Bauer und Gutsherr in Kursachsen: Schilderung der ländlichen Wirtschaft und Verfassung im 16., 17. und 18. Jahrhundert [Reprint 2012 ed.] 9783111415390, 9783111051406


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German Pages 231 [236] Year 1892

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VORREDE
I. CAPITEL. DORF- UND FLURVERFASSUNG IN KURSACHSEN
I. ABSCHNITT. DIE DORFVERFASSUNG
§ 1. Die Nachbarschaft
§ 2. Die übrigen Einwohner
§ 3. Die Dorfverwaltung
II. ABSCHNITT. DIE FLURVERFASSUNG
§ 1. Die Flur
§ 2. Die Viehhaltung
§ 3. Die Allmend
Wiesen
§ 5. Die Ackerwirtschaft
Eine Flurbesichtigung
II. CAPITEL. DAS RITTERGUT IN KURSACHSEN
§ 1. Ursprung und Entstehung
§ 2. Umfang
§ 3. Die Gutsverwaltung
§ 4. Die Schäfereien
§ 5. Die Ackerwirtschaft
§ 6. Die Gutswirtschaft in späterer Zeit
III. CAPITEL. DIE LÄNDLICHEN NEBENGEWERBE
§ 1. Der Mühlenbetrieb
§ 2. Der Brauereibetrieb
IV. CAPITEL. GUTSHERRLICH-BÄUERLICHE VERHÄLTNISSE
§ 1. Die Servituten
§ 2. Die Gerichtsbarkeit
§ 3. Die Erbhuldigung
§ 4. Bäuerliche Besitzverhältnisse
§ 5. Die Abgaben
§ 6. Die Dienste
§ 7. Der Bauernaufstand von 1790
NACHWORT
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Bauer und Gutsherr in Kursachsen: Schilderung der ländlichen Wirtschaft und Verfassung im 16., 17. und 18. Jahrhundert [Reprint 2012 ed.]
 9783111415390, 9783111051406

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ABHANDLUNGEN AUS DEM

STAATSWISSENSCHAFTLICHEN SEMINAR zu STRASSBURG.

I

HEFT IX.

I BAUER UND GUTSHERR IN KURSACHSEN. SCHILDERUNG DER LÄNDLICHEN WIRTSCHAFT UND VERFASSUNG IM 16., 17. UND 18. JAHRHUNDERT

FRIEDRICH JOHANNES Η Ali Ν DOCTOR DER STAATS WISSENSCHAFTEN.

STRASSBURG. VERLAG: VON K A R L 1892.

J.

TRÜBNER.

Abhandlungen aus dem staatswissenschaftlichen Seminar zu

S t r a s s b u r g unter der Leitung

der Professoren G. F. Knapp und L. Brentano. Verlag von Ihm

eher cO 1Iumblot in Leipzig: T O S DER OSTEN, M . , Die Arbeiterversicherung in Frankreich. Schriften des Vereins für Sozialpolitik. XXVI. 1884. FROMMER, UKINRICH, Die GewinnbetheiUijung, ihre praktische Anwendung und theoretische Berechtigung auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen untersucht. Schmoller, Staats- und socialwissenschaftliclie Forschungen. VI, 2. 1886.

Statistik im Deutschen Reiche. 1887.

K A R L MICHAEL HERZOG VON MECKLENUURG-STRELITZ,

des Militär-Ersatzgeschäffes VERLAG

von KAHL J. T R I H N E I I

IN S T R A S B U R G .

Α b Ii a ri (11 u ii g c η aus dem

staatswissenschaftlichen Seminar zu Strassburg unter d e r L e i t u n g

von Professor (i. F. K n a p p .

Heft „



I. Hertsof/, Α., Die häuerlichen Verhältnisse im Eisass. Erläutert durch Schilderung dreier Dörfer. 1 8°. X u. 180 S. 1886. M. 4. — II. Kaenjer, K., Die Luge ehr Mäusweber im Weilerthal. 8°. 192 S. 1886. M. 4. — III. Janssen, C. W., Die holländische Kolonialieirtlischaft in den Battaländern. Mit 2 Karten als Beilagen. 8°. X I u. 112 S. 1886. M. 3. — IV. Ilerkner, IL, Die oberelsässische Baumwollindustrie und ihre Arbeiter. Auf Grund der Tliatsaclien dargestellt, 8°. X V l l u. 411 S. 1887. M . 8.

„ „



,, „

V. Faber, llich., Die Entstehung des Agrarschutzcs in England. Ein V ersuch. 8°. AI II u. 173 S. 1887. M. :!. 50 VI. Fuchs, C. J., Der Untergang des Bauernstandes und das Aufkommen der Gutsherrschaften. Nach archivalischen Quellen aus Neuvorpommern und Bögen. 8°. X I I u. 378 S. 1888. M. 8. — VII. Transehe-Jioseneek, Astaf P., Gutsherr und Bauer in Lirland im 17. und 18. Jahrhundert. Mit drei historischen und ethnographischen Karten. 8°. XII u. 265 S. 1890. ' M. 7. — VIII. Hilgenberg, Α., Innere Colonisation im Nordwesten Deutschlands. .Mit einer Karte. 8°. X! u. 531 S. 1891. M, 10. — IX. Haan, Fr. Joh., Bauer und Gutsherr in Kursachsen. Schilderung der ländlichen "Wirtschaft und Verfassung im XVI., X V l l . und XVIII. Jahrhundert. 8". X I u. 221 S. M. 6. — X. Hfmsmaiin, S.,Die Ilegidirung der gutsherrlichbäuerlichen Verhältnisse in Bayern. (Ü. d. I 'rosse.)

ABHANDLUNGEN AUS DEM

STAATSWISSENSCHAFTLICHEN SEMINAR zu

S T R A S S B U R G ι. E.

HERAUSGEGEBKX

VOX

G. F .

KNAPP.

HEFT IX. DR. FRIEDRICH JOHANNES H A U X . BAUER UND GUTSHERR IN KURSACHSEX.

STRASSBÜRG. VERLAG

VON

KARL

1892.

J.

TRÜBNER.

BAUER UND GÜTSHERR IN KURSACHSEN.

SCHILDERUNG DER

LÄNDLICHEN WIRTSCHAFT UND VERFASSUNG IM 16., 17. UND 18. JAHRHUNDERT.

VON

FRIEDRICH JOHANNES HAUN. DOCTOR DER STAATSWISSENSCHAFTEN.

STRASSBURG. VERLAG VON KARL J. TRÜBNER.

1892.

α . O t t o ' s Hof-Buchdruckerei in Darmstadt.

DEM KÖNIGLICHEN KAMMERHEKKN

HERRN P A U L VON BRAND MAJORATSHERRN AUF LAUCHSTÄDT UND DOLGEN, MITGLIED DES HERRENHAUSES

IN DANKBARER ERGEBENHEIT

GEWIDMET

VOM

VERFASSER.

VORREDE. Die vorliegende Arbeit tritt in schlichtem Gewände vor den Leser und will nur einen bescheidenen, aber wie der Verfasser und der Herausgeber glauben, bisher noch nicht gebotenen Beitrag zur Kenntnis der früheren ländlichen Verfassung liefern. Sagen wir zunächst, dass sie keine geschichtliche Darstellung mit strenger Hervorhebung der Entwicklungsstufen geben will; hierzu würde das benutzte Material sich nicht eignen. Sie will ferner keineswegs durch juristische Schärfe in Begriffsbestimmungen glänzen; sie will auch nicht etwa, wie es anderwärts versucht worden ist, die sozialpolitischen Kämpfe schildern, die sich innerhalb der alten ländlichen Verfassung und mehr noch bei der Auflösung derselben abgespielt haben: hierzu sind die Vorgänge in Kursachsen zu geringfügig. Was sie will, ist vielmehr folgendes. Auf Grund eines ungemein reichhaltigen, wesentlich von Klingner gesammelten Materials, das in vier Quartbänden äusserlich wohlgeordnet und übersichtlich vorliegt, soll ein anschauliches Gesammtbild der Landwirtschaft und der ländlichen Verfassung gegeben werden, wie es dem sachverständigen Forscher erscheint, wenn er die unendlich vielen einzelnen Nachrichten und Urkunden verständnisvoll zu einem Ganzen zusammenfasst. Es kommt hier alles auf Vollständigkeit,

VIII

VORREDE.

Greifbarkeit und Lebendigkeit an. Der Verfasser hat seine Aufgabe erfüllt, wenn der Leser das Gefühl mitnimmt, dass er nun einen Einblick in das Leben der damaligen Zeit gewonnen habe.

Der Leser soll nicht etwa nur die Auf-

zählung vergangener Rechtsinstitute und wirtschaftlicher Einrichtungen in neben einander gestellten und erläuterten technischen Ausdrücken finden, sondern er soll sehen und fühlen,

wie alle diese fremdartig gewordenen

Er-

scheinungen damals im Leben in einander wirkten und wie sie sich als Ganzes darstellten.

Es ist von vornherein klar,

dass eine solche Darstellung erst in unserer Zeit versucht werden kann: denn erst wir stehen ausserhalb der damaligen Verfassung und haben daher den nötigen zeitlichen Abstand gewonnen.

Die Zeitgenossen selbst, vor allem

Klingner,

hatten gar kein Gefühl dafür, dass sich die ihnen so geläufige Umgebung nicht von selbst verstand. Vielleicht wird durch den Versuch einer künstlerischen Wiederherstellung der \ r ergangenheit auch allen denjenigen ein Dienst geleistet, die sieb noch ferner an das Studium der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in den westlichen Gebieten Deutschlands und im Auslande heranwagen. S t r a s s b u r g i. E. 29. Nov. 1890.

INHALT. Seite

VORREDE

VII I. CAPITEIj.

DORF- UND FLURVERFASSUNG IN KURSACHSEN . . . . Die Rügen und Dorfordnungen. S. 2. I. ABSCHNITT.

§ 1. § 2.

§3.

Die N a c h b a r s c h a f t Die übrigen Einwohner Die Häusler. S. 10. Die Hausgenossen S. 12. Die Gärtner S. 13. Die D o r f v e r w a l t u n g Richter und Schoppen S. 14. Die Gemeindeversammlungen. S. 17.

II. ABSCHNITT.

§ 1.

§ 2.

§ 3.

§ 4.

DIE DORF VERFASSUNG

DIE

FLURVERFASSUNG

Hufenrichter und Hegebürgen. S. 19. Die F l u r Die Hufe. S. 20. Der Hüfner. S. 21. Gewende und Gemenge. 8. 24. Der Gärtner S. 25. Der Halbhüfner. 8. 27. Dio V i e h h a l t u n g · . . . . Die Pferde. S. 29. Die übrigen Vieharten. S. 31. Ziegen, Gänse und Tauben. S. 34. Die Schafe. S. 35. Der Gemeindehirt. S. 38. Die A l l m e n d Trift und Hutung. S. 40. Die Gemeinweiden S. 42. Die Lehden. S. 44. Die "Wege. 8. 47. Die W i e s e n

1

4

4 9

14

19

20

28

40

49

χ

INHALT. Seite

§ 5.

§ 6.

Die A c k e r w i r t s c h a f t Das Jahrfeld. S. 52. Das Artfeld. S. 53. "Winterart und Sommerart. S. 54. Die Brache. 8. 55. Eine F l u r b e s i c h t i g u n g

51

59

II. CAPITEL.

DAS RITTERGUT IN KURSACHSEN § 1. U r s p r u n g u n d E n t s t e h u n g Die Pfarren als Grundherrschaften. S. 66. § 2. U m f a n g §3. Die G u t s v e r w a l t u n g Der Erb-, Lehn- und Gerichtsherr. S. 71. Der Pächter. S. 73. Die Wirtschaftebeamten. S. 74. Korn- und Bauschreiber oder Hausverwalter. S. 75. Der Hofmeister oder Feldvogt. S. 76. § 4. D i e S c h ä f e r e i e n Der Schäfer. S. 80. Der Schäfereipächter. S. 84. §5. D i e A c k e r w i r t s c h a f t Die Frühjahrsbestellung um 1580. S. 87. Sommerarbeiten und Ernte. S. 90. Herbstbestellung und Winterarbeiten. S. 94. § 6. D i e G u t s w i r t s c h a f t i n s p ä t e r e r Z e i t . . Ein Rittergut bei Rötha um 1761—1766. S. 98.

68 63 68 71

78 86

96

III. CAPITEL.

DIE LÄNDLICHEN NEBENGEWERBE §1. Der M ü h l e n b e t r i e b Die Wassermühlen. S. 112. Die Windmühlen. S. 115. Der Mahlzwang. S. 116. Besitzverhältnisse bei Mühlen. S. 120. § 2. D e r B r a u e r e i b e t r i e b Das Hausbrauen und der Reiheschank. S. 122. Das Gemeindebrauhaus. S. 123. Der Richter und der Erbkretzschmar. S. 124. Die Braugerechtigkeit der Rittergüter. S. 125. Der Brauzwang. S. 126. Die Braugerechtigkeit der Städte. S. 130. Das Meilenrecht. S. 132. Die Ausfälle. S. 134.

110 110

122

IV. CAPITEL.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICHE VERHÄLTNISSE § 1. D i e S e r v i t u t e n Die Waldgerechtigkeiten. S. 140. Die Triftgerechtigkeit. S. 142. Offene und geschlossene Zeiten. S. 144. Die Hut- oder Weidegerechtigkeit. S. 148. Streit zu Pfaffroda. 1652-1671. S. 150.

138 139

INHALT. § 2. § 3. §4. § 5.

§ 6.

§ 7. NACHWORT

Die Gerichtsbarkeit Die Gerichtsverwalter. S. 157. Die E r b h u l d i g u n g Bäuerliche Besitz Verhältnisse . . . . Die Abgaben Die Lehnwaare. S. 170. Das Abzugsgeld. S. 174. Zins und Erbzins. S. 176. Der Zehnte. S. 179. Die Dienste Der Gesindedienstzwang. S. 185. Die Hausgenossendienste. S. 187. Das Botschaftlaufen. S. 189. Die Zechfuhren. S. 191. Die Baudienste. S. 193. Die Waclitdienste. S. 196. Die Acker-, Ernte- und Hofdienste. S. 198. D e r B a u e r n a u f s t a n d v o n 1790

XI Seite 151 159 162 168

182

205 221

I.

CAPITAL

DORF- UND FLURVERFASSUNG IN KURSACHSEN. Kursachsen, heute nur mehr ein historischer Begriff, war im Laufe einer vielhundertjährigen Entwicklung zu einem kräftigen und wohlabgerundeten Gemeinwesen herangeblüht, und nahm lange Zeit hindurch unter den deutschen Staaten eine führende Stellung ein, bis es endlich von dem glücklicheren Nachbar im Norden abgelöst wurde, zu dem es jetzt neidlos hinüberblickt. Die Kraft des kursächsischen Staates beruhte auf den durch die Weisheit seiner Fürsten unablässig und sorgfältig geordneten inneren Verhältnissen, auf der gesicherten Lage und dem Wohlstande aller Bevölkerungsklassen, von denen einige der wichtigsten den Gegenstand der vorliegenden Abhandlung bilden sollen. Dabei ziehen wir die stammverwandten sächsischen Herzogtümer, wo es nötig ist, und wegen der Gleichartigkeit und Ähnlichkeit der Verhältnisse auch mit Recht, in den Kreis unserer Untersuchungen, während die erst später hinzutretende Lausitz wegen ihrer vollständig anders gearteten Entwicklung ausgeschlossen bleibt. Durch seine Lage mitten im »Herzen von Europa" noch gegenwärtig bedeutungsvoll — es verbindet den niedersächsischen Nordwesten mit Schlesien und Böhmen, Hessen und Baiern mit dem preussischen Osten — ist das so umschriebene Gebiet nicht minder wichtig durch seine Erstreckung zu beiden Seiten der alten slavisch - deutschen Η a u D , Fr. Job., Bauer u. Gutsherr in Kursachsen.

1

2

I. CAP1TEL.

Grenze: der westliche Teil ist uralter deutscher Boden, der östliche, vorübergehend in slavischen Besitz geraten, wurde so früh und so gründlich mit deutschen Ansiedlern wieder besetzt, dass jede Spur slavischen Wesens bis zur Unkenntlichkeit verwischt ist, und er ebenso rein deutsch erscheint, wie jener. Wir wenden uns nunmehr zu der Betrachtung derjenigen Bewohner unseres Gebietes, welche als Bauern in Dörfern sitzen. Das Material hierzu liefern uns Johann Gottlob Klingners „Sammlungen zum Dorf- und Bauernrechte", Leipzig 1749 ff., 4 Quartbände, stets zitirt mit I., II., III., IV. und arab. Seitenzahl. Die Rügen

und

Dorfordnungen.

Die Dorf- und Flurverfassung beruht in Kursachsen und Thüringen, wie überall in Deutschland, auf uraltem Herkommen, welches vorzeiten durch die bei den Jahr-, Rüge-, Ding-, und Ehe- (echten) Gerichten 1 anzubringenden „Rügen" von Geschlecht zu Geschlecht im Bewusstsein der Dorfgenossen lebendig erhalten wurde. Nach und nach, oft erst sehr spät, für Lindenthal ζ. B. im Jahre 1724, 2 wurden diese Rügen oder „Dorfgespräche" 3 dann aufgezeichnet und als „DorfOrdnungen" oder „Dorfartikel" von der „Obrigkeit" konfirmirt oder ratifizirt. 4 Die Rügen und die nach ihnen gemachten Aufzeichnungen entsprechen den Zuständen jener Zeiten, wo noch die gesammte Einwohnerschaft eines Dorfes eine durchaus gleichartige, im Dorf und auf der Mark qualitativ, [vielleicht auch quantitativ] gleichberechtigte Masse war, Markgenossen, Dorfgenossen, „Nachbarn". 5 Andere Einwohner, wie Gärtner, Kossäten, Häusler Schutzgenossen, fremdes Volk, waren noch unbekannt und von ihnen schweigen Rügen und Dorfordnungen in der Regel; sprechen sie jedoch ausnahmsweise davon, so sind das spätere Zusätze, Einschiebsel, wie jene neu entstehenden Klassen 1

III. 577. 126. 578. 589. 759.

2

I. 680. 5 II. 43. 4 I. 279. 583. 600. III. 123. I. II. ΙΠ. IV. Drittes Register unter Nachbar.

5

DORF- UND FLÜRVERFASSUNG IN KURSACHSEN.

3

selbst Einschiebsel in der „Nachbarschaft" sind, nachdem diese sich aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen hatte. Die Dorfordnungen selbst bezeichnen sich stets als solche „der Gemeinde zu — " 1 oder „der Nachbarn zu — " 2 und weisen damit auf die alte Agrargemeinde hin, stellen diese in einen scharfen Gegensatz zu den übrigen Einwohnern, Schutzgenossen, Hintersassen. 3 Dem Inhalt und oft der Form und Fassung nach sind die Dorfordnungen einander sehr ähnlich, mit kleinen durch örtliche Verhältnisse gebotenen Abänderungen. Im Laufe der Zeit werden hier und da Verbesserungen angebracht 4 oder einzelne Punkte aus landesherrlichen Verordnungen übernommen. 5 Die einzelnen Bestimmungen stehen bunt und planlos durcheinander. Die hauptsächlichsten betreffen die Gemeindeabgaben und deren Verwendung, die Ordnung und die Gegenstände der gemeinen Zusammenkünfte, die Handhabung der Feldordnung, Viehhaltung, Trift undHutung, gottesfürchtigen Lebenswandel, Frieden und Einigkeit, Zucht und Sitte, das Backen. Bierbrauen und -schenken, das Löschwesen u. s. w., und die Strafen für die Übertretung aller dieser Vorschriften. Sie werden an den ordentlichen Küroder Gerichtstagen, 1, 2, 3, 4 Mal im Jahre vom Gerichtshalter 6 oder von Richter und Schöppen, 7 mitunter auch alle 14 Tage von der Kanzel herab der Gemeinde vorgelesen, und gehen auf diese Weise als unverlierbares Eigentum in das Gedächtnis der Einzelnen über, so dass sie von den Überlebenden mit Leichtigkeit wiederhergestellt werden können, wenn sie etwa „bei dem leidigen Kriegswesen", besonders „im Bannerischen Wesen" 8 mitsammt dem Dorfe und dem grössten Teile der Nachbarn zu Grunde gegangen sein sollten. Sämtliche Nachbarn verpflichten sich durch Unterschrift, wenn nötig „mit geführter Hand" zur Beobachtung, 9 an einigen Orten bekommt jeder Nachbar eine Abschrift der Dorfartikel. 1 0 Betrachten wir zunächst diejenigen Teile der Dorfordnungen, welche sich auf die Dorfverfassung beziehen. 1

1 I. 680. 8 I. 491. 8 I. 247. 8 I. 516. 582. I. 251. 583. 600.

9

* I. 592. I. 590. 391.

6

I. 258. « I. 497. 10 I. 259. 600.

1*

4

I. C A P I T E L .

I. ABSCHNITT.

DIE DORFVERFASSUNG. Man nimmt gewöhnlich an, dass die gesammte Einwohnerschaft eines Dorfes anfangs eine gleichberechtigte und gleichverpflichtete Masse von Dorf- und Markgenossen oder Nachbarn war. Erst allmählich sei eine Scheidung eingetreten in solche Einwohner, welche Nachbarn sind, und solche, welche nicht Nachbarn sind. Diese Scheidung ist in dem von uns betrachteten Zeitraum jedenfalls überall bereits vollzogen. Wenn in älteren Urkunden neben der Nachbarschaft jene andren Bestandteile nicht genannt werden, so kommt das daher, dass sie wegen ihrer noch geringen Anzahl oder ihrer wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit kaum bemerkt wurden. Man sah sie nicht. Der Mensch fing erst beim Nachbar an. Die übrigen waren rechtlos, wenn auch nicht schutzlos. Die weiteren Unter-Scheidungen in die einzelnen sogenannten bäuerlichen Klassen gehen uns hier zunächst noch nichts an. Sie erlangen erst bei der Flurverfassung ihre Bedeutung. § 1. D i e

Nachbarschaft.

Jeder Nachbar hat gleiche Rechte und Pflichten, als gleichberechtigtes Mitglied der alten Agrargemeinde. Jeder Nachbar hat im Dorf eine Hofraite, 1 Hofstätte, Baustätte, Gehöft2 und darauf ein Haus oder eine Feuerstätte, 3 eine Scheune und Ställe. Die Gehöfte sollen mit Wänden und Zäunen, Thoren und Thüren zugemacht und verwahrt werden. 4 Die Zäune dürfen nicht auf Gemeindeland hinausgerückt werden.5 Das Baumaterial ist vorwiegend Holz, — Lehmfachwerk —, die Dächer sind mit Stroh gedeckt. Die Bauart der Dörfer ist eine ziemlich geschlossene. Die Feuersgefahr ist deshalb sehr gross. Entsteht ein Brand, so ist gewöhnlich das ganze Dorf verloren trotz der zahl1 6

I. 753.

IV. 426.

2

I. 670. 637. 596.

8

I. 12.

4

I. 670. III. 628.

5

DORF- UND FLURVERFASSÜNG IN KÜRSACHSEN.

reichen Vorschriften über das Löschwesen, die Einrichtung der Herde und Backöfen. Die Feuerstätte und, wo kein Gemeinde-Backofen vorhanden ist, seinen Backofen muss daher jeder Nachbar in gutem baulichen und feuersicherem Zustande halten. 1 Jährlich ein oder zwei Mal findet eine Besichtigung durch Richter und Schoppen statt, 2 die dafür gewisse Gebühren beziehen. 3 Vorgefundene Unregelmässigkeiten werden mit Geldbusse und im Wiederbetretungsfalle mit Einreissen der unvorschriftsmässigen Herd- und Backofenanlagen bestraft. Sogar bei Nacht, und in Abwesenheit des Hausherrn bricht der löbliche Gemeindevorstand gewaltsam in ein Haus ein und zerstört einen Backofen, in dem gerade gebacken wird. 4 Das Backen bei windigem Wetter, bei Nacht und am Sonntage, sowie das Flachsdörren in Stuben und an feuergefährlichen Orten ist verboten.5 Weiter muss zur Verhütung von Feuersgefahr fleissig gewacht werden. Dies wird von den Nachbarn paarweise nach der „Zeche" — nach einer bestimmten Reihenfolge — besorgt. Wie, das lässt sich denken. So meldet der Gerichtsschöppe Andreas Meiner zu Taura am 4. April 1734 im Gericht, dass er Tags zuvor gegen 3 Uhr früh die Wache, als er solche im oberen Dorfe visitiret, nirgends angetroffen, sondern Jakob Petersen und George Friebel, welche um 12 Uhr die Wache anzutreten hatten, in des ersteren Hause schlafend gefunden hätte. 6 Deshalb ist auch in manchen Dörfern bereits ein berufsmässiger Nachtwächter vorhanden.7 An einigen Orten blasen die Wächter die Stunden auf dem Horn, an andern nicht.8 Ferner muss jeder Nachbar, wenigstens von Ostern bis Michael, ein Fass mit Wasser vor dem Hause aufstellen und einen oder zwei lederne Löscheimer zum Vorrat liefern, der im Gemeindehaus, bisweilen in der Kirche, als dem einzig feuersicheren Gebäude aufbewahrt wird. Die Anzahl und Länge der Feuerleitern ist ebenfalls genau vorgeschrieben, 1

II. 134. 2 I. 246. 254. 263. 274. 494. 516. 584. 697. 5 I. 275. I. 12. 246. 254. 267. 493. III. 144. β I. 465. 8 II. 210. I. 11. 122. 267. 465. 1

3

I. 585. ' I. 685.

6

I. CAPITEL.

desgleichen müssen Feuerhaken und Schleifen mit Fässern in entsprechender Menge vorhanden sein. Der Pferdner, der zuerst mit einem solchen Schleiffass voll Wasser auf der Brandstätte eintrifft, erhält eine besondere »Verehrung" aus der Gemeindekasse.1 In den „erbärmlichen Kriegsläuften" schleicht sich nebst vielen anderen Untugenden auch das »schädliche Tabaktrinken" häufig ein, wodurch die Unterthanen und Einwohner sich nicht allein an ihrer Gesundheit schaden, sondern auch viel und grosse Feuersbrünste verursachen. Es wird deshalb ernstlich verboten, 2 später wenigstens im Hause gestattet. 3 Schliesslich muss in jeder Scheune ein Behältnis für die Laterne vorhanden sein. Mit Lichtern oder Lampen darf überhaupt nicht in Scheunen oder Ställe, oder in Räume ohne Decke und Estrich gegangen werden. 4 Wie das Tabakrauchen ist der Genuss geistiger Getränke Einschränkungen unterworfen. Bier einzulegen ist nur bei festlichen Gelegenheiten erlaubt. Hat ein Nachbar sonst Durst, so muss er zum „Erbkretzschmar" 5 — Dorfschenken — gehen, und dazu Geld in seinen Beutel thun; denn der Kretzschmar darf keinem Nachbar mehr als für vier bis fünf Groschen Bier „anschneiden" — am Kerbstock, und darf diese Summe nicht länger als ein Vierteljahr stehen lassen. 6 An manchen Orten sind die Gemeindebussen in Bier festgesetzt. Dadurch wird gleichzeitig der Brauerei der Gerichtsherrschaft aufgeholfen. Aber es darf Niemand genötigt werden, bei irgendwelchen Anlässen etwas zum Besten zu geben. Beim Gemeindebier ist das übermässige Zutrinken verboten. 7 — In seinem eigenen Hause darf kein Nachbar länger als bis 8 Uhr im Winter, bis 9 Uhr im Sommer Gäste haben, selbst wenn er sie nicht mit Bier bewirtet. Dieselben Stunden gelten für die „Kretzschame" — Wirtshäuser.8 Kein Nachbar darf mehr als einen Groschen, und den nicht öfter als monatlich höchstens einmal verspielen.9 1

I. 245. 254. 263. 493. 516. III. 618. * 1650. I. 263. 3 1712. 4 I. 599. I. 12. 246. 255. 274. 493. 517. 599. 682. 715. 6 IY. 744. 7 8 « IV. 832. I. 246. I. 250. I. 250. 257. III. 627. 9 I. 250.

DORF- UND FLURVERFASSUNG IN KURSACHSEN.

7

Besondere FürsorgeistderSonntagsheiligunggewidmet. 1 Jeder Nachbar soll an den ordentlichen Feiertagen fleissig zur Kirche gehen, auch AVeib, Kinder und Gesinde daran nicht hindern. Wer ohne genügenden Grund und ohne Erlaubnis zu Hause bleibt, und gar während der Kirchzeit arbeitet oder auch nur im Felde gesehen wird, oder sich des Vogelstellens verdächtig macht, muss Strafe an den Gotteskasten oder an die Gemeindekasse zahlen.2 Musik und Tanz, Würfel-, Karten- und Kegelspiel in den Schenken ist während des ganzen Sonntags nicht gestattet. — Fluchen und Gott lästern wird mit 2 Groschen Gemeindebusse, von der Obrigkeit ausserdem mit Halseisen und merklicher Gefängnisstrafe geahndet. Wer es nicht anzeigt, wird wie der Thäter selbst bestraft. Spinnstuben oder andere Zusammenkünfte der Knechte und Mägde, desgleichen alle .unordentlichen" Tänze sind verboten. 3 Die Sünden gegen das sechste Gebot sollen »besten Fleisses" vermieden, die Übertreter durch die Obrigkeit ernstlich, im Wiederholungsfalle mit Landesverweisung gestraft werden.4 Alle Nachbarn sollen freundlich und friedlich mit einander leben, und den Dorffrieden nach Kräften halten. Hader und Schlägerei müssen der Obrigkeit zur Bestrafung angezeigt werden, und sind natürlich auch der Gemeinde zu büssen. 5 Gegenseitige Hilfsleistungen sind Pflicht. Schlägt ein Nachbar die Bitte des andren, ihm mit seinen Pferden bei der Ackerarbeit zu helfen, ohne triftigen Grund ab, so wird dem Ungefälligen für das betreffende Jahr das Recht entzogen, seine Pferde auf die gemeine Hutweide zu schicken.6 Braucht ein Nachbar den andren als Zeugen, soll er ihm, wenn dieser es nicht aus Nachbarschaft umsonst thun will, Zeugengebühren geben, und zwar Wegegelder für die Meile und Zehrgelder auf den Tag im Betrage von je 18 Pfennigen.7 Ist ein Nachbar der Plackereien seines Berufes müde oder arbeitsunfähig, so verkauft er sein Gut an eins seiner 1

6

I. 242. 252, 261. 491. III. 626. 7 I. 247. 6 I. 597. I. 246. 254. 263.

2

I. 249.

3

I. 247.

* I. 243.

8

I.

CAPITEL.

Kinder oder an einen Fremden, und zieht aus, wird, „Auszügler". Er verlässt indes in den seltensten Fällen das Gut, sondern nur die heizbare Stube, die einzige, die in der grossen Mehrzahl der Bauerhäuser vorhanden ist, und zieht in eine Kammer, behält sich jedoch vor, die warme Stube benutzen und in Krankheitsfällen sein Bett darin aufschlagen zu dürfen. In gewissem Sinne verliert er damit die Zugehörigkeit zur „Nachbarschaft", die der neue Besitzer nach Erfüllung bestimmter Bedingungen erwirbt. 1 Das Loos eines Auszüglers ist kein beneidenswertes, und nur die Anhänglichkeit an das einstige Besitztum lässt ihn die mancherlei Unannehmlichkeiten ertragen. Auch der Wunsch bei seinen Toten zu ruhen, hält ihn im Dorfe fest. Auf dem Wege zur letzten Ruhe soll jedes Mitglied der Nachbarschaft möglichst zahlreich von den andern begleitet werden. Stirbt ein Erwachsener, so wird der Sarg von den Bauern auf den Kirschhof gefahren, und aus jedem Hause folgen mindestens zwei Personen. Kinder werden hinausgetragen, und es folgt wenigstens eine Person aus jedem Hause. 2 Oder es folgt sogar die ganze Gemeinde und die Familien der Hausgenossen.3 Versäumnis wird mit 3—6 Groschen gebüsst. Das Grab wird entweder nach der Zeche gemacht, oder von den 2 oder 4 zunächst wohnenden Nachbarn, die daher Sterbenachbarn heissen.4 Während der Leichenzug sich vom Sterbehause bis zum Grabe bewegt, werden die Glocken geläutet. Selbst wer nicht Nachbarrecht besitzt, kann sich durch einen jährlichen Zins an die Gemeindekasse ein derartiges feierliches Begräbnis erkaufen. Da solche Einwohner im Tode gleichsam Nachbarn werden, heissen sie ebenfalls, in einem andern Sinne, Sterbenachbarn. 5 Ist diese Eigenschaft als Sterbenachbar bei Lebzeiten nicht erworben, so muss das Grabmachen und Läuten im einzelnen Falle besonders bezahlt werden. 6 Auch das eheliche Güterrecht wird geregelt. Die 1

4

2 I. 153-166. I. 496. 516. ΙΠ. 624. 794. 5 I. 496. 589. I. 717. IV. 514. · IV. 582.

5

I. 589. 682

DORF- UND FLUR VERFASSUNG IN KUKSACHSEN.

9

Hälfte des Vermögens fällt an den überlebenden Teil, wenn ein Testament oder eine Eheberedung nicht vorhanden ist. 1 Bei Wiederverheiratungen hat eine Auseinandersetzung mit den Kindern früherer Ehen oder mit den erbberechtigten Verwandten vorauszugehen. Richter und Schoppen haben dafür zu sorgen, dass minderjährigen Kindern Vormünder bestellt werden. Die Vormünder müssen jährlich Rechnung legen. Wittwen bekommen Kuratoren. 2 Dies sind die wesentlichsten Punkte der Nachbarschaftsverfassung, die auf das Zusammenleben im Dorfe Bezug haben. In dem Masse als neben der Nachbarschaft eine Anzahl anderer Dorfeinwohner sich einfindet, werden diese Bestimmungen bald mehr bald weniger auch auf diese Eindringlinge ausgedehnt. § 2.

Die übrigen

Einwohner.

Der Nachbarschaft steht nun eine andere Gruppe von Dorfbewohnern gegenüber, die „Kleinen", wie sie wohl im Gegensatz zu jenen, den „Grossen", genannt werden. Sie zerfallen ihrerseits wiederum in verschiedene Unterabteilungen, die zum Teil gleich hier bei der Dorfverfassung ihrem Wesen nach kurz gekennzeichnet werden müssen, da die Kleinen auf der Flur überhaupt nichts zu sagen haben. 3 Betrachten wir die übrigen Einwohner zuvörderst in ihrer Gesammtheit im Gegensatz zur Nachbarschaft. Ihre Kennzeichen, ihre Rechte und Pflichten sind fast durchweg negativer Art. Was die Nachbarn haben, das haben sie nicht, was jene dürfen und müssen, das dürfen und müssen sie nicht. Sie treten meist nicht selbständig in die Erscheinung, sondern fast immer nur in Konflikten mit den Nachbarn und bei der Schlichtung solcher Konflikte in Vergleichen. 4 Einzelne Punkte solcher Vergleiche gehen dann im Laufe der Zeit in die ursprünglich nur die Verhältnisse der Nachbarschaft regelnden Dorfordnungen über, und daher kommt es, dass sie darin erwähnt werden. Sie 1 1

I. 663.

I. 244. 250. 600.

I. 244. 250. 253. 261. 491.

s

II. 29. 30.

10

I.

CAPITEL.

sind geduldet, und ihr Dasein ist von einer, wenn auch meist unwiderruflichen Erlaubnis der Nachbarschaft abhängig. Sie haben Häuser im Dorfe, aber keine eigentlichen Hofraiten, keine Baustätten. Bald liegen diese Häuser — „eingebaute Häuserchen" — zwischen den Gehöften der Nachbarn, bald liegen sie getrennt davon, auf einem besonderen Platz, von der „Gemeinde" durch Rain und Zaun geschieden. 1 Im einzelnen unterscheiden wir Gärtner, Häusler und Hausgenossen. Diese Klassen sind verschiedenen Alters, und die einzelnen Mitglieder jeder Klasse von sehr verschiedener Herkunft. Ubergänge aus einer in die andere, in Folge von wirtschaftlichen Vorgängen, sind häufig, ja es findet ein vereinzeltes Aufsteigen in die Nachbarschaft statt, während andererseits die Masse der Kleinen eine Bereicherung durch heruntergekommene Angehörige der Nachbarschaft erfährt. Die Häusler.

Zu den Häuslern werden vor allen Dingen die Handwerker gerechnet. Sie sind unstreitig die ältesten unter den Häuslern und die ältesten ausserhalb der Nachbarschaft stehenden Dorfeinwohner überhaupt. Nicht in allen Dörfern dürfen sie sitzen. 2 Ihr Vorhandensein beruht gewöhnlich auf altem Herkommen oder besonderen Privilegien. 3 Solche Privilegien werden jedoch nur erteilt, wenn das betreffende Dorf von allen umliegenden Städten wenigstens eine Meile entfernt ist. Vorzugsweise vorkommende Handwerker sind Schmiede, Tischler, Zimmerleute, Maurer, Schuster, Schneider, Leineweber, Töpfer, Fischer, Müller. Zu Ottendorf darf die Gemeinde 4 je einen Meister jedes beliebigen Handwerks, der sich daselbst ernähren kann, halten. Anderwärts fällt noch diese Beschränkung der Anzahl fort. Ihre freie Zeit füllten 1 II. 209. III. 619. 621.

2

I. 39.

3

I. 359. III. 4. 619. 621. 625.

4

1605

D O R F - U S D F L U R VERFASSUNG

IN

KURSACHSEN.

11

viele von diesen Handwerkern mit dem Unterricht der lernbegierigen Dorfjugend aus. Eine gnädigste Landesverordnung von 1580 1 erlaubt den Dorfschulmeistern, wenn sie ein Handwerk zünftig erlernt haben und es mit einer Lade halten, dasselbe in ihrer \Vohnung, ausserhalb der Schulstunden, ohne Versäumnis ihres Amtes gehörig zu treiben, damit sie desto besser mit den Ihrigen auskommen. Denn ,die meisten Bauern thun ihren Schuldienern selten mehr zu gut, als wozu sie verbunden sind". Jedoch sollen die Schulmeister diese Erlaubnis nicht missbrauchen, auch nicht Waaren zum Verkauf anfertigen. Anderer Art und weit jüngerer Herkunft sind diejenigen Häusler, welche durch Teilungen grösserer Güter, durch das „Vereinzeln der Grundstücke" d. h. durch Veräussern einzelner Parzellen entstanden sind. 2 Es bleibt so von ganzen Bauerngütern oft nur das Haus übrig, während das dazu gehörige Land zu anderen Gütern geschlagen ist. Besonders nach dem dreissigjährigen Kriege scheint dies häufiger vorgekommen zu sein, und die Sorge des Landesherrn geht dahin, diesen Unfug möglichst einzuschränken. Auf diese Weise ist in vielen Fällen das Vorkommen von Häuslern mitten in der Nachbarschaft zu erklären. Um das Haus herum liegt vielfach ein Garten, und auch ein paar Acker nennt der Häusler vielleicht sein eigen; aber alles dies genügt nicht zur Aufrechterhaltung seiner Wirtschaft. Der Häusler ist daher meist auf Tagelohn oder auf Erträgnisse aus Pachtland angewiesen. In dein Vorkommen des Häuslers zeigen sich die grössten Unregelmässigkeiten. Im Jahre 1581 finden sich in drei zum Rittergut Taubenheim gehörigen Dörfern gar keine Häusler, in fünf anderen dagegen je 1, 2, 3, 3 und 24. Besonders günstiger Boden für die Entwicklung des Häuslertums scheinen die Orte zu sein, an welchen sich Rittersitze befinden. 3 Eine Statistik des Amts Dippoldiswalde, 4 welche 1

9 I. 41. 2 I. 555. III. 369. * Historische und statistische Aufsätze über die sächsischen Lande von Friedrich Grafen von Beust. Altenburg 1797.

I. CAPITEL.

12

allerdings einer späteren Zeit angehört, der wir aber für die vorliegenden Verhältnisse rückwirkende Kraft zuerkennen können, zeigt uns unter 32 Dörfern 25 mit Häuslern. Sechs von diesen 32 Ortschaften sind keine Dörfer im eigentlichen Sinne, sondern zerschlagene Vorwerke oder Freigüter, so dass nur ein einziges eigentliches Dorf frei von Häuslern ist. Die Gesammtzahl der Häusler beträgt 432, sie machen dort 41,5 °'o der Haushaltungen aus. Die Hansgenossen.

Eine Klasse gänzlich ohne Grund- und Hausbesitz sind die Hausgenossen oder Hausleute, Einlieger oder Mieter bei einem Angehörigen der Agrargemeinde oder bei einem der übrigen Einwohner. 1 Es sind entweder Angehölige des Besitzers oder Fremde. Zu ihnen gehören zunächst die Auszügler. 2 Ferner alle die, es mögen Nachbarsöhne oder Fremde sein, die ihr eigen Feuer und Herd haben, also eine selbständige Haushaltung in gemieteten Räumen führen. 3 Sie zahlen jährliche Abgaben an die Gemeinde, Mann und Frau je 9 Groschen. Zur Besoldung des Berufsnachtwächters trägt „das Paar Volk" d. h. jedes Ehepaar ebenfalls jährlich 2 Groschen bei. 4 Bei ihrem Anzüge müssen sie sich persönlich dem Richter vorstellen oder Leumundszeugnisse beibringen und der Gemeinde vorlegen, wozu auch die Mieter der im Dorfe befindlichen Häuser des Gerichtsherrn verpflichtet sind. 5 Der gleichen Vorschrift sind übrigens die Hofmeister der Bauern und die Pächter der Bauerngüter unterworfen. 6 Länger als auf ein Jahr oder gar nur ein halb Jahr darf keinem Hofmeister und Hausgenossen Wohnung zugesagt werden. Die Wirte übernehmen der Nachbarschaft gegenüber Bürgschaft für das Wohlverhalten ihrer Mieter und Angestellten, die bei der jedesmaligen Kontraktserneuerung ebenfalls erneuert werden muss. 7 — „Damit die Nachbarn zur Beförderung ihrer Arbeit desto leichter Handarbeiter 2 I. 252. 388. 420. 522. 569. III. 628. 6 423. 522. 682. I. 244. 517. III. 628. β I. 593. 1

I. 682. * I. 263. I. 147. 253. 262. 492.

s 7

DORF- UND FLURVERFASSÜNG IN KURSACHSEN.

13

um gebührlichen Lohn bekommen können", darf ihnen ihr Wirt kein Getreide, Lein oder Hanf, Rüben oder Kraut in seinem Lande säen oder pflanzen, denn die Bearbeitung solcher Feldstücke würde ihre Zeit zu sehr in Anspruch nehmen und der Ertrag sie vielleicht von der Lohnarbeit unabhängig machen. 1 Über die Menge der Hausgenossen lassen sich keine Angaben machen, doch müssen sie ziemlich zahlreich gewesen sein, denn es ergehen Verordnungen, wonach Niemand mehr alsein Paar fremdes Volk aufnehmen soll.2 Es wird nämlich befürchtet, dass sie sonst keinen ehrlichen Lebensunterhalt finden und sich deswegen des Stehlens befleissigen oder sich aufs Betteln legen möchten. Das Verhältnis der Hausgenossen zur Gutsherrschaft wird uns in einem späteren Kapitel noch beschäftigen. Die G ä r t n e r .

Die Gärtner — Kossäten — treten sicher viel später in den Kreis der Dorfbewohner als die Häusler. Sie stellen sich dar als die „Hintersassen" der Nachbarn, während neben ihnen die Häusler meist ausdrücklich als besondere Klasse genannt werden. Als solche Hintersassen geniessen sie ursprünglich keiner Rechte, wohl aber des Schutzes, wofür sie gleichzeitig Verpflichtungen übernehmen. Da sie einen umfangreicheren Landbesitz haben, als die Häusler, lässt sich ihr Verhältnis zur Nachbarschaft erst bei der Flurverfassung genauer bestimmen. Sie sind entweder selbständiger Herkunft, oder gehen aus einer der benachbarten Klassen hervor. Von den acht Dörfern des Ritterguts Taubenheim weisen 1581 drei gar keine Gärtner auf, die übrigen je 1, 4, 6, 6, und 11. Am zahlreichsten sind sie wiederum am Orte des Rittersitzes vertreten. Die Statistik des Amtes Dippoldiswalde von 1781 zählt in 19 von 32 Dörfern zusammen 123 Gärtner, gleich 1 1 , 5 % der Haushaltungen. Eine Ortschaft besteht nur aus zwei Gärtnern und fünf Häuslern, entbehrt also gänzlich 1

I. 245. 253.

2

I. 147.

14

t. CAPITEL.

des Kernes der Nachbarschaft, dessen Vorhandensein für den eigentlichen Begriff des Dorfes notwendig ist. Gärtner und Häusler zusammen machen im Amt Dippoldiswalde mehr als die Hälfte der Haushaltungen, 53° o, aus. Weiteres Licht wird auf die vielfachen und verwickelten Beziehungen der übrigen Einwohner zur Nachbarschaft bei der Darlegung der Flurverfassung fallen. Zur Ergänzung des Bildes von der Dorfverfassung ist es erforderlich, sich noch eine Vorstellung von den Organen der Nachbarschaft zu machen, welche berufen sind, über die Ausübung der Rechte und Pflichten des Einzelnen als auch über die Erfüllung der Aufgaben der Gesammtheit zu wachen. § 8.

Die Dorf

Verwaltung.

Richter und Schoppen.

Über die Ausführung und Befolgung der Dorfordnung wacht in erster Linie die Nachbarschaft selber. Zur Erledigung der laufenden Geschäfte, zur Leitung der Gemeindeversammlungen und als unterste Instanz für anzubringende „Rügen" werden jedoch besondere Organe bestellt. Es sind dies der Richter, Schulze, Rügemeister oder Gemeindemann1 und die Schoppen oder Altesten, verschieden an Zahl, 4, 6 oder 12, 2 welche den Richter mit Rat und That unterstützen. Das Richter- und Schöppenamt ist entweder erblich oder „walzend". 3 Das erbliche Richter- und Schöppenamt ruht auf einem bestimmten Grundstücke. Das Erbrichtergut ist in der Regel etwas grösser, als ein gewöhnliches Nachbargut. Das Richter- oder Altestengut zu Baumersroda ist von allen Gemeindeabgaben befreit. \ 7 on Wittwen und Jungfrauen bekommt der Älteste bei der Heirat 16, von Wittwern und Junggesellen 8 neue Pfennige zu „Betmuth". An Gemeindetagen wird er von der Gemeinde zechfrei gehalten und mit einem neuen Becher im Werte von zwei alten 8 I. 8. 238. 280. 550. II. 153. III. 737. 739. I. 14. IV. 35. s III. 596. IV. 860. I. 9. 233. 565. II. 188. 1041. III. 735. 115. 743. 1

DORF- UND FLUR VERFASS UNO IN KURSACHSEN.

15

Pfennigen beschenkt. Der Gemeindehirt muss mit dem Gemeindevieh von Jakobi, den 25. Juli, bis Maria Geburt, den 8. September, auf den Feldern des Ältesten pferchen. Von jedem im Dorfe geschlachteten Schwein bekommt er den Rücken und eine Bratwurst von bestimmter Länge. Wer nicht schlachtet, gibt statt dessen ein oder zwei Hennen am Gründonnerstag. Dieser Zins ist ein sog. Rutscherzins, d. h. er verdoppelt sich, wenn am Verfalltage nicht entrichtet, mit jedem weiteren Tage. Von jedem Guts-Kauf, -Tausch, oder -Erbfall erhält er acht Pfennige. Aus jedem Hause muss ihm eine tüchtige Person in der Ernte schneiden helfen, wofür er eine Tonne gutes Bier, ein Fleischgericht und Zugemüse geben muss. Führt ein Nachbarssohn eine Braut von auswärts heim, so muss ihm der Alteste sein bestes Pferd, Schwert und Sporen leihen gegen Entrichtung eines Federkissens im Werte von zwei, und eines Gürtels im Werte von drei Groschen, ebenfalls „auf Rut schart". An jedem Fastensonntag muss der Alteste an die Kinder der Nachbarn ein halb Viertel Erbsen, von der Sorte, die man alte Weiber nennt, in seiner Stube verteilen, „ihnen auch verstatten, in seinem Hofe und aufm Miste diese fünf Sonntage Nachmittage zu spielen". 1 In denjenigen Orten, wo kein Erbrichtergut vorhanden ist, wird der Richter entweder vom Gerichtsherrn eingesetzt oder von den Nachbarn aus ihrer Mitte gewählt, oder das Amt geht nach der Zeche bei den einzelnen Nachbarn herum." Das Gleiche gilt für die Schöppen. 3 Auch der gewählte, eingesetzte, Zech-Richter erfreut sich kleiner Vergünstigungen, als Entgelt für die von ihm aufgewandte Zeit und Mühe. 4 In Ottendorf, Niedermuschitz und anderen Orten gibt der neu angenommene Richter der Gemeinde ein Viertel Bier; er darf Bier schenken, schlachten, backen, Fleisch, Brot und Weissbrot, auch Salz verkaufen „als in einer Stadt". 5 2

1

2 I. 512. Jm Jahre 1689. Für das Folgende neben Klingner: Julius Bernhard von Rohr, Vollständiges Haushaltungsrecht, II. Aufl. Leipzig 1738. S. 197 ff. » I I I . 596 ff. 4 1. 1 0 - 1 2 . 2 3 4 - 2 3 8 . 259. III. 739. 5 1616. III. 621. 624.

16

I.

CAPlTEL.

Das Amt des Wahl- oder Zech-Richters dauert in der Regel ein Jahr, ausnahmsweise nur ein halbes oder auch zwei Jahre. 1 Die Wahl darf ohne erhebliche Ursachen nicht ausgeschlagen werden; Verarmte scheiden aus der Zeche aus. 2 Nach Ablauf seiner Amtszeit und nach geschehener Rechnungslegung legt der Richter in feierlicher Gemeindeversammlung den weissen Gerichtsstab auf den Tisch und damit sein Amt nieder. Feierlich wird Stab und Amt dem Nachfolger überantwortet. 3 Für den Wahltag haben die Ackerleute im Kleinen Felde zu Belgern, 1649, eine Trinkordnung ausgearbeitet, welche bereits alle wesentlichen Bestimmungen des berühmten Leipziger Comments enthält. 4 Wie sehr das feste Gefüge der Nachbarschaft sich allmählich gelockert hat, das beweist der Umstand, dass bereits um die Mitte des 17. Jahrhunderts, im Jahre 1666, zu Oberfrankenhain ein Hintersasse, ein Gärtner, Richter ist, 1652 zu Gröben ein Förster gegen Erbzins die Richterhufe und damit das Amt übernommen hat. Und 1692 ist ein Häusler zu Laue, 1728 ein Häusler zu Gruna, Besitzer eines Kästnerguts mit Gemeindekabeln, nachdem er bereits 1ι/·> Jahr lang Schöppe gewesen, Richter daselbst. 8 Kästnergüter oder Kastengüter sind Güter, welche von einer Kirche, einem n Gotteskasten" zu Lehn rühren. Ihre Besitzer heissen Kastenleute oder Kästner. Auch Pächter von Bauerngütern dürfen Richter werden. 6 Wegen gegründeter Beschwerden über seine Amtsführung kann die Gemeinde die Absetzung des Richters verlangen.7 Desgleichen ist freiwillige Amtsniederlegung gestattet. 8 Wenn der Richter über Feld reist, soll er dem ältesten Schoppen die Gerichte anvertrauen. Kleine und nahe bei einander liegende Dörfer helfen sich gegenseitig mit Richter und Schoppen aus. Gehört ein Dorf mehreren Gerichtsherren, so hat wohl jeder Teil seinen besonderen Richter. 9 5 9

1 I. 279. III. 739. II. 241. III. 737. 755. III. 596.

1 β

I. 583. 739. I. 9. 236.

3 1

I. 583. III. 626. 738. 4 I. 583. 1597. III. 738. 8 III. 742 ff.

D O R F - UND F L U R VERFASSUNG IN KURSACHSEN.

17

Einzelne Funktionen des Richters und der Schoppen sind bereits erwähnt worden. Zu den wichtigsten Obliegenheiten des Richters gehört sodann noch die Einberufung und Leitung der Gemeindeversammlungen, über die das bemerkenswerteste hier zusammengestellt werden soll. Die

Gemeindeversammlungen.

