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German Pages 108 [109] Year 2022
D E U T S C H E
A K A D E M I E
SCHRIFTEN
DER
D E R
SEKTION
W I S S E N S C H A F T E N FÜR
ZU
B E R L I N
ALTERTUMSWISSENSCHAFT
6
ÜBER JAHRESPUNKTE U N D FESTE INSBESONDERE DAS WEIHNACHTSFEST
VON
WILHELM
HARTKE
1956
A K A D E
M I E - V E R L A G
.
B E R L I N
Wilhelm Hartke ist Mitglied der Sektion für Altertumswissenschaft
Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Redaktor dieses Bandes: Gisela Arnberg
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH., Berlin W 8, Mohrenstraße 39 Lizenz-Nr. 202/100/505/56 Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer'1 Bad Langensalza Bestell- und Verlagsnummer: 2067/6 - Printed in Germany
Inhalt Einleitung: Der 84jährige Ostercyclus als Vorlage der 112jährigen Osterperiode des Hippolytos; sein Ursprung in Antiochia I. Die Jesus-Chronologie des Theophilos von Antiochia und ihre Wirkungen II. Die Jesus-Chronologie des Clemens Alexandrinus
7 13 18
III. Umrechnungen zwischen dem festen und dem wandelnden ägyptischen Kalender im Clemenstext und beiEpiphanios; ein Hemerologion des alexandrinischen Bischofs Dionysios als deren Grundlage
21
IV. Die Jesus-Chronologie der ägyptischen Basilidianer; ihr Fest der Genesis des Christus in der Taufe am 11. Tybi
27
V. Daten und Festgedanken heidnisch-ägyptischer Feste
31
1. der 11. Tybi = 6. Januar der Tag eines alten Osirisfestes und des städtischen Alexander-Aion-Festes am Sarapeion in Alexandria . . . 2. Der 1. Tybi = 27. Dezember der Tag des eponymen Reichskultes am Heroon und am Grabe Alexanders in Alexandria
37
3. Der 29. Chojak = 25. Dezember der Tag der Kykellia-Kikillia = „Riten der Isis" = Isia 4. Das Tempelweihfest in Jerusalem am 25. Dezember
39 48
VI. Das christliche Epiphanienfest am 11. Tybi = 6. Januar
31
50
1. Bei den gnostischen Basilidianern 50 2. In der alexandrinischen Großkirche; seine dogmatische Grundlage und seine Festgedanken 51 3. Seine Einführung durch den alexandrinischen Bischof Dionysios im Einverständnis mit dem römischen Bischof Dionysius um die Mitte des dritten Jahrhunderts 55 VII. Das Weihnachtsfest am 25. Dezember 1. Interpretation der Daten des Danielkommentars, der Ostertafel und der Chronik des Hippolytos 2. Einführung des Festes durch Hippolytos als Protest gegen die von Kaiser Heliogabalus (218—222) aufgezwungene Reichsfeier des Sol am 25. Dezember und zur Bekämpfung der seit langem der Kirche gefährlichen Isia-Kikillia am 25. Dezember
62 62
70
4
Inhalt 3. Das Weihnachtsfest das ältere Geburtsfest Christi. Das Epiphanienfest der Gegenzug der Großkirche gegen das Weihnachtsfest der Separatisten 4. Fortführung des Weihnachtsfestes durch Novatianus und dessen separierte Gemeinden 5. Der Traktat De pascha computus 6. Der Traktat De solstitiis et aequinoctiis 7. Das Weihnachtsfest bei den Donatisten 8. Der Chronograph von 354 a) Der 29. Juni und der 22. Februar als Protestfeiern gegen den durch die Millenniumsfeier im J. 248 belebten Quirinuskult eingeführt durch Novatianus b) Der novatianische Grundstock der Depositio martirum im Chronographen von 354 mit dem 25. Dezember als Anfang des Kirchenjahres c) Die vier Entwicklungsstadien des Chronographen 9. Das Bündnis des Athanasios mit den Novatianern auf Grund des homousios-Bekenntnisses 10. Vorübergehende Anerkennung des Weihnachtsfestes durch Kaiser Constantius im J. 360 11. Verbreitung des Festes im Westen durch Bischof Damasus von Rom 12. Versuch des Epiphanios, den 6. Januar als Geburtsfest zu halten und die Taufe Christi am 8. November zu feiern 13. Verbreitung der seit Damasus begründeten Kombination: Geburtsfest am 25. Dezember und Epiphanienfest am 6. Januar im Osten, zuerst in Konstantinopel, dann Antiochia u. w 14. Träger der Propaganda des Weihnachtsfestes auch im Osten die im Proletariat verwurzelten Novatianer
Schluß: Über die allgemeine Bedeutung der Novatianer. Ausblick auf die Gegenwart
73 73 74 75 76 76
77
85 88 95 95 96 96
98 98 102
Verzeichnis der Abkürzungen RE
PAULY-WissoWA- KROLL-ZIEGLER R e a l e n z y k l o p ä d i e d e r c l a s s i s c h e n
Altertumswissenschaft GdAK Geschichte der alten Kirche ZNW
Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft
ARW
Archiv für Religionswissenschaft
RhM
Rheinisches Museum für Philologie
ThLZ
Theologische Literaturzeitung
RAC
Reallexikon für Antike und Christentum.
N
Nilsson, Geschichte der griechischen Religion, München 1950
H
Hopfner, Plutarch über Isis und Osiris, Prag 1941
Us.
Usener, Das Weihnachtsfest, 2. Aufl., Bonn 1911
Einleitung Der heutige Stand der Forschung über das Geburtsfest Jesu am 25. Dezember und über Epiphanias ist von L. F E N D T in der Theol. Literaturzeitung 1953, Nummer 1, gezeichnet worden. Um sie weiterzuführen, möchte ich von einem Ostercyclus ausgehen, dem sogenannten 84jährigen Cyclus, der nach E. SCHWAKTZ, Christliche und jüdische Ostertafeln, Abhdlg. d. Göttinger Ges. d. Wiss. N. F. 8, 6, S. 44. schon im J. 243 in Rom gebraucht wurde. Der in diesem Jahre schreibende Verfasser der pseudocyprianischen Schrift De pascha computus (der „Komputist von 243") polemisiert gegen die Ansetzung des Schaltmonats vor dem römischen Neujahr, ferner gegen die Epaktenrechnung und die Ansetzung der Ostervollmondgrenzen auf den 15. März und den 13. April, welche drei Momente unter sich zusammenhängenund alle für den 84j ährigen Cyclus charakteristisch sind (E. SCHWARTZ, a. 0 . S . 40). Die Begriffe „Epakte" und „Ostergrenzen" sollen vorab geklärt werden. Das aus zwölf natürlichen Mondmonaten zusammengesetzte Mondjahr von 354 Tagen ist um elf Tage kürzer als das Sonnenjahr von 365 Tagen. Nehmen wir an, daß in einem Jahr x das Mondjahr und das Sonnenjahr beide am 1. Januar beginnen, so ist das Mondjahr mit seinen zwölf Mondmonaten schon am 20. Dezember abgeschlossen. Der Neumond am 21. Dezember, der den ersten Monat des neuen Mondjahres beginnt, hat dann am folgenden 1. Januar, dem Beginn des neuen Sonnenjahres, schon das Mondalter oder die Epakte 12. Von diesem 1. Januar aus kann man den folgenden Neumond berechnen nach der Formel: 1 plus (30 minus e), wobei e die Epakte bedeutet; in unserem Falle, wo e = 12 ist, kommt heraus: 1 plus 30 minus 12 = 19. Januar. Suche ich den darauf folgenden Vollmond, so rechne ich 14 Tage hinzu, also 19 plus 14, und finde 33 oder unter Weglassung der 31 Tage des Januar den 2. Februar. Dieser wie jeder Vollmondtag ist und heißt „der vierzehnte Tag des Mondes" = XIV lunae. Wir haben gesehen, daß im angenommenen Jahre x die Epakte oder das Mondalter des 1. Januar = 1, im folgenden Jahre = 1 plus 11 = 12 war; in den weiter folgenden Jahren wäre sie 12 plus 11 = 23, dann 23 plus 11 = 34 oder unter Weglassung eines Mondmonats von 30 Tagen = 4, weiter = 15, weiter 26, dann 7 und so fort. Die Epakte kann alle Zahlen von 1
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WILHELM HABTKE
