Berlinischer Briefsteller für das gemeine Leben: Zum Gebrauch für deutsche Schulen und für jeden, der im Briefschreiben sich selbst zu unterrichten wünscht [Reprint 2021 ed.] 9783112515303, 9783112515297


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Berlinischer Briefsteller für das gemeine Leben: Zum Gebrauch für deutsche Schulen und für jeden, der im Briefschreiben sich selbst zu unterrichten wünscht [Reprint 2021 ed.]
 9783112515303, 9783112515297

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Berlinischer

Vrteksteller für das gemeine Leben.

Zum

Gedrauch Mr deutsche Sehnten und für jeden, der im Briefschreiben sich selbst zu unterrichten wünscht.

Zehnte, rechtmäßige, aufs neue berichtigte und vermehrte Ausgabe. klebst einem Titelkupfer. Mit Königlich Preußischem und Churfürstlich Brandenburgischen! allergnädigstem Privilegio.

Berlin. Im Verlage bei I. W. Boike.

Berlinischer

Briefsteller für das gemeine Leben.

I.

Einleitung. Erstes Kapitel, Allgemeine Vorerinnerungen.

(Schreibekunst.) Die Kunst zu schreiben ist bas erste und we,

senliichste Bedürfniß zur Verfertigung eines Briefes. Wir haben die Erfindung derselben den vermehre ten Bedürfnissen des gesitteten Leben« zu verdanken.

Die Abwesenheit derer/ von denen die Menschen die Abhülfe eines Theils ihrer Bedürfnisse erwarten durft ten — der Wunsch, einem Freunde, den man der Ent,

fernung wegen nicht mündlich sprechen konnte, wichtige Nachrichten mitzutheilen; — die Fehlbarkeit des Ge, dächtnisses, welches viele Dinge gar nicht, oder doch nicht getreu genug behält; — Und endlich die Neigung,

sich wichtige Begebenheiten desto tiefer einzuprägen und

unvergeßlich zu machen — dies sind wahrscheinlich die Hauptveranlassungen, welche die Erfindung der Schrift, reichen hervvrgebracht haben.

4

Einleitung.

(Geschichte der Schreibekunst.) Der natürliche Hang des Menschen zur Nachah­ mung, der gewiß schon sehr früh in Zeichnung der Aus­ senlinien und Umrisse körperlicher Gegenstände wirksam

gewesen ist, erleichterte der Seele dies Werk ungemein. Denn solche Zeichnungen waren eö auch ge, miß, deren man sich zuerst als Schriftzei, chen bediente. Dies zeigen die Schriftzüge, welche

man bei denjenigen Indianern gefunden hat, die schon von der unterste» Stufe der Wildheit emporgestiegen waren,' sie bestehe» in lauter solchen Zeichnungen. So

malten die Mexikaner, so gut sie konnten, die spani, schon Schiffe bet ihrer ersten Landung ab,

um ihrem

Könige davon Nachricht zu geben.

Die Schreibekunst war nun da. in der ersten Kindheit.

Aber sie lag noch

Man hatte nur Zeichen von

den sichtbaren Gegenständen;

für die unsichtba­

re» Dinge hingegen, und für die Verbindungen der Ideen fehlten sie gänzlich. Zn Absicht jener suchte

daß man sie durch Zeich, nung solcher sichtbaren Gegenstände vorzustellen pflegte, bei welchen die abgebildeten Eigenschaften in einem man sich damit zu helfen,

vorzüglichen Grade anzutreffen sind, oder welche dieje,

die man be­ zeichnen wollte, oder welche sonst mit der unsichtbaren njge Wirkung hervorzubringen pflegen,

Dache in einem so nahen Zusammenhangs stehen, daß

man bet Erblickung des Zeichens leicht auf den damit angedeuteten Begriff verfallen konnte. So ward

die List durch une Schlange oder durch einen Fuchs, Glanz und Herrlichkeit durch die Sonne u. s. w. ausgedrückt. z. B. die Stärke durch einen Stier,

Dies konnte desto füglichor geschehen, da man in der

Kap. 1.

Allgemeine Vorerinnerungen.

5

ersten Kindheit des Menschengeschlechts wahrscheinlich

die Benennung solcher Eigenschaften von dergleichen Thieren oder andern verwandten Gegenständen her­ genommen hat. — Vermuthlich sind auch die bildlichen Ausdrücke, deren man sich heutiges Tages bedient, und

welche besonders in uralten Schriften so häufig angetrof­ fen werden, Ueberbleibsel jener ersten Schreib- und Re, deart, so, daß man das jetzt zur Zierde macht, womit man sich anfangs aus Noth behelfen mußte.

Dem sey

aber wie ihm wolle; die Schreibekunst kam dadurch ihrer

Vollkommenheit um einen großen Schritt näher. Mit der Zeit wurde diese Art zu schreiben, welche eigentlich im Zeichnen bestand, nur noch im gemeinen Le,

ben gebraucht. Die Gelehrten erfanden für ganze Ideen eigene Schriftzüge.

Anfänglich wurden diese auch aus

der sichtbaren Welt kopirt, ohne daß man eben immer die natürlichste Bedeutung beibehalten hätte; aber bald bereicherte man dieselben auch mit bloß willkührlichen

und selbst erdachten Zügen. Dies ist die M den ägyp* tischen Gelehrten üblich gewesene Schrift, welche wir

unter dem Namen der Hieroglyphen kennen. Von ähnlicher Art ist noch heutiges Tages die Schrift der Stnesen. Den letzten Schritt zur Vollendung that derjenige,

welcher darauf verfiel, eine jede Bewegung der Sprach, Werkzeuge, und jeden Ton der Stimme mit eignen Zei, chen anzudeuten, das ist: Buchstaben zu erfinden. Man hat von dieser wichtigen Erfindung keine an,

deren gewissen Nachrichten, nf6 daß die Griechen durch

Kadmus die ersten Buchstaben von den Phöniziern be,

kommen haben.

Auch die alten hebräischen Buchstaben

sind wahrscheinlich phönizisch, so wie die ganze hebräi­ sche Sprache phönizischeu Ursprungs ist. Und man

6

Einleitung.

nennt Taaut, einen Phönizier, als den ersten wahr/

scheinlichen Erfinder derselben.

(Nutzen der Buchstabenschrift — besonders für

den Briefsteller.) Durch diese Buchstabenschrift erstreckt sich nun das Vermögen der Schreibekunst so weit, als die Sprache

selbst.

Za, was noch mehr ist, die Sprache erhält

durch

das Schreiben neuen Reichthum

und Zierde.

Durch diese Erfindung sind wir nun besser als jemals im Stande, dem Abwesenden das ins Auge zu sagen, was wir wegen der Entfernung ihm nicht ins Ohr

sagen können. Wir können ihn auf viele hundert Mei, len weit sprechen, und dabei doch der Beschwerden der Reise entübrigt seyn; — wir können alle un,

fere geheimen Empfindungen in den Schyoß des theil, Nehmenden Freundes ausschütten, können uns einander trösten und erfreuen, ohne uns zu sehen; — wir kön,

wen unsere Bitten dahin gelangen lassen, wo dem Fuße

der Zutritt versagt ist,

wo der Mund sich nicht ge,

traut zu sprechen; — unsere Geschäfte werden durch Schreiben so gut und oft besser besorgt als durch münd, liche Aufträge. Bei unsern Gönnern uns in Gunst zu setzen und in gutem Andenken zu erhalten, jeden Zirkel von Freunden um uns her zu versammeln, mit

den Fröhliche» fröhlich zu seyn und mit den Weinen­ den zu weinen, die Neugierde sowyl als die Sehnsucht

der Freundschaft und Liebe zu befriedigen -- das Al­ les, und poch tausendmal mehr als das, können wir

vermittelst der Buchstabenschrift. Zwar ist der Nutzen der Schreibekunst hier nur

in sofern dargestellt,

als er dem Briefsteller wichtig

Kap. 1. Allgemeine Vorerinnerungen. ist, und zu unserm Zwecke dient.

7

Aber schon von die,

ser einen Seite ist der Nutzen derselben so groß,

daß man sich billig wundern muß, wenn man bemerkt, daß viele Leute sich so wenig Mühe geben, diese Kunst in höchstmöglicher Vollkommenheit zu erlernen. Beim Mangel eigner Geschicklichkeit muß man sich zu seinen Driesen einer fremden Hand bedienen, und sich da, seine Geschäfte schlecht besorgt und seine Geheimnisse verrathen zu sehen. Und durch der Gefahr auesehen,

will man das nicht, so muß man entweder kostbare Reisen thun, oder seinen Vortheil versäumen, oder

sich mit großen Kosten von Unterhändlern abhängig machen. Personen, welche auf den Ruhm einer gu, teil Erziehung Anspruch machen, gereicht der Mangel einer vorzüglichen Geschicklichkeit im Schreiben unaus, bleiblich zum Vorwurf.

Beförderung des Briefwechsels.)

(Postwesen.

Durch die Einführung des Postwesens hat der Briefwechsel halten,

eine ungemein große Erleichterung

er,

Die gegenwärtige Einrichtung der Posten ist eine Erfindung späterer Zetten.

Zn Deutschland sind sie

unter dem Kaiser Maximilian I. im Zahr 1516, von einem gewissen Herrn von Taxis, einem Vorfahren der jetzigen Fürsten von Thurn und Taxis, zuerst an,

gelegt worden.

Dieser Mann hatte aber versäumt,

Niederdcutschland mit dieser vortheilhaften Anstalt zu versehen.

Der Kurfürst von Brandenburg, Friedrich

Wilhelm der Große,

durch abzuhelfen, im Zahr

suchte also diesem Mangel da, daß er in seine deutsche Staaten

1650 da« Postwesen einführte.

Nach und

3

Einleitung,

nach folgten auch die übrigen Fürsten diesem guten

Beispiele. Der Nutzen dieser Einrichtung ist in Ansehung der Driefstellerei ohne Zweifel sehr groß.

Ehe

man Posten hatte, mußte man sich entweder mit Ee, legenhetten behelfen oder eigene Boten halten.

Bei,

des ist weit unsicherer, und kostbarer als die Posten.

Diese stehen in der ganzen Welt mit einander in Ver, btndung. Man kann seine Briefe von jedem Orte

auesenden, und sie kommen alle zur Stelle, und das

in so kurzer Zeit, als man eö billiger Weise nur ver, langen kann.

( Schreibmaterialien.) Die jetzt zum Briefschreiben üblichen Materia, llen sind Papier,

Dinte,

Federn und Sie­

gellack,

(a. Papier.) Daö Papier ist gleichfalls eine Erfindung neue« rer Zelt, und nicht viel über 300 Zahr alt. Die Si-

nescn wollen es schon seit undenklichen Zeilen gehabt haben.

Das gehört aber wol unter ihre gewöhnlichen

Pralereien,

oder unter die Aufschneidereien der Ge­

schichtschreiber,

welche dies Volk auf Unkosten aller

übrigen Völker auf Gottes Erdboden erheben.

Zn alten Zeiten bediente man sich dünner Bretter, welche mit Wachs überzogen waren, brelter Baum­ blatter, Bäume,

des

Schilfs,

der

weichen

Rinde

einiger

welche zwischen der harten äußern Rinds

und dem Holze in

dünnen Schichten

übereinander

Kap. 1.

Allgemeine Vorerknnerungen.

9

liegt, und woraus jetzt der Bast zum Binden gemacht wird, und endlich des Pergaments. Unser Papier hat seinen Namen von der ägyptischen Pflanze Papyrus,

deren Blatter man ehemals

gewöhnlich zum Schretben

zu

brauchen pflegte.

Es

wird größtentheils von Leinen, etwas auch von baum­ wollenem und seidenem Zeuge gemacht. Die abgetra, genen Lappen sind dazu gut genug. gereinigt sind,

Nachdem diese

werden sie in den Papiermühlen klein

gehackt, und zu einem Drei gestoßen, welcher sodann in Formen, so groß als der Bogen ist, geschöpft, ge­ trocknet, gelelmt und geglättet wird.

Die verschiedene Güte des Papiers in Absicht der Feinheit und Weiße, hängt größtentheils, von der

Feinheit, und Bleiche der Lumpen ab, woraus es ge­ macht wird. Man hat gewöhnlich vier Sor­ ten Schreibpapier;

nemlich Koncept,, Kur­

siv,, Herrn- und Brief, oder Postpapter. Dieser Unterschied kömmt bei Festsetzung der äußern

Anständigkeit im Driefschreiben in Betrachtung.

(b. Dmte.) Zum.Driefschreiben bedient man sich der schwär, zen Dinte. Sie wird'aus Eisen-Vitriol,

Gummi und etwas Salz gemacht.

Galläpfeln,

Diese Zngrc-

dtcnzien. werden ganz gröblich gestoßen, und mit einem Aufguß von aufgekocht gewesenem, durchgescigtem und

abgckühltem scharfen Dicressig in einem neuen irdenen, oder besser, gläsernen Gefäße einige'Tage auf einem warmen Ofen oder in der Sonne destillirt. Man be­ kömmt diese Ingredienzien in gehöriger Proportion

Einleitung.

10

gemischt und

Namen

zerstoßen in den Apotheken unter dem

deö Dinten-Pulvers.

Nur

muß

män

beim Kauf dahin sehen, daß dasselbe in lauter groben Glücken bestehe.

Auf ein Loth guten Dintenpulvers

gehört, wenn die Dinre durchaus gut schwarz seyn

soll. Ein Nißel Essig.

Der Weinessig ist vorzüglich

gut zur Dinte, nur muß er ächt seyn und keine Zusätze

von Brandtwein haben, weil dieser das Papier durch­ frißt. Ein Gemisch von Weinessig, Bieressig und Wasser ist das beste. Zn Funks Naturgeschichte und Technologie wird folgende Mischung und Be, reiknng empfohlen: Fünf Loth Galläpfel (sie müssen hart seyn, schwärzlich aussehen und keine Löcher haben)

drei Loth Eisenvitriol und ein Loth arabisches Gummi, werden gröblich gestoßen, in eine gläserne Flasche ge­ than; man gießt £ Maaß Weinessig und | Maaß Fluß- oder Regenwasser darauf, nnd läßt das alles

auf einem warmen Stubenofen unter ifterm Umschüt, teln einige Tage hindurch stehen. Zn Ermangelung der Ofenwärme kann man sie auch in einem irdenen

Topfe ganz gelinde kochen,

Um die Dinte vor dem Schimmel zu bewahren, thut man einige zerquetschte Würznelken oder etwas Salz hinein; von letzterem aber ja nicht zu viel, weil sie dann durchschlägt.

Das sicherste Mittel, sie zu er­

halten, ist, daß man sie, in einem wohlverstopften Gesäße, immer in einer temperirte» Wärme stehen läßt und öfters umschüktelt, vor allen Dingen sie aber vor

dem Froste verwahrt.

Thut man zu wenig Gummi

in die Dinte, so sieht sie rauh und unansehnlich aus; zu viel giebt ihr einen unangenehmen Glanz, und macht, daß die Schrift unleserlich wird, in einigen Tagen nicht trocknet, sondern klebt und abfärbt. Das

Kap. 1.

Allgemeine Vorerinnerungen

11

thut besonders auch der Zucker, als welcher gar nicht

in die Dinte hinelngehörr.

Hölzerne und irdene Ge,

fäße taugen zu Dintenfaßern nicht, weil die Dinte

in dieselben einziehet; gläserne und steinerne sind die besten.

(c. Federn.) Ehe man das Papier hatte, konnte man zum

Schreiben kein anderes Instrument brauchen, als einen

spitze» Griffel von Eisen oder hartem Holze, womit man die Buchstabe» in die Tafeln eingrub.

Gänsekiele sind zu Schreibfedern die taug, lichsten.

Der dritte, vierte und fünfte von der Spitze

an gerechnet in jedem Flügel, sind die besten.

Diebei,

den vordersten sind zu hart, und die hintersten zu dünn. Um ihnen eine bessere Elasticität zu geben, und sie vom Fette zu reinigen, zieht man sie entweder durchs

Feuer, oder kocht sie Im Wasser.

Das Ziehen ge,

schicht, indem man die Spule über glühenden Koh,

len drehet, oder in heiße Asche stecket, und sie dann,

wenn sie weich geworden ist, zwischen einem Messer und dem Knie, zwischen welchen die Spule hinten, wo

das Rauhe anfängt, fest gedrückt wird, oder noch des, ser zwischen einer Zange *), nach vorn hin schnell durch, zieht; sodann giebt man ihr durch Drücken, Drehe»

und Streichen zwischen den Fingern oder den Falten des zusammengezogenen Ellenbogengelenkee die Mündung •) ES ist jede Kneipzange dazu zu gebrauchen; indesfen hat man dazu eigene Zangen, welche anstatt der Schärfe eine walzenfbriniae Ründung haben- Je fester man sie beim Durchziehe» der Spule zusam­ menbrücket, desto klarer wird diese.

Einleitung.

12 wieder. —

Das Auskochen geschiehet, indem man

dem Kiel unten die Spitze abschneidet, daß die Röhre offen wird, das inwendige Weiche mit einem Messer­

chen hinten, wo die Röhre anfängt, lossticht, daß es heraiisfällt, sodann

die Röhren in einen Topf voll

Wasser, der so weit voll seyn muß, das; die Röhren ganz

im Wasser stehen, aufrecht einstellt und weich

kochen läßt, und, wenn sie weich genug sind, jn einer gelinden Ofenwärme wieder trocknet. 8)ei dieser Art

von Zubereitung läuft man nicht Gefahr, die Spulen zu verbrennen, welches bei dem Ziehen gar leicht ge­ schehen kann, und doch

hat man eben den Nutzen

davon. Welches der beste Schnitt einer Feder sey, das läßt sich besser zeigen als beschreiben. folgendes:

Zch bemerke nur

Der Schnabel sey etwa ein achtel Zoll

lang; der Spalt halb so lang als der Schnabel, der Hintere Aufschnitt einen halben Zoll lang, die Spitze

'i Strohhalm breit, von hinten nach vorn zu, gerade abgestutzt und auf jeder Seite der Spalte gleich breit. Wenn man mit der einen Hand den Spalt reißen will, so halte man die Schärfe des Nagels vom Daume der

andern Hand auf der Stelle, wo der Spalt aufhören soll;

sonst reißt er oft weiter, als man will.

damit die Spule keine Zähne reiße,

Und

wird der Näcken

der Röhre mit der schräg gelegten Schärfe des Feder,

Messers einigemal abgeschabet.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

13

Zweites Kapitel. Von der guten Einrichtung eines Briefes.

Aur guten Einrichtung eines Briefes gehört, daß er sowol in sich selbst geschickt sey, seine Bestimmung vollkommen zu erfüllen, als daß auch sein Aeuße, re« ihm zur Empfehlung gereiche.

Erster Abschnitt.. Innere Beschaffenheit desselben.

(Bestimmung des Briefes.) Die erste und wesentliche Bestimmung des Briefes überhaupt ist, Jemanden schriftlich diejenigen Gedanken und Vorstellungen mitzutheilen, welche ich ihm mündlich nicht vortragen kann oder mag. Dabei hat man denn bei einem jeden Briefe insonderheit noch die Nebenabsicht, auf das Gemüth des Briefempfängers gewisse bestimmte Eindrücke zu machen, ihn zu überre, den, zu rühren, zu besänftigen, zu beruhigen, auf eine angenehme Art zu unterhalten, n. d. gl. Je vollkomm, ncr man diese» doppelten Zweck erreicht, desto besser ist der Brief; je weniger, desto schlechter-

14

Einleitung.

Hieraus fließen also zur guten innern Einrichtung eines Briefes folgende zwei Haupt regeln: 1)man schreibe so, daß der Briefempfänger leicht eine deutliche, vollständige und rich, tige Einsicht von dem bekomme, was man ihm vvrtragen will; d. i. man schreibe verständlich;

2) man richte denDrlef so ein, daß er auf das Gemüth des Empfängers den gewünsch, ten Eindruck mache, d. i. kräftig sey.

Hiermit wollen wir die 3) dritte Regel verbinden, daß man den Brief so abfasse, schreibe und einrichte, daß der Empfänger schon bloß seiner Form und Ein, richtung wegen, ohne Rücksicht auf den In­ halt, geneigt seyn könne, ihn gern zu lesen und von dem Verfasser ein vortheilhaftes Urtheil zu fällen, d. i. daß der Brief an­ ständig eingerichtet sey. Diese Regeln flnd so allgemein treffend und rich­ tig, daß sie nicht einmal eine Ausnahme -ulassen. Denn, wenn die Person an welche ich schreibe nicht weiß, was ich sagen will, so ist es ja eben so gut, als wenn ich den Brief gar nicht geschrieben hätte; und wenn mein Brief auf ihre Gesinnungen, Neigungen und Entschließungen andere oder gar entgegengesetzte Wir, kungen macht, als ich zur Absicht habe; oder endlich, wenn der Empfänger wegen schlechter Einrichtung des, selben mißmuthig wird, und ihn aus der Hand wirft; so wäre es eben so gut, oder sogar besser gewesen, wenn man sich die Mühe des Schreibens erspart hatte.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

15

ES bestehet demnach die innere gute Einrichtung eines Briefes in: 1) Deutlichkeit, 2) Kraft und Ein, druck, 3) Wohlanständigkeit und Anmuth.

Erstes Hauptstück. Von

der

Deutlichkeit.

Die erste und Haupteigenschaft eines guten Briefes

die Deutlichkeit, bestehet in diesen dreien Stücken, daß man nämlich seine Gedanken so vortrage, daß 1) der Sinn der Worte sich leicht entdecken lasse, und sich dem Leser gleichsam von selbst aufdringe;

2) die Vorstellungen, die man erwecken will, in ihrer ganzen Fülle in der Seele des Lesers hervorge,

Heu, und 3) der Leser mit den Worten gerade' die Zdeen verbinde, die er nach unsrer Absicht damit verbinden soll.

Das erste nennt man Klarheit, dar zweite Ver­ ständlichkeit, das dritte Richtigkeit.

(Mittet zur Deutlichkeit.) Damit man aber deutlich, verständlich und richtig schreiben könne, muß man

1) deutlich, bestimmt und richtig denken.

Wem diese Gabe überhaupr fehlt oder wer sich nicht die Zeit und Mühe nimmt, sein: Vorstellungen in ein, zelnen Fällen, wo es nöthig ist, in seiner Seele klar und deutlich werden zu lassen, der kann unmöglich klare und deutliche Vorstellungen in der Seele eines andern

16

Einleitung,

erwecke».

Wessen Begriffe selbst verworren und dunkel

sind, der wird sie auch gewiß wenigstens eben so »er#

worcen und dunkel vortragen. Die Gabe des deut# lichen Denkens ist übrigens theils ein Herk der Natur, theils der menschlichen Hülfe im Unterrichte und der

Erziehung, theils endlich der eigenen Uebung *). Zum Behuf der Deutlichkeit im Schreiben muß man 2) im verständlichen mündlichen Vortrage

geübt seyn.

Wem die Gabe fehlt, sich in Unter#

redungcn leicht verständlich auszudrücken,

der ist zu

einem auch nur erträglichen, geschweige denn guten,

Briefsteller gänzlich verdorben.

Wer mündlich kein Ge#

werbe ordentlich bestellen kann, kann es im Briefe noch viel weniger. Denn wenn man ihn mündlich mit Kunst

und Gelassenheit das noch abfragen kann, was er sagen

will, so gehet das bei einem Briefwechsel, wegen der Entfernung, nicht an. Die Gabe der Deutlichkeit nun wende man beim Schreiben ganz vorzüglich an. Zn mündliche» Vorträgen kann man noch eher auf Verzei#

hung rechnen, wenn man sich verspricht, oder sich nicht recht auödrückt, weil man da hinter einander wegreden muß; auch kann der Fehler durch Nachfragen verbessert

werden.

Aber beim Schreiben hat man Zeit sich zu

Daher wird der Mangel der Deutlichkeit und Richtigkeit, alü ein Zeichen von Nachläßigkeit, besinnen.

mit Recht übel ausgenommen.

Und wenn man un# recht

♦) Die Regeln zum vernünftigen und deutlichen Den­ ken werden in der Veriiunfclehre gegeben. Siehe Locke Versuch vom menschlichen Verstände, wo diese Materie entwickelt ist.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

17

recht geschrieben und dadurch ein Mißverständniß ver, anlasset hat, so kann der daraus erfolgte Schaden nicht so leicht wieder gut gemacht werden. Zu dem

Ende; a) überdenke vorher, was du schreie den willst. — Kannst du deinem Gedächtnisse nicht tumukhen, deine Gegenstände alle zu behalten, und ihrer zur rechten Zeit und am rechten Orte eingedenk

zu seyn: b) so merke sie dir auf einem Dlättchen mit kurzen Worten "an, um dem Mangel des Gedächtnisses damit zu Hülfe zu kommen. — Zu mehrerer Sicherheit c) überlies dann den Brief noch einmal, ehe du ihn wegschickst. — Eine Fertigkeit im deutlichen mündlichen Bor­

trage seht, neben jener Gabe deö richtigen Denkens, des deutlichen Sprechens, und der Besonnenheit, eine hinlängliche Sprachkenntniß (oder die Geschick­ lichkeit, die rechten Wörter zu wählen und gehörig zu verbinden,) nothwendig voraus. Diese Sprachkennt, niß aber erwirbt man sich durch Bekanntschaft mit den Regeln der Sprache in der Sprachlehre und durch Aufmerksamkeit auf den Gebrauch der Worte bei Unterredungen mit verständigen Leuten, und beim Lesen guter Schriften.

Man muß 3) es verstehen, die Sätze so z« zu sammenzusehcn, daß einer

ordnen und

den andern aufkläre und die Sache, von weicher eigentlich die Rede ist, in ein vor­ zügliches Licht sehe. Die Anweisung hiezu wird in der Lehre über den Styl, oder in den Grund­

sätzen einer guten Schreibart, gegeben;

welche derje­

nige sich bekannt zu machen und einzuüben hat,' wel­ cher überhaupt gut und ben will.

insbesondere deutlich schrei­

18

Einleitung.

Man muß endlich

4) eine gute leserliche

Hand schreiben können. Ze mehr und in einem je hihern Grade jene Geschicklichkeiten angewandt werden, desto deutlicher und verständlicher wird der Brief gerathen. Dagegen wird durch eine üble Wahl, Anordnung, Verbindung und Darstellung der Worte und Gedanken, das ist, durch Fehler gegen die Regeln der guten Schreibart und gegen die Sprachlehre, und durch schlechte Schriftzüge die Deutlichkeit un­ ausbleiblich verhindert. Diese drei Stücke verdienen daher in einer Anweisung zum Briefschrelben vornemlich in Erwägung gezogen zu werden.

1. Vom Styl. Was nun das erste Stück, nemlich de» Styl oder die gute Schreibart betriff, so begreift dieselbe 2 Stücke unter sich, nemlich 1) die Wahl der Wörter und Redensarten, 2) die Anord­ nung der Gedanken und Vorstellungen; und giebt zur Beförderung der Deutlichkeit zwei Hauptre, geht, nemlich: 1) Wähle solche Worte und RedenSar, ten, von denen du glauben kannst, daß der, en den du schreibst, den Sinn damit ^ver­ binden werde, den er, deiner Absicht nach, damit verbinden soll. 2) Ordne die Sätze undGedanken so, daß sie nicht allein, jeder für sich, verständlich seyn, sondern auch einer den andern deutli­ cher machen. Die Richtigkeit dieser Regeln ist nicht zu bezwei,

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

19

fein, und Ihre Nothwendigkeit augenscheinlich; es kommt nur darauf an, daß sie richtig und völlig ver, standen werben.

(a) Wahl der Wörter.) Was nun erstlich die Wahl der Wörter und Re» densarken betrift, so sind diejenigen Wörter für die verständlichsten zu halten, welche 1)inderSprache de« gesitteten Umgang« am üblichsten sind; denn von diesen darf ich mit Grunde hoffen, daß nicht bloß ihr Schall, sondern auch ihr Sinn mei­ nem Korrespondenten geläufig seyn werde; 2) ihre gewisse, bestimmte, überall bekannte Be, deutung haben, so daß nicht leicht ein Mißverstand dabei -u befürchten ist. — Um der Deutlichkeit willen müssen also In der Regel vermieden werden 1) alle diejenigen Wör­ ter, welche in sich selbst dunkel und unver, ständlich sind; dahin gehören alle — neuge, machte, selbst erfundene, imgleichen alle veraltete, längst au« dem Gebrauch gekommene, nicht weniger die vieldeutigen Wörter und Redensarten. 2) Die, jenigen Wörter, welche ausserhalb der Sprache des gesitteten Umgangs zwar bekannt, in derselben aber nicht üblich sind, und daher für nicht allgemein verständlich gehalten werden müs­ sen. Dahin gehören die sogenannten Provinzial, Wörter; ferner die Wörter ans fr^mdenSpra, chen; die Kunst, und Handwerk-wörter, die bildlichen und geblümten Ausdrücke; und endlich die Wörter, welche zur Gelehrsamkeit gehören.

20

Einleitung.

(Alte und neue Wörter.) Do lobenswürdig auch der Eifer einiger neuen Sprachforscher und Schriftsteller, alte, sinnvolle deut­ sche Wörter tri ihre verlornen Rechte wieder einzusehen und bequeme neue Wörter auf die Dahn zu bringen, seyn mag; so ist es doch dem Briefsteller nicht zu ra­ then, im Gebrauche derselben dreist und vorschnell zu seyn. Denn er läuft dadurch Gefahr, entweder gar nicht, oder, weiches noch schlimmer ist, unrecht ver­ standen zu werden. Noch verwerflicher ist eS, wenn man eigenmäch­ tig, und aus einer Art von Eigensinn, die veralteten und aus der Uebung gekommenen Wörter den an ih­ rer Statt aufgmommenen besseren, schicklichern und angemesseneren vorziehek; besonders, wenn die alten mit andern üblicheren gleichlautend sind, und also leicht Mißverstand erregen können. Z. E. Mans für Mus­ kel, bar für bloß, einfältig für simpel oder ein­ fach, heil für ganz, schlicht für gerade, Strauß für Kampf, Wandel für Fehler u. s. w. Neue Wörter muß der Briefsteller nicht gleich aufnehmen, wenn sie auch schon anfangen bei guten Schriftstellern üblich zu werden: sondern er muß ih­ ren Gebrauch so lange verschieben, bis sie auch in der gesitteten Sprache des gesellschaftlichen Umgänge in Umlauf gekommen sind. Noch weit fehlerhafter ist es daher, wenn der Briefsteller selbst neue Wörter bilden will, gesetzt auch, daß er dabei vollkommen der Analogie der Sprache gemäß verführe. Was soll man aber nun dazu sagen, wenn bei der Zusammensetzung ober Bildung dersel, den dies« Analogie gar vrrlotzt würde?

Kap. 2.

Gute Einrichtung oer Briefe.

21

( Provinzialwörter.) Bekanntlich hat jede Provinz, ja fast jede Stabt in Deutschland nicht bloß ihre besondere eigene Aus«

spräche, sondern auch ihre eigenthümlichen Wirker, Ausdrücke und Redensarten. Diese werden Provin, zialismen, oder Provinzialansdrücke genannt.

Sie gehen von der hochdeutschen Sprache, in welcher klassische Schriftsteller schreiben, oft so weit ab, daß derjenige, welcher nur rein deutsch spricht, sie schlech, lerdingü nicht verstehen kann; ja schon die Einwohner benachbarter Provinzen verstehen sich einander nichr

ganz. Das Plattdeutsche ist von dem Hochdeutschen so sehr verschieden, daß ein Fremder beide Mundar, tcn leicht für zwei ganz verschiedene Sprachen halten filmte. Aller der Eigenthümlichkeiten in der Sprache nun, welche jede Provinz oder Stadt für sich hat, muß sich ei» Briefsteller enthalten. Hochdeutsch ver, steht jeder Einwohner eines Landes wo deutsch gespro,

chen wird. — Nur dann, wenn man gewiß weiß, daß der Korrespondent hierin eine Ausnahme macht, ist es nicht bloß erlaubt, sondern auch Pflicht, in der ihm geläufigen Provinzialsprache mit ihm zu reden und an ihn zu schreiben.

(Fremde Wörter.) Beides, zmn Schimpf und zum Nachtheil für unsere Muttersprache, hielt man es vormals für sehr

schin, deutsche Briese mit französischen, lateinischen und andern ausländischen Wörtern anzufülleu. Don diesem unnatürlichen Geschmacke ist aber jeder

gute

22

Einleitung.

Schelfe, und Briefsteller längst zurückgekommen. Wo, mit finnte werden?

ein

auch

nothgedrungen wären, hen,

solcher Gebrauch

entschuldiget

Unsere Sprache ist weder so arm, daß wir

in der Fremde betteln zu ge,

noch so roh und plump,

daß sie zur angeneh,

men Unterhaltung nicht gebraucht werden könnte. Der Uebelstand wird übrigens dadurch um nichts vermin,

bett, wenn man sich damit zu helfen sucht, daß man

der Contrebande einen falschen einheimischen Stempel aufdrückt, und die ausländischen Wörter mit deutschen

Buchstaben und Endungen und nach Aussprache schreibt.

man sich durch

der

deutschen

Bei einem klugen Manne macht

solches Gemenge von deutschen und

undeutschen Wörtern lächerlich,

besonders wenn der

Drang dabei hervorleuchtet, seine etwanige sprachmei,

sterliche Geschicklichkeit und daß man auf Reisen gc, wesen sey, zu zeigen.

