste einen sozialen und einen apologetischen Teil.“ PSB, Krüß, an den PFM, 29. 8. 1940 [von Krüß’ Hand ausgestrichen und in 6. 9. geändert], (Entwurf), abgesandt am 9. 9. 1940. Mit Änderungen von Krüß und Schnütgen. SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 247. PFM, i. A. gez. Dr. Scheche, an den GD der PSB, 21. 8. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 245. PSB, Krüß, an den PFM, 29. 8. 1940 [von Krüß’ Hand ausgestrichen und in 6. 9. geändert], (Entwurf), abgesandt am 9. 9. 1940. Mit Änderungen von Krüß und Schnütgen. SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 247. PFM, i. V. gez. Dr. [Lothar?] Scheche, an den Regierungspräsidenten in Düsseldorf und (im Durchdruck) an den GD der PSB, 20. 8. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 332.
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sendung der Kartei anmahnte,159 stellte sich heraus, dass sie nur noch lückenhaft vorhanden war.160 Überdies waren zwei Drittel der Bibliothek bereits eingestampft worden.161 Der Inspekteur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS in Düsseldorf behauptete, dass keine Bücher von Interesse mehr vorhanden seien.162 Aufgrund dieser Aussage sprach sich der Vizepräsident des Regierungspräsidiums in Düsseldorf, Otto Kämmerer, dafür aus, die Angelegenheit beizulegen, zumal die Preußische Staatsbibliothek ohnehin „kaum Bücher aus eingezogenen Büchereien entnehmen“ würde.163 Hatte die Erwerbungsabteilung auch kein Interesse an den Bibliotheken der genannten religiösen Vereine und Verbände, so bedeutete Schnütgens Ablehnung doch keinesfalls, dass die Preußische Staatsbibliothek bei der Vermehrung ihrer Bestände auf beschlagnahmte Literatur verzichtete. Anhand der akzessionierten Literatur wird deutlich, dass die Überstellungen durch Polizeibehörden in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre, als parteiamtliche Stellen, wie der Sicherheitsdienst der SS, den überkommenen staatlichen Institutionen de facto die Verfügungsgewalt über beschlagnahmte Literatur entwanden, keineswegs aufhörten.164 Einige in den Akten enthaltene Vorgänge zeigen überdies, dass Krüß mit der Erwerbungsstrategie der Preußischen Staatsbibliothek den Veränderungen im Machtgefüge Rechnung trug. Mit dem Rückhalt des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ging er in den vierziger Jahren dazu über, beschlagnahmte Literatur direkt von den beschlagnahmenden Stellen anzufordern. Im Juli 1941 setzte Rudolf Buttmann, der Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek, das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung davon in Kenntnis, dass nunmehr auch die Klosterbibliotheken in Bayern – wie zuvor in Österreich – in Gefahr waren, ihre wertvollen Bestände durch die Beschlagnahmeaktionen der politischen Polizei zu verlieren. Buttmann fürchtete, „daß durch unsachgemäße Behandlung oder Verschleuderung ein Teil dieses wichtigen und wertvollen Kulturgutes – vor allem an Handschriften – verloren geht, beschädigt oder eingestampft wird“. Um Zerstörungen zu verhindern, schlug er vor, den Poli159
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Nach mehr als einem Vierteljahr sandte Becker, den Scheche über die Angelegenheit informiert hatte, eine Mahnung wegen des immer noch nicht übersandten Bücherverzeichnisses an den Regierungspräsidenten in Düsseldorf. PSB, i. V. B[ecker], an den Regierungspräsidenten in Düsseldorf, 3. 12. 1940 (abgesandt am 4. 12. 1940). SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 332 c. Der Inspecteur der Sicherheitspolizei und des SD, i. A. gez. Unterschrift, SS-Sturmbannführer und Regierungsrat, an den Regierungspräsidenten, z. Hd. des Regierungsvizepräsidenten Dr. Kämmerer, Düsseldorf, 5. 11. 1940 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 332 b. PFM, i. V. gez. Dr. Scheche, an den Regierungspräsidenten in Düsseldorf und (im Durchdruck) an den GD der PSB, 20. 8. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 332. Der Inspecteur der Sicherheitspolizei und des SD, i. A. gez. Unterschrift, SS-Sturmbannführer und Regierungsrat, an den Regierungspräsidenten, z. Hd. des Regierungsvizepräsidenten Dr. Kämmerer, Düsseldorf, 5. 11. 1940 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 332 b. Der Regierungspräsident, i. V. gez. Dr. Kämmerer, an den PFM, 11. 11. 1940 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 332 a. Kämmerer übersandte die Schreiben aus Düsseldorf in Abschrift der PSB. Der Regierungspräsident, i. V. gez. Dr. Kämmerer, an den GD der PSB, Düsseldorf, 10. 12. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 332 d. Vgl. die Eintragungen im Akzessionsjournal Akz. Deutsch Dona.
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zeibeamten bibliothekarische Fachkräfte zur Seite zu stellen.165 Die Sicherheitspolizei zeigte sich kooperationsbereit und hatte keine Bedenken, „nach Abschluß der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen jeweils das restliche kulturell bedeutsame Material“ aus den Klosterbibliotheken „an die Staatsarchive, Staatsbibliotheken usw.“ abzugeben.166 Eine solche Weisung erging jedoch ausschließlich an die Staatspolizeistelle in Bayern. Da die Preußische Staatsbibliothek in dieser Angelegenheit nicht berücksichtigt worden war, ersuchte Krüß das Ministerium, dass die Regelung auf Preußen ausgedehnt und die Preußische Staatsbibliothek „als zuständige staatliche Stelle für die Weiterbehandlung des beschlagnahmten Materials“ benannt werde, und zwar für alle anderen Staatspolizeistellen im Deutschen Reich.167 Die Beschlagnahmepraxis der Sicherheitspolizei und die Verbotspraxis des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda berührten auch die Rechte der Bibliotheken auf Abgabe von Pflichtexemplaren. Aufgrund einiger Vorfälle – u. a. waren solche ‚Belegexemplare‘ der Universitätsbibliothek Tübingen vorenthalten worden – drängte Schnütgen im April 1943 auf eine Klärung, wie die lückenlose Beschaffung von Pflichtexemplaren in Zukunft gewährleistet werden könnte. Er sprach sich dafür aus, vor der Makulierung der Preußischen Staatsbibliothek, der Bayerischen Staatsbibliothek, der Nationalbibliothek in Wien und der Deutschen Bücherei sowie allen anderen Bibliotheken, die lokale Pflichtexemplarsrechte hatten, je ein Exemplar zukommen zu lassen. „Für unerwünschte Schriften hätte es vom Verlag zu geschehen, und wäre eine Anweisung des Vorstands des Börsenvereins angebracht, bei verbotenen Schriften wäre der Chef der Sicherheitspolizei […] zuständig.“168 Krüß übermittelte das Anliegen dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Anstelle des Börsenvereins, wie von Schnütgen gefordert, sollte das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda dazu angehalten werden, „je ein Exemplar der zu makulierenden Druckwerke“ an die Preußische Staatsbibliothek und die anderen berechtigten Bibliotheken abzugeben.169 Der Leiter der Abteilung IV C 3 (Karteiwesen) des Reichssicherheitshauptamts, Fritz Rang, zeigte sich grundsätzlich bereit, ‚Belegexemplare‘ abzugeben; doch scheute er die Mühe, sie an die Bibliotheken zu verteilen.170 Als Vorsitzender des Reichsbeirats für Bibliotheksangelegenheiten empfahl Krüß die Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek für die 165
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RMWEV, i. A. gez. Groh, an den Vorsitzenden des RBBA, 28. 7. 1941 (Eine Abschrift ging an das RMF.) SBB PK, Historische Akten, R II-6, Bd. 1, 35. Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, i. V. gez. [Heinrich] Müller, an RMI, 22. 10. 1941 (Abschrift i. A. gez. Wagner, 17. 11. 1941). SBB PK, Historische Akten, R II-6, Bd. 1, 43. Mit Begleitschreiben des RMWEV, i. A. gez. Kummer, an den Vorsitzenden des RBBA, 8. 12. 1941. SBB PK, Historische Akten, R II-6, Bd., 141. RBBA, Krüß, an den Minister, 22. 12. 1941 (Entwurf), abgesandt am 30. 12. 1941. SBB PK, Historische Akten, R II-6, Bd. 1, 45. Schnütgen an den GD, 21. 4. 1943. SBB PK, Historische Akten, R II-2, Bd. 1, 138 b. RBBA, Krüß, an den Minister, 22. 4. 1943 (Entwurf), abgesandt am 27. 4. 1943. SBB PK, Historische Akten, R II-2, Bd. 1, 138 c. Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, i. A. gez. Rang, an den RMWEV, 24. 6. 1943 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, R II-2, Bd. 1, 138 e.
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Wahrnehmung dieser Aufgabe.171 Anders als das Reichssicherheitshauptamt erklärte sich das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda nicht bereit, ,Belegexemplare‘ der bei den Verlagen ‚gesperrten‘ Literatur zur weiteren Verteilung an die Preußische Staatsbibliothek abzugeben. „Soweit Auslieferungssperren von hier aus verfügt werden, wird das gleiche Ersuchen an die betreffenden Verlage gerichtet werden. Die Verteilung übernimmt die Deutsche Bücherei, Leipzig“, teilte der zuständige Bearbeiter aus dem Ministerium, Wilhelm Haegert, mit.172 Bislang ließ sich nicht nachweisen, dass die Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek die Praxis der in den dreißiger Jahren von Feldkamp organisierten ‚Unterverteilung‘ während des Krieges wieder aufnahm. Doch akzessionierte die Preußische Staatsbibliothek selbst während des Krieges immer wieder beschlagnahmte Schriften, die von der Geheimen Staatspolizei, von der Sicherheitspolizei und vom Reichssicherheitshauptamt eingeliefert wurden.173 Ungeklärt ist, ob dazu auch jene mehrere Hundert Bände aus der Bibliothek der Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden in Berlin gehörten, für die in den Akzessionsjournalen „Deutsch Dona“, „Ausländisch Dona“ und „Orientalische Abteilung“ die Gesellschaft selbst als Einlieferer erscheint. Die Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden bestand seit dem Jahr 1822. Ihre Missionstätigkeit unter der jüdischen Bevölkerung wurde lange Zeit sowohl vom preußischen Staat als auch von der Evangelischen Kirche subventioniert. In den dreißiger Jahren geriet sie zunehmend unter den Druck des NS-Regimes. Ihr Büro in der Berliner Kastanienallee wurde am 11. November 1938 demoliert und am 23. Januar 1941 von der Geheimen Staatspolizei endgültig geschlossen. Die umfangreiche Bibliothek, von der zumindest ein Teil in die Preußische Staatsbibliothek gelangte, enthielt nicht zuletzt Literatur über das Judentum. Seit dem 19. September 1941 wurde diese von der Erwerbungsabteilung und der Orientalischen Abteilung – durch die Verlagerung der Bestände in den letzten Kriegsjahren unterbrochen – akzessioniert.174 Eine Anzahl von Büchern aus dem Besitz des Historikers Jürgen Kuczynski war wohl eine der letzten Sendungen beschlagnahmter Literatur, die die Preußische Staatsbibliothek erhielt. Die Bücher waren „durch Verfügung des Geheimen Staatspolizeiamts vom 13. Juni 1941 – II A 5 Nr. 374/41-212 – zu Gunsten des Preußischen Staates eingezogen worden.“ Der Polizeipräsident von Berlin überstellte sie am 30. November 1944.175 171 172
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RBBA, Krüß, an den Minister, 23. 7. 1943 (Entwurf). SBB PK, Historische Akten, R II-2, Bd. 1, 138 f. RMVP, i. A. gez. Haegert, an RMWEV, 16. 7. 1943 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, R II-2, Bd. 1, 138 h. Vgl. Akzessionsjournale Akz. Ausländisch Dona, Akz. Deutsch Dona und der Orientalischen Abteilung. Einige dieser Vorgänge lassen sich auch anhand der Erwerbungsakten nachvollziehen. Vgl. SCHEIBE, Judenmission. Vgl. auch Kap. 3.3. Der Polizeipräsident in Berlin, Abteilung I, i. V. [Unterschrift unleserlich], an den GD der PSB, 30. 10. 1944. SBB PK, Historische Akten, III E.6-a. Möglicherweise sind diese Bücher, über die in dem Schreiben lediglich vermerkt wurde, dass sie einen „Sachwert von ca. 300,– RM“ hatten, mit jenen 49 von der Geheimen Staatspolizei eingelieferten Werken identisch, die im Akzessionsjournal Akz. Deutsch Dona für das Jahr 1944 verzeichnet sind. Die Provenienz Kuczynski ließ sich bislang jedoch weder über die Akzessionsjournale noch in den zugehörigen Exemplaren nachweisen.
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3.2.2 Die Übernahme eines Teils der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main „Von den unentgeltlichen Sammelüberweisungen an die Staatsbibliothek im Berichtsjahr ist an erster Stelle diejenige des früheren Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main zu nennen. Die Bücherei umfasst etwa 20.000 Bände und Flugschriften, von denen freilich die Mehrzahl in der Staatsbibliothek schon vorhanden ist“, vermeldete die Preußische Staatsbibliothek in ihrem Jahresbericht für das Jahr 1936.176 Die Erwerbung der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main war – im Unterschied zur Bibliothek der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – durch die Kräfteverschiebungen zwischen der Preußischen Staatsbibliothek bzw. ihrem vorgesetzten Ministerium und dem Sicherheitsdienst der SS in Frage gestellt. Ähnlich wie bei der SPD-Bibliothek hatte Krüß bereits im Frühjahr 1933 Kenntnis von der bevorstehenden Auflösung erhalten. Am 13. März 1933 wurde die Bibliothek des Instituts für Sozialforschung geschlossen und versiegelt.177 Am 13. Juni 1933 sandte Joachim Kirchner,178 der Abteilungsdirektor der Freiherrlich Carl von Rothschildschen Bibliothek und Schrifttumssachverständige des Polizeipräsidiums in Frankfurt, Krüß einen Bericht über das Institut für Sozialforschung:179 „Bezeichnend ist, dass nicht nur rein wissenschaftliche Werke in dieser Spezialbibliothek Aufnahme fanden. In Dutzenden von Kapseln wurden Flugschriften und Broschüren aufgefunden, deren revolutionärer Inhalt klar zu Tage trat. […] Die besonderen Beziehungen zu kommunistischen Organisationen gehen aus dem Vorhandensein einer Fülle von hektographierten Blättern hervor, […]. Diese Schriften sind vom Sekretariat der sozialistischen Arbeiter-Internationale in Zürich fortlaufend geliefert worden; die hektographierte Form der Publikationen lässt die Vermutung zu, dass es sich um Geheimschriften handelt, die nur Wenigen zugänglich gemacht wurden. In gleicher Weise sind die ebenfalls im Institut vorhandenen Presseberichte des Internationalen Gewerkschaftsbundes in Amsterdam vorhanden. Ferner befinden sich in den Magazinen des Instituts viele Mappen mit Kollektionen in völlig ungeordnetem Zustande, darunter zahllose Uebersetzungen aus russischen Zeitschriften und Zeitungen. Unter den ungebundenen Druckschriften befindet sich viel russische Literatur.“180 Kirchner schlug vor, die wertvollsten Stücke aus der Bibliothek dem Sozialen Museum zu übergeben, dessen Direktor, der Frankfurter Wirtschaftssoziologe Heinz Marr, sein Mitgutachter und ein entschiedener Gegner des Instituts für Sozialforschung war. Die Bücher, die dort 176 177 178 179
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JAHRESBERICHT, 1936, 21. SCHROEDER, Beschlagnahme. Zu Kirchners Rolle bei der Auflösung der Bibliothek vgl. SCHMID NOERR, Frankfurter Geschichten. Freiherrlich Carl v. Rothschildsche Bibliothek, Kirchner, an Krüß, Frankfurt, 13. 6. 1933. SBB PK, Historische Akten, Nr. 25 (Frankfurt). Kirchner hatte bereits am 26. 3. 1933 über die Bücherbestände des Instituts für Sozialforschung berichtet, wie er in seinem anschließenden Bericht auf S. 25 bemerkte. Der Bericht, den er am 13. 6. 1933 abschickte, beruhte auf den bei der Haussuchung bei Max Horkheimer beschlagnahmten Akten. [Kirchner:] Bericht ueber meine Nachforschungen im Institut für Sozialforschung zu Frankfurt am Main, S. 26 f. SBB PK, Historische Akten, Nr. 25 (Frankfurt), S. 26 f.
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nicht Verwendung fänden, sollten dann die städtischen und Universitätsbibliotheken „zur beliebigen Verwendung“ erhalten. „Die Fülle kommunistischer, anarchistischer und sonstiger linksradikaler Propagandaliteratur sollte makuliert werden.“ Kirchner schien es „nicht erforderlich, dass diese völlig unwissenschaftliche Hetzliteratur in irgendeiner staatlichen oder städtischen Bibliothek aufbewahrt wird.“181 Diese Stellungnahme musste Krüß sowohl interessieren wie auch besorgt machen. Doch vorerst gab es für die Preußische Staatsbibliothek keine Handhabe, die Bibliothek des Instituts für Sozialforschung in ihren Besitz zu bringen. Im Mai 1933 war sie zugunsten des Preußischen Staates beschlagnahmt und am 23. April 1935 vom Preußischen Finanzministerium der „Unterrichtsverwaltung“ übergeben worden.182 Noch im April 1935 hatte Max Horkheimer versucht, die Herausgabe der Bibliothek beim Preußischen Staat von London aus einzuklagen, gab dann aber die Bemühungen im Juli 1936 endgültig auf.183 Nachdem es die Bibliothek übernommen hatte, beauftragte das Reichs- und Preußische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung den Vorgesetzten Kirchners, den Frankfurter Bibliotheksdirektor Richard Oehler, „eine Sichtung der vorhandenen Bestände vorzunehmen und ihm zu berichten, welche Bücher unbedenklich an Universitäts- und Seminarbibliotheken abgegeben werden können, und welche Literatur wegen ihres zersetzenden Inhalts an die für diese Zwecke bei der Preußischen Staatsbibliothek bestehende besondere Abteilung abzugeben ist.“184 Die Aufstellung Oehlers war nach Sammelgebieten geordnet und umfasste 20.495 Stücke.185 Am 12. Mai 1936 sandte das Ministerium Krüß diese Auflistung zu.186 „Als eine, das marxistische Schrifttum nahezu [vollständig, C. B.] umfassende“ Sammlung erregte die Bibliothek des Instituts für Sozialforschung in ganz besonderem Maße das Interesse des Sicherheitsdienstes der SS und veranlasste die Geheime Staatspolizei, alles daran zu setzen, um sie der im Aufbau befindlichen Zentralbibliothek des Sicherheitshauptamtes einzuverleiben.187 Schon am 12. März 1936 hatte der Leiter des Geheimen Staatspolizeiamtes Berlin einen Vorstoß beim Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volks181 182
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EBD., S. 29 f. Das Datum wird erwähnt in dem Schreiben des Leiters des Geheimen Staatspolizeiamts, Unterschrift, SS-Gruppenführer, an RuPMWEV, 12. 3. 1936 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 71. SCHMID NOERR, Frankfurter Geschichten, 23. Leiter des Geheimen Staatspolizeiamts, Unterschrift, SS-Gruppenführer, an RuPMWEV, 12. 3. 1936 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 71. [Richard Oehler:] Vorläufige Gesamtübersicht der Bestände an zersetzendem und staatsfeindlichem Schrifttum aus der Bibliothek des früheren Instituts für Sozialforschung an der Universität Frankfurt am Main. SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 69. RuPMWEV, i. A. [Paul] Klingelhöfer, an GD der PSB, 12. 5. 1936. SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 67. Leiter des Geheimen Staatspolizeiamts, Unterschrift, SS-Gruppenführer, an RuPMWEV, 12. 3. 1936 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 71. „Es wird aus diesem Grunde gebeten, in Erwägung zu ziehen, ob sich bei Beachtung der Aufgaben der Bibliothek des staatsgegnerischen Schrifttums eine Überlassung des Gesamtkomplexes der Bücherei des ehemaligen Instituts für Sozialforschung nach hier ermöglichen ließe. Der Preußischen Staatsbibliothek könnte im Austausch eine umfassende Dublettensammlung des freimaurerischen Schrifttums zur Verfügung gestellt werden.“
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bildung unternommen, „um Überlassung der genannten Literatur für dienstliche Zwecke“ zu ersuchen. Die Ministerialbeamten waren sich unsicher, wie sie auf dieses dringende Ansinnen reagieren sollten und baten Krüß um eine Stellungnahme.188 Ende Mai/Anfang Juni 1936 reiste Becker nach Frankfurt, um die Bibliothek zu besichtigen. Er charakterisierte sie als „eine einzigartige Spezialbibliothek für Sozialismus und Kommunismus“, die in ihrem „planmässigen Aufbau“ die „Zentralbibliothek der früheren SPD“ noch übertraf. Es stand außer Frage, dass die Preußische Staatsbibliothek sowohl auf die ausländische Literatur als auch auf die Sammlung von ca. 10.000 revolutionären Flugschriften, von denen ebenfalls viele ausländischer, vor allem russischer Herkunft waren, reflektierte. Krüß sprach sich in seiner Antwort an das Ministerium denn auch für die Erwerbung der gesamten Bibliothek aus, gestand aber zu, dass „ihre Bearbeitung und Verwertung im Einvernehmen mit der Geheimen Staatspolizei“ erfolgen könne.189 Daraufhin ordnete das Ministerium am 30. Oktober 1936 in einem Schreiben an das Universitätskuratorium in Frankfurt an: „Die staatsfeindliche und zersetzende Literatur […] alsbald ungetrennt und ordnungsgemäß verpackt […] an die Preußische Staatsbibliothek […] zu versenden.“190 Am 8. Januar 1937 trafen in der Preußischen Staatsbibliothek 418 Pakete aus Frankfurt ein, die vorläufig in einem verschlossenen Kellerraum gestapelt wurden.191 Im Jahresbericht der Preußischen Staatsbibliothek für 1937 heißt es: „Mit der Bearbeitung der Bestände der im vorigen Bericht namhaft gemachten Bücherei des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt a. M. konnte begonnen werden. 632 Bände wurden in Zugangslisten verzeichnet.“192 Für die Bibliothek des Instituts für Sozialforschung wurde in der Preußischen Staatsbibliothek ein gesondertes Akzessionsjournal mit der Bezeichnung „Ifs (Bücherei des früheren Instituts für Sozialforschung in Frankfurt 1937)“ angelegt, das nicht überliefert ist.193
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RuPMWEV, i. A. Klingelhöfer, an GD der PSB, 12. 5. 1936. SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 67. PSB, Krüß, an den [RuP]M[WEV] 16. 6. 1936 (Entwurf), abgesandt 22. 6. 1936. SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 73 f. RuPMWEV, i. A. Klingelhöfer, an das Universitätskuratorium Frankfurt, 30. 10. 1936 (Abschrift für den GD der PSB). SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 110. Die nicht zu beschlagnahmende Literatur verblieb im Eigentum der Universität und wurde nach nochmaliger Prüfung auf die Universitätsinstitute und -seminare verteilt. RuPMWEV, i. A. Bachér, an das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin, 14. 11. 1936 (Abschrift für GD der PSB). SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 110 a. Gesamtverwaltung der Frankfurter Bibliotheken, Oehler, an den Ersten Direktor der PSB, Becker, 6. 1. 1937. SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 121. Auf dem Schreiben handschriftliche Notiz Feldkamps vom 14. 1. 1937, dass die 418 Pakete am 8. 1. eingetroffen sind. Das Schreiben der Transportfirma Carl Presser & Co. erwähnt 18 Tonnen Bücher. Carl Presser & Co. an PSB, Frankfurt a. M., 5. 1. 1937. SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 123. Schroeder nennt die Zahl von 13.000 Bänden, die die PSB übernahm. SCHROEDER, Beschlagnahme, 28. Vgl. SCHIVELBUSCH, Intellektuellendämmerung. JAHRESBERICHT , 1937, 25. Aus der Akzession, in: UNSERE STAATSBIBLIOTHEK Nr. 5 (April 1939).
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
3.2.3 Der Dublettentausch mit der Zentralbibliothek des Sicherheitshauptamtes Krüß hatte den Anspruch der Preußischen Staatsbibliothek auf die Bibliothek des Instituts für Sozialforschung erfolgreich behauptet. Ungeachtet dessen strebte der Sicherheitsdienst der SS danach, einen möglichst großen Teil der Bibliothek an sich zu bringen. Noch bevor die Pakete aus Frankfurt im Januar 1937 eingetroffen waren, mahnte das Reichs- und Preußische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Preußische Staatsbibliothek auf Druck des Sicherheitsdienstes der SS, zu überprüfen, welche Titel in ihren eigenen Beständen bereits vorhanden waren. Alle übrigen Titel sollten für den Tausch mit der Zentralbibliothek des Sicherheitshauptamts bereitgehalten werden.194 Offenkundig bedurfte es einer grundsätzlichen Klärung der Anspruchsberechtigung. Im April 1937 trafen Rust und SS-Sturmbannführer Reinhard Höhn – seit 1934 hauptamtlicher Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der SS und seit 1935 Direktor des Instituts für Staatsforschung der Berliner Universität195 – zu einer Unterredung zusammen. Rust stellte klar, dass die Bücher und Schriften aus der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung Eigentum der Preußischen Staatsbibliothek seien und eine geschlossene Auslieferung an das Sicherheitshauptamt nicht in Frage komme. Er konzedierte lediglich, dass Dubletten der einen Institution gegen Dubletten der anderen getauscht werden.196 Ohne einen Vergleich mit den Katalogen der Preußischen Staatsbibliothek konnte indes nicht festgestellt werden, ob und welche Werke aus der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung mit dem bereits vorhandenen Bestand dublett waren. Die Sichtung der aus Frankfurt angelieferten Schriften zog sich in die Länge oder wurde von Erwerbungsabteilung absichtlich verzögert.197 Am 10. November 1937 meldete sich Franz Six, der Leiter der Zentralabteilung II/1 im Sicherheitshauptamt, um an die Herausgabe von „Dubletten russischer Schriften“ für die „Rußland-Bibliothek des Sicherheitshauptamtes“ zu erinnern und den Tausch mit beschlagnahmter Freimaurerliteratur, die sich im Besitz der Zentralbibliothek befand, erneut in Aussicht zu stellen.198 Gleichzeitig versuchte er, Jürgens für seine Zwecke einzuspannen, um die Herausgabe der Dubletten zu beschleunigen.199 194
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RuPMWEV, i. A. Bachér, an das Geheime Staatspolizeiamt, 14. 11. 1936. SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 110 a. 1936 war Höhn zugleich Abteilungschef im Amt II/2 im Sicherheitshauptamt („Deutsche Lebensgebiete“). Das Institut für Staatsforschung zog im Mai 1937 von der Teutonenstraße in Berlin-Nikolassee in die Königsstraße 71 nach Berlin-Wannsee und wurde daher auch als Wannsee-Institut bezeichnet. Das Institut für Staatsforschung wurde auch von der RTS mit Literatur versorgt. RuPMWEV, i. A. [Otto] Wacker, an die Geheime Staatspolizei, Geheimes Staatspolizeiamt Berlin, 28. 4. 1937 (Abschrift für GD der PSB). SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 125. „An der Frankfurter Bibliothek wird seitens der Zeitschriftenstelle ständig (2 Hilfsarbeiterinnen täglich je eine Stunde) und wird auch seitens der Kaufstelle gearbeitet.“ Schn[ütgen] an Krüß, handschriftlich, 13. 10. 1937. SBB PK, Historische Akten, III K.2, Bd. 4, 127. Der Reichsführer SS. Der Chef des Sicherheitshauptamtes, Der Leiter der Zentralabteilung II/1, Six, an die Generalverwaltung der PSB, 10. 11. 1937. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 381. Vgl. 2.3.2.4. Krüß reagierte höflich abweisend, indem er von dem Angebot des Sicherheitshauptamts, im Austausch freimaurerische Literatur zu liefern, „dankend Kenntnis“ nahm. Krüß an den Leiter der Zentralabteilung II/1 des SS-Hauptamts, 15. 12. 1937. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 387.
Beziehungen zur SS
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Seit dem 30. September 1935 verhandelte die Preußische Staatsbibliothek mit der SS auch über die Abgabe von Freimaurerliteratur.200 Am 17. August 1935 hatte der Reichsminister des Innern, Wilhelm Frick, die Auflösung aller Logen, die sich noch nicht selbst aufgelöst hatten, verfügt. Alle Archivalien und die Bibliotheken sowie die rituellen Gegenstände sollten an die Geheime Staatspolizei ausgeliefert werden. Doch mischte sich bald auch der Sicherheitsdienst der SS in die Vorgänge ein und beanspruchte das Schrifttum der Logen für sich. Im Spätherbst 1935 wurde „das gesamte schriftliche Material der Logen bei den SD-Oberabschnitten zusammengezogen.“ Es sollte an die Reichszentralbibliothek des Reichsführers SS übersandt werden.201 Feldkamp hoffte, dass Krüß’ Intervention wegen der von den Regierungspräsidien in Schneidemühl und Arnsberg der Preußischen Staatsbibliothek vorenthaltenen Bücher zu Beginn des Jahres 1936 zugleich die Verhandlungen über die Überstellung von Freimaurerliteratur wieder in Gang brächte.202 Sollte dieser Punkt auf der Ebene der Ministerien tatsächlich zur Sprache gekommen sein, so ließ sich offenkundig der Anspruch der Preußischen Staatsbibliothek nicht durchsetzen. Geheime Staatspolizei und SS behielten die Verfügungsgewalt über die in den Logen beschlagnahmte Literatur. Mit der russischen Literatur aus der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung besaß die Preußische Staatsbibliothek allerdings seit Januar 1937 ein so wertvolles Tauschobjekt, dass sich die SS zur Herausgabe – einiger – ihrer MasonicaDubletten veranlasst sah. Der Dublettentausch kam im Laufe des Jahres 1938 zustande. Die Grundlage bildete die Bibliographie von August Wolfstieg.203 Die SS behielt sich jedoch die Einschränkung vor: „sofern die Schriften im SD-Hauptamt verfügbar sind.“204 Die Abwicklung des Tauschs verschob sich einstweilen noch, weil der Leiter der Zentralbibliothek, Waldemar Beyer,205 bis Ende März 1938 „zu einer militärischen Übung einberufen“ war.206 Inzwischen stand für die 200
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Feldkamps Drohung, sich der Archive der Freimaurer zu bemächtigen, ließ sich nicht realisieren. In einem vermutlich von Feldkamp abgefassten Schreiben vom 10. 10. 1938, das dem Akzessionsjournal beiliegt, heißt es: „Seit dem 30. September 1935 […] liefen Verhandlungen mit der SS […] über die Dubletten aus den beschlagnahmten Freimaurerlogen-Bibliotheken.“ Sonderjournal Freimaurer 1938. Vgl. Aktennotiz Feldkamps vom 10. 5. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1,75 ff. NEUBERGER, Winkelmaß, 264 ff., zit. n. 268. Darauf deutet die Bemerkung Feldkamps zu den verweigerten Sendungen aus Schneidemühl und Arnsberg. „Die Klärung der Zuständigkeitsfrage würde voraussichtlich auch die noch schwebende Angelegenheit der Freimaurerbibliotheken wieder in Fluss bringen.“ Feldkamp an den GD, 23. 3. 1936, abgezeichnet von Schn[ütgen] am 26. 3. SBB PK, Historische Akten, A 62. RuPMWEV, i. A. gez. Kummer, an den GD der PSB, 26. 1. 1938. Kummer übermittelte hier in Abschrift ein Schreiben des Leiters der Zentralabteilung I 3 des Sicherheitshauptamtes vom 17. 1. 1938 an seine Dienststelle. SBB PK, Historische Akten, IV.2 Bd. 4, 29. Mit der „Bibliographie von Wolfstieg“ war vermutlich folgende Ausgabe gemeint: August Wolfstieg: Bibliographie der freimaurerischen Literatur, Leipzig: Hiersemann 1923 Bd. 1 und 2. Die Tauschgeschäfte zwischen PSB und SD-Hauptamt aufgrund der Akten des Reichssicherheitshauptamtes beleuchtet SCHROEDER, Strukturen, 323 f. 1909–1952. In einigen Schreiben der PSB fälschlicherweise die Schreibweise Bayer. PSB, Krüß, an den MWEV, 8. 2. 1938 (Entwurf, abgesandt am 10. 2. 1938). SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 31.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Preußische Staatsbibliothek der bislang in die Angelegenheit involvierte Mitarbeiter Paul Heigl wegen seiner Berufung zum Generaldirektor der Nationalbibliothek in Wien nicht mehr zur Verfügung. Heigl wünschte, dass sein Nachfolger als Leiter der Zeitschriftenstelle,207 Volkmar Eichstädt, den Tausch mit dem Sicherheitshauptamt weiterführte.208 Eichstädt war wie Heigl überzeugter Nationalsozialist. In einer Besprechung mit Beyer in der zweiten Maihälfte 1938 regelte Heigl die Sekretierung der eingetauschten Freimaurerliteratur. Krüß sicherte zu, dass die Preußische Staatsbibliothek „das ihr zu überweisende Material an Freimaurerliteratur unter Verschluss halten, Stücke, die sich als Dubletten ergeben, sogleich zurückstellen und auf keinen Fall zu einem weiteren Tausch“ verwenden werde. Zudem verpflichtete er sich, „irrtümlich hierher gelangte Bände auf Wunsch dorthin zurück[zu]geben“.209 Damit gestand er dem Sicherheitshauptamt prinzipiell das Recht zu, Schriften, die bereits an die Preußische Staatsbibliothek abgegeben worden waren, wieder einzufordern. Im Mai 1938 lagen in der Preußischen Staatsbibliothek Dubletten „im Umfang von etwa 60 Regalmetern zum Tausch“ bereit.210 Im Oktober 1938 berichtete Krüß an das vorgesetzte Ministerium: „Von der Staatsbibliothek sind zwei Sendungen abgegangen, die einen Stellraum von 12 und 40 Metern beanspruchen. Vom Sicherheitshauptamt sind Broschüren abgegangen, die etwa 5 Meter Stellraum nötig haben.“211 Ob die hier erwähnten Tauschmengen die ungleichen Machtpositionen der Preußischen Staatsbibliothek einerseits und des Sicherheitshauptamtes andererseits widerspiegeln, muss dahingestellt bleiben. Nach einer für das Jahr 1938 angelegten Statistik über die Tauschbeziehungen der Preußischen Staatsbibliothek wurde das eklatante Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung möglicherweise später ausgeglichen. Nach der Statistik gab die Preußische Staatsbibliothek 750 „Doppelstücke historischen u. staatswissenschaftlichen Inhalts“ ab und erhielt dafür 600 „beschlagnahmte freimaurerische Schriften, abgegeben vom Sicherheitshauptamt der SS“.212
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Seit dem 20. 5. 1938. JAHRESBERICHT, 1938, 28. Heigl fasste den Text zu einem entsprechenden Schreiben an den Reichsführer SS ab, den Schnütgen Krüß mit der Bitte, er möge es absenden, übermittelte. „Dr. H. hatte gleichfalls den Wunsch, daß in dem Bericht an den Minister Dr. Eichstädt genannt werde. Dr. Eichstädt hat mit Dr. Bayer schon fernmündlich Fühlung aufgenommen.“ Sch[nütgen] an Krüß, 25. 5. [1938]. SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 41. PSB, Krüß, an den Reichsführer SS, Chef des Sicherheitshauptamtes, 27. 5. 1938 (Entwurf, abgesandt am 28. 5. 1938). SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 45. EBD. PSB, Krüß, an den Minister, 24. 10. 1938 (Entwurf) abgesandt am 24. 10. 1938. SBB PK, Historische Akten, IV.2 Bd. 4, 49. Nachweis von Tauschgeschäften, 19. 7. 1939. SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 53. Die PSB reichte beim RMWEV für die Jahre 1938, 1939 und 1940 jährlich eine Aufstellung über die abgegebenen und empfangenen Dubletten ein. Als ständige Tauschpartner erscheinen darin die Bayerische Staatsbibliothek und die RTS. Für das Jahr 1938 ist zusätzlich die Bibliothek des Sicherheitshauptamtes aufgeführt. Der Wert der Bücher oder Schriften war sehr niedrig angesetzt, für Dissertationen bspw. 0,50 bis 1 RM. Die Tauschbilanzen mit der Bayerischen Staatsbibliothek und der RTS fielen ähnlich ausgeglichen aus wie die mit dem Sicherheitshauptamt.
Beziehungen zur SS
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Die Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek legte für die „Dubletten aus beschlagnahmten Freimaurerbibliotheken“ – nicht für die Masonica insgesamt – ein gesondertes Akzessionsjournal an.213 Der erhaltene Band verzeichnet nur das Erwerbungsjahr 1938 und für dieses nur 150 Titel. Außerdem existierte noch ein Journal für Freimaurerzeitschriften.214 Möglicherweise handelte es sich bei den in dem „Sonderjournal Freimaurer“ verzeichneten Titeln um jene „irrtümlich“ in die Preußische Staatsbibliothek gelangten Bände,215 die sie an die Bibliothek des Sicherheitshauptamtes hätte wieder abtreten müssen, wenn sie von dort verlangt worden wären. Ein Tauschangebot der Antikomintern vom Oktober 1938 illustriert, welche Schwierigkeiten die sinnvolle Verteilung und Einarbeitung von NS-Raubgut in die Bibliotheksbestände bereitete. In seiner Funktion als Geschäftsführer des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs regte Jürgens an, dass die Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek mit der Antikomintern, dem Gesamtverband antikommunistischer Vereinigungen e. V. Berlin, Verbindung aufnähme. Die Antikomintern hatte „spanisch-bolschewistische“ Literatur zum Tausch angeboten. Daraufhin suchte Feldkamp am 24. Januar 1939 das Büro der Organisation in der Potsdamer Straße 17 in Berlin auf. Er stellte jedoch fest, dass „spanisch-bolschewistisches Material nur in sehr geringem Umfange […] vorhanden war“ und dass sich darunter kaum Dubletten befanden. Vielmehr beabsichtigte sein Gesprächspartner von der Antikomintern, von Deringer, „Dubletten der landläufigen deutschen und ausländischen marxistischen Literatur […] gegen andere marxistische Werke“ aus der Preußischen Staatsbibliothek einzutauschen. Dort waren die von von Deringer angebotenen Werke allerdings schon mehrfach vorhanden, so dass die Verantwortlichen in der Erwerbungsabteilung keinerlei Interesse an dem Angebot haben konnten. Im Gegenteil: Sie hätten sich selbst gern der Dubletten marxistischer Literatur – also eines Teils des eingegangenen Raubguts – entledigt. Wegen ihrer schieren Menge blieben diese Zugänge aber unbearbeitet, so dass niemand genau wusste, welche Titel dublett waren.216 Gleichwohl musste Feldkamp berücksichtigen, dass „die Geheime Staatspolizei auf eine bestimmte Gruppe dieser Werke einen ersten Anspruch“ hatte. Dennoch mutmaßte er wohl zu recht, dass auch sie die Mengen zusammengeraubten Guts nicht bewältigen konnte: „Wahrscheinlich würde aber auch die Geheime Staatspolizei gern von ihrem Material abgeben, da viele Werke auch dort schon vorhanden sein dürften.“217 Im Mai 1940 beschied Schnütgen den Wunsch der Antikomintern nach Doppelstücken abschlägig.218
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Aus der Akzession, in: UNSERE STAATSBIBLIOTHEK Nr. 5 (April 1939). Vgl. Sonderjournal Freimaurer 1938 mit beiliegendem Schreiben. PSB, Krüß, an den Reichsführer SS, Chef des Sicherheitshauptamtes, 27. 5. 1938 (Entwurf, abgesandt am 28. 5. 1938). SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 45. Aktennotiz F[eldkamps] zum Schreiben des DAB vom 13. 10. 1938 – Dr. J[ürgens]/K., 25. 1. 1939. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 37: „Seitens der Staatsbibliothek könnte allerdings die Abgabe solcher Dubletten nur erfolgen nach Massgabe des vorhandenen Personals und der zur Verfügung stehenden Zeit. Im Augenblick sei die Geschäftslage ausserordentlich gespannt.“ EBD. Schnütgen an die Anti-Komintern, 20. 5. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 32.
200
NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
3.2.4 Geschenke an die Bibliothek der Wewelsburg Die Preußische Staatsbibliothek hatte stets Dubletten aus ihren Beständen abgegeben, nicht nur an wissenschaftliche Bibliotheken, sondern auch an verschiedene andere Einrichtungen. So erhielt beispielsweise die Sternwarte in Berlin-Treptow regelmäßig Bücher.219 Seit dem Sommer 1933 traten verschiedene NS-Organisationen mit der Bitte um Bücherspenden an die Preußische Staatsbibliothek heran. Im August 1933 fragte die Reichsleitung des Arbeitsdienstes an, ob sie Literatur für die Arbeitsdienstlager erhalten könnte.220 Die 1. Abteilung der Gruppe 162 im Deutschen Arbeitsdienst wollte erfahren haben, dass die Preußische Staatsbibliothek „aussortierte Bücher per Ctr. mit RM 2.- “ verkaufe. Zu diesen Bedingungen wünschte der Arbeitsdienst der NSDAP in Westsachsen zwei Zentner Bücher zu erwerben.221 Was zu dieser Annahme führte, ist nicht bekannt. Krüß widersprach jedenfalls dem Ansinnen und erklärte, dass die Nachricht über die zentnerweise Abgabe von Büchern „irrig“ sei. Gleichwohl sandte die Preußische Staatsbibliothek dem Arbeitsdienst Westsachsen 31 Bücher zu.222 Welche Art von Literatur die Preußische Staatsbibliothek an derartige Bittsteller abgab, deutet der Schriftwechsel mit dem SS-Sturmbann III/75 an. Zu Beginn des Jahres 1937 beabsichtigte diese SS-Formation, sich eine Bibliothek einzurichten.223 Krüß schickte eine von Feldkamp zusammengestellte Bücherliste über 13 Bände, darunter Titel von Ernst Moritz Arndt und Alfred Rosenberg.224 1939 beteiligte sich die Preußische Staatsbibliothek auch an der „Buchspende für die Deutsche Wehrmacht“. Aus den „nicht sehr großen Beständen an Doppelstücken neuerer Werke von allgemeinem Interesse“ stellte Schnütgen im November 1939 dem Amt für Schrifttumspflege 100 Bücher und Broschüren zur Verfügung.225 Vermutlich entledigte sich die Preußische Staatsbibliothek auf diesem Wege vor allem ihrer überzähligen NS-Literatur. Aus den marginalen Beziehungen zu subalternen NS-Führern, die tatsächlich umfangreicher gewesen sein mögen, als die erhaltenen Akten widerspiegeln, ragen die Kontakte zur Bibliothek der „SS-Schule Haus Wewelsburg“ bei Paderborn heraus. Am 6. November 1935 richtete der Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek, Rudolf Buttmann, konsterniert über die Praktiken der Preußischen Staatsbibliothek an Krüß die Frage, ob die Preußische Staatsbibliothek tatsächlich in der Weise verfahre, wie ihm dies durch den Bibliotheksleiter der SS-Schule,
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U. a. im Jahre 1929. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 7 ff. Reichsleitung des Arbeitsdienstes, [Hermann] Müller-Brandenburg, an die PSB, 4. 8. 1933. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 243. Krüß verwies die Bittsteller an die Stadtbibliothek und die Volksbüchereien. Arbeitsdienst der NSDAP, Arbeitsgau 16, Sachsen-West, Frankenberg in Sachsen, Abteilungsführer [unleserlich] an die PSB, 8. 4. 1934. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 259. Krüß antwortete am 27. 4. 1934. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 261. SS-Sturmbann III/75, an die PSB, 5. 1. 1937. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 347. Krüß schickte am 15. 1. 1937 eine Liste. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 349 ff. Schn[ütgen] an das Amt für Schrifttumspflege, 3. 11. 1939 (Entwurf). SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 393.
Beziehungen zur SS
201
Hans-Peter Des Coudres,226 geschildert worden war. Des Coudres war an Buttmann herangetreten, um von der Bayerischen Staatsbibliothek Dubletten für seine Institution zu erbitten. Buttmann zitierte aus dem Brief Des Coudres’, der, um Buttmanns Einwilligung zu forcieren, betonte, „daß die Preußische Staatsbibliothek ihm bereits durch ‚große Stiftungen aus ihren Dublettenbeständen‘ geholfen habe.“ Buttmann betonte, er habe sich „in einem früheren Falle der Partei gegenüber auf den Standpunkt gestellt, daß unsere Doppelstücke Staatseigentum sind und nur im Austauschweg abgegeben werden können“.227 Krüß entgegnete, dass die Preußische Staatsbibliothek „von jeher weitherzig“ bei der Verfügung über ihre Dubletten gewesen sei. Sie habe „im Einzelfall nicht den entscheidenden Wert darauf gelegt, dass Gabe und Gegengabe sich voll entsprechen, sondern bei dem eingeschlagenen Verfahren den Wunsch gehabt, die Beziehungen zu der Gesamtheit der ihr sachlich nahestehenden Institute zu fördern.“ Eines dieser „sachlich nahestehenden Institute“ war offensichtlich die Bibliothek der „SS-Schule Haus Wewelsburg“. „Was den vorliegenden Fall angeht“, schrieb Krüß, „so ist die Reichsführerschule der SS in der Tat besonders reichlich bedacht worden, indem sie etwa 700 Bände aus den Dubletten als Grundstock für ihre Bibliothek erhalten hat.“ Diese Großzügigkeit begründete er wie folgt: „Dafür ist nicht nur die Tatsache der Einheit von Staat und Partei bestimmend gewesen, sondern auch die Rücksichtnahme darauf, dass der Reichsführer der SS gleichzeitig Stellvertretender Chef der Geheimen Staatspolizei ist, und dass wir gerade durch die Geheime Staatspolizei bei der Erfassung einer bestimmten Art von Literatur gefördert werden.“228 Gerade in dem seit 1936 unter der Bezeichnung „Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei“ firmierenden Machtbereich Himmlers aber verkörperte sich exemplarisch jene „Einheit von Staat und Partei“. Augenscheinlich nahm Krüß um die Mitte der dreißiger Jahre, und zwar noch bevor der Erlass der Geheimen Staatspolizeiamts in Berlin vom 22. Januar 1936 die gesetzliche Regelung des Preußischen Finanzministeriums entscheidend einschränkte,229 keinerlei Anstoß an der Usurpation der staatlichen Institutionen durch die SS, meinte er doch deren Verfügungsgewalt über die im Zuge der politischen Verfolgung beschlagnahmten Bücher und Schriften im Interesse der Preußischen Staatsbibliothek nutzen zu können und zu müssen. Vermutlich begannen die Dublettensendungen an die Wewelsburg im Oktober 1935, nachdem Des Coudres Krüß am 2. Oktober 1935 in der Preußischen Staatsbibliothek besucht hatte.230 Des Coudres hatte die Exemplare selbst auswählen dürfen. Weil sie entweder im Dublettenmagazin vermisst wurden oder weil die Preußische Staatsbibliothek Zeitschriftenreihen, die als Reserveexemplare unentbehrlich waren, nicht herausgab, konnte er freilich nicht alle Titel wie gewünscht erhalten. 226
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229 230
1905–1977. HABERMANN, Lexikon 1985, 55. Des Coudres war seit 1935 Leiter der Bibliothek auf der Wewelsburg, seit 1939 Direktor der Landesbibliothek in Kassel. Bayerische Staatsbibliothek, Buttmann, an Krüß, 6. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 313. PSB, Krüß, an Buttmann, 8. 11. 1935 (Entwurf), abgesandt am 11. 11. 1935, SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 315 f. Vgl. Kap. 3.2.1. Eintragung für den 2. 10. 1935 Mittwoch „Besprechung m. Dr. Des Coudres (Dubletten für Reichsführerschule der S.S.“ SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher.
202
NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Des Coudres arbeitete an dem Grundstock für eine Bibliothek, die die speziellen geisteswissenschaftlichen Interessen seiner Dienstherren erfüllte. Dazu zählten bspw. die „Zeitschrift für Kirchengeschichte“ und die „Historische Zeitschrift“.231 Für den Sommer 1936 plante er einen weiteren Besuch in der Preußischen Staatsbibliothek, um sich Krüß’ Unterstützung beim Aufbau der Bibliothek auf der Wewelsburg zu versichern. Seine Wünsche betrafen den „Erwerb aus dem Handapparat oder Beständen gelegentlich noch zu Ihrer Kenntnis kommenden aufzulösender Bibliotheken. Auch wenn Ihre Dubletten einmal wieder durch einen grösseren Erwerb bereichert werden, wäre ich Ihnen für eine Mitteilung dankbar.“232 Des Coudres traf Krüß im Juli 1936 jedoch nicht in Berlin an. Dieser beeilte sich nach seiner Rückkehr, Des Coudres’ Schreiben zu beantworten und ihm die weitere Unterstützung durch die Preußische Staatsbibliothek zuzusagen. Bei dieser Gelegenheit brachte Krüß zugleich die Reichstauschstelle als potentiellen Partner für die Dublettenlieferung bzw. den Dublettentausch ins Gespräch.233 Bis zum Dezember 1936 erhielt die „SS-Schule Haus Wewelsburg“ mehrere Dublettensendungen aus der Preußischen Staatsbibliothek.234 Da Krüß bereits am 8. November 1935 mehr als 700 Bände erwähnte, ist anzunehmen, dass die Zahl um einiges darüber hinausging. Des Coudres’ Vorgesetzter, der SS-Hauptsturmbannführer Manfred von Knobelsdorff, hatte Krüß im März 1937 aufgesucht, um sich Ratschläge für eine bevorstehende Reise nach Schweden zu holen, und traf mit ihm nochmals im November 1937 in der Preußischen Staatsbibliothek zusammen.235 Auch Des Coudres weilte „anläßlich der Eröffnung der Schwedenausstellung“ in Berlin. Bei dieser Gelegenheit stattete er der Dublettenstelle der Preußischen Staatsbibliothek wieder einen Besuch ab. Er wählte Dubletten aus und erbat u. a. „Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871–1914“. Die Bibliothek der SS-Schule besaß die Bände 1–29 und wünschte die Folgebände,236 welche sie auch erhielt. Ende Juni 1937 wurden weitere 51 Bände an Des Coudres abgeschickt.237 231
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PSB, Schn[ütgen] an die Reichsführerschule SS Burg Wewelsburg i. W., 4. 11. 1935, abgezeichnet von B[ecker] und K[r]üß (Entwurf), abgesandt am 5. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 321. Wohl „Zeitschrift für Kirchengeschichte. Zeitschrift der Sektion für Kirchengeschichte im Verband der Historiker Deutschlands“, Stuttgart u. a.: Kohlhammer, und „Historische Zeitschrift“, München u. a.: Oldenbourg. SS-Schule Haus Wewelsburg, Leiter der Bibliothek, Des Coudres, an den GD der PSB, Krüß, 21. 7. 1936. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 341. PSB, Krüß, an Des Coudres, 27. 7. 1936 (Entwurf), abgesandt am 31. 7. 1936. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 343. Mit Krüß’ Vermerken „1. ErwerbungsAbtlg. 2. Reichstauschstelle g. gefl. Mitzchng.“ Beginnend mit dem Schreiben des Burghauptmannes der SS-Burg Wewelsburg, Knobelsdorff, an Krüß vom 21. 10. 1935, in dem erklärt wird, dass die Reichsführerschule die Verpackungs- und Transportkosten tragen werde. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 319 – bis zu einem Dankschreiben von Des Coudres an Schnütgen vom 21. 12. 1936. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 345. Eintragung 8. 3. 1937 „Besuch von Hrn. v. Knobelsdorff, SS. Sturmbannführer, Burghauptmann von Burg Wewelsburg (Reise nach Schweden)“, ebenso am 23. 11. 1937. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Schutzstaffeln der NSDAP, SS-Schule Haus Wewelsburg, Des Coudres, an den Ersten Direktor der PSB, Becker, 11. 6. 1937. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 357. Des Coudres war inzwischen zum SSHauptsturmführer aufgestiegen. PSB, i. V. B[ecker], 28. 6. 1937 (Entwurf), von Krüß und von Schnütgen am 26. bzw. 25. 6. 1937 abgezeichnet. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 359.
Kooperation mit der Reichstauschstelle
3.3
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Die Kooperation zwischen der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle
Bereits vor der Angliederung des Bibliotheksausschusses gab die Preußische Staatsbibliothek Dubletten an die Reichstauschstelle ab. Zum einen war sie in die von Jürgens organisierten Tauschzirkel einbezogen, zum anderen nutzte Jürgens wegen der immer wieder anfallenden Sonderaufgaben der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses bzw. der Reichstauschstelle die Dublettensammlung der Preußischen Staatsbibliothek. Im Juni 1933 erbat er Dubletten für die Bibliothek der neugeschaffenen Hochschule für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Veterinärwesen in Ankara,238 mit deren Einrichtung das Auswärtige Amt die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft beauftragt hatte. Jürgens erläuterte, das Auswärtige Amt sei daran interessiert, an der Hochschule in Ankara einen Grundstock an deutscher Literatur zu schaffen, „um die Türken zu veranlassen, schon aus Kontingentsgründen in erster Linie die deutsche Literatur bei künftigen Bücheranschaffungen zu berücksichtigen.“239 Ein Mitarbeiter der Reichstauschstelle wählte aus den Dublettenbeständen der Preußischen Staatsbibliothek ca. 500 Bände in den Fächern Landwirtschaft und Technik sowie allgemein interessierende Zeitschriften wie die „Preußischen Jahrbücher“ und wichtige Fachzeitschriften anderer Gebiete wie die „Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte“ aus.240 Die Sendung für Ankara umfasste 18.000 Bände,241 die freilich nur zu einem Teil aus der Preußischen Staatsbibliothek stammten. Diese sollte aber in der Türkei ausdrücklich als Spenderin erwähnt werden.242 Im September 1933 arbeitete der Bibliotheksausschuss der Notgemeinschaft bzw. die Reichstauschstelle im Auftrage des Auswärtigen Amtes an einem Grundstock von 2.000 Bänden „für den Wiederaufbau der in Shanghai während der japanischen Beschießung verbrannten Oriental Library“. Wie die türkischen sollten auch die chinesischen Partner veranlasst werden, ihre Bibliotheksbestände mit deutscher Literatur zu ergänzen. Jürgens forderte die Preußische Staatsbibliothek auf, „aus den dortigen Dublettenbeständen dortiger Ansicht nach in Betracht kommende Werke der Notgemeinschaft – ohne Aufnahme auf Dublettenzetteln – zuzusenden unter Hinzufügung der Worte ‚für Shanghai‘. […] Der kleine Fonds wird zum Ausgleich und zur Beschaffung wichtiger neuerer Werke der letzten Jahre verwandt werden. Etwaige Dubletten werden anders verwandt.“243 Abgesehen von diesen Sonderaufträgen brachte es die räumliche und personelle Nähe mit sich, dass die Preußische Staatsbibliothek mit den aus dem Bibliotheksausschuss der Notgemeinschaft hervorgegangenen Dienststellen in besonders intensivem Austausch stand. So238
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Rektor der Hochschule für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Veterinärwesen in Ankara war seit 1933 Professor Friedrich Falke von der Universität Leipzig. NG, BA, i. A. Jürgens, an den GD der PSB, Krüß, 1. 6. 1933. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 219 f., 219. PSB, Schnütgen, an den GD, 8. 6. 1933. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 223. NG, BA, i. A. Jürgens, an Schnütgen, 22. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 248. NG, BA, i. A. Jürgens, an GD der PSB, Krüß, 1. 6. 1933. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 219. NG, BA, i. A. Jürgens, an Schnütgen, 22. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, IV.1, Bd. 7, 248.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
wohl durch Tausch wie auch als Geschenk erhielt sie auf diesem Wege jährlich mehrere Hundert, in manchen Jahren über tausend Dubletten.244 Für den Zeitraum 1938 bis 1940 lässt sich der gegenseitige Tausch auch zahlen- und wertmässig belegen.245 Dabei überstieg der Wert der von der Reichstauschstelle abgegebenen Dubletten stets den der im Tausch von der Preußischen Staatsbibliothek erhaltenen. Es ist ungeklärt, ob die Preußische Staatsbibliothek Literatur, die aufgrund des Erlasses des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934 einging, an die Reichstauschstelle abgab. Die Reichstauschstelle war in dem Erlass nicht erwähnt, erfolgte ihre Angliederung an die Preußische Staatsbibliothek doch erst einige Monate später im Herbst 1934. So war sie zumindest nicht von Anfang an in die Verteilungshierarchie einbezogen. Gegen ihre Beteiligung spricht, dass die Erwerbungsabteilung nach anfänglichen Irritationen246 bei der Auswahl aus den Listen der Polizeibehörden keine Titel mehr anforderte, die in ihren eigenen Beständen dublett gewesen wären und mithin an die Reichstauschstelle hätten weitergegeben werden können. Bei der ‚Unterverteilung‘ war eine Beteiligung der Reichstauschstelle ebenfalls nicht vorgesehen. Man kann annehmen, dass es Feldkamp, der für die Preußische Staatsbibliothek den Kontakt mit dem Geheimen Staatspolizeiamt pflegte, untunlich erschien, auf eine offizielle Beteiligung der von Jürgens geleiteten Dienststellen zu dringen, wollte er nicht den Bezug beschlagnahmter Literatur insgesamt gefährden. Um zu verdeutlichen, wie gering er den Wert der vom Preußischen Geheimen Staatsarchiv anstelle des Kernbestandes der SPD-Bibliothek angebotenen Handbibliotheken der sozialdemokratischen Funktionäre für die Preußische Staatsbibliothek veranschlagte, äußerte er in einem internen Schreiben, sie der Reichstauschstelle „zur weiteren Verteilung überlassen“ zu wollen.247 Gleichwohl sprach sich auch Schnütgen für die 244 245
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Akzessionsjournal Akz. Notgemeinschaft. RMWEV, i. A. gez. Groh, an die Herren Vorsteher der preußischen Dienststellen der Wissenschaftsverwaltung/den GD der PSB, 1. 7. 1939. SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 51 ff. Am 11. 11. 1935 erklärte Feldkamp gegenüber dem Regierungspräsidenten in Liegnitz ausdrücklich: „Falls das gleiche Buch oder die gleiche Broschüre mehrfach vertreten ist, kommt für die Staatsbibliothek nur ein Exemplar in Betracht.“ F[eldkamp] an den Regierungspräsidenten in Liegnitz, 15. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz. Wenn die Dubletten bereits abgesandt waren, wurden sie nicht wieder zurückgeschickt. Vermerk auf einem Schreiben des Amtsvorstehers von Hennigsdorf: „2 Ex. in d. Dubl. 17/I 35 [nicht gedeutetes Namenskürzel]“. Der Amtsvorsteher als Ortspolizeibehörde, [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 12. 1. 1935. SBB PK, Historische Akten, A 62, Potsdam. In seinem Protokoll zu dem Besuch im Preußischen Geheimen Staatsarchiv am 14. 8. 1935 schrieb er: „Büchermassen dieser Art erhält die Staatsbibliothek öfter als Geschenk angeboten und zugewiesen. Irgend einen ins Gewicht fallenden Wert haben sie für die Staatsbibliothek selbst nicht.“ Dabei handelte es sich „um 3–5000 teils gebundene, teils ungebundene Bände und Broschüren sozialistischer Literatur, meist in deutscher Sprache, aber auch in fremden Sprachen. Vertreten waren Einzelwerke, Zeitschriftenbände, Zeitungsjahrgänge, Broschüren und Flugschriften. Die Hauptmasse der Bücher stammte aus den letzten 20–30 Jahren und hatte ursprünglich wohl ihren Platz gehabt in den Handbüchereien einzelner sozialistischer Politiker, Schriftsteller und Journalisten, vielleicht auch in den Handapparaten von Redaktionszimmern.“ Feldkamp stellte fest, dass die Titel, auch die „englischen und französischen Werke aus dem ausdrücklich erwähnten Nachlass Bernstein“, in der PSB zum größten Teil bereits vorhanden seien, allenfalls möchte „noch ein kleiner Bruchteil“ von den Broschüren, Flugschriften und ausländischen Wer-
Kooperation mit der Reichstauschstelle
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Weitergabe minder wertvoller Schriften an die Reichstauschstelle aus.248 Ob die Reichstauschstelle tatsächlich Bücher und Schriften aus der Bibliothek der SPD empfing, ist nicht bekannt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Universitätsbibliothek Marburg im gleichen Jahr, 1935, von der Reichstauschstelle acht Romane als Geschenk erhielt, die aus „Engelbach’s neuer Leihbücherei“ in Kassel stammten. Dabei handelte es sich um indizierte Literatur, die möglicherweise in der Leihbücherei beschlagnahmt worden war.249 Nach dem Erlass des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934 hätten diese Bücher der Preußischen Staatsbibliothek zugestanden. Aufgrund welcher Vereinbarungen die Reichstauschstelle in ihren Besitz gelangte, ist bislang ungeklärt.250 In den Dublettentausch zwischen der Preußischen Staatsbibliothek und dem Sicherheitshauptamt der SS, bei dem ein Teil der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung gegen die von der Geheimen Staatspolizei der SS überwiesenen Masonica getauscht wurde, war die Reichstauschstelle nicht involviert, obgleich Jürgens die Initiative ergriffen und sich der SS angedient hatte.251 Als der Tausch bereits im Gange war, verpflichtete Krüß sich sogar ausdrücklich, dass die Preußische Staatsbibliothek „Stücke, die sich als Dubletten ergeben, sogleich zurückstellen und auf keinen Fall zu einem weiteren Tausch verwenden wird“.252 Im Jahre 1938 leitete die Reichstauschstelle dann nicht nur für den Sicherheitsdienst, sondern auch im Auftrage der Preußischen Staatsbibliothek Freimaurerliteratur an die Nationalbibliothek in Wien weiter. Dabei handelte es sich um ‚Dubletten‘ aus der Bibliothek der Potsdamer Freimaurerloge „Teutonia zur Weisheit“, die „auf Anweisung d. Generalverwaltung an die Nationalbibliothek Wien abgetreten worden“ waren.253 Die Logenbibliothek war nicht beschlagnahmt worden, sondern galt als ‚Geschenk‘, das freilich unter dem Druck der vom NS-Regime forcierten Selbstauflösung der Loge zustandegekommen war.254 Möglicherweise nutzten sowohl die SS als auch die Preußische Staatsbiblio-
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ken für die Einreihung in ihre Bestände in Betracht kommen. Bericht Feldkamps und Sveistrups vom 22. 8. 1935. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 85 ff. Zu der eigentlichen SPD-Bibliothek bemerkte Feldkamp, dass sie „neben sozialistischer Gebrauchsliteratur sehr viel seltene, z. T. in keiner öffentlichen Bibliothek bisher vorhandene Stücke, vor allem solche aus der Frühzeit des Sozialismus“ enthalte. Schnütgen plädierte dafür, die für die PSB „nicht inbetracht kommenden Stücke der Reichstauschstelle zur weiteren Verteilung zuzuleiten.“ PSB, Krüß, an den Minister, 2. 2. 1936 (Entwurf mit Ergänzungen Schnütgens), abgesandt am 31. 1. 1936. SBB PK, III K.16, Bd. 1, 119 ff., 129. REIFENBERG, Beispiel Marburg, 126. An dieser Stelle sei noch einmal darauf verwiesen, dass das Aktenkonvolut A 62 kaum Hinweise auf die in Leihbüchereien beschlagnahmten Bücher enthält. Wurden diese für die PSB sicher weitgehend uninteressanten und geringwertigen Bücher ohne weitere Formalitäten an die RTS abgegeben? Vgl. Kap. 3.1.5.2. Vgl. Kap. 2.3.2.4 und 3.2.3. PSB, Krüß, an den Reichsführer SS, Chef des Sicherheitshauptamtes, 27. 5. 1938 (Entwurf), abgesandt am 28. 5. 1938). SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 45. Aktennotiz Feldkamps, 17. 2. 1937, handschriftliche Ergänzung 29. 4. 1938. Sonderjournal Freimaurer 1938. Vgl. Kap. 3.6.2.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
thek die scheinbar nebensächliche Vergünstigung der Portofreiheit und nahmen die Reichstauschstelle dafür in Anspruch, den Transport von Raubgut abzuwickeln.255 Außerdem erschien so die Reichstauschstelle und nicht der Sicherheitsdienst als offizieller Geschenkgeber. Wie es scheint, erlangte die Reichstauschstelle als Empfängerin beschlagnahmter Literatur in den folgenden Jahren gegenüber der Preußischen Staatsbibliothek eine Gleichstellung durch die Polizeibehörden. Versehentlich war im Dezember 1941 „die von Anfang an für die Reichstauschstelle bestimmte grosse Mehrzahl“ der vom Berliner Polizeipräsidium eingelieferten beschlagnahmten Bücher des „Christlichen Zeitschriften-Vereins“ mit den für die Erwerbungsabteilung bestimmten Stücken durcheinandergeraten. Welche Körperschaft mit dieser wohl nur intern gebrauchten Bezeichnung gemeint war, ist nicht bekannt. Der gesamte Bestand war offenbar an die Adresse der Reichstauschstelle am Schiffbauerdamm geliefert worden. Um sich einen Überblick über die abgegebenen Bücher zu verschaffen, forderte Schnütgen nun sowohl „die bibliographisch-buchhändlerischen Hilfsmittel“, die sich bei den Büchern befanden, wie auch „vorerst je ein Stück aller Bücher des Sortiments, die nicht in einem Pflichtverlag erschienen sind“, an. Außerdem bat er Jürgens, da die Reichstauschstelle „für die vom Herrn Polizeipräsidenten verlangte Schätzung der Stücke zuständig sein“ dürfte, „diese nunmehr vornehmen lassen zu wollen.“256 1939 wurde die Reichstauschstelle von der Preußischen Staatsbibliothek offiziell – durch ein Rundschreiben der Generaldirektion – in die Verteilung beschlagnahmter Literatur, von Hebraica und sogenannten Judaica, einbezogen.
3.4
Die Zugänge von beschlagnahmten Hebraica und Judaica
Bis 1938 war die ‚Arisierung‘ jüdischen Eigentums ein von den Behörden des NS-Regimes begünstigter Prozess der Verdrängung, von dem vor allem einzelne ‚arische‘ Deutsche profitierten: Berufskollegen, akademische Konkurrenten um eine Beamtenstelle, Mitinhaber von Firmen, Mitbewerber in der Wirtschaft und selbstverständlich die Funktionäre und Parteigänger des NS-Regimes. Seit 1938 beteiligten sich die Behörden selbst unverhohlen an der finan255
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„Die Dubletten der ehemal. Freimaurerloge zu Potsdam sind auf Anweisung d. Generalverwaltung an die Nationalbibliothek Wien abgetreten worden. Sie wurden der Reichstauschstelle z. Weiterleitung übermittelt.“ Handschriftliche Notiz vom 29. 4. 1938 mit Feldkamps Unterschrift auf der Aktennotiz Feldkamps, 17. 2. 1937, abgebildet bei: SYDOW, Erwerbungspolitik 2006, 106. Schn[ütgen] an Jürgens, […], Schiffbauerdamm 26, 17. 12. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 224. Möglicherweise war die Bezeichnung „Christlicher Zeitschriften-Verein“ eine interne und abwertende Bezeichnung für die Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden, die 1941 aufgelöst und deren Bibliothek von der Geheimen Staatspolizei beschlagnahmt wurde. Sowohl Schnütgen als auch Jürgens begutachteten und schätzten im Auftrage der Behörden Raubgut. So taxierte Jürgens die Bibliothek der Germanistikprofessorin Agathe Lasch, die 1942 in das Ghetto Riga deportiert und dort ermordet wurde. Vgl. HARBECK, Spurensicherung, 95.
Zugänge von beschlagnahmten Hebraica und Judaica
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ziellen Ausplünderung der ihrer bürgerlichen Rechte beraubten und zur Ausreise gedrängten Juden. Eine ganze Reihe von Gesetzen, beginnend mit der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens vom 26. April 1938, engte ihren finanziellen Spielraum immer mehr ein. Für diesen legalisierten Raub257 instrumentalisierten die Finanzbehörden sowohl verschiedene aktuell festgesetzte Sonderabgaben wie die Judenabgabe als auch ältere steuerliche Regelungen wie die Reichsfluchtsteuer. Wegen der Ausfuhrrestriktionen gelangte ein Großteil der beweglichen Habe der Emigranten in den Besitz der Finanzbehörden. Anders als die Polizeibehörden, die unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Schriften der verfolgten Parteien, der verbotenen oder zur Selbstauflösung veranlassten Organisationen beschlagnahmten, drangen die Finanzbehörden auf eine möglichst gewinnbringende ,Verwertung‘ des eingezogenen Gutes. Aufgrund zweier Bestimmungen des Reichsministeriums der Finanzen – vom 10. September 1938 und vom 12. Juni 1939 – fungierte die Preußische Staatsbibliothek als „zentrale Sammelstelle“ für beschlagnahmte Hebraica und sogenannte Judaica – Schriften von Autoren, die nach den Nürnberger Rassegesetzen als Juden definiert wurden. Die Bibliothekare der Preußischen Staatsbibliothek hatten zu entscheiden, ob die Schriften aufbewahrt oder vernichtet wurden. Wenn möglich, sollte der Preußischen Staatsbibliothek, bevor sie überstellt wurden, ein Verzeichnis der beschlagnahmten Werke übergeben werden. Am 24. August 1939 regelte ein bibliotheksinternes Rundschreiben, wie mit den eingelieferten Werken zu verfahren sei.258 Soweit sie in „das Arbeitsgebiet der Orientalischen Abteilung fallen“, sollten sie von dieser übernommen werden, sogenannte Judaica aber, für die die Orientalische Abteilung keine Verwendung hatte,259 sollte die Reichstauschstelle erhalten. „Werke, die in das Gebiet der verbotenen bezw. unerwünschten Literatur gehören“, sollten, wenn sie dort nicht vorhanden waren, an die Erwerbungsabteilung gehen, andernfalls an die Reichstauschstelle. Ebenso sollte mit der nicht verbotenen Literatur verfahren werden. Den Schriftwechsel mit den Behörden sollte die Erwerbungsabteilung im Einvernehmen mit der Orientalischen Abteilung und der Reichstauschstelle führen, bei Literatur, die von vornherein in das Arbeitsgebiet der Orientalischen Abteilung gehörte, die Orientalische Abteilung.260
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Die Schwierigkeit, jenseits der Sprache der nationalsozialistischen Täter Bezeichnungen für das weitgehend gesetzesförmige Unrechtshandeln der Bürokratie zu finden, verdeutlichen Sabine Meinl und Jutta Zwilling in dem von ihnen verwendeten Begriff. Vgl. MEINL, Legalisierter Raub. „Betr. Behandlung beschlagnahmter jüdischer und hebräischer Literaturerzeugnisse“ – diese Überschrift trägt ein vom 24. 8. 1939 datiertes hektographiertes Schreiben, das Beständen der Orient-Abteilung beiliegend in der Staatsbibliothek aufgefunden wurde. In der Form ähnelt es den Rundschreiben der Generaldirektion dieser Jahre. Das Schreiben bezieht sich auf die Erlasse des RMF vom 10. 9. 1938 und vom 12. 6. 1939. Vgl. RMF, i. A. gez. Schlüter, an RMWEV, 10. 9. 1938. BArch R 4901/15056, Bl. 164. Darin heißt es, dass die von den nachgeordneten Dienststellen beschlagnahmten Judaica und Hebraica „den wissenschaftlichen Büchereien angeboten werden“ sollen. Der Erlass vom 12. 6. 1939 wurde bisher nicht aufgefunden. Als Judaica wurden auch die Werke von Autoren bezeichnet, die im Sinne der Nürnberger Rassegesetzgebung Juden waren. „Betr. Behandlung beschlagnahmter jüdischer und hebräischer Literaturerzeugnisse“, 24. 8. 1939.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Weder lassen sich einzelne Vorgänge belegen noch lässt sich abschätzen, in welchem Umfang die Preußische Staatsbibliothek sogenannte Judaica zur weiteren Verteilung an die Reichstauschstelle abgab. Die Akten und Akzessionsjournale verzeichnen lediglich einzelne Angebote und Zugänge, die die Preußische Staatsbibliothek auf der Grundlage der Erlasse vom 10. September 1938 und 12. Juni 1939 erhielt. Einige Vorgänge sind im Schriftwechsel der Generaldirektion und des Reichsbeirats für Bibliotheksangelegenheiten enthalten, weil sich die Verantwortlichen in den Zoll- und Finanzbehörden unschlüssig waren, an welche Stelle sie die eingezogenen Bücher absenden sollten.261 Wie der Schriftwechsel wegen der Überstellung dreier bei der Kasseler Speditionsfirma Heinrich Wenzel lagernder Bücherkisten der Buchhändler Bernhard und Julius Grünebaum zeigt, waren sich die Beamten in den Finanzbehörden gleichfalls unsicher, ob die Preußische Staatsbibliothek die eingezogenen Hebraica und Judaica unentgeltlich erhalten sollte oder sie ankaufen musste. Unter dem Betreff „Auswertung der jüdischen und hebräischen Literatur“ sandte die Vollstreckungsstelle des Finanzamtes Kassel am 12. Oktober 1938 ein „Bücher-Verzeichnis in Sachen Grünebaum 37/414“ an den Reichsbeirat. Der Finanzbeamte fragte, welchen Preis die Preußische Staatsbibliothek für Bücher zu zahlen bereit sei. Unabhängig davon käme eine Übersendung nach Berlin nur dann in Frage, „wenn mindestens die bis jetzt vom Spediteur in Rechnung gestellten Lagerkosten vom RM. 53.70 von dort aus übernommen werden, da dem Finanzamt hierfür Mittel nicht zur Verfügung stehen.“262 Max Weisweiler, der de facto die Orientalische Abteilung leitete, prüfte die Liste, sah aber in Anbetracht der beschränkten Ankaufsmittel seiner Abteilung keine Veranlassung, die aufgeführten Bücher zu erwerben, zumal die Titelangaben ungenau waren.263 Krüß empfahl, die Bücher entweder an die Stadt261
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Das Zollamt Buchs in Vorarlberg sandte im Oktober 1938 ein einzelnes beschlagnahmtes Buch, ohne sich zuvor zu erkundigen, ob es erwünscht sei. Deutsches Zollamt Buchs, Post Feldkirch, Vorarlberg, Der Zollamtsvorsteher [Unterschrift unleserlich], an den RBBA, 12. 10. 1938. SBB PK, Historische Akten, III E.2, Bd. 14, 244 d. Krüß gab es an die Orientalische Abteilung weiter. Weisweiler bestätigte, das Buch entgegengenommen zu haben. Handschriftliche Notiz Weisweilers auf dem Schreiben. SBB PK, Historische Akten, III E.2, Bd. 14, 244 d. Im Akzessionsjournal der Orientalischen Abteilung ist kein Buch mit diesem Einlieferer verzeichnet. Gleichfalls im Oktober 1938 richteten das Finanzamt Nürnberg-Nord und das Oberfinanzpräsidium in Köln eine Anfrage an den RBBA. Becker lehnte die Geschenke ab und nannte als mögliche Interessenten das Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands und die Universitätsbibliothek München. Andernfalls sollten sie makuliert werden. Finanzamt Nürnberg-Nord, i. A. Fürbringer, an den RBBA, 1. 10. 1938. SBB PK, Historische Akten, R II-7, Bd. 1, 39; RBBA, i. V. Becker, an das Finanzamt NürnbergNord, 7. 10. 1938. SBB PK, Historische Akten, R II-7, Bd. 1, 41. Der Oberfinanzpräsident Köln, i. A. [Unterschrift unleserlich], an den RBBA, 4. 10. 1938. SBB PK, Historische Akten, R II-7, Bd. 1, 47 und 49; RBBA, i. V. Becker, an den Oberfinanzpräsidenten Köln, 13. 10. 1938. SBB PK, Historische Akten, R II-7, Bd. 1, 51. Finanzamt Kassel, Vollstreckungsstelle, i. A. gez. Müller, an den RBBA, 12. 10. 1938. SBB PK, Historische Akten, III E.2, Bd. 14, 244. Müller bezog sich auf den Erlass des RMF vom 10. 9. 1938 „O 1000 74 VI“. Handschriftliche Stellungnahme Weisweilers vom 14. 10. 1938 auf einem an das Finanzamt adressierten Kopfbogen des RBBA. SBB PK, Historische Akten, III E.2, Bd. 14, 244 b. Weisweiler empfahl, sie dem „Reichsinstitut zur Erforschung der Judenfrage in München“ anzubieten. Krüß befragte daraufhin Volk-
Zugänge von beschlagnahmten Hebraica und Judaica
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bibliothek in Frankfurt am Main oder an das Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands in München abzugeben.264 Wie zuvor schon die Listen der beschlagnahmten Bibliotheken politischer Organisationen und religiöser Vereinigungen prüfte die Erwerbungsabteilung, soweit anhand der wohl meist rudimentären Angaben möglich, ob die Werke in der Preußischen Staatsbibliothek bereits vorhanden waren. Als diese Prüfung im Fall der Werke Rathenaus positiv ausfiel, gab Reincke die auf der Grundlage des Erlasses vom 12. Juni 1939 vom Hauptzollamt in Düsseldorf angebotenen Werke – „Walther Rathenau, Briefe, Band 1 u. 2“ – zur Vernichtung frei.265 Nichtsdestoweniger weisen die Akzessionsjournale „Deutsch Dona“ und „Orientalische Abteilung“ für die Jahre 1938 und 1939 einige Dutzend Eintragungen auf, die zweifellos mit den Erlassen des Reichsministeriums der Finanzen in Zusammenhang stehen. Die Orientalische Abteilung erhielt 1938 vier Titel vom Landesfinanzamt Berlin Alt-Moabit und 1939 zwei vom Finanzamt Dortmund, 1939 vom Finanzamt Frankfurt am Main 67 Antiquaria und 1940 sechzehn Titel vom Finanzamt Moabit West. 1939 wurde für sieben Titel der Jüdische Kulturbund als Einlieferer genannt.266 Möglicherweise war er nicht der Einlieferer, sondern der Eigentümer der überstellten Literatur. Das Akzessionsjournal „Deutsch Dona“ verzeichnet für 1938 zwei Titel, die vom Oberfinanzpräsidenten Baden, Karlsruhe, eingeliefert wurden.267 Die verzeichneten Überstellungen durch die Finanzbehörden hörten bis auf eine Ausnahme 1940 auf. Für das Jahr 1942 findet sich im Akzessionsjournal „Deutsch“ die Eintragung eines vom Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg eingelieferten Werkes mit dem bislang nicht gedeuteten Zusatz „Vorauszahlung für 64 Werke aus dem früheren Besitz des Dr. Cohn, Berlin“. Das Ausbleiben der Zugänge könnte in Zusammenhang mit einer Anweisung des Reichministeriums der Finanzen vom 2. August 1940 stehen, nach der „alle ihm unterstellten Zollbehörden, Finanzämter und Devisenstellen [...] beschlagnahmte Judaica nicht mehr, wie bisher unmittelbar der Staatsbibliothek in Berlin zuzuleiten“ hatten, sondern diese an das Reichs-
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mar Eichstädt nach möglichen Interessenten. Dieser korrigierte auf der handschriftlichen Stellungnahme Weisweilers Verwechslung: „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands, München, Ludwigstr. 22 B“. SBB PK, Historische Akten, III E.2, Bd. 14, 244 b. „Anschrift des Instituts hinzugefügt 15/10 Eichstädt“. RBBA, Krüß, an das Finanzamt Kassel, Vollstreckungsstelle, 18. 10. 1938 (Entwurf). SBB PK, Historische Akten, III E.2, Bd. 14, 244 c. Hauptzollamt, i. A. Erken, an die PSB, Düsseldorf, 19. 10. 1939. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 345. PSB, i. A. Re[incke] an das Hauptzollamt, November 1939 (handschriftlicher Entwurf), AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 344. Es geht aus dem Akzessionsjournal nicht hervor, ob die Erwerbungen der Orientalischen Abteilung Geschenke oder Kauferwerbungen waren. Diese Titel gehörten vermutlich zu einer Büchersammlung, die das Finanzamt Baden-Baden zwangsversteigern ließ. Der Erwerbungsabteilung lag ein 34 Nummern umfassendes Verzeichnis von Büchern und Zeitschriften, zumeist Erotica, vor, das etliche Bearbeitungsvermerke trägt. Das Gros waren Zeitschriften. Einige Bücher wurden in die Dublettensammlung gegeben. Der Oberpräsident Baden in Karlsruhe: Verzeichnis der vom Finanzamt Baden-Baden anlässlich einer Zwangsversteigerung beschlagnahmten Bücher und Zeitschriften, Bearbeitungsvermerk von Ruth Helwig: 30. 6. 1939. SBB PK, Historische Akten, A 62.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
sicherheitshauptamt übersandt werden sollten, das für die Weitergabe an die Preußische Staatsbibliothek zuständig war.268 Es ist noch ungeklärt, ob das Reichssicherheitshauptamt sogenannte Judaica und Hebraica an die Preußische Staatsbibliothek weitergeleitet hat. Am 2. Juli 1941 wurden vier Bücher, die „wahrscheinlich aus jüdischem Besitz“ stammten und „wegen ihres Alters und ihres etwaigen bibliophilen Wertes“ vom Finanzamt Nürnberg-Ost bislang zurückgehalten worden waren, von der Geheimen Staatspolizei überwiesen.269 Anhand der bislang gesichteten Akzessionsjournale ließen sie sich nicht nachweisen. Möglicherweise wurden sie von der Preußischen Staatsbibliothek lediglich entgegengenommen und nicht akzessioniert, oder sie gingen in eine der bislang noch nicht auf Raubgut überprüften Sondersammlungen ein. Im August 1948 übergab das Archival Depot in Offenbach, die Sammelstelle für die in den zahlreichen Verlagerungsorten in der amerikanischen Besatzungszone aufgefundenen Bücher und Archivalien, knapp 300.000 Objekte, dem Ministerpräsidenten von Hessen. Bei ihnen handelte es sich zum überwiegenden Teil um Bestände der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek, die den Grundstock für deren Nachfolgeeinrichtung, die Hessische Bibliothek in Marburg, bilden sollten. Leslie I. Poste, der nach Kriegsende selbst Mitarbeiter des Offenbach Archival Depot war, erwähnt, dass im September 1948 aus den bereits im Marburger Schloss befindlichen Beständen 28 Kisten mit Büchern ausgesondert wurden, „which appeared to have originated from the private libraries of German Jews“. Die Bücher – „popular Judaica, prayer books, Bibles, a few modern scholarly works, and some Hebraica of routine usefulness“ – waren im einzelnen nicht sehr wertvoll. Angeblich hatte sie ein Beamter der Preußischen Staatsbibliothek „from one or more of the Gestapo collection centers in Berlin“ herausgesucht. Diese Judaica und Hebraica „had not been incorporated into the library, facilitating their recovery for restitution“. Insgesamt wurden 3.150 Objekte und weitere 15 aus der Universitätsbibliothek Marburg – bei denen es sich wohl ebenfalls um Raubgut handelte – am 10. Oktober 1948 nach Offenbach zurückgebracht und von dort aus restituiert, wenngleich nur etwa die Hälfte ihrer Herkunft nach identifiziert werden konnte.270 Bei dieser Gelegenheit waren freilich nicht alle einstmals in die Preußische Staatsbibliothek eingegangenen und in die spätere amerikanische Besatzungszone verlagerten Judaica und Hebraica erfasst worden.271 268 269
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Zit. n. RUDOLPH, Sämtliche Sendungen, 226 f. Geheime Staatspolizei, Geheimes Staatspolizeiamt, i. A. gez. Dr. [Ernst?] Jahr, an die PSB, 2. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 192. Am 19. 7. 1941 bestätigte Annemarie Andresen den Empfang der Bücher. Erwerbungsabteilung, i. A. A[ndresen], an die Geheime Staatspolizei, 19. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 193. POSTE, Development, 385–387. Vom Offenbach Archival Depot waren schon früher Bibliotheksbestände der PSB zurückgegeben worden. So verließen am 22. 4. 1946 23 Güterwaggons mit dem Ziel Berlin die Sammelstelle in Offenbach. Die insgesamt ca. 700.000 Objekte dieser Sendung waren, um Platz in den Arbeitsräumen zu schaffen und weil es kaum Anhaltspunkte gab, dass sie solches enthielten, nicht auf Raubgut überprüft worden. EBD. 349 f. Bis zum 29. 4. 1946 konnten diese ursprünglich ins Stift Tepl ausgelagerten PSB-Bestände wieder in das Bibliotheksgebäude Unter den Linden transportiert werden. SCHOCHOW, Bücherschicksale, 156 ff. Dass auch die in die Sowjetische Besatzungszone und in das nach Kriegsende polnische Staatsgebiet verlagerten Bestände auf Raubgut aus jüdischem Eigentum überprüft wurden, ist eher unwahrscheinlich.