bis 30 durchlaufen. Mit jedem Jahre wächst die Epakte des 1. Januar um elf Tage; nur nach je zwölf Jahren „springt" sie einmal um 12 (statt 11), weil sonst die cyclischen, d. h. nach dem Epaktencyclus berechneten Neumonde hinter den wirklichen astronomischen zurückbleiben würden; das nennt man den saltus lunae; solche sind im Verlaufe von 84 Jahren sechsmal nötig. Auf 84 Jahre aber ist der Cyclus deshalb gestellt, weil nach 84 Jahren infolge der Epaktenrechnung zusammen mit den sechs saltus der 1. Januar dieselbe Epakte 1 hat, wie im ersten Jahre des Cyclus, und weil zugleich nach zwölfmal sieben Jahren derselbe Sonntagsbuchstabe wie im ersten Jahre des Cyclus auftritt, d. h. der 1. Januar wieder auf denselben Wochentag (dieselbe feria) fällt, wie im ersten Jahre des Cyclus; so kann dann der Cyclus „von vorn" beginnen. Um die Ostervollmondgrenzen zu verstehen, die vom März-Neumond aus berechnet werden, muß man sich klar machen, daß ein Mondumlauf etwas mehr als 29 und etwas weniger als 30 Tage beträgt; man läßt deshalb „volle" Monate von 30 und „hohle" von 29 Tagen abwechseln. Je ein voller und hohler zusammen ergeben die (leidlich) richtige Summe der Tage von zwei Mondmonaten. 59 Tage zusammen zählen aber auch im gemeinen Sonnenjahre die beiden Monate Januar = 31 Tage und Februar = 28 Tage. Folglich steht an jedem 1. März der Mond genau so wie am 1. Januar desselben Jahres. Uns interessiert der März-Neumond, von dem aus die VollmondOstergrenzen berechnet werden. Wie die Epakten des 1. Januar = 1. März zwischen den Grenzen 1 und 30 verlaufen, so erhält man auch Grenzen, eine vordere und eine hintere, des März-Neumondes und des von diesem aus berechneten Ostervollmondes: Ist die Epakte des 1. Januar bzw. des 1. März = 1, so fällt der März-Neumond nach der Formel 1 plus 30 minus (Epakte) 1 = 30 auf den 30. März, der Ostervollmond 14 Tage später, also auf den 13. April. Ist die Epakte des 1. Januar bzw. des 1. März = 30, so fällt der MärzNeumond nach der Formel 1 plus 30 minus 30 auf den 1. März (und wieder auf den 31. März). Vom 1. März aus gerechnet, fällt der Ostervollmond 14 Tage später auf den 15. März. Der 15. März ist die vordere, der 13. April die hintere Ostergrenze. Das gilt für den 84jährigen Cyclus, weil dieser einzig auf der Epaktenrechnung aufgebaut ist. Da der „Komputist von 243" die Epaktenrechnung und die aus ihr abgeleiteten Ostergrenzen bestreitet, ist der 84jährige Cyclus älter als 243. Ist er auch älter als die Ostertafel des Hippolytos, die aus dem Jahre 222 stammt ? Hippolytos oder einer seiner astronomisch interessierten Freunde hat eine 112jährige Osterperiode, bestehend aus sieben Cyclen zu je 16 Jahren oder sieben Sedecennitates entwickelt. Nach E. Schwartz soll der oben dar-
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Einleitung
gestellte 84jährige Cyclus von der 112jährigen Osterperiode des Hippolytos abhängig sein (a. 0 . S. 41 und 43). Diese Meinung stützt E. Schwartz mit zwei Gründen: Der siebenmal zwölfjährige Cyclus werde aus der siebenmal 16jährigen Osterperiode abgeleitet sein, weil die Siebenzahl in beiden die wichtige Rolle spiele — aber das Moment der Siebenzahl allein läßt sich ebensogut für die umgekehrte Ableitung geltend machen. Zweitens habe der saltus lunae, der in 84 Jahren sechsmal nötig ist, im 84j. Cyclus alle 14 Jahre stattfinden können, tatsächlich aber finde er alle zwölf Jahre sechsmal hintereinander statt und unterbleibe beim siebten Male; das sei ein Beweis dafür, daß der 84j. Cyclus ohne inneren Grund, nur aus Nachahmung in sieben Gruppen eingeteilt sei — aber der saltus lunae kann doch nicht Strukturprinzip eines Ostercyclus sein, da der saltus nur eine Nebenerscheinung der Epaktenrechnung ist. Es muß gefragt werden, welche Rolle die Epaktenrechnung beim 84j. Cyclus und bei der 112j. Osterperiode spielt und ob sich Indizien finden lassen, die beweisen, daß die Epaktenrechnung bei dem einen Partner ursprünglich ist, bei dem andern nicht. Ein aus E. SCHWARTZ, Ostertafeln S . 35 und 46 ff entnommenes Schema möge die erste Sedecennitas der seit dem J. 222 laufenden Osterperiode des Hippolytos, also die Gruppe der 16 Jahre 222—237, sowie die ersten Jahre der zweiten Sedecennitas darstellen und deren Beziehungen zum 84j. Cyclus aufweisen; die Erklärung folgt. Jahre d. 112j. C.
Jahre d. XIV lunae Epakte XIV lunae 84j. C. d. 84j. C. d. 112j. C.
Das Datum des 112j. C. verglichen mit d. 84j. C.
1.
1.
13. IV.
1
13. IV. 222
=
2.
2.
2. IV.
12
2. IV. 223
=
3.
3.
22. III.
23
4.
4.
10. IV.
4
9. IV. 225 minus 1
5.
5.
30. III.
15
29. III. 226 minus 1
6. 7.
6. 7. .
19. III. 7. IV.
26 7
18. III. 227 minus 1 5. IV. 228 minus 2 (julian. Schaltj.)
8.
8.
27. III.
18
25. III. 229 minus 2
21. III. 224 minus 1 (julian. Schaltj.)
9.
77.
11. IV.
3
10.
78.
31. III.
14
13. IV. 230 plus 2. IV. 231 plus
2 2
11. 12.
79.
25
21. III. 232 plus
1 (julian. Schaltj.)
80.
20. III. 8. IV.
6
9. IV. 233 plus
1
13.
81.
28. III.
17
29. III. 234 plus
1
14.
82.
17. III.
28
18. III. 235 plus
15.
83. 84.
5. IV.
9
5. IV. 236
25. III.
20
25. III. 237
16.
1 = (julian. Schaltj.) =
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WILHELM HABTKE
13. 2. 22. 10. 30. und so weiter wie oben. 1.
1.
2. 3. 4. 5.
2. 3. 4. 5.
IV. IV. III. IV. III.
1 12 23 4 15
13. 2. 21. 9. 29.
IV. 238 = IV. 239 = III. 240 minus 1 (julian. Schaltj.) IV. 241 minus 1 III. 242 minus 1
Die Sedecennitas der 112j. Osterperiode des Hippolytos wiederholt sich immerfort unverändert außer im Wochentag (feria), der hier nicht vermerkt ist; er schreitet im ersten Jahre jeder folgenden Sedecennitas gegenüber der vorhergehenden um einen Wochentag zurück, so daß er nach sieben Sedecennitates, d. h. nach Ablauf der ganzen Osterperiode wieder zum Anfang zurückkehrt. Jede Sedecennitas zerfällt in zwei Octaeterides (Zeiträume von je acht Jahren), welche genau dieselben XIV lunae haben. Wer das Glück hat zu bemerken, daß die beiden ersten XIV lunae der Sedecennitas mit denen des ersten und zweiten Jahres, die beiden letzten mit denen des 83. und 84. Jahres des 84j. Cyclus übereinstimmen, der muß auf den Gedanken kommen, daß durchweg die XIV lunae der ersten Octaeteris der 112j. Periode aus denen der ersten acht Jahre des 84j. Cyclus und die XIV lunae der zweiten Octaeteris der 112j. Periode aus denen der letzten acht Jahre des 84j. Cyclus abzuleiten seien. Er braucht nur zu bedenken, daß der 84j. C. bei seiner Osterberechnung durch den Schalttag nicht mehr gestört wird, daß dagegen die römischen Christen, wenn sie den bei ihnen seit 8 v. Chr. nach dem 23. Februar liegenden Schalttag beachten wollten und mußten, im Schaltjahr das Datum der XIV lunae des Frühlingsvollmonds um einen Tag zurückschieben mußten, um auf dem vom 84j. Cyclus gemeinten Vollmond zu bleiben. Schaltjahre sind die Jahre 224, 228, 232, 236,240 usw. Wenn wir die Wirkung des römischen Schalttages in der Reihe der XIV lunae der 112j. Periode des Römers Hippolytos in Anschlag bringen, ergeben sich, wie das Schema zeigt, tatsächlich die XIV lunae des 84j. Cyclus, genauer: die der ersten und die der letzen acht Jahre dieses Cyclus. Aber zwischen den beiden Octaeterides ist ein merkwürdiger Bruch: Die Epakte 18 des achten Jahres ergibt sich normal aus der vorhergehenden Epakte 7 durch Addition der Epaktendifferenz 11. Die Epakten der ersten Octaeteris laufen durchweg normal. Aber die Epakte 3 des neunten Jahres ergibt sich n i c h t aus der vorhergehenden Epakte 18 des achten Jahres; 18 plus 11 wäre 291 Wenn man jedoch den 84j. Cyclus nachschlägt, stellt man fest, daß die Epakte 3 des 77. Jahres sich normal ergibt aus der Epakte 22 des 76. Jahres (22 plus 11 gibt 33, weniger 30 gibt 3). Vom neunten bis zum 16. Jahr, also in der zweiten Octaeteris, laufen die Epakten wieder normal. Zwischen den beiden Octaeterides liegt also ein Bruch, und dieser Bruch ist der zwingende Beweis, daß der 84j. Cyclus primär und die 112j. Periode sekundär ist.