Der Richter beruft die Gemeinde je nach der Ortsgewohnheit 1, 2, 3 bis 4 und 5 Mal jährlich zu den Küroder Rüge-Tagen, 1 welche in alten Zeiten im Freien, unter bestimmten Bäumen, später in geschlossenen Räumen gehalten werden. Daneben finden ordentliche und ausserordentliche Gemeindeversammlungen statt, jene alle vierzehn Tage, diese nach Bedürfnis. 2 Das Zusammenrufen der Nachbarschaft wird durch Läuten, Blasen, Auspochen, Fordern, Deuten und Rufen, oder durch Herumsenden des Klöppels oder Reutels, den ein Nachbar an den andern weiter geben muss, bewerkstelligt. 3 Jeder Nachbar hat Sitz und Stimme in der Gemeindeversammlung, das Recht, aber auch die Pflicht, persönlich in ihr zu erscheinen.4 Im Behinderungsfalle kann und muss er sich durch eine tüchtige Person, Frau oder erwachsenen Sohn vertreten lassen. Einen Dienstknecht darf er nur schicken, wenn dieser Nachbarssohn ist. 5 Auswärtige Besitzer müssen einen Lehnträger stellen. 6 Fernbleiben wird nur durch Krankheit oder die Pflege der in Wochen liegenden Frau entschuldigt. In diesem Falle wird dem Nachbar sein Anteil am Gemeindebier ins Haus geschickt. Unentschuldigtes oder gar böswilliges Ausbleiben, Zuspätkommen „nachdem der Stab abgelöschet", und Erscheinen in Hemdärmeln wird bestraft. 7 Ein „mördlich Gewehr und Waffen" darf Niemand mitbringen. Wer mit groben Schimpfworten sich vergeht oder Angelegenheiten der Gemeinde ausplaudert, wird zu Gunsten der Gemeinde1

2 I 682. 683. 686. II. 245. III. 626. 581. 582. 5S5. I. 79. 425. 585. I. 21. 177. 245. 253. 262. 492. 514. 516. 585. 685. 686. 717. 5 < I. 14. 16. 17. 282. 583. 682. I. 485. « ΠΙ. 628. ' I. 21. 287—289. Η a u η, Fr. Joh., Bauer und Gutsherr in Kuraachsen. 2 3

18

I. CAPITEL.

kasse und ausserdem von der Obrigkeit auf Anzeige des dazu verpflichteten Richters bestraft. Junge oder neue Nachbarn müssen sich in die Nachbarschaft einkaufen, entweder durch eine Geldsumme oder durch eine Tonne Bier. Zugleich müssen sie sich zu den Dorfartikeln ausdrücklich bekennen, sie unterschreiben und sich durch Berühren des Gerichtsstabes dingpflichtig machen. Dadurch erst erlangen sie die Befugnis zur Ausübung der mit dem ererbten oder erkauften Grundbesitz verbundenen Rechte. — Die Abstimmung geschieht der Reihe nach; zur Gültigkeit der Beschlüsse ist einfache Stimmenmehrheit nötig und ausreichend.1 Ausserordentliche Gemeindeversammlungen, „Heimgebote" soll der Richter möglichst auch auf den Sonntag vor Beginn oder nach Beendigung des Gottesdienstes verlegen. Deshalb versammelt sich die Nachbarschaft nach der Kirche, und es wird eine Auszählung veranstaltet, um etwaige Kirchschwänzer zu ermitteln. Wird dabei eine Geldumlage verabredet, so dreht der Richter, zu Hause angekommen, den „Seiger", — die eine Stunde laufende Sanduhr, um. Wer erst nach Ablauf der Stunde oder gar nicht seinen Beitrag bringt, verfällt einer Busse, welche in die Gemeindekasse fliesst.2 Nur in den allerdringendsten Fällen dürfen solche ausserordentlichen Versammlungen auf einen Wochentag angesetzt werden. Auch hierbei wird Zuspätkommen, „nachdem der Richter das Wort gesprochen", und Ausbleiben bestraft. 3 Nachdem wir so eine Vorstellung von der Dorfverfassung, von dem Leben und Treiben der Nachbarschaft und der übrigen Einwohner im Dorfe gewommen haben, begeben wir uns hinaus auf die Dorfmark und versuchen nunmehr die durch die Flurverfassung geregelten Verhältnisse zur Anschauung zu bringen. 1

I. 245. 584. 682.

2

I. 515. 516. 593. 594. 685. 686.

* I. 717.

DORF- UND FLURVERFASSÜNG IN KÜRSACHSEN.

19

II. ABSCHNITT.

DIE FLURVERFASSUNG. Die Flurverfassung ordnet die markgenossenschaftlichen Beziehungen der Nachbarschaft. Auch für diese Seite ihres Lebens hat die Nachbarschaft Aufsichts- und Verwaltungsorgane. Hufenrichter und H e g e b ü r g e n .

In der Mehrzahl der Dörfer ist mit dem Richteramt das Amt des Hufenrichters, Bauermeisters oder Heimbürgen verbunden. Die Schoppen amten alsdann gleichzeitig als Hegebürgen. Nur in besonders grossen Dörfern werden dazu besondere Personen bestellt: ein Hufenrichter nebst vier Beisitzern, und zwar gewöhnlich auf ein Jahr. 1 Im Thüringischen — auch bei Leipzig — ist für diese Behörde der Name „Vormundschaft" gebräuchlich.2 Der Hufenrichter bestellt einen Flurwächter, Feldhüter, Pfändemann, Schützen oder Keuler. 3 Der Geschäftskreis des Hufenrichters und der Hegebürgen ist ein sehr bedeutender: Aufsicht über die Feldbestellung, Abschätzung von Feldschäden, Verwertung und Bestellung des Gemeindelandes, Vergraben und Verkreuzigen gepfändeter Grundstücke, Sorge für Aufbewahrung und Auslösung des gepfändeten Viehes u. s. w. Über die Behandlung des Viehs beim Pfänden bestehen sehr ins Einzelne gehende Vorschriften, deren Anführung hier zu weit führen würde.4 Um die schwierige Aufgabe dieser Flurbehörden vollständig zu würdigen, muss man sich die Flurverfassung damaliger Zeit vergegenwärtigen. 5 Ebenso beschaffen ist die Organisation der städtischen Agrargemeinden.6 1

2 I. 13. 14. 21. 583. III. 498. IV. 828. 835. 860. II. 148. 150. s 285. 762. 858. I. 583. II. 265. 270—272. 286. * II. 244. 263. 287. 6 297. 740. 6 I. 177. II. 72. 78. 188. 296. 689. III. 597. II. 779.

2*

20

I. CAP1TEL.

§ 1. D i e

Flur.

Die Mark zerfällt in die — aufgeteilte — Flur und in die — unaufgeteilte — Allmend. Die Allmend umfasst Wald, Weide, Wasser, W e g e und Stege, Strassen und Triften. Zwischen dem aufgeteilten Land liegen hie und da „ G e m e i n d e f l e c k e V o n den einzelnen Bestandteilen der Allmend später; hier betrachten wir zunächst die Art und Weise, wie die übrige Feldmark aufgeteilt ist. Die Hufe.

Wirtschaftliche Einheit ist die Hufe im weiteren Sinne, in Sachsen gewöhnlich Bauergut oder Pferdnergut genannt. Zu ihr gehört ausser der Hofraite im Dorf ein reeller Anteil an der aufgeteilten Mark und ein ideeller Anteil an der Allmend. Die Hufe im engeren Sinne ist ein Landmass, in den sächsischen Landen gewöhnlich zu 30 Morgen gerechnet. Der Morgen hält in der Regel 150 Quadratruten, ausnahmsweise auch 120 und 300 Quadratruten.1 Am häufigsten wird die Grösse der Hufe in Ackern ausgedrückt oder in Scheffeln. Aber diese Bestimmungen schwanken in noch viel weiteren Grenzen. Von Rohr rechnet die Hufe zu 12 Acker, den Acker zu 60 Ruten, die Rute zu 7 Vs Elle und 2 Zoll. Nach ihm wird auf einen Acker ein Leipziger Scheffel = 2 Dresdener Scheffeln gesät. 2 Zu Eckartsberga hat 1558 die Hufe 30 Acker. 3 Auf der Lehelitzer Mark gibt es 12 Hufen zu je 8 und 15 l (t Hufen zu je 6 Acker. Die drei benachbarten Dörfer Hohenheida, Gottscheuna, Merkwitz haben 12 Hufen zu 26, 8 Hufen zu 21, 8V4 Hufen zu 16 Acker. An einem andern Ort sind 10 Hufen in 216 Acker geteilt, und 1 Hufe in 12 Acker. 4 Ein Acker enthält 2 Morgen. 5 Zu Eutritzsch hat der Acker 60 Ruten, in den Ramsdorfer und Hermsdorfer Fluren hat die Hufe zu 10 Ackern 72 bis 76 Beete. 6 Ein Stück „Holz" hat 510 Acker, der Acker ist 40 Ruten lang, 4 Ruten breit, die Rute zu 7 Ellen gerechnet. 7 Noch unzuverlässiger ist die 1 I. 7. 175. 197. 579. 602. IV. 628. Zincke, Allgemeines ökonomisches Lexikon, Leipzig 1753. a S. 463. 3 II. 96. 4 II. 249. III. 591. I. 175. 581. 6 I. 175. 211. 213. 6 I. 648-650. 213. 7 II. 911.

DORF- UND F L U R V E R FASSUNG IN KÜRSACHSEN.

21

Grössenbestimmung nach Scheffeln Aussaat, da je nach der grösseren oder geringeren Güte des Bodens stärker oder schwächer gesät wird. 1 Die Einteilung der Äcker in Beete ist gleichfalls sehr verschieden. Auf ein und derselben Flur kommen nebeneinander Acker mit 3 bis 8, 12 und 13 Beeten vor. 2 Die Beete sind zum Teil sehr schmal, nur 4 Furchen breit. 3 Es ist verlorene Mühe, Ordnung in dies Chaos bringen zu wollen. Auch in Kursachsen und Thüringen ist die Hufe, sowohl als Landmass, wie als wirtschaftliche Einheit gedacht, ein vielgestaltiges Ding — Proteus, der sich in immer neuer Gestalt den Händen dessen entwindet, der ihn zu bannen unternimmt. Trotzdem wird die Bezeichnung „Huftier" in einem ganz bestimmten Sinne gebraucht, Besitzer eines Hufengutes, das jedoch, wie aus dem Gesagten hervorgeht, an verschiedenen Orten von höchst verschiedenem Flächeninhalt sein kann. Der Hüfner.

Die Nachbarschaft ist, wie schon angedeutet, keine gleichartige, unterschiedslose Masse. Eine Verschiedenheit macht sich jedoch erst geltend in dem Verhältnis der einzelnen Nachbarn zur Flur. Die Verschiedenheiten beruhen auf der verschiedenen Grösse des Grundbesitzes auf der aufgeteilten Feldmark, und, davon abhängig, auf dem Umfang des Viehstandes, wonach sich wiederum der Anteil an der Allmend bemisst. Danach treten in einen Gegensatz zum Vollhüfner die Besitzer von Teilen der Hufe, Halbhüfner, Drittel- und Viertelhüfner. Der Besitz des Vollbauern oder Hüfners beträgt eine Hufe, das heisst eine Einheit an den Nutzungen der aufgeteilten Mark und der Allmend, auf welcher Pferde gehalten werden konnten und mussten. Aber dieser Begriff der Hufe im weiteren Sinne wurde bei der Inangriffnahme immer neuer Gewanne nicht festgehalten. Es entstanden Zweihüfner, Dreihüfner, Fünfviertelhüfner und so fort. Nach1

I. 196.

2

I. 213.

1

I. 175. 213. II. 700.

22

I. CAP1TEL.

dem aufteilbares Land nicht mehr vorhanden, gipg diese Bildung durch Verkäufe und Zukaufe, durch Erbschaften und Erbteilungen ihren Gang weiter. Verkäufliche Güter oder einzelne Äcker mussten zuerst den Gewannnachbarn, dann den andern Dorfnachbarn angeboten werden — Näherrecht —, ehe sie an Fremde verkauft werden durften. Es dauert anscheinend lange, bis die hieraus sich ergebenden Ungleichheiten als Merkmale der Klassenverschiedenheit zum Bewusstsein und zum Ausdruck kommen.1 In den acht Dörfern des Ritterguts Taubenheim gibt es neben Gärtnern und Häuslern nur Pferdner. In Sommerfeld hat A 1, Β 1 '/ί, C 3Λ, D l/z Hufe, ohne dass in der Benennung dieser Nachbarn ein Unterschied gemacht würde, ebensowenig in Cröbern, wo Ε 45 Acker, F 10, G 6, Η 30 Acker hat. Zur Erläuterung soll auch hier die Statistik des Amts Dippoldiswalde herangezogen werden. Dieselbe kennt vier Klassen der ländlichen Bevölkerung: Bauern, Halbhüfner, Gärtner, Häusler. — Bauern gibt es in 26 von den 32 Dörfern, zusammen 377, gleich 35,5°/o der Haushaltungen. Ihre Anzahl in den einzelnen Orten bewegt sich zwischen 1 und 51! Die Anzahl der Pferdner schwankt auch in Dörfern anderer Gegenden ausserordentlich. Im Jahre 1684 zählte man in den 16 Leipziger Ratsdörfern an Pferdnergütern je 2, 1, 4, 3, 2, δ1/*, 3 Vi, 7, 6, 5, 4, 0, 0, 0, 2, 0. 2 Zur selben Zeit in vier Dörfern des Stifts Merseburg 5, 1, 4, 0. Zum Rittergut Wolftitz gehören 3 Dörfer mit je 2, 2 Dörfer mit je 5 Pferdnern. Die zum Vorwerk Loitzsch gehörenden 5 Dörfer weisen zusammen 17 Pferdnergüter auf. Von den beiden Nachbardörfern Hopfgarten und Elbisbach hat jenes zwei, dieses fünf steuerbare Hufen. Der Besitz ist so zersplittert, dass keiner von sämtlichen Unterthanen anzugeben weiss, wie viel Ruten Feldes oder Landes er eigentlich besitzt, indem das meiste nur stück- und fleckweise an einander gelegen ist. Wie schlecht es diesen Leuten ging, ersieht man aus folgender Nachricht. Im Jahre 1714 ist hier eine Missernte gewesen, so dass die 1

I. 582. III. 627.

* II. 796.

DORP- UND FLUK VERFASSUNG IN KURSA.CHSEN.

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Unterthanen, statt der sonst erbauten ,formalen Trespe", lauter Wicken, die sie auf dem herrschaftlichen Hofe erdroschen, essen müssen und Gott danken, wenn sie nur genug davon haben.1 Andererseits häuft sich der Besitz in einzelnen Händen. Bis zu fünf Hufen werden zusammengekauft. Der Käufer bildet sich dann ein, er habe ein Rittergut und beansprucht gutsherrliche Rechte. Jedoch wird ihm bedeutet, dass er nur paria iura habe, und an die Dorfordnung und an die Gemeindeschlüsse gebunden sei. 2 Hat ein Gutsherr Bauerhufen gekauft, so muss er für diese Hufen Personen zur Gemeindeversammlung schicken, welche Nachbars Stelle vertreten.3 Diese Verschiebung der Besitzverhältnisse führt zu grossen Unzuträglichkeiten, unter anderem in Bezug auf die dem Landesherrn zukommenden Leistungen und Abgaben. Teilungen werden daher im allgemeinen nur gestattet, wenn dadurch keine Verschlechterung des Wirtschaftsertrages und der Steuerkraft zu befürchten ist, oder wenn sie wegen Weitläufigkeit des Besitzes Vorteile, aus der Möglichkeit intensiverer Bewirtschaftung hervorgehend, erhoffen lassen. Ferner haftet jeder Teil für des anderen „Caducität", jeder Teil muss spannfähig bleiben, und es werden wegen der notwendigen Neubauten keine Freijahre gewährt. 4 Das Näherrecht macht sich dabei in der Weise geltend, dass jeder Teil am andern ein Vorkaufsrecht hat. Doch ergeht 1697 ein Mandat, welches selbst die Teilungen grosser Güter verbietet. Trotzdem beschwert sich 1701 der Rat zu Leipzig über die in seinen Dorfschaften eingerissene Unordnung, dass die zu einem Gute gehörigen Felder und anderen Grundstücke einzeln veräussert werden, und „alsofort erfolgete, dass man aus Pferdegütern Hintersassen, dagegen aus Hintersassen blosse Häusler mache", und, wenn „Auswärtige die Grundstücke an sich zögen, im Dorfe lauter leere Hütten verblieben." — Um zu einem Verständnis der neben dem Hüfner am Flurbesitz beteiligten Klassen zu gelangen, versetzen wir 1 II. 1053. II. 1054. IV. 227.

2

I. 671.

3

I. 453.

* I. 169. 551-558. 568. 569.

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1. CAP1TEL.

uns zurück in eine Zeit, wo derlei Zerschlagungen aus Mangel an Nachfrage noch nicht nötig und üblich waren. Gewende und Gemenge. Die Hufe ist keine topographische Einheit, kein örtlich zusammenhängendes Ganze. Aus der Flur sind vielmehr nach und nach die geeignetsten Stücke nach Bedürfnis herausgeschnitten. Ein solches Stück heisst Gewann oder Gewende und hat die Form eines Rechtecks oder eines Trapezes. Das „Gewende" ist in Acker geteilt, die der Länge nach gepflügt werden. An ihren schmalen Enden muss daher der Pflug „gewendet" werden. Ist ein Acker sehr lang und soll er nicht in seiner ganzen Länge mit einer Frucht bestellt werden, so wird er der Quere nach noch in zwei oder drei Teile geteilt. Diese Teilungslinien heissen dann ebenfalls Gewende oder Eingewende. Statt Gewende findet sich auch „Gelenke".1 An einigen Orten hat das Gewende einen bestimmten Flächeninhalt und dient als Landmass. In der übergrossen Mehrzahl der Fälle sind aber die Gewende einer und derselben Feldmark verschieden gross, wie es eben das Gelände und die Bodenbeschaffenheit und die Rücksicht auf die vorteilhafteste Ausnutzung der gegebenen Fläche mit sich bringt. Man nimmt an, dass jeder Nachbar in jedem Gewende bei der Aufteilung einen Acker bekommt. Seine Acker liegen im Gemenge mit denen der anderen. Eine, wie wir gesehen haben, sehr verschiedene Anzahl von Äckern bildet eine Hufe. 2 Zwischen den einzelnen Gewenden, um das Dorf herum, und an den Grenzen der Feldmark bleiben dabei nun einzelne Stücke von unregelmässiger Gestalt liegen, „Gemeindeflecke", die zunächst in gemeinschaftlichem Besitz bleiben. Es ist vielfach Sumpfland, das erst später trocken und nutzbar wird, oder Sandboden, dem mit Bewässern, reichlicher Düngung und Regolen aufgeholfen werden muss, oder Waldland, das abgeholzt und nicht wieder aufgeforstet wird. 3 Mit der Möglichkeit 1

I. 213. 214. 248. 257. 496. 640. 659. II. 64. 83. 699. 838. 2 II. 106. 275. 299. 997. * Regolen und tieferes Herauepflügen der unteren Erde von Klingner für einige zur Mark Brandenburg gehörige Provinzen

DORF- UND FLURVKRFASSUNG IN KURSACHSEN.

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intensiverer Bewirtschaftung gehen solche Stücke fast überall, wo sie vorhanden, später in Einzelbesitz über, nachdem die Anzahl der Gewende auf Kosten der Allmend nicht mehr vergrössert werden darf; sie werden zu Wurten und stehen dann ausserhalb des Flurzwangs, der die natürliche Folge der Gemenglage ist. Der Flurzwang ist die Notwendigkeit, alle in einem Gewende liegenden Acker mit derselben Frucht oder ,Art" zu bestellen. Die Wurten sind diesem Zwange nicht unterworfen, sie dürfen jahraus, jahrein beliebig benutzt werden wie Gärten; sie heissen deshalb Jahrfeld und haben „Gartenrecht". 1 Ihre Besitzer heissen Gärtner. Der Gärtner. Der steigende Bedarf an Arbeitskräften machte es den Hüfnern wünschenswert, landlose oder landarme Einwohner im Dorfe zu haben. Sie gestatteten daher gerne die Errichtung von »eingebauten Häuserchen", und verkauften geeignete Gemeindeflecke als Bauplätze und Gartenland. Die Gutsherrschaften hatten dasselbe Bedürfnis, und so erwuchsen auch aus Rittergutsgrund und -boden vielfach Häusler und Gärtner. Es dürfte nicht leicht ein Dorf zu linden sein, wo sowohl Gärtner als Häusler fehlen. Gärtner werden erwähnt zu Stauchitz 1656, zu Nieder-Muschitz 1668, zu Döben 1685. 2 Zu Poxdorf stehen 1709 den „mit liegenden Grundstücken angesessenen Nachbarn" „der Dorfschaft" die Gärtner gegenüber, zu Arras 1727 20 Anspännern 2 Gärtner, den „bespannten Einwohnern" „der Gemeinde" zu Mauselitz 1744 die Gärtner als „unbespannte Einwohner". 3 Häufig begegnen wir in unseren Urkunden der Bezeichnung „Hintersassen" oder „Hintersättler". Es sind die, die sich hinter der Gemeinde, hinter der Nachbarschaft, zeitlich und örtlich angesetzt haben, es sind die Gärtner. In den 9 zu Döben gehörigen Dörfern werden die Gärtner ausdrücklich Hintersättler genannt. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir überall in den Hintersassen Gärtner sehen. im Jahre 1750 als „ganz neuerliche Unternehmungen" bezeichnet. 1 II. 316. II. 76. 557. I. 214. * Taubenheim 1581, Amt Dippoldiswalde 1781 S. ob. S. 13. * I. 432. 503. II. 767. 773. 800. III. 624.

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I. CAPITEL.

Die Nachbarn in den fünf neuen Dorfschaften der Universität Leipzig pflügen ihren Hintersassen die Felder, während diese sich den Pferdnern „zu rechte andingen" und ihnen „vor anderen Leuten um gebührliche Besoldung" arbeiten müssen.1 Zu Oberfrankenhain, zu Kleinsteinberg, zu Kleinpardau und an anderen Orten gibt es solche Hintersassen, 2 von denen anzunehmen ist, dass sie mit den Gärtnern identisch sind. Nichts entscheidendes lässt sich dagegen sagen über die Stellung der Hintersassen zu Ramsdorf und Hermsdorf, zu Hopfgarten und Elbisbach, zu Taucha, zu Bernsdorf und zu Pomssen. 3 Durch Fleiss und Sparsamkeit erwirbt der Gärtner so viel, dass er daran denken kann, seinen Grundbesitz zu erweitern, und das in der Nachbarschaft allmählich einreissende Vereinzeln der Grundstücke bietet ihm die beste Gelegenheit dazu. Er gerät dadurch in die Gewende und in die Gemenglage und beansprucht dann auch Anteil an den Gemeindenutzungen, besonders an der Gemeinweide. Es ist nicht ersichtlich, wie weit diese Entwicklung in den einzelnen bereits genannten Dörfern gediehen ist. Das Gleiche gilt von den Hintersassen zu Zweinaundorf, zu Erdmannshain und Albrechtshain, zu Bocka und zu Mölkau.4 Zu Grossbahrde gibt es 1725 neben den Bauern sogar Häusler, welche zugleich Feldgüter haben und andere Gemeindenutzungen gemessen. 5 Zu Cossa »bekommt der Kleine so viel aus dem Gemeindeholze als der Bauer." B Die Häusler zu Hohenheida haben wenigstens 4 Acker, die Hintersassen zu Seegeritz 2 */2—3 Acker in der Flur.7 So steigt der Häusler nach und nach zum Gärtner empor, und er kann es noch weiter bringen. Am 8. September 1692 nimmt die Gemeinde zu Laue „den Richter Andreen Perlebergen, jedoch ohne Consequenz anderer, welche etwa dergleichen Häuser anbauen möchten, gleich einem anderen Nachbar, ins Gemeine-Recht auf, dergestalt, dass er 30 Gr. dafür 1

I. 247. 2 I. 426. 435. II. 533. 593. s I. 639. 656. II. 723. β 795. IV. 832. 4 I. 330. 495. 371. II. 571. 817. 6 I. 329. 1742. I. 816. ' I. 663. Π. 381.

DORF* UNI) F L U R V E R F A S S U N G IN KURSACHSEN.

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erlegen, zugleich auch alle nachbarliche Beschwerungen übernehmen solle". 1 Die Hintersassen, welche sich so auf irgend eine Weise Land in den Gewenden und Anteil an den Genieindenutzungen verschafft haben, werden damit den Nachbarn mit geringerem Besitz, den Halbhüfnern, zum Verwechseln ähnlich. Diese Ähnlichkeit geht soweit, dass bisweilen auch die Halbhüfner einfach zu den Hintersassen geworfen werden. Der Halbhüfner.

Der Halbhüfner ist ein Zersetzungsprodukt, entstanden durch Zerspaltung ganzer Bauergüter in zwei, drei und mehr Teile. Er bleibt Mitglied der Nachbarschaft, und der ideelle Anteil an der Allmend wird gleichfalls gespalten. Solche Zerspaltungen wurden wohl erst vorgenommen, nachdem das zum Anbau geeignete Feld verteilt und eine weitere Verringerung der Allmend mit Rücksicht auf die Viehhaltung nicht mehr möglich war. Der Halbhüfner ist nach meiner Ansicht jünger als der Gärtner. In den 8 Dörfern des Ritterguts Taubenheim fehlt er noch 1581 vollständig neben den 37 Pferdnern, den 28 Gärtnern und 33 Häuslern. Dagegen sind bereits 1563 zu Lehelitz neben den Pferdnern 8 „Halbhüfner" vorhanden, von denen 4 eigentliche Halbhüfner, die andern 4 Dreiviertelhüfner zu sein scheinen. 2 Zu Clodra finden wir 1669 Pferdegüter und »Halbgüter", zu Schnaditz und Wöllaune 1725, zu Goseln „Halbhüfner" neben Pferdnern oder Anspännern, 1747. 3 Im Amt Dippoldiswalde haben 18 von den 26 Bauerdörfern zusammen 125 Halbhüfner, welche, ebenso wie die Gärtner 11,5% ausmachen. Davon fehlen in 6 Dörfern die Gärtner gänzlich neben den Halbhüfnern, während in sechs anderen die Gärtner die Stelle gleich nach den Bauern einnehmen. Zwei Dörfer haben nur Bauern und Häusler, eins nur Bauern, Halbhüfner und Gärtner. Elf Dörfer weisen alle vier Klassen auf. — Diese Verschiedenheit des Vorkommens, dieses Fehlen der einen oder andern Klasse hat 1

Π. 241.

a

II. 873.

3

II. 585. 777. I. 603.

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I. CAPITEL.

sicherlich den erheblichsten Einfluss auf die soziale Stellung der am Orte jeweils Vorhandenen. In einem Dorfe, wo neben den Bauern die Halbhüfner fehlen, nehmen die Gärtner gewiss eine viel höhere Stelle ein, als in einem andern, wo noch die Halbhüfner über ihnen stehen, und das Aufrücken zu gleichberechtigten Nachbarn ist ihnen wesentlich erleichtert. Andererseits sinken in Dörfern, wo zwischen Bauern und Häuslern blos Halbhüfner, keine Gärtner stehen, die Halbhüfner teilweise oder ganz aus dem Gemeindeansehen und -recht heraus — besonders, wenn eine weitgehende Zersplitterung ihres Besitzes hinzukommt. Und auch die Gärtner nehmen in Dörfern ohne Häusler keinen so hohen Rang ein, als in Dörfern mit solchen. — Wie weit die Zersplitterung geht, dafür noch ein Beispiel: in Görzenhain, Amt Wechselburg heissen die Viertelhüfner Sechsrütner, und die Sechstelhüfner Vierrütner. Leider herrscht eine heillose Verwirrung in der Anwendung aller dieser Benennungen, und es ist daher unmöglich , in allen einzelnen Fällen trotz desselben Namens bestimmt, zu behaupten, dass man es immer mit demselben Wesen zu thun habe. Die sichersten Unterscheidungsmerkmale bieten neben den Angaben über den Umfang des Grundbesitzes und die Zugehörigkeit zur Nachbarschaft die Bestimmungen über die Viehhaltung. § 2. D i e V i e h h a l t u n g . Während die Viehhaltung in alten Zeiten, so lange reichliches Weideland auf der Allmend und auf der Brache vorhanden war, beschränkenden Vorschriften wohl nicht unterworfen wurde, macht sich die Notwendigkeit solcher späterhin fast überall geltend, und wir finden deshalb in Dorfordnungen und Gemeindevergleichen Bestimmungen über Art und Anzahl des Viehes, das von jedem Nachbar und von einem der übrigen Einwohner gehalten werden darf. Abhängig ist das Recht der Viehhaltung entweder von dem Besitz einer Baustätte, auch blos eines Hauses, oder aber in den meisten Fällen von einem damit verbundenen ent-

DORF- UND FLUK VERFASSUNG IK KURSACHSEN.

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sprechenden Besitz an Land. Gewisse Vieharten dürfen nur von gewissen Berechtigten gehalten werden. Wo die Anzahl nicht freiem Ermessen überlassen ist, wächst sie im Verhältnis mit der Anzahl der „besitzenden" Hufen oder Acker. Am zahlreichsten und ausführlichsten sind die Vorschriften über die Haltung der Zugtiere. Die Mindestzahl derselben ist abhängig von dem Erfordernis der eigenen Wirtschaft und der Verpflichtung zu landesherrlichen und erbherrlichen Diensten, die Höchstzahl von der erbauten Futtermenge und von der Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen der gleichberechtigten Nachbarn. Die Pferde.

Unter den Zugtieren nehmen die Pferde die erste Stelle ein, und das Recht, Pferde zu halten, ist ein so wichtiges und unterscheidendes Merkmal, dass es der ganzen Klasse der Berechtigten den Namen der „ Pferdner" einträgt. — Da zum Halten von Pferden in der Regel nur der Besitz von Hufen die Befugnis gibt, so ist der Pferdner zugleich immer Hüfner. In den Dörfern des Amts Schkeuditz müssen die Amtsunterthanen auf je eine Hufe wenigstens ein Pferd halten; in denen des Amts Torgau dagegen auf je eine Hufe zwei, auf je eine halbe Hufe ein „tüchtig* Pferd halten. 1 Dies letztere Verhältnis scheint in der grossen Mehrzahl der Dörfer sich zu wiederholen. Nur ganz vereinzelt kommt es vor, dass, wie noch 1668 in Niedermuschitz, es erlaubt ist, an Zug- und anderem Vieh so viel anzuschaffen, als jeder Bauer nach seinen Hufen ernähren kann. 2 Nebenden Pferden darf gewöhnlich noch ein Fohlen bis zum vollendeten dritten Jahre aufgezogen werden. 3 Für die Pferde werden gewisse Teile der Gemeinweide, oder Wiesen, Teiche und Raine ausgesondert, und sie können auch noch nach Sonnenuntergang, nachdem sie ausgespannt sind, ein oder zwei Stunden lang gehütet werden, jedoch nicht in den gehegten Feldern oder auf der Hegeweide. 4 Natürlich müssen sie beaufsichtigt werden; geschieht es nicht, und wird Schaden 1

8 3 II. 798. 168. III. 625. I. 89. 444. 716. 747. 84. 533. 636. 660. 794. I. 248. 257. 266. 637. 495. III. 628.

4

II. 83.

30

I. CAPITKL.

angerichtet, so muss er ersetzt und obendrein eine Gemeindebusse erlegt werden.1 Wenn nach Einbringung der Ernte und nach der Herbstbestellung der Landmann sich genötigt sieht, aus Futtermangel seinen Yiehstand zu verringern, so werden ihm die brauchbaren Pferde zu seinem „Soulagement" nach ihrem wahren Werte für Heereszwecke abgekauft. 2 — In bergigem Gelände und in Krtegszeiten treten an die Seite und an die Stelle der Pferde vielfach Ochsen und selbst Kühe. 3 Der Pferdner Pflicht und Recht ist es nun, wenn sie mit den Arbeiten für die eigene Wirtschaft fertig sind, ihren Pfarrern und den Dorfeinwohnern, welche kein Zugvieh haben, bei der Feldbestellung und Ernte gegen billigen Lohn auszuhelfen.4 Die 10 Pferdner zu Oberfrankenhain schliessen im Jahre 1666 einen Vergleich mit den 11 Hintersassen daselbst, wonach diese auf Widerruf Pferde oder sonstiges Zugvieh halten dürfen. Sie sollen aber damit keine Ackerarbeiten oder Landfuhren für Fremde gegen Lohn verrichten, sondern nur die für ihre eigene Wirtschaft nötigen Fuhren thun.5 Insofern die Pferdner vorzugsweise den vom Landesherrn geforderten Vorspann stellen müssen, heissen sie auch schlechtweg Anspänner. Bisweilen werden zu den Anspännern auch die Halbhüf'ner, ja sogar die Hintersassen oder Kossäten, „oder wie sie nach Gelegenheit des Orts heissen", gerechnet. Die Vorschrift der Landesordnung, nach welcher diejenigen, die keine Wiesen haben, auch kein Vieh halten sollen, wird eben gewiss in den seltensten Fällen beobachtet worden sein, und so kommt es, dass die Hintersassen, Gärtner und Häusler häufig selbst Zugvieh anschaffen.6 Die Pferdner wehren sich aber meist lange und kräftig dagegen, wenn auch das Halten anderen Viehes in der Regel zugestanden wird. Diese Erlaubnis wird dann von den Hintersassen oft missbraucht, und dieser Missbrauch wiederum führt zu weitläufigen Prozessen.7 1

I. 685. 8 I. 232. 3 II. 880. I. 585. 4 I. 80. 81. 247. 256. 265. 495. II. 145. 163. III. 630. 6 II. 535. β I. 656. 603. 432. 722. τ II. 571. 672. 723. 777. 795. 799. I. 640. II. 145. 177. 298. 299. 638. 176. III. 625.

DORF- UND FMJRVERFASSUNG IN KÜR SACHSEN.

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In Zweinaundorf ist es seit 1596 hergebracht, dass die — auf dem Rittergut sitzenden? — Hintersassen, welche anspannen wollen, der Gerichtsobrigkeit von einem Pferde jährlich zwei Thaler, von einem Füllen oder Zugochsen einen Thaler entrichten müssen. Die Hintersassen zu Ramsdorf halten je ein Pferd. 1 Diesen Verhältnissen entspricht es nun, dass bei Genieindearbeiten eine Teilung der Arbeit eintritt, dergestalt, dass die Pferdner die Fuhren, die Halbhüfner und Gärtner die Handdienste thun, ζ. B. beim Wegebessern. 2 Wer sich den Gemeindelasten entzieht, dem wird mit obrigkeitlicher Genehmigung nach wiederholter vergeblicher Aufforderung zur Leistung, Thor und Thür mannstief „vergraben". Das aufgeworfene Erdreich bildet einen mannshohen Wall davor, und verhindert das Öffnen von Thür und Thor. Der Gemeindehirt darf das Vieh des auf diese Weise gebannten nicht mit auf die Weide nehmen; es muss daher im Stalle gefüttert werden, wenn es nicht verkauft oder ausgethan werden kann. Die Unmöglichkeit, die Stallfütterung längere Zeit durchzuführen, macht jedoch den Ungehorsamen bald mürbe. 3 Die übrigen Vieharten.

Die Haltung der übrigen Vieharten ist ebenfalls in den seltensten Fällen den gleichberechtigten Markgenossen, geschweige denn den Hintersassen, völlig freigegeben, sondern durch Gemeindevergleiche mit Rücksicht auf die vorhandenen Wiesen, Weiden, Brachschläge und die Möglichkeit des Durchwinterns nach Art und Zahl festgesetzt und beschränkt. Fremdes Vieh zu überwintern ist nur ausnahmsweise gestattet, desgleichen, das eigene zu Verwandten oder Freunden auszuthun. 4 Nur wo überreichlich Weiden und Wiesen vorhanden sind, darf mehr als die „verglichene" Anzahl Vieh gegen Entrichtung von Weidegeld in die Gemeindekasse gehalten und ausgetrieben werden. Diese Abgabe beträgt beispiels1

I. 80. 640. * I. 505. 687. II. 816. III. 628. IV. 640. * III. 625. II. 154. 779.

8

IL 689.

32

I. CAP1TEI,.

weise für ein Schaf 1—1 '/2, für ein Stück Rindvieh zwölf Groschen. Am 6, Mai 1652 vergleicht sich die Gemeinde zu Eutritzsch untereinander freundlich und nachbarlich, und richtet folgende Viehordnung auf: 1. Es sollen nun hinfüro und zu ewigen Zeiten, inhalts der am 16. November 1591 gemachten Schafordnung, auf eine Hufe Landes in Eutritzscher Mark 24 Schafe und auf eine halbe Hufe 12, ingleichen auf jede Hofstätte, so auf ein Viertel Landes geachtet, sechs Schafe gehalten und dabei die Lämmer nicht mitgerechnet werden. — Auf die Acker in Petzsch- und Pfaffendorfer Mark dürfen vermöge angeregter alten Ordnung überhaupt keine Schafe gehalten werden. 2. Ingleichen soll auf eine Hofstätte eine Kuh und auf je sechs Acker auch eine Kuh, sowohl 3. auf eine Hofstätte 2 und auf je sechs Acker ein Schwein gehalten werden. Wenn aber der eine oder andere eine Zuchtsau hat, soll er die jungen nicht vor Johannis, auch nicht mehr, als er auf sein Gut zu halten berechtigt, vor den Hirten treiben. 4. So soll auch jeder berechtigt sein, auf je eine halbe Hufe ein Kalb zu halten; es wird aber hierbei, wie auch bei dem zweiten und dritten Punkt, ein Acker über oder unter die gesetzte Zahl so gar genau nicht gerechnet. 1 Ähnlich sind die Verhältnisse fast überall geregelt. So werden an einigen Orten auf die Baustätte 2 Kühe oder auf die Hufe vier Kühe angesetzt. 2 Bei Ersetzung einer Gattung durch die andre — was nicht überall gestattet ist, — werden für ein Haupt Rindvieh 2 Kälber oder 7—8—10 Lämmer und Schafe, oder 6—7—8 Schweine gerechnet. 3 Ebenso wird der Viehstand der übrigen Einwohner bemessen. Die Halbhüfner zu Roitzsch dürfen nach der Dorfordnung von 1666 je zwei Kühe und einen Absetzling, ein Kossäte und Gärtner nur eine Kuh und einen Absetzling haben, während auf jede Hufe drei Kühe erlaubt sind. 4 1 4

II. 163.

II.

776.

2

II.

152.

s

I. 687.

II. 240—242.

776. 878.

DORP- UND FLUR VERFASSUNG IN KÜRSACHSEN.

33

In den Finkenstein'schen Dörfern hat jeder Gärtner zwei Haupt Rindvieh, drei Schweine und drei Gänse, in Niedermuschitz zwei Kühe. 1 In Weissenborn darf jeder Gärtner und Anspänner Schweine nach Belieben anschaffen, weil sie der Reihe nach das Gemeindeschwein halten müssen. Sonst ist oft das Halten des Gemeinderindes oder -schweines Sache des Richters, Heimbürgen, Müllers. 2 Vor den Gemeindehirten dürfen die Gärtner nicht überall, und oft nur gegen besondere Erlaubnis und Zahlung eines Weidegeldes, ihr Vieh treiben. 3 Das Gleiche gilt für die Häusler. Die Häusler zu Lindenau dürfen je zwei Kühe, ein Zuchtkalb und zwei Schweine auf die Gemeinweide treiben, was ihnen nicht durchgehende gestattet ist, selbst wenn sie nur Schweine und Gänse haben dürfen.4 Andererseits ist dem Besitzer eines auf einem erkauften Gemeindeflecken erbauten Hauses nicht einmal das Halten von Hühnern gestattet. 6 Die „eingebauten Häuser und Winzer" zu Niedermuschitz dürfen ihr Vieh nicht auf die Allmend, noch auf der Gemeinde Brache und Stoppein treiben. 6 In Grossbahrde verlangen die Pferdner, dass die Häusler zu den Gemeindelasten je soviel wie eine halbe Hufe beitragen. Diese berufen sich jedoch auf die Landesgesetze, wonach 12 Häusler für eine Hufe gerechnet werden sollen. Es wird entschieden, — da die Häusler ausnahmsweise Feldgüter besitzen und daneben noch andere Gemeindenutzungen geniessen,7 — dass bei Veranlagung nach Hufen 8 Häusler gleich einer Hufe, bei Veranlagung nach Höfen 2 Häusler gleich einem Pferdner zu rechnen sind.8 Ein Häusler zu Kömmlitz, der vielleicht nicht zufällig den Namen Neubauer führt, genoss 37 Jahre hindurch seit 1693 ungehindert alle Gemeindenutzungen, trieb sein Vieh mit auf die Gemeindeweide u. s. w., wollte aber nicht einmal zum Hirtenlohn beisteuern. Durch einen Vergleich wird er, gegen 1

598.

3

III. 625. II. 773. I. 248. III. 627.

II. 165. III. 627. IV. 816. II. 877. I. 279. II. 878. 151. I. 426. 5 I. 425. 720. II. 825.

2 4

7 Y e r g l . oben S. 26. 8 I. 329 « III. 628. III. 499. 502. Baun, Fr. Joh., Bauer und Gutsherr in Kursachscn.

3

34

I.

CAPITEFJ.

Zahlung der Gemeindeabgaben, in seinem erhüteten Rechte belassen, bleibt indessen von der Haltung des Gemeindebullen, den die Nachbarn nach der Zeche je ein Jahr lang halten, befreit. Wie ihre Arbeitskraft, so müssen die landlosen und landarmen viehhaltenden Einwohner den Hüfnern ihres Dorfes auch ihren „übrigen" d. h. überflüssigen Dünger anbieten. 1 Die Hausgenossen dürfen fast nie Vieh halten. Gestattet ihnen ihr Hauswirt einige Schafe, so dürfen sie sie nicht vor den Genieindehirten treiben, ebenso wenig wie die Auszügler ihre Kühe, 2 wenn sie sich nicht mit der Gemeinde besonders abfinden. Ziegen, Gänse nnd Tanben.

Ziegen sind in sehr vielen Dörfern gänzlich verboten, dürfen in anderen nur im Stalle gehalten, in anderen höchstens unter den Schweinen gehütet werden, und werden, wo Unordnungen vorkommen, ohne weiteres abgeschafft. Die Unterthanen zu Göhren und Cröbern halten, da einige aus der Gemeinde kein Rindvieh überwintern können, je eine Ziege und alle zusammen einen Bock. „Obschon nicht zu leugnen" sagt Klingner, „dass solches Vieh, welches dergleichen arme Einwohnere in ihren Ställen erhalten, immer denen Nachbarn gefährlich ist, weil doch dessen Eigentümer nur darauf bedacht sein wird, wie er dasselbe durch gestohlene Gräserei auch mit abgerissenen oder abgeschnittenen jungen Sprossen und Sommerlatten füttern möge." Der Müller zu Gundorf und seine Frau, alte und kontrakte Leute, welche sich zur Erhaltung ihres mühseligen Lebens der gesottenen Ziegenmolken bedienen, müssen ihre Ziegen 1717 abschaffen. Als sich die Nachbarn zu Hohenheida 1622 über ihren Pfarrer beschweren, dass er ihnen zum Schaden Ziegen halte, welche auf dem Kirchhofe die Kreuze umrissen und die Blumen von den Gräbern frässen, entschuldigt er sich damit, dass er sie den Bauern zum Besten halte, auch 1

III. 628.

4

II. 147. 163. 164.

DORP- UND FLURVERFASSUNG

35

IN KURSACHSEN.

diesen öfters zu ihrer Gesundheit Ziegenmilch und „vors geronnene Geblüte" Bocksblut zukommen lasse. 1 Gänse dürfen mitunter nur gehalten werden, wenn ein besonderer Gänsehirt bestellt wird. Auf eine Baustätte kommen zu Gohlis nicht mehr als 3 Gänse und ein Gänserich; die mehr aufgezogenen müssen zu Martini abgeschafft werden. Zu Taucha müssen die alten und jungen Gänse vor Philippi Jakobi von den Wiesen genommen werden. Zu Weissenborn ist das Gänsehalten freigegeben, sie müssen aber nach der Zeche gehütet werden. Den Häuslern und Hausgenossen in den Torgauer Amtsdörfern ist Gänse und Enten zu halten verboten, „weilen zu deren Fütterung mehrenteils denen begüterten Bauern das ihrige entwendet wird." Zu Reichenbach müssen 1725 gleichfalls sämmtliche Enten abgeschafft werden. 2 Auch die Hühner- und Taubenhaltung ist beschränkt. „Sonderlich findet man erhebliches Bedenken, denen Müllern dergleichen zu verstatten, weil sie mehrenteils von der Mahlgäste eingelieferten Körnern sich ernähren, und dergestalt die Müller oder deren Leute einer Untreue beschuldigt werden könnten." Im übrigen dürfen auf eine Hufe je 10 Paar oder auf je einen Acker ein Paar oder auf jede Hausstelle zwei Paar Tauben gehalten werden. Es ist streng verboten, an den Taubenschlägen Fallgitter oder „Rückbretter" und „Rückschnuren" zum Wegfangen fremder Tauben anzubringen. 3 Die Schafe. Fortwährend an Ausdehnung und Bedeutung gewinnt die Schafzucht. In höherem Masse, als bei den übrigen Vieharten, macht sich hier der beschränkende Einfluss der Gutsherrschaften geltend, hervorgerufen durch die Rücksicht auf das Gedeihen der gutsherrlichen Schäfereien. Um einen Vergleich mit diesen zu ermöglichen, ist vielleicht 1

IL

159—163. 615. 790. 791. I. 3 8 8 . 596. 712. III. 625.

495. 597. 699. II. 164. 165. I V . 620. 826. I I I . 625. I V . 514.

3

I. 265. 495. 637. II.

* I. 288. 191—197. 3*

36

I.

CAPITOL.

eine ausführlichere Darstellung der bäuerlichen Schafhaltung angezeigt. Nicht in allen Dörfern sind in früherer Zeit Schafe vorhanden. Im Jahre 1664 darf zu Niebra allein der Pfarrer — auch der Schulmeister nicht — Schafe halten. Die Einwohner schaffen seitdem allmählich welche an, und da bis zum Jahre 1735 kein Einspruch erhoben wird, erlangen sie durch Verjährung das Recht dazu, dürfen sie aber in ihren Feldern, wo der Gerichtsherr Trift und Hut hat, nicht hüten. Die Einwohner zu Thümlitz legen sich erst „nach der schwedischen Invasion" —1706 — Schafe zu; und im Jahre 1747 beschweren sich die Halbhüfner zu Goseln über die Anspänner, dass diese sich in letzter Zeit Schafe angeschafft hätten: das sei eine den Gemeinderügen zuwiderlaufende Neuerung und schmälere ihnen die Hütung für ihr Rindvieh. Die Anspänner wenden dagegen ein, die Halbhüfner hielten übermässig Rindvieh, besonders wider das Herkommen Zugochsen, „welche denn auf der Bauren ihren Kühen, wenn diese rindern, herum höckerten und selbigen Schaden thäten. Wäre also nicht erwiesen, dass die Halbhüfner bei Haltung der Schafe nicht sattsam Futter für das Rindvieh hätten." 1 An vielen Orten mag der Hergang ähnlich gewesen sein. Bereits 1530 hält die Gemeinde zu Grossengottern Schafe; wieviel, ist nicht angegeben; die „Triftjunker" daselbst haben auf ihren Rittergutshufen je 75 Stück. Die Schafordnung zu Eutritzsch von 1591 ist bereits angeführt. 1621 wird den Unterthanen zu Pomssen „nicht aus Schuldigkeit, sondern blos auf ihr inständiges Bitten" Schafe zu halten erlaubt; sie müssen aber von sechs zu sechs Jahren aufs neue darum nachsuchen und ein gewisses Triftgeld abstatten. 1682 wird dies Abkommen erneuert. 2 Wie zu Eutritzsch ist an den meisten Orten die Zahl der Schafe genau vorgeschrieben. So kommen zu Ramsdorf, 1661, auf je 3 Acker 2 Schafe; auf die Baustätten und Häuser aber keins. Zu Kranichborn, 1667, auf 1 Hufe 4, 1

II.

425. 768. 777.

2

II.

576. 776.

Γ. 6 2 1 .

DORF- UND FLUR VERFASSUNG IN KURSACHSEN.

37

auf Vü Hufe 2 Schafe; wer weniger als Hufe hat, keins. Zu Kötschau, 1681, auf 1 Viertelhüfner 6, 1 Halbhüfner 8, 1 Pferdner 12 Schafe. Zu Döben, 1685, auf 1 Pferdner 12, auf 1 Gärtner oder Hintersassen 6 Stück; samt den davon fallenden Lämmern dürfen sie bis Bartholomäi ausgetrieben werden. Ein Lamm darf bis zur Kirmeszeit gehalten werden. Ferner entfallen zu Prehna, 1690, auf 1 Hufe 8 alte Schafe; sie dürfen über Sommer mit den Lämmern ausgetrieben werden, zu Weyda 1705, auf 1 Hufe 16 „Nöser und Stöhre", ohne den Zuwachs, welcher Michaelis abgeschafft werden muss. Zu Gohlis, 1720, auf jede Hofstätte und auf jeden Acker 1 Schaf. 1 Die Gothaische Landesordnung von 1667 setzt für die Ortschaften, wo keine besonderen Gerechtsame und Verträge bestehen, fest, dass diejenigen, die keine Äcker haben, gar keine Schafe, die übrigen aber auf je eine Hufe 8 Schafe zu halten befugt sein sollen. In den meisten Ortschaften des Amts Ziegenrück werden dagegen 1704 bereits auf je eine halbe Hufe 10 — 12 Stück Schafe gehalten. 2 Zu Poxdorf kann 1722 Jeder nach Belieben Schafe überwintern ; „sobald sich aber das Schaf sömmem und ohne Fütterung behelfen kann", darf jeder nur die gesetzte Anzahl , 1 Stück auf je einen Acker eigenen Feldes, austreiben. 3 Zu Laue kommen 1725 auf eine Hufe nicht mehr als 16 Stück Schafe; zu Hohenheida dagegen im selben Jahre auf jeden Acker zwei und auf jeden Hof drei Schafe, wobei die Lämmer, bis sie jährig, frei mitgehen. Zu Zweinaundorf hat 1727 ein Pferdner 25, ein Hintersasse 12 Schafe, zu Weissenborn und Stolzenhain ein Hintersasse 1731 — „von langer Zeit an" — nur 5, ein Anspänner nur 8 Schafe. 4 Ohne Jahreszahl ist die Angabe für Mockau, wo von Jakobi ab 20 Schafe auf eine ganze, 10 Schafe auf eine halbe Hufe gestattet sind. Ausserdem kann jeder Hüfner 4, 1 3

II.

I.

773.

637. 4

II.

II.

153.

152.

152.

150.

165.

768.

I.

867.

495.

619.

I.

596.

2

II.

140.

606.

38

I.

CAP1TEL.

jeder Halbhüfner 2 Lämmer zur Kirmes oder in die Haushaltung schlachten. 1 Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts scheint ein massiges Schafhalten der Bauern allgemein üblich zu sein. Der Gemeindehirt.

Der Gemeindehirt oder Hutmann ist nichts anderes als ein Dienstbote, der mit Einwilligung aller zu einer Gemeinde gehörigen Nachbarn gewöhnlich auf ein Jahr gegen einen bestimmten Lohn vom Richter angenommen wird. Dies geschieht hier und da schon sehr früh, so 1300 zu Schönwerda, und 1344 zu Stönzsch, an andern Orten erst viel später: zu Prehna wird erst 1690 ein beständiger Gemeindehirt bestellt, wodurch das „wirkliche Hüten", d. h. die zur Zeit übliche Art des Hütens, beseitigt werden soll, welches „die Kinder von der Schule" abhält. 2 In manchen Dörfern ist zur Annahme eines neuen Hirten die Erlaubnis der Gerichtsherrschaft notwendig; dies ist ohne weiteres verständlich, dort, wo der Gerichtsherr durch Erwerb von Bauerngütern Nachbar geworden ist. Aber auch sonst muss er um seine Zustimmung angegangen werden. Der Hirt muss ihm und der Gemeinde seine Zeugnisse vorlegen. 3 Allgemein gilt der Satz des Sachsenspiegels, dass jeder Besitzer von drei und mehr Hufen einen besonderen Hirten halten kann. Aber nicht immer wird, selbst von Gerichtsherrschaften nicht, davon Gebrauch gemacht. 4 Sogar z w e i Gerichtsherrschaften haben mit ihren in einem Dorfe wohnenden Unterthanen einen gemeinschaftlichen Hirten/' Und die Gemeinde zu Crasslau macht mit den Einwohnern zu Wengelsdorf und Leina eine Gemeinde aus und hat mit ihnen zusammen einen Gemeindehirten.0 Andererseits werden in einem Dorfe für die verschiedenen Vieharten besondere Hirten bestellt. 7 1 II. 14H. * II. 864. III. 163. 223. II. 867. 202. s II. 210. 867. 5 II. 738. 6 II. 208. 1 I. 706. * II. 242. 243. 216. 214.

DORF- U N D

FLURVERFASSUNG

IN

KURSACHSEN.

39

Der Lohn des Hirten besteht in Geld oder in Getreide. Die Taxordnung für Kursachen von 1623 setzt fest, dass ein Kuhhirt vier Gulden, ein Schweinehirt drei Gulden und ein Gänsehirt zwei Gulden sechs Groschen Lohn erhalten soll. 1 Meist wird jedoch der Geldlohn durch Getreide ersetzt, und dies Getreide wird zu verschiedenen Terminen, zwei oder drei Mal jährlich von den einzelnen Verpflichteten nach der Zahl ihrer Hufen oder Acker oder nach der Zahl der verschiedenen Vieharten bei dem Richter oder auf dem Gemeindehause zusammengeschüttet; davon hat es den Namen Hirtenschutt. Bisweilen hat die Gerichtsherrschaft das Recht einen eigenen Hirten zu halten, während sie doch für den Gemeindehirten mit „schütten" muss.2 An einigen Orten ist der Richter von der Leistung des Hirtenschuttes befreit. Von ertragreicheren Feldern muss mehr geschüttet werden, als von schlechten gleicher Grösse. 3 Wenn der Gerichtsherr sein Rindvieh mit vor den Gemeindehirten treibt, so trägt er mehr zum Hirtenschutt bei, als wenn er blos die Schweine hüten lässt. An anderen Orten geht sein Vieh überhaupt frei mit. Der Gemeindehirt muss das herrschaftliche Vieh vom Hofe abholen, während die Bauern das ihrige „vor ihn" treiben müssen, wenn er knallend oder tutend durchs Dorf zieht. 4 Mitunter darf ein eigener Hirt blos für einen Teil des Viehes gehalten werden; das andere muss gemeinschaftlich gehütet werden. 5 Da die Hirten für* das durch Pfändungen oder sonstwie verloren gehende Vieh und für den angerichteten Schaden verantwortlich sind, müssen sie vom Heimbürgen oder Richter über die Grenzen der Weidegründe, über die offenen und geschlossenen Zeiten und über die Trift- und Hutgerechtigkeiten belehrt werden. e Bei Ausübung ihres Berufes werden sie oft schwer misshandelt, „wie man aber dergleichen handgreifliches Bezeigen dem von Natur groben Bauer zu gute halten kann, also ist denen Gerichtsherren um desto ΓΓ. 238-242. 201. 2 II. 214. 216. 242—250. 864-866. 867. 873-881. 882. I. 515. 686. 687. 8 II. 252, 863. * II. 208. 211. 213. 244. I. 630. 669. 673. II. 214. 876. 6 I. 453. II. 243. 732—743. 6 II. 212. 230. 232-235. 858. 1

40

I. CAPITEL.

unanständiger, wenn sie in eigner Person mit denen Hirten und Bauern deshalber handgemein werden." 1 Wenn das Vieh des Abends von der Weide heimkommt, muss es sogleich eingethan werden und darf nicht im Dorf oder in der Stadt herumlaufen. Neben vielen Dorfordnungen besagt darüber die am 3. April 1559 aufgerichtete Willkür, Statuten, Gebräuche und Ordnung der Stadt Dresden, dass „kein Bürger noch Einwohner Schweine, Gänse, Enten und dergleichen Vieh auf der Gassen gehen und laufen lassen, und da sie befunden, sollen sie genommen und an die Spittel ausgeantwortet werden; gleichergestalt sollen die Bäcken, zu Verhütung grossen Stanks, der Mastschweine Samblung in der Stadt nicht halten. § 3. D i e

Allmend.

