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German Pages 1401 [1404] Year 1981
Claus-Wilhelm Canaris Bankvertragsrecht
Claus-Wilhelm Canaris
Bankvertragsrecht 2., vollständig neubearbeitete und erweiterte A u f l a g e
w DE
G 1981
Walter de Gruyter • Berlin • New York
Sonderausgabe von Band III, 3. Teil (2. Bearbeitung) Handelsgesetzbuch, Großkommentar, 3. Auflage
Dr. jur. Claus-Wilhelm
Canaris, o. Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Arbeitsrecht sowie Rechtsphilosophie an der Universität München
Zitiervorschlag Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rdn. X
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Canaris, Claus-Wilhelm: Bankvertragsrecht /Claus-Wilhelm Canaris. — 2., vollst, neubearb. u. erw. Aufl. — Berlin; New York: de Gruyter, 1981. ISBN 3-11-007360-9
©
Copyright 1981 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., 1000 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz und Druck: H. Heenemann G m b H & Co, 1000 Berlin 42 Binderarbeiten: Lüderitz & Bauer, Buchgewerbe G m b H , 1000 Berlin 61
Vorwort Das Bankrecht ist in weiten Bereichen eine so dynamische Materie, daß ihm die behäbige Auflagenfolge eines Großkommentars nicht gerecht wird, zumal das Interesse für dieses Gebiet in den letzten Jahren heftig, ja z. T. geradezu boomartig zugenommen hat. Verlag und Verfasser haben sich daher entschlossen, eine Neubearbeitung vorzulegen. Diese bringt eine Vielzahl tiefgreifender Änderungen und Erweiterungen gegenüber der Erstbearbeitung. Im 1. Kapitel „Allgemeine Grundlagen" besteht die wichtigste Neuerung darin, daß die Lehre vom Konto, die bisher im Rahmen des Einlagengeschäfts behandelt war, zu einem eigenen Abschnitt verselbständigt und stark erweitert worden ist. Im 2. Kapitel über das „Zahlungswesen" sind dem Lastschriftverfahren und dem Abrechnungsverkehr bei der Deutschen Bundesbank, ihrer praktischen und dogmatischen Bedeutung entsprechend, eigene Abschnitte eingeräumt worden; die Ausführungen über das Scheckinkasso und die Scheckkarte sind im wesentlichen neu geschrieben worden. Das 3. Kapitel über das „Kreditwesen" hat eine vollständige N e u gliederung erfahren. Hinzugekommen sind der Abschnitt über das Gelddarlehen, soweit er die bankrechtlich relevanten Teile des allgemeinen Darlehensrechts enthält, und der Abschnitt über das Finanzierungsleasing; die Ausführungen über die Kreditkarte und das Factoring sind weitgehend neu gefaßt und stark ausgeweitet worden. Im 4. Kapitel über das „Effektenwesen" waren ähnlich weitreichende Änderungen nicht erforderlich, doch mußte auch hier eine Fülle neueren Schrifttums eingearbeitet und eine Reihe aktueller Einzelprobleme wie der Terminhandel mit Optionen und die Prospekt- und Initiatorenhaftung bei nicht börsengängigen Kapitalanlagen einbezogen werden. Im letzten Kapitel waren vor allem das AGB-Gesetz und die dadurch ausgelösten Änderungen in den Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen zu berücksichtigen. Auch abgesehen von diesen Schwerpunkten, die vorwiegend durch die Rechtsentwicklung der vergangenen Jahre bestimmt worden sind, habe ich an zahllosen Stellen ergänzt und vertieft, nicht selten auch geändert. Dabei habe ich in weitaus stärkerem Maße als in der Erstbearbeitung, bei der zwangsläufig das Bemühen um eine Bewältigung der Stoffmassen im Vordergrund stand, dem Bestreben Raum gegeben, Schwierigkeiten nachzugehen, neuartige Fragen aufzugreifen und Lösungsvorschläge auch für solche Probleme zu machen, die bisher in Rechtsprechung und Literatur kaum oder gar nicht erörtert worden sind. So kommt die zweite Auflage insgesamt in mancher Hinsicht einem zweiten Buch nahe. Das tritt auch im äußerem Umfang in Erscheinung: die Zahl der Randnummern ist auf mehr als das Doppelte, die Zahl der Seiten auf fast das Doppelte angeschwollen. Um wenigstens einen kleinen Ausgleich zu schaffen, ist das Kontokorrentrecht in diese Zwischenauflage anders als in die Sonderausgabe der Erstbearbeitung nicht aufgenommen worden; der Benutzer kann insoweit ohne Bedenken auf die Erstbearbeitung verwiesen werden, weil diese Materie derzeit nicht sonderlich stark im Fluß ist und überdies f ü r das Bankrecht eine geringere praktische Bedeutung hat, als man meist anzunehmen geneigt ist. Mit der Drucklegung wurde im September 1980 begonnen. Spätere Veröffentlichungen habe ich bis 1. 5. 1981 berücksichtigt, vereinzelt auch darüber hinaus. Mein
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Vorwort besonderer Dank gilt Frau Assessor Dr. Petra Käßer, die mich bei der Materialsammlung unterstützt und die die alphabetischen Register in eigener Verantwortung angefertigt hat. Für ihre Mithilfe bei der Mühsal der Korrekturarbeiten habe ich außerdem sehr herzlich zu danken Herrn Assessor Johannes Hager, Herrn Assessor Stefan Vogl, Herrn Rechtsreferendar Reinhard Singer und Herrn cand. iur. Jochen Harms. München, im Juni 1981 Claus- Wilhelm
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Canaris
Inhalt Erstes Kapitel Allgemeine Grundlagen Seite
1. Abschnitt: Die Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden und ihre dogmatische Einordnung 2. Abschnitt: Die allgemeinen Verhaltenspflichten Bankgeheimnis und Bankauskunft
der
Bank,
1
insbesondere
3. Abschnitt: Das K o n t o
19 77
Zweites Kapitel Das Zahlungswesen 4. Abschnitt: Die Giroüberweisung
151
5. Abschnitt: Das Lastschriftverfahren
281
6. Abschnitt: Die Scheckzahlung
355
7. Abschnitt: D e r Abrechnungsverkehr
451
8. Abschnitt: Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
477
9. Abschnitt: Die Bankgarantie
571
Drittes Kapitel Das Kreditwesen 10. Abschnitt: Das Einlagengeschäft
601
11. Abschnitt: D e r Krediteröffnungsvertrag
617
12. Abschnitt: Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten . . .
653
13. Abschnitt: Das Finanzierungsdarlehen
709
H . A b s c h n i t t : D e r Wechselkredit
785
15. Abschnitt: Sonderformen des Kreditgeschäfts — Kreditkartengeschäft, Factoring und Finanzierungsleasing
831
Viertes Kapitel Das Effektenwesen 16. Abschnitt: Das Effektengeschäft 17. Abschnitt: Das Depotgeschäft
925 1057
VII
Inhalt
18. Abschnitt: Das Emissionsgeschäft 19. Abschnitt: Das Investmentgeschäft
1141 1177
Fünftes Kapitel Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen 20. Abschnitt: Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
1265
21. Abschnitt: Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken . . . 1283 22. Abschnitt: Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen
1373
Register
1391
VIII
Erstes Kapitel
ALLGEMEINE GRUNDLAGEN 1. Abschnitt Die Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden und ihre dogmatische Einordnung
Systematische
Übersicht Rdn.