Lesern aber, welche der frenv

den Sprachen nicht kundig sind,

wird man

damit

auf alle Weise unverständlich. Nichts aber ist unerträg, kicher, als wenn Jemand ein irgendwo aufgefangenes,

aber nicht recht gehörtes,

oder unrecht verstandenes,

fremdes Wort gelegentlich anbringr, es falsch auöspricht,

staltek.

und,

so wie er

im Schreiben noch mehr verun,

Wer einer fremden Sprache nicht vollkommen

kundig ist,

der muß sich ja hüten im Sprechen und

Schreiben in dieselbe hineinzupfusche»,

wenn er sich

nicht bet Kennern zum Gespökte machen will. Das wird man aber um so viel mehr, je mehr Mühe ee kostet, den Sinn des verunstalteten Worts zu errathen.

Um aber auch nicht den fremden Wörtern zur Un,

gebühr hart zu fallen, weiland

und den Ausschweifungen der

fruchtbringenden Gesellschaft

welche aus übertriebenem

in Weimar rc.

Eifer für die Reinheit der

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

23

Sprache, alle mit fremden Wörtern nur einigermaßen

ut d das Fenster

übereinstimmenden Worte verwarf,

in eine Tagelenchte, das Dach in eine Hausdecke, das

Kloster

in

einen Jungfernzwinger u. f. hk verwan,

delte, das Wort zu reden; so ist wohl zu billigen: daß

man d i e j e n tg e n ausländischen Wörter, welche

das

deutsche

Einstimmung

Bürgerrecht

Rechten schütze.

allgemeiner

mit

haben, .bet

gewonnen

ihren

wenn man,

Es würde,

statt

der bekannten aus fremden Sprachen erborgten Aus, drücke, unbekannte und selbsterschaffene deutsche Wör,

ter in Briefen brauchen wollte,

die nemliche Unbe­

quemlichkeit entstehen, welche durch den Gebrauch un, bekannter und ausländischer Wörter statt der bekann­

ten deutschen veranlaßt wird.

(Kunstwörter.) Jede Kunst und Handthierung

hat ihre

eigen,

thümliche Sprache, nicht bloß zur Benennung der In, strumente und Arbeiten, welche ihnen allein eigen sind, sondern auch solcher Dinge,

welche schon im getnci,

iien Leben ihre Namen haben.

Schreibe ich an Je,

mand, der kein Kunstverwandter ist, in dieser Kunst, spräche, so bin ich ihm unverständlich.

Daher ist es

Klugheit, sich derselben gegen dergleichen Personen zu enthalten.

Ein anderes ist es,

wenn ich mit dem

Künstler von seiner Kunst spreche, oder wenn ein Hand,

werkögenosse an einen andern schreibt. Heu sich am besten, wird.

Diese verste,

wenn die Kunstsprache gebraucht

Die Namen der Instrumente und Arbeiten,

für welche im gemeinen Leben keine Benennungen vor,

Handen sind, muß man freilich gebrauchen: aber man

Einleitung.

24.

»Hut wohl, wenn man sich tn Briefen an solche Per» fönen, denen diese Sachen unbekannt sind, erklärender Umschreibungen und erläuternder Beiwörter bedient.

(Zweideutigkeiten.) ... Ein Wort kann zweideutig seyn, entweder dadurch, daß zwei Wörter von ganz verschiedener Be, deutung mit einerlei Buchstaben geschrieben werden, z. E. mahlen (auf der Mühle,) malen (mit Far­ ben) — oder dadurch, daß es mit einem andern fast gleich bedeutenden Worte leicht verwechselt werden kann, z. E. essen (sich sättigen, selbst genießen),

speisen (andere satt machen,) — oder endlich auch dadurch, daß ein Wort mehrere unter sich verwandte Ideen bezeichnet, ohne daß ee einer Vorzugsweise zukame, und bald in weitläuftigere bald in engere Be­ deutung genommen zu werden pflegt, mithin selbst vieldeutig und daher schwankend und unbestimmt ist. Z. E. Natur (Welt, gewöhnlicher Lauf der Dinge,

Einrichtung und Eigenschaften eines Dinges.) — Zn«

strument u. d. gl. — Solche Worte muß man ent­

weder ganz vermeiden, und dagegen andere gebrauchen, welche eine bestimmtere Bedeutung haben,

und daher

einen richtigern und vollständiger» Sinn erwecken kön­

nen — oder sie durch Zusätze und Beiwörter näher erklären — oder doch so setzen, daß ihre gegenwärtige Bedeutung au«

dem Zusammenhänge sehr leicht er­

kannt werden könne, und eine Mißdeutung fast nicht

möglich sey.

Ein Satz wird zweideutig, wenn man sich solcher Redensarten bedient, die in sich selbst zweier­ lei Sinn haben: oder wenn man sich unbestimmt aus­ drückt.

Die Natur der deutschen Sprache selbst bringt

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

25

manche auffallende Zweideutigkeit hervor.

Dahin ge< HSrt 1) die Gleichheit des Artikels — die —

im Nominativ und Akkusativ, wodurch es utu gewiß wird, welches von zweien Wirkern in einem Satze, die beide diesen Artikel haben, das Subjekt und welches das Objekt sey *).

Z. E. Diesmal haben

die Russen die Türken besiegt.

Sieger? Wer der Besiegte? Singular,

Wer ist der

Ständen die Worte im

so setzten die verschiedenen Endungen des

der und den die Sache außer Zweifel. Zwar stehet nach der Regel das Subjekt vor dem Objekte. Von dieser Regel aber finden Ausnahmen Statt; indem man,, eines gewissen Nachdrucks wegen, die Rang,

ordnung umkchren, und, anstatt zu sagen: diesmal hat der Russe den Türken besiegt, sagen kann:

diesmal hat de» Türken doch einmal der Russe besiegt. Eben der Möglichkeit dieser Um, kehrung wegen bleibt jener Satz zweideutig.

Daher

thut man besser, wenn man den Satz anders aus­ drückt, und das aktive Zeitwort in das passive vcr, wandelt;

(diesmal sind die Türken von den Russen

besiegt worden) oder eine andere Redensart braucht, in welcher die Artikel abgeandert werden. (Diesmal haben die Russen über die Türken den Sieg davon ge­ tragen.) 2) Der Gebrauch des Beziehungswor­

tes, welcher, welche, welches, wenn zwei Wörter wodurch es un, gewiß wird, auf weiches von beiden es sich beziehet.

von einerlei Geschlecht vorangehen,

Zuweilen

sind

Zweideutigkeiten

eine

Zierde; alsdann nemlich, wenn sie als eine Arr von

Scherz gebraucht werden, und man will, daß der Kor­ respondent diese doppelte Bedeutung bei dem Worte

’) S. S- 7s-

26

Einleitung.

zusammendenken sott; oder wenn man etwas auf eine verdeckte Art will zu verstehen geben, ohne es gerade deutlich Herauszusagen.

(Gleichbedeutende und gleichlautende Wörter.) Vielmals werden Zweideutigkeiten und Mißver, stindnisse dadurch veranlaßt, daß man den Unterschied der gleichbedeutenden und gleichlautenden Wörter nicht in Acht nimmt. — Eine Sache hat oft verschiedene Namen; aber sehr selten bedeuten diese Namen völlig einerlei, z. E. Gedächtniß und Er, innerungekraft scheinen einerlei zu seyn, aber sie sind doch wirklich sehr unterschieden. ErinnerungS, kraft gehet auf die körperlichen Empfindungen, welche man gehabt.hat. Gedächtniß aber auf das Behal­ ten der Wörter und Gedanken, welche mau gehöret oder gelesen hat. So sagt Herr de Pauw von den Amerikanern, daß sie zwar gute Erinnerungskraft, aber kein gutes Gedächtniß haben. — So ist es auch mit manchen Redensarten. Zu Felde gehen ist ganz etwas anders, als ins Feld gehen. Jenes thut der Soldat, dieses der Dauer. So auch: auf dem Hofe seyn und am Hofe seyn. Mit diesem Unterschiede der gleichbedeutenden Wör­ ter muß ein Briefsteller wohl bekannt seyn, damit er kein MißverstLndniß veranlasse, oder eine Albernheit sage *).

(Bildliche und geblümte Ausdrücke). Zu den Zweideutigkeiten gehören vornehmlich auch die bildlichen Ausdrücke. Eln Ausdruck ist aber

♦) Denjenigen, welche sich hierüber unterrichten wol­ len, ist J.A-Eberhards fynonimtfd)ce* wöreerbuch, Berl. bei Nauck, ju empfehlen.;

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

27

bildlich, wenn er außer seiner eigenthümlichen Beden, rnng, auch van einem andern Dtnge, um einer gewis, sen Aehnlichkeit willen, gebraucht wird. Z. E. Früh, ling des.Lebens, anstatt Jugend; das junge Zahr, start der Frühling. Die bildlichen Ausdrücke ganz zu vermeiden, wäre dem Briefsteller unmöglich und auch nicht rath, sam; — unmöglich — weil für viele Ideen besonders aus der unsichtbaren Welt, keine andere als bildliche Ausdrücke vorhanden sind; nicht rathsam — weil oft ein bildlicher Ausdruck bekannter und gebräuchlicher ist, als der eigentliche, und man bet Vertauschung derselben gerade in den Fehler der Undeutlichkeit ver> fallen würde, den man eben vermeiden wollte. Hiezu kommt, daß die bildlichen Ausdrücke (Tropen und Fl, gurcn) den Styl lebhafr machen, und die andern gu, teil Eigenschaften des Briefes, den Nachdruck und die Anmuth, wovon wir unten reden werden, befördern. Daher müssen der Deutlichkeit wegen 1) vermie, den werden — diejenigen bildlichen Ausdrücke, welche (a) mit der zu bezeichnenden Sache eine gar entfernte oder unbekannte Aehnlichkeit haben; (b) von nicht ge, nug bekannten Sachen entlehnt und (c) nicht allge, mein bekannt, geläufig und üblich sind. 2) Müssen sie so gestellt und ausgedrückt werden, daß sie keine Zweideutigkeit veranlassen.

(Gelehrte Wörter und Redensarten.) Hiezu rechne ich alle diejenigen Wörter und Re, denearten, deren Bedeutung beim Unterricht in den Wissenschaften gelehrt wird, und deren Kenntniß folg, lich eine ziemliche Bekanntschaft mir denselben, oder sonst eine ausgebreitete Belesenheit, vorausseht. — Da

Einleitung.

28

man nun diese nicht bei Jedermann,

ober vielmehr

bei sehr vielen nicht, vprauösehen kann, es auch sehr leicht möglich ist, daß einem Manne von Kenntniß und

Belesenheit gerade die Sache, die mir sehr wohl be,

kannt ist, noch dunkel sey: so folgt daraus ««wider,

sprechlich die Regel: alle solche Auedrücke in Briefen, als in

welchen eine

allgemein verständliche Sprache

herrschen muß, zu vermeiden.

Es gehören hierher ins,

besondere die Anspielungen auf Personen, die in der

Geschichte berühmt gewesen sind,

alten

auf Sitten

alter und entfernter Völker, oder auch auf Personen

und Sachen, die neuerlich Aufsehen erregt haben, aber doch noch nicht so allgemein bekannt sind, wie sie seyn

müßten, wenn man von ihnen im Sprichwort reden wollte.

In diesen Fehler verfallen vornemlich junge Per, sonen, welche den Anfang machen, sich wissenschaftliche

Kenntnisse zu erwerben, und solche, welche sich durch

Lesen witziger Schriften zu bilden suchen, indem jene

die Gegenstände des Hirsals und der Studlerstnbe auf das gemeine Leben und in die gesellschaftlichen Unter,

Haltungen,

diese

fcic Floskeln

der theatralischen und

anderer solcher dichterischen und ergötzenden Schriften,

auf den Briefstyl übertragen.

Es findet über diesen

Unfug eben das Urtheil statt, welches vorhin über die Affektation in dem Gebrauche ausländischer Wörter ist

gefällt worden.

b) Anordnung der Säße und Gedanken. Mr kommen auf das zweite Stück des Styls

(p. iß.) oder der guten Schreibart, nämlich auf die

Kunst, dieGedanken undSähe so zusammen zu

ordnen

und zu

verbinden,

daß

sie

die

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

29

Deutlichkeit nicht hindern, sondern besän dern. Zn dieser Rücksicht wird die Deutlichkeit aber bn fördert 1) durch die Vollständigkeit der Satze

selbst. Hiehcr gehört nicht bloß das, daß jedes im Sahe enthaltene Wort seine gehörigen Buchstaben und

Sylben habe, und weder eine Sylbe davon ausgelas, sen, noch ein Buchstabe wcggeworsen sey — (als welr

ches durch Nachahmung einer fehlerhaften Provinzial, auesprache hie und da zu geschehen pflegt). — Auch nicht bloß, daß alle dem Satze wesentlich -»kommen-

den Worte da seyen,

und nich tewa die Personal,

Wörter, ich, du und die Hülfswörter seyn, werden und dergleichen weggelassen werden: — sondern auch

vornemlich, daß der Satz selbst durch erklärende Bei­ wörter, Umschreibungen, Neben- und Zwischensätze außer alle Mißdeutung gesetzt werde, und die ganze

Fülle der Gedanken errege, die man ihm geben will. 2) durch den rechten Gebrauch der Verb in, dungöwörter, als welche anzetgen, in welchem Ver, HLltnisse die Sätze gegen einander "stehen. Dahin ge, hören vornemlich die Wörter: da: so — nachdem: so — obgleich, dennoch — gleichwie: also —

zwar aber u. d.gl. Durch solche Worte werden alle, mal wenigstens zwei Hauptsätze verbunden, welche entweder unbedingt, oder bedingungsweise neben einan, der bestehen können, einander aueschließen, auseinander folgen u. s. w. Wenn ich nun einem Satze z. E. das

Dedingungswort wenn vorsetze, und damit einen an, der« Sah, durch das EinschrLnkungswort zwar, ver, binde: so kann das nimmermehr einen Zusammenhang

geben; sondern muß nothwendig Dunkelheit, Mißdeu, tiing und Ungewißheit veranlassen. 3) durch Mög,

30

Einleitung.

lichkett die Sähe in ihrem Zusammenhänge sch uell und leicht übersehen zu können, welches druch eine anständige Kürze und Bestimmtheit der Aus­ drücke am vollständigsten erreicht wird. Diese gedrun­ gene Kürze (Präcision) sagt nichts Ueberflüßiges; sie sagt das Nöthige mit so wenigen Worten als möglich ist, und jedes Wort hac Nachdruck: sie läßt aber auch nichts Nöthiges weg. Fehler gegen den Styl.

Die Fehler des Styls hingegen, welche die Deutlichkeit hindern, sind folgende: 1) Mangel des Zusammenhangs, sowohl der Worte als der Sachen. Was kann es helfen, das; ein jedes Wort seine unverkennbare Bedeutung hat, wenn man doch nicht weiß, wie sie zusammen, hangen? lvetui zum Vordersatze der Nachsatz fehlt? u. s. w. Da muß man nur rathen; und wie leicht räth man falsch! Eben dieselbe Dewandnig hat eö, wenn die Sachen unter einander geworfen werden, daß man von einer Sache anfängt, und mit einer andern aushört: dann wieder etwas Neues herbeibringt, und ehe man damit fertig ist, wieder vom ersten spricht. Das macht große Verwirrungen, und verursacht, daß vieles übersetzen wird, welches dem Schreiber wichtig war. Hat man vielerlei zu schreiben, so trage man die Sachen ordentlich eine nach der andere vor, und spreche von der zweiten nicht eher, als bis man mit der ersten fertig ist. Um den Korrespondenten auf die mancherlei Gegenstände desto aufmerksamer zu machen und zu verhüten, daß nicht etwa einer oder der andere übersehen werde, ist es rathsam: — daß man

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

31

wenn man von etnerSache aufhört, dteZeile schließe, und mit einer neuen Sache, eine neue Zeile anfange. 2) Die überhäufte Znsammensetzung der Perioden, d. i. wenn man gar zu viele Sätze durch Verbindungewörter in einen Punkt -usammenlwängt und jeden Satz wieder durch eingeschobene Zwischen, sähe auseinander reißt. Wenn eine solche überhäufte Zusammensetzung auch noch so gut gemacht ist, so ver, anlaßt sie doch leicht Verwirrung und Mißdeutung, wenigstens kann man doch nicht immer mit Gewißheit wissen, ob der Korrespondent Zeit, Lust und Uebersicht genug habe, das Zusammengehörende in Gedanken zu, summen zu suchen, die Perioden in ihre einzelnen Sähe zu zerlegen. (Beispiel.)

Ew. Hochwohlgebohrnen Gnaden habe ich, da Dieselben bei meiner Anwesenheit für meine geringe Person einige Aufmerksamkeit zu bezeigen gerührten, welches ich in gebührender Unterrhänigkeit dankbarlich erkenne, von meiner nach vieler Mühseligkeiten und Gefahren, da gegen die Nacht ein heftiges Schnee, gestöber einfiel, daß wir unsern Weg verloren, und keine Rettung vor uns sahen, indem wir in einen Graben hineingeriethen, und nicht wußten, wo wir Hülfe suchen sollten, dennoch glücklich überstandenen, und in drei Tagen mit aller Gesundheit, wofür ich Gott danke, zurückgelegten Reise und erwünschten Ankunft in meiner Heimath, schuldigst zu benach, richtigen nicht ermangeln sönnen. Was in dieser ungeheuern Periode zusammengeflochten ist, läßt sich in kürzern Sähen also ausdrücken:

32

Einleitung. Ew. Hochwohlgebohrnen Gnaden Haden bet meiner

Anwesenheit einige Aufmerksamkeit für meine geringe

Person zu bezeigen geruhet. Ich erkenne die mir hierdurch wiederfahrne Gnade mit dem unterthLnig, sten Dank, und halte e6 für meine Schuldigkeit, Denensclben meine glückliche Ankunft in Franken, thai hierdurch gehorsamst anzuzeigen. Meine Reise war voll Mühseligkeiten und Gefahren. Gegen die Nacht überfiel uns ein Schneegestöber, wir verloren den Weg, und geriethen in einen Graben. Hier schienen uns alle Mittel zur Rettung benommen zu

seyn, da wir nicht wußten, wo wir waren und Hülfe suchen sollten. E6 ist indessen, Gottlob! besser abge, lausen, als wir besorgten.

Nach einer Reise von drei Tagen, habe ich die Meinigen gesund wieder gesunden rc.

3) Die Weitschweifigkeit, oder Ueberladung ^lnee Briefes mir Worten und Vorstellungen, die unnö, thig find und nicht zur Sache gehören. Dies geschie, het durch den Gebrauch langer schleppender

Wörter, an deren Statt kürzere vorhanden sind —

durch Wiederholung, der man bei dem Gebrauch der Deziehungs, und Verbindungsworte überhoben seyn

kann — durch Beiwörter, die nichts erläutern, son,

dern völlig müßig sind — durch Tavto logte, da man das, was man schon gesagt hat, noch einmal, und nur mit andern Worten sagt, ohne daß dadurch im geringsten etwas aufgeklärt und näher bestimmt wird —

durch unnöth ige Umschreibungen, da das eigent, liche Wort bestimmter und bedeutender wäre. — Solche

Schwatzhaftigkelt ist ekelhaft und ermüdend.

Das gar

zu Viele, zertheilt und zerstreuet die Aufmerksamkeit. Die vielen Nebensachen ziehen den Leser von der Haupt,

fache

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

33

fache ab, und machen, daß dieselbe leicht vergessen wird.

Dieses geschiehet desto eher, wenn es dem Korrespon,

denken an Zeit und Lust fehlt, ganze Seiten voll leerer Worte zu lesen.

Daher ist sie bei Personen von

Geschäften am allerübelsten angebracht. — Oft ent, stehet dieser Fehler aus übergroßer Neigung zur

Deutlichkeit.

Aber man wird leicht unverständlich,

indem man gar zu deutlich seyn will.

(Beispiel.) Ew. Hochedelgeb.

habe ich hierdurch anzuzeigen

mir die Ehre und daö Vergnügen geben wollen, wie

daß der junge Mr. F. welcher in -Ihrem Hause wohnt, unter Ihrer Aufsicht steht, und Ihren Unter«

richt genießet, z'ur Jägerei Lust bezeiget. Seine Frau Mutter und Vormünder haben mich ersuchet, daß ich ihn zu mir nehmen möchte, um ihn das Metier zu lehren, und ich bin auch willens ihn zu mir zu

nehmen.

Ich ersuche daher Ew. Hochedelgebohren,

besagten jungen Menschen verabfolgen zu lassen, und

ihn Ueberbringer dieses zu überliefern, welcher den jungen F. richtig überbringe» wird, daß er bei mir

eintrete und die Jägerei zu lernen anfange.

Ich sage

Denenselben auch im Namen der Mutter des jungen Menschen

und

seiner Vormünder den

ergebensten

Dank, für den an ihn gewandten Fleiß im Unter, richt, in Religion und Sitten und allen guten Miss senschaften rc. Dieses weitschweifige Gewäsch ist unerträglich, ob

man gleich gestehen muß, daß es noch lange nicht das schlechteste dieser Art ist, wie man es oft lesen muß. Kürzer gesagt klingt der Brief so besser: Da Ihr Zögling, der junge F. zur Jägerei Lust

3

34

Einleitung.

bezeigt, so habe ich auf Ansuchen seiner Mutter und seines Vormundes mich entschlossen, denselben in die Lehre zu nehmen. Ich bitte Sie also ergebens?, ihn zu entlassen, und der Gesellschaft des Ueberbringers zu übergeben. Nehmen Sie noch von Seiten der Verwandten für den auf ihn verwandten Fleiß den besten Dank an re. 4) Die überspannte Kürze ist eben so sorg, fällig zu vermeiden, als die Weitschweifigkeit, weil sie die Deutlichkeit eben so sehr hindert. — Man will mit einem Worte viel sagen; aber weiß man auch, ob der Korrespondent bet dem Worte eben so viel und eben das denken wird, was man wünscht? Man läßt Erläure, rungs, und Zwischensätze weg, in der Meinung, daß sie sich von selbst verstehen: kann man das auch bei jedem Korrespondenten vorauesetzen? Verlange ich, daß er je, des Wort erwägen und darüber nachdenken soll, so ver, lauge...ich etwas, welches der Korrespondent nicht im, wer in seiner Gewalt hat. 5) Alles dasjenige was sonst dieAufmerk, samkeit aufhält oder zerstreuet. Dahin gehört alles Uebertriebene, Unnatürliche, Schwerfällige, Schlep, pende, Uebelklingende — es bestehe in Worten oder in Zusammensetzung der Zdeen — nicht weniger alles Beleidigende, Empörende, dem guten Geschmack Zuwte, derlaufende — wovon unten, wenn von der Anmuth mid Wohlanständtgkeit die Rede seyn wird, das Nöthige wird gesagt werden. 6) Was nun noch den sehr gewöhnlichen, aber nichte desto weniger schädlichen Fehler betrifft, dessen wir vorhin schon erwähnt haben, daß man nämlich die Hülfswörter seyn und haben, und die Fürwörter ich, sie, wir, ihr, u. s. w. auslißt.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

35

(Z. B. Sie wissen, daß ihn gewarnt, aber da nicht hören will, so'muß fühlen: so ist hier doch nur von einer gänzlichen Auslassung der HülfS, Wörter die Rede. Denn wenn man dieselben in einem Punkte immer wiederholen wollte, so oft man könnte, so würde daö neben dem Ucbelklange noch eine Weit, schweifigkeit verursachen, welche eben sowohl wie jener, der Deutlichkeit wegen, vermieden werden muß. Wenn mehrere Zeitwörter in einem Punkte, welche durch und, oder und andere Verbindungewörtek verbunden sind, ein Hülfswort (seyn, haben, werden) bei sich haben, so verspätt man dasselbe btv zum letzten Zeitworte, oder wenn es vor dem ersten stehet, so lässet Man es dabet ein für allemal bewenden. Z. E. Nachdemwtrunser Werk vollendet und die Bezahlung dafür ein, gefordert hatten: so gingen wir ins Feld, und vergnügten uns daselbst auf eine anstän, dige Art *).

2. Deutsche Sprachkenntniß. So sehr ein fehlerhafter Styl den ganzen Zweck des Briefes, und insbesondere seine Verständlichkeit hindert: so sehr thut das auch der Mangel der deutschen Sprachkenntniß.

*) So weit von dem guten Styl, in so ferne er zur Deutlichkeit beiträgt. ES wird seiner beim zweiten und dritten Hauptsiücke wieder gedacht werden. Hiemit wird indessen der ganze Umfang der Lehre vom Styl nicht «rschLpst, sondern dieselbe nur in so weit nothwendig auSgeführt seyn, als er Regeln für den Briefsteller enthalt. Nähern und vollständiger» Unterricht darüber findet der Liebhaber in Johann Christian Adelungs Lehr« buche über den deutschen Styl: dessen Grundsätzen auch in dieser Anweisung größtentheilS angewandt worden. 3*

36

Einleitung.

Es mag wol manchen Deutschen befremden, wenn man ihn Mangel deutscher Sprachkcnntniß zur Last legt. Und doch ist nichts so wahr, als daß wenige Deutsche ihre Muttersprache recht verstehn; aber auch für einen Menschen, der auf eine gute Erziehung Anspruch machen

will, nichts so schimpflich, als dieser Mangel.

Mittel zur richtigen Sprachkenntniß. So wie man, um überhaupt gut schreiben zu können in der Wohlredenheit geübt seyn muß, eben so muß

man auch, um gut deutsch schreiben zu können, richtig sprechen gelernt hab en. Diese Fertigkeit

im Richtigsprechen aber erlangt man durch eine gute Erziehung — durch Umgang und Unterredung

mit Leuten, welche darin fehlerfrei sind — durch den Schulunterricht tu der deutschen Sprachlehre — und durch das Lesen klassi­ sch er deutscher Schriftsteller. Die deutsche Bibel,

Übersetzung D. Luthers ist zwar ein Muster der Sprach, relnigkeit in Absicht der Wortfügung, enthält aber doch viele einzelne Ausdrücke und Redensarten, welche fehler­ haft sind, indem sie von Provinzialismen und veralte­

ten Wörtern nicht frei ist. Gellerts Schriften sind, wie

ihres lehrreichen und unschuldigen Inhalte wegen, so auch in Absicht der Sprachrichtigkeit jungen Leuten zu

ihrer Bildung sehr zu empfehlen.

a. Orthographie. Dem Briefsteller ist die Bekanntschaft mit den Regeln der Orthographie schreibung unentbehrlich.

oder Recht,

Zur Rechtschreibung gehört theils der richtige

Gebrauch der Buch staben, theils die rechte Anwen­

dung der Unterscheidungszeichen.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

37

Von den Buchstaben. Der am besten, deutlichsten und angenehmsten sty/ lisirte Brief wird unverständlich und unerträglich, wenn man sich im Lesen durch tausend Buchstabenversetzun/

gen, Verfälschungen, Auslassungen und Zusätze durch/

arbeiten muß.

Es ist kaum glaublich, wie viel lächer/

ltche und unanständige Ausdrücke, ja, wie viel Ver/ worrenheit, Zweideutigkeit und Mißverstand durch ortho/ graphische Fehler veranlaßt werden. Es giebt viele Wörter, welche bloß durch einen Buchstaben von ein/ ander unterschieden sind. Wird dieser charakteristische Buchstab verändert oder weggelassen, so weiß man beim ersten Anblicke nicht, was damit gesagt werden soll.

Z.B. Latz, Last — Lachs, Lack— Brücke, Pe/

rücke, Pricke — Aas, aß— Apotheker, Ab/ decker — auswetden, ausweiten — Aug', auch

— ein Bad, er bat — backen, packen — Bä/

ren, Beeren — stehle»,, stählen — Butter, Puder, Puter — Decher, Dächer — Thon, Ton — Ehre, Aehre, Sehr — aichen, Eichen,

brüllen, Brillen —

Gelübde, Geliebte —

schwären, schwüren, schwer — Euter,

— Feile, Pfeile — Ferse, Verse

Eiter

— Fluch,

Pfl ug, Flug — Garn,Karrn — Gasse,Kasse — gucken, jucken — Hirsche, Hirse — u. dgl. E6 ist daher nöthig, daß man sich mit der Rechtschrei, bmig dieser und anderer gleichlautender Wörter bekannt

Leicht verwechselt werd«, ä, e, ö — a, ah, aa — ü, i — b, p — d, t, the — f, v, pf, pH, w macht.

— g, ch, k — s, ß, ff, J. —• Sie Hauptrcgel bei der Orthographie ist: Schreibe

so, wie du sprichst.

Diese Regel setzt aber eine

38

Einleitung.

richtige und wohl artikulirte Aussprache voraus, sonst leitet sie falsch. Nun findet sich aber, daß fäst jede deutsche Provinz ihren eigenen Dialekt und darin ihre eigenen Fehler in der Aussprache hat. Hier spricht man alles hart, dort alles weich; hier schiebt man Töne ein, dorr läßt man einige aus; hier schleppt man den Ton, der dort abgekürzt wird; hier spricht man mit Doppellautern und breitem oder vollem Munde, dort mit einfachen Vokalen und fein; hier ändert mau diese Sylben und Buchstaben, dort jene. ' Die Krete in dem Munde der Leipzigerin und einer Berlinerin sind ganz verschiedene Wesen, jene meint ein Mädchen da, mit, welches Grete heißt, diese aber versteht eine Kröte darunter, und wenn diese die garschtige Krete (garstige Kröte) mit der Keile (Käule) todt schlägt, so jagt jene die keile Krete (geile Grete) aus dem Hause. Das h klingt in dem Munde des Schwaben wie p, in dem Munde des Thüringers fast wie w; so daß der Baß bei jenem zum Paß, bei diesem zu was und das Dein in Peln oder Wein umgeformt wird. Ze weniger der Provinzialdialekt von der wahren hochdeutschen Sprache entfernt ist, desto leichter wird man berückt. Mau hat z. E. bemerkt, daß die Mek, lenburger, welche gewöhnlich Plattdeutsch sprechen, nicht leicht einen Fehler begehen, wenn sie einmal hoch, deutsch reden. Hingegen in Berlin, wo der gewöhn, liche Dialekt dem Hochdeutschen schon näher ist, spricht selten Jemand rein deutsch. Fast überall hört man von den geboruen Berlinern ooch für auch, ne für nein, Bene für Deine, nich für nicht, des für das; sie verwechseln ü mit i, ö mit ä, und sprechen Jbel für Uebel, Ihre für Ehre, sihr für sehr, Heren

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

39

für hören; so auch Uhr für Ohr; und wie leicht schleichen sich diese Fehler beim Schreiben mit ein. Die Niedersachsen, besonders in den Provinzen, in welchen der plattdeutsche Dialekt der herrschende ist, haben auch noch den Fehler, daß sie die Worte sehr zusammenziehen und abkürzen. Dies kommt daher, weil dle plattdeutschen Wörter gewöhnlich kürzer als die hochdeutschen sind; und diese Kürze trägt man dann in die Aussprache der hochdeutschen über. Auch bemerkt man im nördlichen Deutschlande eine ebenfalls vom plattdeutschen Dialekte herrührende elende Schlaffheit in der Aussprache; man artikulirt die Worte nicht scharf genug, sondern schleppt einen Ton in den andern über. Man spricht pf wie f, g wir j, und daher Pfund wie FUnd, Gott wie Zod. Auf der andern Seite hat man daselbst wieder den Fehler, daß man manche Buchstaben und Töne zu voll und breit hervorbringt; st wird fast durchgängig wie schr sowol im Anfänge als zu Ende der Sylben, und der Doppellauter et tote ai ausgesprochen *). Es ist schwer zu vermeiden, daß man von solchen einheimischen Erbübeln nicht angesteckt werden sollte. Desto mehr hat nun der Briefsteller Ursache, sich mit den Fehlern seiner Aussprache bekannt zu machen, sich von demselben -u reinigen, so viel als ohne Affekta,

♦) Der Berlinische Briefsteller schränkt sich in seiner Kritik über die Fehler der Aussprache billig auf die Gegen- ein, in welcher er geboren ist. Er will aber den Einwohnern anderer Provinzen, in welchen er gebraucht wird, damit einen Wink geben, gegen die dort üblichen Fehler dieselbe Kritik anzuwende«. Um die Abschaffung der falschen Aussprache aber können sich die Schullehrer sehr verdient machen.

Einleitung.

40

tlon geschehen kann, und wo das nicht angeht, doch

dagegen auf seiner Hut zu seyn,

daß er sich beim

Schreiben dadurch nicht irre führen lasse. man die Worte ausspricht,

Ze richtiger

desto weniger wird man

Im Schreiben der fast gleichlautenden Worte Fehler be, gehen und diese und ähnliche Worte verwechseln. Die Aussprache allein aber ist zur Beförderung denn es giebt

der Rechtschreibung nicht hinreichend;

sowol Vokale als Konsonanten, welche bei dec richtig­ sten und artikulirtesten

Aussprache,

so

fern dieselbe

allgemein angenommen und üblich ist, nicht, oder doch

nicht leicht, unterschieden werden können.