Bibliotheksorganisatorische Konsequenzen
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Im Jahre 2006 gab die Staatsbibliothek zu Berlin 17 Bücher und Broschüren aus der Bibliothek des Berliner jüdischen Gelehrten und Rabbiners Leo Baeck an seine Erben zurück, die zuvor in „unbearbeiteten Altbeständen“ der Staatsbibliothek aufgefunden worden waren.272 Solche Altbestände wurden mit dem Gesamtbestand der Hessischen – seit 1949 Westdeutschen – Bibliothek in Marburg in den sechziger und siebziger Jahren nach West-Berlin überführt, wo die inzwischen von der von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übernommene Staatsbibliothek das Gebäude an der Potsdamer Straße 33 beziehen sollte. Leo Baeck besaß in seiner Wohnung in Berlin-Schöneberg eine umfangreiche Privatbibliothek. Nachdem er im Januar 1943 nach Theresienstadt deportiert worden war, galt sie als verschollen. Zweifellos wurden zumindest Teile davon der Preußischen Staatsbibliothek angeboten und an sie überstellt. Die Tatsache, dass die in jüngster Vergangenheit entdeckten Bücher und Broschüren aus dem Eigentum Leo Baecks unbearbeitet geblieben waren, bestätigt Postes Bericht, nachdem geraubte Judaica und Hebraica zwar entgegengenommen, aber nicht in die Bestände der Preußischen Staatsbibliothek aufgenommen, d. h. nicht akzessioniert wurden. Ob dies im Hinblick auf eine spätere Restitution geschah, muss dahingestellt bleiben.
3.5
Bibliotheksorganisatorische Konsequenzen aus der Erwerbung von Raubgut
3.5.1 Zur Praxis der Sekretierung an der Preußischen Staatsbibliothek 3.5.1.1 Die Frage des Eigentums an beschlagnahmter und verbotener Literatur Nach den Bücherverbrennungen befragt diktierte Krüß auf seiner USA-Reise 1933, die von Ende September bis Anfang November dauerte und während der er u. a. die Rockefeller Foundation in Chicago besuchte, einem Reporter der New York Times in die Feder: „[…] a decree was issued that no books in any of the principal libraries were to be molested. That decree has been meticulously observed. I told my chief aide, who is a Social Democrat, that if any one came to the library to get any books the offenders were to be kicked on the shins and put out.”273 Die Bücherverbrennung auf dem Opernplatz in Berlin lag zu diesem Zeitpunkt ein knappes halbes Jahr zurück. Tatsächlich gab es einen Erlass des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, der festlegte, „daß für die wissenschaftlichen Bibliotheken die Beschlagnahme
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Vgl. HOLLENDER, Aus den Privatbibliotheken. Vgl. auch DERS., Herrenlos. Denies Nazis Rename Mendelssohn Room, in: NEW YORK TIMES, 7. 10. 1933, S. 13. Zeitungsausschnitt in Krüß’ Tagebuch 1933. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Vgl. SUTTER, Krüss, 318. Wer der Sozialdemokrat in Krüß’ Umfeld war, ist bislang nicht bekannt.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
oder Vernichtung jüdischer oder marxistischer Literatur nicht in Frage“ kam.274 Von den ‚Säuberungen‘ durch nationalsozialistische Aktivisten, die NS-Studentenschaft und den Kampfbund für deutsche Kultur, blieb die Preußische Staatsbibliothek ebenso wie andere wissenschaftliche Bibliotheken verschont. Dennoch waren die Bücher in den wissenschaftlichen Bibliotheken nicht so unantastbar, wie Krüß im Herbst 1933 glaubte oder glauben machen wollte. Meldungen aus den dem Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unterstehenden Bibliotheken veranlassten Vahlen am 12. November 1936 zu der Klarstellung, dass die Bestände der wissenschaftlichen Bibliotheken Staatseigentum seien und „ohne ausdrückliche Genehmigung der verfügungsberechtigten Landesregierung“ nicht abgegeben werden dürften. „Dahingehende Anträge sind mir zur Entscheidung vorzulegen.“ Von „Polizei- und anderen Stellen“ waren, wie Vahlen schrieb, „in letzter Zeit“ bei den staatlichen wissenschaftlichen Bibliotheken derartige Anträge auf dauernde Überlassung sekretierter Werke gestellt worden.275 Wahrscheinlich meinte Vahlen mit den anderen „Stellen“ den Sicherheitsdienst der SS, der auf die Herausgabe sekretierter Werke zum Aufbau seiner Zentralbibliothek drängte, und dass der Erlass in Zusammenhang mit der Erweiterung der Befugnisse der SS stand. Krüß’ Förderung der Bibliothek auf der Wewelsburg war im übrigen von Vahlens Erlass nicht betroffen, da es den Bibliotheken unbenommen blieb, Dubletten abzugeben. In ihrem Geschäftsalltag schienen sich die Bibliothekare, die beschlagnahmte Literatur bearbeiteten, auf eine solche unscharfe, den realen Machtverhältnissen entsprechende Rechtslage bereits eingerichtet zu haben. Sie akzeptierten, dass die Geheime Staatspolizei die eingelieferte beschlagnahmte Literatur jederzeit wieder anfordern konnte. So war es für Otto von Franqué,276 den Leiter der Einbandstelle in der Preußischen Staatsbibliothek, selbstverständlich, dass diese Literatur „Eigentum der beschlagnahmenden Behörde“ blieb und „jederzeit zurückverlangt werden“ konnte. „Für den Fall verlangter Rückgabe“ musste deshalb jedes Buch während des Geschäftsdurchlaufs nachweisbar sein.277 Und Feldkamp warnte aus dem gleichen Grunde davor, „dass diese verbotenen, beschlagnahmten usw. Schriften in Verlust“ gerieten, weil „viele dieser Bände nicht Eigentum der Staatsbibliothek“ seien.278 Welche Bücher und Schriften der Preußischen Staatsbibliothek endgültig und welche ihr unter Vorbehalt übereignet wurden, geht aus Feldkamps Ausführungen nicht hervor. 274
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PMWKV, i. A. gez. Gerullis, an den GD der PSB, 8. 6. 1933 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, Nr. 127. Die Abschrift stand in Zusammenhang mit einer Aktennotiz Gustav Abbs an den GD vom 29. 6. 1933. RuPMWEV, i. A. Vahlen, an den GD der PSB u. a. 12. 11. 1936. SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 21, 315. Otto von Franqué war vom 13. 2. 1935–31. 7. 1936 Leiter der Einbandstelle. JAHRESBERICHT, 1933, 30; JAHRESBERICHT, 1936, 24. Anfang August 1936 wurde von Franqué Leiter der Bibliothek der Luftkriegsakademie in Berlin-Gatow und am 1. 7. 1939 Direktor der Bibliothek der Technischen Hochschule in Danzig. SBB PK, Historische Akten, I.9-255. [von Franqué:] Vorschläge zu einer Regelung für die beschlagnahmten Bücher. o. D. SBB PK, Historische Akten, A 62. Feldkamp, 27. 10. 1936; Nachsatz von Schnütgen an den GD; von B[ecker] abgezeichnet. SBB PK, Historische Akten, A 62.
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3.5.1.2 Die Entwicklung eines Geschäftsgangs zur Sekretierung beschlagnahmter und indizierter Literatur an der Preußischen Staatsbibliothek Gewissermaßen als Gegenleistung für die Überstellung verbotener Literatur fordert das NSRegime von den Bibliotheken, dass diese nicht öffentlich zugänglich sein dürfe. Andererseits gestanden die Bibliothekare solche Benutzungsbeschränkungen bereitwillig zu. In seinem Schreiben vom Juni 1933 knüpfte das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung die Unantastbarkeit der Bestände wissenschaftlicher Bibliotheken an diese besondere „Aufmerksamkeit“. Der Entleiher hatte den Nachweis zu erbringen, „daß er die Bücher zu ernster wissenschaftlicher Forschungsarbeit benötigt.“279 Schon im Mai 1933 hatte Krüß von sich aus die Sekretierung der erhofften „unterirdischen Propagandaliteratur“ zugesichert.280 Im September 1933 bekräftigte er noch einmal seine Zusage gegenüber der Geheimen Staatspolizei. Die fraglichen Schriften sollten „sekretiert und, solange es das Staatsinteresse erfordert, von jeder Benutzung ausgeschlossen werden.“281 In der Praxis bewältigten die Bibliothekare der Preußischen Staatsbibliothek die Auflagen der Sekretierung jedoch nur unvollständig und unter Schwierigkeiten. In den ersten Jahren des NS-Regimes unterwarfen sie ganze Kategorien von Literatur den Regeln einer eingeschränkten Benutzung. Sekretiert war beispielsweise die gesamte seit 1917 erschienene russische Literatur, darunter Ausgaben von Puschkins und Dostojewskis Werken.282 In anderen Signaturbereichen arbeiteten sie nicht schnell genug, um den Verboten zu entsprechen. So entdeckte ein Sachbearbeiter des Reichs- und Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung verbotene Literatur, die in den Bibliotheken offen zugänglich in Wandregalen stand.283 Vermutlich war dies kein Indiz für den geheimen Widerstand der Beamten, sondern 279
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PMWKV, i. A. gez. Gerullis, an den GD der PSB, 8. 6. 1933 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, Nr. 127. Krüß an den MWKV, 26. 5. 1933. GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10, Bl. 16. [Feldkamp] an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin, 4. 9. 1933, SBB PK, Historische Akten, A 62. Krüß an die Deutsche Hochschule für Politik, Antimarxistisches Seminar, 7. 2. 1935, abgesandt am 9. 2. 1935. SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 21, 31. Krüß schrieb: „Die Annahme, dass die Werke von Puschkin und Dostojewski bei der Staatsbibliothek auf die Liste marxistischer Bücher gesetzt worden seien, dürfte auf einem Missverständnis beruhen. Eine Liste marxistischer Bücher wird bei der Staatsbibliothek nicht geführt. Andererseits sind bestimmte Gruppen des Bestandes der Staatsbibliothek, unter denen sich auch die marxistische Literatur befindet, der unmittelbaren Benutzung insoweit entzogen, als es zu ihrer Freigabe eines besonders begründeten Antrages des jeweiligen Benutzers bedarf. Unter den Gruppen, die hier in Betracht kommen, befinden sich alle Druckschriften in russischer Sprache, die nach 1917 erschienen sind. Russische Ausgaben von Puschkin und Dostojewski seit 1917 fallen sonach ebenfalls unter die Beschränkung, die bei dem grossen Umfang des Betriebes der Staatsbibliothek nur nach grösseren Gruppen von Literatur und nicht nach Einzelwerken geführt werden kann.“ Vermutlich war es Kummer, der Bibliotheken inspiziert und in Instituts- und Seminarbibliotheken „Werke von Lenin, Bucharin, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Kurt Eisner, Mühsam usw. für jedermann frei zugänglich“ vorgefunden hatte. RuPMWEV, gez. Bachér, an den GD der PSB, 16. 12. 1936 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, A 62. Vgl. auch RuPMWEV, i. A. Vahlen, an den GD der PSB u. a. (Rundschreiben), 3. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 21, 75. Das gleiche Schreiben: RuPMWEV, i. A. Vahlen, an den GD der PSB u. a. (Rundschreiben), 3. 4. 1935. BArch R 4901/2663, Bl. 12.
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eher für ihre Nachlässigkeit und für die Unfähigkeit, den Forderungen des Regimes nachzukommen. Als Direktor der Benutzungsabteilung stellte Gustav Abb im Juni 1933 Richtlinien für die eingeschränkte Benutzung „jüdischer und marxistischer Literatur“ auf. Der Leiter der Signierstelle hatte die Bestellungen der Signaturen Fc 6600-9000 (Politik: Sozialismus und Kommunismus) zu prüfen und, falls der Benutzer sein ernsthaftes wissenschaftliches Interesse nicht nachweisen konnte, mit dem Stempel „Nicht verleihbar. § 23 der Ben.Ord.“ zu versehen. Abb forderte die Bibliothekare dazu auf, aufmerksam zu sein und in der gleichen Weise zu verfahren, „wenn beim Signieren oder beim Verteilen der eingegangenen Bestellungen der gleichen Kategorie angehörige Bücher festgestellt werden, die an anderen Standorten des Magazins untergebracht sind.“ Zusätzlich sollten die Bücher in den Absignierstellen in der Leihstelle und im Großen Lesesaal eine Kontrolle vor der Ausgabe passieren. Auch dort sollten die jeweiligen Leiter gegebenenfalls von dieem Stempel Gebrauch machen. Mit diesen Maßnahmen meinte Abb, „ein doppeltes Sieb“ zu schaffen, „das in den meisten Fällen ausreichen dürfte, um die unbefugte Benutzung jüdischer und marxistischer Literatur zu verhindern.“284 Dieses „Sieb“ erwies sich jedoch als unzulänglich. Deshalb führte die Preußische Staatsbibliothek im Februar 1934 die Kennzeichnung der verbotenen Literatur ein. In einem Rundschreiben verfügte Krüß, dass die in ihrer Benutzung beschränkten Bücher und Zeitschriften „am Kopf des Buchrückens mit einer Marke – Dreieck in hellblauer Farbe“ – gekennzeichnet werden mussten. „Bei Zeitschriftenbänden, von denen einzelne Hefte bereits der Benutzung entzogen waren, wird von der Zeitschriftenstelle das Dreieck vorläufig auf dem Bindezettel angebracht. Bei Monographien, deren hier in Frage kommender Charakter bereits in der Kaufstelle oder an anderen Stellen erkannt worden ist, wird die vorläufige Kennzeichnung durch Anbringung des Dreiecks auf dem gelben Begleitzettel vorgenommen. Die Entscheidung über die endgültige Anbringung der Marke trifft der Realkatalogführer. […] Bezüglich der sogenannten Greuel- und Emigranten-Literatur bleibt es einstweilen bei dem bereits bestehenden Verfahren, wonach diese Literatur nicht in den Geschäftsgang gegeben, sondern ausschließlich bei der Accession behandelt und dort sekretiert wird. Ebenso bleibt die bisherige Behandlung der sekretierten Literatur unberührt.“ Wie Abb mahnte auch Krüß alle Mitarbeiter, die mit solchen Schriften befasst waren, zur Wachsamkeit, damit keine dieser Druckschriften in unbefugte Hände gelange.285 Zwei Wochen später umriss er in einem weiteren internen Rundschreiben, welche Signaturengruppen unter die Benutzungsbeschränkungen fielen. Dazu gehörte das bereits von Abb benannte Sachgebiet Sozialismus und Kommunismus, „unabhängig davon, ob sie mit dem blauen Dreieck bezeichnet sind oder nicht. Ausgenommen sind diejenigen Druckschriften, die gegen Marxismus und Kommunismus gerichtet sind“, zudem alle Druckschriften, die bereits
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PMWKV, i. A. gez. Gerullis, an den GD der PSB, 8. 6. 1933 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, Nr. 127. Die Abschrift in Verbindung mit einer Aktennotiz Abbs an den GD vom 29. 6. 1933. „Behandlung der neuzugehenden Druckschriften, die aus politischen Gründen der allgemeinen Benutzung entzogen sind“. GD der PSB, Krüss, Umlauf, 24. 2. 1934. SBB PK, Historische Akten, Nr. 127.
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„mit dem blauen Dreieck versehen“ waren, „alle übrigen Druckschriften, bei denen nachträglich festgestellt wird, daß sie für die Freigabe zur allgemeinen Benutzung ungeeignet sind“ und schließlich – was später Anlass zu der maliziösen Beschwerde der Deutschen Hochschule für Politik gab286 – „alle Druckschriften in russischer Sprache, die nach 1917 erschienen sind“ sowie „alle ausländischen Tageszeitungen, soweit sie nach dem 1. Januar 1933 erschienen sind“. Krüß ordnete an, dass bei den beiden letztgenannten Kategorien gleichfalls blaue Dreiecke anzubringen seien.287 Ein Jahr später, im März 1935, verfügte er, dass analog zu der marxistischen auch die Freimaurerliteratur von der allgemeinen Benutzung ausgeschlossen werden solle.288 Es gelang jedoch weder, alle verbotene Literatur sofort der Benutzung zu entziehen, noch, sie vor neugierigen Kollegen und Kolleginnen abzuschirmen. 1939 kam Sveistrup in anderem Zusammenhang289 noch einmal auf das von Abb und Krüß vorgeschlagene Verfahren, bestimmte Signaturengruppen zu sekretieren, zurück und demonstrierte, dass damit das Problem, die verbotene Literatur unter Verschluss zu halten, nicht zu lösen war. Sein Kollege Wilhelm Nickel hatte die Auffassung vertreten, dass die systematische Aufstellung in den Magazinen die Sekretierung erleichtert habe. Die gesamte verbotene Freimaurerliteratur habe auf diese Weise ohne jeglichen Arbeitsaufwand aus dem Verkehr gezogen werden können, „eben weil diese Literatur unter den Signaturen Nb 3000-9000 zusammensteht.“ Für Sveistrup war dies „ein gefährlicher Irrtum, der für die Generalverwaltung leicht einmal sehr unliebsame Folgen haben“ könnte. „Im RK [Realkatalog] und der systematischen Aufstellung ordnen wir ja nicht nach der Weltanschauung, Konfession, Partei, Sekte usw. ein, der ein Verfasser angehört, sondern nach dem Thema, das er behandelt.“ So stünden Karl Marx’ Schriften „Die Klassenkämpfe in Frankreich“ und „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“ im Magazin unter der Geschichte Frankreichs und nicht unter Sozialismus. Und auch unter der Signatur für das Freimaurertum – Nb – finde sich sowohl die Literatur, die von den Freimaurern selbst, als auch solche, die von ihren Gegnern verfasst wurde.290 Wegen nicht näher benannten „Verstößen gegen die bestehenden Vorschriften“ drang Vahlen in einem Rundschreiben an die Bibliotheken im April 1935 darauf, dass die von den Polizeibehörden überstellte Literatur unter Verschluss zu halten und die Benutzung nur „nach strenger Prüfung im Einzelfall freizugeben (und zwar nur in den Räumen der Bibliothek)“ sei. Es gehe 286
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Krüß an die Deutsche Hochschule für Politik, Antimarxistisches Seminar, 7. 2. 1935, abgesandt am 9. 2. 1935. SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 21, 31. GD der PSB, Umlauf, 12. 3. 1934. SBB PK, Historische Akten, Nr. 127. Krüß, Umlauf, 7. 7. 1936. SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 21. Der Umlauf vom 13. 3. 1935 richtete sich ausschließlich gegen Freimaurerliteratur. Krüß schrieb: „Nach den durch die Umlaufverfügung vom 12. März 1934 getroffenen Bestimmungen ist sinngemäss auch die das Freimaurertum betreffende Literatur von der allgemeinen Benutzung ausgeschlossen und nach § 23 der Benutzungsordnung zu behandeln.“ SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 15, 289. Hans Sveistrup: Fiducia praesentium. SBB PK, Historische Akten, Nr. 238, 83. In dem Memorandum polemisierte Sveistrup für die Numerus-currens-Aufstellung der Neuzugänge und gegen die Praxis seiner Kollegen, die an der Aufstellung nach Fachgebieten festhielten. EBD.
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nicht an, dass die verbotene Literatur lediglich „im Dienstzimmer irgend eines leitenden Beamten“ aufgestellt werde. Vielmehr müsse die Bibliothek eine „besondere Abteilung“ schaffen, den Zutritt zu diesem Areal regeln und die Verantwortlichen benennen.291 Abb schlug daraufhin vor, dass der „umgitterte Magazinteil in Süden 12“, also im zwölften Stockwerk des Südflügels, zur Aufnahme der beschlagnahmten Literatur genutzt werden könnte.292 Dorthin sollten die neu eingegangenen verbotenen Schriften gebracht werden. Weil dieser Teil des Magazins aber für die Mitarbeiter der Erwerbungsabteilung zu weit entfernt war, lehnte Feldkamp den Vorschlag ab und nannte statt dessen einen Raum im I. Stock, das der Akzession zugewiesene Zimmer 101.293 Es ist nicht klar, ob infolge dieser Diskussionen bereits ein „Geheim-Magazin“ eingerichtet wurde.294 Vahlens Erlass vom 3. April 1935 zielte möglicherweise auf den Umstand, dass immer wieder beschlagnahmte Literatur während der Bearbeitung in den Abteilungen oder aus den Magazinen verschwand. Als Reaktion auf diesen Schwund arbeitete von Franqué „Vorschläge zu einer Regelung für die beschlagnahmten Bücher“ aus. Er stellte fest, „dass sogar die geschlossenen Lieferungen, die bisher in den Geschäftsgang gegeben worden sind, nicht bis zum Geheimschrank beim Direktor der Benutzungsabteilung gelangt“ waren. Dass beschlagnahmte Schriften während des Geschäftsdurchlaufs verschwänden, müsse unbedingt unterbunden werden, „um mögliche, für die Staatsbibliothek unerfreuliche Folgeerscheinungen zu vermeiden.“295 Als Gegenmaßnahme entwickelte von Franqué die Sammelbearbeitung.296 Eine Anzahl beschlagnahmter Schriften, die auf einer Liste erfasst waren, sollte bei der Bearbeitung jeweils gemeinsam durch die Abteilungen geschickt werden. Eine Kopie der Liste verblieb in der Erwerbungsabteilung, eine andere lag den Schriften bei ihrem Weg durch die Abteilungen bei. Abschließend kontrollierte die Benutzungsabteilung die Vollständigkeit anhand dieser Listen. Außerdem sollten die Abteilungen Kontroll-Bücher führen, in die sie die Nummern der Listen eintrugen. Die beteiligten Abteilungen waren: die Titeldruckstelle „nur für die noch nicht in den Katalogen nachweisbaren Schriften“, die Einbandstelle, „die auch die Verteilung an den Realkatalogführer und den Signaturendruck besorgt“, der Alphabetische Katalog, der Zettel291
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RuPMWEV, i. A. Vahlen, an den GD der PSB u. a. (Rundschreiben), 3. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 21, 75. Abb an den GD, 8. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 21, 74. Feldkamp an den GD, 18. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 21, 77. Feldkamp nannte noch weitere Orte, an denen im Frühjahr 1935 sekretierte Schriften aufbewahrt wurden: „Die Secreta der Staatsbibliothek befinden sich 1) im Zimmer von Herrn Direktor Abb, 2) im Zimmer von Lic. Smend und 3) in den beiden Schränken auf dem Flur im I. Stock. Mit Rücksicht darauf, dass fast täglich Hefte und Bücher in die Schränke des Zeitschriften-Zimmers und der Akcession eingelegt werden müssen, liegt der von Herrn Direktor Abb vorgeschlagene umgitterte Magazinteil im Geschoss 12 zu weit entfernt.“ [Feldkamp], o. D. [vermutlich Frühjahr 1936]: Richtlinien für die Sekretierung der in der Liste der Reichsschrifttumskammer verzeichneten Werke. SBB PK, Historische Akten, A 62. [von Franqué:] Vorschläge zu einer Regelung für die beschlagnahmten Bücher. o. D. SBB PK, Historische Akten, A 62. Über 100 dieser Sammelbearbeitungslisten befinden sich im Aktenkonvolut A 62. Sie umfassen jeweils etwa 15 Titel politische oder aus anderen Gründen verbotene Literatur, darunter zahlreiche Erotica.
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katalog mit Schlussstelle und die Benutzungsabteilung. Der Durchlauf sollte innerhalb von 14 Tagen abgeschlossen sein und die Schriften am Ende im Geheimschrank der Benutzungsabteilung aufgestellt werden. Von Franqués Vorschläge betrafen auch die bereits in der Bibliothek vorhandenen Exemplare der verbotenen Titel. Diese sollten aus dem Magazin herausgezogen und zusammen mit dem beschlagnahmten Exemplar weitergeleitet werden. Aus dem Blickwinkel der Benutzung musste es jedoch unsinnig erscheinen, alle diese zweiten oder dritten Exemplare oder die identischen Auflagen ein und desselben Titels in dem erwähnten Geheimschrank in der Benutzungsabteilung aufzubewahren. Diese Exemplare sollten fortan nicht mehr in der Benutzungs-, sondern in der Erwerbungsabteilung unter Verschluss gehalten werden. Etwa anderthalb Jahre lang verfuhr die Erwerbungsabteilung nach von Franqués Richtlinien für die Sammelbearbeitung, wenngleich die Generaldirektion dieser Praxis nie ausdrücklich zugestimmt hatte.297 Im Herbst 1936 erklärte Feldkamp das Verfahren für gescheitert.298 Die Sammelbearbeitung wurde indes nur für kurze Zeit eingestellt, dann aber wieder aufgenommen und bis 1943 fortgeführt.299
3.5.1.3 Die Sekretierung der indizierten Altbestände Franqués Verfahren erfasste die bereits vorhandene verbotene Literatur nur zufällig, und zwar immer nur dann, wenn neue beschlagnahmte Exemplare mit früher aufgenommenen des gleichen Titels dublett waren oder durch die Beschlagnahme die Neuauflage eines bereits bekannten Titels in die Bibliothek gelangte. Bereits im Dezember 1934 hatte die Generaldirektion verfügt, dass die Erwerbungsabteilung auch die indizierte, schon früher in die Preußische Staatsbibliothek eingegangene Literatur sekretieren müsse.300 Um den Schwierigkeiten der nachträglichen Sekretierung gründlicher zu begegnen als von Franqué, stellte Feldkamp im Herbst 1935 seine „Regelung für die beschlagnahmten Schriften“ auf. Dem Börsenblatt der Deutschen Buchhändler hing jeweils eine Liste der neuerlich auf den Verbotsindex gesetzten Schriften an. Die Zeitschriftenstelle sollte diese Listen durchsehen, die dort genannten Periodica aus den laufenden ungebundenen Jahrgängen herausziehen und sie der Vorakzession „zur Aufbewahrung in dem Schrank“ – in der Erwerbungsabteilung – übergeben. „Soweit es sich um bereits gebundene Stücke handelt, werden diese aus dem Magazin, bezw. dem Geschäftsgang herausgezogen und dem Sekretierten-Schrank von Direktor Poewe [d. h. in der Benutzungsabteilung] zugeleitet. […] Nach Erledigung der eigenen Arbeiten schneidet die Zeitschriftenstelle den Abschnitt verbotene und beschlagnahmte Druckschriften aus dem Börsenblatt aus und übergibt ihn an Fräulein Pott, Voraccession, die jetzt ihrerseits die 297
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[von Franqué:] Nachtrag [zu „Vorschläge zu einer Regelung für die beschlagnahmten Bücher“] o. D. SBB PK, Historische Akten, A 62. Feldkamp, 27. 10. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62. Aus den Abzeichnungsdaten auf den erhaltenen Listen zu schließen. SBB PK, Historische Akten, A 62. Feldkamp [an den GD], 30. 10. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62.
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verbotenen Einzelschriften auf Vorhandensein und Nichtvorhandensein prüft.“ Nicht vorhandene verbotene Literatur wurde daraufhin entsprechend der im Börsenblatt enthaltenen Liste bestellt. Die bereits vorhandenen inkriminierten Schriften sollten aus dem Magazin herausgezogen und an die Benutzungsabteilung weitergegeben werden. In den Katalogen sollte jeweils ein „Sekretierten-Vermerk“ angebracht werden. Die Orientalische und die MusikAbteilung sollten gleichfalls von der Vorakzession über die verbotenen Schriften ihres Sammelgebietes „zwecks Ergreifung eigener Massnahmen für die Sekretierung“ informiert werden. Feldkamp unterschied zwischen aktuellen, bereits vorhandenen verbotenen Werken und älteren Beständen verbotener Werke. Sie sollten aus dem Magazin geholt, im sogenannten Hellmann-Zimmer sichergestellt und von Fall zu Fall entschieden werden, was zu tun wäre, „wenn in einem einzelnen Jahrgang oder in einem Sammelband eine einzelne bibliographische Einheit verboten ist.“ Besonders dann, wenn einzelne Aufsätze, einzelne Zeitschriftennummern oder andere Werke in der Bibliothek schon zu einem Sammelband vereinigt worden waren, war die Sekretierung nicht nur ein Problem der Aufstellung und Kennzeichnung, sondern auch ein Problem für die Buchbinderei. Feldkamp traf auch dafür konsequente Anordnungen: „In Aussicht genommen ist die Auflösung der Bände und Herausnahme der Einzelnummer, bezw. des Einzelstücks. In diesem Falle wären auch die Kataloge entsprechend der neuen Bindeart zu berichtigen.“301 Doch ließen sich – vermutlich wegen des immensen Arbeitsaufwandes – diese Regelungen zur Sekretierung der bereits vorhandenen verbotenen Literatur nicht wie geplant durchführen, was Feldkamp im Herbst 1936 eingestehen musste.302 Seit 1936 sah die Mitarbeiterin der Erwerbungsabteilung Margarete Pott nicht mehr nur das Börsenblatt, sondern das Deutsche Kriminal-Polizeiblatt und das Bayerische Polizeiblatt „auf die ausgesprochenen Verbote und Beschlagnahmen durch“.303 Die verbotenen Schriften wurden nun aus den zugänglichen Teilen des Magazins in ein Geheim-Magazin304 gebracht. Die Benutzungsabteilung führte einen Sonderkatalog, in den sie die Titelaufnahmen „von den neu zugeführten Werken“ einfügte. Um zu vermeiden, dass weiterhin Bücher und Schriften auf ihrem Weg durch die Abteilungen verschwanden, und um dennoch Sekretierungsvermerke in den Katalogen anzubringen, holte Pott nicht die Bücher aus dem Magazin, sondern zog für die Vermerke Angaben aus dem Börsenblatt bzw. aus den Polizeiblättern heran. Die Bücher oder Schriften wurden davon unabhängig direkt der Benutzungsabteilung überstellt. Analog zu den drei Hauptkatalogen der Preußischen Staatsbibliothek legte die Kaufstelle als Nachweis für die Sekretierungsvermerke gesonderte Karteien an. Die Karteien setzten sich wegen der verschiedenen Quellen, in denen die Verbote veröffentlicht wurden, aus Zetteln unterschiedlicher Herkunft zusammen. Weil in diesen Karteien die Liste der Reichsschrifttumskammer aber noch völlig fehlte, bestand im
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Feldkamp: Regelung für die beschlagnahmten Schriften, 23. 11. 1935. SBB PK, Historische Akten, A 62. Feldkamp [an den GD], 30. 10. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62. EBD. Ein Sondermagazin existierte also mindestens seit dem Herbst 1936.
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Herbst 1936 „die Gefahr, dass in Kürze jede Übersicht darüber verloren geht, welche Werke in den Katalogen bereits den Sekr.-Vermerk tragen und welche nicht.“305 Durch die Liste der Reichsschrifttumskammer – vermutlich „die Liste 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums (Stand 1. Okt. 35)“306 – hatte sich die Arbeit an der Sekretierung bereits vorhandener Schriften derartig vermehrt, dass weitere Arbeitskräfte – Hans Falk307 und Ludwig Denecke308 – dafür abgestellt werden mussten. Da die Kapazitäten der Erwerbungsabteilung erschöpft waren, schlug Feldkamp von Schnütgen unterstützt der Generaldirektion vor, die Bearbeitung aller bereits vorhandenen zu sekretierenden Werke Kurt Willner309 von der Benutzungsabteilung zu übergeben. Feldkamp schrieb: „Die Sekretierung beschlagnahmter und verbotener Bücher ist allmählich zu einer so umfassenden und zentralen Aufgabe geworden, dass sie als Nebenarbeit nicht mehr geleistet werden kann.“310 Die Erwerbungsabteilung solle nur noch die Neuzugänge verbotener Literatur bearbeiten. Willners Aufgabe war es, bereits vorhandene Literatur nach den Vorgaben der umfangreichen Liste der Reichsschrifttumskammer zu sekretieren. Die Richtlinien für diese Arbeiten stammten von Feldkamp.311 Ende Dezember 1936 konnte Willner eine erste Bilanz vorlegen.312 Die Reichsschrifttumskammer forderte, jeweils alle Werke eines verbotenen Autors zu sekretieren. Dazu gehörten sämtliche deutsche Auflagen einschließlich der Übersetzungen. Feldkamp legte fest: „Im Geheim-Magazin selbst werden der Vermerk ‚sekr.‘ der Buch-Signatur hinzugefügt, das ‚Sekr.‘-Etikett auf dem Rücken des Buches befestigt, die Werke für den Sekretierten-Katalog verzettelt und die Ersatzpappen für das Magazin ausgeschrieben.“313 Feldkamp ordnete ausdrücklich die Anbringung des Vermerks in den allgemeinen Katalogen an: „Entsprechend dem bisherigen Verfahren ist im AK [Alphabetischen Katalog], ZK [Zettelkatalog] und RK [Realkatalog] jeweils bei der betr. Signatur der Vermerk ‚Sekr.‘ anzubringen. Bei Serienwerken ist der Vermerk im AK sowohl bei der Serie als auch bei dem Einzeltitel, im ZK nur bei dem Einzeltitel und im RK nur bei der Serie anzubringen. Δ-Vermerke in den Kata305 306
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Feldkamp [an den GD], 30. 10. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62. Poewe, 9. 6. 1937. SBB PK, Historische Akten, A 62. Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums, Berlin 1935. Hans Falk war vom 1. 1. 1935–30. 4. 1936 wissenschaftlicher Bibliothekar in der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums. Am 1. 5. 1936 trat er in die PSB ein. Krüß attestierte ihm am 2. 4. 1941 „Nach halbjähriger Tätigkeit in der Sekretierungsabteilung wurde er in die Katalogabteilung übernommen, in der er bis heute tätig ist.“ SBB PK, Historische Akten, I.9-236. Ludwig Dencke war vom 1. 4. 1930–30. 9. 1933 Mitarbeiter am Deutschen Wörterbuch bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften. SBB PK, Historische Akten, I.9-273. Kurt Willner war vom 1. 10. 1935–30. 9. 1936 Volontär an der PSB im zweiten Ausbildungsjahr, seit dem 1. 10. 1936 Planmäßiger Bibliothekar. Als solcher erhielt er den Auftrag zur Sekretierung der bereits vorhandenen Bestände, woran er wohl nur bis zum Antritt seines Wehrdienstes am 4. 1. 1937 arbeitete. SBB PK, Historische Akten, I.9-281, Bd. 2. Feldkamp [an den GD], 30. 10. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62. [Feldkamp:] Richtlinien für die Sekretierung der in der Liste der Reichsschrifttumskammer verzeichneten Werke, o. D. [vermutlich Frühjahr 1936]. SBB PK, Historische Akten, A 62. Kurt Willner: Bearbeitung der zu sekretierenden Literatur, 29. 12. 1936. SBB PK, Historische Akten, A 62. [Feldkamp:] Richtlinien für die Sekretierung der in der Liste der Reichsschrifttumskammer verzeichneten Werke, o. D. [vermutlich Frühjahr 1936]. SBB PK, Historische Akten, A 62.
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logen sind in ‚Sekr.‘-Vermerke abzuändern, falls die Werke aus dem Magazin in die Geheimabteilung überführt werden. In der Liste von Herrn Ruseler314 sind die betr. Δ-Vermerke zu tilgen.“315 Die Markierung mit Dreiecken deutete also nur bis 1936 auf den Standort in der Geheimabteilung. Auf einem Schreiben, das auf der ersten Seite die handschriftliche Notiz „Herrn Direktor Poewe mit der Bitte um Rückgabe nach Abschrift Feldkamp 6/5.“ trägt, sind die Dreiecke mit der Spitze nach unten gezeichnet. So waren sie von Feldkamp gemeint. Die Benutzungsabteilung – nach Willners Ausscheiden zum 1. Januar 1937 war Bibliotheksrat Paul Sattler316 für die Sekretierung zuständig317 – gab die Gesamtzahl der sekretierten Werke nach den Listen der Reichsschrifttumskammer mit 7.378 an.318 Besondere Schwierigkeiten bereitete es, die ausgeliehenen Schriften durch die Mahnstelle eintreiben zu lassen. Eine gewisse Anzahl blieb verschollen. Als ein weiterer, undatierter Zwischenbericht vorgelegt wurde, sollte anstelle des Vermerks „Sekr.“ der Vermerk „SM“ für Sondermagazin angebracht werden.319
3.5.1.4 Die Einführung einer zweiten Sekretierungsstufe durch die Generaldirektion im November 1936 Auf einer Besprechung im November 1936 ordnete die Generaldirektion die „Zweigleisigkeit der Schriften-Sekretierung“ an.320 Durch die Verfügung vom 4. November 1936 erhielt Poewe den Auftrag, die laufende Bearbeitung des zu sekretierenden Schrifttums zu übernehmen.321 Im Juni 1937 waren gemäß der Liste 1 der Reichsschrifttumskammer „rund 6.500 Bände katalogisiert und nach Ausstellung eines Vertreters dem Sondermagazin zugeführt worden. Noch nicht bearbeitet sind ungefähr 3.000 Bände; darunter 500 Sammelbände.“322 1937 verwendeten die Bearbeiter durchgängig „SM“ für diejenigen Schriften, die im Sondermagazin aufbewahrt wur314
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Reino Ruseler legte im März 1931 an der PSB die Prüfung für den Mittleren Bibliotheksdienst ab. Als Mitglied der SPD wurde er 1933 aus dem städtischen Bibliotheksdienst in Berlin entlassen. Er trat am 1. 7. 1933 als Außerplanmäßiger Hilfsarbeiter in die PSB ein und arbeitete in der Katalogabteilung. SBB PK, Historische Akten, I.10-53. [Feldkamp:] Richtlinien für die Sekretierung der in der Liste der Reichsschrifttumskammer verzeichneten Werke, o. D. [vermutlich Frühjahr 1936]. SBB PK, Historische Akten, A 62. „Auf Grund der Verfügung der Generalverwaltung vom 24. 2. 1934 wird beim Realkatalog von Herrn Ruseler ein chronologisch geordnetes Verzeichnis der Bücher geführt, die aus politischen Gründen der allgemeinen Benutzung entzogen sind und zwecks Kennzeichnung am Kopfe des Buchrückens mit einem Dreieck in hellblauer Farbe versehen werden.“ Poewe schlug im Dezember 1937 vor, dieses Verzeichnis nicht fortzusetzen. Poewe, 18. 12. 1937. SBB PK, Historische Akten, A 62. Paul Sattler war seit dem 1. 4. 1929 Bibliothekar an der PSB. 1939 wurde er an die Universitätsbibliothek Göttingen versetzt. SBB PK, Historische Akten, I.9-219. Poewe, 9. 6. 1937. SBB PK, Historische Akten, A 62. [Willner?/Sattler?:] Sekretierte Literatur. „Sämtliche Schriften“. o. D. SBB PK, Historische Akten, A 62. EBD. Feldkamp: Zu dem Entwurf betr. Schriften-Sekretierung, 12. 4. 1937. SBB PK, Historische Akten, A 62. Poewe, 9. 6. 1937. SBB PK, Historische Akten, A 62. EBD.
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den,323 und ein Δ – ein Dreieck mit der Spitze nach oben324 – für die untere Stufe der Sekretierung, also für die Schriften, die im Hauptmagazin verblieben. Für die Sekretierung von Werken geächteter Schriftsteller schlug Poewe vor: „Die Hervorhebung dieser Autoren, deren Zahl mehrere Hundert beträgt, kann dadurch erfolgen, daß neben den Verfassernamen auf jeder Seite des Katalogs ein roter Stempelaufdruck ‚Sämtliche Schriften ‚SM‘ gesetzt wird.“ Nach wie vor war es schwierig, nachträglich einzelne Schriften in Sammelbänden zu sekretieren. „Unter den aus dem Hauptmagazin herausgezogenen Werken befinden sich ungefähr 500 Sammelbände von Schriften verschiedener Verfasser, von denen nur die eine oder die andere Schrift in die Liste 1 aufgenommen wurde, während die anderen unbedenklich sind.“ Poewe wollte es „der Gewissenhaftigkeit und dem richtigen Urteilsvermögen des Bearbeiters überlassen […], ob der ganze Sammelband sekretiert werden muß, ob er mit einem Δ versehen im Hauptmagazin stehen bleiben kann oder ob er unter Entfernung der zu sekretierenden Schrift umgebunden wird.“325 Er führte Kriterien für die Beurteilung an: Sammelbände mit Schriften, „deren Tendenz den politischen und weltanschaulichen Grundsätzen des Dritten Reichs“ widerspricht, sollten vollständig in das Sondermagazin überführt werden. Andere, weniger gefährliche Schriftenreihen sollten mit einem Dreieck auf dem Rücken versehen im Hauptmagazin aufgestellt bleiben. Die in der Erwerbungsabteilung eingehenden Neuzugänge wurden entweder mit einem Δ oder mit einem Sekretierungsvermerk versehen. Von Franqué bekam erneut die Aufgabe, Sammellisten für die Bearbeitung in den Abteilungen anzufertigen.326 Weiterhin bestand jedoch Unsicherheit darüber, welche Schriften sekretiert werden sollten und welche nicht. Nur bei den Autoren, deren sämtliche Werke verboten waren, bestanden keine Zweifel. Ein weiteres Problem tat sich durch die Erfassung der ausländischen NS-kritischen Literatur auf.327 Sie wurde Ende 1937 immer noch in einem besonderen Schrank der Erwerbungsabtei323
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In einem Umlauf vom Dezember 1936 ordnete Krüß an, dass der Vermerk „Sekr.“ in Zukunft nicht mehr verwendet werden sollte, anstelle dessen sollten die Bücher, die im Sondermagazin aufgestellt wurden, den Zusatz „SM“ tragen. „Entsprechend dem bisherigen Verfahren wird auf dem Buchrücken des zu sekretierenden Buches ein blaues Schild mit dem Buchstaben SM angebracht und in den Katalogen zu der Buchsignatur der Vermerk SM zugefügt.“ Krüß, Umlauf, Dez. 1936, abgesandt am 9. 12. 1936. SBB PK, Historische Akten, II.1, Bd. 21, 319. Jedenfalls setzte Poewe das Zeichen so in den Text. Poewe, 9. 6. 1937. SBB PK, Historische Akten, A 62. „Da es sich in der Praxis nicht hat durchführen lassen, die Bücher in der Titeldruckstelle zusammenzuhalten, werden die Bücher von der Einbandstelle erneut zu Sammelsendungen zusammengestellt und bis zu ihrer Eintragung in den Systematischen Katalog unter Kontrolle gehalten. Die Einbandstelle verzeichnet die Sammelsendungen einschließlich der direkt an sie kommenden Zeitschriftenbände abermals in numerierten Listen und gibt Liste und Bände nach der Katalogisierung im Systematischen Katalog und nach dem Signaturenaufdruck an den Alphabetischen Band- und Alphabetischen Zettelkatalog weiter, während der Direktor der Benutzungsabteilung eine Abschrift der Liste direkt erhält, um beim Eintreffen der Bücher die jeweiligen Sendungen nachprüfen zu können.“ Poewe, 9. 6. 1937. SBB PK, Historische Akten, A 62. 1938 bezog die Erwerbungsabteilung die Informationen zu den „hauptsächlichsten ausländischen Werke[n] nach wie vor aus dem Deutschen Krim.Pol.Bl.“ Geheime Staatspolizei, Geheimes Staatspolizeiamt, i. A. [unleserlich], an die PSB, Berlin, 9. 2. 1938. Handschriftliche Notiz von [Anneliese] Pa[ssier], 4. 3. 1938. SBB PK, Historische Akten, A 62.
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lung aufbewahrt, sollte nun aber gleichfalls in den Geschäftsgang gegeben werden.328 Das bedeutete, dass diese Schriften schließlich im Sondermagazin oder mit dem Dreieck gekennzeichnet im Hauptmagazin Aufstellung fanden. „Ausgenommen von dieser Hineingabe in den Geschäftsgang sind Werke, deren Titelfassung so ist, dass sie für eine Veröffentlichung durch den Titeldruck nicht in Betracht kommen. Sie bleiben nach wie vor ohne Titeldruck im Schrank.“329 Ende des Jahres 1937 wies Feldkamp in Zusammenhang mit der Akzessionierung darauf hin, dass die neu eingegangenen Schriften im Akzessionsjournal den Vermerk „sekr.pol.“ erhalten sollten. Vom Mai 1938 an bedeutete der einfache Vermerk „sekretiert“ im Akzessionsjournal, dass die Schrift aus anderen als politischen Gründen sekretiert wurde.330
3.5.1.5 Die Anordnung über die Behandlung des zu sekretierenden Schrifttums vom 8. Mai 1942 Am 21. April 1942 notierte Krüß in seinem Tagebuch eine „Besprechung im Ministerium mit Min. R. Kummer, Amtsrat Latzel, Dir. Becker.“ Am Tag darauf bat er die Realkatalogführer und die Abteilungsdirektoren zu einer Besprechung über die „Behandlung des zu sekretierenden Schrifttums“.331 Die Besprechung und vermutlich auch die Zuarbeit aus den Abteilungen schlugen sich in dem Umlauf vom 8. Mai 1942 nieder, der sich ausschließlich an die „Beamten und Angestellten des wissenschaftlichen und des gehobenen Dienstes sowie an den Leiter der Buchbinderei“ richtete.332 Krüß unterschied hier wie schon 1936: „Das Schrifttum, das nicht zur allgemeinen Benutzung freigegeben ist, zerfällt in zwei Gruppen, die sogenannte Dreiecksliteratur, die den gewöhnlichen Weg des Buches durch die Bibliothek geht, und die SM-Lite328 329 330
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Feldkamp, 27. 11. 1937. SBB PK, Historische Akten, A 62. EBD. „Erotica und Werke politischen Charakters, die sich gegen das neue Deutschland richten, werden nach wie vor nur mit besonderer Liste weitergegeben. Dagegen können Werke, die aus anderen Gründen sekretiert werden sollen, von der betreffenden Accession weitergegeben werden unter den nachstehenden Bedingungen: Vermerk ‚sekretiert‘ im Journal, Vermerk ‚sekretiert‘ hinter der Accessions-Nummer im Buch Grünen Sekretierten-Streifen in das Buch legen und Accessions-Nummer darauf vermerken, Titel bezw. Acc.Nr. der auf diese Weise weitergegebenen Werke festhalten, um nachprüfen zu können, ob diese Werke nach einiger Zeit in das Sekretierten-Magazin gelangt sind (Evtl. nur Stichproben). Feldkamp, 16. 5. 38.“ SBB PK, Historische Akten, A 62. Eintragungen unter dem 21. und 22. 4. 1942. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. GD der PSB, Umlauf […] Anordnung über die Behandlung des zu sekretierenden Schrifttums, 8. 5. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/1, 4 f. Bei der Akte handelt es sich um die Handakte des Bibliotheksrates Joris Vorstius, der zum Personal der Dienststelle Hirschberg gehörte. Vorstius wohnte und arbeitete im Gebäude des Hirschberger Stadtarchivs. Im Frühsommer 1945 übergab Rudolf Juchhoff zusammen mit anderen Akten der Dienststelle auch die von Vorstius zurückgelassenen Handakten und persönlichen Unterlagen an die polnischen Behörden. In den Akten der Generaldirektion fehlt dieser Umlauf.
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ratur, die eine besondere Behandlung erfährt.“ Zu der sogenannten Dreiecksliteratur sollten folgende Kategorien gehören: „Neue fremdsprachige antideutsche und marxistisch-kommunistisch-pazifistische Literatur“, seit Kriegsbeginn erschienene englische, amerikanische und französische Druckschriften, die mit dem Vermerk „Vertraulich“ oder „Für den Dienstgebrauch“ versehenen Schriften von Behörden, Parteistellen, Körperschaften und Firmen, „soweit keine weitere besondere Auflage ausgesprochen ist“, und schließlich die nichtamtlichen Veröffentlichungen, „die in der Leipziger Liste als ‚geheim‘ bezeichnet sind.“333 Die mit „SM“ (= Sondermagazin) gekennzeichnete Literatur umfasste die Erotica, Emigrantenliteratur, „Deutschsprachige marxistisch-kommunistisch-pazifistische Literatur seit 1933“, deutschsprachige Literatur aus Rußland seit 1917, „Werke jüdischer, marxistischer, antideutscher Autoren, die bereits geschlossen sekretiert sind“. Damit knüpfte die Anordnung an die bereits Mitte der dreißiger Jahre vorgenommene geschlossene Sekretierung des Gesamtwerks geächteter Schriftsteller an. Von dieser Maßnahme konnte auch fremdsprachige Literatur betroffen sein, was ausdrücklich in den Richtlinien zur Behandlung der sogenannten Dreiecksliteratur vermerkt war. Ähnlich wie bei der Dreiecksliteratur war von der zweiten Sekretierungsstufe nicht nur die verbotene Literatur betroffen, sondern auch die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Schriften des NS-Regimes, „Werke militärischen und wehrwirtschaftlichen Charakters, deren Geheimhaltung aus Gründen der Abwehr erforderlich ist“, und „Werke, die von der Geheimen Staatspolizei oder anderen Anlieferern mit entsprechender Auflage versehen sind (z. B. auf Grund des § 88 des Reichsgesetzes vom 24. 4. 1934, RGBl. I, 1934 S. 342).“334 Immer wieder sicherte die Stelle für Amtliche Druckschriften an der Preußischen Staatsbibliothek Einsendern aus solchen Kreisen die Aufbewahrung der Schriften als „geheim“ zu, andernfalls hätte sie vielfach solche Literatur nicht erhalten.335 Der Geschäftsgang für die Dreiecksliteratur unterschied sich nicht von dem der übrigen Literatur; die SM-Literatur indes wurde gesammelt und in einer verbindlich festgelegten Reihenfolge in den Abteilungen bearbeitet. Die Erwerbungsabteilung sollte die in Frage kommenden Stücke zunächst an die Titeldruckstelle und an die Einbandstelle schicken. Von dort gelangten sie zum Realkatalog, wobei stets auf den Listen der Empfang quittiert werden musste. Die vom Realkatalog erledigten Bände sollten in Signaturenlisten vereinigt zum Signaturendruck gegeben werden. Von dort wurden sie an den Alphabetischen Katalog weitergeleitet, vom Alphabetischen Katalog an die Schlussstelle und von der Schlussstelle an die Benutzungsabteilung. In Krüß’ Festlegung waren die Bearbeitungszeiten äußerst knapp gehalten, was verhindern sollte, dass die verbotene Literatur an den verschiedenen Orten längere Zeit für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bibliothek sichtbar war und damit deren Interesse erweckte oder den einen oder anderen zum Diebstahl animierte. Die Realkatalogführer sollten die „ihnen übergebenen Bände innerhalb von 2 Tagen“ bearbeiten, der Signaturendruck sollte sie ebenfalls 333 334 335
EBD. EBD. Vgl. Belege der Stelle für Amtliche Druckschriften. AP Jelenia Góra 83/113/0/5-83/113/0/14.
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innerhalb von zwei Tagen an den Alphabetischen Katalog geben. Berichtigungen mussten innerhalb von 24 Stunden vorgenommen werden. In den Sonderabteilungen sei sinngemäß zu verfahren.336
3.5.2 Das mit der Erwerbung von NS-Raubgut befasste Personal der Preußischen Staatsbibliothek Vor wichtigen Entscheidungen suchte Krüß den Rat der mit der entsprechenden Angelegenheit vertrauten und verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem des Ersten Direktors und der Abteilungsdirektoren.337 Andererseits wurde er von den leitenden Beamten hinzugezogen, wenn die Umstände der Erwerbungen diffizil waren, z. B. wenn sie den Einflussbereich von NS-Behörden bzw. -Institutionen berührten, wie die Vorgänge um die Übernahme der Logenbibliotheken. Der Generaldirektion standen selbst Ankaufsmittel zur Verfügung, über die die Ersten Direktoren, die vor allem für die internen Angelegenheiten der Bibliothek verantwortlich waren, entschieden und sie für große Erwerbungen verwandten. Der Erste Direktor Emil Jacobs (1868–1940)338 erreichte Ende Oktober 1934 das Pensionsalter, versah den Dienst aber noch einige Monate länger, bis im April 1935 Josef Becker (1883–1949)339 das Amt als Erster Direktor antrat. Becker widmete sich nach eigener Aussage mit besonderer Liebe den Großkäufen: dem Ankauf von Handschriften, Inkunabeln und Musikhandschriften von „besonderer Qualität“.340 Zweiter Stellvertreter des Generaldirektors war der Direktor der Handschriftenabteilung Karl Christ (1878–1943).341 Von dem Staatssekretär im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Zschintzsch, dazu aufgefordert, benannte Krüß im Februar 1941 gegenüber dem Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste Christ als Sachverständigen für Bibliotheksgut im Verwaltungsbezirk Berlin, und den Mitarbeiter der Handschriftenabteilung, Albert Boeckler (1892–1957)342, als seinen Stellvertreter.343 Damit gehörten Christ
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GD der PSB, Umlauf […] Anordnung über die Behandlung des zu sekretierenden Schrifttums, 8. 5. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/1, 4 f. In seinem Tagebuch verzeichnete Krüß die Besprechungen mit den Abteilungsdirektoren, die nach Möglichkeit wöchentlich stattfanden. Zu den Besprechungen wurden gelegentlich auch Kurt Ohly, der Leiter der Inkunabelsammlung, Rudolf Juchhoff, Amtmann Hermann Brandt sowie Jürgens und während des Krieges Fuchs als Leiter des Bibliotheksschutzreferates in Frankreich hinzugezogen. HABERMANN, Lexikon 1985, 141 f. Vgl. auch SCHOCHOW, Die Berliner Staatsbibliothek, 233–253. EBD., S. 14. „Mit besonderer Liebe habe ich mich den Großkäufen in der Erwerbung gewidmet“, schrieb Becker in seiner im November 1944 im Duktus einer Rechtfertigung verfassten Arbeitsbiographie. Becker wies darauf hin, dass der Erwerbungsfonds der Generaldirektion vor allem für die Sonderabteilungen genutzt wurde. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Becker, 233/1. HABERMANN, Lexikon 1985, 46. EBD., 27 f.
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und Boeckler zu den Kultursachverständigen, die den Finanzbehörden zuarbeiteten, um die Ausfuhr von Kulturgut zu kontrollieren.344 Sie entschieden darüber, ob es sich bei den Handschriften und Büchern jüdischer Sammler um Kulturgut von nationaler Bedeutung handelte, mit der Konsequenz, dass als nationales Kulturgut eingestufte Objekte von ihren Eigentümern nicht ausgeführt werden durften. Nebenbei erlangten Christ und Boeckler bei ihrer Tätigkeit Kenntnis von Stücken, die für den Ankauf durch die Preußische Staatsbibliothek in Frage kamen. Seit 1927 war Alexander Schnütgen (1883–1955)345 Direktor der Erwerbungsabteilung. Schnütgen stammte aus dem Rheinland und war katholischer Konfession. Nach dem Studium der Theologie, Geschichte, Philosophie und Deutschen Literatur begann er 1914 seine Laufbahn als Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Bonn. Anders als Krüß und die meisten Bibliotheksbeamten seines Alters leistete er während des Ersten Weltkrieges keinen Kriegsdienst. Einem Erlass des Reichsministeriums des Innern (vom 4. Oktober 1937) folgend gab er, ebenso wie Hermann Fuchs, seine Mitgliedschaft im Verband katholischer Akademiker zur Pflege der katholischen Weltanschauung auf.346 Wie Christ betätigte sich auch Schnütgen als Gutachter, der darüber entschied, ob Kulturgüter ins Ausland verbracht werden durften.347 Schnütgen war zu Beginn der vierziger Jahre oft krank und fiel immer wieder für Wochen aus. Nachdem er im Dezember 1943 in seiner Wohnung in Berlin-Halensee ausgebombt worden war, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand noch weiter. 1944 leitete Krüß seine vorzeitige Pensionierung in die Wege.348 Deshalb gehörte Schnütgen nicht zum Personal der Dienststelle Hirschberg in Schlesien, wohin die Preußische Staatsbibliothek wegen der Luftangriffe auf Berlin und der Zerstörungen an ihrem Dienstgebäude im April 1944 Teile der Kata343
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PSB, Krüß, an den Minister, 27. 2. 1941 (Entwurf, abgesandt am 7. 3. 1941, nach Kenntnisnahme Christs). SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 395. Es handelte sich um eine Stelle, „die über die Verwertung jüdischen Kulturbesitzes zu bestimmen“ hatte. „Diese Stelle wird u. a. nach Anhören eines von mir zu benennenden Sachverständigen Entscheidung darüber zu treffen haben, ob Kunst- und Schmuckgegenstände einer öffentlichen Stelle oder wegen ihrer landschaftlichen Eigenart den örtlichen interessierten Stellen in den einzelnen Gauen zum Erwerb anzubieten sind oder ob sie sonst im Inland oder Ausland veräussert werden sollen.“ RMWEV, i. V. gez. Zschintzsch, an verschiedene Adressaten, 21. 2. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.2, Bd. 25, 393. HEUSS, Wie geht es weiter? Heuß beschäftigt sich in ihrem Aufsatz mit den für die Museen tätigen Sachverständigen. In dem von ihr abgebildeten „Verzeichnis der Devisenstellen“ wird auf S. 447 als Sachverständiger des Reichserziehungsministeriums für Bibliotheksgut für die Stadt Berlin und für Brandenburg der GD der PSB genannt. HABERMANN, Lexikon 1985, 305 f. „Auf Grund eines Erlasses des Herrn Reichsministers des Innern vom 4. Oktober d. J. habe ich die Mitgliedschaft beim Verband kath. Akademiker zur Pflege der kath. Weltanschauung im Oktober aufgegeben.“ PSB, Schnütgen, an den GD, 29. 11. 1938. SBB PK, Historische Akten, I.7-15 (Personalakte Schnütgen), Bd. 1, 155; SBB PK, Historische Akten, I.7-25 (Personalakte Fuchs), Bd. 2, 209. Am 16. 1. 1941 antwortete er dem Oberfinanzpräsidenten, Devisenstelle, „Betr. Sachgebiet: Auswanderung (betr. Dr. Feist-Wollheim)“ und reichte das „Bücherverzeichnis Dr. Hans Feist-Wollheim“ zurück „mit dem Bemerken, dass keine Bedenken bestehen dürften, die auf Blatt 1 verzeichneten ‚Besonderen Ausgaben‘ ins Ausland zu verbringen. Seltenheiten befinden sich nicht darunter.“ Schn[ütgen] an den Oberfinanzpräsidenten, Devisenstelle, 16. 1. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 165. SBB PK, Historische Akten, I.7-15 (Personalakte Schnütgen).
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log- und Erwerbungsabteilung verlagerte. Die Leitung der Dienststelle Hirschberg lag in den Händen von Rudolf Juchhoff (1894–1968)349, dem Leiter des Gesamtkatalogs. Heinrich Feldkamp (1887–1939) trat wie Schnütgen 1927 in die Erwerbungsabteilung ein. Er hatte zahlreiche Funktionen in der Abteilung inne350 und beeinflusste in den dreißiger Jahren ganz entscheidend die Erwerbungstätigkeit und die Organisation der Arbeitsabläufe. Dass sich die Preußische Staatsbibliothek so hartnäckig um die Erwerbung beschlagnahmter Literatur bemühte, geschah vor allem auf sein Betreiben. Feldkamp stammte aus Hitzhausen bei Osnabrück und war wie Schnütgen katholisch. Nach dem Studium der Geschichte und Germanistik schlug er zunächst eine Laufbahn als Lehrer ein. Von 1914 bis 1918 war er Soldat. Danach ersuchte er um Aufnahme in den Bibliotheksdienst. Er war Volontär und dann Bibliothekar an der Universitätsbibliothek in Halle und wechselte 1925 an die Preußische Staatsbibliothek, wo Krüß ihn anfangs für die Arbeit am Alphabetischen Bandkatalog einsetzte.351 Die Leitung der Zeitschriftenstelle wechselte mehrere Male. Bis 1936 leitete sie Friedrich Smend. Danach war er Direktor der Kartenabteilung. Smend (1893–1980)352, in Straßburg geboren, studierte Evangelische Theologie und nahm als Kriegsfreiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. 1919 arbeitete er als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Universitätsbibliothek Münster und kam 1923 an die Preußische Staatsbibliothek, wo er in verschiedenen Abteilungen tätig war. Smend war aktiver Nationalsozialist. In einer Aufstellung über die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entlassenen NSDAP-Mitglieder der Staatsbibliothek erscheint er jedoch lediglich als Parteianwärter.353 Nachdem Karl Nobbe, der Betriebsluftschutzleiter für das Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek, 1940 zum Kriegsdienst einberufen worden war, übernahm Smend dessen Amt. Wegen dieser Funktion und wegen seiner Aufgaben in der Kartenabteilung und bei ihrer Verlagerung erreichte Krüß, dass Smend nicht zum Kriegsdienst eingezogen wurde.354 349 350 351
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HABERMANN, Lexikon 1985, 147 f. Vgl. die Jahresberichte der PSB 1933–1938. Vgl. SBB PK, Historische Akten, I.9-194 (Personalakte Feldkamp). Wegen seiner zahlreichen Funktionen und wegen seines Diensteifers mochte Feldkamp als Leiter der Erwerbungsabteilung wahrgenommen werden. So auch bei HALL, … allerlei, 46. Feldkamp unterzeichnete bspw. Schreiben, die er wegen der ‚Unterverteilung‘ versandte, stets in eigenem Namen. HABERMANN, Lexikon 1985, 330 f. „NS-Betriebsobmann, aktiver Nationalsozialist, Parteianwärter“. Liste aller NSDAP-Mitglieder, die seit dem 30. 4. 45 bisher zur Entlassung gelangten. LAB C Rep. 120 Nr. 51, 5 f., 6. Smend war an den Verfahren gegen Sveistrup und Fuchs im Juli 1933 beteiligt, die intern vor der Gefolgschaftsvertretung wegen NS-kritischer Äußerungen gerügt wurden. Im August 1943 wurde er selbst Zielscheibe einer Denunziation des Verwaltungsobersekretärs und „Politischen Leiters“ in der PSB Paul Ertelt. Ertelt forderte von Krüß, bei der Geheimen Staatspolizei „eine Meldung zu erstatten“. Smend hatte gegenüber seinen Kollegen „die Nachricht verbreitet, der Rundfunk hätte angesagt, dass Italien mit England und Amerika einen Sonderfrieden abgeschlossen hätte.“ Krüß schlug diese Querelen ebenso wie die Denunziationen gegen Sveistrup und Fuchs nieder. Protokoll der Aussprache am 5. 7. 1933. SBB PK, Historische Akten, I 9-187 (Personalakte Sveistrup), Bd. 2, nach 185; SBB PK, Historische Akten, I.7-25 (Personalakte Fuchs), Bd. 2; und: Ertelt an den GD, 2. 8. 1943. SBB PK, Historische Akten, I.9-185 (Personalakte Smend). SBB PK, Historische Akten, I.9-185.
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Als Leiter der Zeitschriftenstelle wurde Smend 1936 durch Paul Heigl (1887–1945) abgelöst. Heigl war Anfang Juli 1935 aus Österreich ins Deutsche Reich abgeschoben worden, nachdem er am 12. August 1934 wegen hochverräterischer Betätigung für die NSDAP verhaftet worden war. Heigl war seit 1933 Mitglied der NSDAP und der SS.355 Durch Protektion Kummers erhielt er im September 1935 eine Stelle in der Preußischen Staatsbibliothek. 1938 wurde er – zunächst kommissarisch – zum Generaldirektor der Nationalbibliothek in Wien berufen.356 Ihm folgte Volkmar Eichstädt (1909–1945)357, der 1939 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Danach leitete Paul Geißler (1897–1992)358 die Zeitschriftenstelle. Er studierte nach dem Ersten Weltkrieg an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin Klassische Philologie und Archäologie und arbeitete kurze Zeit mit einem Stipendium der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft am „Thesaurus linguae Latinae“ in München. 1926 trat er als Volontär in die Preußische Staatsbibliothek ein. Vom 1. Oktober 1928 bis zum 30. April 1934 war Geißler als Assistent der Erwerbungsabteilung zuständig „für den Verkehr mit der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft bzw. der Reichstauschstelle“.359 1935 wechselte er in die Katalogabteilung.360 Auf die Kriegswichtigkeit der Zeitschriftenbeschaffung hinweisend, konnten Krüß und Becker seine Einberufung zur Wehrmacht bis zum Herbst 1944 hinauszögern.361 Zu Geißlers Aufgaben während des Zweiten Weltkrieges gehörte die Bearbeitung des von der Wehrmacht überstellten Raubgutes. Da Schnütgen als Abteilungsdirektor krankheitsbedingt ausfiel, übernahm er die Leitung der Kaufstelle in der Dienststelle Hirschberg. Gerhard Reincke (1906–1984)362 wurde in Breslau geboren. Wie Geißler war er evangelischer Konfession. Er studierte Klassische Philologie und Archäologie in Berlin und Tübingen und kam 1932 als Volontär an die Preußische Staatsbibliothek. Seit 1934 war er Assistent der Erwerbungsabteilung. Reincke avancierte zum Leiter der Tauschstelle und zum Vertreter des Leiters der Einbandstelle, schließlich nach Feldkamps Tod auch zum Leiter der Kaufstelle und der Stelle für Universitätsschriften. Zu Beginn des Jahres 1940 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Krüß gelang es nicht, eine UK-Stellung (d. h. unabkömmlich) für ihn zu erwirken.363 In Übereinstimmung sowohl mit konservativer als auch mit der nationalsozialistischen Beschäftigungspolitik, nach der berufstätige Frauen den Männern, die eine Familie zu ernähren hatten, nicht Konkurrenz machen durften, verhinderte Krüß den beruflichen Aufstieg von Frauen. Viele der Frauen, die an der Bibliothek im Mittleren Dienst arbeiteten, hatten ebenso 355 356 357 358 359 360
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1934 SS-Truppenführer, 1938 Obersturmbannführer, 1942 Standartenführer. HALL, … allerlei, 45. EBD., S. 43 ff. HABERMANN, Lexikon 1985, 68. HABERMANN, Lexikon 2004, 51. Schnütgen: Zeugnis, 13. 4. 1934. SBB PK, Historische Akten, I. 9-199 (Personalakte Geißler), Bd. 1, 159. III. Namentliches Verzeichnis sämtlicher unter I aufgeführten Beamten, Angestellten usw., nach dem Stichtage 1. 4. 1935. Organisationsfragen der Staatsbibliothek, 1. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, Nr. 122, im Verzeichnis Nr. 182. Vgl. SBB PK, Historische Akten, I. 9-199. HABERMANN, Lexikon 2004, 146. SBB PK, Historische Akten, I. 9-258 (Personalakte Reincke), Bd. 1, 68a.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
wie die Männer, bevor sie ihre bibliothekarische Fachausbildung an der Preußischen Staatsbibliothek absolvierten, ein Hochschulstudium abgeschlossen. Dennoch gelang es nur einigen wenigen in diesen Jahren, den nächsten – für ihre männlichen Kollegen selbstverständlichen – Karriereschritt, die Beförderung zum Bibliotheksrat, zu machen. Zu ihnen zählten neben Gisela von Busse, die bereits bei der Notgemeinschaft die Beschaffung ausländischer Zeitschriften weitgehend selbständig geleitet hatte, Käthe Iwand (1894–1985)364 und Luise von Schwartzkoppen (1902–1986)365. Zusammen mit Hans Jessen (1897–1979),366 der 1937 von der Staats- und Universitätsbibliothek Breslau an die Preußische Staatsbibliothek wechselte, war Käthe Iwand „im Rahmen der Erwerbungs-Abteilung“ für die seit 1939 angelegte Kriegssammlung verantwortlich,367 in der alle den Zweiten Weltkrieg betreffenden Druckerzeugnisse zusammengetragen wurden. In der Erwerbungsabteilung arbeiteten zahlreiche Frauen im Mittleren Dienst. Unter ihnen waren vor allem Margarete Pott (1896– ?) und gelegentlich Annemarie Andresen (1898– ?)368 mit der Bearbeitung von verbotener Literatur bzw. von Kriegsbeute befasst. Beider Arbeitsgebiet waren antiquarische und Geschenkerwerbungen sowie „Verbotene und beschlagnahmte Literatur. Korrespondenz, Akten, Bestell- und Kontrollgeschäft“.369 Auch Ruth Helwig und Herta von Kathen (1907– ?)370 waren zeitweilig mit Raubguterwerbungen beschäftigt. Die aus Charlottenburg bei Berlin gebürtige Margarete Pott wurde 1936 zur Bibliotheksinspektorin befördert. Schnütgen befürwortete ihre Beförderung u. a. damit, dass sie sich „in erster Linie der Ordnung und Verzeichnung verbotener Literatur“ widmete.371 Hans Sveistrup (1889–1946)372 betreute das Fachgebiet Staatswissenschaften und Philosophie in der Katalogabteilung.373 Wegen seines Fachwissens wurde er immer wieder zur Begutachtung von Raubgut herangezogen. Der aus Bremen stammende Sveistrup war während des Ersten Weltkrieges „Führer verschiedener an der Ostfront eingesetzt gewesener Abhorchstationen“, 1920–1921 Geschäftsführer des Landesverbandes Lippe der Deutschen Volkspartei in Detmold und von 1921–1923 Dozent an der Hochschule für Staats- und Wirtschaftswissenschaften in Detmold. Danach schlug er die Bibliothekarslaufbahn ein. Sein Eintritt in die NSDAP im Jahre 1933 stand möglicherweise in Zusammenhang mit einem hausinternen Ver364 365 366 367 368 369
370
371 372 373
HABERMANN, Lexikon 2004, 75. EBD., 166 f. HABERMANN, Lexikon 1985, 144 f. Umlauf vom 12. 9. 1939. SBB PK, Historische Akten, Nr. 127. SBB PK, Historische Akten, I.20 (Hilfsarbeiterinnen) Bd. 2 (1922–1923), 213 ff. III. Namentliches Verzeichnis sämtlicher unter I aufgeführten Beamten, Angestellten usw., nach dem Stichtage 1. 4. 1935. Organisationsfragen der Staatsbibliothek, 1. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, Nr. 122, im Verzeichnis Nr. 85, 86 und 87. Seit dem 1. 10. 1937 Hilfsarbeiterin in der Kaufstelle (Vorakzession), war sie hauptsächlich mit den Bestellungen beschäftigt. SBB PK, Historische Akten, I.20 (1937) Kathen. Schnütgen: Zeugnis, 1. 2. 1936. SBB PK, Historische Akten, I.2 = I.10-39 (Personalakte Pott). HABERMANN, Lexikon, 346 f. III. Namentliches Verzeichnis sämtlicher unter I aufgeführten Beamten, Angestellten usw., nach dem Stichtage 1. 4. 1935. Organisationsfragen der Staatsbibliothek, 1. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, Nr. 122, im Verzeichnis Nr. 181.
Bibliotheksorganisatorische Konsequenzen
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fahren wegen seiner „Äußerungen gegenüber Anhängern der Hitler-Bewegung“, das Krüß jedoch niederschlug.374 Bei der Erwerbung von Slavica beriet Fritz Schwiefert (1890–1961)375 die Erwerbungsabteilung.376 Der Berliner studierte Deutsche Literatur und Kunstgeschichte. Während des Ersten Weltkriegs widmete er sich dem Studium slawischer Sprachen. Vom Kriegsdienst zurückgestellt begann er, an der Preußischen Staatsbibliothek zu arbeiten. Da er sich als „brauchbar erwiesen“ hatte, wie ihm 1919 von der Preußischen Staatsbibliothek attestiert wurde, sollte er fortan als Slawist verwendet werden.377 Die Laufbahn als Bibliotheksbeamter diente Schwiefert indes nur zur Absicherung des Lebensunterhalts. Daneben betätigte er sich als Bühnen- und Filmautor. Die Leitung der Orientalischen Abteilung war nach dem Ausscheiden Hermann Hülles jahrelang unbesetzt. Die Abteilung wurde bis zum 30. Juni 1938 von Juchhoff, seit dem 1. Juli 1938 von Becker kommissarisch geleitet.378 1940 rückte Max Weisweiler (1902–1968),379 der in der Abteilung für das Referat Arabisch und Persisch zuständig war,380 auf die Position nach.381 Weisweiler stammte aus Köln. Nach dem Studium der Orientalischen Sprachen in Bonn, Leipzig, Göttingen und Tübingen arbeitete er seit 1928 als Volontär an der Preußischen Staatsbibliothek. Am 1. Oktober 1935 wurde er zum Bibliotheksrat ernannt. Als Direktor der Orientalischen Abteilung entschied er über die Angebote von NS-Raubgut, die an die Preußische Staatsbibliothek ergingen. Becker erwirkte 1940, dass Weisweiler zunächst nicht zur Auslandsbriefprüfstelle Berlin bei der Abwehrstelle im Wehrkreis III dienstverpflichtet wurde.382 Im 374
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Sveistrup wurde von Smend denunziert. Smend beschuldigte ihn bei der Verhandlung am 5. 7. 1933, dass er „bei verschiedenen Gelegenheiten seine Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus bekundet“ hatte. Philipp Losch, der Führer des Realkatalogs, und der Fachreferent Wilhelm Polthier stellten Sveistrup im Laufe der Untersuchung ein positives Leumundszeugnis aus. Krüß, der die Anhörung leitete, versuchte, die nationalsozialistischen Scharfmacher zu beschwichtigen, indem er den Anwesenden versicherte, Sveistrup „werde den Anschluss an die NS-Bewegung noch finden“. SBB PK, Historische Akten, I.9-187 (Personalakte Sveistrup), nach 185 a. BArch BDC, NSDAP-Zentralkartei 31XX W 0081, Eintrittsdatum 1. 5. 1933. HABERMANN, Lexikon 1985, 326. III. Namentliches Verzeichnis sämtlicher unter I aufgeführten Beamten, Angestellten usw., nach dem Stichtage 1. 4. 1935. Organisationsfragen der Staatsbibliothek, 1. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, Nr. 122, im Verzeichnis Nr. 177. Generalverwaltung der PSB, 14. 4. 1919. SBB PK, Historische Akten, I.9-149 (Personalakte Schwiefert), Bd. 2, 1. Vgl. JAHRESBERICHT, 1938. HABERMANN, Lexikon 1985, 379 f. III. Namentliches Verzeichnis sämtlicher unter I aufgeführten Beamten, Angestellten usw., nach dem Stichtage 1. 4. 1935. Organisationsfragen der Staatsbibliothek, 1. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, Nr. 122, im Verzeichnis der Mitarbeiter Nr. 319. Für 1940 wurde Weisweiler 1940 als Direktor der Abteilung genannt. SBB PK, Historische Akten, I.9-203 (Personalakte Weisweiler). PSB, i. V. [Becker], an den Universitätskurator, 27. 6. 1940; Der Präsident des Arbeitsamts Berlin, Verm. Abt. f. wissenschaftl., techn. u. künstl. Berufe, an den GD der PSB, 26. 7. 1940. SBB PK, Historische Akten, I.9-203 (Personalakte Weisweiler), 286 f. Von dieser Stelle erhielt die PSB in den folgenden Jahren immer wieder Kriegsbeute der Wehrmacht. Vgl. Kap. 3.8.8.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Herbst 1943 wurde er schließlich zum Kriegsdienst einberufen. Ihn vertrat der Mitarbeiter der Orientalischen Abteilung Josef Schawe (1902–1983),383 der 1944 die Auslagerung der Bestände der Preußischen Staatsbibliothek in den Kalischacht Hattorf organisierte. Auch Schawe entschied über die Erwerbungen der Orientalischen Abteilung. Außer Sveistrup waren der Generaldirektor und etliche andere Bibliothekarinnen und Bibliothekare Mitglieder der NSDAP. Krüß trat der NSDAP am 1. April 1940 bei.384 Becker wurde seit 1942 als Parteianwärter geführt.385 Anscheinend war er aber ebenso wie Smend niemals Mitglied der Partei.386 Eichstädt trat am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein,387 Pott am 1. Mai 1937,388 Weisweiler am 1. Oktober 1940.389 Die leitenden Mitarbeiter der Erwerbungsabteilung – Schnütgen, Feldkamp, Geißler und Reincke – gehörten ihr ebenso wie Schwiefert nicht nachweislich an.
3.6
Unter dem Druck des NS-Regimes geplante oder erfolgte Überstellungen von Bibliotheken an die Preußische Staatsbibliothek
Neben beschlagnahmten und zugunsten des Preußischen Staates oder des Deutschen Reichs eingezogenen Bibliotheken, Büchern und Schriften erwarb die Preußische Staatsbibliothek auch solche Büchersammlungen und einzelne Werke, in deren Besitz sie nicht gelangt wäre, wenn die Organisationen und Institutionen, denen sie gehörten, nicht auf Betreiben des NSRegimes aufgelöst und ihre Protagonisten verfolgt worden wären.
3.6.1 Die Bücher und Möbel Walther Rathenaus Wenngleich die Preußische Staatsbibliothek die Bibliothek Walther Rathenaus schließlich doch nicht in ihre Bestände einreihen konnte, so wirft das Missverständnis um ihre Übernahme in öffentlichen Besitz dennoch ein eigentümliches Schlaglicht auf die Mentalität der Beamten der Preußischen Staatsbibliothek. Für Krüß und die beteiligten Bibliothekare hatte der Sammlungsauftrag ihrer Institution Priorität. Noch legten sie ihren Entscheidungen nicht, wie der Natio-
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HABERMANN, Lexikon 2004, 154 f. Mitgliedsnummer 8013528. BArch BDC, NSDAP-Zentralkartei. Liste aller NSDAP-Mitglieder, die seit dem 30. 4. 45 bisher zur Entlassung gelangten. LAB C Rep. 120 Nr. 51, 5 f., 5. In den Akten des Berlin Document Centers sind beide nicht als Parteimitglieder erfasst. Mitgliedsnummer 2826138. BArch BDC, NSDAP-Zentralkartei 31XX F0148, Ortskartei der NSDAP. 3200 D0075. Pott an den GD, 28. 10. 1938. SBB PK, Historische Akten, I.2 = I.10-39, 22. Mitgliedsnummer 8181894. BArch BDC, NSDAP-Zentralkartei 31XX V0058.
Überstellungen von Bibliotheken
231
nalsozialist und Vertreter des vorgesetzten Ministeriums Vahlen, die Implikationen der antisemitischen Gedächtnispolitik des NS-Staates zugrunde. Ein Jahr nach der Ermordung des deutschen Außenministers war 1923 auf Betreiben von Rathenaus Mutter und Erbin eine Stiftung ins Leben gerufen worden. Das Wohnhaus Rathenaus in der Königsallee 65 in Berlin-Grunewald sollte „als Haus für Zusammenkünfte und Sitzungen“ dienen, das „seine Sammlungen und seine Bibliothek den geistig Arbeitenden“ öffnete.390 Dem Kuratorium, das in seiner konstituierenden Sitzung am 24. Juni 1924 den Beschluss fasste, eine „Walther Rathenau-Gesellschaft“ zu gründen, gehörte u. a. auch Krüß an.391 Am 27. September 1933 hatte die Mitgliederversammlung die Auflösung der „Walther Rathenau-Gesellschaft“ beschlossen.392 Der Einladung von Ministerialrat Scholz vom Reichsministerium des Innern folgend393 besichtigte Krüß am 4. April 1934 zusammen mit den Bibliotheksräten Nickel und Feldkamp die Villa und die Bibliothek Walther Rathenaus in Berlin-Grunewald.394 Die Bibliothek der Rathenau-Stiftung umfasste, wie Nickel nach der Besichtigung im April 1934 festhielt, 5.750 Bände, von denen 4.150 aus der Privatbibliothek Walther Rathenaus und 160 aus dem Vermächtnis von Mathilde Rathenau stammten. Nickel charakterisierte die Bibliothek als „äusserlich wohlgepflegte Bibliothek […], die vielerlei enthält, natürlich auch wertvolle ältere und teuere Werke, die aber keinen geschlossenen Charakter hat bis auf eine Gruppe von etwa 400 Bänden, die eigenhändige Widmungen ihrer Verfasser tragen. Hier findet man Widmungsexemplare von Bülow, Delitzsch, Einstein, Enver Pascha, Erzberger, Eucken, Falkenhayn, Schleich, Spengler, Vaihinger und von den Dichtern Dehmel, Eulenberg, Gerhart Hauptmann, Wilhelm Schäfer, Stehr, Sudermann, Wedekind und vielen anderen.“ Eine geschlossene Bewahrung der Bibliothek hielt Nickel nicht für notwendig, wohl aber die Übernahme solcher Werke, die die Preußische Staatsbibliothek nicht besaß. Für erstrebenswert erachtete er vor allem die Widmungsexemplare, „darunter als grösste Seltenheit ein Exemplar von Gerhart Hauptmann’s Helios“, ferner zwei Dramen und 14 Übersetzungen Walther Rathenaus und etliche Werke – darunter Erstausgaben – moderner französischer Autoren, „5 Einzel390 391
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394
MADER, Rathenaus Nachlass, 30. Die Kuratoriumsmitglieder waren neben Mathilde Rathenau zwei weitere Mitglieder der Familie, ihre Tochter Edith und deren Ehemann, der Bankier Fritz Andreae, Albert Einstein, Fritz von Unruh, der Präsident der Berliner Handelskammer, der Bankier Franz von Mendelssohn, und der GD der Staatlichen Museen. EBD., S. 30 f. EBD., S. 43. Aktennotiz Nickels, 27. 4. 1934. SBB PK, Historische Akten, VII.2-6, Bd. 1, 127 f. Mit handschriftlicher Notiz Krüß’. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Krüß’ Besuch war der Besuch Feldkamps bei Ministerialrat Rathenau am 21. 3. 1934 vorausgegangen. Dieser war offensichtlich genötigt, in eine kleinere Wohnung umzuziehen, und musste deshalb seine Bibliothek veräußern. Er bot „42 gebundene Kriegsjahrgänge Berliner Zeitungen“ an. Feldkamp hatte ihm erklärt, dass eine käufliche Erwerbung seiner Bibliothek nicht in Frage käme, „da der grösste Teil der Werke bereits vorhanden“ sei und die PSB sie nur als Geschenk übernehmen würde. Aktennotiz Feldkamps, 22. 3. 1934. SBB PK, Historische Akten, VII.2-6, Bd. 1, 125. Die Privatbibliothek des Ministerialrates Rathenau war nicht identisch mit der Rathenau-Bibliothek, d. h. der Bibliothek der Rathenau-Stiftung.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
schriften von Maeterlinck, je 2 von Anatole France und André Gide, je eine von Mallarmé, Maupassant und Rimbaud.“ Insgesamt waren es 864 Bände. Durch die Exlibris waren diese Bücher als Rathenau-Stiftung kenntlich. „Um den Stiftungs-Charakter noch mehr zu wahren“, schrieb Nickel, „könnte aus dem verbleibenden Rest eine Rathenau-Bibliothek für eine Reihe von Jahren aufgestellt werden, wenn die Schränke, in denen die Bücher jetzt stehen, gleichzeitig mitüberwiesen werden.“395 Für Krüß, der bereits wegen der Bibliothek verhandelt hatte,396 überraschend lehnte Vahlen die Übernahme der Bücher Walther Rathenaus und insbesondere der Schränke strikt ab. Krüß berief sich auf Scholz, der es „bei einer anzustrebenden gütlichen Vereinbarung mit den Erben Rathenau’s“ für wünschenswert hielt, „eine allmähliche Überleitung eines Teils der zur Stiftung gehörigen Sammlung in den uneingeschränkten öffentlichen Besitz vorzunehmen.“397 Vahlen trachtete indes ganz im Sinne der nationalsozialistischen Machthaber die Erinnerung an Rathenau auszulöschen. Bereits durch die Aufstellung der Bücher, so Vahlen, würde sich der nationalsozialistische Staat „dem Vorwurf aussetzen, seinerseits zur Aufrechterhaltung der Erinnerung an die Person Rathenau’s beigetragen zu haben. Umso stärker wären diese Bedenken begründet, wenn gar die im Hause Rathenau’s befindlichen beweglichen Schränke mit übernommen und in den Räumen der Staatsbibliothek auch nur für eine Zeitlang aufgestellt würden. Diese Bedenken werden durch den materiellen Vorteil, den die Erwerbung der Bibliothek bedeutet, nicht aufgewogen.“398 Auf Anweisung des Ministeriums musste Krüß die Absprachen rückgängig machen.399 Am 11. August 1934 wurde die Walther Rathenau-Stiftung durch eine notarielle Vereinbarung aufgelöst. Das Vermögen ging in das Privateigentum der Familie Andreae, der Familie von Rathenaus Schwester Edith, über.400
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Aktennotiz Nickels, 27. 4. 1934. SBB PK, Historische Akten, VII.2-6, Bd. 1, 127 f. Für den 12. 7. 1934 lud das RMI zu einer Besprechung „über die Frage der Umgestaltung der Walther Rathenau-Stiftung“ ein, an der neben Krüß und dem GD der Staatlichen Museen auch die Vertreter verschiedener Ministerien, des RMF, des RMVP und des RuPMWEV teilnahmen. RMI, i. A. gez. Dr. [Helmut] Nicolai, 6. 7. 1934, u. a. an den GD der PSB. SBB PK, Historische Akten, VII.2-6, Bd. 1, 131. Krüß an Landgerichtsrat Kasper im RMWEV, 14. 7. 1934. SBB PK, Historische Akten, VII.2-6, Bd 1, 135. Krüß stellte sich die „allmähliche Überleitung“ wie folgt vor: „Die zeitliche Begrenzung würde sich danach in erster Linie aus der Lebensdauer der Schwester Rathenau’s ergeben, auf die, wie es scheint, besonders Rücksicht genommen werden soll.“ Krüß bzw. den Bibliothekaren, die sein Schreiben vorbereiteten, war außer den Büchern auch an der Übernahme der „wertvollen Möbelstücke“, d. h. der Bücherschränke Rathenaus, gelegen. MWEV, Landgerichtsrat Kasper, 2. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, VII.2-6, Bd. 1, 137. Krüß an Ministerialrat Scholz im RMI, 7. 8. 1934. SBB PK, Historische Akten, VII.2-6, Bd. 1, 139. MADER, Rathenaus Nachlass, 43.