Trift and Hutung.

Trift und Hut bezeichnet 1. den Ort·, wo getrieben und gehütet wird, 2. die Bethätigung des Treibens und Hütens und bedeutet 3. so viel wie Triftgerechtigkeit und Hutgerechtigkeit, d. h. das Recht zu treiben und zu hüten. Über den zweiten Sinn soll hier zunächst gesprochen werden, sodann über den ersten, während die Servituten erst bei dem Kapitel von den gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnissen behandelt werden können. Die ursprünglichste Form des Treibens und Hütens ist wohl die, dass es von allen Nachbarn gemeinschaftlich vorgenommen wird. Dieses gemeinschaftliche Treiben und Hüten ist nicht ex iure servitutis praediorum herzuleiten, sondern es ist als ein gemeinsames Recht der Nachbarschaft anzusehen, welches den einzelnen Nachbarn dergestalt zusteht, dass nicht jeder Einzelne sein eigen Vieh auf die Allmend und auf sein eignes Feld, sondern alle zusammen ihr Vieh in einer Heerde nach der Zeche oder durch den Gemeindehirten treiben und hüten lassen dürfen. Dabei kommt die alte Allmendnatur auch der aufgeteilten Feld1

II. 2 3 6 - 2 3 8 .

2

II. 166.

DOEF- UND FLURVERFASSUNG IN KURSACHSEN.

41

mark wiederum zum Vorschein. 1 Nachdem auch die übrigen Einwohner das Recht Vieh zu halten und auszutreiben erworben haben, haben die Nachbarn bisweilen ein Vortrift- und Vorhutrecht jenen gegenüber behalten, welches darin besteht, dass sie ihr Vieh erst einige Tage lang allein auf die eben geöffnete Weide, Brache , Wiese oder Stoppel treiben ,'2 Wird ein Teil der Allmend neu besiedelt, so behält gewiss oftmals die Muttergemeinde das Triftund Hutrecht auf der Flur der neuen Ansiedlung, während diese ihrerseits die Weiden jener mit betreibt und behütet. Aber auch wenn ein solches Kolonialverhältnis nicht vorhanden ist, teilen sich mehrere Dörfer in die Benutzung einer und derselben Allmend. In diesen Fällen spricht man von einer Koppelhut und Koppeltrift. Die Weidegemeinschaft ist oft eine so innige, dass selbst mehrere Ortschaften zusammen nur einen Gemeindehirten haben. Nach und nach nimmt anscheinend f a s t in allen Fluren der Gutsherr Bauernland in Besitz, und erlangt dadurch Trift und Hut in der aufgeteilten Feldmark, die er zunächst gemeinschaftlich mit der Gemeinde ausübt, bis dann im Laufe der Zeit die Gemeinde mehr und mehr beschränkt, und für jenen schliesslich eine wirkliche Servitut gebildet wird. 3 Aber nicht immer wird mit einem Grundstück zugleich auch das Trift- und Hutrecht an den neuen Eigentümer übertragen. Besonders mag das bei den Genieindewäldern der Fall gewesen sein, die an vielen Orten in den Besitz des Landesherrn oder des Gutsherrn übergingen; es scheint dann als Servitut, was nur Rest des Eigentums ist. An denjenigen Orten, wo Trift und Hut aus irgendwelchen Gründen nicht ausgeübt werden kann, wird sie ersetzt durch das „Grasen", d. h. durch das Schneiden des Grases mit der Sichel. „Gegrast" wird vorzugsweise auf Rainen, Grabenrändern, in Hölzern u. s. w., und es bestehen dafür verschiedene Vorschriften, je nachdem es auf der Allmend oder auf eignem Besitz geschieht. Weiber, die zum

1

I. 637. 661.

2

II. 29. 533. 849.

5

II. 498.

42

I. CAPITEL.

Grasschneiden gehen, dürfen keine Ziegen mitnehmen, um sich etwa so einen Teil der Arbeit zu ersparen. 1 Die Ausübung der Trift und Hut gestaltet sich nun im Einzelnen höchst mannigfaltig, und es kommen unendlich viel Ausnahmen von der eben gegebenen Regel vor. Nicht immer werden alle Vieharten gemeinschaftlich gehütet; oft blos die Schafe, blos das Rindvieh u. s. w., oder das Vieh wird nur zu gewissen Zeiten und auf bestimmten Grundstücken gemeinsam, zu anderen Zeiten und auf anderen Grundstücken besonders gehütet. Alles dies richtet sich nach den verschiedenen Kategorien der Weideländereien, von denen einige jetzt zu betrachten sind. Wir kommen damit zu der Trift und Hut im lokalen Sinne. Trift und Hut schlechthin sind die Gemeinweiden. Die Gemeinweiden. Der mit Gras bewachsene und zum Hüten geeignete Teil der Allmend ist die Gemeinweide oder der Gemeinanger. Wo ausgedehnte Gemeinweiden vorhanden sind, pflegt man ein Stück davon zur Gänseweide abzutrennen und den Rest in drei Teile zu zerlegen. Der erste dieser Teile wird von Walpurgis an mit dem Vieh betrieben; der zweite wird bis Pfingsten „gehegt", und heist daher Pfingstweide oder Pfingstanger; der dritte wird erst nach Johannis „aufgethan", und führt deshalb die Bezeichnung Johannisweide. — Auch für die Pferde wird oft eine besondere Pferdeweide ausgeschieden. — Wo wegen des geringen Umfangs der Gemeinweide jene Dreiteilung nicht vorgenommen werden kann, wird das Vieh gemeiniglich, erst um Pfingsten darauf getrieben, und man nennt dann die ganze Fläche Pfingstanger. 2 Sobald das Getreide von den Feldern abgebracht ist, wird der Anger gewöhnlich nicht mehr mit dem Rindvieh behütet, das alsdann auf die Stoppeln getrieben wird, während die Schafe noch eine Zeitlang auf den Anger gehen. 3 Die Verwandlung der Anger in Feld wird oft von den Gemeinden 1

I. 249. 258. 595. 103. 215. Lexikon. Klingner an vielen Orten.

2

I. 205.

s

Zincke, ökonomisches

DORF- UND FLURVERFASSUNG IN KURSACHSEN.

43

in Erwägung gezogen, wenn sich das Bedürfnis nach mehr Ackerland geltend macht. Vielleicht ist ehemals ein Anger Überschwemmungen ausgesetzt gewesen, neuerdings aber durch Dämme geschützt und so erst anbaufähig geworden. Andrerseits ist ein Anger oft so trocken, dass nach vierzehntägigem Hüten das Gras abgefressen ist. und nicht wieder nachwächst. 1 Aber die einmal darauf ruhenden Weiderechte verhindern in den meisten Fällen eine wirtschaftlich vorteilhaftere Benutzung solcher schlechten Weideländereien. Zur Gemeinweide ist weiter die Trift und Hut in den Gemeinde,hölzern" zu rechnen. Ihre Benutzung unterliegt ebenfalls gewissen Vorschriften bezüglich der Dauer des Behütens, insbesondere aber gewissen Beschränkungen hinsichtlich der aufzutreibenden Vieharten. — Gern werden die Schweine in den Wäldern gehütet, die besonders unter den Eichen das ihnen so bekömmliche Mastfutter finden.'2 Bei der Benutzung der Gemeinweide handelt es sich ursprünglich um die Ausübung von Miteigentumsrechten seitens der Nachbarschaft. Es ist bereits nachgewiesen, dass allmählich auch andere Dorfeinwohner des Nachbarrechts teilhaftig werden, wodurch sie dann zugleich zum Mitgenuss der Allmend gelangen. An einigen Orten findet sich ein eigentümliches Mittelding zwischen Allmend und aufgeteilter Feldmark; es sind das Wiesen, auf denen die Heuernte Sondereigentum ist, während die Grummeternte zu Gunsten der Gemeindekasse verkauft wird. 3 Den Gemein weiden stehen hinsichtlich der Art und Weise der Benutzung vielfach gleich die sogenannten Lehden.

1 s T. 704. 658. 665. I. '204. 710. 711. Auch die anderweitigen Waldnutzungen sind geregelt. AVer zu Lindenthal aus der Gemeinde „Holz", ohne Wissen und Erlaubnis der Gemeinde, H o l z , Laub oder Gras h o l t , gibt fünf Groschen B u s s e , muss den etwa angerichteten Schaden ersetzen und das gewonnene Holz, Laub oder Gras bezuhlen. I. 683. ' Schriften der Leipziger ökonomischen Sozietät. Bd. VIII. Dresden 1790. S. 417—436.

u

I. CAPITEL.

Die Lehden.

Die Lehden — auch Laiden, Leiten oder Colleiden genannt, liegen in der Flur, ohne Zusammenhang mit der Gemeinweide. Lehde ist verlassenes Ackerland, das gewöhnlich als Weide benutzt wird, wenn die Unzugänglichkeit des einzelnen Stückes nicht die Ersetzung der Weidegerechtigkeit durch die Grasegerechtigkeit notwendig macht. Sowohl herrschaftliches als bäuerliches Land, und zwar entweder ganze Gewanne und Hufen oder einzelne Äcker können zu Lehde werden. 1st eine Grase- oder Weidegerechtigkeit darauf erworben, so darf die Lehde nicht wieder umgerissen und zu Acker gemacht werden. Die Lehden stehen entweder im Gemeindebesitz oder im Privatbesitz, und dieser ist teils bäuerlicher, teils gutsherrlicher. In den Dorfschaften der Ämter Querfurt, Wendelstein, Eckartsberga, Sangerhausen und Sittigenbach werden die wüste liegenden Stätten, bis sich ein Anbauer findet, zur Gemeindehut und -trift gezogen und mit dem herrschaftlichen und bäuerlichen Vieh betrieben. Die Erlangung von Servituten ist hierbei also durch die Übereinstimmung und Festsetzung der Parteien ausgeschlossen. 1 „Dergleichen unangebaute T r i f t p l ä t z e s a g t Klingner, „werden insgemein und fast allenthalben Lehden genannt, und es gehören hierher nicht nur diejenigen Ländereien, welche von undenklichen Jahren her ganz öde und wüste gelegen haben, wovon weder Dienste noch Abgaben geleistet worden sind, — welches mehrenteils von denen alten Kriegsunruhen und Verheerungen ganzer Gegenden herrührt, sondern auch diejenigen, welche von den Eigentümern bei Menschengedenken blos zur Viehweide liegen gelassen und zur Bebauung einiger Früchte nicht bestellt worden sind." s Die Benutzung der Lehden seitens der Gemeinden war eine ziemlich freie und verschiedenartige. An den sogenannten ' II. 972.

2

II. 312. 323. 967.

DORF- UNI) FLl'RVKRKASSUKG IN Kl'RSACHSKN.

45

Giesinganger zu Altranstädt stossen zwei Lehden, „oder unbesäte Stücke Feld", etliche 20 Schritte breit, auf denen die Gemeinde in manchen Jahren ihr Vieh hütet, die sie aber in anderen Jahren zur Gras- und Heugewinnung verpachtet. 1 Die Gemeinde zu Gleina bricht Steine auf den am Pfarracker gelegenen Lehden. Damit aber die „Trift" — Weide — nicht ruinirt sondern verbessert werde, werden die Löcher mit dem aufgegrabenen Erdreich und dem abgehobenen Rasen wieder ausgefüllt. Verwickelt werden die Verhältnisse aber erst, wenn auf der Lehde ausser dem Besitzer auch noch allerlei Berechtigte mitzureden haben. Wohlerworbene Servituten beeinträchtigen nämlich die freie Verwendung der Lehden in hohem Masse. Die Streitigkeiten hierüber müssen sehr zahlreich gewesen sein, wie u. a. auch daraus hervorgeht, dass die Landesherren Gelegenheit nahmen, die einschlägigen Verhältnisse zu regeln. Nach einer ausdrücklichen kurfürstlichen Verordnung von 1572 darf der Grundherr zu Nachteil desjenigen, dem die Weidegerechtigkeit darauf zusteht, die alten Lehden keineswegs umreissen und zu Felde machen, muss vielmehr die bereits umgerissenen Felder wiederum zur Weide liegen lassen, ausser wenn sonst an dem Orte genug Weide vorhanden, so dass durch solches Umreissen die Servitut des anderen nicht — erheblich — geschmälert noch gänzlich entzogen wird. 3 Es ist klar, dass solche Vorschriften den wirtschaftlichen Fortschritt aufzuhalten geeignet sind, wenn nicht Gemeinde und Herrschaft einsichtig genug sind, durch einen Vergleich die Sache zu regeln, wie es beispielsweise zu Horburg geschah. 4 Zu Göltschen soll 1706 eine Gemeindelehde geteilt und umgerissen werden; doch da die Gerichtsherrschaft zu Störmthal wegen ihres Nachbargutes zu Göltschen einen grossen Anteil daran hat und ihre Trift- und Hutrechte nicht aufgeben will, muss es unterbleiben. 5 Ebenso ergeht es der Gemeinde zu Böhlitz, welche die im Gemeindebesitz befind1

II. 620. 337. 1014.

2

II. 330.

8

II. 320.

4

I. 207. 727-731.

* II.

46

I. CAP1TEL.

lichen, auf der Böhlitzer „Flur" belegenen Lehden an einzelne Nachbarn verkauft, die diese Parzellen umreissen. 1 Auch die Gemeinde zu Wallendorf muss 1718 auf einem gewissen Bezirke die umgerissenen Äcker wieder, zu Lehden bringen" und liegen lassen. 2 Ebenso 1730 die Gemeinde zu Cönneritz.3 Die Unterthanen zu Schleinitz und den andren dahin gehörigen Dörfern dürfen ebenfalls die behufs Festlegung der herrschaftlichen Trift- und Hutungsgrenzen mit gewissen Haufen „vermalten'' Lehden nicht umackern, können jedoch auch nicht angehalten werden — was ihnen die Herrschaft anzusinnen scheint — von den jederzeit „unter den Pflug getriebenen" Feldern etwas zur Schafhaltung „als Lehde" liegen zu lassen. 4 Hingegen dürfen, da kein Vertretungsrecht beigebracht wird, die Elsterberger Bürger 1709 ihre „wüsten Acker und Eggerten" umreissen und zur Saat bestellen. 5 Jene Beschränkung des Nutzungsrechts erstreckt sich natürlich auch auf die im Einzelbesitz befindlichen Lehden. Auf dem Schörnhügel vor Weissenf eis hat 1714 Ernst Rausche ein Stück seiner Lehde umgerissen und mit Roggen bestellt; im nächsten Sommer wird das Schafvieh des Ritterguts Döhlitz darauf getrieben und gehütet, so dass „die beste Frucht zertreten, niedergequetscht, auch von der Wurzel abgefressen wird." 6 Der Schenke zu Rottenhain will 1640 ein Stück Feld und Heide nach Wiesenrecht gebrauchen und niemand darauf hüten lassen. Die alten Nachbarn bezeugen aber, dass solches Stück Gut nur „Lehdenrecht" habe und der Trift ebenfalls unterworfen sei, wenn die andren Lehden aufgethan würden. 7 Die Gerichtsherren geraten auch gegenseitig in Streit wegen der Benutzung von Lehden. — Zum Rittergut Haardorf gehört eine an die sogenannte krumme Hufe anstossende Lehde, die 1723 umgerissen, zu Felde gemacht und mit Hafer bestellt wird. Da der Gerichtsherr zu

6

1 8 II. 997. II. 318. 1 II. 977. II. 77.

8

II. 327. 319.

4

II. 313.

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II. 339.

DORF- UNI) FUTRVEUFASSUNG IN KlJRSACHSEN.

47

Göltschen Trift und Hut darauf geltend macht, muss es in Zukunft unterbleiben. 1 Zum Schlossvorwerk zu Freiburg gehört eine Lehde, der Röddel genannt; benachbarte Gutsherren versuchen wiederholt, 1634 und 1724, Stücke davon unizureissen, doch wird es jedesmal zu Gunsten der Amtsschäferei und der Amtsunterthanen verboten. 2 Und nicht minder gern benutzen die Unterthanen die erwünschte Gelegenheit, ihren Gerichtsherren zu zeigen, was Rechtens ist. Dem Gerichtsherren zu Lützensömmern sind aus der väterlichen Erbschaft 3 Acker Lehden zugefallen, auf denen seine Unterthanen von undenklichen Zeiten die Gräserei nutzen. E r reisst sie jedoch um und bestellt sie mit Safflor und Wicken, welche die Unterthanen in der Nacht zum 28. Juli 1719 Morgens von 2—3 Uhr auf eine „recht freventliche" Art abhauen. 3 Unter Umständen wird das Umreissen der Lehden gestattet , wenn andere gleich grosse Stücke zu Trift und Hut liegen gelassen werden. 4 Das sogenannte Lehdenrecht, das sich aus diesen Angaben und Thatsachen ableiten lässt, ist nichts andres, als das Recht, unter welchem auch die Gemeinweiden benutzt werden. Es kommt also bei den Lehden die ursprüngliche Allmendnatur auch der aufgeteilten Feldmark wieder zum Vorschein. Die Lehden sind Allmendinseln auf der Flur, wie die Wurten Garteninseln auf der Flur oder Allmend sind. Im Erzgebirge wird nach Hanssen die Dreesch als Lehde bezeichnet. 5 Die Wege.

Die Wege sind entweder im Gemeinbesitz oder im Privatbesitz befindlich. Die Benutzung von Privatwegen ist Dritten oft gegen Entrichtung eines Wegezinses gestattet. 6 Nicht nur durch die Bodenbeschaffenheit, sondern mehr noch durch die Anordnung der Gewanne, und durch die Gemenglage der Gutsfelder und Bauernfelder, sowie der II. 338. 978. 6 Hanssen I. S. 144. 1

2 6

II. 339. 549. II. 916.

3

I. 665.

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II. 331. 332. 1013.

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I.

CAPITEU

Äcker der einzelnen Nachbarn untereinander wurde die Überschreitung fremder Grundstücke unendlich oft zur Notwendigkeit gemacht. Mit der Ausbreitung des römischen Eigentumsbegriffes wurde vielfach zu Wegeservituten, was früher einfach Ausübung des Nachbarrechts gewesen war. Kauf und Tausch, und viele andere Umstände kommen hinzu, um das ganze Wegewesen als dunkel und wenig geordnet erscheinen zu lassen. — So tauscht beispielsweise 1699 der Gerichtsherr zu Mockau den an sein Gut stossenden Dorfanger von der Gemeinde gegen einen ihm gehörigen aber unbequem gelegenen „ Dorfgarten * ein. Die Gemeinde behält sich dabei auf der einen Seite des Angers einen Fahrweg, auf der andren einen Fussweg zu freier Benutzung vor. 1 War dieser Tausch erst einmal vergessen, so erschien die Benutzung dieser beiden Wege seitens der Gemeinde leicht wie eine Servitut auf des Gutsherrn Land. Über die wichtigste der Wegegerechtigkeiten, die Triftgerechtigkeit, wird in einem späteren Kapitel gehandelt werden. Hier soll nur einiges Wenige über die aus der Allmendnatur der Wege in Verbindung mit dem Nachbarrecht hervorgehenden Verhältnisse gesagt werden. Die einzelnen Arten von Wegen sind bestimmten, schon durch ihren Namen ausgedrückten Benutzungsweisen vorbehalten. So gibt es Fusssteige, Fahrwege, Viehwege, Mühlwege, Holzwege und so weiter. Auf einem Fahrwege darf also ohne weiteres kein Vieh getrieben, auf einem Viehwege nicht gefahren werden. Zu Gohlis muss die Gemeinde einen freien Mühlweg durch ihre Felder und Fluren für die fremden Mahlgäste halten; aber wehe dem Fremden, der sich etwa mit einer Holzfuhre auf diesem Wege betreten Hesse! 2 Solche Mühlwege werden an vielen Orten erwähnt. 3 Die Anzahl der Wege auf den einzelnen Feldmarken, ihre Benutzung und Instandhaltung wird durch die Rügen oder Dorfordnungen festgesetzt. Nach den Rügen der Gemeinde zu Oberottendorf vom 1

I. 756.

638. 640.

s

I. 598.

s

II. 916.

IV. 515

518. 641. 632.

636.

DORF- UND FLURVERFASSUNG

IN KURSACHSEN.

49

Jahre 1616 hat diese dem Erbherrn daselbst drei freie Viehwege, die er zu seinem Nutz- und Besten zu gebrauchen hat, verkauft, und sie auch bezahlt erhalten. Auf einem derselben rüget aber trotzdem die Gemeinde einen »freien Fahrweg, auch zu reiten und zu gehen" bis zur Holzstrasse. Und von solchen freien Holzstrassen selbst rüget die Gemeinde nicht weniger als sechs. Die Grundstücke, über welche, oder zwischen welchen hindurch die Wege laufen, werden durch die Namen der Besitzer genau kenntlich gemacht.1 Die Gemeinde zu Niedermuschitz rügt 1668 „ein Gässlein zum Gehen zwischen des Amtsadjunkti, Theophili Köhlers beiden Gütern und ferner den Fusssteig auf des Landrichters — Hufenrichters — und der Geschkin Felder hinaus. Weil aber dieses Gässlein ein rechter gefährlicher Diebeweg, soll er mit einer Thür und einem Blindschlosse des Abends zugemachet und des Morgens früh wieder eröffnet werden." Einen freien Weg, zu reiten, zu gehen und zu fahren, „in die Elbe", an dem Gute des Schützen vorbei, muss der Schütze alleine „halten", d. h. unterhalten. Einen Nichweg oder Weichweg — ? — nur zum Ausführen des Düngers und zum Einführen des Getreides bestimmt, muss jeder Anlieger vor seinem Ackerstücke „pfleglich halten". Einzelne Nachbarn müssen ausserdem zur Erntezeit die Überfahrt über ihre Felder den Besitzern dahinterliegender Feldstücke gestatten. Alle diese Wege darf die Gemeinde schon von Alters her gebrauchen, und es wird ausdrücklich bemerkt, dass „andere, bisher neugesuchte Fahrwege und Fusssteige hiermit gänzlich abgeschafft und der Gemeinde zum Schaden ferner nicht zu halten sind". 2 §4.

Die Wiesen.

Es gibt verschiedene Arten von Wiesen. — Die eigentlichen Wiesen haben entweder Wiesenrecht oder Gartenrecht. Haben sie Wiesenrecht oder „Heurecht", so bleiben sie nur bis zur Vollendung der Ernte geschlossen und sind, 1

III. 621.

2

III. 571. 629.

H a u n , Fr. Joh., Bauer und Gutsherr in Kursachsen.

4

50

1. CAPITEL.

sobald sie geräumt sind, für Trift und Hut offen. Wiesen, die Gartenrecht haben, können nach Belieben gehegt, und dürfen ohne den Willen des Eigentümers nicht betrieben oder behütet werden. Sie heissen deshalb auch Hegewiesen. — Noch eine weitere Art von Wiesen sind die Feldwiesen — d. h. ganz und gar von Ackern umschlossene Wiesenflecke. Sie haben Feldrecht, und müssen daher mit Beendigung der Getreideernte ebenfalls geräumt und gleich den Stoppeln zur Trift und Hut freigegeben werden.1 Bei der Separation zu Grossengottern, 1857, fand man dort 12 verschiedene Arten von Wiesen! Die Wiesen führen ebenso wie die Gemeindeweiden verschiedene Namen nach den Kalendertagen, an welchen sie geschlossen oder geöffnet werden. Diese Termine sind nicht immer dieselben für alle Wiesen einer Feldmark. Zu Gundorf gibt es Georgen- oder Gregorius-Wiesen und Walpurgis-Wiesen, so benannt nach dem Beginn der Hegung. Nach Einführung des neuen Kalenders werden jene Termine auf den 1. u. 9. Mai verlegt, so dass die von der alten Zeitrechnung hergeleiteten Namen schliesslich gar nicht mehr passen. Gleichzeitig wird die geschlossene Zeit bis acht Tage nach Michaelis ausgedehnt. 2 An anderen Orten verschiebt man diese Termine einfach nach dem neuen Kalender.8 Zu Seifertshain werden die »Grossen Wiesen" nur alle drei Jahre gemäht, wofür die Besitzer je acht Groschen für jeden Acker „in die Gemeinde" entrichten. * Die Düngung der Wiesen muss im Spätherbst nach beendeter Behütung geschehen. Der Dünger ist vor dem März wieder abzuräumen.5 Das Berieseln der Wiesen ist an vielen Orten üblich.6 Die verschiedenen Interessen der Wiesenbesitzer und der Trift- und Hutberechtigten führen zu zahlreichen Streitigkeiten, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. 7 1

I. 201. 202. 458. 496. 700. II. 332. 344. 2 I. 662. 722. 3 1. 685. 5 7 L 702. I. 662. 204. 709. 6 I. 211. III. 618. I. 713. 739. 606. 612. 698. 700 -704. 718-723. II. 421. III. 621.

4

DORF- UND FLURVERFASSUNG IN KTTBSACHSEN.

51

In denjenigen Feldmarken, wo es an Wiesen fehlte, Hess man breitere Feldraine liegen, um so den Mangel an Gras einigermassen zu decken. Doch dürfen diese Raine nur behütet werden, wenn die betreffenden Gewende in Stoppel oder Brache liegen. In den geschlossenen Zeiten dürfen sie nur „begrast" werden, und zwar von den beiden Nachbarn entweder wechselweise, ein Jahr ums andere, oder von jedem zur Hälfte, oder endlich nur von einem allein, so dass für den letzten in der Reihe noch besonders ein Streifen als Rain von der anstossenden Allmend oder dem nächsten Gewende abgestochen werden muss.1 Bezüglich der Umwandlung in Ackerfeld unterliegen die Wiesen denselben Beschränkungen wie die Gemeindeweiden und Lehden.2 § 5.

Die

Ackerwirtschaft.

Nach ihrer Lage zum Wirtschaftszentrum werden die einzelnen Ackerstücke in Binnenfelder, Heimfelder oder Heimhufen und in Weitfelder oder Aussenfelder geteilt. 3 Eine weitere Unterscheidung wird nach der Unentbehrlichkeit oder Entbehrlichkeit der einzelnen Stücke für den wirtschaftlichen Bestand des Gutes gemacht. Jenes sind Pertinenzstücke, dieses walzende Stücke oder Beistücke. Beistücke sind zunächst alle neu erkauften Ländereien; aber sie werden allmählich, nachdem sich der Wirtschaftsbetrieb auf ihr Vorhandensein und ihre Ausnutzung eingerichtet hat, zu Pertinenzstücken, und dürfen dann, gleich solchen, nicht wieder beliebig veräussert werden.4 Diese Bezeichnungen beziehen sich ebensowohl auf Wiesen, wie auf alle Arten von Ackerland. Aber auch hinsichtlich der Bewirtschaftungsweise bildet das Ackerland keine einheitliche Masse. Die Felder haben nämlich teils Gartenrecht, teils Wiesen- oder Pflugrecht. Das Gartenland heisst auch Jahrfeld, weil es Jahraus, Jahr1 I. 197. 198. 8 II. 1006. 550 ff. IL 597. 987. IV. 622.

8

II. 3. 108. 248. 299.

4

I. 166 ff. 4*

52

1. CAPITES.

ein beliebig benutzt werden darf. Das dem Pflugrecht unterworfene Land wird Artfeld genannt, weil seine Bestellung nach bestimmten Regeln in drei „ Arten" erfolgt. Das Gartenfeld bildet gewöhnlich mehrere verschieden grosse Inseln in dem Artfelde einer Flur.1 Das Jahrfeld. Die hierher gehörigen Wurten — Ländereien des Gärtners — sind bereits erwähnt. Daneben nehmen die eigentlichen Gärten, Küchengärten und Obstgärten, eine hervorragende Stelle, gewöhnlich anschliessend an die Gehöfte, ein. Die gebräuchlichsten Gartengewächse sind teils Kräuter, wie Lattich, Kresse, Spinat, Salat, Kappeskraut, Kohl, Spargel, Borretsch, Körbel und dergleichen, teils Wurzeln, wie rote und weisse Rüben, Möhren, Rettiche, Radies, Meerrettich, Pastinak, Zuckerwurzel, Selleri, Erdäpfel, Erdbirnen, „Tartuffeln", Zwiebeln, Knoblauch u. s. w., endlich Früchte, wie Kürbis, Melonen, Gurken, Artischocken, Erbsen, Bohnen u. a. An Obst finden sich die gewöhnlichen Baum- und Strauchobstarten. Der Obstbau erfreut sich hier und da besonderer Fürsorge. Noch tragfähige Obstbäume dürfen nicht umgehauen werden. Jeder Nachbar muss jährlich 3 — 1 0 — 1 5 junge üäume setzen, oder es werden von Gemeindewegen regelmässige jährliche Neupflanzungen vorgenommen.2 Im Herbst und Frühjahr muss fleissig geraupt werden. Diese Dorfgärten sind in der Regel mit Mauern, Planken oder Zäunen umgeben. Ferner werden hier und da auf der Flur fruchtbare Stellen in den Gewenden ausgesucht und eingezäunt. Dies sind die sogenannten Feldgärten oder Pflanzbeete. Das Feldzaunwesen scheint überhaupt in Sachsen, wenigstens bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, noch sehr in Blüte gestanden zu haben. Die Feldgärten bildeten also gleichsam Inseln von Jahrfeld inmitten des Artfeldes, und nahmen diesem gegenüber eine gewisse Sonderstellung ein. 1

II. 56. 76. 77. 332.

2

I. 247. 255. 264. 494. 597. III. 627. IV. 407.

DORF- UND FLURVERFASSUNG IN KÜRSACHSEN.

53

Der Grund für diese Sonderstellung der Gartengewächse ist der, dass sie viel länger stehen bleiben, als die Getreidearten, und deshalb die Trift und Hut hindern würden, wenn sie beliebig mitten zwischen jenen gebaut würden. Die Krautgärten müssen von Zeit zu Zeit verlegt werden, weil der Boden zu sehr ausgesogen und schliesslich gänzlich unergiebig wird. Im Jahre 1715 öffnen die Gemeinde und gesammte Nachbarn zu Grethen ihre diesseits und jenseits des Dorfes liegenden verzäunten Krautgärten und geben sie „in die Trift", und wollen fortan, wie es an anderen Orten gebräuchlich, ihre Kraut- und Rübenbeete in den Brachfeldern anlegen, wozu in jeder Art der vierte Teil der Äcker abgesteckt und mit gewönlichen Brachlöchern verrainet wird. 1 An vielen Orten findet sich eine eigentümliche Zuweisung von Allmendboden zu einjähriger Sondernutzung, indem bestimmte Gemeindeflecke nach der Anzahl der Nachbarn eingeteilt werden. Um die einzelnen Teile wird dann „gekabelt", d. h. geloost. Diese Gemeindeflecke müssen jedoch um Johannis von den darauf stehenden Krautpflanzen, der alsdann beginnenden Trift und Hut wegen, wieder geräumt werden. 2 Es sind also Frühbeete. Das Artfeld. Während auf dem Jahrfeld die Trift und Hut ausgeschlossen ist, wird das Artfeld zu gewissen Zeiten dafür geöffnet, gleich den Wiesen. Es unterliegt in dieser Hinsicht dem Wiesenrecht. Um dies zu ermöglichen, musste eine gleichartige Bestellung grösserer Teile der Feldmark stattfinden. Die Nachbarn unterwarfen sich freiwillig einer gewissen Ordnung, einem Zwange. Die Freiheit, das seinige nach Belieben zu nutzen, wird oft erst sehr spät aufgegeben. 3 Die Dreifelderwirtschaft ist also älter als der völlig durchgeführte Flurzwang; erst die immer mehr fortschreitende 1

I. 185. 625. 631. 564. 39. 345. 646. 682 ff. IV. 108. 742. I. 645. 698. 662.

* I. 213. 603. 646 ff. 625. 664. 679. Π. II. 69. 310 bis 317. 551. 617. 733.

s

54

I. CA.PITEL.

Zerstückelung machte ihn notwendig. So breitet sich über die Gemenglage der Äcker die Dreifelderwirtschaft, und fasst die für sich allein wirtschaftlich kaum noch nutzbaren kleinen Flächen zu grösseren Einheiten zusammen, deren Bearbeitung nach den Regeln des Flurzwangs erfolgte. Die unter dem Flurzwang stehenden Acker wurden zu bestimmten Zeiten gepflügt, überhaupt bearbeitet und abgeerntet: sie hatten Pflugrecht. Alles dem Pflugrecht unterworfene Land zerfiel in drei Felder oder „Arten". Diese heissen Winterart, Sommerart und Brachart. Die Sommerart heisst nach dem vor alters üblichen Zeitpunkt des Beginns der Bestellung auch Fastenart. 1 Auch beim Antritt von Pachten musste das Pflugrecht selbstverständlich beobachtet werden. Der Pächter musste die gerade im Gange befindliche Bestellung der Äcker mit der gegebenen Fruchtfolge einfach fortsetzen. Das Pflugrecht verhindert die Umwandlung der Äcker ζ. B. in Weinberge oder Hopfengärten, Wiesen, Jahrfeld u. s. w. 2 Der darin liegende Zwang muss sehr oft als recht lästig empfunden worden sein, denn es werden fortwährend Verbote erlassen, „die Arten willkürlich zu ändern", d. h. die Fruchtfolge auf einzelnen Äckern oder Gewenden beliebig zu wechseln.3 Die Dreifelderwirtschaft ist nach unsern Urkunden in den sächsischen Landen die Regel. Nur an zwei Stellen werden, neben diesen drei Arten, vier Arten erwähnt, jedoch ohne nähere Angabe über Fruchtfolge und Brachhaltung. Es scheint indes ein- bis zweijährige Brache und dementsprechend drei- bis zweimalige Bestellung zu sein.4 Winterart und Sommerart.

Nach den drei Arten zerfallen die Feldfrüchte in Winterfrüchte, Sommerfrüchte und — da die Brache wohl überall längst nicht mehr reine Brache ist, sondern „be* I. 628. · I. 680. II. 350. 1031. 8 I. 175—178. 195. 197. 183. 495. 588—591. 618. 621. 624. 637. 645. 669. 659. 661. 646. II. 17. 33. 56. 401. 455. 656. 691. 988. 1018. 1027. 4 I. 641. II. 471.

DORF- UND FLURVERFASSUNG IN KURSACHSEN.

55

sommert14 wird — in Sömmerungsfrüchte. meist kurzweg „Sommerung" genannt. Zu den Winterfrüchten gehört Winterweizen, Winterroggen, Wintergerste, Winterrübsen und Dinkel. Zu den Sommerfrüchten Gerste. Hafer, Erbsen, Linsen, Wicken, Bohnen, Buchweizen, Hirse, Flachs, Hanf. Sommerroggen und Sommerweizen sind selten. 1 Die Stoppeln sowohl in der Winterart als in der Sommerart dienen als Weide. Doch darf nicht zwischen den Mandeln oder „Glogen" gehütet werden. Deshalb sind die Felder binnen einer bestimmten Frist — vierzehn Tage — nach Beginn der Ernte vollständig zu räumen. Wer im Rückstand bleibt, hat den durch das Vieh angerichteten Schaden zu tragen. — Der Futtermangel ist meistenteils so gross, dass selbst die Wintersaat im Laufe des Winters bei Frostwetter mehrere Male, bis vier Mal, betrieben wird. An Stelle dieses „Überhütens" tritt im Frühjahr und im Sommerfelde das Schrappen, d. h. das Abschneiden der jungen Halme vor der Entwicklung der Ähren. 2 Die einzelnen Bestell- und Erntearbeiten im Winterund Sommerfelde sollen bei der Darstellung der Gutswirtschaft beschrieben werden, da die Unterschiede in der Bearbeitung des Guts- und des Bauerlandes naturgemäss höchst geringfügig waren. — Es ist deshalb hier eingehender nur noch die Brachart zu behandeln. 3 Die Brache.

Der alte Zustand auf der Flur, reichliches Weideland und, damit verbunden, ausgedehnte Viehhaltung, ebenso reichliches Ackerland mit extensiver Bewirtschaftung muss allmählich neuen Bedürfnissen weichen. Bei dem Anwachsen der nicht-ackerbautreibenden Bevölkerung stellte sich zuerst der Wunsch nach vermehrter Körnererzeugung ein. Derselbe konnte auf zweifache Weise erfüllt werden: einmal — was jedoch nicht auf allen Feldmarken möglich war — durch Inangriffnahme neuen Landes, das bisher ungenutzt gelegen hatte, sodann durch intensivere Ausnutzung, bessere 1

I. 167. 624. 679. II. 699.

2

II. 494. 660. 861.

* I. 185. 631.

56

I. CAPITEL.

Düngung und Bearbeitung des bisher bereits bestellten. Beides bedingte zum mindesten die Beibehaltung wenn nicht Vermehrung des bisherigen Viehstandes, welches Bestreben uns ja allerorten entgegengetreten ist, während die Ernährung des Viehes durch das allmähliche Zusammenschwinden der Weide und des Brachfeldes aufs ärgste erschwert wurde. Und zwar wurde die Brachweide nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich in bedeutendem Masse eingeengt und verkürzt.1 Um alle diese Umstände würdigen zu können, müssen wir einen Blick auf die historische Entwicklung der Feldbestellung werfen. Das Brachfeld wurde im 8., 9. und 10. Jahrhundert nur zweimal, um Johannis und im Herbst zur Saat geflügt, und das Sommerfeld gar nur einmal im Frühjahr, da bis dahin die Stoppel des Wintergetreides liegen blieb. 2 Erst etwa vom 13. Jahrhundert an kam das dreimalige Pflügen des Brachfeldes auf, indem zwischen der ersten Furche im Juni und der Saatfurche im Herbste noch die Furche im Spätsommer gezogen wurde. Noch späteren Datums ist das Aufbrechen der Stoppel im Winter und das zweimalige Pflügen des Sommerfeldes im Frühling zu Gerste und Hafer, was stellenweise noch 1708 erst mit der Hälfte der Sommerart geschehen darf, sowie das viermalige Pflügen zur Wintersaat. 3 Da diese fortschreitende Verbesserung auch die Gutswirtschaft ergriff, so ist es klar, dass die Bestellung der Gutsäcker^durch die Bauern allmählich eine beträchtliche Vermehrung der Ackerfrohnen zur Folge gehabt hat, wie später gezeigt werden soll. Räumlich wurde die Brache dadurch eingeengt, dass ein immer grösserer Teil des Brachfeldes für den Anbau von allerlei Sommergewächsen in Anspruch genommen wurde, dass die Brache „besömmert" wurde. — Die Sommerung besteht entweder aus Früchten, die allmählich aus den Kraut- und Feldgärten auf die Brache hinauswanderten, oder aus solchen, die erst im Laufe der Zeit bekannt wurden, wie Klee und Kartoffeln, 1

I. 195. 588. 178. 2 Haussen, Zur Geschichte der Feldsysteme 8 in Deutschland. I. Bd. S. 163. I. 590. 618. 628. II. 584. 631. 675. 763. 951. 987—990.

DORF- UND FLURVERFASSUNG IN KURSACHSEN.

57

und die dann weder in der festen Ordnung des Winterund Sommerfeldes noch auf dem beschränkten Raum der Feldgärten ein genügendes und sicheres Unterkommen fanden. Doch sind die eigentlichen Gartengewächse, Salat, Zwiebeln, Spanischer Klee, Kanarienfutter und dergleichen ausgeschlossen. Möhren werden 1699 zu Laue als „etwas neues" bezeichnet, und 1739 verlautet aus Frankenhausen: der Klee wäre vor weniger Zeit erst eingeführt worden. In der Gegend von Halberstadt werden — wenn dieser kleine Sprung über die Grenze unseres Gebietes erlaubt ist — 1750 noch keine Kartoffeln gebaut. 1 Die Sommerung ist, mit wenigen Ausnahmen, überall üblich, schon ziemlich entwickelt und geregelt, und schreitet ungeachtet aller Verbote des „Beschmierens" der Felder immer weiter fort. 2 Seit 1732 wird gesommert zu Hohenheida.^ Es wird gewöhnlich ein bestimmter Strich dazu abgestochen, der einen auf den einzelnen Feldmarken sehr verschiedenen Teil der Brache ausmacht: V» bis V* bis l/3 bis '/z des Brachfeldes wird besömmert. 4 Wer mehr sommert, hat zu gewärtigen, dass es ihm einfach abgehütet wird. Ja es kommt — um 1700 — vor, dass die ganze Brachart ganz beliebig besömmert wird. Ζ. B. findet zu Sietzsch 1748 eine Besömmerung der ganzen Brache statt. Auf der Feldmark zu Sitzeroda heisst Brachschlag geradezu dasjenige Feld, wo Kraut, Rüben, Hirse und Heidekorn gebaut werden. Wegen Mangel an Ackerland ist es hier nämlich unmöglich, die Brachart ordentlich zu halten. 5 Durch das Bestreben, die Sommerung immer weiter auszudehnen, gerät der Bauer in einen langen und erbitterten Kampf mit dem herrschaftlichen Schafvieh, wegen der Trift und Hut desselben auf seinen Feldern. Dabei war der wirtschaftliche Nutzen der Sommerung nur ein augenblicklicher und scheinbarer. Bei der ungenügenden Düng1

2 I. 617. II. 569. 1049. 1578: II. 580. I. 654. 655. 658. 661. 179. 181. 187. 195. 588. 621. 645. 649. 691. II. 351. 567. 584. 3 I. 663. * I. 590. 601. 603. 608. 654. 6 1 6 - 1 8 . 614. 626. 633. 647. 669. 684. II. 494. 5 568. 6 4 8 - 6 5 1 . II. 925.

58

I. CAP1TEL.

ung schadete sie der darauf folgenden Winterfrucht ungeheuer. Die besömmerte Brache brachte durchschnittlich nur halb soviel Ertrag, wie die reine Braehe. 1 Man begreift deshalb, wie im vorigen Jahrhundert rationalistische Geistliche dazu kommen konnten, im Anschluss an das Weihnachtsevangelium über den Nutzen der Stallfütterung zu predigen, an deren Einführung sie selbst als Landwirte ein nicht geringes Interesse hatten. Es hat aber lange gedauert, bis dieser Ausweg aus dem Labyrinth von Trift und Hut, Dreifelderwirtschaft und Sommerung wirklich und allgemein eingeschlagen wurde. Als Sömmerungsfrüchte werden hauptsächlich erwähnt: 2 Klee Erbsen 3 Rübsen4 Wicken 5 Bohnen 0 Wurzeln 7 Rüben 8 Möhren 9 Erdbirnen 10 Lein 11 Safflor 12 Schmalz und Schmälinge. 13 Die Zeit der Besömmerung ist die letzte Woche des Juni und die erste des Juli. Mit der fortschreitenden Ausdehnung derselben vermehrte sich wiederum die Arbeit des Landmannes um ein beträchliches, während die reine Brache gar keine Zeit beanspruchte. Um in Kriegszeiten den Ernteausfall einigermassen zu decken, wird den Unterthanen dann bisweilen eine über das übliche Mass hinausgehende Besömmerung gestattet, 14 indem der Gutsherr auf einen Teil der ihm zustehenden Weiderechte vorübergehend verzichtet. Der Beginn aller Feldarbeiten in den drei Arten, sowie der der Ernte, des Hütens u. s. w. war wegen der Gemenglage durch den Flurzwang genau bestimmt, und zwar meist nach festen Kalendertagen. Dies war an sich ja notwendig, aber in Anbetracht der wechselnden Witterungsverhältnisse in den einzelnen Jahren nicht vorteilhaft. Ganz unsinnig jedoch war die Bestimmung nach Terminen, die wegen ihres Zusammenhangs mit dem Osterfeste sich selbst wieder um vier bis fünf Wochen gegeneinander mit 1 3 II. 1057. 2 I. 646. 647. I. 599. 647. * I. 599. 5 I. 599. II. 765. β I. 662. 1 I. 179. β j. 189. 636. 647. 9 I. 190. 647. 689. 12 ι° I. 646. 647. 662. 11 I. 599. 662. II. 814. nicht: I. 617. I. 189. 15 14 666. I. 662. 684. 194. II. 1056. I. 624.

DORF- UND FLURV^RFASSÜNG IN KURSACHSEN.

59

jenem verschoben. Eine grosse Verwirrung in alle diese Bestimmungen brachte die Einführung des neuen Kalenders im Jahre 1700. Dadurch konnten auch die bis dahin festen Termine um 10 Tage schwanken, indem die einen nach dem neuen, die andren nach dem alten Kalender rechneten. Ein reichlich benutzter Anlass zu unzähligen Streitigkeiten war damit gegeben. War ζ. B. einem Halbhüfner das Futter knapp geworden, so wollte er gern nach dem alten Kalender, also möglichst lange, hüten, während die mit reichlichem Lande versehenen Pferdner, 13/·» Hüfner, 2 '/-2 Hüfner u. s. w. gern nach dem neuen Kalender möglichst früh anfangen wollten zu pflügen u. s. w. u. s. w. 1 Versetzen wir uns nun noch auf einige Augenblicke im Geiste um zweihundert Jahre zurück in ein altes sächsisches Dorf, um die jährliche Frühjahrsbesichtigung der Marken, Grenzen, Raine, Gräben, Acker, Wiesen, Wege u. s. w. mitzumachen. § 6. E i n e

Flurbesichtigung.

Es ist der zweite Montag nach Pfingsten. Gestern ist die Wahl des neuen Dorf- und Hufenrichters sowie der Schoppen oder Beisassen vorgenommen, und heute findet dorfordnungsgemäss die „Berainung" oder „Begehung" der Felder statt. 2 Der Regen, der gestern die Fluren erquickte, hat nachgelassen, und es verspricht ein schöner Tag zu werden. Das ist sehr wünschenswert und nötig, denn bei Regenwetter würde die Flurbesichtigung auf einen späteren Tag verschoben werden müssen. Wir nehmen einen Spaten auf die Schulter und eilen dem Gemeindehause zu. Zwei junge Nachbarn, die sich gestern in die Nachbarschaft eingekauft haben, gehen heute zum ersten Male mit „nach der Zwenker Brücke", wo die Besichtigung begonnen wird; deswegen geben sie jeder noch ein paar Groschen zum Vertrinken. 8 Während der ganzen 1

I. 200. 206. 212. 662. 714—719. 721. 751. 685. 748. II. 53. 27. 2 41. 5 7 2 - 5 7 4 . 621. 633. 674. 963. I. 11. 247. 256. 265. 494. 583. III. 8 89. 90. 115. 622. I. 716. 717.

60

I. CAPITEL.

Berainung müssen sie gut aufmerken, um künftighin auf der ganzen Feldmark gut Bescheid zu wissen, und alle alten Grenzen und Gerechtsame den Nachkommen überliefern und forterben zu können. Zur festgesetzten Zeit begibt sich die ganze Nachbarschaft auf der Landstrasse an die Grenze der Gemarkung. Hier und da wird unterwegs ein Stein aus dem Geleise entfernt oder eine Pfütze mitten im Wege mit Erdreich ausgefüllt. — An der Grenze entlang erstreckt sich eine Lehde, über die das Vieh der Herrschaft und der Gemeinde bei nassem Wetter die Trift nimmt. Hier erhebt sich der erste Malhügel aus einem kleinen Graben, welcher rings um seinen Fuss läuft. 1 Auf der Kuppe trägt er den Grenzstein. Der Hügel hat durch die Füsse der Schafe, durch den herablaufenden Regen und abthauenden Schnee ein beträchtliches von seiner Höhe und Rundung eingebüsst, und der Stein ist bedenklich ins Rutschen gekommen; er wird daher möglichst genau wieder in die Mitte gesetzt, auf die „Eier", kleine Steinchen von bestimmter Beschaffenheit, die unter jedem Grenzstein liegen, und jeder Nachbar hebt aus dem fast ausgefüllten Graben eine Schippe voll Erde und wirft sie auf den Hügel, wodurch derselbe schnell wieder in seiner alten Höhe und Form hergestellt ist. 2 Dies wiederholt sich in grösserem oder geringerem Masse bei jedem folgenden Stein und Hügel. Nach einigen hundert Schritten kommen wir an ein Holz, welches zum Teil der Gemeinde, zum Teil dem Gutsherrn gehört. Derselbe ist zur Stelle, um sich mit der Gemeinde über die streitige Grenzlinie gütlich zu einigen. Der neue Rainzaun muss an einigen Stellen etwas weiter hinüber gerückt werden, dann ist alles in Ordnung.3 Die Parteien sind beiderseits zufriedengestellt, und wir treten aus dem Holz auf das diesjährige Winterfeld hinaus. Die Saaten stehen sehr gut und lassen eine volle Ernte erhoffen. Alles ist soweit in Richtigkeit; nur vor einem 1

I. 683. II. 51. 52. 2 II. 1014. Zincke, S. 1737 ff. ΙΓ. 49. 50. 60. 61. 76—78. 428. 481—484. 646. 649. 682.

3

III. 618.

DORF- U N P FLURVERFASSUNG

IN KURSACHSEN.

61

Acker ist der Entwässerungsgraben nicht geräumt. 1 Der säumige Nachbar muss 1 Groschen Gemeindebusse zahlen und das Räumen in den nächsten 8 Tagen nachholen. Zwei Schuppen in ihrer Eigenschaft als „Gräbenherren" werden alsdann revidiren. 2 Der Gutsherr, der hier ein paar erkaufte Äcker hat, beklagt sich bitter, dass ihm wiederholt die Quecken auf seine Felder geworfen seien, und dass die Schulmeisterin trotz der im vorigen Jahre erfolgten Warnung und Pfändung der Sichel schon wieder in seinen Kainen gegrast habe. Er wird es ihr nochmals ernstlich untersagen. 3 Mit freundlichem Gruss reitet er dann davon, und zur rechten Zeit. — Eine Bodenwelle hat uns bis jetzt den Ausblick auf die anstossenden Wiesen entzogen. Oben angelangt erblicken wir auf den bereits gehegten Wiesen die ganze herrschaftliche Hammelheerde. Der Schäfer, dem fast genau an derselben Stelle vorm Jahre der Hut und die Mütze abgepfändet wurde, 4 bringt sich schleunigst in Sicherheit auf die nahe gutsherrliche Weide und lockt von dort aus nach Leibeskräften seine Heerde. Auch Phylax, der Leithund, verrichtet eifrig sein Treiberamt; 5 aber der 'V4 Ellen lange Klöppel, den ihm die landesväterliche Fürsorge für das kurfürstliche und das gutsherrliche Wild an den Hals gehängt hat, verhindert ihn, seine volle Schnelligkeit zu entfalten. 6 Ein wohlgezielter Steinwurf treibt ihn überdies bald heulend in die Flucht, und einige der jüngeren Nachbarn erwischen noch glücklich auf Gemeindegrund und -boden einen fetten Hammel, der unter sicherer Bedeckung nach dem Dorfe zurück in das „Pfandhaus" geschickt wird. 7 Auch wollen einige Nachbarn geübten Auges erkannt haben, dass die Heerde weit über die verglichenen 400 Stück beträgt. Es wird daher beschlossen, am folgenden Tage beim Durchtreiben der Hämmel durch das Dorf dieselben nachzuzählen, wobei sich, wie wir heute schon verraten können, in der That eine Anzahl von beinahe 600 Stück herausstellt! Die Schulmeisterin ist glänzend gerächt! 8 1 4

L 227. 255. 494. 585. 587.

II. 847.

5

II. 56.

6

I. 712.

7

683. 697.

II. 1023.

8

8

ΓΙ.

594.

s

I. 712.

II. 150. 1 5 1 . 5 7 7 . 7 7 0 . 9 6 4 .

62

I. CAPITEL.

Auf dem Rest der Grenze ist alles m guter Ordnung. Wiederholt begrüssen wir die Nachbarn der angrenzenden Ortschaften, die zu gleichem Zwecke, wie wir, unterwegs sind. — Bei Besichtigung der Raine im Sommerfeld ergibt sich, dass dieselben an mehreren Stellen nicht die vorgeschriebene Breite von 5/* Ellen haben. 1 Die „ Erddiebe" werden angehalten, das abgepflügte Erdreich wieder anzuwerfen. 2 Im Brachfelde sind hie und da die Zäune nicht ganz fortgenommen. Zwar hindern die noch stehenden Reste die Trift und Hut nicht gerade, doch lassen die Schafe beim Durchkriechen zu viel Wolle an den Stangen hängen; die Übelthäter werden daher billig um 1 Groschen gestraft. 3 Am hohen Mittag erreichen wir das Dorf wieder. Die Nachbarn zerstreuen sich, um das Mittagessen einzunehmen. Am Nachmittage kommen sie zum Gemeindebier wieder zusammen. Der Erbkretzschmar hat mit Yerwilligung des Gerichtsherrn, der zwar selbst eine Brauerei hat, aber für solche feierlichen Gelegenheiten doch nicht genügend gutes Bier liefern kann, eine Tonne vortrefflichen Torgauer Biers kommen lassen, bei dem die Nachbarn auf ein paar Stunden alle Not und Drangsal des Lebens vergessen.4 1

I I . 49

I. 256. II. 43 957. 500. 652 699. 1016.

2 4

3 I. 247. 256. 494. 585. 683. I. 648. I. 493. 583 609—611. 686. 717.

II. CAPITEL.

DAS RITTERGUT IN KÜRSACHSEN. § 1. U r s p r u n g und E n t s t e h u n g . Bevor an eine Darstellung des Betriebes und der wirtschaftlichen Verfassung der Rittergüter in Kursachsen gegangen wird, soll das wenige, was sich bei Klingner über den Ursprung und den Umfang derselben findet, hier kurz zusammengefasst werden. Den Übergang vom Bauerngut zum Rittergut, gleichsam ein Mittelglied zwischen diesen beiden grossen Kategorien bildet das Freigut. Die Freigüter scheinen in Sachsen nicht gerade selten gewesen zu sein. Ein Freigut ist ein solche^ Gut, welches von den auf einem Bauerngut ruhenden Lasten und Diensten befreit, und dafür mit anderen sehr viel massigeren Leistungen oder überhaupt gar nicht belastet ist. Von einem Freigut zu Gostewitz dürfen 1728 ausser den Landpfennigquatembern und andern Steuern keine Dienste und Abgaben, keine Schutz- und Lehngelder, keine Düngerfuhren, Hopfenstangen- und Weinpfahlfuhren gefordert werden.1 Ob und wie oft Freigüter den Kern von Rittergütern gebildet haben, lässt sich nicht feststellen. Dass es vorgekommen ist, darf vielleicht aus der sich häufig findenden Bezeichnung „Frei- und Rittergut" geschlossen werden. Jedenfalls liegen noch in später Zeit Freigüter und Rittergüter in einem und demselben Orte friedlich nebeneinander. So gibt es zu Ottenhausen im Jahre 1708 neben 3 Rittergütern noch 2 Freigüter oder Freisassengüter. 2 ' I. 376.