Dahin ge,

hört insbesondere 1) das breite e und a,

2) die har,

teil und weichen verwandten Konsonanten, besonders am Ende der Sylben g, k — g, ch — h, p — d 3) v,

f und pH, ingleichen x und chs — 4) der doppelte und

einfache Konsonant besonders am Ende — 5) kas Del), nungezeichen

der laug

gesprochenen Vokale,

6) der

Gebrauch der großen und kleinen Buchstaben. Zn die, sc» Fällen beruhet die Rechtschreibung

zum Theil

auf dem Eigensinne der eingeführten Gewohnheit, zum Theil auf der Abstammung der Wörter von andern,

und endlich auch auf den Regeln,

nach welchen die

Wörter in den Declinationen und Konjugationen ab, geändert werden.

Was nun 1) das ä, welches als ein bloßes e klingt,

betrifft:

so hangt der Gebrauch desselben a) in den

Stcrmrnwörtern lediglich von der angenommenen

Gewohnheit ab, und man muß sie sich merken. sind die vornehmsten: Aehre

Hier

(zum Unterschiede von

Ehre), ähnlich, die Baren (bekannte Thiere, zum Unterschiede von Beeren,

einer Arc Früchten, die

an Sträuchern wachsen), dampfen, Diät, dräuen.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

41

fähig, gähnen, jähe, gebähren (entbehren),

prägen, Gräte, Häher (eine Art von Vögeln),

hämisch, Krähe, krähen, die Endsylbe wärts, jäten, Käfer, Käficht, Käse, Lägel, lästern, Mähne der Pferde, mähen, Mähr (Erzählung), säen (z. U. v. sehen nach der gewöhnlichen falschen niedersächsischen Aussprache), sch ächten (schlachten),

schäkkicht, Schwären (Geschwüre z. U. v. schwö­

ren und erschweren), Sägen (z. U. v. See­ gen), Thräne, -träge, unstät, zähe (z. U. v. zehen). — b) Zn den abftanrmenden Wör­

wo in den Stammwör­ tern ein ä oder a siehet. Z. E. Fähre von fahren, hängen von Hang, Räude von dem alten Worte

tern wird da ein a gesetzt,

rauden, d. i. die Haare oder Federn verliehren, bän­ digen von Band, Ränken von dem veralteten Sin­ gular Rank,

kränken von

krank,

säumen von

Saum. — Wenn beim Deklinlren das a des Grund­

worts in den Ton des breiten e verwandelt wird, so seht man ä. Z. E. Bänke von Bank, Fälle von Fall, zum Unterschied von Aelle (Häute der Thiere).

— Zn einigen Zeitwörtern,

welche in der vorletzten

Sylbe des Grundworts (Infinitivs) ein breites e ha­

ben, wird im Zmperfekt das e in a verwandelt, z. E. ich sah von sehen.

Wenn diese nun im Konjunktiv

des Zmpcrfekts das a wieder in den Ton des breiten

e verändern,

so wird auch da wieder ein a gesetzt;

z. E. o daß ich sähe! 2) Ob am Ende ein harter oder ein weicher Buch­ stab (d oder t, th, g oder ch, g oder k,

gesetzt werden müsse,

erfährt man,

b oder p)

wenn man das

Wort am Ende verlängert. Man schreibt daher Bad, weil ich sage Bäder; hingegen That, weil ich sage

42

Einleitung.

Thaten;

Blatt, Blätter;

trügen;

und

Tuch,

Lug und Trug, lügen

Tücher;

Kalch,

verk-lchen;

Schlag, Schlage; Sack, Säcke. Th wird in ur, sprünglich deutschen Worten nur in Sylben gebraucht, deren Vokal gedehnt ist (S. 47. f.); sonst nur in Worten, welche auö dem Griechischen entlehnt sind, die

tn der Originalsprache th haben, als Hypothese, Theist, Theologie, Atheist, Asthma re. Hierbei ist besonders a) die Rechtschreibung der Endsylbe lich und tg merkwürdig. Hievon gilt die

allgemeine Regel:

wenn zu einem

Worte die

ganze Sylbe lich hinzugeseht wird, so wird sie mit ch geschrieben; hingegen wenn dem

lehren Konsonanten des Stammworts bloß

ig angehangt wird, so endet sich diese immer mit 9. Daher schreibe ich: zärtlich, wirklich, sittlich, endlich; hingegen: beliebig, sündig,

sandig,

innig,

durstig,

säumig, harzig re.

und eben deshalb auch willig, eilig, völlig, weil hier das l der lehren Sylbe schon zu dem Stamm, Worte Eil, Wille, voll, gehört. Ob in den Stamm,

Wörtern, die sich auf ig oder überhaupt auf g oder ch enden, der eine oder der andere dieser Buchstaben ge­ braucht werden müsse, dieses lehret in denen, die sich verlängern lassen, der in der Verlängerung hörbare

Schall; in denen aber, die keiner Verlängerung fähig

sind,

der Gebrauch.

Doch kann man mit ziemlicher

Allgemeinhett die Regel festsehen, daß bei den lehtern

gewöhnlich ein ch steht, als: ich, mich, dich, sich,

ach, nach, durch. — b) Der Unterschied des s, 6,

ß, ss (s. unten S. 48). 3) f, v und pH lauten vollkommen gleich und kön,

neu an der Aussprache nicht unterschieden werden. Man

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

43

muß sich also ihren Gebrauch merken. Doch gilt die allgemeine Regel: in den ursprünglich deutschen Wör­ tern, wird nur f oder v gebraucht; und zwar am mei­ sten f. V stehet in den deutschen Stammwörtern im­ mer nur im Anfänge und zwar nur in folgenden Wor­ ten: Vater, Vetter, Veilchen, Vieh, viel, vier, Vogel, Voigt, Volk, voll, von, vor, Verstand, Verzicht, Vortheil, Vorwand, Vorzug, mib andern mit vor zusammengesetzten Wör­ tern; imgleichen in den uus der Fremde herübergekom, menen Vakanz, Vasall, Valet, Vagabund, Vers, Vesper, Vettel, vexiren, Vieekönig, Vizthum, Vitriol, visiren, Visitator, visttiren, Volte, Vomitiv, Vokal, als m welchen das V gewöhnlich wie w gesprochen wird, und auch in der Mitte und am Ende stehen kann; als; Vomi­ tiv, Stativ, Reverenz; und endlich in der Vor, sylbe ver, nut welcher eine große Menge Worte zu, sammengeseht werden, als: verderben, vergehen, verlieren, Verlust, vergeben, verziehe», ver­ wenden :e. Man schreibt Vestung und Festung, vest und fest; das erstere ist aber das richtigere; so auch richtiger vorn anstatt fern. PH wird nur in den Wör, lern und Namen gebraucht, welche griechischen Ur, sprungö sind, als: Philosoph, Philosophie, Physik, Physiognomie, Philanthropin, Pa, ragraph, Sylphen, Philipp, Pharao rc. Der Ton des x wird im Deutschen gewöhnlich durch ch6 oder kö ausgcdrückt, als: Flachs, Lachs, stracks, Hechsel, Achse, wachsen, Wechsel re. Das x wird gebraucht 1) nur in einigen originell deut­ schen Wörtern: Hexe, Axt; 2) in den Worten, die aus der Fremde herüber gekommen sind und in der

44

Einleitung.

Originalsprache ein x Haden: Text, Extrapost und andere mit Extra zusammengesetzte Wörter, laxiren, vexiren re.

4) Ob ein Konsonant am Ende eines Worts

verdoppelt oder einfach geschrieben werden müsse, ergiebt sich, a) wenn man das Wort ver, lä ngert.

Wenn er in der Verlängerung bei der Um,

biegung doppelt lautet, so wird er auch an sich doppelt

geschrieben.

nes;

Daher Mann, weil ich sage: des Man,

Blatt, Blatter;

sage: des Bades;

hingegen Bad, weil ich

die Wörter, welche solcher Ver,

längerung nicht fähig sind, müssen aus dem Gebrauch gemerkt werden. Zn der Regel ist in den Partikeln der Konsonant immer einfach (von, her, hin, in,

mit, man);

wenn aber zwei Wörter von gleicher

von denen eines scharf, das andere aber gedehnt ausgesprochen wird, so wird

Aussprache vorhanden sind,

in jenem der Konsonant verdoppelt.

Daher: denn,

wenn, wann, dann, daß (auf daß) zum Unter, schied von den, wen (von der, wer), das (Arti, kel). b) Zn den Zeitwörtern wird der doppelte Kon, sonant des Znfiuitivs in allenBiegungen desselben bei, behalten, so lange die Sylbe scharf lautet. Daher i.ch

soll, von sollen;

von wissen:

ich will, von wollen; ich weiß,

hingegen ich fiel von fallen,

weil hier

die Sylbe gedehnt lautet.

Ob ein Konsonant in der Mitte des Worts

verdoppelt werden müsse, ergiebt sich a) aus derAu6,

spräche; wenn er nemlich doppelt gehört wird, muß er auch doppelt geschrieben werden;

weil ich spreche: Mat,te; ich sage: Ma-de.

daher Matte,

hingegen Made, weil

Wo diese nichts entscheidet, sieht

man b) auf die Abstammung.

Denn der dop,

Kap. 2. pelte

Gute Einrichtung der Briefe.

Konsonant

des

Stammworts

45

wird

auch in den abgestammten Wörtern beide, halten. Daher: Herrschaft von Herr, göttlich von Gott,

Bekanntschaft von kennen, Gesell, schäft, Irrthum, c) Wenn gleichlautende Wörter

Vorkommen, welche sich bloß dadurch unterscheiden, daß in dem einen die Tonsylbe (d. i. die Sylbe, auf wel,

cher der Ton am längsten ruhet) gedehnt und in dem andern scharf gesprochen wird, so wird im letzt ern der auf den Vokal der Sylbe folgende Kon, sonant verdoppelt. Z. E. Bahn, Bann. —

5) Ob nun gleich durch diese Regel der Unterschied der. gedehnt oder, scharf gesprochenen Tonsylben im Schreiben hinlänglich bestimmt seyn könnte, so willes

doch der Gebrauch, daß man vor l, m, n und r die gedehnte Aussprache noch besonders bezeichne. Dazu

bedient man sich bet i des e, bei den übrigen Vokalen des h. in einigen Fällen auch der Verdoppelung Les Vokales. — Das i wird aber nicht bloß vor obigen Konsonanten, sondern auch vor allen übrigen von einem e begleitet in

allen Tonsylben, in welchen es gedehnt lautet, dieses

gilt auch den einsylbigen Worten, die sich auf i enden. Daher: Friede, ich spielte, sie, hier rc. hingegen Gilde, milde, Sitte, mit. — Dies Dehnungszei­ chen aber fällt weg a) in den Worten mir, dir, wir; b) in allen ausländischen Worten und Namen; daher:

Vigilien,

Exil,

Philipp, Albertine, Ehrt,

stiane, Elise, Life; c) in der Endsylbe in in allen

Namen der Oerter und Vornamen der Menschen; daher Berlin, Rupp in, Martin, und den davon gemach, reu Wörtern, berlinisch, ein Ruppiner, Martin,

che n, d) in den aus dem Lateinischen, oder Französi,

46

Einleitung,

scheu gebildeten Zeitwörtern die sich auf iren endigen,

z. E. vexiren, eorrigiren, eomplimentlren. — Weil aber das i wenn es vor einem Vokale im 2lnfange einer Sylbe stehet, dle Kraft eines Konsonanten hat, und seinen Ton ändert (z. E. Jahr, Jemand, Jubel),

so nimmt es, wenn e6 im Anfänge steht, und als Vo, kal gedehnt lauten soll, statt des e das Dehnungszeichen Han.

Daher:, ihr, ihnen, ihn, ihm.

Alle Vokale außer dem i erhalten,, aber nur vor dem l, m, n, r, dies möge übrigens zu derselben oder zur so Ix genden Sylbe gehören, zum Dehnungszeichen in der 91 ex gel das h. Auegenammen s) in den Worten, die aus

fremden Sprachen kommen, daher Ton (Schall), klar, Anton, Italien,der Südpol, Nordpol, Polen,

der Dom, Domherr re.; b) wenn zwei Worte vorx

Handen sind, welche vollkommen gleich lauten, aber eine verschiedene Bedeutung haben; so pflegt nur eines das Dehnungszeichen zu bekommen, das andere nicht. Z. E. wahr (gewiß), ich war; Ehre, er; Wehr und Waf, fen, wer? — Wenn noch ein drittes vorhanden ist,

in welchem etwa der Vokal auch nicht gedehnt wäre, so wird in dem einem der Vokal verdoppelt.

Z. E. her

(hteher), hehr (heilig), ein Heer (Armee), Herr, mehr, das Meer, die Endsylbe tuen Aal (Fisch), Ahl (Pfriem), All. Mahl (Zeichen), Mahl (Essen)

die Endsylbe Staar(der Vogel); Stahr (Blindheit), Der Gebrauch will, daß

starr *). Bär, Beere.

auch ohne diesen Grund der Vokal an Statt des Dehx nungszeichens in den Worten Saal, Seele, Quaal, Theer, queer, verdoppelt werde. Dahingegen pflegt

*) Der Unterschied von Staar und Stahr wird eben nicht beobachtet, sondern beide Rechtschreibungen werden oft verwechselt.

Kap. 2.

Gme Einrichtung der Briefe.

47

in de» Wirkern selig, glückselig, Sel igkeit, daS

Dehnungszeichen wegzufallen. Hiebei ist »och zu merke»: a) Zn der Regel wird

das Dehnungszeichen dem Vokal hinten angehängt. Wenn aber die Sylbe mit einem t ansängt, so wird das h dem t bcigegeben; als: Thal, Thaler, thun,

Thüre, Thor. Das i verändert aber durch das t sein Dehnungszeichen nicht. Zn dem Worte Thier wird

dem t zwar auch ein h «»gehängt; allein hier dient es

bloß dazu, die Aussprache des t zu verstärken, b) Z» den Sylben, in welchen schon ein h vorhanden ist, pflegt man daö Dehnungszeichen wegzulassen, oder wenn die

Unterscheidung eines andern ähnlich lautenden Wortes es erfordert, den Vokal lieber zu verdoppeln. Daher schreibt man: schon, Schale, schaal (abgeschmackt), Schall, scheel, Schule. Doch schreibt man auch Huhn, Hahn, Hohn, Schuh, c) Zn einigen

Worten wird auch vor andern Konsonanten zum Zci# chen der Dehnung der Vokal verdoppelt; als: Aas, Moos, Schaaf. Eben diese Verdoppelung findet auch am Endi in einigen deutschen (See) und in den aus dem Französischen herkvmmenden Wörtern, die auf ein

Helles e sich endigen, Statt; als: Allee, Armee, Kaffee re. Die Vokale o, u, 6, ö, ü, werden nie »er#

doppelt,

d) Diese Regeln betreffen bloß den Gebrauch

des h, als eines Dchnungszeichens, und gehen den h, als einen wirklichen Konsonanten, nichts an. Als fol# eher stehet er im Anfänge der Sylben; wobei denn be# sondere zu merke» ist, daß, wenn ein Zeitwort Im Znfi# niliv sich auf hen endigt, das h auch in allen Diegun# gen als ein Grundbuchstav beibehalten werden muß,

wen» gleich in den Biegungen das e wegfiele, z. E. Sehen, ich sah.

Eben so muß es auch in den Wor#

48

Einleitung.

teil, welche von solchem Zeitworte abstammen, beibehal/ tcti werden. Daher: Sehnerve von. sehen- die Blühte von blühen, die Naht von nahen, (e) Hex brigens können die Tonsylben das Scharfungs, und Dehnungszeichen erhalten; die übrigen Sylben werden mit einfachen. Konsonanten und Vokalen geschrieben. Daher stehen die Endsylben, sam, bar, mal, und die letzten-Sylben der auf en sich endenden Zeitwörter ganz bloß da. 6) Die Deutschen haben ein einfaches, ein dop/ peltes und ein geschärftes s. — Das einfache wird im Anfänge der Sylben s, am Ende derselben 6 ge, schrieben. Das st und ß sind nicht einerlei; jenes ist das doppelte, dieses das geschärfte S, oder vielmehr das weiche z. Es müssen also beide Buchstaben im Schreiben nicht verwechselt werden. Wenn man nur auf die Aussprache Acht giebr, so ist ihr Unterschied sehr vernehmlich. Wenn ich nämlich im Sprechen das s durch/ schneide und es sowohl am Ende der einen und beim An/ fange der folgenden Sylbe hören lasse, so ist es ff. Da/ her.Wasser, Messer, essen, weil ich spreche: Was/ ser, es,sen, Mes/ser. Wenn ich dagegen das harte s nur am Anfänge der folgenden Sylbe in der Aussprache höre, so ist es ß. Daher Größe, Blöße, Füße, weil ich spreche Grö-ße, Blö,ße,Fü,ße. Auch ist der Vokal vor dem ss scharf, hingegen vor dem ß gedehnt. Beim Theilen der Worte im Schreiben wird das dop/ pelte ss nur getheilt, daß ß hingegen nicht; das letztere bleibt vielmehr ganz zur folgenden Sylbe. Zch muß daher beim Abbrechen nicht schreiben; Grös/se, F ü s/ se, sondern Grö/ße, Fü/ß e: wohl aber Mes/ ser, es-sen. Eben so wenig darf ich, wenn hinter dem ss etwa, wie das in der Poesie und in der schnellen Aus/

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

49

Aussprache oft geschiehet, das e weggeworfen und z. E.

anstatt fasset, fass't, gesprochen wird,

das ss als,

dann in ß verwandeln, sondern das ss muß bleiben. Eö ist daher ein Fehler,

wenn man schreibt:

mich an, laßt mich gehn.

Doch scheint der Gebrauch

faßt

Vernunft zu despotisiren.

Wenn lm

Plural ein Nennwort das s verdoppelt,

so muß ln

hier über die

der Regel auch der Singular am Ende den doppelten

Buchstaben haben: nass.

ich muß also eigentlich schreiben

Indessen der unphilosophische Gebrauch will,

daß man sowol in jenem als in diesem Falle das ss in

ß verwandelt. 7) Das y wird mit zu den Vokalen gerechnet; es

ist aber kein ursprünglich deutscher eigentlichrr Buchstab,

sondern daher entstanden, mehreren,

o,

wie

am Ende einen Zug angehängt hat.

So

daß man dem t,

wie man nun nicht mehr schreibt Fraw für Frau; so fällt auch billig das y für i weg.

Indessen findet

es doch in den Wörtern Statt, die aus der griechischen Sprache herübergekommen sind und in der Ursprache

ein y haben; wo denn dieser Ton auch nicht wie i, so»,

dern wie ü ausgesprochen werden muß, als: Sylbe,

Styl, Hypothese, Physik, Physiognomie rc. Die Engländer, Hollander, Polen und andere haben

auch ein y; dieses muß daher in den Namen, welche in diesen Sprachen verkommen, um so viel mehr bei, behalten werden, da dieser Buchstab in einer jeden der,

selben einen ganz eigenen besondern Ton hat. Nachdem

man die Buchschreiber, und Letternschneider,Schnörkel aus dem Alphabet verbannt hat, hätte auch das y weg, gelassen werden sollen; man hat es aber in der guten Meinung beibehalten, um gleichklingende auf i oder ei lautende Wörter dadurch desto leichter zu unterscheiden;

50

Einleitung.

z. D. meinen (von mein), meyner, (glauben), sein (das Fürwort), seyn (das Zeitwort); Ey! das Ei. Allein diese Wörter sind in sich so unter­ schieden, daß sie im Zusammenhänge durchaus nie ver, wechselt werden können, daher ist das Unterscheidung^, zeichen überflüssig. 8) Die Deutschen haben das eigene, daß sie zu dem Anfänge der Wörter bald große, bald kleine Buch, staben nehmen. Dieser Gebrauch beruhet auf folgender Regel: die großen Buchstaben werden nur gebraucht a) zu den Anfangsbuchstaben eines ganzen Aufsatzes oder einer Periode; b) zu den eigenen Namen der Menschen, Städte und Länder; c) zu den Hauptnenn, Wörtern, welche man daran erkennt, daß sie einen ei, genthümlicheu Artikel haben (der oder die oder das); wogegen die beigesctzren Nennwörter (Adjektiva) fei, nen eigenen Artikel haben, sondern den Artikel an, nehmen, den das Hauptwort führet, welchem sie bei, gesellt sind; d) zu den Wörtern, welche als Nenuwör, ter gebraucht werden, wenn sie es gleich an sich nicht sind. Z. E. sterben ist eigentlich ein Zeitwort; wenn ich aber sage: das Sterben ist ein Gesetz der menschlichen Natur, so wird es als ein Nennwort gebraucht. Eben so, rathsam ist ein.Nebenwort, wenn ich aber sage: das Nathsamste hiebei ist re. so wird es als ein Hauptwort gebraucht und deshalb groß geschrieben, e) Auch pflegt man in den Gedich, ten, wenn jede Zeile den Vers schließet, den Anfang jegliches Verses mit großen Buchstaben zu schreiben. Die besten neuern Dichter enthalten sich aber dieses Gebrauchs. Damit man die verschiedene Schreibart, der In der richtigen Aussprache gleich oder doch ähnlich lau,

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

51

lenden Wirker desto leichter übersehen und sich merken möge, folgt hier ein Verzeichniß dervornehmsten derselben. Der Aal ist ein Fisch. Die Schuster bedienen sich der Ahle (eines Stechinstrumenks). Das Weltall zeigt von der Griße des Schöpfers. Die Noth war so groß, daß man das Aas von dem todten Viehe aß. An dem Dukaten fehlen drei As. Ein Apotheker ist kein Abdekker. Acht Fürsten sind in die Acht erklärt worden. Der Bernstein heißt auch Agtstein. Es läßt sich nicht ändern. Ein Schiff entern. Er ahnet nicht, daß man trotz seiner sechszehn Ah» nen seine Verrätherei ahnden wird. Der Vogelsteller 6 z t. Der Kupferstecher ätzt. Die arge Well ward ersäuft, Noah aber in seiner Arche erhalten. Die Esche hat ein zähes Holz. An einigen Orten nennt man die großen irdenen Tipfe Aesche. Daö baare Geld sichert Niemand vor der Bahre. Er geht barfuß, das ist sonderbar. Da ich ins Bad ging, bat ich ihn, mich zu begleiten. Die Bären fressen keine Beeren, und gebären lebendige Zungen. Trauben werden entbeert, Wein kann man entbehren. Die Hirten der Griechen verehrten den Pan als Ih, re» Schutzgott. Sie werden euch in den Bann thun. Die Dahn ist breit und eben. Der Baß ist die tiefste Stimme in der Musik. We» ohne Paß reiset, wird leicht verdächtig. Der Vogelsteller balzt; der Gerber und Färber beizt; der Hund beißt. Der Schnee ballt sich; es wird bald Thauwetter kommen.

52

Einleitung.

Zch bete zu Gott.

Meine Blumenbeete stehen in

schönem Flor. Wenn ich ihn darum bäte, so würde

er es thun. Der Zauberer bann t. Band. Die Hunde bellen.

Süß ist der Freundschaft treues

Auf de» Bällen wird getanzt.

Ich will mich mit deinem Gelde nicht bereichern. Der Bernstein ist zum Räuchern. Gott wird un«

Die Schafe muß man scheere».

unser tägliches Brod bescheren. Zch beschwöre dich bet Gott, beschwere mich nicht

mit unnützen Klagen. Durch Versuchung wird die Tugend bewährt. Auch unbewehrt fürchtet der Fromme sich nicht. Ich habe die Wahrheit bezeuget und bewiesen, und doch bezeigest du dich immer noch mißtrauisch. Der Biß eines tollen Hundes ist sehr gefährlich. Bleib bei uns bis Abend. Mancher Mensch von adlichem Geblüte hat sehr un, edle Sitten. Die Bäume stehen in voller Blühte. An Bord gehen, heißt in das Schiff steigen. Mit dem Bohrer bohrt man Löcher. Der Rand des

Grabens heißt der Bord. Der Bote ist in einem Boot vom Schiffe abgefah, ren, und ließ sich nicht aufhalten, ob ich ihm gleich

Geld bot. Die Hühner brüten.

Die Köche brüheten gestern

schon die Hühner.

Wir brieten (von braten)

unsre Fische in Butter. Das Buch liegt offen; lies darin.

Der Bug d. i.

das Gelenk. Hast du einen Bund beschworen, so halte ihn. bunt ist, ist nicht immer auch schön.

Was

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

Der Dachs verkriecht sich in der Erde.

53

Das Laub

vom Taxus bäum soll giftig seyn. Das weiß ich gewiß, daß das Wort Gottes Wahr/ heil lehrt. Die Länder der Dänen, von denen du gelesen hast,

dehnen sich nicht sehr wett aus. Man muß den Acker düngen. Die dümmsten Leute dünken sich oft am klügsten.

Ein Schiff dingen

d. i. miethen. Die Doggen sind große Hunde,

doch sind sie selten arg. Der Drechsler dreht auf der Dokke. Die Geigen geben einen Ton; die Töpfer arbeiten im Thon. Das Ende des Lebens ist der Tod. Wenn der Mensch

gestorben ist, dann lst er todt. Mich verdreust, daß du mir so dräust.

Mit Egge» werden die gepflügten Aekker geebnet.

Ein Würfel hat acht Ekken. Der Scheffel ist von Eichenholz und mein eigen,

auch ist er von der Polizei geaicht. Die Elster isi ein Fluß; die Ael ster aber ein Bogel, und mein ältester Bruder ist abwesend. Zm eng, st en Wege, waren wir am meisten in A engsten. Eva hieß Adame Frau. Epha ist ein jüdisches Maaß. Ich gebe ein Pferd, wer mit fährt, der muß mir bezahlen. Der Hund ist dem Hirsch auf das Ge, fährt gekommen. Wer Holz im eignen Walde fällt, und sein eignes

Feld bearbeitet, was fehlt dem noch? Die Feile schärft den stumpfen Pfeil. Für keinen

Preis ist mir dies Veilchen feil.. Sein Gesicht sich ganz fahl au«, als er am Schänd, pfähl stand. Hüte dich vor einem ähnlichen Fall.

Einleitung.

54

In Schwaben nennt man den Zuchtstier einen Farren.

Der Prediger wohnt im Pfarrhause. re «kraut ist zum Färben gut. Sie waren matt von Fasten,

Das Far«

darum faßten sie so

kraftlos an. Der Weber webt die Fäden in einander. Fange keine

Fehde (Streit) an.

Wer aus dein Lande gejagt

wird, muß die Urpfede abschwören. Veh ist eine Art Grauwerk. Feen sind fabelhafte

Wesen. Die Ferse ist der Hatte am Fuß. bestehet ein Lied.

Aus Versen

Eine Färse ist ein Kuhkalb.

Die Bestung Magdeburg ist sehr vest.

Ostern ist

ein christliches Fest. Wenn die Soldaten ein Stegesfest feiern, so pflegen sie dabei zu feuern. Zm flachen Lande giebt» keine Berge. Die Flag«

gen der Schiffe flaggen (flattern) in der Luft. Narren haben großen Dünkel. Der Dinkel oder

Spelz ist eine Feldfrucht. Er fiel vom Pferde und brach den Arm, ob er gleich viel Vorsicht beim Reiten angewandt hatte. Auf weichen Pfühlen schläft sich« sanft, besonders nach vielen Arbeiten. Wenn sie gleich glücklich fielen, werden sie es dennoch fühlen.

Um Pfingsten fingst du schon die Arbeit an, und bist noch nicht fertig? Zn unserm Flekken (Städtchen) ist nicht ein Fleck«

chen, wo ein Pflöckchen stekken kann, .ber nicht benutzt werde. Mit dem Pfluge wird der Acker gepflügt. Fluge werden Vögel geschossen.

fluchen.

Fluch ist kein Segen.

Zm

Rohe Menschen

Beim Pflügen

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

55

fliegen die Krähen herbei und suchen sich Wür­

mer, sie fliehe» aber vor dem Hunde. Ein Fließ ist ein kleiner Bach. Das gvldne Vlies

ist eine berühmte Legende aus dem Alterthum. Ich habe erforscht, daß in diesem Forste (Walde) Hirsche sind. Mach fort, und schließe die Pforte. Zch gebe dir drei Tage Frist.

Der Kerl frißt wie

ein Thier.

Für vier Thaler führ' ich ihn weg. Em Pfund Butter ist eben kein großer Fund. Das Bier gährt. Am reichsten ist der, der am we, nigsten begehrt. Die Sache ist verjährt, sagen die Rechtsgelehrten. Die Gans ist ganz mit Federn bedeckt. Das Fleisch ist ganz und gar nicht gahr.

Wir ha,

ben jetzt ein schönes Wein,Zahr.

Gebälk ist ein Theil des Gebäudes.

Gebälk ist das

Brüllen der Thiere.

Geh behutsam, der Berg ist jäh (steil). Gelt! ich habe das Geld gewonnen? Ein zänkischer Mensch

vergällt

die

Freuden

der

Geselligkeit.

Eine Gelte oder Wanne. Die gelehrten Herren haben alle Gläser geleert. Die Geflüchtete ist mit sicherm Geleite wieder gekom,

men.

Wir haben ein schönes Geläute.

Wir können wegen der Glätte des Eifeö nicht gehen. Silberglötte ist verkalchtes Bley. Die Wurzel» der Klette sind auch als Arzenei zu gebrauche«».

Die Kröten haben keine Gräten,

auch krähten

sie so wenig als Grete. Als ich zum Fenster hinaus guckte,

juckte mir die

Haut.

56

Einleitung.

Ein Landgut besitzen ist warlich recht gut. Die Tipfer machen Häfen, das Bier aber har Hefen. Wer als ein Held bekannt ist, mit dem hält es ei« jeder. Helft mir, die Hälfte soll euer seyn. Du sitzest nicht, sondern hängst auf dem Hengste. Wohl dem, der einen eigenen Herd hat und eine gute

Heerde Schafe dazu. Die Heiden sind keine Christen. — Die Lüneburger Haide ist voll Haidekraut. Komm heute zu mir und hole die Häute. Hole mir das Buch. Zch sag es dir unverhoh-

len. Das Rohr ist hohl. Der Huthmacher macht Hüthe. Hut und Wacht. Zch gehe ungern nach Ungarn. Wer gesund und hungrig ist, ißt mit Behagen. Die Jacht ist ein leichtes Schiff. Zu Lande geht man auf die Zagd. Am ersten Zänner wünscht man seinen Gönnern Glück. ES giebt auch gute Zudem ES ist heute kälter. Zch trete die Weinkelter.

Ich kann (von können). Der Kahn auf dem Wasser. Der Kaan auf verdorbenem Wein oder Essig. Zm G a r t e n k a r r t e n einige, andere spielten K a r t e n.

Die Garden (Leibwachen) hielten Ordnung. Auf dem Katheder lehrt der Professor; den Kathe­ ter braucht der Chirurgus. Der Küfer besorgt den Weinkeller; die Kiefer ist.eine

Art Nadelholz. An einer frisch gekleibten Wand bleibt leicht etwas

kleben. Ein Kamerad (Gefährte, AmtSgenvß).

Ein Kam-

Gute Einrichtung der Briefe.

57

merrath (königlicher Rath bei der Kammer).

Ein

Kap. 2.

Kammrad (in der Mühle). Die Knaben treiben den Kreisel. Das Haar krän sein. Laßt mich meine Last nicht allein tragen. Die Fische laichen; Leichen werden beerdigt. Die Leute hier haben ein schönes Geläute auf ih,

rem Kirchthurme. Der Leib des Menschen.

Ein Laib Brod.

Der Leim ist eine Art von Kütt; der Leimen (Lehm) aber eine Thonerde. Laß mich los, loses Mädchen;

ich habe schon mein

Loos gejvgen. Das Loth gehört in die Wageschale; das Lot (Blei, schnür) in die Hand des Baumeisters. Macht die Magd doch nicht närrisch. Ein hübsches Mägdchen ist kein Mädchen (eine kleine Made.) Wir schiffen auf dem Meere, und erzählen uns lustige

Mährchens. Ein junger Esel ist mehr werth, als eine abgelebte Märe (Stute).

Gestern gingen wir zweimal vom Grabmaale zum Gastmahle. Der Müller mahlt, der Maler aber malt. Man konnte den Mann nicht sehen. Nimm die Mandel Eier unter den Mantel. Der Marder thut den Tauben viel Marter an. Das Mark sitzt in den Knochen; auf dem Markte kauft man ein. Wir spielen um Marken;

ein Mark Silber wiegt

16 Loth. Die Kartoffeln werden mehlig, wen« man sie all« mählig kocht.

58

Einleitung.

Die Kohlenbrenner nennen ihre Oefen Mailer;

sie

stehen eine Meile von hier.

Zch meyne, meine Maien werden im Mai erst

auöschlagen. Die Meise ist ein Vogel; Maie ist türkischer Walzen.

Die Metze ist ein Getreidemaaß; eine Mätze aber ein Schimpfname.

Den Mist mißt man nicht mit Ellen. Meine Muhme trinkt gern braunschweiger Mumme. Eine Mumie ist ein balsamirrer ägyptischer Leich­ nam. Wer mit den Musen umgehen will, der muß Muße

haben. Bleib in der Nähe und nehe dein Tuch.

die Rath ist aufgetrennt. Alle Nachfolger Cäsars nahmen seinen Namen an. Er schreibt Note» ohne Noth. Er naht sich zu mir;

Die Nisse sind Eier des Ungeziefers; Nüsse wachsen auf den Bäumen.

Mein Oheim (Vater oder Mutterbruder) hat sich ei­

nen Ohm Wein kommen lassen. Der Schuster legt seinen Ohrt (Pfriem) an den rech­ ten Ort hin.