Überstellungen von Bibliotheken
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3.6.2 Kauf- bzw. Geschenkangebot und Auflösung: Zwei preußische Freimaurerbibliotheken Die Verfolgung der Freimaurerlogen setzte im Sommer 1933 ein. Betroffen waren zunächst jene Logen, die mit der Sozialdemokratie sympathisierten oder deren Mitglieder liberal gesinnt waren.401 1935 veranlasste das Reichsministerium des Innern auch die drei konservativen, sogenannten altpreußischen Großlogen, unter ihnen die „Große National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln“, zur Selbstauflösung.402 Zu der Großloge, die am 16. Juni 1935 ihre Auflösung beschloss, gehörte die „Johannis-Loge Zur Perle am Berge“ in Perleberg.403 Schon im September 1933 versuchte der Vorsitzende der Loge, der Geheime Medizinalrat Dr. A. Nickel, die in seinem Besitz befindlichen freimaurerischen Schriften an die Preußische Staatsbibliothek zu verkaufen. Er forderte 7.000 Reichsmark.404 Jacobs war zwar an der Erwerbung interessiert, erklärte jedoch, dass die Preußische Staatsbibliothek wegen der Finanzlage die Bibliothek nicht ankaufen könne.405 Daraufhin erbat Nickel anstelle des Kaufpreises eine Leibrente, die ihm aber ebenfalls nicht gewährt wurde.406 Ein Erlass des Preußischen Ministerpräsidenten vom 4. Januar 1934 forcierte die Selbstauflösung der Logen, die durch den Mitgliederschwund infolge des Drucks, den das NS-Regime auf sie ausübte, geschwächt waren. Von Januar bis März 1934 folgte eine Welle von Übergriffen der SA auf Logengebäude, -eigentum und in einzelnen Fällen auch auf Logenmitglieder.407 Am 15. Juni 1934 suchte Nickel Jacobs auf, um ihm mitzuteilen, „daß die Loge in Perleberg bereit sei, ihre Bibliothek der Staatsbibliothek zu schenken.“408 Einige Tage später klärte ihn Jacobs darüber auf, „daß die Annahme des schönen Geschenks für die Staatsbibliothek nur möglich ist, wenn an die Schenkung besondere Bedingungen nicht geknüpft werden.“ Die Preußische Staatsbibliothek wollte nur die Bücher in ihren Besitz übernehmen, die sie nicht besaß, und bei den übrigen freie Hand haben, d. h. sie veräußern oder gegen andere Werke eintauschen dürfen. Eine geschlossene Aufbewahrung der Bibliothek kam nicht in Frage.409 Im Juli 1935 musste die Loge ihre Arbeit einstellen. Die Unterlagen wurden von der Geheimen Staatspolizei beschlagnahmt.410 Damit kam die Geheime Staatspolizei wohl den weiteren Verhandlungen über eine Schenkung zuvor. 401 402 403 404
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NEUBERGER, Winkelmaß, 224 ff. EBD., S. 259 ff. RODEGAST, Geistesfreiheit, 9. Dr. A. Nickel an die PSB, 1. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, III D.6, Bd. 10, 199; Nickel an die PSB, 22. 11. 1933. SBB PK, Historische Akten, III D.6, Bd. 10, 209. Jacobs/Schnütgen an Nickel, 14. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, III D.6, Bd. 10, 201; Jacobs an Nickel, 27. 11. 1933. SBB PK, Historische Akten III D.6, Bd. 10, 211. Nickel an die PSB, 11. 2. 1934. SBB PK, Historische Akten, III D.6, Bd. 10, 229. und Krüß an Nickel, 22. 2. 1934. SBB PK, Historische Akten, III D.6, Bd. 10, 231. NEUBERGER, Winkelmaß, 172 ff. PSB, i. V. J[acobs], an den Geheimen Medizinalrat Nickels in Perleberg, 19. 6. 1934. SBB PK, Historische Akten, III E.7, Bd. 5 (Geschenke aus dem Preußischen Staat) 1911–1935, 343 a. EBD. RODEGAST, Geistesfreiheit, 10.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Die Loge „Teutonia zur Weisheit“ in Potsdam hatte sich schon einige Monate früher aufgelöst. „Im Auftrage der Liquidatoren“ bot Ministerialamtmann i. R. Fischer die von ihm betreute Logenbibliothek der Preußischen Staatsbibliothek zum Geschenk an. „Wäre es möglich“, fragte er, „dieselbe gesondert, genau, wie sie jetzt steht, aufzustellen?“411 Krüß erklärte sich bereit, „die Freimaurer-Bibliothek der Loge nebst der zugehörigen Kartothek als Geschenk“ in die Preußische Staatsbibliothek einzureihen. Der größere Teil der Bücher war bislang nicht vorhanden und käme „daher für die Einreihung in die Bestände inbetracht“. Krüß versprach, dass die Bände in das Sachgebiet Freimaurerei eingestellt würden, „sodaß die Werke mit dem bisherigen Besitz der Staatsbibliothek an freimaurerischer Literatur ein einheitliches, in sich geordnetes Ganzes bilden.“ Ebenso wie Jacobs wies er jedoch darauf hin, dass die gesonderte Aufstellung, die Fischer wünschte, nicht möglich sei. „Die hier bereits vorhandenen Werke werden als Dubletten behandelt, d. h. nach Gelegenheit und Bedarf mit Doppelstücken anderer Bibliotheken ausgetauscht oder werden verkauft oder geschenkweise abgegeben.“412 Fischer entschied sich dennoch für die Übereignung. Am 28. Januar 1935 teilte er mit, dass die Liquidatoren sich mit der Übernahme und dem Aufgehen der Bibliothek in der Preußischen Staatsbibliothek einverstanden erklärt hatten. Er bat lediglich darum, die Übereignung noch für kurze Zeit „hinausschieben zu dürfen, da noch einige ehemalige Mitglieder Andenken aus der Bibliothek erhalten sollen“,413 was ihm auch gewährt wurde. Am 26. Februar 1935 wurde die Bibliothek der Loge in die Preußische Staatsbibliothek gebracht.414 Die Speditionsfirma Edmund Franzkowiak & Co. gab ihren Umfang mit ca. 25 laufenden Metern, die 15 bis 18 411
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Fischer, Ministerialamtmann i. R., an die PSB, Potsdam, den 2. 1. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.7, Bd. 5, 373. 1913 hatte Fischer der Königlichen Bibliothek ein Bücherverzeichnis der Logenbibliothek zugesandt. PSB, Krüß, an Ministerialamtmann i. R., Fischer, 22. 1. 1935 (Entwurf), abgesandt am 23. 1. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.7, Bd. 5, 375. F. Fischer an die PSB, 28. 1. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.7, Bd. 5, 377. Auf dem Entwurf von Krüß’ Empfangsbestätigung vermerkte Feldkamp die Nummern, unter denen die Bibliothek akzessioniert wurde. Danach wurden sie in vier verschiedenen Akzessionsjournalen verzeichnet, im Akzessionsjournal Akz. Deutsch Dona unter D 1935.2321-3000 und D 1935.3753-3785, im Akzessionsjournal Pflichtlieferungen unter P 1935.8501-8772, im Akzessionsjournal Zeitschriften Dona unter ZD 1936.341-379 und im Akzessionsjournal der Musikabteilung unter Mus. 1935.191-193. Dies waren insgesamt etwa 1.000 Nummern. Die Dubletten, die den geringeren Anteil bildeten, wurden, wie Feldkamp ebenfalls vermerkte, an die Dublettenstelle übergeben. PSB, Krüß, an Ministerialamtmann i. R. Fischer, Potsdam, Neue Königstraße 3, 12. 3. 1935 (Entwurf, abgesandt am 13. 3. 1935). SBB PK, Historische Akten, III E.7, Bd. 5 (Geschenke aus dem Preußischen Staat 1911–1935), 385. Zwei Jahre später berichtete Feldkamp in einer Aktennotiz: „Eingestellt sind diejenigen Werke, die nicht vorhanden waren und ausserdem wichtige und kostbare Werke als zweite Exemplare. Inventarisiert worden sind die Bücher und Zeitschriften in den einzelnen Dienststellen, d. h. die Zeitschriften in der Zeitschriftenstelle, die Pflichtexemplare in der Pflichtexemplarstelle, die übrigen Einzelwerke in der Kaufaccession. Einige Werke sind ausserdem in die Musikabteilung gegeben worden. Einige vorhandene Handschriften sind zwar in der Kaufaccession in den Schlussnummern accessioniert worden, werden aber der Handschriften-Abteilung zugeführt werden. Die Dubletten stehen zur Zeit noch im Korridor des 6. Geschosses, werden aber demnächst der Dublettenstelle zugeführt werden.“ Aktennotiz Feldkamps vom 17. 2. 1937. Sonderjournal Freimaurer 1938.
Überstellungen von Bibliotheken
235
Kisten füllen würden, an.415 Fischer wies darauf hin, dass sie nicht genau mit der Kartothek übereinstimmte, eben weil einige Mitglieder der Loge noch Exemplare erhalten hatten. Dafür hatte er andere „sehr wertvolle Rituale und Instruktionen“ beigelegt.416 Dass die Preußische Staatsbibliothek eine Freimaurerbibliothek erhielt, stellte eine Ausnahme dar und hatte seine Ursache darin, dass die Loge „Teutonia zur Weisheit“ in Potsdam längst nicht mehr existierte, als im August 1935 die zwangsweise Auflösung der verbliebenen Logen beschlossen wurde.
3.6.3 Die Übernahme weiterer Bibliotheken Außer der Bibliothek der Potsdamer Loge „Teutonia zur Weisheit“ übernahm die Preußische Staatsbibliothek mehrere Tausend Bücher und Schriften von Vereinen und Gesellschaften, die auf Druck des NS-Regimes aufgelöst wurden oder sich selbst auflösten. Zu den aufgelösten Einrichtungen und Organisationen, deren Bibliotheken ganz oder teilweise in die Preußische Staatsbibliothek gelangten, gehörten das „Esperanto-Institut für das Deutsche Reich“ in Leipzig, die „Gesellschaft für deutsche Literatur“ in Berlin und möglicherweise auch die „Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums“. Die 1903 von Berliner Ärzten unter der Mitwirkung des Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld gegründete „Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums“ wurde 1933 aufgelöst. Die Umstände, unter denen 1933/34 22 Bände aus dem Eigentum der Gesellschaft als Geschenk an die Preußische Staatsbibliothek abgegeben wurden, sind bislang nicht geklärt.417 Der „Deutsche Esperanto-Bund“ wurde durch einen Erlass des Chefs der Deutschen Polizei und Reichsführers SS aufgefordert, sich zum 15. Juli 1936 selbst aufzulösen.418 Im gleichen Jahr gelangten mehr als 2.000 Bände des „Esperanto-Instituts für das Deutsche Reich“ in Leipzig in die Preußische Staatsbibliothek.419 Die Erwerbungsabteilung gab einige Titel an die Orientalische Abteilung weiter. Ca. 1.200 Titel wurden in den Jahren 1936, 1937 und 1938 akzessioniert.420 415
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Edmund Franzkowiak & Co. an die PSB, Berlin-Wilmersdorf, 21. 2. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.7, Bd. 5, 381. Fischer an die PSB, 26. 2. 1935. SBB PK, Historische Akten, III E.7, Bd. 5, 383 Hinweis von Heike Pudler. Sie erscheinen im Akzessionsjournal Akz. Deutsch Dona 1933/34 unter den Nummern D 1934.1187-1208 mit dem Lieferanteneintrag: „Dtsche Gesellschaft z. Bekämpfung des Kurpfuschertums, e.V. Bln-Wilmersdorf und Dr. jur. Henry Graack, Bln-Wilmersdorf“. LINS, Gefährliche Sprache, 111. JAHRESBERICHT, 1936, 21. Auf der Web-Site der Deutschen Esperanto-Bibliothek in Aalen ist die Zahl der an die PSB überwiesenen Bücher und Schriften mit 3.000 bibliographischen Einheiten angegeben: www.esperanto-bibliothek.gmxhome.de [Stand: September 2011]. „Diese Zuwendung konnte innerhalb der Erwerbungsabteilung bereits bis auf einen kleinen Rest bearbeitet werden.“ JAHRESBERICHT, 1936, 21. Das Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona verzeichnet 813, Akz. Deutsch Dona 368 und das Akzessionsjournal für die Orientalische Abteilung 24 Titel. Die Akzessionsjournale der Zeitschriften und Pflichtexemplare sind noch nicht berücksichtigt.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Am 25. Oktober 1938 übernahm die Preußische Staatsbibliothek „die einzigartige ‚Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke‘ […], die bisher der ‚Gesellschaft für deutsche Literatur‘ in Berlin gehörte.“421 Ihren Vorsitz hatte der Literaturhistoriker und Inhaber des Lehrstuhls für Theaterwissenschaft an der Berliner Universität Max Herrmann inne, der 1942 in Theresienstadt starb. Die Bibliothek wurde, weil Herrmann Jude war, 1938 aufgelöst. Bei der Auflösung trat ein Vertrag aus dem Jahre 1905 in Kraft, nachdem in diesem Fall die Bibliothek von der Preußischen Staatsbibliothek übernommen werden sollte. Die Sammlung umfasste ca. 10.000 Theaterstücke und 5.000 Privatdrucke,422 von denen zahlreiche nicht im Buchhandel erhältlich gewesen waren, so dass die Preußische Staatsbibliothek nur zwanzig Prozent der Dramen besaß. Zudem hatten viele der Drucke als Regiebücher gedient und wiesen deshalb Streichungen und Zusätze auf, die Aufschluss über die Aufführungen der Stücke gaben.423 Diese Sammlung wurde in einem gesonderten Akzessionsjournal inventarisiert und sekretiert.424
3.7
Ankäufe unter dem Druck der Verfolgung durch das NS-Regime
Die meisten Ankäufe der Preußischen Staatsbibliothek wurden über den Buchhandel abgewickelt, so dass der Markt gleichsam einen Schleier über die Herkunft der Bücher wirft und es weitergehender Recherchen bedarf, um zu erhellen, ob ihre früheren Eigentümer unter dem Druck der Verfolgung gezwungen waren, sie zu veräußern. 1933 kaufte die Preußische Staatsbibliothek 166 Werke, „meist Widmungs- und Besprechungsexemplare von Dramen“425 aus der Bibliothek des Theaterkritikers Alfred Kerr. Als liberaler Intellektueller und prominenter Vertreter der Weimarer Republik musste Kerr vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen. Am 5. März 1933, am Tag der Reichstagswahlen, begab er sich zunächst nach Prag. Er war gewarnt worden, dass ihm der Pass entzogen werden sollte. Seinen gesamten Besitz und vorerst auch seine Familie ließ er in Berlin zurück. Wie Kerrs Tochter Judith erzählt, gelang es ihrem Vater, vor der Beschlagnahme des Berliner Haushalts einen – sicher kleinen – Teil seiner Bibliothek zu verkaufen.426 Ein erster Zufluchtsort der Familie war Lugano. Unter dieser Adresse „A. Kerr, Lugano“ als Einlieferer akzessionierte die 421 422
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JAHRESBERICHT, 1937, 22. GOLLMITZ, Max Herrmann. Friedhilde Krause nennt 18.000 Drucke von Bühnenstücken und Privatdrucken seit dem Erscheinungsjahr 1850. KRAUSE, Jüdische Bibliophile, 97 f. Werner Schochow spricht von 17.300 Drucken. SCHOCHOW, Die Berliner Staatsbibliothek, 85. JAHRESBERICHT, 1937, 22. „Die ‚Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke‘, mit deren Bearbeitung begonnen worden ist, wird geschlossen aufgestellt und der Benutzung zu wissenschaftlichen Zwecken vorbehalten bleiben.“ EBD. Heute ist die Sammlung zu den Kriegsverlusten der SBB PK zu rechnen. Das Akzessionsjournal Akz. Deutsch [=Kauf] und der Jahresbericht differieren, einmal werden 166, dann 165 Werke angegeben. JAHRESBERICHT, 1933, 30. HERWIG, Interview mit Judith Kerr.
Ankäufe unter dem Druck der Verfolgung
237
Preußische Staatsbibliothek die für insgesamt 100 Reichsmark angekauften „Werke schöne deutsche Lit.“427 Auch Margarete Weisstein, die Erbin der Bücher des Bibliophilen Gotthilf Weisstein, war 1933 zum Verkauf der Bibliothek ihres 1907 verstorbenen Schwagers genötigt.428 Im Jahresbericht der Preußischen Staatsbibliothek für 1933 heißt es: „Aus der Bibliothek Weisstein wurden für die Staatsbibliothek 757 Werke in 907 Bänden ausgewählt, davon 89 Werke in 147 Bänden als Geschenk. Die gesamte Theatersammlung der Bibliothek, die zahlreichen Einzeldrucke von Heinrich Leopold Wagner und von Schiller sind in andere Hände, z. T. sogar ins Ausland gegangen; dennoch blieb eine reiche Ausbeute an deutscher Literatur für die Staatsbibliothek übrig. Es ragen in ihr namentlich Einzeldrucke Goethes, moralische Wochenschriften des 18. Jahrhunderts und Sammelbände von Volksliedern und Gelegenheitsgedichten des 18. und 19. Jahrhunderts hervor.“429 Wegen der Wohnungsnot zu Beginn der zwanziger Jahre wurde Gotthilf Weissteins Wohnung in Berlin, in der seine Bibliothek aufgestellt war, vom Wohnungsamt beschlagnahmt. Sein Bruder, der Baurat Hermann Weisstein aus Brieg, bat den damaligen Generaldirektor Fritz Milkau, die Sammlung in der Preußischen Staatsbibliothek aufstellen zu dürfen.430 Am 20. September 1921 schlossen Hermann Weisstein und Milkau einen Leihvertrag ab.431 Nachdem Hermann Weisstein 1924 gestorben war, ging die Bibliothek an seine Witwe Margarete über. Sie verlängerte den Vertrag und beließ die Sammlung in der Preußischen Staatsbibliothek. Am 28. März 1933 bat sie den Ersten Direktor Jacobs, die Kündigungsfrist des Vertrages von einem auf ein halbes Jahr zu ändern. Jacobs notierte nach ihrem Besuch: „Persönlicher Eindruck: Frau W. wird gewiss nur verkaufen, wenn ihr kein anderer Weg zur Geldbeschaffung mehr offen steht.“432 Im September 1933 war die verkürzte Kündigungsfrist abgelaufen. Margarete Weisstein beauftragte das Antiquariat Martin Breslauer, die Bibliothek zu veräußern. Krüß konnte den Präsidenten der Notgemeinschaft, Schmidt-Ott, zu einer Sonderbewilligung für den Ankauf eines Teils der Bibliothek Weisstein in Höhe von 6.000 Reichsmark bewegen.433 Einige Bände machte Margarete Weisstein als Dank für die jahrelange Pflege der Hinterlassenschaft
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Karsten Sydow hat in seiner Magisterarbeit die Verhältnismässigkeit des Kaufpreises von 100 RM diskutiert und die scheinbar niedrige Summe dahingehend interpretiert, dass es sich um einen Verkauf unter wirtschaftlichem Druck gehandelt habe. Vgl. SYDOW, Erwerbungspolitik 2006, 38. Zweifelsohne war es ein Verkauf unter äußerem Druck, doch ist dafür sicher am wenigsten der Kaufpreis ein Indiz als vielmehr die Verfolgung und Vertreibung Kerrs. Zu Margarete Weisstein vgl. LEPEL, ‚Erwerbungen‘. Warum sich Margarete Weisstein 1933 zum Verkauf genötigt sah, konnte bislang nicht geklärt werden. Margarete Weisstein wurde am 31. 8. 1942 aus Berlin deportiert und starb am 30. 9. 1942 in Theresienstadt. JAHRESBERICHT, 1933, 30. SBB PK, Historische Akten, III K.10, Bd. 1, 3 ff. EBD., 20 a. Jacobs an M. Weisstein, 28. 3. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.10, Bd. 1, 147. Handschriftliche Notiz auf dem Durchdruck. PSB, Krüß, an den Präsidenten der NG, Schmidt-Ott, 5. 12. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.10, Bd. 1, 178, Antwortschreiben vom 7. 12. 1933, 199.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
ihres Schwagers der Preußischen Staatsbibliothek zum Geschenk.434 Zweifellos war es nicht im Interesse der Preußischen Staatsbibliothek, dass Margarete Weisstein ihre Bibliothek verkaufte. So musste sie Bücher, die sie zuvor als Leihgabe besaß, aus ihrem Ankaufsbudget erwerben. Ende der dreißiger Jahre hatte sich die Position der Preußischen Staatsbibliothek gegenüber jüdischen Eigentümern, die aufgrund ihrer materiellen Umstände gezwungen waren, ihre Kunst- und Büchersammlungen zu verkaufen, entscheidend verändert. Als staatliche Nutznießerin der Verfolgung konnte die Preußische Staatsbibliothek, sofern die Ankäufe nicht über den Antiquariats- und Kunsthandel erfolgten, nun die Preise drücken. Am 8. Oktober 1938 schickte der nach London geflohene Wiener Antiquar Kurt L. Schwarz435 zwei Einblattdrucke – „Verzeichnis d. Heiltums zu Trier und Leo X. Ablassbrief f. Trier 1514/15“ – zur Ansicht an die Preußische Staatsbibliothek. Für den ersten Druck verlangte er 30 Pfund Sterling, für den zweiten 25 Pfund.436 Die Antwort der Preußischen Staatsbibliothek verzögerte sich zunächst, weil „die Devisenfrage noch völlig offen“ war.437 Am 9. Januar 1939 bekannte Feldkamp, dass die Preußische Staatsbibliothek den „an sich zu hohen Preis“ nicht zahlen könne. Die von Schwarz angebotenen Einblattdrucke könnten nicht auf dem Verrechnungswege gekauft werden. Vielmehr müssten Bardevisen bewilligt werden, „da ein englisches Ursprungszeugnis für diese Stücke naturgemäss nicht beizubringen ist.“ Dass die zuständigen Stellen sich bewegen lassen würden, „auch nur annähernd den geforderten Preis“ zu bewilligen, hielt er für unwahrscheinlich. „Die Staatsbibliothek glaubt, dass es ihr vielleicht gelingen wird, 300.– RM in Bardevisen zum Ankauf der Einblattdrucke zur Verfügung gestellt zu erhalten.“438 Feldkamp überließ es Schwarz – oder, falls er einen Auftraggeber habe, diesem –, auf das niedrigere Preisangebot einzugehen. Schwarz erklärte sich mit dem wesentlich niedrigeren Preis, der 35 Pfund Sterling entsprach, einverstanden, knüpfte aber daran die Bedingung, dass die Preußische Staatsbibliothek außerdem 150 Reichsmark im Inland auszahlte.439 Die Wendung lässt vermuten, dass Schwarz die Interessen eines Verkäufers vertrat, der sich noch in Deutschland oder Österreich befand und das Geld dort brauchte. Feldkamp lehnte die Bedingung ab. Er sehe sich außerstande, die Zahlung in zwei verschiedenen Währungen gegenüber der genehmigenden Stelle durchzusetzen, „abgesehen davon, dass der Preis für die Staatsbibliothek an sich zu hoch ist“. Dabei war er vermutlich nicht genötigt, einen Ankauf in Reichsmark über die Devisenstelle abzuwickeln. Doch er versuchte, den Preis weiter herunterzuhandeln: „Ob es der Staatsbibliothek möglich 434 435
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M. Weisstein an Jacobs, 14. 9. 1933. SBB PK, Historische Akten, III K.10, Bd. 1, 153. Geb. Wien 1909, gest. Los Angeles 1983. Zur Biographie vgl. http://www.univie.ac.at/geschichtegesichtet/k_schwarz.html [bearbeitet von Elisabeth Hochwarter, Stand 11/2011]. Dr. Kurt L. Schwarz, 17, College Crescent, London N.W. 3., an die PSB, 14. 10. 1938. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 88. F[eldkamp] an Schwarz in London, 30. 11. 1938. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 87. F[eldkamp] an Schwarz in London, 9. 1. 1939. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 85. Feldkamp sprach darin von „den hier vorliegenden Erfahrungen und Rücksprachen“, nach denen es ausgeschlossen sein dürfte, den Betrag zu erhalten. Es stellt sich die Frage, ob er sich dabei auf andere Abteilungen der PSB bezog, die bei ähnlichen Vorgängen Erfahrungen gesammelt hatten. Schwarz, London, an die PSB, 12. 1. 1939. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 84.
Ankäufe unter dem Druck der Verfolgung
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sein würde, die Zahlung von £ 35.- Bardevisen, die schon einem Gegenwert von 400.– RM Inlandzahlung entsprechen würden, durchzudrücken, muss dahingestellt bleiben. Wenn Sie auf die 150.- RM Inlandzahlung verzichten könnten, würde die Staatsbibliothek allerdings den Versuch machen.“440 Schwarz revidierte daraufhin seine Preisforderung und erklärte sich mit 40 Pfund einverstanden.441 Gleichzeitig warb Feldkamp bei der Überwachungsstelle für Papier für den Ankauf: „Die gegenwärtige Preiswürdigkeit der angebotenen Einblattdrucke hängt direkt oder indirekt zweifellos mit der Liquidierung nichtarischen Besitzes in Deutschland zusammen. Die Gelegenheit, solche Stücke zu erwerben, dürfte in absehbarer Zeit kaum wiederkehren. Bei dem Ankauf würde es sich „um die Rückführung alter deutscher Kulturdokumente handeln und darüber hinaus um einen Preis, der als sehr billig angesprochen werden muss.“442 Die Rechnung der „Firma Schwarz, London“ über 40 Pfund schickte Feldkamp an die Überwachungsstelle für Papier.443 Am 7. Februar erhielt die Preußische Staatsbibliothek die Genehmigung, die Einblattdrucke für 40 Pfund zu kaufen.444 Die Einblattdrucke wurden für die Kartensammlung akzessioniert.445 Da Juden in Deutschland nicht mehr befugt waren, ihr Eigentum selbständig zu veräußern, bewegten sich die Interessenten in den Bibliotheken am Rande der Legalität, wenn sie auf die verzweifelten Verkaufsangebote eingingen, und sie waren entsprechend vorsichtig. Am 9. Oktober 1941 erkundigte sich Otto Handwerker, der Direktor der Akzessionsabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek, bei Schnütgen, unter welchen Umständen der Berliner Buchhändler Benedict Lachmann sein Geschäft betrieb. Lachmann hatte ihm mehrfach „antiquarische Listen“ zugeschickt.446 Schnütgen konnte bestätigen, dass die Preußische Staatsbibliothek ebenfalls Angebote Lachmanns erhalten hatte, „die für uns nicht in Frage kamen.“447 Und er 440 441 442
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F[eldkamp] an Schwarz, 19. 1. 1939. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 83. Schwarz an die PSB, 21. 1. 1939. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 82. Nicht adressiertes, undatiertes Schreiben von F[eldkamp]. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 81. Bei dem Schreiben handelt es sich wohl nicht um eine Aktennotiz, sondern um den Entwurf zu einem von Schnütgen oder Krüß abzufertigenden Brief an die Überwachungsstelle für Papier. Am 28. 1. 1939 schrieb Feldkamp an die Überwachungsstelle: „In langwierigen Verhandlungen ist es gelungen, den Preis auf 40 Pfund herabzudrücken. […] Wie hoch der Wert dieser Stücke geschätzt wird, möge daraus ersehen werden, dass der eine Einblattdruck in einem Antiquariatskatalog der Firma Halle in München vor einigen Jahren mit 750.– RM ausgezeichnet war.“ Für den anderen Druck wollte er einen ähnlichen Preis veranschlagt wissen. Schreiben der Kaufstelle, [Feldkamp?], an die Überwachungsstelle für Papier, Berlin, Französische Straße 45/46. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 80. EBD. F[eldkamp] an Schwarz, 7. 2. 1939. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 78. Handschriftlich auf einem Schreiben Feldkamps an Schwarz vom 28. 1. 1939 „1938.12268 Rara Kart. 1661 Sonderschrank der Kart. Abt.“ AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 79. Gelegentlich eines privaten Besuchs in Berlin hatte Handwerker Ende 1940 die angegebene Adresse Martin-Luther-Straße 86 aufgesucht, dort aber keine Buchhandlung vorgefunden, „sondern nur einen Untermieter dieses Namens, der nicht anwesend war. Der Hausmeister äusserte Zweifel, ob er arisch sei.“ Bayerische Staatsbibliothek München, Erwerbungs-Abteilung, Handwerker, an Schnütgen, 9. 5. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 138. Schn[ütgen] an den Direktor der Bayerischen Staatsbibliothek, Handwerker, 14. 5. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 137. Handwerker war Direktor der Erwerbungsabteilung, GD war Rudolf Buttmann.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
fügte hinzu: „Wir haben die Angebote für solche eines Privatmannes gehalten, in einem von ihnen war gesagt, dass die zu verkaufenden Bibliotheken sich ‚z. T. in nicht-arischem Besitz‘ befänden.“448 Der Schriftsteller Benedict Lachmann betrieb seit 1919 eine Buchhandlung am Bayerischen Platz in Berlin-Schöneberg, die er 1937 gezwungenermaßen an seinen Mitarbeiter Paul Behr verkaufte. Im Oktober 1941 wurde er in das Ghetto von Łódź deportiert, wo er kurze Zeit später starb.449 Bis zu seiner Deportation versuchte er, von dem Zimmer, das er in der Berliner Martin-Luther-Straße 86 zur Untermiete bewohnte, Privatbibliotheken jüdischer Eigentümer zu verkaufen. Sein letztes Angebot an die Preußische Staatsbibliothek datiert vom 1. Oktober 1941, eine Liste mit acht z. T. mehrbändigen lateinischen Schriften aus dem 18. Jahrhundert. Sie stammten, wie er schrieb, aus einer Privatbibliothek, „welche zur Auflösung gelangt“, und er forderte die Preußische Staatsbibliothek auf, den Preis selbst zu bestimmen.450 Herta von Kathen von der Kaufstelle der Erwerbungsabteilung überprüfte, ob die Schriften vorhanden waren, und schrieb am 23. Oktober 1941 an Lachmann: „Die Staatsbibliothek hat Interesse an den von Ihnen angebotenen 18 Bänden ‚Decisiones Sacrae Rotae Romanae‘ und 1 Band ‚Rotae Maceraten‘ und bittet, ihr die Bände zur Ansicht vorzulegen. Erst nach Einsichtnahme kann ein Preisangebot für die zu erwerbenden Stücke erfolgen.“451 Der Brief erreichte Lachmann nicht mehr und kam mit dem Vermerk „Unbekannt verzogen“ zurück.452 Lachmann war inzwischen deportiert worden. Im November 1941 kaufte die Erwerbungsabteilung zwei Werke des preußischen Landbaumeisters David Gilly an, die ihr jüdischer Eigentümer, der Geheime Regierungsrat Professor a. D. Dr. Ing. Albert Carsten, veräußern musste. Zwei Monate zuvor hatte die Reichskammer der bildenden Künste dem Direktor der Handschriftenabteilung, Christ, eine Liste übersandt, die er daraufhin prüfen sollte, ob Einwände gegen den freihändigen Verkauf der aufgeführten Kulturgüter bestünden.453 Da die Liste Druckschriften enthielt, fragte Christ an, ob die Erwerbungsabteilung an zwei Werken Gillys Interesse hätte, die in der Preußischen Staatsbibliothek nicht vorhanden waren.454 Die Erwerbungsabteilung hatte Interesse. Am 17. Oktober 1941 antwortete Christ, dass die Preußische Staatsbibliothek das „Handbuch der Landbau-
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EBD. SCHOELKOPF, Buchladen. Benedict Lachmann an die PSB, 1. 10. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 69 f. [Herta] v[on] K[athen], an Benedict Lachmann, 23. 10. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 68. Auch der Briefumschlag ist in den Akten erhalten. Der Poststempel datiert vom 23. 10. 1941, auf der Rückseite mit Bleistift der Vermerk „Unbekannt verzogen [unleserliches Kürzel] 24/10. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 66. Der Umschlag enthält das Original des Schreibens von Herta von Kathen. Auf dem Durchdruck vermerkte sie: „Brief kam zurück. Vorgang an Frl. Dr. v. Schwartzkoppen. 29/10.41“. In welcher Weise von Schwartzkoppen in die Vorgänge um einen jüdischen Lieferanten involviert war, ist nicht bekannt. Die Liste schickte Christ zurück an die Reichskammer. Ch[rist] an die Reichskammer der bildenden Künste, z. Hd. Landesleiter Artur Schmidt, 17. 10. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 289. Handschriftliche Notizen zur Überprüfung von Gillys Werken in der PSB. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 286.
Geraubte Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten
241
kunst“ (Braunschweig 1800) und „Lehmschindeldächer“ (Berlin 1794) „zu den angegebenen Taxen“ – 35 bzw. 10 Reichsmark – erwerben wolle.455 Die Reichskammer der bildenden Künste erlaubte Carsten, die Bücher zu verkaufen.456 Das Geld wurde auf sein „beschränkt verfügbares Sicherungskonto“ bei der Deutschen Bank „Abteilung Ausland 3 (Übersee)“ überwiesen. Die beiden Werke wurden akzessioniert.457 Der Vorgang zeigt, dass Christ aufgrund seiner Position als Sachverständiger der Reichskammer der bildenden Künste Kenntnis von Kulturgut hatte, das zur Emigration gezwungene jüdische Deutsche veräußern mussten, und diese Kenntnis für Erwerbungen der Preußischen Staatsbibliothek nutzen konnte.
3.8
Der Umgang der Preußischen Staatsbibliothek mit geraubter Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten
Seit 1938 wurde die Preußische Staatsbibliothek direkt und vermutlich auch indirekt durch die Nationalbibliothek in Wien an dem nationalsozialistischen Bücherraub in Österreich beteiligt. Dennoch erscheint die Zahl von einigen Dutzend aus der Bücherverwertungsstelle und von der Gestapo-Leitstelle in Wien eingelieferten Werken, die akzessioniert wurden, relativ gering.458 Von den Büchersammlungen, die in den zu Beginn des Krieges annektierten und einer deutschen Zivilverwaltung unterstellten Gebieten bei sogenannten Reichsfeinden eingezogen worden waren, profitierte die Preußische Staatsbibliothek wie andere deutsche wissenschaftliche Bibliotheken auf dem Wege des Tauschs oder der Abgabe von Geschenken der einen Bibliothek an die andere.459 Auf diese Weise erhielten die Beschlagnahmungen durch die Behörden – dies gilt zumindest für die annektierten Gebiete im Westen – Lothringen, das Elsass und Luxemburg – den Schein der Rechtmässigkeit. Mit dem aus Metz und Posen eingelieferten Raubgut verfuhren die Erwerbungs- und die Orientalische Abteilung der Preußischen Staats455
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„Betrifft: Veräusserung von Kulturgut in jüdischem Besitz – Sache Albert Carsten, Berlin-Dahlem“. Ch[rist] an die Reichskammer der bildenden Künste, z. Hd. Landesleiter Artur Schmidt, 17. 10. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 289. Es wird aus den Akten nicht deutlich, ob Christ die Werke auch taxierte, bemerkte er doch lediglich: „Gegen den freihändigen Verkauf der übrigen in der Liste verzeichneten Bücher (Nr. 1-4. 6. 8-14) habe ich keine Bedenken. Ich halte einen Preis von RM. 250,00 für angemessen.“ Schreiben der Erwerbungsabteilung an Albert Carsten, Kurfürstendamm 145, bei Littmann-Wolff, 7. 11. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 286. Auf dem Schreiben wurden die Akzessionsnummern „1941. 2041/46“ vermerkt. Albert Carsten an die PSB, Erwerbungsabteilung, Berlin-Halensee, Kurfürstendamm 145/II, 12. 11. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 282. Die Akzessionsjournale enthalten für die Kriegsjahre entsprechende Eintragungen. Dass jedoch größere Mengen an Raubgut, das nicht akzessioniert wurde, aus Österreich oder über österreichische Polizeistellen eingingen, lässt sich anhand der Akten der PSB nicht belegen. Vgl. Kap. 2.3.2.4.
242
NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
bibliothek ebenso wie mit dem aufgrund verschiedener Erlasse eingelieferten Raubgut aus dem sogenannten Altreich oder aus Österreich. Sie arbeiteten es, sofern die personellen Kapazitäten dazu ausreichten, in ihre Sammlungen ein. Sowohl durch die Annexionen, aber mehr noch durch die militärische Besetzung großer Teile Europas ergab sich die Möglichkeit, die Sammlungen durch Ankäufe in den besetzten Gebieten und durch geschenkweise Überstellungen verschiedener NS-Rauborganisationen zu vervollständigen und zu bereichern. Die gravierenden Unterschiede zwischen der Kriegführung und der Besatzungspolitik im Osten und Südosten (in Polen, in der Sowjetunion und in Jugoslawien) und im Westen (in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Dänemark) prägten auch die Umstände, unter denen Raubgut erworben wurde. Im Westen waren es eher die Ankäufe zu den von der Besatzungsmacht diktierten Bedingungen, die die Sammlungen der Preußischen Staatsbibliothek bereicherten; Bücher, die aus Polen, der Sowjetunion und Jugoslawien in die Preußische Staatsbibliothek gelangten, waren hingegen Kriegsbeute.
3.8.1 Der Zugang von NS-Raubgut nach dem Überfall auf Polen 3.8.1.1 Umfang und Herkunft polnischen Raubguts „Gegen Ende des Jahres 1939 wurde durch die deutsche Polizei unverpackt in Lastkraftwagen eine grössere Anzahl Bücher, hauptsächlich aus polnischen Militärbibliotheken stammend, nach Berlin in die Staatsbibliothek gebracht. Die Generalverwaltung lehnte jedoch die Übernahme dieser Bücher in ihre Bestände ab. Infolgedessen wurden sie in die Kellerräume gebracht, um dort bis zur Beendigung des Krieges aufbewahrt zu werden. Zu gleicher Zeit wurden in den Keller der Universitätsbibliothek ca. 10 Kisten mit rund 2-3.000 polnischen Büchern derselben Herkunft eingelagert.“460 Offensichtlich wurden diese Bücher nicht akzessioniert. Gleichwohl nahmen sowohl die Erwerbungs- als auch die Orientalische Abteilung im Jahre 1940 ca. 300 bzw. 350 Werke aus Polen in ihre Bestände auf, die von anderen Stellen eingeliefert wurden. Neben der Reichstauschstelle, die Werke aus der Staats- und Universitätsbibliothek – und vermutlich auch aus der Büchersammelstelle Posen – vermittelte,461 waren dies der Beauftragte des Chefs der Heeresarchive in Posen462 und der Oberbefehlshaber Ost.463 Die von letzterem überstellten Titel tra460
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Hoecker an die Abteilung Volksbildung der Sowjetischen Militäradministration, 18. 6. 1946. SBB PK, Historische Akten, G I/A/10. Vgl. KRAUSE, Aktivitäten, 161 ff. „Genauere Angaben“ konnte Rudolf Hoecker, der Direktor der ÖWB, nicht machen. Seine Beschäftigung an der PSB lag anderthalb Jahrzehnte zurück. 1933 war er wegen seiner früheren Mitgliedschaft in der SPD seines Postens als Direktor der Berliner Universitätsbibliothek enthoben worden. Krüß lebte nicht mehr. Becker und Schnütgen waren nicht mehr im Dienst. Zu Hoeckers Amtsenthebung vgl. FLACHOWSKY, Bibliothek, 35 ff. Vgl. Kap. 2.3.2.4. Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona 1939: 14 Zugänge. Akzessionsjournale 1940: Akz. Ausländisch Dona: 227, Akz. Deutsch Dona: 12, für die Orientalische Abteilung: 29.
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gen in den Akzessionsjournalen den Vermerk „beschlagnahmt“. Stichproben aus den im Jahre 1940 überstellten 227 ausländischen Titeln erwiesen sich als französische Belletristik. In den folgenden Jahren verzeichnen die ausgewerteten Akzessionsjournale kaum noch Einlieferungen aus Polen. 1941 überstellte die Geheime Staatspolizei der Preußischen Staatsbibliothek beschlagnahmte Bücher der Angehörigen des Polnischen Konsulats in Königsberg. Zunächst hatte sie die Geheime Staatspolizei der Haupttreuhandstelle Ost, einer Dienststelle des Göringschen Vierjahresplans, die das Eigentum polnischer Bürger erfasste, einzog, d. h. raubte, und verwertete, angeboten.464 Die Haupttreuhandstelle Ost erklärte sich jedoch für nicht zuständig und wies die Geheime Staatspolizei in Königsberg an, die Bücher an die Preußische Staatsbibliothek abzugeben.465 Schnütgen nahm die Sendung, die aus „3 Koffer[n], 1 Kiste, 1 Reisekorb“ bestand, entgegen, ließ die Bücher „einstweilen in ihrer Verpackung in Keller 18“ unterstellen und „Schilder mit Herkunftsbezeichnung“ anbringen.466 Offenkundig wurden sie ebensowenig akzessioniert wie die 1939 von der deutschen Polizei abgegebenen Militärbibliotheken und lagerten während des Krieges in den Kellern der Preußischen Staatsbibliothek. Eine nicht datierte, zweifellos aber zwischen dem Sommer 1941 und dem Kriegsende angefertigte Aufstellung über die Bestände in den Kellern verzeichnet „Polnische Bücher aus der Kadettenbibliothek in Warschau 4 Regale“.467 Es ist anzunehmen, dass die erwähnte Kadettenbibliothek zumindest teilweise mit dem 1939 angelieferten Raubgut identisch war. Als nach dem Krieg die Bauschäden beseitigt waren, begannen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek „im Anfang des Jahres 1946 mit der Ordnung und Sichtung des in den Kellern vorgefundenen Materials. […] Bei dieser Gele464
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„Auf Grund der §§ 1, 2, 9, 12 der Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates vom 17. September 1940 (RGBl. I, S. 1270)“. Maschinenschriftlich ausgefülltes und an die PSB adressiertes Formular „Beschlagnahme und Einziehung“, Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, i. A. gez. Brohl, 8. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 343. Offensichtlich wusste die Geheime Staatspolizei in Königsberg nicht, was mit beschlagnahmten Büchern geschehen sollte. Deswegen wandte sie sich an das AA, welches das Angebot an die Haupttreuhandstelle Ost weitergab. Der Beauftragte für den Vierjahresplan. Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Ost, an die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle in Königsberg, 21. 7. 1941. (Abschrift für die Erwerbungsabteilung der PSB). AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 341. Schn[nütgen] an die Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, Berlin, Brückenallee 3, 15. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 342. Ein halbes Jahr später kam auf dem gleichen Weg die Rechnung über die Frachtkosten in Höhe von 36,60 RM. Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Haupttreuhandstelle Ost, Sonderabteilung Altreich, i. M. gez. Unterschrift, an die PSB, Erwerbungsabteilung, 27. 1. 1942 (Abschrift). AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 340. Die Geheime Staatspolizei hatte die Frachtkosten verauslagt. Die „Übersicht über die Bücherbestände im Keller der Staatsbibliothek“ verzeichnet in verschiedenen Räumen lagernde Büchersammlungen. Die Kadettenbibliothek befand sich „Unter den Linden“, womit der Südflügel des Gebäudes gemeint war. SBB PK, Historische Akten, A 62, Mappe. Bei den Recherchen von Ulrike Preuß an der Carl von Ossietzky Bibliothek in Hamburg wurde ein Buch entdeckt, das ein Exlibris der „Biblioteka Wojskowa Szkoły Podchorążych Piechoty“ (Militärbibliothek der Infanterieschule) trägt. Es wurde der Bibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg von der RTS im Rahmen des Wiederaufbauprogramms überwiesen. Vgl. PREUSS, Ein Akt der Erinnerung.
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genheit ergab sich, dass sich eine ca. 20.000 Bände umfassende polnische Büchersammlung vorfand.“468 Diese Bücher wurden 1946/48 restituiert.469
3.8.1.2 Die Weitergabe geraubter polnischer Bücher an die Staatliche Kunstbibliothek in Berlin Im Oktober 1940 bekundete der Kustos der Staatlichen Kunstbibliothek in Berlin, Carl Koch, sein Interesse an Büchern, die die Preußische Staatbibliothek „aus polnischen Bibliotheken“ erhalten hatte. Wie er ausführte, wies die Staatliche Kunstbibliothek „empfindliche Lücken in polnischer Kunstliteratur“ auf. U. a. fehlten ihr „neuere Kataloge“. Koch ging davon aus, dass der Deutsch-Ausländische Buchtausch mit der Angelegenheit befasst war, und bat deshalb Jürgens, „für uns geeignete Dubletten“ herauszusuchen. Zugleich überließ er es Jürgens, eventuell noch andere Wege aufzutun, „uns kunsthistorische Literatur aus Polen zuzuleiten.“ Koch war offenbar der Meinung, dass der Deutsch-Ausländische Buchtausch und die Preußische Staatsbibliothek unmittelbar Zugang zu geraubten Buchbeständen hatten. „Jedenfalls wären wir sehr dankbar“, schloss er seinen Brief, „wenn wir auch auf diesem Gebiet durch Ihre Vermittlung unsere Lücken ergänzen könnten.“470 Entgegen Kochs Erwartung verfügte Jürgens’ Dienststelle nicht über geraubte kunsthistorische Literatur aus Polen. Er gab das Schreiben an die Preußische Staatsbibliothek weiter. Daraufhin stellte die Erwerbungsabteilung eine Liste mit acht Werken zusammen, die der Kunstbibliothek übereignet werden sollten.471 Auch wenn es sich nicht um Spezialliteratur im 468
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Hoecker an die Abteilung Volksbildung der Sowjetischen Militäradministration, 18. 6. 1946. SBB PK, Historische Akten, G I/A/10. Im April 1946 fragte „Herr Oberst Moravinski von der polnischen Militärmission […], ob in der Staatsbibliothek und in der Universitätsbibliothek Bücher aus polnischem Besitz vorhanden waren, die nach Ausbruch des Krieges 1939 hierher gebracht worden waren. Die Frage wurde bejaht und in einer schriftlichen Erklärung vom 11. 4. bestätigt [bis jetzt nicht aufgefunden, C. B.]. Die Bücher wurden sofort zur Übergabe bereit gestellt; jedoch wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Abteilung Volksbildung der SMA in Karlshorst hiervon Mitteilung zu machen sei.“ Bis zum Datum des Briefes waren die Bücher noch nicht abgeholt worden. Hoecker an die Abteilung Volksbildung der Sowjetischen Militäradministration, 18. 6. 1946. SBB PK, Historische Akten, G I/A/10. Daraufhin holte Hoecker die Genehmigung der Abteilung Volksbildung der SMA ein. Chef der Abteilung für Volksbildung der SMA in Deutschland, gez. Solotuchin, an den Direktor der ÖWB, Dr. Hoecker. Die deutsche Übersetzung datiert vom 30. 9. 1946. SBB PK, Historische Akten, G I/A/10. Am 4. 12. 1947 beantragte die ÖWB Bretter und Nägel, um 120 Bücherkisten anfertigen zu lassen, so dass die Bücher für die Polnische Militäradministration verpackt werden konnten. Hoecker an die Wirtschaftabteilung der SMA, 14. 12. 1947. SBB PK, Historische Akten, G I/A/10. Kurz zuvor hatte die Staatliche Kunstbibliothek – legal, weil vermutlich Tauschgaben oder Geschenke an den DAB – „Kataloge der Eremitage“ und den „Bericht über den 3. Internationalen Kongreß für Persische Kunst und Archäologie (Leningrad 1935)“ von ihm erhalten. Koch schloss daraus, dass Jürgens auch für die Verteilung des Raubguts aus Polen zuständig war. Der Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek, i. V. Koch, an Jürgens, 31. 10. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 65. Schn[ütgen] an die Staatliche Kunstbibliothek, Koch, 13. 11. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 64. Es handelte sich um folgende Titel: „Chłedowski, Kazimierz: Rokoko we włoszech. Warszawa 1925. Dmow-
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engeren Sinne handelte, waren bis auf eines alle aufgeführten Bücher in der Kunstbibliothek erwünscht.472 Ob dieses ‚Geschenk‘ aus dem von der deutschen Polizei eingelieferten Raubgut oder aus anderen Raubgutlieferungen stammte, ist nicht bekannt. Immerhin kannten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die eingelagerten Bestände hinreichend gut, um derartige Wünsche bedienen zu können. Damit stellt sich zugleich die Frage, ob Koch der einzige Interessent war, der von dem eingegangenen Raubgut „gehört“473 hatte und daran beteiligt werden wollte.
3.8.1.3 Schutz oder Zerstörung und Umstrukturierung? Krüß’ und Beckers Umgang mit polnischem Bibliotheksgut und dem polnischen Bibliothekswesen Sowohl der Umgang mit polnischem Raubgut in den Jahren 1939 bis 1941 als möglicherweise auch der Umgang mit den beschlagnahmten Judaica und Hebraica deuten darauf hin, dass es an der Preußischen Staatsbibliothek seit 1939 divergierende Auffassungen über das Eigentum an Raubgut, insbesondere an der eingelieferten Kriegsbeute, gab und dass sich seine Behandlung im Laufe der Zeit veränderte. Die Auswahl und die Aushändigung der acht bzw. sieben Bände an die Staatliche Kunstbibliothek lagen wohl allein in der Verantwortung der Erwerbungsabteilung; die Generaldirektion dürfte kaum in die Abgabe solch kleiner Büchermengen, noch dazu an eine befreundete Einrichtung, involviert gewesen sein. Die Vorgänge um das Eigentum der Konsulatsangehörigen – ebenfalls eine relativ kleine Menge von Büchern – lassen indes vermuten, dass die Erwerbungsabteilung spätestens seit 1941 eine Anordnung befolgte, bei Ausländern bzw. in den besetzten Gebieten beschlagnahmte Literatur nicht in die eigenen Bestände aufzunehmen. Zweifellos wäre sie, da etliche Mitarbeiter bereits zur Wehrmacht einberufen worden waren, auch kaum in der Lage gewesen, die Mengen der von den Rauborganisationen eingelieferten Literatur zu bewältigen. Was ist über das Verhalten der Generaldirektion und der Abteilungsdirektoren zu polnischem Raubgut bekannt? Am 29. August 1939 bat Kummer den Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, ihm geeignete wissenschaftliche Bibliothekare mit der Fachrichtung Slawistik zu empfehlen. Interessanterweise suchte er sowohl Bibliothekare, die das Tschechische beherrschten – sie
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ski, Roman: Przewót [wohl richtig: przewrót]. Warszawa 1934. Mortkowicz, Jacques: Le Livre d’ art en Pologne 1900–1930. Varsovie 1931. Piatkowski, Henryk: Władysław Czachorski. Warszawa 1927 (Monografje artystyczne. Tom XI.). Potocki, Antoni: Portret i krajobraz angielski. Warszawa o. j. (Nauka i sztuka. Tom 6). Tatarkiewicz, Władysław: Aleksander Orłowski. Warszawa 1926 (Monografje artystyczne. Tom 7). Wellisz, Leopold: Felix-Stanislas Jasinski, Graveur. Sa vie et son oeuvre. Paris 1934. Zahorska, Stefanja: Eugenjusz Zak. Warszawa 1927 (Monografje artystyczne Tom 15).“ Der Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek, i. V. Koch, an die Erwerbungsabteilung der PSB [Schnütgen], 14. 11. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 62. Alle bis auf das Buch von Jacques Mortkowicz wurden am 22. 11. 1940 ausgehändigt. Aktennotizen Sch[nütgens] und Ruth Helwigs vom 16. bzw. 22. 11. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 63. So Koch in seinem Schreiben vom 31. 10. 1940. Der Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek, i. V. Koch, an Jürgens, 31. 10. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 65.
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sollten verantwortliche Positionen in der Landes- und Universitätsbibliothek Prag besetzen – als auch solche mit einer Spezialisierung auf die polnische Sprache.474 Krüß konsultierte daraufhin den Abteilungsdirektor an der Deutschen Bücherei, Werner Rust, und schickte am 8. September eine entsprechende Aufstellung über die geeigneten Personen an Kummer.475 Anscheinend plante das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, sofort oder bald nach dem Überfall auf Polen in die Angelegenheiten der polnischen Bibliotheken einzugreifen und deutsche Bibliothekare nach Polen zu entsenden. Dieses Vorhaben gelangte jedoch nicht zur Ausführung. Stattdessen überließ das Ministerium während der folgenden Monate die Bibliotheken in Polen den Zerstörungen durch deutsche Truppen und den Plünderungen durch die SS.476 In dem Klima der unkontrollierten Bereicherung hielt es Joseph Deutsch, der Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Breslau, im Oktober 1939 für geboten, die Bestände der Schlesischen Öffentlichen Piłsudski-Bibliothek in Kattowitz – 100.000 Bände – in die von ihm geleitete Bibliothek einzureihen.477 Doch wollte er vorher erfahren, wie sich das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zu einem derartigen Vorhaben verhalten würde. Deshalb konsultierte er Becker, der ihm aber nur mitteilen konnte, dass das Ministerium bislang keine Pläne in Bezug auf das polnische Bibliothekswesen habe.478 Es vergingen dreieinhalb Monate, bis eine Besprechung zwischen Krüß und Kummer zu diesem Thema stattfand.479 Wohl wissend, dass es nicht mehr das polnische Bibliothekswesen als solches zu schützen galt, sondern nur noch die wertvollen Handschriften und Inkunabeln in den öffentlichen und privaten Bibliotheken, äußerte Krüß am 23. Februar 1940 seine Besorgnis über ihr Schicksal. Sie seien „vielfach durch die Kriegsereignisse in Mitleidenschaft gezogen […], dass ihr wertvoller Besitz zerstreut oder sonstwie gefährdet ist.“ Und um zu verdeut-
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RMWEV, i. A. gez. Kummer, an den Vorsitzenden des RBBA, 29. 8. 1939. SBB PK, Historische Akten, R V-2, Bd. 1, 195. RBBA, Krüß, an den Minister, 8. 9. 1939 (Entwurf), abgesandt am 11. 9. 1939. SBB PK, Historische Akten, R V-2, Bd. 1, 199 ff. Vgl. MĘŻYŃSKI, Kommando Paulsen. Mężyński weist an anderer Stelle darauf hin, dass Kummer am 2. 11. 1939 von Becker Informationen zu den 27 wichtigsten polnischen Bibliotheken erhielt. „Die Angelegenheit wurde jedoch nicht weiter verfolgt, zumindest nicht nach den bisher bekannten Akten.“ MĘŻYŃSKI, Wissenschaftliche Bibliotheken, 55. Staats- und Universitätsbibliothek Breslau, J. Deutsch, an den Ersten Direktor Becker, 10. 10. 1939. SBB PK, Historische Akten, R II-7, Bd. 1, 125. RBBA, Becker, an Bibliotheksdirektor Deutsch, 16. 10. 1939. SBB PK, Historische Akten, R II-7, Bd. 1, 127. Kummer nahm lediglich eine Aufstellung Beckers „Die wissenschaftlichen Bibliotheken der ehem. Republik Polen (Unter Ausschluss des jetzigen russischen Interessengebietes)“ entgegen und leitete sie weiter. Kummer an Ministerialrat Kohlbach, 2. 11. 1939. BArch R 4901/13675, Bl. 1 ff. Ohne die Lage der polnischen Bibliotheken zu berühren, wandte er sich auf eine Anfrage Abbs wegen der Zettelkartei zu einer internationalen Festschriftenbibliographie an Spengler im SD-Hauptamt. RMWEV, i. A. Kummer, an das SD-Hauptamt, [Wilhelm] Spengler, 14. 11. 1939 (Entwurf). BArch R 4901/13675, Bl. 9. Unter dem 6. 2. 1940 notierte Krüß in seinem Tagebuch, dass eine Besprechung mit Kummer, Becker und Jürgens u. a. über polnische Bibliotheken stattgefunden habe. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher.
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lichen, welche Kulturschätze von den Plünderungen betroffen waren, fügte er dem Schreiben an das Ministerium zwei Gutachten bei, die der Abteilungsdirektor der Handschriftensammlung, Karl Christ, und der Leiter der Inkunabelsammlung, Kurt Ohly, erarbeitet hatten. Krüß folgerte, dass ein wissenschaftlicher Bibliothekar „in das Generalgouvernement und die bereits in das Reich eingegliederten Teile des früheren Polens zu entsenden [sei], um die nötigen Feststellungen zu treffen und, soweit Gefahr im Verzuge ist, die zuständigen örtlichen Stellen hinsichtlich der zu treffenden vorläufigen Maßnahmen zu beraten.“480 Für diese Aufgabe schlug er den Ersten Direktor der Preußischen Staatsbibliothek Becker vor. Gleichzeitig wurde auch in der Regierung des Generalgouvernements der Ruf nach einem Fachmann für die „Sicherungsarbeiten und Erfassung der überaus bedeutungsvollen Bibliotheksbestände in den besetzten polnischen Gebieten“ laut. Für diese Aufgabe schlug die Dienststelle des Sonderbeauftragten für die Sicherung der Kunst- und Kulturgüter im Generalgouvernement den Bibliothekar an der Staats- und Universitätsbibliothek Breslau, Wilhelm Witte, vor.481 Der Sonderbeauftragte, Kajetan Mühlmann, war indes selbst maßgeblich am Raub polnischer Kulturgüter beteiligt. Zwischen ihm und der SS bestanden jedoch hinsichtlich der Frage, ob die geraubten Kunstschätze in Krakau und Warschau, also in der Verfügungsgewalt des Generalgouverneurs, bleiben oder ob sie nach Deutschland gebracht werden sollten, Meinungsverschiedenheiten. Unmittelbar nach dem Überfall auf Polen hatte das dem Reichssicherheitshauptamt unterstehende „Kommando Paulsen“ bereits wertvolles Bibliotheksgut geraubt und nach Deutschland entführt.482 Vom 17. bis zum 30. April 1940 reiste Becker ein erstes Mal nach Krakau und Warschau und führte Gespräche mit Arthur Seyß-Inquart, dem Stellvertreter des Generalgouverneurs Hans Frank, und mit dem Leiter des neugegründeten Instituts für Ostarbeit, Wilhelm Coblitz. Becker schlug vor, ein Bibliotheksreferat einzurichten und einen deutschen Bibliotheksdirektor, dem zwei deutsche Bibliothekare, einer für Warschau und einer für Krakau, beide Slawis-
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Krüß an den Minister, 23. 2. 1940 (handschriftlicher Entwurf), abgesandt am 26. 2. 1940. SBB PK, Historische Akten, R II-7, Bd. 1, 167 f.; RBBA, Krüß, an RMWEV, 23. 2. 1940. BArch R 4901/13675, Bl. 14 ff. Abgedruckt in: MĘŻYŃSKI, Biblioteki naukowe, 17 ff. Einige Tage später erreichte Krüß eine beunruhigende Nachricht vom Regierungspräsidenten in Bromberg. Dieser hatte ihn „angerufen und dringend gebeten, dass etwas unternommen wird zur Bewahrung der zahlreichen wertvollen Bibliotheken, die sich im Regierungsbezirk auf dem Lande verteilt in privatem Besitz befunden haben, und deren Bestand unter den obwaltenden Verhältnissen gefährdet ist.“ Die „Aufzeichnung“ des Gesprächs leitete Krüß, um seinem Schreiben vom 23. 2. Nachdruck zu verleihen, an das Ministerium weiter. Krüß an den Minister, 6. 3. 1940 (Entwurf), abgesandt am 13. 3. 1940. SBB PK, Historische Akten, R II-7, Bd. 1, 171. Vgl. die Erwähnung eines Telefongesprächs, das im Auftrage des Staatssekretärs des Generalgouverneurs, Joseph Bühler, mit ihm geführt wurde. Amt des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete. Der Sonderbeauftragte für die Sicherung der Kunst- und Kulturgüter, i. A. Dr. [Richard] Albrecht, an den RMWEV, 23. 2. 1940. BArch R 4901/13675, Bl. 13. Vgl. zu diesen Vorgängen auch MĘŻYŃSKI, Wissenschaftliche Bibliotheken, 56 f. und „Zur deutschen Bibliotheksverwaltung im Generalgouvernement“. Tonbandgespräch mit Wilhelm Witte, EBD., 81–109, 81 ff. Vgl. zu der Thematik auch MĘŻYŃSKI, Polnische Bibliotheken, 293.
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ten, zur Seite standen, mit der Leitung der polnischen Bibliotheken zu betrauen.483 Aus „dienstlichen Gründen“ schloss Becker aus, dass er selbst für das Amt zur Verfügung stünde.484 Ein halbes Jahr später füllte Becker neben seinem Amt als Erster Direktor zugleich das eines Kommissarischen Direktors der Landes- und Universitätsbibliothek in Prag aus.485 Zum Leiter der „Hauptabteilung Bibliotheken“ in der „Hauptverwaltung für Wissenschaft und Unterricht“ im Generalgouvernement wurde schließlich zum 1. Juli 1940 der Direktor der Universitätsbibliothek Berlin und ehemalige Abteilungsdirektor der Benutzungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek, Gustav Abb, ernannt. Abb strukturierte das Bibliothekswesen im Generalgouvernement dergestalt um, dass für die Bedürfnisse der deutschen Besatzer drei sogenannte Staatsbibliotheken in Warschau, Krakau und Lublin – und 1941 nach dem Einmarsch deutscher Truppen in das im September 1939 entsprechend dem Hitler-Stalin-Pakt von der Sowjetunion besetzte Galizien – auch in Lemberg zur Verfügung standen.486 Einerseits schützte Abb damit die Bestände der wissenschaftlichen Bibliotheken und trat den Begehrlichkeiten deutscher Stellen entgegen, Teile dieser Bestände für ihre Zwecke zu requirieren.487 Andererseits machte er sich zum Erfüllungsgehilfen der deutschen Besatzungspolitik.488 Krüß’ Absicht war es zweifellos, die polnischen Bibliotheken während der Besatzung zu schützen.489 Möglicherweise war die Besetzung der „Hauptabteilung Bibliotheken“ mit Abb, der ein aktiver Nationalsozialist war, als Fachmann und ehemaliger Mitarbeiter jedoch Krüß’ Vertrauen hatte, ein Kompromiss, da Krüß selbst nicht mit dem Raub an polnischem Bibliotheksgut490 in Verbindung gebracht werden wollte. Die Notwendigkeit, polnische Kulturgüter zu schützen, begründete er mit der Reputation Deutschlands. Andernfalls würde das Ansehen des Deutschen Reiches „im neutralen Ausland“ leiden.491 Für Becker stellten die mittlerweile in 483
Becker an das Amt des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete, 3. 5. 1940. BArch R 4901/13675, Bl. 38 ff. Abgedruckt in: MĘŻYŃSKI, Biblioteki naukowe, 25 ff. In seinem Schreiben an das RMWEV nannte Becker Wilhelm Witte und Ulrich Johanssen, Bibliothekar an der PSB. Solange sich dieser noch im Heeresdienst befand, sollte Krüß’ Mitarbeiter in der Generalverwaltung der PSB, Wolf von Both, ihn vertreten. Der Erste Direktor der PSB, Becker, an den RMWEV, 3. 5. 1940. BArch R 4901/13675, 34 ff. 484 Der Erste Direktor der PSB, Becker, an den RMWEV, 3. 5. 1940. BArch R 4901/13675, 34. Kummer ging zunächst davon aus, dass der RBBA, also Krüß und Becker, die Entsendung Beckers vorsahen. RMWEV, i. A. Kummer, an das Amt des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete, z. H. des Sonderbeauftragten für die Sicherung der Kunst- und Kulturgüter, 4. 3. 1940 (Entwurf). BArch R 4901/13675, Bl. 24. 485 Vgl. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher, 1940 ff. 486 Vgl. KOMOROWSKI, Bibliotheken im Generalgouvernement. 487 Vgl. Kap. 2.4. 488 Vgl. PIROŻYŃSKI, Bibliothekspolitik. 489 Vgl. Krüß an den Minister, Mai 1940 (Entwurf, abgesandt 16. 5. 1940 [?]).SBB PK, Historische Akten, I.9-156, Bd. 1, 126. 490 Auch im Frühjahr 1940 stand noch nicht endgültig fest, ob die Bibliotheksbestände in Polen an Ort und Stelle bleiben oder ob die Rara als Kriegskontribution den großen deutschen Bibliotheken in Berlin und München – und in Wien – zugewiesen werden sollten. Vgl. KOMOROWSKI, Bibliotheken im Generalgouvernement, 70. Komorowski bezieht sich auf eine Tagebucheintragung Hans Franks vom 16. 5. 1940. 491 „Im eigenen deutschen Interesse wie mit Rücksicht auf die Wirkung im neutralen Ausland halte ich es für dringend geboten, das besondere Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung dieser Kulturwerte getroffen werden.“ RBBA, Krüß, an RMWEV, 23. 2. 1940. BArch R 4901/13675, Bl. 14.
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deutschem „Staatseigentum“ befindlichen polnischen öffentlichen Bibliotheken „ein wertvolles Faustpfand“ dar, „dessen Sicherung und Pflege in deutschem Interesse grösste Bedeutung“ zukäme. Er verwies auf die „Friedensverhandlungen des letzten Jahrhunderts“, bei denen „Bibliotheksbesitz immer eine Rolle gespielt“ habe.492 Im Frühjahr 1940 hatte das NS-Regime mit seiner Kriegführung und seiner Besatzungspolitik – den zahllosen in Polen begangenen Verbrechen – die von Krüß aufrechtgehaltenen Prinzipien längst obsolet werden lassen. Mehr als je zuvor wurde er, wie Pamela Spence Richards schreibt, zu einer „tragischen Figur“.493 Wenngleich er die direkte Verantwortung für das polnische Bibliothekswesen abgegeben hatte, informierte sich Krüß doch weiterhin über die Bibliothekspolitik im besetzten Polen. Er stand in regelmässigem Kontakt zu Abb, besprach sich mit ihm über dessen Berufung zum „Kommissar für die Sicherung der Bibliotheken und Betreuung des Buchgutes im östlichen Operationsgebiet“494 und ließ sich über seine Versuche, Sammlungen in der Sowjetunion bzw. den sowjetisch besetzten polnischen Gebieten vor der Zerstörung durch die deutschen Truppen und dem Raub durch deutsche Dienststellen zu schützen, Bericht erstatten.495 Im Frühjahr 1941 reiste Krüß zweimal wegen der Wiedereröffnung der Biblioteka Jagiellońska, die zur Staatsbibliothek für die deutschen Besatzer umgestaltet worden war, nach Krakau. Überlegungen, dass nach dem Ende des Krieges auch über die Rückgabe von Kulturgütern verhandelt werden würde, dürften Krüß dazu veranlasst haben, im eigenen Hause Regeln für den Umgang mit der eingelieferten Kriegsbeute aufzustellen. Dennoch verfuhr er nicht von Anfang an konsequent, sondern ließ sich in seinen Entscheidungen von den Erwerbungswünschen der Abteilungsdirektoren leiten. Am 25. Juni 1940 bot Dr. Drescher von der Abteilung Volksaufklärung und Propaganda bei der Regierung des Generalgouvernements in Krakau der Preußischen Staatsbibliothek „etwa 4.000 Bücher in althebräischer, hebräischer, jiddischer Sprache“ an, die in der Wohnung eines Rabbiners in Jędrzejów im Distrikt Krakau „sichergestellt“ worden waren. „Wir haben daraufhin“, schrieb Drescher, „eine Durchsicht dieser Bücher vorgenommen und dabei festgestellt, daß etwa 300 Bücher Bibeln und Psalme (rein synagogal), etwa 300 Bücher Gebetbücher, etwa 100 Bücher des israelitischen Moralgesetzes ‚Mischna‘, etwa 800 Bücher des Talmuds, etwa 1.500 Bücher Kommentare zur ‚Mischna‘ und zum Talmud, etwa 100 Bücher hebräische schöngeistige Literatur (weltlich) und etwa 1.000 Bücher jiddische Literatur darstellen.“496 Das Schreiben ging bei der Generaldirektion ein; Becker leitete es an die Orientalische Abteilung weiter. 492
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Becker an das Amt des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete, 3. 5. 1940. BArch R 4901/13675, Bl. 38 ff., Bl. 39. Vgl. Krüß’ Argumentation zu den französischen Heeresbüchereien. Kap. 3.8.3. RICHARDS, Rez. Behrends, 371. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher, Eintragung vom 16. 6. 1941. Abb an Krüß, Heilstätte Istebna, 7. 7. 1941. SBB PK, Historische Akten, I.7-17, 17. Amt des Generalgouvernements für die besetzten Gebiete, Abt. Volksaufklärung und Propaganda, Auf Anordnung Dr. Dreschers, an die PSB, 25. 6. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Auf dem Scheiben der Vermerk Beckers.
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Eher als von den im Inland beschlagnahmten und eingezogenen Hebraica und Judaica konnte sich Weisweiler von dieser Bibliothek erhoffen, dass sie „in Anbetracht ihres Umfangs viele Lücken in den Beständen der Staatsbibliothek ausfüllen und darüber hinaus die Bestände erheblich vermehren“ würde. Deshalb sprach er sich für die Erwerbung aus.497 Daraufhin bat Krüß um die Überlassung der Bücher und sicherte zu, dass die Preußische Staatsbibliothek die entstehenden Kosten übernehme.498 Anfang Juli ließ Drescher die Bibliothek verpacken.499 In Ermangelung von Kisten wurden die Bücher lose in einen Eisenbahnwaggon geschichtet und nach Berlin abgesandt. Am 19. Juli 1940 quittierte Schawe, als wissenschaftlicher Beamter der Orientalischen Abteilung, für den Erhalt.500 Krüß dankte der Abteilung Volksaufklärung und Propaganda in Krakau für die Sendung.501 Die Bücher aus Jędrzejów wurden vermutlich ebensowenig akzessioniert wie anderes Raubgut aus Polen. Doch hatte die Preußische Staatsbibliothek sie nicht passiv entgegengenommen. Vielmehr entsprach Krüß mit der Aufforderung, die Bibliothek zu überstellen, dem Wunsch der Verantwortlichen in der Orientalischen Abteilung. An eine spätere Einarbeitung war also gedacht.
3.8.2 Schutz von Bibliotheken, Rückforderungen von deutschem Kulturgut und Erwerbungen im besetzten Frankreich und Belgien 3.8.2.1 Die Verknüpfung von Bibliotheksschutz und Rückforderungen und die Abgrenzung der Bibliotheksschutzreferate zum Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg In der Annahme, „dass binnen kurzem für die besetzten Gebiete von Holland und Belgien eine besondere Verwaltung eingerichtet wird“, schlug Krüß am 15. Mai 1940 dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vor, „bei dieser Verwaltung eine bibliothekarische Dienststelle“ einzurichten und mit dem Geschäftsführer der Reichstauschstelle, Adolf 497
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Handschriftliche Notiz Weisweilers, 28. 6. [1941], mit dem Kürzel Beckers, gleichfalls vom 28. 6. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Krüß an das Amt des Generalgouvernements für die besetzten polnischen Gebiete, Abteilung für Volksaufklärung und Propaganda, Krakau, Rynek Kleparski 4, 1. 7. 1940 (Entwurf), abgesandt am 2. 7. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Krüß versah dieses Schreiben mit einem Eilvermerk und sandte es an seinen Mitarbeiter, Amtmann Brandt, zur Mitzeichnung. Amt des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete, Abt. Volksaufklärung und Propaganda, auf Anordnung Dr. Drescher, 5. 7. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Amt des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete, Abt. Volksaufklärung und Propaganda, auf Anordnung Dr. Drescher, 16. 7. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Die Frachtkosten betrugen 275,40 RM. Zettel mit verschiedenen handschriftlichen Notizen. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Krüß an das Amt das Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete, Abt. Volksaufklärung und Propaganda, 7. 7. 1940 (Entwurf, abgesandt am 30. 7. 1940). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). In der SBB PK wurde 2005 ein größerer Bücherfund gemacht, bei dem es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um NS-Raubgut handelt. Ein kleiner Teil dieser Bücher war der Rabbinerbibliothek in Jędrzejów zuzuordnen. SCHNEIDER-KEMPF, Preußische Staatsbibliothek, 332 f.
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Jürgens, zu besetzen. Dieser sei „auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit mit den Bibliotheken in Holland und Belgien eingehend vertraut und auch in Angelegenheiten der Verwaltung geschult“. Ohnedies war Jürgens wegen einer Verwundung im Ersten Weltkrieg „nicht felddienstfähig“. Die Notwendigkeit der Bibliotheksschutzstellen begründete Krüß mit den „Erfahrungen des Weltkrieges und des Feldzuges in Polen“. Diese hätten gezeigt, „dass das leicht bewegliche Gut der Bibliotheken […] auch während der Zeit einer Besetzung in hohem Masse gefährdet ist.“502 Doch erst als der Schutz von Kultureinrichtungen mit der Frage der Rückforderungen des in der Vergangenheit nach Frankreich entführten deutschen Kulturgutes verknüpft wurde und die Vorarbeiten dazu begannen, kam es zur Einrichtung solcher Stellen, jedoch nur in den der deutschen Militärverwaltung unterstellten Gebieten in Frankreich und Belgien. In den Niederlanden, die einer deutschen Zivilverwaltung unterstanden, unterblieb ihre Einrichtung. Wie die Eintragungen in Krüß’ Tagebuch belegen, betrieb er die Einrichtung der Dienststellen und die Erarbeitung der Rückforderungslisten in der Preußischen Staatsbibliothek im Sommer 1940 parallel zueinander.503 Auf seinen eigenen Vorschlag hin ernannte ihn das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung am 2. Juli 1940 zum „Kommissar für die Sicherung der Bibliotheken und die Betreuung des Buchgutes im westlichen Operationsgebiet“. In einem Rundschreiben, das am 10. Juli 1940 an 150 Bibliotheken, wissenschaftliche Institute, an die Oberpräsidenten der deutschen Länder und an andere obere Verwaltungsbehörden erging,504 erfragte Krüß, ob und welches Bibliotheksgut aus dem früheren Bestand der Einrichtung sich gegenwärtig in Frankreich oder in Belgien befände. Mit dieser weitreichenden Beteiligung der Fachöffentlichkeit demonstrierte er Engagement und wies zugleich unbegründete Ansprüche in die Schranken. Damit kam er einer ähnlichen Anfrage des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda zuvor, das sich seit August 1940 in die Diskussion um die Rückforderungen einmischte. Nach dessen Richtlinien sollten die Rückforderungen nicht allein die sogenannte Napoleonische Beute, d. h. die in den Revolutions- und in den Napoleonischen Kriegen aus den deutschen Ländern nach Frankreich entführten Kulturgüter, umfassen, sondern bis auf das 502
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Krüß an den Minister, Mai 1940 (Entwurf, abgesandt 16. 5. 1940 [?]).SBB PK, Historische Akten, I.9156, Bd. 1, 126. Nach der Ernennung zum Bibliotheksschutzkommissar konsultierte er am 8. 7. 1940 Becker, Jürgens und Fuchs – letztere waren während des Ersten Weltkriegs in Frankreich gewesen – und den Mitarbeiter der Handschriftenabteilung Albert Boeckler, zur „Sicherung der Bibliotheken im besetzten Gebiet.“ SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Vgl. auch die Notizen über zahlreiche weitere Gespräche in Krüß’ Tagebuch. „There is no sign that Krüss saw a conflict between protecting libraries and contemplating removing treasures from them“, bemerkt Sem Sutter. Vgl. SUTTER, Krüss, 322. Es sei dahingestellt, ob Krüß die Rückforderungen aufrichtig wünschte; er handelte pragmatisch, indem er die Rückforderungen nutzte, um, mit seinen Fachleuten in den besetzten Gebieten präsent zu sein. Wermke erwähnte in seiner Erinnerung an die ersten Jahre des Referats Bibliothekschutz in Paris, dass die Fragebögen neben den deutschen auch an österreichische Bibliotheken verschickt worden waren. Der deutsche Bibliotheksschutz in Frankreich während des Weltkrieges. Eine Erinnerung von Dr. Ernst Wermke. SBB PK, Handschriftenabteilung, Misz. 112: Ernst Wermke.
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Spätmittelalter zurückgehen und sich auch auf solche im Ausland befindlichen Kulturgüter erstrecken, die in der Vergangenheit völlig rechtmässig in Deutschland erworben worden waren.505 Trotz des damit in Aussicht stehenden, immensen Arbeitsaufwands erhob das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung keinen Einspruch gegen diese Anspruchskonstruktion, im Gegenteil, es unterstellte die zu seinem Geschäftsbereich gehörenden und mit der Erarbeitung der Rückforderungslisten befassten Institutionen, wie die Preußische Staatbibliothek, in dieser Angelegenheit der Weisungsbefugnis des Propagandaministers.506 Krüß dachte offenbar nicht daran, den NS-ideologisch motivierten Forderungskatalog mitzutragen. Entschlossener als seine Vorgesetzten im Ministerium suchte er im September 1940 das direkte Gespräch mit Goebbels. Die Vorarbeiten zu den Rückforderungen waren so weit fortgeschritten, dass die ersten Frankreich und Belgien betreffenden Listen vorgelegt werden konnten.507 Krüß hatte nicht, wie Goebbels es wünschte, die Bearbeiter veranlasst, die Ausfuhr deutschen Bibliotheksgutes bis zum Jahr 1500 zurückzuverfolgen. Vielmehr hatten sie ihre Recherchen mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges begonnen und sich auf die zwischen 1794 und 1807 eingetretenen Verluste konzentriert.508 Die Rückforderungslisten sollten an Ort und Stelle von den Bibliotheksreferaten überprüft werden. Ohne diesen Umstand direkt auszusprechen, machte Krüß deutlich, dass das von Goebbels geleitete Ministerium gar nicht in der Lage sein würde, die umfassenden Rückforderungsansprüche an Frankreich und Belgien zu realisieren, ohne selbst Fachleute mit den notwendigen Arbeiten zu beschäftigen. Goebbels musste ihm zustimmen. Er erklärte, „dass die getroffenen Vorkehrungen den von ihm verfolgten Zwecken entsprächen, und betonte erneut, dass er nicht die Absicht habe, seinerseits eine besondere Organisation für diese Zwecke zu schaffen.“509
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Vgl. HEUSS, Kunst- und Kulturraub, 277 ff. Auf einer Sitzung am 22. 8. 1940 – Krüß weilte in Paris – brachte Goebbels „die Ausdehnung der Untersuchung auf alles, was in Deutschland seit etwa 1500 an Kulturgut zerstört oder weggeführt ist, sowie eine neue Einteilung in Stücke von ausserordentlichem, mittlerem und nur lokalem Wert und innerhalb dieser Kategorien eine Unterteilung in Gegenstände, bei denen ein sicherer Rechtsanspruch besteht, solche, bei denen der Rechtsanspruch anfechtbar ist, und andere, bei denen er ganz unsicher oder nur scheinbar ist, deren Erwerbung aber erwünscht wäre.“ Krüß: Vorläufiger Bericht über den Stand der Vorarbeiten für die Rückforderung deutschen Bibliotheksgutes, 9. 9. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe). RMWEV, i. V. Zschintzsch, an den GD der PSB u. a. (Rundschreiben), 29. 8. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe). Krüß: Aufzeichnung über die Besprechung mit Herrn Reichsminister Dr. Goebbels vom 17. 9. 1940 betreffend die Rückforderung von Bibliotheken aus den westlichen Ländern. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (2. graue Mappe). Entwurf und Reinschrift. Krüß: Vorläufiger Bericht über den Stand der Vorarbeiten für die Rückforderung deutschen Bibliotheksgutes, 9. 9. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (graue Mappe). Krüß: Aufzeichnung über die Besprechung mit Herrn Reichsminister Dr. Goebbels vom 17. 9. 1940 betreffend die Rückforderung von Bibliotheken aus den westlichen Ländern. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (2. graue Mappe). Entwurf und Reinschrift.