Einleitung
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Das neunte Jahr dieser Periode zeigt eine zweite Anomalität: Die XIV lunae des 84j. Cyclus, nämlich der 11. April ist auf den 13. April gesprungen in der 112j. Periode! Warum das? Hippolytos brauchte, wenn er einerseits die Schalttage berücksichtigen, andererseits auf die XIV lunae des 84j. Cyclus herauskommen wollte, einen Vorsprung von zwei Tagen, wie das Schema zeigt. Während er innerhalb jeder Octaeteris die Epaktenrechnung respektierte, mußte er an der Bruchstelle von ihr abspringen; nur so kam er im 15. und 16. Jahre auf dieselben Kalendertage wie der 84j. Cyclus in seinem 83. und 84. Jahre. Jener Bruch und dieser Sprung zeigen, daß die 112j. Periode des Hippolytos keine Wissenschaft, sondern ein schlauer Praktizismus ist. Eine so hybride Kontamination konnte natürlich nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Damit vergleiche man nun einmal den wirklich wissenschaftlichen Aufbau des 84j. Cyclus! Beginnen wir mit dem ersten Jahre der ersten Dodekaeteris: e (Epakte) = 1; die XIV lunae wird berechnet nach der Formel: 1 plus 30 minus e plus 14 = 45 minus e = 44; da die Epakte des 1. März dieselbe ist wie die des 1. Januar, zählt man vom 1. März 44 Tage weiter und erhält für die XIV des Ostervollmondes den 13. April, wie es der Cyclus angibt; da gemäß Konstruktion des Cyclus im ersten Jahre die Ferie des 1. Januar = 7 ist, das heißt Samstag, so ist im Gemeinjahre der 13. April = Mittwoch; der Ostersonntag fällt dann auf den 17. April, wie es der Cyclus will.— Nehmen wir das folgende Jahr mit der um 11 vorgeschrittenen Epakte 12. Die XIV lunae fällt auf 45 minus 12 = 33; weitergezählt vom 1. März ab, gibt 2. April. Da in jedem Gemeinjahre die Ferie um einen Tag vorschreitet, ist sie in diesem zweiten Jahre = 1, das heißt Sonntag; dann ist der 2. April ebenfalls ein Sonntag; wenn aber die XIV lunae auf einen Sonntag fällt, kann Ostersonntag erst der folgende Sonntag, d.h. der 9. April sein, wie es der Cyclus will. — So kann weiter gerechnet werden, wobei zu bedenken ist, daß der saltus lunae, der nach dem Ende der Dodekaeterides I bis VI (nicht mehr VII!) eintritt, die Epakte um eine Stelle verschieben muß. Das ist Wissenschaft, und die hat bis zum Anfang des fünften Jahrhunderts vorgehalten. Nach E. Schwabtz, Christi, u. jüdische Ostertafeln S. 43 ist die Theorie des 84j. Cyclus in reiner Gestalt schon dem Komputisten von 243 bekannt gewesen. Ich sage, er hat schon dem Hippolytos und dem gleichzeitigen Verfasser des 112j. Cyclus vorgelegen, ist nicht etwa aus diesem abgeleitet. Es pflegt nicht Wissenschaft aus Unsinn, manchmal allerdings Unsinn aus Wissenschaft zu entstehen. L. I d e l e r hat also das Richtige geahnt, als er im Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie 2, 243 schrieb: „Will man freilich dem Cyrillus (prologus in cyclum paschalem) Glauben beimessen, so hat (bei den Lateinern) der 84j. Cyclus schon vor dem 112jährigen des Hippolytos bestanden". Cyrillus urteilt über den 112j. Cyclus nach einem Vergleich mit dem 84j. ganz richtig: peius aliquid addiderunt (Idelek 2,222).
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Es läßt sich wohl noch der in der aktuellen astronomischen Situation gelegene Anlaß zu der Kontamination der ersten und der letzten acht Jahre des 84j. Cyclus durch Hippolytos erkennen: Im l e t z t e n Jahre des von 222 her über 16 Jahre laufenden ersten hippolytischen Cyclus, d. h. im J. 237, fällt die XIV lunae auf den 25. März, d. i. das julianische Aequinoctium. Nach der Konstruktion des sich in 16 Jahren immer wiederholenden Cyclus muß dann auch im letzten Jahre des vorhergehenden Cyclus, d. i. im J. 221 die XIV lunae mit dem Aequinoctium zusammenfallen. Tatsächlich hat im J. 221 dieser Zusammenfall stattgefunden. In diesem Jahre, in dem Hippolytos seine mit 222 einsetzende Tafel aufgestellt hat, hat er den Zusammenfall des Frühlingsvollmondes mit dem Frühlingsaequinoctium richtig beobachtet; für die cyclisch entsprechenden späteren Jahre 237, 253 usw. hat er es nur nach seiner Tafel berechnet, und es hat astronomisch nie mehr gestimmt. Im e r s t e n Jahre des ersten Sedecenniums soll nach Hippolytos die XIV lunae auf den 13. April fallen. Auch das hat für das Jahr 222 astronomisch gestimmt, aber nicht mehr für 238, 254 usw. So hat Hippolytos in den Jahren 221 und 222 erlebt, was er an Daten der XIV lunae im letzten, d.h. 84. Jahre eines jeden 84j. Cyclus und im folgenden ersten Jahre des nächsten Cyclus vorfand (vgl. die bei E. SCHWAKTZ S . 35 abgedruckte Tafel), hier aber auf Grund der sauber durchdachten und unter Beachtung der nötigen saltus durch 84 Jahre durchgeführten Epaktenrechnung. Jenes astronomische Erlebnis wird ihn oder seinen Chaldaeus veranlaßt haben, die ersten und die letzten acht Jahre unter Weglassung aller übrigen des 84j. Cyclus zusammenzunehmen, wobei er geglaubt haben mag, die bis dahin in Ägypten gebräuchliche Octaeteris verbessert und den 84j. Cyclus durch Reduktion auf eine einzige Sedecennitas sehr vereinfacht zu haben — ein terrible simplificateur.
I. Die Jesus-Chronologie des Theophilos von Antiochia und ihre Wirkungen Wir haben gefunden, daß der 84j. Cyclus dem Hippolytos bekannt gewesen ist. Damit ist aber nicht gesagt, daß er in Rom entstanden ist. In der römischen Gemeinde der Zeit des Victor, Zephyrinos, Hippolytos fehlten doch wohl die wissenschaftlichen Voraussetzungen, die erforderlich sind, um eine so subtile Rechnung wie den 84j. Cyclus zu finden. Den entscheidenden Hinweis auf seine Heimat gibt der Umstand, daß die Epaktenrechnung des Cyclus, die als Epakte das Mondalter des 1. Januar gleich dem des 1. März setzt, den Schalttag also für den Paschalmond nicht zu rechnen braucht, n u r in A n t i o c h i a zweckmäßig war. Hier hatte man den julianischen Reichskalender, wenn auch mit makedonischen Monatsnamen übernommen, aber den 1. Dios = 1. November als Neujahr festgesetzt (vgl. W. KUBITSCHEK, Denkschr. Ak. d. W. Wien, 57. Bd., 3. Abh., S. 101), nicht den 1. Januar wie in Rom und nicht den 1. Thoth = 29. August wie in Alexandria. Daß der 84j. Cyclus den Schaltmonat nicht vor den Ostermonat des Mondjahres, d. h. in den Februar, sondern vor den 1. Januar legt, unterscheidet ihn fundamental vom alexandrinischen Cyclus (E. SCHWARTZ, a. 0 . S. 44) und vom hippolytisch-römischen. Man muß an den in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts wirkenden, stark auch den Westen beeinflussenden B i s c h o f T h e o p h i l o s v o n A n t i o c h i a a l s U r h e b e r des 84j. C y c l u s denken, der sich nachweislich chronologisch betätigt, dabei auch zeitgenössische Arbeiten benutzt hat und astronomisch gebildete Helfer haben konnte. Der 84j. Cyclus basierte die Berechnung des Frühlingsvollmondes in sehr eigentümlicher Weise auf das julianische Aequinoctialdatum (E. SCHWARTZ, a. 0 . S . 39) und setzte die Passion Jesu auf das Aequinoctium = X l V l u n a e = 14. Nisan, was zu der johanneischen Chronologie stimmt, und wir wissen, welche Bedeutung das Joh-Ev für Theophilos gehabt hat, der es nach unserer Kenntnis zum ersten Male formell zitiert hat. Was läßt sich aus dem schriftlichen Nachlaß des Theophilos selbst für den von ihm benutzten Kalender schließen? J. C. Th. OTTO, Prolegomena Ad Autolycum 7 im Corp. apol. 7 zeigt, daß Theophilos in seiner Chronologie der Weltgeschichte bis zum Beginn unserer Zeitrechnung auf 5516 Jahre der Welt kommt. Man muß doch den Eindruck haben, daß Theophilos