Aller Orten giebt es Orden. Ein hölzerner Pflock ist keine Schneeflocke.

Hie und da nennt man das Handtuch eine Qu äh le; darüber quäle ich mich nicht. Dein Rath taugt so viel, als das fünfte Rad am

Wagen. Es ist gefährlich mit dem Rechen (der Harke) sich

zu rächen. Wenn man nicht Recht hat, so thut man wohl, man regt und rächt sich nicht.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

59

ES geht die Rede, daß Schiffe auf der Rhede vor Anker liegen. Wer redlich haushalten will, der muß auch räkhlich

(sparsam) wirthschaften. Der Himmel laßt segnen, der Lehrer läßt die Schüler rechnen. Das Wasser im Rhein sieht nicht rein aus.

Ein

unbeackerter Strich Landes zwischen zween Feldern

heißt ein Rain. Habe Gedult, du wirst auch an den Reihen kommen. Der Reiß (eine Hülsenfrucht); das Reis (ein Schöß­ ling); die Reife. Renke mir de« Arm nicht aus. Was das für Ränke sind! Er hat starke Renten einzunehmen. Wir rennten alle nach dem Ziele. Ich habe keinen Rettig mehr vorräthig.

Der Beklagte stehet vor dem Gerichte und in einem Übeln Gerüchte.

Den Rock zieht man an. thler.

Der Rogge ist ein See-

Von dem Rocken (Wocken) wird Flachs ge,

spönnen. Der Roggen ist eine Feldfrucht. Ro­ gen haben die Fische. Zhr saht die grüne Saat, und wurdet des Sehens nicht satt. Der berüchtiate Kauf ist endlich berichtigt.

Sehet, wie man das Korn säet.

Zn Seen und

Flüssen säen wir nicht. Die Sache verhält sich nicht so, wie die Sage geht. Die Tischler sägen das Holz; der Priester spricht de» Seegen.

Mit Salbe bestreichen; mit dem Geschütz eine Salve geben.

Einleitung.

ou

Sammet Ist eine bekannte Art von Zeug; samt, b.t. -«gleich, mit; besaamt, mit Saamen bestreut.

Sie sang ein tändelnd Lied; er sank vor Schmerz zu Boden. Mütter saugen ihre Kinder.

D u r ch s e i g e n. Eine große Schaar.

Ansteckende Seuchen.

Die Pflugschar.

Abschar,

ren, abkratzen. Fahrt ihr

in den Schacht;

wollen Schach

wir

spielen.

Mit scheelen Augen sieht er Sie für mich den Apfel schälen.

Mein Vater schalt (von schelten).

Die Luft er,

schallt (von schallen). Das Schild. Er schilt. Sie schielt. Ein Schlächter ist nicht schlechter al« jeder Hand,

werkömann. Saufen und Schlemmen ist ungesund; daö Schlämr

men ist den Teichen dienlich. Die Degen sch ei de; Holzscheite.

Der Schlaf ist den Müden angenehm.

Der Dogen

ist schlaff. Liefert eine Schlacht und schlagt den Feind.

Schleuß die Thüre zu, und schleiß die Federn; ich werde die Schleuse öffnen. Die Pocken schwären (eitern); ich schwöre, ich will dich nicht mehr beschweren. Zn der Gegend der Schwemme der Pferde, wachsen

viele Schwämme. Schwenke die Fahne über ihn.

Deine Schwänke

sind mir zuwider. Schwört auf mein Schwert.

Beschwert euch

bei der Obrigkeit.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

Zch sehne mich nach dir.

61

Die Sennen (Spann­

adern) diene» zur Bewegung der Glieder.

Seide spinnt der Seidenwurm; mit Saiten werden

musikalische Instrumente bezogen. Seit acht Ta, gen seyd ihr nicht mehr auf meiner Seite. Gewöhnlich nennt man die Krieger Soldaten, feit/

ner nennt man sie Söldner. Sehe dich an den Tisch, und arbeite die Sähe aus. Er hat sich über den Sieg der Feinde siech und krank geärgert. Sie sprach: sieh her. Sink der Zeit, daß wir hier sind, sinnt er darauf, sein Gesinde besser zu behandeln. Die Sonne sinkt hinab, und die Nachtigall singt.

Sold nennt man den Dienstlohn. Zhr sollt eure Feinde lieben. Die Stadt hat Mauern. Eure Bitte findet nicht Statt. Ein wohleingerichteter Staat (ein wohl/ regiertes Land). Stete Kriege haben Länder und Städte verwüstet, daß man ihre Stätte (den Ort wo sie gestanden haben) nicht mehr siehet. Wische den Staub ab. Verbrecher bekommen den Staupbesen. Diese Vieh stille stehen nicht mehr auf der alten

Stelle. Diebe stehlen; Schmiede stählen (Härten) die Sensen. Seyd stets auf eurer Hut.

Wie steht's mit euch?

Gebratene Tauben sind keine Dauben; diese sind

an den Fässern. Er taucht gut unter im Wasser; weiter taugt er zu

nichts.

62

Einleitung.

Der Teich ist ein stehendes Wasser; Brodes) wird geknetet.

der Teig (des

Der Thau fällt des NachtS; das Tau ist ein dickes, langes Seil.

Kommt der Tod, nun so sind wir tobt.

Torf ist brennbare Erde, ein Dorf ist von Dauern bewohnt. Auf der Trift gehet das Vieh; er schießt wohl, aber

er trifft nicht. Oer Drost (Landhauptmann) gab mir wenig Trost. Sie vergingen sich hart gegen ihn. Die Alten ver,

jüngen sich nicht. Sein Herz verhärten.

Die Feinde verheerten

alles mit Feuee und Schwerdt. Verlache keinen alten Mann. Der Buchhändler nimmt

Bücher in Verlag. Pfui! schäme dich, du beträgst dich wie das Vieh.

Mein Vordermann (der vor mir ist).

Fordere

nicht zu viel. Zch werde etwas öffentlich vortrazen (zu überlegen geben). Laß die Stühle forttragen (wegtragen). Es ist wahr, ich war fein Kunde, aber ich bekam schlechte Waare, die ich nicht verwahren konnte.

Wag'« nicht, das Wachs zu nehmen. Wake nicht im Wasser; es Phöbus, Alctbiades rc., da es eigentlich heißen muß: Moslem, Wessir, Osman oderOschman, Zengitscheri, Hedrjera oder Hedschra, Phoi, dos, Alkibiades rr. Welcher Orthographie soll sich nun der Briefsteller bedienen? Da die alte Gestalt einmal allgemein bekannt und verständlich ist, so ist «S für den Briefsteller das Rathsamste, dieselbe auch bei, zubehalten. Diese alte Formen haben durch die Länge der Zeit und den Gebrauch gleichsam da« deutsche Bürgerrecht gewonnen, und sinb als die deutschen 5*

Einleitung.

68

Übersetzungen jener Namen anzuseheu.

Daher müssen

sie mit eben dem Rechte dabei geschützt werden, mit rotf,

chem man andere aus fremden Sprachen aufgenommene und verderbte Worte, z. E. Bischof, Laie, Fenster, Lattwerge, Abentheuer, •probst (episcopus,

laicus, fenestra, electuarium, avanture, praepositus), duldet, so lange wenigstens, bis sie durch eine richti, gere und dem Originale ähnlichere Aussprache aus der

gesitteten Welt verdrängt seyn werden.

Von den Unterscheidungszeichen. DieUnterscheidungszeicheu sind von zweier,

lei Art, nemlich TrennungS, und BedeutungS,

reichen. Der Trennungszeichen sind vier: Kommas,) Semikolon (;) Kolon (:) Punkt (.) wozu auch noch (—) und daS Absehen der Zeilen gerechnet wer, den kann. Sie stehen hier in ihrer Stuffenfolge nach

dem Grade der Stärke der Trennung. Das Komma ist das gelindeste; es wird gebraucht

um 1) eingeschobene, 2) aneinandergereihke und auf ein gemeinschaftliches Hauptwort bezogene, Z) durch näher bestimmende Beziehungöworte (welcher, worin, so daß,

weil,

damit u. d. gl.) zusammenhängende

Sätze oder Worte zu unterscheiden. Sie sich.

Ich,

Z.E. Schämen

der ich kaum erst hier ange,

komme» bin, kenne den Ort, den Sie schon so lange bewohnen, besser als Sie. Hier ist der Hauptsatz:

Ich kenne den Ort besser als

In demselben sind die Sähe:

ich bin erst hergekommen, und. Sie haben ihn schon la nge Sie.

bewohnt, in den Zusammenhang des Hauptsatzes

eingeschoben. — Reinlichkeit, Mäßigkeit, kir,

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

69

perliche Bewegung unb Ruh«/ beides in gt, hirigerAbwechselung, sind die Hauptmittel, die Gesundheit zu erhalten. Unreinlichkeit hingegen, Gefräßigkeit und Völlerei, Faul, heil und Püffelei, Liederlichkeit und heftige Leidenschaften zerstöhren die Gesundheit, verkürzen das Leben und ziehen Schmerzen und Reue nach sich. Im ersten Hauptsatze sind Reinlichkeit,Mäßigkeit, k. Bewegung, Ruhe, aneinandergereihete Worte, welche sich alle auf ein ge, meinschaftliches Zeitwort (sind) beziehen und zusam, menzenommen das Subjekt desselben ausmachen. Zm andern Hauptsätze sind sowol die ersten Nennwort«, als auch die letzten Zeitworte mit ihrem Zubehör an, einandergereihet; diese sind das gemeinschaftliche Pri, dicat von jenen. Vor dem (und) des letzten Worts in solcher Verbindung (man nennt sie Apposition) wird kein Komma gesetzt. — Sie haben sich mei, ner, ob ich Ihnen gleich ganz fremde war, dennoch mit so vtelerGäre angenommen,daß ich Sie wie meinen Wohlthäter lieben und wie meinen Vater ehren muß. Ich würde un, dankbar seyn, wenn ich es je vergessen sollt«. Das erste und zweite Komma unterscheidet den ringe, schobenen Satz; das dritte Komma schneidet den ni, her bestimmenden Satz, welcher durch das so deü vor, hergehende» und das daß des folgenden genau an dem, selben hängt, ab. Daö vierte Komma unterscheidet den zweiten erklärenden Satz vom ersten; beide hän, gen durch daö unbestimmte würde und das folgende wenn nicht unmittelbar zusammen. Das Semikolon (;) unterscheidet schon schärfer. Man könnte es das kleine Punktum nennen. Es hän,

70

Einleitung,

get kurze Sätze zusammen, welche zwar jeder für sich ihren vollen Sinn haben, aber doch in einem gewissen Sinne, indem sie sich einander erklären, Gegensätze ge, gen einander auömachen, u. dgl. gleichsam zu einander gehören. Besondere werden Sähe, welche an den vor, hergehenden durch die Deziehungeworre, so daß, gleich, wol u. dgl. hängen, durch das Kolon mit denselben verbunden. Z. E. Ich sehe, lieber Freund, wir haben uns tn einander geirret. Sie, erwar, teten von mir gelehrte Unterhaltung; ich, suchte bet Ihnen Belehrung. Sie, erwarte, ten einen geübten Kenner Ihrer Geschäfte; ich, wollte von Ihnen erst lernen. Ich halte es für das beste, wir trennen uns, da wir noch Freunde sind. Es ist Ihnen nicht zu ver­ denken, daß Sie die üble Laune des Herrn D. bitter empfinden und sich darüber bekla, gen; gleichwol weiß ich Ihnen dabei nichts besseres anzurathen, als die Geduld. Das Kolon (:) unterscheidet die Hauptsätze in einer zusammengesetzten Periode. Eine Periode nennt man einen in allen seine» Theilen und Zubehör vollen, detrn Hauptsatz. Hat ein solcher Hauptsatz nur ein Subjekt, ein Prädikat und rin Zeitwort, welches beide verbindet, so ist die Periode einfach. Wenn ich sage: ein Subjekt re. so will ich damit nicht sagen, daß es durchaus auch einzeln seyn müsse; sondern es können mehrere Subjekte nebeneinander stehen, so daß sie alle zusammen für eins gelten und ei» zusammengesetztes Subjekt rc. ausmachen. Z. E. Golt ist unsterblich, ©ott, Vorsehung und Unsterblichkeit (diese drei machen das Subjekt aus) sind (das Zeitwort, welches das nun folgende Prädikat mit dem Subjekte

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

71

verbindet) die wichtigstenGegenständedeSNach, denkens, die Seele der Religion, die Quel, len der Ruhe und Hoffnung für uns Men, scheu (ein aus dreien Stücken zusammengesetztes Prä, dikat). Wenn nun zwei oder mehrere solcher eins«, chen Perioden durch die Verbindungswirter da, so; weil, so; obgleich, dennoch; zwar, aber; wenn, so; u. dgl. verbunden werden, so machen diese zusam, men eine zusammengesetzte Periode aus. Sie bestehet au« zween Hauptgliedern, da« erste, welches sich auf da« erste Verbtndungswort (da, weil, obgleich, zwar, wenn) beziehet, das andere, welches auf das zweite (so, aber, dennoch) folgt. Jene« heißt der Vordersatz, dieses der Nachsatz. Dieser Vordersatz und Nachsatz werden durch (?) getrennt. Z. E. Wenn ich mit vielerMühe Ihre Rechnungen kaum in Ord, nung gebracht habe: so scheinen Sie sich gleich darauf eben so viel Mühe zu geben, sie wieder zu verwirren. Hier sind die beiden Sätze: ich habe Zhre Rechnungen mit vieler Mühe kaum in Ordnung gebracht; und: Sie geben sich alle Mühe, sie wieder zu verwirren, jeder für sich vollendet. Sie werden aber durch da« wenn und so, mit einander zu einer Periode verbunden. Der Vordersatz sowol als der Nachsatz, können aus mehreren für sich vollendeten Hauptsätzen bestehen, und diese werden dann durch (;) mit einander verbun, den. Z. E. Ist die Freundschaft, wie Sie mi.t Recht sagen, nur die Tochter der Tugend; befriediget sie allein das nach Liebe dürsten, de Herz vollkommen; können nur gjleich ge­ stimmte edle Seelen Freundschaft für einan, der empfinden; o, so ist Alcindor und Her,

72

Einleitung.

mione vor demAltar derLlebe gleich stark zu beklagen. Der Vordersatz und die einzelnen Glieder desselben sollten eigentlich mit wenn anfangen;

in,

dessen die deutsche Sprache erträgt die hier gemachte

Veränderung. Diese drei Unterscheidungszeichen sind zwar wirk, liche Trennungszeichen; sie zeigen aber zugleich an, daß

der Sinn noch nicht aus, sondern zur Ergänzung des Hauptsatzes noch etwas zu erwarten sey. Das Punkrum (.) ist das wahre Ruhezeichen. Es wird gesetzt, wenn der Satz ganz vollendet und

die Periode völlig geschlossen ist. — Mehrere zu einem Theile einer abgehandelten Sache gehörige Perioden, werden durch (—) und die Vollendung dieser Theile

durch Deschließung einer Zeile angedeutet. Zn Absicht aller dieser Zeichen ist zu merken, daß man sich so viel als möglich mit den schwächer« be,

hilft. Wenn daher die Sähe kurz sind, und zwischen denselben noch einiger naher Zusammenhang ist; so seht man statt des Punkts ein Semikolon und statt des Semikolons ein Komma.

Die zweite Arc der Unterscheidungszeichen, nemlich dieBedeutungszeichen, sind dasAusrufunge, (!)

Frage, (?) Verbindung«, (:) AuslassungS, (—) Anführungs, (:)und(,,) Einschiießungezeichen

(). Das Ausrufungszeichen stehet nach einem Ausrufe. Z. E. Freund! Freund! Man setzt es erst, wenn der ganze Ausruf vollendet ist, oder wo ein Punkt stehen müßte. Z. E. Freund! Freund! helfen Stemir! — O, wie wol ist mir indiesemThale des ländlichen Friedens! — Das Fragezeichen stehet nach einer direkten Frage: Kennen Sie mich nicht mehr? oder wollen Sie mich nicht mehr

Kop. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

73

kennen? aber nicht nach einer indirekten: ich möchte ihn wohl fragen, ob er mich noch kenne. — Das VerbindungSzeichen deutet an, daß ein Wort noch nicht ganz sey, und wird gesetzt am Ende einer Zeile, wo ein Wort abgebrochen wird, und wenn mehrere zusammengesetzte Worte neben einander stehen, welche mit einem gemeinschaftlichen Worte zusammen, gesetzt sind. Denn aledann wird dieses gemeinschaft, ltche Wort nur zu dem letzten gesetzt. Z. E. Das Au6, rufungs-Frage- und Anführungszeichen. Hier bedeutet das ( n g a n g e r aus seinem Zwecke beurtheilen. Die« ser geht aber dahin, daß ich entweder die Neigung dessen, an den ich schreibe, für mich zu gewinnen, oder sein Gemüth auf die Sache vorzubereiten suche. Und da,giebt theils die Beschaffenheit der Sache selbst, theils das Verhältniß des Korrespondenten eine schickliche Ma» kerie dazu. Schreibe ich an einen Fremden: so muß 3*

116

Einleitung.

ich mich ihm gleich anfangs bekannt machen. ein Vornehmer,

Ist er

so mutz ich mich entschuldige», oder

sonst etwas sagen;

woraus die achtungsvolle @e(iii


Einleitung.

120

schiebe, und die Aufschrift an seine Behörde. Hiernach

handein wir zuerst von der äußern Form und Gestalt der Briefe, dann von der Heutigen Mo, detitulatur, und endlich von demUmschiage und

den Aufschriften oder Addressen.

1. Von der äußern Form und Gestalt des Briefes. Wenn ein sehr genauer und vertrauter Freund oder Nachbar dann und wann in seiner

Hauskleidung ungepuht auf einen kleinen Abendbesuch, oder auf ei» Paar Worte unangemeldet und ohne Komplimente zu mir kömmt: so habe ich nichts dagegen

einzuwenden.

Er nimmt auch mich, wie er mich findet.

Wir plaudern das Nöthige durch, und sagen unö dann

ohne alle Umstände gute Nacht.

Eben so ist es ihm sehr wohl erlaubt auf dem ersten den besten Blättchen Papier mir ein Paar Worte zu sagen, und es mir beschnitten oder unbeschnitten zukommen zu lassen. Aber

für gewöhnlich und bet Zedermann ist es nicht erlaubt, sich so ohne alle Umstände zu neh, men. Vielmehr muß man dem Briefe die äußere Form und Gestalt geben, welche die Sitte als WohlanstLn, Ligkeit eingeführt hat.

Man nennt sie das Briefeti,

kett (Driefceremoniel).

Um die dazu gehörigen Regeln zu bestimmen, müs­ sen wir auf die Verschiedenheit der Briefarten Rücksicht nehmen. Man schreibt entweder ein Billet oder ein Memorial (pro memoria) oder einen Handbrtef an eine Privatperson, oder eine Ein, gäbe an eine öffentliche Person, an ein öffentliches Kollegium oder an den Landeeherrn.

Alle diese Briefarren haben das mit einander gemein, daß man sich bei denselben einer äußerlichen Rein,

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

121

lichkeit und Annehmlichkeit befleißiget. Zu allen wird reines, weißes, wohlbeschnirrenes Brief,

papier, eine gute saubere uud leserliche Schrift

und eine gute schwarze Dinte ersordert.

(a. Reinlichkeit.) So unanständig es seyn würde,

mit besudeltem

Gesichte und in einem unschicklichen schmutzigen Anzuge

vor Jemand zu erscheinen: eben so unanständig ist es auch, wenn man zu schriftlichen Aufwartungen, Be, suchen und Zusprachen ein beflecktes, besudeltes und gro,

bes Papier nimmt. — Ein falscher, besonders zu kur, zer Schnabelschnitt der Feder verursacht häufige Dintenflekke unter dem Schreiben. —

Eine bisse ©inte, die nicht recht fließen will, thut eben dasselbe, macht die Buchstaben unleserlich, und die ganze Schrift

ekelhaft und unansehnlich. — Auch gar zu glattes Pa,

pier macht, daß die Dinte ausfließt und fleckt.

Das

Aus streich en oder behutsame Auskratze» ganzer Worte ist eben so unanständig und widerlich, als wenn

man sich im Reden öfters verspricht. Hat man sich ein, mal verschrieben, so muß das AuSkrahen wenigstens

mit aller Behutsamkeit, und so geschehen, daß es nicht zu merken ist. Dieses ist aber nur möglich, wenn das Papier nicht gar zu dünne und die Schrift nicht so

stark ist, daß sie durchschlägt.

Ain besten geschiehet es

mit einem ordentliche» Radiermesser. Bedient man sich eines gewöhnlichen spitzigen Federmessers: so muß man sich mit der Spitze sehr in Acht nehmen, daß man nicht daö Papier damit durchkratze.

Man thut wohl,

wenn man das Lineal, wenn es nur rein ist, unter das Blatt legt, weil sonst die radirte Stelle im Papier bau, chig wird.

Um zu verhüten, daß die Dinte auf der r«,

122

Einleitung.

bitten stelle nicht auseinander fließe, reibt man die, selbe zuvor mit dem Abschabsel von dem Rükken der Fe­ der, oder mit Sandarachpulver, und führt die Feder

beim Schreiben sehr leise und mit weniger Dinte. — Solche und ähnliche Unanständigkeiten, insbeson­ dere ein unleserliches Geschmiere, und die Fehler gegen Rechtschreibung, Deutlichkeit des Zusammenhanges und den guten Styl find dadurch wahrlich nicht gut ge,

macht, daß man unter den Brief in Eil, oder in größ­

ter Eil hinschreibt. Diese Unterschrift ist gar zu oft zum erlogenen Deckmantel der NachlLßigkeit und Un­ geschicktheit gemißbrauchet worden, als daß sie noch als

eine gegründete Entschuldigung gelten könnte. Gewöhn­ lich ist sie ein unverschämtes Bekenntniß, daß man die

Unanständigkeit, welche man durch die schlechte Einrichr tuug des Briefes begangen hat, fühle , aber nicht Lust

gehabt habe, sie zu vermeiden. Wenn Männer von Geschäften und Leute, deren gute Handschrift und Beobachtung der Schicklichkeit bekannt .sind,

dem Briefempfänger diese Entschuldigung vorbringen, so

har sie einen Sinn, der sich hören läßt.

Sagen das

aber Leute, die wenig zu thun haben, so ist sie belei­

Recht lächerlich ist es aber, wenn gewisse Leute unter alle ihre Briefe das in Eil hinschreiben. Hat

digend.

man wirklich, weil das Geschäft dringend ist, und kei­ nen Aufschub leidet, oder weil man von der Gelegen­ heit, welche den Brief überbringen soll, gedränget wikd, nicht die erforderliche Zeit, den Brief mit Uebertegung,

Beionnenheit und gehörigem äußerlichen und innerlt, chen Wohlstände zu schreiben; so läßt sich das im Briefe selbst auf eine gute Art besser sagen, als

durch den abgedroschenen Anhang.

Z. E. Ueber se­

hen Tie mir gütigst den Mangel der Ord>

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

123

nung, die unbescheidene Kürze, (oder wie der Fehler sonst heißen mag, den man begangen hak) we,

gen der Eilfertigkeit, mit welcher ich beim Andrang vieler Geschäfte, habe schreiben müssen. Oder: Zch habe bet meinen Geschäft ten, (bet der Kürze der Zeit, bet der Eilfer»

tigkeit de« Boten)

auf diesen Brief nicht

den Fleiß wenden können, den ich wünschte, oder den ich Ihnen aus Achtung schuldig bin

u. s. w. Zn Briefen an Personen, denen wir Ehrer, bietigkeit schuldig sind, lassen sich die aus Nach,

lässigkeit begangenen Fehler mit Nicht« entschuldigen. Ze mehr Genauigkeit und Fleiß Zemand in seiner Zugend auf seine Briefe verwen,

bet, desto leichter wird e« ihm in der Folge,

immer gut zu schreiben.

Gewöhnt man sich aber

anfang« zur Nachlässigkeit, so entstehet daraus die un< selige Fertigkeit, nie ander« als schlecht schreiben zu können.

Eine Warnung für junge Leute!

(Postskript.) Man hat die Gewohnheit, dasjenige, was man im Briefe vergessen hat, hinter der Unterschrift noch an, zuhängen. Dies nennt man ein Postskript oder eine Nachschrift, und pflegt es auch mit den Buch, staben p. s. oder N. S. zu bezeichnen.

Solche Postskripte sind aber wider den Wohlstand, vornemlich, wenn der Brief an Respektspersonen ge, richtet ist. Es ist eben so ungesittet, als wenn man bet einem vornehmen Mann gewesen ist, und, nachdem man mit demselben alles besprochen und förmlich 2(6; schied genommen hat, wieder zur Thür hineinspringt

124

Einleitung.

und sagt: ich habe noch etwas vergessen. ist dies noch verzeihlicher als jenes.

Und wirklich

Wird man inne,

daß man im Briese etwas vergessen hat, so darf man sich nicht enthalten, denselben zu vernichten und einen andern zu schreiben, in welchem das Vergessene gehö­ rigen Orts eingeschaltet worden. Um nun nicht solche doppelte Arbeit zu haben, muß man sich derDeson,

nenheit befleißigen, und ehe man sich zum Schreiben hinseht, alles überdenken, auch allenfalls auf einem Blättchen vorher bemer, ken, was man zu schreiben hat.

(Kopisten.) Es ist Niemand verwehrt, sich seine Briefe von andern schreiben zu lassen. Doch würde es nur unter folgenden Bedingungen schicklich seyn: wenn man

nemlich selbst gar nicht, oder doch zu der Zeit nicht z. E. Krankheitswegen re. schreiben kann, oder schlecht und unleserlich schreibt; wenn man dafür bekannt ist, daß man viele Geschäfte, und also einen Handschreiber nöthig hat; und wenn man sonst seinem Range nach der Mann ist, der sich einen Sekretär halten kann.

Indessen würde man sich dieser Freiheit i» solchen Fallen doch nur gegen seines Gleichen und ge­ gen Niedere, niemals aber gegen Respektspersonen, am allerwenigsten gegen die vom höchsten Range bedie,

nen dürfen. Es wäre denn, daß sie meine Hand nicht kenneten, und ich die Hülfe des Kopisten dadurch ver­ bärge, daß ich auch meinen Namen von demselben un­ terschreiben ließe. Denn zweierlei Hände in einem

Briefe an hohe Personen zu gebrauchen, ist durchaus unanständig. Kennt der Empfänger meine Hand, und ich brauche fremde Hülse, wegen meinerUngeschicklich,

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

125

feit/ einen Brief ordentlich zu setzen: so kann Ich mir

ja einen Brief aufsetzen lasse» und Ihn abschreiben.

Zm Preußischen muß man sich, wenn man Ein, gaben an die Landeskollegia oder den König einreichen

will, und man nicht selbst alle dazu erforderliche Kennt­

niß und Geschicklichkeit hat, dazu der Feder eines Rechts, gelehrten, der im 2(mte steht, oder eines andern an,

gesehenen öffentlichen Mannes bedienen, welcher dann

nach dem Namen seines Kommittenten seinen eigene» Namen hinzuzusetzen verbunden ist, also:

per Zo h. Friede. Pflugbeil, König!. Znstizkommissarius zu Neustadt.

Zn Briefen von Wichtigkeit ist die eigene Un,

terschrift durchaus erforderlich.

Darum pflegen alle

diejenigen, welche Schreiber halten, allemal unter je,

dem Briefe sich selbst zu unterschreiben.

Hiermit

geben sie zu erkenne», daß sie den ganzen Brief so an,

gesehen wissen wollen, als wenn sie ihn mit eigener

Hand ausgefertigel hatte». Zu Briefen an nahe Verwandte, und besonders

in Familienangelegenheiten auch an gute Freunde, in

Briefen, die bloß eine

freundschaftliche Unterredung

enthalten, bedienet man sich nie einer fremden Hand.

Nur Krankheiten oder Unmöglichkeiten können zur Ent, schuldigung dienen, wenn man es thut. Und in diesem Fall kann man entweder sich am Schlüsse eigenhän,

big kurz entschuldigen,

daß man sich einer fremden

Hand bedienet habe, mit Anzeige der Ursachen, durch welche man dazu gedrungen worden ist; — oder man läßt den Brief gerade In desjenigen Namen schrei,

den, dem man es aufgetragen hat, und welcher

126

Einleitung,

nickt ermangeln darf, von den Ursachen dieses Auftra­ ges dem Korrespondenten Rechenschaft zu geben. ES versteht sich aber von selbst, daß man dazu keine schlechte und verächtliche Person, etwa einen Dome­ stiken, u. d. gl. wählen muß. Nur den Ehegatten, ein Kind, einen Freund, oder sonst ein annehmliches Subjekt kann man dazu gebrauchen. Was atiberc mit meinem Willen in meinem Na, men geschrieben haben, und besonders was durch meine eigene Unterschnft bekräftigt worden ist, wird mir selbst zugerechnet. Daher mnß man jeden von andern ge, schriebenen Brief selbst vorher überlesen, ehe man ihn unterschreibt und fortschickt; und sich zu seinem Kopisten, einen verständigen und geschickten Briefsteller wählen. Es ist lächerlich, wenn der Konzipient bald in sei, nem Namen, bald im Namen seines Kommittenten in einem und eben demselben Briefe redet; und noch lä, cherlicher, wenn er demselben bei dessen Namensunter, schrift Komplimente macht. So hat mancher Hochzeit, und Gevatterbriefschreiber die Mode, seinen Kommit, teilten mit dem Ehrenworte Herr zu unterschreiben. Z. E. Solche sonderbare Liebe und Gewogen, heit nach Vermögen hinwiederum zuverschul, den, verbleibe ich Ewr. Hochedelgeborn Meines hochgeehrten Herrn Gevatters dienstergebenster Herr Michael Fabian vornehmer Bürger und Kürschner hieselbst.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

127

Gar zu viel Putz ist briesstellerischer Uebelstand. Der vergoldete oder gefärbte Schnitt des Pa, pjerS möchte also wol anstößig seyn, wenn man sich desselben in Briefen an die höchsten Standespersonen bedienen wollte.

(b. Papierformat.) Das Format des Papiers richtet sich nach den verschiedenen Driefarten.

( Billets.) Billets schreibt man auf Briefpapier in Quarto; und wenn man auch keine völlige Seite voll schreibet, so muß doch ein halber Bogen dazu ge, nommen werden.— Da sie eigentlich nur zu kleinen Bestellungen dienen, und nur Anfragen oder Anzei, gen, welche man durch einen Boten mündlich thun lassen könnte, oder Antworten auf geschehene mündliche Anfragen enthalten: so braucht man in denselben die Modetjtulaturen nicht. Man fängt sogleich mit dem Vortrage der Sache an, und unterschreibet ohne Umstände seinen Namen. Zum Ueberfluß setzt man statt der Titulatur y. y. oder s. t. *) oben zur linken Seite; oder füllt den Raum der Tlwlarur mit 2. aus.

*) Daö ist so viel als praeyoskis yraeyonendis oder salvo titulo. Wodurch man zu erkennen geben will, daß man die erforderliche Titulatur in Gedan­ ken habe, und daß die Auslassung derselben nicht so angesehen werden solle, als ob man sie dem Korre­ spondenten streitig mache. — Man siehet indessen leicht, daß solcher Vorbehalt überflüßig ist.

Einleitung.

128

Man kann im Billet die Rede entweder geradezu an den Korrespondenten richten, oder indirekte mit demselben sprechen.

angeschlossen

Z. E. Sie erhalten hi «neben

die Obligation

re. oder

indi,

rekte:

Ew. Hochedelgeboren belieben die hierbei befindliche Obligation

gefälligst in Empfang zu nehmen rc. oder: Ew. Wohlgeboren übersende ich die anliegende Obligation, wovon ic.

Wenn man den Briefbogen dergestallt vor sich liegen hat, daß sich die offnen Blätter desselben rechter Hand befinden, so pflegt man oben und zur linken Hand, einen Daumen breit leeren Raum zu lassen, und nur da« Ucbrige von oben herunter, bi« abermals

zu einer Daumbreite von unten zu beschreiben, und dann die andre Vlatkseite in gleicher Art zu benutzen. An Personen, welche mit uns nicht an einem Orte oder doch sehr entfernt wohnen, daß man sie mir ex,

pressen Boten nicht füglich abreichen kann — und an Personen, welche dem Range nach weit über uns er, haben sind, Billers zu senden, wäre unanständig. Bei solchen muß ich mein Gewerbe entweder mündlich an, zubringen suchen, oder mich der Form eines ordentll,

chen Briefes bedienen. Auf Billets wird

gewöhnlich wieder in Billets

geantwortet. Ein für allemal ist aber zu

erinnern, baß es höchst unschicklich sey, die Antwort unter chae Bil, lot oder den Brief zu schreiben, und so wieder zurück,

zuschicken.

(Memo,

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

129

(Memorial. *) Von den Billets sind die Memoriale oder Pro, memoria'6 nur in sofern unterschieden,

daß letztere

eine weitläuftige und umständliche Darlegung

eines Vorfalls, jene aber nur eine einzelne kleine

Anzeige in wenigen Worten enthalten. Zn Absicht der Titulatur gilt die nemliche Regel, daß an Statt derselben p. m. oder pro memoria, oder

gar nichts überschrieben wird.

