Über die Religion: Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern 9783787332878, 9783787316908

Der genaue Charakter dieser Schrift, die Grenzen neu zieht (so zwischen Metaphysik und Moral auf der einen und Religion

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German Pages 176 [211] Year 2004

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Über die Religion: Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern
 9783787332878, 9783787316908

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FRIEDRICH DANIEL ERNST SCHLEIERMACHER

ÜBER DIE RELIGION Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern

Mit einer Einleitung herausgegeben von ANDREAS ARNDT

FE LIX ME INE R VE RLA G HAM BURG

PH IL O SO PH I SC HE BI BL IOT H E K B AN D 5 6 3

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über ‹http://portal.dnb.de›. ISBN: 978-3-7873-1690-8 ISBN eBook: 978-3-7873-3287-8

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2004. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. www.meiner.de

INHALT

. Einleitung von Andreas Arndt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Editorische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII Auswahlbibliographie ........................... XXVIII

FRIEDRICH DANIEL ERNST SCHLEIERMACHER

Über die Religion ERSTE REDE:

Apologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

ZWEITE REDE:

Über das Wesen der Religion . . . . . . . . .

22

DRITTE REDE:

Über die Bildung zur Religion . . . . . . . .

75

VIERTE REDE:

Über das Gesellige in der Religion oder über Kirche und Priestertum . . . .

97

Über die Religionen . . . . . . . . . . . . . . . .

131

Namen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174

FÜNFTE REDE:

EINLEITUNG

Schleiermachers Schrift „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern", die 1799 anonym bei Unger in Berlin publiziert wurde, gilt als das bedeutendste Dokument frühromantischer Religiosität. Der genaue Charakter dieser Schrift, die Grenzen neu zieht (so zwischen Metaphysik und Moral auf der einen, Religion auf der anderen Seite), aber auch überschreitet (so im literarischen Genus), läßt sich indessen nur schwer bestimmen. Die „Reden" waren - von Übersetzungen und kleineren Zeitschriftenbeiträgen abgesehen - Schleiermachers literarischer Erstling. Ihre Abfassung fällt in die Zeit der intensiven Freundschaft und Zusammenarbeit mit Friedrich Schlegel, in der beide vom Dezember 1797 bis zum August 1799 auch eine Wohnung in Berlin teilten. Indessen brachen an dieser Schrift auch erste inhaltliche Differenzen zwischen den Freunden auf, welche die Eigenständigkeit und Originalität der Schleiermacherschen Gedanken auch innerhalb des frühromantischen Freundeskreises unterstreichen. Die äußere Entstehungsgeschichte der „Reden" ist relativ gut dokumentiert. Im Hintergrund stand wohl auch das Versprechen, das Schlegel dem Freund bei der Feier seines 29. Geburtstages am 21.11.1797 abgenötigt hatte, nämlich im neuen Lebensjahr ein eigenes Buch zu schreiben.l Noch im Sommer 1798 freilich war Schleiermacher nicht geneigt, auf diese Forderung einzugehen.2 Wohl wenig später finden sich dann jedoch in Schleiermachers Gedanken-Heft erste Überle1 An Ch. Schleiermacher, 31.11. bis 31.12.1797; in: Friedrich Schleiermacher: Kritische Gesamtausgabe, Berlin und New York 1980ff. (im folgenden zitiert als KGA mit Nennung von Abteilung und Bandzahl), Abt. V, Bd. 2, S. 213. 2 Vgl. an die Schwester Charlotte unter dem 16. 6.1798 in bezug auf seine „Athenaeum"-Fragmente: „So weit hat mich nun Schlegel gebracht, aber das ich etwas größeres schreiben sollte, daraus wird nun nichts." (KGA V/2, S. 331).

VIII

Andreas Arndt

gungen zum Thema „Religion"3 und am 2. 12. 1798 schreibt Friedrich Schlegel an Friedrich von Hardenberg (Novalis): „Schleiermacher, der zwar wohl kein Apostel, aber ein geborner Recensent aller biblischen Kunstreden ist, und wenn ihm nur ein Wort Gottes gegeben würde, gewaltig dafür predigen würde, arbeitet auch an einem Werk über die Religion".4 Voll~!1det wurde das Buch während Schleiermachers zeitweiliger Ubersiedlung nach Potsdam, wo ihm vom 14. Februar bis zum 14. Mai 1799 die Vertretung einer Hofpredigerstelle übertragen worden war. Den Anfang des Manuskripts muß er dorthin bereits mitgebracht haben, denn er setzt seine Arbeit in Potsdam unverzüglich fort;5 um den 20. Februar ist bereits die zweite Rede vollendet.6 Eine Reinschrift der im Manuskript abgeschlossenen Teile schickte Schleiermacher jeweils nach Berlin, wo - unter der Aufsicht Friedrich Schlegels - der Text bereits in den Satz ging. So konnte F. Schlegel schon am 19. Februar in einem Brief an seine Schwägerin Caroline unter Bezug auf den Schluß der zweiten Rede seinen ersten Eindruck mitteilen: „Religion ist übrigens nicht viel darin, außer daß jeder Mensch ein Ebenbild Gottes sey, und der Tod vernichtet werden soll. Indessen ists doch ein Buch wie mein Studium der alten Poesie, revoluzionär und der erste Blick in eine neue Welt. Ich glaube, Ihnen wird es wohl gefallen: denn es ist gebildet und fein, ein classischer Essay!"7 Am 15. April beendete Schleiermacher das Manuskript8 und erhielt Anfang Juli die ersten Exemplare.9 KGA 1/2, S. 25; vgl. dazu die Historische Einführung von Günter Meckenstock, S. LIII. 4 Friedrich Schlegel: Werke. Kritische Ausgabe, Paderborn u. a. 1958ff. (im folgenden zitiert als KFSA), Bd. 24, S. 206. 5 Vgl. Schleiermacher an Henriette Herz, 15. 2.1799, KGA V/3 3, S.10; zur Entstehungsgeschichte und zum Verlauf der Arbeiten an den Reden vgl. KGA I/2, S. LIII-LX. 6 An Henriette Herz, 22. 2.1799, KGA V, Bd. 3, S.15, wo er auch auf seine Befürchtung zu sprechen kommt, der Schluß dieser Rede könne Schwierigkeiten mit der Zensurbehörde herbeiführen. 7 KfSA 24, S. 230f. 8 An Henriette Herz, 14.-15.4.1799, KGA V/3, S. 90. 9 An Henriette Herz, 4. 7.1799, KGA V/3, S.140. 3

Einleitung

IX

Daß sein literarischer Erstling ein Buch zum Thema Religion werden sollte und nicht zum Thema Ethik, das ihn schon seit seinen Hallenser Studienjahren 1787-1789 vordringlich beschäftigt hatte, ist keineswegs selbstverständlich. Darüber, weshalb Schleiermacher sich der Religionsthematik zugewandt hatte, wissen wir aus den überlieferten Zeugnissen jedoch nichts Zuverlässiges; die inhaltlichen Motive der „Reden" liegen im Dunklen. Im Diskussionskontext der Frühromantiker freilich war das Thema „Religion" spätestens seit dem Sommer 1798 in den Vordergrund getreten, so daß geradezu von einer frühromantischen Wendung zur Religion gesprochen werden kann.10 So berichtete F. Schlegel Anfang Juli 1798 aus Dresden an Schleiermacher über Pläne N ovalis', im „Athenaeum" „christliche Fragmente" zu publizieren;ll in einem späteren Brief aus demselben Monat heißt es dann: „Hardenberg ist dran, die Religion und die Physik durch einander zu kneten. Das wird ein interessantes Rührey werden!"l2 Auch Schlegel selbst hatte in seinen „Athenaeum"Fragmenten das Thema Religion bereits angeschlagenl3 und 1798 Aufzeichnungen zur Religionsthematik gemacht.14 Am 20. Oktober 1798 - mittlererweile nach Berlin zurückgekehrt - verkündete er Novalis, es sei „das Ziel meiner literarischen Projekte eine neue Bibel zu schreiben, und auf Muhameds und Luthers Fußstapfen zu wandeln."15 In einem großen Brief an Novalis vom 2. Dezember 1798 erläuterte er sein Projekt ausführlich: „Ich denke eine neue Religion zu stiften oder vielmehr sie verkündigen helfen: denn kommen und siegen wird sie auch ohne mich. Meine Religion ist nicht von der Art, daß sie die Philosophie und Poesie verschlucken wollte. [ ... ] Aber ganz ohne Eingebung betrachtet, finde ich, daß Gegenstände übrigbleiben, die weder Philosophie noch PoeVgl. Kurt Nowak: Schleiennacher und die Frühromantik, S.119ff. 11 Vgl. KGA V/2, S. 345. 12 Ebd., S. 363. 13 Vgl. KFSA 2, S. 201 (Nr. 22lf.), 202-204 (Nr. 230-235). 14 KFSA 18, S. 319-321. 15 KFSA 24, S.183. 10

X

Andreas Arndt

sie behandeln kann. Ein solcher Gegenstand scheint mir Gott, von dem ich eine durchaus neue Ansicht habe. "16 Da Friedrich Schlegel in demselben Brief bereits über Schleiermachers Arbeit an einem „Werk über die Religion" berichtet, kann die These von der Eigenbedeutung der Religion durchaus auf die für Schleiermachers Religionsverständnis zentrale Auffassung zurückgehen, der Religion gehöre „eine eigne Provinz im Gemüte" an, wie es zum Schluß der ersten Rede heißt.17 Wie auch immer im einzelnen die wechselseitigen Beeinflussungen innerhalb des frühromantischen Freundeskreises zu gewichten sein mögen: es handelte sich in jedem Falle um einen gemeinsamen Diskussionsprozeß, in dem sich das Thema Religion als zentral herauskristallisierte. Schleiermachers Wendung zur Religionsthematik fällt mit der frühromantischen Wendung zur Religion zusammen. Diese führt jedoch nicht zu einer einheitlichen Position, sondern bringt erhebliche Differenzen hervor. Während die von Schlegel projektierte neue Religion das Christentum überbieten soll, hält Novalis am Christentum als der Religion fest; hierin kommt er mit Schleiermacher insoweit überein, als dieser ebenfalls nicht an eine Überbietung der christlichen Religion denkt, diese aber in eine Vielheit von Religionen einbettet, ohne eine dogmatische Entscheidung unter ihnen herbeiführen zu wollen. Die Schrift trug den Titel „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern", nachdem sie zur Leipziger Frühjahrsmesse noch als „Ueber die Religion. Reden an die aufgeklärten Verächter derselben" angezeigt worden war. Der ursprüngliche Titel muß das Projekt lange begleitet haben, denn der Verleger annoncierte noch nach Fertigstellung des Buches am 7. 9.1799 in der „Staats- und gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten": „Ueber die Religion. Reden an die Aufgeklärten unter Ebd., S. 205; in dem vorhergehenden Brief vom 7. November hatte Novalis sein eigenes Bibelprojekt vorgestellt, das allerdings im Unterschied zum Schlegelschen. auf eine „Encyklopaedistik" (S.195) der Wissenschaften gerichtet war. l i Reden, S. 37, unten S. 20. 16

Einleitung

XI

ihren Verächtem."18 Die Veränderung von den aufgeklärten zu den gebildeten Verächtern dürfte zunächst äußeren Rücksichten entsprechen. An erster Stelle ist hier der Atheismusstreit um Fichte zu nennen, der gerade einen Höhepunkt erreicht hatte. Vermutlich wollte Schleiermacher verhindern, daß die „Reden" als Kampfschrift im Atheismusstreit aufgefaßt werden konnten, denn Fichtes Philosophie konnte ja mit Recht als Radikalisierung der Aufklärung verstanden werden. Ferner konnten sich die Repräsentanten der Berliner Spätaufklärung, die auf die Frühromantiker nicht gut zu sprechen waren, mit denen Schleiermacher aber vielfach Umgang hatte, nicht mehr angesprochen fühlen, auch wenn sie größtenteils keineswegs als areligiös oder indifferent gegenüber der Religion gelten konnten. Jedoch vertraten sie - wie z.B. Johann Joachim Spalding in seiner 1797 erschienenen Schrift „Religion, eine Angelegenheit des Menschen"l9 - die von Schleiermacher explizit kritisierte Vermischung von Religion und Moral.20 Die Änderung im Titel der „Reden" bringt sie dagegen nicht mit bestimmten philosophischen oder theologischen Überzeugungen zusammen, sondern adressiert sie an das Lesepublikum überhaupt, eben an die „Gebildeten". Mit den „Verächtern" unter ihnen spielt Schleiermacher wohl nicht so sehr auf die zeittypische, in unzähligen Varianten wiederholte (und zugleich die im ganzen Prozeß der Modeme immer wieder erhobene) Klage über den Verfall der Religion an - eine solche Klage mußte Schleiermacher schon deshalb suspekt erscheinen, weil sie mit der Religion zugleich immer um die

Nr. 144, S. 6. Als Anhang abgedruckt in: 200 Jahre „Reden über die Religion". 20 Entgegen der Ansicht, Schleiermacher habe seine „Reden" in enge Anlehnung an Spaldings Religionsschrift konzipiert, hat Wolfgang Virmond gezeigt, daß die „Reden" vielmehr einen Angriff auf Spaldings Auffassung darstellen, die Religion sei nützlich für Tugend und Glückseligkeit des Menschen; vgl. „Bemerkungen zu Schleiermachers Schlobittener Stil-Vorträgen von 1791. Mit einem Exkurs über die ,Reden' (1799) und Spaldings ,Religion' (1797)", in: 200 Jahre „Reden über die Religion", hier S. 259-261. 18

19

XII

Andreas Arndt

Moral fürchtete-, sondern wohl vor allem auf eine gleichgültige Haltung zur Religion, eine praktische, nicht explizite „Verachtung", welche den Menschen nach seiner Überzeugung eine ganze Provinz ihres Gemütes verschloß. Erläuterungsbedürftig ist auch, in welchem Sinne der Ausdruck „Reden" im Titel gemeint ist. Zwar finden sich zahlreiche rhetorische Formeln eingestreut, welche den gewollten Charakter der Ausführungen als Rede immer wieder unterstreichen, jedoch hatte schon Schleiermacher selbst Zweifel daran, daß dieser Gestus auch durchgehalten worden sei. Speziell in der fünften Rede ärgerte er sich im nachhinein „über eine Portion Dialektik", durch die sie „gewaltig trocken gerathen" sei.21 Unabhängig davon, ob Schleiermacher die Anlage des Textes als Reden durchgängig gelungen ist,22 unterstreicht die gewollte Fiktion einen Grundzug der Schleiermacherschen Religionsauffassung selbst. Göttliche Dinge, so heißt es in der vierten Rede, seien nicht in einem Gespräch - mit Rede und Gegenrede - mitteilbar, sondern dies müsse „in einem größem Stil" geschehen: „Darum ist es unmöglich Religion anders auszusprechen und mitzuteilen als rednerisch, in aller Anstrengung und Kunst der Sprache".23 Die Rede ist Objektivierung eines Subjektiven, der „Wanderungen durchs Universum in sich selbst"24, der Redner „tritt hervor um seine eigne Anschauung hinzustellen, als Objekt für die Übrigen",25 kann aber gerade darin eine Übereinstirn-

21

An Henriette Herz, 8. 4.1799, KGA V/3, S. 72f.