* II. 614. 778. 1051.

64

11. CAMTEL.

Im folgenden Falle ist die Bezeichnung „Freigut" anscheinend geradezu für Rittergut gebraucht. Das mit sechs Hufen ausgestattete Freisassengut zu Köckern nämlich hat „die Natur und Eigenschaften eines feudi und ist mit Ritterdiensten verdienet, d. h. belastet, und zur Entrichtung von Präsentgeld verpflichtet". 1 Häufig verfallen die Freigüter — gleich den Rittergütern — dem Schicksal der Zerschlagung. Die einzelnen Stücke werden alsdann verkauft, oder um Zins und Erbzins ausgethan. Von den 37 Ortschaften des Amts Dippoldiswalde werden zwei als ehemalige Freigüter bezeichnet. 2 Sicherer als die Entstehung des Ritterguts aus Freigütern ist diejenige aus Bauerngütern. Die in den Begnadigungs- und Lehnbriefen enthaltene Formel lässt diesen Vorgang genau und deutlich erkennen. Das Bauernland wird zunächst von den darauf ruhenden „Beschwerungen" in geringerem oder höherem Grade befreit, und dann entweder im selben Augenblick oder erst nach Verlauf einiger Zeit mit allerlei Vorrechten, schliesslich auch mit der Gerichtsbarkeit, niederen und hohen, ausgestattet. Hierzu einige Beispiele: 1

I. 571. 2 Nicht zu verwechseln mit diesen Freigütern sind die hier und da auf Dörfern und vielfach in Städten vorkommenden „Freihäuser". Im Dorfe Stauchitz gibt es Freihäuser, deren Besitzer mit den Gärtnern auf einer Stufe stehen, jedoch nur zu 1 '/ϊ Tagen Holzhauen und 1 Tag Grassclineiden verpflichtet sind, während die Gärtner 8 Tage Holz zu hauen und 3 T a g e Gros zu schneiden haben. - Der Begriff der städtischen Freihäuser ergibt sich aus folgendem Entscheide der gräflich Stolberg'schen Kanzlei zu Rossla vom J a h r e 1712. Der Lieutenant Wilhelm von J o r d a n ist mit fünf Freihäusern daselbst belehnt, welche unter Amtsjurisdiktion stehen und „im Amte" verkauft w e r d e n , wo auch ihre Kaufbriefe zu „konfirmiren" sind. Durch Handschlag werden die Besitzer dem Amte' zu Gehorsam verpflichtet. Sie sind von j e h e r von herrschaftlichen — d. h. hier also: Amts- - Diensten freigemacht und losgegoben und dafür mit „gewissen" Diensten bereits an die Vorfahren des von Jordan überwiesen worden. Doch bezieht sich diese Befreiung nicht auf Gemeindehunddienste zu Kirchen-, Schul- und anderen Gemeindebauten, auch nicht auf die Steuern und auf die Einquartierung. I. 501. TIT. 229.

65

DAS RITTERGUT IN KURSACHSEN.

Im Jahre 1588 verleiht Kurfürst Christian dem Schösser und Rentmeister Caspar Triller wegen achtzehnjähriger treuer Dienste zu freiem Eigen sein Haus am neuen Markte zu Sangerhausen, das derselbe von Hans von Lindenau zu Ottendorf gekauft hat; desgleichen fünf im Weichbild von Sangeihausen und anderwärts hier und da zusammengekaufte Hufen Landes, ferner 25 Acker Wiesen bei Röblingen , einen Garten, einen Weinberg am Hohnberge, schliesslich — mit nachwirkender Kraft — alle noch von ihm zu erwerbenden Güter. Alle diese Grundstücke werden von Gerichtsbarkeit, Gebot und Geschoss des Rats zu Sangerhausen, mit Ausnahme des darauf haftenden Erbzinses, ferner von Folge, Diensten, Zehnten und Auflagen jeder Art gänzlich befreit, mit der Brau- und Schankgerechtigkeit ausgestattet , für kanzleischriftsässig erklärt — d. h. auch der Botmässigkeit des Amts Sangerhausen entzogen — und endlich mit der Erbgerichtsbarkeit ausgestattet. 1 Zwei ausgekauften Bauergütern zu Neukirchen wird 1611 aus hoher landesfürstlicher Macht und Obrigkeit ihre erbliche Natur und Eigenschaft genommen, und sie werden zu rechten Mann-Lehn-Gütern gemacht. 2 Vierzig Jahre später werden, laut eines Vererbungsbriefes vom 1. Mai 1651, dem Kammerdiener und Hofjäger Werner Schwartz wegen seiner vier und dreissig Jahre lang treu geleisteten Dienste die erkauften 5 1 /2 Hufen zu Naundorf im Amt Grillenburg, die viele Jahre wüste gelegen hatten, erbeigentümlich zugeschlagen und von allen darauf haftenden Beschwerungen befreit. Diese zusammengeschlagenen Hufen werden, als ein freies Erbrittergut mit Ober- und Erbgerichtsbarkeit, in die Kanzlei-Matrikel eingeschrieben und als schriftsässig anerkannt. Dem Besitzer und seinen Nachfolgern wird die Befugnis erteilt, ein Brauhaus aufzubauen und einen steuerfreien Tischtrunk zu brauen. Im Jahre 1665 kommt hinzu der freie Bier- und Weinschank, zehn Stück Fischwasser im Bobritzbach, Hut und Trift auf der Gemeindeweide, sowie das Recht, das nötige Röhrwasser über Privat- und Gemeindegüter abgabenfrei auf 1

I I I . 224.

* I I I . 40. 41.

H a u n , Fr. Job., Bauer und Outsherr in Kursachsen.

5

66

II. CAPITEL.

das Gut zu leiten, und einen „beständigen" Zaun an seinem Holze am Tharandter Walde zu ziehen. Ferner tritt Befreiung von Ritterdiensten, Steuer, Kontribution, Einquartierung und allen anderen Lasten ein. Für diese 1665 neu hinzukommenden Berechtigungen und Befreiungen müssen 400 Gulden an die Rentkammer „vergnügt" werden. 1 Gegen Geld konnte andererseits auch die Rittergutseigenschaft eines Grundstückes abgelöst werden, das dann „wahres Erbgut und Allodium" wurde. Solches geschah 1750 mit dem kleinen Rittergut zu Grossdölzig.2 Aber nicht nur einzelne Rittergüter verschwinden auf diese Weise. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts gehen Zerschlagungen in grossem Massstabe vor sich. Unter Kurfürst August , dem ersten Nationalökonomen auf einem deutschen Throne, der 1553 seinem Bruder Moritz folgte, wurden bereits im zweiten Jahre seiner Regierung dreihundert Vorwerke und Domänen und zu dem Zwecke eigens angekaufte Rittergüter zergliedert, und jedes Gut an etwa dreissig Familien mit zusammen 45000 Seelen ausgethan, die schon 1562 für sich allein 10000 Mann zur Landmiliz stellten. Die kurfürstlichen Domäneneinkünfte erhöhten sich durch diese Massregel um 208000 Thaler. 3 Im ganzen scheint die Zahl der Rittergüter sich seitdem langsam wieder zu vermehren. Gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts schätzte man im ganzen Kurfürstentum die Anzahl der Städte auf 1665, die der Dörfer auf 11897, die der adligen Sitze auf 800, die der Hufen auf 1 1 9 8 0 0 0 ! ? 1 Dagegen zählt der „Atlas des Königreichs Sachsen von Friedrich Adolph Lüdicke" — Leipzig — im Jahre 1831 allein 747 Rittergüter auf. Die Pfarren als Grundherrschaften. Der Ritter ist freilich der hervorragendste Vertreter der ganzen Klasse von kleinen Grundherren, aber nicht der einzige. Ähnlich den Rittergütern sind u. a. zum Teil die 2 3 IV. 691. IV. 949. Friedr. Christ. Jon. Fischcr, Ge4 Martiniire, schichte des deutschen Handels, Hannover, 1792. S. 94. Geographisches Lexikon. Leipzig, 174S. Artikel Sachsen, S. 1394 ff. 1

DAS RITTERGUT IN KURSACHSEN.

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Pfarren, die wir für einen Augenblick zum Vergleich heranziehen. Im Jahre 1333 erneuert der Burggraf Otto zu Leisnig den Lehnsbrief über die Pfarre zu Kochsburg. Der Pfarrer erhält darin alle Zinsen und Dienste, die Erbgerichtsbarkeit, die Nutzung von Wiesen und von Holz, wie sie von Recht, Alter und Gewohnheit zu der Pfarre gehören, den Zehnten vom Vorwerk, die Mühle mit der Reuse an dem Wehre zu Rochsburg; die Mühle, vier Gärten, vier Lehnäcker mit Zehnten und Zinsen und den Zins von einigen Hufen zu Lunzenau; zwei Hof- und Lehnäcker zu Elsdorf, je einen Hof- und Lehnacker zu Wernsdorf, Markersdorf, Mosdorf; schliesslich einen Hof und sechs Ruten Acker zu Arnsdorf.1 Während hier also der Pfarrer in verschiedenen Dörfern lehn- und zinspflichtige TJnterthanen hat, kommt auch der entgegengesetzte Fall vor, dass Bauern eines Dorfes mehreren Pfarrern unterthan sind. Die Besitzer der Röglitzer Mark lehnen und zinsen an drei verschiedene Pfarrer. Dem zu Horburg zinsen und lehnen sechs Hufenbesitzer und ein Häusler, dem zu Röglitz zwei, dem zu Oberthau nur ein Hufenbesitzer. Die Hüfner des Pfarrers zu Horburg besitzen je Viertel Landes: und geben davon: (Viertelhufen) Lehnwaare Erbzins 2 l /3 3 Gulden 7 Groschen 8 Gr. 4 Pfennig 6 /6 1 „ 14 4 , 2 , V« 1 „ 2 , 6 „ 1 2 „ — „ 5 „ „ 1 2 „ — * 5 n — η 1 2 „ — „ 5 * — η Die des Pfarrers zu Röglitz 2 — Gulden 18 Groschen 18 „ — 2 „ 18 „ 18 „ „ und je 2 Hühner. Der des Pfarrers zu Oberthau 2 „noch nicht verglichen" 1 Gulden, 6Hühner. 1

I. 333.

68

II. CAPITEL.

Alle neun Hüfner besitzen also zusammen 3 Hufen; daneben gibt es in Röglitz ein Gut von 4 Hufen. Von der Pfarre zu Oberthau „rühret" ferner die Erbschenke zu Oberthau nebst einer halben Hufe Landes und zwei Ackern Wiesewachs zu Lehen; doch hat der Pfarrer nicht die Erbgerichtsbarkeit darüber. 1 Nach einer Visitationsmatrikel von 1575 hat der Pfarrer zu Sandersdorf zwei Lehnbauern, die gemessene Hofedienste thun, oder dieselben mit einein Thaler bezahlen. Jeder gibt ausserdem 13 Groschen 4 Pfennig Hufenzins. Der eine von ihnen ist Pfarr-Richter, der andere Pfarr-Schöppe. Doch werden sie trotzdem 1745 zum Amts-Richteramt — nach der Zeche mit den Amtsbauern —, und zu allerlei Amtsfrohnen herangezogen. 2 In anderen — und wie es scheint in den meisten — Orten hat der Pfarrer überhaupt keine gutsherrliche Stellung. In Gundorf ζ. B. hat er als solcher in allen Stücken Gemeinderecht. Hundert Jahre lang ist dort bis 1742 die Pfarre in einer Familie gewesen, die nebenbei im Besitze eines Bauernguts in dem Dorfe ist. 3 Alle diese Verhältnisse, — der Besitz von Bauerland, und von Bauern in verschiedenen Dörfern, die Unterthänigkeit von Bauern eines Dorfes unter mehrere Besitzer, usw. — wiederholen sich in höchster Mannigfaltigkeit und in grossem Massstabe bei den Rittergütern, zu denen wir jetzt endgültig zurückkehren. § 2.

Umfang.

Leider sind bei Klingner die Angaben über das Areal der Rittergüter äusserst spärlich und ungenau, und wegen der verschiedenen Masse mit einander nicht vergleichbar, indem dieselben teils in Hufen teils in Ackern gegeben sind. Doch lässt sich immerhin ein ungefährer Überblick über die vorkommenden Verschiedenheiten nicht nur hinsichtlich der Grösse, sondern auch der Zusammensetzung der einzelnen Güter aus den wirtschaftlichen Kategorien gewinnen. 1

III. 376.

a

III. 146.

3

I. 754.

69

DAS RITTERGUT IN KÜRSACHSEN.

Das Rittergut Etzoldshain hat 14 Hufen und 5 Acker, die Hufe zu 12 Acker gerechnet. Könneritz und Etzoldshain haben 1736 zusammen 18 Hufen. Es kommen also auf Könneritz allein 8 Hufen und 7 Acker, die „in einem Strich", d. h. nicht im Gemenge mit Bauerland liegen. 1 In Grossengottern sind um 1530 drei Rittergüter von je 12, 8 und 3V2 Hufen mit vier Triften, von denen dem grössten zwei gehören. Auf diesen Gütern werden dementsprechend je 900, 600 und 400 Stück Schafe gehalten. 2 Das Rittergut Leubingen hat in den Jahren 1528 und 1550 43/4 Hufen, eine freie Schaftrift, eine Fischerei auf der Unstrut, einen Backofen, eine Ölmühle, acht Acker Weingarten, dazu Lehngeld und Dienste von zwei anderen Rittergütern. Alles zusammen wird 1528 für 6500 Gulden verkauft. 3 Zu dem Rittergut Kammerforst gehört ein „Holz" von 510 Ackern, der Acker zu 40 Ruten Länge und 4 Ruten Breite, die Rute zu 7 Ellen gerechnet. Dieses Holz wird 1601 für 5000 Gulden verkauft. 4 Das Rittergut Pomssen hat 1611 ein Holz mit etlichen „gerissenen Äckern", ein Feld, das „Bauernfeld" genannt, einige Mühlstätten, 42 ! /2 Acker Teiche, 17 Acker Wiesen, 23 Acker Holz, ein weiteres „Stück" Holz, ferner etliche Ländereien, die von den Leuten zu Pomssen und Kehra eingetauscht und zum Rittergut geschlagen sind, endlich ein altes wüstes Schloss mit 1 l/z Acker Garten. 5 Schon hieraus lässt sich einigermassen erkennen, wie verschieden die einzelnen Güter durch die Gunst der Natur oder des Landesherrn oder der wirtschaftlichen Verhältnisse ausgestattet sind. Ganz unschätzbar aber ist ein kommissarischer Anschlag über das südlich von Meissen gelegene Rittergut T a u b e n h e i m vom Jahre 1581. Er liefert uns nicht nur ein durchaus vollständiges Inventar, und die damaligen Werte für alle einzelnen Bestandteile des Gutes, sondern auch einen überaus deutlichen Einblick 1

I. 175. I I . 731.

2

I I . 576.

s

I I . 450 ff.

* 11.911.

5

1 . 217.

70

II.

CAPITEL.

in die ganze Wirtschaftsweise, die nachher in einem geschlossenen Bilde an uns vorüberziehen soll. · Nach diesem Anschlage umfasste das Rittergut Taubenheim damals 1848/4 Acker 103/4 Ruten Ackerland und 10 Acker und 124 Ruten Lehdenfelder, „die besät werden." Ferner 36 Acker 21 lluten — zweischürige — „Grummet"Wiesen, 4 Acker 5 4 s / j Ruten — einschürige — „Herbst"Wiesen, 15 Acker Teiche, einen Fischbach von 1238 Ruten Länge, 2 3Λ Acker 26 '/2 Ruten Weinberge, 100 Acker Schlagholz: Birken, Haseln, Weiden, Erlen, einzelne Eichen, 13V2 Acker 47 Vz Ruten bestanden Holz, 71 '/2 Acker 45 Ruten Gehaue und ledige Pläne mit einzelnen Eichen und Lassbäumen; Gehaue sind die frisch abgetriebenen Schläge; Lassbäume oder Lassreiser lässt man zur Wiederaufforstung auf den Gehauen stehen ; schliesslich 9 Acker Gärten, Kraut-, Flachs- und Hanlland, einen Kretz- und Baumgarten, ein Gärtlein am Teiche, und einen Hopfen- und Krautgarten am Schafstalle. Kretzgarten bedeutet Küchengarten. Der Bestand an Rindvieh beträgt 25 Milchkühe und 15 Stück Jungvieh — Fersen oder Gelte-Rinder —. Die Schäferei zählt 1500 „Nöser". Der Müller muss jährlich 5 Schweine fett machen. Alle Gebäude, Schloss- Rittersitz- Wirtschaftsgebäude nebst einem Vorwerk unterm Schloss, Schafstall, Schäferhäuslein und die Wasserleitung werden zu 2200 Gulden angeschlagen. Der Wert des ganzen Ritterguts wird auf 36474 Gulden 14 Groschen 3 Pfennige berechnet, wovon die onera, 3 Ritterpferde „mit eigenem Leibe, einem tüchtigen Knecht und Jungen, ä 500 Gulden, macht 3000 Gulden, abgehen", sowie der Zehnte an den Pfarrer im Betrage von 62 Gulden 18 Groschen, so dass als Kaufsumme verbleiben 33411 Gulden 12 Groschen 3 Pfennige. Die Preise für die Ländereien stellen sich so: Der Acker Feld gilt 24 Gulden. „ „ Lehdenfeld , 10 „ Grummetwiesen . . . „ 50 „ „ Herbstwiesen . . . . „ 35 „ Teich 30 „ L 1

III. 369—376.

DAS KITTERGUT

IN

KURSACHSEN.

71

Der Acker Weinberg . . . . gilt 728 Gulden. Schlagholz , 12 bestanden Holz . . . . 20 , , Gehaue und ledige Pläne . 5 „ Der Fischbach wird zu 200 Gulden angeschlagen; leider fehlen die Preise der Kühe, Schafe und Schweine. Wir kommen weiter unten noch wieder auf diesen Anschlag über das Rittergut Taubenheim zurück, und versuchen jetzt einen Einblick in die Gutsverwaltung zu gewinnen, wobei wir die Mitteilungen Klingners wesentlich durch die Angaben von Rohrs und Zinckes ergänzen müssen. § 3. D i e

Gutsverwaltung.

Die Gutsverwaltung liegt entweder in den Händen der Besitzer oder in denen von Pächtern. Der Erb-, Lehn- and Gerichtsherr.

Der Rittergutsbesitzer in Kursachsen heisst nach den verschiedenen Seiten seines Wesens Erbherr, Lehnherr, Gerichtsherr, oder mit Zusammenfassung verschiedener Eigenschaften gewöhnlich Erb- und Gerichtsherr oder gar Erb-, Lehn- und Gerichtsherr, ohne dass die gewählten Bezeichnungen jedesmal auf die gerade vorliegenden Beziehungen genau passen. Mit Bezug auf ihren Gerichtsstand zerfallen die Rittergutsbesitzer wie die übrigen Kategorien von Grundherren in Schriftsassen und Amtsassen. Zum Verständnis dieser Ausdrücke diene folgendes: 1 Prälaten, Ritterschaft und Städte bilden die Landstände. Die Ritterschaft in den sächsischen Gebieten ist durchweg landsässig, d. h. nicht bloss in Lehnsachen dem Landesherrn unterworfen, sondern auch in allen anderen Beziehungen zum Gehorsam verpflichtet, was sich aus dem Wortlaut des Huldigungseides ergibt. Die Landsassen zerfallen in Schriftsassen und Amtsassen. Diese Bezeichnungen kommen nicht allen angesessenen Unterthanen zu, vielmehr nur den dem Landesherrn 1

Nach J. Β. τοπ Rohr, S. 161-175.

72

II.

CAPITEL.

unmittelbar unterworfenen angesehenen Personen und den Städten. Die Schriftsassen haben ihre erste Instanz vor dem Appellationsgericht oder vor dem Oberhofgericht zu Leipzig, welche beide eine gleiche Kompetenz haben, während über die Amtsassen zunächst die Amtleute und Amtshauptleute die Jurisdiktion ausüben. Erst in zweiter Instanz können sich die Amtsassen an die »Regierung" (Appellgericht) oder an das Hofgericht wenden. — Vor dieselben Instanzen gehört ein Amtsasse, wenn das Amt die Justiz verweigert, oder wenn er mit Schriftsassen in derselben Sache verklagt wird. Für den Erwerb und Besitz von Rittergütern ist die Bedingung der eigentlichen Ritterbürtigkeit nicht mehr erforderlich, und es finden sich bereits um 1700 zahlreiche Rittergüter in den Händen besonders bürgerlicher Personen des Beamtenstandes, während die altadligen Familien entweder aussterben oder durch irgend welche Ursachen aus dem ererbten und erkauften Besitz zu weichen genötigt sind. Doch ist die Übernahme von Rittergütern nicht jedem erlaubt, und noch um 1750 sind besondere »Fähigkeiten" „Feuda nobilia oder Rittergüter zu possidiren" nachzuweisen.1 Immerhin scheint der Kreis der „Fähigen" weit genug gezogen zu sein. Vor allen Dingen gehörten alle Zahlungs„ fähigen" dazu. Für Geld war auch der Übertritt aus der Klasse der Amtsassen in die der Schriftsassen zu erlangen. Hierfür einige Beispiele: Im Jahre 1725 wird die Mühle zu Wehlitz für schriftsässig erklärt. Sie übt die Erbgerichtsbarkeit gegen eine jährliche Abgabe von einem Goldgulden an das Amt Schkeuditz nach wie vor, erhält aber als nächsthöhere Instanz die Stiftsregierung zu Merseburg. 2 Vor dem Schlosse zu Grimma wird auf Amts-Grund und -Boden 1618 ein Haus gebaut; der Besitzer erhält die Erb- und Obergerichtsbarkeit und wird für kanzleischriftsässig erklärt. 3 Im Jahre 1657 wird das Gut Emseloh, bis dahin unter des Amts und Rats 1 IY. 949.

1

IY. 599.

»' IV. 961.

DAS RITTERGUT IN KURSACHSEN.

73

zu Sangerhausen Gericht und Botmässigkeit, von dieser eximirt und für schriftsässig erklärt. 1 Wolf von Breitenbauch zahlt 1620 an das Amt Freiburg 1000 Gulden Kapital und erhält dafür nebst anderen Privilegien die Schriftsässigkeit für seine Güter, die „von der Botmässigkeit des Amtes Freiburg entledigt" werden. 2 Stellenweise herrscht eine eigentümliche Verquickung der Kompetenzen: Das Erbbuch des Amts Pegau von 1548 ergibt, dass auf den in seinem Bezirke liegenden Rittergütern die Ober- und Erbgerichtsbarkeit, Folge, Steuer, Anlage, Zehnte und alle fürstliche Obrigkeit in Dörfern, Feldern und Fluren dem Amte zusteht, dass dagegen innerhalb der Erbzäune und -graben die Ober- und Erbgerichtsbarkeit dem Erbherrn gehört. 3 Der Pächter.

Nicht alle Güter werden vom Erb- und Gerichtsherrn selbst verwaltet und bewirtschaftet. Verpachtungen sind vielmehr ziemlich häufig, besonders wo mehrere Güter in einer Hand vereinigt sind. Bisweilen pachtet der Sohn dem Vater eins oder einige seiner Güter ab; mitunter pachtet auch der Gerichtshalter das Gut, auf welchem ihm die Gerichtspflege anvertraut war; auch adlige Pächter kommen vor, doch sagt Klingner, dass die Mehrzahl der Pächter aus dem Bauernstande hervorgeht. 4 Der Pachtkontrakt geht hier und da wohl auch in einen Kaufkontrakt über. 5 Die Rittergutspächter, besonders die von bäuerlicher Herkunft, werden meistenteils als Bauernplacker betrachtet, die darauf ausgehen, der Unterthanen Frohnen und Dienste zu vermehren, sie an Fortschritten im Ackerbau zu hindern, um sie auf diese Weise soviel als angängig der finanziellen Möglichkeit zu berauben, Prozesse gegen die Herrschaft zu führen. 6 Daher bitten die Unterthanen nicht selten ihren Erbherrn (flehentlich um Aufhebung der Pachtkontrakte. 7 Wohlwollende Herrschaften behalten sich deswegen oft die Gerichtsbarkeit, Erbzinsen, Lehne, Geschoss und Geldstrafen 1

s

III. 83. 2 III. 96. » ΠΙ. 118. ff. 4 III. 108. I. 136. 72. β 7 III. 109. I. 72. II. 35. 567. III. 107. 108. IV. 66. II. 395.

74

II CAPITEL.

vor, um jederzeit ihre Unterthanen gegen Übergriffe des Pächters schützen zu können. 1 Doch trifft ein gut Teil jener Vorwürfe selbstwirtschaftende Besitzer ebenfalls. Ja es kommt vor, dass Erbherren ihre Güter verpachten, um ihre aufsässigen und widersetzlichen Unterthanen durch Einsetzung eines strengen und harten Pächters zu strafen. 2 Grösser ist die Schonung, welche der verpachtete Boden erfahrt. Die Pachtkontrakte enthalten zu dem Zweck allerlei Bestimmungen, welche die Verschlechterung und Aussaugung des Ackers, besonders gegen Ende der meist ziemlich kurzen Pachtzeit verhindern sollen. Der Pächter darf ζ. B. nur eine gewisse Menge Stroh zur Feuerung verwenden; das übrige ist zum Streuen bestimmt. Den Dünger muss er zu rechter. Zeit und an gehörige Orte auf die Felder — ζ. B. nicht aufs Hafer- oder Gerstenland, also nicht auf das Sommerfeld, sondern in die Brache — führen, darf nichts davon verkaufen, vertauschen und verschenken , und hat den bei Ablauf der Pacht davon vorhandenen Vorrat ohne Entschädigung auf dem Gute zurückzulassen. Mit gewissen Früchten, die, wie Möhren und Flachs, die Felder auszehren, darf gegen Ende der Pachtzeit die Brache nicht besömmert werden.:t Die Wirtschaftebeamten.

Neben den Prinzipalen der Gutsverwaltung stehen Hülfskräfte, je nach der Grösse des Gutes in verschiedener Anzahl und Benennung, und mit einem grösseren oder kleineren Kreise von Obliegenheiten. Von den Ritterguts-Besitzern oder -Pächtern werden häufig Beamte zur Handhabung der Gerichtsbarkeit bestellt; sie heissen als solche Gerichtshalter oder Gerichtschreiber. Daneben haben sie manchmal auch wirtschaftliche Verrichtungen, und nach diesen wieder besondere Titel. Wo der Gerichtsherr oder Pächter selber der edlen iustitia pfleget, bekleiden die Angestellten natürlich nur rein wirtschaftliche, mehr oder weniger selbständige Posten. Solche Beamte 1

III. 108.

* II. 394.

* II. 131. 132.

DAS RITTERGUT IN KURSACHSEN.

75

heissen Korn- und Bauschreiber, Hausverwalter, Hofmeister, Feld vögte. 1 Korn- and Baaschreiber oder Haasverwalter. Diese Beamten nehmen ungefähr die Stelle der heutigen Oberinspektoren oder Administratoren auf grösseren Gütern ein. Ihnen ist die Oberaufsicht über das Gut und alle darauf beschäftigten Personen anvertraut. Sie sollen sich eines christlichen Lebens und Wandels befleissigen, das Gesinde zur Gottesfurcht und zum fleissigen Besuch der Predigten und Katechismus-Examina anhalten, und demselben das Fluchen und Schwören und alles Ärgernis erregende Wesen verbieten. Ein Hausverwalter muss alle die Gerechtsame des Guts betreffenden Dokumente und Briefschaften, sowie die mit den Unterthanen und Gutsnachbarn getroffenen Vergleiche sorgfaltig aufbewahren. Mit den Instruktionen, Bestallungen und Kontrakten der unter ihm stehenden Jäger, Brauer, Fischer, Ziegler, Schäfer, Schenkwirte, Müller u. s. w. hat er sich wohl bekannt zu machen. Die Zins-, Gült-, Zehnt-, Düngungs-, Saat-, Heu-, Ernte- und HolzRegister muss er ordentlich führen und den Zu- und Abgang des toten und lebenden Inventars gehörig anmerken. Er muss dafür sorgen, dass das Getreide rein ausgedroschen wird, und zu dem Zweck allmonatlich einmal eine Stichprobe des Strohs von anderen Dreschern nachdreschen lassen. Er muss beim Aufmessen zugegen sein, damit vom Erdrusch nichts gestohlen wird, bis er auf den Kornboden befördert ist. Das zum Verkauf bestimmte Getreide hat er möglichst teuer zu verhandeln, und für richtiges Einsacken und Wegschicken einzustehen. Mit Hülfe der Jäger und Holzförster weist er das Holz an, beaufsichtigt das Schlagen und Setzen, liefert das vorgeschriebene Mass an Brenn-, Bau- und Deputatholz ab und verkauft den Rest. Die Schäfer zieht er zur Verantwortung, wenn sie beim Hüten in Hölzern, Weiden, Wiesen, Grabenrändern und Triften Schaden anrichten. Er kontrolirt die Tagelöhner, 1

I. 470. 473. 476.

Daneben Zincke, 1094. 1202.

76

II.

CAPITEL.

Fröhner, Schnitter und Mäher, revidirt die Teiche, Weiher und Dämme, die Gräben, Gehölze und Wildbahnen, die Heiden und Fluren; ferner die Kuh- und Pferdeställe, die Schweinekoben, Schäfereien und Vorwerke. Er hält die Getreide-, Heu- und Malzböden, die Milch-, Vorrats- und Rauchkammern, die Keller und Fischkästen fleissig verschlossen. Er lässt Dächer, Fenster, Laden, Thüren, Schlösser, Bänder und Riegel rechtzeitig ausbessern. Er führt das Frohnregister und die Kerbhölzer, und treibt die fälligen Zinse und Abgaben möglichst regelmässig ein. — Über alle Ausgaben und Einnahmen legt er der Herrschaft vierteljährlich, oder monatlich, oder so oft es verlangt wird, Rechnung, und muss jeden Augenblick im Stande sein, über seine Verwaltung Rede und Antwort zu stehen und die Kasse ohne Abgang abzugeben. Dies sind die wichtigsten Geschäfte des Korn- und Bauschreibers oder Hausverwalters auf grösseren Gütern, die auf kleinen der Herr oder Pächter selbst verrichtet, freilich meist mit Unterstützung eines Hofmeisters oder Feldvogts, die auch neben jenen Oberbeamten noch vorhanden zu sein pflegen. Der Hofmeister oder Feldvogt.

Diese niederen Beamten müssen sich gleich jenen höheren eidlich verpflichten, der Herrschaft stets getreu, hold und dienstgewärtig zu sein, allen Schaden nach Kräften abzuwenden, nach bestem Wissen der Herrschaft Bestes und Nutzen in der Wirtschaft zu fördern, und hierbei den Weisungen der Herrschaft oder des etwa vorhandenen Oberbeamten gebührend nachzukommen. Die Lösung des Verhältnisses erfolgt in der Regel nach einer beiden Teilen zustehenden vierteljährigen Kündigung; im Falle erwiesener Untreue oder anderer Verletzung seiner Pflichten kann jedoch ein Feldvogt oder Hofmeister Knall und Fall fortgejagt werden. Der Geschäftskreis eines solchen niederen Beamten ist je nach den oben angedeuteten Verhältnissen bald enger bald weiter. Im einzelnen ist noch folgendes zu erwähnen.

1)AS RITTERGUT Iii Kl'RSACHSloN.

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Der Feldvogt oder Hofmeister beaufsichtigt in erster Instanz das Gesinde und die Fröhner, hält sie zu Treue und Fleiss an, und darf sich die Frohndienste nicht abkaufen lassen. Er hat dafür zu sorgen, dass die Felder mit dem Hof- und Frohngeschirr tüchtig und hauswirtschaftlich gedüngt, bearbeitet, besät und bestellt werden, und dass dabei die Fröhner ihre Lieferung an Brot und Käse erhalten. Getreide, Heu und Grummet muss trocken eingefahren, wohl verwahrt und sparsam verbraucht werden. Die Wiesen und Pläne müssen richtig gehegt und gepflegt, auch von Maulwurfshaufen zu rechter Zeit gereinigt werden; neue Fusssteige und Fahrwege dürfen darüber nicht gemacht werden. Der Feldvogt darf den Nachbarn keine Grenzverletzungen durchgehen lassen, und muss in Streitfällen Untersuchung veranlassen. Die Zäune müssen ausgebessert, die Gräben und Wasserfurchen rechtzeitig gehoben und das Röhrwasser jeder Zeit in gutem Stand gehalten werden. Ein guter Hofmeister muss darüber wachen, dass die Knechte die Pferde ordentlich warten, füttern, tränken und beschlagen, kein Futter veruntreuen, auch zu rechter Zeit an- und ausspannen. Er muss das Gesinde rechtzeitig zu Bett schicken und wieder wecken, auch dafür sorgen, dass mit Licht und Tabakrauchen kein Unheil in den Ställen angerichtet wird, und dass die Essen so oft als nötig gekehrt werden. Er darf keine fremden Leute im Gehöft dulden und selbst ohne Not nicht über Nacht daraus fortbleiben. Er hat dem Gesinde zu rechter Zeit und ordnungsmässig das gehörige Essen an Brot, Zugemüse und Zukost — Butter und Käse — sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten das dafür bestimmte Fleisch richtig zu geben, und mit ihm alle Mahlzeiten an demselben Tische einzunehmen. Wünschenswert ist, dass ein Hofmeister allerlei Werkzeuge, Hausrat, Schiff und Geschirr im Notfall selbst auszubessern verstehe, damit das Inventar an Sägen, Äxten, Beilen, Radehacken, Spitzhacken, Schippen, Spaten, Mistgabeln, Wagenleisten, Schwingen, Eggenzinken, Pflugrädern,

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II. CAPITEL.

Zügeln, Strängen u. s. w. jederzeit in brauchbarem Zustande sei. Äusserst vorteilhaft ist es ferner, wenn ein Hofmeister eine tüchtige Frau hat, die dann als Hofmeisterin oder Käsemutter das Haupt der Mägde ist, gegen die sie nicht zu gelind, aber auch nicht allzu rasch und bös sein darf. Sie muss die Mägde zum Grasschneiden und ordentlichen Füttern des Viehs scharf anhalten, die gewonnene Milch, sowie Butter und Käse sorgsam und treulich behandeln. Die Wartung und Fütterung des jungen Viehes, der Kälber und Ferkel, der Gänse, Enten, Hühner u. s. w. ist ihr besonders anvertraut. Sie muss das Backen und Kochen gründlich verstehen, den ihr übergebenen Hausrat und das Küchengeschirr blank und sauber, sowie mit Hülfe der Mägde im Hof, in den Ställen, Kellern, Küchen, Stuben, Kammern und Böden alles ordentlich rein und nett halten. Ihre Kinder soll sie zuvörderst zum Gebet und dann zur Arbeit antreiben, und ihnen mit gutem Exempel vorleuchten. Das Gesinde soll sie, mit Unterstützung ihres Mannes, von gegenseitigem Zank, Hass und Neid abhalten; auch „muss sie ihren Mägden bisweilen Nachts nachschleichen, die Kammern visitiren, und sehen, ob sich nicht etwa eine verirrt, oder einen ungleichen Schlafgesellen bekommen habe." § 4. D i e

Schäfereien.

Noch wichtiger, als für die bäuerliche Wirtschaft ist für die gutsherrliche die Schafzucht. Die meisten Rittergüter sind ausdrücklich mit Schäfereien belehnt. 1 Die Schäfereigerechtigkeit ist eine in jedem streitigen Falle zu erweisende Befugnis, auf einem Gute entweder eine beliebige oder eine bestimmte Anzahl Schafe, und für dieselben einen besonderen Schäfer, zu halten, Schafställe zu errichten, die Schafe auszutreiben und die betriebenen Felder zu pferchen. 2 Wo die Schäferei nicht auf eine bestimmte Anzahl Stücke beschränkt ist, kann die Ausdehnung der Schafhaltung nicht untersagt werden. 3 Dagegen ist die beliebige Ver» II. 97. 98.

* II 90.

s

II. 101—104.

79

DAS RITTERGUT IN KURSACHSEN.

legung der Schäfereien von einem Orte zum andern nicht gestattet. 1 Neben den Gutsherren besitzen auch die Städte und die Fleischerhandwerke in vielen Fällen umfangreiche Schäfereien. 2 Der Umfang gutsherrlicher Schäfereien geht aus folgender Tabelle hervor: 1495.

Taubenheim (ein anderes, bei Rossbach) darf 400 Schafe in 3 Dorffluren treiben; also sind jedenfalls mehr Schafe vorhanden. 3 Schäfereizu Burkersdorf hat 400 Schafe; dazu gehörig : „ Liebsdorf „ 600 Schafe. 4 Schkeuditz: 217 Schafe zu 12 Gr. 142 Hammel zu 24 „ (fett.) 46 jährige Schafe zu 10 „ 36 Hämmel zu 10 „ B 80 Schaflämmer zu 5 „ 95 Hammellämmer zu 5 „ 616 Nösser (Nasen). V» davon gehört dem Schäfer. 5 Die Schäferei von Gross-Zschocher ist im Kriege geraubt. Der Besitzer borgt sich 400 Schafe zu je 1 72 Thlr. (!). Dem Schäfer gehört davon der 6. Teil. 6 Der Besitzer einiger Vorwerkshufen in Holisteitz treibt 120 Schafe mit vor den Gemeindehirten.7 Schäferei zu Vitzenburg: 500 Stück „Herrenvieh" d. h. ohne den Anteil des Schäfers. 8 Schäferei zu Molbitz und Thalwitz: 700 Hämmel, 1500 Schafe und 500 Lämmer. 9 Die Rittergüter LiebschUtz und Alten-Beuthen dürfen je nur 50 Stück Schafe halten. 10 Die Schäferei zu Droyssig hat 600 Schafe.11

1576. 1584.

1650.

1652. 1698. 1700. 1705. 1727. 1736.

Die Schäferei zu Laue ist (an der „Bockenseuche") ausgestorben; es werden 338 Stück neu angeschafft. 1

β

s 4 II. 105. » II. 96. II. 888. II. 953. 630. 7 8 9 II. 720. II. 741. II. 845. II. 1024. 10 II. 605.

6 11

II. 856. II. 601.

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lt. CAl'ITtL.

Ist ein Rittergut nicht ausdrücklich mit der Schäfereigerechtigkeit beliehen, so dürfen gleichwohl auf demselben Schafe gehalten werden, und zwar infolge des Nachbarrechts, das der Erbherr als solcher oder als Besitzer von Bauerland geniesst. Die Zahl derselben richtet sich alsdann nach den in der Dorfordnung darüber enthaltenen Bestimmungen oder nach besonderen zwischen Gutsherrn und Nachbarschaft errichteten Vergleichen. Solche Schafe dürfen in der Regel nicht besonders gehütet werden, müssen vielmehr vor den Gemeindehirten getrieben werden. Im Gegensatz zu den in ordentlichen Schäfereien gehaltenen Schafen heissen jene „ Küchenschafe " oder „ Stechhaufen 4 . Ja bisweilen findet es der Gutsherr vorteilhaft, neben seinem Schäfereivieh noch nach Verhältnis der ihm gehörenden Bauerhufen Stech- und Küchenschafe mit vor den Gemeindehirten zu treiben. 1 Die eigentlichen Schäfereien sind entweder im eigenen Betriebe oder verpachtet. Der Schäfer. Wenn die Schäferei vom Erbherrn oder Rittergutspächter selbst betrieben wird, ist der Schäfer gewöhnlich dadurch, dass ihm V6 bis der Heerde gehört, an dem Wohl und Wehe seiner Pflegebefohlenen beteiligt. Da seine Schafe im „Gemenge" mit denen des Gutsherrn gehen, so heisst er selbst „ Mengschäfer" oder schlechtweg „ Menger Ein solcher Schäfer wird in der Regel gegen halbjährliche Kündigung angenommen. Seine Obliegenheiten sind sehr mannigfacher Natur. 2 Er hat die Aufsicht nicht nur über die Schafknechte und über die ganze Heerde, sondern auch über die Brachfelder, die Roggen-, Gerst- und Haferstoppeln, über die Wiesen und Gehölze, sowohl in den herrschaftlichen als auch in den bäuerlichen Grenzen. Er überwacht die hauptsächlich zum Unterhalt der Schafe dienende Heuund Grummeternte und das Laubhauen. — Das Laub ist nämlich ein wichtiges Futtermittel; und zwar dient Eschen-, Rüster- und Faulbaumlaub zum Füttern der Kühe, während 1

II. 99. 100. 212. 215 - 217. 847.

s

II. 828. 831.

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KURSACHSKfi.

Erlen-, Weiden-, Buchen-, Birken- und Eichenlaub für die Schafe, und das Weinlaub vorzugsweise für die Lämmer verwandt wird. Das Laub wird im Juli und August entweder von den jungen Zweigen abgestreift, oder mit diesen abgeschnitten, an der Sonne gedörrt und sehr trocken eingeführt. 1 — Der Schäfer muss ferner darauf achten, dass die zu hegenden Ländereien zu rechter Zeit und in vorschriftsmässigem Umfange geschlossen, die Brach- und Stoppelfelder nicht zu zeitig gebracht und gefelgt werden; feigen ist die dem brachen entsprechende Arbeit für die Sommersaat. E r muss darauf halten, dass das Getreide zur rechten Zeit von den Feldern abgebracht, und der Pferchoder Hordenschlag in richtiger Weise ausgeübt werde. — Unterbleibt der Pferchschlag ohne triftigen Grund, so wird ihm für jede versäumte Nacht ein halber Scheffel am Deputatkorn abgezogen. Der Schäfer oder „Schafmeister" nimmt die Schafknechte, Hammelknechte und Lämmerknechte an und haftet für ihre Tauglichkeit. E r darf ihnen kein Vieh leihen — denn auch die Knechte sind mit einer gewissen Anzahl, je 50—30— 25—15 Stück, an der Heerde beteiligt — und muss dafür sorgen, dass ungesunde Stellen der Weidegründe und fremde Weiden vermieden, Verletzungen der eigenen Weide durch fremde Heerden aber angezeigt werden. E r kommt dafür auf, wenn er selbst oder einer der Knechte an den jungen Gehauen und „ Sommerlatten" — Aufschlag —, die gewöhnlich fünf Jahre lang nach erfolgtem Abtrieb gehegt werden müssen, Schaden angerichtet. E r hat darauf zu sehen, dass die Hunde des Nachts bei den Pferchen oder Horden gehalten werden, damit die Wölfe von den Heerden, die Wildschweine von den Feldern verscheucht werden können. Im Winter muss er die Stallfütterung überwachen und regeln. — Als Winterfutter erhält ein Schäfer auf je 100 Stück Schafe 5 „Frohnfuder" Heu und insgesammt 12 Fuder Grummet, desgleichen 30 Schock Gerst- und Haferstroh, 1 K l i n g n e r a n vielen O r t e n ; dazu Z i n c k e , 8 . H a u u , Fr. Joh., Bauer und Gutsherr in Kursachsen.

1600. (5

82

II. CAPITEL.

und alles Erbs- und Wickstroh, endlich Schüttenstroh zum Unterstreuen nach Bedarf. Besonders zur Lammzeit muss er den Vorteil der Herrschaft nach Kräften wahren; denn die Knechte verstehen es, — wie schon Labans Schwager —, es stets so einzurichten, dass von ihren Schafen immer die besten und kräftigsten Lämmer fallen. Und krepirt gar ein neugeborenes, so ist es sicherlich immer ein herrschaftliches! Damit aber das fremde Lamm willig angenommen werde, nehmen sie das noch warme und blutige Fell ihres gestorbenen Lammes, und binden es jenem über Nacht um den Leib, so dass das Mutterschaf, durch den Geruch verführt, es für das seinige hält und säugt. 1 Die auf der Weide gefallenen Lämmer muss der Schafmeister von Zeit zu Zeit nach Hause holen. Über den Abgang durch Sterben, Verkaufen oder Schlachten muss er gewissenhaft Buch führen. Er selbst darf nur für sich und für die herrschaftliche Küche, keineswegs aber zum Verkauf schlachten. Der Schäfer hat seinen Leuten Vorsicht mit Feuer und Licht einzuschärfen, die Schäfereigebäude von Zeit zu Zeit auf ihren baulichen Zustand zu untersuchen, etwa entdeckte grössere Schäden sofort anzuzeigen, Kleinigkeiten selbst auszubessern. Oft ist der Schäfer neben diesem allen noch zu allerlei Boten-, Jagdund Erntediensten verpflichtet: zum Abladen und Einbansen des Getreides, ferner zur Wartung und Fütterung der herrschaftlichen Jagdhunde und Doggen, auch des Federviehs, und zur Beaufsichtigung des Obstgartens. Als Lohn bekommt der Schäfer neben freier Wohnung ein gewisses Deputat an Roggen, Gerste, Erbsen, Buchweizen, Hafer, Rübsen, Weizen, Holz, Salz, Flachsland, Kraut- und Rübenland, je nach der Grösse seines Haushalts. Dazu Futter für 2, 4, 5, 6 Stück Rindvieh, einige Hühner und Gänse; einige Obstbäume, die Grasnutzung auf allen Rainen, Wiesen- und Feldrändern u. s. w. Im Jahre 1713 erhält der Schäfer zu Zeschau u. a. „zu seinem besten 1

Zincke S. 2544.

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Auskommen" den Kirschgarten bei der Schäferei; „sollte Gott aber Kirschen geben, so ist er schuldig, der Herrschaft solche abzukaufen." — Seinen Anteil am Ertrage der Schäferei erhält er in folgender Weise: er bekommt den sechsten „Stein" Wolle und den sechsten Teil des verkauften Schafviehs, entweder in natura oder in Geld , und V24 der Küchen- oder Stechschafe. Von den nach Abzug seines Sechstels verbleibenden Melkschafen gibt er fürs Stück 1 Groschen 6 Pfennig bis 2 Groschen Milchpacht. Dazu muss er jeden Herbst der Herrschaft sechs Kannen frischen Kompes und einen grossen Schafkäse liefern. Kompes bedeutet wahrscheinlich Molken. Stangen und Holz zu Horden, oder auch die fertigen Horden werden ihm geliefert. 1 Die Ausübung seines Berufes ist für den Schäfer mit mancherlei Fährlichkeiten verknüpft: Scheltworte und Prügel hageln oft auf ihn hernieder, ja vor Mord und Totschlag ist er nicht sicher. 2 Selbst auf dem Wege zur Kirche wird ihm gedroht, man wolle ihm die Ohren abschneiden und den Hunden geben. 3 Freilich ist er nicht immer ganz frei von Schuld. Am 14. April 1698 hütet der Schafjunge Hans Christoph Kühn in dem mit Zaun und Thüren verwahrten Hospitalgarten zu Stolberg, nachdem er etliche Zaunstecken herausgezogen hat. Plötzlich kommt der Magister Gottfried Müller, heisset ihn einen Schelm und Dieb um den andern und versetzt ihm unversehens einen Schlag mit einem spanischen Rohr über den linken Arm, so dass es der Bursche noch schmerzlich empfindet, als er folgenden Tags bei dem kurfürstlichen Amtsschösser Anzeige erstattet. Denselben Jungen hat drei Wochen vorher des Bürgermeisters Treffurth daselbst Eheliebste in ihrem Garten hinter dem Hause mit den Schafen angetroffen und gefragt: „Ei, du Donnerhagels-Schelm, wer hat dich heissen hierher hüten?" — Darauf ist sie, mit einer Klage gegen ihn und seinen Herrn drohend, wieder davongegangen. 4 1

II. 226. 229. 852. 883. 829. 830. * II. 235. 248. 537. 539. 625. 698. 701. 859. 907. 8 I. 192. 4 II. 541. 6*

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II.

CAPITEL.

Im Jahre 1493 werden die Erbherren auf Kesselshain beschuldigt, einen Schäferknecht vom Leben zum Tode gebracht zu haben. Von dem Oberhofgericht — damals zu Altenburg — werden sie verurteilt, dem Herrn des Schäfers fünf silberne Schock Groschen zu zahlen.1 Für die Wertschätzung des Schäfers seitens der Bauern ist bezeichnend genug das allgemein verbreitete Sprüchw o r t : „Schäfer und Schinder sind Geschwister Kinder." 2 Zu Wiederau wird im Jahre 1604 ein Schäferknecht, der am 22. Juli tot auf dem Felde gefunden war. wie ein Hund an Ort und Stelle erst am 24. selben Monats von Richter und Schoppen verscharrt. 3 Der Schäfereipächter.

Da die Schäfer sehr wohl wissen, wieviel eine sachverständige Behandlung der Heerde wert ist, und dass sie durch ungelernte Arbeiter nicht ersetzt werden können, ho werden sie ihren Herrschaften gegenüber oft trotzig und hochmütig, richten Zünfte unter sich auf und wollen blos den von ihnen gewählten Richtern Rede und Antwort geben, auch alles nach ihrem Kopfe einrichten. Deswegen, und um Übervorteilungen möglichst zu entgehen, finden sich viele Gutsbesitzer bewogen, die Schäfereien im ganzen an einen Schäfer oder Schafmeister zu verpachten und eingehende Kontrakte mit ihm zu machen, deren Hauptpunkte aas folgenden Angaben zu entnehmen sind. 4 Zu Michaelis 1698 wird die Schäferei des Ritterguts Vitzenburg 5 mit einem eisernen Bestände von 500 Stück „ Herren vieh", darunter 6—4—2zähnige Schafe und Hammel, Schaf- und Hammeljährlinge, auf 3 Jahre verpachtet. Nach der Anzahl der Zähne wird das Alter bestimmt. Nach Ablauf dieser Zeit ist sie sowie das Inventar in demselben Zustande wieder zu übergeben. Zu der Schäferei gehören die „Triften" in sämmtlichen Feldern, Fluren und Gehölzen, die Hälfte des Heues von 29 Acker Wiesen und die ganze Grummet davon. Das darüber hinaus nötige Heu-Futter 1

II. 862.

2

III. 786.

* II. 201.

4

II. 203. 841.

6

II. 845.

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muss der Pächter hinzukanfen; ausserdem bezahlt er das halbe Mäherlohn in der Heuernte, das ganze in der Grummetointe. Das Einfahren besorgen die Fröhner. Ferner wird ihm geliefert das Erbsstroh von 24 Scheffeln Aussaat, 100 Schock Gerststroh, 100 Schock Roggen- oder Weizenstroh und 100 Schock Haferstroh. Im Winter darf er einigemal mit besonders eingeholter Erlaubnis die Saat überhiiten. 1 Den durch Hagelschlag oder Überschwemmung der Wiesen an Stroh und Heu entstehenden Ausfall trägt der Schäfereipächter, und er hat deswegen auf keinen Nachlass der Pacht zu rechnen. Er darf aber sowohl im Sommer als im Winter fremdes Vieh „einnehmen" und die Vergütung dafür einstecken. Mit dem Hordenschlag muss er in der Fastenzeit beginnen und den ganzen Sommer durch, auch soweit als möglich in den Herbst hinein, damit fortfahren. Für sich und seine Knechte und Hunde bekommt er ein Deputat, ähnlich dem Schäfer. — Die Pachtsumme beträgt jährlich 427 Gulden; daneben muss er 41 Schock Landund Pfennigsteuer tragen, die auf der Schäferei haften, und 10 tüchtige Schafe nebst 6 alten Hämmeln — ausgeschlossen 3 „ Wolfsschöpse" —? — für die herrschaftliche Küche schlachten und 1 Schock guten Käse liefern. Endlich muss er alles erforderliche an Horden, Raufen, Krippen, Viehsalz auf seine Kosten beschaffen und den Scheererlohn bezahlen. Unter ganz ähnlichen Bedingungen wird 1734 die Schäferei des im Pachtbetriebe befindlichen Rittergutes AltOschatz um 160 Gulden Meissnisch, jährlich zu Michaelis zahlbar, verpachtet. 2 Daneben enthält der Kontrakt noch folgende Bestimmungen: 14 Tage vor Walpurgis hört die Brachweide auf. Einen Teil der Roggenstoppel erhält der Schäfer sofort nach der Ernte als Weide für die Lämmer, den Rest erst, nachdem das Rindvieh 8 Tage lang die Vorhut darauf gehabt hat. Nur auf 2 Jahre, von Michaelis 1748 bis dahin 1750 wird die Schäferei zu Hechendorf mit 600 Schafen für 215 ' Yergl. II. 360,

· II, 838,

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II. CAPITBI..