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Krüß wies darauf hin, dass er sich mit dem deutschen Botschafter in Paris, Otto Abetz,510 einig sei, dass deutsches Kulturgut nicht „über die selbstverständliche Rückforderung unrechtmässig entführten Kulturguts hinaus unbegrenzt“ zurückverlangt werden dürfe. Damit trat er dem Vorhaben entgegen, alles Kulturgut, das irgendwie deutschen Ursprungs war, zurückzuholen. „Die Feindländer müssten vielmehr veranlasst werden, den Zeugnissen deutscher Kultur, namentlich in den staatlichen und öffentlichen Sammlungen, eine weit bessere Vertretung zu sichern, als es bisher der Fall gewesen ist.“511 Goebbels erwiderte, „dass dies auch seine Auffassung sei. Die jetzt vorbereiteten Listen sollten zunächst nur eine allgemeine Übersicht über das in den Feindstaaten vorhandene wertvolle deutsche Kulturgut schaffen und auf Grund dieser Übersicht dem Führer die Entscheidung über die späterhin zu stellenden Rückforderungen ermöglichen.“512 Schließlich veranlasste Krüß Goebbels, ihm seine Unterstützung in den Auseinandersetzungen mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg zuzusagen, „falls Eingriffe in das staatliche Bibliothekseigentum betrieben werden sollten, die den vorgetragenen Auffassungen entgegenständen.“513 Bereits Ende Juli 1940, also vor seiner Reise nach Paris, hatte sich Krüß mit Herbert Gerigk vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg „über die Sicherung der Bibliotheken in den besetzten westlichen Gebieten“ verständigt.514 Zwei Wochen später traf er mit Rosenberg zusammen. Dieser betonte, dass er „in erster Linie an den Bibliotheken der Freimaurer und an gewissen jüdischen und kirchlichen Bibliotheken interessiert“ sei. Über den Umstand, dass der Einsatzstab bereits derartige Bibliotheken beschlagnahmte, um Literatur für das Institut zur Erforschung der Judenfrage in Frankfurt a. Main und „für den Aufbau sonstiger Spezialbibliotheken“ zu gewinnen, war Krüß sicher informiert. Wichtig war für ihn jedoch, Rosenberg die Aussage abzuringen, „dass zwischen dem ihm vom Führer erteilten Auftrag und dem Auftrag des Generaldirektors der Staatsbibliothek keine Konkurrenz bestehe.“ Rosenberg bekräftigte, dass er am Besitz der französischen öffentlichen Bibliotheken nur allgemein in dem Sinne interessiert sei, entfremdetes Bibliotheksgut nach Deutschland zurückzuführen, „und zwar in den staatlichen Besitz, wohin es gehöre.“515 510
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Vgl. DE VRIES, Sonderstab Musik, 119 ff. Dass das AA in die weiteren Besprechungen nicht mehr einbezogen wurde, dürfte unmaßgeblich für Krüß gewesen sein. Zum Rückzug des AA vgl. HEUSS, Kunstund Kulturraub, 278. Krüß: Aufzeichnung über die Besprechung mit Herrn Reichsminister Dr. Goebbels vom 17. 9. 1940 betreffend die Rückforderung von Bibliotheken aus den westlichen Ländern. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (2. graue Mappe). Entwurf und Reinschrift. EBD. EBD. Am 24. 7. 1940 fand eine Besprechung mit Gerigk über die Sicherung der Bibliotheken in den besetzten westlichen Gebieten statt. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher; Krüß: Aufzeichnung, 24. 7. 1940. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (2. graue Mappe). Zu Gerigk Vgl. DE VRIES, Sonderstab Musik, 166 ff. Krüß: Besprechung mit Reichsleiter Alfred Rosenberg am 7. 8. 1940 unter Beteiligung von Direktor Dr. Becker und Dr. Gerigk. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (2. graue Mappe). In dem Zusammenhang mit dem von Frankreich einzufordernden Kulturgut brachte er die Sprache „auf die 1933 von den Franzosen über die Französische Botschaft in Berlin vermutlich in die Bibliothèque Nationale aus dem
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Krüß’ Gespräche mit Gerigk, Rosenberg und Goebbels zielten darauf, zumindest mündliche Zusicherungen zu erhalten, dass die öffentlichen staatlichen und kommunalen Bibliotheken in Frankreich und Belgien nicht angetastet würden. Dabei nutzte er aus, dass sowohl Rosenberg als auch Goebbels sich nicht offen zu ihren Raubabsichten bekennen wollten und gegenüber Krüß als dem Vertreter einer traditionellen staatlichen Institution den Schein der Loyalität zu wahren trachteten.516 Die Rückforderung des in der Vergangenheit aus Deutschland entführten Kulturguts sollte bis zum Kriegsende aufgeschoben werden. Die sorgfältige Prüfung der Listen konnte ausufernde Forderungen entschärfen und verbürgte, dass, wenn die Rückforderungen zum Gegenstand von Verhandlungen würden, sie auf eine historisch stichhaltige Grundlage hätten gestellt werden können.
3.8.2.2 Die Einrichtung der Bibliotheksschutzreferate in Paris und Brüssel Am 21. August 1940 trat Krüß zusammen mit Becker und Fuchs die geplante Reise nach Paris an. Er verhandelte in den folgenden Tagen über die „Einrichtung einer Gruppe ‚Bibliotheksschutz‘ bei der Militärverwaltung in Frankreich“ und anschließend in Brüssel bei der Militärverwaltung in Belgien und Nordfrankreich.517 Nach seiner Rückkehr folgten weitere Besprechungen im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und im Auswärtigen Amt.518 Am 17. September 1940 verfügte das Oberkommando des Heeres die Errichtung der Bibliotheksschutzreferate in Paris und in Brüssel. Das Referat in Paris wurde dem Verwaltungsstab
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Haus des Vorwärts entführte Bibliothek der russischen Menscheviken. Eine Aufzeichnung darüber wurde Stabsleiter Leipprand [sic] übergeben, mit dem anschliessend eine kurze Besprechung stattfand.“ Georg Leibbrandt war Mitarbeiter des ERR. Die von Krüß hier erwähnte „Aufzeichnung“ basierte vermutlich auf den Erkundigungen Feldkamps und Sveistrups. Krüß an das Geheime Staatspolizeiamt, 14. 2. 1934. SBB PK, Historische Akten, III K.16, Bd. 1, 33. Vgl. den Erinnerungsbericht Sveistrups. Sveistrup an Krüß, 7. 1. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Umgekehrt hielt sich Krüß an die vereinbarte Trennung der Interessenssphären. Der Chef der Heeresarchive in den Niederlanden informierte ihn am 4. 2. 1941 über die Beschlagnahme einer Bibliothek in seinem Dienstbereich. Krüß übersandte das Schreiben an Stabsleiter Gotthard Urban in der Berliner Dienststelle des Einsatzstabes, Margarethenstraße 4, „zur Weiterbehandlung der Sache […], da es sich um eine bei einem Juden beschlagnahmte Bibliothek handelt und die Angelegenheit nach der mit Herrn Reichsleiter Alfred Rosenberg seinerzeit getroffenen Vereinbarung in Ihren Bereich fällt.“ Krüß an Stabsleiter Urban, Dienststelle des Reichsleiters Alfred Rosenberg, 22. 2. 1941 (Entwurf, abgesandt 24. 2. 1941). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Am 5. September berichtete er sowohl Kummer im RMWEV als auch dem Gesandten Twardowski im AA über seine Reise nach Paris und Brüssel. Am 11. 9. 1940 war er „Nachm. mit Kriegsverwaltungsrat Dr. Dahnke, Paris, bei Kranzler – Besprechung bei Legationsrat Dr. Roth im Auswärtigen Amt.“ SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Vgl. Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 2. Im Juni 1942 wurde es mit den „Gruppen und Referaten Archivwesen, Kunstschutz, Vorgeschichte und Archäologie und Schulwesen […] zu einer einzigen Gruppe Kunst- und Kulturverwaltungen (V 1 / 2) vereinigt“.
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des Militärbefehlshabers in Frankreich unterstellt und war in der „Gruppe Schule und Kultur (V 4)“ angesiedelt.519 Das Bibliotheksschutzreferat beim Chef der Militärverwaltung in Belgien und Nordfrankreich gehörte zur „Gruppe Kultur“.520 Sein Verantwortlichkeitsbereich erstreckte sich auf Belgien und die französischen Departements Nord und Pas-de-Calais. In der Besetzung der Stellen in den beiden Referaten spiegelte sich die Dominanz der Preußischen Staatsbibliothek und des Preußischen Staates im deutschen Bibliothekswesen wider. Dennoch achtete Krüß darauf, dass auch Bibliothekare aus anderen deutschen Ländern und der ‚Ostmark‘ zum Einsatz kamen.521 Zu den Anforderungen, die an sie gestellt wurden, gehörte ausdrücklich nicht, dass sie bereits zum Heeresdienst eingezogen waren. Mit dem Antritt des Dienstes wurden sie ohnedies „in das Verhältnis als Kriegsverwaltungsrat überführt“, was dem Rang eines Hauptmannes entsprach. „Erwünscht“ waren „Kenntnisse in Handschriftenkunde und eine gewisse persönliche Haltung mit Rücksicht auf das erforderliche militärische Auftreten.“522 Das Pariser Referat war personell ungleich großzügiger ausgestattet als das Referat in Brüssel. Sein Leiter, Ernst Wermke, Direktor der Stadtbibliothek Breslau, war Hauptmann der Reserve und befand sich Ende September 1940 bereits in der Normandie. Er wurde zum Oberkriegsverwaltungsrat ernannt.523 Ihm zur Seite standen Hermann Fuchs als sein Stellvertreter, des weiteren Wolf von Both, Ludwig Klaiber, Hans Wegener, Hermann Gerstner, Hans-Gerd von Rundstedt und die Diplombibliothekarin Irene Scheil als Stabshelferin.524 520
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Heinrich Schreiber an den Reichskommissar für die Bibliotheken der besetzten Westgebiete, Krüß, Leipzig, 14. 3. 1942. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (grüne Mappe). Wie Schiel in seinem Abschlussbericht schrieb, bildete das Bibliotheksschutzreferat in Brüssel „eine Untergruppe innerhalb der Gruppe kult und wurde im Sommer 1942 bei Neuordnung der Gruppe als Referat dem Leiter der Gruppe kult, MVACh Dr. Löffler, unterstellt.“ Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe). Wegen der Besetzung des Bibliotheksreferates in Brüssel richtete Krüß seine Anfrage an die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe, die Frankfurter Bibliotheken, die Bayerische Staatsbibliothek und die Nationalbibliothek in Wien und überließ es bei den beiden letztgenannten auch den dortigen Direktoren, geeignete Mitarbeiter zu benennen. Krüß an die Direktoren der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe und der Gesamtverwaltung der Städtischen und Universalbibliotheken Frankfurt a. Main, 15. 10. 1940 (Entwurf, abgesandt am 16. 10. 1940). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (2. graue Mappe). Krüß an die Direktoren der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, der Gesamtverwaltung der Städtischen und Universitätsbibliotheken Frankfurt a. Main, den GD der Bayerischen Staatsbibliothek und den GD der Nationalbibliothek Wien, 15. 10. 1940 (Entwurf, abgesandt am 16. 10. 1940). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (2. graue Mappe). Wermke schrieb in einer vermutlich nach Kriegsende abgefassten Darstellung über seine Zeit als Leiter des Bibliotheksschutzreferates in Paris: „Nachdem ich als Hauptmann der Reserve und Batteriechef die Feldzüge in Polen und in Frankreich mitgemacht hatte, lag meine Truppe Ende September 1940 an der Nordküste der Normandie.“ Der deutsche Bibliotheksschutz in Frankreich während des Weltkrieges. Eine Erinnerung von Dr. Ernst Wermke. SBB PK, Handschriftenabteilung, Misz. 112: Ernst Wermke. Fuchs, von Both, Wegener und Scheil waren von der PSB abgeordnet, Klaiber von der Universitätsbibliothek Freiburg, Gerstner von der Bayerischen Staatsbibliothek und von Rundstedt von der Universitätsbibliothek Berlin. Fuchs war bereits am 20. August in Krüß’ Begleitung in Paris. Die meisten anderen traten ihren Dienst am 27. 9. 1940 an, Scheil und Rundstedt etwas später, im Oktober bzw. November 1940. Von Both hatte Krüß mehrfach um Versetzung von Krakau nach Paris gebeten. Verschiedene Briefe von Boths an Krüß. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m.
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Der Kunsthistoriker Hans Wegener war ein ausgewiesener Spezialist für illuminierte Handschriften.525 Vom 11. Juli bis 23. August 1941 war er zu der Dienststelle in Brüssel abkommandiert.526 Ihn unterstützte sowohl in Paris als auch in Brüssel der Mitarbeiter der Handschriftenabteilung der Preußischen Staatsbibliothek, Albert Boeckler, der selbst nicht zum Bibliotheksschutz gehörte.527 Bereits im Herbst 1940 reiste Georg Schünemann, der Direktor der Musikabteilung der Preußischen Staatsbibliothek, „zur Feststellung der Musikautographen deutscher Herkunft bei den staatlichen Bibliotheken“ nach Paris und Brüssel.528 Fast alle Mitarbeiter des Pariser Referats wurden, nachdem die Rückgabelisten abgeschlossen waren, im Januar 1942 abgezogen.529 Nach Wermkes Weggang wurde Fuchs im März 1942 Leiter des Referats; er blieb, ebenso wie Scheil, bis zum August 1944 in Paris.530 Heinrich Schreiber, Bibliotheksrat an der Universitätsbibliothek Leipzig, trat seinen Dienst als Kriegsverwaltungsrat in Brüssel am 1. Oktober 1940 an. Krüß beabsichtigte, mindestens noch einen weiteren Mitarbeiter nach Brüssel zu entsenden.531 Seit Januar gehörte die Stabshelferin Frau Dorenberg532 zum Referat, seit dem 24. März 1941 Hubert Schiel von der Bibliothek für Technik in Frankfurt am Main. Schiel war zunächst Schreibers Stellvertreter. Nach dessen Ausscheiden533 blieb er der einzige Bibliothekar in der Brüsseler Dienststelle. Zu weiteren Be-
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Hans Wegener an den GD der PSB, 3. 4. 1928. SBB PK, Historische Akten, I.9-216, Bd. 1, 10. Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe). So hielt sich Boeckler im November/Dezember 1941 vier Wochen lang „zur Mitarbeit an den Rückforderungslisten“ in Brüssel auf. Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe). GD der PSB, gez. Krüß, an den RMWEV, 8. 4. 1941; GD der PSB, i. V. Becker, an die Hauptpassierscheinstelle beim OKW, 18. 9. 1940. SBB PK, Historische Akten I.7-21, Bd. 2, 146 und 145. In dem ersten Schreiben war nur Paris erwähnt. Vgl. auch DE VRIES, Sonderstab Musik. Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944, 20. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 3. Anlage 1 „Mitarbeiter des Referates Bibliotheksschutz“. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft). Seine Erwägungen konzentrierten sich auf Hubert Schiel. „Dr. Schiel ist am 24. 2. 1898 in Engen (Baden) geboren. Er ist Bibliotheksrat bei der Bibliothek für Kunst und Technik in Frankfurt a. Main und kommissarisch mit der Leitung dieser Bibliothek beauftragt. Er ist Feldwebel beim Inf. Ers. Batt. 355 1. Komp. in Eisenach.“ Krüß an den Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich. Militärverwaltungschef – pers. – Brüssel, 16. 11. 1940 (Entwurf). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (2. graue Mappe). Schiel verfügte über besondere Kenntnisse in Handschriftenkunde, wie Krüß bemerkte, und war „auch in Verwaltungssachen bewandert.“ Möglicherweise ist sie identisch mit dem von Schreiber genannten Fräulein Dalitz. „Als Wehrmachtsangestellte stand dem Referat seit Mitte Januar 1941 Frl. Ruth Dalitz, ehemalige Sekretärin der Reichsausstellung Gutenberg, zur Verfügung.“ Heinrich Schreiber an den Reichskommissar für die Bibliotheken der besetzten Westgebiete, Geheimrat Professor Dr. Hugo Andres Krüß, Leipzig, 14. 3. 1942. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (grüne Mappe). Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe). Schreiber schied am 6. 9. 1941 wegen Krankheit aus seinem Amt aus. Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe). Er starb am 22. 6. 1942 in Leipzig. HABERMANN, Lexikon 1985, 311.
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setzungen kam es weder in Paris noch in Brüssel. Im Januar 1944 wurde das Referat Bibliotheksschutz in Belgien und Nordfrankreich durch Verfügung des Oberkommandos des Heeres aufgelöst.534
3.8.2.3 Zur Tätigkeit der Bibliotheksschutzreferate in Paris und Brüssel Die Aufgaben der Bibliotheksschutzreferate in Paris und Brüssel ähnelten sich. An den Anfang seines im September 1944 abgefassten Tätigkeitsberichts stellte Fuchs die Sicherung und den Schutz der französischen Bibliotheken. Die Zuständigkeit des Referats erstreckte sich ausschließlich auf die Bibliotheken in staatlichem und kommunalem Besitz. Die Militärbibliotheken waren dem Beauftragten des Chefs der Heeresbüchereien unterstellt, während die Volksund Leihbüchereien von der Propaganda-Abteilung kontrolliert wurden. Außerhalb jeglichen Zugriffs durch den Bibliotheksschutz standen ohnehin „die privaten und öffentlichen Bibliotheken der Freimaurer und Juden, die gemäss Befehl des OKW vom 5. Juli 1940 dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg überantwortet waren.“535 Die Zuständigkeit des Brüsseler Referats war in der gleichen Weise eingeschränkt.536 Wie Schreiber im Februar 1942 berichtete, ging der Einsatzstab Rosenberg „unter Einsatz erheblicher Machtmittel gegen Bibliotheken jüdischen und volksfeindlichen Charakters vor, wobei Eingriffe in das Feld der wissenschaftlichen Bibliothekspflege nicht zu vermeiden waren.“ Das Referat Bibliotheksschutz konnte lediglich durchsetzen, „daß jeder Eingriff in die Rechte wissenschaftlicher Bibliotheken des Gebietes von der Zustimmung des Militärverwaltungs-Vizechefs abhängig gemacht wurde.“537 Kirchliche Bibliotheken konnte das Referat ebenfalls nicht
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Krüß an den Minister, 3. 2. 1944 (Entwurf, abgesandt 29. 2. 1944). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe). Dazu auch ein Schreiben Schiels an Krüß vom 19. 1. 1944, verbunden mit seinem Schlussbericht. Schiel schrieb, dass er am 25. 1. 1944 „hier abgehen“ wird. Der Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich. Gruppe kult, Schiel, an Krüß, Brüssel, 19. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe). Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944, 20. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 2. Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe), S. 2. Schreiber beschrieb diese Abgrenzung folgendermaßen: „Mit dem Brüsseler Beauftragten [der Heeresbüchereien], der nicht dem Verwaltungs- sondern dem Kommandostab unterstand, wurde eine Zusammenarbeit, besonders hinsichtlich der deutsch-feindlichen Literatur, erzielt. Auf dem gleichen Gebiet waren die Aufgaben abzugrenzen gegenüber der Gruppe Propaganda und Presse im Verwaltungsstab und gegenüber der Propaganda-Abteilung Belgien (Propaganda-Ministerium), die jedoch späterhin dem Militär-Verwaltungsstab eingegliedert wurde.“ Heinrich Schreiber, an den Reichskommissar für die Bibliotheken der besetzten Westgebiete, 28. 2. 1942. Bericht über die Tätigkeit des Referats Bibliotheksschutz beim Militärbefehlshaber in Belgien und Nord-Frankreich vom 1. 10. 1940–6. 9. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (grüne Mappe). Heinrich Schreiber, an den Reichskommissar für die Bibliotheken der besetzten Westgebiete, 28. 2. 1942. Bericht über die Tätigkeit des Referats Bibliotheksschutz beim Militärbefehlshaber in Belgien und NordFrankreich vom 1. 10. 1940–6. 9. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (grüne Mappe).
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schützen: „Die lang sich hinziehenden Verhandlungen über die Erhaltung der Bibliothek des Jesuitenkollegs in Edingen endeten mit der Beschlagnahme durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg.“538 Schutz der Bibliotheken bedeutete nicht nur, sie gegen die Rauborganisationen des NSRegimes zu sichern, sondern nicht zuletzt Gebäude und Bestände vor den Zerstörungen und Beschädigungen bei Kriegshandlungen zu bewahren. Wenn verlagerte und damit zugleich sicher untergebrachte Bibliotheksbestände jedoch „für die Arbeiten des Referates selbst oder deutscher Gelehrter benötigt“ wurden, ließen die Mitarbeiter der Bibliotheksschutzreferate „vieles aus den Depots des besetzten Gebietes an seinen ursprünglichen Ort“ zurückbringen und setzten es somit der Gefahr der Zerstörung aus. Fuchs gestand selbst ein, dass das Referat auf diese Weise die Zerstörung der Stadtbibliothek in Chartres bei einem britischen Luftangriff am 26. Mai 1944 verschuldet hatte.539 Sogenannte deutschfeindliche Literatur durfte zwar in den französischen wissenschaftlichen Bibliotheken verbleiben, für die Ausleihe war allerdings eine Ermächtigung des Referats Bibliotheksschutz notwendig.540 In den belgischen wissenschaftlichen Bibliotheken wurde verbotene Literatur anhand einer 1941 von der Propaganda-Abteilung zusammengestellten Liste „Tegen ophitsing en wanorde – Contre l’éxcitation à la haine et au désordre“ ausgesondert. Die Verantwortung für die Sekretierung lag bei den Bibliotheksdirektoren. Das Brüsseler Referat überwachte die Aussonderung lediglich durch Stichproben. Die deutschfeindliche Literatur war, wie in Frankreich, von der Benutzung ausgeschlossen, wurde aber, sofern Bestände in wissenschaftlichen Bibliotheken betroffen waren, nicht beschlagnahmt und vernichtet.541 Im Gegensatz zu Polen hielten die deutschen Besatzer an der „landeseigenen Verwaltung“ der Bibliotheken fest. Die Bibliotheksschutzreferate beaufsichtigten die Berufskollegen in Frankreich und Belgien und nahmen Einfluss „auf Personalfragen, Etatgestaltung, Beziehungen zu anderen deutschen Dienststellen usw.“542 Zweifellos setzte sich gerade Fuchs für die Belange der französischen Bibliothekarinnen und Bibliothekare ein. Die günstigen Beleumundungen, die die französischen Kulturbehörden Fuchs nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ausstellten,543 waren insofern nicht bloße Gefälligkeitszeugnisse. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den französischen – und wohl auch in den belgischen – Bibliotheken war allerdings nicht bekannt, dass die deutschen Bibliothekare nicht zuletzt deshalb in ihren Sammlungen recherchierten, weil sie die Rückforderungslisten für deutsche Kulturgüter überprüften und komplettierten. Im September 1944 schrieb Fuchs über diesen Aspekt der Tätigkeit des Refe538 539
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Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe), S. 8. Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944, 20. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 5 ff. EBD., S. 8. Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe), S. 6. Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944, 20. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 7. U. a. vom Ministère de l’Education Nationale, Direction des Bibliothèques Nationales, Marcel Bouteron, Directeur des Bibliothèques de France, Membre de l’Institut, an Hermann Fuchs, Paris, 19. 11. 1945. SBB PK, Handschriftenabteilung, Misz. 83-1: Hermann Fuchs.
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rats: „Da dieser Auftrag geheim zu halten war, wurde er durch wissenschaftliche Arbeiten (Inventarisierung deutscher Handschriften und Autographe) gegenüber den Franzosen getarnt, die in der Tat stets darüber im unklaren geblieben sind, ob und in welchem Umfang die Rückforderungen von entführtem Bibliotheksgut stattfinden würden.“544 Sicher trugen auch die zahlreichen Fotoarbeiten, die die Bibliotheksschutzreferate in Auftrag gaben, zur Verschleierung der Recherchen bei. Für die Sonderabteilungen der Preußischen Staatsbibliothek ließen die Mitarbeiter der Referate Reproduktionen von Handschriften, Autographen und Inkunabeln anfertigen.545 Mit der Ausleihe von Stücken aus französischen und belgischen Bibliotheken und mit der Ausführung von Fotoaufträgen dienten sie aber auch anderen deutschen Institutionen und Dienststellen. Unter den Auftraggebern, die die Dienstleistungen des Pariser Referats in Anspruch nahmen, waren die Winckelmann-Gesellschaft in Stendal, das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, die Nationalbibliothek in Wien, die List-Stiftung in Freiburg, die Preußische Akademie der Wissenschaften, die Heinrich Himmler unterstehende Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe, das Ibero-Amerikanische Institut in Berlin und das Reichssicherheitshauptamt, das französische Kolonialliteratur und Hugenottenliteratur bestellte, sowie zahlreiche individuelle Forscher, unter ihnen vor allem Militärs und Verwaltungsbeamte,546 die sich aufgrund der Verfügungsgewalt, die sie als Besatzer über fremdes Kulturgut hatten, mit ihren wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Ambitionen zu profilieren suchten. Zu den Aufgaben der Referate gehörte neben der „Regelung des Buchhändlerverkehrs und des Tauschverkehrs [gemeint waren die Aktivitäten der Reichstauschstelle und des DeutschAusländischen Buchtauschs, C. B.]“ ausdrücklich auch die „Versorgung der Bibliotheken mit Literatur aus dem Befehlsbereich“.547 Fuchs berichtete 1944, dass der Buchmarkt in den ersten Jahren – also 1940 und 1941 – „noch manche günstige Gelegenheit“ bot, „die für die deutschen Bibliotheken nach Kräften ausgenutzt worden ist. Die Staatsbibliothek hat dabei ihren Besitz an französischen Erstausgaben sehr günstig abzurunden vermocht.“ Sie konnte den durch den Krieg unterbrochenen Bezug mancher Periodica wieder aufnehmen, entstandene Lücken ergänzen und Neuerscheinungen, „deren Wichtigkeit oft nur an Ort und Stelle zu erkennen war“, erwerben. Andere Bibliotheken und „selbst private Forscher“ bedienten sich gleichfalls „der Vermittlung des Referates“ und überwanden „mit seiner Hilfe die bestehenden Transport- und Devisenschwierigkeiten“.548 544
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Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944, 20. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 12. Zu den Nachforschungen in Belgien vgl. Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe), S. 4 f. Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944, 20. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 17. EBD., Anlage 3. Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe), S. 1. Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944, 20. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 18. In dem Bericht spricht Fuchs davon, dass das Referat Bibliotheksschutz den französischen Buchmarkt für die deut-
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Fuchs bilanzierte die Erfolge seiner Tätigkeit: „Zwei sehr bedeutsame grosse Erwerbungen wurden für die Nationalbibliothek in Wien ermöglicht. Für das Generalgouvernement wurde in Lyon eine wertvolle Sammlung von Chopin-Manuskripten und -Erinnerungsstücken sowie eine reichhaltige Chopinbibliothek erworben […]. Für die Stadt Aachen wurde eine große Sammlung französischer Orchesterpartituren gekauft. Wo das Referat nicht direkt tätig werden konnte, hat es wenigstens durch Verhandlungen mit französischen Buchhändlern und Verlegern den deutschen Stellen die Wege geebnet und dank seines militärischen Charakters viele Schwierigkeiten aus dem Wege räumen können, deren eine rein zivile Einrichtung niemals hätte Herr werden können.“549 Die Tätigkeiten Schreibers und Schiels unterschieden sich von der des Pariser Referats, weil sie nach den bisherigen Erkenntnissen nicht in der Weise wie Fuchs über Ankaufsmittel verfügten. Doch stellten sie „die unmittelbare Beziehung zwischen den deutschen Bibliotheken und geeigneten belgischen Buchhändlern“ her550 und besuchten „Buchauktionen im Interesse deutscher Bibliotheken […], solange die Preise noch erträglich waren.“551 Es ist zu vermuten, dass sie in Einzelfällen mit bestimmten Ankaufsaufträgen betraut waren.552 Schiel vermittelte größere Ankäufe im Rahmen des Wiederaufbauprogramms der Reichstauschstelle. Außerdem beriet das Referat „aus dem Reich zum Zwecke des Bücherkaufs entsandte Vertreter von Bibliotheken und Instituten“.553 Einer dieser Vertreter war der Mitarbeiter der Kartenabteilung der Preußischen Staatsbibliothek Norbert Fischer, der von Ende August bis Mitte September 1941 auf Einladung Schreibers554 Belgien und die Niederlanden bereiste, um wertvolle Stücke in den Antiquariaten
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sche Wissenschaft und im Interesse der deutschen Bibliotheken, vornehmlich der PSB „ausgeschöpft“ habe. Fuchs bezahlte – möglicherweise standen keine oder noch keine Ankaufsmittel seitens der Universitätsbibliothek Berlin zur Verfügung – im Februar 1941, „da es sich um einen Einzelfall handelte“, eine von von Both in Paris gekaufte Dissertation aus den Mitteln der PSB. Fuchs an Schnütgen, 28. 2. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 239 f. Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944, 20. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 18 f. Staatsbibliothek zu Berlin. Zu den Erwerbungen der Chopin-Manuskripte in Lyon vgl. MĘŻYŃSKI, musée Chopin. Zu den Erwerbungen für die Nationalbibliothek in Wien vgl. HALL, … allerlei, 242. Bis August 1944 hatte die Nationalbibliothek für ca. 60.000 Francs Bücher gekauft. Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe), S. 3. Heinrich Schreiber an den Reichskommissar für die Bibliotheken der besetzten Westgebiete, 28. 2. 1942. Bericht über die Tätigkeit des Referats Bibliotheksschutz beim Militärbefehlshaber in Belgien und NordFrankreich vom 1. 10. 1940–6. 9. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (grüne Mappe). Zwei Eintragungen im Posteingangsbuch der Generalverwaltung der PSB, verweisen auf in Aussicht genommene Ankäufe durch Schiel in Belgien. Eintragung 9. 6. 1943: Schreiben Schiels wegen des „Ankaufs e. Missale u Rechng“ – „Ankauf abgelehnt, da Einband Fälschung“ 15. 6. 1943, und eine weitere Eintragung vom 29. 7. 1943 „Dr. Schiel betr. Brüssel Betr. Hs. Kauf“. SBB PK, Historische Akten, Nr. 228. Die im Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona für 1943 verzeichneten zehn Titel wurden vom Militärbefehlshaber in Belgien – nicht vom Referat Bibliotheksschutz – eingeliefert. Hubert Schiel: Schlussbericht, 18. 1. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (1. graue Mappe), S. 3. Der Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich, Militärverwaltungschef, Bibliotheksschutz, i. A. Schreiber, an GD der PSB, 12. 7. 1941. SBB PK, Historische Akten I.9-231, Bd. 1, 85.
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zu erwerben. Seine Einkaufsreise war zwar nicht so erfolgreich, wie erhofft, dennoch konnte Fischer einige interessante Stücke erwerben, so u. a. in den Antiquariaten Miette und Simonson und in der Librairie de Meulenaere in Brüssel sowie in einem Genter Antiquariat. Darüber hinaus knüpfte er den Kontakt zum Arbeitsstab für Kartographie und Vermessungswesen, der über belgische Beutekarten verfügte. Dessen Leiter, Major Puschnigg, sicherte ihm zu, dass die Kartenabteilung der Preußischen Staatsbibliothek „von allen belgischen Beutekarten zwei Sätze; von der Karte 1:10 000 einen Satz“ erhalten würde. Fischer resümierte: „Bei der Auswertung des noch ungeordnet in einem riesigen Schuppen lagernden englischen und französischen Beutekartenmaterials wird die Karten-Abteilung angemessen bedacht werden.“555
3.8.3 Ungeregelte Zuständigkeiten: Heeresbüchereien und Heeresarchive Im Juni 1941 teilte der Direktor der Technischen Hochschule Darmstadt, Walter Sbrzesny, dem Bibliotheksschutzreferat in Paris mit, dass er beabsichtige, „einen Leihverkehr zwischen einigen technischen und militärischen Bibliotheken Frankreichs und der Bibliothek der Technischen Hochschule Darmstadt einzurichten und zu diesem Zweck eine Durchsicht der Bestände der in Frage kommenden Bibliotheken in Paris selbst vorzunehmen“. Fuchs ahnte jedoch, was Sbrzesny tatsächlich plante, nämlich die Bestände seiner Bibliothek durch Raubgut aus den französischen Heeresbibliotheken zu vergrößern, und verweigerte deshalb seine Unterstützung.556 Da Sbrzesny sein Vorhaben hartnäckig weiter verfolgte und nunmehr auch unverblümt Anspruch auf Bestände aus französischen Bibliotheken erhob, suchte Wermke zwei Monate später bei Krüß Rückhalt in dieser Angelegenheit. Wermke stimmte mit Krüß überein, „dass ein derartiger Vorgriff auf die Bestände staatlicher französischer Bibliotheken, sowie sie der Gruppe Bibliotheksschutz beim Militärbefehlshaber in Frankreich unterstehen, keineswegs in Frage kommen kann und verhindert werden muss, da er geeignet wäre, die bisher hier geleisteten Vorarbeiten für die Rückforderung deutschen Buchgutes empfindlich zu stören und zu schädigen.“ Er musste allerdings einräumen, dass die „französischen Heeresbüchereien […] von deutscher militärischer Seite als Kriegsbeute angesehen“ würden und „geringe Beschlagnahmungen einiger Werke für militärische Zwecke“ erfolgt seien. „Aber auch hier zielt der Antrag Dr. Sbrzesnys ins Leere, da nach meiner Kenntnis die von ihm genannten Bibliotheken kaum Literatur enthalten, die für Darmstadt in Frage kommen würde.“557
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Norbert Fischer: Bericht über die Dienstreise nach Belgien und Holland vom 28. August bis 17. September 1941, o. D. Begleitschreiben an den GD der PSB, 22. 9. 1941. SBB PK, Historische Akten, I.9-231, Bd. 1, 94. Der Militärbefehlshaber in Frankreich. Der Chef des Verwaltungsstabes, i. A. Dr. Wermke, an den GD der PSB, 26. 8. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Das erste Schreiben Sbrzesnys, auf das Wermke Bezug nahm, datierte vom 20. 6. 1941. Der Militärbefehlshaber in Frankreich. Der Chef des Verwaltungsstabes, i. A. Dr. Wermke, an den GD der PSB, 26. 8. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Wermke bezog sich auf einen noch weitergehenden Antrag Sbrzesnys vom 21. 7. 1941.
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Sbrzesny hatte sich des Einverständnisses des Chefs der Heeresbüchereien, Kurt Esselbrügge,558 versichert, um in Paris Bibliothekskataloge für seine Zwecke durchzusehen.559 Doch auch Esselbrügge wollte die von Sbrzesny „angeschnittene Frage“ nicht entscheiden. Er hielt es für ratsam, dass „zunächst ein Fachmann zur Feststellung, ob ein in Ihrem Sinne lohnendes Material in den genannten Büchereien vorhanden ist, nach hier entsandt wird.“ Weil Esselbrügge für die „Zivilbüchereien“ nicht zuständig war, sollte sich Sbrzesny an das Referat Bibliotheksschutz wenden.560 Inzwischen versuchte Sbrzesny, sein Vorhaben mit Hilfe der Hessischen Landesregierung durchzusetzen. Diese verwies auf „kriegswissenschaftliche, z. T. in Dringlichkeitsstufe SS laufende Forschungsaufträge“, die an der Technischen Hochschule Darmstadt angesiedelt seien und ausländische Zeitschriften benötigten. Die Bibliothek der Technischen Hochschule hätte sich beim Geheimen Staatspolizeiamt Berlin, Abt. Auslandspresse, um die Devisengenehmigung für die Einfuhr der Zeitschriften bemüht. „Da jedoch bereits vor Kriegsbeginn durch erschwerte Devisenbestimmungen und fehlende Mittel unangenehme Lücken in den Beständen der Auslandsliteratur der Hochschule eingetreten waren, soll im Interesse der eingangs genannten kriegswichtigen Forschungsaufträge versucht werden, während des Krieges die in Darmstadt fehlenden Bestände soweit möglich aus z. Zt. brachliegenden Bibliotheken der besetzten Gebiete zu ergänzen.“ Das Interesse der Technischen Hochschule Darmstadt richtete sich vor allem auf die Bibliothek der „École Polytechnique“ in Paris, die in den Entscheidungsbereich des Militärbefehlshabers fiel.561
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1935 war Dr. Esselbrügge als Bibliotheksinspektor in der Signierstelle der PSB verantwortlich für die „Ermittlung von Literatur für die Benutzer, bibliographische Bearbeitung der einlaufenden Bestellungzettel und Feststellung der Signaturen der bestellten Bücher.“ Organisationsfragen der Staatsbibliothek, 1. 4. 1935. SBB PK, Historische Akten, Nr. 122, im Verzeichnis der Mitarbeiter Nr. 209. Er schied 1936 aus der PSB aus und trat beim Generalkommando X in Hamburg als Hauptmann in Dienst, um die Leitung einer Wehrkreisbücherei zu übernehmen. SBB PK, Historische Akten, I.10-34, Bd. 2a. Der Militärbefehlshaber in Frankreich. Der Chef des Verwaltungsstabes, i. A. Dr. Wermke, an den GD der PSB, 26. 8. 1941. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Der Beauftragte des Chefs der Heeresbüchereien beim Militärbefehlshaber in Frankreich, gez. Dr. Esselbrügge, Major, an Bibliotheksrat Dr. Ing. Sbrzesny, Regierungsbaumeister a. D., Leiter der Bibliothek der Technischen Hochschule Darmstadt, Paris 25. 6. 1941 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Die von Esselbrügge besichtigten Bibliotheken waren die Bibliothek „Im Kriegsministerium, In der Ecole Militaire Supérieure, In der Inspektion de génie, In der Inspektion der Artillerie“. In einem ergänzenden Schreiben nannte Esselbrügge als bisher in Augenschein genommen noch die Bibliothek der „Ecole polytechnique“, und er fügte hinzu: „Ich halte es daher für erforderlich, wenn Sie, bei der Kürze der Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit, eine fachliche Hilfskraft mitbringen.“ Der Beauftragte des Chefs der Heeresbüchereien beim Militärbefehlshaber in Frankreich, gez. Dr. Esselbrügge, Major, an Bibliotheksrat Dr. Ing. Sbrzesny, Regierungsbaumeister a. D., Leiter der Bibliothek der Technischen Hochschule Darmstadt, Paris 7. 7. 1941 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Technische Hochschule Darmstadt, Der Rektor, gez. [Karl Emil] Lieser, an den Reichsstatthalter in Hessen – Landesregierung, Darmstadt, 21. 7. 1941 (Abschrift). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Das Schreiben des Reichsstatthalters in Hessen (Landesregierung) an das RMWEV, Darmstadt, den 29. 7. 1941, ebenfalls in Abschrift in den Akten. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Die Reisegenehmigung sollte für Sbrzesny und die Bibliotheksangestellte Hilde Ullrich ausgestellt werden.
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Krüß hatte Wermkes Bericht dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung übergeben562 und sah sich nun auf dem Umweg über die Hessische Landesregierung und das Ministerium wiederum mit Sbrzesnys Ansinnen konfrontiert. Entschieden und in ungewohnter Klarheit drang er darauf, dessen Vorhaben zu unterbinden: „Den Herrn Minister bitte ich, die Genehmigung zur Reise des Leiters der Bibliothek der Technischen Hochschule Darmstadt, Dr. Sbrzesny, nach Paris einstweilen zu versagen, bis die Sachlage und der Zweck der Reise weiter geklärt sind.“ Er konzedierte, dass keine Bedenken seitens des Beauftragten des Chefs der Heeresbüchereien beim Militärbefehlshaber in Frankreich zu bestehen schienen und die Bestände der französischen Heeresbüchereien „augenscheinlich als Kriegsbeute angesehen“ würden, „über die von deutscher Seite verfügt werden kann“, gab dann aber zu bedenken, „ob es nicht gegen das allgemeine Interesse der deutschen Bibliotheken wäre, solches Beutegut schon jetzt zu übernehmen, wo andrerseits die durch den Friedensvertrag zu erreichende Rückführung des früher von den Franzosen aus Deutschland als Kriegsbeute entführten Buchguts mit der Unrechtmässigkeit dieses Verfahrens zu begründen sein wird. Dieser Gesichtspunkt würde bei einem Diktatfrieden ohne Bedeutung sein, bei einem Verhandlungsfrieden, mit dem auf Grund des gegenwärtigen Verhältnisses zu Frankreich gerechnet werden muss, jedoch Frankreich die Handhabe zu unerwünschten Gegenforderungen bieten. Jedenfalls darf die nach dem Willen des Führers zu stellende Forderung auf Rückgabe des Deutschland zu früherer Zeit entfremdeten Buchguts nicht dadurch gefährdet werden, daß ein Vorgriff auf die Bestände staatlicher französischer Bibliotheken erfolgt, wie er von Darmstadt beabsichtigt wird.“ Sollte Sbrzesny „sich zwecks Entnahme von Büchern“ nach Paris begeben, „würde er von der Gruppe ‚Bibliotheksschutz‘ beim Militärbefehlshaber in Frankreich eine entschiedene Ablehnung zu erwarten haben.“563 Eine Abschrift dieses Schreibens ging an Wermke in Paris.564 Gleichzeitig befand Krüß sich in einem Interessenkonflikt, nicht, weil er den Absichten des Direktors einer deutschen wissenschaftlichen Bibliothek Einhalt gebieten musste, sondern vielmehr weil in seinem Hause Forderungen nach einer Beteiligung an der Kriegsbeute laut wurden. Krüß hatte im Dezember 1941 erfahren, dass „zwischen der Gruppe ‚Archivschutz‘ beim Militärbefehlshaber in Frankreich und dem Beauftragten des Chefs der Heeresarchive Verhandlungen im Gange seien über die Verteilung von Kartenmaterial, das irgendwie [„irgendwie“ ist ausgestrichen, C. B.] in Frankreich beschlagnahmt worden ist.“ Und der Verletzung der von ihm vertretenen Prinzipien des Bibliotheksschutzes vorbauend fuhr er in seinem Schreiben an Wermke fort: „Ich nehme an, daß es sich dabei nicht um Karten aus dem Besitz der staatlichen Bibliotheken handelt.“ Andererseits fühlte er sich verpflichtet, dafür zu sorgen, 562
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PSB, Krüß, an den Minister, 30. 8. 1941 (Entwurf, abgesandt am 1. 9. 1941). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). PSB, Krüß, an den Minister, 11. 8. 1941 (Entwurf, abgesandt am 11. 8. 1941). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). PSB, Krüß, an den Militärbefehlshaber in Frankreich, Verwaltungsstab, Gruppe Bibliotheksschutz [Wermke], o. D. (Entwurf, abgesandt am 11. 8. 1941). SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (Ordner). Von Becker wurde das Schreiben gleichfalls abgezeichnet.
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„daß die Kartensammlung der Staatsbibliothek wegen ihrer Bedeutung und ihrer bereits vorhandenen Bestände gegebenenfalls entsprechend beteiligt wird.“565 Fuchs klärte ihn über die Herkunft der beschlagnahmten Karten auf. Es handele sich „um Karten und Pläne bis 1840, die von den deutschen Heeresarchiven in französischen Heeresarchiven beschlagnahmt worden sind. Diese Karten werden dem Chef der Heeresarchive, General v. Rabenau, für das Heeresarchiv zur Verfügung gestellt. Die Pläne, d. h. handschriftliche Karten usw., dagegen werden den Stellen zur Verfügung gestellt, aus denen sie nach Frankreich gekommen sind, soweit sich das noch feststellen lässt.“566 Fuchs’ Angabe legte nahe, dass die Pläne und Karten ehemals deutsches Kulturgut waren. Hinsichtlich des Sammlungsinteresses der Preußischen Staatsbibliothek fuhr er fort: „Gegebenenfalls wäre es möglich, sich dort mit dem General v. Rabenau in Verbindung zu setzen. Die Gruppe Archivschutz ist nur insofern an der ganzen Aktion beteiligt, als einer ihrer Herren, Dr. Vock, den Heeresarchiven zur Verfügung gestellt worden ist.“567 Auch in diesem Falle gab Krüß dem Druck der Abteilungen des eigenen Hauses nach und entschied sich für die Übernahme von Kriegsbeute. Gleichsam aus zweiter Hand erhielt die Preußische Staatsbibliothek nicht nur Karten des französischen Heeres, sondern auch Bücher aus einer französischen Militärbibliothek. Am 8. Mai 1941 bedankte sich Schnütgen bei Oberleutnant Prof. Dr. Ing. Bartels für die „unlängst in grösserer Zahl hierher überwiesenen Bücher und Zeitschriften aus einer erbeuteten französischen Bücherei“.568 Diese hatte ein Mitarbeiter des Instituts für Werkstoffprüfung der Luftkriegsakademien in Berlin-Gatow namens Otto in einem Schreiben an Poewe vom 3. April 1941 angekündigt.569 Dem Schriftwechsel liegt eine Liste über 165 Titel französischer Militärliteratur bei, von denen jedoch nicht alle an die Luftkriegsakademie in Berlin-Gatow überwiesen worden waren.570 Mit einer zweiten Lieferung kamen die in dem Schreiben vom 3. April 565
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Krüß an Oberkriegsverwaltungsrat Wermke, 12. 12. 1941 (Entwurf, u. a. von Fischer von der Kartenabteilung abgezeichnet, abgesandt am 15. 12. 1941). SBB PK, Historische Akten, III L, Bd. 6, 383. Der Militärbefehlshaber in Frankreich, Verwaltungsstab V Abt. Kult, Fuchs, an Krüß, 20. 12. 1941. SBB PK, Historische Akten, III L, Bd. 6, 385. Wie aus den handschriftlichen Vermerken hervorgeht, reichte Krüß das Schreiben zur Kenntnisnahme an Fischer in der Kartenabteilung weiter. EBD. Die Kartenabteilung hatte schon früher Beutekarten aus Frankreich erhalten. Im Juli 1941 begründete Smend den Antrag für zehn neue Kartenschränke damit, dass mit dem Beginn des (Haushalts-)Jahres „der Zustrom an Beutekarten des Krieges begonnen“ habe. „Der Zuwachs der Abteilung ist seit dem 1. 4. 1941 bereits größer als der Gesamtzuwachs des verflossenen Etatjahres. Dabei sind die angekündigten, zweifellos mehrere tausend Blätter umfassenden Sendungen von französischen Beutekarten noch nicht eingetroffen.“ Smend an den GD: Antrag „Ich bitte, der Kartenabteilung 10 neue Kartenschränke zu bewilligen.“ Schreiben Smends, 10. 7. 1941. SBB PK, Historische Akten, V.8, Bd. 32, 33. Die Formulierung wurde im wesentlichen in den Haushaltsantrag für 1942 übernommen. Krüß betonte in dem Antrag: „Der Zuwachs in den letzten drei Monaten ist größer als der Gesamtzuwachs im abgelaufenen Rechnungsjahr.“ Krüß am 19. 8. [1941]. Erwerbungsabteilung, Schn[ütgen] an Oberlt. Prof. Dr. [Walter] Bartels, 8. 5. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 56. Institut für Werkstoffprüfung der Luftkriegsakademie, i. A. [Hans George?] Otto, an die PSB, Direktor Poewe, Berlin-Gatow, 3. 4. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 57. „Die angehakten Bücher wurden der Bibliothek der Luftkriegsakademie Gatow überwiesen. 27. 3. 41 Raabe“. Notiz auf der Liste. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 58 ff., 66.
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als „Anlagen“ aufgeführten Zeitschriftenbände von „La Revue Maritime“, „Revue du Ministère du l’ Air“ und „Bulletin Officiel des Ministères de la Guerre“, so dass es letztendlich etwa 100 Bände gewesen sein dürften, die die Preußische Staatsbibliothek erhielt. Andresen vermerkte auf dem Antwortschreiben Schnütgens vom 8. Mai 1941: „Die Bücher sind im 6. Geschoss (bezw. Handschr.-Magazin) aufgestellt worden.“571Augenscheinlich wurden auch sie einstweilen nicht akzessioniert.572
3.8.4 Hermann Fuchs’ Erwerbungen in Frankreich 3.8.4.1 Die Überstellung beschlagnahmter französischer Literatur Bevor Fuchs mit dem Ankauf französischer Literatur begann, stellte auch er zunächst eine Sendung beschlagnahmter Bücher für die Preußische Staatsbibliothek zusammen. Die Propagandaabteilung des Militärbefehlshabers hatte kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Paris in großem Umfang Literatur mit antinationalsozialistischer Tendenz und Emigrantenliteratur in Verlagen und Buchhandlungen beschlagnahmt und in Sammelstellen zusammengetragen. Die Sammelstelle für Paris befand sich in einer Garage an der Avenue de la Grande Armée.573 Grundlage für diese Beschlagnahmen war die sogenannte Liste Otto.574 Wie Fuchs
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Erwerbungsabteilung, Schn[ütgen] an Oberlt. Prof. Dr. [Walter] Bartels, 8. 5. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 56. Nach Kriegsende sollten 100 Bände an Frankreich restituiert werden, die aber die sowjetische Zentralkommandantur nicht annahm. SBB PK, Historische Akten, Akten der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek, Generalakten, G I/A/10. Aktennotiz, [Unterschrift unleserlich], 9. 1. 1948. Was mit ihnen daraufhin geschah, ist bislang nicht bekannt. Sowohl der Freiburger Bibliothekar Ludwig Klaiber als auch Fuchs berichteten, wie diese Sammelstelle zustandekam und wie sich die Mitarbeiter des Referats Bibliotheksschutz darum bemühten, einige Werke aus den Massen von beschlagnahmter Literatur für ihre Bibliotheken zu erhalten. In seiner Arbeit über die Universitätsbibliothek Freiburg zitiert Ingo Toussaint Klaibers Bericht: „Seit September 1940 wurden in Frankreich die den Nationalsozialisten nicht genehmen Publikationen französischer Verleger aus dem Verkehr gezogen. Dr. Klaiber berichtete (1946?), daß die deutsche Polizei die eingesammelte antinationalsozialistische und Emigrantenliteratur ‚in grossen Massen in einer Garage der Avenue de la Grande Armée aufgestapelt‘ hatte, um sie zu vernichten. Als der deutsche Bibliotheksschutz beim Militärbefehlshaber […] von dieser Aktion erfuhr, habe Dr. Fuchs die Erlaubnis erwirkt, für die Staatsbibliothek Berlin je ein Exemplar auszuwählen, ehe die Auflagen vernichtet wurden. Klaiber habe ihn gebeten, auch ein Exemplar für die Universitätsbibliothek Freiburg wegzulegen, und dasselbe habe Wermke für die Stadtbibliothek Breslau getan. Die für Freiburg bestimmten Bücher, etwa 400, wurden 1941 von Dr. Oehme nach Freiburg gebracht. Die für Berlin und Breslau bestimmten Exemplare seien hingegen, soviel er wisse, nicht an ihrem Bestimmungsort angekommen. Von den Pariser Büchern konnte die UB [Freiburg] eine umfangreiche Dublettenliste erstellen, von der auch ein Exemplar an die Bayerische Staatsbibliothek in München gesandt wurde.“ Ruthardt Oehme war Bibliothekar an der Freiburger Universitätsbibliothek. TOUSSAINT: Universitätsbibliothek Freiburg, 115 f. Anders als von Klaiber vermutet trafen die für die PSB bestimmten Werke dort ein.
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später berichtete, war „man aber über diese Liste weit hinaus gegangen.“ Anfangs seien die beschlagnahmten Bücher „unbesehen vernichtet worden, nachdem man sie vorübergehend in jeder Stadt in einer Zentralstelle deponiert hatte.“ Nachdem er im September 1940 davon erfahren hatte, habe er sich „sofort die Pariser Zentralstelle angesehen und die Erlaubnis erbeten, für die Staatsbibliothek, für die Bibliothek in Freiburg und für die Stadtbibliothek in Breslau die interessierenden Sachen heraussuchen zu dürfen. Damals war jedoch in der Zentralstelle nicht mehr alles zu erlangen.“575 Der Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek lag die Liste Otto gleichfalls vor. Schnütgen wählte die „interessierenden“ Schriften aus und schickte die Liste an Fuchs. Ihm war nicht klar, ob dies eine unentgeltliche Überstellung sein würde. Deshalb sicherte er zu, dass, falls es nötig sei, die Preußische Staatsbibliothek bezahlen werde.576 In der ersten Dezemberhälfte 1940 bemühte sich Fuchs, „mit dem Einverständnis der zuständigen Stellen aus den Bergen der beschlagnahmten Bücher, die in der riesigen ungeheizten und gegen den Regen nur mässig schützenden Garage untergebracht sind, die Bücher auszusuchen“, die Schnütgen „in dem Exemplar der Liste Otto rot angestrichen“ hatte. Resignierend musste er feststellen, dass nicht mehr alle gewünschten Bücher vorhanden waren. Im Ausgleich dafür fügte er einige andere hinzu, von denen er glaubte, „dass die Staatsbibliothek sie nicht besitzt, sie aber vielleicht ganz gern übernehmen würde.“ Für die Universitätsbibliothek Freiburg und die Stadtbibliothek Breslau stellte Fuchs ähnliche Sendungen zusammen. Der größte der drei Bücherhaufen, die er in der Garage aufschichtete, war der für Freiburg, der kleinste für Breslau bestimmt. Die drei Haufen sollten „gelegentlich gemeinsam nach Berlin an die Staatsbibliothek befördert werden.“577 Die Preußische Staatsbibliothek hatte sich lediglich zu verpflichten, „nach Eingang der Bücher ein ganz kurzes Verzeichnis der erhaltenen Stücke herzustellen und an uns zu schicken.“578 Der Transport verzögerte sich jedoch.579 Ein halbes Jahr später waren die Kisten immer noch nicht in der Preußischen Staatsbibliothek eingetroffen. Inzwischen hatte der Sicherheits-
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Nach dem deutschen Botschafter in Paris, Otto Abetz, benannte, am 28. 9. 1940 herausgegebene zwölfseitige Verbotsliste „Ouvrages retirés de la vente par les éditeurs ou interdits par les autorités allemandes“. Die Liste umfasste 1.060 Titel kommunistischer, jüdischer und politisch nicht opportuner Autoren. Fuchs an Schnütgen, 16. 4. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 214 ff. Ein Jahr später, in Zusammenhang mit der Überstellung zweier Kisten an die PSB, bemerkte Fuchs: „Wir sind eben seinerzeit zu spät gekommen nach Paris, als diese ganze Aktion bereits sehr weit vorgeschritten und ein grosser Teil der beschlagnahmten Bücher bereits vernichtet war.“ Fuchs an Schnütgen, 15. 11. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 154 f. Schnütgen an Fuchs, 27. 11. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 248. Fuchs an Schnütgen, 19. 12. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 245 f. Fuchs war über den Anblick der Bücher in der Garage entsetzt. Er schrieb: „Wundern Sie sich bitte nicht, wenn nicht alle Exemplare in einem gleichmässig guten Zustand sind; die Zustände in der Garage waren für ein bibliothekarisches Herz einfach verheerend.“ Und zwar anhand der Liste Otto. Fuchs an Schnütgen, 19. 12. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 245 f. Am 13. 2. 1941, also zwei Monate, nachdem Fuchs die Sendungen zusammengestellt hatte, schrieb er an Schnütgen: „Was übrigens die beschlagnahmten Bücher, die ich für die Staatsbibliothek bereits aus-
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dienst der SS sich Kisten mit je zehn Exemplaren der beschlagnahmten Titel kommen lassen, von denen jeweils eines die Preußische Staatsbibliothek erhalten sollte.580 Die von Fuchs gepackten Kisten befanden sich inzwischen ebenfalls in Berlin, waren „dort aber von irgend einer Stelle für sich beschlagnahmt worden“, wie Fuchs schrieb. Deshalb empfahl er seinen Kollegen, sich die für die Preußische Staatsbibliothek vorgesehenen Exemplare aus der Sendung des Sicherheitsdienstes abtreten zu lassen. Er wusste, dass es nicht leicht sein würde, sie ausgehändigt zu bekommen, denn der Sicherheitsdienst behielt sich vor, „das Exemplar erst nach dem Kriege herausrücken zu wollen“. In seiner winzigen Handschrift bemerkte Schnütgen am Rand des Briefes: „Also im ganzen 2 Exemplare für uns!? Schn 20/11“, versah seine Bemerkung aber mit einem großen Fragezeichen.581 Paul Geißler, der nach Feldkamps Tod und Reinckes Einberufung zum Kriegsdienst mit der Bearbeitung beschlagnahmter Literatur betraut war, hatte inzwischen den Verbleib der von Fuchs gepackten Kisten aufklären können. Obersturmführer Kunze vom Sicherheitsdienst, der seinerzeit „die Beschlagnahme und den Transport der frz. Bücher durchgeführt“ hatte, empfahl ihm, sich an Franz Six – inzwischen Leiter des Amtes VII („Weltanschauliche Forschung und Auswertung – Sicherheitsdienst-Ausland“) – zu wenden.582 Im Mai 1943 überließ Six der Preußischen Staatsbibliothek die beiden Kisten. Geißler notierte: „Die Sendung ist bereits im Hause und in Bearbeitung. Die Bücher decken sich nur z. T. mit der ‚Liste Otto‘, es handelt sich nicht um die besten von Dr. Fuchs für uns bestimmten Bücherkisten.“583 1942 erhielt die Preußische
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gesucht hatte, angeht, so sind diese in zwei grossen soliden Kisten verpackt und werden in diesen Tagen nach Berlin befördert werden. In einer dieser Kisten befindet sich ein Paket in blauem Packpapier, das für Breslau bestimmte Sachen enthält. Wenn die Staatsbibliothek in den Besitz der Kisten gelangt, bitte ich, dieses Paket irgendwie an die Stadtbibliothek Breslau weiterzuleiten.“ Fuchs an Schnütgen, 13. 2. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 241 f. Weitere zwei Monate später, am 18. 4. 1941, teilte er Schnütgen mit, dass die Kisten mit einem Transport des Deutschen Instituts an das AA gesandt werden sollten. Fuchs an Schnütgen, 18. 4. 1941 AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 212. Die Sendung blieb jedoch aus. Schnütgen an Fuchs, 3. 5. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 208 f. „Zu der Frage der an die Staatsbibliothek abgesandten beschlagnahmten Bücher habe ich nochmals zusammen mit Herrn Dr. Wermke einen Vorstoss beim Deutschen Institut gemacht. Wohin die beiden Kisten, die für uns bestimmt waren, gelangt sind, lässt sich anscheinend nicht mehr feststellen. Wie aber Herr Dr. Bremer mitteilt, sind an den S.D. in Berlin, Wilhelmstrasse, Kisten mit je 10 Exemplaren aller beschlagnahmten Bücher abgegangen. Eines dieser 10 Exemplare ist für die Staatsbibliothek bestimmt. Da die Staatsbibliothek, soviel ich weiss, zum S.D. gute Beziehungen unterhält, wäre es vielleicht richtig, wenn man beim S.D. dieserhalb einmal nachfragte. Wie man hier im Deutschen Institut sagte, sind die Kisten wahrscheinlich noch nicht ausgepackt worden, weil die Zeit dazu gefehlt hat.“ Fuchs an Schnütgen, 20. 10. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 157. Fuchs an Schnütgen, 15. 11. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 154 f. Aktennotiz Ge[ißlers] vom 8. 11. [1941], von Schn[ütgen], 10. 11. [1941] abgezeichnet. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 158. Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, i. V. Six, an die PSB, Mai 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/ 18, 16. Der Inhalt der beiden Kisten entspricht vermutlich den 227 im Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona und den zehn im Akzessionsjournal der Orientalischen Abteilung für das Jahr 1942 unter dem Einlieferer
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Staatsbibliothek vom Reichssicherheitshauptamt noch einmal 201 Titel, die im Journal „Ausländisch Dona“ als „Internationale Literatur“ bezeichnet sind. Vermutlich waren dies die vom Sicherheitsdienst für die Preußische Staatsbibliothek bestimmten Exemplare. Fuchs war sich bewusst, dass seine Sendung beschlagnahmter Literatur die Wünsche der Bibliothekare an der Preußischen Staatsbibliothek nicht erfüllte. Er versuchte in der folgenden Zeit, die Desiderata, die auf dem Wege über den Buchhandel nicht zu besorgen waren, „durch die Propagandastelle zu erwerben.“584 Dies gelang ihm kaum. Am 8. Mai 1941 schickte er ein einzelnes beschlagnahmtes Werk, Raemaekers’ „La Guerre“ (1916), das von der Militärbehörde der Preußischen Staatsbibliothek „zur Verfügung gestellt“ wurde.585 Das Akzessionsjournal „Ausländisch Dona“ verzeichnet für das Jahr 1941 einen Posten mit 17 Nummern als Zugang durch den „Militärbefehlshaber Frankreich (Dr. Fuchs)“, 1942 zweimal eine Nummer von „Dr. Fuchs, Paris“ und 1943 vier Nummern durch „Dr. Fuchs“ und eine durch den „Militärbefehlshaber Frankreich (Verw. Stab)“. Bei allen diesen Werken könnte es sich um beschlagnahmte Literatur handeln.586
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„Chef der Sicherheitspolizei“ aufgeführten Zugängen. Schnütgen bemerkte, dass zwölf Bände von der Orientalischen Abteilung, weitere sieben Bände von der Zeitschriftenstelle übernommen worden seien. „372 haben sich als Dubletten ergeben, 75 Bände kamen für die Einstellung nicht in Frage. Die einzustellenden Bände werden zum Teil als r- Literatur behandelt und sind zum anderen Teil für das Sondermagazin bestimmt.“ Sowohl Krüß als auch Christ, der bei Beckers Abwesenheit Krüß’ Stellvertreter war, wurden über die Angelegenheit informiert. Notiz Schn[ütgens], 9. 6. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/ 0/18, 17. Fuchs an Schnütgen, 28. 2. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 239 f. „Ich stehe deshalb in ständiger Verbindung mit der beschlagnahmenden Stelle und hoffe, mit der Zeit noch das Fehlende retten zu können.“ Fuchs an Schnütgen, 13. 2. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 241 f. Fuchs schickte das Buch – einen Folioband – als Kuriergut. „Dieses Werk ist von der Militärbehörde offiziell beschlagnahmt und wird der Preussischen Staatsbibliothek zur Verfügung gestellt. Sollte die Staatsbibliothek, was ich nicht annehme, das Werk bereits besitzen, so bitte ich um Mitteilung, da wir dann das Werk einer andern Bibliothek überweisen werden.“ Fuchs an Schnütgen, 8. 5. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 206. Schnütgen vermerkte am Rand des Briefes, dass bislang nur die englische Ausgabe vorhanden gewesen sei. Anhand des Akzessionsjournals Akz. Ausländisch Dona ließ sich Raemaekers’ Werk – hier in der französischen Ausgabe – in den Beständen der SBB PK identifizieren. Es enthält keine Besitzvermerke, kann jedoch aufgrund des Titels, des Erwerbungsjahrs und der Akzessionsnummer als das in Fuchs’ Schreiben erwähnte Buch angesehen werden. Dass das Werk, welches nicht in der Liste Otto aufgeführt war, von den deutschen Behörden beschlagnahmt wurde, erscheint nachvollziehbar. In der Tradition von „Los Desastres de la Guerra“ von Francisco de Goya und mit eindeutiger politischer Stoßrichtung thematisiert der niederländische Cartoonist Louis Raemaekers (1859–1956) in den 100 farbigen Zeichnungen von den deutschen Truppen und den Mittelmächten in Belgien, Frankreich und Serbien begangene Kriegsverbrechen. Der 100 farbige Zeichnungen mit nebenstehenden kurzen, oft sarkastischen Kommentaren umfassende Folioband erschien in numerierter Ausgabe bereits während des Ersten Weltkrieges bei Devambez in Paris; die englische Ausgabe besorgte die Fine Art Society in London. Nach der Überstellung an die PSB wurde das Werk folgerichtig der Kriegssammlung für den Ersten Weltkrieg einverleibt. Am 8. 4. 1942 erwähnte Fuchs die „Schrift des Armeniers Kérkovian: Je demande justice“ als ein beschlagnahmtes Werk. „Näheres über diese Schrift“ sollte Schnütgen „den beiliegenden amtlichen Schriften“ entnehmen, „nach denen die Schrift der Staatsbibliothek zur Verfügung zu stellen ist.“ Fuchs an Schnütgen, 8. 4. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 132 f.
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3.8.4.2 Ankaufsmittel und Importmodalitäten Mitte Januar 1941 weilte Fuchs vermutlich das erste Mal nach seiner Abordnung zum Bibliotheksschutz in Berlin.587 Bei dieser Gelegenheit besprach er mit Krüß und den Bibliothekaren der Preußischen Staatsbibliothek, auf welche Weise die Erwerbungen für die Preußische Staatsbibliothek erfolgen sollten und wie diese zu finanzieren seien. Seit Februar 1941 verfügte das Bibliotheksschutzreferat in Paris über Ankaufsmittel.588 Fuchs bemerkte dazu: „Die sonst so schwierige Frage der Devisenbeschaffung wurde insofern leicht gelöst, als es der Staatsbibliothek gelang, dem Referat Bibliotheksschutz mehrfach einen Kredit in französischen Franken zu eröffnen.“589 Über den Zeitraum von 1941 bis 1944 waren dies 100.000 Reichsmark, die nach dem von Deutschland bestimmten festgelegten Wechselkurs zwei Millionen Francs entsprachen. Diese Summe wurde nach Fuchs’ Angaben restlos verbraucht. Im Haushalt der Preußischen Staatsbibliothek gab es einen gesonderten Fonds des Generaldirektors, der 1940 50.000 Reichsmark betrug. Über weitere 5.000 Reichsmark verfügte das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.590 Vor allem in den Jahren 1938, 1939 und 1940 – in jenen Jahren also, als besonders viele Kulturgüter aus dem Besitz der zur Auswanderung gedrängten Juden auf dem Antiquariats- und Kunstmarkt angeboten wurden – beantragten die einzelnen Abteilungen der Preußischen Staatsbibliothek immer wieder die Freigabe von Haushaltsmitteln für nicht vorhersehbare Ausgaben.591 Vermutlich flossen jene 43.660 Reichsmark in die Ankäufe in Frankreich, um die die Preußische Staatsbibliothek im Rechnungsjahr 1940 die regulären Haushaltsmittel überschritt.592 Aufgrund welcher Vereinbarungen sie in Devisen zur Verfügung standen, ist nicht bekannt. Die Bewilligung in französi-
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Dies geht sowohl aus dem Schriftwechsel mit der Erwerbungsabteilung, d. h. mit Schnütgen, als auch aus dem Tagebuch von Hugo Andres Krüß für das Jahr 1941 hervor, der für den 14. 1. 1941 eine Besprechung mit den Direktoren unter Beteilung von Fuchs verzeichnete. 14. 1. 1941 „Besprechung mit den Direktoren u. s. w. unter der Beteiligung von Dr. Fuchs, Paris“. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. 588 „Wie mir der Generaldirektor heute mitteilt, ist nun endlich das Geld an mich überwiesen […].“ Fuchs an Schnütgen, 1. 2. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 243. 589 Bericht. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft). 590 PSB, i. V. Becker, an die Direktoren der Erwerbungsabteilung usw., 5. 12. 1940. SBB PK, Historische Akten, V.8, Bd. 30, 137. 591 Vgl. SBB PK, Historische Akten, V.8, Bd. 28 und 29. So stellte Kummer 1940 den ministeriellen Erwerbungsfonds in Höhe von 5.000 RM für den Ankauf von Musikalien aus dem Besitz des Leipziger Verlegers Hinrichsen zur Verfügung, deren Gesamtpreis sich auf 22.260 RM belief. „Aus dem Besitz des jüdischen früheren Inhabers des Musikverlags Peters in Leipzig, der die Auswanderungserlaubnis erhalten hat, sind der Staatsbibliothek vom Oberfinanzpräsidenten in Leipzig Manuskripte von Beethoven und Mozart zum Ankauf angeboten worden.“ PSB, i. V. Becker, an den Reichsminister, 15. 1. 1940 (Entwurf), von Krüß abgezeichnet, abgesandt am 15. 1. 1940. SBB PK, Historische Akten, V.8, Bd. 29, 137. 592 RMWEV, i. A. gez. von Rottenburg, an den GD der PSB, 31. 3. 1941. SBB PK, Historische Akten, V,8, Bd. 31, 45.
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schen Francs war jedenfalls mit der Auflage verbunden, dass ausschließlich im besetzten Frankreich erschienene Literatur davon beschafft werden durfte.593 Anfangs bezahlte Fuchs alle Ankäufe aus den ihm von der Generaldirektion der Preußischen Staatsbibliothek überwiesenen Geldern. Im Laufe des Frühjahrs 1941 beanspruchte jedoch die Auslands-Zeitungshandels GmbH in Köln die Kontrolle auch über die von Fuchs angekaufte und nach Deutschland eingeführte Literatur. Von da an durfte er nur noch Antiquaria und laufende Zeitschriften erwerben und an die Preußische Staatsbibliothek weiterleiten.594 Die Neuerscheinungen – d. h. die seit 1933 erschienene Literatur – mussten die Buchhandlungen an die Auslands-Zeitungshandels GmbH schicken, die sie nach erfolgter Kontrolle der Preußischen Staatsbibliothek zukommen ließ. Diese Prozedur stieß bei den französischen Buchhändlern auf Unverständnis595 und sie befolgten die komplizierten Regelungen nicht strikt. Die Preußische Staatsbibliothek war angehalten, die Rechnungen der französischen Buchhändler bei der Auslands-Zeitungshandels GmbH einzureichen, da diese Stelle ebenfalls „die Regulierung“ – d. h. die Verrechnung der Devisen – vornahm.596 Auch die Erwerbungen der Sonderabteilungen wurden, sofern sie nach 1933 erschienene Werke betrafen, über die Auslands-Zeitungshandels GmbH abgewickelt.597 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Kosten für 593
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Fuchs sandte der PSB eine Angebotsliste der Buchhandlung Geuthner über spanische Literatur. Auf diesem Gebiet hatte die PSB wegen des Bürgerkrieges einen großen Nachholbedarf. Fuchs an Schnütgen, 9. 4. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 229 f. Schnütgen machte ihn auf den Umstand aufmerksam, dass die Bewilligung von Devisen nur für die im besetzten Frankreich erschienene Literatur gelte. „Wir wollen deshalb auch diese spanischen Desiderata an unseren Münchener Lieferanten Trenkle geben.“ Schnütgen an Fuchs, 3. 5. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 208 f. Man kann annehmen, dass bereits bei einem Gespräch zwischen Krüß und [Erich] Vaternahm, dem alleinigen Gesellschafter der Auslands-Zeitungshandels GmbH, am 28. 3. 1940 diese künftigen Einfuhrmodalitäten erörtert wurden. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. In einem Schreiben vom 4. 6. 1941 wies Fuchs die Erwerbungsabteilung auf die einzuhaltende Trennung zwischen aktueller und antiquarischer Literatur hin. Fuchs an Schnütgen, 4. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 222 f. Die Unterscheidung zwischen „AZH“ und sonstigen Ankäufen ist anhand der Akzessionsjournale nachvollziehbar. Zur Auslands-Zeitungshandels GmbH vgl. Kap. 2.3.4. „Es ist nicht leicht, den französischen Buchhändlern klar zu machen, dass sie die eine Sendung hierhin und die andere Sendung dorthin schicken sollen.“ Fuchs an Schnütgen, 4. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/ 113/0/16, 222 f. Einige Monate nach der Einführung des Verfahrens bemerkte Fuchs, dass die Buchhändler „alle über die Zwischenschaltung der Auslandzeitungshandel G.m.b.H. ziemlich erbost sind, zumal sie gewisse Prozente des Rechnungsbetrages an sie abführen müssen.“ Fuchs an Schnütgen, 6. 8. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 171. Von der Orientalischen Abteilung gewünschte, nach 1933 erschienene Titel waren nicht an die AuslandsZeitungshandels GmbH geschickt, sondern an anderer Stelle abgefangen worden. Fuchs wurde ausdrücklich über die Vorschriften belehrt. Abschrift eines Schreibens der Auslands-Zeitungshandels GmbH an den Verwaltungsstab, Kriegsverwaltungsrat Dr. Fuchs, Köln, 15. 7. 1941 [Abschrift]. AP Jelenia Góra 83/ 113/0/16, 179. Dazu bemerkte er: „Es scheint mir nach wie vor die einzige Möglichkeit, wenn ich mich hier vor Schwierigkeiten schützen soll, dass die Staatsbibliothek lediglich solche Dinge bestellt, die ich auch von dem mir zur Verfügung stehenden Geld bezahlen kann, während alle andern Bestellungen von dort aus direkt an die Ausland-Zeitungshandel G. m. b. H. gehen.“ Fuchs an Schnütgen, 22. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 175. Schnütgen sprach gelegentlich von der „Devisenstelle“. Schnütgen an Fuchs, 23. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/ 113/0/16, 196.
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aktuelle Literatur noch in jenen von Fuchs restlos verbrauchten 100.000 Reichsmark enthalten waren.598 Die Rechnungen für die übrigen Ankäufe mussten bei der Reichsstelle für Papier vorgelegt und von ihr bewilligt werden.599 Dies führte dazu, dass die Rechnungen der französischen Buchhandlungen erst Monate nach Auslieferung der Bestellungen beglichen wurden.600 Die erste Überweisung in Höhe von 25.000 Reichsmark – gemäß dem festgelegten Wechselkurs waren dies 500.000 Francs – war Ende Juni noch nicht aufgebraucht, sollte jedoch bis zum 15. Juli 1941 ausgegeben sein.601 Die zweite umfasste 15.000 Reichsmark, sie war im Juni 1941 angefordert.602 Am 3. November 1942 errechnete Schnütgen aus den vorliegenden Rechnungen einen Betrag von 1.179.791 Francs.603 Die folgenden Überweisungen – sie hätten 60.000 Reichsmark umfassen müssen – sind nicht dokumentiert. Nachweislich erwirkte Geißler im Sommer 1944 noch einmal 10.000 bzw. 20.000 Reichsmark.604
3.8.4.3 Die Ankäufe für die Erwerbungs- und die Orientalische Abteilung Während seiner vierjährigen Abordnung zum Verwaltungsstab des Militärbefehlshabers in Frankreich stand Fuchs in ständigem Kontakt mit Krüß und den Abteilungen der Preußischen Staatsbibliothek.605 Der Schriftwechsel über die Erwerbungen – auch für die Sonderabteilungen – lief in der Erwerbungsabteilung zusammen und lag dort in den Händen ihres Direktors Alexander Schnütgen, später in denen Geißlers. Schnütgen übermittelte Desiderata-Listen der Erwerbungsabteilung. Fuchs schickte die Rechnungen für die Sonderabteilungen, namentlich die Musik-, Handschriften- und Orientalische Abteilung, und die Inkunabelsammlung an die
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Fuchs war sich seiner Befugnisse wohl selbst nicht ganz sicher: „Ich bin wohl richtig orientiert, wenn ich annehme, dass ich die Bestellungen auf Literatur nach 1933, die durch die Ausland-Zeitungshandel G. m. b. H. gehen, nicht zu bezahlen brauche.“ Fuchs an Schnütgen, 11. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/ 0/16, 217 f. Schnütgen an Fuchs, 7. 3. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 236. Schnütgen an Fuchs, 27. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 192 f. Mitte Juni waren noch 2.000 RM von der ersten Tranche übrig. Fuchs an Schnütgen, 11. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 217 f. „Da die bewilligte Summe von 25 000.– (500.000.- frs) noch nicht erreicht ist, würden wir dankbar sein, wenn die Rechnungen über die Restsumme bis zum 15. Juli vorlägen.“ Schnütgen an Fuchs. 27. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 192 f. Fuchs an Schnütgen, 11. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 217 f. Schnütgen an Fuchs, 3. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 109 f. Erwerbungsabteilung, Ge[ißler], an Fuchs, Hirschberg, 4. 8. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 18. „Auf Ihre Mitteilung, dass Ihr Fonds zuende ginge, habe ich zwei Devisenanträge auf Bewilligung von 10.000 bzw. 20.000 RM in französischen Franken gestellt, die beide genehmigt worden sind. Die Kasse wird Ihnen nähere Mitteilung machen. Für’s erste sind also wieder Mittel vorhanden.“ Krüß verzeichnete in seinem Tagebuch Fuchs’ Besuche und die Besprechungen mit Fuchs. Ebenso besprach er sich mit Wermke, von Both, Schreiber und Schiel.
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Erwerbungsabteilung.606 Gelegentlich korrespondierte er auch mit den Direktoren oder Mitarbeitern der Sonderabteilungen607 und mit Paul Geißler, dem Leiter der Zeitschriftenstelle. Für die Zeitschriftenstelle kaufte Fuchs laufend Zeitschriften in Paris und übersandte sie wöchentlich608 nach Berlin. Außerdem schickte er Bibliographien, Kataloge und anderweitige Ange-bote der Buchhandlungen. Und er komplettierte nach Kräften die Sammlung „Krieg 1939“ der Preußischen Staatsbibliothek, indem er die Veröffentlichungen der Militärbehörden usw. zu erlangen suchte.609 Nachdem die Auslands-Zeitungshandels GmbH den Import der neueren Literatur unter ihre Kontrolle gebracht hatte, überließ Fuchs deren Bestellung allein der Erwerbungsabteilung. Die Sendungen antiquarischer Literatur erreichten die Preußische Staatsbibliothek auf dem Postoder bei sperrigen Sendungen auf dem Kurierweg. Besonders wertvolle Sendungen, insbesondere solche für die Inkunabelsammlung, die Musik-, Handschriften- und die Orientalische Abteilung überbrachten Fuchs, Scheil oder andere Mitarbeiter des Referats Bibliotheksschutz persönlich. Schon vor dem Krieg unterhielt die Erwerbungsabteilung Beziehungen zu den Buchhandlungen, die Fuchs mit Aufträgen beschäftigte, u. a. zu der „Librairie Droz“.610 Wegen des Devisenmangels waren diese Beziehungen seit dem Beginn des Krieges ausgedünnt. Fuchs’ Stellung im Verwaltungsstab des Militärbefehlshabers bot die Garantie, dass die Schreiben mit den Bestellungen der Preußischen Staatsbibliothek ohne Behinderungen bei den Buchhändlern ankamen611 und Antiquaria ohne Einschränkungen nach Berlin und, wenn nötig, auch zurückgeschickt werden konnten. Die Beamten der Erwerbungsabteilung ließen sich, wenn sie es für angebracht hielten, die gewünschte Literatur zur Ansicht senden, und sandten Bücher, die den Vorstellungen nicht entsprachen oder bei denen es zu Missverständnissen mit der Buchhandlung gekommen war, zurück. Der bereits verausgabte Devisenbetrag musste anderweitig verrechnet werden.612 Diese Praxis pflegten sie auch während der Besatzung. Die ersten Aufträge, die Schnütgen an Fuchs übermittelte, waren „eine Anzahl Desiderata verbotener Literatur“, einige einfache Bestellungen, vermutlich von Neuerscheinungen, und eine von Käthe Iwand zusammengestellte Liste antiquarischer Desiderata. Iwand war Roma606
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Fuchs schickte Rechnungen in dreifacher Ausfertigung an die Erwerbungsabteilung. U. a. Fuchs an Schnütgen, 13. 2. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 241 f. Z. B. Fuchs an Schünemann, 24. 11. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 81. Fuchs an Schnütgen, 20. 10. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 157. Am 27. 10. 1941 folgte die nächste Sendung. Fuchs an Schnütgen. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 156. Vermutlich gingen die Sendungen immer dann, wenn Fuchs keine Angebote oder Rechnungen für Schnütgen mitschickte, direkt an Geißler. So bestätigte Schnütgen u. a. den Eingang des Verordnungsblatts des Militärbefehlshabers des Seine- und Oise-Departements. Schnütgen an Fuchs, 6. 1. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 145. Schnütgen bat Fuchs, „zwei Lieferungen der Librairie Droz“, die die Erwerbungsabteilung „bereits früher“ erhalten hatte, „auch von dem für Käufe zur Verfügung stehenden Geld“ zu bezahlen. Fuchs an Schnütgen, 3. 3. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 238. Als eine Anfrage Geißlers an die „Librairie Droz“ nicht eintraf, bat Fuchs Schnütgen, „in Zukunft die von mir ausgehenden Anfragen auch an mich zurückzusenden, da dieser Weg wesentlich sicherer und vor allem schneller ist als der direkte Verkehr mit der Buchhandlung.“ Fuchs an Schnütgen, 3. 4. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 231. Kaufstelle an Fuchs, 1. 4. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 94.
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nistin, sie widmete sich der rückwärtigen Lückenergänzung. Schnütgen kündigte an, dass Geißler sich wegen der Zeitschriftenbestellungen unmittelbar mit Fuchs in Verbindung setzen würde.613 Die Desiderata-Listen übergab Fuchs der „Librairie E. Droz“, um sie durchzusehen und die Titel beschaffen zu lassen.614 Damit sich die Kollegen an der Preußischen Staatsbibliothek über die französischen Neuerscheinungen orientieren konnten, schickte er die Bibliographie de la France und das Bulletin bibliographique.615 Am 7. März 1941 sandte Schnütgen, nachdem die Beschaffung der gesuchten Literatur in Paris angelaufen war, weitere Bestellungen „auf Neuerscheinungen sowie jünger und weiter zurückliegende Antiquaria“ ab.616 Auf Anregung seines Kollegen Ernst Crous von der Inkunabelsammlung wünschte er „Angebote von bibliophilen Drucken von Qualität, namentlich aus der Zeit nach dem Weltkrieg“.617 In dem umfangreichen Schriftwechsel schlugen sich sowohl die Interessen der Sonderabteilungen – Angebote, die Fuchs übermittelte, Wünsche und Bestellungen, die aus den Abteilungen kamen – als auch die der Erwerbungsabteilung für antiquarische und neue französische Druckschriften nieder.618 Wenn möglich, kam Fuchs den Wünschen nach, kaufte und sorgte dafür, dass das kostbare und empfindliche Gut sicher nach Berlin gelangte. So teilte er z. B. Schnütgen am 3. April 1941 mit: „Ich habe Ihnen gestern eine Reihe von Zeitungen als eingeschriebenes Kuriergut geschickt. Dieser Sendung habe ich drei Musikerautographe beigefügt, die für die Musikabteilung bestimmt sind.“619 Für die Beschaffung von Druckschriften beauftragte Fuchs vornehmlich die Buchhandlungen Droz und Geuthner. Die „Librairie Orientaliste Paul Geuthner“ nutzte er für Bestellungen der Orientalischen Abteilung. Im Juni 1941 erhielt er eine „umfangreiche Bestellung“ über nach 1933 erschienene Schriften. Diese Bestellung gab er an Geuthner weiter und bat ihn, die Schriften über die Auslieferungsstelle der Auslands-Zeitungshandels GmbH nach Berlin zu schicken.620 Geuthner lieferte auch Freimaurerliteratur.621 So schickte die Buchhandlung im August 1942 zwei Mal „une petite liste d’ouvrages sur la franc-maçonnerie (question 613 614
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Schnütgen an Fuchs, 28. oder 30. [nicht eindeutig] 1. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 244. Fuchs an Schnütgen, 13. 2. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 241 f., 241. Schnütgens Notizen auf dem Rand dieses Briefes lassen auf eine ausführliche telefonische Erkundigung bei Fuchs schließen, wobei Fuchs Schnütgen davon in Kenntnis setzte, dass Karl Frank als Einkäufer für die Leipziger Firma Harrassowitz in Paris arbeitete. Möglicherweise erwog Schnütgen, dessen Dienste für die PSB in Anspruch zu nehmen. Fuchs an Schnütgen, 13. 2. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 241 f. „Die Bestellungen sind nicht getrennt worden, weil die Grenzen zwischen Neuerscheinungen und Antiquaria ja wenigstens manchmal flüssig sind.“ Schnütgen an Fuchs, 7. 3. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/ 16, 236 f. Schnütgen an Fuchs, 7. 3. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 236 f. So bat er im März Kurt Ohly, den Leiter der Inkunabelsammlung, wegen eines Angebots „zur Äusserung zu veranlassen.“ Fuchs an Schnütgen, 11. 3. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 235. Gleichzeitig mit einem Angebot der „Librairie Droz“ für die Erwerbungsabteilung übermittelte er eine andere Offerte, möglicherweise ebenfalls von Droz: „Ich füge noch ein weiteres Angebot bei, für das vielleicht die Musikabteilung Interesse hat.“ Fuchs an Schnütgen, 20. 3. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 232. Fuchs an Schnütgen, 3. 4. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 231. Fuchs an Schnütgen, 4. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 222 f. Fuchs an Schnütgen, 4. 9. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 116.