Rdn. I. Ablehnung der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" 1. Begriff und Inhalt des „allgemeinen Bankvertrags" 2. Kritik der Lehre v o m „allgemeinen Bankvertrag" a) Die H e r s t e l l u n g d e r G e s c h ä f t s v e r bindung als unzureichende G r u n d l a g e f ü r die A n n a h m e eines Vertrages b) A b l e h n u n g einer allgemeinen Pflicht d e r Bank z u r Ü b e r n a h m e von Bankgeschäften c) Die V e r e i n b a r u n g ü b e r die Gelt u n g der A G B als u n z u r e i c h e n d e G r u n d l a g e f ü r die A n n a h m e eines „allgemeinen B a n k v e r t r a g e s " . . . d) Z u s a m m e n f a s s e n d e Würdigung der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag"
2
4
pflicht" und als Grundlage einer „Vertrauenshaftung" 1. D o g m a t i s c h e E i n o r d n u n g 2. V o r a u s s e t z u n g e n und Folgen der „Vertrauenshaftung kraft Geschäftsverbindung" a) Die U n a b h ä n g i g k e i t d e r H a f t u n g von den Einzelverträgen u n d die B e d e u t u n g von Nichtigkeits- u n d Anfechtungsgründen b) Die Einstandspflicht f ü r E r f ü l lungsgehilfen
6
c)
10
d) e)
11
f)
II. Die Geschäftsverbindung als gesetzliches Schuldverhältnis „ohne primäre Leistungs-
Die E i n b e z i e h u n g D r i t t e r in den Schutzbereich der Vertrauenshaftung Die Beweislast D e r Ausschluß der V e r t r a u e n s h a f tung durch Freizeichnungsklauseln Schadensersatz- oder Erfüllungsa n s p r ü c h e als R e c h t s f o l g e d e r Vertrauenshaftung
12
15 17
21 29
31
34
? Übersicht Abschlußpflicht 9 A b s c h l u ß v o l l m a c h t 17 Abschreibungsgesellschaft 28 Allgemeine G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n 8 Freizeichnungsklausel 31 ff A n f e c h t u n g 16 A u s k u n f t — siehe B a n k a u s k u n f t B a n k a u s k u n f t , H a f t u n g 14 f Beweislast 29 f D r i t t s c h u t z 25 Erfüllungsgehilfen 18 f gegenüber N i c h t k u n d e n 1 8 , 2 8 , 3 2
Bankgeheimnis 23, 25 D r i t t s c h u t z 25 Bankvertrag, allgemeiner 2 ff aus A G B 8 aus G e l t u n g s a b r e d e zu A G B 10 aus G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g 4 „neutrale" G e s c h ä f t e 7 aus Schutzpflichten 5 als tatsächliches Verhältnis 1 B a u k o n t o 28 culpa in c o n t r a h e n d o 5, 12, 17, 25, 27 F r e i z e i c h n u n g 33 Claus-Wilhelm Canaris
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1. Abschnitt. Die Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden D r i t t h a f t u n g 27 f D r i t t s c h a d e n s l i q u i d a t i o n 22, 24, 26
Scheckvertrag 7 Schrankfach 7 S c h e i n g e s c h ä f t 16 Schuldverhältnis gesetzliches 1, 12 ff o h n e p r i m ä r e L e i s t u n g s p f l i c h t 12 ff S c h u t z v e r h ä l t n i s , gesetzliches 5, 12 ff
E h e p a r t n e r des K u n d e n 23 Hinlagengeschäft 7 E r f ü l l u n g s g e h i l f e n 14, 17 ff Begriff 19 Haftungsbegründung P f l i c h t v e r l e t z u n g 18 S o r g f a l t s m a ß s t a b 20 Z e i t p u n k t 19 falsus p r o c u r a t o r 18 Freizeichnungsklauseln
17
31 ff
Geschäft, „neutrales" 7 G e s c h ä f t s b e d i n g u n g s v e r t r a g 10 G e s c h ä f t s b e s o r g u n g 3, 9 Geschäftsverbindung Begriff 1 R e c h t s n a t u r 3, 4 ff Girovertrag, Rechtspflichten der Bank 7 Gleichbehandlung der Kunden 7 Kreditgewährung, Pflicht z u r 9
D r i t t h a f t u n g 27 S c h u t z w i r k u n g z u g u n s t e n D r i t t e r 21 ff Beweislast 29 f F r e i z e i c h n u n g 32 F ü r s o r g e p f l i c h t 22 ff, 25 g e s c h ü t z t e P e r s o n e n 22 K u n d e n s c h u t z 25 im m e h r g l i e d r i g e n Z a h l u n g s v e r k e h r 22, 25 S c h u l d n e r des K u n d e n 25 S t e l l v e r t r e t u n g 17 V e r b o t , gesetzliches 16 V e r h a n d l u n g s v o l l m a c h t 17 V e r m ö g e n s s c h ä d e n 14 V e r t r a g s a u s l e g u n g , e r g ä n z e n d e 21 V e r t r a g z u g u n s t e n D r i t t e r 21 V e r t r a u e n s h a f t u n g 14 ff F r e i z e i c h n u n g s k l a u s e l n 31 ff R e c h t s f o l g e 34 f V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s 12 ff
L a s t s c h r i f t v e r f a h r e n 22, 25 f M a s s e n g e s c h ä f t e 22 Nichtigkeit der Einzelverträge
O r g a n i s a t i o n s p f l i c h t 19
16
Z a h l u n g s v e r k e h r , m e h r g l i e d r i g e r 22, 25
Literatur Altjohann Der Bankvertrag, ein Beitrag zur Dogmatik des Bankrechts, Diss. München 1962; Gaede Die H a f t u n g der Banken f ü r Kreditauskünfte, Diss. Köln 1970; Haupt Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der deutschen Banken, 1937; Herold/Lippisch Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1962, S. 33 f und 41 ff; Hopt Der Kapitalänlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 393 ff; Koch, Arwed Banken und Bankgeschäfte, 1931, 306 ff; derselbe Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, 1932, S. 10 ff; Lwowski Geschäftsbeziehungen zwischen Bank und Kunden, in: Bankrecht und Bankpraxis, Band I Teil 2, 1978 (zit. BuB); Müller-Graff Rechtliche Auswirkungen einer laufenden Geschäftsverbindung im amerikanischen und deutschen Recht, 1974; derselbe Die Geschäftsverbindung als Schutzpflichtverhältnis J Z 1976 153 ff; Pikart Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bankvertrag, W M 1957 1238 ff; Raiser, Ludwig Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, S. 133 ff; Schaudwet Bankenkontokorrent und Allgemeine Geschäftsbedingungen, 1967, S. 29 ff; Sichtermann Bankgeheimnis und Bankauskunft, 2. Aufl. 1966.
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Die Beziehungen zwischen der Bank und ihren Kunden erschöpfen sich i. d. R. nicht in einem einzigen Geschäft — etwa der Vornahme einer Uberweisung —, sondern sind meist auf längere Dauer und auf eine unbestimmte Mehrzahl von Geschäftsvorfällen angelegt. Dann besteht eine „Geschäftsverbindung". Über deren Rechtsnatur sind verschiedene Theorien aufgestellt worden. Im Einklang mit den vom allgemeinen Zivilrecht gebotenen Kategorien reichen diese von der Annahme eines Vertrages über quasivertragliche Lösungen und die Konstruktion eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bis zu der Ansicht, die Geschäftsbeziehung sei ein rein tatsächliches Verhältnis ohne spezifisch rechtlichen Charakter. Allen Theorien gemeinsam ist lediglich die Problemstellung: es geht nicht um die dogmatische Einordnung der einzelnen Verträge, also 2
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. A b l e h n u n g d e r L e h r e v o m „ a l l g e m e i n e n B a n k v e r t r a g "
z. B. des Girovertrags, des Diskontvertrags, des Darlehensvertrags usw., sondern um die Rechtsnatur der — von den Einzelverträgen grundsätzlich zu unterscheidenden — Geschäftsverbindung als solcher.