Thaler jährlich, zahlbar halb zu Johannis, halb zu Michaelis, verpachtet. Der Schäfer gibt ausserdem dem Verpächter jährlich 2 Merzschafe und hat die Nutzung von der Hälfte der Heerde. 1 § 5.

Die A c k e r Wirtschaft.

Der Betrieb der Ackerwirtschaft auf den sächsischen Rittergütern zeigt die grösste Mannigfaltigkeit. Die Bewirtschaftung geschieht ent weder nur mit eigenem, oder nur mit bäuerlichem, oder endlich mit eigenem und bäuerlichem Zugvieh. Alle diese Wirtschaftsweisen kommen nicht nur räumlich nebeneinander zu derselben Zeit, sondern auch zeitlich nach einander auf demselben Gute vor. Im Jahre 1528 waren die Dienste zu dem Rittergut Leubingen gegen 50 Gulden Dienstgeld abgelöst. 2 Die Bewirtschaftung fand also nur durch eigenes Zugvieh statt. Diese Ablösung war sowohl von Seiten des Herrn wie der „Männer" jederzeit kündbar und widerruflich. Die Dienste mussten alsdann von den Männern gethan werden, „wohin man sie gebrauchen würde". Es scheinen also der Art nach unbestimmte Dienste gewesen zu sein. Schon in der nächsten Zeit muss wohl von dieser Kündigung, wahrscheinlich — da das Gut inzwischen in andere Hände übergegangen — von dem neuen Herrn, Gebrauch gemacht worden sein, denn ein Lehnbrief von 1550 — nach welchem sich übrigens das Gutsareal in diesen 22 Jahren nicht vergrössert hat — spricht nicht mehr von jener Ablösungssumme, sondern nur noch von „Diensten" und „pflügen". — Es ist wohl anzunehmen, dass das herrschaftliche Zugvieh nun nicht mit einem Schlage abgeschafft worden sein wird. Leubingen gehört also um 1550, wie schon zu irgend einer Zeit vor 1528 einmal, wieder zu denjenigen Gütern, welche mit bäuerlichen neben den eigenen Gespannen bearbeitet wurden. Andere Beispiele für diese gemischte Art der Bewirtschaftung finden sich in viel späterer Zeit, uiji 1700 » II. 844.

s

II. 450.

DAS RITTERGUT IN KURSACHSEN.

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bis 1730 auf den Schönburg'schen Besitzungen 1 und auf dem Rittergute Reimsdorf. Der Besitzer von Reimsdorf ist verpflichtet, bei den von den Anspännern zu leistenden Holz-, Stein- und Kalkfuhren ein eigenes Gespann mit- und voranfahren zu lassen, und zwar bei starken Fuhren einen Vierspänner, bei schwachen einen Zweispänner. Beim Anfahren der Wasserleitungsröhren muss das herrschaftliche Gespann wegen seiner grösseren Leistungsfähigkeit die stärksten Röhren aufladen. Uni 1733 versucht der Erbherr auf Reimsdorf dieser Verpflichtung sich zu entziehen und sämmtliche Fuhren auf die Anspänner überzuwälzen; mit welchem Erfolge, ist aus den Akten nicht ersichtlich.Der kommissarische Anschlag über das Rittergut Taubenheim vom Jahre 1581 zählt bekanntlich alles Rind-, Schaf- und Schweinevieh auf, schweigt jedoch gänzlich von dem Zugvieh, Pferden oder Ochsen. 3 Es scheint also nur mit Frohngespannen gewirtschaftet zu sein, welche von den 28 Pferdnern aus 7 Dörfern gestellt werden mussten. Es soll nun versucht werden, an der Hand dieses Anschlags und mit Hinzuziehung anderer Angaben den gesammten Betrieb eines Rittergutes in Kursachsen um 1580 etwa während eines Wirtschaftsjahres darzustellen. Die Schilderung beginnt am zweckmässigsten mit der Herrichtung und Fertigstellung des Sommerfeldes zur Aufnahme der Gerst- und Hafersaat und der sich anschliessenden Arbeiten. Die Frühjahrsbestellung um 1580. In Taubenheim sitzen neben 8 von den 28 zum Gute überhaupt gehörigen Hüfnern oder Pferdnern 11 Gärtner einschliesslich des Schenken, der für einen Gärtner gerechnet wird, und 24 Häusler in „eingebauten Häusern". Dazu kommen aus den andern Dörfern noch 12 Gärtner, worunter ebenfalls ein Schenke und fünf Häusler. Endlich zählt das auf dem rechten Elbufer gelegene Brockwitz 9 Pferdner, 6 Gärtner und 3 eingebaute Häuser, denen in der Hauptsache die Arbeiten in den dort befindlichen Weinbergen. 1

I. 471.

2

I. 383-385.

5

III. 369. Vergl. dieses Kap. S. 70

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II. CAPLTEL.

zugewiesen sind, während auf dem Hauptgut die Pferdefrohnen von den übrigen Pferdnern, die Handdienste in der Regel von den Gärtnern und Häuslern in verschiedener Anzahl, und zum Teil unter Beihülfe der Pferdner verrichtet werden. Das Sommerfeld zerfällt in drei Teile von ungleich grossem Flächeninhalt, von denen einer für Gerste, der andre für Hafer, der dritte für Erbsen, Wicken, Hanf und Flachs bestimmt ist. Ausserdem werden wahrscheinlich die 10 Acker Lehdenfeld mit Hafer besät. An Artfeld sind im ganzen 184 Acker vorhanden, so dass auf je eine „Art" ungefähr 61 Acker entfallen. Von dieser Grösse ist also auch das jedesmalige Sommerfeld. Wenn man nun die für das Untereggen der Saat bestimmte Zeit zum Massstab nimmt, so ergibt sich, dass sich das Haferfeld zum Gerstfeld wie 2 zu 1 verhält, das heisst, es wird eine doppelt so grosse Fläche mit Hafer, wie mit Gerste bestellt. Wie gross der auf die übrigen Früchte entfallende Anteil ist, ist nicht angegeben, und somit auch über die absolute Grösse des Hafer- und Gerstfeldes nichts zu sagen. Nach Analogie anderer Orte können wir annehmen, dass die Sommerart, wenigstens zu Gerste und Hafer nicht gedüngt wird. 1 Im März oder, sobald der Pflug in die Erde kann, noch früher, beginnt das Pflügen des Sommerfeldes, und zwar des zur Aufnahme der Hafersaat bestimmten Teiles. Das Haferfeld wird nur einmal gepflügt — „geackert", wie das letzte Pflügen vor dem Säen heisst, und zwar von 28 Gespannen in 4 Tagen. Wenn der Acker fertig ist, wird der Hafer von den Pferdnern, also von 28 Säern möglichst bald in die frische Furche gestreut, damit er sich desto leichter untereggen und „quiren" lasse, wozu 2 Tagewerke der 28 Gespanne nötig sind, und damit er desto besser und „körniger" werde, was als Eigenschaft des Märzhafers gilt, wogegen der Aprilhafer weniger Körner aber mehr Stroh £ibt. Dann kommt das Gerstfeld daran, das eine weit sorgfältigere Behandlung erfährt. Bereits im Winter ist es ' H. 133-

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KURSACHSEN.

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zum ersten Mal umgerissen, „gestoppelt", „gestürzt" oder „gefelgt", wie die verschiedenen Bezeichnungen hierfür lauten. In Taubenheim wird zu dem Stürzen 1 Tag verwandt. Ebensoviel zum Haken des Gerstfeldes im Frühjahr. Der Hakenpflug, Hocken, Rührhaken oder Radlitz ist eine besondere Art Pflug, welcher eine zweischneidige Schar, aber keine Seitenbretter und gewöhnlich nur eine, selten zwei, Rüster oder Pflugsterze hat. Mit diesem Haken wird die Stürzfurche der Quere nach zerrissen, und die Hakenfurche wird dann ebenfalls in einem Tage geeggt. Schliesslich wird noch einen Tag lang zur Saat geackert, dann bei günstiger Witterung noch gegen Ende des Monats März, sonst Anfang April, die Gerste gesät und von sämmtlichen Gespannen in einem Tage untergeeggt. Darauf wird der Rest des Sommerfeldes mit Erbsen, Wicken, Hanf und Lein bestellt. Diese Arbeit ist so geringfügig, dass sie in dem Anschlage nicht besonders berechnet, sondern „mit in die andre Ackerarbeit geschlagen" ist. Ebenso ist das Herausfahren des Saatgetreides auf das Feld in jene Zeitbestimmungen einbegriffen. — Anderwärts werden diese Früchte schon in den Jahren 1579 bis 1615 überhaupt nicht in das Sommerfeld, sondern in die Brachart gesät, von der dazu ein gelegenes Stück gleich nach dem Osterfest in Angriff genommen wird. 1 Es ist dies also eine Art Sommerung der Brache. Gleichzeitig haben die 11 Gärtner von Taubenheim den Hopfen zum ersten Male behackt, beschnitten und bestangt, wozu sie einen Tag gebrauchen. Die Pferdner und Gärtner zu Brockwitz, 15 Mann hoch, verrichten unterdes die Frühjahrsarbeiten in den Weinbergen, wozu das Aufziehen, das Räumen, Schneiden, Reben lesen, Pfähle- schärfen und -stecken und „Bögen" d. h. Bogenbinden gehört. Ist der Winter sehr kalt und lang gewesen, so verschieben sich alle diese Arbeiten um eine entsprechende Zeit. — Wenn es die Witterung erlaubt, wird in .diesen beiden Monaten, jedoch nicht länger als bis zum 23. April, • IL 584.

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II. CAPITEL.

das Rind- und Schafvieh auf die Herbstwiesen getrieben, worauf sie gehegt werden. — Ende April oder Anfang Mai findet die Schafschur statt. Die Schäferei zählt 1500 Stück, von denen 500 Stück auf die Bauernfelder getrieben werden dürfen, während die übrigen mit Fütterung, Wiesewachs und den Rittergutstriften erhalten werden müssen. — 50 Weiber der Pferdner und Gärtner aus 7 Dörfern scheeren ungefähr einen Tag lang, wobei sie von der Herrschaft Kost bekommen; „geschiehts Vormittags" — an verschiedenen Tagen — »gibt man ihnen nichts" ! Im Mai behacken die 12 Gärtner aus den Nebendörfern einen Tag lang den Hopfen zum zweiten Mal, „bekommen Käse und Brot nach gethaner Arbeit". „Häufeln, anweisen, abnehmen und pflücken muss die Herrschaft selbst bestellen". Unter denselben Bedingungen müssen später die 11 Tatibenheimer Gärtner die „Vorwerks-Pflanzen" stecken und das Kraut hacken, womit jeder ungefähr drei Tage zubringt. Einen vierten Tag beansprucht später das Rübengraben und -ziehen. Doch führen uns diese Arbeiten schon in den nächsten Abschnitt hinein. Somraerarbeiten und Ernte. Nachdem durch die 11 Taubenheimer Gärtner in 4 Tagen „bei Brot und Käse" der Dünger aus den Kuh- und Schafställen herausgebracht ist, wird er von den 28 Gespannen auf die Brachfelder gefahren, von denen ausserdem ein Teil gepfercht ist. Mit dem Mistfahren bringt jeder Pferdner 5 Tage zu, wobei ihm Essen gegeben wird, ebenso wie den 11 Gärtnern bei den drei Tagen des Mistbreitens. Gegen Ende Juni, zu Johanni wird die Brachfurche gezogen. Die ganze Bestellung der Brachart zur Wintersaat nimmt die 28 Gespanne 21 Tage lang in Anspruch, „wiewohl sie damit nicht wohl zukommen" — auskommen — heisst es treuherzig im Anschlage. Das Brachen dauert fünf Tage lang, ebenso lange das Umreissen der Brachfurche im Juli, das Haken, was ebenso ausgeführt wird, wie im Gerstfelde. In ferneren drei Tagen wird die Hakenfurche geeggt, wodurch die beim Haken herausge-

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brachten Quecken entfernt werden. Von der Verwendung der übrigen 8 Tage weiter unten. Ende Juli beginnt auch schon, wenn eine frühe Aussaat möglich war, die Gerstenernte. „18 Häuslein d. h. Häusler zu Taubenheim müssen jedes 4 Tage lang mit der Sense Gerste und, Anfang oder Mitte August, Hafer hauen, bei der Herrschaft Kost; die man aber nicht braucht gibt jeder 12 Groschen" — Dienstgeld — für nicht geforderte Dienste. 1 Nachdem die Gerste zwei bis drei Tage, der Hafer etwas länger, gelegen, werden sie von 50 Personen der Hüfner und Gärtner bei eigner Beköstigung in zusammen ungefähr drei Tagen aufgerecht, gebunden und in Mandeln gebracht. — Eingefahren wird das Sommergetreide nebst den übrigen Sommerfrüchten, Wicken, Erbsen u. s. w. von 28 Gespannen in zwei Tagen. Gegen Ende Juni fängt die Heuernte auf den — zweischürigen — Grummetwiesen an. Das Gras der — einschürigen — Herbstwiesen wird im August, die Grummet im September gemäht. Diese Arbeiten heissen „Sensendienste" und Hegen den 28 Hüfnern ob, die „alles erwachsene Vorwerksgras und Grummet abhauen müssen", wobei sie „zu Mittag eine Suppe, Fleisch und Zugemüse, Abends und Morgens Käse und Brot erhalten und Kofent zu trinken bekommen, soviel sie mögen". Diese Dienste scheinen nicht durch Stellvertreter geleistet worden zu sein, denn es ist ausdrücklich bemerkt: „bringet jeder der 28 Wirte damit 4 Tage zu". 2 — Mit 1

Ks steht in der Herrschaft B e l i e b e n , das Hnfer-Hauen zu „verlohnen" — soll wohl h e i s s e n : in Tagelohn zu vergeben? 2 W a s sich bei Klingner über die Leistung der Dienste in Person o d e r durch Stellvertreter sonst noch findet, ist folgendes: Er sagt I. S. 106: „An verschiedenen Orten müssen die Unterthanen zu den herrschaftlichen Feldern jedesmal entweder in Person oder durch andere tüchtige Fröhner solchen Hofehieb leisten". E s war also j e nach dem alten Herkommen, den Erbregistern und Vergleichen die Stellvertretung gestattet oder nicht, was auch aus den auf S. 453 ff. mitgeteilten gerichtlichen Entscheiden hervorgeht.

Pnd w>f S. 126, wo er von dep Gütern und Personen spricht,

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II. CAPITEI..

dem Einfahren der gesammten Heu- und Grummeternte werden 28 Gespanne in 2 Tagen fertig, nachdem im sogenannten „Recherdienste" ohne Beköstigung die 50 Hüfner und Gärtner das Heu dürre gemacht und in Schober, grosse Haufen, gebracht haben, wobei 12 Tage vergehen, während die Grummet von 22 Gärtnern in 6 Tagen fertig gemacht wird. Von eben jenen 50 Personen werden gegen Ende Juli, wenn das Wasser klein ist, die Mühlgräben zu Taubenheini geräumt; sie müssen dabei gleichzeitig das Mühl wehr und das Wiesenwehr, welches unterhalb der Mühle den Mühlgraben noch einmal zur Berieselung der Wiesen aufstaut, in Stand setzen und ordentlich ausbessern. Das Kraut wird jetzt zum zweiten Mal behackt; der Hanf wird geftmmelt und kurz darauf gezogen oder gerauft, und „gestaucht", d. h. in kleine Haufen gesetzt. Der Flachs bleibt dagegen nach dem Ziehen oder Raufen 8 Tage liegen, und wird dann, wie der Hanf, „gebusselt", d. h. mit ein paar Strohhalmen in kleine handliche Bündchen — Büssen, Bussen oder Posen gebunden. Bevor der Flachs auf der Tenne welche mit Frohnen zu verschonen sind, meint Klingner : „Die Regeiii der Billigkeit und des Erbarmens erfordern a u c h , dass man denjenigen keine Handdienste anmute, welche nicht vom Bauernstande hergekommen, sondern aus Liebe zum Landleben sich im Dorfe angek a u f e t . Denn da es der Gerichtsherrschatt einerlei sein kann, ob dergleichen ehrbarer Unterthan selbst oder durch eine andere tüchtige Person solche Frohnen verrichte oder ein billigmässiges Dienstgeld d a f ü r bezahle, so würde höhern Orts das Verschonen mit wirklicher persönlicher Frohne gerechtest anbefohlen werden." — Auch hieraus g e h t h e r v o r , dass persönliche Leistung der Frohndienste gefordert werden konnte. Endlich werden nach S. 89 die Richter, Schoppen und Heimbürgen, obwohl sie au den meiston Orten von persönlicher Dienstleistung befreit sind, „in Ansehung der F r o h n f u h r e n , welche mit den P f e r d e n zu leisten und durch ihre Knechte gar wohl zu verrichten sind, sehr selten ausgenommen," woraus folgt, dass sie den übrigen Nachbarn gegenüber eine Ausnahmestellung einnahmen. Und auch die Bestimmung über Beistellen eines tüchtigen Nachbarn bei Verkauf und Tausch scheint darauf hinzuweisen, dass die Dienste grösstenteils von den Wirten selbst verrichtet werden mussten, während sie ihre eignen Felder dem guten Willen der Knechte überlassen konnten.

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gedroschen wird, wird er vorher meist erst „gerüffelt", d. h. durch Klopfen mit einem Holz von der Hauptmasse der Samenknoten befreit. Im Laufe des Herbstes wird er „geröstet", eine Zeit lang ins Wasser gelegt. Auf das Rösten folgt das Dörren, entweder in der Sonne oder im Backofen. Zwei bis drei Tage nach dem Dörren erfolgt das Brechen. Zu allen diesen Manipulationen, sowie zum Jäten und der übrigen Zubereitung, hecheln 11. s. w. des Hanfs und Flachses gebrauchen 18 Häusler-Weiber 10 Tage. Gegen Ende Juli reilt das Wintergetreide. Es wird nicht wie das Sommergetreide mit der Sense gehauen, sondern mit der Sichel geschnitten. Auch Erbsen, W'icken und Kübesamen gelangen bald zur Reife und werden ebenfalls geschnitten. Das Schneiden gibt zwar kürzeres Stroh, als das Hauen, aber nicht soviel Wirrstroh, und es werden auch nicht so viel Körner ausgeschlagen, wie durch die Sense. Die Hauptsache aber ist, dass die Stoppeln und das zwischen dem Getreide aufgewachsene Gras und Unkraut länger bleiben, wodurch die Stoppel als Weide ganz bedeutend gewinnt. Deshalb wird an manchen Orten noch gegen 1750 auch Gerste und Hafer geschnitten. 1 Wenn das geschnittene Korn etliche Stunden an der Sonne gelegen hat, so wird es in Garben gebunden und in Mandeln, Glogen oder Haufen gesetzt. Neun „ Erbschnitter " zu Taubenheim — jedenfalls 9 von den 11 Gärtnern — müssen jeder selbander — wahrscheinlich in der Regel mit der Frau — „auf den Schnitt" kommen, um Weizen, Roggen, Erbsen und Rübesamen zu schneiden, wovon sie als Lohn das 15. Schock, vom Rübesamen aber die 15. Garbe bekommen. Das Geschnittene binden die Erbschnitter auf und bringen es in Mandeln, wiederum um das 15. Schock. Die Hüfner müssen ihnen einen Tag lang gegen Verabreichung einer Mahlzeit aus Suppe, Fleisch und Zugemüse, nebst Kofent, schneiden helfen. — Eine Angabe über die Dauer dieser Arbeiten fehlt, da die Herrschaft kein Interesse an ihrer schnelleren oder langsameren Vollendung hatte. Der geerntete Roggen 1

Zincke, S. 2627.

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II. CAPITEL.

und Weizen wird von den 28 Pferdnern in einem Tage eingefahren. Herbstbestellung und Winterarbeiten. Die meisten der vorgenannten Arbeiten ziehen sich bei ungünstiger Witterung wohl bis weit in den August hinein. — Gegen Ende dieses Monats wird nunmehr das Brachfeld zur Wintersaat geackert, wiederum in fünf Tagen von allen Gespannen. Während dessen dreschen vier Mann das zur Saat nötige Wintergetreide aus. Sie gehören wahrscheinlich zu den Erbschnittern, die wir bei der Ernte kennen lernten, und heissen in ihrer Eigenschaft als Drescher B Erbdreschererinnern also lebhaft an die niederschlesischen Dreschgärtner. Als Erbdrescher dreschen sie im Lauf des Winters auch alles übrige Getreide aus, und zwar um den 20. Scheffel, „gestrichen Mass", wie sie der Herrschaft messen. Ihr Vieh dürfen sie unter dem herrschaftlichen Vieh weiden lassen, und geben dafür von jeder Kuh oder jedem Ochsen jährlich 2 Groschen, von jedem Kalbe unter einem Jahre 1 Groschen. Zum Säen des Wintergetreides, das, ebenso wie das Sommergetreide, auf 12 Malter — 144 Scheffel berechnet wird, verwenden die 28 Pferdner einen halben Tag; die gleiche Zeit natürlich zur Sommersaat. Sie strengen sich dabei nicht allzu sehr an, denn es entfallen auf den Mann etwa 10 Scheffel für den Tag! — Da etwa 61 Acker zu besäen sind, kommen auf den Acker ungefähr 2Vs Scheffel Aussaat. Mit dem drei Tage währenden Untereggen der Wintersaat und dem Ziehen der Wasserfurchen erreicht die Bestellung des Winterfeldes ihr Ende. Der Rest des Septembers wird ausgefüllt mit der Einerntung des Heues von den Herbstwiesen und der Grummet. Auch etwas Gerste wird abgedroschen, damit das erste Bierbrauen vor sich gehen kann, nachdem bei trocknem Wetter der Hopfen abgenommen worden ist. Je nach Bedarf wird 5, 6, 7 Mal jährlich gebraut, und zwar um 1581 beim Schenken, früher im herrschaftlichen Brauhause. — Die Wasserfuhren zum Malzen und Brauen, das Anführen

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des Bieres aus dem Brauhause in die Schlosskeller, beschäftigen die 28 Gespanne der Reihe nach ungefähr je 2 Tage hindurch. Die Treber werden vom Gesinde auf das Vorwerk für das Vieh getragen. Der Gemeindehirt muss der Herrschaft Schweine hüten, und es steht ihr frei, ihm dafür etwas zu geben. Acht Tage vor Michaelis werden fünf solcher mageren Schweine in die Mühle geschafft, die Lehn ist und 30 Schock Pachtkorn gibt. Vier von jenen Schweinen muss der Müller bis Fastnacht zu Speckschweinen und eins als Schlichtschwein heranmästen. Im Oktober werden die Rüben gegraben und die Weinlese hebt an. Senken, d. h. Ableger machen, krauten, hacken, brechen, heften, krauten, verhauen, diese Arbeiten haben in buntem Wechsel die Brockwitzer Hüfner und Gärtner während des Sommers beschäftigt. Jetzt lesen die 9 Gärtner, 6 Gespanne führen die Trauben in die Pressen, und die jährlich erbauten 9 — 10 Fass Wein an die Elbe; diese Fuhren füllen V h Tag aus. Den Rest der Weinbergsarbeiten bildet das Pfahlziehen, Düngen und Decken. Die 6 Pferdner führen zwei Tage lang den Mist auf die Weinberge, während Pferdner und Gärtner den Dünger ausbreiten und die Reben decken, was zusammen zwei Tage in Anspruch nimmt. Im November werden von den Gärtnern die nötigen Weiden zu Zaun- und Rebstöcken, zu Rebbändern und zum Hürdenflechten gehauen. Mit dem Anfahren derselben haben die Gespanne je einen Tag zu thun. Im Dezember wird das Brau- und Malzholz, wovon ausser dem selbstgewonnenen noch 20 Klafter im Tharandter Walde gekauft werden, und ebendaher das nötige Bau- und Röhrholz von sämmtlichen Gespannen mit einem Zeitaufwand von je drei Tagen auf den Gutshof geschafft. Ausserdem fahren die 20 Pferdner der Nebendörfer je 2 Tage lang das erforderliche Brennholz an, welches von allen 50 Pferdnern und Gärtnern in ungefähr 14 Tagen geschlagen ist, und von ihnen im Lauf des Winters nach und nach zerkleinert wird. An Stelle dieser Brennholzfuhren müssen die 8 Taubenheimer Pferdner

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II. CAPITEL.

sogenannte „gemeine Fuhren" thun. Je nach Bedarf bringen sie im Laufe des Winters wechselweise das Stroh für die Schafe in den Schafstall, und das nach und nach ausgedroschene Getreide von der Tenne aufs Schloss, dessen Böden als Kornböden dienen. Ferner schaffen sie den im August oder September gegrabenen „Leim" — Lehm — heran, den die zwölf auswärtigen Gärtner zu allerlei Ausbesserungen, besonders zum „Kleiben" der Lehmwände gebrauchen. Diese Gärtner bessern und verfertigen daneben Zäune und decken und flicken die Dächer mit den dazu hergestellten „Schöben". Schöbe sind kleine, in einer bestimmten Stärke aus glattem Roggenstroh verfertigte Bündlein, die entstehen, indem man zwei Strähnen Stroh am oberen Ende, wo die Ähren gesessen haben, mit einem bestimmten Knoten zusammenbindet. Alle diese Verrichtungen heissen „gemeine Arbeiten", und dauern zwei Tage. Schliesslich finden im Laufe des Winters einige Treibjagden auf Hasen statt, wozu nicht weniger als 43 Treiber — sämmtliche Hüfner, Gärtner und Häusler von Taubenheim — aufgeboten werden. Die hohe Jagd ist an den Landesherrn abgetreten um 50 Gulden jährliche Pacht, die „aus der kurfürstlichen Kammer" gezahlt werden.

§ 6.

D i e G u t s w i r t s c h af t in s p ä t e r e r

Zeit.

Dies ist das Bild, welches wir uns von der Bewirtschaftung eines Ritterguts gegen Ende des 16. Jahrhunderts machen können. In späterer Zeit finden wir in Sachsen drei- und viermaliges Pflügen zur Wintersaat, zwei- und dreimaliges Pflügen zur Sommersaat neben einander. 1 Um 1750 gehören zur vollständigen Bestellung des Winterfeldes neun, zu der des Sommerfeldes sieben verschiedene Arbeiten, von denen jedoch die eine oder andere je nach der Beschaffenheit des Bodens, der Witterung und der Zeit hin und wieder einmal ausfällt. 2 1

I. 619

ff.

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Zinoke. S. 49.

DAS RITTERGUT IN KURSACHSEN.

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Im Winterfelde wird nacheinander vorgenommen: 1) Das Düngen, 2) das Brachen, 3) das Wenden, d. h. Umwenden der Brachfurche — in Taubenheim 1580 noch nicht bekannt, sondern durch die folgende Arbeit ersetzt; •4) das Haken, Rühren, Quiren oder Queriren, wodurch querüber die Wendefurche zerrissen wird. 1 5) Eggen der Hakenfurche, um die Quecken herauszubringen. 6) Ähren oder Ackern — zur Saat pflügen; ähren vielleicht das lateinische arare? 7) Säen, 8) Ausstreichen der Saatfurche oder Untereggen der Saat. 9) Ziehen der Wasserfurchen; eine bei der Unbekanntschaft jeder Drainage besonders notwendige Verrichtung. 2 Im Sommerfelde wird 1) das Düngen nicht überall und nicht regelmässig vorgenommen; die anderen Arbeiten sind: 2) das Stoppeln, Stürzen oder Felgen, die dem Brachen entsprechende Arbeit; das Felgen wird entweder so ausgeführt, dass man Furche dicht neben Furche zieht, wie bei jedem Pflügen, oder so, dass man zuerst am Rande des Ackers einen Streifen von Pflugbreite liegen lässt und die zweite Furche darauf stürzt, und so fort alle ungeraden Pflugbreiten mit den geraden bedeckt. 3 3) Das Rühren oder Wenden, welches im Winterfelde zwei verschiedene Arbeiten sind. 4) Das Ackern oder zur Saat pflügen; 5) das Säen, 6) das Eggen, 7) das Walzen. 1

8

II. 1022. 1056. 399. 400. * L 247. 255. 273. 494. 517. 585. 595. I. 6 3 5 - 6 4 0 . 656. II. 571—574. 580. Η a u η, Fr. Job., Bauer und Gutsherr in Kursachsen. 7

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II. CA.PITEL.

Der Beginn der Bestellarbeiten schob sich immer weiter rückwärts unter heftigen Kämpfen mit den Servituten. Bauern und Gutsherren suchten sich der aus diesen Verbesserungen hervorgehenden Vorteile in gleicher Weise und lebhaftem Wetteifer zu bemächtigen. Auch die Sommerung der Brache wurde eine ständige Einrichtung der Gutswirtschaft. Zur Veranschaulichung der im 17. und 18. Jahrhundert gemachten Fortschritte diene folgender Überblick einer Gutswirtschaft aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der allerdings nicht in allen aber doch in einigen Punkten einen Vergleich mit Taubenheim zulässt. Ein Rittergut bei Rötha um 1761-1766. Um einen solchen Vergleich zu ermöglichen, soll die „ökonomische Beschreibung eines Rittergutes im Leipziger Kreise unweit Rötha" nach einer Tabelle vom Jahre 17G(i herangezogen werden. 1 Auf diesem Rittergut — der Name fehlt, es ist nach den gemachten Andeutungen entweder Böhlen oder Markranstädt - bedient man sich zur Ackerarbeit der damals in Sachsen überhaupt üblichen Pflüge, Eggen, Walzen u. s. w., zum Ausführen des Düngers, Kalkes, Mergels und Schlammes jedoch der sogenannten Pferdekarren oder Kippkarren mit besonderem Vorteil, weil auf zwei Kippkarren mehr als auf einen zweispännigen Wagen geladen werden kann, ferner bei drei Wechselkarren doch nur zwei Pferde erforderlich sind, und überdies das Ausschütten der Karren viel geschwinder geht als das Abladen der Wagen. Schliesslich kann man auf schmalen und kurzen Feldstücken besser damit umwenden und richtet bei nassem Wetter auch nicht so viel Schaden durch die Räder an. Zur Reinigung des Getreides und Futters verwendet man ausser den allgemein bekannten Fegen, Sieben und Rollen eine kürzlich erfundene Fege von Herrn Ohler, welche jedoch für die Reinigung des Getreides zur Saat auch noch 1

Schriften der Leipziger ökonomischen Sozietät. Dresden 1771. S. 15—56.

Erster Teil.

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nicht von erwünschter Wirkung ist. Das Saatgetreide sucht man übrigens durch wiederholtes Reinigen so rein als möglich zu erhalten. Die Felder zeigen nur wenig Abweichung von der horizontalen Ebene und bestehen zumeist aus gutem tragbaren Lehmboden, einige wenige auch aus guter schwarzer Damm- oder Gartenerde. Doch werden die ersteren vorgezogen, weil sie auch in trockenen Jahren hinlänglich kühl und feucht bleiben, während diese leicht aschenartig werden und die Feuchtigkeit zu rasch verdunsten lassen. Die Felder werden der Mehrzahl nach in drei Arten eingeteilt. Jedoch werden diejenigen Felder, auf welchen die Unterthanen keine Dienste thun oder keine Hutgerechtigkeit haben, mit Erbsen, Wicken, Klee besömmert. Im übrigen bleibt die Brache bis zu Anfang und, nach einigen alten Rezessen mit den Unterthanen, teilweise bis in die Mitte des Brachmonats liegen, besonders auf den Feldern, welche die Unterthanen besitzen oder befrohnen müssen, zur Hut für des Ritterguts und der Unterthanen Schäfereien. Auf die Weise nehmen allerdings die Quecken mehr überhand und müssen mit desto mehr Kosten und Mühe vertilgt werden. Für die Wintersaat wird wenigstens viermal, aber auch, wenn die Felder sehr „bündig", verqueckt, von Regen oder Überschwemmungen betroffen sind, fünf- und sechsmal gepflügt. Wie man bei viermaligem Pflügen gewöhnlich bei dem zweiten Male mit dem Pfluge etwas tiefer greift, so geschieht es auch beim fünften und sechsten Mal mit Nutzen. Nach jedem Pflügen wird geeggt; auch das mit harten Klössen bedeckte Land mit schweren Walzen eirtmal überzogen. Zu Gerste wird stets viermal gepflügt und eben so oft geeggt. Zu Hafer wird einmal vor Winter und das zweite Mal im Frühjahr zur Saat geackert. In früheren Zeiten ging der Pflug höchstens fünf Zoll tief, damals, um 1766, aber sieben bis acht Zoll tief, und man dachte daran, ihn künftig noch tiefer gehen zu lassen. Die meisten Felder werden mit Kuh- und Schafmist, einiges mit dem Pferche, mit Schlamm, Jauche· und Kompost gedüngt. Ab und zu wird gemergelt, wovon man den 7*

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II. CAPITEL.

Nutzen neun bis zwölf Jahre lang an den Feldern verspürt. Der Mergel wird mit gleichen Mengen Dünger zusammen untergepflügt. — Zur Wintersaat werden durchschnittlich auf jeden Acker von 300 Quadratruten 16 bis 18 starke zweispännige Fuder Dünger geführt. Auch hat man versuchsweise in die Brache, an Stelle der Düngung, Erbsen gesät und diese vor dem Blühen untergepflügt, worauf sehr schöner Roggen gewachsen ist — also das Vorbild der heutigen Lupinendüngung! Die zur Aufnahme des Krautes bestimmten Ländereion werden mit Vorteil bereits im Herbst gedüngt und gepflügt, da das Kraut sehr gut in dem während des Winters verfaulten Dünger gedeiht, und die Sommerarbeit vermindert wird. Der Teil der Brache, der mit Erbsen besömmert werden soll, wird hingegen erst im Frühjahr gedüngt, und da diese Stücke ohne nochmalige Düngung geringen Kornertrag geben, werden sie nach der Erbsenernte noch einmal leicht überdüngt. Auf den übrigen Teil der Brachfelder, welcher wirklich geruht hat, wird, nach dem ersten Pflügen, der Schafmist von Ende Juni bis Mitte August gebracht und gleich darauf bei dem zweiten Pflügen, dem Wenden, etwas tief untergepflügt. Vor dem Düngen wird das Feld mit Hülfe eines Queckenrechens, vor den zwei oder drei Pferde gelegt werden, von den Quecken sorgfältig gereinigt. Der Rechen dringt ziemlich tief in die Erde und reisst mit grosser Gewalt alle Queckenwurzeln heraus. Sehr verqueckte Felder werden zwei bis drei Mal damit überzogen, wodurch sie schön klar und fruchtbar werden. Die Quecken legen sich schwadenweise auf das Feld, quer vor den Rechen, welcher deswegen oft ausgehoben werden muss; nachher können die Quecken mit Harken leicht zusammengezogen werden. — Ein Landwirt, welcher schwere Arbeit scheut, darf sich dieses Queckenrechens nicht bedienen. Die zusammengeharkten Quecken werden zu unterst in die Schafställe gestreut, wo sie nach und nach in Fäulnis übergehen; einmal verfault geben sie eine vorzügliche Düngung, jedoch müssen sie wenigstens drei

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KURSACHSEN.

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Monate in den Schafställen liegen, ehe sie wieder ohne Gefahr auf die Acker gebracht werden können. Da die Felder des Gutes in mittleren Jahren ziemlich trocken sind, so werden die Kücken der Beete, um das Ab11 iessen des Wassers nicht noch zu begünstigen, nur wenig erhöht, und die Beete 15- 16 Saatfurchen breit gemacht. — Die Wasserfurchen werden mit einem Pferdepfluge rein auslöst riehen und laufen nach dem Hange des Saatfeldes in Wasserläufe ein, welche 15 Zoll breit und tief ausgeschaufelt werden, um das Winterwasser so rasch als möglich abzuleiten. Am Ende jedes Wasserlaufes wird eine, vier Ellen lange, breite und tiefe Schlammgrube angelegt, worin sich die „Geilung", -- das abgeschwemmte fruchtbare Erdreich — sammelt, welches im dritten Jahre wieder aufs Feld geführt wird. Angebaut werden alle gewöhnlichen Getreidearten, welche gut und reichlich gedeihen, dagegen wenig Hanf und Lein. — Zur Wintersaat nimmt man den seit ungefähr 1700 dort eingeführten Norwegischen Staudenroggen, welcher bis dahin noch nicht ausgeartet ist. Halin und Ähre sind grauer als beim einheimischen Roggen, auch ist die Ähre etwas länger. Er widersteht der Kälte und Nässe besser, kommt in jedem Boden gut fort, und „schockt" und „schüttet" vielleicht um ein Zwölftel reichlicher als der gemeine, d. h. er gibt um so viel mehr Stroh und Körner. Die Körner haben keine dickere Schalen als. die von jenem, und das Mehl ist wenigstens ebenso gut. Die Wintergerste scheint auf den dortigen Feldern nicht zu geraten. Dagegen trägt der Rübesamen in guten und wohlgedüngten besonders auch tief bearbeiteten Feldern oft hundertfältig. — Wintergetreide gibt das sechste bis zehnte Korn, Gerste und Hafer geben in einem Durchschnittsjahre das sechste Korn. Vom Roggen wird ziemlich viel Branntwein gebrannt, von dem Spülig und von geringem Korn wird etwas Vieh gemästet. Das entbehrliche Getreide wird an die Mühlen bei Leipzig verkauft und an Fuhrleute, welche es in das Erzgebirge bringen. Der Dresdener Scheffel Weizen wiegt durchschnittlich 200 Pfund, Roggen 150 bis

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II.

CAPITEIJ.

165 Pfund. Der Rübesamen wird an Ölmüller verkauft; der Preis hängt von dem Gedeihen des Sommerrübsens und dem Erfolge des Walfischfangs ab. Der Rübsen wird geschnitten, während das Getreide und die übrigen Früchte behufs Zeitgewinnung grösstenteils gehauen werden. Die ausgedroschenen Früchte werden, besonders wenn sie feucht sind, anfänglich auf den Boden eine Hand hoch aufgeschüttet, und im Sommer möglichst vor der Luft bewahrt, im Winter aber durch Öffnung der Zug- und Luftlöcher der Kälte ausgesetzt, Hierdurch wird, ebenso wohl wie durch fleissiges Wenden im Sommer und Reinigen vom Staube, das Ungeziefer abgehalten. Durch einen Zufall kam man einige Jahre zuvor auf die Entdeckung, dass der Hopfen die Kornwürmer vertreibe. Man musste nämlich damals Roggen auf einen Boden schütten, wo vorher Hopfen zum Trocknen ausgebreitet gewesen war. In diesem Roggen fand sich kein Kornwurm — tinea granella, weisser Kornwurm — ein, trotzdem dieses Ungeziefer auf den Böden darunter und darüber grossen Schaden anrichtete. Zur Saat nimmt man die reifsten, schwersten und reinsten Körner, vertauscht auch das Saatkorn aller Früchte beinahe jährlich mit anderen Rittergütern. Der Weizen wird zur Verhütung des Brandes 24 Stunden lang in Kalkwasser oder Vitriolwasser, in Mistjauche oder einer Brühe von Taubenmist gequellt. Alle diese Mittel verhüten den Brand mit gleichmässig guter Wirkung. Da die frühzeitige Wintersaat die reichste Ernte gibt, so wird aller Rübesamen und Weizen zwischen dem 26. Aug. und 2. September gesät. Den 15. Oktober hält man für den äussersten Termin, an welchem ein vorsichtiger Wirt Roggen, und zwar nur auf Feldern, die möglichst lange gepfercht werden sollten, säen wird. Gewöhnlich werden aber die H a m m e l schon Anfang Oktober von den Feldern genommen und auf die Hopfenberge und Wiesen „geschlagen". Auf einen Acker von 300 Quadratruten wird nicht über 1 V4 Metze Rübsen, von Weizen und Roggen hingegen je nach dem früheren oder späteren Termin ein verschieden

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grosses Quantum gesät, und zwar vom 1.—20. September 1 Dresdener Scheffel und 1 Metze, nach dem 20. September 1 Metze mehr. Diese Saat stellt sich oft als zu dicht heraus , obwohl man sich der Krähen und Tauben, die einen Teil weglesen, nicht gänzlich erwehren kann. Es wird folgender Fruchtwechsel eingehalten: Auf diejenigen Felder, welche man willkürlich benutzen kann, sät man nach starker Düngung Kübesamen oder Weizen, darauf Koggen und endlich Hafer. In die Krautfelder, die dem Artrecht nicht unterworfen sind, sät man im folgenden Frühjahr Gerste, im nächsten Hafer. Unter Gerste und Hafer wird oft Klee gesät, welcher im folgenden Jahre gegen Ende Juni zum Trocknen und Füttern abgehauen werden muss, worauf dieses Feld sogleich gepflügt und gedüngt oder gepfercht wird, was eine gute Roggenernte zur Folge hat. Uber das Areal unseres Rittergutes erfahren wir bedauerlicher Weise weiter nichts, als dass sich die Wiesen zum Ackerland wie 2 : 5 verhalten. Die Wiesen liegen an der Pleisse, sind häufigen Überschwemmungen ausgesetzt und liefern, da der Boden aus guter Gartenerde besteht, sehr schönes Heu und Grummet, jedoch durchschnittlich vom Acker zu 300 Quadratruten kaum zwei tüchtige zweispännige Fuder Heu zu 16 Centnern und kaum 1 Fuder Grummet zu 12 Centnern. — Brachheu wird überhaupt nicht gemacht, sondern das in den Brachfeldern wachsende Gras abgehütet. — Das Heu wird früher, als meist in der Nachbarschaft, nämlich womöglich noch vor Johannis abgehauen. Fällt kein Regen ein, so lässt man Heu und Grummet einen heissen Tag über liegen und wendet es am folgenden Vormittag, bringt es dann in kleine, sogenannte Windhaufen, schlägt es am dritten Morgen wieder auseinander, damit es völlig austrockne, sammelt es darauf in grosse Haufen oder Schober und tritt es fest, und fährt es womöglich noch denselben Abend ein. — Heu und Grummet wird auf den mit dichten Böden versehenen Schaf-, Kuh- und Pferdeställen, auf den Vorratsböden und Heuscheunen trocken aufbewahrt und verdirbt daher niemals. Um den Ertrag der Wiesen zu vermehren, lässt man

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sie mit einem Wiesenpfluge, der fünf „Sechen" hat und kleine Furchen schneidet — einem „Grubber" — im Herbste durchschneiden und streut guten mit Klee vermischten Heusamen in die Furchen. Im Winter werden sie zum Teil mit etwas langem Dünger bestreut und je nach der Witterung bepfercht, endlich alle zwei oder drei Jahre zeitig im Frühjahr mit Kalk und Asche gedüngt und von allen Maulwurf'shaufen sorgfältig gesäubert. In den Grasgärten wird seit einigen Jahren nach erfolgter Düngung Luzerne, Esparsette, Spanischer Klee, Mengfutter und Wicken gesät. Dem Rindvieh wird keine von diesen Futterarten den Tag über allein, sondern mit anderen vermengt, vorgegeben, wodurch bewirkt wird, dass sich das Vieh ein Futter nicht überdrüssig frisst, und dass Milch und Butter nie thranig werden, sondern vielmehr an Wohlgeschmack gewinnen. Die Hutweiden, oder sogenannten Lehden, sind auf dem Gute bei Rötha grösstenteils zu Felde gemacht. Man hat davon nur soviel beibehalten, als für die Schäfereien der Herrschaft und der Unterthanen nötig sind, um bei anhaltendem Regenwetter das Schafvieh kurze Zeit über trocken darauf weiden zu lassen. Die Grundstücke einzuhegen ist in der Gegend von Rötha im freien Felde wenigstens nicht üblich. Bios die Grasgärten werden mit Mauern, Lehmwänden und lebendigen Zäunen eingeschlossen. Die schädliche Gewohnheit, Zäune von trockenem Holze, nämlich aus Weidenästen zu flechten, ist noch nicht gänzlich abgeschafft. Doch lässt man von gespaltenen eichenen Scheiten, oder langen Stangen, welche meistenteils alle Jahre wieder gestohlen oder zerbrochen wurden, keine Einfassungen mehr machen. Weil daselbst kein Rotwild vorhanden ist, das Rind- und Schafvieh der Gemeinden aber von Gemeindehirten auf die leeren Felder getrieben wird, so hat man keine Veranlassung, Felder und Wiesen, wie im Gebirge, mit Stangenzäunen zu schützen, was fortwährend eine Menge junger schöner Bäume kostet. Dagegen werden die Holzungen mit ziemlich breiten und tiefen Gräben umgeben, auf deren hohem Aufwurfe man geben kann, ob die Hirten, d e m Verbot zuwider, in d e n

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Hölzern gehütet haben. — Ausser durch die Abschaffung der toten Zäune sucht man auf jede Weise eine Holzersparnis zu erzielen, durch Abschaffung der hölzernen Brücken und Stege, der hölzernen Kuh- und Pferdetröge und -Krippen, der hölzernen Sauställe, der hölzernen Thür- und Fenstervvände in Wirtschaftsgebäuden, der hölzernen Schleusen u. s. w. kurz durch Ersetzung des Holzes durch Bruch- und Mauersteine — Ziegelsteine —, wo es irgend angängig. In der Umgegend gibt es gute Bruchsteine, die aber infolge des hohen Brechlohnes teuer sind. Dafür findet sich neben etwas Sand, tiefliegendem Kiese, Mergel und Thon auf dem Gute selbst gute Ziegelerde. Der Ziegelofen gleicht den in Sachsen gebräuchlichen, ein guter Ziegelstreicher ist vorhanden. Neben 13 Ackerpferden werden auf dem Gute 11 Zugochsen gehalten; mehr davon anzuschaffen, verbietet der Mangel an Weide und Grünfutter, und die Unmöglichkeit bei Glatteis mit den unbeschlagenen Ochsen fortzukommen, endlich auch ihre Langsamkeit gegenüber den Pferden. — Jedes Pferd bekommt im Sommer wöchentlich 1 l /* Scheffel Hafer und 70 Pfund Heu, im Winter aber nur 1 Scheffel Hafer. Je vier Ochsen bekommen zusammen im Sommer wöchentlich l 3 /4 Scheffel Erbsen oder Wicken, und täglich 40 Pfund Heu oder hinlänglichen Klee. Im Winter aber werden jedem Ochsen 2 Scheffel Erdäpfel nebst genügendem Stroh und Spreu, oder 1 2 Scheffel Schrot von geringem Roggen gegeben. Bei dieser Fütterung können Pferde und Ochsen Winter und Sommer von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang alle Tage fleissig arbeiten. Die nötigen Bullen und Zugochsen zieht man grösstenteils selber; von fremden Zugochsen wird ein dreijähriger von Schweizerrasse mit 16 Thalern, ein vierjähriger mit 20 und 22 Thalern, eine drei- und vierjährige trächtige Schweizer-Kuh mit 12 Thalern, eine gemeine Landkuh mit 9 oder 10 Thalern bezahlt. Ungeachtet im siebenjährigen Kriege die Viehseuche fortwährend wütete, und viele tausend Mann fremder Truppen mit inländischem Fleische versorgt werden mussten,

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und nur wenig ausländisches Vieh wenigstens in den Leipziger, Thüringischen und Kur-Kreis eingeführt wurde, ist doch gutes Rind- und Kalbfleisch immer in hinlänglicher Menge und zu leidlichen Preisen vorhanden gewesen. Das sämmtliche Rindvieh des Ritterguts — neben den 11 Ochsen 60 Kühe und 40 bis 44 Stück Gelte- oder Jungvieh — durch Kreuzung mit Schweizerrasse verbessert, wird im Sommer im Stalle gefüttert und nur ungefähr sechs bis acht Wochen gleich nach der Ernte auf die Stoppel getrieben, nach dem ersten Oktober aber wieder im Stall und Yiehhof behalten, und befindet sich dabei ungemein wohl; es ist gross und stark und gibt auch mehr Milch, als dasjenige, welches sich auf kahlen Weiden und Feldern hungrig frisst und dabei von Hitze und Ungeziefer geplagt wird. Die Viehwirtschaft ist verpachtet, der Pächter aber verpflichtet, von jeder vierten Kuh um leidlichen Preis ein Kalb abzusetzen, welches fünf Wochen saugt. Die Kälber wiegen ausgeschlachtet, nachdem sie fünf bis sechs Wochen gesaugt haben, 55 auch 60 Pfund, und werden mit vier und fünf Thalern bezahlt. Ferner sind 10 Mutterschweine und 1300 Schafe vorhanden. Ziegen werden auch bei den Unterthanen wenig gelitten, da der Nutzen, den sie bringen, mit dem Schaden, den sie anrichten, in keinem Verhältnis steht. Ehemals wurde gemeines einschüriges Schafvieh allhier gehalten, welches gute Mittelwolle gab, wovon der Stein mit 5 Thlr. 12 Gr. bis 6 Thlr. bezahlt wurde. Da sich aber das eingeführte spanische Vieh ausserordentlich gut bewährt hat, will man mit der Veredelung weiter fortfahren. Bisher wurden die Stähre — Zuchtböcke — auf der Schäferei selbst gezogen; da aber die Vertauschung derselben mit fremden als vorteilhafter erkannt worden, soll künftig immer getauscht werden. Von 100 Hammeln spanischer Rasse werden 12 Stein, von 100 dergleichen Mutterschafen 10 Stein Wolle geschoren. — Die Lämmer, welche im April gefallen sind, werden erst Mitte Juli ausgetrieben. Wollte man sie früher fallen lassen, so würde nicht genug Heu vorhanden sein, um die Stallfütterung so

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lange durchzuführen. Der Nutzen dieses späteren Austreibens besteht darin, dass die länger im Stall gebliebenen und also vor der Sonnenhitze, vor Mücken und Fliegen bewahrten Lämmer viel munterer und stärker geworden sind, als die zu einem früheren Zeitpunkt mit den Müttern ausgetriebenen. Hopfengärten, Küchen- und Obstgärten, Federvieh, Fischereien, Jagd und Vogelfang, Bienen und Seidenwürmer und Mühlen mögen hier übergangen werden. Zu unserem Rittergute gehören 19 Personen Gesinde, beiderlei Geschlechts, die nach der Gesindeordnung gelohnt weiden. Jeder Knecht bekommt ausserdem wöchentlich: im Sommer . . . . 16 Pfund Teig im Winter . . . . 14 „ „ jede Magd im Sommer . . . . 14 „ „ im Winter . . . . 12 „ „ wovon das Brot gebacken und dem Gesinde gegeben wird. Und zwar wird im Sommer alle 14 Tage, im Winter alle 3 Wochen gebacken; damit sind die Leute wohl zufrieden, und es fällt auch den Besitzern nicht zu beschwerlich. Auf jede Mannsperson werden ausserdem 6 Scheffel, auf jede Weibsperson 5 Scheffel Roggen gerechnet, wovon aller Brei und alles Mus zu bestreiten ist. Es ist nicht zu leugnen, dass einige von diesen Dienstboten, welche keine starken Esser sind, etwas Brot verkaufen können. Man ist darauf bedacht, dem Gesinde das Essen reinlich, reichlich und gar gekocht zu geben. Tagelöhner bekommen im Sommer täglich 3 V- Groschen Lohn, bei schwerer Arbeit 4 Groschen, in der Ernte auch wohl 6 Groschen, weil man dann bei verschiedenen Verrichtungen bei Sonnenaufgang mit der Arbeit anfängt und bei Sonnenuntergang aufhört. Leider fehlen die Angaben über die Anzahl der zu Diensten verpflichteten ünterthanen und über die Beschaffenheit der Dienste selbst. Durch den siebenjährigen Krieg sind die Ünterthanen in einigen Verfall geraten. Denn viele, welche nicht Pferde halten m ü s s e n , jedoch vor dem

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XI. CAPI'J'El·.

Kriege solche gehalten haben, verrichten jetzt die Feldarbeiten mit Zugochsen, und die, die früher Zugochsen gehalten haben, mit Kühen; die Felder werden daher langsam und schlecht bestellt, und der Fuhrlohn ist sehr hoch. Trotzdem ist kein unangebautes Land, keine Wüstung, kein verlassenes Gut oder Haus vorhanden, weil die Nähe von Leipzig die Unterthanen in „kontribuablem Stande" erhält. Die Häuser der Unterthanen werden seit langen Jahren unten von Lehm — sogenannten „Weigerwänden" — oben von Holz mit Ziegelstein ausgesetzt — „Säulwerk" — hergestellt und mit Stroh gedeckt. Zum Fundament nimmt man Bruchsteine, die Balken und Sparren sind Fichten aus dem Erzgebirge oder einheimische Espen. Die Unterthanen sind klug und industriös, obschon nicht so hart und arbeitsam als die „gebirgischen". Sie sind ziemlich gross, stark und wohlgebaut. Den landesherrlichen Befehlen zu Folge werden die Kinder fleissig zum Schulbesuch angehalten und nach den vorgeschriebenen Schulbüchern unterrichtet. Die Unterthanen selbst geben gern das erforderliche Schulgeld, und es sind wenig Kinder in den Dörfern dasiger Gegend, welche nicht lesen können; ja die meisten können schreiben, auch etwas rechnen. Der Besuch der Schule dauert wenigstens neun Monate im Jahr. Die fleissigen Kirchenexamina der emsigen Pfarrherren ersetzen zwar einigermassen die fehlenden drei Monate der Schulunterweisung, doch reichen sie kaum aus, die als Kinder oft nur mässig unterrichteten Leute bei der nötigen Kenntnis ihrer Religion zu erhalten. „Den massigen Gebrauch der Kinder bis ins sechste oder achte Jahr zu verschiedenen wirtschaftlichen Geschäften und Gewerben, so lange selbige noch in die Schule gehen, hat man nicht nötig zu empfehlen. Aber die Eltern lassen vielfach die Kinder ausserhalb der Schulzeit herumlaufen, obwohl sie doch nach dem achten oder neunten Jahre in der Haushaltung schon helfen, oder auch schon in jüngeren Jahren durch Stricken, Spinnen, Flechten und dergleichen leichte Arbeiten grossen Teils ihr Brot verdienen könnten!"

DAS RITTERGUT IN KÜRSACHSEN.