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ebenso wie seine N a c h t r e t e r Eirenaios, Hippolytos u n d Novatianus die eschatologische Rechnung der 6000 Jahre 1 ) im Auge h a t , von denen 5500Jahre bis zur Genesis Christi verflossen sein müssen. W e n n 5516 J a h r e bis zum Beginn unserer Zeitrechnung verflossen sind, wie h a t d a n n Theophilos die Genesis Christi angesetzt ? Offenbar in das J a h r 16 v. Chr. Dieser Ansatz k o m m t m . E . so h e r a u s : Theophilos las alle vier Evangelien u n d achtete nachweislich das J o h - E v besonders hoch. Aus Lc 3, 1 w u ß t e er, daß Jesus im 15. J a h r e des Tiberius = 29 n. Chr. im Anschluß an die T a u f e aufget r e t e n sei, aus allen Synoptikern, daß er nach einem J a h r öffentlicher Wirksamkeit im J . 30 gestorben sei; aus J o h 2,20 schloß er, wie viele geschlossen haben, daß Jesus ein Lebensalter v o n 46 J a h r e n g e h a b t h a b e : Also m u ß die Genesis Jesu im J . 16 v. Chr. geschehen sein. H a t Theophilos den A n f a n g u n d das E n d e des Lebens Jesu auch auf den T a g zu bestimmen versucht ? Mir ist bei der P r ü f u n g des 84j. Cyclus, wie ihn E . SCHWARTZ Ostertafeln S. 46 ff abgedruckt h a t , aufgefallen, daß die E p a k t e 23, die nach der Formel 1 + (30 — e) + 14 auf X I Y lunae = 22. März weist, im 3., 22., 49. u n d 68. J a h r e des Cyclus a u f t r i t t . Die Anfänge des 84j. Cyclus treffen r ü c k w ä r t s die J a h r e 214, 130, 46 n., 38 v. Chr. Vom J . 38 v . C h r . aus gerechnet, entspricht das 22. J a h r des Cyclus dem J . 16 v. Chr., also dem oben f ü r Theophilos erschlossenen J a h r e der Genesis Jesu, u n d d a s 68. J a h r des Cyclus dem J . 30 n. Chr., also dem oben erschlossenen J a h r e der Passion. I n diesen beiden J a h r e n fällt, wie gesagt, nach dem 84j. Cyclus die X I V lunae, d. i. der Frühlingsvollmond auf den 22. März; dies aber ist das Frühlingsaequinoctium nach a l e x a n d r i n i s c h e r Rechnung u n d s t i m m t laut R. SCHRÄM, Hilfstafeln f ü r Chronologie, W i e n 1883 (vgl. E . SCHWARTZ, a. O. S. 15 A. 2) f ü r die erste Hälfte des zweiten J a h r h u n d e r t s n. Chr. auch astronomisch. Sollte das auf eine alexandrinische Quelle oder G r u n d f o r m des antiochenischen 84j. Cyclus h i n d e u t e n ? Seit dieser ins Licht t r i t t , d. h. bei Hippolytos, der ihn b e n u t z t , u n d beim K o m p u t i s t e n v o n 243, der ihn b e k ä m p f t u n d doch von ihm abhängig ist, rechnet er m i t dem j u l i a n i s c h e n Aequinoctium des 25. März. Hippolytos errechnet j a von der X I V lunae = 25. März des 16. Jahres des zweiten Cyclus aus den 25. März 29 als Passionsdatum. IDELER (2, 421) s a g t : „ E n t weder also sanktionierte Hippolytos den 25. März (als G r u n d d a t u m der Passion), den er schon v o r f a n d , oder er folgerte ihn aus seinem unrichtigen Die 6000 Jahre gehen wohl auf die 12 000 Jahre zurück, die der Parsismus des Zarathustra als die durch Schöpfung und Untergang begrenzte Weltdauer bestimmt hat, auf den auch die babylonischen Weltperioden von je 3000 Jahren und die Weltperioden der Stoa zurückzuführen sind. Zarathustra unterscheidet von den begrenzten Zeiten die unbegrenzte Ewigkeit. Diese Unterscheidung von xoovot und lilwv ist wohl zu Piaton (Timaios 37 D) gedrungen (vgl. H. SASSE, Aion, in: RAC).
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Cyclus und brachte ihn so erst auf die Bahn. Ersteres ist jedoch wahrscheinlicher". E. SCHWAETZ, Ostertafeln S. 63 folgerte aus der vom Koraputisten geübten Kritik am 84j. Cyclus, daß sein Urheber rein aus mythologischem Denken das Passionsdatum als den Stiftungstag des Neuen Bundes Gottes mit den Menschen und nicht nur dieses, sondern auch die Schöpfung der Welt, den ersten Tag der Welt, im vollen Sinne den ersten Tag des ersten Monats, auf den Jahrespunkt Frühlingsaequinoctium angesetzt hat (vgl. auch a. 0 . S. 37 und 39). Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Gedanken, die der Komputist in c. 2f darlegt, auf den Urheber des 84j. Cyclus zurückführt, mit dem er sich ständig auseinandersetzt. H. USENER, Das Weihnachtsfest, 2. Aufl. Bonn 1911, S. 6f faßt diese Gedanken so zusammen: Die Erschaffung der Welt muß in der Jahreszeit erfolgt sein, in welcher stets die Natur sich zu neuem Leben verjüngt, im Frühling; und da es vom ersten Schöpfungstage heißt, daß Gott zwischen Licht und Finsternis geteilt habe, er aber nur gleichmäßig, d.h. vollkommen teilen konnte, so muß der erste Schöpfungstag auf die Tag- und Nachtgleiche gefallen sein, die nach dem für den Verfasser ausschließlich und allezeit gültigen julianischen Kalender sich V I I I Kai. Apr., am 25. März ereignet. Aus dem Postulat, daß, was Gott schuf, vollendet und vollkommen sein mußte, ergibt sich zugleich, daß der Mond, als er zuerst erschien, Vollmond sein mußte. Christus ist die Sonne des Neuen Bundes, der neue Sonnengott; s e i n e G e n e s i s m u ß auf d e n 25. M ä r z g e f a l l e n s e i n , der Aequinoctium und Vollmondtag war. A n d i e s e m T a g e m u ß e r a u c h d i e P a s s i o n e r l i t t e n h a b e n , denn sein Todesopfer begründet den Neuen Bund für die Menschen. Dazu paßt, was Theophilos selbst in Ad Autolycum 2,15 schreibt, um ein großes Mysterium kundzutun; er deutet die drei ersten Schöpfungstage, die Tgeig rj/uegai TIQO xä)v (pmarrjQCOv yeyovvlai typologisch auf die Trias Gottes, auf Gott und seinen Logos und seine Weisheit; „dem vierten aber als Typus entspricht der Mensch, der des Lichtes bedarf, damit nun existierten Gott, Logos, Weisheit, Mensch". Am vierten Tage aber sind die qxoarrjQeg, die Tag und Nacht beherrschenden Erleuchter, geschaffen worden; der Sonne als Typus entspricht Gott und der Gottessohn. Der Komputist, der die sehr bald in Not geratene Ostertafel Hippolyts durch Vorschiebung der Vollmonde um drei Tage retten zu können meinte, benutzte jene Typologie des Theophilos, die nur die Würde Christi offenbaren sollte, um die Verschiebung der Genesis und der Passion Christi vom 25. auf den 28. März zu rechtfertigen. Auch die in Syrien entstandenen ps.clementinischen Homilien 1,6 lassen Christus saQivfjg TQOTtfjg rrjv &Q%rjv genommen haben. Für Antiochia als Ausgangsort des 84j. Cyclus und damit für Theophilos als Urheber sprechen noch folgende Beobachtungen: Das julianische Frühlingsaequinoctium = 25. März als Ausgangspunkt für die Berechnung des
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Osterfestes findet sich erstens laut Epiphanios haer. 50,1 in Kappadokien, was sich doch am besten aus der Wirkung von Antiochia her erklärt, zweitens bei den Iren! Hier ist auch wahrscheinlich von Anfang an, seit Ende des sechsten Jahrhunderts in eigenartiger Umgestaltung (vgl. E. SCHWABTZ, a. 0 . S. 96), der 84j. Cyclus in Gebrauch. Hier ist aber die Beachtung des 25. März verbunden mit dem möglichen Mondalter XIV für den Ostersonntag, was nicht nach Antiochia, sondern auf Beeinflussung durch die kleinasiatischen Quartodezimaner weist. Bei Epiphanios haer. 50 findet sich die Notiz, daß einige aus der Sekte der Quartodezimaner das Passah immer am 25. März feierten, d. h. das julianische Frühlingsaequinoctium als ideale XIV lunae faßten und deshalb ihr christliches Passah an diesem Tage feiern konnten. Man muß also die uralte Ostersitte Irlands ausgegangen denken von einer Landschaft Kleinasiens, die sowohl quartodezimanischen wie antiochenischen Einflüssen ausgesetzt war. Nun ist durch Sozomenos 7, 18,6 bekannt, daß es bei den Novatianern, deren geistige Genealogie auf Hippolytos, Eirenaios, Theophilos, die montanistischen Enthusiasten zurückgeht, in Phrygien und Galatien Vätersitte war, von der XIV her das Osterfest zu bestimmen; ebenfalls bekannt ist, daß die Novatianer starken Rückhalt in Antiochia gehabt haben. Wir dürfen annehmen, daß Novatianer aus Galatien, wo noch im vierten Jahrhundert keltisch gesprochen wurde, nach dem keltischen Irland zuerst — wenn nicht das Christentum, so doch — die eigenartige Ostersitte gebracht haben. Wegen der schon durch Tertullianus Adv. Jud. 7 bezeugten Einführung des Christentums in die Britannorum inaccessa Romanis loca könnte man galatische Montanisten für die ersten Missionare Irlands halten, aber das Osterfest berechneten die Montanisten anfangs nicht nach dem julianischen Aequinoctium. Montanisten wie Novatianer hatten einen starken Trieb zur Mission. Die Briten wissen laut Beda h. e. 3, 25, daß sie Ostern feiern wie die Kirchen •des „Johannes", und Beda De temporum ratione 45 berichtet, daß Gallien ursprünglich sein Osterfest am 25. März gefeiert habe. Drittens sollen nach Ps.-Chrysostomos Osterfest-Homilie Montfaucon 8, 276f und Epiphanios haer. 50 die Acta Pilati behauptet haben, der Heiland habe am 25. März gelitten. Also hätten diese Beziehung zum Antiochia des Theophilos; Beziehung zu dem wohl in Antiochia entstandenen Petrus-Ev haben sie mit großer Wahrscheinlichkeit. Viertens muß direkte Beziehungen zum Antiochia des Theophilos Tertullianus haben, der Adv. Jud. 8 und Adv. Marc. 1,15 behauptet, der Todestag Jesu falle auf den 25. März. Dasselbe Datum vertritt Julius Africanus, der von ca. 160 bis 240 gelebt und im königlichen Archiv von Edessa gearbeitet hat, im Chronicon laut Hieronymus comm. in Daniel 9; aber ich muß Africanus nun für abhängig von Theophilos und seinen Landsmann und Freund Bardesanes, der Christus als den Sohn von .Sonne und Mond besungen hat, für abhängig von der syrischen Gestirn-