I. Ablehnung der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" 1. Begriff und Inhalt des „allgemeinen Bankvertrags" Als Vertrag wird die Geschäftsverbindung von den Anhängern der Lehre vom „all- 2 gemeinen Bankvertrag" qualifiziert 1 . Diese Lehre stößt im neueren Schrifttum in zunehmendem Maße auf Skepsis 2 ; teilweise wird sie sogar mit Nachdruck abgelehnt 3 . Die Rechtsprechung spricht zwar nicht selten von einem Bankvertrag 4 ; sie vermeidet jedoch i. d. R., daraus spezifische Rechtsfolgen abzuleiten, und macht überdies nicht deutlich, ob sie im Bankvertrag überhaupt einen eigenständigen Vertragstypus sieht oder ob sie diesen Terminus lediglich als Synonym für bestimmte Einzelverträge wie vor allem den Girovertrag verwendet. Inhaltlich faßt die h. L. „unter dem Begriff des Bankvertrags diejenigen vertragli- 3 chen Rechtsbeziehungen zwischen Bank und Bankkunden zusammen, die im Unterschied zum Abschluß eines unbedeutenden Einzelgeschäfts auf eine wesentliche oder nicht vorübergehende Inanspruchnahme der Einrichtungen und Dienste der Bank durch den Kunden gerichtet sind" 5 . Dabei soll „auch die vertragliche Herstellung und Unterhaltung solcher Geschäftsbeziehungen ausreichen, für die die Eröffnung eines Kontos nicht wesentlich ist, z. B. die Einleitung von Verhandlungen über Einräumung eines Kredits oder über An- und Verkauf von Wertpapieren. Es kommt mithin überhaupt nur auf die Herstellung einer auf eine gewisse Dauer und Intensität berechneten Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden an" 5 . Auch nach von Godin, der den wichtigsten Beitrag zur Lehre vom allgemeinen Bankvertrag geleistet hat, ist „das Essentiale des Bankvertrags die Einigung über die Begründung einer Geschäftsverbindung" 6 . Von Godin geht allerdings noch einen Schritt darüber hinaus und sieht als Inhalt des Bankvertrags außerdem an, „daß der Kunde regelmäßig, ohne sich dazu zu verpflichten, Vermögensangelegenheiten irgendwelcher Art, deren Erledigung in den Rahmen der von der Bank ausgeübten gewerblichen Betätigung und ihrer dafür geschaffenen Organisation und Einrichtungen fällt, durch sie oder mittels ihrer erledigen läßt, und daß die Bank sich verpflichtet, im Rahmen ihrer gewerblichen Betätigung, Organisation . . . und Einrichtungen sich dafür zur Verfügung zu stellen" 7 . Typologisch soll es sich dabei um einen Dienst- oder Werkvertrag handeln, der eine 1 Vgl. Müller-Erzbach, H a n d e l s r e c h t , 2./3. Aufl. 1928, S. 651 u n t e r D I I ; Dermitzel/Pollems aaO S. 3; Neustätter S. 65 f f ; Pikart W M 1957, 1238; Nebelung N J W 1959, 1069; Schraepler NJW 1972, 1838; Schaudwet S. 29 f f ; Stolz S. 13 f und S. 28 f f ; Gaede S. 29 f f ; Herold/Lippisch S. 33 f; von Gierke § 6 2 I I I ; von Godin A n m . 1 und Anm. 4 ff nach § 365; P. Ulmer D e r V e r t r a g s h ä n d l e r , 1969, S. 318 f ; Hopt S. 395 f f ; Lwoviski BuB 2 / 1 . 2
Vgl. z. B. Meyer-Cording D a s Recht d e r Banküberweisung, 1951, S. 9 ; Sichtermann S. 93. 3 Vgl. Altjohann S. 82 ff, 112 ff, 124 ff u n d ihm folgend Schönle § 3 I I ; ebenso jetzt Schlegelbergerl Hefermehl5 A n h . nach § 365 R d n . 13; a b l e h n e n d f e r n e r z. B. Schwark A n l e g e r s c h u t z d u r c h W i r t schaftsrecht, 1979, S. 100 f f ; Stierle D e r Bereiche-
rungsausgleich bei f e h l e r h a f t e n B a n k ü b e r w e i s u n gen, 1980, S. 60 f f ; Staudinger/Wittmann'2, §675 R d n . 19; H. P. Westermann in M ü n c h K o m m . , 1980, V o r b e m . v o r § 607 R d n . 12 ff. 4 Vgl. z. B. B G H Z 23, 222, 226 f ; B G H N J W 1954, 72; B G H W M 1956, 920; O L G Stuttgart M D R 1956, 4 2 8 ; O L G K a r l s r u h e W M 1971, 486, 4 8 7 ; vgl. f e r n e r die eingehende Z u s a m m e n s t e l l u n g von Pikart W M 1957, 1238 ff. 5 Pikart S. 1238 m. N a c h w . aus d e r R s p r . 6 Vgl. A n m . 4 unter b und ähnlich A n m . 1 unter Ziff. 2 am A n f a n g ; ihm f o l g e n d Gaede S. 33. 7 A n m . 4 unter b u n d ähnlich A n m . 1 unter Ziff. 2 am A n f a n g ; im selben Sinne auch Pikart S. 1239 u n t e r 2 ; aus dem älteren S c h r i f t t u m ähnlich z. B. Koch S. 11 f und 16; RaiserS. 145.
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1. Abschnitt. D i e G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g z w i s c h e n Bank und K u n d e n
Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, in dem aber auch noch andere Elemente enthalten sein können 8 . 2. Kritik der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" Die Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" ist nur haltbar, wenn die von ihr gegebene Definition mit dem allgemeinen Vertragsbegriff vereinbar ist und wenn der von ihr behauptete Vertrag einen eigenständigen, anderweitig nicht befriedigend einzuordnenden Inhalt hat. Dazu sind die verschiedenen Bestandteile, die der „allgemeine Bankvertrag" nach der h. L. haben soll, gesondert zu überprüfen. a) Die Herstellung der Geschäftsverbindung als unzureichende Grundlage für die Annahme eines Vertrages 4
Was zunächst die Herstellung der Geschäftsverbindung angeht, so vermag diese die Konstruktion eines „allgemeinen Bankvertrags" nicht zu tragen. Essentiale des Vertragsbegriffes ist es nämlich, daß durch die von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen eine Rechtsfolge in Geltung gesetzt wird, und daran fehlt es insoweit. Denn die Herstellung der Geschäftsverbindung als solche hat keinerlei rechtliche Gebundenheit zur Folge, da sie, wie auch die Anhänger der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" nicht verkennen, jederzeit abgebrochen werden kann 9 ; die rechtliche Bindung macht aber gerade das Wesen des Vertrages aus 10 .