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— Der ungenannte Verfasser der „ökonomischen Beschreibung" scheint sich seiner eigenen Jugend nicht zu erinnern! Fassen wir diese und die früheren Angaben vergleichend zusammen, so können wir sagen, dass die Technik des Ackerbaus in dem Zeitraum von 1580 bis 1770 nicht unerhebliche Fortschritte gemacht hat. Dieselben liegen vor allen Dingen in der besseren Vorbereitung des Bodens zur Aufnahme der Saat durch häufigeres und gleichzeitig tieferes Pflügen, und erstrecken sich gleichmässig auf das Winterfeld wie auf das Sommerfeld. In Bezug auf die Ernährung des Viehes ist zu sagen, dass die Stallfütterung möglichst lange fortgesetzt wird, aber noch nicht vollständig durchgeführt ist.

III. CAFITEI,.

DIE LÄNDLICHEN NEBENGEWERBE. Unter den ländlichen Nebengewerben nimmt der Betrieb der Mühlen und Brauereien eine hervorragende Stelle ein, nicht nur hinsichtlich der Anzahl dieser Betriebe und der darin beschäftigten Personen, sondern auch bezüglich der eigentümlich verschlungenen rechtlichen Verhältnisse, deren hervorragendste mit dem Namen „Brauzwang" und „Mahlzwang" kurz bezeichnet zu werden pflegen. Dazu kommt, dass die entsprechenden städtischen Gewerbe, und zwar mehr noch beim Brauereibetrieb, in das Gebiet der ländlichen Konkurrenz herübergreifen, wodurch ein höchst malerisches und anziehendes Bild altertümlichen Lebens und Treibens entsteht, das wir deshalb jetzt etwas eingehender betrachten wollen. § 1. D e r

Mühlenbetrieb.

Im Prinzip besteht nach Klingner in Sachsen Freiheit des Mühlenbaus. 1 Doch ist dieselbe zu Gunsten öffentlicher und privater Interessen so sehr eingeschränkt, dass eigentlich so gut wie gar nichts davon übrig geblieben ist. Sowohl dem Landesherrn nämlich als Privatpersonen steht gegenüber der Anlage neuer Mühlen ein Yerbietungsrecht zu, von welchem reichlich Gebrauch gemacht zu werden pflegt. 2 Für die Erteilung der Bauerlaubnis zu neuen Mühlen sind verschiedene Gesichtspunkte massgebend. 1

IV. 356. 3S3.

2

IV. 360. 473. 551.

DIE LÄNDLICHEN

Ill

NEBENGEWERBE.

Vor allen Dingen darf den Besitzern bereits vorhandener Mühlen und ihren Rechten und Vorrechten durch die Neuanlage kein Abbruch geschehen. Aber auch irgend welche Eigentumsrechte Anderer, sowie Fischereien, Beund Entwässerungsanlagen u. s. w. dürfen dadurch nicht geschädigt werden. 1 Die landesherrliche Erlaubnis wird überall da erteilt, wo noch freie — nicht zu irgend einer Mühle „eingezwungene" — Dörfer vorhanden sind, oder sobald den Amtsmühlen kein Schaden erwächst, und besonders gern dann, wenn zugleich der landesherrlichen Kasse pro concessione ein Vorteil entsteht. 2 Die Gutsherren thun sehr häufig die Mühlen um einen Zins oder Erbzins aus, oder verkaufen sie und behalten sich dabei allerlei Naturalleistungen vor. 3 Ebenso wird der Wiederaufbau wüste gewordener Mühlen und die Verwandlung von Ölmühlen in Mahlmühlen und umgekehrt nur unter gewissen Bedingungen gestattet. 4 So darf eine in der Nähe der herrschaftlichen Mühlen von Niederlauterstein liegende wüste Ölmühle nicht in eine Mahlmühle verwandelt werden, und in der Mühle zu Wehlitz darf nicht einmal eine Schneidemühle an das bereits bestehende Werk „angehängt" werden. 5 Bisweilen gibt es alte Verträge zwischen den Berechtigten, wonach der Bestand an Mühlen in gewissen Bezirken nicht vergrössert werden darf.® Auch das „Verrücken" der Mühlen, d. h. Abreissen und Wiederaufbauen ari einer andern Stelle ist nicht immer gestattet. 7 Der Erb- und Zinsherr einer Mühle hat jedoch als solcher kein Recht, den Mühlenbau zu verbieten, wenn nicht seine Mühle mit dem Privileg als Zwangsmühle ausdrücklich ausgestattet ist. 8 Im Bereiche einer mit dem Mahlzwang beliebenen Mühle sind neu erbaute Mühlen vollständig wertlos. Bisweilen wird jedoch der Betrieb darin auf jederzeitigen Widerruf zugestanden. 9 Diese Bedingungen gelten nicht nur für die Mahl* I V . 361. 363. 542. 597.

8

I V . 361. 542. 543. 546.

s

IV. 647.

556. 365. 441. 442. 369. 596. 645. 620. 481. 499. 5 1 0 . 5 8 1 . 6 2 6 . 5 2 5 - 5 3 4 . 617.

I.

598. 748. II. 192. 451. III. 785.

372. 3 7 3 . 364. 367.

6

I V . 365.

7

I V . 371.

8

* I V . 404. 549

551.

I V . 548. 597. 614. 615.

5

IV.

9

IV.

112

III. CAPITKL.

mühlen, wie aus dem angeführten Beispiel der Schneidemühle zu Wehlitz hervorgeht. In allen anderen Fällen kann der Mühlenbau nicht verwehrt werden. 1 Zu Emseloh baut der Gerichtsherr neben seiner Ölmühle eine Mahlmühle, weil dadurch die unterhalb belegenen Sangerhäuser Amtsund Ratsmühlen nicht geschädigt werden. Zu Lausnitz hat eine Papiermühle angeblich seit 1533 ein Privileg, wonach in den Ämtern Arnshauk und Ziegenrück keine Konkurrenzanlage gemacht werden darf. Dies wird in den Jahren 1725—27 mit Erfolg bestritten und die Einrichtung einer neuen Papiermühle dortselbst erlaubt. 2 Wir betrachten noch die für Wassermühlen und Windmühlen im einzelnen geltenden Bestimmungen. Die Wassermühlen. Bei Wassermühlen kommt es zunächst darauf an, ob sie an öffentlichen Flüssen oder an Privatwasserläufen angelegt werden sollen. 3 Die einschlägigen Verhältnisse werden gewöhnlich für die einzelnen Stromläufe generell geregelt, ζ. B. für die Mulde im Jahre 1560. Auf der Mulde ist es nicht gestattet, nach Belieben zu fischen, zu flössen oder irgendwelche Handtierung zu treiben. Die Zölle und Geleite über Brücken und Fähren, auch die Mühlen stehen in allen Amtern und Städten dem Kurfürsten zu. Doch „haben auch etliche von Adel, als die Minkwitz zu Trebsen, die Spiegel zu Gruna, die Schönfelde zu Löbnitz, die von Hirschfeld und Döben und die von Ende zu Zscheplin kraft ihrer Lehnbriefe sich ihrer eigenen Mühlen auf solchem Strome vor sich und den gemeinen Nutz, ihrem Besten nach, zu gebrauchen." 4 Eingehender Regelung bedürfen besonders die Verhältnisse an kleineren Wasserläufen, Bächen und Gräben. Zum Bau einer Wassermühle kann das Wasser vier Wochen lang gänzlich abgestaut werden. 5 Die Veränderung einer unterschlächtigen Mühle in eine oberschlächtige ist nur dann gestattet, wenn durch das dazu nötige höhere Aufstauen des Wassers kein Schaden ange1

IV. 547.

2

IV. 497.

* IV. 553.

4

IV. 361. 648.

s

IV. 385.

DIE LÄNDLICHEN

113

NEBENGEWERBE.

richtet wird.1 Stellenweise erreichten diese Umwandlungen ganz bedeutenden Umfang. So treibt der Mühlgraben zu Lübschwitz 1608 nicht weniger als 16 überschlächtige Räder, während er früher nur 6 unterschlächtige getrieben hat. 2 Die richtige Anlage der Mühlenwehre ist deshalb von besonderer Wichtigkeit. Die Wehre haben den Zweck, entweder das Wasser bloss aufzustauen, oder in ein anderes Bett zu leiten, oder beides zugleich. Man unterscheidet Aufzieh- und Überfallwehre. Die Uberfallwehre bestehen in einem das Wasser durchziehenden Damm von Steinen oder Faschinen. Zu einem Aufziehwehr gehört ausserdem ein H e r d b e t t , welches das Wasser auf das Rad leitet, und ein F l u t b e t t , durchweich letzteres das Hochwasser abfliessen soll. 3 Um die höchste Höhe zu bezeichnen, welche der Wasserspiegel oberhalb des Wehres erhalten soll, wird ein Malpfahl oder S i c h e r p f a h l gesetzt; über ihn wird der Fachbaum gelegt. Durch Malpfahl und Fachbaum wird die Lage und Anordnung der Schutzbretter regulirt, welche stets im Beisein „amtsgeschworener" Müller, oder geschworener „Mahl- und Wassermeister", oder erfahrener „Mechaniker" in gleicher Höhe mit der am Malpfahl angebrachten Marke — dem „Mal" — gesetzt werden müssen. 4 Verrückung des Malpfahles — Herausziehen aus dem Boden, um einen höheren Wasserstand zu erreichen, wird mit 500 Gulden an die Ortsobrigkeit und Verlust der Ausübungsbefugnis des Müllerhandwerks bestraft. 5 Zahllos sind die Chikanen durch Aufziehen von zu viel oder zu wenig Schutzbrettern, womit sich die brotneidischen R i v a l e n das Leben gegenseitig verbittern. 6 Zu Oschatz liegt der Untermüller in Streit mit den Gerbern, welche bei niedrigem Wasserstande durch die Menge der eingelegten Felle und der zum Festhalten derselben bestimmten Steine das Wasser aufstauen.7 Ferner müssen die Interessen des Müllers und des 1

5

IV. 371. ' IV. 393. 555. 556. IV. 397. 6 IV. 399. 7 IV. 488. 604.

* IV. 391.

Η a u η, Fr. Joh., Bauer and Gutsherr in Kursaclisen.

* IV. 396. 594. 8

114

III. CAPITEL.

Mühlenbetriebes mit denen der Gutsherren, der Landwirtschaft überhaupt, der Schiffahrt, Fischerei u. s. w. so viel als möglich in Einklang gebracht werden. Der Müller zu Walperhain darf ohne besondere Erlaubnis kein Wasser aus dem Mühlgraben zum Bewässern seiner Wiesen und Felder nehmen; an anderen Orten ist den Müllern die Entnahme von Wasser zu landwirtschaftlichen Zwecken unter gewissen Einschränkungen gestattet. Der Müller zu Treuen unteren Teils ist auf das Wasser angewiesen, welches ihm Treuen oberen Teils zukommen lässt. 1669 wird ein Rezess errichtet, wonach der obere Teil im Frühjahr bis Walpurgis wöchentlich drei Tage lang seine Wiesen und im Sommer zwei Wochen hindurch zur Grummet wässert. 1 Das Kittergut Schköhlen behält sich den daselbst befindlichen drei Mühlen gegenüber das zur Wässerung seiner Wiesen nötige Wasser vor, während die Mühlen für Benutzung der Wasserkraft je 2 Gulden 6 Groschen, 2 und 2 Gulden Wasserzins entrichten. Von Walpurgis bis Bartholomäi ist wöchentlich ein Tag zur Wässerung der Gutswiesen aus dem ganzen Mühlbach bestimmt; von Ostern bis Michaelis dagegen wird nur aus einem Quellbach je drei Tage lang in der Wocho gewässert. 2 In Ganglofsömmern darf 1704 keine Mühle gebaut werden, weil dadurch das unterhalb belegene Rittergut Schilfe das zum Berieseln und Mühlenbetriebe nötige Wasser verlieren würde. 8 Das Lohgerber-Handwerk in Leipzig besitzt eine Lohmühle an der Pahrde, welche nur im Winter betrieben wird, da erst von Michaelis ab das Wasser aufgestaut wird. 1 In die Grenzgräben, welche die Dorfmarken scheiden, darf aus den Mühlgräben kein Wasser geleitet werden. 5 Zu Langenreichenbach ist die Gemeinde befugt, die Schützen am Mühlenwehr selbst zu ziehen, wenn der Wasserstand eine bestimmte Höhe erreicht. 6 Der Erbherr zu Wildenhain kann verlangen, dass jährlich dreimal das Wasser des Mühlgrabens gänzlich ab1

IV. 379. * IV. 378. 6 400. 390. IV. 471.

s

IV. 388. 396.

4

I. 212. 748.

5

IV.

115

DI Κ LÄNDLICHEN NEBENGEWElvHE.

gelassen wird, damit er fischen lassen kann; will der Müller etwa zu Reparaturzwecken das Wasser ablassen, so muss er es dem Fischereiberechtigten drei Tage vorher ansagen, damit dieser die Vorbereitungen zum Fischen treffen kann. Bisweilen hat der Müller selbst die Fischereigerechtigkeit. 1 Schliesslich müssen auch die Mühlgräben nach bestimmten Vorschriften angelegt und instand gehalten werden. Die Breite und Tiefe der Gräben ist vielfach genau vorgeschrieben. 2 Das Ufer ist gehörig schräg, nicht senkrecht, abzustechen, damit die Böschung nicht einschiesst oder eingetreten wird. 3 Auf dem Grabenrande kann jeder Eigentümer, so weit sein Grundstück ans Wasser stösst, Weiden und andere Bäume anpflanzen, um das Erdreich zu befestigen. 4 Die Gräben müssen von Zeit zu Zeit gereinigt, „gesäubert", „gefegt" oder gehoben werden, jährlich etwa 2 bis 3 Mal. 5 Gemeinschaftliche Gräben müssen teils von allen Nachbarn oder von der Gemeinde gehoben werden, oft jedoch auch von den beteiligten Müllern. Die beabsichtigte Räumung muss acht Tage vorher vom Müller den angrenzenden Besitzern angezeigt werden. 6 Das Recht, den Schlamm auf ein oder beide Ufer des zu räumenden Baches oder Grabens zu werfen, heisst der „ Schaufelschlag." T Auch die dazu erforderliche Breite des Uferrandes wird mit demselben Ausdruck oder mit „Sauberbank" bezeichnet. Diese Breite bestimmt sich nach den verschiedensten Umständen: kaum 5 bis 7 Schuh, 3 Ellen sind manchmal ausreichend, oft auch 12 bis 16 Schuh erforderlich. 8 Die Windmühlen. Für den Bau und den Betrieb von Windmühlen gelten ebenfalls besondere beschränkende Bestimmungen. Gelegentlich eines Windmühlenbaues zu Rehmsdorf erhebt sich die Frage, ob auch dazu die landesherrliche Genehmigung erforderlich sei. Diese Frage wird bejahend 1

s IV. 394. 588. 589. 602. IV. 405. 573. 594. 8 IY. 401. 5 IV. 407. IV. 400. 410. · IV. 401. 417. 418. 420. 471. 7 IV. 8 -103. 4i::. IV. 408. 409. 412.

4

8"

116

III.

CAPITEIi.

entschieden. 1 Windmühlen dürfen nicht zu nahe an Landstrassen erbaut werden, damit die Pferde der Vorbeifahrenden nicht scheu gemacht werden. 2 Wenn eine Mühle rings von Ackern umgeben ist, so muss sie aus dem gleichen Grunde so lange still stehen, als die Nachbarn ackern. 3 Bei Neubauten von Windmühlen ist ferner Rücksicht auf die vorhandenen Trift- und Hutgerechtigkeiten zu nehmen, und der Müller hat dafür bisweilen eine Entschädigung zu geben; wenn die Mühle auf Gemeindeland steht, an die Gemeinde. Auf Einspruch der Trift- und Hutberechtigten muss 1704 zu Hinsdorf ein bereits angefangener Mühlenbau eingestellt werden. 4 Die Besitzer von Wassermühlen, die nicht immer Wasser haben, dürfen Windmühlen bauen. 5 In Notfällen, nach langen Windstillen, dürfen die Windmüller des Sonntags mahlen, wie die Wassermüller nach langer Dürre. 6 Der Mahlzwang. Der Mahlzwang oder Mühlenzwang beruht gleich dem Brau- und Backhauszwang auf landesherrlichen Privilegien, Lehnbriefen, Erbregistern, Erbbüchern, alten Verträgen oder verjährter Ausübung. 7 Er besteht in der Gerechtsame, dass der Besitzer einer Mühle von gewissen Leuten verlangen kann, bei ihm mahlen zu lassen. Auch das Schroten des Malzes ist dem Zwange unterworfen. Der Malzmahler wird im Interesse der landesherrlichen Brausteuer vereidigt. 8 Bisweilen wird der Mühlenzwang über diese Grenzen hinaus ausgedehnt, und auch die Verpflichtung, den Mühlgraben zu räumen und die nötigen Mühlsteinfuhren zu thun, darunter verstanden. 9 Bei Verkäufen von Mühlen wird das Zwangsund Verbietungsrecht ausdrücklich mit verkauft. 10 Auf die Übertretungen des Mahlzwangs ist neben einer Geldstrafe gewöhnlich die Konfiskation des in fremde Mühlen gebrachten Getreides gesetzt, oder der dadurch hinterzogene 1

IV. 361. 5 4 4 - 5 4 7 . 363. 5 624. 625. 544. IV. 618. 631. 434. 440. 441. 581. 573. 575. 10 IV. 513. 619.

2

3 4 IV. 514. IV. 618. IV. 513. 7 IV. 512. I. 638. 643. IV. 427. 9 IV. 469. 537. 573. 656. IV. 368. β

8

DIE LÄNDLICHEN

NEBENGEWERBE.

117

Mahllohn muss — oft für viele Jahre — in Getreide und Geld erstattet werden. 1 Als Kontrole und als Beweismittel für das geschehene Mahlen der zu einer bestimmten Mühle „Eingezwungenen" dienen Kerbhölzer. Dabei wurde für jede Haushaltung ein bestimmter Bedarf an Mehl angenommen, dessen Höhe nach der Anzahl der Personen und der erfahrungsmässig bekannten Lebenshaltung bemessen wurde. 2 Dem Mühlenzwange entspricht auf der anderen Seite die \ r erpflichtung, die Zwangsmühle in fortdauernd leistungsfähigem Stande zu halten. Die „Eingezwungenen" müssen überhaupt vor allen fremden Mahlgästen gefördert werden. Oft ist ihnen ein Rad oder ein Mahlgang reservirt. 3 Die Gemeinde zu Gebesee beklagt sich 1701 über den Erbherrn, dass dieser den dasigen Bäckern die Erlaubnis gebe, sich vor allen andern Nachbarn fördern zu lassen.^ Kann die Mühle die Verpflichteten nicht fördern, so haben sie das Recht, in anderen Mühlen mahlen zu lassen. 5 Immer aber hat eine bezügliche Anfrage bei dem Zwangsmüller vorauszugehen. Unterbleibt sie, so kann der Müller die ihm entgangene „Mahlmetze" verlangen. 6 Der Müller mahlt nämlich in der Regel um den 16. Teil; d. h. vom Scheffel bekommt er 2 Leipziger Metzen oder 1 Mass. Der Gerichtsherr oder sonstige Mühlenbesitzer muss dazu eine „akkurate" und „gestempelte" Metze in die Mühle liefern. 7 Mitunter wird neben oder an Stelle der Metze ein Mahllohn in Geld erhoben. Für das Mahlgeld wird eine versiegelte Büchse in die Mühle gestellt. 8 Von dem auf diese Weise herausgebrachten Mahllohn bekommt der Müller ein Deputat oder einen Anteil, das übrige die Herrschaft; infolge dessen ist die Herrschaft unmittelbar finanziell an der Innehaltung des Mahlzwanges interessirt, und lässt dem Müller jederzeit gern den nötigen gerichtlichen Schutz angedeihen, 8 was gar nötig ist, denn die Mühlenbesitzer machen sich deswegen oft gegenseitig die Kunden abspenstig; ja die s ' IV. 434. 578. 2 IV. 435. 436. 448. 467. 577. I. 598. III. 6 7 234. IV. 437. * IV. 496. IV. 446. 450. 598. « IV. 529. IV. 9 9 438. 574. IV. 538. 656. IV. 441.

III. CAP1TEI..

118

Herrschaft zu Treuen oberen Teils ersetzt den Gepfändeten das konfiszirte Getreide, um sie zu veranlassen, dass sie auch ferner zu ihren Gunsten dem Mahlzwang sich entziehen. 1 Wenn der Müller für die eigene Herrschaft mahlt, so wird das Getreide entweder vom Müller selbst aufgeschüttet, oder er hat die Mühle nur „anzustellen" und „anzurichten'", worauf das Gesinde des Erbherrn aufschütten, schroten und mahlen muss. Der Müller bekommt in diesem Falle vom Scheffel Roggen 6 Pfennige, Weizen 1 Groschen, Schrot 3 Pfennige , B e u t e l g e l d 2 Daneben reisst die Unsitte des Trinkgeldgebens an die Mühlknappen allmählich ein. Dieses, der sogenannte „ Knappendreierwird zuerst freiwillig und gutwillig gegeben, nach einiger Zeit aber als gebräuchlich gefordert und sogar eingeklagt. 3 Die Pflichten der Müller sind allgemein durch Landesgesetze und im einzelnen Falle durch die Bestallungsbriefe festgesetzt. 4 Trotzdem sind Klagen über die Müller sehr häufig. Unterlassenes Fördern, willkürlich erhöhter Mahllohn, Betrügerei und untüchtiges Mahlen sind die immer wiederkehrenden Klagpunkte. 5 Die Bürgerschaft zu Penig behauptet 1649, sie bekäme in fremden Mühlen mehr Mehl und brauchte auch kein Trinkgeld zu geben; darauf wird dem Müller zur Schärfung des Gewissens der Bestallungsbrief vorgelesen. — Veruntreuungen muss der Müller mit dem „Duplum" ersetzen. Die Schuld wird natürlich gern auf die Knappen geschoben.6 Neben der Mahlgerechtigkeit haben die Müller vielfach die Befugnis zu backen und die Backwaaren zu verkaufen.7 Die Anzahl der zu den einzelnen Mühlen eingezwungenen Dörfer und Unterthanen ist naturgemäss sehr verschieden: es kommen 3 bis 4 bis 5, ja bis 30 Dörfer auf eine Mühle.8 Nicht selten sind aus einem Dorf nur einzelne 1

II. 916. 2 IV. 469. 3 IV. 523. 578. 4 IV. 535. 524. 652. IV. 519. 520. 524. β IV. 435. 654. 655. 7 IV. 494. 526. 529. 8 IV. 542. 580. 435. 436. 439 441. 521.

5

DIE

LANDLICHEN

119

NEBENGKWERBE.

Unterthanen verpflichtet, in einer Mühle zu mahlen, die andern sind frei, oder zu einer andern Mühle eingezwiingen. 1 Nicht jedes Rittergut hat eine Mühle; daher kann es vorkommen, dass die Unterthanen sowohl als die Herrschaft auf fremden Mühlen mahlen lassen dürfen und müssen. Der Besitzer des Ritterguts Piesdorf hat ζ. B. das metzfreie Mahlen in der Mühle zu Ahlsleben, weil beide Güter ehedem zusammengehörten. 2 Die Mühle zu Rohrbach ist im Besitz der Gemeinde zu Ober-Röblingen. Sämmtliche Einwohner von Ober-Röblingen müssen auf Gemeindebeschluss in der Mühle zu Rohrbach mahlen und schroten lassen, obwohl die Gerichtsherren zu Ober-Röblingen zu Gunsten ihrer Mühle Einspruch dagegen erheben. 3 Die Bäckerhandwerke in Städten sind vielfach in die Ratsmühlen eingegezwungen. 4 Hier und da kaufen sich Dörfer vom Mahlzwang los.r> — An vielen Orten bringen die Mahlgäste das Getreide nicht zur Mühle, sondern es wird von dem Müller mittelst seines „Treibviehes" — Esel und Maulesel — von den Kunden zusammengeholt. Und ebenso wird natürlich dann das Mehl vom Müller oder seinen »Treibern" in die Dörfer „getrieben", auch wohl gefahren. 6 Gegen ein „Triftpachtgeld" 1 Thlr. 12 Gr., 6 - 8 - 1 2 - 1 6 — 2 4 Gulden jährlich wird den Müllern erlaubt, ein Dorf eine bestimmte Zeit lang, etwa 3 Jahre, zu „betreiben"; dann wird der Vertrag vielleicht erneuert. Für die Benutzung der Wege durch sein Treibvieh zahlt der Müller ausserdem oft ein „Triftgeld" oder einen Zins. 7 Im Jahre 1642 verzichten die beiden Müller zu Beutnitz, Veit Biertümpfel und Felix Ratzmann, auf ihr Triftrecht, weil sie das hohe Triftgeld nicht mehr aufbringen können, nachdem in Folge des Krieges die Mühldörfer fast ganz verheert sind, und sie nicht mehr den vierten Teil der früheren Getreidemenge zu mahlen haben. 8 — Mit dem „Triftrecht" ist verbunden ein Pfändungsrecht gegen andere ' IV. 5

IV.

535.

521. 6

IV.

641. 516. 5S1. 534.

2

I V . 598. 533.

447. 8

s

I V . 442.

1

I V . 495.

450. 466. 467. 475. 631. 652. I V . 59S.

7

607-610.

I V . 479. 633.

120

III.

CAPITEL.

Müller, welche sich in den solcherweise verpachteten Dörfern betreten lassen. 1 In Kirchheiligen werden 1731 zwei Esel gepfändet und für sechs Thaler verkauft. Den Ratsmüllern zu Zeitz werden ebenfalls 1731 fünf Maulesel und fünf kleine Esel durch Kaspar von Berlepsch auf Teuchern abgepfändet. Fremde Müller werden in Benungen regelmässig aus dem Dorfe gejagt und ihnen die Säcke entzwei geschnitten. 2 Im Dorfe Uhrleben wird jeder fremde Müller, ausser mit Verlust des „Mahlwerks", mit 10 Gulden bestraft. a Besitzverhältnisse bei Mühlen.

Die Mühlen zeigen hinsichtlich ihrer Besitzverhältnisse eine sehr grosse Verschiedenheit, je nachdem sie auf Gutsland oder Bauernland stehen. Im letzteren Falle ist ferner zu unterscheiden, ob die Mühlen auf „Gemeindeflecken" stehen, dann ist der Müller eine Art Gärtner, und wird auch ζ. B. hinsichtlich der Dienste zu diesen gerechnet, oder ob das Mühlengut ein vollständiges Bauerngut ist, dann ist der Müller natürlich vollberechtigter Nachbar, mit allen Rechten bezüglich der Viehhaltung und so weiter und mit allen Pflichten eines Nachbarn. Die Stellung der Müller zur Nachbarschaft ist nicht immer klar und zweifellos. So beansprucht der Wassermüller Gabriel Dürrfeld zu Benndorf im Jahre 1726 das Recht des Reiheschanks; die Gemeinde aber weist nach, dass der Müller nicht Nachbar ist, und also auch auf dies Recht keinen Anspruch habe, indem sie daran erinnert, dass jener weder das Glockenläuten noch Botschaftlaufen, weder Gräbermachen noch Wachtdienste mit verrichte, auch kein Hirtenlohn gebe, das Gemeinderind nicht halte, sein Vieh nicht mit vor den Hirten treibe, den Gemeindescheffel und den Kirchenzins, sowie den Beitrag zur Tilgung der Gemeindeschulden nicht entrichte.4 Durch die Stellung in oder ausserhalb der Nachbarschaft sind ferner die Beziehungen der Müller zur Gerichtsherrschaft bis zu einem gewissen Grade mit bedingt, wie aus dem Beispiel von Benndorf hervorgeht. Zu vielen 1

IV. 478. 480.

* IV. 467. 447.

3

IV. 450.

4

IV. 851. 852.

DIE LÄNDLICHEN

NEBENGEWERBE.

121

Ritteigiitern gehören von alten Zeiten her Mühlen, die in den Lehn- oder Kaufbriefen neben den Dörfern, Bauern, Hufen u. s. w. ausdrücklich benannt werden. Beispielsweise zählt der Lehnbrief über das Rittergut Uffhofen von 1431 mehrere Mühlen auf. 1 Später erteilen dann viele Gerichtsherren und ebenso die Landesherren die Erlaubnis zur Anlage neuer Mühlen gegen Zins oder Erbzins in Geld und Naturalien, und die Mühlen hängen dann gleichfalls von ihnen ab, wie andere ausgethane Güter. — Sind die Abgaben und Leistungen mässig, die Erwerbsbedingungen günstig, so werden die Müller oft sehr wohlhabend; sie erlangen dann durch Kapitalzahlungen nicht selten besseres Besitzrecht und völlige Freiheit von Leistungen und Diensten. Klingner sagt hierüber: „Ordentlicher Weise müssen allerdings die Besitzer der Mühlen, nebst den ihrigen, vor den Ämtern oder andern Gerichtsobrigkeiten Recht l e i d e n , worunter solche Grundstücke gehören. Es finden sich aber doch einige ansehnliche Mühlen, welche entweder dem Landesherrn mit anklebenden Gerichten wirklich abgekauft, oder diese sonst den Besitzern aus Gnaden vererbet worden. Ohngeachtet selten einige anzutreffen sein dürften, so mit der Obergerichtsbarkeit versehen sind." 2 Leider sind die von ihm hierzu beigebrachten Fälle sehr wenig ausgiebig. Er erzählt nämlich nur, dass der Mühle zu Wehlitz im Jahre 1674 gegen einen jährlichen Erbzins von einem Goldgulden die Erbgerichtsbarkeit und dazu im Jahre 1725 die Schriftsässigkeit verliehen wird, 3 und ferner, dass die Mühle zu Burgwerben ein Teil des dortigen Rittergutes und für sich allein mit einem „Ritterpferde" „verdienet" — belastet — sei. 4 Noch heute stehen hier und da Mühlen umgeben von einigen Äckern zum nicht geringen Ärger der Gutsherren mitten in einem sonst wohl abgerundeten herrschaftlichen Besitz. 1

IV. 580.

2

IV. 480.

8

IY. 481. 600.

* IV. 601.

122

III. CAPITEL.

§ 2.

Der

Brauereibetrieb.

Das Brauen war bei den alten Deutschen, wie schon Tacitus berichtet, eine vielbetriebene ländliche Nebenbeschäftigung. Später nimmt der Brauereibetrieb sehr verschiedene Formen an, je nachdem er auf Dörfern, in Städten, oder auf Rittergütern ausgeübt wird. Die Dorfgemeinden und die einzelnen Nachbarn verlieren meist das Recht zu brauen und zu schenken zu Gunsten der städtischen und gutsherrlichen Brauereien. Es sind aber noch genug Reste der natürlichen Braufreiheit vorhanden, mit deren Hülfe wir uns den alten bäuerlichen Braubetrieb klar und deutlich vergegenwärtigen können. Das Hausbraaen und der Reihescliank. Die älteste Form des Braubetriebs ist das Brauen im Hause für eigenen Bedarf, wovon sich zahlreiche Spuren finden. Der Gemeinde zu Liebstedt steht noch im Jahre 1734 das Zusammenschütten und Brauen für den Hausbedarf erblich und in perpetuum zu; aber es darf weder in noch ausser dem Dorfe — einzelne Notfälle abgerechnet — etwas verkauft werden. Dagegen ist es den Nachbarn gestattet, Bier gegen Rückgabe in natura zu verborgen. Ferner darf bei dem sogenannten „ Jakobsbier" Jeder seine verwirkte Strafe mit eigenem Bier abtragen, und den „jungen ledigen Leuten" ist nachgelassen, zu dem öffentlichen Kirmestanze zusammenzuschütten und zu brauen. 1 Meist ist mit diesem Braurecht der einzelnen Nachbarn jedoch auch das Schankrecht, der sogenannte Reiheschank verbunden, der auch dann ausgeübt wird, wenn die Gemeinde im Besitze eines gemeinschaftlichen Brauhauses ist. Nach der Gemeindeordnung zu Poxdorf von 1722 darf jeder Nachbar brauen, so viel er will, auch der Herr Pfarrer und der Schulmeister, so viel sie bedürfen. Jeder Nachbar schenkt 8 Tage lang,

1

I V . 734.

123

Dili LÄKDLICHEK KEBEK GEWERBE.

nachdem der vorhergehende ausgeschenkt und ihm das Mass zugeschickt hat. 1 Bei der Gemeinde zu Lichtentanne werden nach einer Brau- und Schankordnung von 1657 die Gebriiude verloost, dergestalt, dass je zwei ganze Höfe und zwei Hintersassen zusammen ein ganzes Gebräude einschütten und brauen, und dann der Keihe nach ausschenken. Der, an dem gerade die Reihe ist, steckt zum Zeichen dessen eine gewisse Zeit, gewöhnlicli 8 Tage lang, einen Kegel, ßietzeichen, Wisch, Schenkwisch oder Zeichen heraus. 2 Im Jahre 1746 verpachtet die Gemeinde zu Klinge den Reiheschank im Dorfe, um von dem Pachtgelde die „zu der Preussischen Kontribution aufgenommenen" 100 Thaler zurückzuzahlen.·'' Vielfach sehen wir Gemeinden bemüht, den ihnen auf irgend eine Weise verloren gegangenen oder durch längere Zeit nicht ausgeübten Reiheschank wiedereinzuführen, ζ. B. zu Hohenheida 1669, zu Röglitz 1679, zu Gundorf 1691, zu Kölsa 1716.4 Auch wo das eigene Braurecht verloren gegangen ist, findet sich der Reiheschank noch. So üben die Dörfer des Klosteramts Sornzig den Reiheschank mit städtischen Bieren aus. 5 Die Dorfordnung für die Gemeinden Ölschitz, Deuben, Nepperwitz, Grubnitz und Bennewitz von 1673 besagt, dass von der Gemeinde der Reihe nach das beliebig irgendwo geholte Bier geschenkt werden könne. 6 Die Einrichtung des Reiheschanks wird 1710 vom Oberhofgericht für höchst bedenklich erklärt, weil die Unterthanen dadurch von ihrer Feldarbeit abgehalten würden, und die Herrschaften wegen Verschlechterung der Güter leicht um ihre Einnahmen kommen könnten. 7 D a s Gemeindebraahaus.

An vielen Orten ist die Gemeinde im Besitz eines Brauhauses. Die Nachbarn dürfen darin entweder unentgeltlich oder gegen Abstattung eines „ P f a n n e n z i n s e s d e r zur baulichen Instandhaltung des Brauhauses dient, brauen, 1

IV. 852. 848. 976. 1019.

2 5

IV. 841. 842. 865. 1024. 3 IV. 1021. IV. 1020. ? IV. 837. ' IV. 847.

4

IV. 699.

124

III.

CAPITEL.

und zwar sowohl für den Hausbedarf, als auch zum Reiheschank. Nichtberechtigten wird die Benutzung des Brauhauses gegen Entrichtung des Pfannenzinses ebenfalls gern gestattet, 1 ζ. B. dem Pfarrer und Schulmeister zu Poxdorf, dem Gerichtsherrn zu Baumersroda u. s. w . 2 Die Leitung des Brauhauses ist entweder einem besonderen Braumeister übertragen, oder es wird ein „mit Haus und Hof angesessener" Nachbar als Lehnsträger über das Brauhaus gesetzt, der dann, ebenso wie jener, den Pfannenzins einnimmt und für seine Verwaltung von jedem Gebräu einen halben Eimer Kofent bekommt. 3 Kofent, Afterbier oder Dünnbier wird hergestellt, indem nach dem Abschöpfen des Bieres von neuem Wasser auf die im Maischbottich zurückgebliebenen Treber gegossen und nach einiger Zeit in den Würztrog abgelassen wird. Bisweilen wird der Kofent „gehopft" oder mit etwas Bier versetzt. E s ist ein kühlendes und durstlöschendes Getränke ohne nährende Eigenschaften. 4 Soll gebraut werden, so müssen sich die Nachbarn untereinander befragen, wer im Brauhause mit einschütten will. 5 Häufig wird das Gemeindebrauhaus verpachtet, so zu Natza im Jahre 1594 auf 1 J a h r für 10 Schock Geld und 8 Eimer B i e r , die die Gemeinde vertrinkt, und ebenda 90 Jahre später, 1683, auf längere Zeit für 10 Thlr. und 2 Eimer Bier. Der Pächter trägt ausserdem alle Abgaben, muss jederzeit Bier haben, und es sich gefallen lassen, dass die Nachbarn anderswo Bier holen, wenn das seinige sauer ist. Von Johannis bis Michaelis, wo das Bier leicht verdirbt, darf er ausnahmsweise halbe Gebräude thun, sonst nicht, da diese die Pfanne zu sehr angreifen. 6 Der Richter und der Erbkretzsclimar. In anderen Dörfern haben nur einzelne Personen das Recht Bier zu brauen und zu schenken. Dieses Recht wird wie andere Freiheiten und Gerechtsame bei den DorfgeI. 520. IV. 704. 2 IV. 852. 704. 8 IV. 704. 834. 827. Zinoke, S. 516. 5 IY. 831. « IV. 825-828. S19—823. 1

1

IV.

DIE LÄNDLICHEN N E B E N G E W E R B E .

125

richten „gerügt". Nicht selten ist der Richter im Genuss der Braugerechtigkeit. Der Richter zu Göppersdorf lässt am 9. März 1536 rügenweise anbringen, dass er allein eine freie öffentliche Schenke habe, und niemand ausser ihm Bier schenken dürfe. Der Richter zu Naundorf verkauft 1708 die auf seinem Gute haftende Freiheit und Gerechtigkeit des Backens, Brauens, Bier-, Wein- und Salzschanks, des Schlachtens und Eisenhandels um 400 Gulden.1 Oder es sind besondere Schenkwirte, Kretzschmar, Erbkretzschmar in den Dörfern vorhanden. Beim Rügegericht 1555 rügt der Kretzschmar zu Loschwitz einen freien Erbschank, den er andern Nachbarn im Dorf nach Belieben verpachten darf, wenn er ihn nicht selbst „verwesen" kann. Gleichzeitig hat er das Vertretungsrecht, d. h. es darf ohne sein Vorwissen kein fremdes Bier eingelegt und verzapft werden. 2 Im Jahre 1693 verzichtet der Erbkretzschmar zu Dahlitzsch „In Ansehung der von dem Gerichtsherrn ihm erzeigten grossen Gutthat und Beförderung, auch wegen der bei eigenem Brauen zu befürchtenden Gefahr und Inkommodität" auf die fernere Ausübung des Braurechts, und verpflichtet sich, alles Bier bei der Herrschaft zu nehmen, was er an Kufen, Fass, Vierteln und Tonnen verzapfen oder einzeln verschenken werde. Nur zur Kirchweih behält er sich jährlich ein Gebräu vor. 3 Alle diese privilegirten Personen bilden gleichsam lauter einzelne auf je ein Mitglied beschränkte Zünfte, wie auch der brauende Gutsherr, den wir jetzt zu betrachten haben. Zum Schluss wenden wir uns dann dem städtischen Brauereibetrieb und den städtischen Brauerzünften zu, mit deren Privilegien die bäuerlichen und gutsherrlichen Brau- und Schankgerechtsame häufig in Konflikt geraten. Die Braugerechtigkeit der Rittergüter. Prinzipiell haben die Gutsherren das Recht, zum Verkauf zu malzen und zu brauen und Bier zu schenken, nicht; vielmehr sind sie nur zum Brauen des „benötigten Tisch1

IV. 703. 692.

2

IV. 706.

3

IV 738.

126

III.

CAPITFL.

trunks" berechtigt, und auch diese Befugnis müssen sie auf irgend eine Art und Weise erwerben. Der städtische Brauzwang erstreckt sich in einigen Fällen sogar über Rittergüter. Beispielsweise darf das Rittergut Krumpa bei Mücheln nur für die Haushaltung selbst brauen, während für die dazu gehörige Schenke das Bier aus Mücheln entnommen werden muss. 1 Im übrigen gilt das im Folgenden über den gutsherrlichen Brau- und Bierzwang Gesagte im allgemeinen ebenfalls für den städtischen. Aber ebenso wie das Recht, allerlei Handwerker in ihren Dörfern zu setzen, erlangen die Gutsherren auch — entweder durch landesherrliche Verleihung, durch Vertrag oder sonstwie — jene Braugerechtigkeit im weiteren Sinne. Und naturgemäss musste ja bei dem allmählichen Steigen des Kornertrages der Güter und mit dem Anwachsen der ländlichen Bevölkerung in den Erb-, Lehn- und Gerichtsherren der Wunsch rege werden, den Braubetrieb auszudehnen und den Unterthanen die Befriedigung ihrer Bedürfnisse aus dem herrschaftlichen Brauhause nahe zu legen. 2 Die erblich verliehene Braugerechtigkeit ist kein ius praedii, kann also auch nicht wie ein ius reale und perpetuuni mit dem Grundstück verkauft werden und geht im Erbfall nur auf die Schwertmagen über. 3 Der Brauzwang. Vor allen Dingen ist von der Befugnis, das Brauen und Schenken zu verbieten, wohl zu unterscheiden die Gerechtsame, andere zu zwingen, dass sie ihren Bedarf an Bier in einer bestimmten Brauerei entnehmen müssen. 4 Diese Privilegien werden jederzeit und fast überall lebhaft bestritten und häufig durchbrochen, so dass die Berechtigten zum Schutze derselben Verträge — Kartelle — schliessen. 5 Und ebenso lebhaft äussert sich das Bestreben, diese Privilegien zu erwerben und immer weiter auszudehnen. Sind es bei den Städten die in der Meile belegenen Dörfer, ' IV. 910. 2 IV. 690 671. 691. 1043. I. 39. 359. III. 49. 619. 621. 625. 22ä—328. 168. 3 IV. 736. * IV. 674. 5 IV. 915.

DIE L Ä N D L I C H E N

NEBlüäQKWKRBH.

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so sind es für den Gutsherrn die Unterthanen, welche sich zu seinen Gunsten ihrer Brau-, Bier- und Schankfreiheit begeben müssen. Ja, es kommt vor, dass Unterthanen zu einer fremden gutsherrlichen Brauerei gezwungen werden. Im Jahre 1673 erlaubt der Besitzer des Dorfes Ötzsch dem Erbherrn zu Grossstädeln, in Otzsch eine Schenke einzurichten und Städeler Bier daselbst zu schenken.1 Der gegebene W e g , die Unterthanen als Konsumenten für das gutsherrliche Bier zu gewinnen, ist der Vertrag in allen möglichen Formen. Am 8. November 1702 errichtet die Gerichtsherrschaft zu Stöschütz, welche laut Lehnbriefs von 1624 die Braugerechtigkeit hat, mit ihren Unterthanen ein Erbregister, welches über diesen Punkt besagt, dass kein Unterthan selbst brauen darf, sondern sowohl die Gemeinde als jeder einzelne Nachbar seinen Bierbedarf bei der Herrschaft um billigen Preis entnehmen muss. Wenn indes die Herrschaft keinen Vorrat hat, dürfen sie es zu Hochzeiten, Kindtaufen und anderen Ausrichtungen nach Belieben holen, jedoch jedes Mal nur mit Vorwissen und Vergünstigung der Herrschaft. Dazu erbietet sich diese, Fässer, Viertel, Tonnen und halbe Tonnen füllen zu lassen, damit auch diejenigen sich versehen können, welche nicht ganze Fässer und Viertel nehmen wollen. Hierdurch ist die noch 1624 ausdrücklich vorbehaltene Befugnis der Unterthanen, nach eingeholter Erlaubnis und nach Anmeldung des „Schuttes" und „Gusses" ihren Ehrentrunk selbst zu brauen, beseitigt. 2 Ferner ist am 8. Mai 1704 der Frau Marie Sophie Freifrau von Reichenbach von der Gemeinde zu Gostewitz das Versprechen gethan worden, „aus unterthäniger Affektion und so lange sie nach Gottes Willen leben möchte, alles Bier allezeit nur bei ihr zu nehmen, und wie andere zu bezahlen." Dabei soll es der Gemeinde frei stehen, das Bier im Keller sich auszusuchen und, wenn es s e h r sauer geworden , zurückzuweisen.3 Und nach einem Rezess vom 4. April 1687 hat die Gemeinde zu Altengottern ihres Erb1

IV. 730.

2

IV. 701. 702.

3

IV. 70G. 722.

III. CAPITEL.

128

herrn „erwiesene Hülfe und für ihre Wohlfahrt gehabte treue Sorgfalt in besondere Erwägung" gezogen und das Versprechen gegeben, künftig ihr Ehrenbier aus dankbarem Gemüte bei ihm und seinen Nachkommen zu nehmen. Dabei erhält jeder, der 12 und mehr Eimer auf einmal nimmt, den dreizehnten frei obendrein. 1 Die gutsherrlichen Braugerechtigkeiten breiten sich also auf Kosten der bäuerlichen, richterlichen und kretzschmarschen immer weiter aus. Wie aus dem Gesagten bereits hervorgeht, ist der Bierzwang kein schlechthin ausschliesslicher, sondern lässt häufige Ausnahmen zu, entweder für bestimmte Gelegenheiten oder für gewisse Jahreszeiten; oftmals bezieht er sich nur auf eine gewisse Anzahl Tonnen oder Kufen, während der etwaige Mehrbedarf irgendwo beliebig entnommen werden darf. 2 Correlat des Zwanges ist die Verpflichtung, ein gutes „tüchtiges" Getränk um billigen Preis zu brauen, widrigenfalls das Bierholen in benachbarten Brauereien ohne weiteres gestattet ist. 3 Auch die Pfarren haben bisweilen Brau- und Schenkgerechtigkeit. Magister Jakobi, Pfarrer zu Gundorf, verzichtet 1656 zu Gunsten der dortigen Erbschenke auf sein Schenkrecht; es mag ihm dies aber bald leid geworden sein, denn bereits im Jahre 1666 schenkt er wieder, worauf an den Superintendenten zu Merseburg ein allergnädigstes Reskript ergeht, „dem Pfarrer sein ungeziemendes Beginnen des Bierschenkens, kannen- und fassweise, über seinen freien Tischtrunk," — den er also brauen d a r f — „welches teils seinem Amte höchst zuwider, teils dem Steuerwesen sehr verkürzlich, mit allem Ernste zu verweisen." 4 Uber die Handhabung des Brau- und Bierzwangs im einzelnen Falle ist nun noch einiges zu sagen. Die Unterthanen zu Berg- und Thalwinkel dürfen nach einem Vergleich von 1726 in ihrem Brauhaus gegen einen jährlichen Schankzins von fünf Gulden brauen. Ist der Vorrat zu Ende, so muss der Schenkwirt den Mehrbedarf bei der Herrschaft nehmen; die übrigen Einwohner sind 1

IV. 809.

* IV. 699.

3

IV. 672. 682. 710. 933. 698.

* IV. 724.

DIE LÄNDLICHEN

129

NEBKNGEWKRBE.

jedoch nicht gebunden. 1 Die zum Kittergut Mausitz gehörigen Dorfschaften müssen laut Vertrag von 1718 ihren Bedarf an Fässern, Vierteln, Tonnen und Dreilingen beim Rittergut beziehen; es steht ihnen aber frei, Bier in „Bullen", Flaschen und „Lögelchen" auswärts zu holen. 2 Die Unterthanen zu Burgwerben brauen bis 1597 gegen einen Brauzins von 1 Legel Bier und 1 Scheffel Malz von jedem Gebräu, der in jenem Jahre in eine Abgabe von 36 Groschen umgewandelt wild. Es ist ihnen aber nicht erlaubt, im Grossen oder im Kleinen Bier zu verkaufen. 3 Die Unterthanen zu Greifenhain dürfen bereits seit 1554 kein Bier einlegen, es aber zu feierlichen Gelegenheiten irgendwo holen. 4 In der Gemeindeschenke zu Tuntzenhausen wird seit 1564 des Erbherrn Bier, wenn es gut ist, ausgeschenkt. Die Einwohner beschweren sich im Jahre 1611, dass der Erbherr ihnen sein „gebrauenes, böses ungesundes Bier" aufdringen wolle. 5 Über des Erbherrn zu Böhlen Bier wird im Jahre 1715 geklagt, dass es „zeithero sehr dünne und sauer gewesen, indem aus e i n e m Malze anstatt früher 14 Viertel jetzt 18 bis 19 Viertel gebraut werden." 6 Eine grosse Rolle spielt das Bier bei der Pflege der Kranken und Sechswöchnerinnen. Von jedem Fass, welches an den Kör- und Rügetagen getrunken wird, werden der Wöchnerin oder den Kranken eines Nachbarn 2 Kannen Bier ins Haus geschickt. 7 Auch die Kinder, deren vier für einen Erwachsenen gerechnet werden, trinken ζ. B. beim Pfingstbier zu Hohenleina fleissig mit. 8 Nicht minder erfreuen sich Offiziere einer besonderen Fürsorge. Für kranke Sechswöchnerinnen und unversehens spät am Abend noch einquartirte Offiziere kann Bier geholt werden, wo es am schnellsten und besten zu haben ist. 9 Zu Oberlungwitz darf ein Bauer drei Viertel, ein Häusler oder Gärtner ein Viertel „Sechswochenbier" einführen und das übrigbleibende einzeln verzapfen und verkaufen. 10 1

8 IV. 724. IV. 723. 1016. 1017. 3 IV. 723. 6 1 9S9. IV. 733. IV. 741. IV. 768. 816. 876. 9 10 IV. 720. S81. IV. 707. 6

Η RUH, Fr. Job., Bauer und Outeherr in Kureachsen.

4

IV. 732. * IV. 833. 9

130

III. CAPITEL.

Oft ist der Zwang für bestimmte Monate des Jahres aufgehoben. Der Schenke zu Callenberg muss von Walpurgis bis Martini das Bier beim Erbherrn nehmen, während er es von Martini bis Walpurgis in Waldenburg holen kann.1 Dagegen ist der Wirt zu Crensitz verpflichtet, das Bier die acht Monate von Michaelis bis zum 1. Juni beim Gerichtsherrn zu nehmen.2 Desgleichen dürfen seit 1576 die beiden Dorfschaften Langenau und Schönerstädt von Galli bis Pfingsten nur Geringswalder Bier schenken, sind jedoch die übrige Zeit frei.3 Ausnahmebestimmungen dieser Art sind sehr zahlreich.4 Es bleibt noch zu erwähnen, dass auch die Erbkretzschmar vielfach unter gewissen Bedingungen auf das gutsherrliche Bier angewiesen sind. Eigentlich heissen nur diejenigen Dorfschenken, wo seit undenklichen Zeiten mit herrschaftlichem Konsens oder auf Grund ererbten Rechts Bier verzapft und verschenkt, auch gemalzt und gebraut werden darf, „Erbkretzschame", ihre Besitzer Erbkretzschmar. Auf ihnen ruht neben gewissen Abgaben die Verpflichtung, Bier und Herberge für Jedermann zu halten. Geht dem Kretzschmar sein Vorrat aus, so kann er ihn nach Belieben beim Rittergut oder in benachbarten Städten decken.5 In späterer Zeit werden manche Erbkretzschame neu geschaffen, diese jedoch dann meist mit einer bestimmten Verpflichtung zur Entnahme des Bieres beim Erbleiher. So wird 1623 der Schenke zu Königsfeld die Eigenschaft als Erbschenke verliehen gegen 10 Gulden Zapfen- und Spundgeld. Aber auch viele früher freie Erbschenken verloren ihr Recht und wurden in grösserem oder geringerem Umfange dem Bier- und Brauzwang unterworfen.6 Die Braugerechtigkeit der Städte.

Die Braugerechtigkeit in Städten ist ursprünglich eine an den Häusern haftende Befugnis, je nach ihrer Grösse 1

IV. 727. 916. 2 IV. 814. » IV. 72. 4 IV. 718. 722. 769 IT. 938. 909. 937. 939 —946. 875. 880. 877. 952. 958. 956. 964. 965. 1012. 1031. III. 581. 5 IV. 744. 6 IV. 745. 746. 951. 968. 9S9. 1014.