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Ideologie halten. Den 25. März als Datum der Passion Jesu vertreten ferner Lactantius, Sulipicius Severus, Augustinus, der Chronograph von 354 und mehr.1) *) Interessant ist noch die merkwürdige Notiz im Cod. Ambros. H 570 inf. aus dem J.810, über die HAKNAOK, Gesch. d. altchristl. Lit. bis Eusebius, Leipzig 1893, 506, v. DOBSCHÜTZ, Das Kerygma Petri. Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristl. Lit. 11, 1, COKSSEN, Zeitschr. f. d. neutestamentl. Wissensch. 1901, S. 218f, E. PKEUSOHEN, Todesjahr und Todestag Jesu, ZNW 1904 handeln: In commentariis Victorini (gemeint ist der von Pettau, gest. 304) inter plurima haec etiam scripta reperimus: Invenimus in membranis Alexandri episcopi, qui fuit in Hierusalem (vor 211 war er Bischof in Kappadokien), quod transscripsit manu sua de exemplaribus apostolorum. Ita VIII Kai. Jan. ( = 25. Dezember) natus est dominus Jesus Christus Sulpitio et Camerino coss. et baptizatus est VIII Id. Jan. ( = 6. Januar) Valeriano (richtig: Valerio) et Asiático coss., passus est X Kai. Apr. ( = 23. März) Nerone III et Valerio coss.; also Geburt i. J. 9 n. Chr., Taufe 46 n. Chr., Tod 58 n. Chr. Die Datierung der Geburt auf 9 n. Chr. ist alexandrinische Rechnung (vgl. S. 67); deutet einer Joh 8, 57 „du bist noch nicht 50 Jahre alt" auf eine Lebenszeit Jesu von 49 Jahren, so ergibt 9 + 49 das Jahr 58 als Passionsjahr. Das Taufjahr 46 n. Chr. kommt zustande, wie folgt: Früh hat man Joh 2, 20 dahin gedeutet, daß „der Tempel des Leibes" Jesu bei der ersten Passahfeier bald nach der Taufe 46 Jahre alt gewesen sei; wer sie aber in das Jahr 46 n. Chr. setzte, mußte die Geburt in das Jahr 1 n. Chr. setzen; das ist schon „unsere Zeitrechnung". In der Notiz des Cod. Ambros. ist also quasi in sentinam Verschiedenes zusammengeflossen; uns interessiert hier, daß Victorinus, der notorisch den Hipp o l y t s kennt, sich für den 23. März, d. h. den Tag nach dem alexandrinischen Aequinoctium und den 25. Dezember als Daten der Passion und der Geburt auf den Kapadokier und Jerusalemer Alexander aus der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts berufen hat.
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II. Die Jesus-Chronologie des Clemens Alexandrinus C l e m e n s A l e x a n d r i n u s hat die Genesis J esu in das J ahr 2 v. Chr. gesetzt, das folgt aus Stromateis 1,147, wo die 30 Jahre Lebenszeit Jesu auf 15 Jahre unter Augustus und 15 unter Tiberius verteilt sind. Clemens beruft sich darauf, daß nach dem Lc-Ev Jesus im 15. Jahre des Tiberius zur T a u f e kam alaiv ärsg/iova xoa/xov skiaamv. Der Roman, über den zuletzt R. MERKELBACH, Die Quellen des griechischen Alexanderromans, Zetemata, Heft 9, München 1954, gehandelt hat, ist in Alexandria entstanden, verrät genaue Kenntnis der Topographie dieser Stadt und geht auf alte Traditionen zurück. Wesentlich ist nach diesem Zitat, daß Alexander in Übereinstimmung mit dem Willen des Sonnengottes, der hier mit Amnion identifiziert ist, selbst „jung bleiben" will und soll durch die Gründung einer Stadt; dem Gründer und der Gründung soll der weltumschwingende Aion Plutonios, der im Jenseits und im Diesseits das Leben garantiert, die ewige Dauer verbürgen. Durch die Beziehung auf Alexander konnte der an sich abstrakte Begriff des Aion konkret und der Aion zum persönlichen Gegenstand des Kultes werden. Schon im zweiten Jahrhundert v.Chr. hat dieser Kult nach Rom übergegriffen. Der von ägyptischen Ideen erfüllte Antonius, sein römischer Parteigänger Asinius Pollio, der Adressat der vierten Ekloge, vertraten die Ideologie des Aion, nach dem von Augustus geführten Rückschläge dann wieder die Flavier, besonders Domitianus, und die dem Mysterienkult anhängenden Antonine. Der Kult des Gottes des Lebens in Zeit und Ewigkeit ist von der alten zur neuen Reichshauptstadt gewandert und sollte diesen Städten und selbstverständlich auch ihren Gründern den ewigen Bestand sichern. In Phönikien wurde Aion auf einen einheimischen Gott bezogen (NOCK a. 0 . 5. 86). Nach Epiphanios haer. 51, 22,11 fanden in Petra und Elusa nahe der ägyptischen Grenze Feiern der Geburt des Dusares, der auch das Epitheton ävtxrjTog trug (E. NOKDEN, Die Geb. d. K., S. 27 A. 2), von der Jungfrau statt, die Epiphanios der Geburt des Aion von der Jungfrau gleich und auf den 6. Januar setzt. Wie ist dieses von Alexandria ausgegangene Fest auf den 11. Tybi = 6. Januar gekommen ? K. SETHE, Die Zeitrechnung der alten Ägypter, Nachr. d. Gött. Ges. d. W., 1919, S. 287ff hat die Hypothese aufgestellt, daß im J. 1996 v. Chr. das bis dahin allein herrschende Siriusjahr durch die Aufnahme von Elementen des Wintersonnwendjahres modifiziert worden sei; damals sei die Wintersonnwende auf den 6. Januar jul. gefallen und fixiert 3 Hartke
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worden. In der Tat weichen die Jahrespunkte ungefähr alle 128 Jahre um einen Tag zurück, und die Wintersonnwende ist nach S C H R A M S Tabellen im J. 330 v. Chr. nach Greenwicher Zeit auf den 25. Dezember (von Mitternacht ab) 11 St. 37. Min. gefallen. Aber warum sollte man im Gründungsjahr Alexandrias 331 v. Chr. oder bald danach für das Aionfest, wenn es mit Sethe für ein Wintersonnwendfest zu halten wäre, bei seiner Stiftung vom tatsächlichen Sonnenstande abgegangen seinl Und wie erklärt sich nun erst das Nebeneinander des Aionfestes als Sonnwendfest am 6. Januar und des unten S. 41 zu besprechenden Festes 'HMov ysve&faov am 25. Dezember! M. E. ist das Aion-Alexander-Fest des 6. Januar nicht an ein Wintersonnwendfest anzuknüpfen, sondern an ein Osirisfest, das mit dem Wasserstande des Nil, also auch mit der Natur fest verbunden gewesen und geblieben ist. Plutarch Dels. etOs. 12,355E berichtet, daß O s i r i s am ersten der Epagomenen = 24. August = Beginn der Überschwemmung geboren sei, und erzählt weiter: svioi de Ila/LtvÄrjv nvä Myovaiv ev 0rjßaig VÖQSVO/J,EVOV (beim Wasserschöpfen) ex rov iegov rov Aiog (pcovr)v äxovoai öiaxeÄevofievr]v avemelv fierä ßofjq, ori fieyaq ßaaiXevg svsgyerrjg "Oaigig yeyove (Osiris ist geboren)' xai öia rovxo . .. rrjv rcov IIafivMcov eoQrrjv avräj reXela&ai 0aXXrjq>OQioiQ eoixvlav. Feierliches Wasserschöpfen geschah nicht nur am Geburtstage des Osiris zu Beginn der Überschwemmungszeit, sondern nach Epiphanios haer. 51, 30, 3 auch am 11. Tybi = 6. Januar, d. h. am Ende der Überschwemmungszeit, indem die heidnischen Ägypter an diesem Tage „nach ägyptischer Rechnung alle Wasser holen und es aufbewahren". Man darf nach späteren, aber mit demselben Tage verbundenen, christlichen Anschauungen, in denen die heidnischen sich fortsetzen, annehmen, daß im Wasser die avaöei£n; rfjg •&eorrjrog ursprünglich des Osiris, später des Christus (Apost. Konstitutionen 8, 33,7) vorliegt. Osiris ist der Gott und Herr des Wassers, insbesondere des Nil. Die mit dem Wasserstande des Nil zusammenhängenden Feste sind natürlich zeitlich fixiert gewesen; nicht diese Feste sind gewandelt, sondern der Kalender ist an ihnen vorüber gewandelt. Ein großes Fest des Osiris, bei dem Wasser geschöpft und aufbewahrt wurde, fand am 11. Tybi alex.-julianischer Rechnung = 6. Januar jul. statt, in der Zeit, als nach dem Zurückweichen der Überschwemmung das erste Aufblühen der vom Nil erneuerten und Ende Dezember besäten Erde unter der neuen Sonne sichtbar wurde. Clemens Alex. Strom. 6, 4,36 erzählt, daß bei den Feiern zu Ehren des Osiris immer das Wassergefäß vorangetragen wird. In der Spätzeit wurde Osiris als Wasserkrug dargestellt (H 2, 166 mit Bild). Nach Epiphanios haer. 1,51,30 ist der Nil einmal von Wein statt von Wasser geflossen (H 2, 66). Osiris wurde auch mit Dionysos identifiziert (H 2, 169), demnach als Schöpfer des Weines verstanden (2, 161), dem der Epheu heilig war (2, 173). Ein Nachklang davon ist die christliche Feier der