Die Form des Papiers

richtet sich nach der Weitläufigkeit Heö Inhalts:

Da

man entweder einen ganzen Bogen (in Folio), oder einen halben Dogen (in Quarto) anleget.

Unsere Memoriale enthalten entweder eine Deschrel, bung der Zufälle einer Krankheit, nach welcher der ab,

wesende Arzt seine Beurtheilung und Rath abzufaffen hat—oder eine Darlegung eines streitigen Falles, zur Instruktion für einen Advokaten — oder sonst eine an, dere ähnliche Art von Unterricht und Nachricht über

diese oder jene Sache, welche der Empfänger derselben

wissen will oder bestellen soll. Wenn schriftliche

dem Promemoria nicht eine anderweitige

oder

mündliche Einleitung vorangegangen

ist, so muß dasselbe mit einem förmlichen Briefe 6c, *) Memorial und Promemoria heißt hier nicht das, was sie im öffentlichen Geschäft- und Kanzleistyl zu heißen pflegen. Nach demselben pflegt man die Vor­ stellungen, welche bei dem Landesherrn unmittelbar eingereichet werden, Memoriale, und die Eingaben fremder Gesandten oder Residenten im Namen ihrer Höfe bei dem Departement der auswärtigen Affären Promemoria zu nennen. Solche öffentliche StaatSschriften liegen ganz außer dem Bezirke dieses Brief­ stellers.

Einleitung.

130

gleitet, und das Promemoria dem Briefe als Beilage

Ist da« Promemoria selbst nicht

beigefiigct werden.

gar zu lang, so kann man c< in Form eines Briefes etnkleiden. Zu dem Memoriale bedarf eü eben keines feinen

Das Kursiv ist dazu gut genug. Uebrigens ist in denselben, so wie in den VilletS, aller studierte Schmuck zur Unzeit angebracht.

Papiers.

Höflichkeit ist die Hauptzierde des DilletS,

und

Deutlichkeit die des Promemoria.

(Handbriefe.) Zu den Handbriefen ist das Quartoformat

am üblichsten. Gesetzt auch, daß zwei Blätter nicht auSreichren, so lege man lieber noch so viel an, als nöthig ist. Seit einiger Zeit hat man angefangen, sich in dem

Briefwechsel mit guten Freunden desOktavforinatS zu bedienen. Es würde unanständig seyn, in Briefen an fremde Personen sich dieses Formats zu erlauben.

Und wenn man mehr zu schreiben hat als zwei Oktav, blätter fassen können, so sehe ich nicht ein, warum man nicht lieber gleich einen Briefbogen in Quarto nehmen wollte. Man hat eine gewisse Sorte eigentlich sogenanntes

Briefpapier von kleinem Folioformat, wel, ches eben die zu einem Handbriefe erforderliche Größe und auch das angenehmste Verhältniß der Länge der Seiten gegen einander hat.

Desselben kann man sich an Per­

sonen allerlei Standes bedienen.

Gewöhnlicher aber

nimmt man da» sogenannte holländische Postpa­ pier in Quarto, an vornehme Personen; oder das ge­ wöhnliche cinländische feine Briefpapier in Quarto.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

131

In den Handbriefen.wird gewihnlicherweise die Modetirulakur gebraucht, welche in zwei Rei,

hen oben zwei Finger breit unter den Rand hiiigeskht wird.

Drei Finger breit darunter

hebt der Brief an.

Bei Schreiben an vornehme Personen, müssen die ersten Zeilen eines Briefes erst unter dem Bruche des Briefbogens anfangen, damit sie beim Entfalten desselben durch den Papierkniff nicht

undeutlich werden.

Es wird allemal zur Seite linker

Hand, und unten ein drei Finger breiter leerer Rand gelassen. Die Titulatur am Schluffe ste, het in der Mitte unter der letzten Zeile des Briefes,

die Unterschrift aber ganz unten rechts.

Die An,

zeige des Datums seht man entweder in einer Reihe oben über den Anfang des Briefes dicht unter den Rand rechter Hand, oder gewöhnlicher, der Unter, fchrift gegenüber linker Hand in zweien Reihen. Die Hochzeit, und Gevatterbriefe gehören mit zu den Handbriefen. Gedruckt pflegen sie in Fo, lioformat zu erscheinen. Leute von Geschmack aber pflegen sich solcher gedruckten Formulare, wegen ihrer

oft sonderbaren Einrichtung, nicht gern zu bedienen. Sie schreiben also Ihre Einladungöbriefe selbst, und

nehmen dazu das gewöhnliche Drieffvrmak.

(Eingaben.) Die Eingaben an obrigkeitliche Personen, Herr, schäften, Kollegien und den Landeefürsten erfordern das gewöhnliche feine Briefpapier in Foliofsrmat,

wofern nicht der Inhalt von der Art ist, daß gestern,

peltes Papier dazu genommen werden muß.

Das hol,

ländische Postpapier ist zum Folioformat zu groß und

deshalb zu den Eingaben nicht üblich.

132

Einleitung. Man seht die Titulatur oben und unten so, wie

in den Handbriefcn. Der Bogen wird gebrochen, und

fast die Hälfte linker Hand leer gelassen, damit der Empfänger die Resolution gleich neben hin schreiben,

und darnach die Ausfertigung derselben veranlassen könne.

2. Von der Titulatur. DieTitulatur richtet sich nach dem Range und Stande des Empfängers. Es hat nemlich bei den Deutschen jede Stufe des Ranges und Standes ihren besondern Titel, sowol in der Ueberschrift, als im Kontext und in der Unterschrift. Der Titel ist dreifach 1) der Titel des Ran, geS; der einer Person ihrer Geburt oder ihres Stan­ des wegen zukommt. Wie es nun fürstliche, adlige und

bürgerliche Stände giebt: so giebt es auch für jeden

Stand besondere Titulaturen.

Außerdem giebt cö auch

in jedem Stande wieder ejne höhere und eine niedere

Stufe; und auch diese wird in der Titulatur bemerkt. Der höhere fürstliche Stand (dahin gehören die Kaiser, Könige und Eroßherzoge) bekommt den Titel

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster; der niedere fürstliche Stand, zu welchem die Herzoge, Land, grafen und Markgrafen, Fürsten, imgleiche» die Prinzen

vom königlichen und fürstlichen Geblüte gehören, er, hält das Prädikat: Durchlauchtigster. .Die regie, renden Grafen in regierenden Häusern, imgleicl)en die neu-erhobenen deutsche» Fürsten, die nicht Sitz und Stimme im Reichsfürstenrathe erhalten haben, und alle Titulaturfürsten außerhalb Deutschland, machen

eine unterste Stufe davon aus und bekommen den Ti, tel Erlauchter. — Der höhere Adel begreift die Ti-

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

tu lar-Reichsgrafen, Grafen und Reichsbarone;

133 diese

heißen Hochgeborne. Zum niedern Adel werden alle übrige Freiherrn und Edelleute, an welche die Patrizier in den freien Reichsstädten sich mit Recht anschließen, gerechnet; und sie erhalten den Titel: Hochwohlge-

borner. — Diese Titulaturen kommen den Personen dieses Ranges zu,' sie mögen ihn durch die Geburt oder durch Patent erlangt haben. — unterscheidet Stand.

sich

Der Bürgerstand

ebenfalls als höherer und niederer

Zu jenem gehören alle diejenigen Personen

bürgerlichen Standes, welche sich durch Ehrenämter, Gelehrsamkeit, Besitzungen, Handelschaft, Kunst und

große Gewerbe auszeichnen und auf das Wohl der Gesellschaft einen ausgebreiteten Einfluß haben; sie bekom­

men das Prädikat Wohlgeöorner für sich und ihre

Kinder.

Dieser Titel wird in Hochwohlgeborner

verwandelt,

wenn sie in ein Verhältniß

gegen den

Staat getreten sind, in welchem der Regel nach nur-

adlige Personen stehen können, d. t. wenn sie entwe­

der adliche Aemter verwalten, wohin die obrigkeitlichen Aemter überhaupt und besonders die höheren Offizier­ stellen bei der Armee und die Vorsteherämter in ange­

sehenen Civilkollegien, Magistraturen u. dgl. gehören, oder den Titel eines königlichen oder fürstlichen Raths er­

langt haben, oder Besitzer adliger Güter geworden sind.

Der niedere Bürger-stand begreift die gemeinen Hand­

werker in den Städten uni) die Landleute.

Diejenigen

unter denselben, welche sich durch Betriebsamkeit, Ver­ stand und gute Sitten oder sonst vor andern hervor­

thun, bekommen den Titel Hochedelgeboren;

wer

sich aber ganz unter den Pöbel verliert, der hat kei­

nen Rang hu Staate, rührenden Titel. —

und also auch keinen daher­

Wenn ein Bürgerlicher zu den

134

Einleitung.

höchsten Ehrenstellen im Civil, oder Soldatenstande ge, lauget, und Präsident oder Staateminister, Obristeö oder General geworden ist, so wird er ale wirklich ge,

adelt angesehen und erhält das Prädikat des adeltchen Hochwohlgeborner. Die Räthe der höchsten Landeskollegien, die geheimen Oberfinanz, und

Standes,

Oberregierungsräthe, die geheimen Oberjustizräthe, die Oberkonsistorialräthe, die geheimen Cabinetöräthe machen

auf dieses Prädikat ebenfalls um dieser Charge willen

gerechten Anspruch. Der geistliche Stand hat seine eigne Ti, tulatur und zwar in einer vierfachen Stufenfolge. Die Erzbischöfe, Bischöfe, gefürsteten Aebte und Pröbste

der unmittelbaren Reichesttster, imgleichen die Hoch, und Deutschmeister des Malcheftrordens und die Heer, meister heö Zohanniterordenö, machen den höchsten geist, ltchssu Stand aus und erhalten das Prädikat Hoch,

würdigster.

Prinzen erhalten diesen Titel auch,

wenn sie auch nur Pröbste mittelbarer Stifter sind. Die Pröbste und Aebte der mittelbaren Stifter, die Domherrn und Ritter der geistlichen Orden, die Bi, sihöfe und die geistlichen Räthe der Konsistorien, welche

die Stelle der Bischöfe vertreten, imgleichen die Dok, tote» der Theologie, Generalsuperintendenten und Ober, hosprediger, haben den zweiten Rang, und heißen Hoch,

würdige.

An diese schließen sich die subalternen

Vorsteher der Geistlichkeit, die Erzpriester, Inspektoren, Hosprediger und Oberpfarrer, imgleichen die Prioren der Klöster und Professoren der Theologie als die dritte

Klasse an, und werden Hochehrwürdiger titulirt.

Die dritte Klasse begreift die übrigen Stadt, und Land,

Prediger, und Priester, welche den Titel Hychwohl, ehrwürdiger bekommen. Indessen scheint diese Ti,

Gute Einrichtung der Briefe.

Kap. 2.

135

tulatur aus der Mode zu kommen, und das Prädikat

Hochehrwürdiger

allen

Geistlichen

dieser Klasse

auch gegeben zu werden. — Das übertriebene Ansehen, in welchem die Geistlichkeit bei den Römischkatholischen stehet, macht, daß man anch die Titulatur bei ihnen

übertreibt

und jeden Mönch

und Weltpriester einen

Hochwürdigen Herrn nennt. —

adligen Personen

wird der

Bei fürstlichen und

vorhin angeführte Titel

des Ranges, der ihnen ihrer Geburt wegen zukommt,

zu der geistlichen Titulatur hinzugesetzt, und zwar so,

daß in der Regel der geistliche Titel voran stehet. Bei bürgerlichen Geistlichen findet der Titel des Ranges nicht Statt. 2) Der Titel der Gelehrsamkeit; welchen studirte Personen erhalten.

Er heißt Hochgelahrr.

Man pflegt ihn aber in Privatbriefen eben nicht mehr zu gebrauchen.

Da aber doch auch manchen daran ge,

ist, an diesen Vorzug erinnert zu werden, so

legen

kann man ihn leicht mit hinsetzen, wirklich zum Etikett gehört.

besonders da er

Zn Anschreiben an Kol,

legten, welche aus studierten und unstudierten Mitglie,

dern bestehen, darf man ihn um jener willen nicht weg, lassen. 3) Der Titel des Verhältnisses in welchem man mit dem Korrespondenten stehet, oder doch seinem

Stande nach stehen könnte.

Da heißen denn 1) Kaiser

und Könige allergnädigster, 2) andere Fürsten und

Prinzen und der ganze hohe Adel, gnädigster, 3) die übrigen von Adel in Briefen von Personen nie,

deren Standes, die ihre Untergebene sind oder seyn können, gnädiger, 4) diese so wol von ihres gleichen

und von jedem andern der ihnen nicht schmeicheln will oder sich nicht vor ihnen zu beugen braucht, als auch

136 alle

Einleitung. bürgerliche Personen Hochgeehrtester,

was weniger sagen will, Hochgeehrter.

oder

Zu diesen

Prädikaten wird das Wort Herr und, wenn sie ein

Amt bekleiden, auch der Titel des Amtes hinzugesetzr. Untergebene drücken auch dieses ihr Verhältniß wol durch das Prädikat Hochgebietend aus. Dies fin, bet aber nur in Briefen an Personen Statt, welche wirklich viel zu befehlen haben, z. E. Dtaarsminister und Präsidenten der Landeskollegien,

Generale und

Kommandeurs der Regimenter, Gouverneurs und Kommandanten in den Hauptstädten uiib Festungen, und von Personen, welche ihnen wirklich untergeben

sind und tief unter ihnen stehen.

Zn dieses letztere

Verhältniß tritt man auch alsdann, ihnen etwas zu suchen hat,

wenn man bei das von der Gewalt ab/

hangt, welche sie durch ihren Posten in den Händen haben. Man pflegt alsdann den Titel dieses Amtes

diesem Prädikat beizufügen, und g n L d t g er H e r r weg, zulassen, oder es auch in einer dritten Reihe folgen zu

lassen. Die Titulatur ist ebenfalls dreifach in Rücksicht auf die Stelle,

die sie im Briefe einnimmt.

Da ist sie

die Titulatur der ersten Anrede, die Titulatur des Kontextes (d. h. im Schreiben oder Vortrage selbst) und die Titulatur der Unterschrift. tiiUttu* Prädikate,

1) Die Ti,

der Anrede enthält die vorbeschriebenen

so wie sie dem Korrespondenten

seinem

Range und Verhältnisse nach zukommen. Man schreibt sie gewöhnlich in zween Zeilen, und zwar so, daß die des Ranges in der ersten, die des Verhältnisses in der zweiten Zeile stehet.

2) Die Titulatur dhs Kon,

textes. Es wird nemlich der Korrespondent im Briefe nicht, wie im gemeinen Leben,

nut Sie angeredet,

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

137

sondern eS ist eine eigene Titulatur üblich, welche aus dem

barbarischen

herstammt, und,

Zeitalter

der

lateinischen Sprache

ob sie zwar dem guten Geschmakke

durchaus zuwider ist, dennoch gemerkt und so lange ge, braucht werden muß,

bis das besser gebildete Publi,

kum solcher Albernheiten überdrüßig seyn wird.

Sie

richtet sich nach dem Range des Korrespondenten, und wird unten

werden.

bei den einzelnen Titulaturen angeführt

3) Die Titulatur der Unterschrift bet

stehet a) aus der Anrede des Kontextes.

Sonst setzte

man auch die Titulatur der ersten Anrede hinzu; allein diese Gewohnheit ist veraltet

und findet nicht mehr

Statt,

b) aus dem Prädikate, welches man sich selbst

beilegt.

Dies Prädikat richtet sich nach dem Verhält­

nisse, in welchem man mit dem Korrespondenten stehet

und drükket dieses Verhältniß aus. ist:

Die Stufenfolge

allerunterthanigst-gehorsamster,

unter,

thänigster, unterthäniger, gehorsamster, ge,

horsamer, ergebener, dienstwilliger. Das erste

Prädikat giebt man sich in Briefen an Kaiser und Kö, nige, das zweite gegen andere fürstliche Personen, das dritte gegen den Adel und zwar, wenn man in solcher

äußerlichen Lage stehet,

abhängt,

daß man von ihren Befehlen

oder doch abhängen und ihnen unterthänig

seyn könnte, sonst wkd das vierte Prädikat gebraucht; dieses findet in Briefen an jeden angesehenen und vor­ nehmen Mann Statt. was weniger,

Das Prädikat ergeben ist et,

als gehorsam.

Briefen an Personen Bürger gebraucht.

aus

der

Dienstwillig wird in

geringern Klasse der

Man pflegt auch wol zu den bei­

den ersten Prädikaten Knecht, genden Diener hinzuzusetzen.

aber auch füglich wegbleiben.

und zu den drei fol, Diese Worte können

138

Einleitung.

Sämmtliche Titulaturen stehen folgendergestalt:

Titulatur des Kaisers. Allerdurchlauchtigster, Unüberwindlichster Kaiser,

Allergnädigster Kaiser und Herrl Im Kontext: Ew. Kaiserliche Majestät; (oder zur

Abwechselung: Alfer hichstdleselben).

Unterschrift: allerunterthänigster, oder unterthänigst gehorsamster (Knecht) *).

Des Königs. Allerdurchlauchtigster, Großmächtlgster König, Allergnädigster König und Herr! Im Kont. Ew. Kinfgl. Majestät,

Ew. Majestät, (oder: Allerhöchstdiefelben). Unterschr. allerunterthänigster, oder: unterthänigst gehorsamster (Knecht).

Eines Königlichen Prinzen. Durchlauchtigster Prinz (Kronprinz),

Gnädigster Prinz und Herr!

Zm Kont.

Ew. Königliche Hoheit, (oder: Höchst-

dieselben.) Unterschr. unterthänigster (Knecht). *) Die Frauenzimmer unterschreiben sich, anstatt allerunterthänigst und unterthänigst, demürhigste, und anstatt unterthänige, demüthige. — Die Kaiserin von Rußland hat den vernünftige» Befehl gegeben, daß sich jeder in Briefen an sie mit dem Prädikat gerrcuer Unterthan unterschreiben soll.

Kap. 2.

Gute Einrichtung der Briefe.

139

Eines Großherzogs. Durchlauchtigster Großherzog,

Gnädigster Fürst und Herr! Zin Ko»t. Ew. Königliche Hoheit (oder Hichstdie» selben).

Unterschr.

unterthänigster (Knecht).

Eines Kurfürsten. Durchlauchtigster Kurfürst,

Gnädigster Kurfürst und Herr! Ew. Kurfürstliche Durchlaucht:

3 m Kont.

(oder

Höchstdieselben). Unterschr. unterthänigster (Knecht).

Eines regierenden Herzogs, Fürsten, Landgrafen, Marggrafen rc. Durchlauchtigster Herzog (oder Fürst re.). Gnädigster Fürst und Herr!

2m Kont. Ew. Herzogliche Durchlaucht; oder: Ew. Hochsürstliche Durchlaucht. unterthänigster (Knecht). Sind dieselben von königlichem Geblüte, oder von

Unterschr.

dem königlichen Hause,

wie -. E. die Herzogin von

Anhalt, Dessau, die Fürstin Radzivil u. s. w., so be,

kommen sie im Kontext das Prädikat: Ew. Königl. Hoheit.

Eines Prinzen vom fürstlichen Geblüte. Durchlauchtiger Prinz (Erbprinz), Gnädigster Prinz und Herr! 3 m Kont. Ew. Durchlaucht.

Unser sehr.

unterlhänigster.

140

Einleitung. Eines titulirten Fürsten. Hochgeborner ( oder Erlauchtiger) Fürst/ Gnädigster Herr!

S")

m Kont.

s

n ter sch r.

Ew. Hochfürstl. Gnaden. unterthäniger.

Eines Reichsgrafen. Hochgeborner (Erlauchtiger) Reichsgraf,

«

Gnädiger (Reichegraf und) Herr! m Kont. Ew. Reichegräflichen Gnaden — (Hoch,

3

dieselben). n ter sch r. unterthäniger; oder: (wenn es kein re,

gierender Graf ist oder man sonst in keiner Ab, hängigkeit mit ihm stehet) gehorsamster.

Eines Reichöbarons. Hochgeborner Reichsfreiherr,

s

Gnädiger Herr! m Kont. Ew. Reichsfreiherrlichen Gnaden, nterschr. unterthäniger (gehorsamster).

Eines Grafen.

) W o h l, wollen »und Menschenliebe genug besitzen, die Mühe der reiflichen Prüfung und Untersuchung zu übernehmen, und c) bei der Sache selbst nicht so in, teressirt sind, daß sie durch Nebenabsichten verleitet werden könnten, sich selbst zu hintergehe», oder gar hintergehen zu wollen. 3) Wenn man schon einmal einen festen Entschluß gefaßt hat, so ist es überflüßig, noch hinterher um Rath zu fragen. Ueberdieü verdrießt e« auch den Kor/ rsspondenten, wenn er siehet, daß man ihm die Mühe

8. Konsulenzbriefe.

425

der Uebcrlegung zugemuthet hat, ohne daß man davon Gebrauch zu machen gedachte. Das Rathgeben ist eine schwierige und höchst bedenkliche Sache, wobei man, wenn es gut gehet, eben nicht auf Dank zu rechnen Hal, desto mehr aber auf Verdruß und Vorwürfe, wenn unvermuthece Zwl, schenfälle der Sache eine andere Wendung geben, oder wenn man gar falsch kalkulirt hat. Ich halte also dafür, daß man 1) sich nicht zum Rathgeber unbefragt aufdringe, welches ohnedies schon wider allen Wohl, stand ist; es wäre denn — daß man wegen naher Verbindung berechtiget und verpflichtet wäre, sich in die Geschäfte des Korrespondenten zu mischen — oder daß man seiner Sache völlig gewiß wäre, und sich aus Menschenliebe für verbunden achtete, seine Meinung zu sagen. Man stößt im letzten Fall am wenigsten an, wenn man seinen Rath lieber einem Freunde deejeni» gen mitthcilt, der ihn bedarf, als ihn selbst an einen ganz Unbekannten unmittelbar abgiebt. 2) Wenn man Rath geben soll, kann und will, so unterziehe man sich dem Geschäfte mit aller Vor, sicht und Rechtschaffenheit. Man setze Gründe und Gegengründe in ihr rechtes Licht, und stelle sie so neben einander, daß der Korrespondent das Resultat der Untersuchung sich selbst abziehe. 3) Da es wider den Charakter des ehrlichen Man, ne« ist, wissentlich zu hintergchen, so versteht es sich von selbst, daß man sich nicht herausnehmen dürfe, Rath zu geben, wo man nicht rathen kann und zu rathen weiß, am allerwenigsten aber

Deutsche Briefe.

426

wider seine Ueberzeugung schlecht zu rathen.

Wo man

auö Ursachen seine wahre Meinung nicht sagen darf oder will, da sage man gerade heraus, daß man sich in der Sache zum Rathgeber nicht schikke. Der Kor, respondent wird den negativen Dienst mit Dank er, kennen.

Man pflegt in solchen Fällen, wo man sich unge,

beten Rath zu geben, für verbunden achtet, und doch Verdruß befürchtet, wenn es bekannt würde, daß man sich in dle Sache gemischt habe, zu dem Mittel seine

Zuflucht zu nehmen,

daß man einen falschen oder

gar keinen Namen unter den Brief setzt.

Daß man nicht ohne Ursache seinen Namen verstellen oder verheelen werde, verstehet sich von selbst.

Es wäre wider alle Vernunft und gute Sitte. Man wird es nur in dem Falle thun, wenn man Nach, theil zu besorgen hat, wofern man sich be,

kannt machte. — Menschenliebe und Klugheit allein aber müssen die Bewegungsgründe dazu seyn. Folglich 1) nur dann, wenn die Wohlfahrt des

Nächsten solche verborgene Winke erfordert,

wobei

man nicht ohne Gefahr verrathen seyn darf, und

wenn dem Korrespondenten

eben nichte Wesentliches

daran liegt, zu wissen, woher der Wink kommt;

in

diesen Fallen ist ee einem ehrlichen Manne erlaubt, ja ee ist Pflicht, sich in einen Unbekannten zu Verkappen. 2) Der Inhalt des Briefes selbst kann von der Art seyn, daß ihn nicht jeder wissen darf, und dem Briefsteller sowol, als dem Empfänger Verdruß erwekken, wenn er unglücklicher LLeise verlohren ginge,

und in unrechte Hände geriethe;

dann ist die

8.

427

Konsulenzbn'efe.

Weglassung oder Verfälschung des Namens ein Mit,

rel, den fatalen Vorfall für die Interessenten wenig, stens einigermaßen unschädlich zu machen.

Daher pfle,

gen Personen, die in einem geheimen Der, ständntsse mit einander stehen, sich dieses Mit­

tels gerne zu bedienen, um desto mehr verborgen zu

bleiben. 3) Zwischen genauen Bekannten, die ein,

ander schon an der Hand kennen, oder wenn man

gar die Weglassung oder Verfälschung des Namens verabredet hat, ist es eine Sache, die

Niemand bekümmert, und also auch uns nicht. Man siehet ohne Erinnern, daß hier von vor, sehlicher Weglassung des Namens die Rede sey.

Wenn es aus Versehen geschiehet, so ist das eine Uti, Vorsichtigkeit, welche dadurch bestraft wird, daß der Brief seinen Zweck verfehlt, wenn er an einen Unbe, kannten gerichtet ist.

Wer ans hinterlistigen Absichten, und um unbemerkt Böses zu stiften, dieses Mittel ergreift, der gehört zur Zunft der Meuchelmörder und Stra,

ßenräuber. Empfängt man einen solchen absichtlich ohne

Namen geschriebenen Brief, so ist es der Klugheit ge, mäß, auf beiden Seiten mißtrauisch und vor, sichtig zu seyn, sich auf jeden Fall,

der gegebene

Wlnk könne gut und übelgesinnt, die gegebene Nach, richt könne wahr oder falsch seyn, gefaßt zu machen,

und sich um nähere Aufklärung zu bemühen.

Deutsche Briefe,

(b. Briefe.)

1. Schreiben eines Amtöschreibers an einen Kriegsrath,

wegen einer anhängig gewordene» Streit, fache.

Wohlgeborner Herr,

Hochgeehrtester Herr Kriegörach! Euer Wohlgeborn haben mir In allen bedenkliche» Fällen, meine Zuflucht zu Ihnen zu nehmen, gütigst

erlaubt.

Ich bitte Sie gehorsamst um Verzeihung,

daß ich mir jetzt die Freiheit nehme, von dieser groß, wüthigen Erlaubniß Gebrauch zu machen. Bekanntlich ist die Frau Oberamtmannin Salz von E. Hochpreißltchen Kammer wegen rückständiger Pachtgelder i» Anspruch genommen worden.

Um sich

aus der Sache zu helfen, oder sich wenigstens vor der

Hand Ruhe zu verschaffen,

hat

sie das sonderbare

Mittel ergriffen, mich als ihren Schuldner vorzustellen,

und die Kammer mit einem Theil ihrer Forderung auf mich zu verweisen. Sie macht »emlich auf die weni,

gen Groschen, welche die Amtsdörfer mir dafür zu ge,

ben pflegen, daß ich da« Dekretenholz unter sie ver, theile, al« aus eine ihr zuständige Einnahme Anspruch. Nun wissen Euer Wohlgeborn selbst, daß sie so wenig

als irgend einer ihrer Vorweser und Nachfolger bei der Verpachtung auf diese Einnahme verwiesen ist, so

wie die Vertheilung des Dekretenholzeö unter die Sn, teressenten überhaupt keine Sache ist, welche von Amts, wegen geschehen muß. Die Glieder der Gemeinen müssen sich von selbst darüber aueglcichen. Weil sie

8. Konsulenzbriefe.

429

das aber nicht können und Uneinigkeit darüber unter sich befürchten, so haben sie mich darum als um eine Gefälligkeit ersucht, eS für sie zu thun. Wenn nun die Leute für meine Bemühung von freien Stücken gegen mich erkenntlich sind, wie kann in aller Welt die Frau Oberamtmannin sich einfallen lassen, sich die da,

von fallende Einnahme als ihr Eigenthum anzumaßen? Sie hat indessen bei dem hiesigen Zustizamte darauf ge,

gen mich eingeklagt, und dabei eine Berechnung über diese Accidenzien eingereicht, welche übertrieben n»d lä­ cherlich ist. So sehr man aber hiesigen Orts die Utu Verschämtheit dieser unstatthaften Forderung anerkennt, so will man mich doch berede», mich auf einen gütli­ chen Vergleich mit ihr einzulassen.

Zch wüßte aber

nicht, wozu? Das einzige, was sie zu ihrem Behelf sagen könnte und auch wirklich sagt, besteht darin, daß ich in ihrem Lohne und Brode gewesen sey. Aber

mit welchem Rechte kann doch eine Herrschaft sich ei­ nen kleinen Nebenverdienst ihres Dieners, den er sich unbeschadet seiner pflichtmäßige» Geschäfte macht, zu­

eignen? Dies, Hochgeehrtester Herr Kriegsrath, ist der Vorgang und die wahre Lage der Sache. Zch unter, werfe sie Zhrem Urtheile, und erbitte mir Ihren guten Rath, wie ich mich dabei nehmen soll.

EuerWohlge,

born kennen als Departementsrath das hiesige Lokale,

und sind ein scharfsichtiger und rechteerfahrner Mann.

Von wessen Einsichten könnte ich wol lieber abhängen, als von den Ihrigen? Zch bitte nun noch einmal ge­ horsamst um Verzeihung, daß ich mich unterstehe, mit

meinen Angelegenheiten Zhre wichtigen Geschäfte zu un­ terbrechen. Aber Euer Wohlgeborn sind so großmüthig als weise. Hierauf gründe ich mein ganzes Vertraue».

Deutsche Briefe.

430

Denn von mir weiß ich, leider, nichts zu sagen, als

daß es mir nicht an dem lebhaftesten Eifer fehlt, mir der größten Hochachtung in der That zu seyn

Euer Wohlgeborn ganz gehorsamster Diener

Heubel.

2. Antwort auf vorigen Brief.

Mein lieber Herr Heubel! Die Frau Oberamtmannin Salz kann nie in Ver, legenheit kommen; sie weiß sich immer zu helfen. Da, von ist Ihre Geschichte ein neuer Beweis. Da Ihnen mein Urtheil über Recht und Unrecht hierin nichte nü, tzen kann, und es Ihnen bloß um meinen Rath zu

thun ist, so geht der dahin, daß Sie sich mit ihr in

der Güte abzufinden suchen. Denn ohne Streit kom, men Sie doch nicht aus der Sache. Lassen Sie es zum Proceß kommen, so wird sie, um Zeit zu gewin, tun, alle mögliche Rechtsmittel ergreifen.

Und wen»

ihr nun auch überall die Forderung abgesprochen wird, so kann es doch ohne Kosten für Sie nicht abgehen, der Ungewißheit eines Rechtsganges nicht zu gedenken. Sie werden ja wissen, wie hoch sich der qu: *) Ver,

dienst beläuft.

Und da sie es ihr doch nicht hätte» wehren können, wenn sie der Vertheilung des Dekre,

*) qu: ist die Abkürzung V0N quae.stionis oder quaestionirt, welches so viel bedeutet, als wovon die Rede ist. UebrigenS ist dieser Ausdruck im Juristischen und Eeschästsstyl nur eigentlich üblich.

8. Konsulenzbriefe. tenholzeS

431

unter ihre Unterthanen sich angenommen,

und die Arbeit Ihnen, als ihrem Schreiber, ex of< iicio *) aufgetragen hätte; so, dächte ich, könnten Sie ihr immer schon etwas abgebeu, da sie es bedarf nnd verlangt»

UebrigenS seyn Sie versichert, baß ich

gerne sey Ihr guter Freund

Holland.

3> Schreiben an einen Amtmann von einem jungen Mann,

wegen einer vorgeschlagenen Pachtung.

Wohlgebornrr Herr, Hochgeehrtester Herr Amtmann! Darf ich Euer Wohlgeborn wol ergebenst bitten, mir in einer wichtigen Sache Ihre Kenntnisse und Erfahrungen -u leihen? Ich habe mich seit der Zeit,

da ich die Ehre hatte Ihre Bekanntschaft zu machen, nach Ihrem Rathe mit allem Fleiß auf die Landwitth, und glaube nun so weit gekommen zu seyn, daß ich selbst etwas unternehmen kann, auch ist

schaft gelegt,

mein VermSgen wol zu einer mäßigen Pachtung hin,

reichend. Nun ist mir gesagt worden, daß das von Zornikowsche Gut zu Hilgenhorst von dem De, siher aus freier Hand zur Verpachtung seil geboten werde, nnd man will mir diesen Vorschlag so annehm­ lich verstellen, daß ich nicht abgeneigt bi», mich dar, auf einzulassen.

Euer Wohlgeborn haben dieses Gut

*) d. i. aus Schuldigkeit, von Berufswegen.

Deutsche Briefe,

432

selbst ehedem administrlrt, und sind daher neben Ih­

ren übrigen Einsichten mehr als sonst Jemand im Stande mir zu rathen. Thun Sie es doch, ich bitte gehorsamst darum. Ich werde meinen Entschluß ganz auf Ihrer Meinung beruhen lassen. Da jener aber bald gefaßt werden muß, so wünsche ich sehr, diese auch so bald als möglich zu erfahren. Dagegen habe ich die Ehre mit aller Ergebenheit lebenslang zu seyn

Euer Wohlgeborn verbundenster Diener Johann Wiltstock.