Kurt Nowak schreibt zutreffend, daß sich „eine durchgängige Charakterisierung der Schrift als Reden nicht aufrechterhalten" lasse: „Sie schwankt zwischen kunstvoll stilisierter Rhetorik und zwischen Traktat, der seinerseits die Mitte zwischen Abhandlung und Erbauungsschrift hält." (Schleiermacher und die Frühromantik, S.158). 23 Reden, S.181; unten S. lOOf. - Hierin unterscheidet sich die Position der „Reden" deutlich von der späteren Dogmatik, welche von der Dialektik, also der philosophischen Kunst der Gesprächsführung, die wissenschaftliche Form entlehnt. 24 Reden, S.182, unten S.101. 2s Ebd. 22

Einleitung

XIII

mung erwarten, in der die Herzen des Redners und der Gemeinde „Schauplatz desselben Gefühls"26 sind. Die erste Rede ist mit Apologie überschrieben. Sie rechtfertigt das Tun des Redners aus dem Leben überhaupt und speziell der menschlichen Natur: „Jedes Leben ist nur das Resultat eines beständigen Anneigens und Abstoßens [ ... ] Jede menschliche Seele [ ... ] ist nur ein Produkt zweier entgegengesezter Triebe. Der eine ist das Bestreben alles was sie umgiebt an sich zu ziehen, in ihr eignes Leben zu verstriken, und wo möglich in ihr innerstes Wesen ganz einzusaugen. Der andere ist die Sehnsucht ihr eigenes inneres Selbst von innen heraus immer weiter auszudehnen, alles damit zu durchdringen, allen davon mitzutheilen, und selbst nie erschöpft zu werden".27 Dies bezieht sich nicht nur auf die Mitteilung der Religion, sondern auch auf die Perspektive, Alles zu durchdringen, um es zu einer (subjektiven) Einheit zu bringen. Anneigen und Abstoßen bezeichnen in der Natur überhaupt wie im geistigen Leben einen Widerstreit, durch den sich perspektivisch gleichwohl Einheit realisiert.28 Diese Einheit ist jedoch kein Indifferenzpunkt, in dem die Extreme zusammenfallen, denn das Leben bewegt sich notwendig zwischen diesen Extremen, die daher nur in einer harmonischen,

Reden, S.182f., unten S.101. 27 Reden, S. 6, unten S. 3f. - Die dort vorgenommene, gängige Konjektur „Aneignen" statt „Anneigen" (so auch KGA I/2, S.191) macht zwar im Blick auf das „durstige an sich ziehen" auch Sinn, verdeckt aber vielleicht doch einen ursprünglich gar nicht organologischen Hintergrund, nämlich den Rekurs auf Attraktivkraft und Repulsivkraft als Grundkräfte der (Newtonschen) Himmelsmechanik. Das Schema einer Konstruktion des Zusammenhangs aus zwei Grundkräften bzw. einem grundlegenden Gegensatz variiert Schleiermacher auch in späteren Schriften und Entwürfen vielfach (z.B. Spontaneität und Rezeptivität). 28 Man könnte hierin schon die Grundfigur der späteren Schleiermacherschen Dialektik erkennen wollen. Allerdings ist zu betonen, daß der Gedanke einer sich vermittelnden Polarität Schleiermacher nicht eigentümlich ist; vgl. Kurt Nowak: Schleierrnacher und die Frühromantik, S.164. 26

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„zur Ruhe gebrachten Mischung"29 vermittelt werden können. Diese Mischung zu finden, ist Resultat einer „angestrengten und durchgeführten Selbstbildung";30 sie wird erreicht von ausgezeichneten Menschen, Gesandten der „Gottheit",31 die es als „Mittler" nicht nur verstehen, die Extreme zu vermitteln, sondern deren Mittieramt auch darin besteht, „das Innere aller geistigen Geheimnisse[ ... ] aus dem Reiche Gottes" herab zu verkünden.32 Hiermit verbindet sich die Perspektive, daß schließlich Alle zu Mittlern werden und es für die Menschen eines besonderen Mittleramtes nicht mehr bedarf.33 Hier scheint eine religiöse Vergesellschaftung der Menschheit auf, in der zugleich die Zerrissenheit zwischen den Extremen des Lebens aufgehoben und damit die Entfremdung überwunden wäre. Ihre Realisierung verlangt, daß Religion nicht äußerlich in tradierten Praxen oder toten Buchstaben gesucht wird, sondern daß man auf die ,,Andeutungen und Stimmungen" in den „Äußerungen und edlen Taten gottbegeisterter Menschen"34 achtet, sie also in der Subjektivität aufsucht, wo sie „aus dem Inneren jeder besseren Seele notwendig von selbst entspringt" und „eine eigne Provinz im Gemüte" beherrscht.35 Mit dieser Wendung zur Subjektivität, der Verankerung der Religion im Gemüt, nimmt Schleiermacher ausdrücklich36 die Unterscheidung von Re29 Reden, S. 9, unten S. 5. 30 Ebd. 31 Ebd. 32 Reden, S.12, unten S. 7. 33 Die Figur des Mittlers hatte Novalis bereits in der 1798 im „Athenaeum" veröffentlichten Fragmentsammlung „Blüthenstaub" eingeführt; es heißt dort in Fragment 74 u. a.: „Nichts ist zur wahren Religiosität unentbehrlicher als ein Mittelglied, das uns mit der Gottheit verbindet. [ ... ] Wahre Religion ist, die jenen Mittler als Mittler annimmt, ihn gleichsam für das Organ der Gottheit hält, für ihre sinnliche Erscheinung." (Novalis: Schriften, hg. v. R. Samuel in Zusammenarbeit mit H.-J. Mäh! und G. Schulz, Bd. 2, Darmstadt 31981, S.441-443) 34 Reden, S. 30, unten S. 17. 35 Reden, S. 37, unten S. 20 . .36 Vgl. Reden, S. 45, unten S. 25.

Einleitung

XV

ligion und Religiosität zurück: „Was also zunächst die Vorgeschichte des Religiositätsbegriffs war, nämlich das Individuelle der Religion, wird nun zum Wesen der Religion überhaupt. "37 Diese Wendung hat auch, wie dann in der fünften Rede deutlich wird, eine christologische Pointe: Jesus erscheint als „Mittler für Viele", der weitere Mittler dessen, was in ihm Religion war, nicht ausschließt, und damit als einer der ausgezeichneten Menschen, die ein gelingendes, die Extreme vermittelndes Leben beispielhaft vorführen.38 Die zweite Rede behandelt das Wesen der Religion. Sie erläutert, was es für die Bestimmung der Religion selbst heißt, wenn sie einerseits subjektivitätstheoretisch im Gemüt des Individuums verankert, andererseits aber ihrem Gehalt nach zugleich an einer universellen Einheitsperspektive orientiert wird. Diesen Gegenstand, „nämlich das Universum und das Verhältnis des Menschen zu ihm",39 habe die Religion mit Metaphysik und Moral gemein, jedoch habe sie einen anderen Zugang hierzu; sie wolle das Universum weder „bestimmen" noch „erklären" wie die Metaphysik, noch es „fortbilden" und „fertig machen" wie die Moral.40 Weder verfährt Religion instrumentalistisch, indem sie ihren Gegenstand mit (begrifflichen) Denkmitteln bestimmt, noch ist sie instrumentalistisch orientiert, indem sie das Universum als Reservoir zur Realisierung menschlicher Zwecke ansieht.41 Ihr Gestus ist kontemplativ, der des Sein-lassens, der passiven Hingabe an das Universum in Anschauung und Gefühl. „Anschauen des Universums, ich bitte befreundet Euch mit diesem Begriff, er ist der Angel meiner ganzen Rede, er ist die allgemeinste und höchste Formel der Religion".42 Anschauen

Ernst Müller: „Religion/Religiosität", in: Ästhetische Grundbegriffe, hg. v. K. Barck, M. Fontius u. a„ Bd. 5, Stuttgart und Weimar 2003, s. 246. 38 Vgl. Reden, S.302-306, unten S.168-170. 39 Reden, S. 41, unten S. 24. 40 Reden, S. 50, unten S. 28f. 41 Vgl. hierzu auch die negative Charakteristik des Prometheus (Reden, S. 52, unten S. 30). 42 Reden, S. 55, unten S. 31. 37

XVI

Andreas Arndt

bedeutet Passivität ebenso wie Nichtbegrifflichkeit, auch wenn das Angeschaute vom Anschauenden „seiner Natur gemäß aufgenommen, zusammengefaßt und begriffen wird",43 denn dieses Synthetisieren und Begreifen ist eine nachgängige Reflexion auf eine ursprüngliche, nicht-relationale und insofern begrifflich nicht vollziehbare Einheit. Die ursprüngliche Anschauung als ein ursprüngliches Erlebnis der Einheit des Universums entzieht sich der Reflexion; in der Reflexion kommt sie vielmehr schon immer als in Anschauung und Gefühl getrennt zur Sprache: „vergönnt mir[ ... ] einen Augenblik darüber zu trauern, daß ich von beiden nicht anders als getrennt reden kann [ ... J. Aber eine nothwendige Reflexion trennt beide, und wer kann über irgend etwas, das zum Bewußtsein gehört, reden, ohne erst durch dieses Medium hindurch zu gehen".44 Das Medium der Reflexion trennt die Einheit der Anschauung und des Gefühls entsprechend dem „ursprünglichen Bewußtsein unserer doppelten Tätigkeit", der herrschenden, aktiv nach außen wirkenden einerseits, und der nachbildenden, rezeptiven andererseits; das in der Anschauung Gegebene tritt außereinander in das „Bild eines Objekts" und ein „flüchtiges Gefühl".4.5 Im Reden über die Anschauung sind Anschauung und Gefühl schon immer Einzelnes; Allgemeinheit und Zusammenhang erhalten sie erst durch das abstrakte Denken.46 Gleichwohl verweist die Reflexion auf die ursprüngliche, unmittelbare Einheit, indem zwischen der (einzelnen) Anschauung und dem Gefühl ein natürlicher Zusammenhang besteht,47 wobei die Anschauung nicht die Selbsttätigkeit eines inneren Sinns weckt, sondern beide - objektgerichtete Anschauung und subjektives Gefühl - gleich ursprünglich sind und zusammengehen: „beide sind nur dann und deswegen etwas, wenn und weil sie ursprünglich Eins und ungetrennt sind" .48 Diese Einheit be43

44

4.5 46

47

4~

Ebd. Reden, S. 72, unten S. 40. Reden, S. 72, unten S. 41. Vgl. Reden, S. 58, unten S. 33. Vgl. Reden, S. 66, unten S. 37. Reden, S. 73, unten S. 41.

Einleitung

XVII

schreibt Schleiermacher als „bräutliche Umarmung", die im Augenblick der Trennung ein Reflexionsverhältnis hervorbringt: „nun erst steht die Anschauung vor mir als eine abgesonderte Gestalt, ich meße sie, und sie spiegelt sich in der offenen Seele wie das Bild der sich entwindenden Geliebten in dem aufgeschlagenen Auge des Jünglings, und nun erst arbeitet sich das Gefühl aus dem Innern empor, und verbreitet sich wie die Röte der Scham und der Lust auf seiner Wange".49 Die praereflexive Einheit der Anschauung und des Gefühls tritt auseinander in die abgesonderte Anschauung einerseits, die zum Objekt der Reflexion wird (,,ich meße sie") und sich ihrerseits reflektiert („spiegelt"), sowie das Gefühl andererseits, das als „Sinn und Geschmak fürs Unendliche"5ü das Innewerden jener praereflexiven Einheit ist. Die Perspektive dieser Einheit als Einheit des Universums selbst verbindet Schleiermacher mit dem Namen Spinozas:51 das Individuelle ist Moment des Universums, der All-Einheit, aber so, daß diese Einheit nur in den Individuationen oder Modifikationen zugänglich wird. Eben hierin besteht die Einheit der Subjektivität (des Gefühls) und ihres objektiven Gehalts, des Universums. Die dritte Rede handelt von der Bildung zur Religion. Sie knüpft daran an, daß Religion als Vermittlung von Gegensätzen zu verstehen sei, welche die Zerrissenheit des Lebens überwinde. Die Bildung zur Religion ist somit zugleich die Gewinnung eines unverkürzten und nichtentfremdeten Menschseins; in einer geradezu rousseauistischen Wendung gegen Zivilisation und „Reflexion", welche die natürliche Unmittelbarkeit des Religiösen verdecken, kritisiert Schleiermacher die Unterdrückung des Strebens nach dem Unendlichen schon beim Kinde. „Der Mensch wird mit der religiösen Anlage geboren wie mit jeder andern, und wenn nur sein Sinn nicht gewaltsam unterdrükt, wenn nur nicht jede Gemeinschaft zwischen ihm und dem Universum gesperret und verrammelt wird[ ... ] so müßte sie sich auch in Jedem unfehlbar 49

50

51

Reden, S. 74, unten S.4lf. Reden, S. 53, unten S. 30. Reden, S. 54f., unten S. 31.

XVIII

Andreas Arndt

auf seine eigne Art entwikeln [ ... ]. Mit Schmerzen sehe ich es täglich wie die Wut des Verstehens den Sinn gar nicht aufkommen läßt, und wie Alles sich vereinigt den Menschen an das Endliche und an einen sehr kleinen Punkt desselben zu befestigen".52 Das Heilmittel gegen diese Wut des Verstehens ist aber nicht ein sich über das Leben erhebender Mystizismus, sondern die Bildung des Sinns: „Drei verschiedne Richtungen des Sinnes kennt jeder aus seinem eignen Bewußtsein, die eine nach innen zu auf das Ich selbst, die andre auf das Unbestimmte der Weltanschauung, und eine dritte die beides verbindet[ ... ]; dies ist die Richtung auf das in sich Vollendete, auf die Kunst und ihre Werke".53 Mit dieser Parallelisierung von Kunst und Religion nimmt Schleiermacher das frühromantische Programm der Universalisierung von Kunst, wie es Friedrich Schlegel im „Athenaeum"-Fragment 116 formuliert hatte,54 ausdrücklich auf: der Schluß der dritten Rede spielt mit seinen Formulierungen direkt darauf an: ,,laßt uns Vergangenheit Gegenwart und Zukunft umschlingen, eine endlose Galerie der erhabensten Kunstwerke durch tausend glänzende Spiegel ewig vervielfältigt."55 Die vierte Rede über das Gesellige in der Religion oder über Kirche und Priestertum behandelt die Kirche als gesellige Vereinigung, als lebendige „Wechselwirkung" derer, die Religion haben. Schleiermacher greift damit Gedanken seines 1799 anonym publizierten Aufsatzes „Versuch einer Theorie des geselligen Betragens" auf.56 Darin wird die freie, Reden, S.144, unten S. 80. Reden, S.165 f., unten S. 92. Vgl. KFSA2, S.182f. Reden, S.173, unten S. 96. - Bei Schlegel heißt es: „Nur sie [die Poesie, A.] kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frey von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen." (KFSA 2, S.182f.) 56 KGA I/2, S.165-184; der Aufsatz war im „Berlinischen Archiv der Zeit und ihres Geschmacks" erschienen; eine geplante Fortset52 53 54 55

Einleitung

XIX

keinem äußeren Zweck unterworfene Geselligkeit - die Gesellschaft im eigentlichen Sinne - alleH Formen „gebundener Geselligkeit" entgegengesetzt, in denen durch äußere Zwecke Gemeinschaften gebildet werden, deren Teilnehmer sich zueinander instrumentell und nicht in einer selbstbestimmten Wechselwirkung verhalten. Gesellig in diesem Sinne ist auch die Religion als gemeinschaftliche Verständigung über das, „wobei der Mensch sich ursprünglich als leidend fühlt, Anschauungen und Gefühle".57 Kirchliches Leben gründet nicht auf Hierarchie, Dogmen und lehrhafter Mitteilung, sondern auf dem Austausch der so - durch Anschauung und Gefühl bestimmten Subjekte, auf der freien Zusammenstimmung der Glaubenden. Sie bilden die „wahre Kirche", die sich nicht zuletzt in der „frommen Häuslichkeit"58 mit dem „Privatzimmer" als „Tempel"59 realisiert. Diese ist das religiöse Gegenbild der freien (häuslichen) Geselligkeit im privaten Salon. Als in freier Wechselwirkung konstituiert, ist die wahre Kirche frei von äußeren Zwecken. Dies setzt voraus, daß die Menschen sich allgemein über die Niederungen des zweckgebundenen Daseins erheben können, was durch die „Vollendung der Wissenschaften und Künste"60 ermöglicht werde. Hier bekommt die religiöse Vergesellschaftung die Perspektive der Befreiung von Arbeit: das Reich der Freiheit jenseits der Arbeit ist eins mit der wahren und vollendeten Kirche, in der Humanität und Religiosität konvergieren. Diese Perspektive verlangt auch die Überwindung des Gegensatzes der Religionen, den Schleiermacher in der fünften Rede zum Thema macht. Während die wahre Kirche jenseits der Kirchen „Eins" sein soll,61 ist die Religion selbst „unzung unterblieb. - Vgl. Andreas Arndt: „Geselligkeit und Gesellschaft. Die Geburt der Dialektik aus dem Geist der Konversation in Schleiermachers ,Versuch einer Theorie des geselligen Betragens'", in: Salons der Romantik, hg. v. H. Schultz, Berlin und New York 1997, S. 45-61. 57 Reden, S.177, unten S. 99. 58 Reden, S. 230, unten S.128. 59 Reden, S. 224, unten S.124. 60 Reden, S. 231, unten S.128. 61 Reden, S. 239, unten S.133.

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Andreas Arndt

endlich" und muß sich „in Erscheinungen organisieren [. „], welche mehr voneinander verschieden sind."62 Wenn es das Wesen der Religion ist, subjektiv das Universum anzuschauen und seiner im Gefühl innezuwerden, so ist Religion schon immer das individuelle Sich-Darstellen des Unendlichen, welches nur in unendlichen Modifikationen geschehen kann. Religion ist somit ihrem Wesen nach pluralistisch und nicht ausschließend. Die religiöse Anschauung der Religion verlangt, „den eitlen und vergeblichen Wunsch, daß es nur Eine geben möchte", aufzugeben, die Vielheit der Religionen anzuerkennen und ihnen „so unbefangen als möglich" zu begegnen.63 Um in den Religionen die Religion zu entdecken,64 muß die Religion selbst als geschichtliches „Individuum der Religion" hervortreten, in welchem „irgendeine einzelne Anschauung des Universums aus freier Willkür [ ... J zum Zentralpunkt der ganzen Religion gemacht und Alles darin auf sie bezogen wird."65 Die praktische Unendlichkeit der Religionen in der Entwicklung der Menschheit sowohl in der Folge geschichtlicher Epochen als auch im Nebeneinander der Religionen bedeutet für Schleiermacher jedoch nicht deren Gleichwertigkeit. Explizit behandelt er jedoch nur die jüdische und die christliche Religion. Erstere sei „schon lange eine tote Religion",66 deren Idee des Universums die „einer allgemeinen unmittelbaren Vergeltung" sei.67 Dem wird das Christentum als „herrlicher", „erhabener", „würdiger" und „tiefer" entgegengestellt; in ihr werden Verderben und Erlösung, Feindschaft und Vermittlung untrennbar miteinander verbunden.68 Das Christentum ist darin überlegen, daß es in dem Bezug auf die Religion und ihre Geschichte „die Religion selbst als Stoff für die Religion verarbeitet, und so gleich-

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Reden, Reden, Reden, Reden, Reden, Reden, Reden,

S. 240, unten S.134. S. 242, unten S.135. S. 238, unten S.132. S. 259f., unten S.144. S. 286, unten S.159. S. 287, unten S.160. S. 291, unten S.161 f.