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Hochzeit von Kana in Alexandria am 11. Tybi = 6. Januar. Wir dürfen annehmen, daß auf dem 11. Tybi im Niltale, wo später Alexandria gegründet wurde, ein volkstümliches, naturbezogenes und daher fest liegendes Fest des Osiris als des Gottes des immer neu befruchtenden Nilwassers, zugleich der durch das Wasser befruchteten Isis und des daraus entstandenen Sohnes Hör gefeiert wurde, weiter, daß diesem Hör der Aion gleichgesetzt und so das Fest des Alexander-Aion auf den 11. Tybi gekommen ist. Dieses Fest sollte die ewige Jugend Alexanders d. Gr. und der von ihm gegründeten Stadt sichern. Wann und von wem ist dieses Alexander-Aion-Fest eingerichtet worden ? Die lateinische Version des Valerius von Alexanders Testament im Alexander-Roman lautet: Volo autem Perdiccam, quem Aegypti imperatorem atque Alexandriae esse iussi, sie uti imperio mandato, ne nomen meum ex o p p i d o transferatur, quae quidem etiam maximi deorum S a r a p i s est sententia, fieri porro annuum o p p i d i s a c e r d o t e m , qui sacerdos Alexandri nominetur. Ein ÍSQSVQ 'AXe^ÁVÓQOV XTÍOTOV rfjg nóXewg wird auf einem Berliner Papyrus erwähnt (C. PLAUMANN, Probleme des Alexanderkults in Alexandrien, in: Arch. f. Pap. 6, Iii). Diodor 8, 28 berichtet, daß Ptolemaeus I. den toten Alexander mit heroischen Ehren und prächtigen Spielen gefeiert habe; Tacitus hist. 4, 83f sagt, daß der erste Ptolemäer Alexandriae recens conditae moenia templaque et religiones gegeben habe, vor allem das Sarapeion. Die Stätte des Sarapeions in dem einst von Ägyptern bewohnten Stadtteil Rhakotis ist aufgefunden und untersucht worden. Der berühmte, im J. 389 n. Chr. zerstörte Tempel ist von Ptolemaios III. erbaut worden; es stand aber auf seinem Platze ein älterer Tempel des Osiris und der Isis, in dem Ptolemaios I. die Statue des Sarapis unterbrachte (N a. O. S. 149 A. 1). Dieses Heiligtum der Einheimischen war vielleicht schon in vorptolemäischer Zeit von den Griechen besucht, da die Verwünschung der Artemisia, die sich an Osorapis wendet, dem vierten Jahrhundert angehört (N a. 0 . S. 147). Ptolemaios I. wird im Verfolg seiner Religionspolitik dieses Heiligtum in Anspruch genommen haben. Diesen Tempel meint Tacitus a. 0., wenn er berichtet, daß in Rhakotis „fuerat sacellum Serapidis atque Isidis antiquitus sacratum, alii eundem Ptolemaeum (qui Macedonum primus Aegypti opes firmavit), sedem, ex qua transierit, Memphin perhibent". Die erste Angabe bestätigt Ps. Callisthenes 1, 33, 4—5, der nach dem gegenüber dem Heroon errichteten Altar (vgl. S. 39) einen zweiten nennt, auf den ein Adler das Opfer vom erstgenannten Altar übertragen habe, neu vaov xmd áQ%aiórr¡xo rä> •ffgcoi cug ofioyevelArm. (Val.). Es handelt sich um ein bekannten antiken Bräuchen ähnliches Fest und den Gott des Hauskultes; Alexander ist der Heros Ktistes und Hausgott der von ihm gegründeten Stadt. Als solcher wird er ein eigenes Heiligtum gehabt haben. Das wird das Heroon gewesen sein, das nach Ps. Call. 1, 32,10 Arm. (Val.) von Alexander selbst gegründet ist.1) Die beiden Hauptkanäle in Alexandria heißen Drakon und Agathodaimon. Laut Ps. Call. 2, 21,13 u. 18f hat Moschylos (W. Ausfeld liest: Aischylos), einer der Offiziere, denen Alexander die Sicherung Ägyptens überließ, ro 'AXeiavdgivov iegov gegründet und xä ysveata des lebenden Königs geleitet. Über den Kult hören wir Ps. Call 1, 32,13: "Odev xal ¡XE%QI xov ÖEVQO XOVXOV XOV V6/J,OV qmXaxxovai NAG' 'A^E^AVÖQSVAI, Tvßi xs ( = 2 5 . ) xä fzsv xxr']vrj oxetpavovaftai, 'dvaid^scdai de rolq 'Aya&olg Aai[j,oai, rot? TZQOVOOV/ASVOIQ xmv olxiwv xal diaöoaeigrwv ä&r]QÄ)v noielaßai. In der Rezension B steht statt des 25. Tybi m. E. r i c h t i g d e r 1. T y b i . Jenes Datum ist wohl von demselben Glossator eingesetzt worden, der den Vgl. G A N S C Z Y N I E C in: RE, Suppl. 3, Sp. 51. Dagegen M E R K E L B A C H a. O. 27 u. a. sehen in der getöteten Schlange ein Bauopfer und haben Bedenken gegen deren Identifikation mit Alexander.
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offenbar den Zusammenhang störenden, bei Valerius fehlenden Satz § 10 eingesetzt hat, in dem die Gründung der Stadt und des Heroons auf den 25. Tybi gesetzt wird. Der 1. Tybi ist nach Ps. Call. 3, 35 der Geburtstag Alexanders, und das Fest der Genesia des Stadtgründers und Heros von Alexandria ist doch nicht von dessen Geburt (oder Erzeugung) zu trennen. Wir wissen, daß sich an den Alexanderkult der eponyme Kult der Ptolemäer angeschlossen hat; die Römer mußten ihn nach der Eroberung Ägyptens natürlich aufheben. Ich nehme an, daß sie das sehr volkstümliche Fest der Bekränzung der Zugtiere, das mit dem Kult der Hausgötter und des Stadtheros verbunden war, zwar erhalten, aber von dem Tage des aufgehobenen Ptolemäerkultes trennen wollten und deshalb vom 1. Tybi auf den 25. Tybi verschoben haben. So ist in vorchristlicher Zeit der 25. statt des 1. in die Rezension A eingedrungen. Die Christen haben nach ihrem Siege das alte Volksfest auf den 22. Tybi = 17. Januar, den Tag des zum ägyptischen Heiligen gewordenen Antonius, verlegt (vgl. W. ATTSFELD, RhM, Bd. 55, 5. 381). Ursprünglich ist also das Fest des Heros Ktistes auf den 1. Tybi gesetzt und als Geburtstag Alexanders verstanden worden. Dieser Geburtstag ist freilich ein mythischer; der wirkliche ist laut Plutarch Alex. 3 der 6. Loos = 6. August. Solche mythischen Geburtstage kennen wir von Sokrates und Piaton. Wie bei diesen, so wurden auch bei andern mit Vorliebe apollinische Festtage gewählt. Epikur wollte einer solchen Verlegung seines Geburtstages nach seinem Tode vorbeugen, und doch hat der Mythos auch seinen Geburtstag in späterer Zeit vom 10. Gamelion auf einen 7. verlegt (W. Schmidt, Feve&foog rjfisQa, RE 7, Sp. 1137). Dem Apollon heilig war außer dem siebten auch der erste Tag jedes Monats, da er der Neo/irfviog war. So erklärt sich, daß in Ps. Call. 3, 35 der mythische Geburtstag Alexanders auf den 1. Tybi gesetzt ist. Dieser 1. Tybi meint den Beginn der Winterjahreszeit des ägyptischen SonnenNatur-Kalenders (vgl. S. 42), war also von vornherein festgelegt, was bei den griechischen Gründern Alexandrias selbstverständlich ist. Mit Recht sagt H. KEES, Götterglaube im Alten Ägypten, Leipzig' 1941, S. 259: „Das J a h r e s z e i t f e s t des 1. T y b i als Beginn der Winterjahreszeit (Aussaat), stand unter dem Schutze des auch inHeliopolis bekannten Urdämons in Schlangengestalt, der die Eigenschaften bestimmt (Nhb kjw), und sollte gleichzeitig als mythischer Thronbesteigungstag des Horus und als Beginn der bestehenden Weltordnung gelten". Eine später zugefügte Schlußnotiz zu Ps. Call. 3, 35, die den Tag der Erzeugung Alexanders auf firjvl'IavovaQtq) veofirjvia = 1. Januar ansetzt, während der 1. Tybi dem 27. Dezember des festen Kalenders entspricht, stammt von einem Anhänger des römischjulianischen Kalenders und steht wohl im Zusammenhang mit Prätentionen des Kaisers Severus Alexander, von denen unten die Rede sein wird.