4. Antwort auf vorhergehende Anfrage.

Hochedelgeborner Herr, Werchgeschäßeer Freund! Sie haben mir die Ehre erwiesen, mir wegen Ih­

res Entschlusses zur Unternehmung einer eigenen Pach­ tung und besondere wegen des dazu in Vorschlag ge,

brachten Gutes zu Hilgen horst,

meine Meinung

abzufordern. Ich will sie Ihnen mit aller der Auf, richtigkeit sagen, welche ich Ihrem gütigen Zutrauen schuldig bin.

Gegen Ihren Vorsatz, selbst zu pachten, habe ich nichts:

denn ich weiß von guter Hand, daß Sie sich

sehr applicirt haben und alle Eigenschaften besitzen,

welche zu einem guten Oekonomen erforderlich sind; desto mehr aber habe ich gegen den Anschlag auf Hil, genhorst.

Das Gut an sich ist nicht zu verachten.

Der

8. Konsulenzbriefe.

433

Der Boden stehet treu bei und hat gute Wiesen und

Aber es liegt in einer Gegend, wo kein Ab, sah ist. Nebendem hat er seit einiger Zeit so gute Wirthe gehabt, daß auf Meliorationen keine Rechnung Weiden.

zu machen ist.

Und endlich ist der Anschlag so hoch

gespannt, daß kein Brod dabei seyn kann. auch die Gründe,

Dies sind

weshalb der jetzige Pächter Els

nicht hat aufs neue kontrahiren wollen. Das ist aber gewiß ein Mann, der dem geschicktesten Wirthschafts,

verständigen nichts nachgiebt. Einen guten Wirth aber auszudrangen, oder auch nur das zu überneh, men, was er nicht behalten wollte, das ist immer sehr gewagt.

Nun kommt noch der Umstand dazu,

daß

der Herr von Zornikow separiren will. Ohne mlch auf die Beurtheilung des Nutzens oder Schadens der Gemeinheitsaufhebungen einzulassen, ist das wenig, stens ausser Streit, daß es viel Versäumniß, Unko, sten und Mühwaltungen verursachet, ehe man damit

zu Stande kommt. Und diese fallen größtentheils dem zeitigen Besitzer oder Pachter zur Last. Wenn gleich der nachfolgende etwanige Vortheil den Besitzer dafür

schadlos hält, so kann der Zeitpächter darauf nicht rechnen. Wenn alles mit vieler Mühe eingerichtet ist, so muß er davon,

und der Herr seht sich dann aufs

Gut, und ziehet den Gewinn. Ueberlegen Sie das. Nach meiner besten Ein, sicht müssen Sie den Plan aufgeben.

Und das kön,

nen Sie desto füglicher thun, da Sie nicht in der Nothwendigkeit sind, mit dem ersten dem besten vor, lieb zu nehmen.

Bleiben Sie,

man mit Ihnen zufrieden ist,

wo Sie sind, und wo Sie,

wo

wenn

gleich nicht große Vortheile erjagen können, dennoch auch das Risiko nicht haben, umsonst arbeiten zu müs,

28

Deutsche Briefe.

434 sen,

oder gar das Ihrige zuzusehen.

Dies ist der

unmaßgebliche Rath Ihres ergebenen Freundes

und Dieners Auto n.

5. Ein Warnungsbrief ohne Namen.

Sie haben gestern viel Glück im Spiele gehabt, mein Herr, und das thut mir sehr leid.

Denn es ist

schlechterdings gefährlich, mit anfänglichem Glükke ge/

gen Leute zu spiele«,

die es in ihrer Gewalt haben,

so viel gewinnen zu lassen, als sie wollen. Verstehen Sie mich? Und wenn Ihnen Ihre Wohlfahrt lieb

ist/ so seyn Sie mit den 25 Nthlrn., die man Ihnen zur Lockspeise hingeworfen hat, zufrieden, und beißen Sie nicht tiefer; Sie sind nahe an dtr Angel, die nie wieder los läßt. Dies schreibt Ihnen ein wahreraber aus guten Gründen

unbekannter Freund. 6. Derathschlagung wegen einer Heirath. Ich komme,

mein werthgeschätzter Herr Vetter,

um mich in der wichtigsten Angelegenheit meines Le, bens bei Ihnen Raths zu erholen. Sie sind ein klu, ger, rechtschaffener Mann, und mein Freund; an wen könnte ich mich sicherer wenden, als an Sie? Ich habe mich in meinem väterlichen Hause nie, dergelassen, das Gewerbe meiner Aeltern fortzusetzen^ Meine Wirthschaft ist zu weitläuftig und zusammen.

8. Konsulenzbriefe.

435

gesetzt, als daß ich sie allein gehörig übersehen könnte.

Zch suche also eine Frau, die sich für mich und meine Umstande schickt. An Vorschlägen dazu fehlt es mir

daß die Welt sich ein Freiwerber zu seyn. Unter andern macht mir mein Nachbar Grell viel Rühmens von seiner Schwägerin. Zch kann wohl sa, gen, daß diese Person mir sehr anständig wäre, wenn

nicht;

denn Sie wissen wol,

eigenes Geschäft daraus macht,

sie ihrer Schwester Grellen an Gemüth und Wesen

ähnlich ist.

Die äußern Umstände sind auch ganz gut.

Sie, mein lieber Herr Vetter, haben ja, dünkt mich,

in dem Schwichtenbergschen Hause viel Bekannte

schäft, und können also am besten wissen, ob sich das Es würde Ihnen auch nicht schwer seyn, zu erfahren, ob sie für eine Wirthschaft, wie die meinige ist, Neigung

Mädchen wol für mich und in meine Lage paßt.

hat, und wie die Aeltern darüber denken. Wollten Sie wol so gütig seyn, sich hierin meiner anzunehmen,

und mir überhaupt Ihre Meinung über den ganzen Vorschlag unverholen mitzutheilen? Daß ich Zhr Ver,

trauen auf allen Fall nicht mißbrauchen werde, davon sind Sie wol überzeugt, so wie von der großen Erze, benheit und Achtung, mit welcher ich bin und bleibe Zhr verbundenster Freund und Diener Gottlieb Schulze.

1. Antwort auf vorhergehenden Brief.

Zuvörderst wünsche ich Ihnen, mein lieber Herr

Vetter, zu Ihrem Etablissement Glück.

Gott lasse eS

Ihnen dabei recht wohl gehen, und segne Sie. 28*

Deutsche Briefe.

436

Was den Vorschlag zur Heirath betrift, so muß ich Ihnen sagen, daß ich die Schwichtenbergin für gar keine unebene Parthie für Sie halte. Die Mädchens dieses Hauses sind zwar alle recht gut, aber

diese Louise hat mir doch immer am besten gefallen. Sie hat ein munteres aufgewecktes Temperament, ein freies offenes Gesicht, und eine anständige Dreistigkeit

im Umgänge. Die Kinder sind alle fromm und arbeit, sam erzogen, und Wilhelmethal ist der Ort nicht, wo

man eben Vecderbniß der Sillen zu befürchten

hatte.

Etwas Vermögen ist da.

Wenn die Aeltern

auch bei ihrem Leben nicht gar viel herausgeben wer/

den, so bleibt den Kindern dafür eine desto reichere Erb­ schaft zu hoffen, und Ihre Umstande sind ja auch von der Art, daß Sie eben nicht nöthig haben,

haupt­

sächlich auf eine starke Mitgabe zu sehen. Wie sie aus, sieht? ei nun, nicht schön und nicht häßlich; aber doch eher jenes als dieses; ein feines glattes Gesichtchen, ein paar hübsche blaue Augen, rothe Bäckchen, eine freie Helle Stirn, und was weiß ichs. Kurz, mir ge­ fällt das Mädchen,

und

sollte, so wählte Ich diese.

wenn ich für Sie wählen Aber Sie mögen ja selbst

kommen und sehen, wenn Sie meinem Geschmack nicht trauen. Man wird Sie auch eben nicht lange seufzen lassen, denke ich. Denn wie mir's vorkommt, haben Grells Sie hier schon von einer annehmlichen Seite bekannt gemacht. Was Sie nun thun, das thun Sie bald. Denn Sie können wohl denken, daß es bei so

bewandtcn Umständen an Liebhabern nicht fehlt, und eö sollte mir leid thun, wenn. ein gewisser Herr F i, scher, der sich jetzt da fleißig etwas zu thun macht, Ihnen den niedlichen Fisch vor Ihren Auge» wegan, gelte. Adjeu, lieber Herr Better. Zn Hoffnung Sie

8. Konsulenzbrieft.

437

nächstens hier zu sehen (denn Sie werden mir doch wol den Kuppelpelz ganz zu verdienen geben?) bin ich mit aller Werthschätzung Ihr aufrichtiger Freund Schiffer.

8. Abmahnungsschreiben von einer thirigten Heirath an einen Bruder. Mein lieber Bruder. Ich habe aus deinem jüng, sten Briefe ersehen, daß du verliebt bist und Lust zu heirathen hast. Weil du mir denn doch die Ehre an,

thust, mich um meine Meinung darüber zu befragen,

so kann ich mich wol'nicht entbrechen, deiner Anfor, derung zu genügen. Was das Verliebtseyn anbetrift, so nimmt mich das nicht Wunder. Denn ich weiß, du

hast Fleisch und Blut, und eine ziemliche Portion Tem­ perament. Kein Wunder, daß es bei deiner müßigen Lebensart aufbrauset, und entsprechende Begierden er,

weckt.

Das Heirathen? ja, es ist eine gute Sache,

Bruder! Ich hab' es auch gethan, und Gottlob es ge­

reuet mich nicht; denn, du stehst, ich bin ein sehr glück, licher Ehemann. Erwarte indessen nur von dem Glücke des ehelichen Lebens keine ausgezeichnete Schilderung von mir. Das wäre die überflüßigste Sache von der Welt. Euch Sprudelköpfen hängt der Himmel immer

voller Geigen.

Aber eines will ich dir doch sagen,

woran du nicht zu denken scheinest, ja gewiß nicht denkst. Denn das Denken ist nie so recht deine Sache gewesen, ob mans gleich zum vernünftigen und glück­ lichen Leben in keinem Falle entbehren kann. Sieh, Bruder, wenn man geheirathet hat, so hat man doch

438

Deutsche Briefe.

eine Frau, und die Frau hat unter andern auch einen Magen, der täglich mit Speise und Trank gefüllt seyn

will; sie hat einen Leib, welcher bekleidet werden muß; sie hat einen Rang, dem gemäß sie sich anständig be, tragen muß. Hat man eine Frau, so giebt es gewöhn,

ltch auch Kinder, zuweilen ein ganzes Häuflein; und die kleinen Gäste bringen alle die Erbsünde mit auf

die Welt, daß sie nach Hülle und Fülle schreien. Nun war es freilich einmal eine Zeit, daß es Manna regnete und die Kleider nicht veralteten,

wo

allenfalls die

Mutter aus des Vaters Beinkleidern für den Jungen ein Röckchen zusammen nähere, daß immer letbgerecht blieb, ohne daß jene dadurch enger geworden wären. Das waren goldene Zeiten. Aber leider, leider die Zei,

teil sind vorbei. Schon vor langen Jahren machten sich dle Menschen darüber her, rissen das, was auf

Gottes Erdboden wächst und gedeihet, an sich, maßten sich ihren Raub als ein Eigenthum an, und wer es ihnen nun nehmen will, der hat es mit der ganzen

Welt zu thun,

und so allmächtig dich auch die Liebe

immer machen möge, so laßt sich doch gegen das übrige Volk, welches Knittel und Heugabeln, Schandpfähle und Kerker hat, immer dienstfertig.

nichts ausrichten.

Jeder Bäcker,

Man ist freilich jeder Schlächter,

jeder Schuster und Schneider erbietet sich dir zu ge, horsamsten Diensten. Aber, Bruder, nicht anders, als für baares Geld. Und nun, sage mir, wie kannst du das wol aufbringen? — Doch im-Ernste, lieber Fritze,

das ist wieder einer von den Unbesonnenen Stretchen, mit welchen du dich so manchmal prostituirt und in

Verlegenheit gebracht hast.

Mein Gott, wo denkst

du denn hin? Steh, du kannst ja jetzt als ein einzel,

ner Mensch, da andere dir den Tisch decken, mit deinen

6. Konsulenzbriefe.

439

paar Thalern nicht auöreichen, wie willS denn werden,

wenn du eine eigene Haushaltung führen sollst. Bilde dir doch nicht ein, daß man von Liebe satt und selig

wird. Trunken und toll wol, aber nicht satt und selig. Es ist eiq goldenes Sprüchlein: ohne Speise und Trank ist die Liebe kalt!

Liebe,

Hunger ist das Grab der

und Nahrungssorgen der Tod der häuslichen

Freuden. Denke doch zuerst und für jetzt an weiter nichts, als dir durch Fleiß und Klugheit ein anständl,

ges Auskommen zu erwerben; lerne mit dem, was du

hast, ordentlich haushalten, und gewöhne dich zur Ve,

sonnenhett in allen Unternehmungen.

Dann komm

und nimm ein Weib, die deinen allerseitigen BedürfNissen angemessen ist. Du wirst immer dann in jedem guten Hause wohl ausgenommen

werden, und nicht

nöthig haben, dir in öffentlichen Hausern eine zu m walzen *). Wirklich schäme ich mich in deiner Seele,

daß du so klein denkst und deine Neigung auf eine Per­ son wirfst, welche kein anderes Verdienst als das der Oeffentlichkeit — ich will nicht sagen, Allgemeinheit — Denn was soll ich anders von einem Mädchen denken, welches an öffentlichen Orten ohne

zu haben scheint.

Aufseher erscheint, und die Huldigungen einer ganzen Heerde eintümmr. Für thörigte Wüstlinge sind solche Dirnen freilich eben gerecht. Aber gute Weiber und

brave Hausmütter, zur immerwährenden Freude des Mannes, zum Glück einer Familie können sie nicht

*) Erwalzen; ein neugemachtes Wort, welches zwar der Analogie der Sprache gemäß gebildet, aber nur unter so guten Freunden zu gebrauchen ist. ES be­ ziehet sich übrigens auf einen Brief, worin Bruder Fritz meldet, daß er sich in einem englischen Tanze beim Walzen in seine Dulcinea verliebt habe.

440 seyn.

Deutsche Briefe. Gott bewahre dich, daß du nicht die Wahrheit

dieses Satzes an dir selbst erfahrest.

Sey weise, und Die Neue, die

laß dich warnen, da es noch Zeit ist.

du dir erkaufen willst, ist um jeden Preis zu theuer. Was dein Gesuch wegen eines Darlehns betriff,

daß ich dir an meiner Hülfe das in Fällen, wo die Klugheit und das Unvermögen es nicht hindert. Nimm auf ei, nige Wochen Urlaub und komm zu mir, so wollen wir darüber näher sprechen. Du bist überdies lange nicht

so weißt du wohl,

nächste Recht verstatte,

hier gewesen, und mich verlanget recht sehr, dich zu sehen. Wenn du jetzt das Thörichte deines Einfalls ein­

stehst und dich dessen schämst, so laß dich das nur nicht abhalten zu uns zu komme».

Meine Frau weiß von

dem ganzen Vorgänge kein Wort; so wie es auch im­ mer unter uns bleiben wird, wenn es dir so beliebt.

Solche Vorsicht ist das wenigste, * was du erwarten

kannst von der aufrichtigen Liebe deines getreuen Bruders

Heinrich.

9,

An Madame Gold über die Erziehung ihres Sohnes, von ihrem Freunde.

Hochgeschätzte Freundin! Zch habe mich über die völlige Genesung Ihres

lieben Sohnes herzlich gefreuet, und nehme an Zhrer

mütterlichen Zufriedenheit den freundschaftlichsten An, theil. Die Frage, wie, meiner Meinung nach, die weitere Erziehung, und Bildung des Kindes am zweck.

8. Konsulenzbriefe.

441

mäßigsten und Ihren übrigen Umständen am angemes­ sensten einzurichten sey, habe ich mit Freund H.. in reifliche Erwägung gezogen, und hier ist das Resultat unserer Untersuchungen. Auf einer Sette ist e6 Zeit, daß das Kind nun an, fange, eine männliche Erziehung zu bekommen, und also die bloß weibliche Gesellschaft Ihres Hauses ver, lasse. Der weiche weibliche Charakter würde ihn für die männliche Bestimmung verderben, und für die rauhe mühselige Lebensart, die er zu wählen hat, unglücklich machen. Auf der andern Seite ist seine körperliche Schwäche und kindische Unbehülflichkeit ein großer Grund, ihn Ihrer mütterlichen Pflege und Sorgfalt, der er bedarf, und die er nirgend ganz finden würde, noch nicht zu entziehen. Wenn Ihre gesammren Um, stände eö verstatteten, so wäre die Annahme eines guten Hauslehrers, der sein Aufseher, Freund, Vater und Gesellschafter wäre, und ihn theils selbst unter, richtete, und entweder ein Paar andere Kinder guter Aeltern ihm zu beständigen Gespielen und täglichen Gefährten seiner Studien gäbe, oder ihn einige Stun, den des Tages in den öffentlichen Unterricht irgend eines geschickten Schullehrers begleitete, theils ihn in männliche Gesellschaften führte, welche seinem Alter, Charakter und seiner Bestimmung angemessen wären, der Vorschlag, wodurch beides vor der Hand vollkom­ men erreicht würde. Mitlerweile würde es dann Ihre Hauptsorge seyn, dem Kinde einen festen dauerhaften Körper zn verschaffen, und ihn besonders durch kalte Bäder zu starken. Mir ist so eben Struve ns vor, trefliche Schrift über die körperliche Erziehung in die Hände gerathen, welche ich Ihnen zu diesem Behufe übersende. Ist das Kind dann so weit, daß

Deutsche Briefe.

442

es einer so sorgfältigen fremden Pflege nicht mehr Le, darf, so müssen Sie ihn aus dem Hause auf eine gute

Schule hinthun, wozu ich Ihnen aus den dringendsten Gründen die Rupp int sche empfehle. Sie hat^ge,

schickte und verständige Lehrer; der Ort hat eine gesunde Lage, die Anzahl der Schüler ist so mäßig, daß 'sie von den Lehrern bequem übersehen werden kann; die jungen Leute sind von einem guten Schlage; und vor,

züglich ist Sittenverderbniß eben nicht -u befürchten,

weil die Lehrer darüber ganz besonders wachen;

ein

Punkt, worüber auf den meisten öffentlichen Schulen die bittersten und gerechtesten Klagen geführt werden müssen.

Jetzt ist nur die Frage, ob die Annahme ei­

nes beständigen Hauslehrers Ihren Umständen gemäß sey? Ich vermuthe beinahe nicht. Und dann weiß ich keinen andern Rath, als den, daß Sie sich mit Ihrer Familie ganz nach Ruppin hindegrben. Da Sie doch

zur Miethe wohnen, und kein unbewegliches Eigenthum zu verlassen haben, und da Sie überhaupt für Geld

leben müssen,

so werden Sie Ihre Subsistenz immer

wolfetler in der Provinz, als in der Hauptstadt finden. Ihre Kinder, für welche Sie sich doch ganz zu leben entschlossen haben, werden Sie begleiten; mit Ihnen

werden sie überall zu Hause seyn. Bloß die Freunde iveun man das anders einen Wechsel

wechseln Sie,

nennen kann, wenn diejenigen, die Ihnen bisher ab,

wesend waren, dann gegenwärtig werden, und umge,

kehrt, übrigens aber keiner verloren gehet.

Sie sind

in der Provinz gebohren und erzogen, haben in der Hauptstadt selbst ganz einsam gelebt/ und gehen ja alle

Jahr auf lange Zeit zu Ihren Acltern tmd) S ... Mithin kann der Wechsel des Wohnorts selbst, der ge,

bohruen und an die Weitläufigkeit gewöhnten Berlins,

8. Konsulenzbriefe.

443

rinnen wol unerträglich seyn mag, Ihnen nicht zur Beschwerde gereichen. Und wenn das auch wäre, könnte ein Opfer, welches die Wohlfahrt ihrer Kinder erfor, dert, Ihrem mütterlichen Herzen zu groß seyn? Hier könnten Sie Ihren Sohn selbst pflegen und warten. Sie schickten ihn in die öffentlichen Lehrstunden, die Lehrer schlügen Ihnen einen ihrer größer» Schüler vor, der Hosmeisterstelle verträte, und so erreichten Sie alle ihre Zwecke. Ich hatte dann das Vergnügen Ihres Umganges zu genießen, und vielleicht Ihnen in diesem oder jenem Falle nützlich zu seyn. So eigennützig in dieser Rücksicht mein Vorschlag scheinen mag, so wenig ist er es im Grunde. Ihr Verstand soll entscheiden, und nicht Ihr Herz. Billiget jener einen Entschluß, dessen Ausführung mir Vergnügen macht; desto besser! Freund H. macht sich schon die größte Hoffnung und allerlei Plane, welche Ihnen zu seiner Zeit werden mitgethellet werden, sobald als Ihr Entschluß bekannt geworden seyn wird Ihrem ganz ergebensten Freund Below.

10. Rath zur Erhaltung des Hausfriedens.

Ich beklage Sie, mein lieber Freund, von Herzen über Ihre häuslichen Unruhen, und kann Mnleiden mit Ihnen haben, da ich das Uebel auch aus der Er­ fahrung kenne. Eine eifersüchtige Frau, eine grobe Schwiegermutter, und eine naseweise Schwägerin ha, ben alle ihr mögliches gethan mich so zu quälen, daß Sokrates selbst die Geduld würde verlohren haben.

444

Deutsche Briefe.

Endlich hat der Himmel sich meiner angenommen, und hat mich von Ihren Verfolgungen befreiet,; indem er sie -u sich nahm. Die Erfahrung habe ich gemacht,

daß man mit Gewalt mit den Weibern nichts ausrichtet. Man muß sie als schwache Geschöpfe betrachten, und durch Geduld zu überwinden suchen. Hören Sie indessen den Rath eines großen Weisen. Wen-, die Weiber Ihnen einmal den Kopf wirbelnd machen, so

sagen Sie nur zwei oder dreimal da6 A. B. C. her, dann wird Ihnen der Zorn vergehen. Ganz besonders

aber rathe ich Ihnen, den alten Herrn zu schonen, und ihn nicht zu kränken oder gar mustern zu wollen. Das würde er Ihnen nie verzeihen und sich dafür rä­ chen,

so gut er könnte, wenn auf keine andere Art,

doch dadurch, daß er Ihnen die Frauenzimmer auf den Hals hetzte. Alte Leute sind wunderlich. Haben Sie aus Achtung gegen sein Alter mit seinen Grillen Nach,

sicht,

so werden Sie gewiß Beistand bet ihm finden.

Wenn bei mir die Damens anfingen zu keifen, so fing

ich an zu lachen, und wenn mir das Ding zu lange ward, wie das gewöhnlich geschieht, wenn Sie sehen,

daß man ihrer spottet,

so nahm ich Hut und Stock

und ging ins Freie, und ließ sie toben und schelten,

so viel sie wollten.

Machen Sie es auch so, und sa­

gen beim Weggehn, daß Sie indeß ein gut Glas Re­ bensaft trinken wolley. Leben Sie wohl, mein Lieber.

Ich bin

Ihr ganz ergebenster Nikolaus.

8. Konsulenzbriefe.

44 a

11. Antwort', wie ein gegebener Roth zur Erhaltung des Hausfriedens befolget worden sey, und was es

für Wückung gethan habe.

Lieber Freund! Ich habe Ihren Rath befolgt, und ihn verschie, Letzthin fingen meine Frau»

denemal nützlich befunden.

enzimmer unter sich ein Terzett *) an; und da ich mich einmifchre, um sie zum Frieden zu bringen, so wandte sich der ganze Lärm gegen mich.

Anfangs lachte ich;

aber da ich merkte, daß mein Lachen ihren Zorn nur noch mehr entzündete, so ging ich weg und sagte, daß

ich hingehen wollte, ein gut Glas Wein zu trinken. Ais ich wieder nach Hause kam, hatte sich der Sturm

gelegt. Vielleicht hatte der Weln, den ich abwesend getrunken hatte, die gegenwärtige Feuersbrunst gelöscht. Da ich sahe, daß das Welter vorüber war, so forderte ich zu essen: denn eö war Abend, und das Essen ward aufgetxagen.

Bei Tische gab es nichts als Bier zu

trinken, und darüber ward, wiewol in aller Gelassen, heil der Bescheid gegeben, daß ich außerhalb dem Hause Wein genug getrunken hätte. Ich trank also diesen Abend Bier.

Zween Tage darauf begann ein

neues dreistimmiges Konzert.

Als ich das merkte, nahm

ich Hut und Stock. Da fingen sie alle an zu lachen, und fragten mich, ob ich wieder hingehen wollte mich

am Rebensäfte zu laben.

Ich sagte: ja.

Da baten sie

*) Terzett, d- i- eine dreistimmige Musik. Dieser Aus­ druck der nurMusikverständigen verständlich ist, durste nur gegen Jemand gebraucht werden, von dem eS bekannt war, daß er ihn verstehen konnte.

446

Deutsche Briefe.

mich, erst mit ihnen zu zanken, um es wieder zu ver, dienen; oder lieber ganz zu Hause zu bleiben, und nach Belieben zu trinken; sie wüßten auch im Schelten Maße zu halten; wie sie denn auch thaten. Zch blieb also, und wir tranken eine Weile ganz friedlich mit ein­ ander. Als aber vielleicht der Wein ihre Lebensgeister in Bewegung gebracht hatte, so fingen sie wieder an sich über mich herzumachen, daß ich mich genöthigt sah, die Thüre in die Hand zu nehmen, und hinzugehen und das A B C deö Weisen zu beten. Zch kam spät nach Hause, und keine rührte den Mund; aber eine jede nahm mich stillschweigend von Haupt bis zu Fuß in Betrachtung, um zu sehen, ob ich auch taumelte. Als ich das merkte, so sagte ich ihnen, sie möchten nicht glauben, daß ich im Weinkeller gewesen wäre, sondern ich hätte bloß in einem Garten das ABC des Weisen einigemal hergesagt. Sie wollten, daß ich ihnen das Räthsel erklären möchte. Zch erklärte es ihnen, und darauf gingen wir, nachdem wir alle herz­ lich.gelacht hatten, zu Bette. Und das thue ich auch jetzt; denn es ist spät. Also gute Nacht, lieber Freund. Zch bin Zhr ergebenster Philipp.

12.

Rath einer Mutter an ihre Tochter, welche bei einer harten Herrschaft in Diensten stehet. Zch habe Dein Schreiben wohl erhalten, meine liebe Pachter! Du beklagst Dich in demselben sehr über die Härte und Unbilligkeit Deiner Herrschaft, und

447

s. Konsulenzbriefe.

daß Du bei aller Mühe, die Du anwendest, ihnen zu

Gefallen zu leben, es ihnen doch nie recht machen kannst. Wenn Deine Klagen gegründet sind, so thut es mir leid. Indessen kann ich doch Deinen Vorsah, den Dienst vor der Zeit zu verlassen,

gar nicht billigen,

und muß Dir denselben durchaus widerrathen. Denn Dein Herr würde immer das Recht haben, Dich wie, der zurückzufvrdern; kämst,

und

wenn Du nicht mit Güte

so könnte er Dich mit Gewalt dazu zwingen.

Dann würde aber Deine Lage noch viel härter und unerträglicher werden. Halte also Deine Zeit geduldig

aus, denn der liebe Gott will, daß wir nicht bloß den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen

Ich traue es Dir wohl zu, daß Du Dir keine Saumseligkeit und Unordnung in Deinen Geschäften und in Deiner Aufführung wirst zu Schulden kommen lassen, weshalb Deine Herrschaft

Herren gehorchen sotten.

mit Recht mir Dir unzufrieden seyn könnte.

Aber

vermuthlich hält sie sehr auf Pünktlichkeit und Akku, ratesse, und will alles ohn- Fehler haben.

Da kann

es denn doch wol seyn, daß, wenn Du eine Sache noch so" gut gemacht zu haben glaubst, e6 immer noch

besser seyn könnte, ehe es ganz vollkommen ist.

Und

da Deine Frau sich die Mühe giebt. Dir alles ordent, lich zu weisen,

so wird Dir das nicht schädlich seyn,

daß sie Dir auf die Hände sieht und Dir keinen Feh, ler durchgehen läßt.

Du wirst dadurch desto geschickter

werden, und Dich zur Arbeitsamkeit und Ordnung ge,

wöhnen, welches Dir inekünftige Dein ganzes Leben hindurch sehr zu Statten kommen wird.

Gesetzt auch,

daß einmal ein Vorwurf unverdienter Weise Dlch trist, so bist Du ihm vielleicht ein andermal entgangen, da Du ihn wol verdient hattest/ Dienstboten müssen ih,

Deutsche Briefe.

448

ren Herrschaften,

wenn diese es sonst gut mit ihnen

weinen, nicht alles so genau nehmen. Unterwürfigkeit,

Der Stand der

in welchem sie leben,

Dulden und Nachgeben zur Pflicht.

macht ihnen

Bei den Haus,

und Nahrungssorgen, bei den mancherlei Verdrüßlich, feiten,

welche die Berufsgeschäste mit sich bringen,

und bei dem mannigfaltigen oft großen Familienkummer welchen Haueväter und Hauemütter fast täglich haben,

können sie nicht immer aufgeräumt seyn. die von

allen diesen Sorgen nichts

Dienstboten

fühlen, müssen

ihre Herrschaften, wegen der üblen Laune, worin sie sich deshalb befinden,

eher beklagen und mit stillem

Wesen die Ausbrüche derselben ertragen. nur,

Hüte Dich

daß Du nicht durch unbescheidenen Widerspruch

und durch ein trotziges Wesen, den gewöhnlichen Fel), 1er böser Bedienten, ihren Zorn reizest: gewiß ihre Liebe gewinnen.

so wirst Du

Auf allem Fall wird es

Dich nie gereuen, wenn Du meinen mütterlichen Rath

befolgst, und ich werde dann immer gerne seyn

Deine gute Mutter Maria Werner.

9.

Vorwürfe machen und sich entschuldigen,

(a. Regeln.) Ueber dieses Kapitel ist wenig zu sagen. Vorwürfe entstehen aus empfangenen unangenehmen Degegnun, gen.

9. Vorwurfs- und Entschuldigungsschreiben. 449

gen! wodurch man sich vernachläßiget oder beleidiget glaubt. Ze empfinbllcher die Deleidigung und je ab» hängiger der Beleidiger von mir ist, desto bitterer dür# fett meine Vorwürfe seyn. Ein wohlerzogener Mensch wird sich niedriger Ausdrücke und Schimpfreden, welche in dieser Art Briefen bet ungesitteten Leuten leicht vor# fallen, von selbst enthalten. Um sich gegen gemachte oder besorgte Vor# würfe zu entschuldigen, zeigt man entweder daß man sich des angeschuldlgten Vergehens gar nicht bewußt, oder aus welchen Gründen und durch welche Umstände man wider Willen dazu gekommen sey, in den Verdacht der Pflichtvergessenheit zu gerathen, oder man gestehet sein Vergehen ein, und bittet um Verzeihung, oder endlich man vergilt Vorwürfe mit Vorwürfen.

(b. Briefe.) 1. Scherzhafte Vorwürfe einer Dame an ihren Freund, weil er ihr ihre Korrespondententrägheit nicht verwiesen hat.

Zch bin sehr böse, lieber Freund, daß Sie so lange keinen Brief von mir bekommen, und mir doch darüber keine Vorwürfe gemacht haben. Zch muß Zh, nett sagen, daß ich es nicht gerne sehe, wenn meine Freundemir die Freiheit lassen, sie zu vergessen. Wenn man sich dazu gewöhnt, seine Freunde zu entbehren, so entwöhnt mau sich eben dadurch von der Liebe zu ihnen, und ich verlange, daß man mich wenigstens um die Ursache meines Stillschweigens befrage, wenn es

Deutsche Briefe.

450

etwas lange dauert.

haben,

wenn

Es würde nicht so lange gewährt

die häßliche Modekrankheil mich nicht

aiich ergriffen, und doch wenigstens einige Wochen, am

Schreiben gehindert hätte. Jetzt befinde ich mich nun wieder so wohl, daß ich Ihnen sagen kann, was ich weiß. Und was? die Anwesenheit der Braunschwetgschen Herrschaften veranlasset hier allerlei Feten, von btnen ich lieber in Ihrer Gesellschaft als allein zu pro» fitiren wünschte. Sind Sie auch so gesonnen, so kom-

iycn S>e und Vorwürfe

vertheidigen sich

persönlich gegen die

Ihrer ergebensten Freundin

Charlotte von dem Berge.

2.

Schreiben eines in Unglück gerathenen Mannes, an seinen Vetter,

tut Antwort auf einen von ihm erhalteiren Brief.

Sie haben Recht, mein lieber Vetter, es ist um verantwortlich, daß wir bei unserer gegenseitigen Liebe und Achtung so wenig Umgang mir einander haben, als wenn wlr uns einander ganz gleichgültig wären.

Aber lassen Sie uns gerecht seyn, und gestehn Sie nur,

daß Die, nach den Umständen, worin ich mich befinde, sich wol hätten ein wenig mehr um mich bekümmern können, als Sie gethan haben. Freilich hätte auch ich es nicht unterlassen sollen.