DIE LÄNDLICHEN

131

NEBENGEWERBE.

nielir oder weniger zu brauen. 1 Diese Gerechtigkeit geht nach und nach einzelnen Häusern verloren, sammelt sich in wenigen Händen und wird den später hinzugebauten Häusern überhaupt nicht mehr oder nur ausnahmsweise beigelegt. Als Träger der Braugerechtigkeit und der damit verbundenen Privilegien erscheint bisweilen nur der Rat, ζ. B. in Freiburg, 2 meist jedoch die „brauende Bürgerschaft" , „brauberechtigte Bürgerschaft", „Brauerschaft", oder beide Körperschaften zusammen als „Rat und brauende Bürgerschaft" oder „Rat und Brauerschaft." 3 Nachdem der Brauereibetrieb erst einmal in die Stadt verpflanzt ist, entwickelt er sich rasch zu einem kräftigen selbständigen Gewerbe, das oft in weitem Kreise a b schliessend wirkt, und die allmählich entstandenen Brauerzünfte nehmen dann grösstenteils mit vollem Erfolg das Recht in Anspruch, nicht nur in der Stadt allein Bier brauen und verzapfen, sondern auch die benachbarten Dörfer damit versorgen zu dürfen. 4 Aber die sächsischen Brauerzünfte teilen das Schicksal aller Zünfte. Nach einer Zeit der Blüte eilen sie unaufhaltsam dem Verfall entgegen, „durch das bishero fast impune eingerissene unbefugte Brauen, Malzen und Branntweinbrennen," wie im Jahre 1722 aus dem Amte Arnshauk geklagt wird. Die betroffenen Städte werden aufgefordert, die Missethäter specifice anzuzeigen.5 Und Klingner meint im Jahre 1755: „Ordentlicher Weise dürfen weder ganze Gemeinden in Dörfern noch daselbst wohnende einzelne Nachbarn des Bierbrauens und Schenkens sich anmassen. Nachdem aber die allgemeine Notwendigkeit erfordert, dass auf denen Landstrassen einige Wirtshäuser angelegt, auch Reisende und Einheimische, besonders bei volkreichen Gemeinden, notdürftig versorgt werden, so ist es billig, in den Rechten zu gestatten, dass man in Dörfern, durch ausdrückliche Begnadigungen, Verträge oder langwierigen Gebrauch ein Befugnis erwerben könne, öffentliche — Brau- und — 1

IV. 667. 1029. 865. 842. 868.

2

IV. 710. 4 IV. 670.

8

IV. 923. 1003. 790. 933. 725. 971. IV. 766.

5

9*

132

III. CAP1TEL.

Schenkhäuser einzurichten." 1 So sehr war der ländliche Ursprung des Brauereibetriebes in Vergessenheit geraten! Das Meilenrecht. Das Braurecht schliesst nicht ohne weiteres die Befugnis zum Bierschenken, „Gästesetzen" und -beherbergen ein. Ebensowenig ist mit dem Braurecht stets ein Verbietungs- und Zwangsrecht verbunden. Das Verbietungsrecht bezieht sich auf den Bau neuer Brau- und Malzhäuser und Schenkstätten innerhalb „der Meile", und heisst deshalb gewöhnlich „Meilenrecht". Das Zwangsrecht besteht darin, dass jede damit ausgestattete Brauerei die benachbarten und „in der Meilen belegenen" Dörfer anhalten kann, ihren Bierbedarf aus ihr zu decken. Verbietungsund Zwangsrecht sind nicht allezeit mit einander und mit jeder Brauerei verknüpft. 2 Aber es enthalten wohl alle den Städten verliehenen „Begnadigungen" das Meilenrecht. In der von Eilenburg vom Jahre 1404 heisst es: „. . . auch sollen keine Kretzschmar in der Meile in den Dörfern sein, es wäre denn, dass solche von Alters da gewest wären, und man auch vor Alters darinne gebraut und geschenket hätte; sondern die Kretzschmar, die in einer Meile gesessen, mögen Bier schenken; aber kein ander Bier mögen sie schenken, denn das sie selber brauen oder in der Stadt zu Ileburg kaufen werden." 3 Das Verbietungsrecht allein nützt jedoch den Brauereien nicht viel; deshalb suchen sie überall, wo sie es noch nicht haben, das Zwangsrecht dazu zu erlangen. Bei der Bestimmung der „Meile" wird nicht von den Stadtmauern oder Thoren, sondern von den letzten städtischen Gebäuden ausgegangen, und bis an den Zaun oder die Thüre der vor dem Dorfe gelegenen Schenke, oder bis an das Dorf selbst gemessen, wenn die Schenke innerhalb des Dorfes liegt. Die Ausmessung geschieht jedoch nicht in der Luftlinie, sondern auf der gewöhnlichen Land1

IY. 694. 680. 681.

2

IV. 686. 682. 950. 683. 904. 678.

3

IV. 672. 676.

DIE LÄNDLICHEN

133

NEBENGEWERBE.

strasse entlang, und zwar durch einen verpflichteten Feldmesser in Gegenwart der Parteien. Uber die Länge einer Meile herrschen vielfach sehr unklare Vorstellungen. Die Meile wird im Jahre 1714 vom Amte Delitzsch, das die Sache wahrscheinlich durch eine von „Rat und Brauender Bürgerschaft" gelieferte Brille ansieht, zu 60 Gewenden, das Gewende zu 60 Ruten, die Rute zu 7 V2 Ellen gerechnet, das macht 3600 Ruten oder 27 000 Ellen! — Darob grosses Geschrei in der ganzen Umgegend, und durch Entscheid des Oberhofgerichts wird im folgenden Jahre die Meile auf 1500 Ruten — bald jedoch blos auf 2000 achtellige Ruten gleich 16 000 Dresdener Ellen herabgesetzt, ist also immer noch reichlich langt 1 Aber auch sonst greifen die städtischen Brauer vielfach über die Meile hinaus, so dass selbst weit entfernte Dörfer Widerspruch zu erheben genötigt sind, und verlangen, wenigstens zu hohen Festtagen für den Bedarf der Gemeinde selbst brauen zu dürfen. Andere Dorfschaften haben eine Art Kesselbier erfunden, das ohne besondere Vorrichtungen in jedem Haushalt leicht und einfach in kleinen Mengen je nach Bedarf hergestellt werden kann. 2 Oder es schliessen die Städte mit den umliegenden Dörfern Verträge, wodurch das von den Bauern selbst zu brauende Quantum festgesetzt wird, während der übrige Bedarf aus den städtischen Brauereien gedeckt werden muss. So dürfen nach einem Vertrage von 1524 in 13 Dörfern, um Neustadt, Triptis und Auma belegen, alle, die mit einem ganzen Pfluge fröhnen, 6 Scheffel jährlich malzen und brauen, die mit einem halben Pfluge fröhnen, 3 Scheffel, und zwar nur von selbstgebauter Gerste und zum eigenen Gebrauch. Und im Jahre 1537 schliessen jene drei Städte mit 34 anderen Dörfern einen Vergleich, wonach jeder Einwohner 4 Scheffel von der „ selbsterwachsenen" Gerste zu hochzeitlichen Ehren und anderen Fröhlichkeiten brauen darf. 3 Zum Schutze des Meilenrechts bedienen sich die Städte 1

I V . 709. 905. 931. 9 3 4

937. 939.

2

I Y . 670. 883.

3

I V . 809 810.

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1Π. CAPITEL.

weitgehender Selbsthülfe, die sich in den Formen der „Ausfälle" bethätigt. Die Ausfälle.

Die brauberechtigte Bürgerschaft der Städte darf bei Verletzungen ihres Verbietungs- und Zwangsrechts auf die eingezwungenen Dörfer „mit gewaffneter Hand" „ausfallen", und sowohl das bei den Schenken als das bei den Unterthanen eingeschrotete fremde Bier wegnehmen, austrinken, und die Gefässe wegführen oder zerschlagen. Dieser Gebrauch ist in den verschiedenen deutschen Ländern teils durch Landesgesetze ausdrücklich gestattet, teils durch beständige Ausübung in Kraft geblieben und durch viele Urteile und Rechtssprüche für erlaubt erklärt worden.1 Vor den Pfingstfeiertagen des Jahres 1609 wartete der Stadtschreiber zu Freiburg, der den Verkauf aus den Ratsbrauereien daselbst zu kontroliren hatte, vergeblich auf die Bauern des in der Meile belegenen Dorfes Zeuchfeld, welche nach den in den Jahren 1548 und 1590 ausdrücklich bestätigten Privilegien der Stadt Freiburg kein „fremdes" Bier schenken durften. Er schöpfte Verdacht, da er sich nicht denken konnte, dass die Bauern diesmal das hohe Fest gänzlich ohne das übliche Pfingstbier feiern wollten, denn die Ernte des vergangenen Jahres war nicht schlecht gewesen, und der Stand der Saaten versprach für dieses Jahr womöglich eine noch bessere. Zudem musste die Gemeinde von früheren Jahren her wissen, dass er, der Herr Stadtschreiber, es mit der Zahlung nicht so genau nahm, sondern gerne bis nach Beendigung der Gerstenernte damit wartete, wo sich dann die verlorenen Zinsen bei der Berechnung des Gerstenpreises sicher wieder einbringen liessen. Freilich — die letzten Gebräude waren, da man dem alten Braumeister wegen vorgekommener Unregelmässigkeiten hatte kündigen müssen, in den letzten Tagen seiner Geschäftsführung von diesem mit geringer Sorgfalt hergestellt, und — der Stadtschreiber schüttelte sich — offen gestanden ein wenig missraten. Sollten die Zeuchfelder 1

IV. 790 ff.

DIE LÄNDLICHEN

NEBENGEWERBE.

135

Bauern, denen eine feine Zunge nachgerühmt wurde, davon Wind bekommen und sich ihr Pfingstbier anderswo beschafft haben? — Das wäre denn doch! — Sorgenvoll verliess der Stadtschreiber die Schreibstube — es war Freitag Abend — übermorgen ist Pfingsten — was thun? Er deutete beim Verlassen des Rathauses dem Ratsfrohn — Stadtknecht — seinen Verdacht an und befahl ihm, womöglich am nächsten Tage noch einen Versuch zu machen, Licht in die Sache zu bringen. — Der Stadtfrohn ist ein pfiffiger Kopf; am nächsten Morgen macht er sich an ein Zeuchfelder Bäuerlein, das zu einigen Festeinkäufen noch zur Stadt gekommen war, und das er von früher her als ein wenig vertrauensselig kannte, wenn ihm der gute Schnaps in der Ratsschenke die Zunge gelöst hatte. Und richtig! das Mittel wirkte, und schon beim dritten Gläschen wusste der splendide Gastgeber, was er wissen wollte. Er verabschiedete sich ziemlich kühl von seinem verdutzt dreinschauenden Gaste, der sich nach einigen weiteren Gläschen schweren Schrittes auf den Heimweg machte. Der Ratsfrohn war indes in höchster Eile zum Stadtschreiber gelaufen, welcher seine Ahnung durch die erhaltenen Mitteilungen vollauf bestätigt fand. Hatten richtig die verd Bauern ihr sämmtliches Pfingstbier — ο sie wussten, was gut schmeckt — aus Zschorta, Naumburg und Bedra geholt! — Die Sache war ernst und erheischte schnellen Entschluss. Rasch war der Rat der Stadt versammelt und von diesem nach kurzer Beratung der Stadtschreiber beauftragt, eine genügende Anzahl waffenfähiger Bürger mit Obergewehr und Untergewehr zum Nachmittag des ersten Pfingsttages, und ferner die „ordentlichen", d. h. berufsmässigen „Schröter" aufzubieten. Es sind dies Leute, welche Wein oder Bier gegen einen gewissen Lohn kunstgerecht in die Keller und wieder heraus bringen. Es war ein stattlicher Zug, der sich am heiligen Pfingsttage des Jahres 1609 Nachmittags gegen 2 Uhr durch die Strassen von Freiburg und zum Stadtthore hinaus gen Zeuchfeld bewegte. An der Spitze der Herr Ratsbaumeister, dem die Führung übertragen war, und der Herr Stadt-

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III. CAP1TEL.

Schreiber, beide hoch zu Ross und gar prächtig angethan: mussten sie doch, bevor sie zur Exekution gegen seine Unterthanen schritten, den hochmögenden Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn zu Zeuchfeld „begrüssen" und seine Bewilligung einholen; denn ohne solche Begrüssung und Bewilligung war der Ausfall rechtswidrig und unstatthaft. — Dann folgten die wehrhaften Bürger, wohl sechzig an der Zahl, darauf die Schröter, kräftige, breitschulterige Gestalten. Die zum Herausschroten der Fässer nötigen grossen Seile, Hebebäume, Rollen und Schrotleitern führten sie auf einem Wagen mit, der nachher zugleich zum Wegschaffen des beschlagnahmten Bieres dienen sollte. Endlich war man zur Stelle. Der Gerichtsherr empfing die Abgesandten des Rates zu Freiburg mit gemessener Höflichkeit, und erteilte freundwilligst die nachgesuchte Erlaubnis — innerlich die beiden Ratsherren und die ganze Stadt Freiburg mitsammt allen ihren Privilegien zum Teufel wünschend. Die überraschten und in ihrer besten Festfreude gestörten Bauern versuchen einige Augenblicke Widerstand zu leisten; aber nachdem sie einige nachdrückliche Püffe und Schläge erhalten haben, ziehen sie sich vor der wohlbewaffneten Übermacht fluchend und schimpfend zurück. Die in aller Eile noch wieder vor die Keller des Gemeindehauses gelegten Schlösser werden erbrochen, da die Schlüssel durchaus nicht aufzufinden sind, und unter den sachkundigen Handgriffen der Schröter erblicken alsbald zwei stattliche Fässer das Tageslicht. Die Bürger thun sich unterdes an dem dritten bereits angezapften Fasse — es ist köstliches Naumburger — gütlich, dann wird es nebst den Trink- und Schankgefässen zerschlagen, während die beiden anderen aufgeladen und im Triumph heimgeführt werden. „Es ist doch schier unglaublich, was solche Bauern um ein wenig Bier sich für Schimpf und Ungemach auf den Hals laden!" sagt unterwegs der Herr Stadtschreiber zum Herrn Stadtbaumeister. „Ihr mögt Recht haben, Herr Stadtschreiber," versetzt dieser, sich schmunzelnd den Bart streichend, „aber mich will bedünken, das Naumburger war

DIE LÄNDLICHEN Ν EBEN GEWERBE.

137

docli so übel nicht, und das Zschortaer und Bedraer wird hoffentlich morgen beim Pfingstschiessen nicht minder munden!" Und so war es. Der Stadtbaumeister aber that den besten Schuss und wurde Schützenkönig und musste viel Bescheid thun. 1 1 IV. 685. 705. 710. 728. 749. 818. 845. 866. 878. 885. 945. 955. 'J'J3. 731. 739. 753. 758. 759 772. 782. 995. 971. 1009. 1036. Zincko, S. 2649.

IV. CAPITEL.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICHE VERHÄLTNISSE IN KURSACHSEN. Nachdem wir den Bauer und den Rittergutsbesitzer gesondert, jeden für sich, betrachtet haben, untersuchen wir nunmehr die Beziehungen, in welche sie beide zu einander treten. Diese gutsherrlich-bäuerlichen Beziehungen sind von zweierlei Art, entsprechend zwei verschiedenen Seiten im Wesen des Gutsherrn. Der Gutsherr ist nämlich erstens Grundherr, in Sachsen Erb- und Lehnherr oder gewöhnlich blos Erbherr genannt und zweitens Gerichtsherr. Nicht immer aber ist von selbst mit der Grundherrlichkeit die Gerichtsherrlichkeit verbunden; die Grundherren fühlen diesen Mangel gar wohl, 1 und zahlreich sind deshalb die Gesuche um Verleihung oder Erweiterung der Gerichtsbarkeit, und zahlreich dergleichen Verleihungen und Begnadigungen von Seiten des Landesherrn, entweder als Belohnungen für geleistete oder erwartete Dienste, oder als einfache Kaufobjekte, indem so und so viel hundert Gulden an die landesherrliche Kasse dafür zu „vergnügen" sind. Dem Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn stehen nun die Bauern und die übrigen Dorfeinwohner als Unterthanen gegenüber. Als solche haben sie dem Erb- und Lehnherrn die Erbhuldigung und allerlei Abgaben und Dienste zu leisten; als Gerichtsherr übt der Gutsherr entweder blos die niedere, Erbgerichtsbarkeit, oder daneben auch die 1

III. 350. 351.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICHE

VERHÄLTNISSE.

139

höhere, Obergerichtsbarkeit über die Unterthanen aus, und hat je nach dem eine verschieden weit ausgedehnte Strafgewalt über sie, und damit ein weiteres Mittel, seine Einnahmen auf ihre Kosten zu erhöhen. Den gutsherrlichen Servituten auf Bauerland stehen hier und da bäuerliche Servituten auf Gutsland zur Seite und gegenüber, doch ist auch hierbei der Vorteil in der Regel auf Seite des Gutsherrn. Der Bauer geht in dieser vielfachen Verstrickung allmählich einer bedeutenden Verschlechterung seiner Lage entgegen und nicht selten völlig zu Grunde, indem ihm jede wirtschaftliche Verbesserung des Betriebes durch die Servituten und Dienste, jede Ansammlung von Vermögen durch die zahlreichen Abgaben und Strafen erschwert und fast unmöglich gemacht wird. Da die Servituten aus dem rein örtlichen Nebeneinander von gutsherrlicher und bäuerlicher Wirtschaft entstanden sind und sich daraus auch vollständig erklären lassen, so beschäftigen wir uns kurz mit ihnen, ehe wir übergehen zu den engeren gutsherrlich-bäuerlichen Beziehungen, wie sie in der Gerichtsbarkeit und Erbhuldigung, in Abgaben und Diensten zur Erscheinung kommen. § 1. D i e

Servituten.

Das Gesammtrecht der Markgenossenschaft schrumpft im Laufe der Zeit immer mehr zusammen, während die Rechte der Grundherren einerseits, der einzelnen Nachbarn anderseits sich deutlicher ausgestalten und unter dem Einfluss des römischen Rechts grössere Bedeutung und weiteren Umfang gewinnen. Die zahlreich vorhandenen, auf dem Nachbarrecht beruhenden Eigentumsbeschränkungen hinsichtlich der Wege, der Weiden, der Hölzer, des Wassers u. s. w. entwickeln sich daher in vielen Fällen zu Servituten, welche entweder die Bauern auf Gutsland, oder die Gutsherren auf Bauerland geniessen. Die obrigkeitliche Stellung, die der Gutsherr nach und nach errang, — er war Partei und Richter zugleich, in erster und meist auch in zweiter Instanz — erleichterte es ihm ausserordentlich, die Mitbe-

IV. CAP1TEL.

140

nutzung bäuerlichen Besitzes zu erlangen. Umgekehrt hielten viele Bauernschaften gewisse Teile des Eigentumsrechtes zäh fest, wenn auch der Boden selbst, meist Waldland, oder auch Gemeindeland und bäuerliche Hufen in den Besitz des Gutsherrn übergingen. Von den Servituten betrachten wir die Trift- und Hutgerechtigkeit, sowie die Waldgerechtigkeiten etwas genauer, indem wir die Waldgerechtigkeiten als minder wichtig voranstellen. Die Waldgerechtigkeiten. Die Waldgerechtigkeiten werden gewöhnlich in drei Arten eingeteilt, welche unter den Namen des Holzungsrechts, der sogenannten kleinen Waldservituten und der Weiderechte in Wäldern begriffen werden. 1 Von dem Holzungsrecht findet sich in unsern Akten kaum eine Spur, wenn man nicht etwa dahin rechnen will, dass zum Bau und zur Ausbesserung von Mühlen, die um Erbzins ausgethan sind, von der Gerichtsherrschaft, oder bei Amtsmühlen aus den landesherrlichen Forsten, das nötige Eichen- Espen- und Buchenholz geliefert wird, welcher Anspruch der Mühlen in der Form der Servitut erscheint. 2 Vielfach machen die Gerichtsherren ein Aufsichtsrecht über Gemeindehölzer geltend. So dürfen die Unterthanen zu Schnaditz und Wöllaune im Jahre 1725 die auf ihrem eigenen Grund und Boden stehenden Eichen nur mit Erlaubnis des Gerichtsherrn und nur für ihren eigenen Bedarf schlagen. 3 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass solches Aufsichtsrecht sich manchmal in vollständiges Eigentumsrecht umwandelte, so dass dann die Nutzung der Bauern an ihren Wäldern zu einer Servitut im gutsherrlichen Forst geworden war. Weit zahlreicher nachweisbar sind dagegen die meist auf Nebenprodukte des Wraides gerichteten kleinen Waldservituten. Sie sind dem Walde wenigstens ebenso schädlich, wie die Insekten. In vielen Fällen sind es nur Yer1

a

Nach Laband, Yorlesung über Deutsches Privatrecht. 3 IV. 369. 423. I. 609.

1890.

GUTSHERRLICH-BAUERLICHE

VERHÄLTNISSE.

141

günstiglingen für kleine Leute. Man rechnet dazu folgende: Das Recht auf Windbrüche, die Raff- und Leseholzgerechtigkeit, die Waldstreugerechtigkeit, das Recht die Waldfrüchte zu sammeln und die Laubgerechtigkeit. Mit Ausnahme des letzten erklären die Namen die Sache. Die Laubgerechtigkeit ist die Befugnis, das Laub von den Zweigen streifen oder streifein zu dürfen. Das Laub wird, wie bei der Gutswirtschaft des näheren ausgeführt, entweder grün verfüttert oder getrocknet und für den Winter aufbewahrt. Am 20. Mai 1670 wird den Unterthanen zu Grosspössna angedeutet, dass ihre Weiber nicht mehr wie bisher nach Belieben alle Tage, sondern nur noch Mittwochs ins „Holz" laufen sollen, damit von des Gerichtsherrn Leuten Jemand zur Beaufsichtigung beordert werden könne, und dass sie ihre Ziegen abschaffen sollen, weil zu deren Fütterung oft . . . . „das Laub von den Bäumen im Holze entwendet und weggenommen worden." 1 Der junge Aufschlag in frischabgetriebenen „Gehauen", die sogenannten „Sommerlatten" müssen fünf Jahre lang nach erfolgtem Abtrieb mit Laubstreifeln, Hüten und Grasen verschont werden. 2 Die Weiderechte an Wäldern zerfallen in zwei Unterarten, die indes keine erheblichen Verschiedenheiten zeigen. Das Mastrecht ist die Befugnis, Schweine die Eichenund Buchenfrüchte weiden zu lassen. Es wirkt schädlich, weil die Schweine die feinen unter der Erdoberfläche sich ausbreitenden Saugwurzeln der Bäume zerstören; nützlich jedoch insofern, als sie gleichzeitig die Larven und Puppen forstschädlicher Insekten und diese selbst vertilgen. — Gewöhnlich ist dies Recht ein Annex der Weidegerechtigkeit auf den Wiesen und Feldern. 3 Das Blumenhutrecht ist das Recht, andere Tiere als Schweine in den Wald treiben zu dürfen. Ziegen sind aber immer ausgeschlossen. — Die Triften durch Wälder müssen von Holz und Buschwerk geräumt werden, damit die Schafe keine Wolle verlieren. 4 Die mit Hegewischen bezeichneten 1

4

I. 712. I. L'0-t. 709.

2

IL 301. 432. 653. 661. 900.

s

I. 204. 710. 711.

142

IV. CÄPITEL.

Sommerlatten dürfen während der ersten fünf Jahre nach dem Abtrieb überhaupt nicht betrieben und behütet werden. 1 Da die Aufsicht der Wälder den Forstbeamten obliegt, so werden bei Übertretung dieser Vorschrift die Tiere oft nicht gepfändet, sondern einfach totgeschossen, oder mit Hunden in den Wald gehetzt, dass sie verloren gehen oder in Sümpfe und Teiche geraten, worin sie unikommen.2' Auch die Weidegerechtigkeit ist im Walde und auf anderen Grundstücken, wie die Ausübung des nachbarschaftlichen Weiderechts, durch die Grasegerechtigkeit ersetzt. Sie ist die Befugnis, an gewissen Orten „grasen zu gehen", oder zu „grasen", d. h. das Gras mit der Sichel zu schneiden. Ihre Ausübung ist bisweilen an gewisse Termine geknüpft, und entweder frei oder gegen Abgaben und Dienste gestattet. 3 Die Abgaben bestehen in den sogenannten Grasehühnern, auch in Geld, oder einem Gräsereizehnten.4 Die Triftgerechtigkeit

Unter den Wegegerechtigkeiten nimmt die Triftgerechtigkeit eine hervorragende Stelle ein. Die Ausdrücke Trift, Trieb, Treibe oder Tratt bezeichnen zunächst einen Ort, über den Vieh regelmässig getrieben wird, alsdann die Bethätigung des Triftrechts, und endlich die Triftgerechtigkeit. Trift bedeutet in unsern Urkunden nicht selten sogar soviel wie Hut oder Hutgerechtigkeit. So heisst es ζ. B., dass zu einer Schäferei die Triften in gewissen Dörfern gehören. — Hier handelt es sich jedoch um die reine Triftgerechtigkeit, losgelöst von und im Gegensatz zu der Hutgerechtigkeit. Die Triftgerechtigkeit in diesem Sinne ist die Befugnis, Vieh über ein Grundstück treiben zu dürfen. Sie ist in vielen Fällen die unerlässliche Vorbedingung des Hutungsrechts, da die alte Flurverfassung es naturgemäss mit sich brachte, dass man, um jenes auszuüben,] über Felder, Wiesen, Hölzer u. s. w. anderer Besitzer treiben musste. 1

II. 301. 595. IL 672. 1031.

2

I. 595.

» I. 202. 684. 719.

4

I. 207. 731.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICHE

VERHÄLTNISSE.

143

Das Triftrecht wird regelmässig so ausgeübt, dass das Vieh möglichst schnell in einem Zuge unter Aufsicht die betreffende Strecke zurücklegen muss, also nicht hin- und herlaufen und sich zerstreuen und weiden darf.1 Jedoch ist es der Gesundheit der Tiere höchst nachteilig, wenn sie etwa wegen der Enge des Weges sich drängen oder allzuschnell getrieben werden und erhitzt auf die Weide kommen. Deshalb ist in vielen Fällen je nach der Grösse der Viehheerde ein Mindestmass der Triftbreite vorgeschrieben.2 Die Breite der Triftwege wird in Ellen, Schritt oder ttuten, auch in Bruchteilen der Acker- oder Gewann-Länge angegeben. 3 Es finden sich Triftwege von 8, 9, 14, 15, 30 Ellen, 12, 150 Schritt, 3, 4, 6 Ruten Breite. 4 Nicht immer ist der Triftweg in seiner ganzen Länge gleich breit: ein Weg von 18 Ellen verschmälert sich auf 12 Ellen u. s. w. 5 Die Triftwege sind durch Gräben und Steine bezeichnet und mit Zäunen verwahrt. Bricht das Vieh aus dem Triftwege aus, und richtet es Feldschaden an, so ist der Hirt oder der Schäfer oder der Eigentümer ersatzpflichtig.6 Andererseits ist die Trift selbst von Hindernissen, Buschwerk, Gräben, Zäunen, frei zu halten, sie darf nicht »versperrt" werden.7 Es dürfen daher in unmittelbarer Nähe der Triftwege neue Sandgruben nicht gemacht, Teiche darauf nicht gegraben, keine Obstbäume gepflanzt, kein Rasen davon abgestochen, keine neuen Häuser und Windmühlen darauf oder daneben angelegt werden. Insbesondere darf ein Triftweg nicht zu Feld gemacht werden. 8 Das Versäen der Trift wird einfach mit Abhüten, oft daneben auch mit Gemeindebusse und obrigkeitlicher Strafe belegt. 9 Es müssen beispielsweise bezahlt werden : fünf Groschen Nachbarstrafe, oder dem Amt zwölf Groschen und der Gemeinde sechs Groschen, oder ein halber Gulden, halb der Gemeinde, halb der Herrschaft, oder ein Viertel Bier, oder 1—5 Eimer Bier u. s. f. 1 0 1

I. 728. * II. 79. 80. 85. 9 I. 675. II. 40. 575. 4 II. 79. 83. 84. I. 386. II. 79. 46. 78. 620. 82. 692. I. 607. 664. 684. 709. 6 II. 691. 0 I. 205. 712. 728. 700. II. 49. ' II. 51. 8 II. 566. 497. 51. 59. 61. 9 03. 659 IY. 513. 625. II. 34. 562. 565. 567. 568. "> II. 44. 45. 43 42.

144

IV. CAPITEL.

Offene und geschlossene Zeiten.

Der Zeit nach ist die Triftgerechtigkeit in den seltensten Fällen ganz unbeschränkt, und in Bezug auf die Beschränkungen waltet die grösste Verschiedenheit. Es kommt vor, dass sie während eines Teiles des Jahres jede Woche sechs Tage lang ausgeübt werden darf; gewöhnlich ist aber das Treiben, wie auch das Hüten, wöchentlich nur an zwei bis drei bestimmten Tagen oder auch Nachmittagen, bisweilen alle vierzehn Tage nur einmal gestattet. 1 Beginn und Ende des Treibens richtet sich entweder nach festen Kalendertagen, oder nach den beweglichen Festen, oder nach den Ernte- und Ackerarbeiten. Solche Kalendertage sind Alt-Bartholomäi — 4. Sept. —, Michaelis, Martini, Johannis, Walpurgis. 2 Damit die Trift und Hut nicht gehindert werde, muss Heu und Grummet rechtzeitig von den Wiesen, die Ernte, sowie das „Gewirre" — Krummstroh -- von den Ackern abgebracht werden. 3 Auf den Ackern konnte die Trift nur nach der Ernte, also in der Brache und in den Stoppeln, ausgeübt werden. 4 Zu Gablenz und Ungewiss soll 8 Tage nach Beginn der Ernte der Heimbiirge gebieten, dass binnen weiteren 8 Tagen die Felder geräumt werden. Geschah es nicht rechtzeitig, so durfte durch die noch stehenden Mandeln oder „Glogen" getrieben und dazwischen gehütet werden. 5 Die Zeiten, in denen das Treiben erlaubt war, hiessen „offene", die andern „geschlossene" Zeiten. Die offenen Zeiten wurden durch die Fortschritte der Ackerbestellung und die Besömmerung der Brache mehr und mehr verkürzt. Um die Trift- und Hutgerechtigkeit nicht gänzlich aufzuheben, musste deshalb die Sommerung, wo sie erlaubt war, in einem zusammenhängenden „Strich" geschehen. 6 Gewisse Früchte dürfen überhaupt nicht in die Brache gesteckt werden, wie ζ. B. das Kraut, weil es 1 II. 26. 600. I. 386. 691. 3 I 205. 713. II. 34. s II. 36. 37. 568.

II. 17. 24. 27. 43 45. 47. 52. 64. 65. * II. 34. 81. 559. 6 II. 25. 54. 55. 52.

2

QUTSHEftBLlCH-BiüERLlCHB VERHÄLTNISSE.

145

sehr viel länger auf dem Felde bleibt, als die übrigen Sömmerungsfrüchte. Dagegen sind Möhren wenigstens der Schaftrift nicht hinderlich, da die Schafe weder das Kraut noch die Rüben fressen. 1 Jene offenen und geschlossenen Zeiten gelten natürlich in gleicher Weise für die Hutgerechtigkeit, auf welche auch das folgende mutatis mutandis zu übertragen ist. Nach römischem Recht entstanden Servituten nur durch Vertrag; nach deutschem Recht dagegen auch durch Verleihung, Verjährung, alte Gewohnheit, Umwandlung von Reallasten u. s. w. Die Gutherren müssen ihre Triftgerechtigkeit daher in jedem einzelnen Falle erweisen durch alte Kauf-, Lehn- oder Erbbriefe und Verträge. In diesen werden die Triftgerechtigkeiten oft nur ganz allgemein aufgeführt, indem man die näheren Bedingungen als bekannt und nach altem Herkommen feststehend voraussetzt. 2 Oder es werden genauere Angaben und Bestimmungen über die einzelnen verpflichteten Grundstücke, über die Zeit, über Art und Anzahl des Viehes hinzugefügt.3 Hier und da werden widerrufliche und nur gegen Entrichtung von Triftgeld eingeräumte Rechte in erbliche und unwiderrufliche verwandelt. 4 Von landesherrlichen „Amtern" werden Triftgerechtigkeiten gegen Zahlung eines Kapitals an Private abgetreten, und so kommt es, dass Unterthanen und Gerichtsherren Trift und Hut auf Amtsgrundstücken haben. 5 An manchen Orten lassen sich die Gerichtsherren von ihren Unterthanen eine Trift einräumen und erlassen ihnen dafür einen Teil der Getreidezinsen, oder sie zahlen wohl auch ein Triftgeld an die Nachbarschaft.6 Umgekehrt verzichten Gerichtsherrschaften auf ihre Triftrechte ganz oder teilweise, etwa zu Gunsten der fortschreitenden Sommerung. 7 Die Gerichtsherrschaft zu Doberentz gibt im Jahre 1688 einige Trift- und Hutrechte auf, lässt sich aber dafür von den Nachbarn ausser den bereits „schuldigen" Frohntagen noch je einen Pferde-Frohntag „zur Ergötzung" 1 II. 37. 38. * IL 8. 9. 8 II. 10. 17. 4 IL 8. 450. 641—645. « II. 78. 79. III. 621. 7 II. 31. 32. Haun, Fr. Job., Bauer and Qotsherr in Karsacheen.

» II. 48. 10

146

iv.

capitel:

versprechen.1 Die Unterthanen ihrerseits erlangen Triften auf des Gutsherrn Feldern gegen Leistung von Abgaben oder Diensten. 2 Der Gemeinde zu Horburg wurden im Jahre 1665 plötzlich statt der bis dahin üblichen 9 Groschen Triftgeld 29 Groschen abgefordert, wogegen sie sich erklärlicher Weise lebhaft sträubte. 3 Andererseits werden den Unterthanen Erbzinsen und Dienste erlassen, wenn sie auf ihre Trift und Hut in den Gutsfeldern verzichten; denn es kommt vor, dass die Unterthanen diese Gerechtigkeiten haben, während die Rittergüter eine entsprechende Trift auf den Bauerfeldem nicht ausüben dürfen.4 Doch können die so aufgegebenen oder neugewonnenen Triftgerechtigkeiten durch Verjährung wieder erworben werden oder verloren gehen. 5 Die einzelnen Dörfer einer Gerichtsherrschaft sind vielfach sehr ungleich mit Servituten belastet, indem von mehreren nur eins oder einige, und diese oder alle in verschiedenem Masse die Trift zu leiden verpflichtet sind. 6 Die Gerichtsherrschaft darf nun die Triftgerechtigkeit entweder nur da ausüben, wo auch die Gemeinde ihr Vieh treibt, oder es werden ihr besondere Triften eingeräumt. Die Bauern zu Trebsen werden erst im Jahre 1731 dazu angehalten, ihre Felder in drei gleiche Arten einzuteilen, auch in der Brache der Sommerung sich zu enthalten, damit der Gerichtsherr die Trift und Hut ordentlich ausüben kann. 7 Die gemeinschaftliche Ausübung der Trift- und Hutgerechtigkeit durch mehrere Berechtigte wird als Koppeltrift und -hut bezeichnet. Hierbei kommt es darauf an, ob alle Teile inbezug auf Beginn der Trift und Hut gleichberechtigt sind, oder ob der eine vor dem andern bevorrechtet ist. In diesem Falle spricht man von Vortrift und Vorhut, deren Dauer 1—8—14 Tage betragen kann.8 1

3 II. 32. 66. 544. * I. 730. 621. I. 730. 8 II. 32. 543. 547. 34. 554. II. 16. 571. I. 607. 635. 675. 8 II. 76. 610. I. 606. 611.

6

* II. 47. 64. 87. 7 II. 17. 19. I.

GUTSHERRLICH-KIUERLICHE

VERHÄLTNISSE.

147

Oft hat ein solches Vortriftrecht der Erbherr auf Gemeindeland und Bauerfeldern. 1 Jedoch hat seinerseits das bäuerliche Zug- und Rindvieh gewöhnlich wenigstens auf einem Teile der Felder oder auf bestimmten Wiesen die Vorhut, und der herrschaftliche Schäfer den Nachtrieb. 2 In den Brach- und Stoppelfeldern haben nicht selten die Schweine vor allem andern Vieh die Vortrift, weil die ausgefallenen Körner, ein ausgezeichnetes Mastfutter, allein von ihnen aufgelesen werden. Zu Memmendorf geht ein Viehweg vom Ort bis an die Kehrbacher Felder, der in 15 Ackerbeeten besteht und der Gemeinde gehört. Auch der Gerichtsherr kann anders als über diesen Weg auf seine Felder nicht kommen, und darf von den Bauerfeldern aus quer durch den anstossenden Viehweg oder die „Trebe" — Treibe — das Schafvieh auf seine Vorwerksfelder treiben lassen. Von Walpurgis bis Jakobi muss er auf der Trebe bleiben; bis Bartholomäi behütet er auch die Felder, die hinter der Trebe geräumt sind und mit dem Bauernvieh betrieben werden; von Bartholomäi bis Michaelis darf er mit Ausnahme von 2 Gewenden am Dorfe Alles und nach Michaelis auch diese betreiben.3 Zum Teil erreichte die Belastung bäuerlichen Besitzes durch die Trift- und Hutgerechtigkeiten, besonders durch die herrschaftliche Schaftrift, eine gewaltige Höhe. — In der Gröster Feldmark hat im Jahre 1666 viererlei Schafvieh die Trift: 1. des von Breitenbauch zu Gröst, 2. der Bauern Schafvieh, 3. die Burkersrodische Schäferei, 4. die Amtsschäferei zu Freiburg. 4 Doch meint Klingner ganz harmlos: „Es ist fast unglaublich, was für Trotz und Widersetzlichkeit oftermals zusammenhaltende Dorfgemeinden, der blossen Trift auf ihren Feldern halber, gegen ihre Ge1

4

ΙΓ. 73. 683. nicht: II. 76. I. 667. 4 II. 44. 82. 83. II. 677.

* II. 74. nicht: II. 559. 10*

148

IV. CAPITEL.

richtsobrigkeiten auszuüben sich anmassen, auch weder durch liebreiche Vorstellungen, noch landesherrliche, nachdrückliche Andeutungen sich bewegen lassen, ja wohl gar ihre Weiber zu gleicher Widerspänstigkeit anreizen und selbige zu Hülfe nehmen."1 Für die Triftgerechtigkeit gilt auch, was im folgenden über die Anzahl und Arten des Viehes, über Viehmiete und anderes zu sagen ist. Die Hat- oder Weidegerechtigkeit

Das Hutungsrecht ist eine Befugnis, kraft deren der Besitzer eines Landgutes auf den Grundstücken eines Anderen, allein oder in Gemeinschaft mit diesem, entweder sein sämmtliches Vieh, oder nur gewisse Arten, oder auch bloss eine bestimmte Anzahl desselben zu bestimmten Zeiten oder ohne Zeitbeschränkung hin und her treiben und die Weide oder das Futter gemessen lassen darf. 2 Für die Beurteilung der Weiderechte ist ein Hauptgesichtspunkt der, ob sie bestimmte oder unbestimmte sind. 3 Und zwar können sie bestimmt sein, ebenso wie die Triftrechte, nach der Zeit, und nach Art und Zahl des aufzutreibenden Viehs. Der Unterschied ist folgender: Bei den bestimmten Weiderechten geht unbedingt der Servitutberechtigte vor, ohne Rücksicht auf das Wirtschaftsbedürfnis des praedium dominans — also abweichend vom römischen Recht, und aus diesem Grunde kann die Ausübung des Weiderechts verpachtet oder sonst übertragen werden, oder der Berechtigte kann fremdes Vieh in Kost nehmen, von der Art und bis zur Höhe der gestatteten Anzahl.4 Ist die Servitut unbestimmt nach der Art, so dürfen kulturschädliche Tiere nicht aufgetrieben werden, namentlich Schweine und Gänse nicht auf Wiesen, Ziegen nicht in Hölzer. Die einzelnen Arten werden dabei in den verschiedensten Verhältnissen in einander umgerechnet.5 Ist die Servitut unbestimmt nach der Zahl, so ent-

6

1 Π. 7. 8 Π. 63. 64. 65. 71. 66. Vergl. Kap. I. 8. 32.

8

II. 64.

* II. 23. 48. 774.

GUTSHERKL1CH-BÄUERLICHE VERHÄLTNISSE.

149

scheidet das Bedürfnis des herrschenden Grundstücks; um dieses Bedürfnis zu bestimmen gilt in der Regel das Durchwinterungsprinzip ; d. h. so viel Vieh, wie mit selbstgewonnenem Futter im Winter gehalten werden kann, darf im Sommer auf die Weide getrieben werden. Dabei war das Einstellen fremden Viehs, die sogenannte Viehmiete, ausgeschlossen. Weder durften die Gerichtsherrschaften unter ihr Hofvieh fremdes in Futter und Weide nehmen, um mit dieser grösseren Anzahl Trift und Hut auf den Ländereien der Unterthanen auszuüben, noch auch die Nachbarn fremdes Vieh oder Vieh von ihren Gütern in andern Dörfern herübernehmen. 1 Die Anzahl des von den Nachbarn zu haltenden Viehs ist meist durch die Dorfordnungen festgesetzt, der Bestand herrschaftlicher Schäfereien häufig durch Vergleiche mit den Unterthanen. Hält eine Gerichtsherrschaft mehr Schafe, als ihr darin bewilligt, so darf sie die überzähligen nicht durch die Dorfstrassen und Triften treiben, geschweige denn hüten. Zur Feststellung der Übertretung haben die Nachbarn das Recht, die ausgetriebenen Schafe nachzuzählen. Ebenso wie die Trift kann auch die Hutung von dem Eigentümer des praedium serviens ausgeübt werden, er hat das Mithutrecht, das ius compascendi. Es darf dabei jedoch nur so viel Vieh vom Eigentümer aufgetrieben werden, als das Grundstück neben dem des Berechtigten noch ertragen kann. Der Ausdruck hierfür ist Koppelhut.2 Oft macht einer der beiden Berechtigten den Anfang. Das Zugvieh oder Rindvieh hat die Vorhut, der herrschaftliche Schäfer die Nachhut.3 In vielen Fällen sind mit der Hutgerechtigkeit besondere Verpflichtungen verknüpft, besonders mit der Schafweidegerechtigkeit. Es kam viel darauf an, dass Seuchen von den herrschaftlichen Schäfereien ferngehalten wurden, in späterer Zeit auch, dass eine Vermischung der veredelten spanischen Schafe mit Landschafen vermieden wurde; deshalb war vielfach den Bauern das Mithutrecht gänzlich ge1

II. 23.

2 II. 70.

3

IL 73. 74. 84.

150

IV. CAPITEL.

nommen, oder es galt das sogenannte Stabrecht, oder der H i r t e n s t a b , kraft dessen der Gericbtsherr befugt ist, betreffs der Viehtrift, der Fluren und Wege allerlei nützliche Vorschriften zu erlassen. Die Bauern durften dann Schafe halten, mussten sie aber mit der Heerde des servitutberechtigten Erbherrn verbinden und unter die Aufsicht des Schäfers stellen.1 Endlich findet sich eine eigentümliche Belastung, nämlich die, dass die Schafe eine gewisse Anzahl von Nächten auf den abgeweideten Grundstücken bleiben müssen; dies ist das Hordenschlags-, Buchtenschlags- oder Pferchrecht, oder der sogenannte .güldene Fuss". 2 Der Grund davon ist einmal, dass bei sehr grosser Entfernung der Weidegründe die Schafe nicht müde getrieben werden sollen. Dann macht eben diese Entlegenheit oder die gebirgige Beschaffenheit des Geländes eine andere Düngung unmöglich. — Bei Übergabe von Pachten werden bepferchte Grundstücke als gedüngte angerechnet. 3 An einigen Orten wird für das Bepferchen ein Teil der erwachsenen Früchte entrichtet. 4 Hilft ein Nachbar dem andern auf diese Weise seine Felder düngen, so nennt man das einen Wechselpferch. 5 Die durch das Pferchen bewirkte Düngung hat nur den einen Nachteil, dass die von solchen Feldern gewonnene Gerste zum Bierbrauen und Branntweinbrennen nicht geeignet ist, und auch der Roggen davon ein so »kurzes" Mehl gibt, dass es im Backtrog beim Kneten zerfliesst.6 Streit zu Pfaffroda, 1652-1671.

Nicht immer sind es rechtliche Verhältiiisse und Formen, unter denen Hutgerechtigkeiten zu begründen versucht werden. List und Gewalt sowohl auf Seiten der Unterthanen als der Herrschaften sind beliebte Mittel zur Erlangung von Trift und Hut auf den Feldern und Weiden der anderen Partei. 7 1

122.

IL 106. 107. · IL 107-126. 8 L 208. II. 109. 742. * II. 122. β II. 109. 1060. 7 II. 64.

4

II.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICH Ε VERHÄLTNISSE.

151

Der dreissigjährige Krieg, der unser Vaterland auf allen Gebieten so weit zurückgeworfen hat von der bereite erreichten Stufe, schuf auch auf den Feldmarken von neuem Zustände, die denen einer längst vergangenen Wirtschaftsepoche ähnlich waren: Uberfluss an Weide und Ackerland, aber Mangel an Vieh, besonders bei den kleineren Besitzern, während die grösseren ihren Viehstand meist besser zu schützen gewusst hatten, und ihn schneller wieder in die Höhe zu bringen in der Lage waren. Die Bauern erlauben daher oft schon im Laufe des Krieges gem eine Mitbenutzung ihrer Triften und Weiden seitens der Gutsherren. Aber ihre Gutmütigkeit wird übel belohnt. Einen tiefen Einblick in alle diese Verhältnisse gewährt der nachfolgende Vorgang.1 Im Jahre 1652 erklären die Bauern zu Pfaffroda vor dem Amtssekretarius zu Waldenburg schriftlich zu Protokoll, sie hätten bei vergangenem Kriegswesen, da ihre Güter abgebrannt und all ihr Besitz an Vieh und Vorräten ihnen genommen war, eine geraume Zeit im Dorf sich nicht aufhalten noch etwas bestellen können. Während dessen hätte der Schäfer zu Breitenbach, einer Besitzung des Vetters ihres Gerichtsherrn, sich die Hutung angemasst und ihre Felder betrieben. Sie hätten es auch aus Nachbarschaft ihm vor andern gegönnt. 2 Mittlerweile erholen sich die Bauern und brauchen ihre Weiden selbst wieder für ihr Vieh. Unter fortwährenden Streitigkeiten zieht sich die Sache hin bis 1666. — Am 30. Oktober dieses Jahres wird das Breitenbacher Schafvieh wieder einmal auf den Pfaffröder Feldern gehütet, und zwar unter dem Schutze eines Trompeters zu Pferde, eines zweiten Reiters und dreier Musketiere, von denjenigen, welche die Herren von Schönburg wegen des Ungarischen Türkenkrieges Beendigung jüngst abgedankt hatten. Auch der Hochgeborene Herr Gottfried Ernst, Herr von Schönburg, Erbherr von Breitenbach, und der Amtmann von Glauchau lassen sich in der Gegend zu Pferde sehen. Als die Pfaffröder Bauern solch ' II. 435—450.

2

II. 70.

152

IV. CAPITEL.

gewaltthätig Beginnen vernommen und gesehen, sind sämmtliche Einwohner mit Heugabeln, Mistgabeln und Stecken dem Schäfer und seiner Bedeckung entgegengegangen und haben gefragt, mit welchem Recht die Schafe auf ihren Feldern gehütet würden! — Nach längerem .gütlichen Zureden® zieht der Schäfer endlich davon, schlägt aber dabei noch Paul Kupfers Weib, die das Vieh von ihrer Wintersaat abwehren will, mit einem starken Prügel hinterwärts auf den Kopf, so dass sie niederstürzt und für tot nach Hause getragen wird. Die Pfaffröder Bauern wenden sich, da sie vor dem Schönburgischen „Amt" nicht Recht bekommen, beschwerdeführend an das Reichskammergericht in Speier. Weil sie aber den Instanzenzug nicht inne gehalten und die Schönburgische Regierung zu Glauchau übergangen haben, wird ihnen darob eine unpräjudizirliche Vorhaltung gemacht. Im folgenden Jahre wird die Gemeinde zu einem gütlichen Vergleich aufgefordert. Derselbe kommt jedoch nicht zu Stande. Daraufhin sagen bei einer erneuten Verhandlung mehrere Bedienstete der Schäferei zu Breitenbach aus, dass sie seit 20, 30, 40 und mehr Jahren das herrschaftliche Schafvieh in der Pfaffröder Fluren getrieben und ohne Widerspruch der Gemeinde gehütet hätten. Der Schöppenstuhl zu Leipzig spricht daher auf Grund dieser Aussagen 1669 das Urteil, dass die Bauern zu Pfaffroda pro confessis et convictis zu halten und dem Herrn Kläger die libellirte Trift zu verstatten rechtskräftig verbunden seien. Im Jahre 1670 erfolgen jedoch trotz dieses Spruches neue Gewalttätigkeiten gegen den Schäfer, so dass nicht weniger als zwanzig bewehrte Bürger zu seinem Schutze nach Pfaffroda gesandt werden. Bei deren Annäherung verstecken sich die Bauern; die Weiber schaffen Betten und allerhand Geräte in die Kirche, um wenigstens so den wertvollsten Teil ihrer Habseligkeiten vor der befürchteten Pfändung zu retten. Am 20. November werden die Bauern abermals vor das Amt Waldenburg geladen und aufgefordert, wegen ihres fortgesetzten Ungehorsams Strafe zu zahlen, sowie in Zukunft den Schäfer an Ausübung der Trift und Hut nicht

GUTS HERRLICH-BÄUERLICHE

VERHÄLTNISSE.

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zu hindern. Da sie beides verweigern, werden sie in Arrest genommen. Von Zeit zu Zeit wird ihnen „auf das beweglichste zugeredet", auch „mit Verlesung ernster Befehle es an Warnung und Bedrohung nicht ermangeln gelassen." Am 12. Dezember ergeht ein gnädiges kurfürstliches Reskript, welches befiehlt, die widerspenstigen Unterthanen durch nachdrückliche Zwangsmittel dazu anzuhalten, dass sie dem Breitenbacher Schäfer die Schafhut verstatten, durch ein gleichzeitiges Urteil des Oberhofgerichts, wo inzwischen die Sache anhängig gemacht worden war, werden sie jedoch von jeder Verbindlichkeit freigesprochen. Herr Otto Albert, Erbherr zu Pfaffroda, Vetter des Breitenbachers, ist in höchster Verlegenheit; wem gehorchen ? — Dem Kurfürsten oder dem Oberhofgericht?! — — Damit ihm aber aus etwaigen Todesfällen unter den Inhaftirten keine Unannehmlichkeiten erwachsen, lässt er wenigstens die in der Frohnveste mittlerweile Erkrankten entweder in warme Stuben setzen — wohlgemerkt am 16. Dezember! — oder nach Hause gehen. Die Übrigen dürfen während der Weihnachtsfeiertage in die Stadtkirche gehen, damit sie sich nicht beschweren können, dass sie nicht „zu dem Gehör göttliches Worts" zugelassen würden, müssen sich jedoch nach der Predigt allezeit wieder in der Frohnveste einfinden. Zum zweiten Male befiehlt inzwischen das Oberhofgericht sehr energisch bei 30 Goldgulden Strafe die sofortige Freilassung der Bauern. Darauf wird dem herrschaftlichen Beamten zu Waldenburg am 3. Januar 1671 von Herrn Otto Albert nachfolgende Resolution erteilt: „Weil sie denn nun bei ihrer Halsstarrigkeit verbleiben, muss man auf ein anders denken, und könnt ihr sie jetzund hin lassen gehen,; wird andere Anordnung von Nöten sein müssen, dass man sie zu besserem Gehorsam bringen möchte. — Wenn ihnen angesaget wird, dass sie sollen nach Hause gehen, muss jemand von den Bürgern dabei sein, damit auf ihr Leugnen oder anderes Vorbringen sie überwiesen werden könnten." Nach dieser Probe ge-

154

IT. CAPITEL.

lüstet es uns, die erbherrliche Gerichtsbarkeit etwas genauer zu betrachten. § 2. D i e

Gerichtsbarkeit.

Dem Erbherrn steht in der Regel die niedere oder Erbgerichtsbarkeit, mit einzelnen Ausnahmen auch die höhere oder Obergerichtsbarkeit zu. Insbesondere haben die Schriftsassen in ihrer ganz überwiegenden Mehrzahl beide Gerichtsbarkeiten, während die Amtsassen zwar die Erbgerichtsbarkeit zu haben pflegen, aber in zweiter Instanz der Jurisdiktion des kurfürstlichen Amts unterworfen sind. Oft werden nun amtsässige Güter durch Einschreiben in die KanzleiMatrikel in schriftsässige verwandelt, und dabei mit der dem Amte bisher zustehenden Obergerichtsbarkeit beliehen. Von den Abweichungen sind hauptsächlich folgende Fälle hervorzuheben: Vielfach erstreckt sich die Kompetenz eines Gutes — niedere oder höhere — nur auf einen Teil eines Dorfes, während der andere amtsunterthan, oder dotal — pfarrunterthan —ist, oder einem und mehreren anderen Erbherren untersteht. Diese haben dann die sogenannte Compossess der Gerichtsbarkeit.1 Daneben oder gleichzeitig wird nicht selten über ein Dorf die Erbgerichtsbarkeit von e i n e m Gute, die Obergerichtsbarkeit von einem anderen ausgeübt — kurz es kommen alle nur denkbaren Mischungen der Instanzen vor. Die Grenzen der Ober- und Erbgerichtsbarkeit sind keine scharfen Linien, doch bestimmt sich ihr Inhalt und ihre Kompetenz im allgemeinen nach der peinlichen Halsgerichtsordnung. 2 Daher besteht die Erbgerichtsbarkeit in der Befugnis Recht zu sprechen über bürgerliche Händel und geringe Verbrechen, als: fliessende Wunden, wenn davon keine Lähmung des Kinnbackens entsteht, das Abhauen von 1 oder 2 Fingern, nicht tötlich verlaufende Verletzungen von 1, 2, » I. 418.

* Cod. Aug. Tom. I. pag. 1043.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICHE

VERHÄLTNISSE.

155

3 und mehr Rippen, Ausschlagen von Zähnen, Einwerfen von Fenstern, Beschädigungen von Vieh, geringe Schmähund Scheltworte, und die deswegen ergangenen Urteile zu vollstrecken; ferner in der Befugnis, alle Arten der erlaubten Kontrakte und Vergleiche zu bekräftigen, Zeugen zu vernehmen, zu Verpfändung, Teilung, Verkauf und Tausch der Bauergüter die Genehmigung zu erteilen, Vormünder zu bestätigen, eine gute Polizei im Dorfe zu erhalten, den Wohlstand der Unterthanen zu befördern und — wahrscheinlich zu diesem Zweck -- deren Gerichtsfrohnden und -dienste, Abzugsgelder, Geldbussen und andere erbgerichtliche Einkünfte zu gemessen.1 Die Strafgewalt des Erbrichters umfasst Gefängnisstrafe, Pranger oder Halseisen, Geldstrafen von 4 Neuen Schock oder 10 Thalern, an einigen Orten nur bis 5 Thaler; sehr beliebt ist die Umwandlung der Gefängnisstrafe und der Landesverweisung — da sie nichts einbringen — in Geldstrafe oder Strafarbeit, und zwar werden für jeden Tag Gefängnis 10 Groschen Geldbusse oder 3 Tage Handarbeit gesetzt.2 Dagegen ist das Verbot des Biereinlegens und -schenkens, des Backens und Schlachtens nicht Sache des Gerichtsherrn, sondern des Erbherrn. Desgleichen hat der Gerichtsherr als solcher keinen Anspruch auf Trift und Hut. 3 Die Obergerichtsbarkeit, auch peinliches Malefiz- und Zentgericht, Gericht über Haut und Haar, Vogtei über Malefiz, Hohe Fraiss und Blutbann genannt, besteht in der obrigkeitlichen Macht, an den gröbsten Missethätern öffentliche Bache auszuüben, dieselben durch erlaubte Marter zum Bekenntnis zu bringen, das peinliche Halsgericht über sie zu hegen, auch die erkannten Leibes- und Lebensstrafen an ihnen zu vollstrecken.4 Der Gerichtsherr als solcher zieht ferner herren- oder erblose Güter ein, verpachtet die Musik, und erhebt die sogenannten Hülfsgelder, d. h. 5 oder 10 °/o der exekutivisch 1 IIL 63. 215. 338. * IIL 424. 425. I. 468. 469. 353. II. 5. 12. 70. 305. 4 III. 21. 62.