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Nach Ps. Call. 1, 33, 3 hat Alexander „gegenüber dem Heroon" einen sehr großen Altar errichtet, „der jetzt A l t a r A l e x a n d e r s genannt wird". Es ist das AFJ/xa 'AXEZ&VÖQOV (über die Topographie vgl. A. AUSFELD in: Rh M 55, S. 375ff). An diesem Sema fand, nachdem es fertiggestellt und die Leiche Alexanders durch Ptolemaios II. von Memphis nach Alexandria überführt worden war (PLAUMANN, Arch. f. Pap. 6, 82), der eponyme Reichskult statt, der von Ptolemaios I. nach 311 und vor 298 eingerichtet und mit dem der Kult der Ptolemäer verbunden worden ist. Das Sema war fiegog rcöv ßaadeicov, lag also wie das Heroon im Bereiche der gegen die Stadt abgeschlossenen Residenz (PLAUMANN a. 0 . S. 83). Ps. Call. 1, 33 unter scheidet zwei Zentren des auf Alexander bezogenen Kultes, das Heroon und das Sarapeion, das wir oben dem städtischen Kult zugeschrieben haben, und zwei Altäre. Zuerst, in 1, 33, 3 wird der ßo)[iog fisyioxog ävxixQvg xov ieqov erwähnt; mit diesem Tempel ist nicht das erst von § 4 an erscheinende Sarapeion gemeint, sondern das Heroon. Dazu stimmt die Lesart des Valerius zu 1, 33,1: decus urbis est maximum constructa ara quam maxima in eo colli, qui adversus Heroos locum erigi visitur; dies ist der Altar, der im griechischen Texte § 3 vvv xaXelrai ßco/uog 'Aks^dvÖQOv.
3. D e r 29. C h o j a k = 25. D e z e m b e r d e r T a g d e r K y k e l l i a — Kikillia = „Riten der Isis" = Isia Nun hören wir in hellenistischer Zeit öfter von F e i e r n , die in Ägypten an der W i n t e r s o n n e n w e n d e , also in nächster Nähe des festen 1. Tybi = 27. Dezember stattgefunden haben, und wir haben zu untersuchen, ob zwischen diesen Feiern und den Genesia Alexanders bzw. dem eponymen Reichskulte Verbindung bestanden hat. A. Plutarch, De Is. et Os. 52 (verfaßt im ersten Drittel des zweiten Jahrhunderts n. Chr.) schreibt: eri de RRJV ßovv (enxaxig) vno XQonäg %EI}XEgiväg nsQi xov vaov (xov 'HXiov) jzeoiqpeoovai teal xaXstxai Ctfxr\aig 'OaiQidog rj TzsQiÖQO/LTRJ, xov 'HMov ( = Osiris) xo VÖCOQ (d. i. das Nilwasser) Xei/Ji&vog xrjg ßeov noftovarjQ- xooavxäxig öe TtsQisiaiv, oxi xfjv ano XQOTI&V %EI[IEQIVG)V E7li XQOTtäg &EQtväg TZEQI'OÖOV ¿ßöoftq) firjvl avfiTtEQaivei (seil, o rjhog).
Also an der Wintersonnenwende sucht die durch die Kuh symbolisierte Isis den toten Osiris. Wenn er als zum Herrscher der Unterwelt Auferstandener gefunden ist, erschallt der Ruf der Gläubigen: rjvQrjxafiev, avy%aiQo/j,£V. Nach der Darstellung Plutarchs folgt unmittelbar auf Tod, Begräbnis und Auferstehung des Osiris die Geburt seines Sohnes Hör aus der Isis. Wahrscheinlich hat man die Geburt des Sohnes und Rächers auf den Tag des endgültigen Abschiedes seines Vaters angesetzt, weil er
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so in seinem Sohne für die Oberwelt wiedergeboren und in ihm auch für diese wieder auferstanden war (Plut. c. 65, H 79). Le roi est mort, vive le roi. B. Epiphanios berichtet in der 374—377 verfaßten Schrift haer. 51, 22, 5, daß in Alexandria ein Wintersonnwendfest am 25. Dezember gehalten wurde, das KvxéXha hieß und bei dem die Feiernden riefen: „Die Jungfrau hat geboren, es wächst das Licht!" Weiter heißt es dort: „Diesen Tag feiern die Griechen, ich meine die Götzenanbeter, am 25. Dezember, der bei den Römern Saturnalia, bei den Ägyptern Kronia, bei den Alexandrinern K y k e l l i a heißt. Denn am 25. Dezember geschieht dieser Einschnitt, der eine Wende ist, und es beginnt zu wachsen der Tag, da das Licht den Zuwachs bekommt; es erfüllt aber die Zahl von 13 Tagen bis zum 6. Januar, bis zum Tage der Geburt des Christus, indem ein Dreißigstel Stunde jedem Tage zugetan wird". Man muß bedenken, daß Epiphanios Gegner des Weihnachtsfestes am 25. Dezember und Anhänger des Geburtsfestes an Epiphanias, d. h. am 6. Januar war und sich darüber von seinem Freunde Athanasios zurechtweisen lassen mußte. 1 ) C. Die Nachricht des Epiphanios wird bestätigt durch Macrobius Saturn. 1, 18,10 (Anfang des fünften Jahrhunderts), wonach „die brevissimo hiemali solstitio Aegyptii proferunt ex adyto Solem" in der Gestalt eines parvulus Mit einem Zeugnis des Kosmas von Jerusalem ist nicht viel Staat zu machen, weil er Epiphanios haer. 51, 22 benutzt — und mißverstanden hat. Der im achten Jahrhundert schreibende Kosmas (Migne, Patr. Gr. 38 p. 464) erzählt in seinem Kommentar zu den Gedichten des Gregorios von Nazianz (der ebenso wie sein Kommentator die Geburt Christi am 25. Dezember feierte), eine auf eben diese Geburt bezügliche Legende, nach der einige Griechen sich darüber gefreut hätten, daß Aphrodite geboren habe, andere aber weinten, weil sie gewußt hätten, daß Maria geboren habe. Zum Beweise erzählt Kosmas von einem Jahresfeste der Heiden, an dem man um Mitternacht in ein unterirdisches Adyton hinabstieg und heraufkommend rief: f¡ jzao&évog erexev avget q. Das bezieht sich also auf den 25. Dezember und stammt aus der KykelliaNotiz des Epiphanios haer. 51, 22, 5. Kosmas erwähnt dann auch Epiphanios, der sage, daß auch die Sarazenen das Fest zu Ehren der Aphrodite feiern. Dies bezieht sich freilich auf den Schluß von haer. 51, 22, wo Epiphanios wirklich Feste des 6. Januar meint und den Arabern konzediert, daß sie pegos ti r f j g äX-q&eiaq anerkennen. Die „Wahrheit" ist für Epiphanios das Festdatum 6. Januar, das er mit allen Mitteln durchzusetzen versucht. Dies hat Kosmas nicht durchschaut und das ganze, sehr gewundene Kapitel 22 deshalb mißverstanden. Das aus Kosmas entnommene Scholion des Bodleianus hat durch den Zusatz xa&' rjv ¿réx&t] XQiczós f¡fiéQav avSÍ(pojzov xaXovvreg Klarheit schaffen wollen und jedenfalls den aus der Kykellia-Notiz des Epiphanios stammenden Festruf richtig auf den 25. Dezember gedeutet. Ich kann also dem von Nilsson Gesagten (ARW30, 154F) nur cum grano salis zustimmen.