Ihnen, über Ihre Ver,

nachlässtgung meiner, einige kleine Vorwürfe zu ma­ chen; aber der Unglückliche befürchtet verachtet zu wer,

den, und glaubt, man werde es ihm übel auslegen, wenn er den ersten Schritt thut;

nicht.

daher wagt er es

Wohlan denn, lieber Vetter, lassen Sir uns

!). Vorwurfs - und Entschuldigungsschreiben. 451 inskünstige unsere Schuldigkeit besser beobachten, als bisher. Geben Sie mir zuweilen Nachricht aus der Welt, besonders von sich selbst: denn Sle sind mir der interessanteste Gegenstand. Ich will Ihnen bann auch melden, womit ich mir unterdessen die Zeit ver­ treibe, da ich den glücklichen Augenblick erwarte, es Ihnen wieder mündlich sagen zu können. UebrigenS versichere ich Ihnen, daß Ihnen Niemand mit größe­ rer Freundschaft und WerthschLtzung ergeben seyn kann, als Ihr getreuer Freund und Diener von Goldberg. 3. An einen verreiseten Freund, der nichts von sich hatte hören lassen.

Ich bin Zhrentwegen lange in großer Unruhe ge, wesen, lieber Falk heim. Sie verließen mich im Au, gust mit dem Versprechen, mir gleich nach Ihrer An, kunst in B. Nachricht zu geben, und diese habe ich erst gestern von Ihrem Fräulein Schwester erhalten, welche mir sagen ließ, daß sie zwei Billets von Ihnen bekommen hätte. Warum haben Sie mir nicht geschrte, ben? denn wir sind ja einig geworden, daß Sie zuerst schreiben und mir Ihre Wohnung melden sollten. Wis­ sen Sie wohl, daß Gärtners Zhrentwegen eben so sehr bekümmert gewesen sind, als ich? Wir waren es uns zwar immer vollkommen bewußt, daß wir Sie recht herzlich liebten, aber doch haben wir die ganze Größe unserer Zärtlichkeit erst seit der Zeit kennen ge, lernt, da wir Sie für verloren gehalten haben. ward vor einigen Wochen- Im Hekschen Vtsitenzimmer 29*

452

Deutsche Briefe.

ein Gepolter gehört; das hielten wir für eine Anzeige Ihres Genius,

der uns Ihren Tod meldete.

Die

ganze Familie ward durch diesen Gedanken in die Lu, ßerste Betrübniß versenkt.

Unsere Ahndung ist, Gott

sey Dank, nicht eingetroffen, und Sie befinden Sich

wohl.

Das freuet mich. Aber sagen Sie mir es doch

selbst:

denn kurz, wen» Sie sortführen mir nicht zu

schreiben, so würde es für mich fast eben so viel seyn,

al« wenn Sie todt wären. Wir haben Biesenthal ganzer zwei Monate hier

gehabt. Wenn ich mit Ihnen zufrieden wäre, so würde ich Ihnen Dinge von ihm sagen,

würden.

die Sie belustigen

Aber diesmal verdienen Sie es nicht.

Wir

wollen sehen, ob Sie sich dieser Nachrichten inökünf, tige würdiger machen werden. Von meinen Umständen kann ich Ihnen'auch nichts

besonders sagen.

Sie haben sich seit Ihrer Abreise nicht

tm geringsten geändert.

Leben Sie wohl,

und seyn

Sie sorgsamer in Ihren Pflichterweisungen gegen

Ihren ganz ergebenen

Wienerstock. 4. Antwort.

Mein lieber Wienerstock! Ich habe noch feinen

Augenblick an Ihrer und unserer, liebe» Freundinnen besondern Liebe gegen mich gezweifelt, und ich glaube

nicht, daß es eine größere Anhänglichkeit geben könne, als diejenige, welche ich mir von Ihnen verspreche. Ehe

ich Ihnen aber versichere und Ihnen glaubhaft mache,

daß ich Ihnen darin im geringsten nicht nachgebe, muß ich zuvor dem Vorwurfe begegnen, baß ich in der bi«,

s. Vorwurfs - und Entschuldigungsschreiben. 453 herigcn Unterlassung meines Schreibens an Sie pflicht, vergessen gehandelt habe. Nicht doch lieber Freund! Ich hatte Ihnen versprochen von mir umständlich Nach, richt zu geben, sobald ich in Ruhe und mein Schicksal entschieden seyn würde. Aber bisher ist weder da« eine noch das andere erfolgt. Sie erhalten diesen Brief so» gar von Frankfurt, wo ich mich wegen verdrießlicher Familienangelegenheiten, ich weiß nicht wie lange noch, aufhalten muß. Meine Umstände stehen noch in der Krisis *); und was kinnte es Ihnen nützen, wenn ich Ihnen sagen wollte, was ich fürchte und was ich hoffe, da ich es selbst so wenig weiß, als Sie. Daß mir diese Unschlüssigkeit des Schicksals äußerst bitter sey, darf und will ich Ihnen nicht sagen; denn ein so gutmüthiger theilnehmender Freund soll billig nur an, genehme Nachrichten von mir hören. Die einzige aber die ich Ihnen von dieser Art geben kann, ist die, die Sie sich alle Tage selbst geben können, daß ich alle« bösen Schein« ungeachtet von ganzem Herzen und von ganzer Seele, so lange ich lebe, sey Ihr getreuer Falkheim.

5.

An eine Freundin, welche ihren bedrängten Freund vergessen zu haben schien. Aus dem Französischen. Ist e« nicht genug, liebe Freundinn, daß sich die ganze Welt gegen mich verschworen hat; müssen auch

•) Et»« aus der Medizln entlehnte Reden-art, wodurch der Zustand der Krankheit angedeutet wird, da sie sich dricht und Beßrung oder Tod herbeiführt.

Deutsche Briefe.

454

Sie sich mit ihr verbinden, mich traurig zu machen? Deun das müssen Sie nur wissen, daß ich bet allen

meinen Leiden keinen andern Trost hatte, als den, Ihre Freundschaft und Achtung zu besitzen. Und er war hinreichend mich zu beruhigen, und zuweilen selbst aufgeräumt zu machen. Aber Sie haben mich vergess sen; und wenn der Gedanke an Theilnahme auch nur ein süßer Traum war, so verträumte ich doch mein Eiend

das mich nun beim Erwachen alle Bitterkeit fühlen läßt. Wie gern möchte ich mich noch mit der Hoffnung täu, schen, daß ich >mich ohne Ursache beklage.

Zch suche Die Unglücklichen sind miß, trauisch, argwöhnisch, sage ich mir; kurz ich gebe mir

Sie zu entschuldigen. selbst Unrecht.

Aber doch kann ich es nicht dahin brin­

gen, Sie zu rechtfertigen. Denn kurz, warum schress den Sie mir nicht? Ein böser Gedanke giebt den an,

dern.

Jetzt fällt es mir ein, daß Ihnen meine Briefe

unangenehm seyn mögen, da Sie mir zwei unbeant, wortet gelassen haben. Zch will also geschwinde schlte, ßen, und Ihnen versichern, daß ich. Sie mögen gegen

mich handeln, wie Sie wollen, nie aufhören kann, Zhnen von ganzem Herzen ergeben zu seyn, als ein aufrichtiger Freund und gehorsamer Diener Messer.

6.

Antwort. Ich bin böse, recht sehr böse.

Sieglauben, über

meine verlornen Briefe? das auch wol; aber eigentlich

und am meisten bin ich böse auf Sie. Wie, lieber Freund, Sir glauben nicht eher alles, als daß ich Sie

9. Vorwurfs - und Entschuldigungsschreiben. 455 vergessen hätte? Nein, die Ungerechtigkeit kann ichZH,

nen nicht verzeihen.

Sie sind sehr rasch in Ihren

Schlüßen, wenn es darauf ankommt, von Ihren Freun, binnen eine üble Meinung zu haben, denn gegen sich selbst sind Sie so strenge nicht.

Sie wissen sehr gar,

was man verlöre, wenn man Sie vernachlässigte, und ich selbst weiß e6 auch zu gut, als daß ich mir diesen Verlust, und noch dazu auf eine schimpfliche Art, zu, ziehen sollte.

Genug, lieber Freund, ich denke an Sie

mit Vergnügen, und Ihre Freundschaft wird auch nach zwanzig Jahren noch den Reitz der Neuheit haben. Sehen Sie, wie freundlich ich werde. Nicht wahr, beim Anfänge des Briefes erwarteten Sie das wohl

nicht? Auch weiß ich selbst nicht, wie es zugegangen ist. Sie verdienten mein Mitleiden nicht, wenn Sie daran

zweifelten. Ich bin aber versichert, daß die WeltZhf nen nächstens wird Gerechtigkeit widerfahren lassen. Verbeißen Sie nur den Schmerz. Der schlechtere Theil wird es dann müde werden. Sie zu kränken, wenn er sieht, daß er die schadenfrohe Absicht, Sie schreien zu hören, nicht erreicht; und der gute Theil wird Raum bekommen, Ihre Verdienste geltend zu

machen.

Zur Belohnung für die schönen Sachen, die

ich Ihnen gesagt habe,

erwarte ich nun von Ihnen

einen großen Brief, recht voll Reue über Ihre unge, rechten Beschuldigungen.

Wenn ich sage einen großen

Brief, so meine ich das so, daß man des Guten nie genug haben kann.

Uebrigens will ich auch wol mit

etwas Wenigerm vorlieb nehmen. Drei Zeilen von einem Mann wie Sie, sind mehr werth, als ein Ma, nuskript in Folio von einem Landmädchen, wie

Ihre ganz ergebene Freundin Sophie Kirchhorst.

456

Deutsche Briefe. 7.

Vorwürfe wegen nicht gehaltenen Versprechens.

Was habe ich begangen, gnädige Frau, daß Sie meine Angelegenheit aufgeben müssen? Ich war schon unglücklich, als Sie mir Ihren Beistand versprachen,

und jetzt bin ich es noch vielmehr. Sie sind nicht von der Art, daß Sie sich durch Unfälle von Ihren Freun, den und Dienern abwendig mache» lassen. Sie haben mir die Ehre erzeigt, mir das selbst zu versichern, auch zweifelte ich schon vorher nicht daran. Ich versichere Ihnen, gnädige Frau, daß Ihr Betragen mir außer,

ordentlich kränkend ist.

Nichts in der Welt konnte mir

Ich habe zwar nicht mit Gewiß, heil darauf gerechnet, daß Sie meine Sache wieder in Ordnung bringen könnten; aber darauf hatte ich wol geschworen, daß Die mir wenigstens Ihr Mißvergnü, gen würden darüber zu erkennen geben, daß Sie nicht im Stande wären, mir zu helfen. So sehr bi» ich mir meiner Hochachtung und Freundschaft gegen Sie unerwarteter seyn.

bewußt, und für meine Erkenntlichkeit für Ihre letz, tere Gütigkeiten Bürge. Erlauben Sie, gnädige Frau, daß ich mich hierüber gegen Sie beschwere, und Ih, ne» sage, daß diese Ihre Begegnung Niemand weni,

ger verdiente als ich: denn Niemand ist mit so gros­ ser Ehrerbietigkeit und so ausnehmender Hochachtung, als ich

Euer Gnaden unterthäniger Diener von Waidburg.

9. Vorwurfs, und Entschuldigungsschreiben. 457 8. Antwort.

Ihre Dorwürfe sind hart und bitter, mein Freund, aber eben die Härte ist mir ein Beweis, daß Sie über,

zeugt seyn müssen, wie wenig ich sie verdiene. im Ernste mit mir zu zanken,

Denn

dazu sind Sie zu artig

und zu stolz. Ich nehme sie also auch nicht anders, als wie ich sie nehmen muß, um so mehr, da ich,

wenn Sie wirklich int Ernste auf mich zürnten, alle Mittel in den Händen habe, Ihre voreilige Hitze zu

beschämen.

Ob ich mich der Sorge für Ihre Angele,

genheiten entschlagen habe,

darüber mögen Sie den

Herrn Präsidenten von Dunkelmann befragen, wel, cher mit meiner Zudringlichkeit für Sie wenigstens eben

so unzufrieden ist, als Sie mit meiner eingebildeten Nachlässigkeit. Und ob ich in dem Falle, wenn ich alle Augenblicke der Entwickelung Ihrer Geschichte ent­ gegen sah, so daß ich öfters schon das Papier zurecht,

gelegt harte, Ihnen die guten Wirkungen meiner Be, mühungen zu melden und nut Thatsachen zu beweisen.

Ihnen hätte schreiben sollen, darüber befragen Sie sich selbst. Rechnen Sie es sich also selbst zu, daß

Ihnen gegenwärtiger Brief nur Hoffnungen, und nicht wie ich wünschte und wollte, gewisse Nachrichten von dem glücklichen Ausgang Ihrer Sache überbringt. Sind die Versicherungen von Ihrer Freundschaft und Achtung für mich so aufrichtig, als Sie sagen, so be,

dürfen Sie meiner Verheurung nicht,

daß ich von

ganzem Herzen sey

Euer Hochedelgeborn ergebenste Freundin und Dienerin Elisabeth von Wurznach.

458

Deutsche Briefe. 9.

Billet an einen Verwandten, welcher vorbeigerei,

set war.

Ei, ei, mein lieber Herr Vetter, waren Sie e6, der gestern gegen Abend vor meiner Thür vorbei fuhr,

ohne das Nachtlager bei mir zu nehmen? Wie! mein Vetter, mein Freund, der mich tn zehn Jahren nicht besucht hat, macht solchen Stretch? Wenn es Ihnen,

auch nicht so angenehm gewesen wäre, als ich wünschte, mich wieder zu sehen; so hätte ich Ihnen doch eine Menge Neuigkeiten gesagt, worüber wir eine Menge

Betrachtungen angestellt hätten.

Wir würden: uns

einander die Standhaftigkeit, womit wir unser Miß,

geschick ertragen, gezeigt haben. Aber da Ihnen das alles gleichgültig ist, so sage tch bloß Adieu!

Gonndorf.

10.

Antwort. Ist es Ihnen denn nicht eingefallen,

mein wer,

thester Herr Vetter, daß bloß die billige Absicht, Zh, neu gegen die Nacht keine Unruhe zu machen,

mich

vor Ihrer Thüre vorbei geführt haben kann? Nein,

so trocken mich von Ihnen beurlauben zu lassen, das

bin ich nicht willens.

Warum hätte tch denn meinen

Weg über Reinsberg genommen, und die Post erst

auf übermorgen bestellt, wenn tch nicht wüßte, daß Sie hier sind, und mir nicht vollkommen Zeit nehmen wollte, Ihren Umgang einmal wieder zu genießen? Also noch kein Adieu, mein lieber Herr Vetter, som

9. Vorwurfs» und Entschuldigungsschreiben. 459 dem erst vorläufig ein herzliches Willkommen, welches ich mir in einer Stunde persönlich abzuholen, Vergnügen haben werde.

das

SB alther.

11.

An eine Freundin.

Wenn man einen Fehler begangen hat, liebe Freun, din, und ihn so treuherzig, wie Sie, eingesteht, so ist

das fast so gut, als wenn er nicht begangen wäre. Zn, dessen würde diese Aufrichtigkeit durch gar zu häufige Wiederholungen endlich ihren Werth verlieren. Also,

meine liebe Freundin, wollte ich Ihnen wohl rathen,

sich inökünftige zu bessern, und Ihre Briefe an mich

nicht ins Pult zu schließen. Wenn Sie die Anrwor, len so lange verschieben, so hört der Briefwechsel auf, eine Nachahmung mündlicher Unterhaltung zu seyn,

und wird dadurch seiner größten Annehmlichkeiten be, raubt. dacht,

Außerdem veranlassen Sie dadurch den Ver, daß Sie sich nur dann mit mir unterhalten,

wenn Sie sonst Niemand haben mit dem Sie sprechen können; und das ist doch der Zärtlichkeit nicht gemäß,

die Sie mir zu versichern belieben.

Da Sie m meinem

Hause wohnen, so wäre es freilich meine Schuldigkeit,

die Honneurs vom Haufe zu machen; aber da ich schon so lange aus demselben abwesend bin,

so giebt mir

das, dünkt mich, ein Recht, die Aufmerksamkeit, welche man gegen Fremde zu haben pflegt, von Ihnen zu erwarten. Warum bin ich doch nicht bei Ihnen zu Frie­

drich 6 th al? Ich würde Ihnen wenigstens die Ver­ gehungen ersparen, welcher Sie sich gegen mich schul,

460

Deutsche Briese.

dig machen! Denn wenn ich Sie mündlich anredete, so würden Sie doch die Antwort dann nicht auch zwei Monate verschieben. Leben Sie wohl, und denken Sle ein wenig fleißiger an Ihren ganz ergebenen Stille. 12. Eine Dame rechtfertiget sich über ihr langes Still, schweigen.

Was werden Sie von mir glauben, mein lieber Herr Vetter, da ich vor sechs Wochen einen so ange, nehmen Brief von Ihnen erhalten, und ihn noch nicht beantwortet habe? Der Grund liegt darin, daß ich heute vor sieben Wochen von der Gicht heimgesucht wurde und daß diese mich auch jetzt noch nicht ganz verlassen hat; denn die Hände sind mir noch so ge, schwollen, daß ich Ihnen nicht einmal selbst schreiben kann. Ein und zwanzig Tage hatte ich das hitzige Fie, der. Ich ließ mir Ihren Brief vorlesen, und erschien mir sehr gut geschrieben zu seyn; aber sein Inhalt hat sich so mit meinen beständigen Phantasien in der Fie, berhihe vermischt, daß es mir unmöglich seyn würde, darauf zu antworten. Das weiß ich wohl, daß ich Ihr Schreiben meiner Tochter übersandt, und während meiner Krankheit oft an Sie gedacht habe. Und das ist viel in einer Lage, in welcher ich mit mir selbst so sehr beschäftiget war. Ein solches Noviziat *) will einem Geschöpfe, wie ich bin, welches sein ganzes Le, *) Noviziat: dieses Wort wird eigentlich in Klöstern ge­ braucht, und bedeutet die Probezeit und die damit verbundenen harten Geschäfte derer, welche im Klo-er ausgenommen zu werden wünschen.

9. Vorwurfs - und Entschuldigungsschreiben 461

bett hindurch eine vollkommene Gesundheit genossen hatte, nicht behagen. Diese Krankheit hat auch meine Rückkehr nach Berlin bisher verzögert. Doch werde ich so bald alö ich wieder hergestellt bin, Hinreisen. Adieu, mein lieber Herr Vetter. Ich umarme Ihre Frau Tochter und bin Ihre ergebenste Freundin Wilhelmine Schmalz. 13. An einen üblen Dezahler.

P. P. Ich habe mir vor einiger Zeit die Ehre gegeben. Euer —(oder...) (oder Sie) um endliche Abtragung der bewußten Schuldpost auf das höflichste zu bitten. Es hat Ihnen aber beliebt, diesmal wieder in Ihrer gewöhnli­ chen Münze, nemlich mit leeren Vertröstungen zu bezah, len. Ich habe diese Münze überall ausgeboten, es hat sich aber niemand gefunden, der sie hätte für voll annehmen wollen. Es ist falsche Münze mein Herr. Noch steht es bei Ihnen, sie gegen gute Geldsorten wieder einzu, wechseln. Nach acht Tagen möchte sich leicht die Obrigkeit darein mischen; und dann sollte es mir leid thun, wenn Sie Kosten und Verdruß hatten. Sie würden es mir aber auch nicht verdenken können, wenn ich einmal Ih­ res unartigen Betragens müde geworden wäre. Ich schäme mich, in diesem Tone zu schreiben. Ist er Ih­ nen unangenehm, so hängt es von Ihnen ab, daß ich ihn ändere, und mich von ganzem Herzen nenne Euer

ergebenster Diener Hildebrandt.

462

Deutsche Briefe. 14 E i n

anderes.

P. P. Ich muß Euer re. in ganzem Ernste bitten, die Miethe endlich einmal abzutraqen. Ich berheure Ih, neu, daß ich In Ihre Ehrlichkeit kein Mißtrauen setze: aber ich brauche das Meinige, und Sie handeln um

gerecht, daß Sie mich ohne Noth in Verlegenheit kom,

men lassen. Und wenn das auch nicht wäre, so scheint

durch Ihr Betragen der Leichtsinn so deutlich durch, daß ich unrecht thäte, wenn ich Sie durch unzeikige Nachsicht darin bestärkte. Denn nach meinen Grund, sätzen muß ich nur da Nachsicht haben, wo es nicht

sowol am Wollen als am Kinnen fehlt. Daß lezteres aber bei Ihnen der Fall nicht ist, wissen Sie selbst am besten. Sollte es Ihnen eben so unangenehm seyn, Briefe dieses Inhalts zu lesen, als mir, sie zu schrei­ ben, so werden Sie mich nicht länger warten lassen. Uebrigene bin ich gewiß, daß eö Ihnen nicht an Dewei,

sen fehlt, wie gern ich in allen möglichen Fällen sey

Euer

k. ergebenster Diener Telkow.

15.' Ein anderes von einem Handwerksmann. P. P. Es sind nun schon neun Monate, da ich Eyer Hochedelgeborn die in beikommender Nota spezificirten

9. Vorwurfs - und Entschuldigungsschreiben 463

Arbeiten auf Ihr Verlangen promt und gut geliefert

Einem armen Handwerksmann, wie ich bin,

habe.

der aus der Hand in den Mund -ehrt, fällt zwar das Borgen sehr zur Last, »ch habe aber doch nicht so un,

bescheiden seyn wollen, Sie an die Bezahlung zu er, innern.

Denn wenn Sie zwar immer ein langsamer

Bezahler gewesen sind, so haben Sie sich doch endlich eingefunden. Aber diesmal halten Sie mich zu lange

auf.

Nebendem erfahre ich zu meinem größten Be,

fremden, daß Sie sich mit Ihrer Kundschaft anderswo hingewandt haben und daselbst nicht schuldig geblieben sind. Das ist nicht honnet. Womit habe ich diese Kränkung verdient? Sie sind immer mit mir zufrieden

gewesen, und ich weiß, daß Sie es seyn können. Ge,

hen Sie mit Ihren Bestellungen, wohin Sie wollen,

batf. muß ich yur gefallen lassen, so wie ich auch wirk, lich nichte dagegen habe. Aber daß Sie bei mir nur borgen und bei andern bezahlen wollen, das Ist äußerst unartig. Jetzt muß ich Sie also ersuchen, mit ehestem Ihre Rechnung bei mir zu tilgen, damit unsere Ver, bindung wirklich aufgehoben werde. Es würde Ihnen wenig Ehre bringen, wenn Ihr Betrage» bekannt würde, und das wird gewiß geschehen, wen» ich nicht

binnen acht Tagen befriediget bin. Uebrigens bin ich

Euer Hochedelgeborn bereitwilliger Diener Joachim

Marlins.

Deutsche Briefe.

464

16. Von einem Vormunde an seinen Mündel, welcher mit

Ungestüm und ungerechten Vorwürfen Geld ver, langt hatte. P. P.

Zch habe Ihren Brief gelesen, anfangs mit eins# gern Verdruß über die unanständige Sprache, welche

Sie darin führten, bald aber mit herzlichem Mitleiden wegen des Mangels am Verstände und des elenden Charakters, welcher daraus in feder Zeile hervorleuchtet. Sie haben meine Geduld ermüden wollen, und Sie

haben Ihren Zweck erreicht.

Zch habe gestern meine

Rechnung abgelegt, und mich von Ihrer Vormundschaft lvsgesagt. Eie haben eö also inSkünstige mit Herrn Dergemann zu thun. Wenn guter Rath und ver, nünfclge Vorstellungen bet Ihnen angewendet wären, so würde ich Ihnen rathen, mit dieser Veränderung auch Ihre Denkungsart und Ihre ganze Aufführung zu ändern, well Sle die Nachsicht nicht mehr finden werden, womit ich Sie verdorben zu haben scheine. Zur

Antwort auf Ihr letztes will ich Ihnen also nur kurz sagen, daß Ihnen der Magistrat kein Geld akkordlrt hat, weil es unverantwortlich seyn würde. Ihnen in Ihrer unordentlichen Lebensart Vorschub zu leisten. Auch ist vorläufig darauf angetragen worden. Sie in den öffentlichen Blättern für einen Verschwender zu

erklären.

Und dies wird geschehen,

so bald Sie sich

werden elnfallen lassen, Ihren Vormund mit neuen

Geldforderungen zu behelligen.

Hiemit sind wir ge,

schiedene Leute.

Ktusemark. 17. Von

9. Vorwurfs- und Entschuldigungsschreiben. 465

17. Von einer Mutter an ihre lasterhafte Tochter. O du, — wie soll ich dich nennen? — böses aus, geartetes Wesen! Was beginnst du? Was hast du be,

gönnen? Sind das die guten Lehren und Ermahnun, gen, mit welchen ich dich entließ? Sind das die Früchte

der Erziehung und Unterweisung, welche du von dei­ nem frühem Leben an erhieltest? Ehrst du so das An,

betitelt deines guten, frommen, seligen Vaters? Habe

ich dich darum mit Schmerzen gebohren, für dich ge, wacht,

gesorgt,

geweint,

gearbeitet? O daß du nie

das Tageslicht erblickt, oder in der Angst der Gebah, rerin verschmachtet wärest ! Gott, erleben? meine Tochter,

das mußte ich noch

um die meine Nachbarinnen

mich beneideten, welche meine Freude, mein Stolz war, fängt nun an, mich so zu kränken und zu demüthigen?

Zeder Stein siehet mich an,

und jeder,

vorüber gehet, zeiget mit Fingern auf mich.

der. vor mir Die Frech,

heit, womit du in deinem heutigen Briefe von deiner Schande schreibst, überführt mich, daß du schon zu tief

im Laster versunken bist, als daß ich meinem Herzen erlauben kannte, dich mit deiner Zugend und deinem Temperamente zu entschuldigen.

Du hast dich mit kal-

ter Ueberlegung der Lebensart überlassen,

führst.

welche du

Mich grauset vor dir. So schrecklich lösest du

mir das Räthsel, welches du mir vorlegtest, als du die beiden sehr annehmlichen Vorschläge so spröde von dir wiesest.

Ich Thörin, hielt es für Enthaltsamkeit

und allenfalls für Eigensinn des Geschmacks.

Eigensinn des Geschmacks.

Za wol

Die unzüchtige Liebe hatte

dir deinen Geschmack abgewonnen,

daß die keuschen

Umarmungen der ehelichen Zärtlichkeit dir anekelten. 30

466

Deutsche Briefe.

Da6 sind nun die Folgen von dem verfluchten Roma, nenlesen, da6 ich dir so oft, so ernstlich widerrathen habe. Aber der bübische Kerl mit dem Tressenhute galt mehr, als deine redliche Mutter. Und nun hast du eö. Jetzt freilich, da du noch im Taumel der Lüste bist, dem freigetsterifchen Verführer ln den Armen lie, gest, und dich in dem Zirkel deiner saubern Gespielin, yen umhertreibst, ist es kein Wunder, wenn die Stimme der Natur und der Religion dir Altweibergeschwätz zu seyn dünkt, dem man mit Hohngelächter begegnen muß. Aber denke daran, die Zeit wird kommen, wenn sich deine vollsaftige Natur erschöpft, dein höllischer Abgott dich verlassen haben wird, dann wird dein Gewissen aufwachen aus seinem fürchterlichen Schlafe, und dir die Wahrheit in ihrer ganzen schrecklichen Gestalt vor, halten. Jeder unreine Genuß wird dich verfolgen, als ein scheußliches Gespenst, und dich hinpeitschen, wie eine Furie, in den Abgrund der Verzweiflung. Dann lache noch, wenn du lachen kannst. Wenn jede Thräne deiner Murrer dir auf dem Herzen brennen, der Mein, etd, mit dem du deinen Barer vor Gottes Gericht hinsandtest, deine Seele drükken, wenn Armuth, Krank, heit und Schande vor Gott und der Welt dich treffen werden, dann gehe hin und tanze auf dem Grabe bet, ner Mutter, die du entehrt, gehöhnt und getödtet hast; dann sey gutes Muths, wenn du kannst. Aber ich sage dir, du wirst es nicht können; so wahr als Gott lebt! du wirst es nicht. Ob du gleich deine Kin, despflicht verlassen und mich von dir getrieben hast, so will ich doch meine Mutterpflicht, die letzte, die ich dir noch leisten kann, erfüllen; will dir sagen, was du nicht weißt, will dir -»schwören, was du nicht glaub, test. Höre mich, Karoline, höre mich: du bist nahe

9.

Vorwurfs- und Entschuldigungsschreiben. 467

am Abgrund des Verderbens.

Und nun mit den bit,

tersten Thräne», mit den Zukkungen der sich zerstören,

den Natur,

bei den Schmerzen,

mit denen ich dich

gebahr, bet dem Geiste deines vollendeten Vaters, bei deiner zeitlichen und ewigen Wohlfahrt bitt' ich dich,

beschwöre ich dich, Karoline, entreiß dich dem Ungeheuer das deine Seele verschlingt, winde dich los und eile,

eile zurück in die Arme deiner Mutter,

die bet aller

deiner unnatürlichen Aufführung noch zu gut oder zu

schwach ist, nenne es,

wie du willst,

als daß sie bei

deinem Anbltkke ungerührt seyn könnte.

Komm jetzt,

da ich meine Arme noch nach dir auestrekken kann. Der Gram um dich nagt heishungrig an meinem Leben.

Die Feder sinkt mir aus der zitternden Hand. Womit soll ich schließen? Ach sey wieder meine Tochter, damit ich mit Freuden wieder seyn könne deine Mutter Garbe.

18.

Von einem Vater an seinen Sohn. Met» Sohn!

ich höre durch die

dritte,

vierte

Hand, aber so, daß ich nicht an der Wahrheit zweifeln

kann, daß du dich auf die schlechte Seite legst. zu, wie du es verantworten könnest, betrübst und entehrst.

Siehe

daß du mich so

Das war es nicht, was du mir

bei deiner Abreise versprachst.

Auch habe ich mit mei­

ner Güte es woi um dich verdient, daß du mir Freude und nicht Leid zu machen suchtest.

hast du auf gutem Wege gewandelt.

Ein halbes Zahr

Sage mir, hast

du Ursache gefunden, deinen Fleiß und dein tugendhaft 30*

Deutsche Briefe. teS Leben zu bereue», und befindest du dich besser beim Gegentheil? Du bist alt und klug genug, hierübereine richtige Vergleichung anzustellen, und diese wird, das

weiß ich gewiß, immer zu deiner Beschämung auesallen. Man lernt freilich in gewissen Gesellschaften allerlei

Grundsätze, welche der Liederlichkeit das Wort reden, aber diese bestehen weder mit der Vernunft, noch mit

den Regeln der Klugheit;

von der Religion will ich

nichts sagen. Denn wenn du die liebtest, so könntest du nicht schlecht handeln. Wie du dich aber so weg» werfen, dich deiner eigenen Ueberlegung entäußern und an Leute glauben könnest,

welche an Geisteekräften

und einer guten Erziehung weit unter dir sind, das be< greife Ich nicht.

Du bist In einem Zustande von Ver­

blendung. Es ist meine Pflicht, dir die Augen zu öffnen,

und dich darauf aufmerksam zu machen, was du seyn sollst und seyn willst, und nicht bist.

Du suchst Ver,

gnügen, Ruhm und Vollkommenheit,

findest du auf diesem Wege nicht. «In Vergnüge»,

Allee die« aber

Wae ist dae für

dae gleich nach dem Genüße dir an­

ekelt? Was ist das für ein Ruhm, unedle Handlungen

wenn man durch

sich eben so bald verächtlich als

bekannt macht? Was sind das für Vollkommenheiten, die kein edler Mensch dir mißgönnt,

die weder Ehre

noch Brod bringen? Leugne mir deine Aufführung nicht. ES würde dir nichts helfen.

Zch bin ihrer zu gewiß,

als daß Ich mich durch Heucheleien könnte hintergehen lassen.

Schon deine Briefe haben dich seit einiger Zeit

verrathen, und mich vermocht, über meinen daraus ge­ schöpften Argwohn

nähere Erkundigung

einzuziehen.

Daß du dir aber nur nicht einfallen lässest,

irgend

einen deiner Landsleute als einen Verräther zur Rede

zu stellen! Du würdest ihnen allen Unrecht thun, uns

9. Vorwurfs- und Entschuldigungsschreiben. 469 wenn id) dich jetzt mit Mitleiden betrachte,

so würde

ich dich dann mit Verachtung und gänzlicher Entziehung meiner väterlichen Liebe bestrafen.

Sey klug. Bedenke,

was du Gott, deinem Vaterlande, deiner Familie, und dir selbst schuldig bist.

Schreibe mir aufrichtig,

ob

etwa äußere Hindernisse vorhanden sind, die dir die Rückkehr zur Besserung erschweren.

Denn das kann

ich nicht glauben, daß mein Karl nicht längst einer so schimpflichen und schändlichen Lebensart müde seyn sollte.

Glaubst du in deiner Gesellschaft so verflochten zu seyn,

daß du dich aus derselben ohne Schwierigkeit und @e,

fahr nicht wieder zurückziehen könnest, so will ich lie, ber, daß du den Ort verlassest und in F... die Freiheit habest, wieder nach deinem gewohnten guten Geschmack zu leben.

Hängt es aber von dtr ab, bloß mit Ueber,

Windung deiner selbst, in H .... dich wieder mit dir auöznsöhnen, so ist es mir desto lieber.

Da aus diesem

ganzen Briefe mein väterliches Wohlmeinen sehr deut, lich hervorleuchtet, so hoffe ich auch, daß es auf dich den

Eindruck machen werde, den ich wünsche.