Einleitung

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sam eine höhere Potenz derselben ist". 69 Das Christentum ist „Religion der Religionen", das aber gerade darum die „Einförmigkeit" in der Religion nicht sucht. 70 Das Verhältnis von Pluralität der Religionen einerseits und Hierarchisierung der Religionen andererseits bleibt damit jedoch unausdrücklich. Die Stilisierung des Christentums zur absoluten oder potenzierten Religion legt nahe, es habe die anderen Religionen ihrem lebendigen Gehalt nach in sich aufgehoben. Ein solches Aufhebungsmodell jedoch ist mit dem Gedanken des sich in den Religionen unendlich individuierenden Universums schwer zu vermitteln. 71 Die Entschiedenheit, mit der Schleiermacher die Religion von der Philosophie trennt, verbietet es, die „Reden" umstandslos als einen philosophischen Text zu lesen. Gleichwohl verliert diese Trennung dort an Schärfe, wo Schleiermacher die Religion ausdrücklich ins Verhältnis zur Philosophie setzt, wobei er nicht nur die Philosophie betreffende Thesen formuliert, sondern auch philosophische Positionen für sein Religionsverständnis vereinnahmt. Dies geschieht vor allem in der zweiten Rede dort, wo die Religion als „Gefühl des Unendlichen" bzw. „Sehnsucht" nach dem Unendlichen72 spekulative Bedeutung erlangt. Die Religion, so führt Schleiermacher aus, bilde das „Gegengewicht" zu dem „Triumph der Spekulation [ ... ], dem vollendeten und gerundeten Idealismus", indem sie ihn „einen höheren Realismus ahnden läßt als den, welchen er so kühn und mit so vollem Recht sich

Reden, S. 293f., unten S.163. Reden, S. 310, unten S.172. 71 Von Goethe ist überliefert, daß er sich durch die christliche Tendenz am Schluß der „Reden" abgestoßen fühlte; am 10.10.1799 berichtete Friedrich Schlegel aus Jena: „Goethe [ ... ] konnte nach dem ersten begierigen Lesen von zwey oder drey Reden gegen Wilhelm [A. W. Schlegel, A.] die Bildung und Vielseitigkeit dieser Erscheinung nicht genug rühmen. Je nachlässiger indessen der Styl und je christlicher die Religion wurde, je mehr veiwandelte sich dieser Effekt in sein Gegentheil, und zuletzt endigte das Ganze in einer gesunden und fröhlichen Abneigung." (KGA V/3, S. 212) 72 Reden, S. 54, unten S. 30. 69 70

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unterordnet."7:3 Gemeint ist die Fichtesche Philosophie, welche die Realität der Außenwelt dem Ich unterordnet. Es geht Schleiermacher hierbei nicht um eine philosophische Widerlegung des Fichteschen „Idealismus", sondern um dessen Begrenzung durch einen „höheren Realismus", der den Absolutheitsanspruch des Ich bricht. Hierfür steht Spinoza: ,,Ihn durchdrang der hohe Weltgeist, das Unendliche war sein Anfang und Ende, das Universum seine einzige und ewige Liebe [ ... ]; voller Religion war Er und voll heiligen Geistes".74 Schleiermacher interpretiert Spinoza - darin Friedrich Schlegel folgend7.5 - als Mystiker des Unendlichen oder Absoluten, wobei er - im Unterschied zu Schlegel - Mystik und Religion gleichsetzt. Der Mystiker „ahnt" einen höheren Realismus, den die vom Ich ausgehende Reflexion sich nicht unterzuordnen vermag. Diese Begrenzung des Ich durch eine absolute Seinsmacht deutet voraus auf das für Schleiermachers spätere Dogmatik entscheidende Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit. Sie deutet aber auch zurück auf Schleiermachers frühere Spinoza-Lektüre von 1793/94, die Spinoza und Kant darin parallelisierte, daß beide das Bedürfnis hätten, „den Dingen unsrer Wahrnehmung ein anderes Daseyn unterzulegen welches außer unserer Wahrnehmung liegt".76 Spinoza macht dem kritischen Idealismus Kants die unabdingbare Voraussetzung eines bewußtseinstranszendenten Seins und damit einer objektiven Philosophie deutlich; Kant hingegen macht dem Spinozismus deutlich, daß dieses Sein für uns nur im Rahmen begrenzter subjektiver Erkenntnisvermögen und nicht an und

Reden, S. 54, unten S. 31. 74 Reden, S..54f., unten S. 31. 7.5 Vgl. Andreas Arndt: „Mystizismus, Spinozismus und Grenzen der Philosophie. Jacobi im Spannungsfeld von F. Schlegel und Schleiermacher", in: Friedrich Heinrich Jacobi: Ein ·wendepunkt der geistigen Bildung der Zeit, hg. v. Walter Jaeschke und Birgit Sandkaulen, Hamburg 2004, S.126-141. 76 Schleiermacher: „Kurze Darstellung des Spinozistischen Svstems", in: KGA 111, S. 573. 73

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für sich thematisierbar ist.77 Eben dies verweist das gleichwohl auch für die Bestimmung der Philosophie unausweichliche Innewerden des Absoluten auf die Subjektivität, auf das Gefühl zurück, in welchem nun aber das Ich (und damit der spekulative Idealismus) zugleich auch seine Grenze erfährt. Spinoza ist freilich nicht nur der Zeuge für einen religiösen Mystizismus, sondern auf ihn geht auch der Gedanke einer unendlichen Verendlichung oder Individuierung des Unendlichen zurück, der für Schleiermachers Religionsauffassung konstitutiv ist. Da für dieses Unendliche in den „Reden" die Chiffre „Universum" steht, die auch das Ganze der physischen Natur bezeichnet, konnte freilich auch der gegen den Spinozismus immer wieder erhobene Vorwurf des Pantheismus oder sogar Atheismus gegen Schleiermacher erhoben werden. Bezeichnend hierfür ist die Reaktion von Schleiermachers kirchlichem Vorgesetzten und Förderer Friedrich Samuel Gottfried Sack, der sich - nachdem er Teile der „Reden" bereits als Zensor gelesen hatte - 1801 in einem langen Brief an Schleiermacher über den Pantheismus der „Reden" und ihre Unvereinbarkeit mit den christlichen Glaubenswahrheiten äußerte.78 Solchen Vermutungen leistete Schleiermacher dadurch Vorschub, daß er - anders als später in seiner „Dialektik" - zwischen den Ideen Gottes und der Welt nicht unterschied, sondern beides in der Chiffre „Universum" zusammenlaufen ließ. Indessen könnte Schleiermacher sich ebenso mit Spinoza auf die Unterscheidung von natura naturans und natura naturata berufen wie auch darauf, daß eine personale Gottesvorstellung nicht weniger transzendent sei als das „Universum". In diesem Sinne hielt er später Friedrich Heinrich Jacobi entgegen: „Können Sie Gott als Person irgend besser anschauen als sie ihn als natura naturans an-

77 Zum Verhältnis Schleiermachers zu Spinoza in der weiteren Entwicklung vgl. Andreas Arndt, .,Schleiermachers Spinoza", in: Kontexte. Spinoza und die Geschichte der Philosophie, hg. v. H. Pisarek u. M. Walther, Wroclaw 2001, S. 203-220. 78 Vgl. KGA V/5, S. 3-7; Schleiermachers Antwort ebd. S. 129134.

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schauen können?"79 Der Vorwurf des Pantheismus begleitete Schleiermacher über seinen Tod hinaus wie ein Schatten. In Bezug auf die „Reden" gab aber auch andere Stimmen von Zeitgenossen, denen die „Reden" geradezu zu einem christlichen „Bekehrungserlebnis" verholfen hatten.SO Im frühromantischen Freundeskreis fanden die „Reden" eine geteilte Aufnahme. Begeistert äußerte sich Novalis, der in seinem erst posthum veröffentlichten, 1799 geschriebenen Aufsatz „Die Christenheit oder Europa" auf einen „Bruder" (gemeint ist Schleiermacher) als den „Herzschlag der neuen Zeit" verweist: „Er hat einen neuen Schleier für die Heilige gemacht, der ihren himmlischen Gliederbau anschmiegend verräth, und doch sie züchtiger, als ein Andrer verhüllt."81 Nach Schlegels Bericht war Novalis von den „Reden" „ganz eingenommen, durchdrungen begeistert und entzückt" .82 Friedrich Schlegel dagegen äußerte sich schon vor dem Erscheinen kritisch darüber, daß Schleiermacher „so umherschleicht wie ein Dachs um an allen Subjekten das Universum zu riechen".8:3 Für Schlegel war die Religion der „Reden" zu subjektiv: „Es thut Noth, daß ich einmal wieder recht loslege und Objektivitätslärm schlage. Die Bönhasen machen es zu arg".84 Noch vor dem Erscheinen der „Reden" arbeitete er daher an einer „Notiz" für das „Athenaeum", in der er in der Tat Objektivität einforderte.85 In einem fingierten Brief an eiAn Jacobi, .30. 3.1818, auf der Grundlage der Handschrift neu ediert von A. Arndt und W. Virmond, in: Religionsphilosophie und spekulative Theologie. Der Streit um die göttlichen Dinge (17991812 ), hg. v. W. Jaeschke, Quellenhand, Hamburg 1994 (Philosophisch-literarische Streitsachen 3.1), S„397. 80 Vgl. Günter Meckenstock: „Historische Einführung". in: Friedrich Schleiermacher: Über die Religion (1799 ), S. 37-39. 81 Novalis: Schriften, hg. v. R. Samuel in Zusammenarbeit mit H.J. Mäh! und G. Schulz, Bd. 3, DannstadP1983, S. 521. 82 KGA V/3, S. 212. 83 An Caroline Schlegel, 19. 2.1799, KFSA 24, S. 231. 84 An Caroline Schlegel, Spätmärz 1799, KFSA 24, S. 255. 8."5 Athenaeum 2, 2, 1799, S. 288-300; Schleiermachter erhielt diese Notiz Ende Juni/Anfang Juli (vgl. KGA V, Bd. 3, S.138) und reagierte mit Unverständnis (vgl. an H. Herz, 1. 7.1799, ebd., S.136f.). 79

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nen irreligiösen Freund wird eine subjektive Lesart des Buches vorgeschlagen: die Religion sei als die des Verfassers zu betrachten und als solche „bloß als den Brennpunkt in seinem Innersten, wo die Strahlen alles Großen und Schönen, was er etwa in andern Sphären noch haben und kennen mag, zusammenfallen".86 Deshalb habe der Verfasser der „Reden" übersehen, daß Poesie, Philosophie und Moral ebensolche Brennpunkte darstellen und die kommende Religion sich mit diesen in Ansehung vor allem der Natur verbinden müsse. Entsprechend wird in dem zweiten Teil der Rezension, einem Brief an einen religiösen Freund, die Vorläufigkeit der in den „Reden" vorgestellten Religionsauffassung betont. F. Schlegels philosophischer Religionsbegriff konnte die Subjektivität der Schleiermacherschen Gefühlsreligion nur als „Incitament" einer höheren Religiosität gelten lassen. Seinen eigenen Begriff deutete er in der Fragmentensammlung „Ideen" (1800) an, denen Novalis schon vor dem Druck einen kritischen, in vielem Schleiermachers Position zustimmenden Kommentar widmete.87 Positiv äußerten sich auch der Fichte-Schüler August Ludwig Hülsen und der Physiker und Naturphilosoph Johann Wilhelm Ritter.88 Bei den anderen zeitgenössischen Philosophen - mit Ausnahme Schellings - machten die „Reden" weniger Eindruck. Von Fichte, Jacobi und Reinhold wissen wir nicht einmal, ob sie die „Reden" überhaupt bzw. ganz gelesen haben. Schellings erste Reaktion war eher ablehnend, wohl auch, weil er Novalis' Wendung zu einem neuen Katholizismus in „Die Christenheit und Europa" auf den Einfluß Schleiermachers zurückführte. 1799 verfaßte er - wie Schlegel berichtet - in einem „Anfall von seinem alten Enthusiasmus für die Irreligion"89 ein „Epikurisch Glaubensbekentniß Heinz WiederAthenaum 2, 2, 1799, S. 294. 87 Athenaeum 3, 1, 1800, S.4-33; Nm·alis: Schriften, Bd.3, a.a.0. (Anm. 31), S.481-493. 88 Vgl. Meckenstock: Einführung, a.a.O. (Anm. 30), S.37. Meckenstock zitiert ausführlich weitere zeitgenössische Stellungnahmen und Rezensionen. 89 An Schleiermacher, November 1799, KGA V/3, S. 240. 86

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porsts", das ursprünglich im ,,Athenaeum" erscheinen sollte, auf Anraten Goethes aber nicht gedruckt wurde.90 Gleichwohl bewertete Schelling Schleiermacher im Vergleich mit Novalis positiver; er habe, so berichtet Schlegel weiter, „aus Gelegenheit von Hardenbergs freylich etwas laxem Wesen einen großen Anfall von Respekt für die Energie in Deinen Reden bekommen, und von dieser Seite hat er Dich auch gleich sehr weit über Jacobi gestellt."91 Nach erneuter Lektüre hatte Schelling spätestens 1801 seine Ansicht über die „Reden" radikal geändert: „ich ehre jetzt den Verfasser als einen Geist, den man nur auf der ganz gleichen Linie mit den ersten Original-Philosophen betrachten kann. Ohne diese Originalität ist es nicht möglich, so das Inerste der Speculation durchdrungen zu haben, ohne auch nur eine Spur der Stufen, die man durchgehen mußte, zurückzulassen. Das Werk, wie es ist, scheint mir bloß aus sich selbst entsprungen, und ist dadurch nicht nur die schönste Darstellung, sondern zugleich selbst ein Bild des Universums, und gleichwohl muß, wer etwas der Art hervorbringen will, die tiefsten philosophischen Studien gemacht haben - oder er hat durch blinde göttliche Inspiration geschrieben. "92 Anders als Schelling hatte Hegel in der „Vorerinnerung" zu seiner Schrift „Differenz des Fichte'schen und Schelling'schen Systems der Philosophie" die „Reden" zwar positiv hervorgehoben, sie jedoch zugleich von der eigentlich spekulativen Philosophie getrennt: „Wenn Erscheinungen, wie die Reden über die Religion, - das spekulative Bedürfniß nicht unmittelbar angehen, so deuten sie und ihre Aufnahme [ ... ] auf das Bedürfniß nach einer Philosophie hin, von welcher die Natur für die Mishandlungen, die sie in dem Kantischen und Fichte'schen Systeme leidet, versöhnt, und die Vernunft selbst in 90 Vgl. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: „Epikurisch Glaubensbekentniß Heinz Wiederporsts", hg. v. A. Arndt und W. Virmond, in: Religionsphilosophie und spekulative Theologie. Quellenband, a.a.O. (Anm. 79), S.21-31. 91 An Schleiermacher, November 1799, KGA V/3, S. 244. 92 An A.W. Schlegel, 3. 7.1801, in: Aus Schellings Leben In Briefen, hg. v. G. L. Plitt, Bd. l, Leipzig 1869, S. 345.

Editorische Notiz

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eine Übereinstimmung mit der Natur gesetzt wird".93 In dem Aufsatz Glauben und Wissen von 1802 dagegen finden sich solche versöhnlichen Töne nicht mehr; stattdessen steht die Kritik an der Subjektivität der Schleiermacherschen Religionsauffassung nun ganz im Vordergrund,94 die sich in vielem mit Friedrich Schlegels Vorwurf des Subjektivismus deckt. Solcher Kritik steht freilich der „höhere Realismus" entgegen, an welchem sich die Subjektivität bricht und der nach Schleiermacher erst durch die Religion erschlossen wird. Ob diese Brechung nur durch eine Begrenzung der Subjektivitätsphilosophie oder auch mit philosophischen Mitteln durchgeführt werden kann, ist das philosophische Problem, das die „Reden" nicht nur im Kontext um 1800, sondern auch im Blick auf die weitere Entwicklung der philosophischen Positionen Schleiermachers aufWerfen.

EDITORISCHE NOTIZ Schleiermachers „Reden" erschienen im Sommer 1799 anonym im Verlag von Johann Friedrich Unger, Berlin. Schleiermacher selbst hat noch drei weitere Auflagen dieser Schrift veranstaltet, die - mit Nennung des Autors - 1806, 1821 und 1831 bei Georg Reimer in Berlin verlegt wurden. Schleiermacher hat den Text von Auflage zu Auflage erheblich umgearbeitet, so daß die vierte Auflage, die auch Eingang in die nach seinem Tod herausgegebenen „Sämmtlichen Werke" fand, die erste Fassung kaum mehr erahnen ließ und diese auch wirkungsgeschichtlich lange Zeit in den Hintergrund drängte. Nachdem 1879 eine Synopse aller vier Auflagen, ver-

93 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Akademie-Ausgabe, Hamburg 1968ff., Bd. 4, S. 8. 94 Vgl. ebd., S. 385f. - Umstritten ist, ob Schleiermachers „Reden" den Frankfurter Hegel beeinflußt haben; hierfür votiert Ernst Müller: Ästhetische Religiosität und Kunstreligion in den Philosophien von der Aufklärung bis zum Ausgang des deutschen Idealismus, Berlin 2004, Kap. 1.

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anstaltet von Bernhard Pünjer, erschienen war, gab Rudolf Otto ein Jahrhundert nach dem Erscheinen der „Reden" den Text in seiner ursprünglichen Gestalt neu heraus, wodurch er sie als Dokument der frühromantischen Epoche wieder ins Bewußtsein rückte. Seither steht die Erstauflage im Mittelpunkt des Rezeptionsinteresses. Die maßgebliche historischkritische Edition im Rahmen der Kritischen SchleiermacherGesamtausgabe, besorgt von Günter Meckenstock, erschien 1984; sie ist - mit einer Einleitung, welche die Entstehung und unmittelbare Rezeption der „Reden" ausführlich dokumentiert, 2001 auch separat erschienen. - Die vorliegende Ausgabe beruht auf derjenigen, die Hans-Joachim Rothert 1958 im Rahmen der Philosophischen Bibliothek herausgegeben hatte und die seitdem mehrfach nachgedruckt worden war. Die Orthographie wurde dort gegenüber dem Erstdruck von 1799 vorsichtig modernisiert, die - eigenwillige - Interpunktion Schleiermachers jedoch beibehalten. Text und Register werden nach der Ausgabe Rothert unverändert nachgedruckt; die Beziehung auf die kritische Ausgabe ist durch den Nachweis der Seiten der Erstausgabe gewährleistet.

AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE

a) Ausgaben ~ine

vollständige Bibliographie aller Ausgaben der „Reden" 1on 1799-1992 enthält Wichmann von Meding: Bibliographie !er Schriften Schleierrnachers nebst einer Zusammenstellung und Datierung seiner gedruckten Predigten, Berlin und New York 1992 (Schleiermacher-Archiv. 9). Reden Ueber die Religion. Kritische Ausgabe, hg. v. B. Pünjer, Braunschweig 1879. Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Zum Hundertjahr-Gedächtnis ihres ersten Erscheinens in ihrer ursprünglichen Gestalt neu hg. v. Rudolf Otto, Göttingen 1899. Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern, hg. v. Hans-Joachim Rothert, Hamburg 1958.

Auswahlbibliographie

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„Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern", in: Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher: Schriften aus der Berliner Zeit 1796-1799, hg. v. Günter Meckenstock, Berlin und New York 1984 (Kritische Gesamtausgabe, Abt. l, Bd. 2), S.185-326. Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799 ), hg. v. Günter Meckenstock, Berlin und New York 2001.

b) Zur Biographie und zur Entwicklung des Schleiermacherschen Denkens Dilthey, Wilhelm: Leben Schleiennachers, 2 Bde„ hg. v. Martin Redeker, Berlin und Göttingen 1966-1970. Scholtz, Gunter: Die Philosophie Schleiennachers, Darmstadt 1984. Arndt, Andreas: „Kommentar", in: Friedrich Schleiermacher: Schriften, hg. v. A. Arndt, Frankfurt/M 1996, S. 993-1388. Nowak, Kurt: Schleiermacher. Leben, Werk und Wirkung, Göttingen 2001. Fischer, Hermann: Friedrich Schleiermacher, München 2001.

c) Literatur zu den „Reden" Ritschl, Albrecht: Schleiennachers Reden über die Religion und ihre Nachwirkungen auf die evangelische Kirche Deutschlands, Bonn 1874. Ritschl, Otto: Schleiennachers Stellung zum Christentum in seinen Reden über die Religion, Gotha 1888. Goebel, Louis: Herder und Schleiennachers Reden über die Religion, Gotha 1904. Gelles, Siegfried: Die pantheistischen Gedanken in Leibniz' ,Theodizee' und Schleiennachers ,Reden über die Religion', Erlangen 1908. Seifert, Paul: Die Theologie des jungen Schleiermacher, Gütersloh 1960. Hertel, Friedrich: Das theologische Denken Schleiennachers,

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untersucht an der ersten Auflage seiner Reden ,Über die Religion', Zürich und Stuttgart 1965. Wintsch, Hans-Ulrich: Religiosität und Bildung. Der anthropologische und bildungsphilosophische Ansatz in Schleiermachers Reden über die Religion, Zürich 1967. Sommer, Wolfgang: Schleiermacherund Novalis. Die Christologie des jungen Schleiermacher und ihre Beziehung zum Christusbild des Novalis, Bern und Frankfurt/M. 1973. Graf, Friedrich Wilhelm: „Ursprüngliches Gefühl unmittelbarer Koinzidenz des Differenten. Zur Modifikation des Religionsbegriffs in den verschiedenen Auflagen von Schleiermachers ,Reden über die Religion"', in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 75 (1978), S.147-186. Timm, Hermann: Die heilige Revolution. Das religiöse Totalitätskonzept der Frühromantik. Schleiermacher-NovalisFriedrich Schlegel, Frankfurt/M. 1978. Eckert, Michael: „Das Verhältnis von Unendlichem und Endlichem in Friedrich Schleiermachers Reden über die Religion", in: Archiv für Religionspsychologie 16 (1983), S. 2256. Moretto, Giovanni: „Platonismo e romanticismo. Platane nei ,Discorsi sulla religione' de Schleiermacher", in: Archivio di Filosofia 52 (1984), S. 233-269. Ringleben, Joachim: „Die Reden über die Religion", in: Friedrich Schleiermacher 1768-1834, hg. v. Dietz Lange, Göttingen 1985, S. 236-258. Nowak, Kurt: Schleiermacher und die Frühromantik. Eine literaturgeschichtliche Studie zum romantischen Religionsverständnis und Menschenbild am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland, Weimar 1986. Lehnerer, Thomas: „Kunst und Bildung - zu Schleiermachers Reden über die Religion", in: Früher Idealismus und Frühromantik. Der Streit um die Grundlagen der Ästhetik (17951805), hg. v. Walter Jaeschke, Hamburg 1990, S.190-200. Crouter, Richard: „The ,Reden' and Schleiermacher's Theory of Language. The Ubiquity of a Romantic Text", in: Schleiermacher und die wissenschaftliche Kultur des Christentums, hg. v. Günter Meckenstock in Verb. mit Joachim Ringleben, Berlin und New York 1991, S. 335-347.

Auswahlbibliographie

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Thouard, Denis: „L'esprit et la lettre. Rhetorique et hermeneutique dans !es ,Discours sur la religion' de Schleiermacher, in: Les Etudes philosophiques 91 (1991), S. 501-523. Albrecht, Christian: Schleiermachers Theorie der Frömmigkeit. Ihr wissenschaftlicher Ort und ihr systematischer Gehalt in den Reden, in der Glaubenslehre und in der Dialektik, Berlin und New York 1994. Barth, Ulrich: „Schleiermachers ,Reden' als religionstheoretisches Modernisierungsprogramm", in: Ästhetische Moderne in Europa, hg. v. Silvio Vietta und Dirk Kemper, München 1997, S.441-474. Lönker, Fred: „Religiöses Erleben. Zu Schleiermachers zweiter Rede ,Über die Religion"', in: Dialogische Wissenschaft. Perspektiven der Philosophie Schleiermachers, hg. v. Dieter Burdorf und Reinold Schmücker, Paderborn 1998, S.53-68. Wenz, Gunther: Sinn und Geschmack fürs Unendliche. FD.E. Schleiermachers Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern von 1799, München 1999. 200 Jahre „Reden über die Religion", hg. v. Ulrich Barth und Claus-Dieter Osthövener, Berlin und New York 2000. Müller, Ernst: Ästhetische Religiösität und Kunstreligion in den Philosophien von der Aufklärung bis zum Ausgang des deutschen Idealismus, Berlin 2004.

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ERSTE REDE

Apologie Es mag ein unerwartetes Unternehmen sein, und Ihr mögt Euch billig darüber wundem, daß jemand gerade von denen, welche sich über das Gemeine erhoben haben, und von der Weisheit des Jahrhunderts durchdrungen sind, Gehör verlangen kann für einen, von ihnen so ganz vernachlässigten Gegenstand. Ich bekenne, daß ich nichts anzugeben weiß, was mir einen glüddichen Ausgang weissagte, nicht einmal den, meinen Bemühungen Euren Beifall zu gewinnen, viel weniger jenen, Euch meinen Sinn und meine Begeisterung mitzuteilen. Von alters her ist der Glaube nicht jedermanns Ding gewesen, von der Religion haben immer nur Wenige etwas verstanden, wenn Millionen auf mancherlei Art mit den Umhüllungen gegaukelt / haben, mit denen sie sich aus Herablassung willig umhängen ließ. Jetzt besonders ist das Leben der gebildeten Menschen fern von allem was ihr auch nur ähnlich wäre. Ich weiß daß Ihr ebensowenig in heiliger Stille die Gottheit verehrt, als Ihr die verlassenen Tempel besucht, daß es in Euren geschmackvollen Wohnungen keine anderen Hausgötter gibt, als die Sprüche der Weisen und die Gesänge der Dichter, und daß Menschheit und Vaterland, Kunst und Wissenschaft, denn Ihr glaubt dies alles ganz umfassen zu können, so völlig von Eurem Gemüte Besitz genommen haben, daß für das ewige und heilige Wesen, welches Euch jenseit der Welt liegt, nichts übrig bleibt, und Ihr keine Gefühle habt für dasselbe und mit ihm. Es ist Euch gelungen das irdische Leben so reich und vielseitig zu machen, daß Ihr der Ewigkeit nicht mehr bedürfet, und nachdem Ihr Euch selbst ein Universum geschaffen habt, seid Ihr überhoben aR dasjenige zu denken, welches Euch schuf. Ihr seid darüber einig, ich weiß es, daß nichts Neues und nichts Triftiges mehr gesagt werden kann über diese Sache, die von Philosophen und

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Ober die Religion

[2-4)

Propheten, und dürfte ich nur nicht hinzusetzen, von Spöttern und Priestern, nach allen Seiten zur Genüge be- / arbeitet ist. Am wenigsten-das kannNiemandem entgehen-seid Ihr geneigt, von den Letzteren darüber etwas zu hören, welche sich Eures Vertrauens schon längst unwürdig gemacht haben, als solche, die nur in den verwitterten Ruinen des Heiligtums am liebsten wohnen, und auch dort nicht leben können, ohne es noch mehr zu verunstalten und zu verderben. Dies alles weiß ich, und bin dennoch von einer innern und unwiderstehlichen Notwendigkeit, die mich göttlich beherrscht,1 durchdrungen zu reden, und kann meine Einladung, daß gerade Ihr mich hören mögt, nicht zurüdcnehmen. Was das letzte betrifft, so könnte ich Euch wohl fragen: wie es denn komme, daß, da Ihr über jeden Gegenstand, er sei wichtig oder gering, am liebsten von denen belehrt sein wollt, welche ihm ihr Leben und ihre Geisteskräfte gewidmet haben, und Eure Wißbegierde auch die Hütten des Landmanns und die Werkstätten der niederen Künstler nicht scheuet, Ihr nur in Sachen der Religion alles für so verdächtiger haltet, wenn es von denen kommt, welche die Virtuosen derselben zu sein behaupten, und von Staat und Volk dafür angesehen werden! Ihr werdet gewiß nicht beweisen können, daß sie es nicht sind, und daß sie eher alles andere / haben und predigen, als Religion. Ein solches unberechtigtes Urteil also wie billig verachtend bekenne ich vor Euch, daß auch ich ein Mitglied dieses Ordens bin, und ich wage es auf die Gefahr, wenn Ihr mich nicht aufmerksam anhöret, mit dem großen Haufen desselben unter eine Benennung geworfen zu werden. Es ist wenigstens ein freiwilliges Geständnis, denn meine Sprache sollte mich nicht verraten haben, und die Lobsprüche meiner Zunftgenossen auch nicht; was ich will, das liegt so gut als völlig außer ihrem Kreise, und möchte dem wenig gleichen, was sie gern sehen und hören wollen. In das Hilferufen der Meisten über den Untergang der Religion stimme ich nicht ein, denn ich wüßte nicht, daß irgendein Zeitalter sie besser aufgenommen hätte als das gegenwärtige, und ich habe nichts zu schaffen mit den altgläubigen und barbarischen Wehklagen, wodurch sie die eingestürzten 1

Vgl. Druddehlerverzeidmis 1. Auflage, riditig Piinjer; anders Otto.

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Apologie

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Mauem ihres jüdischen Zions und seiner gotischen Pfeiler wieder emporsdlreien mödlten. Ich bin mir bewußt, daß ich in allem, was ich Euch zu sagen habe, meinen Stand völlig verleugne, warum sollte ich ihn also nicht wie irgendeine andere Zufälligkeit bekennen? Die ihm erwünschten Vorurteile sollen uns nicht hindern, und seine hei- / lig gehaltene Grenzsteine alles Fragens und Mitteilens sollen nichts gelten zwischen uns. Als Mensdi rede idi zu Eudi von den heiligen Mysterien der Mensdiheit nach meiner Ansidit, von dem was in mir war als idi noch iJ! jugendlidier Sdiwärmerei das Unbekannte sudite, von dem was seitdem idi denke und lebe die innerste Triebfeder meines Daseins ist, und was mir auf ewig das Höchste bleiben wird, auf welche Weise audi noch die Sdiwingungen der Zeit und der Mensdiheit midi bewegen mögen. Daß idi rede rührt nicht her aus einem vernünftigen Entsdilusse, audi nidit aus Hoffnung oder Furdit, noch gesdiiehet es einem Endzwecke gemäß oder aus irgendeinem willkürlidien oder zufälligen Grunde: es ist die innere unwiderstehlidie Notwendigkeit meiner Natur, es ist ein göttlicher Beruf, es ist das was meine Stelle im Universum bestimmt, und midi zu dem Wesen macht, weldies idi bin. Sei es also weder sdiidclich noch ratsam von der Religion zu reden, dasjenige was midi also dringt, erdrüdd: mit seiner himmlisdien Gewalt diese kleinen Begriffe. Ihr wißt, daß die Gottheit durch ein unabänderliches Gesetz sidi selbst genötiget hat, ihr großes Werk bis ins Unendliche hin zu entzweien, jedes bestimmte Dasein nur aus zwei / entgegengesetzten Kräften zusammenzusdimelzen, und jeden ihrer ewigen Gedanken in zwei einander feindseligen und doch nur durch einander bestehenden und unzertrennlichen Zwillingsgestalten zur Wirklichkeit zu bringen. Diese ganze körperliche Welt, in deren Inneres einzudringen das höchste Ziel Eures Forschens ist, ersdieint den Unterriditetsten und Denkendsten unter Euch nur als ein ewig fortgesetztes Spiel entgegengesetzter Kräfte. Jedes Leben ist nur das Resultat eines beständigen Aneignens und Abstoßens, jedes Ding hat nur dadurch sein bestimmtes Dasein, daß es die beiden Urkräfte der Natur, das durstige an sidi ziehen und das rege und lebendige Selbst verbreiten, auf eine eigentümlid:ae Art ver-

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über die Religion

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einigt und festhält. Es sdieint mir als ob auch die Geister, sobald sie auf diese Welt verpflanzt werden, einem solchen Gesetze folgen müßten. Jede menschliche Seele - ihre vorübergehenden Handlungen sowohl als die innern Eigentümlichkeiten ihres Daseins führen uns darauf - ist nur ein Produkt zweier entgegengesetzter Triebe. Der eine ist das Bestreben alles was sie umgibt an sich zu ziehen, in ihr eignes Leben zu verstricken, und wo möglich in ihr innerstes Wesen ganz einzusaugen. Der andere ist die Sehnsucht ihr eigenes inneres / Selbst von innen heraus immer weiter auszudehnen, alles damit zu durchdringen, allen davon mitzuteilen, und selbst nie erschöpft zu werden. Jener ist auf den Genuß gerichtet, er strebt die einzelnen Dinge an, die sich zu ihm hinbeugen, er ist gestillt so oft er eines von ihnen ergriffen hat, und wirkt nur mechanisch immer auf das nächste. Dieser verachtet den Genuß und geht nur auf immer wachsende und erhöhte Tätigkeit; er übersieht die einzelnen Dinge und Erscheinungen, eben weil er sie durchdringt, und findet überall nur die Kräfte und Wesenheiten an denen sich seine Kraft bricht; alles will er durchdringen, alles mit Vernunft und Freiheit erfüllen, und so geht er gerade aufs Unendliche und sucht und wirkt überall Freiheit und Zusammenhang, Macht und Gesetz, Recht und Schidclichkeit. So wie aber von den körperlichen Dingen kein einziges allein durch eine von den beiden Kräften der materiellen Natur besteht, so hat auch jede Seele einen Teil an den beiden ursprünglichen Funktionen der geistigen Natur, und die Vollkommenheit der intellektuellen Welt besteht darin, daß alle mögliche Verbindungen dieser beiden Kräfte zwischen den beiden entgegengesetzten Enden, da hier die eine dort die andere fast ausschließend alles ist, und / der Gegnerin nur einen unendlich kleinen Teil übrig läßt, nicht nur wirklich in der Menschheit vorhanden seien, sondern auch ein allgemeines Band des Bewußtseins sie alle umschlinge, so daß jeder Einzelne, ohnerachtet er nichts anderes sein kann als was er sein muß, dennocn jeden anderen eben so deutlich erkenne als sich selbst, und alle einzelne Darstellungen der Menschheit vollkommen begreife. Diejenigen, welche an den äußersten Enden dieser großen Reihe liegen. sind heftige ganz in sich