Heidnisch-ägyptische Feste
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et infans. Das Aion-Fest kann nicht gemeint sein, da der Aion, wie S. 32 gesagt, in ausgewachsener Gestalt erscheint. Ein weiteres Zeugnis für ein Sonnwendfest am 25. Dezember in Ägypten hat FE. BOLL in Sitzb. Heidelb. Ak. 1 9 1 0 , 1 6 . Abh. zur Sprache gebracht: Im Kalendarium des Antiochos, das um 200 n. Chr. in Ägypten entstanden ist, wird zum 22. Dezember die Wintersonnenwende, aber zum 2 4 . / 2 5 . Dezember vermerkt: 'HHov yevi'&hov• av£ei v dvgojv errichten; das waren Straßenaltäre, die laut RE 1, Sp. 910 ursprünglich zum Apollonkult gehörten. Judas Maccabaeus wird, als er die Stadt Jerusalem und den Tempel gereinigt hatte und zur Erinnerung daran das Tempelweihfest, die eyxaivia stiftete, die laut Joh-Ev 10,22f auch im Leben Jesu eine Rolle gespielt haben, mit Absicht gerade den 25. Kislew = 25. Dezember, d. h. den Tag gewählt haben, an dem vorher das Hauptfest des DionysosApollon gefeiert worden war. Gewiß waren die jüdischen Monate Mondmonate und die julianischen Daten wechselten innerhalb eines Mondmonats, aber damit war es geradeso wie mit den christlichen Ostern: die historische Passion hat am 14. Nisan = 3. April 33 stattgefunden, aber gefeiert wurde Ostern im frühen Christentum so wechselnd, wie der 14. Nisan wechselte. Dazu kommt, daß die eyxaivia auch rä v%fjv fjfiigq xexgdöi ßaaiXevovxog Avyovaxovxeaaagaxoaxöv xalöevxegov erog, and de 'Ada/z 7i£vxaxia%iXioaxä> xal Ttevxaxoaioaxü» exer enaftev de xgiaxoaxw xgixco erei TCQO öxxcb xahavöwv anQÜdmv rj/tega jiaQaaxevfj oxxwxaidexaxco hei Tißegiov Kaiaagog vnarevovrog 'Povcpov xal 'PovßeXXicovog xal ratovKaiaagog xo xexagxov TatovKeaxiovüaxogvivov. Sprachlich ist zu bemerken, daß wegen des Ausdrucks nagovaia evaagxog... ev Brj&Xee[i das Verbum yeyevvrjxai von der physischen Geburt zu verstehen ist; hinter xeaaagcov ist vcovtöv zu ergänzen; der betr. Konsul hieß nicht Rufus, sondern Fufius, nicht Cestius sondern Sentius. Die Berechnung von Adam her und die Bestimmung der Wochentage lasse ich zunächst beiseite. Man sieht sofort, daß im Danielkommentar für die Geburt Jesu zwei verschiedene Monatsdaten, aber ein und dasselbe Jahr, für die Passion dagegen verschiedene Jahre, aber dasselbe Monatsdatum angegeben sind, und man muß schließen, daß in den Text des Kommentars eingegriffen worden ist. Zur Verdeutlichung stellen wir die Angaben des Danielkommentars und der Ostertafel betr. Geburt und Passion Jesu nebeneinander: Hinsichtlich der G e b u r t gibt die O s t e r t a f e l 2 v. Chr.
der D a n i e l s k o m m e n t a r Dasselbe in der Form: „im 42. Jahr der Regierung des Augustus" (gerechnet vom ersten Konsulat im J. 43) = 2 v. Chr.
Das Weihnachtsfest am 25. Dezember
,,2. April" (aber nach unserer Auffassung als Inkarnationsdatum)
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la) „2. April" (als Geburtsdatum) lb) „25. Dezember" (als Geburtsdatum)
Hinsichtlich der P a s s i o n 29 n. Chr.
2a) Dasselbe in der Form: „im Konsulat des Fufius und Rubellius" = 29 n. Chr. 2b) „im Konsulat des Kaisers Caius IV. und G. Sentius Saturninus" = 41 n. Chr. 3) „im 18. Jahre des Kaisers Tiberius" = 32 n. Chr.
im 30. Lebensjahre
4) „im 33. Lebensjahre", also vom J. 41 gerechnet, die Geburt im J. 8 n. Chr. Dasselbe.
„am 25. März"
Wie sind die vier Differenzen zu erklären ? Beginnen wir mit Nr. 1 : Ein Abschreiber hat eine Randnotiz ramponiert vor syévexo in den Text aufgenommen, obwohl hinter êyéveto in syntaktisch richtiger Folge (vgl. die Folge bei enadev) schon ein Datum stand. Wer den 2. April an den Rand geschrieben, hat die Ostertafel im Kopfe gehabt, aber das dortige Notât irrtümlich auf die Geburt, statt auf die Inkarnation bezogen — und manchen Nachtreter gehabt, aber z. B. nicht HAENACK, Die Chronologie der altchristlichen Literatur = Gesch. d. altchristl. Lit. bis Eusebius, Bd. 2, 2. Abtlg. Leipzig 1904, S. 251. Die übrigen drei Unstimmigkeiten sind von dem Zusätze 2 aus zu verstehen. Die Ansetzung der Passion auf 41 ist nämlich gleichbedeutend mit der Ansetzung der Geburt auf 8 n. Chr. und mit der Berechnung der Lebenszeit Jesu (nicht auf 30 Jahre gemäß Lc 3,1, sondern unter Beachtung der Chronologie des Joh-Ev) auf 33 Jahre und der entsprechenden Änderung des 15. Jahres des Tiberius in das 18. Jahr. H. USENER meinte in „Das Weihnachtsfest", S. 371ff, die Ansetzung der Geburt Christi auf das J. 8 (also auch des Passions]ahres 41) dem Hippolytos zuschreiben zu können, führte aber als einzigen Zeugen dafür den Kyrillos von Skythopolis an, der im sechsten Jahrhundert geschrieben hat. Dieser beruft sich dafür auf Hippolytos, Epiphanios und einen „Heron". Usener sagt selbst, daß Kyrillos den Hippolytos und Epiphanios nicht gelesen habe. Den Heron aber haben TILLEMONT, Mémoires pour servir à l'histoire ecclésiastique des six premiers siècles, Bruxelles 1706—30, 9, 712f und E. Schwartz mit dem .5 Hartke
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WILHELM HABTKE
Schwindler Maximus identifiziert, der als nicänischer Parteigänger aus seiner Heimat Alexandria verbannt wurde, nach Konstantinopel ging und sich dort dem Gregor vonNazianz anschloß. „Dieser hielt den eitlen Gecken mit seinen gefärbten Locken, dem Mantel und Knotenstock des Kynikers und seinen schmeichlerischen Redensarten für etwas Bedeutendes und stellte ihn sogar seiner Gemeinde in einer festlichen Lobrede als das Muster eines vollkommenen Philosophen und als Märtyrer des wahren Glaubens vor. Aber zu Gregors peinlicher Überraschung wurde dieser Mann eines Nachts von ägyptischen Bischöfen, die plötzlich in die Stadt gekommen waren, zum Bischof von Konstantinopel geweiht. Im Hintergrunde der tückischen Aktion stand Petrus von Alexandrien, der mit Besorgnis das wachsende Ansehen des Gregor beobachtet hatte und den hauptstädtischen Bischofsthron lieber mit einer ihm ergebenen Kreatur besetzen als ihn einem Anhänger des verhaßten Meletius zugestehen wollte. Der Streich machte großes Aufsehen, und Maximus verließ schleunigst die Stadt" (H. LIETZMANN, GdAK 4, 1944, 30). Der Schwindler taucht noch einmal auf einer römischen Synode des J. 382 auf (LIETZMAHN a. 0. 4, 54 u. 56). Nach E. SCHWARTZ, Kyrillos von Skythopolis, Leipzig 1939, S. 346 entspricht die Ansetzung der Geburt Christi auf 8 n., die dieser Kyrillos aus „Heron" geschöpft haben will, d. h. von jenem alexandrinischen Schwindler Maximus hat, der „alexandrinischen Inkarnationsrechnung", die gegen die chiliastische Konstruktion z. B. des S. Julius Africanus aufgestellt wurde. Das muß nachgeprüft werden. Erstens: Nach E. SCHWARTZ a. 0. ist die alexandrinische W e l t ä r a eine Spielerei des ägyptischen Mönches Anianos, erwachsen aus der Situation, daß Ostern 361 n. Chr. der 19jährige Mondcyclus und der 28jährige Sonnencyclus der alexandrinischen Osterberechnung beide wieder einmal die Ziffer 1 aufwiesen, also ein 532j ähriger Passahcyclus neu begann. Dieser neu beginnende Cyclus wurde als der zwölfte gezählt; die abgelaufenen elfmal 532 = 5852 Jahre wurden als „Jahre der Welt" definiert, die nach dem ägyptisch-julianischen Kalender mit dem 1. Thoth = 29. August beginnen. Die elfte Periode begann mit dem Weltjahr (W) 5321; das Periodenjahr (P) 1 ist also = W 5321; P 173 entspricht W 5493; P 181: W 5501; P 182:W 5502; P 214:W 5534. Römisch-julianisch läuft W 5493 W5500 W 5501 W 5502 W 5534
= P 173 vom 29. 8.1 v. bis 28. £5.1 n. 7 n. 8 n. = P 180 9 n. = P 181 8 n. 10 n. 9 n. = P 182 42 n. = P 214 41 n.
Auch E. SCHWARTZ (in: RE 6, 2466) stellt fest, daß nach der alexandrinischen Ära, julianisch gerechnet,
Das Weihnachtsfest am 25. Dezember
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die Empfängnis Chr. in W 5501 am 25. 3. 9 n. die Geburt Chr. in W 5502 25.12. 9 n. an einem Mittwoch die Passion Chr. in W 5534 25. 3. 42 n. an einem Freitag stattgefunden hat. Das ist also die k o r r e k t e a l e x a n d r i n i s c h e R e c h nung. Wir wollen zweitens zeigen, wie die W e l t ä r a des H i p p o l y t o s ausgesehen hat. Daß er mit einer Weltära rechnet, ist sicher, denn der ganze Abschnitt des Danielkommentars, aus dem das oben gebrachte Zitat entnommen ist, handelt davon. Hippolytos will „aus den Zeiten der Weltschöpfung von Adam her" den Geburtstag des Herrn berechnen. Er sagt einmal: ano yeveoecog ovv XQIOXOV Sei iprj