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Allerdings hat die Aufnahme der Geschäftsverbindung eine Reihe von Schutzpflichten zur Folge wie z. B. Verschwiegenheits-, Aufklärungs-, Auskunfts- oder Beratungspflichten. Auch das Entstehen von Schutzpflichten kann jedoch nicht als Inhalt eines „allgemeinen Bankvertrags" angesehen werden 1 1 . Diese Schutzpflichten entstehen nämlich nicht deshalb, weil die Parteien sie in Geltung gesetzt haben, sondern unabhängig vom Willen der Parteien kraft objektiven Rechts. Das zeigt sich insbesondere daran, daß sie anerkanntermaßen schon vor Vertragsschluß bestehen können und insoweit die Grundlage für die Haftung aus culpa in contrahendo bilden. Diese Haftung aber ist unstreitig nicht vertraglicher, sondern gesetzlicher Natur, und es stellt daher einen inakzeptablen dogmatischen Rückschritt dar, wenn man z. B. in der „Einleitung von Verhandlungen über Einräumung eines Kredits oder über An- und Verkauf von Wertpapieren" nun doch wieder einen Vertragsschluß sieht 12 . Auch im Stadium nach Vertragsschluß haben die Schutzpflichten nach richtiger Ansicht ihren Rechtsgrund nicht im Vertrag, sondern in einem von diesem unabhängigen gesetzlichen Schutzverhältnis (vgl. näher unten Rdn. 12 ff). Auch wenn man dem nicht folgt, wären sie jedoch lediglich Afe/>enpflichten eines anderweitig begründeten Vertrages, keinesfalls aber einziger oder auch nur primärer Inhalt eines solchen, und daher ließe sich auf sie allein die Annahme eines „allgemeinen Bankvertrags" jedenfalls nicht stützen. Weder die Aufnahme der Geschäftsverbindung noch die daran anknüpfenden Schutzpflichten stellen somit eine hinreichende Grundlage für die Konstruktion eines „allgemeinen Bankvertrags" dar.
8 Vgl. z. B. Neustätter S. 71; Raiser S. 145; Pikart S. 1238; von Godin Anm. 4 unter a; Herold/Lippisch S. 33 f; Hopt S. 398. 9 Vgl. z. B. Pikart S. 1239; von Godin Anm. 1 unter Ziff. 2 am Anfang. 10 Vgl. statt aller Larenz Allg. Teil des BürgRechts 5 , § 2 II e.
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So aber von Godin Anm. 1 unter Ziff. 2 c; Pikart S. 1239 f und 1241 ff. So aber Pikart S. 1238; wie hier dagegen z. B. Schlegelberger/HefermehP Anh. nach 5 365 Rdn. 13.
2. Bearbeitung. Stand 1 . 5 . 1981
I. Ablehnung der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag"
b) Ablehnung einer allgemeinen Pflicht der Bank zur Übernahme von Bankgeschäften D a r ü b e r hinaus soll der „allgemeine B a n k v e r t r a g " n o c h beinhalten, d a ß der K u n d e 6 bestimmte V e r m ö g e n s a n g e l e g e n h e i t e n durch die B a n k erledigen läßt und d a ß diese ihm h i e r f ü r ihre E i n r i c h t u n g e n z u r V e r f ü g u n g stellt (vgl. die N a c h w . o b e n Fn. 5 und 7). D a ß hierzu eine allgemeine Rechtspflicht besteht, n e h m e n hinsichtlich des Kunden nicht einmal die A n h ä n g e r dieser L e h r e selbst a n 1 3 . In der T a t w ä r e die B e h a u p t u n g absurd, der K u n d e verpflichte sich durch die A u f n a h m e der G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g o d e r durch den A b s c h l u ß eines G i r o v e r t r a g s o d e r dgl., nun sämtliche B a n k a n g e l e g e n h e i t e n g e r a d e über diese B a n k laufen zu lassen. D e r K u n d e geht d a h e r auch insoweit k e i n e s falls eine vertragliche B i n d u n g ein. Anders soll es d a g e g e n bezüglich der Bank liegen; diese soll „verpflichtet sein, dem K u n d e n ihre G e s c h ä f t s e i n r i c h t u n g e n und D i e n s t e f ü r die E r l e d i g u n g der in ihr G e s c h ä f t s g e b i e t fallenden A u f g a b e n g e g e n eine e n t s p r e c h e n d e V e r g ü t u n g z u r V e r f ü g u n g zu s t e l l e n " 1 4 . D a s soll allerdings nicht für K r e d i t g e s c h ä f t e gelten, sondern nur f ü r „ n e u t r a l e " G e s c h ä f t e , d. h. „alle b a n k m ä ß i g e n G e s c h ä f t e , welc h e eine G e s c h ä f t s b e s o r g u n g der B a n k nach § 6 7 5 B G B z u m G e g e n s t a n d h a b e n " 1 5 . In W a h r h e i t gibt es j e d o c h eine solche allgemeine Pflicht der B a n k zur D u r c h f ü h - 7 rung „ n e u t r a l e r " G e s c h ä f t e n i c h t 1 6 . D a s gilt jedenfalls dann, w e n n m a n für das Z u s t a n d e k o m m e n des „allgemeinen B a n k v e r t r a g s " s c h o n die „Einleitung von V e r h a n d l u n g e n " über ein bestimmtes G e s c h ä f t , z. B. die A u f n a h m e eines D a r l e h e n s g e n ü g e n l ä ß t 1 7 . D e n n es ist schlechterdings nicht einzusehen, w a r u m die B a n k s c h o n mit d e r a r tigen b l o ß e n V e r t r a g s v e r h a n d l u n g e n eine Pflicht z u m A b s c h l u ß eines G i r o v e r t r a g s , eines D i s k o n t g e s c h ä f t s , eines D e p o t g e s c h ä f t s und dgl. ü b e r n e h m e n sollte; die H y p o s t a sierung einer e n t s p r e c h e n d e n V e r t r a g s p f l i c h t ist d a h e r mit den §§ 133, 157 B G B unvereinbar. A b e r auch nach A b s c h l u ß eines bestimmten Einzelvertrags — z. B. eines G i r o vertrags — besteht k e i n e allgemeine Pflicht der B a n k zur Ü b e r n a h m e sonstiger G e s c h ä f t e . E i n e s o l c h e P f l i c h t steht nämlich mit den e r k e n n b a r e n Interessen der B a n k nicht in E i n k l a n g , und d a h e r kann sie bei einer Auslegung ihres V e r h a l t e n s nach 5 157 B G B nicht als V e r t r a g s i n h a l t a n g e n o m m e n w e r d e n . S o kann z. B . keinesfalls davon a u s g e g a n g e n w e r d e n , d a ß die B a n k mit Abschluß eines G i r o v e r t r a g e s auch die P f l i c h t ü b e r n e h m e n will, dem K u n d e n ein Schrankfach z u r V e r f ü g u n g zu stellen; denn sie kann nicht mit S i c h e r h e i t v o r h e r s e h e n , o b sie im f r a g l i c h e n Z e i t p u n k t ein solches überhaupt frei h a b e n wird. E b e n s o kann die B a n k u. U . ein Interesse daran haben, Spareinlagen eines K u n d e n , der bei ihr bisher lediglich ein G i r o k o n t o unterhält, z u r ü c k z u w e i s e n ; man d e n k e e t w a d a r a n , daß der K u n d e der B a n k eine sehr h o h e S u m m e als T e r m i n g e l d o d e r dgl. anbietet, diese aber augenblicklich keinen B e d a r f für eine E r h ö hung ihrer Liquidität hat und d a h e r lieber die Zinsen sparen will. N i c h t einmal die V e r pflichtung z u r E i n g e h u n g eines Scheckvertrags muß n o t w e n d i g mit einem G i r o v e r t r a g o d e r einem sonstigen B a n k g e s c h ä f t verbunden sein; denn die B a n k hat ein vernünftiges Interesse daran, „ u n s i c h e r e n " K u n d e n trotz B e s t e h e n s eines G i r o k o n t o s die Ausstellung eines S c h e c k h e f t s zu verweigern, um sich die mit der P r ä s e n t a t i o n u n g e d e c k t e r S c h e c k s r e g e l m ä ß i g v e r b u n d e n e n U n a n n e h m l i c h k e i t e n zu ersparen und um den S c h e c k - und B a n k v e r k e h r v o r den daraus resultierenden G e f a h r e n zu b e w a h r e n 1 8 . Es 13
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Vgl. ausdrücklich RaiserS. 145 Fn. 2 ; von Codin Anm. 4 unter b. Pikart S. 1239 unter 2 am Anfang; der Sache nach ebenso von Godin aaO, vgl. das Zitat oben bei Fn. 7 ; ähnlich auch schon Koch S. 11 f und 16; Haupt S. 27 Fn. 5, 35, 43 f; Raiser S. 145 bei Fn. 2 ; aus dem neueren Schrifttum z. B. P. Ulmer