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Apologie

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selbst gekehrte und sich vereinzelnde Naturen. Den Einen gebietet die unersättliche Sinnlichkeit eine immer größere Masse irdischer Dinge um sich her zu sammeln, die sie gern aus dem Zusammenhange des Ganzen herausrisse, um sie ganz und allein sich einzuverleiben; in dem ewigen Wechsel zwischen Begierde und Genuß kommen sie nie über die Wahrnehmungen des Einzelnen hinaus, und immer mit selbstsüchtigen Beziehungen beschäftigt, bleibt ihnen das Wesen der übrigen Menschheit unbekannt. Die Anderen treibt ein ungebildeter, sein Ziel überfliegender Enthusiasmus rastlos im Universum umher; ohne irgend etwas wirkliches besser zu gestalten und zu bilden, schweben sie um leere Ideale herum und ihre Kraft ohne Nutzen verdünnend und verzeh- / rend kehren sie tatenlos und erschöpft auf ihren ersten Punkt zurück. Wie sollen diese äußersten Entfernungen zusammengebracht werden, um die lange Reihe in jenen gescltlossenen Ring zu gestalten, der das Sinnbild der Ewigkeit und der Vollendung ist? Es gibt freilich einen gewissen Punkt, wo ein fast vollkommenes Gleichgewicht beide vereiniget, und diesen pflegt Ihr weit öfter zu überschätzen, als daß er zu niedrig gewürdigt würde, indem er gemeinhin nur ein Zauberwerk der mit den Idealen der Menschen spielenden Natur, und nur selten das Resultat einer angestrengten und durchgeführten Selbstbildung ist. Ständen aber Alle, die nicht mehr an den äußersten Enden wohnen, auf diesem Punkte, so wäre gar keine Verbindung jener Enden mit dieser Mitte möglich, und der Endzwedc der Natur wäre gänzlich verfehlt. In die Geheimnisse einer solchen zur Ruhe gebrachten Mischung d.ringt nur der gedankenvolle Kenner ein; für jedes gemeine Auge sind die einzelnen Elemente darin gänzlich verborgen, und es würde nie weder sein eigenes noch das ihm entgegengesetzte erkennen. Darum sendet die Gottheit zu allen Zeiten hie und da Einige, in denen beides auf eine fruchtbarere 1 Weise verbunden ist, rüstet sie aus mit wunderbaren Gaben, eh-/ net ihren Weg durch ein allmächtiges Wort, und setzt sie ein zu Dolmetschern ihres Willens und ihrer Werke, und zu Mittlern desjenigen, was sonst ewig geschieden geblieben wäre. Sehet auf diejenigen, welche l

Pünjer: fruchtbare

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Ober die Religion

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einen hohen Grad von jener anziehenden Kraft, die sich der umgebenden Dinge tätig bemächtigt, in ihrem Wesen ausdrüdcten, zugleich aber auch von dem geistigen Durchdringungstriebe der nach dem Unendlichen strebt, und in Alles Geist und Leben hineinträgt, so viel besitzen, daß sie ihn in den Handlungen äußern, wozu jener sie antreibt; diesen genügt es nicht eine rohe Masse irdischer Dinge gleichsam zerstörend zu verschlingen, sondern sie müssen etwas vor sich hinstellen, es in eine kleine Welt, die das Gepräge ihres Geistes trägt, ordnen und gestalten, und so herrschen sie vernünftiger, genießen bleibender und menschlicher, so werden sie Helden Gesetzgeber Erfinder Bezwinger der Natur, gute Dämonen, die eine edlere Glüdcseligkeit im Stillen schaffen und verbreiten. Solche beweisen sich durch ihr bloßes Thlsein als Gesandte Gottes und als Mittler zwischen dem eingeschränkten Menschen und der unendlichen Menschheit. Sie zeigen dem untätigen bloß spekulativen Idealisten, der sein Wesen in einzelnen leeren Gedanken zer- /splittert, dasjenige tätig, was in ihm bloß träumend war, und in dem was er bisher verachtete, den Stoff den er eigentlich bearbeiten soll; sie deuten ihm die verkannte Stimme Gottes, sie söhnen ihn aus mit der Erde und mit seinem Platze auf derselben. Noch weit mehr aber bedürfen die bloß Irdischen und Sinnlichen solcher Mittler, die ihnen jene höhere Grundkraft der Menschheit begreifen lehren, indem sie ohne ein Treiben und Tun wie das ihrige beschauend und erleuchtend alles umfassen, und keine andere Grenzen kennen wollen als das Universum, welches sie gefunden haben. Gibt Gott einem, der in dieser Laufbahn sich bewegt, zu seinem Streben nach Ausdehnung und Durchdringung auch jene mystische und schöpferische Sinnlichkeit, die allem Inneren auch ein äußeres Dasein zu geben strebt, so muß er nach jedem Ausfluge seines Geistes ins Unendliche den Eindrudc den es ihm gegeben hat hinstellen außer sich, als einen mitteilbaren Gegenstand in Bildern oder Worten, um ihn selbst aufs neue in eine andere Gestalt und in eine endliche Größe verwandelt zu genießen, und er muß also auch unwillkürlich und gleichsam begeistert - denn er täte es, wenn auch Niemand da wäre - das was ihm begegnet ist, für Andere / darstellen,

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Apologie

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als Dichter oder Seher, als Redner oder als Künstler. Ein solcher ist ein wahrer Priester des Höchsten, indem er ihn denjenigen näher bringt, die nur das Endliche und Geringe zu fassen gewohnt sind; er stellt ihnen das Himmlische und Ewige dar als einen Gegenstand des Genusses und der Vereinigung, als die einzige unerschöpfliche Quelle desjenigen, worauf ihr ganzes Dichten gerichtet ist. So strebt er den schlafenden Keim der besseren Menschheit zu wecken, die Liebe zum Höchsten zu entzünden, das gemeine Leben in ein höheres zu verwandeln, die Söhne der Erde auszusöhnen mit dem Himmel, der ihnen gehört, und das Gegengewicht zu halten gegen die schwerfällige Anhänglichkeit des Zeitalters an den gröberen Stoff. Dies ist das höhere Priestertum, welches das Innere aller geistigen Geheimnisse verkündigt, und aus dem Reiche Gottes herabspricht; dies ist die Quelle aller Gesichte und Weissagungen, aller heiligen Kunstwerke und begeisterten Reden, welche ausgestreut werden aufs Ohngefähr, ob ein empfängliches Gemüt sie finde und bei sich Frucht bringen lasse. Möchte es doch je geschehen, daß dieses Mittieramt aufhörte, und das Priestertum der Menschheit eine schönere Bestimmung bekäme!/ Möchte die Zeit kommen, die eine alte Weissagung so besdtreibt, daß keiner bedürfen wird, daß man ihn lehre, weil alle von Gott gelehrt sind! Wenn das heilige Feuer überall brennte, so bedürfte es nicht der feurigen Gebete, um es vom Himmel herabzuHehen, sondern nur der sanften Stille heiliger Jungfrauen um es zu unterhalten, so dürfte es nicht in gefürchtete Flammen ausbrechen, sondern das einzige Bestreben desselben würde sein, die innige und verborgene Glut ins Gleichgewicht zu setzen bei allen. Jeder leuchtete dann in der Stille sich und den Andern, und die Mitteilung heiliger Gedanken und Gefühle bestände nur in dem leichten Spiele, die verschiedenen Strahlen dieses Lichts jetzt zu vereinigen, dann wieder zu brechen, jetzt es zu zerstreuen, und dann wieder hie und da auf einzelne Gegenstände zu konzentrieren. Das leiseste Wort würde verstanden, da jetzt die deutlichsten Äußerungen der Mißdeutung nicht entgehen. Man könnte gemeinschaftlich ins Innere

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Ober die Religion

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des Heiligtums eindringen, da man sich jetzt nur in den Vorhöfen mit den Elementen beschäftigen muß. Mit Freunden und Teilnehmern vollendete Ideen tauschen, wie viel erfreulicher ist dies, als mit kaum entworfenen/ Umrissen herausbrechen müssen in den leeren Raum! Aber wie weit sind jetzt diejenigen, zwischen denen eine solche Mitteilung stattfinden könnte, voneinander entfernt, mit solcher weisen Sparsamkeit in der Menschheit verteilt wie im Weltenraume die verborgenen Punkte aus denen der elastische Urstoff sich nach allen Seiten verbreitet, so nämlich, daß nur eben die äußersten Grenzen ihrer Wirkungskreise zusammenstoßen - damit doch nichts ganz leer sei - aber wohl nie einer den andern antrifft. Weise freilich: denn um so mehr richtet sich die ganze Sehnsucht nach Mitteilung und Geselligkeit allein auf diejenigen, die ihrer am meisten bedürfen, um so unaufhaltsamer wirkt sie dahin, sich die Mitgenossen selbst zu verschaffen, die ihr fehlen. Eben dieser Gewalt liege ich unter, eben diese Natur ist auch mein Beruf. Vergönnet mir von mir selbst zu reden: Ihr wißt, was Religion sprechen heißt, kann nie stolz sein; denn sie ist immer voll Demut. Religion war der mütterliche Leib in dessen heiligem Dunkel mein junges Leben genährt und auf die ihm noch verschlossene Welt vorbereitet wurde, in ihr atmete mein Geist, ehe er noch seine äußeren Gegenstände, Erfahrung und Wissenschaft gefunden hatte, sie half mir als ich anfing den vä- / terlichen Glauben zu sichten und das Herz zu reinigen von dem Schutte der Vorwelt, sie blieb mir, als Gott und Unsterblichkeit dem zweifelnden Auge verschwanden, sie leitete mich ins tätige Leben, sie hat mich gelehrt mich selbst mit meinen Tugenden und Fehlern in meinem ungeteilten Dasein heilig zu halten, und nur durch sie habe ich Freundschaft und Liebe gelernt. Wenn von andern Vorzügen und Eigenschaften der Menschen die Rede ist, so weiß ich wohl, daß es vor Eurem Richterstuhle ihr Weisen und Verständigen des Volks, wenig beweiset, wenn einer sagen kann wie er sie besitzt; denn er kann sie kennen aus Beschreibungen, aus Beobachtungen Anderer, oder wie alle Tugenden gekannt werden, aus der gemeinen alten Sage von ihrem Dasein; aber so liegt die

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Apologie

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Same der Religion und so selten ist sie, daß wer von ihr etwas ausspricht, muß es notwendig gehabt haben, denn er hat es nirgends gehört. Von allem was im als ihr Werk preise und fü}µe steht wohl wenig in heiligen Büchern, und wem, der es nicht selbst erfuhr, wäre es nicht ein Ärgernis oder eine Torheit? Wenn im so von ihr durchdrungen endlich reden und ein Zeugnis von ihr ablegen muß, an wen soll im mim damit wenden als an/ Euch? Wo anders wären Hörer für meine Rede? Es ist nicht blinde Vorliebe für den väterlichen Boden oder für die Mitgenossen der Verfassung und der Sprache, was mim so reden macht, sondern die innige Überzeugung, daß Ihr die einzigen seid, welche fähig und also auch würdig sind, daß der Sinn ihnen aufgeregt werde für heilige und göttliche Dinge. Jene stolzen Insulaner, welche viele unter Euch so ungebührlich verehren, kennen keine andere Losung als gewinnen und genießen, ihr Eifer für die Wissenschaften, für die Weisheit des Lebens und für die heilige Freiheit, ist nur ein leeres Spielgefecht. So wie die begeistertsten Verfemter der letzteren unter ihnen nichts tun, als die nationale Orthodoxie mit Wut verteidigen, und dem Volke Wunder vorspiegeln, damit die abergläubige Anhänglichkeit an alte Gebräuche nicht verloren gehe, so ist es ihnen eben nicht mehr Ernst mit allem übrigen, was über das Sinnliche und den nächsten unmittelbaren Nutzen hinausgehet. So gehen sie auf Kenntnisse aus, so ist ihre Weisheit nur auf eine jämmerliche Empirie gerichtet, und so kann ihnen die Religion nichts anders sein, als ein toter Buchstabe, ein heiliger Artikel in der Verfassung in welcher nichts reelles ist. Aus an-/ dem Ursachen wende im mim weg von den Franken, deren Anblidc ein Verehrer der Religion kaum erträgt, weil sie in jeder Handlung, in jedem Worte fast ihre heiligsten Gesetze mit Füßen treten. Die frivole Gleichgültigkeit mit der Millionen des Volks, der witzige Leichtsinn mit dem einzelne glänzende Geister der erhabensten Tat des Universums zusehen, die nicht nur unter ihren Augen vorgeht, sondern sie alle ergreift und jede Bewegung ihres Lebens bestimmt, beweiset zur Genüge wie wenig sie einer heiligen Scheu und einer wahren Anbetung fähig sind. Und

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über die Religion

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was verabscheuet die Religion mehr als den zügellosen Übermut womit die Herrscher des Volks den ewigen Gesetzen der Welt Trotz bieten? Was schärft sie mehr ein als die besonnene und demütige Mäßigung, wovon ihnen auch nicht das leiseste Gefühl etwas zuzurufen scheint? Was ist ihr heiliger als die hohe Nemesis, deren furchtbarste Handlungen sie im Taumel der Verblendung nicht einmal verstehen? Wo die wechselnden Strafgerichte, die sonst nur einzelne Familien treffen durften, um ganze Völker mit Ehrfurcht vor dem himmlischen Wesen zu erfüllen, und auf Jahrhunderte lang die Werke der Dichter dem ewigen Schidcsal zu widmen, wo diese sich tausendfältig vergeh- / lieh erneuern, wie würde da eine einsame Stimme bis zum Lächerlichen ungehört und unbemerkt verhallen? Hier im väterlichen Lande ist das beglückte Klima was keine Frucht gänzlich versagt, hier findet Ihr alles zerstreut was die Menschheit ziert, und alles was gedeiht, bildet sich irgendwo, im Einzelnen wenigstens, zu seiner schönsten Gestalt; hier fehlt es weder an weiser Mäßigung noch an stiller Betrachtung. Hier also muß sie eine Freistadt finden vor der plumpen Barbarei und dem kalten irdischen Sinne des Zeitalters. Nur verweiset mich nicht ungehört zu denen auf die Ihr als auf Rohe und Ungebildete herabsehet, gleich als sei der Sinn für das Heilige wie eine veraltete Tracht auf den niederen Teil des Volkes übergegangen, dem es allein noch zieme in Scheu und Glauben von dem Unsichtbaren ergriffen zu werden. Ihr seid gegen diese unsere Brüder sehr freundlich gesinnt, und mögt gern, daß zu ihnen auch von andern höheren Gegenständen, von Sittlichkeit und Recht und Freiheit geredet, und so auf einzelne Momente wenigstens ihr inneres Streben dem besseren entgegengehoben, und ein Eindrudc von der Würde der Menschheit in ihnen geweckt werde. So rede man denn auch mit ihnen von der / Religion, man durchgrabe bisweilen ihr ganzes Wesen bis der Punkt getroffen wird, wo dieser heilige Instinkt verborgen liegt; man entzüdce sie durch einzelne Blitze, die man aus ihm hervorlodct; man bahne ihnen aus dem innersten Mittelpunkte ihrer engen Beschränkung eine Aussicht ins Unendliche, und erhöhe auf einen Augenblidc ihre tierische Sinnlichkeit zum

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Apologie

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hohen Bewußtsein eines mensdllichen Willens und Daseins; es wird immer viel gewonnen sein. Aber ich bitte Euch, wendet Ihr Euch dann zu ihnen, wenn Ihr den innersten Zusammenhang und den höchsten Grund jener Heiligtümer der Menschheit aufdedcen wollt? wenn der Begriff und das Gefühl, das Gesetz und die Tat, bis zu ihrer gemeinschaftlichen Quelle sollen verfolgt, und das Wirkliche als ewig und im Wesen der Menschheit notwendig gegründet soll dargestellt werden? Wäre es nicht glüdclim1 genug, wenn Eure Weisen dann nur von den Besten unter Euch verstanden würden? Eben das ist aber mein Endzwedc mit der Religion. Nicht einzelne Empfindungen will im aufregen, die vielleicht in ihr Gebiet gehören, nicht einzelne Vorstellungen rechtfertigen oder bestreiten; in die innersten Tiefen möchte ich Euch geleiten, aus denen sie zuerst / das Gemüt anspricht; zeigen möchte ich Euch aus welchen Anlagen der Menschheit sie hervorgeht, und wie sie zu dem gehört was Euch das Höchste und Teuerste ist; auf die Zinnen des Tempels möchte ich Euch führen, daß Ihr das ganze Heiligtum übersehen und seine innersten Geheimnisse entdecken möget. Könnet Ihr mir im Ernst zumuten, zu glauben, daß diejenigen, die sich täglich am mühsamsten mit dem Irdischen abquälen, am vorzüglichsten dazu geeignet seien so vertraut mit dem Himmlischen zu werden? daß diejenigen, die über dem nächsten Augenblidc bange brüten und an die nächsten Gegenstände fest gekettet sind, ihr Auge am weitesten zum Universum erheben können? und daß, wer in dem einförmigen Wechsel einer toten Geschäftigkeit sich selbst noch nicht gefunden hat, die lebendige Gottheit am hellsten entdedcen werde? Nur Euch also kann ich zu mir rufen, die Ihr fähig seid Euch über den gemeinen Standpunkt der Menschen zu erheben, die Ihr den beschwerlichen Weg in das Innere des mensdllichen Wesens nicht scheuet, um den Crund seines Tuns und Denkens zu finden. Seitdem ich mir dieses gestand, habe ich mich lange in der zaghaften Stimmung desjenigen befunden, der ein liebes Kleinod vermis- / send, es nicht wagen wollte, noch den letz1