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juive)“.622 Schnütgen sandte die an ihn übermittelten Listen zurück: „Wir möchten alle Freimaurerliteratur haben, die in den Listen mit Rotstift bezeichnet ist, […]“.623 Seit März 1942 erwähnte Fuchs in seinen Briefen die „Librairie Émile Saffroy“. Er übersandte einen Katalog von Saffroy über antiquarische Literatur an Schnütgen, der anhand dieses Katalogs bestellte.624 Im April 1942 schickte Fuchs „eine Reihe von Auktionskatalogen, die uns im Laufe der Zeit vom Experten Andrieux zur Verfügung gestellt worden sind.“625 In Zusammenhang mit den Erwerbungen für die Inkunabelsammlung, die Handschriften- und die Musikabteilung nannte Fuchs die Firmen Marc Loliée, Durand & Co., Choudens, Pathé Marconi,626 Rossignol, Legouix und Jean Une.627 Zweifellos genossen Droz und Geuthner aufgrund der langjährigen Kontakte das Vertrauen Schnütgens und seiner Kollegen. Sie arbeiteten professionell und zuverlässig und waren in der Lage, ihre Wünsche in vielen Fällen zu erfüllen. Deshalb verwundert es, dass Fuchs am 9. April 1941 eine andere Buchhandlung empfahl, die seinen Kollegen in der Erwerbungsabteilung unbekannt gewesen sein dürfte, die „Librairie Rive Gauche“.628 Die „Librairie Rive Gauche“ wurde am 21. April 1941 unter großer Anteilnahme der deutschen Besatzer eröffnet. Das Unternehmen war eine von dem Vertreter des Leipziger Verlegers und Buchhändlers Harrassowitz in Paris, Karl Frank, geleitete Aktiengesellschaft, die von der Deutschen Botschaft und dem Auswärtigen Amt getragen wurde. Offiziell war sie eine französische Aktiengesellschaft. Franks Stellvertreter war Dr. Karl Epting, der Leiter des dem Auswärtigen Amt unterstellten Deutschen Instituts in Paris.629 Die „Librairie Rive Gauche“ sollte der deutschen Buchpropaganda in Frankreich dienen und wurde mit Literatur aus Leipzig beliefert.630 „Wie ich neulich bei einem Besuch von Herrn Frank erfahren habe, sind die Anfänge für die Buchhandlung nicht leicht, da sie mit einer starken Rivalität der französischen Buchhändler zu kämpfen hat, und da natürlich der Verkauf deutscher Bücher in Frankreich, 622
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Librairie Orientaliste Paul Geuthner, Paul Geuthner, an Fuchs, 18. 8. und 25. 8. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 114 und 115. Schnütgen an Fuchs, 14. 9. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 113. Fuchs mahnte Schnütgen, sich wegen der Freimaurerliteratur möglichst rasch zu entscheiden. „Die Bibliothèque Nationale, deren derzeitiger Direktor der Leiter der Antifreimaurerbewegung ist, hat für diese Freimaurerliteratur ebenfalls Interesse […].“ Fuchs an Schnütgen, 16. 9. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 112. Fuchs an Schnütgen, 8. 4. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 131. Fuchs an Schnütgen, 18. 5. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 127. Fuchs an Schnütgen, 8. 4. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 132. U. a. Fuchs an Schnütgen, 4. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 185 ff. Jean Une wurde erst 1944 in Zusammenhang mit zu begleichenden Rechnungen vom Januar des Jahres genannt. Fuchs an die Erwerbungsabteilung, 18. 2. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 79. „Ich habe bereits am Telephon Herrn Generaldirektor Krüss darauf aufmerksam gemacht, dass es angebracht wäre, in Zukunft für die Bestellungen statt der Firma Droz die neugegründete Librairie ‚Rive Gauche‘ zu beschäftigen. Welche Gründe dazu Veranlassung geben, darüber kann Ihnen Herr Direktor Wermke, der in diesen Tagen in Berlin ist, nähere Auskunft geben. Wie weit allerdings die Librairie Rive Gauche so leistungsfähig sein wird wie die Firma Droz, vermag ich nicht zu beurteilen.“ Fuchs an Schnütgen, 9. 4. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 222 f. Fuchs an Schnütgen, 11. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 217 f. Verschiedene Telegramme. PA AA, R 66.789.
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was ja mit als Hauptaufgabe dieser Gründung anzusehen ist, nicht leicht ist. Wir haben daher alles Interesse daran, diese Gründung zu unterstützen.“631 Fuchs war also aufgefordert, „Rive Gauche“ mit Aufträgen zu bedenken, zweifelte jedoch an der Leistungsfähigkeit der von den deutschen Behörden protegierten Neugründung. Es war daher naheliegend, „Rive Gauche“ zunächst „als Lieferantin leicht beschaffbarer moderner Literatur“ zu beschäftigen.632 Wegener, damals noch Mitarbeiter des Referats Bibliotheksschutz, bemühte sich um die Erwerbung illustrierter französischer Literatur. Auf seine Anregung stellte die „Librairie Rive Gauche“ eine Liste mit solchen Werken zusammen. Schnütgen sandte sie an Fuchs und bat ihn, die in ihr aufgeführten Werke, abgesehen von einigen als vorhanden gekennzeichneten, zu erwerben.633 Da „Rive Gauche“ jedoch kaum in der Lage war, die Desiderata der Preußischen Staatsbibliothek zu liefern, nahm Fuchs weiterhin die Dienste von Droz in Anspruch. Droz pflegte auch Beziehungen zu Lieferanten im unbesetzten Teil Frankreichs und war dabei nicht auf den üblichen Postweg angewiesen.634 Fuchs empfahl Schnütgen, seine Bestellungen durch die Auslands-Zeitungshandels GmbH an die „Firma Droz“ zu richten. „Dass es sich dabei um Bestellungen aus dem unbesetzten Gebiet handelt, braucht ja nicht eigens angegeben zu werden. Da auch dieser Weg jeden Tag gesperrt werden kann, würde ich es für richtig halten, wenn Sie möglichst bald eine solche Bestellung aufgeben könnten.“635 Fuchs setzte die Ankäufe in Paris auch fort, als die Erwerbungsabteilung und andere Arbeitsbereiche der Preußischen Staatsbibliothek in einer Dienststelle zusammengefasst im Frühjahr 1944 nach Hirschberg verlagert worden waren. Er erwarb weiterhin sowohl Druckschriften als auch Stücke für die Sonderabteilungen. So sandte er am 6. Juli 1944 quittierte Rechnungen, u. a. über Freimaurerliteratur.636 Die Bücher, über die die Rechnungen ausgestellt waren, schickte Fuchs „gleichzeitig in 7 Dienstpaketen, darunter ein sehr kleines, an die Erwerbungsabteilung in Hirschberg ab.“637 Und noch am 18. Juli 1944 bat er um Stellungnahme zu einem in der Anlage zu diesem Schreiben beigefügten „Angebot der Firma Geuthner über 631 632
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Fuchs an Schnütgen, 11. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 217 f. EBD. „Wie Sie kürzlich fernmündlich dem Herrn Generaldirektor gesagt haben, legt es sich nahe, von nun an einen Teil der Bestellungen auf französische Literatur, und zwar zunächst möglichst leicht zu beschaffenden Stücke, über die Ausland-Zeitungshandel GmbH in Köln bei der dortigen Buchhandlung ‚Rive Gauche‘ zu bestellen.“ Schnütgen an Fuchs, 5. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 221. Schnütgen an Fuchs, 19. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 177 f. „Die Firma Droz ist bereit, alle Bücher aus dem unbesetzten Gebiet zu liefern. Sie ist dazu imstande, weil sie im unbesetzten Gebiet eine Zentralstelle hat, bei der sie die Aufträge zusammenkommen lässt und dann als Expressgut per Eisenbahn befördert. Die übrigen Buchhändler bedienen sich für Einzelsendungen des postalischen Weges, der nicht gangbar ist.“ Fuchs an Schnütgen, 7. 3. 1942. AP Jelenia Góra 83/ 113/0/16, 137. Fuchs an Schnütgen, 7. 3. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 137. Schnütgen hatte versucht, französische Literatur aus dem unbesetzten Gebiet durch das Beschaffungsamt zu erhalten und wollte zunächst die Ergebnisse dieser Bemühungen abwarten. Schnütgen an Fuchs, 21. 3. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 136. „[…] Die dritte Rechnung über 400.– Frs betrifft Freimaurerliteratur, die für die Staatsbibliothek selbst bestimmt ist.“ Fuchs an die Erwerbungsabteilung, 6. 7. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 22. Fuchs an die Erwerbungsabteilung, 6. 7. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 22.
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Judaica“.638 Dieses Angebot sandte Geißler von Hirschberg an Schawe in der Orientalischen Abteilung.639 Aus einzelnen Schreiben geht hervor, dass Fuchs versuchte, außerhalb des regulären Buchund Kunsthandels besonders interessante Stücke anzukaufen oder sich ihm bietende Gelegenheiten wahrnahm. Zu Beginn seiner Erwerbungstätigkeit für die Preußische Staatsbibliothek erhielt er einen Hinweis von der Militärverwaltung Bordeaux, „wonach dort ein Franzose eine deutsche Lutherbibel, gedruckt 1607 bei Schürer, mit handkolorierten Illustrationen zum Preise von einer Million Franken angeboten hat. Der Erhaltungszustand der Bibel soll gut sein, wenn auch der Rand der Blätter etwas mitgenommen ist. Das Titelblatt ist verdächtigerweise auf die Innenseite des Einbands geklebt, gehört also möglicherweise nicht zum Buch. Ich habe erklärt, dass der Franzose verrückt wäre, würde Sie aber trotzdem bitten feststellen zu lassen, ob diese Bibel, wenn sie wirklich von 1607 ist, also das Titelblatt nicht nachträglich eingeklebt ist, für uns Interesse hat, und was Sie dafür auszugeben bereit wären. Ich habe dem Herrn in Bordeaux versprochen, ihm in 14 Tagen etwa Bescheid zu geben. Die Prüfung der Echtheit müsste ich natürlich erst noch vornehmen.“640 Wegen des Luftangriffs auf die Preußische Staatsbibliothek und der damit verbundenen Verlagerungen innerhalb des Gebäudes und nach auswärts verzögerte sich Schnütgens Antwort. Am 24. April teilte er Fuchs mit, dass die Lutherbibel „eine ganz unbedeutende Ausgabe von ganz geringem Wert“ sei, „die hier bereits vorhanden ist.“641 Am 12. August 1941 suchte ein Mann namens Guillaume642 Fuchs auf, um ihm ein Angebot zu machen, das vor allem aus solchen Werken bestand, die die Orientalische Abteilung der Preußischen Staatsbibliothek hätten interessieren können. „Näheres über die Person des Mannes ergibt sich aus dem beiliegenden an mich gerichteten Brief. Ich bitte, sofort festzustellen, welche von diesen Büchern die Staatsbibliothek zu kaufen bereit wäre und gleichzeitig anzugeben, welchen Preis sie für jedes einzelne Stück anlegen will. Ich habe leider den Mann nicht dazu bewegen können, von sich aus Preise festzusetzen.“643 Wie die Orientalische Abteilung auf Fuchs’ Schreiben reagierte, ob sie Werke aus dieser Liste erwarb, ist nicht bekannt. Das Schreiben gelangte schließlich auch in Schnütgens Hand, der erwiderte, dass für die Erwerbungsabteilung keines von den angebotenen Werken zur Anschaffung in Frage käme.644 Schnütgen und Fuchs achteten strikt auf den Preis der zum Ankauf ausersehenen Druckschriften. Während seiner mehrjährigen Erwerbungstätigkeit nutzte Fuchs den von deutscher Seite festgesetzten Wechselkurs aus, um Literatur und Zimelien für die Preußische Staats638 639
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Fuchs an die Erwerbungsabteilung, 18. 7. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 21. Geißler an Schawe, 4. 8. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 19. Am gleichen Tage informierte Geißler Fuchs. Geißler an Fuchs, 4. 8. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 18. Vermutlich erreichte Schawes Bestellung Fuchs noch in Paris. Dass er sie noch realisieren konnte, erscheint dagegen fraglich. Fuchs an Schnütgen, 9. 4. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 229 f. Schnütgen an Fuchs, 24. 4. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 210. „Auch der Originalbrief des Herrn Guillaume folgt anbei zurück.“ Schnütgen an Fuchs, 21. 8. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 165. Wahrscheinlich gab Schnütgen den Brief an die Orientalische Abteilung weiter. Fuchs an die Orientalische Abteilung der PSB, 13. 8. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 168. Schnütgen an Fuchs, 21. 8. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 165.
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bibliothek möglichst billig zu kaufen, die sich in den vergangenen Jahren wegen Knappheit der Haushaltsmittel im allgemeinen und Devisenerschwernissen im besonderen mit Ankäufen in Frankreich hatte zurückhalten müssen. Sowohl Schnütgen als auch Fuchs lehnten immer wieder Ankäufe ab, weil nach ihrer Ansicht die Preise für die angebotenen Werke zu hoch waren. Anscheinend hatten sich die Buchhandlungen auf den ungünstigen Wechselkurs eingestellt und ihre Preise – zumal es auch andere Interessenten für ihre Angebote gab – angepasst. Welche Preise angesetzt wurden und wie sich die Verantwortlichen der Preußischen Staatsbibliothek verhielten, erhellt folgendes Schreiben, mit dem Fuchs zwei Bestellzettel Schnütgens unerledigt zurücksandte: „Die beiden Sachen sind enorm teuer. Der George Dandin soll 20.000,– Frs und die Oeuvres von Molière 22.000,– Frs kosten. Für den Dandin würde ich den Preis auf keinen Fall anlegen. Auch bei den Oeuvres habe ich Bedenken, sehe aber Ihrer Entscheidung entgegen.“ Dass die beiden erwähnten Werke durchaus rar waren, legte Fuchs’ Zusatz nahe: „Leider ist es nicht sicher, dass die Sachen, wenn der Entscheid kommt, noch greifbar sein werden, da noch ein anderer Reflektant dafür vorhanden war.“645 Ein botanisches Werk aus dem Angebot von Droz, das Fuchs an Schnütgen übersandte, besaß die Preußische Staatsbibliothek bereits.646 Es wurde daraufhin, wie üblich, zurückgesandt. Fuchs’ Erwiderung gibt einen Einblick sowohl in die Preisgestaltung als auch in sein Verhältnis zu dieser Buchhandlung: „Die an mich zurückgesandten Werke Marret: Icones florae und die Lys dans la vallée habe ich an die Buchhandlung Droz zurückgehen lassen. Der Marret ist schon weiterverkauft, auf dem andern bleibt Frl. Droz einstweilen sitzen. Sie bietet nun die auch von dort [also von Schnütgen] bestellte Gesamtausgabe von Molière, Paris: Barbin 1674/75 an zum Preise von 16.500,– Frs. Die Bände sind in einem modernen Halbledereinband. Dieser Preis ist anscheinend nicht sehr hoch. Im Originaleinband würde das Exemplar jedenfalls wesentlich mehr kosten. Vielleicht könnte man Fräulein Droz für die Lys dans la vallée entschädigen, die 11.000,– Frs kosten sollte. Ich erwarte umgehend Bescheid wegen dieses Angebots.“647 Schnütgen bat Fuchs daraufhin, „die Molière-Ausgabe von 1674–75 zum Preise von 16.500,– frs zu kaufen.“648 Fuchs’ Ankäufe für die Erwerbungsabteilung konzentrierten sich auf die beiden ersten Jahre, 1941 und 1942. Das Akzessionsjournal „Ausländisch“ verzeichnet von 1941 bis 1944 ca. 500 durch Fuchs vermittelte Ankäufe französischer Literatur. 1941
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Durand & Cie. Janvier Droz Droz
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Fuchs an Schnütgen, 9. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 219. „Das Werk von Marret: Icones florae alpinae plantarum, Série 1–3, wurde schon früher von der Firma Droz erworben, und zwar im Februar 1938 mit 1000 frs im voraus bezahlt, im April 1938 geliefert.“ Schnütgen an Fuchs, 27. 5. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 198 f. Fuchs an Schnütgen, 25. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 194 f. Schnütgen an Fuchs, 1. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 188 f.
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1942
1943
1944
Droz Alexieff [ein privater Verkäufer?] Geuthner Rossignol Saffroy [ohne Angabe, durch Fuchs] Droz Geuthner [ohne Angabe, durch Fuchs]
59 1 18 8 5 2 26 66 4
Die Erwerbungen für die Orientalische Abteilung verteilen sich gleichmäßiger über den gesamten Zeitraum. Das Akzessionsjournal verzeichnet insgesamt 310 Titel.649 1941 1942 1943 1944
Geuthner Droz Geuthner Droz Geuthner Geuthner Geuthner
53 2 50 6 17 82 100
Die Zahl der erworbenen Druckschriften, insgesamt etwas über 800, erscheint gemessen an Fuchs’ Ankaufsmitteln gering, selbst wenn man in Betracht zieht, dass die Ausgaben für die Zeitschriften darin nicht berücksichtigt sind und die Preise für Antiquaria nicht so günstig waren, wie es die Beamten der Preußischen Staatsbibliothek wünschten. Es ist daher anzunehmen, dass jene 100.000 Reichsmark, von denen Fuchs in seinem Bericht von 1944 sprach, zu einem großen Teil für die Sondersammlungen verwandt wurden.
3.8.4.4 Ankäufe für die Sonderabteilungen Fuchs resümierte in seinem Bericht vom September 1944: „Die Musikabteilung der Staatsbibliothek erhielt durch Vermittlung des Referates eine Fülle bedeutsamer Musikerbriefe sowie mehrere vollständige und unvollständige Autographe deutscher und französischer Musiker, die eine sehr wertvolle Bereicherung ihres Bestandes darstellen. Auch für die Handschriften- und die Inkunabelabteilung konnten mehrere interessante Stücke sehr günstig erworben werden.“650 Bereits am 11. März 1941 schickte er ein Angebot der „Librairie Droz“ an Schnütgen, das die649 650
Die Auslands-Zeitungshandels GmbH Köln und „Rive Gauche“ sind jeweils nicht berücksichtigt. Hermann Fuchs: Bericht über die Tätigkeit des Referates Bibliotheksschutz in der Militärverwaltung Frankreich 1940–1944, 20. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, VII.1-m (blaues Heft), S. 18.
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ser an Kurt Ohly, den Leiter der Inkunabelsammlung, weitergeben sollte.651 Einige Tage später gingen „gleichzeitig mehrere Rechnungen an die Musik-, Orientalische und HandschriftenAbteilung […] mit der Bitte, diese nach Prüfung der sachlichen Richtigkeit“ an Schnütgen weiterzuleiten.652 Am 20. März 1941 folgte „ein weiteres Angebot […], für das vielleicht die Musikabteilung Interesse hat.“653 Anfang April sandte Fuchs „eine Reihe von Zeitungen“ und die drei bereits erwähnten „Musikerautographen“ als Kuriergut.654 Möglicherweise standen diese in Zusammenhang mit einer Rechnung vom 25. Februar 1941 für die Firma Marc Loliée über 2.500,– Frs. „Diese Rechnung betraf Wagner- und andere Autographen, ist also wahrscheinlich über Herrn Schünemann und bzw. oder Herrn Christ gelaufen.“655 Schnütgen bemühte sich, die zugehörigen Rechnungen von den Sonderabteilungen zurückzuerhalten, sie blieben jedoch unauffindbar. Die Autographe waren inzwischen ohne Rechnung akzessioniert worden. Fuchs musste sich die Rechnungen ein zweites Mal ausstellen lassen,656 damit Schnütgen sie bei der Devisenstelle einreichen konnte. Immer dann, wenn es in den Beziehungen zwischen den Sonderabteilungen und der Erwerbungsabteilung zu derartigen Stockungen und Komplikationen bei der Abrechnung kam, wandte sich Fuchs an die „in diesen Angelegenheiten federführende Erwerbungsabteilung“.657 Abgesehen davon waren die Antiquaria-Bestellungen der Erwerbungsabteilung oft nicht von denen der Inkunabelsammlung und den Sonderabteilungen zu trennen. Bemerkenswert sind die Ausgabenrelationen zwischen den Abteilungen, die auf einem Schreiben Fuchs’ vom 13. April 1942 aufgeführt sind. Eine Rechnung von Droz über 130,20 Frs. war für die Erwerbungsabteilung bestimmt, eine andere der Firma Legouix658 über 9.190 Frs. betraf Musikalien, die Fuchs bereits an Schünemann abgesandt hatte, eine dritte von der Firma Rossignol belief sich über 41.000 Frs. „Diese Rechnung betrifft 4 Inkunabeln, die ich für Herrn Dr. Ohly gekauft habe, aber einstweilen noch bei mir verwahre.“659 Für die Musikabteilung660 erwarb Fuchs u. a. 1941 bei Durand & Co. die „Préludes von Casadesus (vgl.
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Fuchs an Schnütgen, 11. 3. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 235. Ein weiteres Angebot an Ohly sandte Fuchs am 30. 6. Fuchs an Schnütgen, 30. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 190. Fuchs an Schnütgen, 16. 3. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 234. Fuchs an Schnütgen, 20. 3. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 232. Fuchs an Schnütgen, 3. 4. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 231. Fuchs an Schnütgen, 4. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 185 ff. Schnütgen an Fuchs, 8. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 183. Schnütgen versuchte, die Verwirrung wegen der Abrechungen mit den Sonderabteilungen zu beseitigen, um Fuchs nicht immer wieder um Kopien der Rechnungen bitten zu müssen. Schn[ütgen] an Fuchs, 25. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 174. Zu dem Verhältnis zwischen Gerigk vom Sonderstab Musik, Legouix und Fuchs vgl. DE VRIES, Sonderstab Musik, 188. Fuchs an Schnütgen, 13. 4. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 130. Am 16. 3. 1941 reiste Georg Schünemann, der Direktor der Musikabteilung der PSB, auf „Ansuchen der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP, Reichsstelle Rosenberg“ zum zweiten Mal nach Frankreich, „um bei der Katalogisierung der deutschen musikalischen Bestände mitzuarbeiten und die Interessen der Preußischen Staatsbibliothek zu vertreten.“ Die Reise führte ihn nach Paris, Reims, Char-
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Schreiben der Musikabteilung Tgb. Mus. Nr. 49/41)“ für 2.084,44 Francs,661 1942 bei Legouix „ein Manuskript von Ph. E. Bach“ für 16.000 Francs,662 1943 von Rossignol „das Manuskript [einer] Oper von Aubert [!]“ für 50.000 Francs663 und ebenfalls 1943, ebenfalls von Rossignol, mehrere Posten, u. a. ein Werk oder Werke von Massenet für 67.190 Francs.664 Für die Handschriftenabteilung brachte Wermke – vermutlich am 29. November 1941665 – „eine Handschrift von Vandenesse“ persönlich nach Berlin, die für 6.400 Francs erworben worden war.666 Am 2. März 1943 schickte Fuchs eine „quittierte Rechnung des Baron de Berwick über 1.020,– Frs […] Das Manuskript von Kerner ist bereits im Besitz der Handschriftenabteilung.“667 Anders als die Ankäufe von Druckschriften für die Erwerbungsabteilung scheinen sich die Erwerbungen für die Sonderabteilungen über den gesamten Zeitraum von 1941 bis 1944 erstreckt zu haben. Nachdem Christ bei einem Luftangriff auf Berlin im Dezember 1943 ums Leben gekommen war, entschied Becker über die Ankäufe der Handschriftenabteilung. Am 6. Januar 1944 unterbreitete ihm Fuchs das Angebot eines Manuskripts des Theologen Johannes Nider: Consolatorium timoratae conscientiae von 1457. Der Preis sollte 6.500 Francs betragen. „Das Manuskript umfasst 160 Blätter, ist gut erhalten und sorgfältig geschrieben“, bemerkte Fuchs. In dem gleichen Schreiben war zum ersten Mal von einer Japonica-Sammlung die Rede, deren Ankauf ebenfalls in Beckers Hand lag: „Der Betrag für die japanische Sammlung einschliesslich eines japanischen Wörterbuchs, das dem Angebot beiliegt, beläuft sich auf rund 100.000 Frs. Wie ich feststelle, könnte ich diesen Betrag aus den Mitteln der Staatsbibliothek noch aufwenden, obwohl dann meine gesamten Mittel für Bücherkäufe nahezu erschöpft sind. Da, wie ich gerade Herrn Generaldirektor Krüss berichtet habe, die Gefahr eines Abbaus droht, hat es wohl keinen Zweck, neue Mittel zu beantragen. Sollte der Abbau durch ein Wunder zu vermeiden
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tres, Orléans, Tours, Poitiers, Angers und Schloss Beaumanoir bei Brieuc, wo Musikalienbestände aus verschiedenen französischen Sammlungen ausgelagert waren. Schünemann leitete das Fotokopieren von Musikhandschriften für die PSB in die Wege. Er kaufte jedoch auch Musikautographe für die PSB an, und zwar „4 Briefe von Richard Wagner, einer von Robert Schumann, ferner die in der Staatsbibliothek fehlenden Partituren von Bizet: ,La jolie Fille de Perth‘ und ‚Les Pêcheurs des Perles‘ und eine große Zahl moderner französischer Partituren und Kammermusikwerke.“ Außerdem unterstützte er „die Stelle Bibliotheksschutz durch Beratung und Vermittlung von Kaufangeboten.“ Bericht Schünemanns an die Generalverwaltung [der PSB], Berlin, 21. 4. 1941. SBB PK, Historische Akten VII.1-m (Ordner), 1ff. Fuchs an Schnütgen, 4. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 185 ff. Fuchs an Schnütgen, 20. 7. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 117. Fuchs an Schnütgen, 13. 1. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 105. Fuchs an Schnütgen, 6. 3. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 99. Krüß’ verzeichnete in seinem Tagebuch einen Besuch Wermkes, der auf die Ankündigung von Fuchs’ Schreiben am 24. 11. 1941 folgte. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Fuchs an Schnütgen, 24. 11. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 153. Krüß empfing Wermke am 29. 11. 1941 und besprach sich mit ihm über die Pläne, das Referat Bibliotheksschutz abzubauen. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Fuchs an Schnütgen, 2. 3. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 98. Fuchs an Becker, 6. 1. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/16, 80. Vermutlich bezog sich eine Rechnung von Jean Une vom 25. 1. 1944 auf das Manuskript. Vgl. Fuchs an die PSB, 18. 2. 1944. AP Jelenia Góra 83/ 113/0/16, 79.
Geraubte Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten
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sein, so wäre ja immer noch die Möglichkeit gegeben, einen neuen Antrag auf Mittel zu stellen.“668 Die Gefahr der Auflösung des Referats im Januar 1944 wurde abgewendet. Fuchs erwarb die Japonica-Sammlung und schickte die quittierten Rechnungen über 38.539 und 2.270 Francs an Geißler in Hirschberg,669 der sie an Schawe von der Orientalischen Abteilung weitergab. Die Bücher gingen gleichzeitig „in 6 Paketen nach Berlin ab“, wurden aber nicht in die Akzessionsjournale der Kaufstelle eingetragen. Geißler bat Schawe, die mit den Akzessionsnummern versehenen Rechnungen an ihn zurückzusenden, „da sie zur Abrechnung und Vorlage bei der Reichsstelle für Papier benötigt werden.“670 Gleichzeitig kaufte Becker Japonica für die Nationalbibliothek in Prag. Die Japonica wurden einem Transport der Reichstauschstelle für das Depot in Tann beigegeben.671 Ob und wie beide Sendungen nach Berlin bzw. nach Prag gelangten, ist nicht bekannt. Mit den im Frühjahr 1944 bewilligten Ankaufsmitteln erfüllte Fuchs weiterhin auch die Wünsche der Sonderabteilungen der Preußischen Staatsbibliothek. In einem Paket, das Fuchs am 21. April 1944 an die Preußische Staatsbibliothek Unter den Linden absandte ohne zu wissen, dass die Erwerbungsanteilung bereits nach Hirschberg umgezogen war, befanden sich neben zwei Werken für die Erwerbungsabteilung – Freimaurerliteratur und ein historischer Druck – „ein Livre d’heures 1496 zum Preise von 50.000,- Frs.“ für die Inkunabelsammlung.672 Am 5. Mai 1944 sandte er – immer noch an die Adresse Unter den Linden in Berlin – ein Angebot „über eine Handschrift und zwei interessante ältere Werke“ und bat um Stellungnahme. Zugleich machte er darauf aufmerksam, „dass die Erwerbung dieser Stücke den für Bücherkäufe verfügbaren Fonds wieder restlos erschöpfen würde“.673 Entweder nach Rücksprache mit der Handschriftenabteilung oder aus eigener Befugnis entschied sich Geißler sowohl für den Ankauf der Handschrift als auch der Druckwerke. Bei der Handschrift handelte es sich um „Philippe le Bon, duc de Bourgogne, Ordonnances de l’Ordre de la Toison d’Or. Ms. du XVe siècle. frs 35.000,– “.674
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Der Militärbefehlshaber in Frankreich, Bibliotheksschutz, Fuchs, an die PSB, Erwerbungsabteilung in Hirschberg, 6. 7. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 22. Erwerbungsabteilung, Ge[ißler] an die Orientalische Abteilung in Berlin, Hirschberg, 2. 8. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 20. SBB PK, Historische Akten, RTS, Schriftwechsel betr. Verlagerung, Tann. Der Militärbefehlshaber in Frankreich, Bibliotheksschutz, Fuchs, an die PSB, Erwerbungsabteilung in Berlin, 21. 4. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 26. Der Militärbefehlshaber in Frankreich, Bibliotheksschutz, Fuchs, an die PSB, Erwerbungsabteilung in Berlin, 5. 5. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 25. Erwerbungsabteilung, Ge[ißler], an Fuchs, Hirschberg, 1. 6. 1944. AP Jelenia Góra 83/113/0/26, 23 f. Die drei gewünschten Druckwerke waren: „Fillastre – (Guillaume) – Le premier volume de la Toison d’Or … Novellement imprimé. On les vend à Paris en la rue saint Jacques à l’enseigne du Loup devant les Maturins. 1530. 2 tomes en un vol. in 4. frs 75.000.– und die beiden freimaurerischen Schriften: Grand Orient de France.– Calendrier maconnique du Grand Orient de France…, années 5861, 5864, 5865, 5866, 5867, 5868, 5869, ensemble 7 volumes. 1861–1869. frs. 250.– Prache, L., La pétition contre la francmaconnerie … Nouvelle édition 1905. 366 p frs. 150.–“.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Die in den Akten der Erwerbungsabteilung erwähnten Ausgaben geben sicher nicht den vollen Umfang von Fuchs’ Ankäufen für die Sonderabteilungen wieder. Von insgesamt 2.000.000 Frs. entfielen neben dem relativ gering zu veranschlagenden Ausgaben für die Erwerbung der Druckschriften nachweisbar 200.000 Francs auf die Musikabteilung, ca. 100.000 Francs auf die Inkunabelsammlung, und jeweils zwischen 40.000 und 50.000 Francs auf die Handschriften- und die Orientalische Abteilung. Festzuhalten bleibt, dass die Verantwortlichen in der Preußischen Staatsbibliothek an dem von Deutschland diktierten ungünstigen Wechselkurs keinen Anstoß nahmen. Indem Literatur in Frankreich zu einem erheblichen Teil durch Kauf erwoben wurde und namhafte Buchhandlungen und Antiquariate in die Geschäfte involviert waren, wurde der Charakter dieser Erwerbungen als Raubgut nicht offensichtlich. Hingegen war Bibliotheksgut aus den besetzten Gebieten in Ost- und Südosteuropa – aus Polen, der Sowjetunion und Jugoslawien – als Raubgut, nämlich als Kriegsbeute, kenntlich, nicht zuletzt deshalb, weil es von den Rauborganisationen des NS-Regimes eingeliefert wurde.
3.8.5
Zugänge von NS-Raubgut nach dem Überfall auf die Sowjetunion
Während des Krieges gelangten mindestens 19.022 Bände mit „russischem Besitzervermerk“675 in die Preußische Staatsbibliothek. Wegen fehlender Akten ließ sich bisher nur in einigen wenigen Fällen feststellen, welcher Herkunft das Raubgut aus der Sowjetunion war und von welchen Rauborganisationen es eingeliefert wurde. Nachweislich erhielt die Preußische Staatsbibliothek ca. 160 Bücher von der Wehrmacht-Sichtungsstelle und vom Oberkommando des Heeres676 sowie eine Büchersendung von der „ROGES Rohstoff-Handelsgesellschaft mbH“. Auf einer an Albert Boeckler gerichteten Postkarte teilte Erich Meyer, Kustos am Schlossmuseum in Berlin, am 8. Oktober 1942 mit, dass Bücher aus Woronesch677 bei der Firma Harry W. Hamacher, Berlin, Lüneburger Straße 22, lagerten.678 Um die Bücher zu besichtigen, müsse eine Verabredung mit der Firma ROGES getroffen werden. Boeckler, der seit Oktober 1942 Direktor der Kunstbibliothek war, gab den Hinweis an die Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek weiter. Diese sandte den Slawisten Fritz Schwiefert zu der Speditions675
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Von der ÖWB wurden diese Bücher nach Kriegsende an die Sowjetunion restituiert. In der Aktennotiz heißt es dazu: „In der Zeit vom 15. Dezember 1947 bis zum 8. Januar 1948 wurden der russischen Zentralkommandantur (Kapitän Šurišev) 19.022 Bücher mit russischem Besitzervermerk übergeben. 100 Bände aus französischem Besitz, die gleichfalls für die Kommandantur bestimmt waren, wurden von dem begleitenden Russen am 8. 1. nicht mitübernommen.“ Mayer oder Meyer [?]: Aktennotiz, 9. 1. 1948. SBB PK, Historische Akten, G I/A/10. Vgl. 3.8.8. Um was für Werke es sich handelte, ist nicht bekannt. Auf den Schreiben der Firma ROGES wurde als Betreff lediglich angegeben: „Bücher aus Räumungsgut Ost, ex Waggon Stettin 9097.“ ROGES RohstoffHandelsgesellschaft m. b. H., Maul [zweite Unterschrift unleserlich], an die PSB, 11. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 252. Staatliche Museen, Schlossmuseum, Erich Meyer, an Boeckler, 8. 10. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 256.
Geraubte Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten
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firma, um die Bücher in Augenschein zu nehmen. Daraufhin meldete Geißler bei der Firma ROGES das Interesse der Preußischen Staatsbibliothek an.679 Die Firma war jedoch nicht bereit, die Bücher unentgeltlich abzugeben, und forderte die Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek auf, „ein Preisangebot zu unterbreiten“.680 Schnütgen empörte sich, dass von „einem Kaufpreis für die Bücher bisher nie die Rede gewesen“ wäre und die Preußische Staatsbibliothek „auch nicht in der Lage sein [würde], einen solchen für dieses Beutegut zu entrichten.“681 Er war offensichtlich nicht darüber informiert, dass die Firma ROGES wirtschaftliche Zwecke verfolgte.682 Im Antwortschreiben klärte ihn die Firma auf, „daß unsere Gesellschaft vom Reichswirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Oberkommando der Wehrmacht für die sachgemäße Verwertung der aus den besetzten Feindgebieten hereinkommenden Räumungsgüter eingesetzt wurde. Bei der Durchführung dieser Aufgaben sind wir dem Reich für eine bestmögliche Verwertung dieser Güter verantwortlich.“683 Bücher, die „an ein staatliches Institut“ abgegeben werden sollten, gehörten nicht zu den üblicherweise von der ROGES verwerteten Gütern. Weil „Bücher nicht als reine Wirtschaftgüter anzusehen sind“, war man in der Firma jedoch zu dem Entschluss gelangt, sie unentgeltlich abzugeben. Die Preußische Staatsbibliothek sollte lediglich die Transportkosten der Spedition und das Lagergeld, das von der ROGES berechnet wurde, tragen.684 Dieses Lagergeld – pro 100 kg 2,05 Reichsmark „zuzüglich RM 4.– anteilige Lagermiete“ – bietet den einzigen Anhaltspunkt, um welche Menge von Büchern es sich handelte,685 nämlich um etwas mehr als 500 kg. Die Bücher wurden in den im Winkel zwischen Charlottenstraße und Unter den Linden gelegenen „Keller 18“686 gebracht. Dort lagerten neben den Büchern aus dem Polnischen Konsulat in Königsberg auch „Beschlagnahmte russische Werke aus russ. 679
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Erwerbungsabteilung, Ge[ißler], an die Rohstoff-Handelsgesellschaft, Abt. XI, Lagerverwaltung, BerlinMariendorf, Chausseestr. 6–10. 24. 10. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 255. ROGES Rohstoff-Handelsgesellschaft m. b. H., Maul [eine zweite Unterschrift unleserlich], an die PSB, 4. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 254. Schnütgen an die Firma ROGES, 7. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 253. Die ROGES „war im Dezember 1940 von Göring gegründet worden und befand sich zu 100 Prozent in Reichsbesitz. Im Verwaltungsrat übte Ministerialdirigent Bender vom RMF den Vorsitz aus. Die solcherart beaufsichtigte Gesellschaft verfolgte als Geschäftszweck die ‚Erfassung und Verwertung der Beute in allen besetzten Gebieten sowie Einkauf, Lagerung und Wiederverkauf von kriegswichtigen Rohstoffen‘.“ ALY, Hitlers Volksstaat, 174. ROGES Rohstoff-Handelsgesellschaft m. b. H., Maul [zweite Unterschrift unleserlich], an die PSB, 11. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 252. EBD. Am 14. November schrieb Schnütgen an die Firma ROGES: „Die Bücher aus Woronesch sind von der Firma Hamacher nunmehr in Kisten, Paketen und als Einzelstücke hierher geschafft und von der Staatsbibliothek übernommen worden. An Lagergeld und Transportkosten wurde für sie 6,90 RM entrichtet.“ Schnütgen an die Firma ROGES, 14. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 251. Vermutlich irrte Schnütgen hier, die 6,90 RM waren die Transportkosten der Speditionsfirma. Auf dem Schreiben vermerkte Andresen: „Lagerkosten 15.25 RM 21. 1. 43 auf Postscheck. 51850 überwiesen [Kürzel] 21. 1.“ Und von anderer Hand wurde auf dem Schreiben hinzugefügt: „Lagern in Keller 18“. Vgl. „Übersicht über die Bücherbestände im Keller der Staatsbibliothek“. SBB PK, Historische Akten, A 62.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Bibliotheken“. Sie sind ohne Angabe der Menge in der bereits zitierten vermutlich vor Kriegsende aufgestellten Liste erwähnt.687 Bei ihnen handelte es sich vermutlich um größere Bestände, möglicherweise um jene ca. 19.000 Werke „mit russischem Besitzervermerk“.
3.8.6 Die Preußische Staatsbibliothek und das Raubgut des Sonderkommandos Künsberg In einem Bericht über die Tätigkeit des Sonderkommandos Künsberg vom 20. August 1942 wurde die Preußische Staatsbibliothek als einzige wissenschaftliche Bibliothek neben der Deutschen Bücherei unter den Empfängern von in Russland „sichergestelltem Material“ genannt.688 Doch ist das Sonderkommando Künsberg weder in den Akzessionsjournalen als Einlieferer nachweisbar, noch ließen sich in den Korrespondenzen Hinweise finden, dass die Preußische Staatsbibliothek Raubgut dieser Provenienz entgegengenommen hätte. Allein zwei Eintragungen für das Jahr 1942 betreffen ein „Sonderkommando Einsatzstab Wilna“ als Einlieferer.689 Vermutlich vermengte der Bearbeiter oder die Bearbeiterin den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg mit dem Sonderkommando Künsberg. Tatsächlich gab es keinen „Einsatzstab Wilna“, vielmehr ein Einsatzkommando des Sonderkommandos Künsberg unter dem Decknamen „Stettin“ bzw. „Hamburg“, das im Sommer 1941 in Wilna (Vilnius) eintraf und im „Haus der Roten Armee […] politische Broschüren“ beschlagnahmte.690 Das im Akzessionsjournal „Deutsch Dona“ aufgeführte Werk ist bezeichnet mit: „Verfassung der UdSSR“. Am 1. August 1942 wurde das „SS-Sonderkommando des AA Künsberg“ in „Bataillon der Waffen-SS z.b.V“ umbenannt und am 29. Juli 1943 aufgelöst. Die Mitarbeiter des Sonderkommandos Künsberg legten jedoch keine Sammlungen an und werteten das geraubte Material 687 688
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„Übersicht über die Bücherbestände im Keller der Staatsbibliothek“. SBB PK, Historische Akten, A 62. „Im Rußlandfeldzug war das Kommando im vorigen Jahre angewiesen worden, sich für die Sicherstellung politischen Materials in Moskau und Leningrad bereitzuhalten. Die zu diesem Zweck bei den zuständigen Heeresgruppen eingesetzten Teile des Kommandos haben gelegentlich der Suche nach politischen Akten auch sonstiges für die Kriegführung wichtiges Material (z. B. wehrwirtschaftlicher, wehrwissenschaftlicher und volkskundlicher Art) sichergestellt und den daran interessierten innerdeutschen Stellen teilweise zugeleitet (u. a. OKW, Vierjahresplan, Reichsführer SS, Sammlung Leibbrandt, Wirtschaftsstab Ost, Reichsgesundheitsführer, PSB, Deutsche Bücherei, Leipzig, Institut für Grenz- und Auslandsforschung). Der größte Teil des neben den eigentlichen Aufgaben sichergestellten Materials ist jedoch dem Geographischen Dienst des Auswärtigen Amtes zugeführt worden […]“ Und zu diesen Karten und Atlanten heißt es noch weiter: „LR v. Künsberg gibt zu, solches Material zwar ohne entsprechende Weisung sichergestellt und auch ohne ausdrückliche Genehmigung des Herrn RAM [Reichsaußenministers] an dritte Stellen abgegeben zu haben, hielt sich jedoch dazu im Interesse der raschen Auswertung dieses für die Kriegführung wichtigen und außenpolitisch nicht interessierenden Materials für berechtigt.“ Bericht an den Gesandten Baron von [Adolf] Steengracht [von Moyland] mit der Bitte um Vorlage beim Herrn Reichsaußenminister, 20. 8. 1942, gez. Schroeder, S. 5. PA AA, R 27.574, o. F. Akzessionsjournale Akz. Ausländisch Dona 1942 Nr. 3326 und Akz. Deutsch Dona 1942 Nr. 182. HARTUNG, Raubzüge, 44.
Geraubte Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten
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nicht aus, sondern gaben die geraubten Kulturgüter an andere Ämter und Institutionen weiter.691 Ausschließlich bzw. überwiegend sogenanntes „Rußland-Material“ war seit März 1942 in der Dienststelle des Sonderkommandos in der Hardenbergstraße 29 a in Berlin-Charlottenburg ausgestellt und konnte dort von einem ausgewählten Personenkreis, zu dem Angehörige der Wehrmacht, der SS, des Propagandaministeriums, der Reichskanzlei und der Reichsmarschall gehörten, besichtigt werden.692 Am 29. Oktober 1942 überreichte der Stabsführer des Sonderkommandos, Bernhard Nitsch, dem Dienstherrn Künsbergs, Reichsaußenminister von Ribbentrop, acht Kataloge über 52.009 Werke. Es waren die Stücke, die nach der Verteilung von ursprünglich 304.694 in der Sowjetunion durch das Sonderkommando Künsberg geraubten Werken an das Auswärtige Amt, das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, das Reichsamt für Landesaufnahme und „Verschiedene Dienststellen“ übriggeblieben waren und nun in der Hardenbergstraße 29 a lagerten.693 Der Band VIII des Kataloges verzeichnet unter der Rubrik „Geschlossene Buchbestände“ im Abschnitt C die „Bestände aus der Wladimir-Kathedrale in Kiew“. Die 4.211 Bücher oder Bände sollten an die Preußische Staatsbibliothek abgegeben werden. Im Abschnitt N wurden „Restbestände an Büchern“ aufgeführt, die an die Reichstauschstelle gehen sollten. Ihre Anzahl belief sich auf 1.052.694 Der Reichsaußenminister entschied jedoch, dass einzig und allein das von Rosenberg geleitete Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete die verzeichneten Kulturgüter erhalten sollte.695
3.8.7 Raubgut des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg Unter dem Betreff „Hebraica für die orientalische Abteilung“ antwortete der Stabseinsatzführer Gerhard Wunder vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg am 2. April 1943 auf ein Schreiben der Preußischen Staatsbibliothek an das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete vom 2. Dezember des vorigen Jahres. Darin habe die Orientalische Abteilung der Preußischen Staatsbibliothek Interesse bekundet, „ihre orientalischen Bestände“ zu ergänzen. Wunder erläuterte, dass beschlagnahmte Bestände bisher ausschließlich dem Institut zur Erforschung der 691 692
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Vgl. HARTUNG, Raubzüge, 100 und 111. EBD., 95 ff; vgl. HEUSS, Kunst- und Kulturraub, 285 ff, besonders 330 f.; FREITAG, Kunstraub, 61, Anm. 167. Über Herrn U.St.S. [Martin Franz Julius] Luther den Herrn Staatssekretär dem Herrn Reichsaußenminister vorgelegt, Berlin, 29. 10. 1942, gez. [Alexander Freiherr von] Dörnberg: Aufzeichnung (Abschrift). PA AA, R 27.558, Bl. 211049 ff. PA AA, R 27.558, Bl. 211052 f. Vgl. auch HARTUNG, Raubzüge, 104 f. Unterstaatssekretär [Friedrich Wilhelm] Gaus: Aufzeichnung, 1. 12. 1942 (Entwurf); Dörnberg: Aufzeichnung, an Künsberg, 15. 12. 1942. „Der Herr Reichsaussenminister hat über U.St.S. Gaus angeordnet, dass grundsätzlich das vom ehemaligen Sonderkommando sichergestellte Material dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete zur Verfügung gestellt [wird] und es ist diesem überlassen, einzelne Teile der Sammlung an interessierte Stellen (Heeresmuseum usw.) weiterzugeben.“ In einem Durchdruck des „Katalogs“ erscheint in der Liste dann auch anstatt „Staatsbibliothek“ „OstMin“, ebenso anstatt RTS auch „OstMin“. Aufzeichnung Betrifft: Abgabe des Ostmaterials an Ostministerium, 30. 11. 1942. PA AA, R 27.558, o. F.
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Judenfrage in Frankfurt am Main zugestellt worden seien. Das Institut sei aber bereit, Dubletten abzugeben. „Da zur Zeit jedoch sämtliche Kräfte für kriegswichtige Propagandaaufgaben eingespannt sind, könnten solche Dublettenlisten erst bei ruhigeren Arbeitsverhältnissen aufgestellt werden.“696 Krüß und Becker waren offenbar irritiert und erkundigten sich umgehend bei Schawe, der der Generaldirektion mitteilte, dass in der Orientalischen Abteilung kein entsprechender Schriftwechsel vorhanden sei. Es hatte jedoch ein Gespräch mit Gertrud von Poehl, einer Mitarbeiterin des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete und „Verfasserin bzw. Mitverfasserin mehrerer Werke zur Judenfrage in Russland“, stattgefunden. Von Poehl „bedauerte, dass in der Stabi fast die gesamte jiddisch-russisch-bolschewistische Literatur der letzten Jahre fehle, und gab, da die ganze nicht sichergestellte Literatur des Ostraumes der Vernichtung anheimfalle, dem Wunsche Ausdruck, dass auch die Staatsbibliothek neben Frankfurt [dem Institut zur Erforschung der Judenfrage, C. B.] die in Frage stehende Literatur besitzen müsse. Sie wolle der Sache einmal nachgehen.“697 Schawe war indes skeptisch, dass es möglich sein würde, anhand von Dublettenlisten eine Auswahl zu treffen, weil diese Listen oft ungenau seien. „Das schliesst nicht aus, dass im Falle eines dringenden und bibliographisch gesicherten Desiderats die Staatsbibliothek sich in Frankfurt nach der Möglichkeit der Überlassung einer Dublette erkundigt.“698 Einige Tage später antwortete Krüß auf das Schreiben Wunders, ohne das Angebot brüsk abzulehnen, aber mit Bestimmtheit, dass die Preußische Staatsbibliothek „zu gegebener Zeit mit dem Institut zur Erforschung der Judenfrage in Frankfurt a. M. wegen der Ergänzung der Sammlung von Hebraica bei der Orientalischen Abteilung […] in Verbindung treten“ werde.699 Einen Monat später erwähnte der Stabseinsatzführer Herbert Lommatzsch die Preußische Staatsbibliothek in einem Zwischenbericht. Lommatzsch besichtigte am 8. Mai 1943 die „Arbeitsstätte im IWO700 und die Lagerstätten im ehemaligen Benediktinerkloster“ in Wilna. 696
ERR für die besetzten Gebiete, Stabseinsatzführer Wunder, an die PSB, Berlin-Charlottenburg, 2. 4. 1943. SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 71. 697 Schawe, 5. 4. 1943, handschriftliche Stellungnahme ohne Adressaten. SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 73. Möglicherweise stellte der ehemalige Mitarbeiter der PSB Johannes Pohl Beziehungen zum ERR her. Pohl war vom 1. 12. 1935–30. 9. 1936 und vom 2. 1. 1939–30. 4. 1941 außerordentlicher wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in der Orientalischen Abteilung. 1942 war er im Auftrag Rosenbergs in Wilna tätig. Vgl. JAHRESBERICHT, 1935, 1936 und 1938; KÜHN-LUDEWIG, Johannes Pohl, 129 und 184 ff. Ein anderer, ehemals an der PSB beschäftigter Bibliothekar, Alexander Himpel, befand sich gleichfalls als Mitarbeiter des ERR 1942 in Wilna. 698 Schawe, 5. 4. 1943, handschriftliche Stellungnahme ohne Adressaten. SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 73. 699 PSB, Krüß, an den ERR für die besetzten Gebiete, Berlin-Charlottenburg, 7. 4. 1943 (Entwurf), abgesandt am 9. 4. 1943. SBB PK, Historische Akten, IV.2, Bd. 4, 75. 700 Yivo. „Die Bibliothek des Yivo (Yidisher visenshaftleker Institut) hatte 1939 mehr als 40.000 Bücherbände und über 10.000 Zeitschriften in ihrem Bestand. Außerdem waren dort vom ERR Bücher und Torah-Rollen aus zahlreichen anderen Bibliotheken und Privatsammlungen sowie von dreihundertfünfzig Synagogen zusammengetragen worden. […] 24.000 Bände wählte Pohl zum Abtransport für das Institut zur Erforschung der Judenfrage in Deutschland aus […], zahllose Bücher und Zeitschriften wurden an eine Papiermühle zum Einstampfen gegeben.“ HARTUNG, Verschleppt, 35.
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Nach seinem Bericht hatte die Preußische Staatsbibliothek ihr Interesse an den Judaica des Yivo bekundet. Deshalb ersuchte er die Abteilung Erfassung und Sichtung bei der Stabsführung – Stabseinsatzführer Wunder –, „eine Vereinbarung mit der Staatsbibliothek zu treffen“, deren Gegenstand die „etwa 30.000 Judaica, die zu einem erheblichen Teil Dubletten darstellen“, waren. „Dies kann entweder dadurch geschehen, daß die Staatsbibliothek einen Sachbearbeiter nach Wilna entsendet, oder daß sie sehr genau angibt, auf welche Bestände sie Wert legt. Die Bücher würden dann unter Anrechnung der Kosten für Transport und Verpackung der Staatsbibliothek zugeleitet werden.“701 Krüß’ Ablehnung von Wunders Angebot war eindeutig formuliert gewesen. Es fragt sich also, wieso die Mitarbeiter des Einsatzstabes dennoch damit rechneten, dass die Preußische Staatsbibliothek sich für die geraubten Judaica interessieren würde. Wollte und musste sich der Einsatzstab des Raubguts dringend entledigen und glaubten seine Mitarbeiter, dass die Preußische Staatsbibliothek trotz Krüß’ Ablehnung in die Überstellung einwilligen würde? Oder gab es Signale aus der Orientalischen Abteilung, dass eine Ergänzung der Bestände willkommen wäre?
3.8.8 Literaturverteilung durch die Wehrmacht Nach den Plünderungen in Polen schuf die Wehrmacht Strukturen, um die geraubten Bücher an interessierte Stellen zu verteilen. 1940 traten die Sichtungsstelle Berlin der Abwehrstelle im Wehrkreis III und das Oberkommando der Wehrmacht702 mit der Preußischen Staatsbibliothek in Kontakt. Einige Male erhielt die Preußische Staatsbibliothek auch Bücher von den Heeresbüchereien und Heeresarchiven.703 Zusammen mit den vom Oberbefehlshaber der Wehrmacht eingelieferten Büchern und Schriften sind ca. 1.000 durch die Wehrmacht überstellte Bücher und Schriften dem Titel nach bekannt – ca. 700 aus den Akten und ca. 300 aus den Akzessionsjournalen.704 Da sich unter ihnen nur ca. 160 russische und nur drei polnische Titel befinden, könnten sie – falls es sich überhaupt um dieselben Bücher und Schriften handelte – nur zu einem sehr geringen Teil mit den bereits erwähnten ca. 19.000 Bänden mit russischem Besitzervermerk und den ca. 20.000 nach Kriegsende als Raubgut aus Polen identifizierten Bänden identisch sein.
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Stabseinsatzführer Lommatzsch: Zwischenbericht über die Besprechung am 8. 5. 1943 in Wilna, BArch NS 30/163, abgedruckt in HARTUNG, Verschleppt, 124 f. 702 Adresse: Berlin, Tirpitzufer 72-76. 703 Das Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona verzeichnet für 1939 vier und für 1940 14 Titel, die durch den Beauftragten des Chefs der Heeresarchive in Posen eingeliefert wurden, für 1943 acht vom Beauftragten der Heeresbüchereien beim Wehrmachtsbefehlshaber der Niederlande. 704 Vgl. AP Jelenia Góra 83/113/0/21 und 22 und die Akzessionsjournale Akz. Ausländisch Dona und Orientalische Abteilung.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
Am 1. Februar 1940 stellte die Abwehrstelle im Wehrkreis III, Ausland-Brief-Prüfstelle,705 der Preußischen Staatsbibliothek jeweils mehrere Exemplare u. a. eines „chines./engl. chemischen Wörterbuchs“ und einer „russischen Fibel“ zur Verfügung. Die Werke sollten gegen Quittung abgeholt werden. Auf dem Schreiben sind die Akzessionsnummern „D 1939.3964“ und „D 1939.3963“ vermerkt. Auf Nachfrage erhielt die Bearbeiterin Andresen von der Abwehrstelle die Erlaubnis, nicht benötigte Exemplare an die Orientalische Abteilung und an die Reichstauschstelle abzugeben.706 Am 29. Mai 1941 übersandte die gleiche Stelle – nunmehr mit der Bezeichnung „Sichtungsstelle Berlin“ im Untertitel – der Preußischen Staatsbibliothek drei französische Werke „aus Material, welches im Westen beschlagnahmt wurde“.707 Vermutlich wurde daraufhin an der Preußischen Staatsbibliothek die grundsätzliche Frage aufgeworfen, wie mit derartigen Geschenken zu verfahren sei. Auf einem beiliegenden Zettel bemerkte Geißler am 14. Juni 1941: „Die Stücke sind im ehemaligen Handschriftenmagazin gelagert und werden bis auf weiteres nicht verarbeitet.“708 Schnütgen dankte für die eingegangenen Sendungen; die in Empfang genommenen Bücher erhielten jedoch keine Akzessionsnummern.709 Die Erwerbungsabteilung richtete nunmehr eine gesonderte Ablage für den Schriftwechsel mit der Sichtungsstelle ein. Vermutlich fehlen einige Schreiben, da die Sendungen am 15. August 1941 mit der Sendungsnummer „B-6v“710 fortgesetzt wurden. Die Preußische Staatsbibliothek erhielt damals zwei französische Bücher „zum dortigen Verbleib übersandt: (10) Histoire de ma vie II. Band. von George Sand, Paris ohne Jahr“ und „(18) Annuaire Orange, 1931. Arts lettres sciences, Paris. Jahrbuch der Künste und Wissenschaften.“711 Wie im Briefkopf vermerkt war, bezog sich die Sichtungsstelle auf eine Verfügung des Oberkommandos der Wehrmacht vom 13. Juni 1940.712 Die in lückenhafter Folge den Titeln vorangestellten Nummern deuten daraufhin, dass die Preußische Staatsbibliothek nicht die einzige Institution war, die geraubte Literatur von der Sichtungsstelle empfing. 705
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Das Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona verzeichnet für 1940 ein einzelnes Werk unter der Abwehrstelle im Wehrkreis III, Berlin-Grunewald, als Einlieferer. 1941 hatte die Stelle ihren Sitz am Matthäikirchplatz 11. Sie änderte ihre Bezeichnung im Untertitel von „Material-Sichtungsstelle West“ in „Sichtungsstelle Berlin“. Ab Mitte September 1942 erschien auf dem Briefkopf der Zusatz „(Beuteakten)“ unter der Bezeichnung „Abwehrstelle im Wehrkreis III. Wehrmacht-Sichtungsstelle“. Ab 10. 6. 1943 hatte sie eine neue Adresse: Berlin W 35, Standartenstraße 3. Abwehrstelle im Wehrkreis III, Ausland-Brief-Prüfstelle, [Unterschrift unleserlich], Berlin, Budapester Str. 20, an die PSB, 1. 2. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 9. Mit handschriftlichen Vermerken. Abwehrstelle im Wehrkreis III, Sichtungsstelle Berlin, [Unterschrift unleserlich], Berlin, Matthäikirchplatz, an die PSB, 29. 5. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 8. Handschriftliche Notiz Ge[ißlers], 14. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 6. Schn[ütgen] an die Abwehrstelle im Wehrkreis III, Sichtungsstelle Berlin, 25. 6. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 1. Die Bezeichnung „Bü“ oder „B“ steht für Bücher. Offenbar wurde ein größerer Posten Bücher jeweils mit einer fortlaufenden Nummer versehen und dieser dann auf Empfänger verteilt, die ebenfalls fortlaufend mit Buchstaben bezeichnet wurden. Abwehrstelle im Wehrkreis III. Material-Sichtungsstelle West [„Material“ und „West“ ausgestrichen] Berlin [hinzugesetzt], i. A. [Unterschrift unleserlich], 15. 8. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 157 f. EBD. Dieser Bezug im Briefkopf gedruckt.
Geraubte Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten
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Nach diesem Schreiben ist die Aktenüberlieferung für ein Jahr lang unterbrochen. Am 4. Juni 1942 setzten die Sendungen mit dem standardmässigen Text wieder ein: „Aus beschlagnahmtem Material wird das in den Anlagen näher bezeichnete übersandt.“713 In den Anlagen wurde jeweils nach der Herkunft der Bücher zwischen „Westraum“, „Ostraum“ und „Südostraum“ unterschieden. Nach dem Eingang der Sendung prüfte die Erwerbungsabteilung, ob der Inhalt eines Pakets mit der in der Anlage übermittelten Liste übereinstimmte, und hakte die einzelnen Titel ab. Am 1. Juli 1942 folgte eine Sendung mit zehn Werken „Bücher-Beutematerial aus dem OSTRAUM, und zwar in russ. Sprache.“ Die russischen Titel sind hier wie in anderen Listen auch ins Deutsche übersetzt. Auf dem Schreiben ist vermerkt, dass über die Position (4), ein „Bestimmungsbuch für Holzarten. Leningrad 1940.“, auch die Forstakademie in Eberswalde „nachrichtlich“ informiert wurde.714 Obwohl das Werk bereits in der Preußischen Staatsbibliothek akzessioniert worden war, wurde es dennoch am 13. August 1942 „der Bibl. der Forstl. Hochschule Eberswalde auf deren Bitte überwiesen“.715 Von den übrigen Werken wurden drei „in die Dubletten“ gegeben, fünf wurden akzessioniert.716 Diese Sendung war die einzige, die vollständig bearbeitet wurde. Es scheint, als hätte die Erwerbungsabteilung die spätestens im Juni 1941 für die französischen Bücher getroffene Entscheidung, dass sie nicht zu „verarbeiten“ seien, zunächst nicht auf das Raubgut aus der Sowjetunion bezogen, wäre dann aber auf die gleiche Linie eingeschwenkt; seit Ende Juli 1942 wurde die Kriegsbeute zwar entgegengenommen und eingelagert, aber nicht akzessioniert.717Auf dem Begleitschreiben zur nächsten Sendung vom 28. Juli 1942 quittierte Andresen nur noch „erh. 19/8 42“.718 Ebenso verfuhr sie mit den folgenden Sendungen, die in kurzen Abständen von einigen Tagen oder einer Woche eintrafen. Sie enthielten jeweils zwischen
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Abwehrstelle im Wehrkreis III. Sichtungsstelle Berlin, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die Deutsche Staatsbibliothek, 4. 6. 1941. Die Anlage trägt eine andere Unterschrift, die in der Folge ebenfalls immer wieder vorkommt und mit der schließlich auch die Anschreiben gezeichnet wurden. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 156 und 155. Wehrmacht-Sichtungsstelle. Sichtungsstelle Berlin, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die Staatsbibliothek, 1. 7. 1941. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 152 ff. Wehrmachtsichtungsstelle Berlin Beutematerial (Handschriftlicher Zettel), 13. 8. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 151. Die Akzessionsnummer „D 1942.3691“ gehört zu sechs im Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona mit dem Lieferanten „Wehrmachtssichtungsstelle Berlin“ akzessionierten Titeln, die als „Beutematerial“ am 13. 8. 1942 im Hellmann-Zimmer gelagert wurden. Abwehrstelle im Wehrkreis III. Sichtungsstelle Berlin, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die Staatsbibliothek, 1. 7. 1941. Anlage. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 153 f. Die vergebenen Nummern sind identisch mit den sechs im Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona für 1942, für die als Einlieferer die Sichtungsstelle angegeben ist. Die einschlägigen Akzessionsjournale für die Slavica sind nicht überliefert. Da bis auf das Bestimmungsbuch für Holzarten jeglicher Hinweis auf eine Erfassung in den Akzessionsjournalen fehlt, ist es dennoch sehr unwahrscheinlich, dass das von der Wehrmacht eingelieferte russischsprachige Raubgut weiterhin akzessioniert wurde. Abwehrstelle im Wehrkreis III. Sichtungsstelle Berlin, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die Staatsbibliothek, 28. 1. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 149 f. Sendungs Nr. Bü/36 G.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
einem und zehn Bücher oder Schriften, die aus dem gleichen militärischen Operationsgebiet stammten.719 Gelegentlich vermerkte die Sichtungsstelle, dass sie, ähnlich wie im Falle der Forstlichen Hochschule in Eberswalde, andere potentielle Interessenten benachrichtigt hatte. So informierte sie am 11. November 1942 wegen eines französischen Werkes über Comenius das Pädagogische Seminar der Universität Berlin,720 am 20. November 1942 wegen anderer französischer Werke das „Reichsministerium für Erziehung [richtig: Ernährung] und Landwirtschaft“, das Institut für ausländische Landwirtschaft, das Institut für Wirtschaftswissenschaft, das Institut für Zeitungswissenschaft721 und das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Abteilung Schnelldienst.722 Zu den Benachrichtigten gehörten außerdem das Institut für Lautforschung und das Musikhistorische Seminar der Universität Berlin, ebenso das Philosophische Seminar, die Universitätskliniken und die Staatliche Hochschule für die bildenden Künste, das Kunsthistorische Seminar der Universität, das Institut zur wissenschaftlichen Erforschung der Sowjetunion, das Geographische Seminar, das Romanische Seminar und das Englische Seminar der Berliner Universität.723 Nach den kurz aufeinander folgenden Sendungen im September und Oktober 1942 trat im Dezember 1942 eine Pause ein. Die Sendungen enthielten in dieser Zeit nur noch wenige Titel in russischer Sprache, und obwohl immer wieder französische Bücher unter den Zusendungen waren, machten diese ebenfalls nur einen kleinen Teil aus. Es fällt auf, dass – insbesondere im Zeitraum vom Februar bis zum Juli 1943 – als „Bücher-Beutematerial aus dem WESTRAUM“ 719
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Am 31. 7. 1942 wurde ein polnisches Buch „(1) O Roslinach, ich Utrzymywaniu, Rozmnożeniu i Zażyciu. Tom II O Drzewach, i Zilach, Lasach, etc. Warschau 1788. Von den Pflanzen, ihrer Pflege und Vermehrung. Band II Von Bäumen, wilden Kräutern, Wäldern usw.“ überwiesen. Abwehrstelle im Wehrkreis III. Sichtungsstelle Berlin, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 31. 1. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 147 f. Sendungs Nr. B/38 S. Am 4. 8. 1942 „Bücher-Beutematerial aus dem SÜDOSTRAUM, und zwar aus JUGOSLAWIEN“ drei Schriften in serbokroatischer Sprache, wohl Auflagen ein- und derselben Steuergesetzsammlung „Zakon o taksama“ aus den Jahren 1932, 1933 und die 9. Auflage aus dem Jahre 1937. Abwehrstelle im Wehrkreis III. Sichtungsstelle Berlin, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 4. 8. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 145 f. Sendungs Nr. Bü/40 J. Abwehrstelle im Wehrkreis III. Wehrmacht-Sichtungsstelle, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 11. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 111 ff., 114. Sendungs Nr. B 73 D. „Jean Amos Comenius, von Anna Heyberger. Inhalt: Eingehende Darstellung von Leben und Werk des grossen Pädagogen des 17. Jahrhunderts. Paris 1928.“ Abwehrstelle im Wehrkreis III. Wehrmacht-Sichtungsstelle, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 20. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 103 ff., 105. Sendungs Nr. B/78 G. Am 2. 2. 1942 listete die Abwehrstelle u. a. auf: „My dear Wells. Henry Arthur Jones. Inhalt: Sammlung von Briefen, die in den Jahren 1920/21 an H. G. Wells geschrieben wurden. Sie behandeln die Fragen des Bolschewismus, Kollektivismus, Internationalismus und Sozialismus.“ Abwehrstelle im Wehrkreis III. Wehrmacht-Sichtungsstelle, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 2. 2. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 90 ff. Über dieses Buch wurde auch der Schnelldienst unterrichtet, der zur Abteilung Deutsche Presse des RMVP gehörte. Die PSB lieh das Buch dorthin aus. Presseabteilung der Reichsregierung im RMVP, Abteilung Deutsche Presse, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 11. 3. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 88. Auf diesem Schreiben handschriftlich: „zurückerhalten 26. 7. 43. Boltz“. Abwehrstelle im Wehrkreis III. Wehrmacht-Sichtungsstelle, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 77 ff., 26 ff.
Geraubte Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten
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häufig englische und in Großbritannien verlegte Titel eintrafen:724 Von den ca. 700 in den Akten über die Wehrmachtslieferungen aufgeführten Titeln waren ca. 300 englische. Offenkundig bevorzugte die Sichtungsstelle die Preußische Staatsbibliothek bei der Verteilung von englischer Literatur. Von der Versorgung mit neuerer britischer und amerikanischer Literatur war Deutschland während des Krieges nahezu vollständig abgeschnitten. Und es gehörte zu den wichtigsten Aufgaben des Beschaffungsamtes der Deutschen Bibliotheken, britische und amerikanische Literatur zu erwerben. Möglicherweise hatte die Erwerbungsabteilung den Wunsch geäußert, mit englischsprachigem Beutegut bedacht zu werden – auch wenn diese Bücher vorerst nicht akzessioniert werden durften. Doch waren die im „Westraum“ beschlagnahmten englischen Werke ebenso wie das meiste übrige Raubgut keine aktuelle Literatur, sondern bereits vor Jahren oder Jahrzehnten erschienene Titel. Ende Juli 1943 hörten die Lieferungen der Sichtungsstelle fast völlig auf oder sind zumindest nicht weiter dokumentiert. Im Oktober 1943 folgten noch einmal besonders umfangreiche Sendungen deutschsprachiger – vornehmlich österreichischer oder Österreich betreffender725 – und französischer Literatur,726 bei denen es sich auffälligerweise um ältere Literatur aus dem 18. und 19. Jahrhundert handelte. Der Schriftwechsel der Preußischen Staatsbibliothek mit dem Oberkommando der Wehrmacht – dem anderen den Akten nach fassbaren Großlieferanten von Kriegsbeute – begann am 31. Oktober 1940. Die Abteilung Inland des Oberkommandos machte die Erwerbungsabteilung der Preußischen Staatsbibliothek auf eine „alte Bibliothek“ aufmerksam, die „durch einen Kopenhagner Antiquar“ zum Verkauf angeboten wurde.727 Schnütgen dankte und lehnte ab, weil der „Vergleich der aus der Biographic Collection angeführten Titel mit den hiesigen Beständen“ ergeben hatte, „dass die Werke in ihrer überwiegenden Mehrheit bereits vorhanden sind.“728 Im Dezember 1940 überwies das Oberkommando der Wehrmacht ohne vorherige Anfrage der Preußischen Staatsbibliothek „eine Sammlung französischer Gesetzestexte“ aus dem Zeit724
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Z. B. „Passion and pain. Stefan Zweig. London 1924“ neben sechs anderen englischsprachigen Werken. Abwehrstelle im Wehrkreis III. Wehrmacht-Sichtungsstelle, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 20. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/22, 97 ff. Sendungs Nr. B/87 Z und B/88/A. Amerikanische Verlage waren selten. Ca. 125 Titel waren französisch, einige wenige davon in Belgien erschienen. Desweiteren waren von den im „Westraum“ beschlagnahmten Büchern ca. 50 deutsch, eines polnisch, sieben lateinisch und drei niederländisch; von den im „Ostraum“ beschlagnahmten waren ca. 25 russisch und eines polnisch, von den im „Südostraum“ beschlagnahmten ca. 20 serbokroatisch und eines deutsch. Wehrmacht-Sichtungsstelle, [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 8. 10. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/ 0/22, 22 f. u. a. „Neueste statistisch-geographische Beschreibung des Königreichs Ungarn, Croatien, Slavonien, Leipzig 1834.“ Wehrmacht-Sichtungsstelle, [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 8. 10. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/ 0/22, 18 ff. OKW, [Unterschrift unleserlich], an die PSB, Erwerbungsabteilung, 31. 10. 1940. AP Jelenia Góra 83/ 113/0/17, 178. Schn[ütgen] an das OKW, 5. 11. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 175. Schn[ütgen] an das OKW, 5. 11. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 175.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
raum vom 31. Juli 1914 bis 1. Januar 1918 – insgesamt 22 Bände,729 von denen möglicherweise einige akzessioniert wurden.730 Das nächste Schreiben in der Akte ging ein Jahr später ein und datiert vom 8. Januar 1942. Mit ihm erhielt die Preußische Staatsbibliothek zwei in Griechenland geraubte Werke,731 die nun schon nicht mehr akzessioniert wurden.732 Auch für die Überstellungen des Oberkommandos der Wehrmacht legte die Erwerbungsabteilung nun eine gesonderte Akte an. Das nächste überstellte Werk war eine niederländische Gesetzessammlung „Verzameling von internationale Verdragen“, Breda 1935, die am 27. Oktober 1942 an die Preußische Staatsbibliothek abgesandt wurde.733 Einige wenige Bücher wurden der Preußischen Staatsbibliothek auch unmittelbar aus dem Kriegsgebiet angeboten. So erhielt sie am 10. November 1942 vom Oberkommando des Heeres, Generalstab des Heeres, Abt. Fremde Heere Ost, eine Auflistung mit sieben sprachwissenschaftlichen Werken, darunter eine Grammatik der georgischen Sprache.734 Am 18. Januar 1943 begannen die Überstellungen russischer Werke durch das Oberkommando der Wehrmacht zunächst mit vier Titeln.735 Im Februar und März 1943 trafen in dichter Folge – manchmal täglich – insgesamt ca. 130 russische Werke unter der Oberbezeichnung „Russisches“ oder „Sowjetrussisches Beutematerial“ in der Preußischen Staatsbibliothek ein.736 Der Bearbeiter des Oberkommandos der Wehrmacht bemerkte, dass „eine erhebliche Menge von Beutematerial angefallen“ sei, „aus dem voraussichtlich eine Anzahl von Veröffentlichungen der Staatsbibliothek übersandt werden können“. Deshalb bat er darum, Dubletten oder Werke, die für die Preußische Staatsbibliothek nicht in Frage kamen, „den interessierten Instituten oder Seminaren der Universität zugängig zu machen.“737 Drei Wochen später, am
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OKW, Der Chef des OKW, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 13. 12. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/21, 34. Mit dem Lieferanten „OKW“ wurden 1941 neun Werke mit der Bemerkung „alles aus Frankreich“ akzessioniert. Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona und in einem Fall das OKH, das von seinem Hauptquartier im besetztem Gebiet Literatur an die PSB sandte. „C. Christovasili, ‚Erzählungen aus der Elementarschule‘ Deutsche Übersetzung des Inhaltsverzeichnisses auf S. 3 ist beigegeben.“ und „General Ludendorff, ‚Der totale Krieg‘. Griechische Übersetzung von K. Mavromati und I. Puspureli. Athen 1938. Mit Genehmigungsvermerk des Kriegsministeriums.“ Das Schreiben wurde in der allgemeinen Überlieferung der Erwerbungsabteilung abgelegt: OKW, Amt Ausl/ Abw Abt. Ausland, i. A. [Unterschrift unleserlich], 8. 1. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 177. OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. Ausland, Der Chef des OKW, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 19. 9. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/21, 33. OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. Ausland, Der Chef des OKW, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 27. 10. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/21, 32. OKH, Generalstab des Heeres, Abt. Fremde Heere Ost, i. A. Major Hohnisch [?], an die PSB, 10. 11. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/21, 1. Außer dem Datum ist hier lediglich „H.Qu.“ angegeben. Am 5. 12. 1942 war diese Sendung noch nicht eingegangen. Handschriftlicher Bearbeitungsvermerk der PSB vom 5. 12. 1942. OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. Ausland, Der Chef des OKW, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 18. 1. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/21, 31. Vgl. AP Jelenia Góra 83/113/0/21. OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. Ausland, Der Chef des OKW, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 18. 1. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/21, 31.
Geraubte Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten
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11. Februar 1943, wiederholte er die Aufforderung. Die nicht benötigten Werke sollte die Preußische Staatsbibliothek in die Dubletten einreihen oder vernichten. „Von einer Rücksendung wird gebeten, Abstand zu nehmen.“738 Die Sendungen russischer Werke setzten sich bis zum März 1943 fort. Die auf den Schreiben verzeichneten Titel wurden in der Preußischen Staatsbibliothek fortlaufend numeriert,739 offenbar aber genauso behandelt wie die Einlieferungen der Sichtungsstelle, d. h. nicht akzessioniert, sondern nur in Verwahrung genommen. Dennoch war – zumindest seitens der Erwerbungsabteilung – stets an eine zukünftige Einreihung der Kriegsbeute in die Bestände der Preußischen Staatsbibliothek gedacht. So vermerkte Geißler auf dem Begleitschreiben zu einer Sendung „Griechisches Beutematerial“, die am 22. Juli eintraf: „Zur Einstellung nicht geeignet, daher an Reichstauschstelle abgegeben. Ge 28.VI.43“.740 Und der Kommentar zu dem von einem einzelnen Soldaten eingelieferten Band im Akzessionsjournal „Ausländisch Dona“ 1941 macht deutlich, dass die Entscheidung über die in den eroberten Ländern geraubte Literatur nur aufgeschoben war: „Da Kriegsbeute, bis nach dem Krieg warten!“741 Zusammenfassend lässt sich sagen: Nachdem die Erwerbungsabteilung anfänglich kleinere Sendungen, die als Geschenke einkamen, wie üblich sofort bearbeitete, folgten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit 1941 bzw. 1942 einer Anweisung, Kriegsbeute nicht in die Bestände aufzunehmen. Mit der aus den Heeresbüchereien und Heeresarchiven überstellten Literatur verfuhren die Verantwortlichen in der Preußischen Staatsbibliothek jedoch wie mit regulären Erwerbungen und akzessionierten sie, so in den Jahren 1939 und 1940 die bereits erwähnten 18 Titel, die der Beauftragte des Chefs der Heeresarchive in Posen übersandt hatte.742 Am 13. Februar 1940 bestätigte Schnütgen „dankend“ den Eingang743 einiger Bücher in georgischer Sprache „sowie polnischer Bücher meist sportlichen Inhalts, ausserdem einige französische Romane, von denen einer politische Bedeutung hat“.744 Am 26. Juni 1942 erhielt die Preußische Staatsbiblio738
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OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. Ausland, Der Chef des OKW, i. A. [Unterschrift unleserlich], an die PSB, 11. 2. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/21, 23. OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. Ausland, Der Chef des OKW, i. A. Sternhäuser, an die PSB, 10. 9. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/21, 2. OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. Ausland, Der Chef des OKW, i. A. Sternhäuser, an die PSB, 22. 6. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/21, 3. „Gefr Mass (Feldpostnr. 04088)“. Um die Kriegsbeute eines einzelnen Soldaten handelte es sich vermutlich auch bei dem russischen Werk „Die Tagebücher der Tschjuskinleute“, das die PSB von dem Oberingenieur Max Müller in Stettin erhielt. Geißler dankte Müller für den Entschluss, sich von dem Buch „aus dem Nachlass Ihres in Russland vor dem Feinde gebliebenen Sohnes zu trennen“. Ge[ißler] an den Oberingenieur Max Müller, 29. 6. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/17, 137. Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona 1939 Nr. 3937–3940 und 1940 Nr. 3007–3015 sowie Nr. 3017– 3021. Schn[ütgen] an den Beauftragten des Chefs der Heeresarchive beim stellv. Generalkommando XXI.A.K. in Posen, 13. 2. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 127. Der Beauftragte des Chefs der Heeresarchive [usw.], Dr. [Friedrich?] Granier, an die PSB, Posen, 30. 1. 1940. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 128. Auf dem Schreiben wurden die Akzessionsnummern vermerkt, die mit den 14 im Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona 1940 verzeichneten übereinstimmen: Nr. 3007–3015, Nr. 3017–3021.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
thek zwölf Dubletten – tschechische Militärliteratur – aus der Heeresbücherei Prag.745 Der Beauftragte des Chefs der Heeresbüchereien beim Wehrmachtsbefehlshaber in den Niederlanden übersandte der Preußischen Staatsbibliothek am 22. Juni 1943 acht Werke, sieben von ihnen in niederländischer Sprache.746 Offenbar erstreckte sich die Zurückhaltung in Bezug auf die Einarbeitung von Kriegsbeute nicht auf solche Werke, die die Preußische Staatsbibliothek von anderen als den für den Raub verantwortlichen Organisationen, also gewissermaßen aus zweiter Hand erhielt.
3.8.9 Die Bearbeitung der geraubten Bücher aus dem Geca Kon Verlag in Belgrad Am 6. März 1941 begann Deutschland den Krieg gegen Jugoslawien. Unter dem NS-Raubgut, das die Preußische Staatsbibliothek von der Wehrmacht erhielt, befanden sich einige Werke in serbokroatischer Sprache, die als Kriegsbeute aus dem „Südostraum“ ebenso wie die meisten übrigen nicht oder zumindest nicht vor Kriegsende akzessioniert wurden. Murray G. Hall und Christina Köstner haben dargelegt, dass Heigl, der Generaldirektor der Nationalbibliothek in Wien, den „Südostraum“ als sein Einflussgebiet betrachtete, aus dem auf sein Betreiben NSRaubgut in großem Umfange in die Nationalbibliothek gelangte.747 Wie die Akzessionsjournale zeigen, gab die Nationalbibliothek einige Dutzend Bücher an die Preußische Staatsbibliothek weiter.748 Darüber hinaus vermittelte Heigl Bücher des Geca Kon Verlages an mehrere deutsche wissenschaftliche Bibliotheken, u. a. an die Preußische Staatsbibliothek. Geca Kon war der Inhaber des größten jugoslawischen Verlages der Zwischenkriegszeit. Wann und wo er nach der Besetzung Jugoslawiens durch deutsche Truppen umkam, ist nicht bekannt. Entweder wurde er im Herbst 1941 von den deutschen Besatzern erschossen oder 745
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Heeresbücherei Prag. Dublettenabteilung, Willin, Bibliothek-Inspektor, an die PSB, Prag, 26. 6. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/20, 71. Wenige Tage später, am 4. 8. 1942, schickte die Heeresbücherei Prag ein weiteres Werk, und zwar über den Ersten Weltkrieg, ebenfalls tschechisch. Heeresbücherei Prag. Dublettenabteilung, Willin, Bibliothek-Inspektor, an die PSB, Prag, 4. 8. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/20, 72. Diese dreizehn Werke wurden akzessioniert. Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona 1942 Nr. 3703– 3714 und Nr. 3725. Der Wehrmachtsbefehlshaber in den Niederlanden, Abt. Ic Heeresbüchereien. Der Beauftragte des Chefs der Heeresbüchereien beim Wehrmachtsbefehlshaber in den Niederlanden, Conrad [?], Sonderführer, an die PSB, Den Haag, 22. 6. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/19, 110. „Auf Veranlassung des Herrn Dr. [Friedrich] Bräuninger, Direktor der Heeresbücherei Berlin, werden Ihnen von der hiesigen Dienststelle die folgenden beschlagnahmten Bücher übersandt“. Vgl. Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona 1943 Nr. 4168–4175. HALL, … allerlei, 358 ff. Akzessionsjournal Akz. Deutsch Dona 1939: 30, 1940: 3, 1943: 21; Akzessionsjournal der Orientalischen Abteilung 1941: 27. Dabei ist noch nicht das sechsbändige Exemplar der Österreichischen National-Enzyklopädie von 1835– 1837, „bearb v. Gräffer u. Czikann“ erfasst, das Heigl am 6. 4. 1943 der PSB zur Verfügung stellte und das unter „D 1943. 31“ akzessioniert wurde. Dieses Werk hatte Heigl bei seinem letzten Besuch in Berlin auf ausdrücklichen Wunsch zu beschaffen versprochen. Nationalbibliothek, Heigl, Wien, an die PSB, Wien, 6. 4. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/20, 161.
Geraubte Literatur aus annektierten und besetzten Gebieten
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einige Zeit später in dem Konzentrationslager Sajmište bei Belgrad ermordet.749 Sein Verlag wurde unmittelbar nach der Besetzung Belgrads im April 1941 beschlagnahmt, zunächst unter kommissarische Leitung gestellt und im Herbst 1942 an die „Verlags- und Vertriebsgesellschaft m. b. H. Jugoistok“ verkauft. Im Herbst 1941 erbat Heigl bei dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft in Serbien Bücher des Geca Kon Verlages für die Nationalbibliothek in Wien.750 Bei der Abwicklung dieser Erwerbung unterstützte ihn Hermann Gerstner, der 1940/41 Mitarbeiter des Bibliotheksschutzreferats in Paris war und Ende Februar 1942 nach Belgrad zum Verwaltungsstab des Kommandierenden Generals und Befehlshabers in Serbien versetzt wurde. Gerstner erreichte, dass jeweils fünf Exemplare eines jeden Titels nach Wien geschickt wurden. „So erhielt die Nationalbibliothek zwischen November 1942 und August 1943 in sieben Transporten schätzungsweise 6.000 verlagsneue Bücher des Geca Kon Verlages und zusätzlich ‚das noch vorhandene verbotene Schrifttum‘, das Heigl schon vom zuständigen SD-Mann Schrötter zugesichert worden war.“751 Jeweils ein Exemplar war für die Nationalbibliothek in Wien bestimmt, die übrigen vier für die Bayerische Staatsbibliothek, für die Preußische Staatsbibliothek, für die Staats- und Universitätsbibliothek Breslau und für die Universitätsbibliothek Leipzig. Vermutlich waren nicht alle Titel in fünf Exemplaren verfügbar, so dass nur gut die Hälfte der Bücher auf die vier deutschen Bibliotheken verteilt wurde, insgesamt also mehr als 3.000, für jede Bibliothek etwa 800 Bände. Zwischen Februar und Juli 1943 gingen vier Kisten und einige Pakete in der Preußischen Staatsbibliothek ein.752 Sie wurden erst 1944 akzessioniert.753 Weder die Stelle für Universitätsschriften noch der Slawist Schwiefert waren im April 1944 mit der Katalog- und Erwerbungsabteilung nach Hirschberg übergesiedelt, sondern in dem stark beschädigten Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek Unter den Linden geblieben. Bis zu seiner Dienstverpflichtung zur Terra Filmkunst GmbH Ende 1944754 war Schwiefert damit beschäftigt, „die Bücherbestände des Belgrader Verlages Geza Kohn, die Generaldirektor Heigl, Wien, der Staatsbibliothek vermittelt hat“ zu bearbeiten.755 Schwiefert hatte sich „aus Leibeskräften und mit Erfolg“ dagegen gewehrt, Berlin verlassen zu müssen. Da er neben seiner Tätigkeit als Bibliothekar auch als Drehbuchautor für die cineastische Propaganda des NS-Regimes arbeitete, war er, wie Martin Hollender schreibt, „vor einschneidenden Veränderungen seiner Lebensumstände geschützt“. Als er im Dezember 1943 749 750 751 752
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KÖSTNER, Bücherraub, 100. KÖSTNER, Bücherraub, 102. EBD., 103. EBD., 105. Köstner bezieht sich hier auf drei Schreiben Schnütgens an Heigl vom 4. 3., vom 22. 5. und vom 20. 7. 1943 im Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Am 22. 3. 1943 teilte Schnütgen der Staats- und Universitätsbibliothek Breslau mit, dass die Bücher noch „nicht akzessioniert und in den Geschäftsgang gebracht“ worden seien. Durchdruck mit handschriftlichen Korrekturen. Erwerbungsabteilung, Schn[ütgen], an die Staats- und Universitätsbibliothek Breslau, 22. 3. 1943. AP Jelenia Góra 83/113/0/18, 170. Krüß am 18. 9. 1944. SBB PK, Historische Akten, I.9-149, Mappe. Das Schreiben der Terra Filmkunst GmbH vom 14. 9. 1943. Krüß an den RMWEV, 16. 6. 1944. SBB PK, Historische Akten, I.9-259 (Personalakte von Schwartzkoppen), Bd. 3 (Mappe).