Der Vertragshändler, 1969, S. 318 f;' Hopt S. 397 f. Koch S. 11; ähnlich RaiserS. 145 mit Fn. 4. 16 Ebenso i. E. Altjohann S. 108 ff; Schönle § 3 I I ; Lwowski BuB 2/3. " So Pikart S. 1238. 18 So mit Recht Altjohann S. 115 f. 15
Claus-Wilhelm Canaris
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1. Abschnitt. D i e G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g z w i s c h e n Bank und K u n d e n
ist daher zwar richtig, daß sich im Einzelfall eine Pflicht zum Abschluß weiterer Bankgeschäfte aus Treu und Glauben ergeben kann, doch trifft es nicht zu, daß die Bank eine solche ganz allgemein schon mit Aufnahme der Geschäftsverbindung vertraglich übernehmen will. Der Kunde kann den Abschluß weiterer Einzelverträge auch nicht mit der Begründung verlangen, die Bank lehne nur ihm gegenüber, nicht aber auch den übrigen Kunden gegenüber, die Übernahme des fraglichen Geschäfts ab und diskriminiere ihn dadurch; denn die Bank hat grundsätzlich keine Pflicht zur Gleichbehandlung ihrer Kunden (vgl. unten Rdn. 121). 8
Auch aus den AGB der Banken folgt keine allgemeine Pflicht zur Übernahme beliebiger Geschäfte. Zwar ist in den AGB eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäfte geregelt, doch bedeutet das nicht, daß die Bank sich zu deren Abschluß bereits durch die Aushändigung der AGB verpflichten will 19 , sondern lediglich, daß die Bedingungen auch f ü r andere Geschäfte als das gerade abgeschlossene gelten sollen, falls es auch darüber zu einem Vertragsschluß kommt. Daß die AGB Klauseln für Geschäfte unterschiedlicher Art enthalten, erklärt sich unschwer aus dem Bestreben nach Vereinfachung und Vereinheitlichung. Auch aus der Einleitung der AGB ergibt sich keine allgemeine Pflicht der Bank, alle „neutralen" Geschäfte oder dgl. zu übernehmen. Allerdings heißt es dort, die Bank stelle „ihrem Kunden ihre Geschäftseinrichtungen zur Erledigung verschiedenartigster Aufträge zur Verfügung". Von einer Verpflichtung hierzu ist jedoch gerade nicht die Rede, und auch die systematische Stellung dieses Satzes als Teil der Einleitung statt als eigenständige Klausel zeigt, daß die Übernahme einer Rechtspflicht nicht gewollt ist. Es handelt sich daher hier nicht um ein verbindliches Vertragsangebot, sondern lediglich um eine invitatio ad offerendum 2 0 .
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Eine allgemeine Pflicht zur Übernahme von Geschäftsbesorgungen besteht somit f ü r die Bank nicht. Lehnt diese den Abschluß eines entsprechenden Einzelvertrages ab, so hat daher der Kunde grundsätzlich weder einen Erfüllungs- noch einen Schadensersatzanspruch. Die Ablehnung muß allerdings unverzüglich erfolgen, da anderenfalls das Angebot des Kunden gemäß § 362 H G B als angenommen gilt. In besonders gelagerten Einzelfällen kann darüber hinaus mit Rücksicht auf das Bestehen der Geschäftsverbindung aus Treu und Glauben auch eine Pflicht zur Übernahme von Geschäften folgen; das kann vor allem dann der Fall sein, wenn diese mit bereits abgeschlossenen Verträgen in engem Zusammenhang stehen — was z. B. für das Verhältnis von Girovertrag und Scheckabrede zutrifft — oder wenn die Bank in dem Kunden das berechtigte Vertrauen erweckt hat, sie werde einen entsprechenden Antrag nicht ablehnen (vgl. z. B. unten Rdn. 1271 ff bezüglich der Kreditgewährung). c) Die Vereinbarung über die Geltung der AGB als unzureichende Grundlage für die Annahme eines „allgemeinen Bankvertrages"
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Bei Aufnahme der Geschäftsverbindung „unterwirft" sich der Kunde regelmäßig ausdrücklich oder konkludent den AGB der Bank. Auch diese Vereinbarung über die Geltung der AGB wird nicht selten als Inhalt des „allgemeinen Bankvertrags" angesehen 2 1 . Dem wird von den Gegnern dieser Lehre entgegengehalten, die Geltung der AGB beruhe nicht auf einem selbständigen Vertrag, sondern diese würden lediglich Bestandteil der jeweiligen Einzelverträge 22 . Es kann hier dahingestellt bleiben, wie diese Frage zu entscheiden ist (vgl. dazu unten Rdn. 2500). Denn auch wenn man in " So aber Koch S. 11. Vgl. Schaudwet S. 31 f; a. A. z. B. Hopt S. 397 mit Fn. 151.
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Vgl. z. B. Müller-Erzbach S. 651 unter D II; von Gierke § 62 III 1; Herold/Lippisch S. 33. Vgl. Altjohann S. 82 ff; Schönle § 3 II.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D i e G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g als gesetzliches Schuldverhältnis
der „Unterwerfung" unter die AGB einen selbständigen Vertrag sieht, so reicht das zur Rettung der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" doch nicht aus. Es handelt sich dann nämlich nicht um ein Spezifikum des Bankrechts, sondern um einen gewöhnlichen „Geschäftsbedingungsvertrag", wie er in der Form des „Normenvertrags" oder des „Richtlinienvertrags" auch zwischen anderen Personen geschlossen werden könnte 2 3 . Es liegt also insoweit nicht anders, als würde z. B. eine Maschinenfabrik mit ihrem Kunden vereinbaren, daß für alle zukünftig zwischen ihnen abzuschließenden Verträge die AGB der Fabrik gelten sollen. Dann aber ist es sinnlos, eine derartige Vereinbarung der Bank mit ihren Kunden als Vertragstypus eigener Art anzusehen und für sie den besonderen Terminus des „allgemeinen Bankvertrags" zu verwenden. Man könnte daher zwar u. U. die AGB als Bestandteil eines „allgemeinen Bankvertrags" ansehen, wenn es einen solchen auch unabhängig von der Vereinbarung über die Geltung der AGB gäbe und dieser also einen darüber hinausgehenden Inhalt hätte; da dies jedoch, wie gezeigt, nicht der Fall ist, kann man in der bloßen „Unterwerfung" des Kunden unter die AGB für sich allein keine hinreichende Grundlage für die Konstruktion eines „allgemeinen Bankvertrags" erblicken. d) Zusammenfassende Würdigung der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" Insgesamt ergibt sich somit, daß die Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" unhalt- 11 bar ist. Soweit dessen Inhalt in der Einigung über die Aufnahme der Geschäftsverbindung gesehen wird, sind die Voraussetzungen des allgemeinen Vertragsbegriffs nicht erfüllt, da es an einer rechtlichen Bindung der Parteien fehlt (Rdn. 4). Die entstehenden Schutzpflichten lassen sich ebenso gut und z. T. sogar besser mit Hilfe eines gesetzlichen Schuldverhältnisses erklären (Rdn. 5 und unten Rdn. 12 ff). Eine über die Pflichten aus dem konkreten Einzelgeschäft hinausgehende Verpflichtung der Bank zur Übernahme von Geschäftsbesorgungen besteht nicht (Rdn. 6 ff). Die „Unterwerfung" unter die AGB stellt auch dann, wenn sie durch eine selbständige Vereinbarung erfolgt und nicht lediglich als Teil der Einzelgeschäfte anzusehen ist, keine Besonderheit des Bankrechts dar (Rdn. 10). Irgendwelche Rechtsfolgen, die sich auf den „allgemeinen Bankvertrag" zurückführen lassen, gibt es daher nicht. Folglich ist dieser mit dem allgemeinen Vertragsbegriff unvereinbar; denn ein Vertrag liegt nur vor, wenn durch die Willenserklärungen der Parteien Rechtsfolgen in Geltung gesetzt werden. Ein „allgemeiner Bankvertrag" ist somit dem geltenden Recht unbekannt.