Pünjer: wirklich

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über die Religion

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ten Ort wo es verborgen sein könnnte, zu durchsuchen. Es gab Zeiten, wo Ihr es noch für einen Beweis besonderen Mutes hieltet, Euch teilweise von der Religion loszusagen, und gern über einzelne Gegenstände laset und hörtet, wenn es nur darauf ankam einen hergebrachten Begriff auszutilgen; wo es Euch gefiel eine schlanke Religion im Schmucke der Beredsamkeit einhergehen zu sehen, weil Ihr gern dem holden Geschlecht wenigstens ein gewisses Gefühl für das Heilige erhalten wolltet. Das alles ist nicht mehr, es soll gar nicht mehr von ihr die Rede sein, und auch die Grazien selbst sollen mit unweiblicher Härte die zarteste Blume der menschlichen Phantasie verderben. An nichts anderes kann ich also das Interesse, welches ich von Euch fordere, anknüpfen, als an Eure Verachtung selbst; ich will Euch nur auffordern in dieser Verachtung recht gebildet und vollkommen zu sein. Laßt uns doch, ich bitte Euch, untersuchen, wovon sie eigentlich ausgegangen ist, vom Einzelnen oder vom Ganzen? von den verschiedenen Arten und Sekten der Religion, wie sie in der Welt gewesen sind, oder von dem Begriffe selbst? Ohne Zweifel werden Einige sich zu dem Letzteren bekennen, und das pflegen immer die mit Unrecht/ rüstigen Verächter zu sein, die ihr Geschäft aus sich selbst treiben, und sich nicht die Mühe genommen haben eine genaue Kenntnis der Sache wie sie liegt zu erwerben. Die Furcht vor einem ewigen Wesen und das Rechnen auf eine andere Welt, das, meint Ihr, seien die Angel aller Religion, und das ist Euch im allgemeinen zuwider. Sagt mir doch also, Ihr Teuresten, woher habt Ihr diese Begriffe von der Religion, die der Gegenstand Eurer Verachtung sind? Jede Äußerung, jedes Werk des menschlichen Geistes kann aus einem doppelten Standpunkte angesehen und erkannt werden. Betrachtet man es von seinem Mittelpunkte aus nachseineminnern Wesen, so ist es ein Produkt der menschlichen Natur, gegründet in einer von ihren notwendigen Handlungsweisen oder Trieben, oder wie Ihr es nennen wollt, denn ich will jetzt nicht über Eure Kunstsprache richten; betrachtet man es von seinen Grenzen aus, nach der bestimmten Haltung und Gestalt, die es hie und dort angenommen hat, so ist es ein Erzeugnis der Zeit und der Geschichte. Von weldier Seite habt Ihr nun dieses

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Apologie

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große geistige Phänomen betrachtet, daß Ihr auf jene Begriffe gekommen seid, welche Ihr für den gemeinschaftlichen Inhalt alles dessen ausgebt, was man je / mit dem Namen der Religion benennet hat? Ihr werdet schwerlich sagen, daß dieses eine Betrachtung der ersten Art sei; denn, Ihr Guten! alsdenn müßtet Ihr doch zugeben, daß etwas in diesen Ideen wenigstens der menschlichen Natur angehöre und wenn Ihr auch sagen wolltet, daß sie so wie man sie jetzt antrifft, nur aus Mißdeutungen oder falschen Beziehungen eines notwendigen Strebens der Menschheit entstanden seien, so würde es Euch doch ziemen Euch mit uns zu vereinigen, um das was davon wahr und ewig ist, herauszusuchen, und die menschliche Natur von dem Unrecht zu befreien, welches sie allemal erleidet, wenn etwas in ihr mißkannt oder mißleitet wird. Bei allem was Euch heilig ist - und es muß diesem Geständnisse zufolge etwas Heiliges für Euch geben - beschwöre ich Euch, verabsäumt dieses Geschäft nicht, damit die Menschheit, die Ihr mit uns verehrt, Euch nicht als solchen, die sie in einer wichtigen Angelegenheit verlassen haben, mit dem größten Rechte zürne. Und wenn Ihr denn findet, daß dies Gechäft schon getan sei, so kann ich doch auf Euren Dank und Eure Billigung rechnen. - Wahrscheinlich aber werdet Ihr sagen, Eure Begriffe vom Inhalt der Religion seien nur die andere Ansicht dieser gei- / stigen Erscheinung, und sie sei eben deswegen leer, und werde von Euch verachtet, weil das, was im Mittelpunkt liegt, ihr ganz heterogen sei, daß es gar nicht Religion genannt werden könne, und sie also von dort gar nicht ausgegangen und überall nichts anders sein könne, als ein leerer und falscher Schein, der sich wie eine trübe und drückende Atmosphäre um einen Teil der Wahrheit herumgelagert habe. Dies ist gewiß Eure wahre und eigentliche Meinung. Wenn Ihr aber jene beiden Punkte für den Inhalt der Religion haltet, in allen Formen unter denen sie in der Geschichte erschienen ist, so ist mir doch vergönnet zu fragen, ob Ihr auch all ihre Erscheinungen richtig beobachtet und lhren gemeinschaftlichen Inhalt richtig aufgefaßt habt? Ihr müßt Euren Begriff, wenn er so entstanden ist, aus dem Einzelnen rechtfertigen, und wenn Euch jemand sagt, daß er unrichtig und verfehlt sei, und auf etwas

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anderes hinweiset in der Religion was nicht hohl ist, sondern einen Mittelpunkt hat, so gut als jedes andere, so müßt Ihr doch erst hören und urteilen, ehe ihr weiter verachten dürft. Laßt es Euch also nicht verdrießen dem zuzuhören, was ich jetzt mit denen sprechen will, welche gleich anfangs richtiger aber auch müh- / samer vom Einzelnen ausgegangen sind. Ihr seid ohne Zweifel bekannt mit der Geschichte menschlicher Torheiten, und habt die verschiedenen Gebäude der Religion durchlaufen, von den sinnlosen Fabeln wilder Nationen bis zum verfeinertsten Deismus, von der rohen Superstition unseres Volkes bis zu den übelzusammengenähten Bruchstüdcen von Metaphysik und Moral, die man vernünftiges Christentum nennt, und habt sie alle ungereimt und vernunftwidrig gefunden. Ich bin weit entfernt Euch darin widersprechen zu wollen; vielmehr, wenn Ihr es damit nur aufrichtig meint, daß die ausgebildetsten Religionssysteme diese Eigenschaften nicht weniger an sich tragen als die rohesten, wenn Ihr es nur einsehet, daß das Göttliche nicht in einer Reihe liegen kann, die sich auf beiden Seiten in etwas Gemeines und Verächtliches endiget, so will ich Euch gern die Mühe erlassen, alle welche dazwischen liegen näher zu würdigen. Sie erscheinen alle als Übergänge und Annäherungen zu den letzteren 1 ; jedes kommt etwas geschliffener aus der Hand seines Zeitalters bis endlich die Kunst zu jenem vollendeten Spielwerk gestiegen ist, womit unser Jahrhundert sich so lange die Zeit verkürzt hat. Aber diese Vervollkommnung ist eher Alles, nur nicht Annä- / herung zur Religion. Ich kann nicht ohne Unwillen davon reden; denn jammern muß es jeden, der Sinn hat für alles was aus dem Innern des Gemüts hervorgeht, und dem es Ernst ist, daß jede Seite des Menschen gebildet und dargestellt werde, wie die hohe und herrliche von ihrer Bestimmung entfernt ist, und ihre Freiheit verloren hat, um von dem scholastischen und metaphysischen Geist barbarischer und kalter Zeiten in einer verächtlichen Sklaverei gehalten zu werden. Wo sie ist und wirkt, muß sie sich so offenbaren, daß sie auf eine eigentümliche Art das Gemüt bewegt, alle Funktionen der mensch1

Pünjer: dem letzteren

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Apologie

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liehen Seele vermischt oder vielmehr entfernt, und alle Tätigkeit in ein staunendes Anschauen des Unendlichen auflöset. Wird Euch so zumute bei diesen Systemen der Theologie, diesen Theorien vom Ursprung und Ende der Welt, diesen Analysen von der Natur eines unbegreiflichen Wesens? wo alles auf ein kaltes Argumentieren hinausläuft, und nichts anders als im Ton eines gemeinen Schulstreites behandelt werden kann? In allen diesen Systemen, die Ihr verachtet, habt Ihr also die Religion nicht gefunden und nicht finden können, weil sie nicht da ist, und wenn Euch gezeigt würde, daß sie anderswo wäre, so wä- / ret Ihr immer noch fähig sie zu finden und zu ehren. Warum seid Ihr aber nicht mehr zu dem Einzelnen herabgestiegen? Ich bewundere Eure freiwillige Unwissenheit, Ihr gutmütigen Forscher, und Eure allzuruhige Beharrlichkeit bei dem was eben da ist und Euch angepriesen wird! Was Ihr in diesen Systemen nicht gefunden habt, das würdet Ihr in den Elementen eben dieser Systeme haben sehen müssen, und zwar nicht eines oder des andern, sondern gewiß aller. In Allen liegt etwas von diesem geistigen Stoffe gebunden, denn ohne ihn hätten sie gar nicht entstehen können; aber wer es nicht versteht ihn zu entbinden, der behält, wie fein er sie auch zersplittere, wie genau er auch alles durchsuche, immer nur die tote kalte Masse in Händen. Die Anweisung, das Wahre und Richtige, welches Ihr in der großen Masse nicht findet, in den ersten dem Anschein nach ungebildeten Elementen zu suchen, kann Euch allen, die Ihr mehr oder minder Euch um die Philosophie bekümmert, und mit ihren Schicksalen vertraut seid, doch nicht fremd scheinen. Erinnert Euch doch wie wenige von denen, welche auf einem eigenen Wege in das Innere der menschlichen Natur und der Welt hinabgestiegen sind, und ihr gegenseitiges Verhältnis ihre/ innere Harmonie ineinem eigenen Lichte angeschaut und dargestellt haben, ein eigenes System der Philosophie bildeten, und ob nicht alle in einer zarteren - sollte es auch sein zerbrechlicheren - Form ihre Entdeckungen mitgeteilt haben. Man hat aber doch Systeme von allen Schulen? Ja eben von den Schulen, die nichts anders sind als der Sitz und die Pflanzstätte des toten Buchstabens, denn der Geist läßt sich weder in Akademien festhalten.

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Ober die Religion

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noch der Reihe nach in bereitwillige Köpfe ausgießen, er verdampft gewöhnlich auf dem Wege aus dem ersten Munde in das erste Ohr. Würdet Ihr nicht dem, welcher die Verfertiger dieser großen Körper von Philosophie für die Philosophen selbst hielt, und in ihnen den Geist der Wissenschaft finden wollte, belehrend zurufen: nicht also guter Freund! In allen Dingen haben die, welche nur nachtreten und zusammentragen, und bei dem was ein andrer gegeben hat, stehen bleiben, nicht den Geist der Sache, dieser ruht nur auf den Erfindern, und zu ihnen mußt du gehen. Ihr werdet aber gestehen müssen, daß es mit der Religion um so mehr dieselbe Sache ist, da sie sich ihrem ganzen Wesen nach von allem Systematischen ebensoweit entfernt, als die Philosophie sich von Natur dazu hinneigt. Be-/ denket doch von wem diese künstlichen Gebäude herrühren; deren Wandelbarkeit Ihr verspottet, deren schlechtes Ebenmaß Euch beleidigt, und deren Mißverhältnis gegen ihre kleinliche Tendenz Euch so lächerlich ist? Etwa von den Heroen der Religion? Nennt mir doch unter allen denen, die irgendeine neue Offenbarung heruntergebracht haben zu uns, einen Einzigen, von dem an, der zuerst die Eine und Allgemeine Gottheit dachte - gewiß der systematischste Gedanke im ganzen Gebiete der Religion - bis zu dem neuesten Mystiker, in dem vielleicht noch ein ursprünglicher Strahl des innern Lichtes glänzt, (denn, daß ich der Buchstabentheologen nicht erwähne, welche glauben das Heil der Welt und das Licht der Weisheit in einem neuen Kostüm ihrer Formeln, oder in neuen Stellungen ihrer figurierenden Beweise zu finden, das werdet Ihr mir nicht verdenken) nennt mir unter ihnen allen einen Einzigen, der es der Mühe wert geachtet hätte, sich mit dieser sisyphischen Arbeit zu befassen. Nur einzelne erhabene Gedanken durchzüdcen ihre von einem ätherischen Feuer sich entzündende Seele, und der magische Donner einer zauberischen Rede begleitete die hohe Erscheinung, und verkündete dem anbetenden Sterblichen, daß die Gottheit gespro- / chen habe. Ein Atom von einer überirdischen Kraft geschwängert, fiel in ihr Gemüt, verähnlichte sich dort alles, dehnte es allmächtig aus, und es zersprang dann wie durch ein göttliches Schidcsal in einer Welt, deren Atmo-

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Apologie

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sphäre ihm zu wenig Widerstand leistete, und brachte noch in seinen letzten Momenten eines von jenen himmlischen Meteoren, von jenen bedeutungsvollen Zeichen der Zeit hervor, deren Ursprung niemand verkennt, und die alle Irdischen mit Ehrfurcht erfüllen. Diese himmlischen Funken müßt Ihr aufsuchen, welche entstehen, wenn eine heilige Seele vom Universum berührt wird, Ihr müßt sie belauschen in dem unbegreiflichen Augenblidc in welchem sie sidi bildeten, sonst ergeht es Euch wie dem, der zu spät mit dem brennbaren Stoff das Feuer aufsucht, welches der Stein dem Stahl entlodct hat, und dann nur ein kaltes unbedeutendes Stäubchen groben Metalles findet, an dem er nichts mehr entzünden kann. Idi fordere also, daß Ihr von allem, was sonst Religion genannt wird, absehend Euer Augenmerk nur auf diese einzelne Andeutungen und Stimmungen richtet, die Ihr in allen Äußerungen und edlen Taten gottbegeisterter Menschen finden werdet. Entdedct Ihr denn / auch in diesem Einzelnen nichts Neues und Treffendes, wie ich es ohngeachtet Eurer Gelehrsamkeit und Eurer Kenntnisse dennoch zur guten Sache hoffe, erweitert und verwandelt sich dann nicht Euer enger Begriff, der nur von einer übersichtigen Beobachtung erzeugt ward, könnt Ihr dann diese Richtung des Gemüts auf das Ewige noch verachten, kann es Euch noch lächerlich scheinen, alles was dem Menschen wichtig ist, auch aus diesem Gesichtspunkte betrachtet zu sehen, so will ich glauben, daß Eure Verachtung der Religion Eurer Natur gemäß ist, und habe Euch weiter nichts zu sagen. Besorget nur nicht, daß ich am Ende doch noch zu jenen gemeinen Mitteln meine Zuflucht nehmen möchte, Euch vorzustellen, wie notwendig sie sei, um Recht und Ordnung in der Welt zu erhalten, und mit dem Andenken an ein allsehendes Auge und eine unendliche Macht der Kurzsiditigkeit menschlicher Aufsicht und den engen Schranken menschlidier Gewalt zu Hilfe zu,. kommen; oder wie sie eine treue Freundin und eine heilsame Stütze der Sittlichkeit sei, indem sie mit ihren heiligen Gefühlen und ihren glänzenden Aussichten den schwachen Menschen den Streit mit sich selbst und das Vollbringen des.

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Guten gar mächtig erleichtern. So reden / freilich diejenigen, welche die besten Freunde und die eifrigsten Verteidiger der Religion zu sein vorgeben; ich aber will nicht entscheiden, gegen wen in dieser Gedankenverbindung die meiste Verachtung liege, gegen Recht und Sittlichkeit, welche als einer Unterstützung bedürftig vorgestellt werden, oder gegen die Religion, welche sie unterstützen soll, oder gegen Euch, zu denen also gesprochen wird. Mit welcher Stirne könnte ich Emh wohl zumuten, wenn anders Euch selbst dieser weise Rat gegeben werden soll; daß Ihr mit Euch selbst in Eurem Innern ein loses Spiel treiben, und durch etwas, das Ihr sonst keine Ursache hättet zu achten und zu lieben, Euch zu etwas Anderem solltet antreiben lassen, was Ihr ohnedies schon verehrt, und dessen Ihr Euch befleißiget? Oder wenn Euch etwa durch diese Reden nur ins Ohr gesagt werden soll, was Ihr dem Volke zuliebe zu tun habt, wie solltet dann Ihr, die Ihr dazu berufen seid die andern zu bilden und sie Euch ähnlich zu machen, damit anfangen, daß Ihr sie betrügt, und ihnen etwas für heilig und wirksam hingebt, was Euch selbst höchst gleichgültig ist, und was sie wegwerfen sollen, sobald sie sich auf dieselbe Stufe mit Euch erhoben haben? Ich kann zu einer solchen Handlungsweise nicht auffordern, / sie enthält die verderblichste Heuchelei gegen die Welt und gegen Euch selbst, und wer die Religion so empfehlen will, muß nur die Verachtung vergrößern, der sie schon unterliegt. Zugegeben, daß unsere bürgerlichen Einrichtungen noch unter einem hohen Grade der Unvollkommenheit seufzen, und noch wenig Kraft bewiesen haben, der Ungerechtigkeit zuvorzukommen oder sie auszurotten, welche strafbare Verlassung einer wichtigen Sache, welcher zaghafte Unglaube an die Annäherung zum Besseren wäre es, wenn deshalb nach der Religion gerufen werden müßte 1 Hättet Ihr denn einen rechtlichen Zustand, wenn seine Existenz auf der Frömmigkeit beruhete? Verschwindet Euch nicht, so bald Ihr davon ausgehet, der ganze Begriff unter den Händen, den Ihr doch für so heilig haltet? Greift die Sache unmittelbar an, wenn sie Euch so übel zu liegen scheint; bessert an den Gesetzen, rüttelt die Verfassungen untereinander, gebt dem Staate einen eisernen Arm, gebt ihm hundert Augen, wenn