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
von der Stadtverwaltung für Aufräumungsarbeiten nach den Luftangriffen herangezogen werden sollte, reklamierte Krüß ihn als einzig verbliebenen Slawisten, der zur Bearbeitung der laufenden Zugänge dringend gebraucht werde.756 So diente die Bearbeitung des Raubguts aus dem Geca Kon Verlag vielleicht auch als Legitimation, um einen Mitarbeiter an der Preußischen Staatsbibliothek in einer Zeit, in der immer mehr Menschen, Männer und Frauen, je nach ihrer Eignung zum Kriegsdienst eingezogen oder anderweitig dienstverpflichtet wurden, zu halten.
3.8.10 Die Geschenke des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda: „1.000 französische Publikationen“ In den Jahren 1942 bis 1944 akzessionierte die Preußische Staatsbibliothek mehrere hundert Titel, die als Geschenke des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda eingeliefert worden waren.757 Durch einen Arbeitsbericht, den Rudolf Juchhoff, der Leiter der Dienststelle Hirschberg, Ende Oktober 1944 an die Ausweichstelle der Generaldirektion in Görlsdorf sandte, wurde Krüß auf die Umstände dieser Erwerbung aufmerksam. Juchhoff berichtete, dass Margarete Pott, die ebenso wie Poewe, Schwiefert und einige andere in der Leitstelle Berlin im Gebäude Unter den Linden arbeitete, vom 18. bis 28. Oktober die Dienststelle Hirschberg besucht hatte, um 1.000 französische Publikationen anhand der Bestellkartei und der Fortsetzungskartei der Erwerbungsabteilung zu bearbeiten, wozu keiner der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Dienststelle Hirschberg befugt war. Pott machte „Blindvermerke für diejenigen Fortsetzungen […], die bei der Leitstelle in Berlin im Zuge der Durchsicht der Fortsetzungsschränke zum Binden gegeben werden konnten.“ Außerdem sah sie in Hirschberg auch die letzten Nummern der „Leipziger Liste“ durch und ordnete und registrierte „die inzwischen eingelaufenen unter Verschluss zu haltenden ausländischen Zeitschriften“.758 Krüß fragte, „ob es sich bei den ‚etwa 1.000 französischen Publikationen der letzten Jahre, die der Staatsbibliothek vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda vor län756
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HOLLENDER, Bibliothekar, 130 ff. Das erste Zitat aus einem Brief Schwieferts an Fritz Usinger vom 13. 1. 1943 im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Darin erzählt Schwiefert von seinen Lebensumständen. „Mein eigenes Referat, die Slawistik, mit allen Katalogen und Büchern hat sich in Schlesien etabliert.“ Es ist anzunehmen, dass Schwiefert die Akzessionsjournale der Slavica für seine Arbeiten brauchte und sie deshalb nicht nach Hirschberg verlagert wurden. Das Akzessionsjournal Akz. Ausländisch Dona verzeichnet für 1942 175 Titel französische Literatur von der Sichtungsstelle des Propagandaministeriums, und im gleichen Jahr ohne nähere Angabe noch einmal 246 Titel, 1943 387 Titel „internationale Literatur“. Vom Schnelldienst des Propagandaministeriums wurden 1943 33 Titel eingeliefert, 1944 vom Propagandaministerium 689 Titel „internationale Literatur“. Die Orientalische Abteilung erhielt 1942 27 Titel französische Literatur ebenfalls vom Referat Schnelldienst des Propagandaministeriums, 13 von der Sichtungsstelle des Propagandaministeriums, 41 vom Propagandaministerium „internationale Literatur“, 1943 13 ohne Angabe und 1944 39 Titel französische Literatur vom Propagandaministerium. PSB, Dienststelle Hirschberg, Juchhoff, 30. 10. 1944. SBB PK, Historische Akten, VI.10-2a Hirschberg. Von dem Besuch Potts in Hirschberg berichtet auch Kurt Tautz, der als Mitarbeiter des Realkatalogs 1944 mit nach Hirschberg übergesiedelt war. Vgl. TAUTZ, Preußische Staatsbibliothek, 49.
Die unbearbeiteten Bestände
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gerer Zeit überwiesen worden waren‘ mutmasslich um Bücher handelt, die im Ausland beschlagnahmt worden sind“, und wies Juchhoff an: „Zutreffendenfalls wären die Bücher einstweilen nicht in den Bestand der Staatsbibliothek aufzunehmen, sondern gesondert zu verwahren.“759 Juchhoff erkundigte sich daraufhin bei der Leitstelle Berlin, also wohl bei Pott, und erfuhr, die Geschenke seien „verlagsneue ungebundene Bücher, die als eine Art Zensurexemplare einer in Paris tätigen Stelle des Reichspropagandaministeriums eingeliefert worden sind.“ Er untersuchte die betreffenden Bücher und fand in ihnen keine „[b]esondere[n] Herkunftsmerkmale“. Einige der Bücher trugen jedoch handschriftliche Widmungen „und solche mit dem Stempel der Redaktion der Zeitung Figaro.“ Die Bände mit den Stempeln des Figaro wurden aus dem Geschäftsgang herausgenommen. Juchhoff versicherte, dass sie in Berlin „besonders aufbewahrt“ werden würden. Da er sich von Krüß offenbar gerügt fühlte, ergänzte er: „Abschliessend bemerke ich, dass die Grundsätze der Bearbeitung bereits vor etwa 2 Jahren in mündlicher Verhandlung zwischen Abteilungsdirektor Schnütgen und der Generalverwaltung festgelegt worden sind. Die jetzt wieder aufgenommene Bearbeitung hält sich an die damals festgelegten Richtlinien.“760 Welche Richtlinien dies waren, erläuterte er nicht. Schon am 6. Oktober 1944, also bevor Pott nach Hirschberg abreiste, hatte Krüß an Juchhoff geschrieben: „Ich erinnere jedoch erneut daran, daß im Ausland oder bei Ausländern beschlagnahmtes Schrifttum zwar geordnet werden kann, aber einstweilen nicht in die Bestände der Staatsbibliothek aufgenommen, sondern treuhänderisch verwahrt werden soll.“761
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Die unbearbeiteten Bestände der Preußischen Staatsbibliothek
Das Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek war bei Kriegsende nicht vollständig leer.762 Sammlungsgut der Sonderabteilungen sowie der Bestand der Hauptmagazine waren seit 1941 verlagert worden. Noch im Winter und Frühjahr 1945 ließ Poewe, der die Verlagerungen leitete, große Büchermengen mit Lastkähnen nach Schönebeck an der Elbe bringen, um sie dort 759
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Krüß an die Dienststelle in Hirschberg, Berlin, 2. 11. 1944. Er antwortete damit auf ein Schreiben vom 30. 10. 1944. SBB PK, Historische Akten, VI.10-2a Hirschberg. PSB, Dienststelle Hirschberg, Juchhoff, an Krüß in Görlsdorf, 6. 1. 1945. SBB PK, Historische Akten, VI.10-2a Hirschberg. Unterlagen über diese Besprechung, die demnach Ende 1942 oder Anfang 1943 hätte stattgefunden haben müssen, sind nicht überliefert. Bevor die Direktoren und leitenden Mitarbeiter auseinandergingen, um ihren Platz in den jeweiligen Ausweichstellen der Sammlungen einzunehmen, rief Krüß sie noch einmal zusammen und klärte u. a., wie mit der eingelieferten Kriegsbeute zu verfahren sei. In seinem Tagebuch notierte er unter dem 26. 6. 1944 eine „Besprechung mit […] Schünemann, Poewe, Smend, Schawe (Behandlung von Zugängen aus Kriegsbeute, Beschlagnahmen im Ausland und bei Ausländern).“ Krüß an Juchhoff in Hirschberg, Görlsdorf, 6. 10. 1944. SBB PK, Historische Akten, I.2 = I.10-39. Die Ausführungen Werner Schochows dagegen legen nahe, dass vor allem durch die Massenverlagerungen auf Lastkähnen nach Tepl in Böhmen und Schönebeck bei Magdeburg das Gebäude Unter den Linden vollständig geräumt wurde. SCHOCHOW, Bücherschicksale, 128.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
in einem Schacht der PREUSSAG einzulagern. Insgesamt fuhren drei Kähne über Spree, Havel und Elbe in Richtung des südöstlich von Magdeburg am linken Ufer gelegenen Schönebeck. Der letzte von ihnen transportierte jedoch keine Bücher aus der Preußischen Staatsbibliothek. Es ist nicht ganz geklärt, ob der zweite Kahn, der am 13./14. März 1945 Berlin verließ und am 27. März den Hafen in Schönebeck erreichte, Teile der Dublettensammlung der Preußischen Staatsbibliothek enthielt. Weil bei Ankunft des Kahns die ministerielle Ausladegenehmigung fehlte, konnte nicht mehr rechtzeitig mit dem Löschen der Ladung begonnen werden, um sie vollständig im Moltkeschacht unterzubringen. Am 12. April 1945 besetzten amerikanische Truppen Schönebeck. Der noch im Schiff befindliche Teil der Ladung – nach Schochow Dubletten und Titeldruckmaterial – war „unkontrolliert und ungesichert fremden Zugriffen ausgesetzt.“763 Aus überlieferten Äußerungen der Bibliothekare der Preußischen Staatsbibliothek ergeben sich jedoch immer wieder Anhaltspunkte über die Mengen, Standorte und Bewegungen des nicht eingearbeiteten Bibliotheksguts innerhalb des Hauses in den dreißiger Jahren und während des Krieges. Aus Anlass der Gesamterhebung und Revision der Bestände klagte der Berichterstatter – vermutlich Schnütgen – im April 1935, dass die „nicht verarbeiteten Bestände und die Dubletten“ sich weit ab von den Diensträumen der Erwerbungsabteilung im Keller befänden und dort der Gefahr ausgesetzt seien, „durch die Heizröhren beschädigt“ zu werden, während die Bestände, die „in einem als Magazin eingerichteten Flur im Zwischengeschoß, bezw. in der Lindenkuppel“ aufbewahrt wurden, „nur ungenügend vor der Zerstörung durch die Sonne geschützt sind.“764 Im September 1937 begründete Poewe die beantragten Haushaltsmittel damit, dass die „Fassungskraft der Magazine […] gänzlich erschöpft“ sei und die Unterbringung „des laufenden Zuwachses in den Büchergeschossen“ zunehmend schwieriger werde. Behelfsmässig waren Bücherregale in den Korridoren aufgestellt worden, wodurch die Deckentragfähigkeit gefährdet und die Bücher nicht vor dem Zugriff der Vorbeigehenden geschützt waren. Neuer Magazinraum sollte, so Poewe, „1. durch den Ausbau der Kuppel über dem Lesesaal zu Büchergeschossen“ und „2. durch Aufstellung von Bücherregalen in geeigneten Kellerräumen, die zu diesen Zwecken baulich hergerichtet werden müssen“, erschlossen werden. In den Kellerräumen könnten „rund 70.000 Bände untergebracht werden“. Der Ausbau sei deshalb so dringlich, weil der Preußischen Staatsbibliothek „ständig Büchermassen aufgelöster Institute und Verbände zufließen.“ Dafür seien Bücherregale in einer Länge von 2.200 Metern nötig.765 Jene unbestimmte Anzahl von Büchern und Schriften aus ca. 200 Volksbüchereien – insgesamt ca. 300 Kisten –, die seit der Jahresmitte 1937 eintrafen, waren in dieser Zahl noch nicht enthalten.766 763 764
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EBD., 195–197, Zitat 196. Organisationsfragen der Staatsbibliothek, 1. 4. 1935. Erhebungsbogen I. SBB PK, Historische Akten, Nr. 122. Poewe: Anmeldung der Benutzungsabteilung zum Haushalt 1938, 10. 9. 1937. SBB PK, Historische Akten, V.8, Bd. 28, 37. Vgl. SBB PK, Historische Akten, III J.1, Bd. 15. Eine Publikation über den Zugang der aus den Volksbüchereien ausgesonderten Literatur in die PSB ist geplant.
Die unbearbeiteten Bestände
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1938 machten Wolfgang Roediger, dem die Katalogabteilung unterstand, und Schnütgen in Zusammenhang mit der Beantragung von Haushaltsmitteln Angaben zum Umfang der unbearbeiteten Bestände. Roediger nannte die Sammlungen, deren Bearbeitung stockte: die Sammlung des neapolitanischen Bibliophilen Casella mit rund 4.500 Bänden, die Hymnologische Sammlung der Fürstlich-Stolbergischen Bibliothek in Wernigerode „mit etwa 3.500 Einheiten“, die Sammlung der Leichenpredigten aus der gleichen Bibliothek mit 6.800, „im Zimmer 317 zurückgestellte Reste verschiedener Herkunft, etwa 10.000 Bde. Bei diesen Resten handelt es sich ausschließlich um Antiquaria. In ihnen befindet sich u. a. ein grosser Teil der Bibliothek des Heroldsamts, dessen Katalogisierung im Hinblick auf die Bedeutung familiengeschichtlicher Forschung besonders dringlich erscheint.“ Roediger errechnete insgesamt rund 25.000 Bände.767 Schnütgens Aufstellung betraf die unbearbeiteten Bestände. Sie befanden sich u. a. im „Resteraum“ im VI. Geschoss. Dort lagerte die Bibliothek „der Regierung Liegnitz, Zeitschriften der Esperanto-Bibl., englische Literatur des 17. u. 18. Jh. von Börries von Münchhausen“. Dies waren 11.200 Bände, zudem alte Dissertationen, die z. T. ein Geschenk der Firma Bahr768 waren – 3.200 Bände. Im Korridor im VI. Geschoss befand sich die von dem Bibliothekar Consentius gestiftete Bibliothek (Literatur und Geschichte) 1.200 Bände. Die Keller wurden – aber wohl nicht in dem Umfang, wie Poewe dies angeregt hatte – bereits als Magazin genutzt. In dem schon mehrfach erwähnten Keller 18a769 befanden sich die Bibliothek der SPD mit 4.000 und die Bibliothek des Instituts für Sozialforschung mit 10.000 Bänden sowie „Mehrere Philatelistische Bibliotheken, Wirtschafts- und Finanzliteratur von der Diskont-Ges. u. s. w.“ mit 18.000 Bänden, in dem Keller 6b ein „Jahrzehntelanger Bestand von Sammelbänden mit alten Dissertationen“ mit 1.300 Bänden, im Keller 6d „Dubletten an Zeitschriften aus dem Ministerium des Innern“ mit 2.000 Bänden und im Keller 12 „Überweisungen aus der Bibliothek des Preuss. Staatsrats“ mit 26.000 Bänden. Jemand anders fügte hinzu: „Stala 30.000“. Gemeint war die Bibliothek des Statistischen Landesamts.770 – Alles in allem waren dies 106.900 Bände, zusammen mit den von Roediger genannten mehr als 130.000 Bände. Darunter befand sich, wenngleich zum kleineren Teil, auch beschlagnahmte Literatur. In der Anmeldung zum Haushalt für 1939 wurde die Notwendigkeit, die Keller auszubauen und eiserne Bücherregale anzuschaffen, ebenfalls mit den „laufend“ überwiesenen großen Bibliotheken „aufgelöster Vereine, Verbände und ähnlicher Organisationen […], die infolge des an der Staatsbibliothek herrschenden Raummangels in den Kellergeschossen aufgestapelt oder in Holzregalen untergebracht sind“, begründet.771
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Roediger: Aufstellung über unverarbeitete Reste, die zwischen Erwerbung und Katalogisierung festliegen, 20. 5. 1938. SBB PK, Historische Akten, V.8, Bd. 28, 73. Gemeint war vermutlich der Berliner Verlag H. Bahr, der u. a. Dissertationen verlegte. SBB PK, Historische Akten, A 62, Mappe. Abbildung. Schnütgen: Bestände, die von der Erwerbungsabteilung noch nicht bearbeitet worden sind. SBB PK, Historische Akten, V.8, Bd. 28, 75. Anmeldung zum Haushalt 1939. SBB PK, Historische Akten, V.8, Bd. 29, 9.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
In einem Memorandum über die Vorteile der Numerus-currens-Aufstellung sprach Sveistrup im Juni 1939 von 300.000 Bänden nicht bearbeiteter Literatur, die sich in den Kellern befänden.772 Die Zahl erscheint hoch. Dennoch dürfte er wohl kaum übertrieben haben, richtete sich die Schrift doch an seine Kollegen, die über die Zustände genauso gut Bescheid wissen mochten wie Sveistrup selbst. In den vierziger Jahren wurden die Kellermagazine weiterhin in Zusammenhang mit der „Beschaffung von eisernen Bücherregalen nebst Einlegeböden“ erwähnt. So heißt es in dem Haushaltsantrag für 1941: „Die wachsenden Schwierigkeiten bei der Unterbringung des Bücherzuwachses in den Hauptmagazinen machen den weiteren Ausbau von Kellern zu Hilfsmagazinen erforderlich. Der Staatsbibliothek sind im vergangenen Jahr unerwartet erhebliche Mengen von Büchern aus beschlagnahmten Bibliotheken zugegangen, die den Magazinen zugeführt werden müssen. Einen großen Teil nehmen hierbei umfangreiche Zeitschriftenreihen ein. Weiterhin sind in den letzten Monaten erhebliche Bücherbestände aus den Ostgebieten in die Staatsbibliothek gelangt. Die Unterbringung dieser Büchermassen ist nur möglich, wenn die hierfür erforderlichen Bücherregale zur Verfügung stehen. Der für diese Regale anzumeldende Betrag beläuft sich auf 25.000 RM.“773 Im Schadensbericht nach dem Luftangriff am 9. /10. April 1941 führte Schnütgen die Schäden in der Dublettensammlung auf: „Sie zählte etwa 110.000 bibliographische Einheiten. Soweit bisher zu übersehen ist, sind von diesen rund 10.000 Bände verbrannt oder durch Wasserschaden unbrauchbar geworden und rund 10.000 weitere Bände leicht beschädigt worden.“ Außerdem gab es Schäden an der Sammlung von „Theaterzetteln deutscher Bühnen seit 1899, die gerade in Bearbeitung befindlich waren und in den Räumen der Dublettenstelle lagerten“ und schließlich „dürften“, so Schnütgen „von den bisher in einem eigenen Magazin aufbewahrten Maschinenschrift-Dissertationen etwa 9.000 Stück, ein Achtel des Gesamtbestandes, beschädigt“ worden sein.774 Roediger berichtete über die Schäden an den Büchern, die sich im Geschäftsgang befanden: „Im Zimmer 317 im 3. Geschoß waren diejenigen Bücher untergebracht, die, von der Erwerbungsstelle ordnungsmässig inventarisiert, auf ihre weitere Bearbeitung für die Kataloge war772
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Hans Sveistrup: Fiducia praesentium, 13. 6. 1939. SBB PK, Historische Akten, Nr. 238, S. 43 f. Danach hatte sein Kollege Wilhelm Nickel vorgeschlagen, „der Herr Erste Direktor soll täglich 10 Minuten in den Keller steigen und ein paar Bände heraufholen und in den Geschäftsgang geben, wo sie dann kraft seiner Autorität zu erledigen seien. Als ob 300.000 Bände einzeln weniger seien als zusammen. Herr Nickel spricht von 5 Gesangbüchern, 5 Freimaurerschriften ‚usw.‘. In diesem ‚usw.‘ steckt aber gerade das eigentliche Problem. Würde der Herr Erste Direktor täglich 5 Bände aus dem Keller holen, so wären das bei 290 Arbeitstagen im Jahr jährlich 1.450 Bände, in 10 Jahren 14.500, in 100 Jahren 145.000, und die 300.000 wäre also in 200 Jahren aufgearbeitet, vorausgesetzt, dass nicht inzwischen sich weitere 300.000 dazu gesellt haben.“ Man kann davon ausgehen, dass Sveistrup die Bestände der RTS, des DAB und des Beschaffungsamtes, die sich zum Teil in dem Gebäude Unter den Linden befanden, in seiner Rechnung nicht mit einschloss. Nachweisung der zur Aufnahme in den Entwurf des Staatshaushalts für das Rechnungsjahr 1941 anzumeldenden einmaligen Ausgaben für die Staatsbibliothek. SBB PK, Historische Akten, V.8, Bd. 31, 15. Parallelüberlieferung: BArch R 4901/15086, Bl. 168. Schnütgen an den GD, 17. 4. 1941. SBB PK, Historische Akten, VI 10-3, Bd. 1, 51.
Die unbearbeiteten Bestände
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teten. Von dem genannten Bücherbestand waren im Laufe der letzten Zeit wertvollere Teile größeren Umfanges aufgearbeitet worden wie z. B. Bestände aus der Bibliothek des Heroldsamtes, die Bibliothek Weisstein, die Bibliothek der Loge Teutonia, Potsdam, und die Bibliothek des Sozialwissenschaftlichen Instituts in Frankfurt a. M. In der fraglichen Nacht waren in dem Zimmer noch etwa 55 laufende Meter Bücher untergebracht. Der Wert dieser Bücher ist sehr verschiedenartig. Besondere Kostbarkeiten sind nicht darunter.“ Die Bücher erlitten, so Schnütgen, einen geringen Wasserschaden. Sie wurden, so Roediger, am 17. April 1942 „in einer Kette von Hand zu Hand abtransportiert und vorläufig im Zimmer Zw. 15 untergebracht“.775 Die geretteten Dubletten wurden zunächst im „Schausaal und in den angrenzenden Korridoren“ untergebracht und Anfang Juni in dem Haus Linienstraße 121 eingelagert. Das Grundstück Linienstraße 121 in der Spandauer Vorstadt war „für den preußischen Staat angekauft und der Preußischen Staatsbibliothek zur Verfügung gestellt“ worden.776 Das mehrstöckige Mietshaus mit Seitenflügel und Quergebäude wurde nicht ausschließlich als Bücherlager, sondern auch zu Wohnzwecken genutzt.777 Unter den dort eingelagerten Buchbeständen befand sich u. a. die Bibliothek des Preußischen Statistischen Landesamtes.778 Wie aus der Aufstellung über die in den Kellern befindlichen Bestände (s. Abb. 34)779 zu ersehen ist, waren nicht alle diese Bücher und Schriften NS-Raubgut. Aufgrund der Angaben ist es schwierig zu bestimmen, welchen Umfang die in die Preußische Staatsbibliothek eingelieferten Raubgut-Bestände hatten und wieviel davon in den Kellern der Preußischen Staatsbibliothek und möglicherweise auch in dem Mietshaus in der Linienstraße, in den Schachtanlagen bei Hattorf und in Schloss Altmarrin in Pommern das Kriegsende und die Nachkriegszeit überdauerte. Nach vorläufiger Schätzung gingen ca. 94.000 Bände Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek ein.780 Die Zahl setzt sich zusammen aus ca. 20.000 Bänden Kriegsbeute aus Polen, ca. 19.000 aus der Sowjetunion, ca. 100 aus Frankreich, 4.000 SPD-Bibliothek, 10.000 775
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Roediger: Schadeneinwirkung durch Luftangriff in der Nacht vom 9. auf den 10. 4. 1941, 17. 4. 1941. SBB PK, Historische Akten, VI 10-3, Bd. 1, 49. Monatliche Mitteilungen, in: UNSERE STAATSBIBLIOTHEK, Nr. 33/34 (Juni/Juli 1941). Am 6. 6. 1941 wurde es übernommen. Für den 13. und 14. 1. 1941 notierte Krüß in seinem Tagebuch jeweils Besichtigungen des als Depot vorgesehen Grundstücks. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebücher. Bei Kriegsende bewohnte der Bibliothekar Joris Vorstius eine der Wohnungen in dem Haus, das bei einem Luftangriff inzwischen beschädigt worden war. Am 16. 3. 1942 fragte Dr. [Adolf] Blind vom Statistischen Amt des Saarlandes bei der PSB wegen des Statistischen Jahrbuchs für Elsaß-Lothringen 1913 und 1914 und einiger anderer Titel an, die er für die „Eindeutschung der Namen der Wohnplätze dringend benötigt[e]“. Schnütgen antwortete am 28. 3. 1942, „dass unter den hiesigen Doppelstücken in der Tat einige der von Ihnen gewünschten Bände über ElsassLothringen vorhanden sind. Diese Doppelstücke haben aber nach dem Brand in der Staatsbibliothek im April v. J. vorläufig in Räumen weit ab vom Hauptgebäude neu untergebracht werden müssen. Sie lagern dort in unentwirrbaren Mengen. Einzelne Bände herauszusuchen, wird leider bis Kriegsende ganz unmöglich sein.“ Statistisches Landesamt des Saarlandes, Blind, an die PSB, 16. 3. 1942. Schnütgen, 28. 3. 1942. AP Jelenia Góra 83/113/0/15, 27 f. und 26. SBB PK, Historische Akten, A 62. Vermutlich befand sich unter diesen Beständen auch die Bibliothek Heinrich Stahls, vgl. SCHEIBE, NS-Raubgut, 190 ff. und 194 Anm. 27. Dabei ist weder berücksichtigt, wie viele Bände auf dem Tauschwege das Haus wieder verließen, noch wie viele als Kriegsverlust zu betrachten sind und auch nicht, wie viele bisher – wie z. B. die bereits 1946/47 zurückgeführte Kriegsbeute aus Polen und der Sowjetunion – restituiert worden sind.
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NS-Raubgut in der Preußischen Staatsbibliothek
aus der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung, 17.300 Privat- und Manuskriptdrucke der „Gesellschaft für deutsche Literatur“, ca. 900 Bände aus der Bibliothek Weisstein, 800 aus dem Geca Kon Verlag, 700 einzeln bekannte Werke, die von der Wehrmacht eingeliefert wurden, 3.150 Judaica und Hebraica, die über das Offenbach Archival Depot restituiert wurden, sowie die 4.000 Bände aus der Bibliothek des Rabbiners in Jędrzejów. Alle diese Bände wurden nicht akzessioniert bzw. die einschlägigen Akzessionsjournale sind nicht überliefert. Teilweise oder gänzlich akzessioniert wurden die Bibliothek des Esperanto-Instituts, die Bibliothek der Loge „Teutonia zur Weisheit“ und die Bücher und Schriften aus der Bibliothek der „Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden“. Sie sind dementsprechend in den Auszügen, die Karsten Sydow aus den Akzessionsjournalen des Geschenk- und Kaufzuganges sowie der Notgemeinschaft und der Orientalischen Abteilung anfertigte, teilweise enthalten. Bei Durchsicht dieser Aufstellungen ergibt sich für die Verfasserin eine Zahl raubgutverdächtiger Erwerbungen von etwa 11.100 Bänden. Bei der Bibliothek des Esperanto-Instituts besteht sich zwischen den in die Preußische Staatsbibliothek eingegangenen Büchern und den bisher bekannten akzessionierten Titeln eine Differenz von mehr als 1.000 Bänden. Von der Bibliothek der Loge „Teutonia zur Weisheit“ ist bekannt, dass mehr als 1.000 Bände als Geschenk, als Pflichtexemplare, Zeitschriften und Musikalien akzessioniert wurden und ein kleinerer Teil, also wohl weniger als 1.000, in die Dublettensammlung der Preußischen Staatsbibliothek gegeben wurden.781 Zudem ist mit weiteren 1.000 Bänden zu rechnen, die infolge des Erlasses des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934 eingingen. „Während der Kampfhandlungen in Berlin Ende April 1945 bezog eine Abteilung SS die Kellerräume“, schrieb Hoecker 1946. „Hierdurch wurden nicht nur bauliche Schäden verursacht, sondern es wurde auch unter dem eingelagerten Material die grösste Unordnung angerichtet. Ferner hatten die einschlagenden Bomben und Granaten Kataloge und lose Buchbestände, Zeitschriftenhefte und Zeitungssammlungen auseinandergeschleudert.“782 In den letzten Kriegstagen hielten sich zahlreiche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, manche von ihnen mit ihren Familien, und nicht zuletzt Krüß, der hier am 28. April 1945 Selbstmord beging, in den Kellern auf. Nach dem Abzug der SS bewachte ein kleiner Trupp des sowjetischen Trophäenkommandos das Gebäude. Am 29. Mai 1945 wurde Rudolf Hoecker zum kommissarischen Direktor ernannt.783 Im Sommer 1945 begannen die Mitarbeiter der Preußischen Staatsbibliothek mit den Aufräumungsarbeiten im Gebäude Unter den Linden, im „Lessinghaus in der Dorotheenstraße und dem Lagerhaus in der Linienstrasse“.784 Seit 1947 bearbeiteten sie die in den Kellern lagernden nichtakzessionierten Bestände.785 781
782 783 784 785
Feldkamps Notiz auf dem Schreiben: PSB, Krüß, an Ministerialamtmann i. R. Fischer, Potsdam, Neue Königstraße 3, 12. 3. 1935 (Entwurf, abgesandt am 13. 3. 1935). SBB PK, Historische Akten, III E.7, Bd. 5 (Geschenke aus Preußen 1911–1935), 385. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Hoecker 5, S. 2 (o. J., 1946/47) Eigentlich bereits seit dem 16. 5. 1945. KRAUSE, Hoecker, 41, Anm. 115. SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Hoecker 5, S. 2 (o. J., 1946/47). SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Hoecker 17, S. 60 (1948).
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Als zentrale Institutionen des deutschen Bibliothekswesens waren sowohl die Reichstauschstelle als auch die Preußische Staatsbibliothek in erheblichem Umfang in die Erwerbung und Verteilung von NS-Raubgut involviert. Gleichwohl bestanden hinsichtlich des Umgangs mit Raubgut zwischen beiden Institutionen große Unterschiede. Wie in anderen bibliothekspolitischen Entscheidungsfragen kam Hugo Andres Krüß, dem Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, auch bei der Literaturversorgung durch Raubgut eine Schlüsselstellung zu. Im Sommer 1934 wendete Krüß den drohenden Abbau der länderübergreifenden Bibliotheksförderung ab, indem er die Überführung ihrer etablierten Strukturen – der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses und der Reichstauschstelle – von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft an die Preußische Staatsbibliothek betrieb. Krüß nutzte sein Ansehen und seine Position als Generaldirektor und führender Vertreter des deutschen Bibliothekswesens, um seine Vorstellungen über den Fortbestand der zentralen Literaturversorgung gegenüber dem vorgesetzten Ministerium durchzusetzen. Als konservativer Verwaltungsfachmann verhinderte er damit, dass sich die „nationalsozialistische Erneuerung“, in deren Namen die neue Führung der Notgemeinschaft die bisherige Wissenschaftsförderung ausschließlich auf die Förderung der Forschung umstellte, unmittelbar negativ auf die deutschen Bibliotheken auswirkte. Die Angliederung der aus dem Reichshaushalt finanzierten gesamtnationalen Bibliotheksförderung an die Preußische Staatsbibliothek war nicht uneigennützig. Mit dem Ausbau der Reichsverwaltung durch den NS-Staat schien die Verwirklichung eines lange gehegten Vorhabens der preußischen Kultusbürokratie, die Preußische Staatsbibliothek zur deutschen Nationalbibliothek, in der nationalsozialistischen Diktion zur ‚Reichsbibliothek‘, zu erheben, in greifbare Nähe zu rücken. Die Angliederung der Bibliotheksförderung war ein Argument mehr, um den Anspruch der Preußischen Staatsbibliothek auf diesen Status zu untermauern. Dennoch scheiterte das Vorhaben auch bei wiederholten Anläufen in den dreißiger und zu Beginn der vierziger Jahre. Die Preußische Staatsbibliothek blieb trotz ihrer Größe und der Bedeutung der von ihr wahrgenommenen Aufgaben für das gesamte deutsche Bibliothekswesen eine Ländereinrichtung. Für die Übernahme der Funktionen des Bibliotheksausschusses – aufgeteilt in Reichstauschstelle, Beschaffungsamt und Deutsch-Ausländischen Buchtausch – schuf Krüß in Abstimmung mit dem Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ein administratives Konstrukt, das ihm selbst die Verwaltungsaufsicht über die drei Dienststellen garantierte und ihren bisherigen Geschäftsführer, den Bibliotheksrat Adolf Jürgens, in seiner Stellung beließ. Obwohl sie zu keiner Zeit Abteilungen der Preußischen Staatsbibliothek waren, wurden die drei Dienststellen dennoch von außen als zur Preußischen Staatsbibliothek gehörig wahrgenommen und innerhalb dieser auch so behandelt. Die in der Praxis unscharfe Trennung war für die Dienststellen häufig von Vorteil. Sie profitierten bei ihrer Tätigkeit vom Status der Preußischen Staatsbibliothek. Umgekehrt war es im Hinblick auf die in Aussicht
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genommene Erhebung zur Nationalbibliothek durchaus erwünscht, wenn Institutionen der zentralen Bibliotheksförderung mit der Preußischen Staatsbibliothek in Beziehung gebracht wurden. Neben Krüß war auch die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes an der Erhaltung der gewachsenen Strukturen interessiert. Seit den zwanziger Jahren bediente sie sich der Geschäftsstelle des Bibliotheksausschusses für die Auswärtige Kulturpolitik und finanzierte die damit verbundenen ständigen Aufgaben und Sonderaufträge. Erklärtermaßen übten die Beteiligten – Jürgens eingeschlossen – auf diesem Gebiet Diskretion, um die mit den Büchergeschenken verbundenen propagandistischen Absichten nicht in den Vordergrund treten zu lassen. Vor allem in den dreißiger Jahren und in den ersten Kriegsjahren war das Auswärtige Amt bestrebt, das negative, weil von der politischen und gesellschaftlichen Dominanz des Nationalsozialismus geprägte Erscheinungsbild Deutschlands im Ausland mit Hilfe des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs günstiger zu gestalten. Nicht zuletzt wegen der zumindest für die zweite Hälfte der zwanziger Jahre komfortablen finanziellen Ausstattung war die Bibliotheksförderung unter dem Dach der Notgemeinschaft außerordentlich erfolgreich gewesen. Jürgens hatte zahlreiche Kontakte zu ausländischen Bibliotheken und einzelnen Gelehrten hergestellt und mit großem Engagement die Handlungsfreiheit, die ihm vom Präsidenten der Notgemeinschaft gewährt wurde, genutzt, um nach und nach das Tätigkeitsfeld der von ihm geleiteten Förderstrukturen auszuweiten. 1934 konnte Krüß zwar verhindern, dass die Strukturen der zentralen Bibliotheksförderung zerschlagen wurden, doch gelang es ihm nicht – mit Ausnahme des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs, dessen Ausgaben vom Auswärtigen Amt getragen wurden – ihre angemessene Finanzierung auch weiterhin zu sichern. Aufgrund formaler fiskalischer Kriterien limitierte das Reichsministerium der Finanzen die Haushaltsmittel für das Beschaffungsamt und die Reichstauschstelle. Vor allem die zentrale Beschaffung ausländischer Zeitschriften für die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken musste stark eingeschränkt werden. Wie schon bei der Notgemeinschaft verhielten sich die von Jürgens geleiteten Dienststellen auch unter den veränderten administrativen Bedingungen an der Preußischen Staatsbibliothek überaus flexibel. Sie passten sich den veränderten Bedingungen, d. h. an die fortschreitende Etablierung des NS-Regimes, an. Die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken fortgesetzt mit Desiderata zu versorgen, war der Findigkeit und Rührigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem Jürgens’ selbst überlassen. Sie erschlossen neue Ressourcen für die kostengünstige Beschaffung von Literatur. Da die Mittel für den Ankauf beschränkt waren, entwickelte die Reichstauschstelle im Laufe der dreißiger Jahre eine beträchtliche Dynamik bei der unentgeltlichen Beschaffung von Literatur. 1943 wurde ihr schließlich aufgrund der jahrelangen Praxis auf diesem Gebiet die logistische Durchführung des mit fünf Millionen Reichsmark ausgestatteten Wiederaufbauprogramms für die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken, deren Bestände ganz oder teilweise bei den Luftangriffen der Alliierten zerstört worden waren, übertragen. Gleichzeitig verlagerte das Beschaffungsamt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die Einfuhr sogenannter kriegswichtiger Zeitschriften für die Wehrmacht und die Rüstungsindustrie.
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Als Institutionen mit derartig frei ausgestalteten, wechselnden und veränderlichen Tätigkeitsfeldern konkurrierten die drei Dienststellen mit ähnlichen teils staatlichen, teils privaten Einrichtungen wie der Reichsarbeitsgemeinschaft für Deutsche Buchwerbung, der Informationsstelle für technische Literatur an der Technischen Universität Berlin, der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation, der Auslands-Zeitungshandels GmbH Köln um Aufträge, um die Besetzung von Arbeitsgebieten und um die Ausweitung – auch persönlicher – Machtbereiche. Insbesondere auf dem Gebiet der Beschaffung von Zeitschriften aus dem Ausland während des Krieges war Jürgens in eine für die nationalsozialistische Herrschaftspraxis so typische Konkurrenzsituation verschiedener Kontrahenten verwickelt, wobei einige dieser Konkurrenten unmittelbar mit den Machtzentren des NS-Regimes, wie dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und dem Sicherheitsdienst der SS verbunden waren. Nichtsdestoweniger behauptete sich Jürgens dank der soliden Sacharbeit seiner Dienststellen und des Rückhalts, den er deswegen aus Kreisen der Industrie und der Wehrmacht hatte, mit wechselndem Erfolg in dieser Konkurrenz. Bei den ungenutzten Buchbeständen, deren Erschließung und Verteilung die Reichstauschstelle sich zur Aufgabe machte, handelte es sich zunächst um die im Zuge der sogenannten ,Verreichlichung‘ aufgelösten Behördenbibliotheken der preußischen Ministerien. Diese enthielten naturgemäß große Mengen an Verwaltungsliteratur, die nur eine geringe Zahl von Interessenten fand. Deshalb strebte Jürgens danach, auch beschlagnahmte Bücherbestände unentgeltlich zu erhalten, um auf diese Weise mit attraktiveren Angeboten für die wissenschaftlichen Bibliotheken aufwarten zu können. Der Druck der institutionellen Selbsterhaltung veranlasste ihn, den Kontakt zu solchen Organisationen wie dem Sicherheitsdienst der SS, während des Krieges zum Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg und zu Behörden, namentlich den Finanzbehörden und dem Auswärtigen Amt, die über eingezogene Vermögen bzw. Kriegsbeute verfügten, zu suchen und zu pflegen. Der Umstand, dass die Reichstauschstelle erst Ende der dreißiger Jahre in den Besitz von Raubgut kam, hatte seine Ursache nicht in Jürgens’ etwaigen Skrupeln, sich dieser Erwerbungsform zu bedienen. Dennoch war Jürgens, der erst 1940 in die NSDAP eintrat, weder ein überzeugter Nationalsozialist, noch war es ihm vorrangig darum zu tun, seine persönliche Machtbasis auszubauen, um eine Karriere innerhalb der Strukturen des Regimes anzustreben. In seiner deutsch-nationalen Überzeugung stand er vielmehr Kräften im Auswärtigen Amt nahe, denen an der außenpolitischen Reputation des Deutschen Reiches gelegen war. Als Beamter, als verantwortlicher und in vielerlei Hinsicht selbständig handelnder Geschäftsführer mehrerer ‚Dienstleistungsunternehmen‘ war er stets auf den Erhalt von Geschäftskontakten bedacht und verhielt sich staatlichen, gesellschaftlichen und Parteiautoritäten gegenüber ausgesprochen loyal, bisweilen geradezu devot. Trotzdem begegneten ihm solche Stellen, wie die Geheime Staatspolizei und der Sicherheitsdienst der SS, die letztendlich die Ressourcen an Raubgut kontrollierten, und selbstverständlich auch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, mit Argwohn, weil er bei der relativ selbständigen Ausführung von Aufträgen des Auswärtigen Amtes ihre Machtbefugnisse wie Zensur-, Ein- und Ausfuhrbestimmungen nicht beachtete oder sich über sie hinwegsetzte. Zudem waren die von Jürgens
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geleiteten Dienststellen außerhalb der Bibliotheken kaum bekannt und boten aufgrund ihrer Arbeitsweise keinerlei Garantie für die Einhaltung der Sekretierungsauflagen. Was den Umfang des vor dem Krieg durch die Reichstauschstelle an andere Institutionen – und dies waren nicht nur die wissenschaftlichen Bibliotheken, sondern auch Parteibibliotheken und die Bibliotheken der NS-Behörden – verteilten Raubguts betrifft, gibt es aufgrund der schlechten Aktenlage lediglich Anhaltspunkte. Es muss den Forschungen in den begünstigten Bibliotheken vorbehalten bleiben, diese Aktivitäten zu erhellen. Zweifellos lag es in der Logik des Konzepts der Reichstauschstelle als zentrale Institution der Literaturversorgung, möglichst alle sich bietenden Gelegenheiten zur Beschaffung von Literatur, nicht zuletzt auch beschlagnahmter Literatur, auszuschöpfen. In dieser von dem jeweiligen Angebot dominierten relativ unspezifischen Sammeltätigkeit unterschied sich die Reichstauschstelle grundsätzlich von der Erwerbungspolitik der Preußischen Staatsbibliothek. Für das Wiederaufbauprogramm beanspruchte Jürgens u. a. beschlagnahmte Büchersammlungen jüdischer Deutscher, die sich in der Obhut der Finanzbehörden befanden. Bei seinen intensiven Bemühungen musste er feststellen, dass es mit dem Reichssicherheitshauptamt der SS und dem „Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“ Rosenberg bereits mächtige Konkurrenten um dieses Raubgut gab und es deshalb nahezu unmöglich war, aus dieser Quelle unentgeltlich Literatur für den Wiederaufbau zu erhalten. Gleichermaßen scheiterte der Versuch, die Bücher aus den Haushalten der Deportierten für die Zwecke der Reichstauschstelle zu nutzen. Als im Sommer 1943 die Ankaufsmittel für das Wiederaufbauprogramm bereitstanden, war das Eigentum, das zur Emigration gezwungene oder deportierte jüdische Bürger hatten zurücklassen müssen, weitgehend verteilt. Fortan konzentrierte sich die Reichstauschstelle auf den Ankauf von Privatbibliotheken und auf die Erwerbung von Verlagsbeständen und Antiquaria in den besetzten westlichen Gebieten. Bei Kriegsende lagerten rund eine Million Bände in den über das gesamte Deutsche Reich und die angrenzenden Gebiete verteilten Depots der Reichstauschstelle. Eine knappe halbe Million davon waren unrechtmäßige Erwerbungen. Der überwiegende Teil war unter den Bedingungen der deutschen Besatzung in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Dänemark und Italien angekauft worden. Einige zehntausend Bände stammten aus beschlagnahmten Büchersammlungen, die die Reichstauschstelle von den Finanzbehörden angekauft hatte. Während die Reichstauschstelle Mitte der dreißiger Jahre noch kaum Zugang zu Raubgut hatte, baute Jürgens gegen Ende der dreißiger Jahre und im Rahmen des Wiederaufbauprogramms die Position seiner Dienststelle gegen die Widerstände der parteiamtlichen Institutionen und Behörden aus. Die Preußische Staatsbibliothek hingegen war bereits zu Beginn der NS-Herrschaft mit Raubgut bedacht worden. Krüß war über die Beschlagnahmungen von Bibliotheken der politischen Opposition infolge der von Hindenburg im Februar 1933 erlassenen „Verordnung zum Schutze des deutschen Volkes“ informiert. In seiner Funktion als Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek suchte er, die Gesetzgebung zugunsten seiner Institution zu beeinflussen. Wohl wissend, dass mit der Hindenburg-Verordnung die Verfügungsgewalt über die
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beschlagnahmten Bücher und Schriften von den Justiz- auf die Polizeibehörden übergegangen war, wandte er sich sowohl an das vorgesetzte Ministerium, das Preußische Kultusministerium, als auch direkt an die Geheime Staatspolizei. Mit seinem Vorstoß entsprach er den Interessen der Erwerbungsabteilung. Die bibliothekarischen Fachleute erhofften sich, auf diesem Wege eine Quelle für schwer erhältliche, weil im politischen Untergrund erschienene Literatur zu erschließen. Die Bemühungen waren von der Sorge getragen, bei der Verteilung des Raubgutes gegenüber den NS-Behörden benachteiligt zu werden. Krüß und die leitenden Bibliothekare hingen der Überzeugung an, dass die Preußische Staatsbibliothek aufgrund ihrer Archivfunktion und als Dienstleisterin für die Wissenschaft legitimiert sei, alle sich bietenden Gelegenheiten zur Ergänzung ihrer Bestände zu nutzen, zumal wenn es sich um aktuell unzureichend verwaltetes, ‚herrenloses‘ Buchgut handelte, das ansonsten in unbefugte, fachfremde Hände geraten wäre. Die Eigentumsrechte der verfolgten und enteigneten Personen und Organisationen waren für sie augenscheinlich nicht von Belang. Gemäß ihrer obrigkeitsstaatlichen Einstellung billigten sie dem Staat, auf den sie ihren Beamteneid geleistet hatten, das Recht zu, sich in jedem Fall über seine Bürger zu stellen und ihre Rechte einzuschränken. Krüß’ Initiative vom Mai 1933 sowie die folgenden Kontakte mit der Geheimen Staatspolizei wurden zumindest inhaltlich von dem Mitarbeiter der Erwerbungsabteilung Heinrich Feldkamp vorbereitet und von ihrem Direktor Alexander Schnütgen begleitet. Dabei folgte die Erwerbungsabteilung vorrangig systemimmanenten Motiven. Entsprechend dem Sammelauftrag war die Preußische Staatsbibliothek verpflichtet, „in möglichster Vollständigkeit die deutsche und in angemessener Auswahl auch die ausländische Literatur zu sammeln“.1 Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waren grundsätzlich zum sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln angehalten. Dass beschlagnahmte Literatur als Geschenk auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen eingeliefert wurde, machte ihre Erwerbung im Verständnis der Beteiligten rechtmäßig und erlaubte ihnen, sich von eventuellen moralischen Bedenken zu entlasten. Da es sich teilweise um indizierte Literatur handelte, schob sich die Frage ihrer mit erheblichen technischen Schwierigkeiten verbundenen Sekretierung in den Vordergrund. Den für ihr Handeln maßgeblichen Sammlungsauftrag interpretierten die einzelnen verantwortlichen Beamten der Preußischen Staatsbibliothek sehr unterschiedlich, was sich auch auf ihren Umgang mit Raubgut erstreckte. Fassbar sind die Unterschiede zwischen dem Mitarbeiter der Erwerbungsabteilung Feldkamp und ihrem Direktor Schnütgen. In seiner Gründlichkeit scheute Feldkamp keinen auch noch so magere Ergebnisse versprechenden Aufwand, um Bestandslücken zu schließen und in den Besitz von sogenannter Grauer Literatur zu gelangen. Im Gegensatz dazu bildete für Schnütgen das Verhältnis von Aufwand und zu erwartendem Nutzen ein ungleich wichtigeres Kriterium, um angebotenes Raubgut entweder anzufordern oder auch ganze Büchersammlungen abzulehnen. Er konzentrierte sich auf die Erwerbung solcher Literatur, von der die Leser voraussetzen konnten, dass sie in der Preußischen Staatsbibliothek vorhanden war, vor allem also jener, die unter das Pflichtexemplarrecht fiel. Wäh1
ALLERHÖCHSTER ERLASS, § 1.
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rend Feldkamp in den dreißiger Jahren versuchte, gleichermaßen die Bearbeitung großer Mengen von Raubgut und ihre Sekretierung zu organisieren, schwenkte Schnütgen nach dessen Tod im Sommer 1939 – auch wegen der unzureichenden Personalstärke der Erwerbungsabteilung – auf eine effizientere Erwerbungspolitik um. Es gehörte zum Selbstverständnis der Preußischen Staatsbibliothek, die in vielerlei Hinsicht die Aufgaben einer Nationalbibliothek erfüllte, dass Krüß im Frühjahr 1933 beschlagnahmte Literatur nicht nur zur Vermehrung der eigenen Bestände anforderte, sondern soweit möglich um die Bereitstellung mehrerer Exemplare ersuchte. Zweifellos war von Anfang an geplant, auch anderen wissenschaftlichen Bibliotheken beschlagnahmte Literatur zukommen zu lassen. Auf der Grundlage eines Erlasses des Preußischen Finanzministeriums vom 27. März 1934 entwickelte Feldkamp ein System für diese sogenannte Unterverteilung. Es war ausschließlich die Preußische Staatsbibliothek, die auf diesem Wege vor allem bei oppositionellen und jüdischen Verlagen beschlagnahmte Literatur an andere Bibliotheken weitergab; die Reichstauschstelle trat in diesem Verteilungssystem noch nicht in Erscheinung. Bereits 1933/34 stieß Krüß bei der Durchsetzung der Ansprüche der Preußischen Staatsbibliothek auf erhebliche Widerstände. So erging der die Preußische Staatsbibliothek begünstigende Erlass des Preußischen Finanzministeriums erst mit beinahe einjähriger Verzögerung – im März 1934. Darüber hinaus erfüllten sich die an das eingehende Raubgut geknüpften Erwartungen der Erwerbungsabteilung nicht. Bis auf die zentrale Bibliothek der SPD und die Bibliothek des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main, die wegen ihres Umfangs überhaupt nicht eingearbeitet werden konnten, enthielten die Sendungen der Polizeibehörden nicht jene begehrte politische Untergrundliteratur, von der sich Krüß und Feldkamp eine entscheidende Bereicherung auch der Sondersammlungen – bspw. durch politische Flugschriften u. ä. – versprachen. Mit der von den Polizeibehörden überstellten Literatur ließ sich lediglich kostengünstig die eine oder andere Lücke in den Beständen füllen. Die politisch brisanten Schriften wurden gar nicht gemeldet, waren entweder bereits vernichtet oder von anderen Interessenten beansprucht worden. Es zeigte sich, dass die neue Machtelite die Preußische Staatsbibliothek nur unter großen Vorbehalten als Archiv, dem sie sogenannte Gegnerliteratur zur wissenschaftlichen Nutzung überließ, anerkannte. Daran änderte auch die Zusicherung, dass die beschlagnahmte Literatur in den Magazinen sekretiert und strengen Benutzungsbestimmungen unterworfen würde, nichts. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre traten als Verwalter bzw. Besitzer des Raubguts zunehmend parteiamtliche Einrichtungen an die Stelle der staatlichen Behörden. Nachdem Ende 1935 die deutsche Polizei vom Reichsführer SS, Himmler, übernommen worden war, ging der Sicherheitsdienst der SS daran, eine eigene zentrale ,Gegnerbibliothek‘ aufzubauen. Mit einem Erlass des Stellvertretenden Chefs der Preußischen Staatspolizei vom 22. Januar 1936 ermächtigte sich der Sicherheitsdienst der SS selbst, alle in Preußen beschlagnahmte Literatur für seine Zentralbibliothek heranzuziehen. Damit war die Position der Preußischen Staatsbibliothek in der Konkurrenz der Ansprüche entscheidend geschwächt. Um dennoch einen Anteil an den von der Geheimen Staatspolizei und den lokalen Polizeibehörden beschlagnahmten Büchern und Schriften zu erlangen, arrangierten sich Krüß und die
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Erwerbungsabteilung mit dem Sicherheitsdienst der SS. Sie ließen sich – auf der Grundlage der bisher in der Preußischen Staatsbibliothek eingegangenen Raubgutbestände – auf den Tausch mit seiner Zentralbibliothek ein. U. a. durch Geschenke an die Bibliothek der Wewelsburg, also an den Reichsführer SS, der zugleich Chef der deutschen Polizei war, gingen sie in Vorleistung, um weiterhin von der Geheimen Staatspolizei bei der Verteilung von beschlagnahmter Literatur berücksichtigt zu werden. Schließlich sah Krüß während des Krieges gänzlich davon ab, den gesetzlichen Anspruch der Preußischen Staatsbibliothek anzumahnen, sondern wandte sich mit seinem Ersuchen direkt an die Geheime Staatspolizei bzw. die Sicherheitspolizei, um die von Schnütgen gewünschten Pflichtexemplare beschlagnahmter Schriften zu erhalten. So erwies sich die Leitung der Preußischen Staatsbibliothek in Zusammenhang mit dem Zugang von Raubgut als durch die Parteimacht korrumpierbar. Die Machtmittel lagen eindeutig auf Seiten der SS. In gewissem Maße konnte Krüß dennoch auf die Unterstützung des Preußischen und Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung rechnen, das die Machtansprüche anderer Ministerien, Behörden usw. auf die ihm unterstellten Einrichtungen einzudämmen und in diesem Sinne die Interessen der Preußischen Staatsbibliothek zu wahren versuchte. Trotzdem behielt es sich die Geheime Staatspolizei vor, verbotene Literatur auch aus den Beständen der Preußischen Staatsbibliothek zurückzufordern. Andererseits war der Sicherheitsdienst der SS beim Aufbau seiner ‚Gegnerbibliothek‘ auf die Kompetenz der traditionellen staatlichen Institution angewiesen. So ersuchte er beispielsweise Krüß als Vorsitzenden des Reichsbeirats für Bibliotheksangelegenheiten um die Vermittlung von an der Preußischen Staatsbibliothek ausgebildeten Bibliothekaren und Bibliothekarinnen.2 Wegen ihrer schieren Menge wurde die Bearbeitung der beschlagnahmten Bestände sowohl für den Sicherheitsdienst der SS als auch für die Preußische Staatsbibliothek zum Problem im Hinblick auf Zeitaufwand und Lagerkapazitäten. Der Erlass des Preußischen Finanzministeriums von 1934 sah die unentgeltliche Abgabe der zugunsten des Staates eingezogenen Literatur vor. Dies betraf vorrangig das Eigentum von linken und liberalen Intellektuellen, den Arbeiterparteien und ihren Funktionären, von Religionsgemeinschaften, aber auch von aufgelösten Vereinen. Andere Vereinigungen wie die Potsdamer Loge „Teutonia zur Weisheit“ gaben ihre Büchersammlungen unter dem Druck der drohenden Selbstauflösung an die Preußische Staatsbibliothek ab. Im Gegensatz dazu waren die Finanzbehörden, die seit 1938 auf der Grundlage immer weiter verschärfter Gesetze die ‚Arisierung‘ jüdischen Vermögens betrieben, indem sie systematisch Steuerschulden konstruierten und jüdischen Bürgern Sonderabgaben abforderten, an der ,Verwertung‘ des beschlagnahmten Gutes zugunsten des Reichsfiskus interessiert. Nachdem den in Deutschland verbliebenen Juden 1941 die Auswanderung unmöglich gemacht worden war, verfielen in gleicher Weise auch die zurückgelassenen Habseligkeiten der Deportierten der Finanzverwaltung. Wie es scheint, waren weder die Erwerbungsabteilung noch die Orientalische Abteilung der Preußischen Staatsbibliothek an der Übernahme bzw. am Kauf der angebotenen Judaica und 2
Vgl. mehrere Schreiben von 1937 und 1942. SBB PK, Historische Akten, R V-2, Bd. 2; VI-1, Bd. 1.
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Hebraica besonders interessiert. Dennoch wurden der Preußischen Staatsbibliothek zahlreiche Judaica und Hebraica überstellt, die jedoch nur zu einem kleinen Teil akzessioniert wurden. Die Erwerbungsabteilung tendierte dazu, ihren Sammelauftrag durch gezielte Ankäufe zu erfüllen, wie dies beispielhaft seit 1941 im besetzten Frankreich durch den zum Bibliotheksschutz abgeordneten Mitarbeiter der Preußischen Staatsbibliothek Hermann Fuchs geschah. Deshalb nahmen vor allem in den Jahren 1938 und 1939 und in den ersten Kriegsjahren die leitenden Beamten der Preußischen Staatsbibliothek die Gelegenheit wahr, jüdisches Eigentum – in einigen Fällen direkt von den verfolgten Eigentümern – anzukaufen bzw. auf Auktionen zu ersteigern. Die Erwerbungspolitik der Preußischen Staatsbibliothek unterschied sich erheblich von der Heigls an der Nationalbibliothek in Wien. Dank seiner guten Beziehungen zu den Vertretern des NS-Regimes, über die er als SS-Angehöriger und langjähriger nationalsozialistischer ‚Kämpfer‘ verfügte, eröffneten sich ihm Möglichkeiten und Wege, einen großen Teil der nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs dem NS-Regime zufallenden Sammlungen unentgeltlich für die Nationalbibliothek zu ‚ergattern‘. Heigl entschied sich dafür, alles, was erreichbar war, in sein Haus zu holen. An der Preußischen Staatsbibliothek verfuhr man grundsätzlich anders. Zum einen änderten die leitenden Beamten ihre bibliothekarische Praxis, zumindest was die Erwerbung von Druckschriften betraf, nicht grundlegend und verzichteten dementsprechend eher auf die Übernahme von Beständen, deren Bearbeitung absehbar nicht zu leisten war und die mutmaßlich nur die ohnehin große Dublettensammlung hätten weiter anwachsen lassen. Zum anderen stand der preußische Beamte Krüß, der wie Jürgens der NSDAP erst 1940 beitrat, trotz aller Bereitschaft, sich mit dem NS-Regime zu arrangieren, dem Partei- und SS-Milieu mental und seinem politischen Ethos nach fern. 1939 vollzog Krüß eine Wendung hinsichtlich des Umgangs mit Raubgut. War er von der Legitimität der Überstellungen infolge des Erlasses vom 27. März 1934 offensichtlich überzeugt, untersagte er möglicherweise schon die Einarbeitung der in größeren Mengen beschlagnahmten deutscher Judaica und Hebraica. Ebenso verhielt er sich zu der seit dem Herbst 1939 eingehenden Kriegsbeute. Er begründete seine Entscheidung, Beutebücher (zunächst) nicht in den Bestand der Preußischen Staatsbibliothek einzuarbeiten wie folgt: Wenn es bei zu erwartenden Friedensverhandlungen zu einer Aufrechnung käme, wäre die deutsche Position – moralisch – geschwächt; insbesondere die Rückgabe der sogenannten Napoleonischen Beute aus Frankreich und Belgien stünde in Frage. Für den von ihm verantworteten Bereich hielt er die Prinzipien der Haager Landkriegsordnung aufrecht. Seine Haltung zu Raubgut aus Polen und aus der Sowjetunion unterschied sich dabei nicht grundsätzlich von seiner Haltung zu Raubgut aus Frankreich. Als Vorsitzender des Reichsbeirats für Bibliotheksangelegenheiten und seit Juli 1940 als Bibliotheksschutzkommissar hatte Krüß selbstverständlich Kenntnis vom Raub an Kulturgütern in den von Deutschland besetzten Ländern, namentlich durch das Sonderkommando des Reichssicherheitshauptamtes in Polen und den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in Frankreich. Vor allem von letzterem distanzierte Krüß sich strikt. Wie es scheint, wehrte er dessen Ansinnen ab, geraubte Bücher und Schriften anzunehmen, die dort in solcher Fülle vorhanden waren, dass der Einsatzstab sie nicht mehr bearbeiten konnte.
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Dennoch sollte die interne Zurückweisung von Raubgut aus den besetzten Gebieten nicht als Widerstand gegen das NS-Regime überbewertet werden. Dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Preußischen Staatsbibliothek die eingelieferte Kriegsbeute entgegennahmen und in den Kellern und anderen für diese Zwecke vorgesehen Räumen einlagerten, bewahrte die geraubten Bücher und Schriften zweifellos vor weiterer Zerstreuung und Zerstörung. Damit war jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass sie zu irgendeinem späteren Zeitpunkt in die Bestände der Preußischen Staatsbibliothek eingehen würden. Die Frage, was mit ihnen geschehen sollte, war lediglich bis zum Ende des Krieges vertagt. Krüß’ Verbot der Einarbeitung von Kriegsbeute wurde zudem von den Abteilungen unterlaufen, wenn kleinere Mengen an Raubgut eingingen, über die die Generaldirektion nicht informiert war. Sobald es sich um Privatbesitz und noch dazu um den Besitz eines polnischen Juden handelte, wie im Falle des Rabbiners aus Jędrzejów, forderte auch Krüß auf Betreiben der jeweiligen Abteilung die geraubten Bücher eigens an – wenngleich auch diese Bücher nicht eingearbeitet wurden. Raubgut, das aus zweiter Hand, durch eine vermeintlich seriöse Stelle, eine Behörde oder Institution – wie bei den Büchern des ermordeten Belgrader Verlegers Geca Kon durch die Nationalbibliothek in Wien oder bei einer Anzahl tschechischer und niederländischer Bücher durch die Heeresbüchereien und Heeresarchive –, einkam, war gleichsam durch den Einsender legitimiert und wurde eingearbeitet. Es ist anzunehmen, dass dies in gleicher Weise für andere institutionelle Geschenkgeber galt, die in den Akzessionsjournalen genannt werden. Alle Ankäufe, auch wenn sie unter militärischem Druck erfolgt waren, oder durch Tausch erworbene Bücher wie beispielsweise beschlagnahmtes Gut aus den Büchersammelstellen in Posen und Metz, die die Preußische Staatsbibliothek während des Krieges empfing, wurden von den Beteiligten ganz offensichtlich nicht als geraubtes Gut bewertet. In die Preußische Staatsbibliothek gingen während der zwölf Jahre der NS-Herrschaft ca. 94.000 Bände3 ein, die entweder von deutschen Behörden beschlagnahmt oder von der Wehrmacht geraubt bzw. von ihren Eigentümern unter dem Druck der Verfolgung verkauft oder abgegeben wurden. Teile dieses Raubgutbestandes gingen in den Kriegswirren verloren bzw. wurden zu Beutegut. Umfangreiche Bestände wurden inzwischen restituiert: Bereits in den ersten Nachkriegsjahren gab die Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek 20.000 Bände an Polen und 19.000 Bände an die Sowjetunion zurück, aus den in Marburg zusammengeführten Beständen wurden über das Offenbach Archival Depot 28 Kisten mit Judaica und Hebraica restituiert. In den Bestand der Preußischen Staatsbibliothek bzw. ihrer Nachfolgeinstitutionen tatsächlich eingearbeitet wurde – so die aktuellen Ergebnisse der NS-Raubgut-Forschung an der Staatsbibliothek4 – wohl lediglich ein Fünftel des ursprünglich vorhandenen Raubgutes, also ca. 20.000 Bände. Einige 3 4
Die unrechtmäßigen Erwerbungen der Sonderabteilungen sind dabei noch nicht berücksichtigt. Zwar haben sich etliche von Karsten Sydow noch als verdächtig eingestufte Erwerbungen der Staatsbibliothek als unbelastet erwiesen, auf der anderen Seite müssen inzwischen bisher unberücksichtigte Erwerbungsarten wie insbesondere die Pflichterwerbungen als ebenfalls raubgutbelastet eingestuft werden. Zudem lassen die bisherigen Recherchen größere Mengen von Raubgut in den noch kaum untersuchten Zugängen aus unbearbeiteten Beständen in der Zeit nach 1945 erwarten.
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Fragen zum Schicksal der geraubten Bücher wie zum Beispiel die Frage nach dem Verbleib des heute in den verlagerten Beständen der Staatsbibliothek in Polen bzw. den Nachfolgestaaten der Sowjetunion befindlichen Raubgutes müssen weiteren Forschungen vorbehalten bleiben. Damit eine traditionsreiche Einrichtung wie die Preußische Staatsbibliothek und solche jüngeren staatlichen Institutionen wie die Reichstauschstelle und der Deutsch-Ausländische Buchtausch innerhalb des NS-Staates hinreichend funktionierten, war es gar nicht nötig, dass eine maßgebliche Zahl ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als überzeugte und aktive Mitglieder der NSDAP dem Nationalsozialismus anhing. Es genügte vielmehr, dass sie gegebenenfalls kooperierten und die geforderten Leistungen zur Verfügung stellten. Das ihren überkommenen Aufgaben – Sammlungsauftrag und zentrale Literaturversorgung – entsprechende professionelle Handeln ließ sich ohne weiteres mit dem vom NS-Regime gesetzten Rahmen vereinbaren. Die Institutionen konnten sich durch die Übernahme von Raubgut bereichern. Darüber hinaus wirkten die durch das Regime gewährten Vorteile als ein Bindeglied in den Beziehungen zwischen der Machtelite des NS-Regimes und traditionellen staatlichen und öffentlichen Institutionen, die auf diesem Umweg stärker in das Regime integriert wurden, als dies das bloße Bekenntnis zum Nationalsozialismus vermocht hätte.
Abbildungen
Abb. 1 Gebäude der Preußischen Staatsbibliothek und der Universitätsbibliothek 1929 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 5/121
Abb. 2 Vestibül und Pförtnerlogen mit Propagandaplakat der NSDAP „Wir wollen einen Frieden der Ehre“ zu den Reichstagswahlen am 19. 11. 1933 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 50/55
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Abbildungen
Abb. 3 Tagung des Hauptausschusses der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft am 12. Oktober 1929 bpk, Bildnummer 30035277
Abb. 4 Westfassade des Stadtschlosses (rechts vom Portal Räume der Notgemeinschaft) bpk, Bildnummer 40006989
Abb. 5 Adolf Jürgens 1921 SBB PK, Handschriftenabteilung, Port. Slg. Bibl. kl., Jürgens, Nr. 2
Abbildungen
Abb. 6 Exlibris des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs mit Aktenvermerk vom 22. Oktober 1936 PA AA, R 65.712
Abb. 7 Deutsche Buchausstellung in Rom, Mai 1939 bpk, Bildnummer 50049076
315
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Abbildungen
Abb. 8 Schreiben von Jürgens an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 8. November 1944 BArch R 4901/15090, Bl. 376
Abbildungen
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Abbildungen
Abb. 9 Marstall von der Kurfürstenbrücke, August 1937 bpk, Bildnummer 30027413
Abb. 10 Zerstörter Gebäudeflügel Unter den Linden nach dem Luftangriff am 9./10. April 1941 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 10/75
Abbildungen
Abb. 11 Zerstörter Gebäudeflügel Charlottenstraße nach dem Luftangriff am 9./10. April 1941 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 10/42a
Abb. 12 Zerstörte Lindenkuppel nach dem Luftangriff am 9./10. April 1941 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 10/22
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320
Abbildungen
Abb. 13 Zerstörtes Obergeschoss nach dem Luftangriff am 9./10. April 1941 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 10/27 a
Abb. 14 Zerstörter Dienstraum nach dem Luftangriff am 9./10. April 1941 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 10/38
Abbildungen
Abb. 15 Zerstörter Dienstraum nach dem Luftangriff am 9./10. April 1941 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 27/21
Abb. 16 Räume der Reichstauschstelle, des Beschaffungsamts und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs im Marstallgebäude, 16. April 1941 BArch R 4901/15094
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Abbildungen
Abb. 17, 18 Räume der Reichstauschstelle, des Beschaffungsamts und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs im Marstallgebäude, 16. April 1941 BArch R 4901/15094
Abbildungen
Abb. 19, 20 Räume der Reichstauschstelle, des Beschaffungsamts und des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs im Marstallgebäude, 16. April 1941 BArch R 4901/15094
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324
Abbildungen
Abb. 21 Schreiben des Oberbürgermeisters der Reichshauptstadt Berlin vom 6. Januar 1943, Abschrift für die Reichstauschstelle SBB PK, Historische Akten, RTS, Schadensmeldungen der Bibliotheken, Wpr 2 Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg
Abbildungen
325
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Abbildungen
Abb. 22 Luise von Schwartzkoppen
Abb. 23 Adolf Jürgens 1930er Jahre
SBB PK, Historische Akten, I.9-259, Bd. 1, Bl. 3
SBB PK, Handschriftenabteilung, Port. Slg. Bibl. kl., Jürgens, Nr. 1
Abb. 24 Buchsammelstelle Posen BArch R 4901/13660, ungezähltes Bl. vor Bl. 72
Abbildungen
Abb. 25 Schreiben des Amtsvorstehers Krummhübel an die PSB vom 11. April 1938 SBB PK, Historische Akten, A 62, Liegnitz
327
328
Abbildungen
Abb. 26 Magazin der Preußischen Staatsbibliothek 1937/38
Abb. 27 Zentralstelle des Ausleihdienstes, nicht datiert SBB PK, Kartenabteilung Yd 26/12
bpk, Bildnummer 40006091
Abb. 28 Alphabetischer Zettelkatalog 1938 SBB PK, Kartenabteilung Yd (ohne Signatur)
Abb. 29 Josef Becker SBB PK, Handschriftenabteilung, Port. Slg. Bibl. kl., Becker, Nr. 2
Abbildungen
Abb. 30 Heinrich Feldkamp
Abb. 31 Hans Sveistrup
SBB PK, Handschriftenabteilung, Port. Slg. Bibl. kl., Feldkamp
SBB PK, Handschriftenabteilung, Port. Slg. Bibl. kl., Sveistrup, Nr. 1
Abb. 32 Gerhard Reincke SBB PK, Historische Akten, I.9-258, Bd. 1, Bl. 1a
Abb. 33 Margarete Pott SBB PK, Handschriftenabteilung, Port. Slg. Bibl. kl., Pott
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330
Abbildungen
Abb. 34 Übersicht über die Bücherbestände im Keller der Staatsbibliothek, nicht datiert, vermutlich nach Sommer 1942 SBB PK, Historische Akten, A 62
Abbildungen
6 19 18 17 16
13
Abb. 35 Grundriss des Kellergeschosses der PSB 1928 mit vergrößertem Ausschnitt Charlottenstraße/Unter den Linden und Raumnummern des Verzeichnisses Abb. 34 SBB PK, Bauarchiv
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Abbildungen
Abb. 36 Bibliothekare des Referats Bibliotheksschutz in Paris 1940, 2. v. r. Hermann Fuchs SBB PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Krüß, Tagebuch 1940
Abb. 37 Hans Wegener
Abb. 38 Hermann Fuchs
SBB PK, Handschriftenabteilung, Port. Slg. Bibl. m., Wegener, Nr. 2
SBB PK, Handschriftenabteilung, Port. Slg. Bibl. kl., Fuchs, Nr. 2
Abbildungen
Abb. 39 Stempel der Preußischen Staatsbibliothek auf Tafel 99 “Vers la fin” von Louis Raemaekers’ „La Guerre“ (Paris 1916) und Akzessionsnummer auf der Rückseite des Titelblatts SBB PK, Abteilung Historische Drucke, 2° Krieg 1914/32057/1 KD
Abb. 40 Ausstellungsraum mit nach dem Luftangriff 1941 hier zwischengelagerten Büchern SBB PK, Kartenabteilung, Yd 28/55
Abb. 41 Zerstörungen im Vestibül April 1944 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 5/114, 33-12
333
334
Abbildungen
Abb. 42 Zerstörte Kuppel des Großen Lesesaals April 1944 SBB PK, Kartenabteilung, Yd 5/114, 45-27
Abb. 43 Mitarbeiter der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek bei der Sichtung der Bestände SBB PK, Kartenabteilung, Yd 14/63
Abkürzungen
AA
Auswärtiges Amt
AH Btz
Amtshauptmannschaft Bautzen
AP Jelenia Góra
Archiwum Państwowe Wrocławiu, Oddział w Jeleniej Górze
AZH
Auslands-Zeitungshandels GmbH (Köln)
BADB
Beschaffungsamt der Deutschen Bibliotheken
BA
Bibliotheksausschuss
BArch
Bundesarchiv Berlin
BDC
Berlin Document Center
BLha
Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam
bpk
Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte Preußischer Kulturbesitz
BR
Bibliotheksrat
DAB
Deutsch-Ausländischer Buchtausch
DAF
Deutsche Arbeitsfront
DFG
Deutsche Forschungsgemeinschaft
ERR
Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg
GD
Generaldirektor
GStA PK
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
HStA
Hauptstaatsarchiv
LAB
Landesarchiv Berlin
NG
Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft
336
Abkürzungen
OKH
Oberkommando des Heeres
OKW
Oberkommando der Wehrmacht
ÖWB
Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek
PA AA
Politisches Archiv des Auswärtigen Amts
PFM
Der Preußische Finanzminister/Preußisches Finanzministerium
PMI
Der Preußische Minister des Innern/Preußisches Ministerium des Innern
PMWKV
Der Preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung/ Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung
PSB
Preußische Staatsbibliothek
RBBA
Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten
RM
Reichsmark
RMF
Der Reichsminister der Finanzen/Reichsministerium der Finanzen
RMI
Der Reichsminister des Innern/Reichsministerium des Innern
RMVP
Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda/ Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda
RMWEV
Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung/ Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
RuPMWEV
Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
RTS
Reichstauschstelle
SBB PK
Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz
SD
Sicherheitsdienst (der SS)
SMAD
Sowjetische Militäradministration in Deutschland
StFilA
Staatsfilialarchiv
UB
Universitätsbibliothek
Quellen und Literatur Ungedruckte Quellen Bundesarchiv Berlin BArch R 2: Reichsministerium der Finanzen (Archivnummer 12421, 12423, 12435, 12436, 12520) BArch R 55: Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (Archivnummer 968) BArch R 4901: Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Archivnummer 2663, 2672, 13658, 13660, 13670, 13671, 13675, 13701, 13702, 13704, 13705, 13719 [Gisela von Busse], 13727 [Hermann Fuchs], 13758 [Hugo Andres Krüß], 13801 [Christoph Weber], 13802 [Hans Wegener], 15046, 15047, 15051, 15053, 15056, 15057, 15058, 15082-15087, 15090-15094, 15797 [= ZB 2/2180 Akte 13]) BArch NS 30: Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (Archivnummer 17, 26) BDC (Berlin Document Center): NSDAP-Zentralkartei, NSDAP-Ortskartei Politisches Archiv des Auswärtigen Amts Berlin PA AA, Personalakten, Angestellte, männlich Nr. 123 A (Dr. Adolf Jürgens) PA AA, Presseabteilung (Personalakten) 0394 (Dr. Adolf Jürgens) PA AA, R 27.524 (Sonderkommando Eberhard von Künsberg), R 27.528, R 27.554, R 27.558, R 27.574 PA AA, R 60.598 (Kulturpolitische Abteilung), R 65.704, R 65.705, R 65.706, R 65.707, R 65.708, R 65.712, R 66.789 Landesarchiv Berlin LAB C Rep. 031-02-03 LAB C Rep. 375-01 LAB C Rep. 375-01-08 LAB C Rep. 120
Entnazifizierungsstellen Groß-Berlin – Entnazifizierungskommission Kreuzberg, Akte Franz Sievers Ministerium für Staatssicherheit der DDR, Abteilung IX/11, NSSondersammlung – Teil Berlin Personalakte Franz Sievers Magistrat von Berlin, Abteilung Volksbildung, Nr. 131 Magistrat der Stadt Berlin. Staatsbibliothek
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vd Sekt. 31, Nr. 2, Bd. 10 GStA PK, I. HA Rep. 178 Archivbehörden, B 1.1. Geh. Staatsarchiv, Nr. 922
338
Quellen und Literatur
Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Historische Akten AKTEN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK, I PERSONALAKTEN (ALPH. NACH PERSONEN AUFGEFÜHRT) SBB PK, Historische Akten I.7-17 Gustav Abb I.9-186 Heinz Ahlenstiel I.20 (Hilfsarbeiterinnen) Bd. 2 (1922–1923) Annemarie Andresen I.7-22 Josef Becker I.9-214 Albert Boeckler I.9-205 Wolf von Both I.20 (1938) Bressem Erika Bressem I.9-221 Gisela von Busse zu I.10-A-1941 Helene Butuls I.7-20 Karl Christ I.9-273 Ludwig Deneke I.9-274 Volkmar Eichstädt I.10-34 Kurt Esselbrügge I.9-236 Hans Falk I.9-194 Heinrich Feldkamp I.9-231 Norbert Fischer I.9-255 Otto von Franqué I.7-25 Hermann Fuchs I.9-199 Paul Geißler I.9-155 Walter Gottschalk I.20 (Hilfsarbeiter) Bd. 1 (1916–1921) Paul Haase I.9-233 Alexander Himpel I.9-206 Käthe Iwand I.7-15 Emil Jacobs I.9-282 Hans Jessen I.9-279 Ulrich Johanssen I.7-23 Rudolf Juchhoff I.9-156 Adolf Jürgens I.20 (1937) Kathen Herta von Kathen I. 20 (1939) Krause Elli Krause I.3-3 Hugo Andres Krüß I.20 (1936) von Langendorff Ines von Langendorff I.12-96 Walter Mordau I.9-189 Kurt Ohly I.9-305 Eugen Paunel I.20 (1939) Peukert Helene Peukert I.20 (1938) Poerschke Albert Poerschke
Ungedruckte Quellen
I.7-23a I.9-284 I.20 (1938) Pontzen I.10-39 I.9-258 I.10-53 I.20 (1935) Saenger I.9-219 I.9-266 I.20 (Hilfsarbeiterinnen) Bd. 10 (1943) I.20 (1935) Schnell I.7-15 I.7-21 I.9-259 I.9-149 I.10-H (1926) Sievers I.20 (1927) Sievers I.9-185 I.9-173 I.10-35 I.9-187 I.9-116 I.9-188 I.9-216 I.9-267 I.9-203 I.9-281 I.20 (1928) Wolff
339
Wilhelm Poewe Johannes Pohl Charlotte Pontzen Margarete Pott Gerhard Reincke Reino Ruseler Eva Saenger Paul Sattler Josef Schawe Irene Scheil Helene Schnell Alexander Schnütgen Georg Schünemann Luise von Schwartzkoppen Fritz Schwiefert Franz Sievers Friedrich Smend Arthur Spanier Hans Stümke Hans Sveistrup Kurt Tautz Peter Wackernagel Hans Wegener Carl Wehmer Max Weisweiler Kurt Willner Max Wolff
AKTEN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK, II AKTEN BETR. DIE VERWALTUNG UND BENUTZUNG DER BIBLIOTHEK SBB PK, Historische Akten II.1 Geschäftsführung, Benutzungsordnungen, Anfertigung der Kataloge – Bd. 15 (zu) 1922–1924 – Bd. 16 (zu) 1925/1926 – Bd. 21 1935/1936 AKTEN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK, III ERWERBUNGSAKTEN SBB PK, Historische Akten III D.6, Bd. 10 Ankauf von Büchern aus Preußen (1931–1936) III E.2, Bd. 14 Geschenke des vorgesetzten Ministeriums (1908–1940)
340
Quellen und Literatur
III E.6 III E.7, Bd. 5 III E.25a, Bd. 1–3 III E.25a (orange/braune Mappe) III J.1, Bd. 15 III K.2, Bd. 4 III K.10, Bd. 1 III K.16, Bd. 1 III L, Bd. 6
Geschenke aus Berlin Geschenke aus Preußen (1911-1935) Reichstauschstelle und Bibliotheksausschuss (1935–1940) Reichstauschstelle und Bibliotheksausschuss (1944/1945) Pflichtexemplare Inland (1929–1939) Vereinigung kleinerer preußischer Bibliotheken mit der und Doublettenabgabe an die PSB (1933–1942) Depositum Bibliothek Gotthilf Weisstein (1921–1933) Bibliothek der SPD (1933–1943) Akten betr. die Kartenabteilung (1920–1943)
AKTEN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK, IV VERKAUF, TAUSCH UND ANDERWEITIGE ABGABE SBB PK, Historische Akten IV.1, Bd. 7 Doublettenabgabe (1929–1943) IV.2, Bd. 4 Doublettentausch (1931–1943) IV.4, Bd. 3 Anderweitige Abgabe (1922–1943) AKTEN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK, V KASSEN- UND RECHNUNGSWESEN SBB PK, Historische Akten V.8, Bd. 28–34 Etat der Bibliothek (1938–1944) V.16, Bd. 1 Beschaffungsamt (1934–1941) V.17, Bd. 1 „Deutsches Buch“ (1934/1935) V.18, Bd. 1 Buchtausch (1937–1941) AKTEN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK, VI AKTEN BETR. DAS BIBLIOTHEKSGEBÄUDE SBB PK, Historische Akten VI.10-2 Luftschutz – Bd. 2 (1941–1943) – Beiheft 1944 VI.10-2 Die Unterbringung der Bestände außerhalb Berlins – Bd. 1–3 (1941–1944) zu VI.10-2a Dienststelle Hirschberg u. a. (1944–1945) VI.10-3, Bd. 1 Fliegerangriffe (1941–1944) zu VI.19b (1935) Körber Erich Körber zu VI.19b (1938) Pfaff Elisabeth Pfaff zu VI.19b (1938) Poerschke Albert Poerschke AKTEN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK, VII VARIA SBB PK, Historische Akten VII.1-k Bd. 9 Ausstellungen (1939/1940) VII.1-m Sicherungen der Bibliotheken im besetzten Gebiet (1940–1944)
Ungedruckte Quellen
VII.2 Bd. 24–27 VII.2-2 Bd. 2 VII.2-6 Bd. 1
Den Oberbibliothekaren erteilte besondere Aufträge (1939–1944) Begründung einer Reichsbibliothek (1922–1940) Rathenau-Stiftung (1924–1934)
AKTEN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK, HISTORISCHE AKTENSAMMLUNG DER DSB SBB PK, Historische Akten A 36 Verlagerung der Bestände der PSB und deren Rückführung A 38 Rückführung der Bestände aus Polen (,RüBePol‘, 1965) A 62 (Durch die Gestapo) Beschlagnahmte und sekretierte Literatur (1934–1941) Akten Leitstelle Berlin (Poewe) Akten Leitstelle Berlin (Haenisch) AKTEN DER PREUSSISCHEN STAATSBIBLIOTHEK, GENERALDIREKTOR (SOG. „HANDAKTEN KRÜSS“) SBB PK, Historische Akten Nr. 25 Deutsche Bibliotheken (Danzig–Frankfurt) Nr. 102 NSDAP Reichsleitung (1933–1943) Nr. 103 Notgemeinschaft Ia. (1919–1925) Nr. 104 Notgemeinschaft Ib.: Exzellenz Schmidt-Ott (1909–1935) Nr. 105 Notgemeinschaft II. (1924–1927) Nr. 106 Notgemeinschaft III. (1927–1929) und IV. (1930/1931) Nr. 116 Reichsbehörden (alphabetisch ca. 1920–1940) Nr. 118 Russland / UdSSR Nr. 122 PSB: Organisationsfragen (01.04.1935) Nr. 124 PSB: Personal (A–Z) Nr. 127 Umläufe und Verfügungen (1932–1940) Nr. 226 Postjournal 1940 Nr. 228 Postjournal 1942 Nr. 228a Postjournal 1943/1944 Nr. 238 Hans Sveistrup: Fiducia praesentium (Berlin, 12. 06. 1939) Nr. 259, Mappe 6 Papiere und Drucksachen zu einzelnen Themen: ,Deutsche Reichsbibliothek‘ 1934 AKTEN DES REICHSBEIRATS FÜR BIBLIOTHEKSANGELEGENHEITEN SBB PK, Historische Akten R II-2 Bd. 1 Pflichtexemplare (1937–1943) R II-6 Bd. 1 Vereinigung von Bibliotheken (1938–1942) R II-7 Bd. 1 Allgemeines (1937–1944) R V-2 Bd. 1+2 Wissenschaftliche Beamte (1937–1944) R XII-1 Bd. 2+3 Deutsche Bibliotheken (1942–1944)
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Quellen und Literatur
AKTEN DER REICHSTAUSCHSTELLE (OHNE AKTENSIGNATUREN) SBB PK, Historische Akten, RTS Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen 1943–1949: A–J Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen 1943–1949: K–P Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen 1943–1949: R–Z Ankauf von Büchern und Bibliotheken von Privatpersonen (Mappe): Wiederaufbau Richtlinien Depots für Verlagerung 1943–1945 Erworbene ausländische Bibliotheken Reichstauschstelle 1944/45: Personalaufstellungen, Raumfrage, Buchtransport Schadensmeldungen der Bibliotheken 1942–1945 Schriftwechsel betr. Verlagerung 1943–1947: A–L Schriftwechsel betr. Verlagerung 1943–1947: M–Z Verzeichnis der Aktenzeichen des Wiederaufbaus AKTEN DER ÖFFENTLICHEN WISSENSCHAFTLICHEN BIBLIOTHEK, GENERALAKTEN SBB PK, Historische Akten G I/A/10 Verkehr mit der sowjetischen Militäradministration (1945–1949) G I/A/20 Verkehr mit der amerikanischen Militäradministration (1945–1948) G I/A/21 Verkehr mit der britischen Militäradministration (1945–1947) G I/A/22 Verkehr mit der französischen Militäradministration (1945–1949) G I/A/30 Verkehr mit der Auffangstelle des Reichserziehungsministeriums und der Deutschen Verwaltung für Volksbildung (1945–1949) G I/A/50 Verkehr mit dem Bürgermeister, dem Magistrat und mit Bezirksämtern in Groß-Berlin (1945–1949) AKTEN DER ÖFFENTLICHEN WISSENSCHAFTLICHEN BIBLIOTHEK, PERSONALAKTEN SBB PK, Historische Akten, ÖWB Personalakten Nr. 45 Charlotte Steinbrucker Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Historische Akzessionsjournale Akzessionsjournale der Preußischen Staatsbibliothek (angegeben wird die Gesamtlaufzeit der einzelnen Unterreihen) Akz. Deutsch [=Kauf] 1913–1963 Akz. Ausländisch [=Kauf] 1913–1962 Pflichtlieferungen (P) 1886–1962 Akz. Deutsch Dona (D) 1913–1962 Akz. Ausländisch Dona (D) 1913–1962 Akz. Notgemeinschaft (Ng) 1928–1946 Orientalische Abteilung, Erwerbungen, Bücher (Or) 1919–1990 Sonderjournal Freimaurer (Frm) 1938 Sonderjournal SPD 1938
Ungedruckte Quellen
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Indexdatenbank zweifelhafter Zugänge (IDZZ): Aus den Akzessionsjournalen erstellte interne Datenbank über die als NS-Raubgut verdächtigen Erwerbungen der PSB Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Nachlässe und andere personenbezogene Unterlagen SBB PK, Handschriftenabteilung – Nachlass Hugo Andres Krüß – Nachlass Rudolf Hoecker – Nachlass Josef Becker – Misz. 83-1: Hermann Fuchs (Kopien amtlicher französischer Schriftstücke von 1945 betr. seine Tätigkeit beim Bibliotheksschutz in Frankreich) – Misz. 107: Irene Scheil (u. a. Typoskripte und Drucksachen zum Bibliotheksschutz in Frankreich) – Misz. 112: Ernst Wermke: Der deutsche Bibliotheksschutz in Frankreich, Typoskript 1984 Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam BLha Rep. 36 A Akten des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg – Rep. 36 A II Nr. 4.589 Philipp Bonn – Rep. 36 A II Nr. 12.299 Gustav Gottschalk / Franziska Gottschalk – Rep. 36 A II Nr. 15.752 Hans Hirschfeld – Rep. 36 A II Nr. 35.890 Hedwig Simon, geb. Brühl, verw. Fechheimer – Rep. 36 A II Nr. 38.052 Georg Tietz – Rep. 36 A II Nr. 38.058 Martin Tietz Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden HStA Dresden, Bestand 11377 Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern – 11377/3913 HStA Dresden, Bestand 11381 Landesregierung Sachsen, Ministerium der Finanzen – 11381/3618, 11381/3666 HStA Dresden, Bestand 11401 Landesregierung Sachsen, Ministerium für Volksbildung – 11401/1732 Registrande Wissenschaftliche Bibliotheken 1945–1947 – 11401/1733 Registrande Wissenschaftliche Bibliotheken 1947 Sächsisches Staatsarchiv, Archivverbund Bautzen – Staatsfilialarchiv Bautzen StFilA Bautzen Bestand 62 AH Btz: Inanspruchnahme von Schlössern und Herrenhäusern (1943)
344
Quellen und Literatur
Archiwum Państwowe we Wrocławiu, Oddział w Jeleniej Górze AP Jelenia Góra 83/113 Bestand Pruska Biblioteka Państwowa Oddział Hirschberg [Preußische Staatsbibliothek, Außenstelle Hirschberg] – 83/113/0/1 Verfügungen etc. – 83/113/0/5 bis 14 Belege der Stelle für Amtliche Druckschriften – 83/113/0/15 Korrespondenz der Erwerbungsabteilung mit Buchhandlungen und anderen Einrichtungen über die Ankäufe 1939–1943: A–E – 83/113/0/16 dass.: F–H – 83/113/0/17 dass.: I–R – 83/113/0/18
dass.: S–Z
– 83/113/0/19
Korrespondenz der Erwerbungsabteilung mit Buchhandlungen und anderen Einrichtungen über die Ankäufe 1942–1943: A–K dass.: L–Z Korrespondenz mit dem Oberkommando der Wehrmacht 1940–1942 Korrespondenz mit der Wehrmachtsichtungsstelle 1941–1943 Korrespondenz der Kaufstelle Hirschberg 1944
– 83/113/0/20 – 83/113/0/21 – 83/113/0/22 – 83/113/0/26
Gedruckte Quellen und Literatur
345
Gedruckte Quellen und Literatur
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Register erstellt von Michaela Scheibe und Thomas Rose
Das Register gliedert sich in einen Personenindex, ein Register der Bibliotheken und ein Register der geographischen Begriffe, Institutionen und Organisationen. Allzu häufig auftauchende Begriffe wie Preußische Staatsbibliothek, Reichstauschstelle etc. sind ggf. lediglich als Oberbegriff (ohne Seitenzahlen) aufgenommen, die einzelnen Abteilungen und Untergliederungen sind darunter verzeichnet. Bei den Personen wurden nach Möglichkeit Lebensdaten und Ämter bzw. Funktionen (vor allem in den Jahren 1933–1945) mit aufgenommen. Waren Lebensdaten nicht ermittelbar, sind in Klammern die nachweisbaren Wirkungsjahre angegeben. Das Bibliotheksregister ist nach Orten gegliedert. Bibliotheken und Buchbesitz von Privatpersonen sind am Schluss nach den Namen der Eigentümer aufgeführt. Das Register der Geographica, Institutionen und Organisationen enthält nicht nochmals die Bibliotheken, wohl aber ihnen übergeordnete Institutionen bzw. Organisationen.