II. Die Geschäftsverbindung als gesetzliches Schuldverhältnis „ohne primäre Leistungspflicht" und als Grundlage einer „Vertrauenshaftung" 1. Dogmatische Einordnung Läßt sich die Geschäftsverbindung auch nicht als Vertrag qualifizieren, so heißt das 1 2 doch nicht, daß sie deshalb ein rein tatsächliches Verhältnis ohne spezifische Rechtsbedeutung sein müßte. Das moderne Schuldrecht verfügt nämlich über Kategorien, mit denen sich diese Problematik ohne Schwierigkeiten theoretisch erfassen läßt. Für das Bankrecht ist der richtige Lösungsansatz schon im Jahre 1935 von Ludwig Raiservorgezeichnet worden. Er sieht in der Geschäftsverbindung „ein Rechtsverhältnis, sogar ein Schuldverhältnis", das nicht durch „Rechtsgeschäft entstanden ist"; vielmehr han« Vgl. dazu allgemein Ulmer/Branäner/Hetisen Rdn. 54 ff.
Raiser S. 118 ff, 130 ff; Komm, zum AGBG 3 § 2
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1. Abschnitt. D i e G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g z w i s c h e n Bank und K u n d e n
dele es sich um „eine außervertragliche ,Sonderverbindung' von derselben Art wie die Vertragsverhandlungen, die die Grundlage der H a f t u n g bei ,culpa in contrahendo' bilden" (aaO S. 135). Sowohl der Begriff der „außervertraglichen Sonderverbindung" als auch der Hinweis auf die Parallele zur culpa in contrahendo sind außerordentlich fruchtbar. Die moderne Dogmatik hat daraus die allgemeine Kategorie des „Schuldverhältnisses ohne primäre Leistungspflicht" entwickelt 24 . Dieses erschöpft sich zunächst in der Begründung von Verhaltenspflichten und enthält also keine (primären) Leistungspflichten; erst wenn die Verhaltenspflichten verletzt werden, entstehen Schadensersatzansprüche und damit (sekundäre) Leistungspflichten. Diese Kategorie ist nicht auf das Rechtsverhältnis der Vertragsverhandlungen beschränkt. Dieselben Grundsätze gelten vielmehr auch und erst recht nach Vertragsschluß; alle Schutzpflichten sind daher unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung oder ihrer Verletzung in einem einheitlichen „Schutzverhältnis" zusammenzufassen 2 5 . Ebenso wie das „Rechtsverhältnis der Vertragsverhandlungen" ist dieses nicht „vertraglicher", sondern „gesetzlicher" Natur, d. h. es hat seine Grundlage nicht im rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien, sondern in einem (ungeschriebenen) Satz des objektiven Rechts und in § 242 BGB. Der innere Grund für die Annahme dieses Rechtsverhältnisses und für die daraus folgende Haftungsverschärfung liegt in der gesteigerten Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter des anderen Teils und dem damit verbundenen besonderen Vertrauensverhältnis 2 6 . 13
Diese Kriterien lassen sich unschwer auf die Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden übertragen. Denn es liegt auf der H a n d , daß diese zu einer gesteigerten Einwirkungsmöglichkeit führt; man denke nur an die „klassischen" Fälle wie den Bruch des Bankgeheimnisses oder die Erteilung einer falschen Auskunft: erst aufgrund der Geschäftsverbindung hat die Bank das Geheimnis erfahren bzw. die Gelegenheit zu der Auskunft erhalten, und nur aufgrund der Geschäftsverbindung kann sie daher dem Kunden Schaden zufügen. Ebenso offenkundig ist, daß die Geschäftsverbindung ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden zur Folge hat 2 7 . Darauf wird z. B. in der Einleitung zu den AGB ausdrücklich hingewiesen, wo es heißt: „Das Geschäftsverhältnis zwischen Bank und Kunden ist ein Vertrauensverhältnis". Auch in der Rechtsprechung wird die Geschäftsverbindung immer wieder als Vertrauensverhältnis bezeichnet. So hat das RG bereits in seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1891 ausgeführt: „Wenngleich . . . eine Geschäftsverbindung zweier Personen an sich zunächst nichts anderes ist als das zufällige Nebeneinanderbestehen von Geschäften, . . ., so bildet sich durch die häufige geschäftliche Berührung und die Erkenntnis, daß es f ü r beide Teile nur vorteilhaft sein kann, einander entgegenzukommen, ein Vertrauensverhältnis aus, in welchem die W a h r u n g von Treu und Glauben in erhöhtem Maße und in weiterem Umfange als im Verkehr zwischen einander fremd gegenüberstehenden Personen zur notwendigen Übung wird. Nicht nur der Abschluß und die Erfüllung der einzelnen Geschäfte, sondern die ganze Geschäftsverbindung wird von Treue und Glauben beherrscht, und dadurch kommt es, daß Handlungen,
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Vgl. statt aller Larenz Schuldrecht I 1 2 , § 2 I a. E. und § 9. Vgl. eingehend Canaris J Z 1965, 475 ff; zustimmend z. B. Thiele J Z 1967, 649 ff; Müller N J W 1969, 2172 ff; Gerhardt JZ 1970, 535 f; Nirk 2. Festschr. für Möhring, 1975, S. 73 ff, 78, 100; Müller-Graff J Z 1976, 155 f; Esser/Schmidt
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Schuldrecht 5 , § 2 9 III 2.3.; Kramer in MünchKomm. Einl. vor §241 Rdn. 75 ff; Roth ebenda § 242 Rdn. 129 ff. Vgl. näher Canaris a a O im Anschluß an Heinrich Stoll Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1936. Richtig auch insoweit bereits Kaiser S. 135 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D i e G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g als gesetzliches Schuldverhältnis
welche, abgesehen von dieser Verbindung der Handelnden, als rechtlich indifferente Tatsachen erscheinen, einen rechtlichen Inhalt gewinnen" 2 8 . Die H a f t u n g aus der Geschäftsverbindung ist somit weder eine vertragliche H a f - 14 tung noch eine bloße deliktische Haftung, sondern — ähnlich wie z. B. die H a f t u n g für culpa in contrahendo — eine zwischen diesen beiden Kategorien stehende Vertrauenshaftung, die ein "gesetzliches" Schuldverhältnis begründet 2 9 . Der Vertrauensgedanke und die Anknüpfung an die Geschäftsverbindung stehen dabei nicht beziehungslos nebeneinander. Eine Vertrauenshaftung gibt es nämlich nicht zwischen „unverbundenen" Rechtsgenossen, sondern lediglich zwischen solchen, die in einer „Sonderverbindung" stehen, die also ein bestimmter „Kontakt" verbindet. Dieser muß nach herrschender und richtiger Ansicht „rechtsgeschäftlicher" und nicht lediglich „sozialer" Natur sein 3 0 ; denn die Vertrauenshaftung führt insoweit, wie insbesondere wiederum das Beispiel der culpa in contrahendo verdeutlicht, zu denselben Rechtsfolgen wie die Vertragshaftung — also vor allem zur Anwendbarkeit des § 278 BGB und zur Ersatzfähigkeit bloßer Vermögensschäden —, und das läßt sich nur rechtfertigen, wenn wenigstens ein Handeln innerhalb des rechtsgeschäftlichen Verkehrs und damit eine gewisse Verwandtschaft mit den Fällen einer echten Vertragsverletzung gegeben ist. Die Vertrauenshaftung ist daher zwar Haftung kraft Gesetzes und nicht kraft Rechtsgeschäfts, aber doch immerhin Haftung kraft rechtsgeschäftlichen Kontakts oder kraft Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr 31 . Die Geschäftsverbindung hat somit die Funktion, den erforderlichen rechtsgeschäftlichen Kontakt zu begründen. Das bedeutet allerdings zugleich, daß sie nur eine mögliche und nicht eine notwendige Voraussetzung der H a f t u n g ist und durch andere Formen des rechtsgeschäftlichen Kontakts ersetzt werden kann — eine Einsicht, die vor allem für die H a f t u n g wegen falscher Auskünfte erhebliche praktische Bedeutung hat (vgl. näher unten Rdn. 28 a. E., 78 a. E. und 89 ff). 