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Apologie

er sie nodi nicht hat, nur schläfert nicht die, welche er hat, mit einer trügerischen Leier ein. Schiebt nicht ein Geschäft wie dieses in ein anderes ein, Ihr habt es sonst gar nicht verwaltet, und erklärt nicht zum Schimpfe der Menschheit ihr erhabenstes / Kunstwerk für eine Wucherpßanze die nur von fremden Säften sich nähren: kann. Nicht einmal der Sittlichkeit, die ihm dodi weit näher liegt, muß das Recht bedürfen, um sich die unumschränkteste Herrschaft auf seinem Gebiete. zu sichern, es muß ganz für sich allein stehen. Wer der Verwalter desselben ist, der muß es überall hervorbringen können, und jeder, welcher behauptet, daß dies nur geschehen kann, indem Religion mitgeteilt wird - wenn anders dasjenige sich willkürlich mitteilen läßt was nur existiert, indem es aus dem Gemüte hervorgehet der behauptet zugleich, daß nur diejenigen Verwalter des Rechts sein sollten, welche geschickt sind der menschlichen Seele den Geist der Religion einzugießen, und in welche finstere Barbarei unheiliger Zeiten würde uns das zurüdcführenl Ebensowenig aber darf die Sittlichkeit mit der Religion zu teilen haben; wer einen Unterschied macht zwischen dieser und jener Welt, betört sich selbst, alle wenigstens welche Religion haben, glauben nur an Eine. Ist also das Verlangen nach Wohlbefinden der Sittlichkeit etwas Fremdes, so darf das Spätere nicht mehr gelten als das Frühere, und die Scheu vor dem Ewigen nicht mehr als die vor einem weisen Manne. Wenn die Sittlichkeit/ durch jeden Zusatz ihren Glanz und ihre Festigkeit vertieret, wie viel mehr durch einen solchen, der seine hohe und ausländische Farbe niemals verleugnen kann. Doch dies habt Ihr genug von denen gehört, welche die Unabhängigkeit und die Allgewalt moralischer Gesetze verteidigen, ich aber setze hinzu, daß es auch die größte Verachtung gegen die Religion beweiset, sie in ein anderes Gebiet verpflanzen zu wollen, daß sie da diene und arbeite. Auch herrschen möchte sie nicht in einem fremden Reiche: denn sie ist nicht so eroberungssüchtig das ihrige vergrößern zu wollen. Die Gewalt, die ihr gebührt, und die sie sich in jedem Augenblick aufs neue verdient, genügt ihr, und ihr, die alles heilig hält, ist nodi vielmehr das heilig, was mit ihr

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über die Religion

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gleimen Rang in der mensdilimen Natur behauptet. Aber sie soll ganz eigentlim dienen, wie jene es wollen, einen Zwedc soll sie haben, und nützlim soll sie sim erweisen. Welme Erniedrigung! und ihre Verteidiger sollten geizig darauf sein ihr diese zu versmaffen? Daß dodi diejenigen, die so auf den Nutzen ausgehen, und denen dodi am Ende aum Sittlichkeit und Remt um eines andern Vorteils willen da sind, daß sie dom lieber selbst untergehen mömten in diesem ewigen Kreislaufe eines allgemeinen / Nutzens, in welmem sie alles Gute untergehen lassen, und von dem kein Mensm, der selbst für sim etwas sein will, ein gesundes Wort versteht, lieber als daß sie sim zu Verteidigern der Religion aufwerfen mömten, deren Same zu führen sie gerade die ungesdiidctesten sind. Ein smöner Ruhm für die Himmlisme, wenn sie nun die irdismen Angelegenheiten der Mensmen so leidlim versehen könnte! Viel Ehre für die Freie und Sorglose, wenn sie nun etwas wadisamer und treibender wäre als das Gewissen! Für so etwas steigt sie Eum nodi nimt vom Himmel herab. Was nur um eines außer ihm liegenden Vorteils willen geliebt und gesmätzt wird, das mag wohl not tun, aber es ist nimt in sim notwendig, es kann immer ein frommer Wunsm bleiben, der nie zur Existenz kommt, und ein vernünftiger Mensm legt keinen außerordentlimen Wert darauf, sondern nur den Preis, der jener Same angemessen ist. Und dieser würde für die Religion gering genug sein, im wenigstens würde kärglim bieten, denn im muß es nur gestehen, im glaube nimt daß es so arg ist mit den unremten Handlungen welme sie verhindert, und mit den sittlimen welme sie erzeugt haben soll. Sollte das also das Einzige sein, was ihr Ehrerbietung / versmaffen könnte, so mag im mit ihrer Same nimts zu tun haben. Selbst um sie nur nebenher zu empfehlen ist es zu unbedeutend. Ein eingebildeter Ruhm, welmer versmwindet wenn man ihn näher betramtet, kann derjenigen nimt helfen, die mit höheren Ansprümen umgeht. Daß sie aus dem Inneren jeder besseren Seele notwendig von selbst entspringt, daß ihr eine eigne Provinz im Gemüte angehört, in welmer sie unumsdiränkt herrsmt, daß sie es würdig ist durm ihre innerste Kraft die Edelsten und Vortrefflidisten zu bewegen, und von ihnen ihrem innersten

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Apologie

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Wesen nach gekannt zu werden; das ist es was ich behaupte, und was ich ihr gern sichern möchte, und Euch liegt es nun ob, zu entscheiden, ob es der Mühe wert sein wird, mich zu hören, ehe ihr Euch in Eurer Verachtung noch mehr befestiget.

ZWEITE REDE

über das Wesen der Religion Ihr werdet wissen wie der alte Simonides durch immer wiederholtes und verlängertes Zögern denjenigen zur Ruhe verwies, der ihn mit der Frage belästigt hatte: was wohl die Götter seien. Ich möchte bei der weit größeren und mehr umfassenden: „was die Religion ist", gern mit einer ähnlichen Zögerung anfangen. Natürlich nicht in der Absicht um zu schweigen, und Euch wie Jener in der Verlegenheit zu lassen, sondern damit Ihr von ungeduldiger Erwartung hingehalten, eine Zeitlang Eure Blidce unverwandt auf den Punkt hinrichten möget, den wir suchen, und Euch aller andern Gedanken indes gänzlich entschlagen. Ist es doch die erste Forderung derer, welche nur gemeine Geister beschwören, daß der Zuschauer, der ihre Erscheinungen sehen und in ihre Geheimnisse eingeweiht werden will, sich durch Enthaltsamkeit von irdischen Dingen und durch heilige Stille vorbereite, und dann, ohne / sich durch den Anblidc fremder Gegenstände zu zerstreuen, mit ungeteilten Sinnen auf den Ort hinschaue, wo die Erscheinung sich zeigen soll. Wieviel mehr werde ich einen ähnlichen Gehorsam verlangen dürfen, der ich einen seltenen Geist hervorrufen soll, welcher nicht in irgend einer vielgesehenen geläufigen Larve zu erscheinen würdiget, und den Ihr lange mit angestrengter Aufmerksamkeit werdet beobachten müssen, um ihn zu erkennen, und seine bedeutsamen Züge zu verstehen. Nur wenn Ihr vor den heiligen Kreisen stehet, mit der unbefangensten Nüchternheit des Sinnes, die jeden Umriß klar und richtig auffaßt, und, voll Verlangen das Dargestellte aus sich selbst zu verstehen, weder von alten Erinnerungen verführt, noch von vorgefaßten Ahndungen bestochen wird, kann ich hoffen, daß Ihr meine Erscheinung

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über das Wesen der Religion

wo nicht liebgewinnen doch wenigstens Euch über ihre Gestalt mit mir einigen, und sie für ein himmlisches Wesen erkennen werdet. Ich wollte, ich könnte sie Euch unter irgendeiner wohlbekannten Bildung vorstellen, damit Ihr sogleich ihrer Züge, ihres Ganges, ihrer Manieren Euch erinnern und ausrufen möchtet, daß Ihr sie hier oder dort im Leben so gesehen habt. Aber ich würde Euch betrügen; denn so unverkleidet wie sie dem / Beschwörer erscheint, wird sie unter den Menschen nicht angetroffen, und hat sich in ihrer eigentümlichen Gestalt wohl lange nicht erblidcen lassen. So wie die besondere Sinnesart der verschiedenen kultivierten Völker, seitdem durch Verbindungen aller Art ihr Verkehr vielseitiger und des Gemeinschaftlichen unter ihnen mehr geworden ist, sich in einzelnen Handlungen nicht mehr so rein und bestimmt darstellt, sondern nur die Einbildungskraft die ganze Idee dieser Charaktere auffassen kann, die im Einzelnen nicht anders als zerstreut und mit vielem Fremdartigen vermischt angetroffen werden; so ist es auch mit geistigen Dingen, und unter ihnen mit der Religion. Es ist Euch ja bekannt, wie jetzt alles voll ist von harmonischer Ausbildung, und eben diese hat eine so vollendete und ausgebreitete Geselligkeit und Freundschaft innerhalb der menschlichen Seele gestiftet, daß jetzt unter uns keine von ihren Kräften, so gern wir sie auch abgesondert denken, in der Tat abgesondert handelt, sondern bei jeder Verrichtung sogleich von der zuvorkommenden Liebe und wohltätigen Unterstützung der Andern übereilt und von ihrer Bahn etwas abgetrieben wird, so daß man sich in dieser gebildeten Welt vergeblich nach einer Handlung umsieht, die von irgend einem Ver-/ mögen des Geistes, es sei Sinnlichkeit oder Verstand, Sittlichkeit oder Religion, einen treuen Ausdrudc abgeben könnte. Seid deswegen nicht ungehalten, und deutet es nicht als eine Geringschätzung der Gegenwart, wenn ich Euch öfters der Anschaulichkeit halber in jene kindlicheren Zeiten zurüdcführe, wo in einem unvollkommneren Zustande noch alles abgesonderter und einzelner war; und wenn ich gleich damit anfange, und immer wieder auf einem andern Wege sorgfältig darauf zurüdckomme, vor jeder Verwechselung der Reli-

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gion mit dem was ihr hie und da ähnlich sieht, und womit Ihr sie überall vermi11cht finden werdet, nachdrüddich zu warnen. Stellet Euch auf den höchsten Standpunkt der Metaphysik und der Moral, so werdet Ihr finden, daß beide mit der Religion denselben Gegenstand haben, nämlich das Universum und das Verhältnis des Menschen zu ihm. Diese Gleichheit ist von lange her ein Grund zu mandierlei Verirrungen gewesen; daher ist Metaphysik und Moral in Menge in die Religion eingedrungen, und mandies was der Religion angehört, hat sidi unter einer unsdiiddidien Form in die Metaphysik oder die Moral versteckt. Werdet Ihr aber deswegen glauben, daß sie / mit einer von beiden einerlei sei? Ich weiß, daß Euer Instinkt Euch das Gegenteil sagt, und es geht audi aus Euren Meinungen hervor; denn Ihr gebt nie zu, daß sie mit dem festen Tritte einhergeht, dessen die Metaphysik fähig ist, und Ihr vergesset nicht fleißig zu bemerken, daß es in ihrer Gesdiidite eine Menge garstiger unmoralisdier Fledcen gibt. Soll sie sich also untersdieiden, so muß sie ihnen ungeachtet des gleichen Stoffs auf irgendeine Art entgegengesetzt sein; sie muß diesen Stoff ganz anders behandeln, ein anderes Verhältnis der Menschen zu demselben ausdrüdcen oder bearbeiten, eine andere Verfahrungsart oder ein anderes Ziel haben: denn nur dadurdi kann dasjenige, was dem Stoff nadi einem andern gleidi ist, eine besondere Natur und ein eigentümlidies Dasein bekommen. Im frage Euch also: was tut Euere Metaphysik - oder wenn Ihr von dem veralteten Namen, der Euch zu historisdi ist, nidits wissen wollt Euere Transzendentalphilosophie? sie klassifiziert das Universum und teilt es ab in soldie Wesen und solche, sie geht den Gründen dessen was da ist nadi, und deduziert die Notwendigkeit des Wirklidien, sie entspinnet aus sich selbst die Realität der Welt und ihre Gesetze. In dieses Gebiet darf sich / also die Religion nicht versteigen, sie darf nidit die Tendenz haben Wesen zu setzen und Naturen zu bestimmen, sich in ein Unendlidies von Grilnden und Deduktionen zu verlieren, letzte Ursachen aufzusuchen und ewige Wahrheiten auszusprechen. - Und was tut Euere Moral? Sie entwidcelt aus der Natur des Menschen und seines Verhältnisses gegen das Universum ein System von Pflichten, sie gebietet

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über das Wesen der Religion

und untersagt Handlungen mit unumschränkter Gewalt. Auch das darf also die Religion nicht wagen, sie darf das Universum nicht brauchen um Pflichten abzuleiten, sie darf keinen Kodex von Gesetzen enthalten. - „Und doch scheint das, was man Religion nennt, nur aus Bruchstücken dieser verschiedenen Gebiete zu bestehen." - Dies ist freilich der gemeine Begriff. Ich habe Euch letzthin Zweifel gegen ihn beigebracht; es ist jetzt Zeit ihn völlig zu vernichten. Die Theoretiker in der Religion, die aufs Wissen über die Natur des Universums und eines höchsten Wesens, dessen Werk es ist, ausgehen, sind Metaphysiker; aber artig genug, auch etwas Moral nicht zu verschmähen. Die Praktiker, denen der Wille Gottes Hauptsache ist, sind Moralisten; aber ein wenig im Stile der Metaphysik. Die Idee des Guten nehmt Ihr und tragt sie in die Me- / taphysik als Naturgesetz eines unbeschränkten und unbedürftigen Wesens, und die Idee eines Urwesens nehmt Ihr aus der Metaphysik und tragt sie in die Moral, damit dieses große Werk nicht anonym bleibe, sondern vor einem so herrlichen Kodex das Bild des Gesetzgebers könne gestochen werden. Mengt aber und rührt wie Ihr wollt, dies geht nie zusammen, Ihr treibt ein leeres Spiel mit Materien, die sich einander nicht aneignen. Ihr behaltet immer nur Metaphysik und Moral. Dieses Gemisch von Meinungen über das höchste Wesen oder die Welt, und von Geboten für ein menschliches Leben (oder gar für zwei) nennt Ihr Religion! und den Instinkt der jene Meinungen sucht, nebst den dunklen Ahndungen, welche die eigentliche letzte Sanktion dieser Gebote sind, nennt Ihr Religiosität! Aber wie kommt Ihr denn dazu, eine bloße Kompilation, eine Chrestomathie für Anfänger für ein eignes Werk zu halten, für ein Individuum eignen Ursprunges und eigener Kraft? Wie kommt Ihr dazu, seiner zu erwähnen, wenn es auch nur geschieht um es zu widerlegen? Warum habt Ihr es nicht längst aufgelöset in seine Teile und das schändliche Plagiat entdeckt? Ich hätte Lust, Euch durch einige sokratische Fragen zu ängstigen, und Euch zu dem Geständ/ nisse zu bringen, daß Ihr in den gemeinsten Dingen die Prinzipien gar wohl kennt, nach denen das Ähnliche zusammengestellt und das Besondere dem Allgemeinen unterge-

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über die Religion

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ordnet werden mW3, und daß Ihr sie hier nur nicht anwenden wollet, um mit der Welt über einen ernsten Gegnstand scherzen zu können. Wo ist denn die Einheit in diesem Ganzen? wo liegt das verbindende Prinzip für diesen ungleichartigen Stoff! Ist es eine eigne anziehende Kraft, so müßt Ihr gestehen, daß Religion das Höchste ist in der Philosophie, und daß Metaphysik und Moral nur untergeordnete Abteilungen von ihr sind; denn das worin zwei verschiedene aber entgegengesetzte Begriffe eins werden, kann nichts anders sein, als das Höhere, unter welches sie beide gehören. Liegt dies bindende Prinzip in der Metaphysik, habt Ihr aus Gründen, die ihr angehören, ein höchstes Wesen als moralischen Gesetzgeber erkannt, so vernichtet doch die praktische Philosophie, und gesteht daß sie, und mit ihr die Religion, nur ein kleines Kapitel der theoretischen ist. Wollt Ihr das umgekehrte behaupten; so müssen Metaphysik und Religion von der Moral verschlungen werden, der freilich, nachdem sie glauben gelernt und sich in ihren alten Tagen bequemt hat in ihrem innersten / Heiligtume den geheimen Umarmungen zweier sich liebender Welten ein stilles Plätzchen zu bereiten, nichts mehr unmöglich sein mag. Oder wollt Ihr etwa sagen, das Metaphysische in der Religion hänge nicht vom Moralischen ab, und dieses nicht von jenem; es gebe einen wunderbaren Parallelismus zwischen dem Theoretischen und Praktischen, und eben diesen wahrnehmen und darstellen, sei Religion? Freilich zu diesem kann die Auflösung weder in der praktischen Philosophie liegen, denn diese kümmert sich nichts um ihn, noch in der theoretischen, denn diese strebt aufs eifrigste, ihn so weit als möglich zu verfolgen und zu vernichten, wie es denn auch ihres Amts ist. Aber ich denke, Ihr sucht von diesem Bedürfnisse getrieben schon seit einiger Zeit nach einer höchsten Philosophie, in der sich diese beiden Gattungen vereinigen, und seid immer auf dem Sprunge sie zu finden; und so nahe läge dieser die Religion! und die Philosophie müßte wirklich zu ihr flüchten, wie die Gegner derselben so gern behaupten? Gebt wohl Achtung was Ihr da saget. Mit allem dem bekommt Ihr entweder eine Religion die weit über der Philosophie steht, so wie diese sich gegenwärtig befindet, oder Ihr müßt so ehrlich sein, den