* III. 352.

156

IV. CAPITEti.

einzutreibenden Forderungen. Die Exekution in Mobilien wird thatsächlich durch Wegnahme derselben, in Häuser durch Ausspalten eines Spahnes, in Grundstücke durch Ausstechen von Erde oder Rasen aus den Äckern oder Wiesen, in Gehölze durch Abschneiden von Ruten symbolisch vollzogen.1 In Bezug auf die Beschaffenheit der Gefängnisse müssen Erb- und Oberrichter die allgemeinen Reichsgesetze, die landesherrlichen Verordnungen und das Herkommen beobachten. Sie dürfen nicht zu grausam und nicht zu gelinde sein, sollen die Untersuchung möglichst beschleunigen, bei vorzunehmender „Marter" — Folterung — alle erforderliche Behutsamkeit anwenden und zu verhüten suchen, dass diese und die Untersuchungshaft für eine wirklich erlittene Strafe angesehen werden könne.2 Für unrechtmässig erlittene Gefängnisstrafe erhält der Betroffene eine Entschädigung, die sogenannte „Sachsenbusse"; man war in diesem Punkte also weiter als heute. Sie wurde nach Tagen berechnet, aber die Sätze für den Tag waren, scheint es, in den einzelnen Gerichtsbezirken verschieden. Leider fehlt bei den meisten Angaben die Anzahl der Tage und der Köpfe, auf welche die einzelnen Summen — beispielsweise 10 alte Schock, oder 38 Gulden 16 Groschen — zu verteilen sind. Für 6 Wochen 3 Tage „Gehorsam" — Haft — und 14 Tage Gefängnis werden 1623 zu Gebesee 120 alte Schock, zu Droyssig 1735 auf 4 Tage und Nächte Gefängnis 6 Thaler 16 Groschen bezahlt. 3 Auf öffentlichen Strassen und Flüssen darf die Gerichtsbarkeit weder vom Erbgerichtsherrn noch vom Obergerichtsherrn, sondern allein vom Landesherrn ausgeübt werden, welchem auch in schwereren Fällen das Begnadigungsrecht, ζ. B. bei Umwandlung von Leibes- und Lebensstrafen, vorbehalten ist. 4 Ausschluss der Öffentlichkeit und mündliches Ver1

4

III. 341. 344 ff. 343. III. 353.

* III. 22.

» IV. 86. 492. 873. 466.

GÜTSHERRLICH-BÄUERMCHE VERHÄLTNISSE.

157

fahren ist durchaus die Regel; jedoch werden alle Urteile, Vergleiche u. s. w. den Parteien schriftlich ausgefertigt. Die Strafvollstreckung ist eine möglichst öffentliche. Vertretung vor Gericht ist ausgeschlossen, mit einer Ausnahme. Wenn ganze Gemeinden als Kläger oder Beklagte vor Gericht zu erscheinen haben, so können sie entweder Mann für Mann vorgefordert werden, oder es dürfen, was in den meisten Fällen üblich war, jedesmal Syndikate errichtet, Syndici bestellt werden, welche mit wenigstens 2js der Stimmen aller Nachbarn zu wählen sind. Dagegen sind Generalsyndikate, dauernde, und für jeden beliebigen Fall eingesetzte, unzulässig und ungültig. 1 Soll ein Unterthan in einem Prozesse mit seiner Gerichtsherrschaft Zeugnis gegen diese ablegen, so wird er, was dieses Zeugnis anlanget, aus der schuldigen Unterthanenpflicht zuvor gebührend entlassen. 2 Die Gerichtsverwalter.

Die Dorfgerichtsverwaltung wird nun von den Gerichtsherren nicht immer selbst ausgeübt, sondern meist geeigneten, gewöhnlich juristisch gebildeten Beamten übertragen; diese heissen Gerichtsverwalter. Sie erhalten durch Beleihung oder Verpachtung vom Gerichtsherrn die Befugnis, die Gerichtsbarkeit entweder über die unterthänigen Güter und Personen allein, oder über beide zugleich, dem Recht gemäss, geschickt, fleissig und redlich auszuüben, und die zustehenden Gebühren zu erheben, wogegen sie die entstehenden Kosten übernehmen. 3 Der Gerichtsverwalter wird vom Gerichtsherrn in Gegenwart der Unterthanen verpflichtet, die Unterthanen aber leisten ihm den Handschlag und verpflichten sich dadurch zum Gehorsam. 4 Ein Gerichtsverwalter bezieht ausser den Sportein gewöhnlich noch Gehalt oder Salarium; ζ. B. 50 Thaler und 18 Scheffel Hafer; oder 21 Thaler, 1

684.

L 14 -20. 390. 391. * I. 440. * III. 671. 694. 616. 655.

8

ΙΠ. 647. 649. 651. 655-670.

158

IV. CA.PITEL.

32 Scheffel Hafer und 1 Fuder Heu. An einigen Orten bekommt er die eine Hälfte aller Strafgelder, der Gerichtsherr die andere. Für die Bemessung der Sportein ergehen landesherrliche Taxordnungen, oder es werden besondere Rezesse zwischen Gerichtsherrn und Unterthanen über ihre Höhe geschlossen.1 Da die Gerichtsbezirke oft sehr klein, geeignete Persönlichkeiten hingegen zeitweilig sehr selten waren, so finden wir nicht selten gemeinschaftliche Gerichtsverwalter, und zwar nicht blos für einen Ort, in welchem zwei oder mehrere Erbherren die Gerichtsobrigkeit vorstellen, sondern auch in räumlich weit ausgedehnten Bezirken, deren Verwaltung längere Fahrten notwendig machte. In diesem Falle sind die Reisekosten und Fuhren der Gerichtsverwalter, die oft drei und mehr Meilen weit zu reisen haben, um an die einzelnen Gerichtsstätten zu gelangen, nicht überall von den Unterthanen zu tragen und zu leisten.2 Eine der feierlichsten Obliegenheiten der Gerichtsherrschaft, und somit in ihrer Vertretung auch des Gerichtsverwalters, war die Errichtung und Instandhaltung der „Feimstatten" — Fehmstätten, Galgen. — Von dem Gerichtsverwalter zu Grosszschocher sind wir freundlichst eingeladen, der Aufrichtung eines neuen Galgens daselbst, am 16. Mai 1730, Morgens 8 Uhr, geneigtest beizuwohnen. Als wir nach einer kurzen Fahrt durch den thaufrischen Morgen anlangen, steht bereits das gesammte Zimmerhandwerk von Schkeuditz auf dem Herrenhofe, vor der Brücke, gliederweise rangirt, zusammen 54 Mann, Meister und Gesellen, in jedem Gliede drei Mann, mit zur Erde gesenkten Äxten, den „Helm" nach aussen gewandt. Sogleich setzt sich der Zug in Bewegung. Voran reitet der herrschaftliche Jäger. Dann folgt der Gerichtshalter in seinem Wagen. Hinter diesem gehen Richter und Schoppen von Grosszschocher würdevoll einher. Ein Musikkorps lässt eine frische Marschweise ertönen. Darauf kommt der eine Obermeister des ehrsamen Zimmerhandwerks, Simon Sper1

III. 673- 682. 687. 689.

* III. 682. 289. 698. 692. 696.

GUT8HEKRLICH-BÄUERLICHB VERHÄLTNISSE.

159

ling, zu Pferde; hinter ihm trägt einer der Gesellen, Gottfried Krache, aus Grosszschocher gebürtig, eine hellpolirte Axt, mit einem breiten rotgelben Bande geziert. Endlich marschirt unter Führung des anderen Obermeisters, der zum Zeichen seiner Würde den langen Massstab trägt, das Handwerk, Meister und Gesellen, daher, die Äxte auf der Achsel, die Schneide nach oben gerichtet. An dem für die neue Feimstätte bestimmten Orte angelangt, schliesst der Zug einen Kreis um das bereit liegende Bauholz; in die Mitte tritt, geführt von dem Obermeister, der Gerichtshalter, und hält eine Ansprache. Er gebietet Burgfrieden und fordert das ehrsame Handwerk auf, im Namen der heiligen Dreifaltigkeit mit unerschrockenem Mute Hand anzulegen, und sich vor der Arbeit an einem „unehrlichen" Werke nicht zu scheuen. — Darauf thut er selbst, nachdem er ein paar neue Handschuhe angezogen, in einen der Holzstämme mit der neuen blanken Axt den ersten Hieb, so dass sie stecken bleibt; alsdann zieht er die Handschuhe wieder aus und legt sie auf die Axt, worauf Obermeister Sperling sie anzieht und seine Axt neben die erste einhaut; der andere Obermeister schlägt die seinige zur Linken ein; sodann folgen sämmtliche Meister und Gesellen der Reihe nach. Die Handschuhe und die neue Axt gehören nach Handwerksgebrauch dem ersten Obermeister. Die Gesellen ziehen eine Schnur um den Bauplatz, um das schaulustige Volk in gebührender Entfernung zu halten; dann wird das Holz „auf das Lager" gebracht und mit gesammter Hand zugehauen und ausgearbeitet. Am folgenden Abend, nach beendeter Arbeit, wird der Richter von Grosszschocher, Tobias Rauchmaul, das Handwerk mit einigen Worten des Dankes entlassen und unter klingendem Spiel wieder abführen.1 § 3. D i e

Erbhuldigung.

Das Band zwischen dem Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn und seinen Unterthanen wird durch die Erbhuldigung 1

III. 515 - 517.

160

IV. CAPITBL.

geknüpft. Sie wird beim Oberlehnfall — in manu dominante —, wenn das Ritter-Gut durch Verkauf, Tausch oder Erbfall auf einen neuen Erbherrn übergeht, von der Gesammtheit der Unterthanen geleistet, und von jedem einzelnen TJnterthan beim Unterlehnfall — in manu serviente —, wenn ein Bauergut erkauft, ertauscht oder ererbt wird.1 In Kaufbriefen über Rittergüter wird sie neben „der Unterthänigkeit und dem Lehn an den Einwohnern und allen Hofstätten, Hufen Landes, Ackern u. s. w." als besondere Gerechtsame und Nutzung aufgeführt.2 — Auch der Witwe als Vormund minorenner Kinder muss der Huldigungseid geschworen werden.3 Die Formen der Erbhuldigung sind wegen der Heiligkeit des dabei abzulegenden Eides sehr feierliche. Der Gerichtsverwalter oder Gerichtsdirektor fordert je nach den Umständen drei bis vierzehn Tage vorher die Unterthanen auf, nüchtern und „wohlbedächtig" in Person, die verwitweten Weiber mit ihren curatoribus und Lehnsträgern zur Erbhuldigung zu erscheinen, und — das wichtigste bei der ganzen Sache — das „verglichene und gefällige" Lehngeld mitzubringen.4 Die Weigerung zu kommen wird mit Gefängnis bestraft.5 Bei Beginn der Huldigungshandlung muss der Erbherr seine Befugnis zur Forderung des Unterthaneneides darthun.® Die Unterthanen können vor Ablegung desselben die entworfene Eidesformel auf ihren Inhalt prüfen, bisweilen unter dem Beistand von Rechtsgelehrten , ihre Beschwerden vorbringen und Abänderung verlangen.7 Die Eidesformeln sind sehr mannigfaltig.8 Wie nötig eine Prüfung war, ergibt sich daraus, dass sie oft ganz allgemeine Sätze und Wendungen enthielten, die den Unterthanen die Hände vollständig banden, wie ζ. B. das Verbot gemeinsamer Besprechungen.9 Hatten die Unterthanen einer solchen Forderung unüberlegt zugestimmt, und ihr eidliches Versprechen in solchem Sinne abgegeben, so 1

L 244. 253. 321. 324. IY. 9. 18. s IL 530. IV. 43. 58. IY. 17. « IV. 10. 9 45. 5 - 9 . IV. 24. 30. 44.

4

2 1

III. 194. « I. 399. IV. 21. 22. 44. 8 IV.

GUTSHERRLICH-BAÜERLICHE

VERHÄLTNISSE.

161

benutzte die Herrschaft das vielleicht in folgender Weise: es wurden den Unterthanen ein paar Tage Frohnarbeit willkürlich aufgepackt; murrten sie dawider, und hielten sie etwa eine Gemeindeberatung deswegen ab, so wurde ihnen das als Bruch ihres Huldigungseides gedeutet und mit Landesverweisung, Gefängnis oder Geldbusse geahndet. Wenn ihnen diese Strafen, nach öffentlicher Abbitte unter freiem Himmel, im Gnadenwege in eben die bestrittene Frohnarbeit umgewandelt wurde, „ihnen und allen ihren Nachkommen zur Strafe und ewigem Gedächtnis, auch anderen zum abscheulichen Exempel", so waren die Unterthanen sehr froh — und die Herrschaft auch! 1 Die Gerichtsherrschaft zieht ebenfalls einen Notar zur Erbhuldigung als Protokollführer hinzu und ladet benachbarte Gerichtsherren zur Beiwohnung ein. 2 Einer der geladenen Erbherren oder der Gerichtsdirektor oder der neue Herr selber eröffnet die Feier mit einer Rede, um die Unterthanen „von der löblichen Gesinnung des neuen Gerichtsherrn kräftig zu überzeugen und gleich von Anfang an ein gutes Herze bei ihnen zu erwecken." 3 Dabei werden die guten Eigenschaften der neuen Herrschaft und ihrer Vorfahren nach Möglichkeit herausgestrichen, und der Segen einer geordneten Regierung im allgemeinen, einer Gutsund Dorfregierung im besonderen hoch gepriesen. Bei der Erbhuldigung zu Laue am 22. August 1748 hält der neue Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Laue und Stötteritz, Hof- und Justizrat, Geheimer Archivar Herr Adam Friedrich Glafey selbst eine Rede, deren Gedankengang ungefähr folgender ist: Aus der Uneinigkeit der Obrigkeit und der Unterthanen erwachsen die trübsten Folgen. Die Obrigkeit zeigt alsdann Strenge und findet dafür höheren Orts Beistand. Besonders in schlechten Zeiten haben die Unterthanen darunter zu leiden. Sie fallen in die Hände gewinnsüchtiger Advokaten, und geraten untereinander gleichfalls in Streit und Zwietracht, wovon die Obrigkeit abermals profitiret

11

162

IV. CAP1TEL.

indem sie Öl ins Feuer giesst. „Ich meines Orts", fährt Herr Glafey fort, „habe beim Antritt der hiesigen Herrschaft den ernstlichen Vorsatz, euch meinem gütigen Naturell nach mit allem Glimpf, Gelindigkeit und Freundlichkeit zu begegnen, euch bei euren Rechten und Gerechtigkeiten zu lassen und zu schützen, euch bei entstehenden Irrungen untereinander unweigerliche Justiz widerfahren zu lassen, mit gutem Rat und That in euren Nöten unter die Arme zu greifen und alles thun, was man von einem billigkeitliebenden und gütigen Herrn nur immer fordern und erwarten kann. Eben diesen Sinn und Meinung haben auch meine Frau Liebste und Frau Schwiegermutter, als welche ohnedem ein stilles und ruhiges Leben gewohnt sind, und daher zu Erhaltung guten Vernehmens unter uns allen das möglichste beitragen werden." Mit einem sehr ernsten Hinweis auf die Heiligkeit und Bedeutung des abzulegenden Eides schliesst die Rede. 1 Es würde hier die Stelle sein, die gutsherrlich-bäuerlichen Beziehungen zu betrachten, welche sich aus dem in der Erbhuldigung geknüpften Unterthänigkeitsverhältnisse der Bauern ihren Gerichtsherren gegenüber ergeben. Jedoch wird es zu besserem Verständnis dieses ganzen Verhältnisses dienen, wenn wir uns vorher über das bäuerliche Besitzrecht im allgemeinen klar zu werden versuchen. Da das von Klingner Gesagte hierzu nicht ausreicht, sind wir genötigt, wiederum J. B. von Rohr ausführlicher heranzuziehen. §4.

Bäuerliche

Besitzverhältnisse.

„In den sächsischen Landen", sagt Klingner, „besitzen die Bauern ihre eigenen Grundstücke, kaufen sich für ihr eigen Geld Vieh und Geschirr, veräussern solches wiederum nach Belieben, schalten und walten gleich andern Unterthanen mit dem ihrigen und entrichten blos die hergebrachten Zinse und Dienste und sonst darauf lastenden Gefalle, sind aber im übrigen freie Leute." 2 ' II. 530—532.

2

I . 50. 51.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICHE

VERHÄLTNISSE.

163

In ihrem Verhältnis zur Herrschaft werden die Bauern zwar meist als Unterthanen bezeichnet, nie jedoch als Erbunterthanen; die ostelbische Erbunterthänigkeit ist also nicht vorhanden, wenn man nicht die sehr milde Form des rechtlich auf zwei Jahre beschränkten Gesindedienstzwanges als den Keim dazu betrachten will. Der Bauer darf jederzeit sein Gut verkaufen, wenn er einen tüchtigen Ersatzmann stellt, er d.arf mit oder ohne Zahlung von Abzugsgeld fortziehen, woJiin es ihm beliebt, und kann seine Kinder zur Erlernung vom Handwerken u. s. w. in die Stadt schicken. Mit den obem angezogenen Worten scheint Klingner die beiden grossem Klassen der schlichten Zinsgüter und der Erbzinsgüter zu beschreiben, deren gegenseitiges Zahlenverhältnis nicht festzustellen ist, und die auch oft mit einander verwechselt worden zu sein scheinen. Nach dem Sachsenspiegel zerfielen die Zinsgüter in Mietzinsgüter und Erbzinsgüter. 1 Dieser Unterschied wird in unsern Urkunden nicht mehr gemacht; es tritt vielmehr der zwischen schlichtem Zinsgut und Erbzinsgut auf, um ebenfalls wieder im Laufe der Zeit verwischt und vergessen zu werden. Dabei wurde mit dem Worte Erbzinsgut unter dem Einfluss des römischen Rechts ein neuer Begriff verbunden, wonach das Erbzinsgut der Emphyteusis sehr nahe kam und ein schlechteres Besitzrecht hatte als das schlichte Zinsgut. Beide Arten lassen sich nach J. B. v. Rohr 2 folgendermassen charakterisiren: Das Zinsgut wird vom Die Erbzinsgüter werden Herrn vollständig abgetregegen bestimmten jährlichen ten gegen ein Kaufgeld und, Zins oder pension ausgeda dasselbe meist sehr gethan, oft nur auf Zeit, und ring war, gegen einen Zins. es wird ein Erbzinskontrakt Dabei erhielt der Käufer errichtet, worin der Herr das volle Eigentum, domisich das Obereigentum, donium directum et utile. Im minium directum, vorbehält Lehnfall muss die Erneueund nur das utile abtritt. 1

Liindrecht

lib. I. art.

54.

2

J.

B . von R o h r .

S. 238.

300—315. 11*

239.

164

IV. CAPITEL.

Damit erhält der Beliehene die völlige Freiheit das Gut nach eigenem Gefallen zu nutzen und zu gebrauchen. Bei Veränderung des Lehnherrn oder des Lehnmannes muss eine neue Belehnung nachgesucht und die durch Statut oder Observanz festgesetzte Lehnwaare entrichtet werden. Auch nur einmalige Versäumnis der Zinszahlung kann den sofortigen Verlust des Gutes nach sich ziehen; der Herr hat binnen 2 Monaten nach bereits geschehenem Verkauf das Vorkaufsrecht, und hat den gänzlichen Ruin und Untergang des Erbzinsgutes zu tragen. Der Zins und der Erbzins besteht in Geld oder in andern Sachen, als Wein, Öl, Hühnern, Eiern, Kaphähnen, Gänsen, Wolle, Flachs, Fuhren, Pferde- und Handfrohnen. Der Erbzins wird entweder auf immerwährende Zeit entrichtet, der Kontrakt geht also auf alle Erben ohne weiteres über; oder nur auf bestimmte Zeit, ζ. B. auf 20 Jahre, mit deren Ablauf der Kontrakt erlischt, gleichviel, ob das Gut sich noch in erster Hand befindet, oder inzwischen bereits vererbt oder verkauft ist. Das Verhältnis kommt in diesem Falle einer sehr langen Pacht sehr nahe. Der wesentliche Unterschied besteht in der Entrichtung der Lehnwaare beim Erbzinsgut, als Anerkennung des fortdauernden Obereigentums. Aber auch vielen Zinsgutbesitzern wird in späterer Zeit die Lehnwaare abgefordert, wodurch ihr Besitzrecht wesentlich verschlechtert wird, und das Zinsgut zu einem Erbzinsgut herabsinkt. Auf diese Weise entstehen sehr zahlreiche Übergänge und Zwischenstufen zwischen beiden Arten, die in Kursachsen die grosse Mehrzahl

rung des Lehns nachgesucht werden; die Yeräusserung ist ohne Erlaubnis des Herrn gestattet, Belastung mit Schulden und Verpfändung jedoch nur mit seiner Einwilligung statthaft. Der Herr hat kein Vorkaufsrecht, weder am Gut noch an den Früchten, und kann den Mann nicht verjagen, selbst nicht, wenn er ihm die Kaufsumme erstattet. Die Verpflichtung, Abzugsgeld zu zahlen, ist durch viele Ausnahmen unterbrochen. Versäumnis — selbst mehrjährige — der Zinszahlung zieht den Verlust des Gutes nicht nach sich.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICH Ε

VERHÄLTNISSE.

165

aller Güter zu bilden scheinen. In welchem Umfange daneben noch Lassgüter vorkommen, lässt sich auf Grund des vorhandenen Materials nicht feststellen. Bei Klingner habe ich ein Lassgut als selbständige wirtschaftliche Einheit nicht gefunden. Sowohl Zinsgüter als Erbzinsgüter können mit Frohndiensten belastet oder verschont sein; daraus ergibt sich ein ganz anderer, mehr äusserlicher Gesichtspunkt für die Einteilung der Güter, der mir in folgenden Ausführungen zum Ausdruck zu kommen scheint, die J. B. von Rohr, als eques Misnicus gerade für unsere Gegenden ein klassischer Zeuge, nach älteren Autoren macht. Nachdem er von „des Reichs freien Bauern" und den in Schwaben vorkommenden „Freibauern" gesprochen, sagt er: „Andere sein die zu Frohnen und Diensten zwar nicht gebraucht werden, gleichwohl Acker und Häuser von ihrer unmittelbaren Obrigkeit inne haben, und davon jährlich einen gewissen Zins oder Pacht entrichten, darum man dieselben Pacht-Leute, anderswo die Landsiedler nennet, wie in Sachsen, Thüringen und an anderen Orten mehr solche sich aufhalten. — Andere werden nicht allein zur Pacht, sondern auch zu Diensten und Frohnen für die Äcker, welche ihnen eingethan, gebraucht, daneben der Herrschaft mit einer Leibeigenschaft verbunden, dass sie nicht weichen oder aufsagen können, aber wenns ihr beliebig, aufstehen müssen; und dieselben werden nach des Landes Pommern Art eigentlich Bauern genannt, dergleichen im Kurbrandenburgischen, Mecklenburgischen, Holsteinischen zu finden. — Zu diesen sind noch zu setzen, die zwar Frohngüter besitzen, mit denenselben aber frei schalten und walten mögen, die daneben ihrer Herrschaft mit keiner Leibeigenschaft verwandt sind, und daher ihre Güter veralieniren, und sich an andere Örter wenden können; dergleichen viel in Thüringen, Sachsen, Meissen und andern Orten anzutreffen." Meines Erachtens lassen sich diese Angaben mit denen über das Zinsgut und Erbzinsgut sehr gut vereinigen, denn es wird auch durch viele Stellen bei Klingner bestätigt, dass die Bauerngüter in Sachsen teils zu Diensten verpflichtet,

166

IV. CAPITEL.

teils davon frei sind. Der Gebrauch von „Zins" und „Erbzins" , sowie von „Zinsgut" und „Erbzinsgut" geht bei Klingner so durcheinander, dass sich nicht beurteilen lässt, in welchem Masse die eine oder andere Art von Gütern etwa mit Diensten nicht belastet war. Neben den Zinsgütern und Erbzinsgütern finden sich in Sachsen lassitische Güter, wie es scheint, in sehr geringer Anzahl, und meist nur als „Beistücke" zu jenen, so dass es eine Klasse — erblicher und unerblicher — Lassiten überhaupt nicht gibt. Nach J. B. von Rohr steht den Besitzern von Lassgütern kein dominium directum noch utile zu, sondern blos ein Pachtrecht. Den überwundenen Wenetern und Obotriten seien von den Sachsen Feldgüter ausgethan zur Bebauung, jedoch mit der Bedingung, dass die Herren die Slaven nach Gefallen wieder austreiben und die Güter an sich nehmen konnten. — Besonders Kirchenländereien wurden gern in dieser Weise ausgethan, da es nicht nur nach dem Kanonischen Recht, sondern auch landrechtlich verboten war, Kirchengüter auf längere Zeit aus der Hand zu geben. 1 Lassgüter werden also lediglich besessen „ex titulo locati et conducti, um einen gewissen Zins, auf etliche Jahre, mietweise." Wenn der Kontrakt abläuft und nicht erneuert wird, der Lassit jedoch die Pacht ruhig weiter zahlt, so kann er trotzdem jederzeit, sobald es dem Herrn einfällt, vertrieben werden, nicht aber der gutgläubige Erwerber. Auf diese Weise erlangen manche Lassgüter ein besseres Besitzrecht. Besonders die Pächter der Kirchengüter und deren Nachfolger pflegen gern im Besitz solcher Lassgüter bleiben zu wollen und meinen zur Rückgabe an die Kirche nicht verpflichtet zu sein, da sie von der Annahme ausgehen, dass der seit langen Jahren in gleicher Höhe entrichtete Lasszins seine Natur als Pachtgeld verloren habe. Daher müssen die Kirchväter solche· Felder, Wiesen, Gärten und Fischwässer, welche zum Kirchen- oder Pfarrlehn gehören, alle sechs Jahre an Jemand anders auslassen, 1

Sächsische Kirchenordnung n. 29. 309. 314.

J. B. von Rohr.

8. 296.

OTTSHERRUCH-BÄUERLICHE

VERHÄLTNISSE.

167

auch den Zins verändern und erhöhen, um seinen Unterschied von einem gewöhnlichen Zins oder Erbzins darzuthun, und den Verlust der Kirchengiiter zu vermeiden.1 Aber auch der Landesherr tliut Güter um Lasszins aus. Den Hartenberg haben im Jahre 1553 die Einwohner zu Rosswein als Lassgut vom Landesherrn inne. Im Jahre 1584 wird der Hartenberg „mit seinen Zinsen" verkauft, d. h. dieser Lasszins ist fortan an den Käufer zu entrichten. 2 Die Gemeinde zu Brösa hat schon um 1610 die Trift und Hut auf der Schwemsaler Mark, aus vielen hundert Ackern bestehend, und in einem Stück Holz, „den lichten Eichen." Für alles gibt sie 10 Scheffel Hafer als Lasszins an das Amt. Die „lichten Eichen" werden 1723 eingezogen, teils zu Acker gemacht, teils aufgeforstet und dem Hause Schwemsal auf drei Jahre gegen 10 Scheffel Lasshafer überwiesen; für den Rest der Weidegründe gibt die Gemeinde zu Brösa nach wie vor ebenfalls 10 Scheffel Lasshafer. 3 Endlich folgen dann die Gutsherren dem Beispiele der Kirche und des Landesherrn. Die Leute zu Burkersroda geben von den Dorfgütern den fünfzigsten Pfennig Lehnwaare; von den in Friedersroder und Harther Fluren belegenen jedoch, welche leichte Lassgüter sind, und womit die von Hessler nach Lassgutrecht verfahren können, muss der zwanzigste Pfennig als Lehnwaare entrichtet werden. 4 In allen diesen Fällen ist das Lassgut bemerkenswerter Weise keine selbständige wirtschaftliche Einheit, sondern nur ein von der Gemeinde oder von einzelnen Nachbarn zur Vervollständigung ihrer Wirtschaft hinzugepachtetes „ Beistück Der so geartete bäuerliche Besitz ist nun mit Abgaben und Diensten in sehr verschiedenem Umfange beschwert. Es sind im folgenden die Verhältnisse der Unterthanen der Gutsherren geschildert, die sich von denen der Amtsunterthanen nur dadurch unterscheiden, dass an die Stelle des Gutsherrn das „Amt", die kurfürstliche Domäne, tritt. ' I. 26. 27.

4

III. 87.

» II. 1019. 1020.

4

IY. 77. 78.

168

IV. CAP1TEL.

Eine Beschreibung der Amtsunterthänigkeit würde also, hiervon abgesehen, keine wesentlich anderen Ergebnisse liefern. Wir betrachten nun im Folgenden die bäuerlichen Leistungen an den Gutsherrn, und zwar zuerst die Abgaben und dann die Dienste, und zeigen zum Schluss, wie die langsame aber fühlbare Vermehrung der Leistungen gegen Ende des 18. Jahrhunderts selbst den geduldigen und loyalen sächsischen Landmann zu offenen Widersetzlichkeiten gegen die Gutsherren hingerissen hat. §5.

Die Abgaben.

Die Abgaben sind teils regelmässig zu bestimmten Terminen wiederkehrende, teils bei besonderen Anlässen unbestimmt oft zu leistende. Zu jenen gehören hauptsächlich die Zinsen, Erbzinsen und der Zehnte; zu diesen Lehnwaare und Abzugsgeld. Die Leistungspflicht ist bei allen diesen Abgaben eine dauernde, und sie wird nicht durch die einmalige Abtragung erfüllt. Lehnwaare und Zins oder Erbzins ruhen auf den Grundstücken, gleich den landesherrlichen Abgaben, Steuerschocken, Land-, Pfennig- und Quatembersteuern u. s. w. 1 Das Abzugsgeld wird von der Kaufsumme eines Grundstücks, oder nach dem Werte der Erbschaft an beweglichem Vermögen, der Zehnte endlich von dem Ertrage der angebauten Früchte oder des gehaltenen Viehes erhoben. Diese Abgaben liegen also auf dem Besitz, und hängen nicht an der Person des sie zufällig jedesmal Entrichtenden. Dies ergiebt sich deutlich aus dem Inhalt und den Bestimmungen von Lehn- und Kaufbriefen. Die zu einem Rittergut gehörigen Bauergüter gehen durch Belehnung mit demselben an einen neuen Lehnherrn oder durch Verkauf an den Käufer über „mit Lehn (-geld), Zinsen, Frohnen, Diensten mit Pferden und der Hand, mit der Erbgerichtsbarkeit, Hutweide und Trift41.2 Das Dorf und die ganze Mark und Flur Abtnaundorf wird solchergestalt im Jahre 1542 verkauft „mit allen und jeglichen seinen jetzigen 1

I. 557.

* III. 198. aus dem Jalire 1527.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICHE

169

VERHÄLTNISSE.

und zukünftigen Würden, Zubehörungen, Gerechtigkeiten, Nutzungen, Freiheiten, Gnaden, Privilegien , Diensten, Pflichten, Zinsen, Lehn (-geldern), Zehnten, Teichen, Fischereien , Wassern, Bornen, Wasserläufen, Wegen, Stegen, Tränken, Viehweiden, Triften, Büschen, Sträuchern, Hölzern, Weidwerk, Jagden, Höfen, Hofstätten, Gärten, Wiesen, Hufen, Ackern, Steinbrüchen, garnichts ausgeschlossen, ob gedacht oder ungedacht, gesucht oder ungesucht In den weiteren Bestimmungen dieses Kaufbriefes heisst es: „zinset ein jeglicher Hof . . . und „zinset eine jeg1 liche H u f e . . . Λ Endlich gilt an vielen Orten das Sprüchwort: »Soviel das Stück zinset, lehnet es auch", d. h. soviel der jährliche Erbzins beträgt, so viel muss vorkommenden Falls als Lehnwaare entrichtet werden. 2 Es ist unmöglich, auch nur annähernd alle Stellen anzuführen, aus denen hervorgeht, dass diese Abgaben, ebenso wie eine Reihe von Diensten, am bäuerlichen Besitz und nicht an der Person hängen. Wie wir gesehen haben, werden ja auch Bauerhufen, wenn ihnen die Eigenschaft eines Rittergutes verliehen werden soll, zuerst von den darauf ruhenden Lasten, Frohnen und Zinsen befreit, und dann erst mit allerlei Vorrechten und Vergünstigungen neu ausgestattet und begnadigt. 3 Die Abgaben werden von der Gemeinde, oder in deren Vertretung vom Richter, oder von besonders damit beauftragten Personen eingesammelt und der Gerichtsherrschaft abgeliefert. 4 Neu Anbauenden und Unterthanen, welche ein bestimmtes Alter erlangt haben, werden Abgaben und Dienste in der Regel für einige Zeit, bezüglich dauernd erlassen. 5 Die Geld-, Getreide- und Viehzinsen werden dem Erbherrn in seiner Eigenschaft als Grundherr oder Dorfherr gegeben. 6 Auch das Ansetzen von Handwerkern, Krämer^ Müllern, Schenken, was ja gewöhnlich gegen einen Zins oder Erbzins geschah, ist grundherrliche Befugnis. 7 Im 1 III. 193. * IV. 1 7 6 - 1 8 0 . * Yergl. 8. 64. * I. 241. 7 553. 127. 149. 389. 522. 604. « III. 332. 338. Π Ι . 340.

5

I.

IV. CAPITEL.

170

Gegensatz dazu kann das Abzugsgeld vielleicht als eine spezifisch gerichtsherrliche Auflage und Einnahme betrachtet werden, während die Lehnwaare dem Gutsherrn als Erbherrn zusteht. Die Lehnwaare.

Die nächste Wirkung der abgelegten Erbhuldigung und des Huldigungseides war die Verpflichtung zur Zahlung der Lehnwaare oder des Lehngeldes, welches mit jenem Augenblicke fällig wurde. Diese Abgabe ist uralt, wie schon der noch an die Zeiten der Naturalwirtschaft erinnernde Name „Lehn w a a r e " besagt. Erst mit der fortschreitenden Entwicklung der Geldwirtschaft wandelte sich die Lehnwaare häufig in das Lehngeld um. Zahlreiche Reste der ursprünglichen Naturalabgabe haben sich indes noch erhalten. So gibt der Besitzer des Schenkguts zu Lindenhain und dazu gehöriger zwei Hufen Landes beim Ober- und Unterlehnfall jedesmal ein Fass Schmiedeberger Bier. 1 Der Richter in Goldbach gibt beim Oberlehnfall sieben Gulden Lehngeld. Das Richteramt ist erblich; das Gut aber Lehn, und dienet und zinset sonst weiter nicht. Stirbt der Inhaber, tritt also der Unterlehnfall ein, so hat das Amt Stolpen als „Sterbelehn" das beste Pferd zu fordern.2 Das Lehngeld ist keineswegs eine in Kursachsen und Thüringen allgemein übliche Abgabe.3 Ganze Dörfer sind beispielsweise noch im Jahre 1742 davon frei, wenigstens beim Oberlehnfall.4 Die Erklärung hierfür ist darin zu suchen, dass die Lehnwaare vi dominii directi — kraft des Obereigentums — gefordert wird, deshalb sind Mannlehngüter und schlichte Zinsgüter naturgemäss davon frei.5 Es wird aber durch „Gewohnheit" auch auf solche Lehngüter ausgedehnt, auf denen ursprünglich nur jährliche pensiones oder auch servitia personalia lasten. Doch ist man schon 1643 vielfach der Ansicht, dass zwischen Zins-, Erbzins- und anderen Bauer1

IV. 62. 644. IV. 76. 78

2

IV. 99. I. 565.

5

3

IV. 72. 73. 167. 233. 246.

4

I 643.

GUTSHERRLICH-BÄUKRUCHE VERHÄLTNISSE.

171

gütern in diesem Punkte der Lehnwaare kein Unterschied bestehe, da sie von allen Arten gefordert werden könne.1 Der dreissigjährige Krieg scheint, wie so manches Andere, auch diese Unterschiede an vielen Orten vollends hinweggewischt zu haben, und die bereits im Gange befindliche Verschlechterung des bäuerlichen Besitzrechts auch hinsichtlich dieses Punktes mit einem Ruck um ein grosses Stück gefördert zu haben. — Noch im Jahre 1608 wehren sich die Unterthanen zu Kreyma erfolgreich gegen die Abforderung der Lehnwaare mit dem Hinweis darauf, dass ihre Güter „schlechte" — schlichte — Zinsgüter seien. 2 Desgleichen 1611 die Gemeinde zu Hirschfeld. 3 Die Witwe als Vormund darf kein Lehngeld fordern, da dasselbe erst entrichtet wird, wenn eins der Kinder die Güter übernimmt.4 Beim Unterlehnfall scheint jedoch die Abstattung der Lehnwaare oder des Besthauptes, des sogenannten „Sterbelehns", für die grosse Mehrzahl der Dörfer und Güter die Regel zu sein. Jndes sind die Verhältnisse hierbei sehr verschiedenartig und verwickelt. Das Lehngeld zeigt dabei in vielen Fällen eine grosse Ähnlichkeit mit dem Abzugsgelde. Geht das Gut nach dem Tode des Besitzers auf direkte Erben über, so sind dieselben entweder von der Entrichtung des Lehrgeldes ganz frei, 5 oder sie geben die Hälfte von dem, was im Falle eines Verkaufs der fremde Käufer geben würde, 6 oder endlich auch die volle Summe. Von zwei Brüdern, welche die ererbten Güter in einem bestimmten Verhältnis teilen, gibt der eine dementsprechend sieben, der andere vier Gulden.7 Oder es treten noch andere Abweichungen ein; allerlei kleine Abgaben unter den verschiedensten Bezeichnungen werden gegeben. In Schlebenrodp schickt die Witwe, während die Leiche des Bauern noch auf der Bahre steht, dem Erbherrn „ein Schilling Pfennige", womit er zufrieden sein und auf die Lehnwaare verzichten muss. 8 Bisweilen wird das Sterbe6

4 » IV. 77. * IV. 77. 3 IV. 72. I. 396. 7 8 IV. 222. 223. 230. IV. 81. IV. 85.

s

I. 561. IV. 85.

172

IV. CAPITEL.

lehn unter dem Namen Zählgeld, = drei Pfennigen vom Thaler, oder als Siegelgeld in Höhe von einem Thaler ohne Rücksicht auf die Grösse der Hinterlassenschaft entrichtet. 1 Noch andere Namen für das Lehngeld sind: Kauf- und Annahme-Lehn, Anfahrt, Marktgroschen, Leihkauf, Ehrenschatz, Heerschatz, Antrittslehnwaare, Huldigungslehn, Handlohn, Teilschilling.2 Während der gemeinschaftlichen Wirtschaft der Witwe und der Kinder durfte das Lehngeld nicht überall gefordert werden. 3 Oder wenn doch, so brauchte nachher der Erbe, der das Gut übernahm, es wenigstens nicht noch einmal zu entrichten. 4 Wenn Eltern den Kindern bei Lebzeiten die Güter verkaufen, so sind diese nachher, beim Tode der Eltern, von der Abstattung des Sterbe- oder gesammten Lehns frei. 5 Alle diese und andere ähnliche Ausnahmen sehwinden beim Übergang auf Seiten verwandte oder Fremde. 6 In einigen Orten muss das Gut selbst von den Kindern des Erblassers, wenn sie es behalten wollen, „gekauft" werden — „ Erbkauf" —; sie werden alsdann wie Fremde behandelt und müssen ein der Höhe der Kaufsumme entsprechendes Lehngeld geben. 7 Todesfälle der Lehnsträger müssen der Herrschaft unter allen Umständen sofort angezeigt werden. 8 Das einfache Lehngeld brachte oft noch nicht genug ein. Man unterschied deshalb Sterbe-Lehngeld und Annahme-Lehngeld; jenes musste beim Tode des Erblassers, dieses bei der Annahme oder auch bei der Teilung der Hinterlassenschaft entrichtet werden. In besonderen Fällen wird das eine oder das andere erlassen. 9 Aber auch damit noch nicht genug. Bei der Vererbung eines Gutes auf den Schwiegersohn des Vorbesitzers fordert der Gerichtsherr zu Burg-Allerstädt sogar dreifaches Lehngeld, nämlich erstens „Gesammte oder Sterbe-Lehn", zweitens „Sonderbare — besondere — oder Erblehen", drittens „Annehme- oder 1

1Y. 64. 155. 207. 209. I. 508. * IV. 68. 69. 58. 73. 72. 45. 4 5 Γ. 420 ff. 3 IY. 29. 223. 97. IV. 76. I. 559. 560. IV. 224. 228. 7 8 • IV. 83. ΙΠ. 277. 278. IV. 95. 221. » IV. 83. 220. 221. I. 561. 562.

GUTSHERRLICH-BÄUERLICHE VERHALTNISSE.

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Kauflehn", und zwar jedesmal 5°/o vom Wert der hinterlassenen Grundstücke; zusammen also 15 °/o!1 Jedenfalls ein geeignetes Mittel, dem neuen Unterthan die neue Herrschaft recht teuer zu machen. Über die erfolgte Belehnung werden Lehnscheine ausgestellt, für welche natürlich wiederum Gebühren erhoben werden. 2 Tauschen zwei Unterthanen ihre Güter oder einzelne Grundstücke, so darf kein Lehngeld gefordert werden; wohl aber von dem Draufgeld, das einer von beiden etwa gibt. 3 Auch die Mitgift oder das „Eingeschnötele" wird nicht verlehnwaart. Durch Vergleich zwischen Erbherrn und Unterthanen wird das Lehngeld bisweilen herabgesetzt, ζ. B. von 4"/o auf 2ü/o.4 Das Lehngeld besteht nämlich entweder in einer festen Summe, 5 oder es wird in Prozenten nach dem Ertrage des letzten Verkaufes berechnet. 6 Zu Burkersroda wird 1556 der fünfzigste Pfennig = 2 °/o, an vielen andern Orten der zwanzigste Pfennig = 5 °/o, zu Tauperlitz und Geilsdorf gar der zehnte Pfennig = 10°/o entrichtet. 7 Anderwärts werden von der Hufe vier Gulden8 oder zwanzig Gulden9 gegeben; von einem Gute zwei gute Schock,10 von einem Siedelhof 30 Gulden, 11 von den Häuslern zu Laue 1 Silbergroschen.12 Zu Abtnaundorf gibt 1542 jeder neu belehnte Unterthan, Mann oder Weib, drei Groschen und vier Neupfennige — von denen neun auf einen neuen Meissnischen Zinsgroschen gehen — „zur Lehen"; davon bekommt der Lehnherr zwei, die Gemeinde einen Groschen, die vier Pfennige der Richter. 13 Lehnträger von Gemeindestücken entrichten natürlich das Lehngeld an die Gemeindekasse.14 Während das unter einer Gerichtsherrschaft verbleibende unbewegliche und bewegliche Vermögen so bei jedem Besitzwechsel von dem Lehngelde betroffen ward, wurde 2 s > IV. 80. 98. IV. 206 ff. 246. 247. IV. 134. I. 562. 8 β • I. 385. IV. 114—116. 239. 240. III. 194. IV. 110. 145. 153. 240. 241. 7 IV. 77. 78. 136-140. 76. 123. 143. 747. 8 IV. 9 10 11 12 IV. 109. IV. 81. IV. 116. IV. 76. 13 III. 194. 14 186-190.

563. 149. 114. IV.

174

IV. CAPITEL.

das bewegliche Vermögen, dem allein ja ein Ortswechsel möglich war, bei einem solchen von dem Abzugsgelde ereilt. Das Abzugsgeld.

Klingner gebraucht bereits das Wort Freizügigkeit, allerdings nicht im modernen Sinne; sondern er versteht darunter nur Freiheit vom Abzugsgeld, 1 das nach ihm in Mecklenburg gar nicht, 2 in Sachsen, wenn auch nicht regelmässig, so doch immerhin ziemlich häufig gefordert wird, und zwar entweder blos iure retorsionis, oder aber auf Grund errichteter Verträge, wohlhergebrachter Observanz und Gewohnheit.3 Auch das Abzugsgeld führt die verschiedensten Namen, indem es bald Abschoss oder Schätzung, bald Nachsteuer oder Verlosung, Abfahrtsgeld, Zählgeld oder Decimation heisst. 4 Es wird mitunter da gefordert, wo kein Lehngeld erhoben wird, und scheint häufig mit der beim Unterlehnfall abzustattenden Lehnwaare verwechselt worden zu sein. 5 Die Bezirke, welche kein Abzugsgeld kennen, haben nun einen grossen und naturgemäss mildernden Einfluss auf diejenigen, wo es erhoben wird, indem gegen „Reverse" den beiderseitigen Unterthanen solcher Bezirke mit verschiedener Handhabung des Abzugsgeldes die Wohlthat des freien Bezirks zugesichert wurde. Landesväterliche Fürsorge hielt zu allen Zeiten streng darauf, dass Amtsunterthanen, die nur unter den einzelnen Amtern ihren Wohnsitz wechselten, mit dieser Abgabe verschont blieben. 6 Wenn sie sich aber ins Ausland begaben, — wozu ja auch die erbherrlichen Gerichtsbezirke gehörten — so musste das Abzugsgeld bezahlt werden, wenn nicht im letzteren Falle der Landesherr mit den Erb-, Lehn- und Gerichtsherren „Reverse" austauschte.7 Dieses landesherrliche Vorbild wurde fleissig nachgeahmt. Bei dem Rate zu Leipzig hatte das Buch, in welches, wie an anderen Orten, die erteilten Reverse eingetragen wurden, die Überschrift: Liber, quod quisque 1

IV. 298. 2 IV. 26. * IV. 274. 276. * IV. 155. 255. 332. 6 IV. 155. IV. 336. 347. 333. 335. 339. 7 IV. 336. 316. 330. 335. L 392.

6

GUTSHERRLICH-BÄVERLICHE VERHÄLTNISSE.

175

iuris in alium statuerit, ipse eodem iure utatur. 1 — Freilich kam es andererseits vor, dass bei Verweigerung solcher Meistbegünstigungsklausel das Abzugsgeld in einem Bezirke gefordert wurde „iure retorsionis", wo es sonst nicht üblich war. 2 Das Abzugsgeld bewegt sich in Sachsen, im Verhältnis zu anderen Ländern, in mässiger Höhe, und zwar meist um 5"/o. Doch kommen auch Sätze von 10, 15, 20 und 25 °/o vor. 3 Durch Vergleiche wird es an manchen Orten herabgesetzt, ζ. B. von 5°/o auf 3°/o,4 oder ganz erlassen. 5 Stellenweise beträgt es überhaupt nur 2 % , 6 oder es ist überhaupt eine ein für alle Mal feststehende Summe, etwa so hoch, wie der jährliche Erbzins, 7 oder es beträgt etwa 7 Groschen 6 Pfennige, 30 Groschen, u. s. w. 8 Zu entrichten ist das Abzugsgeld von dem beweglichen Vermögen, auch von dem Kaufgelde unbeweglicher Güter der wegziehenden Unterthanen, oder von Erbschaften, die nach auswärts, in andere Gerichtsbezirke fallen. 9 Das „Eingeschnötee", wenn es in natura mitgegeben wird, ist von dieser Abgabe ebenfalls befreit; jedoch dann nicht, wenn es in baarem Gelde besteht. 10 Ursprünglich also nur erhoben, so oft ein Unterthan sich in das Gebiet eines andern Landesherrn begab, 11 artet die Handhabung dieser Steuer in späterer Zeit, nachdem die Gutsherren kleine Landesherren geworden, sogar dahin aus, dass sie eingefordert wird, wenn in einem und demselben Dorfe, über welches verschiedenen Besitzern die Gerichtsbarkeit zusteht, die Unterthanen aus einem „Teil" in den andern, oft „nur etliche Schritte weit" sich begeben. 12 Der oft für diese Steuer angegebene Grund, dass es gleichsam ein Ersatz sei für die abziehende wirtschaftliche Kraft, ist nicht stichhaltig, da jeder Verkäufer einen „tüchtigen" Nachbar nachweisen und an seine Stelle setzen musste, ehe ' IV. 257. 2 IV. 292. 315. 345. 311. 297. 287-289. 285. I. 392. 486. 489. 565. 8 IV. 271. 279. 280. 282. 286. 3 1 5 - 319. 340. 310. 316. 291. 4 IV. 25. 5 IV. 284. « I. 392. 604. 274. IV. 286. 287. 292. 339. 7 IV. 45. 8 IV. 270. 287. 320. 8 IV. 259. 10 I. 604. IV. 268. 11 12 IV. 333. 335. IV. 260. 279. I. 508.

176

IV. CAPITEL.

er die Erlaubnis zum Verkauf erhielt. 1 Wie hätte man auch sonst daran denken hönnen, das Abzugsgeld zu erheben, wenn der Verkäufer eines Gutes unter seiner alten Gerichtsherrschaft wohnen blieb? 2 Vielmehr wird im Gegensatz zur Lehnwaare, durch deren Entrichtung die Anerkennung des neuen Lehnherrn erfolgt, vermittelst des Abzugsgeldes einfach die Erlaubnis zum Wegziehen erlangt. 3 Gleichwohl warfen erfinderische Gutsherren die Frage auf, ob das Abzugsgeld nicht gefordert werden könne, wenn sie, die Gutsherren, etwa um einen Winter in Dresden zuzubringen, oder der Plackereien mit den störrischen Unterthanen überhaupt müde, von ihren Gütern wegzögen! Allein in der verneinenden Antwort auf diese Frage trat jener Unterschied in dem Wesen des Abzugsgeldes und der Lehnwaare deutlich hervor. 4 Zu diesen Abgaben zufälligen Charakters, welche in den Rittergutsanschlägen als »steigende und fallende Nutzungen" aufgeführt werden, treten nun jährlich regelmässig wiederkehrende, darum „ständig" genannte Abgaben, deren wichtigste der Zins oder der Erbzins und der Zehnte sind. Zins und Erbzins.

Bei der Verleihung von Grundstücken oder Gerechtigkeiten behielt sich der Herr gewöhnlich einen Teil der Nutzungen, der Ernte oder der Zuzucht an Vieh, oder eine feste Geldabgabe oder Dienste, und endlich, was sehr häufig war, zwei oder alle drei Arten dieser Leistungen zugleich vor. Dies deutete bei Erbzinsgütern zunächst die Fortdauer des Obereigentums an, und war ferner meist wohl ein Ersatz oder eine Ergänzung der Kaufsumme, wie bei den schlichten Zinsgütern. 1

I. 543. Vergl. auch die Dorfordnungen. * L 508. 3 IV. 269. IV. 283. 284. Nicht zu verwechseln mit den „Abzügen" sind die „Auszüge", d. h. die Deputate der ins Altenteil gehenden Besitzer, wodurch die Bauerngüter eine weitere nicht unbeträchtliche Belastung erfahren, allerdings nicht zu Gunsten des Gutsherrn, sondern zu Gunsten des — wenn auch vielleicht nicht immer arbeitsunfähigen, so doch meist „arbeitsraüden" — Vorbesitzers. (IV. 120—123. 227. I. 147 ff. 529 ff.)

4

GÜ TSH ERRLICH-BÄU ERLICH Ε VERHÄLTNISSE.

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Wir haben schon gesehen, dass sich im Laufe der Zeit die Unterschiede zwischen Zinsgütern und Erbzinsgütern sehr oft verwischten, und so wurden auch die Begriffe Zins und Erbzins nicht immer mehr streng auseinander gehalten. Auch das Vorkommen der Lehnwaare bietet kein sicheres Merkmal mehr dar für die Natur dieser Abgabe. Wenn es freilich in älteren Urkunden heisst „zinset und l e h n e t jeglicher Hof so können wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass jener Zins eben ein Erbzins, das damit behaftete Gut ein Erbzinsgut gewesen sei; für spätere Zeiten gilt dies nicht mehr unbedingt. Zins und Erbzins wird zu bestimmten Zeiten, gewöhnlich Walpurgis und Michaelis, entrichtet und zwar sowohl in Naturalien als in Geld, welches nach und nach die Naturalabgaben teilweise ersetzte, hier und da wohl auch gänzlich verdrängte. Die Dienste mussten ebenfalls zu bestimmten Gelegenheiten, bei der Ernte, bei Bauten u. s. w. geleistet werden. Der Kaufbrief über das Dorf Leubingen von 1528 enthält genaue Angaben über einen solchen aus den verschiedensten Naturalien und aus Geld gemischten Erbzins.1 Die Ölmühle daselbst gibt jährlich 5 Schock — d. h. 300 Groschen —, dazu 3 Malter 5 Scheffel Gerste Erbzins und 10 Scheffel Hafer, die Mahlmühle 43 Malter hartes und 25 Malter weiches Getreide. Das Dorf gibt ausserdem jährlich 165 Schock Michaelisgeschoss, 10 Schock und 12 Groschen Erbzins, ferner 26 Gänse, 90 Michaelishühner, 12 Fastnachthühner, dazu jeglicher Hof einen R a u c h h a h n . Im Dorfe Abtnaundorf werden 1542 von 10 Hofstätten jährlich zu Michaelis je ein Huhn und ein alter Pfennig Zins gegeben, dazu von jeder der 10 Hufen ebenfalls zu Michaelis aufs Jahr 45 neue Meissnische Zinsgroschen.2 Sehr interessant ist die aus dem kommissarischen Anschlag des Ritterguts Taubenheim sich ergebende Übersicht der Abgaben und Dienste, welche anscheinend nach dem Worte „wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel gefordert" geleistet werden müssen. 3 1

IL 450.

2

III. 193.

3

III. 369.

H a a n , Fr. Job., Bauer und Gutsherr in Kureacheen.

12

IV. CA.PITEL.

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