2. Voraussetzungen und Folgen der „Vertrauenshaftung kraft Geschäftsverbindung" a) Die Unabhängigkeit der Haftung von den Einzelverträgen und die Bedeutung von Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen Das durch die Geschäftsverbindung entstehende „Schuldverhältnis ohne primäre 1 5 Leistungspflicht" hat eine Fülle unterschiedlicher Schutzpflichten zur Folge, deren wichtigste die Geheimhaltungs-, die Auskunfts- und die Beratungspflicht sind (vgl. im einzelnen unten Rdn. 27 ff, 77 ff, 103 ff). Da diese Pflichten, wie dargelegt, nicht vertraglicher, sondern gesetzlicher Natur sind, bestehen sie unabhängig von den Einzelverträgen, also z. B. dem Girovertrag, dem Darlehensvertrag, dem Diskontvertrag usw. Das bedeutet zunächst, daß sie bereits vor Abschluß eines derartigen Vertrages gegeben sein können — was ohnehin aus den Regeln über die culpa in contrahendo folgt. Es bedeutet weiterhin, daß sie auch noch nach Erfüllung aller Einzelverträge fortbestehen können— was ebenfalls eine bekannte Erscheinung ist und in der Figur der „nachwirkenden Vertragspflichten" allgemeine Anerkennung gefunden hat. Es bedeutet ferner, daß die fragliche Schutzpflichtverletzung — also z. B. die Erteilung einer falschen 28 RGZ 27, 118, 121; ebenso oder ähnlich R G Z 65, 134, 141; 122, 351, 355 f; 126, 50, 52; RG JW 1931, 3097, 3098 unter 2; B G H Z 21, 102, 107; weitere Nachweise unten Anm. 44. 29 Ebenso z. B. Hopt S. 404 ff (trotz seiner Zustimmung zur Lehre vom „Allgemeinen Bankvertrag"); Müller-Gra/f Geschäftsverbindung
S. 247 ff und J Z 1976, 153 ff; Emmerich in MünchKomm. vor § 275 Rdn. 332 ff. 30 Vgl. z . B . Larenz MDR 1954, 515 ff; Canaris VersR 1965, 116 m. Nachw. 31 Vgl. eingehend Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 442 ff und S. 538 f.
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1. Abschnitt. D i e Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden
Auskunft — nicht mit einem bestimmten Einzelvertrag, sondern lediglich mit der Geschäftsverbindung als solcher in innerem Zusammenhang stehen muß 3 2 . Geschützt wird also z. B. auch, wer bei einer Bank lediglich ein Girokonto unterhält und von dieser eine falsche Auskunft bekommt, die nichts mit Fragen des Girokontos zu tun hat, die ihm aber in seiner Eigenschaft als Kunde gegeben worden ist. Fehlt dagegen ein solcher innerer Zusammenhang wie z. B., wenn ein Bankangestellter unabhängig von seiner Stellung — also als „Privatmann" — ein Geheimnis des Kunden erfährt oder eine Auskunft erteilt, so kommt eine H a f t u n g der Bank wegen Schutzpflichtverletzung von vornherein nicht in Betracht 3 3 . 16
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Die Unabhängigkeit der Schutzpflichten von den Einzelverträgen bedeutet schließlich, daß auch deren Nichtigkeit die Möglichkeit einer Vertrauenshaftung grundsätzlich nicht berührt 3 4 . Daher haftet die Bank z. B. auch dann für den Bruch des Bankgeheimnisses, wenn sie den Girovertrag mit dem Kunden nach § 119 BGB wirksam angefochten hat oder wenn er wegen Geschäftsunfähigkeit des Kunden nichtig war 3 5 . Die vertraglichen Nichtigkeits- und Anfechtungsvorschriften sind allerdings nicht ausnahmslos ohne Bedeutung für die Vertrauenshaftung, sondern lassen sich teilweise analog anwenden 3 6 . So wird man z. B. bei einem Scheingeschäft eine Vertrauenshaftung ablehnen müssen, sofern nicht hinter dem simulierten ein dissimuliertes Geschäft steht. Eine H a f t u n g wegen Schutzpflichtverletzung scheidet ferner in den Fällen des § 123 BGB aus, also wenn der Inanspruchgenommene arglistig getäuscht oder widerrechtlich bedroht worden ist. Dasselbe gilt schließlich bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB und gegen die guten Sitten i. S. von § 138 BGB, sofern sich der Verstoß gerade gegen den anderen Teil richtet, nicht jedoch, wenn er sich gegen die Allgemeinheit oder Dritte richtet 37 . b) Die Einstandspflicht für Erfüllungsgehilfen Auch die Einstandspflicht für Hilfspersonen richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Vertrauenshaftung. Wiederum bieten dabei die entsprechenden Regeln über die culpa in contrahendo einen fruchtbaren Ausgangspunkt. Dementsprechend ist scharf zwischen der Begründung des Vertrauensverhältnisses einerseits und der Verletzung der daraus entspringenden Schutzpflichten andererseits zu unterscheiden. Hinsichtlich der Begründung des Vertrauensverhältnisses sind die §§ 164 ff BGB analog anzuwenden; denn dadurch wird die Grundlage für eine H a f t u n g geschaffen, die nicht den Vorschriften des Deliktsrechts, sondern denen des Vertragsrechts entspricht, und daher muß folgerichtig auch die vertragliche Zuständigkeitsordnung zum Zuge kommen 3 8 . § 278 BGB kann insoweit nicht angewendet werden, da diese Vorschrift das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraussetzt und es hier um dessen Begründung geht. Die Analogie zu den §§ 164 ff BGB darf allerdings nicht starr gehandhabt werden, sondern muß den Besonderheiten der Sachproblematik angepaßt werden. Daher braucht derjenige, der das Vertrauensverhältnis mit dem Kunden begründet, lediglich hierzu, 32 S o in d e r T a t z. B. R G Z 122, 351, 3 5 6 ; 126, 50, 5 2 ; R G J W 1930, 2927, 2928 m . w . N a c h w . 33
Vgl. a u c h R G S e u f f A r c h . 84 N r . 174 S. 2 9 3 ; B G H W M 1962, 1110, 1111 u n t e r I I ; 1967, 714, 7 1 5 u n t e r I I ; 1973, 635 u n t e r I 1; 1977, 9 9 4 , 9 9 6 u n t e r I V 2 ; Sichtermann S. 334 m . w . N a c h w .