Personenregister
Abb, Gustav, 1886–1945, PSB: seit 1923, 1928 Dir. Benutzungsabt., zugl. 1934/1935 Dir. UB Berlin, 1940 Kommissar für den Bibliotheksschutz in den besetzten Ostgebieten, Leiter der Hauptverw. der Bibliotheken des Generalgouvernements
> 46, 88, 107f., 138, 212, 214ff., 248f., 338 Abetz, Otto, 1903–1958, 1940–1944 Botschafter des Deutschen Reiches im besetzten Frankreich
> 253, 265f. Abramovič, Rafail, 1880–1963, Pseud. für Rafail Abramovič Rein, Russ. Gewerkschafter und Menschewik > 166 Ackermann, Martha, (1945), Ehefrau von Walter Ackermann > 155 Ackermann, Walter, (1921–1944), NG: seit 1921, RTS/BA/DAB an der PSB: seit 1934, 1939 als Mitarbeiter BA an der PSB genannt, seit 1943 Leiter Ausweichstelle Eberswalde > 51, 86, 88ff., 155f. Adenauer, Ludwig, 1902–1971, 1933–1939 Mitarbeiter der Verwaltung des Regierungsbezirks Liegnitz, Regierungsrat > 180f. Ahlenstiel, Heinz, 1891–1967, PSB: seit 1923, 1929 BR > 338 Albrecht, …, (1934), Hausmeister im Gebäude des „Vorwärts“ > 168 Albrecht, Richard, (1940), Mitarbeiter des Sonderbeauftragten für die Sicherung der Kunst- und Kulturgüter im Generalgouvernement > 247 Andreae, geb. Rathenau, Edith, 1883–1952, Schwester von Walther Rathenau, Herausgeberin seiner Werke > 231f. Andreae, Fritz, 1873–1950, Bankier, Ehemann von Edith > 231f. Andresen, Annemarie, 1898–?, PSB: Hilfsarbeiterin, Erwerbungsabt., Bearbeitung von Literatur aus Beutegut > 134, 210, 228, 265, 283, 288f., 338
Andrieux, …, (1942), Experte für Antiquaria, Paris > 274 Arnau, Frank, 1894–1976, Schriftsteller, Publizist > 182 Arndt, Ernst Moritz, 1769–1860, Schriftsteller > 200 Asmussen, Hans Christian, 1898–1968, Autor, ev. Theologe > 71f.
Auber, Daniel François Esprit, 1782–1871, Komponist > 280
Baccarcich, Friedrich, 1888–1964, seit 1924 Mitarbeiter Bundesfinanzmin. Wien, 1940 Ministerialrat RMF > 105, 107ff., 110, 112, 124f., 137f. Bach, Carl Philipp Emanuel, 1714–1788, Komponist > 280 Bachér, Franz, 1894–1987, seit 1934 Prof. TH Berlin, 1935 gleichzeitig Leiter der Hochschulabt. im Amt Wissenschaft des RuPMWEV > 44, 70, 195f., 213 Baeck, Leo, 1873–1956, Rabbiner, jüdischer Gelehrter > 211 Balke, …, Eigentümer einer 1944 von RTS angekauften Büchersammlung > 127 Balluseck, Dr. … von, (1938), Mitarbeiter der Verwaltung des Regierungsbezirks Liegnitz > 181 Balzac, Honoré de, 1799–1850, Schriftsteller, Verfasser von „Le lys dans la vallée“ > 277 Bardtfeld, Hildegard, (1945–1946), Mitarbeiterin BA, Schloss Frankenberg > 156 Bartels, Walter, (1941), Ingenieur, Prof., Oberleutnant > 264f. Bayer, Dr. …, (1943), Mitarbeiter Militärverwaltungschef bei der Militärverwaltung Belgien und Nordfrankreich > 133 Bebel, August, 1840–1913, Politiker, Begründer der deutschen Sozialdemokratie > 102, 173
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Personenregister
Becker, Carl, (1936), Autor eines Werkes zu Auswan-
Blankenhorn, Herbert, 1904–1991, Legationsrat AA,
derungsfragen > 183 Becker, Horst, (1944), Mitarbeiter der Kulturpolitischen Abt. des AA > 136 Becker, Josef, 1883–1949, PSB: 1935–1945 Erster Dir.
1943 Leiter der Wirtschaftsabt. der deutschen Gesandtschaft Bern > 80 Bloem, Walter, 1868–1951, Schriftsteller > 183 Bock, Friedrich, 1890–1963, Historiker, 1933–1945 Sekretär DHI Rom > 138 Bodenstein, Max, 1871–1942, Physikochemiker > 97, 124 Boeckler, Albert, 1892–1957, PSB: seit 1924, 1933 BR, 1941 Sachverständiger für Bibliotheksgut im Verwaltungsbezirk Berlin, 1942 Dir. Staatl. Kunstbibliothek > 127, 224f., 251, 256, 282, 338 Böttcher, …, (1942–1943), Oberregierungsrat Oberfinanzpräsidium Berlin-Brandenburg, Vermögensverwertungsstelle > 102, 125f. Bonn, Philipp, Bibliophile > 125ff., 343 Borchers, …, (1943), Regierungsrat RMF > 109, 138 Bossert, Helmuth Theodor, 1889–1961, Kunsthistoriker, Archäologe, Exil in Istanbul > 69 Both, Wolf von, 1901–1976, PSB: seit 1927, 1935 BR, seit 1940 als Kriegsverwaltungsrat abkommandiert: Mitarbeiter von Abb in Krakau, Referat Bibliotheksschutz in Paris, Kultusbehörde des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren > 138, 248, 255, 260, 271, 338 Bouteron, Marcel, 1877–1962, 1944–1946 Directeur des Bibliothèques de France > 258 Brackmann, Albert, 1871–1952, Historiker, 1929–1936 GD der Preußischen Staatsarchive > 169 Bräuninger, Friedrich, 1901–1945, Dir. Deutsche Heeresbücherei, Berlin > 294 Brandt, Hermann, (1937–1940), PSB: Amtmann im Zentral-Bureau > 224, 250 Braun, Hans, (1944), Mitarbeiter des Sonderstabes Wissenschaft des ERR > 145f. Brenneke, Adolf, 1875–1946, Historiker, 1936–1943 Dir. GStA > 169–172 Bressem, Erika, (1938), Bildberichterstatterin, seit 1938 Sekretärin BA an der PSB > 90f., 338
> 20f., 50, 71–80, 90, 95, 116, 171, 189f., 195, 202, 208, 222–230, 242, 245–256, 263, 268f., 280f., 286, 338, 343 Beermann, Elisabeth, (1926–1935), Volksschullehrerin und Sekretärin, seit 1926 NG, Geschäftsstelle des BA, seit 1934 RTS/BA/DAB an der PSB > 51, 88f. Beethoven, Ludwig van, 1770–1827, Komponist > 269 Behr, Paul, (1937), Mitarbeiter der Buchhandlung Benedict Lachmann, 1937 durch Notverkauf erworben > 240 Bender, …, (1940), Min.dir. RMF, Verwaltungsratsvorsitzender der Firma ROGES > 283 Berent, Elinor, (1945), Mitarbeiterin der RTS, Dienststelle Baruth > 151 Bernays, Paul, 1888–1977, Autor, Mathematiker > 72 Bernstein, Eduard, 1850–1932, SPD–Politiker, Publizist > 170, 204 Bertrams, Dr. …, (1936), Mitarbeiter Regierungspräsident Grenzmark Posen-Westpreußen > 187 Berwick, … Baron de, (1943) > 280 Beyer, Waldemar, 1909–1952, Leiter der Zentralbibliothek des RSHA > 197f. Biedermann, Günther, (1942), Oberregierungsrat, Referatsleiter im Bereich Verfallene Vermögen des Oberfinanzpräsidiums Berlin–Brandenburg > 101f. Bieletzke, Walter, (1939), Mitarbeiter DAB an der PSB > 91 Bier, August, 1861–1949, Arzt, Förster, 1937 Deutscher Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft > 119, 124 Bizet, Georges, 1838–1875, Komponist > 280 Blank, Herbert, 1899–1958, Schriftsteller, Pseud.: Weigand von Miltenberg > 181f.
Personenregister
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Brethauer, Karl, 1906–1992, seit 1941 wiss. Mitarbei-
Carlquist, Gunnar, 1889–1963, UB Lund: ab 1909,
ter ERR, Leiter der Hauptarbeitsgruppe Frankreich > 146 Breysig, Kurt, 1866–1940, Historiker > 128, 152 Brohl, …, (1941), Mitarbeiter Der Beauftragte für den Vierteljahresplan, Haupttreuhandstelle Ost > 243 Buchholtz, … von, (1939), Mitarbeiter DAB an der PSB > 90f. Budy, Kurt, 1883–?, 1911 prom. in pharmazeut. Chemie, Teilhaber der Firma R. Friedländer & Sohn, 1936 aufgrund der NS-Rassegesetze zum Ausscheiden gezwungen > 122f. Budy, Otto, gest. 1911, Buchhändler, Teilhaber der Firma R. Friedländer & Sohn, Vater von Paul u. Kurt Budy > 122f. Budy, Paul, 1877–1946, Buchhändler, Teilhaber u. seit 1939 Alleininhaber der Firma R. Friedländer & Sohn > 122f. Bühler, Joseph, 1904–1948, Staatssekretär des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete, 1940 ständiger Stellvertreter > 247 Bülow, Bernhard Wilhelm von, 1885–1936, AA: 1930–1936 Staatssekretär > 68ff. Burmeister, Hermann, (1942–1943), Ministerialrat, RMF > 107f. Burmester, Karl, 1911–?, SS-Sturmbannführer, Mitarbeiter RSHA, seit 1942 Leiter der Zentralbibliothek > 109 Buschbeck, Ernst, 1841–1918, Buchhändler, Inhaber der Buchhandlung R. Friedländer & Sohn > 122f. Busse, Gisela von, 1899–1987, seit 1930 NG, seit 1934 RTS/BA/DAB an der PSB, Stellvertreterin von Jürgens
Dir. 1939–1955 > 80 Caro, Kurt, 1905–1979, Journalist > 182, 187 Carsten, Albert, 1859–1943, Architekt, Prof. TH Danzig, Baurat u. Geheimer Regierungsrat, 1943 nach Theresienstadt deportiert > 240f. Casella, Francesco Antonio, 1819–1894, Jurist, Bibliophile in Neapel > 299 Chopin, Frédéric, 1810–1849, Komponist > 260 Christ, Karl, 1878–1943, PSB: seit 1932 Abt.-Dir. Handschriftenabt., 1941 Sachverständiger für Bibliotheksgut im Verwaltungsbezirk Berlin > 224f., 240f., 247, 268, 279f., 338 Coblitz, Wilhelm, 1906–?, Verwaltungsjurist, seit 1940 Dir. des Instituts für Deutsche Ostarbeit, Krakau > 247f. Cohn, Dr. …, (1942), Eigentümer eingezogener Buchbestände, Berlin > 209 Consentius, Ernst, 1876–1937, PSB: seit 1919, 1927 BR > 299 Courant, Richard, 1888–1972, Autor, Mathematiker > 72 Crous, Ernst, 1882–1967, PSB: seit 1915, 1918 BR, Leiter der Inkunabelsammlung, Dozent an der Bibliotheksschule > 273
> 21, 37, 42–45, 48, 51ff., 55, 70, 79f., 86–91, 113, 118–121, 126ff., 136–139, 156ff., 228, 337f. Bußmann, Walter, (1943), Mitarbeiter RMF > 108, 112 Buttmann, Rudolf, 1885–1947, 1933 Min.dir. RMI, seit 1935 GD der BSB > 95, 190, 200f., 239f. Butuls, Helene, (1941), Lettische Staatsbibliothek Riga: Bibliothekarin, seit 1941 RTS an der PSB > 115, 338
Dähnhardt, Heinz, 1897–1968, RMWEV: seit 1934 Ministerialbeamter, 1937 Oberregierungsrat, 1938 Vorsitzender des Reichsprüfungsamtes für das Büchereiwesen > 109 Dahnke, Dr. …, (1941), Kriegsverwaltungsrat, Gruppe 4 (Schule und Kultur) beim Militärbefehlshaber in Frankreich > 254 Dahnke, Heinrich, (1939), Regierungsrat DeutschAkademischer Austauschdienst > 79 Dalitz, Ruth, (1941), Sekretärin der Reichsausstellung Gutenberg, seit 1941 Stabshelferin im Referat Bibliotheksschutz in Brüssel, eventuell identisch mit Frau Dorenberg > 256
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Personenregister
Dan, Theodor, 1871–1947, Pseud. von Fedor Il’ič Gur-
Drescher, …, (1940–1941), Mitarbeiter der Abt. Volks-
vič, russ. Arzt und Menschewik > 166 Daudistel, Albert, 1890–1955, Schriftsteller, 1933 nach Island emigriert > 183 Denecke, Ludwig, 1905–1996, 1930–1933 Mitarbeiter am Deutschen Wörterbuch der Preußischen Akad. der Wiss., PSB: 1936 Sekretierungsabt., 1937 außerplanmäßiger Bibliothekar > 219, 338 Dennert, Otto, (1942), Vorsteher des Finanzamts Berlin Wilmersdorf-Nord > 102 Deringer, Andreas von, 1903–?, Mitarbeiter Gesamtverband Deutscher antikommunistischer Vereinigungen e.V. (Antikomintern) > 199 Des Coudres, Hans–Peter, 1905–1977, seit 1935 Leiter der Bibliothek auf der Wewelsburg, 1939 Dir. Landesbibliothek Kassel > 200ff. Deutsch, Joseph, 1885–1966, seit 1932 Dir. SUB Breslau > 246 Dibelius, Otto, 1880–1967, ev. Theologe > 183 Dietrich, Ursula, (1945), Mitarbeiterin der PSB, Dienststelle Hirschberg, nach 1945 RTS, Dienststelle Baruth > 151 Dittmann, …, (1943), Mitarbeiter AA > 138 Donnevert, Max, 1872–1936, Wissenschaftsfunktionär, Reichskommissar NG und Kaiser-Wilhelm-Ges., RMI: Ministerialrat, Leiter der kulturpolit. Abt., seit 1926 Leiter der RTS > 34, 40, 42 Dorenberg, …, (1941), seit 1941 Stabshelferin im Referat Bibliotheksschutz in Brüssel, eventuell identisch mit Frl. Dalitz > 256 Dörnberg, Alexander von, 1901–1983, Diplomat, SSFührer, 1938–1945 Leiter der Protokollabt. AA > 285 Dorp, Bruno van, (1945), Mitarbeiter Firma J.G. Henze, Spedition > 154 Drahn, Ernst Eduard Carl, 1873–1944, Leiter des sozialdemokratischen Parteiarchivs, staatl. Kommissar für die Revolutionssammlung der PSB, 1933 für das RMVP tätig, Sozialistica-Experte > 166f.
aufklärung und Propaganda der Regierung des Generalgouvernements > 249f. Droescher, Johannes, (1945), Gutsbesitzer in Lissa > 153
Edschmid, Kasimir, 1890–1966, Schriftsteller > 183 Ehreke, Rudolf, (1941), RTS/BA/DAB an der PSB: Packer > 91, 116
Ehrenstein, Albert, 1886–1950, Schriftsteller > 183 Eichholz, Ludwig, 1903–1964, Leiter der Hauptabt. Wissenschaft und Unterricht der Regierung des Generalgouvernements > 107 Eichstädt, Volkmar, 1909–1945, PSB: ab 1938 Leiter der Zeitschriftenstelle, 1939 zum Kriegsdienst eingezogen > 198, 209, 227, 230, 338 Einstein, Albert, 1879–1955, Physiker, Mitglied des Kuratoriums der Walther Rathenau-Stiftung > 231 Engelbrecht, …, (1942), Mitarbeiter RMF, Referat VI > 107 Engler, …, (1934), Mitarbeiter Regierungspräsidium Wiesbaden > 175 Epting, Karl, 1905–1979, Leiter des Deutschen Instituts Paris, stv. Leiter der Aktiengesellschaft Librairie Rive Gauche > 274 Erken, …, (1939), Hauptzollamt Düsseldorf > 209 Ertelt, Paul, 1880–?, PSB: Verwaltungsobersekretär im Zentral-Bureau und sog. Politischer Leiter > 226 Esselbrügge, Kurt, (1935–1941), PSB: 1935 Bibliotheksinspektor in der Signierstelle, 1936 Leiter der Wehrkreisbücherei X Hamburg, 1941 Beauftragter d. Chefs der Heeresbüchereien für das besetzte Frankreich, Standort Paris > 262, 338 Everling, Friedrich, 1881–1958, Schriftsteller, Pseud.: Schlehdorn > 183 Evers, Herbert, (1939), RTS an der PSB: Hilfskraft 1939 > 89f.
Personenregister Falk, Hans, 1899–? (im Zweiten Weltkrieg vermisst), 1935–1936 wiss. Bibliothekar in der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums, PSB: 1936 Sekretierungsabt., danach Katalogabt. > 219, 338 Falke, Friedrich, 1871–1948, Rektor der Hochschule für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Veterinärwesen, Ankara > 203 Falke, Otto von, 1862–1942, Kunsthistoriker, Spezialist für Kunstgewerbe, 1920–1927 GD der Berliner Museen > 97 Fechheimer-Simon, geb. Brühl, Hedwig, 1871– 1942, Ägyptologin und Kunsthistorikerin, wählte vor Deportation den Freitod > 102,125f., 343 Feist-Wollheim, Hans, 1887–1952, Arzt, Schriftsteller, Übersetzer, 1939 in die Schweiz emigriert > 225 Feldkamp, Heinrich, 1887–1939, UB Halle: seit 1920, 1922 BR. – PSB: seit 1925, seit 1927 Erwerbungsabt., Leiter der Kaufstelle, der Pflichtexemplarstelle, der Stelle für amtliche Drucksachen und der Dublettenstelle > 20, 162–241, 254, 267, 302, 307f., 338 Feuchtwanger, Lion, 1884–1958, Schriftsteller > 102, 182 Finke, Helga, (1939), Mitarbeiterin DAB an der PSB > 91 Fischbach, Alois, (1943), Leiter der Finanzabt. beim Obersten Kommissar der Operationszone Adriatisches Küstenland > 142 Fischer, Fritz, 1866–?, Ministerialamtmann AA, Johannisloge Teutonia zur Weisheit, Potsdam: 1895 Mitglied, Bibliothekar, 1935 Bevollmächtigter bei der Auflösung, Wohnung: Neue Königstr. 3 > 234f., 302 Fischer, Norbert, (1926–1944), Geograph, prom. Würzburg 1926, PSB: 1929 Volontär von der UB Greifswald, 1930 Bibliothekar, 1936 Kartenabt., 1944 Leiter der Außenstelle Neugersdorf > 260f., 264, 338 Frank, Hans, 1900–1946, NS-Politiker und Jurist, seit 1939 Generalgouverneur für die besetzten polnischen Gebiete > 247f. Frank, Karl, (1941), Einkäufer für das Leipziger Antiquariat Harrassowitz in Paris, Leiter der Aktiengesellschaft Librairie Rive Gauche > 273f. Franqué, Otto von, 1903–1945, PSB: 1935–1936 Leiter der Einbandstelle, Aug. 1936 Leiter der Biblio-
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thek der Luftkriegsakademie in Gatow, 1939 Dir. Bibliothek TH Danzig > 212, 216f., 221, 338 Franz, Walter, (1935), Schlosser aus Plaue im Westhavelland, Eigentümer beschlagnahmter Bücher > 179 Freundlich, Erwin, 1885–1964, Astronom, Exil in Istanbul > 69 Frick, Wilhelm, 1877–1946, NS–Politiker, 1933–1943 Reichsminister des Innern > 197 Friedländer, Raphael, 1793–1853, Buchhändler, Antiquar in Berlin > 122f., 151 Fuchs, Hermann, 1896–1970, PSB: BR, Leiter der „Schriftleitung des Deutschen Gesamtkatalogs“, 1940–1944 abgeordnet nach Paris als Leiter des Referates „Bibliotheksschutz“ im Stab des Militärbefehlshabers für Frankreich > 18, 21, 24, 27, 113, 128–133, 139, 149, 157,
173f., 224ff., 251–282, 310, 337f., 343 Fürbringer, …, (1938), Mitarbeiter Finanzamt Nürnberg-Nord > 208 Funke, …, (1934), Mitarbeiter Regierungspräsidium Stade > 175
Gablenz, Adolf Freiherr von, 1882–1948, Polizeipräsident Wiesbaden > 180 Gast, …, (1936), SPD-Funktionär in Gonzenheim > 175, 179 Gaus, Friedrich, 1881–1955, Diplomat, AA: seit 1907, ab 1923 Leiter des Referats für internationales Recht, Unterstaatssekretär, 1944 Botschafter > 285 Geilenbrügge, …, (1941–1943), RMF: Regierungsrat, nach 1941 Oberregierungsrat > 109 Geißler, Paul, 1897–1992, PSB: seit 1926, Erwerbungsabt., 1939 Leiter der Zeitschriftenstelle, Leiter der Kaufstelle in der Dienststelle Hirschberg, zuständig für die Bearbeitung des durch die Wehmacht überstellten Raubgutes > 227, 230, 267, 271ff., 276, 281, 283, 288,
293, 338 Gerigk, Herbert, 1905–1996, Musikwissenschaftler, zuständig für die Musikpolitik im Amt Rosenberg, Leiter des Amtes Musik im ERR, führend beteiligt an den Aktivitäten des Sonderstabes Musik in den besetzten Gebieten > 253f., 279
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Personenregister
Gerstner, Hermann, 1903–1993, BSB München, 1940/
Gottschalk, geb. Hofmann, Franziska, 1872–1944,
1941 an das Referat Bibliotheksschutz in Paris abgeordnet. 1942 Verwaltungsstab des Kommandierenden Generals und Befehlshabers in Serbien > 255, 295 Gerullis, Georg, 1888–1945, Min.dir. PMWKV > 46, 212ff. Geuthner, Paul, 1877–1949, Buchhändler, Gründer der auf Orientalistik spezialisierten librairie Geuthner in Paris > 273f. Gibbons, Floyd Philipps, 1887–1939, Amerikan. Journalist, Kriegskorrespondent > 181f. Gieche, Wilhelm, (1935–1939), RTS/BA/DAB an der PSB: Packer > 88, 90f. Gilly, David, 1748–1808, Preußischer Landbaumeister, Architekt > 240 Glum, Friedrich, 1891–1974, seit 1920 Mitarbeiter Preußisches Innenmin., 1922–1937 Dir. der KaiserWilhelm-Gesellschaft (1937 zum Rücktritt gezwungen), 1930 ao. Prof. für Staats- und Verwaltungsrecht > 45, 96 Goebbels, Joseph, 1897–1945, NS-Politiker, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda > 82, 86f., 252ff. Göring, Hermann, 1893–1946, NS-Politiker, 1933 Preußischer Ministerpräsident, 1935 Oberbefehlshaber der Luftwaffe, 1936 Leiter des Vierjahresplans > 11, 91, 112, 169, 233, 243, 283ff. Goldschmidt, Adolph, 1863–1944, Kunsthistoriker, emigriert > 127 Goldschmidt, Alfons, 1879–1940, Schriftsteller, emigriert > 182 Goll, Claire, 1891–1977, Schriftstellerin > 183 Goll, Ywan, 1891–1950, Schriftsteller > 183 Gor’kij, Maksim, 1868–1936, Schriftsteller > 183 Gosch, Franz, 1884–1952, seit 1934 Dir. UB Graz > 183 Gotthardt, Hermann, (1933–1934), Regierungsassessor, Geheimes Staatspolizeiamt > 164 Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von, 1868–1958, Staatswissenschaftler, Nationalökonom > 124
Ehefrau von Gustav, am 3. 10. 1942 nach Theresienstadt deportiert und später ermordet > 125, 127f., 343 Gottschalk, Gustav, 1864–1942, Kaufmann in Berlin, am 3. 10. 1942 nach Theresienstadt deportiert und später ermordet > 125, 127f., 343 Gottschalk, Walter, 1891–1974, Orientalist, PSB: seit 1919, BR in der Orientalischen Abt., emigriert 1939 > 338 Graack, Henry, prom. 1906, Jurist, Syndikus der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums > 235 Grabs, …, (1945), Amtsrat Landesverwaltung Sachsen, Landesrechnungshof > 158 Granier, Friedrich, 1893–1946, Preuß. Staatsarchivar, seit 1925 GStA, 1938 abgeordnet zum Heeresarchiv, 1939 Heeresarchivrat, dann Heeresoberarchivrat > 293 Grapow, Hermann, 1885–1967, Ägyptologe, 1943– 1945 Vizepräsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften > 124 Graser, Gretel, (1939), Mitarbeiterin DAB an der PSB > 91 Greiser, Arthur Karl, 1897–1946, 1939–1945 Reichsstatthalter im Reichsgau Wartheland > 65 Groh, Wilhelm, 1890–1964, Jurist, 1933–1936 Rektor der Heidelberger Universität, 1937 Hauptreferent RMWEV > 54, 73, 191, 204 Grünebaum, Bernhard, (1926–1938), Inhaber einer hebr. Buchhandlung in Kassel, Bahnhofstr. 7, evtl. der Vater von Julius > 208 Grünebaum, Julius, (1938), Buchhändler für Hebraica in Kassel, 1935 aus der RSK ausgeschlossen > 208 Gülich, Wilhelm, 1895–1960, seit 1924 Dir. Bibliothek des Instituts für Weltwirtschaft, Kiel > 85 Guillaume, …, (1941), Anbieter von Antiquaria, v.a. Hebraica/Judaica > 276 Gurvič, Fedor Il’ič, 1871–1947, Pseud.: Theodor Dan, russ. Arzt und Menschewik > 166
Personenregister Haagen, Eugen, 1898–1972, Bakteriologe, Virologe > 86 Haase, Paul, (1939), RTS/BA/DAB an der PSB: Packer > 91, 338 Haegert, Wilhelm, 1907–1994, Mitarbeiter RMVP, ab 1941 Vizepräs. der Reichsschrifttumskammer > 192 Haenisch, Wolf, 1908–1978, seit 1935 PSB, 1944 BR, Erster Dir. ÖWB 1946 > 151, 158, 341 Hagen, Hermann Bessel, 1889–1976, Geograph, 1947–1957 Dir. IAI Berlin > 75 Hamdi Bey, Osman, 1842–1910, Archäologe, Maler, Politiker > 135 Hampel, …, (1936), Mitarbeiter Regierungspräsident Marienwerder > 188 Handwerker, Otto, 1877–1947, BSB: 1939–1945 Leiter der Erwerbungsabt. und Stellvertreter des GD > 183, 239 Hansen, …, (1936), Mitarbeiter Regierungspräsident Arnsberg > 187 Harnack, Adolf von, 1851–1930, Kirchenhistoriker und Wissenschaftspolitiker, bis 1921 GD der PSB > 29ff., 46 Hartmann, Albert, 1885–1973, BSB: seit 1939 Leiter der Handschriftenabt. > 94 Hartmann, Karl Julius, 1893–1965, 1934 Dir. UB Münster, 1935 Dir. UB Göttingen, 1942–1945 komm. Leitung UB Straßburg > 95 Hederich, Karl Heinz, 1902–1976, Stv. Leiter der Parteiamtlichen Prüfungskommission > 72, 77 Hehn, Jürgen von, 1912–1983, SS-Untersturmführer > 65f. Heigl, Paul, 1887–1945, PSB: seit 1935, 1936 Leiter der Zeitschriftenstelle, 1938 GD NB Wien > 63, 95, 142f., 198, 227, 294f., 310 Helwig, Ruth, (1936–1940), PSB: Hilfsarbeiterin in der Erwerbungsabt. > 178, 182, 209, 228, 245 Hemmerling, …, (1944), Mitarbeiterin DAB > 121 Herrmann, Max, 1865–1942, Literaturhistoriker und Theaterwissenschaftler, Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Literatur, 1942 nach Theresienstadt deportiert > 236
371
Herzog, Reginald Oliver, 1878–1935, Chemiker, Exil in Istanbul > 69
Heydrich, Reinhard, 1904–1942, Chef der Sicherheitspolizei und des SD > 137 Hilbert, David, 1862–1943, Mathematiker > 72 Hilgers, …, (1934), Mitarbeiter Regierungspräsident Münster > 186 Himmler, Heinrich, 1900–1945, Reichsführer SS und Chef der dt. Polizei > 187f., 201, 259, 308 Himpel, Alexander, 1894–1982, PSB: Bibliothekar, 1942 beim ERR in Wilna > 286, 338 Hinrichsen, Henri, 1868–1942, Inhaber des Musikverlags Peters in Leipzig, 1939 enteignet > 269 Hinrichsen, Johnny, 1868–1944, Bibliothekar der SPD-Bibliothek > 161, 168 Hirsch, Julius, 1892–1963, Mediziner, Exil in Istanbul > 69 Hirschfeld, Hans, 1873–1945, Arzt, Eigentümer einer Privatbibliothek, Berlin > 101, 125f., 343 Hirschfeld, Magnus, 1868–1935, Arzt, Sexualwissenschaftler > 235 Hirschwald, August, 1774–1848, Buchhändler und Verleger, Berlin > 102 Hoecker, Rudolf, 1889–1976, Kommissarischer GD PSB, UB und BTH Berlin 1945, Chefdir. ÖWB 1946–1950 > 21, 151, 154–157, 242ff., 302, 343 Höhn, Reinhard, 1904–2000, SS-Sturmbannführer, seit 1935 Dir. des Instituts für Staatsforschung, zugleich Abt.-Dir. im RSHA > 61, 196 Hoffmann, Otto Martin, (1932), Schriftsteller > 183 Hohnisch [?], …, (1942), Major, OKH, Generalstab des Heeres, Abt. Fremde Heere Ost > 292 Horkheimer, Max, 1895–1973, Philosoph, Soziologe > 193f.
Iwand, Käthe, 1894–1985, PSB: BR, Referentin für englische und romanische Sprachen und Literatur > 228, 272f., 338
372
Personenregister
Jaager, Kurt, 1904–?, Regierungsassessor, Geheimes Staatspolizeiamt > 165, 168 Jacobs, Emil, 1868–1940, PSB: 1929–1935 Erster Dir. > 28, 42, 50, 91, 162, 165–169, 224, 233f.,
237f., 338 Jahr, Ernst-Hermann [?], 1909–?, Referatsleiter Geheimes Staatspolizeiamt > 210 Janich, Franz, 1895–?, Regierungsassessor, Geheimes Staatspolizeiamt, in den Akten: „Oberregierungsrat Janicke“ > 164 Jessen, Hans, 1897–1979, PSB: seit 1937, BR, Referent für Zeitungen, Universitäten und Schulen > 228, 338 Johanssen, Ulrich, (1940–1941), PSB: Bibliothekar, ab 1941 komm. Dir. Staatsbibliothek Lemberg > 248, 338 Jones, Henry Arthur, 1851–1929, Schriftsteller > 290 Juchhoff, Rudolf, 1894–1968, PSB: seit 1922, 1927 BR, 1935–1945 Abt.-Dir. Gesamtkatalog und Auskunftsbüro, komm. Leiter der Orientalischen Abt., Ausbildungsleiter, Leiter der Dienststelle Hirschberg > 24, 141, 222–226, 229, 296f., 338 Jürgens, Adolf, 1890–1945, UB Kiel: Volontär 1915. – PSB: Volontär 1919, 1920 Assistent und Hilfsbibliothekar, 1921 BR, seit Okt. 1920 gleichzeitig Leiter der Geschäftsstelle des BA, seit 1926 Geschäftsführer der Reichstauschstelle > 12, 21, 25, 27f., 29–156, 196, 199, 203–206,
224, 244ff., 251, 303–310, 337f. Junk, Wilhelm, 1866–1942, Buchhändler, Verleger > 122f. Kämmerer, Otto, 1893–1956, Vizepräs. des Regierungspräsidiums Düsseldorf > 190 Kaléko, Mascha, 1907–1975, Schriftstellerin > 183 Kalis, Erich, (1934), Dt. Buchhändler in Istanbul > 69 Karkossa, …, (1939), RTS/BA/DAB an der PSB: Reinemachfrau > 91 Kasper, …, (1934), Landgerichtsrat im RMWEV > 232 Kathen, Hertha von, 1907–?, PSB: Außerplanmäßige Hilfsarbeiterin, seit 1937 Kaufstelle > 228, 240, 338 Kaune, Fritz, (1945), Gutsverwaltung Holzendorf > 152
Keferstein, Ursula, (1939), Mitarbeiterin DAB an der PSB > 91
Kérkovian, …, (1942), Armenier, Verfasser der beschlagnahmten Schrift „Je demande justice“ > 268 Kern, Else, (1942), Witwe von Otto Kern, Halle/S. > 96 Kern, Otto, 1863–1942, Altphilologe, Eigentümer einer Goethe-Bibliothek, Halle/S. > 96 Kerner, …, Manuskript von Kerner 1943 für die PSB erworben > 280 Kerr, Alfred, 1867–1948, Journalist und Theaterkritiker, 1933 in die Schweiz geflohen > 102, 236f. Kessler, Gerhard, 1903–nach 1974, Regierungsassessor, Geheimes Staatspolizeiamt > 167 Kirchner, Joachim, 1890–1978, 1928 Dir. der Freiherrlich Carl von Rothschildschen Bibliothek, ab 1940 Dir. UB München, 1945 dienstenthoben > 147, 193f. Klaiber, Ludwig Michael, 1896–1952, UB Freiburg, Sept. 1940 bis Jan. 1942 Referat Bibliotheksschutz in Paris > 129, 255, 265 Klingelhöfer, Paul, 1887–1951, Mitarbeiter RuPMWEV > 194f. Knobelsdorff, Manfred von, 1892–1965, SS-Hauptsturmbannführer, Burghauptmann der SS-Schule Burg Wewelsburg > 202 Koch, Carl, 1884–1969, Kustos der Staatlichen Kunstbibliothek in Berlin > 244f. Koch, Günther, Antiquar > 122 Koch-Weser, Erich, 1875–1944, 1919–1921 Reichsminister des Innern > 30 Köcher, Otto, 1884–1945, 1937–1945 Deutscher Gesandter in Bern > 80 Körber, Erich, (1935–1941), RTS/BA/DAB an der PSB: Packer > 51, 88, 91, 116, 340 Kohlbach, Georg, 1873–?, Theologe, Ministerialrat RMWEV > 246 Kon, Geca, 1873–1941, Verleger, Belgrad > 294ff., 302, 311
Personenregister
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Korge, …, (1944), Obersteuersekretär, Versteigerungs-
Langendorff, Ines von, (1936–1939), Sekretärin, seit
stelle der Finanzbehörde, Berlin-Kreuzberg > 125 Kothe, …, (1936), Mitarbeiter Regierungspräsident Grenzmark Posen-Westpreußen > 186 Krause, …, (1945), Oberförster in Tann > 157 Krause, Elli, (1939), Mitarbeiterin RTS an der PSB > 91, 338 Krause, Emil, (1934), Maurer aus Bahn im Kreis Greifenhagen > 179 Krönig, Wolfgang, 1904–1992, Stv. Dir. des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts, Brüssel > 135 Krüß, Hugo Andres, 1879–1945, PSB: GD 1925– 1945 > passim Kryschak, Werner, (1934), Mitarbeiter Geheimes Staatspolizeiamt Berlin > 164 Kuczynski, Jürgen, 1904–1997, Wirtschaftswissenschaftler > 192 Kühlmann, G., (1933), Sekretärin von Prof. Friedrich Siegmund-Schultze, Berlin > 161 Kühne, Walter, Eigentümer einer von der RTS angekauften Privatbibliothek > 159 Künsberg, Eberhard von, 1909–1945, Mitarbeiter AA, Leiter Sonderkommando Künsberg > 23, 64f., 284f., 337 Kummer, Rudolf, 1896–1987, Ministerialrat RMWEV, seit 1935 Leiter des Generalreferats für das Bibliothekswesen
1936 RTS an der PSB > 89ff., 338 Lasch, Agathe, 1879–1942, Germanistikprofessorin, 1942 deportiert > 206 Lattermann, Alfred, 1894–1945, Dir. SUB Posen > 66, 140 Latzel, Karl, (1942–1945), Amtsrat RMWEV > 82, 87, 95, 98, 109f., 113, 115, 148, 150,
> 12, 45, 47, 50, 53–57, 61ff., 67, 70, 72, 74, 77ff., 81, 86ff., 92–95, 107–118, 123f., 130f., 135f., 140, 142, 148ff., 155f., 172, 191, 197, 213, 222, 227, 245f., 248, 254, 269 Kunisch, Siegmund, 1900–1978, Jurist, Kommissarischer Staatssekretär RMWEV > 52, 75 Kunze, …, (1941), Obersturmführer SD > 267
Lachmann, Benedict, 1878–1941, Schriftsteller und Buchhändler in Berlin, 1941 deportiert > 238ff. Lachmann, Robert, 1892–1939, PSB: 1927 planm. Bibl., 1930 BR, Musikabt., 1933 entlassen (Gesetz über d. Wiederherstellung d. Berufsbeamtentums) > 28
153, 155f., 222 Lazarev, Viktor [?], 1897–1976, Kunsthistoriker > 154 Leibbrandt, Georg, 1899–1982, Mitarbeiter ERR > 254, 284 Leist, Erich, (1945), Ministerialrat, Auffangstelle des RMWEV > 30, 68, 72, 114, 151, 153f. Leyh, Georg, 1877–1968, Dir. UB Tübingen > 85 Liebenow, …, (1936, 1942), Ministerialrat im PFM, Beamter des Reichsprotektors in Böhmen und Mähren > 137f., 172 Lieser, Karl Emil, 1901–1990, Mitarbeiter Rektor der TH Darmstadt > 262 Linck, Gottlob Eduard, 1858–1947, Mineraloge > 124 Lindig, …, (1942–1943), Mitarbeiter Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin > 103f. Lippe-Weißenfeld, Familie zur, Eigentümer von Schloss Baruth > 116 Litter, Fritz, 1882–1945, Min.dir. RMF, Referat V/I > 108, 112 Lobbes, …, (1935), RTS/BA/DAB an der PSB: Packer, Fahrer > 88 Löffler, Eugen, 1883–1970, Leiter der Gruppe Kultur beim Chef der Militärverwaltung in Belgien und Nordfrankreich > 255 Loliée, Marc, (1941), Frz. Buchhändler > 274, 279 Lommatzsch, Herbert, (1943–1944), Stabseinsatzführer des ERR > 144–147, 286f. Lorenzis, Hermann de, (1935), Eigentümer beschlagnahmter Bücher in Naurod > 179
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Personenregister
Losch, Philipp, 1869–1953, PSB: 1906–1935, 1919
Mentz, Georg, 1870–1943, Historiker, Eigentümer
Oberbibliothekar, Referent für deutsche Geschichte > 229 Luther, Martin Franz Julius, 1895–1945, Unterstaatssekretär AA > 285
einer von der RTS angekauften Privatbibliothek > 124, 159 Mentzel, Rudolf, 1900–1987, Leiter des Amtes Wissenschaft im RMWEV, SS-Sturmbannführer, Präsident der DFG > 53f., 62, 124, 137 Meyer, Dr. …, (1934–1936), Min.dir. im PFM > 163, 169f., 172, 188 Meyer, Erich, 1897–1967, Kustos Schlossmuseum Berlin > 282 Meyer, Hans-Moritz, 1910–1978, Bibliothekar SUB Posen > 66, 141 Meyer, Johann Georg und Ella, Eigentümer einer von der RTS angekauften Privatbibliothek > 159 Milkau, Fritz, 1859–1934, PSB: GD 1921–1925 > 29, 237 Miltenberg, Weigand von, 1899–1958, Schriftsteller, Pseud. von Herbert Blank > 181f. Mises, Richard Edler von, 1883–1953, Mathematiker, Exil in Istanbul > 69 Möhn, Hans, (1936), Eigentümer beschlagnahmter Bücher aus Bad Homburg > 179 Molière, Jean Baptist de, 1622–1673, Schriftsteller, Schauspieler > 277 Moravinski, …, (1946), Oberst, Mitarbeiter der polnischen Militäradministration > 244 Mordau, Walter, (1945), PSB: Hausmeister > 20, 338 Mozart, Wolfgang Amadeus, 1756–1791, Komponist > 269 Mucha, …, (1934–1935), RTS/BA/DAB an der PSB: Fahrer, Packer > 88 Mückley, Dr. …, (1936), Mitarbeiter Regierungspräsident Grenzmark Posen-Westpreußen > 187 Mühlmann, Kajetan, 1898–1958, Sonderbeauftragter für die Sicherung der Kunst- und Kulturgüter im Generalgouvernement > 247 Müller, Dr. …, (1943), Militärverwaltungsrat beim Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich > 133
Maaß, Otto, 1880–1969, Mitarbeiter RMF > 106f. Maedel, Otto, (1943), Referent RMF > 124f. Mank, Dr. …, (1944), Wirtschaftswissenschaftliches Institut Leipzig > 149
Marckwald, Hans Gerald, 1878–?, Ministerialrat, Generalkonsul in Istanbul > 69 Marr, Heinz, 1876–1940, Soziologe > 193f. Marret, Léon, (1911–1926), Autor, Botaniker > 277 Mass, …, (1941), Gefreiter > 293 Massenet, Jules, 1842–1912, Komponist > 280 Mattfeld, Johannes, 1895–1951, Botaniker, Mitarbeiter Botanisches Museum Berlin-Dahlem > 135 Maul, …, (1942), Mitarbeiter der Firma ROGES > 282f. May, Karl, 1842–1912, Schriftsteller > 187 Medicus, Franz Albrecht, 1890–1967, seit 1938 Min.dir. im RIM, 1942–1943 Leiter der Abt. Verwaltung beim Militärbefehlshaber in Frankreich > 130 Mehl, Ernst, 1897–1953, Mitarbeiter der Akzessionsabt. BSB München > 144 Meinecke, Friedrich, 1862–1954, Historiker > 124 Meisner, Heinrich Otto, 1890–1976, GStA: Archivrat > 171f. Mendel, Kurt, 1874–1946, Neurologe, Vater von Rudolf Mendel > 126 Mendelssohn, Franz von, 1865–1935, Bankier, Mitglied des Kuratoriums der Walther Rathenau-Stiftung > 231 Mentz-Kessel, Frida, 1878–1971, Malerin, Ehefrau von Georg Mentz > 159
Personenregister Müller, …, (1938), Finanzamt Kassel, Vollstreckungsstelle > 208
Müller, Alexander, 1885–1959, Dir. der Arbeiterbank, Berlin, Wallstr., Treuhänder u. a. für die SPD-Bibliothek > 167 Müller, Heinrich, (1941–1942), Mitarbeiter des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD > 106, 191 Müller, Max, (1943), Oberingenieur in Stettin > 293 Müller-Brandenburg, Hermann, 1885–?, 1933 Leiter des Aufklärungs- und Presseamtes der Reichsleitung des Arbeitsdienstes, dann Leiter der Abt. für Auswärtige Angelegenheiten beim Reichsarbeitsführer > 200 Münchhausen, Börries von, 1874–1945, Schriftsteller > 299 Mussolini, Benito, 1883–1945, Begründer des italienischen Faschismus > 77, 142
Naab, Jakob Paul [?], (1934), Mediziner > 69 Neumark, Fritz, 1900–1991, Ökonom, Exil in Istanbul > 69 Nickel, August, 1856–?, Geheimer Medizinalrat, Vorsitzender der Johannis-Loge zur Perle am Berge, Perleberg > 233 Nickel, Wilhelm, 1879–1942, PSB: seit 1920 BR, Referent für Deutsche Literatur > 175, 215, 231f., 300 Nicolai, Helmut, 1895–1955, Jurist, 1933–1934 Regierungspräs. Magdeburg, 1934–1935 Min.dir. RMI, 1935 aus allen Ämtern ausgeschlossen > 232 Nider, Johannes, vor 1385–1438, Theologe, Kirchenreformer > 280 Niederlechner, Max, 1889–nach 1970, seit 1928 Leiter des Antiquariates der Hirschwald’schen Buchhandlung, Berlin, Gutachter zu eingezogenen Bibliotheken bei Ankäufen der RTS von den Finanzbehörden > 102, 124–128 Niemöller, Martin, 1892–1984, Ev. Theologe > 183 Nissen, Rudolf, 1896–1981, Chirurg, Exil in Istanbul > 69
Nita, Paul, (1935), KPD-Mitglied, Eigentümer beschlagnahmter Bücher > 179
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Nitsch, Bernhard, 1901–?, SS-Hauptsturmführer, Stabsführer Sonderkommando Künsberg > 65, 285 Nobbe, Karl, 1893–1961, PSB: seit 1927, 1937 BR, Betriebsluftschutzleiter, 1940 zum Kriegsdienst eingezogen > 226 Nollau, Hermann, (1942), Dir. Kunstakademie Kassel, Oberregierungsrat Provinz Hessen-Nassau > 97
Oberländer, Herbert, 1885–1944, UB Kiel: Stellvertreter des Dir. 1932, seit 1937 Dir. (interimistische Leitung seit 1935) > 115 Oehler, Richard, 1878–1948, Dir. Stadt- und UB Frankfurt/Main > 108, 194f. Oehme, Ruthardt, 1901–1987, Bibliothekar UB Freiburg > 265 Oehme, Walter, 1892–1968, Journalist, Schriftsteller > 182, 187 Ohly, Kurt, 1892–1970, PSB: seit 1924, 1932 BR, Vorstand der Inkunabel-Sammlung > 224, 247, 273, 279, 338 Otto, Hans George [?], (1941), Abt.leiter der Militärtechnischen Akademie in Gatow > 264
Pankok, Otto, 1893–1966, Maler, Grafiker > 183 Passier, Anneliese, 1908–2008, PSB: Mitarbeiterin Erwerbungsabt. > 221
Paulsen, Ursula, (1939), Stenotypistin, RTS/BA/DAB an der PSB: Bearbeiterin der Bibliothek des Preußischen Statistischen Landesamtes > 91 Paunel, Eugen, 1888–1966, PSB: wiss. Hilfsarbeiter 1941, 1943 BR, 1944–1945 Dienststelle Hirschberg > 21, 24, 338 Penck, Albrecht, 1858–1945, Geograph > 121, 124 Petschek, Ignaz, 1857–1934, Bankier, Großindustrieller > 63f., 100ff. Peukert, Helene, (1939), Mitarbeiterin RTS an der PSB > 91, 338 Pfaff, Elisabeth, (1938), Mitarbeiterin RTS an der PSB > 91, 340
376
Personenregister
Pilger, Robert, 1876–1953, Zweiter Dir. des Botani-
Rabenau, Friedrich von, 1884–1945, seit 1937 Chef
schen Gartens und des Botanischen Museums in Berlin-Dahlem > 145 Podach, Dr. …, (1945), Vertrauensmann des Bezirkes Berlin-Zehlendorf > 154 Poehl, Gertrud von, (1943), Mitarbeiterin Min. für die besetzten Ostgebiete > 286 Poehlmann, …, (1943), Mitarbeiter Reichswirtschaftsmin. > 129 Pölnitz, Familie von, Eigentümer der Schlösser Hundshaupten und Frankenberg > 118, 120, 155f. Poerschke, Albert, (1938–1939), RTS/BA/DAB an der PSB: Packer > 91, 338, 340 Poewe, Wilhelm, 1885–1945, PSB: BR 1922, seit 1935 Leiter der Benutzungsabt. > 21, 217, 219ff., 264, 296–299, 339, 341 Pohl, Johannes, 1904–1960, PSB: 1935–1936 u. 1939– 1941 außerordentl. wiss. Hilfsarbeiter in der Orientalischen Abt., seit 1942 beim ERR in Wilna > 286, 339 Polman-Mooy, geb. van der Meulen, Johanna, 1874– 1959, Okkultistin, Name 1945 von Jürgens als Deckname bei Buchkäufen in Italien benutzt > 136 Polthier, Wilhelm, 1892–1961, PSB: seit 1926, BR, Referent für allgemeine, preußische und skandinavische Geschichte, Kriegskunst und Ökonomie, wiss. Bibl. ÖWB 1946–1959 > 229 Pontzen, Charlotte, (1937–1938), Bildberichterstatterin, 1937/1938 Sekretärin BA an der PSB > 90, 339 Pott, Margarete, 1896–?, PSB: Mittlerer Dienst, 1936 Bibliotheksinspektorin, Erwerbungsabt., Vorakzession, Bearbeitung verbotener Literatur > 182, 217f., 228, 230, 296f., 339 Predeek, Albert, 1883–1956, Dir. Bibliothek der TH Berlin, Leiter der Informationsstelle für technische Literatur > 79, 85 Prinzhorn, Fritz, 1893–1967, seit 1929 Dir. Bibliothek der TH Danzig, 1939–1945 Dir. UB Leipzig > 83ff. Püschel, Willy, (1936–1937), RTS an der PSB: seit 1936 Hilfskraft > 89 Puschnigg, …, (1941), Leiter Arbeitsstab für Kartographie und Vermessungswesen, Major > 261
der Heeresarchive in Potsdam, 1940 General, 1942 vom Amt entbunden, Juli 1944 verhaftet und vor Kriegsende im KZ Flossenbürg erschossen > 264 Raemaekers, Louis, 1859–1956, Cartoonist > 268 Rainer, Friedrich, 1903–1947, Gauleiter von Kärnten, Oberster Kommissar der Operationszone Adriatisches Küstenland > 142 Rang, Fritz, 1899–?, Kriminaldir., Leiter der Abt. IV C 3 (Karteiwesen) des RSHA > 84, 191 Rannenberg, Alfred, (1943), Eigentümer eines als Bücherdepot der RTS angedachten Wochenendhauses in Luttertal > 117 Rathenau, verh. Andreae, Edith, 1883–1952, Schwester von Walther Rathenau, Herausgeberin seiner Werke > 231f. Rathenau, Fritz, 1875–1949, Ministerialbeamter, 1920– 1933 PMI, seit 1927 Ministerialrat, 1935 entlassen, 1939 in die Niederlande emigriert, 1943 nach Theresienstadt deportiert > 209, 230ff. Rathenau, Mathilde, 1845–1926, Mutter von Walther Rathenau > 231 Rathenau, Walther, 1867–1922, Industrieller, Schriftsteller und Politiker > 208, 230ff., 341 Rein, Rafail Abramovič, 1880–1963, Russ. Gewerkschafter und Menschewik, publizierte unter dem Namen Rafail Abramovič > 166 Reincke, Gerhard, 1906–1984, PSB: seit 1932, seit 1934 Erwerbungsabt., Leiter der Tauschstelle und der Kaufstelle, Bearbeitung der Listen beschlagnahmter Werke, 1940 zum Kriegsdienst eingezogen > 175, 179ff., 184, 209, 227, 230, 267, 339 Reinhardt, Herrmann, 1898–1972, Min.dir. Reichswirtschaftsmin. > 81 Reinke, Albert [?], (1934), Mitarbeiter Staatspolizeileitstelle für den Landespolizeibezirk Berlin > 182f. Reker, Albert, 1908–1941, Dir. Stadtbibliothek Metz > 67 Rest, Josef, 1884–1961, Dir. UB Freiburg > 67, 75
Personenregister
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Reygers, Leonie, 1905–1985, RTS an der PSB: Hilfs-
Rust, Bernhard, 1883–1945, NS-Politiker und Minis-
kraft 1937, ab 1940 stellv. Dir. des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund > 89 Ribbentrop, Joachim von, 1893–1946, NS-Politiker, Reichsaußenminister > 285 Riedel, Viktor, (1937), RTS an der PSB: Hilfskraft 1937 > 89 Ritschl, …, (1934), Bürgermeister von Bahn im Kreis Greifenhagen > 179 Ritter, Hellmut, 1892–1971, Orientalist > 69 Robinet, René, 1914–2002, franz. Bibliothekar, Kriegsgefangener > 153 Roediger, Wolfgang, 1888–1961, PSB: Dir. Katalogabt. > 299ff. Röpke, Wilhelm, 1899–1966, Ökonom, Sozialphilosoph, Exil in Istanbul > 69 Rohr, Wilhelm, 1898–1968, Preuß. Staatsarchivar, seit 1933 GStA, Okt.1939 abgeordnet zum GD der Staatsarchive, 1944–1945 Oberregierungsrat RMI > 171 Rosenberg, Alfred, 1893–1946, Publizist, NS-Kriegsverbrecher > 200, 253f., 285f., 306 Rosenow, Emil, 1871–1904, Schriftsteller, Politiker > 179, 185 Roth, Paul, 1885–1964, Legationsrat AA > 47, 71f., 92, 254 Rottenburg, Otto von, 1885–1945, Ministerialrat RMWEV > 40, 42, 49f., 53, 66, 113, 148, 150, 153,
ter, 1933/1934 PMWKV, 1934–1945 RMWEV > 11f., 39, 46ff., 68f., 96, 196 Rust, Werner, 1893–1977, 1934–1945 Abt.leiter und stv. GD in der Deutschen Bücherei Leipzig > 95, 246
169f., 172, 269 Rüstow, Alexander, 1885–1963, Soziologe, Wirtschaftswissenschaftler, Exil in Istanbul > 69 Ruhbaum, Paul, (1943–1944), Haupteinsatzführer der Hauptabt. Erfassung und Sichtung des ERR > 144, 146f. Rundstedt, Hans-Gerd von, 1903–1948, Bibliothekar UB Berlin, 1940 an das Referat Bibliotheksschutz in Paris abgeordnet > 255 Runge, …, (1939), Mitarbeiter RTS an der PSB > 91 Ruseler, Reino, ?–1945, PSB: 1931 Prüfung für den Mittleren Bibliotheksdienst, seit 1933 Außerplanmäßiger Hilfsarbeiter in der Katalogabt. > 220, 339
Saenger, Eva, (1935), Sekretärin, seit 1935 RTS/BA/ DAB an der PSB > 52, 88, 339 Saffroy, Émile, (1942), Buchhändler, Paris > 274, 278 Sand, George, 1804–1876, Schriftstellerin > 288 Sattler, Paul, 1901–1945, PSB: seit 1929, BR, 1937– 1939 als Nachfolger Willners für Sekretierung zuständig > 220, 339 Sbrzesny, Walter, 1896–1995, Dir. TH Darmstadt, Regierungsbaumeister > 261ff. Schawe, Josef, 1902–1983, PSB: seit 1938 Bibliothekar in der Orientalischen Abt. > 230, 250, 276, 281, 286, 297, 339 Scheche, Lothar [?], 1889–1975, PFM: seit 1921 Mitarbeiter, 1932 Generalreferent, ab 1935 zusätzlich RFM, 1939–1943 Min.dir. > 189f. Scheil, Irene, 1904–2002, PSB: Bibliothekarin, 1940– 1944 Stabshelferin im Referat Bibliotheksschutz in Paris > 21, 130, 255f., 272, 339, 343 Schelle, …, (1936), Mitarbeiter der Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Münster > 185 Schiel, Hubert, 1898–1983, BR Bibliothek für Kunst und Technik Frankfurt/M., 1940–1944 Referat Bibliotheksschutz in Brüssel, ab 1941 als Leiter, 1944–1945 komm. Dir. LuUB Brünn > 255–260, 271 Schiller, Friedrich, 1759–1805, Dramatiker und Lyriker > 237 Schirrmann-Hamkens, Freerk Haye, 1902–1985, Schriftsteller, Germanenkundler, 1941–1944 Wehrmacht, im Sept. 1943 als Geschäftsführer des Antiquariats Moorthamers eingesetzt > 133f. Schlesinger, …, Eigentümer einer 1944 von RTS angekauften Büchersammlung > 127 Schlüter, …, (1938), Mitarbeiter RMWEV > 207
378
Personenregister
Schmeißer, …, (1941), Mitarbeiter des Reichsprotek-
Schulz-Keßler, Melitta, (1945), Mitarbeiterin der RTS
tors in Böhmen und Mähren > 137 Schmidt, Artur, (1941), Berliner Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste > 240f. Schmidt-Leonhardt, Hans, 1886–1945, Vorsitzender der Reichskammer der bildenden Künste, RMVP: Min.dir., Leiter der Rechtsabt. > 126 Schmidt-Ott, Friedrich, 1860–1956, Mitbegründer und erster Präsident der NG, 1934 von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt > 30, 33, 35, 38f., 69, 81, 97, 237, 341 Schneider, Wilhelm jr., (1934), SPD–Mitglied aus dem Landkreis St. Goar > 179 Schnell, Helene, (1921–1937), Lehrerin, geb. in St. Petersburg, Sekretärin in d. Geschäftsstelle des BA, 1934–1937 BA an der PSB > 51, 88ff., 339 Schnell, Otto, (ca. 1925–1942), Mitarbeiter NG, Geschäftsstelle des BA, DAB an der PSB: Sachbearbeiter Russlandabt., 1942 zur Wehrmacht eingezogen, vermutl. verwandt mit Helene > 88–91, 116 Schnütgen, Alexander, 1883–1955, PSB: 1927–1944 Abt.-Dir. Erwerbungsabt. > 63, 78, 83, 101, 161–312 passim, 339 Scholz, …, (1934), Ministerialrat RMI > 231f. Schreiber, Heinrich, 1900–1942, BR UB Leipzig, 1940–1941 Leiter des Referates Bibliotheksschutz in Brüssel > 255ff., 260, 271 Schröder, …, (1934), Kriminalassistent der Ortspolizeibehörde Stralsund > 184 Schrötter, …, (1941), Mitarbeiter SD > 295 Schünemann, Georg, 1884–1945, PSB: Dir. Musikabt. > 256, 272, 279f., 297, 339 Schütze, Erwin, 1887–?, Min.dir. PMI > 162 Schultze, Johannes, 1881–1976, Historiker, GStA: Archivrat > 170–173 Schultze-Schlutius, Carl-Gisbert, 1903–1969, Ministerialbeamter Reichswirtschaftsmin.: seit 1934 Devisenabt., 1942 Leiter der Länderabt., Min.dir. > 81
in Friedrichswerth > 155, 157 Schumann, Robert, 1810–1856, Komponist > 280 Schwarber, Karl, 1889–1950, UB Basel: seit 1920, 1935 Oberbibliothekar > 136 Schwartzkoppen, Luise von, 1902–1986, Juristin und Bibliothekarin, PSB, seit 1941 RTS an der PSB > 115, 119, 121, 152f., 157, 228, 240, 295, 339 Schwarz, Kurt L., 1909–1983, Antiquar in Wien, 1938 nach London geflohen > 238f. Schwarzburg, Anna Luise, Fürstin zu, 1871–1951, Eigentümerin von Schloss Sondershausen (Thüringen)
> 157 Schweinitz, Eberhard von, 1886–1953, NG: Referent > 49f., 52 Schweinitz, Hellmut von, 1901–1960, Schriftsteller > 183 Schwiefert, Fritz, 1890–1961, PSB: seit 1917, BR, Referent für slawische Geschichte und Literatur, Drehbuchautor, 1944 zur Terra Filmkunst GmbH dienstverpflichtet > 229f., 282f., 295f., 339 Senkel, Kurt, (1934), Bergmann, Vorsitzender des Bergarbeiterverbandes in Langenbochum > 179 Seyß-Inquart, Arthur, 1892–1946, NS-Politiker, 1938 österr. Bundeskanzler, 1939 Stellvertreter des Generalgouverneurs im besetzten Polen, 1940 Reichskommissar für die besetzten Niederlande > 63, 247 Siegmund-Schultze, Friedrich, 1885–1969, Theologe, Sozialpädagoge, seit 1926 Prof. für Jugendkunde und -wohlfahrt an der Universität Berlin, Juni 1933 Ausweisung in die Schweiz > 161, 166 Sievers, Franz, (1926–1939), Expedient, seit 1927 NG, seit 1934 RTS/BA/DAB an der PSB, seit Aug. 1939 Gestapo, Nov. 1943 bis März 1945 SD der SS > 51, 88–91, 337, 339 Sinclair, Upton, 1878–1968, Schriftsteller > 183 Six, Franz, 1909–1975, seit 1935 SD-Hauptamt, 1939– 1942 Amtsleiter im RSHA (Amt II, dann Amt VII), ab 1942 AA, 1943. 1945 Leiter der kulturpol. Abt. > 196, 267 Skiba, Richard [?], 1900–?, Mitarbeiter der Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Münster > 179
Personenregister Smend, Friedrich, 1893–1980, Theologe und Bachforscher, PSB: seit 1923 Assistent, 1925 planmäßiger Bibliothekar, 1929 BR, Leiter der Zeitschriftenstelle, ab 1936 Mitarbeiter Kartenabt., Betriebsluftschutzleiter > 94, 134, 216, 226f., 229f., 264, 297, 339 Snoek, …, (1945), Vertrauensmann des Bezirkes Berlin-Zehlendorf > 154 Solotuchin, Piotr Vasilevič, 1897–1968, Rektor der Universität Leningrad, 1945–1948 Leiter der Abt. Volksbildung der SMAD > 244 Sommer, …, (1938), Mitarbeiter der Verwaltung des Regierungsbezirks Liegnitz > 181 Spanier, Arthur, 1889–1945, PSB: seit 1921, 1926 BR, 1933 entlassen (Gesetz über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums), 1945 im KZ Bergen-Belsen verstorben > 339 Speer, Albert, 1905–1981, 1937 Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt, 1942 Reichsminister für Bewaffnung und Munition > 93, 120 Spengler, Wilhelm, 1907–1961, SD-Hauptamt: Leiter der Hauptabt. Presse und Schrifttum, 1937 Hauptabt. Kulturelles Leben > 246 Spitzer, Leo, 1887–1960, Romanist, Exil in Istanbul > 69 Springer, Ferdinand, 1881–1965, Verleger, Berlin > 102 Springer, Julius, 1880–1968, Verleger, Berlin > 102 Stahl, Heinrich, 1868–1942, Dir. Viktoria-Versicherung, 1933–1940 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlin > 301 Stark, Johannes, 1874–1957, Vertreter der sog. Deutschen Physik, seit 1934 Präsident der NG > 39–43, 49, 68f. Stauffenberg, Berthold Schenk von, 1905–1944, Eigentümer des Schlosses Greifenstein > 120 Steengracht von Moyland, Adolf von, 1902–1969, Gesandter AA > 284 Sternhäuser, …, (1943), Mitarbeiter OKW > 293 Stiebel, Ilse, Eigentümerin einer 1944 von RTS angekauften Büchersammlung > 127
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Stieve, Friedrich, 1884–1966, Min.dir., Kulturpolitische Abt. des AA > 71
Stollreither, Eugen, 1874–1956, seit 1924 Dir. UB Erlangen > 120, 156
Storch, Gerda, (1939), Mitarbeiterin BA an der PSB > 91 Stosch, Günther Graf von, 1893–1955, Leiter der Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Münster > 185 Streit, … von, (1943), Regierung des Generalgouvernements, Hauptabt. Finanzen > 107f. Streit, Hanns, 1896–1983, Universitätskurator in Posen > 65f., 141 Stuchlik, Franz, (1942), Oberkommissär des Ministeriums für Schulwesen und Volkskultur, Prag > 137f. Stümke, Hans, 1896–? (im Zweiten Weltkrieg vermisst), PSB: Bibliotheksinspektor, 1935/1936 Ausbildung wiss. Bibliotheksdienst, 1940 UB Greifswald > 339 Sühring, Ida, (1945), Mitarbeiterin DAB > 64 Šurišev, …, (1947–1948), Oberst, russ. Zentralkommandantur > 282 Sveistrup, Hans, 1889–1946, PSB: seit 1923, 1934 BR, Realkatalogführer, Referent für Philosophie, Staats- und Sozialwissenschaften > 78, 167f., 171, 175, 205, 215, 226, 228ff.,
254, 300, 339, 341 Tautz, Kurt, 1878–1965, PSB: seit 1911, 1924–1945 Erster BR, seit 1944 Dienststelle Hirschberg > 296, 339 Theele, Joseph, 1889–1944, seit 1927 Dir. Landesbibliothek Fulda > 118 Tietz, Georg, 1889–1953, Unternehmer, Warenhausinhaber > 125, 127, 343 Tietz, Martin, 1895–1965, Unternehmer, Warenhausinhaber > 125, 127, 343 Traven, B., 1882–1969, Schriftsteller > 179, 182 Twardowski, Fritz von, 1890–1970, Gesandter AA, Generalkonsul Istanbul > 47, 254
380
Personenregister
Ullrich, Hilde, (1941), Bibliotheksangestellte TH Darmstadt > 262
Unruh, Fritz von, 1885–1970, Schriftsteller, Mitglied des Kuratoriums der Walther Rathenau-Stiftung > 231 Urban, Gotthard, 1905–1941, Stabsleiter in der Dienststelle des ERR in Berlin > 254 Usinger, Fritz, 1895–1982, Schriftsteller, Lehrer > 296 Utikal, Gerhard, 1912–1982, seit 1936 Amt Rosenberg, ERR: Stabsleiter, Leiter des Zentralamts, gleichzeitig Referent im Reichsmin. für die besetzten Ostgebiete > 143–146
Vahlen, Theodor, 1869–1945, Mathematiker, 1934– 1937 Leiter des Amtes Wissenschaft im RuPMEV > 40ff., 75, 212 Vandenesse, Jean de, 16. Jahrhundert, Verfasser von Reiseberichten, u.a. einer Beschreibung der Reisen Karls V. > 280 Vanderbilt, …, (1947), Vertreter der amerikan. Besatzungsmacht > 157 Vater, Hildegard, (1930–1939), Sekretärin und Sachbearbeiterin, seit 1930 NG, seit 1934 RTS/BA/DAB an der PSB, 1939 als Mitarbeiterin BA an der PSB genannt > 51, 88–91 Vaternahm, Erich, 1893–?, Gesellschafter der Auslands-Zeitungshandels GmbH Köln > 270 Veiel, Fritz, 1876–1942, Arzt, Leiter einer von seinem Großvater gegründeten dermatologischen Spezialklinik, Cannstadt > 96 Vock, Walter Emil [?], 1894–1970, Bayer. Staatsarchivar, seit 1934 HStA München, 1941 Mitarbeiter Gruppe Archivschutz beim Militärbefehlshaber in Frankreich > 264 Völpel, …, (1936), Mitarbeiter Regierungspräsidium Wiesbaden > 175, 179f., 185 Vollprecht, …, (1943), Oberregierungsrat RMI > 109 Vorstius, Joris, 1894–1964, PSB: seit 1920, 1925 BR, Mitarbeiter der Dienststelle Hirschberg, 1946 Abt.Dir. ÖWB > 222, 301
Wacker, Otto, 1890–1940, seit 1933 Minister für Kultus und Unterricht in Baden, 1. Januar 1937 bis 1939 komm. Leiter Amt Wissenschaft im RuPMWEV > 179, 196 Wacker, Willi, (1935), aus Mögelin, Eigentümer beschlagnahmter Bücher > 52 Wackernagel, Peter, 1897–1981, Musikbibliothekar, PSB: seit 1924, 1945–1950 Leiter der Musikabt. > 339 Wagner, …, (1941), Mitarbeiter RMI > 191 Wagner, Heinrich Leopold, 1747–1779, Schriftsteller > 237 Wagner, Richard, 1813–1883, Komponist > 279f. Wassermann, Jakob, 1873–1934, Schriftsteller > 183 Weber, Christoph, 1883–1958, Dir. UB Kiel, nach Amtsenthebung 1935 BR SUB Königsberg, seit Aug. 1943 abgeordnet an die RTS, bis 1945 Leiter der Abt. Wiederaufbau > 115, 118f., 121, 127f., 147, 155, 337 Wegener, Hans, 1896–1980, PSB: seit 1924, 1940– 1941 Referat Bibliotheksschutz Paris, 1942–1945 Dir. Stadtbibliothek Metz (ab 1944 Westraumbibliothek) > 67, 139, 255f., 275, 337, 339 Wehmer, Carl, 1903–1978, Typenkundler, PSB: seit 1933, 1940 BR, 1941 LuUB Prag, 1942 Stellvertreter des dt. Kommissars > 339 Weidner, Ernst Friedrich, 1891–1976, Prof. für Orientkunde, Universität Graz > 126 Weinbender, …, (1934–1935), DAB: Hilfskraft 1934/ 1935 > 90 Weisstein, Gotthilf, 1852–1907, Journalist, Schriftsteller und Bibliophile > 237f., 301f., 240 Weisstein, Hermann, 1854–1924, Baurat in Brieg, Bruder von Gotthilf Weisstein > 237 Weisstein, Margarete, 1874–1942, Ehefrau von Hermann Weisstein, 1942 nach Theresienstadt deportiert > 237f. Weisweiler, Max, 1902–1968, PSB: seit 1928, 1935 BR, 1940 Leiter der Orientalischen Abt., 1943 zum Kriegsdienst eingezogen > 208f., 229f., 250, 339
Personenregister Welczeck, Johannes von, 1878–1972, Gesandter in Budapest 1923–26, Botschafter in Madrid 1926–36, Botschafter in Paris 1936–39 > 75 Wells, H. G., 1866–1946, Schriftsteller > 290 Wende, Adolf, (1934), Bürgermeister von Freystadt (Westpreußen) > 187 Wermke, Ernst, 1893–1987, seit 1933 Dir. Stadtbibliothek Breslau, 1940–1942 Leiter des Referats Bibliotheksschutz in Paris, Oberkriegsverwaltungsrat > 95, 251, 255f., 261–265, 267, 271, 274, 280,
343 Wietzsch, Anna, (1939), RTS/BA/DAB an der PSB: Reinemachfrau > 91
Wilcken, Ulrich, 1862–1944, Althistoriker und Papyrologe, Eigentümer einer von der RTS angekauften Privatbibliothek > 159 Wildhagen, Eduard, 1890–1970, Referent und Vizepräs. der NG > 38–43, 49, 91 Will, …, (1936), Mitarbeiter Polizeipräsidium Berlin > 182 Will, Theophil, RTS an der PSB: Büroleiter von Adolf Jürgens, seit 1943 Leiter Dienststelle Baruth > 51, 88–92, 116, 118–121, 126, 138, 151f.,
155, 157f. Willin, …, (1942), Bibliotheks-Inspektor Heeresbücherei Prag > 294
Willner, Kurt, 1907–1945, PSB: 1935–1936 Volontär, 1936 planmäßiger Bibliothekar, mit der Sekretierung der vorhandenen Bestände beauftragt, 1937 Wehrdienst > 219f., 339 Wilmanns, Wolfgang, 1893–1968, Agrarwissenschaftler, Rektor der Universität Leipzig > 148f. Winter, Georg, 1895–1961, Preuß. Staatsarchivar, seit 1921 GStA, 1936 Sachbearbeiter in der Preußischen Archivverwaltung, 1940 Oberkriegsverwaltungsrat
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Gruppe Archivschutz in Paris, 1942 beim Reichskommissar der Ukraine > 172 Winterstein, Hans, 1879–1963, Physiologe, Exil in Istanbul > 69 Witte, Wilhelm, 1903–1997, Bibliothekar SUB Breslau > 247f. Wittich, Georg, 1901–?, Gestapo: Leiter Dezernat II E2 > 168 Wörmke, Peter, (1944), Mitarbeiter der Hauptarbeitsgruppe Frankreich des ERR > 145 Wolff, Max, (1928–1939), Expedient, seit 1928 NG, seit 1934 RTS/BA/DAB an der PSB, 1939 als Mitarbeiter DAB an der PSB genannt > 51, 88–91, 339 Wunder, Gerhard, 1908–1988, Bibliothekar, 1935 Leiter Städt. Bibl. Düsseldorf, 1940 Stabseinsatzführer des ERR, Hauptarbeitsgruppe Frankreich, ab 1941 Hauptarbeitsgruppe Ostland > 285ff.
Zilch, Heinrich, (1934), Mitarbeiter Staatspolizeileitstelle für den Landespolizeibezirk Berlin > 182 Zipfel, Ernst, 1891–1966, Preuß. Staatsarchivar, seit 1936 (komm.) GD der Staatsarchive, 1940 Kommissar für Archivschutz für das westl., 1941 auch das östl. Operationsgebiet, 1944 Abt.leiter RMI und komm. Leiter GStA > 173 Zojer, Franz, (1945), Oberregierungsrat, Leiter der Abt. Wissenschaft und Unterricht beim Obersten Kommissar der Operationszone Adriatisches Küstenland > 143 Zschintzsch, Werner, 1888–1953, Staatssekretär RMWEV > 52, 94, 105, 188, 224f., 252 Zweig, Stefan, 1881–1942, Schriftsteller > 182, 291
Register der Bibliotheken und Privatbibliotheken
Aachen Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule, Bibliothek > 14 Amsterdam Universiteitsbibliotheek > 147 Ankara Hochschule für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Veterinärwesen, Bibliothek > 38, 69, 203 Bad Warmbrunn (Cieplice Śląskie-Zdrój) Ortsgruppe des Bundes Neudeutschland, Bibliothek > 181 Basel Universitätsbibliothek > 136 Belgrad Univerzitetska Biblioteka „Svetozar Marković“ > 74, 76 Berlin Arbeitswissenschaftliches Institut der DAF, Bibliothek > 61, 186 Auswärtiges Amt, Bibliothek > 57, 60 Bibliothek deutscher Privat- und Manuskriptdrucke der Gesellschaft für deutsche Literatur > 235f., 302 Botanischer Garten und Botanisches Museum (Dahlem), Bibliothek > 123, 145 „Christlicher Zeitschriften-Verein“, Bibliothek (interne Bezeichnung einer 1941 beschlagnahmten Bibliothek, eventuell gemeint ➝ Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden) > 206 Deutsche Gesellschaft zum Studium Osteuropas, Bibliothek > 152 Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums, Bibliothek > 235 Deutsche Heeresbücherei > 36f., 294 – Generalinspektion des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen, Bibliothek > 36f. – Generalinspektion des Militär-Verkehrswesens, Bibliothek > 37 – Kriegsakademie, Bibliothek > 36
– Militärtechnische Akademie, Bibliothek > 36 – Großer Generalstab, Bibliothek > 36 Friedrich-Wilhelms-Universität – Romanisches Seminar, Bibliothek > 132, 290 – Seminar für osteuropäische Geschichte, Bibliothek > 65 – Slawisches Institut, Bibliothek > 65 – Universitätsbibliothek > 14, 56, 65, 107, 154f., 176, 242, 244, 248 Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden, Bibliothek > 192, 206, 302 Hauptschulungsamt der NSDAP, Bibliothek > 61 Industrie- und Handelskammer, Bibliothek > 57 Institut für Grenz- und Auslandsstudien, Bibliothek > 61 Institut für Staatsforschung (Wannsee), Bibliothek > 61, 73, 196 Luftkriegsakademie (Gatow), Bibliothek > 212, 264f. Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek (ÖWB) > 13, 19, 21, 25, 156ff., 242–244, 265, 282, 311, 342 Österreichische Gesandtschaft, Bibliothek > 64 Personalamt der NSDAP, Gau Berlin, Hauptstelle Sippenforschung, Bibliothek > 61 Preußische Staatsbibliothek (PSB) nach 1945 siehe Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek (Berlin) und Westdeutsche Bibliothek (Marburg a. d. Lahn) – Benutzungsabteilung > 21, 213–223, 248, 298 – – Leihstelle > 214 – – Signierstelle > 214, 262 – Bücherlager und Wohnhaus (Linienstr. 121) > 301 ff. – Dienststelle Görlsdorf > 20, 296f. – Dienststelle Hirschberg > 20f., 24, 134, 151, 222, 225ff., 275f., 281, 295ff., 340, 344 – Erwerbungsabteilung > 20, 24, 28, 63, 83, 164, 173ff., 177f., 180, 183, 188–192, 196, 199, 202, 204, 206f., 209f., 216–230, 235, 240–245, 264ff., 269–283, 288–300, 307– 310 – – Einbandstelle > 212, 216, 221, 223, 227 – – – Signaturendruckerei > 216, 223
384
Register der Bibliotheken
– – Dublettenstelle, Dublettensammlung > 56, 59, 164, 202f., 209, 234, 298, 300, 302, 310 – – Kaufstelle > 164, 196, 214, 218, 227f., 239f., 272, 281, 344 – – Pflichtlieferungsstelle > 164, 177ff., 234 – – Stelle für Amtliche Drucksachen > 164, 223, 344 – – Tauschstelle > 227 – – Zeitschriftenstelle > 63, 196, 198, 214, 217, 226f., 234, 268, 272 – Generaldirektion (GD) > 12, 16, 20f., 24, 27, 29, 44-48, 70, 161, 171, 183, 187f., 206ff., 217, 219–222, 224, 230, 237, 245, 249, 253, 269f., 274f., 280, 286, 296, 303, 306, 311, 341 – Katalogabteilung > 24, 219f., 227f., 295, 299 – – Alphabetischer Bandkatalog > 221, 226 – – Alphabetischer Zettelkatalog und Schlußstelle > 216f., 219, 221, 223 – – Realkatalog > 24, 175, 214ff., 219f., 222f., 229, 296 – – Titeldruckstelle > 216, 221ff., 298 – Sonderabteilungen > 21, 224, 259, 270– 273, 275, 278–282, 297, 311 – – Handschriftenabteilung > 21, 127, 224, 234, 240, 247, 251, 259, 271f., 274, 278– 282, 288 – – Inkunabelsammlung > 224, 247, 259, 271– 274, 278f., 281f. – – Kartenabteilung > 134, 226, 239, 260f., 264, 340 – – Musikabteilung > 28, 180, 218, 234, 256, 271–274, 278–282, 302 – – Orientalische Abteilung > 28, 177, 181, 192, 207ff., 218, 229f., 235, 241f., 249f., 267f., 270–273, 276, 278f., 281f., 285– 288, 294, 296, 302, 309, 342 – Verlagerungsdepots > 45, 230, 297f., 301f. Preußischer Staatsrat, Bibliothek > 299 Preußisches Abgeordnetenhaus, Bibliothek > 57 Preußisches Finanzministerium, Bibliothek > 57 Preußisches Herrenhaus, Bibliothek > 57 Preußisches Heroldsamt, Bibliothek > 299, 301 Preußisches Justizministerium, Bibliothek > 57 Preußisches Landwirtschaftsministerium, Bibliothek > 57 Preußisches Ministerium des Innern, Bibliothek > 57 Preußisches Ministerium für Handel und Gewerbe, Bibliothek > 58 Preußisches Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Bibliothek > 57f.