Vergiß aber

nicht, Karl, daß ich im gegenseitigen Fall mein Herz in meiner Gewalt habe. es ungern.

Du verstehst mich.

Zch sgge

Aber die Umstände erfordern es. Es hängt

von dtr ab, zu machen, daß es so gut, als nicht gesagt sey.

Denn immer ist es meiner Neigung angemessener,

doch nur mit Betstimmung der Gerechtigkeit kann es geschehen, daß ich mich dir zeige als

deinen zärtlichen Vater

Wilhelmsen.

Deutsche Briefe.

470

19. Antwort.

Mein lieber gütiger Vater! Ich bin über die sanfte

Gewissensrüge, mit welcher Sie mir meine unanstLn,

ungemein betroffen.

dige Aufführung verweisen, schäme mich.

Zch

Es ist wahr, daß ich von meiner guten

Ordnung abgewichen gewesen bin.

Zch begehre mich

auch nicht darüber zu entschuldigen.

Denn alleö, was

ich zu meiner Entschuldigung sagen könnte, würde nur

meinen Verstand beschimpfen. ter Zeit wieder gefühlt;

Zch habe mich zu rech­

Zhr gutes Wort hat meine

Vorsätze befestiget, und ich glaube völlig wieder herge, stellt zu seyn.

Ihnen Unruhe

Es thut mir aufrichtig leid,

und Mißvergnügen

daß ich

verursacht habe,

und ich bitte Sie tausendmal um Vergebung. Es scheint

indessen fast, daß man Ihnen meine Thorheiten übler abgebildet hat, als sie waren.

Denn tm Grunde habe

ich mich keines eigentlichen Lasters schuldig gemacht; sondern habe bloß zerstreuende Vergnügungen übertrie, ben, und ihnen mit Aufopferung meines Geldes und

meiner Zeit nachgehingr.

Zch sage dies nicht, mich

zu entschuldigen, und als ob ich meine Ausschweifun,

gen für gering hielte. tadeln, als ich selbst.

für schlimmer,

Man kann sie nicht strenger Aber vielleicht halten Sie mich

als ich bin;

und so wird es Zhnen

einigermaßen zum Trost gereichen,

meiner wahren Gestalt zeige.

wenn ich mich in

Seit vier Wochen bin

ich wieder auf meinem guten Zuge, mit dem festen Ent, schlusse,

mich nicht wieder wankend machen zu lassen.

Um mich in demselben zu befestigen, lieber Vater, be­ darf es keiner Veränderung des Orts: denn im Grunde

habe ich mich in keine so feste Verbindungen etngelas,

9. Vorwurfs - und Entschuldigungsschreiben. 47 t feit,

daß ich nicht immer von meinen eigenen Ent-

schlössen abhangen dürste,

und jener Vergnügungen

bin ich so herzlich satt geworden, daß ich wol nie wie­

der von freien Stücken darnach greifen werde.

aber will ich thun, wenn Sie es erlauben.

Da«

Ich will

künftige Michaelis in das Haus des Herrn D. S.

ziehen,

welches eine Freistatt gegen alle Thorheiten,

und ein unentwethter Tempel des Fleißes und der gute» Sitten zu seyn scheinet. Was ich dort werde an Mie, rhe mehr geben müssen, will ich gern durch anderweitige

Einschränkungen zu ersparen suchen, so daß ich Ihnen

durch diese Veränderung nicht beschwerlich zu werden

gedenke. Zch bin freilich durch meine Thorheiten in meiner Oekonomie etwas zurückgekommen, aber eö wäre unverschämt,

wenn ich Ihnen damit zur Last fallen

wollte! und ich getraue mich also auch nicht. Sie um

einen kleinen Nachschuß von 20 Nkhlr. zu bitten. Zch

ergreife die Versicherung Ihrer väterlichen Nachsicht und Güte mir dem gerührtesten Dank und umarme

Sie mit kindlicher Ehrerbietigkeit als Zhr gehorsamster Sohn

George.

20. Eine Dame entschuldiget sich über eine» bittern Brief,

den sie vorher an ihren Freund geschrieben harte.

Aue dem Französischen. Zch setze mich eiligst hin, an Sie zu schreiben, um

den Verdruß, welchen Zhnen mein letzter Brief gemacht hat,

in Zhrem Gemüthe wieder auszulischen.

hatte ihn kaum geschrieben,

so

Ich

bereuete ich es auch

schon, daß ich ihn geschrieben hatte.

Freund Goldbek

472

Deutsche Briefe,

wollte die Absendung hintertreiben; aber Ich wollte meinen Brief nicht verloren gehen lassen, so häßlich er auch war, und glaubte, daß ich Sie darum nicht ver, lieren würde, da Sie mich wol durch noch etwas Schlim­

meres nicht verloren hatten. Wir verlieren uns nicht von einander; unsere Bande dehnen sich wol zuweilen

aus, aber reißen doch nie. Ie sais ce qu* en vaut Faune; *) nach meiner Erfahrung konnte ich es mit dem Päckchen schon wagen.

Zch muß gesiehn, ich war

bei recht übler Laune und konnte es nicht von mir er­

halten, sanftmüthiger zu schreiben. Zch tauchte die Feder in meine Galle, und so entstand der dumme, 61t#

tere Brief, worüber ich Sie tausendmal um Verzeihung bitte.

Wären Sie eine Stunde nachher in mein Zim­

mer gekommen,

so hätten wir gemeinschaftlich über mich gespottet. Wir sind nun doch wieder auögesöhnt? Glücklich wären Sie, wenn Sie mit mir ganz aufs reine wären; aber guter Gott! daß ich doch immer in Zhrer Schuld bleibe, und nie abzahlel Herr Gold, bek wird Zhnen sagen, wie ich bi», und Zhnen, trotz meiner grauen Haare, vielleicht einige Zuneigung ge,

gen mich einflößen. Er ist sehr mein Freund, und ich schwöre Zhnen, daß ich keinen lieber habe als ihn. Sein Verstand, sein Herz, seine Gesinnungen gefalle» mit ausnehmend. Er ist ein Gut, welches ich Zhnen verdanke: ohne Sie hätte ich ihn nie gesehen. Bald

werden Sie ihn bei sich haben, seiner Unterhaltung genießen.

und das Vergnügen

Er wird Zhnen sagen,

daß N an tch en todt und mit ihr alle Freude im Kiel­ scheu Hause gestorben ist.

Adieu, Freund, keinen Groll

•) Ich weiß was die Elle davon gilt- d. (. ich weiß wie ich mit Zhnen daran bin.

9. Vorwurfs - und Entschuldigungsschreiben. 473 weiter! ich habe ein Bischen Unrecht! und wer hat das nicht in der Welt? Dabei bleibe ich doch immer von ganzem Herzen Ihre ergebenste Louise Markscheid.

21. Entschuldigung über unterlassenes Schreiben, von ei­ nem Frauenzimmer an ihren Freund.

Wenn Sie geglaubt haben, Berlin mit seinen Lustbarkeiten sei die Ursache, warum ich Ihnen nicht geschrieben habe, mein lieber Freund, so haben Sie falsch geurtheilet. Wenn ich Zeit gehabt hätte, Ver, gnügungen zu suchen, so würde ich an Sie geschrieben haben; denn dies ist mir das angenehmste Vergnügen, was ich genießen kann, ich sei, wo ich wolle. Die wahre Ursache ist die, daß ich hier immer sehr krank gewesen, und nicht anders aus dem Bette gekommen bin, als um meinen Proceß im Gange zu erhalten. Verbinden Sie mit der Schwachheit, welche noch ein Ueberrest vom Fieber ist, eine kleine Portion Faulheit und eine Dosis übler Laune, so wissen Sie, was mich verhindert hat, meine Schuldigkeit zu beobachten. Ver­ zeihen Sie, und bleiben Sie immer mein guter Freund. Wenn ich helterer seyn werde, so werden auch meine Briefe langer und munterer seyn, als dieser. Adieu.

Caroline Dase.

Deutsche Briefe.

-174

22.

E i n

Sie sind,

anderes.

mit Erlaubniß,

sehr ungerecht,

liebe

Freundin, daß Sie sich über mich beklagen. Ich habe keinen Brief von Ihnen bekommen, den ich nicht beant,

daß ich,

Ich weiß wohl,

wortet hätte.

meiner Ehre

unbeschadet, hätte zweimal schreiben können, wenn Sie auch nur einmal geschrieben hätten,- aber es fehlte mir

an Neuigkeiten, die mir dazu hätten Veranlassung ge­

ben können; Sie hingegen sind an der Quelle derselben.

(welches ich doch nimmermehr zugeben

Und gesetzt,

werde) gesetzt,

ich hatte mich einer Nachlässigkeit ge,

gen Sie schuldig gemacht,

so war es doch hart,

daß

Sie sich eher gegen andere als gegen mich selbst darü­ Wir kennen uns einander so gut,

ber beklagten.

daß

Sie mir lieber sollten Beleidigungen ins Gesicht sagen, als Vorwürfe durch andere machen lassen.

also so gütig,

Seyn Sie

mir in einem eigenen Briefe meinen

Verweiß zu geben.

Wenn Sie mir gleich dadurch eine

Ungerechtigkeit zufügen, so werde ich Ihnen doch da­

Ich befürchte aber sehr,

für sehr verbunden seyn.

daß Sie so böse nicht sind auf Ihren ganz ergebensten T o l l a n d.

23.

Verweis einer Mutter an ihre Tochter, welche in Dien­ sten steht. Ich höre, meine liebe Tochter, daß Deine Herr,

schäft große Klage über Dich führt, wegen.großer Nach, lässigkeiten,

die Du Dir in deinen Geschäften lässest

9. Vorwurfs - und Entschuldigungsschreiben. 475 zu Schulden kommen: und wenn Du darüber zur Rede

gestellt wirst, so pflegst Du Dich immer noch zu antworten, und die wohlverdienten Vorwürfe mit gestüm zu erwidern. Da6 thut mir sehr leid. diese Art machst Du der Erziehung Deiner Eltern

ver­ Utu Auf we­

nig Ehre. Ein Mensch/ der seine Pflichten vernach, lässiger, welche er freiwillig übernommen hat, und

wofür er sich bezahlen läßt, ist nichts besser als ein Dieb, der seinen Mitmenschen das Ihrige raubt, oder als ein böser Schuldner, der borgt und nicht wieder bezahlt. Und an solchem Menschen haben Gott und Menschen keinen Wohlgefallen, vielmehr verfolgt ihn

anstatt des Segens der Fluch. Wie wirst Du einmal selbst Deinen eigenen Geschäften wohl verstehen^ wenn

Du es jetzt nicht lernst,

sondern vielmehr Dich zur

Unordnung und Trägheit gewöhnst. Das Wenigste, was Du thun kannst, wenn Dir Dein pflichtwidriges Betragen verwiesen wird, ist, die Vorwürfe mit De, muth anzuhören, Dich allenfalls mit Bescheidenheit zu entschuldigen, wenn Du kannst, und Besserung zu versprechen, die Du dann auch beweisen mußt. Herr,

schäften vertreten die Stelle von Vater und Mutter; und Dienstboten, die ihre Herrschaften ehren nnd ihnen

treu dienen, folget die Verheißung des vierten Gebots. Auf daß Dirs also wohl gehe, wie Du wünschest, so richte Dich nach Gottes Gebot, und thue Deiner Herr, schäft gut.

Sonst bin ich nicht mehr Deine gute Mutter Maria Weller.

Zugabe.

476

III. Zugabe.

Anweisung zu kleinen Aufsätzen, welche im gemeinen Leben außer dem Brief­ schreiben vorkommen.

1.

Von a.

Kontrakten.

Vorläufige Erinnerungen.

Äöenn (a) zwei oder mehrere Personen (b) zur Er, Werbung oder Veräußerung eures Rechte (c) sich ein, ander wechselseitig (d) ihre Einwilligung geben, so

heißt daö ein Kontrakt oder Vertrag.

1. Einen

Kontrakt schließen,

kann ein

jeder in so weit, als er fähig ist rechtSgül, tige Willenserklärungen von sich zu geben;

d. h: als er das Vermögen besitzt, mit Verstand und Ueberlegung zu handeln. Kinder also unter sieben Zähren, Rasende und Wahnsinnige, Betrunkene, und solche, die durch Schrecken, Furcht, Zorn oder andere heftige Leidenschaften in einen Zustand verseht worden,

worin sie ihrer Vernunft nicht mächtig sind,

können

gar nicht gültig verfügen; Unmündige aber unter vierzehn Jahren und Blödsinnige nur so weit, als sie sich

dadurch Vortheil erwerben: denn wenn zugleich Pflich,

1. Anweisung zu kleinen Aufsätzen.

477

ten und Lasten übernommen werden, so ist die Einwilligung des Vormunds erforderlich.

Bei Kontrakten

werden die Minderjährigen und diejenigen, welche für

Verschwender erklärt sind,

und überhaupt ein jeder,

der unter Vormundschaft gesetzt ist, den Unmündigen

gleich geachtet.

Kinder werden angesehn, als Unmün,

dige, welche unter der Vormundschaft ihrer Eltern sie,

hen.

Die Frage: ob nnverheirathete Frauenzimmer in

dem Rechte, Verträge zu schließen, den Mannsperso­ nen gleich zu achten sind? wird durch die Gesetze jeder

Provinz entschieden.

Nach dem gemeinen Landrechte

wird die Frage mit Ja beantwortet.

Ehefrauen ha­

ben nur über ihr vorbehaltenes *) Vermögen die freie

Disposition, und auch dies nur, so lange als sie sich nicht durch Unwirthschaftlichkeit und Verschwendung

derselben unwürdig machen, als in welchem Falle der Mann als ihr Vormund angesehen werden muß. —

Jeder Kontrahent ist schuldig sich zu erkundigen, ob der andere zu Abschließung eines Vertrags fähig sey

oder nicht;

dazu ist eine bloße eidliche Versicherung

des letztern nicht zureichend.

Ist er dieser Erkundi­

gung ohnerachtet zu einem Vertrage verleitet worden,

so kann er sich an dem Vermögen des andern schad, los halten, und dieser wird als ein Betrüger bestraft.

*) Dahin gehört i) was nach seiner Beschaffenheit zum Gebrauch der Frau bestimmt ist, 2) die bei Schließung der Ehe vom Manne versprochene Mor­ gengabe, 3) wa6 sonst durch Verträge der Frau vor­ behalten ist, 4) was ihr an Geschenk oder Erbschaft ausdrücklich als vorbehaltenes Vermögen zugewandt wird, 5) was der Frau von dem vorbehaltenen Ver­ mögen durch Ersparniß oder eigenes Gewerbe zu­ wächst. Das Uebrige ist Eingebrachtes, und darüber hat der Mann die Verwaltung.

Zusäße.

478

Wer sich mit einer Person unter achtzehn Zähren In Verträge einläßt, kann sich mit der Unwissenheit der Minderjährigkeit derselben nicht

entschuldigen.

Hat

sich Jemand mit einer unfähigen Person in einen Kontrakt eingelassen, so muß er bei dem Vertrage blei,

den, die sich der Vormund erklärt hat, doch kann er

demselben dazu eine Zeit sehen. Auch ist es dem Pstegbefohlnen erlaubt, wenn der Vormund seine Ein,

willigung versagt, auf die Ergänzung derselben bei dem Richter anzutragen. Mit dem Pstegbefohlnen selbst kann der Vormund keine Verträge schließen, welche

jenen verpflichten; sondern es muß jenem dazu ein be,

sonderer Curator zugeordnet werden. 2. Verträge können geschlossen werden über alles,

was der Gegenstand rechtsgül,

tiger Willenserklärungen seyn kann. Daher kann (a) Niemand die Handlung oder die Sache eines dritten versprechen. Wenn er es thut, so lst er nur so anzusehen, als ob er sich anhei, schig gemacht habe, sich zu bemühen, den dritten zur Erfüllung dieses Versprechens geneigt zu machen.

Zst

die Mühe wirklich ernstlich angewendet worden, aber vergeblich gewesen, so ist für ihn der Kontrakt damit

aufgehoben, doch muß er das, was er etwa schon da, für erhalten hat, wieder herausgeben oder vergütigen. Hat er aber wirklich für den Erfolg einstehen wollen, so muß er bei nicht erfolgter Erwartung vollständige

Genugthuung leisten,

(b) Verträge Aber absolut

u „mögliche Handlungen sind durchaus nichtig: über Handlungen aber, die nur unter beson­ dern Bedingungen unmöglich sind, nur dann, wenn die Unmöglichkeit beiden Theilen unbekannt war. War diese Unmöglichkeit aber dem, der sie bet Schlie,

1. Anweisung zu kleinen Aussätzen. ßung des Vertrags übernahm, bekannt,

47 9

so muß er

den andern entschädigen. War sie dem andern be­ kannt, so ist der Vertrag nichtig; und wenn dieser et­ was darauf gegeben hat, so ist dieses als eine Schen­ kung anzusehen.

Hört die bedingte Unmöglichkeit in­

nerhalb der zur Erfüllung des Vertrages festgesetzten

Zelt auf, oder ist dem andern Theile im Kontrakte die Wahl gelassen, an Statt des Unmöglichen etwas

anders zu fordern, so bestehet der Vertrag,

(c) Ver­

träge über Sachen, welche durch ihre Natur, oder

durch die Gesetze, oder durch rechtliche Privatversügungen dem Privatverkehre entzogen sind,

sind nur

in so,ferne gültig, als das Hinderniß gehoben werden

kann.

Doch kann die Erfüllung nur erst nach erfolg­

ter Hebung des Hindernisses gefordert werden. Zst die dazu im Kontrakte oder auf Erfordern des einen Theils vom Richter bestimmte Zeit fruchtlos verflossen:

so ist der Kontrakt unkräftig.

War dieses Hinderniß

nur einem Theile bekannt, so muß dieser für die Hin, wegraumung des Hindernisses sorgen: war es beiden bekannt, so liegt sie dem ob, in dessen Person das Hin, derniß liegt.

(Z. E. wenn ein Bürgerlicher sich in

einen Kaufkontrakt über ein adltcheö Gut einläßt,

so

muß er das Hinderniß des Verbots aus dem Wege

räumen und den Consens suchen.) War es keinem so hat bei wohlthätigen Verträ,

von beiden bekannt,

gen der Begünstigte, bei lästigen Verträgen aber ein Zeder dazu gleiche Verbindlichkeit, das Hinderniß hin, weg zu räumen. Kann das Hinderniß nicht gehoben werden, so ist der Kontrakt aufgehoben und die Regeln von b. treten ein.

(d) Unerlaubte Handlun, gen lassen keine gültigen Verträge zu. Findet aber

gegen das Verbot eine Dispensation Statt, so ist

Zusätze.

480

dieses als ein Hinderniß anzusehen, und die Gesetze (e) Verträge, deren Er,

von No. c. treten ein.

füllung Niemand

nützt, müssen auf Anrufung

des belasteten Theils vom Richter aufgehoben werden.

(f) Verträge, deren Gegenstand ganz unbe, stimmt oder deren Erfüllung lediglich der Willkühr des einen Theils anheimstehet, sind

unverbindlich.

Soll die Bestimmung von einem drit,

te« geschehen, so wird der Vertrag verbindlich, sobald dieser die Bestimmung gegeben hat.

nicht gezwungen werden,

Dieser kann aber

die Bestimmung zu geben.

(g) Wenn die Vortheile eines dritten der Gegenstand des Vertrages sind, so ist derselbe für die Kontrahenten gültig. Der Dritte aber erlangt

nur erst dann daraus ein Recht, wenn er demselben mit Bewilligung der Hauptparrheyen beigetreten ist; bis dahin kann der Kontrakt mit Bewilligung der Hauptkontrahenten abgeändert und aufgehoben, doch muß, wenn dem Dritten der Antrag zum Beitritt be, reits geschehen ist, dessen Erklärung abgewartet werden.

3.

Durch

die Annahme eines

Verspre,

chens wird der Kontrakt geschlossen.

Diese

Annahme muß (a) eine rechtsgültige Willens, erklärung seyn, d. t. sie muß frei und ohne Zwang, mit Ernst, und entweder mit deutlichen Worten dder durch Handlungen, die die Erklärung zuverlässig anzei, gen, geschehen, (d) Sie muß unbedingt und un, eingeschränkt geschehen; sonst kann der Verspre, chende seinen Antrag zurück nehmen, (c) Sie muß zu

gehöriger Zett geschehen.

Diese Zeit ist aber ent,

weder bestimmt oder nicht. Sm ersten Fall muß der Antragende dieselbe abwarten. Zst die Bedenkzeit zu einem gewissen Zweck bestimmt, so muß die Zeit, da die,

1. Anweisung zu kleinen Aufsätzen.

481

dieser Zweck erreicht werden kann, dazu angenommen werden. Zst die Zeit unbestimmt, so muß bei mündlichen Anträgen die Gegenerklärung auf der Stelle, bei schriftlichen aber unter Anwesenden innerhalb 24 Stunden, unter Abwesenden hinge, gen mit der nächsten Post, oder wenn der abgesandte Bote zurück seyn kann, erfolgen. Einer Korporation, (Gemeine, Gilde rc.) muß der zur Berathschlagung nöthige Verzug gestattet werden. — Nach Ablauf der Zeit kann, wenn die Annahme nicht erfolgt ist, der Antragende zurück treten, doch muß er solches so fort oder unter Abwesenden mlt der nächsten Post erklären. Wenn während dieser gesetzlichen Zeit einer der Kon, trahenten verstirbt, so ändert das in den Pflichten und Rechten wegen der Annahme nichts; doch sind die Er, den des Annehmenden zu der vom Erblasser noch nicht geschehenen Annahme nicht berechtigt, wenn der Antrag bloß zu persönlicher Begünstigung des Erblassers ab, zielte, oder wenn ein Fall vorhanden ist, da wegen Absterben des einen Theils von dem wirklich geschlos, fetic.ii Vertrage vor der Erfüllung wieder abgegangen werden kann. (S. unten No. 8. g.) Uebrigens kann dte Annahme auch durch Bevollmächtigte geschehen; auch berechtigt sie nur zu so viel als von dem andern angetragen war. 4) Zur Gültigkeit eines Vertrages gehört auch die Beobachtung der gesetzlichen Form, und zwar nach den Gesehen des Orts, wo der Vertrag geschlossen oder das Instrument datirt ist; bet unbeweglichen Sa, chen aber gelten die Gesetze des Orts, wo das Grund, stück liegt. Zst die Beobachtung einer gesetzlichen Form bloß unter Androhung einer Strafe verordnet, so bleibt auch bei Unterlassung der Formalität der Vertrag gül, 31

Zugabe.

452

(Z. E. Wenn ein Kontrakt nach den Gesetzen

tig.

auf einem Stempelbogen ausgefertiget werden muß;

so wird, wenn dies nicht geschehen ist, die Stempel­ strafe

erlegt,

aber der Kontrakt ist demohngeachtet,

wenn sonst nichts dagegen ist, gültig).

A. Ein Vertrag muß schriftlich 'abgefaßt werden, der (a) eine Sache von fünfzig Thalern

Courant am Werth, (b) Grundgerechtigkeiten und be­ ständige persönliche Lasten und Pflichten, (c) terminliche Leistungen, wo die Zahl der Termine entweder unbe­ stimmt ist, oder die Zahl der Termine zusammen ge­

nommen, die Summe von 50 Rthlr. übersteiget (hie­ bet ist aber gemeiner Gesinde, Lohn ausgenommen), (d)

gewagte Geschäfte, (e) verabredete Strafen über 50 Rthlr., zum Gegenstände hat. — Dagegen bedarf

e< keines schriftlichen Vertrages (a) wenn Je­ mand Sachen in Verwahrung gegeben werden, (b) wenn ein Vertrag über bewegliche Sachen sogleich von beiden Theilen erfüllt, oder außerhalb Landes an einem Orte geschlossen worden, wo mündliche Verträge ohne Unterschied gültig sind, (c) bei Kaufhandlungen über Meß, und Marktwaaren, die von oder mit Kaufleuten während der Messe geschlossen und sogleich erfüllt, oder in kaufmännisch geführte Bücher eingetragen werden. Ausserdem aber müssen solche Kaufhandlungen schriftlich abgefaßt oder dem Meß, und Marktgerichte mündlich angezeigt werden. Hiebei ist weiter zu merken: 1) Schriftliche Ver-

träge werden erst durch die Unterschrift gültig;

die Besiegelung aber ist in keinem Falle nöthig. 2) Die vom Schuldner geschehene Unterschrift einer Rechnung über Waaren ober Arbeiten vertritt in allen Fällen die Stelle eines schriftlichen Vertrages.

3) Wenn ein

1. Anweisung zu kleinen Aufsätzen

483

Dritter einem schriftlichen Kontrakte beitritt, so muß auch dieser Beitritt schriftlich geschehen. 4) Aus Kon, trakten, die schriftlich geschlossen werden müssen, und nur mündlich geschehen sind, findet keine gerichtliche Klage Statt. Hat aber einer der Kontrahenten dem andern bereits etwas darauf gegeben, gethan oder ge, zahlt, so kann er auf die Zurückgabe und Vergütigung bei dem Richter gültig antragen. 5) Ist ein schrift, licher Vertrag verlohren gegangen, so sind alle gesetzliche Beweismittel zur Ausmittelung des In, Halts desselben zuläßig. Hat aber einer der Kontrahen, ten das Instrument vorsätzlich vernichtet, so gilt die Angabe des Andern von dem Inhalte desselben so lange bi« jener das Gegentheil beweiset. 6) Ein von einem Iustizkommissarius aufgenommenes Protokoll, inglri, chen eine unterschriebene Punktatton, welche alle we, sentliche Bestimmungen des Geschäfts enthält, ist so gültig, wie ein förmlicher geschriebener Kontrakt. 7) Bei schriftlich geschlossenen Kontrakten kann auf vorge, schützte mündliche Nebenreden keine Rücksicht genom, men werden; sondern die etwan fehlenden Nebenbei stimmungen müssen nach dem Inhalt der Gesetze vom Richter ergänzt werden. 8) Wenn sich Jemand schrift, lich oder zu Protokoll zu einem mündlich geschlossenem Vertrage bekennt, so wird derselbe, so weit als dieses Anerkenntniß reicht, vom Anfänge an dadurch gültig. B. Eine gerichtliche Anfertigung des Kon, traktes ist nöthig, wenn unter den Kontrahenten sich Personen befinden, welche (a) blind oder tanbstumm, (b) oder des Schreibens unerfahren, (o) oder durch Zu, fall dazu unfähig sind, (d) oder der Sprache nicht kundig sind, in welcher das Instrument abgefaßt werden soll. Zn den Fällen b und c ist es hinreichend, wenn die 31*

484

Zugabe.

Anfertigung durch einenZustizkommissarius, ja bei Land, (tuten durch die Dvrfgerichte mit Zuziehung eines ver­ eideten GerichkSschrcibers geschiehet. — Wo diese For­ malität nicht beobachtet wird, gilt der schriftliche Kon­

trakt nur als ein mündlicher. Die gerlchtliche Bestätigung eines sonstgül,

tigen Kontrakts ist in der Regel nicht nvth>ve»dig; sie begründet aber die Vermuthung, daß der Vertrag ge, setzmäßig abgeschlossen sey und seht ein gerichtliches An, erkenntniß voraus, auch kann die Erfüllung deö Ver,

träges durch Einwendungen, die nicht gleich klar gemacht werden können, nicht aufgehalten werden. C. Den gesetzlichen Gebrauch deö Stempelpapiers

zu den Kontrakten s. weiter unten.

Diese Gesetze über Kontrakte überhaupt finden nun

bei jeder besondern Art von Kontrakten ihre Anweii,

düng. Von jeder einzelnen Art ist nun noch besonders zu bemerken: 1. Zn Verträgen, wo Sachen gegen Handlungen, oder Handlungen gegen Hand, lungen (Geld oder Geldeswerlh für Dienste, oder

Dienste für Dienste) versprochen werden, (als wo, hin die Kontrakte zwischen Herrschaften und Dienstbo­ ten, zwischen Arbeitern und dem, der die Arbeit auf­

getragen hat, iugleichen die Lieferungsverträge gehören) muß für eine versprochene Handlung oder Unterlassung eine Vergütung bestimmt seyn, sonst ist kein Vertrag vorhanden. Zst die Vergütung nicht hinlänglich be, stimmt, so muß fie durch Sachverständige vollends be, stimmt werden. Gehört die Handlung zu den Berufe,

1. Anweisung zu kleinen Aufsähen.

485

geschäften des Verpflichteten, so kann er den gewöhn­ lichen Lohn auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt ver­

langen. Was nun insbesondere die Verträge zwischen Herrschaften und Dienstvoten betrift, so ver­

tritt bei gemeinem Gesinde das Geben und Annehmen des MiethsgeldeS die. Stelle des Kontrakts, wozu es

keiner besondern schriftlichen Anfertigung bedarf. Hin-,

gegen mit HauSosficianten, denen nur ein gewisses Ge­ schäft in der Haushaltung oder die Aufsicht darüber aufgetragen wird, muß ein schriftlicher Kontrakt aus­ genommen werden; an bloß mündlicher Verabredung

Ebenfalls mit Erziehern und Erzieherinnen, Privatsekretärs, Kaplänen re. wird ein

ist Niemand gebunden.

schriftlicher Kontrakt errichtet, in welchem zugleich der besondern Rechte und Pflichten derselben Erwähnung geschiehet. 2. Bei Verträgen, in welchen Sachen gegen Sa, chen (Geld für Geld, Waare für Geld, Waare für Waare) versprochen werden, als wohin die Kauf/, Dar, tehns-, Mieths-und Pachtkontrakce gehören, ist folgen­

des besonders zu bemerken: A. In Kaufkontrakten muß (a) die Person des Verkäufers, (b) die des Käufers, (c) die zu ver­ kaufende Sache theils für sich selbst, theils nach Maaß,

Zahl und Gewicht, (d) der Preis hinlänglich bestimmt seyn.

Ist der Käufer nicht genannt, so ist eö genug,

wenn eine andere Person oder Begebenheit ungezweifelt bestimmt ist, welche den künftigen Eigenthümer binnen festgesetzter Frist bestimmen wird. — Ein Verwalter fremder Güter kann von den Pertinenzien und Nutzun­ gen derselben nichts rechtlich kaufen, so lange er die Verwaltung führt.

Daher ist ein Auktionskommissär

486

Zugabe.

ober eine Gerichtsperson,

die einen Verkauf dirigirt,

unfähig von den zu verkaufenden Sachen etwas an sich zu bringen; auch kann ein Vormund von dem Eigenthume seines Mündels nichts durch einen Kauf, vertrag erwerben. B. Bet Mieths, und Pachtverträgen be,

stimmt die Summe der jährlichen Pacht oder Miethe, ob der Kontrakt schriftlich geschlossen werden muß oder nicht. In Fällen, wo er schriftlich seyn muß, aber nur mündlich verabredet ist, gilt er nur ein Zahr. Ist die Pacht, oder Miethszeit in einem gültig gemachten Vertrage bestimmt, so geht sie mit dem Termine ohne Aufkündigung zu Ende.

Nachher bedarf es einer aus,

drückltchen oder stillschweigenden Erklärung von beiden

Seiten zur Fortsetzung desselben.

Für eine stillschwei­

gende Erklärung ist es zu halten von Seiten jdes Päch, ter« oder Miethers, wenn er im Besitz bleibt, von Seiten des Verpächters oder Vermiethers aber, wenn er auf ausdrückliche Erklärung des Pächters in vier, zehn Tagen nichts dagegen sagt, auch wenn er einen

fernern Pacht, oder Mlethzinö annimmt. Die still, schweigend erfolgte Verlängerung wird nur auf ein Zahr verstanden.

Wenn aber der Zins auf mehrere

Zahre zusammengenommen Im ersten Kontrakte bestimmt war, so ist eine gleiche Anzahl von Zähren zu verste­

hen. Bei verpachteten Landgütern und Stadtäckern, die in gewisse Felder getheilt sind, ist die Verlängerung der Pacht auf so lange zu verstehen, bis der Pächter

die Felder durchgenutzt hat. — Ist die Dauer der Pacht oder Miethe Im Kontrakte gar nicht bestimmt, so muß der, welcher davon abgehen will, ihn in Zeiten auf, kündigen. Die Aufkündigung aber braucht nicht schrift­

lich zu geschehen; es ist genug, daß sie zur Kenntniß

1. Anweisung zu kleinen Aufsäßen. 487 des andern Theils gelangt, und wenn derselbe nicht

innerhalb acht Tage» widersprochen hat, Aufkündigung für acceptirt angesehen.

so wird die

Bei Pachtungen der Landgüter ist nun noch

besonders zu bemerken: Solche Kontrakte müssen, wen»

das Pachtquantum über zweihundert Thaler beträgt, gerichtlich oder doch durch einen Zustizkommissartus ge,

schlossen werden; sonst sind die im Kontrakte vorkom, menden dunkeln und mangelhaften Bestimmungen eher zum Nachtheile des Verpächters zu deuten und die

Pacht ist nur auf ein Zahr, jedoch nach gesetzmäßiger Aufkündigung gültig.

Kontrakte, die nur einzelne Aek,

ker oder ein Pertinenzstück des Guts betreffen, brau, chen nie gerichtlich gemacht zu werden. C. 3« D arlehnsverträge darf sich Niemand ciniassen, der für feine Person und in Absicht der 93er