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Ober das Wesen der Religion

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beiden Teilen derselben wiederzugeben/ was ihnen gehört, und zu bekennen, daß, was die Religion betrifft, Ihr noch nichts von ihr wißt. Ich will Euch zu dem ersten nicht anhalten, denn ich will keinen Platz besetzen, den ich nicht behaupten könnte, aber zu dem letzten werdet Ihr Euch wohl verstehen. Laßt uns aufrichtig miteinander umgehen. Ihr mögt die Religion nicht, davon sind wir schon neulich ausgegangen; aber indem Ihr einen ehrlichen Krieg gegen sie führt, der doch nicht ganz ohne Anstrengung ist, wollt Ihr doch nicht gegen einen Schatten gefochten haben, wie dieser, mit dem wir uns herumgeschlagen haben; sie muß doch etwas eigenes sein, was in der Menschen Herz hat kommen können, etwas denkbares, wovon sich ein Begriff aufstellen läßt, tiber den man reden und streiten kann, und ich finde es sehr unrecht, wenn Ihr selbst aus so disparaten Dingen etwas Unhaltbares zusammennähet, das Religion nennt, und dann so viel unnütze Umstände damit macht. Ihr werdet leugnen, daß Ihr hinterlistig zu Werke gegangen seid, Ihr werdet mich auffordern, alle Urkunden der Religion - weil ich doch die Systeme, die Kommentare und die Apologien schon verworfen habe - alle aufzurollen von den schönen Dichtungen der Griechen bis zu den heiligen Sd:uiften / der Christen, ob ich nicht überall die Natur der Götter finden werde, und ihren Willen, und überall den heilig und selig gepriesen, der die erstere erkennt und den letztem vollbringt. Aber das ist es ja eben, was ich Euch gesagt habe, daß die Religion nie rein erscheint, das alles sind nur die fremden Teile, die ihr anhängen, und es soll ja unser Geschäft sein, sie von diesen zu befreien. Liefert Euch doch die Körperwelt keinen Urstoff als reines Naturprodukt- Ihr müßtet dann, wie es Euch hier in der intellektuellen ergangen ist, sehr grobe Dinge für etwas Einfaches halten, - sondern es ist nur das unendliche Ziel der analytischen Kunst, einen solchen darstellen zu können; und in geistigen Dingen ist Euch das Ursprüngliche nicht anders zu schaffen, als wenn Ihr es durch eine ursprüngliche Schöpfung in Euch erzeugt, und auch dann nur auf den Moment .wo Ihr es erzeugt. Ich bitte Euch, verstehet Euch selbst hierüber, Ihr werdet unaufhörlich daran erinnert werden. Was aber die Urkunden und die Autographa der Reli-

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über die Religion

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gion betrifft, so ist in ihnen diese Einmischung von Metaphysik und Moral nicht bloß ein unvermeidliches Schidcsal, sie ist vielmehr künstliche Anlage und hohe Absicht. Was als das erste und letzte gegeben wird, ist / nicht immer das wahre und höchste. Wüßtet Ihr doch nur zwischen den Zeilen zu lesen! Alle heilige Schriften sind wie die bescheidenen Bücher, welche vor einiger Zeit in unserem bescheidenen Vaterlande gebräuchlich waren, die unter einem dürftigen Titel wichtige Dinge abhandelten. Sie kündigen freilich nur Metaphysik und Moral an, und gehen gern am Ende in das zurüdc, was sie angekündigt haben, aber Euch wird zugemutet diese Schale zu spalten. So liegt auch der Diamant in einer schlechten Masse gänzlich verschlossen, aber wahrlich nicht um verborgen zu bleiben, sondern um desto sicherer gefunden zu werden. Proselyten zu machen aus den Ungläubigen, das liegt sehr tief im Charakter der Religion; wer die seinige mitteilt, kann gar keinen andern Zwedc haben, und so ist es in der Tat kaum ein frommer Betrug, sondern eine schidcliche Methode bei dem anzufangen und um das besorgt zu scheinen, wofür der Sinn schon da ist, damit gelegentlich und unbemerkt sich das einschleiche, wofür er erst aufgeregt werden soll. Es ist, da alle Mitteilung der Religion nicht anders als rhetorisch sein kann, eine schlaue Gewinnung der Hörenden, sie in so guter Gesellschaft einzuführen. Aber dieses Hilfsmittel hat seinen Zwedc nicht nur erreicht, son/ dem überholt, indem selbst Euch unter dieser Hülle ihr eigentliches Wesen verborgen geblieben ist. Darum ist es Zeit die Sache einmal beim andern Ende zu ergreifen, und mit dem schneidenden Gegensatz anzuheben, in welchen sich die Religion gegen Moral und Metaphysik befindet. Das war es was ich wollte. Ihr habt mich mit Euerem gemeinen Begriff gestört; er ist abgetan, hoffe ich, unterbrecht mich nun nicht weiter. Sie entsagt hiermit, um den Besitz ihres Eigentums anzutreten, allen Ansprüchen auf irgend etwas, was jenen angehört, und gibt alles zurüdc, was man ihr aufgedrungen hat. Sie begehrt nicht das Universum seiner Natur nach zu bestimmen und zu erklären wie die Metaphysik, sie begehrt nicht aus Kraft der Freiheit und der göttlichen Willkür des Men-

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sdien es fortzubilden und fertig zu madien wie die Moral. Ihr Wesen ist weder Denken nodi Handeln, sondern Ansdiauung und Gefühl. Ansdiauen will sie das Universum, in seinen eigenen Darstellungen und Handlungen will sie es andäditig belausdien, von seinen unmittelbaren Einflüssen will sie sidi in kindlidier Passivität ergreifen und erfüllen lassen. So ist sie beiden in allem entgegengesetzt was ihr Wesen aus-/ madit, und in allem was ihre Wirkungen diarakterisiert. Jene sehen im ganzen Universum nur den Mensdien als Mittelpunkt aller Beziehungen, als Bedingung alles Seins und Ursadi alles Werdens; sie will im Mensdien nidit weniger als in allen 1 andern Einzelnen und Endlidien das Unendlidie sehen, dessen Abdrudc, dessen Darstellung. Die Metaphysik geht aus von der endlidien Natur des Mensdien, und will aus ihrem einfadisten Begriff, und aus dem Umfang ihrer Kräfte und ihrer Empfänglidikeit mit Bewußtsein bestimmen, was das Universum für ihn sein kann, und wie er es notwendig erblicken muß. Die Religion lebt ihr ganzes Leben audi in der Natur, aber in der unendlidien Natur des Ganzen, des Einen und Allen; was in dieser alles Einzelne und so audi der Mensdi gilt, und wo alles und audi er treiben und bleiben mag in dieser ewigen Gärung einzelner Formen und Wesen, das will sie in stiller Ergebenheit im Einzelnen ansdiauen und ahnden. Die Moral geht vom Bewußtsein der Freiheit aus, deren Reidl will sie ins Unendlidie erweitern, und ihr alles unterwürfig madien; die Religion atmet da, wo die Freiheit selbst sdion wieder Natur geworden ist, jenseit des Spiels seiner besondern Kräfte und seiner Per- / sonalität faßt sie den Mensdien, und sieht ihn aus dem Gesiditspunkte, wo er das sein muß was er ist, er wolle oder wolle nidit. So behauptet sie ihr eigenes Gebiet und ihren eigenen Charakter nur dadurch, daß sie aus dem der Spekulation sowohl als aus dem der Praxis gänzlidi herausgeht, und indem sie sidi neben beide hinstellt, wird erst das gemeinschaftliche Feld vollkommen ausgefüllt, und die menschlidie Natur von dieser Seite vollendet. Sie zeigt sich Eudi als das notwendige und unentbehrlidie Dritte zu jenen beiden, als ihr natürlidies Gegenstück, nicht geringer an Würde und Herrlichkeit. als 1

allem: so aud:i Pünjer

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über die Religion

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welches von ihnen Ihr wollt. Spekulation und Praxis haben zu wollen ohne Religion, ist verwegener Übermut, es ist freche Feindschaft gegen die Götter, es ist der unheilige Sinn des Prometheus, der feigherzig stahl, was er in ruhiger Sicherheit hätte fordern und erwarten können. Geraubt nur hat der Mensch das Gefühl seiner Unendlichkeit und Gottähnlichkeit. und es kann ihm als unrechtes Gut nicht gedeihen, wenn er nicht auch seiner Beschränktheit sich bewußt wird, der Zufälligkeit seiner ganzen Form, des geräuschlosen Verschwindens seines ganzen Daseins im Unermeßlichen. Auch haben die Götter von je an diesen Frevel gestraft. Pra- / xis iiit Kunst, Spekulation ist Wissenschaft, Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche. Ohne diese, wie kann sich dit erste über den gemeinen Kreis abenteuerlicher und hergebrachter Formen erheben? wie kann die andere etwas besseres werden als ein steifes und mageres Skelett? Oder warum vergißt über alles Wirken nach außen und aufs Universum hin Euere Praxis am Ende eigentlich immer den Menschen selbst zu bilden? weil Ihr ihn dem Universum entgegengesetzt und ihn nicht als einen Teil desselben und als etwas heiliges aus der Hand der Religion empfangt. Wie kommt sie zu der armseligen Einförmigkeit, die nur ein einziges Ideal kennt und dieses überall unterlegt? weil es Euch an dem Grundgefühl der unendlichen und lebendigen Natur fehlt, deren Symbol Mannigfaltigkeit und Individualität ist. Alles Endliche besteht nur durch die Bestimmung seiner Grenzen, die aus dem Unendlichen gleichsam herausgeschnitten werden müssen. Nur so kann es innerhalb dieser Grenzen selbst unendlich sein und eigen gebildet werden, und sonst verliert Ihr alles in der Gleichförmigkeit eines allgemeinen Begriffs. Warum hat Euch die Spekulation so lange statt eines Systems Blendwerke, und statt der Gedanken Worte ge- /geben? warum war sie nichts als ein leeres Spiel mit Formeln, die immer anders wiederkamen, und denen nie etwas entsprechen wollte? Weil es an Religion gebrach, weil das Gefühl des Unendlichen sie nicht beseelte, und die Sehnsucht nach ihm, und die Ehrfurcht vor ihm ihre feinen luftigen Gedanken nicht nötigte, eine festere Konsistenz anzunehmen, um sich gegen diesen gewaltigen Drude zu erhalten. Vom Anschauen

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über das Wesen der Religion

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muß alles ausgehen, und wem die Begierde fehlt das Unendliche anzuschauen, der hat keinen Prüfstein und braucht freilich auch keinen, um zu wissen, ob er etwas ordentliches darüber gedacht hat. Und wie wird es dem Triumph der Spekulation ergehen, dem vollendeten und gerundeten Idealismus, wenn Religion ihm nicht das Gegengewicht hält, und ihn einen höheren Realismus ahnden läßt als den, welchen er so kühn und mit so vollem Recht sich unterordnet? Er wird das Universum vernichten, indem er es zu bilden scheint, er wird es herabwürdigen zu einer bloßen Allegorie, zu einem nichtigen Schattenbilde unserer eignen Beschränktheit. Opfert mit mir ehrerbietig eine Locke den Manen des heiligen verstoßenen Spinozal Ihn durchdrang der hohe Weltgeist, das Unendliche war sein An-/ fang und Ende, das Universum seine einzige und ewige Liebe, in heiliger Unschuld und tiefer Demut spiegelte er sich in der ewigen Welt, und sah zu wie auch Er ihr liebenswürdigster Spiegel war; voller Religion war Er und voll heiligen Geistes; und darum steht Er auch da, allein und unerreicht, Meister in seiner Kunst, aber erhaben über die profane Zunft, ohne Jünger und ohne Bürgerrecht. Anschauen des Universums, ich bitte befreundet Euch mit diesem Begriff, er ist der Angel meiner ganzen Rede, er ist die allgemeinste und höchste Formel der Religion, wor~us Ihr jeden Ort in derselben finden könnt, woraus sich ihr Wesen und ihre Grenzen aufs genaueste bestimmen lassen. Alles Anschauen gehet aus von einem Einfluß des Angeschaueten auf den Anschauenden, von einem ursprünglichen und unabhängigen Handeln des ersteren, welches dann von dem letzteren seiner Natur gemäß aufgenommen, zusammengefaßt und begriffen wird. Wenn die Ausflüsse des Lichtes nicht- was ganz ohne Euere Veranstaltung geschiehtEuer Organ berührten, wenn die kleinsten Teile der Körper die Spitzen Eurer Finger nicht mechanisch oder chemisch affizierten, wenn der Drude der Schwere Euch nicht einen Widerstand und / eine Grenze Eurer Kraft offenbarte, so würdet Ihr nichts anschauen und nichts wahrnehmen, und was Ihr also anschaut und wahrnehmt, ist nicht die Natur der Dinge, sondern ihr Handeln auf Euch. Was Ihr über jene

Ober die Religion

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wißt oder glaubt, liegt weit jenseits des Gebiets der Anschauung. So die Religion; das Universum ist in einer ununterbrochenen Tätigkeit und offenbart sich uns jeden Augenblick Jede Form die es hervorbringt, jedes Wesen dem es nach der Fülle des Lebens ein abgesondertes Dasein gibt, jede Begebenheit die es aus seinem reichen immer fruchtbaren Schoße herausschüttet, ist ein Handeln desselben auf Uns; und so alles Einzelne als einen Teil des Ganzen, alles Beschränkte als eine Darstellung des Unendlichen hinnehmen, das ist Religion; was aber darüber hinaus will, und tiefer hineindringen in die Natur und Substanz des Ganzen ist nicht mehr Religion, und wird, wenn es doch noch dafür angesehen sein will, unvermeidlich zurücksinken in leere Mythologie. So war es Religion, wenn die Alten die Beschränkungen der Zeit und des Raumes vernichtend jede eigentümliche Art des Lebens durch die ganze Welt hin als das Werk und Reich eines allgegenwärtigen Wesens ansahen; sie hatten eine eigentümliche Handels-/ weise des Universum in ihrer Einheit angeschaut und bezeichneten so diese Anschauung; es war Religion wenn sie für jede hilfreiche Begebenheit, wobei die ewigen Gesetze der Welt sich im Zufälligen auf eine einleuchtende Art offenbarten, den Gott dem sie angehörte, mit einem eigenen Beinamen begabten und einen eignen Tempel ihm bauten; sie hatten eine Tat des Universums aufgefaßt, und bezeichneten so ihre Individualität und ihren Charakter. Es war Religion, wenn sie sich über das spröde eiserne Zeitalter der Welt voller Risse und Unebenen erhoben, und das goldene wiedersuchten im Olymp unter dem lustigen Leben der Götter; so schauten sie an die immer rege immer lebendige und heitere Tätigkeit der Welt und ihres Geistes, jenseits alles Wechsels und alles scheinbaren Übels, das nur aus dem Streit endlicher Formen hervorgehet. Aber wenn sie von den Abstammungen dieser Götter eine wunderbare Chronik hatten 1, oder wenn ein späterer Glaube uns eine lange Reihe von Emanationen und Erzeugungen vorführt, das ist leere Mythologie. Alle Begebenheiten in der Welt als Handlungen eines Gottes vorstellen, das ist Religion, es drückt ihre Beziehung auf ein unendliches Ganzes aus, aber über dem Sein 1

nadi Drudcfehlerverzeidmis 1. Auflage, halten. Text mit Pünjer

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Uber das Wesen der Religon

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dieses Gottes vor der Welt/ und außer der Welt grübeln, mag in der Metaphysik gut und nötig sein, in der Religion wird auch das nur leere Mythologie, eine weitere Ausbildung desjenigen, was nur Hilfsmittel der Darstellung ist, als ob es selbst das wesentliche wäre, ein völliges Herausgehen aus dem eigentümlichen Boden. - Anschauung ist und bleibt immer etwas einzelnes, abgesondertes, die unmittelbare Wahrnehmung, weiter nichts; sie zu verbinden und in ein Ganzes zusammenzustellen, ist schon wieder nicht das Gesdiäft des Sinnes, sondern des abstrakten Denkens. So die Religion; bei den unmittelbaren Erfahrungen vom Dasein und Handeln des Universums, bei den einzelnen Anschauungen und Gefühlen bleibt sie stehen; jede derselben ist ein für sich bestehendes Werk ohne Zusammenhang mit andern oder Abhängigkeit von ihnen; von Ableitung und Anknüpfung weiß sie nichts, es ist unter allem was ihr begegnen kann das, dem ihre Natur am meisten widerstrebt. Nicht nur eine einzelne Tatsache oder Handlung, die man ihre ursprüngliche und erste nennen könnte, sondern alles ist in ihr unmittelbar und für sich wahr. - Ein System von Anschauungen, könnt Ihr Euch selbst etwas wunderlicheres denken? Lassen sich Ansichten, und gar Ansichten des / Unendlichen in ein System bringen? Könnt Ihr sagen, man muß dieses so sehen, weil man jenes so sehen mußte? Dicht hinter Euch, dicht neben Euch mag einer stehen, und alles kann ihm anders erscheinen. Oder rüdcen etwa die möglichen Standpunkte, auf denen ein Geist stehen kann um das Universum zu betrachten, in abgemessenen Entfernungen fort, daß Ihr erschöpfen und aufzählen und das Charakteristische eines jeden genau bestimmen könnt? Sind ihrer nicht unendlich viele, und ist nicht jeder nur ein stetiger Übergang zwischen zwei andern? Ich rede Eure Sprache bei dieser Frage; es wäre ein unendliches Gesdiäft, und den Begriff von etwas Unendlichem seid Ihr nicht gewohnt mit dem Ausdrudc System zu verbinden, sondern den von etwas Beschränktem und in seiner Beschränkung Vollendetem. Erhebt Euch einmal - es ist doch für die meisten unter Euch ein Erheben zu jenem Unendlichen der sinnlichen Anschauung, dem bewunderten und gefeierten Sternenhimmel. Die astronomi-

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über die Religion

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sehen Theorien, die tausend Sonnen mit ihren Weltsystemen um eine gemeinschaftliche führen, und für diese wiederum ein höheres Weltsystem suchen, welches ihr Mittelpunkt sein könnte, und so fort ins Unendliche nach innen und nach außen, diese werdet Ihr / doch nicht ein System von Anschauungen als solchen nennen wollen? Das Einzige dem ihr diesen Namen beilegen könnt, wäre die uralte Arbeit jener kindlichen Gemüter, die die unendliche Menge dieser Erscheinungen in bestimmte aber dürftige und unschid