Preußisches Statistisches Landesamt (Stala), Bibliothek > 55, 57, 59, 91, 299, 301 Reichskolonialamt, Bibliothek > 57f. Reichsluftfahrtministerium, Bibliothek > 61 Reichsministerium für die besetzten Gebiete, Bibliothek > 57f. Reichsstelle für Sippenforschung, Bibliothek > 61, 93 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP), Bibliothek > 61 Reichstag, Bibliothek > 60 Reichszentralbücherei des Reichsführers SS siehe Zentralbibliothek des Reichssicherheitshauptamts Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Bibliothek (SPD-Bibliothek) > 23, 26, 166–174, 178, 188, 193, 195, 204f., 299, 301, 308 Sozialistische Partei Russlands, Bibliothek (sog. Menschewiki-Bibliothek, nach Berlin ausgelagert) > 166ff., 253f. Staatliche Kunstbibliothek > 45, 127, 244f., 282 Stadtbibliothek > 16, 56, 105 Technische Hochschule, Bibliothek > 79, 85 – Informationsstelle für technisches Schrifttum > 19, 79, 85, 305 Zentral- und Landesbibliothek siehe Stadtbibliothek Zentralbibliothek der Hohen Schule der NSDAP (ab Okt. 1942 Schloss Tanzenberg, Kärnten) > 144ff. Zentralbibliothek des Reichssicherheitshauptamts (auch: Reichszentralbücherei des Reichsführers SS) > 62f., 106, 109, 186f., 188f., 194, 196f., 212, 308f. Bonn Universitätsbibliothek > 176, 225 Brackwede Zentral-Arbeiter-Bibliothek > 178 Braunschweig Technsische Hochschule, Bibliothek > 79 Bremen Staatsbibliothek (bis 1927 Stadtbibliothek) > 16, 176 Volksbücherei > 95 Breslau (Wrocław) Staats- und Universitätsbibliothek > 73, 176, 228, 246f., 295 Stadtbibliothek > 95, 255, 265ff.
Register der Bibliotheken Buxtehude SPD-Ortsverein, Bibliothek > 178
Gdańsk siehe Danzig
Chartres Bibliothèque municipale > 258
Genf (Genève) Bibliothek des Völkerbundes > 80, 86 Bibliothèque Publique et Universitaire > 80
Cieplice Śląskie-Zdrój siehe Bad Warmbrunn Cottbus Arbeiter-Turn- und Sportverein, Bibliothek > 178 Danzig (Gdańsk) Technische Hochschule, Bibliothek > 212 Darmstadt Technische Hochschule, Bibliothek > 261ff. Hessische Landesbibliothek > 176 Dresden Sächsische Landesbibliothek > 68, 176 Düsseldorf Zentralverband der katholischen Jungfrauenvereinigungen und Verbandsverlag weiblicher Vereine GmbH, Bibliothek > 189f. Landes- und Stadtbibliothek > 14, 176, Medizinische Akademie, Bibliothek > 132 Eberswalde Forstliche Hochschule, Bibliothek > 122, 289f. Edingen Jesuitenkolleg, Bibliothek > 258 Elbing (Elbląg) Ortsgruppe des Touristenvereins Naturfreunde, Bibliothek > 188 Erlangen Universitätsbibliothek > 120, 155, 176 Frankfurt a. Main Institut für Sozialforschung, Bibliothek > 62, 178, 193ff., 205, 299, 302, 308 Städtische und Universitätsbibliotheken > 108, 176, 194, 208f., 255 Freiburg i. Breisgau Universitätsbibliothek > 14, 29, 67, 75, 129, 176, 255, 265f. Fulda Landesbibliothek > 118
385
Gießen Vereinigte Universitäts- und von Senckenbergische Bibliothek (Hessische Universitätsbibliothek) > 176 Glogau (Głogów) Ortsgruppe des Neu-Deutschland-Bundes, Bibliothek > 180f. Gnarrenburg, Regierungsbezirk Stade SPD-Ortsverein, Bibliothek > 178 Gnesen (Gniezno) Bibliothek (vermutlich Bibliothek des Metropolitandomkapitels) > 140 Görlitz Anthroposophische Gesellschaft, Bibliothek > 180f. Loge der Mazdaznan-Bewegung, Bibliothek > 180f. Ortsgruppe des Bundes Neudeutschland, Bibliothek > 181 Görlsdorf, Niederlausitz siehe Preußische Staatsbibliothek (Berlin) Göttingen (Staats- und) Universitätsbibliothek > 16, 95, 176, 220 Graz Universitätsbibliothek > 72, 126, 177, 183 Greifswald Universitätsbibliothek > 63, 176, 184 Halle a. d. Saale Universitätsbibliothek > 176, 226 Hamburg Hamburgisches Weltwirtschafts-Archiv, Bibliothek > 61, 81f., 84 Ingenieur-Schule, Bibliothek > 132 Staats- und Universitätsbibliothek (bis 1919 Stadtbibliothek) > 16, 95, 120, 126, 132, 147, 152, 177, 243
386
Register der Bibliotheken
Hannover Niedersächsische Landesbibliothek (ab 2005: Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek) > 14, 16 Technische Hochschule, Bibliothek > 95 Vormals Königliche und Provinzial-Bibliothek > 177
Kiel Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr, Bibliothek > 58f. Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek > 95, 97f. Universitätsbibliothek > 30, 95, 97f., 115, 147, 152, 176
Heidelberg Universitätsbibliothek > 14, 95, 176
Kiew Bibliothek der Wladimirkathedrale (Wolodymyrskyj sobor) > 285
Himmelsthür, Regierungsbezirk Hildesheim SPD-Ortsverein, Bibliothek > 178 Hirschberg (Jelenia Góra) siehe Preußische Staatsbibliothek (Berlin) Innsbruck Universitätsbibliothek > 177 Jędrzejów, Distrikt Krakau Rabbinerbibliothek (Privatbibliothek eines nicht genannten Rabbiners) > 249f., 302, 311 Jelenia Góra siehe Preußische Staatsbibliothek (Berlin) Jena Universitätsbibliothek > 14, 33, 95, 176 Kaliningrad siehe Königsberg Karlshöfen, Regierungsbezirk Stade SPD-Ortsverein, Bibliothek > 178 Karlsruhe Badische Landesbibliothek > 95, 177, 255 Gewerbebücherei des Badischen Landesgewerbeamtes > 95 Karpacz siehe Krummhübel Kassel Engelbachs neue Leihbücherei > 205 (Hessische) Landesbibliothek > 94-97, 143f., 177, 201 Kattowitz (Katowice) Schlesische Öffentliche Piłsudski-Bibliothek > 246
Koblenz Reichskommissar für die besetzten rheinischen Gebiete, Bibliothek > 58 Köln Universitäts- und Stadtbibliothek > 14, 177 Wallraf-Richartz-Museum, Bibliothek > 132 Königsberg (Kaliningrad) Polnisches Konsulat, Bibliothek > 243, 283 Staats- und Universitätsbibliothek > 73, 115, 176f., 186 Krakau (Kraków) Staatsbibliothek (Biblioteka Jagiellońska, von der deutschen Besatzungsmacht umbenannt) > 108, 248f. Krummhübel (Karpacz) Haus Giersdorf, Bibliothek (Erholungsheim der Breslauer Logen des Unabhängigen Ordens B’nai B’rith) > 181 Legnica siehe Liegnitz Leichlingen, Regierungsbezirk Düsseldorf KPD-Bibliothek > 178 Leipzig Deutsche Bücherei > 46, 73, 83, 95, 158, 191f., 284 – SD-Verbindungsstelle > 73 Esperanto-Institut für das Deutsche Reich, Bibliothek (Staatliche Sächsische Esperanto-Bücherei) > 235, 299, 302 Stadtbibliothek > 111, 127 Universität – Archäologisches Institut, Bibliothek > 132 – Orientalisches Institut, Bibliothek > 132 – Philosophisches Institut, Bibliothek > 132 – Physiologisches Institut, Bibliothek > 132
Register der Bibliotheken – Romanisches Seminar, Bibliothek > 132 – Universitätsbibliothek > 16, 29, 44, 83, 150, 176f., 256, 295 Lemberg (Lwiw) Staatsbibliothek (1941 von der deutschen Besatzungsmacht gegründet) > 108, 248 Leslau (Włocławek) Bibliothek (vermutlich Dombibliothek) > 140 Leuven Katholieke Universiteit, Bibliothek > 108 Liegnitz (Legnica) Anthroposophische Gesellschaft, Bibliothek > 180f. Regierungs-Bibliothek > 181, 299 London Institute of Historical Research, Bibliothek > 76 Lublin Staatsbibliothek (von der deutschen Besatzungsmacht gegründet) > 108, 248 Lüdenscheid Freireligiöse Gemeinde, Bibliothek > 187 Lund Universitets Bibliotek > 80 Lwiw siehe Lemberg Marburg a. d. Lahn Universitätsbibliothek > 16, 64, 176, 179, 205, 210 Westdeutsche Bibliothek (Hessische Bibliothek) > 13, 19f., 210f. Merkstein, Regierungsbezirk Aachen SPD-Ortsverein, Bibliothek > 178, 180 Metz Stadtbibliothek (bis 1940, ab 1944 Westraumbibliothek) > 22, 66f., 98f., 139f. Mönchen-Gladbach Volksverein für das katholische Deutschland, Bibliothek > 189 Moskau Knižnaja Palata > 72
387
München Akademie für Deutsches Recht, Bibliothek > 61 Bayerische Staatsbibliothek > 14, 16, 29, 31, 50, 59, 62, 73, 94f., 128, 132ff., 144, 177, 183, 190f., 198, 200f., 239, 255, 265, 295 Deutsches Museum, Bibliothek > 61 Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands, Bibliothek > 64, 208f. Universitätsbibliothek > 147, 176, 208 Münster i. Westfalen Universitätsbibliothek > 16, 29, 68, 176, 187, 226 Muskau Ortsgruppe des Bundes Neudeutschland, Bibliothek > 181 Oviedo Universitätsbibliothek (Biblioteca de la Universidad de Oviedo) > 75, 90 Paderborn SS-Schule Haus Wewelsburg, Bibliothek > 200ff. Paris Bibliothèque Nationale > 166, 253, 274 École Polytechnique, Bibliothek > 262 Redaktion der Tageszeitung Le Figaro, Bibliothek > 297 Paulshuben, Kreis Lissa (Pawlowitz / Pawłowice) Schlossbibliothek > 140 Perleberg Johannis-Loge Zur Perle am Berge, Bibliothek > 233 Posen (Poznań) Deutsche Bücherei > 66 Handelshochschule, Bibliothek > 140 Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften (Poznańskie Towarzystwo Przyjaciół Nauk), Bibliothek > 140 St. Michaelskirche, Buchsammelstelle > 22, 65f., 140ff., 242, 311 Staats- und Universitätsbibliothek (zuvor Biblioteka Uniwersytecka, hervorgegangen aus der Kaiser-Wilhelm-Bibliothek) > 22, 66, 140f., 242 Potsdam Johannis-Loge Teutonia zur Weisheit, Bibliothek > 178, 205, 234f., 301f., 309 Reichsarchiv Potsdam, Bibliothek > 61
388
Register der Bibliotheken
Prag Heeresbücherei > 293f. Landes- und Universitätsbibliothek (Zemská a Univerzitní Knihovna, bis 1939 National- und Universitätsbibliothek) > 137f., 246, 248 Rod a.d. Weil SPD-Ortsverein, Bibliothek > 178 Rom Biblioteca Hertziana > 62 Tschechoslowakisches Historisches Institut (Ceskoslovenský Historický Ústav v Ríme), Bibliothek > 137f.
Warschau Biblioteka Wojskowa Szkoły Podchorążych Piechoty (Militärbibliothek der Infanterieschule, „Kadettenbibliothek“) > 243 Staatsbibliothek (von der deutschen Besatzungsmacht gegründet) > 108, 248 Weimar Thüringische Landesbibliothek > 177 Wernigerode Fürstlich-Stolbergische Bibliothek > 299
Rościszów siehe Steinseifersdorf
Wien Österreichische Nationalbibliothek > 22, 63, 95, 142, 177, 191, 198, 206, 227, 241, 255, 259f., 294f., 310f.
Rostock Universitätsbibliothek > 176
Wiesbaden Freireligiöse Gemeinde, Bibliothek > 180
Rotenburg a. d. Fulda SPD-Ortsgruppe, Bibliothek > 178
Wilna (Vilnius) Yidisher Visenshaftleker Institut (Yivo), Bibliothek > 286f.
Shanghai Oriental Library > 38, 203
Włocławek siehe Leslau
Sofia Universitetska Biblioteka „Sv. Kliment Ochridski“ > 74, 76
Wrocław siehe Breslau
Steinseifersdorf (Rościszów) Arbeiterwirtschaftsschule, Bibliothek > 178
Würselen, Regierungsbezirk Aachen SPD-Ortsgruppe, Bibliothek > 178
Stolzenau a. d. Weser „Sozialdemokratische Bibliothek“ (interne Bezeichnung einer nach dem 1. Mai 1933 beschlagnahmten Büchersammlung) > 179
Würzburg Universitätsbibliothek > 176
Straßburg (Strasbourg) Universitäts- und Landesbibliothek > 22, 67, 117f. Stuttgart Württembergische Landesbibliothek > 177 Tübingen Universitätsbibliothek > 29, 85, 117, 176f., 191 Utrecht Rijksuniversiteit, Bibliotheek > 147 Vilnius siehe Wilna
Privatbibliotheken (nach den Namen der Eigentümer) Baeck, Leo (Berlin-Schöneberg) > 211 Balke, … > 127 Bernstein, Eduard (Berlin) > 170, 204 Bier, August > 119, 124 Bodenstein, Max > 97, 124 Bonn, Philipp > 125f. Breysig, Kurt (Potsdam) > 128, 152 Carsten, Albert (Berlin-Dahlem) > 240f. Casella, Francesco Antonio (Neapel) > 299 Cohn, Dr. … (Berlin ?) > 209 Consentius, Ernst (Berlin) > 299
Register der Bibliotheken Falke, Otto von > 97 Fechheimer-Simon, Hedwig (Berlin) > 102, 125f. Feist-Wollheim, Hans (Berlin ?) > 225 Franz, Walter (Plaue im Westhavelland) > 179
389
Möhn, Hans (Bad Homburg) > 179 Münchhausen, Börries von (Windischleuba) > 299 Nita, Paul > 179
Gast, … (Gonzenheim) > 175, 179 Glum, Friedrich > 96 Gottl-Ottlilienfeld, Friedrich von > 124 Gottschalk, Gustav und Franziska (Berlin) > 125, 127f., 343 Grünebaum, Bernhard und Julius (Kassel) > 208 Hamdi Bey, Osman (Brüssel) > 135 Hirschfeld, Hans (Berlin) > 102, 125f. Kern, Otto (Halle a. d. Saale) > 96 Kerr, Alfred (Berlin) > 236f. Kuczynski, Jürgen (Berlin) > 192 Kühne, Walter > 159
Penck, Albrecht > 121, 124 Petschek, Ignaz und Helene (Aussig) > 63f., 100ff. Rathenau, Fritz (Berlin) > 231 Rathenau, Walther (Berlin-Grunewald) > 230ff. Schlesinger, … > 127 Schmidt-Ott, Friedrich (Berlin) > 97 Schneider, Wilhelm jr. (Landkreis St. Goar) > 179 Senkel, Kurt (Langenbochum) > 179 Stahl, Heinrich (Berlin-Dahlem) > 301 Stiebel, Ilse > 127
Lasch, Agathe (Berlin ?) > 206 Linck, Gottlob Eduard > 124 Lorenzis, Hermann de (Naurod) > 179
Tietz, Georg und Martin (Berlin) > 125, 127
Meinecke, Friedrich > 124 Mendel, Kurt (Berlin, Prager Straße 33) > 126 Mentz, Georg und Frida (Jena) > 124, 159 Meyer, Johann Georg und Ella (Ballenstedt) > 159
Wacker, Willi (Mögelin) > 179 Weisstein, Gotthilf (Berlin) > 237f., 301f. Wilcken, Ulrich > 159
Veiel, Fritz (Cannstadt) > 96
Register der Geographica, Institutionen und Organisationen (ohne Bibliotheken)
Aachen > 14, 178, 180, 260 AEG Aktiengesellschaft > 35, 60 Afghanistan > 76 Ahnenerbe e. V. siehe Deutsches Ahnenerbe e. V. Akademie für Deutsches Recht (München) > 61 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund > 179, 186 Altmarrin (Mierżyn, Schloss, Verlagerungsdepot der PSB) > 301 American Library Association > 37 Amerika > 19, 28f., 33, 37f., 55, 79ff., 83, 85, 87, 153, 211, 223, 226, 291 Amsterdam > 146f., 164, 193 Amt für Schrifttumspflege der NSDAP > 147, 200 Amtsvorsteher siehe Ortspolizeibehörde Angers > 280 Ankara > 38, 69, 203 Annenheim > 147 Anthroposophische Gesellschaft > 180f. Antikomintern (Gesamtverband antikommunistischer Vereinigungen e.V., Berlin, Potsdamer Str. 17) > 199 Antiquariate siehe Buchhandlungen Arbeiter-Illustrierte Zeitung (Berlin) > 164, 184 Arbeiter-Turn- und Sportverein (Cottbus) > 178 Arbeiterwirtschaftsschule (Steinseifersdorf) > 178 Arbeitsdienst der NSDAP > 200 Arbeitsstab für Kartographie und Vermessungswesen > 261 Arbeitswissenschaftliches Institut der DAF (Berlin) > 61, 186 Archivschutz siehe Militärbefehlshaber Frankreich Arnsberg > 187f., 197 Asher & Co. (Buchhandlung, Berlin, Behrenstr. 17) siehe Buchhandlungen Der Aufbruch (Prag) > 164 Auktionshaus – Dr. W. Achenbach (Berlin, Hardenbergstr. 29a) > 127
– Charlotte Oellerich (Berlin) > 127 – Union (Berlin) > 100 Auslandsbriefprüfstelle (Berlin) > 229 Auslands-Zeitungshandels GmbH (Köln) > 83f., 100, 270-273, 275, 278, 305 Aussig (Ústí nad Labem) > 100 Australien > 34 Auswärtiges Amt (AA) > 19f., 23, 30, 38, 47, 57, 59f., 62, 64f., 68-81, 86, 92, 129, 135-138, 152f., 166ff., 203, 243, 253f., 267, 274, 284f., 304f., 337 – Fonds „Deutsches Buch“ > 38, 59 – Geographischer Dienst > 284 – Kulturpolitische Abt. > 23, 47, 71, 74, 136, 304, 337 Auswertungsstelle der Technischen und Wirtschaftlichen Weltfachpresse e.V. > 81, 84 Bad Hallein bei Salzburg (Bergwerk, RTS-Depot) > 118 Bad Homburg v.d.H. > 179, 185f. Bad Warmbrunn (Cieplice Śląskie-Zdrój) > 181 Baden-Baden > 209 Badisches Landesgewerbeamt (Karlsruhe) > 95 Baruth (Schloss, RTS-Depot und -Dienststelle) > 22, 23, 85, 116–122, 151f., 158 Basel > 80, 136 Bayerisches Polizeiblatt (München) > 218 Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP siehe auch Amt für Schrifttumspflege > 279, 306 Beauftragter für den Vierjahresplan > 243, 284 – Haupttreuhandstelle Ost > 243 – – Sonderabt. Altreich > 243 – – Sonderabt. Ost > 243 Beauftragter für die wissenschaftlichen Bibliotheken in Lothringen > 67 Beaumanoir (Schloss bei Brieuc) > 280 Belgien > 15, 27, 76, 78, 112f., 132–135, 242, 250ff., 254–261, 268, 291, 306, 310 – Besetzte Gebiete > 76, 242, 250f., 306
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Register der Geographica, Institutionen und Organisationen
Belgrad > 74, 76, 294ff., 311, 353 Bergmann-Werke (Berlin) > 35 Berlin – Charlottenburg > 92f., 127, 228, 285f. – Dahlem > 60, 123, 135, 145, 169, 241 – Gatow > 212, 264 – Mitte > 93 – Moabit > 100-103, 209 – Nikolassee > 154, 196 – Schöneberg > 104, 211, 240 – Spandau > 301 – Treptow > 200 – Wannsee > 61, 121, 151, 154f., 196 – Wilmersdorf > 102, 127, 235 – Zehlendorf > 154 Berliner Tageblatt > 161, 167 Bern > 80, 136 Besatzungszone – Amerikanische > 20, 210 – Sowjetische > 21, 210 Beschaffungsamt der deutschen Bibliotheken (BADB) siehe auch Reichstauschstelle > 12, 17ff., 21f., 24f., 31, 40, 42–55, 57, 59, 61, 73f., 78– 88, 90ff., 96f., 101, 112–117, 120ff., 127, 131ff., 143f., 149f., 153, 155ff., 275, 291, 300, 303f. – Abt. Kriegszeitschriften > 122 – Ausweichstelle Forstliche Hochschule Eberswalde (seit Aug. 1943) > 122, 155f. Bibelforscher siehe Internationale Bibelforscher-Vereinigung Bibliotheksausschuss (BA) siehe Notgemeinschaft, ab 1934 siehe Beschaffungsamt Bibliotheksschule (Berlin, Lessinghaus, Dorotheenstr. 13) > 302 Bibliotheksschutz siehe Referat Bibliotheksschutz B’nai B’rith (Unabhängiger Orden) > 181 Bödigheim in Baden (Schloss, RTS-Depot) > 117f. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel (Leipzig) > 217f. Börsenverein der Deutschen Buchhändler (Leipzig) > 33, 74, 191 Börßum bei Braunschweig (Volksschule, RTSDepot) > 117 Bötzow > 178f. Bonn > 176, 225, 229 Bordeaux > 276 Botanischer Garten und Botanisches Museum (Berlin-Dahlem) siehe Universität Berlin
Botschaften und Gesandtschaften, ausländische – Frankreich > 166, 168, 253 – Österreich > 64 – Polen > 64f. – Spanien > 75 – Tschechoslowakei > 64f., 138 Botschaften und Gesandtschaften des Deutschen Reichs – Ankara > 69 – Bern > 80, 86, 136 – Madrid > 75 – Paris > 253, 266, 274 – Rom (Quirinal) > 137f. – Stockholm > 80 Bottrop > 185 Brackwede > 178 Brandenburg (Provinz) > 119, 165, 225 Brandenburgisches Ministerium für Wissenschaft, Volksbildung und Kunst (Potsdam) > 157 Bremen > 16, 95, 98, 176, 228 Bremervörde > 175 Breslau (Wrocław) > 73, 95, 176, 178, 227f., 246f., 255, 265ff., 295 Bromberg (Bydgoszcz) > 247 Brünn (Brno) > 106, 117 Buchausstellung – Deutsche > 76f. – Italienische > 46 – Portugiesische > 76 Buchhandlungen und Antiquariate – Asher & Co. (Buchhandlung, Berlin, Behrenstr. 17) >165 – Burgersdijk & Niermans (Antiquariat, Leiden) > 135 – Champion (Antiquariat, Paris) > 131 – Choudens (Buchhandlung) > 274 – Denis (Antiquariat, Paris) > 131 – Droz (Antiquariat, Paris) > 131, 272–275, 277ff. – Durand & Cie. (Buchhandlung) > 274, 277, 279 – Elwert (Antiquariat, Marburg a. d. Lahn) > 122 – Franke (Buchhandlung, Bern) > 80 – R. Friedländer & Sohn (Buchhandlung und Antiquariat, Berlin) > 122f., 151 – Geuthner (Buchhandlung und Antiquariat, Paris) > 131f., 270, 273ff., 278 – Grünebaum (Buchhandlung, Kassel) > 208 – Gsellius (Buchhandlung und Antiquariat, Berlin) > 122 – Halle (Antiquariat, München) > 239 – Victor Hankard (Buchhandlung, Brüssel) > 135
Register der Geographica, Institutionen und Organisationen – Harrassowitz (Antiquariat, Leipzig) > 122, 273f. – Hirschwald’sche Buchhandlung (Berlin, ab 1941 Lange & Springer) > 79, 102, 125 – Janvier (Buchhandlung) > 277 – Jean Une (Buchhandlung) > 274, 280 – Günther Koch (Antiquariat, Marquardstein) > 122 – Koehler & Volckmar (Buchhandlung, Leipzig) > 73, 84 – Benedict Lachmann (Buchhandlung, Berlin, Martin-Luther-Str. 86) > 239f. – Maurice Lamertin (Buchhandlung, Brüssel) > 135 – J. Landrain (Buchhandlung, Brüssel) > 135 – Lange & Springer (Buchhandlung und Verlag) > 79, 84, 102 – Legouix (Buchhandlung) > 274, 279f. – Librairie d’Amérique et d’Orient siehe Maisonneuve – Librairie Encyclopèdique (Brüssel) > 135 – Librairie General de Droit (Paris) > 132 – Librairie Orientaliste Paul Geuthner siehe Geuthner – Librairie Rive Gauche (Paris) > 274f., 278 – Marc Loliée (Buchhandlung) > 274, 279 – Lorentz (Antiquariat, Leipzig) > 122 – Lynge (Antiquariat, Kopenhagen) > 152 – G. P. Maisonneuve (Verlagsbuchhandlung, Paris) > 131f. – Marconi siehe Pathé Marconi – De Meulenaere (Buchhandlung, Brüssel) > 261 – Miette (Antiquariat, Belgien) > 261 – Moens (Buchhandlung, Brüssel) > 135 – Montaigne (Buchhandlung, Brüssel) > 135 – George Moorthamers (Buchhandlung und Antiquariat, Brüssel) > 133ff., 157 – Morancé (Antiquariat, Paris) > 131f. – Einar Munksgaard (Verlagsbuchhandlung, Kopenhagen) > 79 – Natura (Buchhandlung, Berlin, Karlstr. 11) > 120, 122f. – Nijhoff (Buchhandlung, Niederlande) > 135 – F. de Nobele (Buchhandlung, Brüssel) > 135 – Nößler (Buchhandlung, Shanghai) > 79 – Office Belge Littéraire et Artistique (OBLA, Buchhandlung, Brüssel) > 78 – Pathé Marconi (Buchhandlung) > 274 – Payot (Buchhandlung, Lausanne) > 80 – Pedoné (Antiquariat, Paris) > 132 – Rapilly (Antiquariat, Paris) > 131 – Rossignol (Buchhandlung) > 274, 278ff.
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– Oscar Rothacker (Buchhandlung und Antiquariat für Medizin, Berlin, Friedrichstr. 105 B) > 125f. – Saffroy (Buchhandlung und Antiquariat, Paris) > 274, 278 – Schulz & Co. (Antiquariat, Plauen) > 122 – Kurt L. Schwarz (Antiquariat, Wien u. London) > 238f. – Simonson (Antiquariat, Belgien) > 261 – Standaard (Buchhandlung, Belgien) > 133 – Gaston Tavernier (Buchhandlung, Gent) > 135 – Thiébaud (Antiquariat, Paris) > 131 – Trenkle (Antiquariat, München) > 122, 270 – Tulkens (Antiquariat, Brüssel) > 134f., 158 – Twietmeyer (Antiquariat, Leipzig) > 122 – J. van Vortsenbos (Buchhandlung, Brüssel) > 135 – Vrin (Antiquariat, Paris) > 131 – Oswald Weigel (Antiquariat, Leipzig) > 122 – Zahn & Jaensch (Antiquariat, Dresden) > 122 Buchmeisterverlag > 182 Buchs i. Vorarlberg > 208 Buchsammelstelle – Litzmannstadt > 65 – Metz > 22, 67, 139, 241, 311 – Posen (St. Margaretenkirche und St. Michaelskirche) > 22, 65f., 140ff., 241f., 311 Büchergilde Gutenberg (Verlag) > 182 Bücherverwertungsstelle (Wien) > 241 Bürgermeister siehe Ortspolizeibehörde Bulgarien > 76 Bund der Guoten > 180 Bund Neudeutschland > 180 Burgersdijk & Niermans (Antiquariat, Leiden) siehe Buchhandlungen Burgstadt bei Posen (Kórnik, Schloss, RTS-Depot) > 117, 152 Buxtehude > 178 Bydgoszcz siehe Bromberg Bruno Cassirer (Verlag, Berlin) > 127 Ceskoslovenský historický ústav v Ríme siehe Tschechoslowakisches Historisches Institut Champion (Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen Chartres > 258, 279f. Chef der Heeresarchive in den Niederlanden > 254, 294
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Register der Geographica, Institutionen und Organisationen
Chef der Heeresarchive (Posen) > 242, 287, 293 Chef der Heeresbüchereien > 257, 262f., 294 Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres > 105 – Dolmetscher-Lehr-Abt. (2. Stabsgruppe) > 105 Choudens (Buchhandlung) siehe Buchhandlungen Cieplice Śląskie-Zdrój siehe Bad Warmbrunn Cottbus > 119, 178 Dänemark > 35, 132, 147, 242, 306 Danzig (Gdańsk) > 94, 212 Darmstadt > 60, 176, 261ff. Denis (Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen Deutsch-Ausländischer Buchtausch (DAB) siehe auch Reichstauschstelle > 12, 21–25, 31, 37f., 44f., 47, 57, 59, 62ff., 70–78, 80f., 88–92, 114, 116, 120ff., 152f., 158, 199, 244, 259, 300, 303f., 312 – Ausweichstelle Schloss Frehne (Prignitz) > 22, 64, 122, 158 Deutsche Arbeitsfront (DAF) siehe auch Arbeitswissenschaftliches Institut > 60f., 174, 186 Deutsche Bank > 59, 126, 241 Deutsche Chemische Gesellschaft > 84 Deutsche Forschungsgemeinschaft siehe Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (Berlin) > 19, 83-86, 305 Deutsche Gesellschaft zum Studium Osteuropas > 152, 166 Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums > 235 Deutsche Hochschule für Politik (Berlin) > 163, 213, 215 – Antimarxistisches Seminar > 213, 215 Deutsche Industriebank > 82 Deutsche Morgenländische Gesellschaft (Istanbul) > 61f. Deutsche Volkspartei – Landesverband Lippe > 228 Deutsche Wehrmacht siehe auch Oberkommando bzw. Militärbefehlshaber > 15, 24, 26, 28, 30, 54, 65, 78, 80, 86f., 103, 106, 116, 119, 129, 132, 153, 155, 200, 227, 229, 245, 256, 282f., 285, 287– 292, 294, 302, 304f., 311 – Abwehrstelle im Wehrkreis III
– (Wehrmacht-)Sichtungsstelle (Berlin) > 282, 287–291, 293, 344 Deutsche Wissenschaftliche Institute > 76, 134f. Deutscher Akademischer Austauschdienst > 79f. Deutscher Esperanto-Bund > 235 Deutscher Gesamtkatalog > 52ff., 170, 172ff., 226 Deutsches Ahnenerbe e. V. > 259 Deutsches Archäologisches Institut (Rom) > 138 Deutsches Auslandswissenschaftliches Institut (Berlin) > 136 Deutsches Historisches Institut (Rom) > 138 Deutsches Institut (Paris) > 129, 267, 274 Deutsches Kriminal-Polizeiblatt > 218, 221 Deutsches Museum (München) > 61 Devisenstellen > 127, 209, 225, 238, 270, 279 Diez a. d. Lahn > 185f. Diskont-Gesellschaft > 299 Dortmund > 115, 209 Drehsa (Schloss, RTS-Depot) > 23, 119f., 138, 152 Dresden > 19, 23, 68, 120, 122, 150f., 158, 176, 285 Drogosze siehe Groß Wolfsdorf Droz (Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen Durand & Cie. (Buchhandlung) siehe Buchhandlungen Düsseldorf > 14, 132, 176, 178, 189f., 209 Ebenthal (Schloss, geplantes Bücherdepot) > 142 Eberswalde > 22, 85f., 122, 155f., 289f. École Polytechnique (Paris) > 262 Edingen > 258 Eichenzell bei Fulda (Pfarrhaus, RTS-Depot) > 118 Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) > 15, 23, 78, 104ff., 143-147, 250, 253f., 257f., 279, 284ff., 305 – Amt Musik > 147 – Außenstelle Ratibor (Bücherdepot) > 78, 144–147 – Bücherdepot Schloss Pless (Schlesien) > 145 – (Haupt-)Abt. IV Auswertung (Erfassung und Sichtung) > 146, 287 – – Gruppe Buchleitstelle (IV/5) > 144, 146 – – Gruppe Ostbücherei (IV/6) > 78 – Hauptarbeitsgruppe Frankreich (Dienststelle Paris) > 145f. – Hauptarbeitsgruppe Niederlande (Dienststelle Amsterdam) > 145
Register der Geographica, Institutionen und Organisationen – Hauptarbeitsgruppe Ostland, Arbeitsgruppe Litauen (Wilna) > 286 – Sonderstab Musik > 279 – Sonderstab Wissenschaft > 145 – Stabsführung > 143–147, 254, 287 Elbing (Elbląg) > 188 Elsass > 67, 137, 241, 301 Elwert (Antiquariat, Marburg a. d. Lahn) siehe Buchhandlungen England siehe Großbritannien Eppstein > 175 Erlangen > 155, 176 Eschborn > 175 Esperanto-Institut für das Deutsche Reich (Leipzig) > 235, 302 Le Figaro (Paris) > 297 Finanzämter – Baden-Baden > 209 – Berlin > 100–103, 144, 209 – Dortmund > 209 – Frankfurt a. Main > 209 – Kassel > 208f. – Nürnberg > 208, 210 – Potsdam > 128 Fine Art Society (London) > 268 Fonds „Deutsches Buch“ siehe Auswärtiges Amt Forstliche Hochschule (Eberswalde) > 122, 289f. Fränkisch Crumbach (Herrenhaus, RTS-Depot) > 117 Franke (Buchhandlung, Bern) siehe Buchhandlungen Franken > 117f., 120, 155 Frankenberg i. Sachsen > 200 Frankenberg i. Steigerwald (Schloss, RTS-Depot) > 22, 88, 117, 119f., 136, 155f. Frankfurt a. d. Oder > 178 Frankfurt a. Main > 62, 108, 123, 176, 178, 193– 196, 209, 253, 255f., 286, 301, 308 Frankreich > 15, 24, 27, 33, 65, 69, 76, 78, 83, 92, 100, 108ff., 112f., 128–133, 139, 152, 157, 215, 224, 242, 250–265, 268–271, 274f., 277ff., 281f., 292, 301, 306, 310 – Besetzte Gebiete > 76, 108, 145, 250, 310 Edmund Franzkowiak & Co. (Speditionsfirma, Berlin-Wilmersdorf) > 234f. Frehne (Schloss i. d. Priegnitz) > 22, 64, 122, 158 Freiburg i. Breisgau > 14, 29, 67, 75, 129, 176, 255, 259, 265f. Freie Presse (Amsterdam) > 164 Freimaurerlogen
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siehe Große National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln, Johannis-Loge Zur Perle am Berge (Perleberg), Johannis-Loge Teutonia zur Weisheit (Potsdam), Loge Blücher von Wahlstatt (Berlin-Charlottenburg) Freireligiöse Gemeinde – Lüdenscheid > 187 – Wiesbaden > 180 Freystadt i. Westpreußen (Kisielice) > 187 Fribourg (Schweiz) > 80 R. Friedländer & Sohn (Buchhandlung und Antiquariat, Berlin) siehe Buchhandlungen Friedrich-Wilhelms-Universität (Berlin) siehe Universität Berlin Friedrichswerth bei Gotha (Schloss, RTS-Depot) > 22, 117, 119ff., 151f., 155, 157f. Fulda > 118, 157 Galizien > 248 Gdańsk siehe Danzig Geheimes Staatsarchiv (Berlin-Dahlem) > 19, 22f., 26, 60, 163, 169-173, 188, 204, 337 Geheime Staatspolizei (Gestapo) siehe auch Staatspolizei(leit)stellen > 26, 61, 64, 70, 82f., 90, 99, 106, 128, 161–169, 174f., 179f., 183, 185, 187ff., 192, 194–197, 199, 201, 205f., 210, 212f., 221, 223, 226, 233, 241, 243, 305, 307ff., 341 – Lagerräume der Gestapo (Berlin, Magazinstr. am Alexanderplatz) > 165, 167 Geheimes Staatspolizeiamt (Gestapa, Berlin, Prinz-Albrecht-Str. 8) > 73, 161f., 164–170, 183, 185, 187f., 192, 194ff., 201, 204, 210, 213, 221, 254, 262 – Presseabt. > 162, 164f. Geheimes Staatspolizeiamt, preußisches > 308 Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft in Serbien > 295 Generaldirektor der preußischen Staatsarchive > 169, 172f. Generalgouvernement > 65, 107f., 247-250, 260 – Regierung – – Abt. Volksaufklärung und Propaganda > 249f. – – Hauptabt. Finanzen > 107f. – – Hauptverwaltung Wissenschaft und Unterricht > 107, 248 – – – Hauptabt. Bibliotheken > 107, 248 – – Sonderbeauftragter für die Sicherung der Kunst- und Kulturgüter > 247f.
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Register der Geographica, Institutionen und Organisationen
Generalkonsulate und Konsulate des Deutschen Reichs > 64 – Genf > 86 – Istanbul > 69f. – Mailand > 136 – Malmö > 80 Genf > 80, 86 Geographischer Dienst des AA siehe Auswärtiges Amt Germanistic Society of America (New York) > 51, 79 Gesamtverband antikommunistischer Vereinigungen e. V. siehe Antikomintern Gesandtschaften … siehe Botschaften Gesellschaft für deutsche Literatur (Berlin) > 235f., 302 Gesellschaft zur Beförderung des Christentums unter den Juden (Berlin) > 192, 206, 302 Geuthner (Buchhandlung und Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen Gießen > 176 Glogau (Głogów) > 181 Gnarrenburg (Regierungsbezirk Stade) > 178 Gnesen (Gniezno) > 140 Görlitz > 117, 119, 181 Görlsdorf, Niederlausitz > 20, 296f. Göteborg > 80 Göttingen > 16, 95, 117, 176, 220, 229 Graz > 72, 126, 177, 183 Greifenstein (Schloss bei Heiligenstadt, RTSDepot) > 117, 120 Greifswald > 63, 176, 184 Grenzmark Posen-Westpreußen > 186f. Groß Wolfsdorf/Dönhofstädt i. Ostpreußen (Drogosze, Pfarrhaus, RTS-Depot) > 117, 152 Großbesten (Regierungsbezirk Potsdam) > 185 Großbritannien > 19, 78-81, 83, 85, 87, 89, 153, 223, 226, 238, 261, 291 Große National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln > 233 Grünebaum (Buchhandlung, Kassel) siehe Buchhandlungen Gsellius (Buchhandlung und Antiquariat, Berlin) siehe Buchhandlungen Halle a. d. Saale > 96, 176, 226 Halle (Antiquariat, München) siehe Buchhandlungen Harry W. Hamacher (Speditionsfirma, Berlin, Lüneburger Str. 22) > 282f.
Hamburg > 16, 29, 61, 81, 84, 95, 111, 120, 126, 132, 147, 152, 177, 243, 262, 284 Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv > 61, 81f., 84 Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Institut e.V. > 81 Handelshochschule (Posen) > 140 Hankard (Buchhandlung, Brüssel) siehe Buchhandlungen Hannover > 14–18, 76, 95, 176f., 179 Harrassowitz (Antiquariat, Leipzig) siehe Buchhandlungen Hattorf i. Thüringen (Vereinigte Kalibergwerke, Verlagerungsdepot der PSB) > 20f., 230, 301 Hauptamt Schrifttumspflege der NSDAP siehe Amt für Schrifttumspflege Hauptarchiv der NSDAP (München) > 173 Hauptschulungsamt der NSDAP > 61 Hauptstelle Musik > 279 Haupttreuhandstelle Ost siehe Beauftragter für den Vierteljahresplan Hauptwirtschaftsamt der Stadt Berlin > 103ff. – Außenstelle Gebrauchtmöbel > 103 – Städtische Pfandleihanstalt > 103ff. Hauptzollamt – Düsseldorf > 209 Haus Giersdorf siehe B’nai B’rith (Unabhängiger Orden) Heeresarchive, -büchereien siehe Chef der … Heeresmuseum (Armeemuseum) der Wehrmacht (Dresden) > 285 Heidelberg > 14, 95, 176 Hennigsdorf > 204 J. G. Henze (Speditionsfirma, Berlin) > 154f. Hermsdorf bei Dresden (Schloss, Verlagerungsdepot der SUB Hamburg) > 120 Heroldsamt siehe Preußisches Heroldsamt Hessen > 97, 117, 143, 210, 262 Hildesheim > 178 Himmelsthür (Regierungsbezirk Hildesheim) > 178 Hirschberg (Jelenia Góra) > 20f., 24, 134, 151, 181, 222, 225ff., 271, 275f., 281, 295ff. Hirschwald’sche Buchhandlung (Berlin) siehe Buchhandlungen Hochschule für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Veterinärwesen (Ankara) > 38, 69, 203 Hochschule für Politik siehe Deutsche Hochschule für Politik Hochschule für Staats- und Wirtschaftswissenschaften (Detmold) > 228 Hofgeismar (Amtsgericht, RTS-Depot) > 117
Register der Geographica, Institutionen und Organisationen Hohe Schule der NSDAP > 146f. Holzendorf in der Uckermark (Rittergut, RTSDepot) > 117,119, 152 Hundshaupten bei Forchheim (Schloss, RTSDepot) > 117f., 120 Ibero-Amerikanisches Institut (Berlin) > 55, 75, 154, 259 Indien > 80 Infanterieschule siehe Szkoła Podchorążych Piechoty Informationsstelle für technisches Schrifttum (Berlin) > 19, 79, 85, 305 Ingenieur-Schule (Hamburg) > 132 Innsbruck > 177 Institut für Deutsche Ostarbeit (Krakau) > 108, 247 Institut für Grenz- und Auslandsstudien (Berlin) > 61, 284 Institut für Sozialforschung (Frankfurt a. Main) > 62, 178, 193-197, 205, 299, 302, 308 Institut für Staatsforschung (Berlin-Wannsee) > 61, 73, 196 Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr (Kiel) > 58f. Institut zur Erforschung der Judenfrage (Frankfurt a. Main) > 147, 208, 253, 285f. Institut zur Wissenschaftlichen Erforschung der Sowjetunion e. V. (Berlin) > 290 Institute of Historical Research (London) > 76 Internationale Bibelforscher-Vereinigung > 180, 185 Internationaler Bibliothekskongress (Madrid 1935) > 75 Internationaler Gewerkschaftsbund > 193 Iran > 76 Istanbul (Konstantinopel) > 61, 69f. Italien > 34, 76, 113, 136f., 142, 157, 226, 306 Jagow in der Uckermark (Gutshof, RTS-Depot) > 117 Janvier (Buchhandlung) siehe Buchhandlungen Japan > 76 Jean Une (Buchhandlung) siehe Buchhandlungen Jędrzejów > 249f., 302, 311 Jelenia Góra siehe Hirschberg Jena > 14, 29, 33, 95, 159, 176 Jesuitenkolleg (Edingen) > 258
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Johannis-Loge Teutonia zur Weisheit (Potsdam) > 178, 205, 234f., 301f., 309 Johannis-Loge Zur Perle am Berge (Perleberg) > 233 Jüdischer Jugendverein (Schweinfurt) > 64 Jüdischer Kulturbund > 209 Jugoslawien > 27, 242, 282, 290, 294 Junkers (Flugzeug- und Motorenwerke, Dessau) > 60 Kärnten > 142, 147 Kaiser-Friedrich-Museum (Berlin) > 65 Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft > 29, 45 Kaliningrad siehe Königsberg Kampfbund für deutsche Kultur > 212 Karlsbad (Karlovy Vary) > 146 Karlshöfen (Regierungsbezirk Stade) > 178 Karlsruhe > 75, 95, 98, 177, 209, 255 Karpacz siehe Krummhübel Kassel > 94-97, 143, 177f., 201, 205, 208f. Kattowitz (Katowice) > 246 Kiel > 30, 58f., 83, 95, 97f., 115, 147, 150, 152, 176 Kiepenheuer (Verlag) > 182 Kiew > 285 Kisielice siehe Freystadt i. Westpreußen Knižnaja Palata siehe Vsesojuznaja Knižnaja Palata Koblenz > 58, 176, 179 Koch (Antiquariat, Marquardstein) siehe Buchhandlungen Koehler & Volckmar (Buchhandlung, Leipzig) siehe Buchhandlungen Köln > 14, 83f., 100, 132, 177, 208, 229, 270, 275, 278, 305 Königsberg (Kaliningrad) > 73, 115, 176f., 243, 283 Kolonialpolitisches Amt der NSDAP (München) – Dienststelle Berlin > 93 Kommando Paulsen > 247 Kommissar für die Sicherung der Bibliotheken und Betreuung des Buchgutes siehe Reichskommissar… Geca Kon Verlag (Belgrad) > 294ff., 302, 311 Konstantinopel siehe Istanbul Konsulate, ausländische – Polen > 64 – – Königsberg > 243, 245, 283 – Tschechoslowakei > 64
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Register der Geographica, Institutionen und Organisationen
Konsulate des Deutschen Reichs siehe Generalkonsulate Konzentration A.G. i.L. (Betriebs- und Grundstücksverwaltung) > 174 Konzentrationslager > 163, 295 – Sajmište bei Belgrad > 295 Kórnik siehe Burgstadt KPD > 26, 178f., 184ff. Krakau (Kraków) > 107f., 138, 247-250, 255 Kroatien > 76 Krummhübel (Karpacz) > 181 Kunstakademie (Kassel) > 97 Kwidzyn siehe Marienwerder Kyllburg in der Eifel (Priestererholungsheim St. Thomas, RTS-Depot) > 117 Lachmann (Buchhandlung, Berlin, Martin-LutherStr. 86) siehe Buchhandlungen Lamertin (Buchhandlung, Brüssel) siehe Buchhandlungen Landesfinanzamt – Berlin-Brandenburg (Berlin, Alt-Moabit) > 209 Landesrechnungshof Sachsen (Dresden) > 158 Landkreis – Bad Homburg v. d. H. > 185f. – Bad Kreuznach > 176 – Bautzen > 116, 119 – Beckum > 186 – Bremervörde > 175 – Diez a. d. Lahn > 185f. – Hannover > 176 – Lüdinghausen > 176, 185f. – Melsungen > 178 – Obertaunus > 175, 186 – Osterholz > 175 – Pinneberg > 186 – Recklinghausen > 176, 186 – Reichenbach > 178 – Rotenburg a. d. Fulda > 175, 178 – St. Goar > 179 – Stade > 175 – Teltow > 176 – Uffenheim > 88, 119 – Untertaunus > 175 – Weilburg > 175 – Wesermünde > 175 – Westhavelland > 179 – Wetzlar > 175
Landrain (Buchhandlung, Brüssel) siehe Buchhandlungen Lange & Springer (Buchhandlung und Verlag) siehe Buchhandlungen Lateinamerika > 76 Lausanne > 80 Lausitz > 20, 100, 116ff., 120, 138, 181 Legnica siehe Liegnitz Legouix (Buchhandlung) siehe Buchhandlungen Leichlingen (Regierungsbezirk Düsseldorf) > 178 Leipzig > 16, 29, 44, 46, 73, 83, 88f., 95, 111, 114, 117, 122, 127, 132, 148ff., 158, 176f., 183, 192, 197, 203, 229, 235, 255f., 269, 273f., 284, 291, 295 Lemberg (Lwiw) > 108, 248 Leslau (Włocławek) > 140 Lessinghaus siehe Bibliotheksschule Berlin Leuven > 108 Librairie … siehe Buchhandlungen Liegnitz (Legnica) > 176, 180f., 183, 204, 299 Lissa bei Görlitz (Gutshof, RTS-Depot) > 22, 117, 119f., 122, 140, 152f., 158 Lissabon > 76 Literarisches Zentralblatt > 35 Litzmannstadt (Lodsch / Łódź) > 65, 103, 108, 140f. Loge Blücher von Wahlstatt (Berlin-Charlottenburg) > 92f. Loliée (Buchhandlung) siehe Buchhandlungen London > 76, 86, 194, 238f., 268, 291 Lorentz (Antiquariat, Leipzig) siehe Buchhandlungen Lothringen > 22, 65, 67, 139, 241, 301 Lublin > 108, 248 Lüdenscheid > 187 Lüdinghausen > 176, 185f. Lüneburg > 176 Luftkriegsakademie (Berlin-Gatow) > 212, 264 – Institut für Werkstoffprüfung > 264 Lund > 80 Luttertal bei Göttingen (Wochenendhaus Alfred Rannenberg, RTS-Depot) > 117 Luxemburg > 67, 241 Luzern > 80 Lwiw siehe Lemberg Lynge (Antiquariat, Kopenhagen) siehe Buchhandlungen
Register der Geographica, Institutionen und Organisationen Madrid > 75ff. Magdeburg > 117f., 176, 297f. Mailand (Milano) > 113, 136f., 142 Maisonneuve (Verlagsbuchhandlung, Paris) siehe Buchhandlungen Malbork siehe Marienburg Malmö > 80 Marburg a. d. Lahn > 13, 16, 20, 64, 66, 122, 176, 179, 205, 210f., 311 Marconi (Buchhandlung) siehe Buchhandlungen unter Pathé Marconi Marienburg i. Westpreußen (Malbork, Schloss, RTS-Depot) > 117, 152 Marienwerder (Kwidzyn) > 188 Mazdaznan-Bewegung > 180 Medizinische Akademie (Düsseldorf) > 132 Melsungen > 178 Merck (Pharmaunternehmen, Darmstadt) > 60 Merkstein (Regierungsbezirk Aachen) > 178, 180 Metz > 22, 66f., 98f., 139ff., 311 De Meulenaere (Buchhandlung, Brüssel) siehe Buchhandlungen Mierżyn siehe Altmarrin Miette (Antiquariat, Belgien) siehe Buchhandlungen Milano siehe Mailand Militärbefehlshaber siehe auch Referat Bibliotheksschutz – Belgien und Nordfrankreich > 78, 108, 133, 256f., 260 – Frankreich > 129f., 255, 261-265, 268., 271f., 281 – – Gruppe Archivschutz > 263f. – Generalgouvernement (Oberbefehlshaber Ost) > 242 – Niederlande > 287, 294 – – Abt. Heeresbüchereien > 287, 294 – Serbien > 295 Militärverwaltung Bordeaux > 276 Minden > 176, 178 Ministère de l’Économie > 131 Ministère de l’Éducation Nationale – Direction des Bibliothèques Nationales > 258 Ministerium für Schulwesen und Volkskultur (Prag) > 137 Mönchen-Gladbach > 189 Moens (Buchhandlung, Brüssel) siehe Buchhandlungen Montaigne (Buchhandlung, Brüssel) siehe Buchhandlungen
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Moorthamers (Buchhandlung und Antiquariat, Brüssel) siehe Buchhandlungen Morancé (Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen München > 14, 16, 30, 61, 64, 120, 122, 133f., 144, 147, 173, 176f., 202, 208f., 227, 239, 248, 265, 270 Münster i. Westfalen > 16, 29, 68, 150, 175, 176, 179f., 185ff., 226 Munksgaard (Verlagsbuchhandlung, Kopenhagen) siehe Buchhandlungen Museen siehe Deutsches Museum (München), Heeresmuseum (Dresden), Kaiser-Friedrich-Museum (Berlin), Schlossmuseum (Berlin), Soziales Museum (Frankfurt a. M.), Universität Berlin (Botanisches Museum und Museum für Meereskunde), Wallraf-Richartz-Museum (Köln) Museum für Meereskunde siehe Universität Berlin Muskau > 181 Natura (Buchhandlung, Berlin, Karlstraße 11) siehe Buchhandlungen Neu-Bötzow siehe Bötzow Neudeutschland siehe Bund Neudeutschland Niederlande > 27, 35, 79, 109, 132f., 135, 152, 242, 251, 254, 260, 287, 294, 306 Niederstotzingen (Pfarrhaus, RTS-Depot) > 117 Nijhoff (Buchhandlung, Niederlande) siehe Buchhandlungen De Nobele (Buchhandlung, Brüssel) siehe Buchhandlungen Nößler (Buchhandlung, Shanghai) siehe Buchhandlungen Norwegen > 30, 34, 65, 242 Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft > 11f., 25, 29–43, 47–53, 66–69, 74, 81, 88f., 91, 124, 166, 203f., 227f., 237, 302ff. – Bibliotheksausschuss > 12, 25, 29–46, 51f., 70, 88, 91, 203, 303f. – – Dienststelle „Deutsches Buch“ > 37f. – – Geschäftsstelle > 12, 25, 30-44, 70, 88, 203, 303 – Stifterverband > 31f., 81f. – Verlagsausschuss > 31 – Wissenschaftliche Akademikerhilfe > 89 NS-Studentenschaft > 212 Nürnberg > 70, 122, 207f., 210
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Register der Geographica, Institutionen und Organisationen
Oberbefehlshaber Ost siehe Militärbefehlshaber Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin > 104, 122 Oberfinanzpräsidium – Baden (Karlsruhe) > 209 – Berlin-Brandenburg > 19, 24, 63f., 101– 107, 125-128, 209 – – Devisenstelle > 127, 225, 238, 270, 279 – – Vermögensverwertungsstelle > 102, 104, 125ff. – Köln > 208 – Leipzig > 269 Oberkommando der Wehrmacht (OKW) > 65, 87, 155, 145, 155f., 256f., 283f., 287f., 291ff. – Amtsgruppe Allgemeines Wehrmachtsamt – – Abt. Inland > 291 – Amtsgruppe Ausland/Abwehr – – Abt. Ausland > 292f. – Zeitschriftenstelle > 87 Oberkommando des Heeres (OKH) siehe auch Chef der Heeresrüstung und Oberste Heeresleitung > 87, 130, 254, 257, 282, 292 – Generalstab des Heeres > 36, 292 – – Abt. Fremde Heere Ost > 292 Oberoderwitz i. d. Lausitz (Herrenhaus, Verlagerungsdepot der PSB) > 20 Oberpräsidium > 97, 117, 143, 209, 251 – Baden (Karlsruhe) > 209 – Hessen-Nassau (Kassel) > 97, 143 – Sachsen (Magdeburg) > 117 Oberste Heeresleitung > 30 Oberstotzingen (Pfarrhaus, RTS-Depot) > 117 Obertaunus > 175, 186 OBLA siehe Buchhandlungen Österreich > 11, 16f., 22, 27, 35, 63f., 137, 157, 177, 190, 227, 238, 241f., 251, 291, 294f., 310 Offenbach Archival Depot > 210, 302, 311 Office Belge Littéraire et Artistique (OBLA) siehe Buchhandlungen Opava siehe Troppau Operationszone Adriatisches Küstenland > 142 Ordensburgen > 61 Orléans > 280 Ortspolizeibehörde > 174, 186 – Bottrop > 185 – Bötzow > 178f. – Diez a. d. Lahn > 186 – Eppstein > 175 – Eschborn > 175
– Freystadt (Westpreußen) > 187 – Görlitz > 180f. – Großbesten > 185 – Hennigsdorf > 204 – Krummhübel > 181 – Liegnitz > 181 – Lüdenscheid > 187 – Münster i. Westfalen > 175 – Muskau > 181 – Rod a. d. Weil > 175 – Stolzenau a. d. Weser > 179 – Stralsund > 176, 184 – Wedel (Holstein) > 186 Osterholz (Regierungsbezirk Stade) > 175 Ostmark > 54, 61, 63f., 255 Oviedo > 75, 90 Paderborn > 200 Pansin in Pommern (Rittergut, RTS-Depot) > 117, 119f., 152 Paris > 18, 21, 24, 27, 65, 67, 76, 113, 128–133, 138f., 143, 145f., 149, 157, 166f., 183, 245, 251–269, 272–279, 281, 288, 290, 295, 297 Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums (PPK) > 71f., 77 Paulshuben, Kreis Lissa (Pawlowitz / Pawłowice) > 140 Pathé Marconi (Buchhandlung) siehe Buchhandlungen Payot (Buchhandlung, Lausanne) siehe Buchhandlungen Pedoné (Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen Perleberg > 233 Personalamt der NSDAP (Gau Berlin) > 61 Peters (Musikverlag, Leipzig) > 269 Petschek-Konzern (Aussig) > 100f. Pfaffendorf bei Beeskow (Scheune, RTS-Depot) > 119f., 152, 158 Pila siehe Schneidemühl Julius Pintsch K.G. (Unternehmen, Berlin) > 93 Pless (Pszczyna, Schloss in Schlesien, Bücherdepot ERR) > 145 Poitiers > 280 Polen siehe auch Generalgouvernement > 15, 22, 27, 64f., 152, 157, 242–251, 255, 258, 282, 287, 301, 310ff. Polizeipräsidium – Berlin > 163, 175f., 181ff., 192, 206 – Frankfurt a. Main > 193 – Wiesbaden > 180
Register der Geographica, Institutionen und Organisationen Polizeiverwaltung siehe Ortspolizeibehörde Portugal > 34, 76 Posen (Poznań) > 22, 65f., 108, 117, 140ff., 152, 186f., 241f., 287, 293, 311 Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften (Poznańskie Towarzystwo Przyjaciół Nauk) > 140 Potsdam > 19, 24, 61, 128, 152, 157, 176, 178f., 183, 185, 204ff., 234f., 301f. Prag > 64, 106f., 137f., 164, 236, 246, 248, 281, 294 Presseabt. der Reichsregierung siehe Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Carl Presser & Co. (Speditionsfirma) > 195 PREUSSAG (Konzern) > 157, 298 Preußische Akademie der Wissenschaften > 29, 60, 124, 219, 259 Preußische Bau- und Finanzdirektion >62, 92f. – Hauptkasse > 62 Preußischer Staatsrat > 299 Preußisches Abgeordnetenhaus > 57 Preußisches Finanzministerium (PFM) > 47, 53, 57, 62, 91, 162f., 168ff., 172ff., 177f., 182, 185-190, 194, 201, 204f., 302, 308f. Preußisches Heroldsamt > 299, 301 Preußisches Herrenhaus > 57 Preußisches Justizministerium > 57, 162 Preußisches Landwirtschaftsministerium > 57 Preußisches Ministerium des Innern (PMI) > 57, 161f., 166f. Preußisches Ministerium für Handel und Gewerbe > 58 Preußisches Ministerium für Wirtschaft und Arbeit > 57f. Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung > 11, 23, 71, 161f., 211, 213 Preußisches Statistisches Landesamt („Stala“) > 55, 57, 59, 91, 299, 301 Protektorat Böhmen und Mähren > 137f. Pszczyna siehe Pless Publikationsstelle Ost siehe Sammlung Leibbrandt Raakow in der Niederlausitz (Gutshof, RTSDepot) > 117, 119f, 122, 152, 156ff. Rapilly (Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen Ratibor (Racibórz) > 78, 144-147 Recklinghausen > 179f., 185f.
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Referat (Gruppe) Bibliotheksschutz > 15, 27, 250f., 310 – Paris > 21, 24, 67, 113, 128–132, 138, 143, 224, 251, 254–263, 265, 269, 272, 275, 278, 280f., 295, 310, 343 – Brüssel > 78, 143, 254-261 Regierung des Generalgouvernements siehe Generalgouvernement Regierungsbezirk – Aachen > 178 – Arnsberg > 187f., 197 – Berlin > 163 – Bromberg > 247 – Düsseldorf > 178, 189f. – Grenzmark Posen-Westpreußen > 186f. – Hannover > 176 – Hildesheim > 178 – Kassel > 178 – Koblenz > 176 – Liegnitz > 176, 180f., 183, 204, 299 – Lüneburg > 176 – Magdeburg > 176 – Marienwerder > 188 – Minden > 176 – Münster i. Westfalen > 176, 179f., 185f. – Potsdam > 176, 179, 183, 185 – Schneidemühl > 176, 186ff., 197 – Stade > 175f., 178 – Stettin > 176, 184 – Wiesbaden > 175f., 178ff., 185 Regierungspräsident siehe Regierungsbezirk Reibersdorf bei Zittau (Schloss, RTS-Depot) > 119, 152, 158 Reichenbach > 178 Reichs- und Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (RuPMWEV) siehe Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (RMWEV) Reichsamt für Landesaufnahme > 285 Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitsbeschaffung > 89 Reichsarbeitsgemeinschaft für Deutsche Buchwerbung > 77, 305 Reichsarbeitsverwaltung > 60 Reichsarchiv – Potsdam > 61 – Troppau > 117 Reichsärzteführer > 86 Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold > 180 Reichsbeirat für Bibliotheksangelegenheiten (RBBA) > 12, 19f., 28, 30, 46, 48f., 52, 54, 95f., 110–117, 119, 121, 123ff., 127f., 130f.,
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Register der Geographica, Institutionen und Organisationen
133–137, 140f., 148-153, 156, 169, 191f., 208f., 246ff., 309f., 341 Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei > 71, 73, 187ff., 196-199, 201f., 205, 235, 284, 308f. Reichsführerschule siehe SS-Schule Haus Wewelsburg Reichsgesundheitsführer > 284 Reichshauptkasse > 37, 48, 52-55, 112f. Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands (München) > 64, 208f. Reichsjustizministerium > 57, 60, 117 Reichskammer der bildenden Künste > 106, 126, 224, 240f. Reichskanzlei > 60, 285 Reichskolonialamt (1919 aufgelöst) > 57f. Reichskolonialministerium > 92 Reichskommissar für die besetzten rheinischen Gebiete > 58 (Reichs-)Kommissar für die Sicherung der Bibliotheken und Betreuung des Buchgutes – im östlichen Operationsgebiet > 107, 249, 340 – im westlichen Operationsgebiet > 251, 255ff., 260, 310, 340 Reichskreditkassen > 113, 132 – Mailand > 113 Reichsleiter Rosenberg siehe Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg Reichsluftfahrtministerium > 61, 155 Reichsministerium der Finanzen (RMF) > 13, 23, 47f., 50, 52f., 57, 60, 74, 76, 92, 101f., 105– 108, 110, 112–114, 118, 123ff., 129–132, 135, 137, 139, 207, 209, 304, 337 Reichsministerium des Innern (RMI) > 11f., 22f., 29f., 32ff., 36f., 40f., 57f., 69, 73f., 76, 78, 93, 98, 105, 109f., 143, 181, 191, 197, 225, 231ff., 299 – Kulturabt. > 11f., 29, 34, 40 Reichsministerium für Bewaffnung und Munition siehe Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion Reichsministerium für die besetzten Gebiete > 57f. Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete > 285f. Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft > 57, 290 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion > 120f., 155 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) > 46, 61, 67, 70ff., 75–83, 86f., 106, 126, 163, 166, 176, 182, 191f., 232, 251f., 259, 285, 290, 296f., 305
– Abt. Deutsche Presse > 290 – – Referat Schnelldienst > 290, 296 – Abt. Zeitschriftenpresse > 82f., 87 – Presseabt. der Reichsregierung > 82f., 87, 290 – Sichtungsstelle > 296 Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (RMWEV) > 11ff., 18, 22f., 38, 40, 44f., 47–63, 67f., 70ff., 75–99, 101f., 105, 107–117, 120–125, 128–143, 148ff., 152ff., 170, 172, 188, 190ff., 194ff., 204, 207, 212f., 216, 224f., 232, 246ff., 250ff, 254, 256, 262f., 269, 295, 303, 309 Reichspressekammer > 83 Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (Berlin) > 32, 60 Reichsschrifttumskammer > 71, 89, 122, 176, 216, 218ff. Reichsschulungsleiter bei der Reichsleitung der NSDAP > 163 Reichssicherheitshauptamt (RSHA) > 15, 20, 62f., 84, 106f., 109, 191f., 196ff., 199, 205, 209f., 247, 259, 268, 306, 310 – Amt II (Gegnererforschung) = (Zentral-)Abt. II/1 und I/3 des Hauptamtes SD > 196f. – Amt III (Deutsche Lebensgebiete – SDInland) = Zentralabt. II/2 des Hauptamtes SD > 196 – Amt IV (Gegner-Erforschung und -Bekämpfung – Gestapa, so seit 1941) – – IV C (Karteiwesen) – – – IV C 3 (Angelegenheiten der Presse und des Schrifttums) > 191 – Amt VII (Weltanschauliche Forschung und Auswertung – SD-Ausland, neu 1941) > 106, 267 Reichssippenamt siehe Reichsstelle für Sippenforschung Reichsstatthalter > 63, 65, 67, 97, 111, 262 – Hamburg > 111 – Hessen > 262 – Ostmark > 63 – Warthegau > 65 – Westmark > 67, 111 Reichsstelle für Papier (Niederschlema) > 113, 134ff., 271, 281 Reichsstelle für Sippenforschung > 61, 93 Reichsstudentenführung > 146 Reichstag > 32, 76, 236 Reichstauschstelle – Abt. III: Wiederaufbau von Bibliotheken > 113–117, 119, 121–128, 130–137, 140f., 148f., 151ff., 156 – Depots > 13, 22f., 45, 114, 117–122, 135– 140, 147, 151f., 155–158, 281, 306, 342
Register der Geographica, Institutionen und Organisationen – – Bad Hallein bei Salzburg (Bergwerk) > 118 – – Baruth (Schloss, gleichzeitig Dienststelle der RTS) > 22, 23, 116-122, 151f., 158 – – Bödigheim in Baden (Schloss) > 117 – – Börßum bei Braunschweig (Volksschule) > 117 – – Brünn (Technische Hochschule) > 117 – – Burgstadt bei Posen (Schloss) > 117, 152 – – Drehsa (Schloss, Kegelbahn) > 23, 119f., 138, 152 – – Eichenzell bei Fulda (Pfarrhaus) > 118 – – Frankenberg i. Steigerwald (Schloss) > 22, 88, 117, 119f., 136, 155f. – – Fränkisch Crumbach (Herrenhaus) > 117 – – Friedrichswerth bei Gotha (Schloss) > 22, 117, 119ff., 151f., 155, 157f. – – Greifenstein bei Heiligenstadt (Schloss) > 117, 120 – – Groß Wolfsdorf/Dönhofstädt i. Ostpreußen (Pfarrhaus) > 117, 152 – – Hofgeismar (Amtsgericht) > 117 – – Holzendorf i. d. Uckermark (Rittergut) > 117, 119, 152 – – Hundshaupten bei Forchheim (Schloss) > 117f., 120 – – Jagow i. d. Uckermark (Gutshof) > 117 – – Kyllburg i. d. Eifel (Priestererholungsheim St. Thomas) > 117 – – Lissa bei Görlitz (Gutshof) > 22, 117, 119f., 122, 140, 152f., 158 – – Luttertal bei Göttingen (Wochenendhaus Alfred Rannenberg) > 117 – – Magdeburg, Fürstenwallstraße (Oberpräsident der Provinz Sachsen) > 117f. – – Marienburg i. Westpreußen (Schloss) > 117, 152 – – Niederstotzingen (Pfarrhaus) > 117 – – Oberstotzingen (Pfarrhaus) > 117 – – Pansin i. Pommern (Rittergut) > 117, 119f., 152 – – Pfaffendorf bei Beeskow (Scheune) > 119f., 152, 158 – – Raakow i. d. Niederlausitz (Gutshof) > 117, 119f., 122, 152, 156ff. – – Reibersdorf bei Zittau (Schloss) > 119, 152, 158 – – Rudigshain i. Hessen (Schule) > 117 – – Schleswig (Bischofshof) > 117f. – – Schönebeck a. d. Elbe (Schacht der PREUSSAG) > 157, 297f. – – Sondershausen i. Thüringen (Schloss) > 157
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– – Straßburg (Universitäts- und Landesbibliothek) > 118 – – Tann i. d. Rhön (Gelbes Schloss) > 45, 115, 118ff., 122, 152, 157, 281 – – Tessin i. Mecklenburg (Amtsgericht) > 117f. – – Troppau (Reichsarchiv) > 117 – – Tübingen (Universitätsbibliothek) > 117 – – Wässerndorf bei Kitzingen (Schloss) > 117, 120 – – Wurzen bei Leipzig (Amtsgericht) > 117f. – – Ziegenhain (Amtsgericht) > 117f. – Dienstgebäude in Berlin (auch BA und DAB) – – Berliner Stadtschloss > 31, 91 – – Marstall (Breite Straße 36) > 91ff. – – Gebäude Schiffbauerdamm 26 (1941 bis Jan. 1944) > 22, 93, 120f., 152, 206 – – Ausweichstelle im Privathaus Jürgens (Wannsee, Tristanstr. 26, seit Dez. 1943) > 121, 151, 154f. – Dienststelle Baruth siehe Depots – Dublettenlager (Berlin, Schiffbauerdamm 33, 1941 bis Jan. 1944) > 22, 93, 120f., 152 – Versandstelle (Expedition, auch BA und DAB) > 31, 41, 91ff. Reichsverkehrsministerium > 60 Reichswirtschaftsministerium > 54, 58, 81f., 112f., 129, 136, 283 Reichszentrale für naturwissenschaftliche Berichterstattung > 19 Reichszentrale für wissenschaftliche Berichterstattung > 35, 60 Reims > 279 Rockefeller Foundation > 32, 37, 43, 52f., 211 Rod a. d. Weil > 175, 178 ROGES (Rohstoff-Handelsgesellschaft mbH, Berlin) > 282f. Rom > 62, 76f., 137f. Rościszów siehe Steinseifersdorf Rossignol (Buchhandlung) siehe Buchhandlungen Rostock > 176 Rotenburg a. d. Fulda > 178 Rotenburg a. d. Wümme > 175 Rothacker (Buchhandlung und Antiquariat für Medizin) siehe Buchhandlungen Rowohlt (Verlag) > 182 Rudigshain in Hessen (Schule, RTS-Depot) > 117 Rumänien > 34, 76
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Register der Geographica, Institutionen und Organisationen
Russland siehe Sowjetunion Russland-Lektorat des SD (bei der Buchhandlung Koehler & Volckmar, Leipzig) > 73 SA (Sturmabteilungen der NSDAP) > 233 – Feldjägerkorps > 163 Sachsen > 23, 117, 119, 158, 200, 343 Sächsisches Ministerium der Finanzen > 23, 158 Sächsisches Ministerium des Innern > 23 Sächsisches Ministerium für Volksbildung > 23, 148, 150, 158 Saffroy (Buchhandlung und Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen Sajmište bei Belgrad (Konzentrationslager) > 295 Sammlung (Georg) Leibbrandt > 284 Schenker (Speditionsfirma) > 132 Schleswig (Bischofshof, RTS-Depot) > 117f. Schlossmuseum (Berlin, Stadtschloss) > 282 Schneidemühl (Pila) > 176, 186ff., 197 Schönebeck a. d. Elbe (Verlagerungsdepot der PSB, RTS-Depot) > 157, 297f. Schulz & Co. (Antiquariat, Plauen) siehe Buchhandlungen Schwarz (Antiquariat, Wien u. London) siehe Buchhandlungen Schweden > 76, 80f., 85, 98, 147, 152f., 202 Schweiz > 76, 80f., 85ff., 136 SD (Sicherheitsdienst des Reichsführers SS) > 26f, 61, 63, 72f., 90, 106, 188ff., 193f., 196f., 206, 212, 246, 267ff., 295, 305, 308f. Serbien > 268, 295 Shanghai > 38, 79f., 203 Sicherheitshauptamt siehe Reichssicherheitshauptamt Sichtungsstelle des RMVP siehe Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Sichtungsstelle der Wehrmacht siehe Deutsche Wehrmacht Siemens & Halske Aktiengesellschaft > 35, 60, 86 Silberegg bei Althofen (Brauerei, Bücherdepot) > 142f. Simonson (Antiquariat, Belgien) siehe Buchhandlungen Skandinavien > 30, 37 Slowenien > 142 Sofia > 74, 76 Sonderbeauftragter für die Sicherung der Kunstund Kulturgüter siehe Generalgouvernement Sonderkommando Künsberg des AA > 23, 64f., 284ff., 337
– Dienststelle (Berlin-Charlottenburg, Hardenbergstraße 29a) > 285 – Einsatzkommando Hamburg > 284 – Einsatzkommando Stettin > 284 Sondershausen in Thüringen (Schloss, RTS-Depot) > 157 Sowjetische Militäradministration Deutschlands (SMAD) – Abt. Volksbildung > 158, 242, 244 Sowjetische Zentralkommandantur > 265, 282 Sowjetunion / Russland > 15, 27, 34, 65, 68, 70, 72f., 80f., 108, 154, 166, 179, 242, 248f., 282, 284ff., 289f., 292f., 301, 310ff., 341 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) > 26, 166, 168ff., 173, 175, 178ff., 184ff., 220, 242 Sozialistische Partei Russlands > 166 Soziales Museum (Frankfurt a. Main) > 193 Sozialistische Arbeiter-Internationale (Sekretariat, Zürich) > 193 Spanien > 34, 75ff. Speditionen siehe Franzkowiak & Co., Hamacher, Hentze, Presser & Co., Schenker, Wenzel Springer-Verlag (Berlin) > 79, 84, 102 SS (Schutzstaffel der NSDAP) > 20, 26f., 61, 63, 65f., 68, 71ff., 90, 99, 109, 124, 186–190, 193f., 196–202, 205, 212, 227, 235, 246f., 266f., 284f., 302, 305f., 308ff. – Sturmbann III/75 > 200ff. SS-Schule Haus Wewelsburg > 200ff., 212, 309 St. Goar > 179 Staatliche Hochschule für Bildende Künste (Berlin) > 290 Staatliche Volksbüchereistelle für Baden > 67 Staatspolizei(leit)stellen siehe auch Geheime Staatspolizei > 106, 176, 179, 182f., 185, 187, 191, 241, 243 – Berlin > 128, 176, 182f. – Brünn > 106 – Königsberg > 243 – München > 191 – Münster i. Westfalen > 179, 185 – Prag > 106 – Recklinghausen > 185 – Schneidemühl > 186f. – Wien > 241 Stade > 175f., 178 Stadtarchiv (Hirschberg) > 222 Städtische Pfandleihanstalt siehe Hauptwirtschaftsamt der Stadt Berlin Standaard (Buchhandlung in Belgien) siehe Buchhandlungen
Register der Geographica, Institutionen und Organisationen Steinseifersdorf (Rościszów) > 178 Sternwarte (Archenhold-Sternwarte, Berlin-Treptow) > 200 Stettin (Szczecin) > 176, 179, 184, 282, 284, 293 Stockholm > 76, 80 Stolzenau a. d. Weser > 179 Stralsund > 176, 184 Straßburg (Strasbourg) > 22, 67, 86, 118, 147, 226 Stuttgart > 177, 202 Sudetengau > 61, 64 Szczecin siehe Stettin Szkoła Podchorążych Piechoty (Warschau, Infanterieschule) > 243 Tann i. d. Rhön (Gelbes Schloss, RTS-Depot) > 45, 115, 118ff., 122, 152, 157, 281 Tanzenberg (Schloss bei Annenheim in Kärnten, Bücherdepot für die Hohe Schule) > 147 Tavernier (Buchhandlung, Gent) siehe Buchhandlungen Technische Hochschule – Aachen > 14 – Berlin-Charlottenburg > 19, 79, 85, 305 – Braunschweig > 79 – Brünn > 117 – Danzig > 212 – Darmstadt > 261ff. – Hannover > 95 Tepl (Teplá, Stift in Böhmen, Verlagerungsdepot der PSB) > 210, 297 Terra Filmkunst GmbH > 295 Tessin in Mecklenburg (Amtsgericht, RTS-Depot) > 117f. Thiébaud (Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen Thüringen > 20, 118f., 157 Thüringisches Ministerium für Volksbildung > 72 Torino siehe Turin Touristenverein Naturfreunde > 188 Tours > 280 Trenkle (Antiquariat, München) siehe Buchhandlungen Triest (Synagoge, Bücherdepot) > 142 Troppau (Opava) > 117 Tschechoslowakei siehe auch Protektorat Böhmen und Mähren > 15, 27, 64f., 137f. Tschechoslowakisches Historisches Institut (Rom) > 137f. Tübingen > 29, 85, 117, 176f., 191, 227, 229
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Türkei > 68ff., 76, 203 Tulkens (Antiquariat, Brüssel) siehe Buchhandlungen Tunskirch (Schloss) > 145f. Turin (Torino) > 136f., 142 Twietmeyer (Antiquariat, Leipzig) siehe Buchhandlungen Überwachungsstelle für Papier (Berlin) > 239 Universität – Berlin (Friedrich-Wilhelms-Universität) > 65, 122, 132, 161, 227, 236, 290, 292 – – Botanischer Garten und Botanisches Museum (Dahlem, Königin-Luise-Str. 6–8) > 123, 135, 145 – – Deutsches Auslandswissenschaftliches Institut (unmittelbar dem RMWEV unterstellt) > 136 – – Englisches Seminar (Dorotheenstr. 6) > 290 – – Geographisches Institut (Universitätsstr. 3b) > 290 – – Institut für Ausländische Landwirtschaft (Invalidenstr. 42) > 290 – – Institut für Lautforschung (Universitätsstr. 7) > 290 – – Institut für Wirtschaftswissenschaft (Universitätsgebäude, Unter den Linden) > 290 – – Institut für Zeitungswissenschaft (Breite Str. 36 I) > 290 – – Institut und Museum für Meereskunde (Georgenstr. 34–36) > 91 – – Kunstgeschichtliches Institut (Aulagebäude, Behrenstr. 40) > 290 – – Musikhistorisches Seminar (Universitätsstr. 7) > 290 – – Romanisches Seminar (Aulagebäude, Kaiser-Franz-Joseph-Platz) > 132, 290 – – Universitätskliniken > 290 – Frankfurt a. Main > 194f. – Graz > 126 – Istanbul (Konstantinopel) > 69 – Jena > 29 – Leipzig > 114, 132, 148ff., 176, 203, 256, 295 – – Wirtschaftswissenschaftliches Institut > 149 – Oviedo > 75, 90 – Posen > 66 – Straßburg – – Hygienisches Institut > 86 Untertaunus > 175
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Register der Geographica, Institutionen und Organisationen
Uppsala > 80 USA siehe Amerika Ústí nad Labem siehe Aussig Utrecht > 147 Verband für Freidenkertum und Feuerbestattung e. V. (Holsterhausen) > 180 Verbandsverlag weiblicher Vereine GmbH (Düsseldorf) > 189 Verein Deutscher Bibliothekare > 29, 33 Verein Deutscher Ingenieure > 60 Verlage siehe Cassirer, Büchergilde Gutenberg, Buchmeisterverlag, Kon Verlag, Kiepenheuer, Peters, Rowohlt, Springer-Verlag, Verbandsverlag weiblicher Vereine, Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Jugoistok Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH Jugoistok > 295 Verlagsausschuss siehe Notgemeinschaft Vilnius siehe Wilna Völkerbund (Genf) > 80, 86 Volksverein für das katholische Deutschland (Mönchen-Gladbach) > 189 Voronež siehe Woronesch Vortsenbos (Buchhandlung, Brüssel) siehe Buchhandlungen Vorwärts (Berlin, Lindenstr. 3) > 26, 161, 166ff., 171, 254 Vossische Zeitung (Berlin) > 182 Vrin (Antiquariat, Paris) siehe Buchhandlungen Vsesojuznaja Knižnaja Palata (Buchkammer der Sowjetunion, Moskau) > 72 Wässerndorf bei Kitzingen (Schloss, RTS-Depot) > 117, 120 Wallraf-Richartz-Museum (Köln) > 132 Walther Rathenau-Stiftung (Berlin) > 231f. Warschau > 108, 243, 247f. Warthegau > 22, 65f. Wedel i. Holstein > 186
Wehrmacht siehe Deutsche Wehrmacht Welt-Wirtschafts-… siehe Hamburgisches Welt-Wirtschafts-… Heinrich Wenzel (Speditionsfirma, Kassel) > 208 Weigel (Antiquariat, Leipzig) siehe Buchhandlungen Weilburg > 175 Weimar > 72, 177 Wernigerode > 299 Wesermünde > 175 Westhavelland > 179 Wetzlar > 175 Wewelsburg (Burg bei Büren) siehe SS-Schule Haus Wewelsburg Wien > 63, 95, 106, 142, 177, 191, 198, 205f., 227, 238, 241, 248, 255, 259f., 294f., 310f. Wiesbaden > 175f., 178ff., 185f. Wilna (Vilnius) > 284, 286f. Wirtschaftsgruppe Einzelhandel – Zweckgemeinschaft Gebrauchtwarenhandel > 103 Wirtschaftsstab Ost > 284 Włocławek siehe Leslau Wolff’sches Telegraphen-Bureau > 162 Woronesch (Voronež) > 282f. Wrocław siehe Breslau Würselen (Regierungsbezirk Aachen) > 178 Würzburg > 176 Wurzen bei Leipzig (Amtsgericht, RTS-Depot) > 117f. Yidisher Visenshaftleker Institut (Yivo, Wilna) > 286f. Zahn & Jaensch (Antiquariat, Dresden) siehe Buchhandlungen Zentralverband der katholischen Jungfrauenvereinigungen (Düsseldorf) > 189 Ziegenhain (Amtsgericht, RTS-Depot) > 117f. Zollamt – Buchs i. Vorarlberg > 208 Zollbehörden > 208f. Zürich > 80, 193
Bildnachweis
Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte Preußischer Kulturbesitz: Abb. 3–4, 7 (bpk | Bayerische Staatsbibliothek | Heinrich Hoffmann), 9, 26 (bpk | Regina Nowak) Bundesarchiv Berlin: Abb. 8, 16–20, 24 und Cover (Ausschnitt Abb. 19) Politisches Archiv des Auswärtigen Amts: Abb. 6 Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Abteilung Historische Drucke: Abb. 39 Bauarchiv: Abb. 35 Handschriftenabteilung: Abb. 5, 21–23, 25, 29–34, 36–38 Kartenabteilung: Abb. 1, 2, 10–15, 27–28, 40–43 Wir danken dem Bundesarchiv und dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts für die freundliche Genehmigung.