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Vgl. d a z u allgemein Canaris J Z 1965, 475 f f ; z u s t i m m e n d f ü r die v o r l i e g e n d e P r o b l e m a t i k Hopt S. 404 f f ; Schlegelberger/Hefermehl5 Anh. nach § 365 R d n . 13 a. E.
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E b e n s o i. E. Sichtermann S. 100 f ; ihm f o l g e n d Wolf/DB 1968, 696. 36 Vgl. h i e r z u u n d z u m f o l g e n d e n e i n g e h e n d Canaris J Z 1965, 481 f u n d D i e V e r t r a u e n s h a f t u n g a a O S. 451 ff. " B e d e n k l i c h d a h e r B G H W M 1958, 1078, 1079, w o j e d o c h ü b e r c. i. c. g l e i c h w o h l das richtige Ergebnis erreicht wird. 38 Vgl. n ä h e r Canaris D i e V e r t r a u e n s h a f t u n g a a O S. 458 f f , i n s b e s o n d e r e S. 460 mit F n . 36.
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II. D i e G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g als gesetzliches Schuldverhältnis
also zur Anknüpfung der Geschäftsverbindung, zuständig zu sein und muß nicht notwendig auch Vollmacht zum Abschluß des betreffenden Vertrags, also z. B. eines Girooder eines Darlehensvertrags haben (vgl. auch B G H W M 1977 994 unter II). Das stimmt mit den entsprechenden Grundsätzen bei der culpa in contrahendo überein, für die es anerkannt ist, daß zu einer wirksamen Begründung des „rechtsgeschäftlichen Kontakts" nicht eine AbschlußwoWmadnt erforderlich ist, sondern eine Verhandlungsvollmacht genügt 3 9 ; ebenso hat der B G H mit Recht auch f ü r die H a f t u n g aus Gefälligkeitsverhältnissen entschieden 4 0 . Ist das Vertrauensverhältnis einmal wirksam begründet, so richtet sich die 18 Einstandspflicht für die Verletzung einer Schutzpflicht — wiederum ebenso wie bei der culpa in contrahendo — nunmehr nach § 278 BGB. Jetzt liegt nämlich bereits ein Schuldverhältnis vor, und daher kommt die verschärfte H a f t u n g für Erfüllungsgehilfen zum Zuge. Folglich haftet die Bank z. B. für eine falsche Auskunft jetzt grundsätzlich auch dann, wenn der betreffende Angestellte keine Vertretungsmacht besaß 41 . Darüber hinaus ist es nicht einmal erforderlich, daß der Angestellte für die Erteilung von Auskünften zuständig war, sofern er wenigstens im Verkehr mit Kunden eingesetzt war (vgl. insoweit sogleich unten Rdn. 19); denn schon darin, daß er die Auskunft überhaupt gegeben hat, statt den Kunden ordnungsgemäß an den zuständigen Kollegen zu verweisen, liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung gegenüber dem Kunden, so daß die Haftungsvoraussetzungen — vorbehaltlich der Kausalitätsproblematik und eines etwaigen Mitverschuldens — erfüllt sind. Bestand dagegen noch keine Geschäftsverbindung, wurde die Auskunft also einem Nichtkunden erteilt, so kommt es darauf an, ob der auskunftgebende Angestellte wenigstens für die Anknüpfung des rechtsgeschäftlichen Kontaktes zuständig war (vgl. soeben Rdn. 17), d. h. hier, ob er mit Wissen und Willen der Bank eine Position bekleidete, zu deren Aufgabenkreis auch die Erteilung von Auskünften gehörte. Vertretungsmacht zum Abschluß von Verträgen braucht er hingegen auch hier nicht zu haben. Die Rechtsprechung kommt zum selben Ergebnis, was freilich von ihrem dogmatischen Ausgangspunkt aus inkonsequent ist (vgl. näher unten Rdn. 90 m. Nachw.). Für den Begriff des Erfüllungsgehilfen gelten die allgemeinen Grundsätze. Erfül- 1 9 lungsgehilfe ist daher jeder, der mit Wissen und Willen des Schuldners bei der Erfüllung tätig wird. Für „Wissen und Willen" der Bank kommt es dabei gemäß § 166 I BGB auf die Person eines ihrer vertretungsberechtigten Angestellten oder Organe an. Nicht „bei der Erfüllung" tätig ist der Gehilfe, wenn seine schädigende Handlung in keinem inneren sachlichen Zusammenhang mit den ihm übertragenen Aufgaben steht 42 . Bei der Erfüllung bloßer Schutzpflichten — um die es hier allein geht — ist im Bankverkehr grundsätzlich jedenfalls derjenige tätig, der im Verkehr mit Kunden eingesetzt ist; denn bereits dieser Kontakt mit den Kunden schafft die gesteigerte Möglichkeit einer Einwirkung auf deren Rechtsgüter, worin der tiefere Grund f ü r die Statuierung der Schutzpflichten liegt. O b der Gehilfe darüber hinaus gerade zu der fraglichen H a n d lung bestellt war, ist hier demnach für den Begriff des Erfüllungsgehilfen unerheblich. Auch unter diesem Gesichtspunkt (vgl. im übrigen oben Rdn. 18) ist daher die Einstandspflicht der Bank für falsche Auskünfte eines unzuständigen Angestellten zu bejahen, sofern dieser wenigstens befugtermaßen im Verkehr mit Kunden tätig war. Fehlt » Vgl. z. B. B G H Z 6, 330, 334; Staudinger/Coing'< § 164 Rdn. 17 c. 4 ° Vgl. B G H Z 21, 102, 2. Leits. und S. 105. Vgl. auch R G Z 157, 228; RG J W 1933, 2513;
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Bank Arch. 1935, 218; B G H BB 1955, 142; Wolff Die AG 1968, 289; Sichtermann S. 141. Vgl. dazu z. B. B G H Z 13, 111, 113; 31, 358, 366; 33, 293, 299 ff; BGH W M 1977, 994, 995 vor III und 996 unter IV 1 a.
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1. Abschnitt. D i e G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g z w i s c h e n Bank und K u n d e n
es dagegen an letzterer Voraussetzung, so braucht die Bank für diesen Angestellten nicht nach § 278 BGB einzustehen; daß er sich in den Verkehr mit den Kunden eindrängen konnte, wird jedoch nicht selten auf einen Organisationsmangel schließen lassen, und dann haftet die Bank aus diesem Grund dem Kunden, da auch die für die Organisation zuständigen Personen Erfüllungsgehilfen i. S. von § 278 BGB, wenn nicht sogar Organe i. S. von § 31 BGB sind. Auch sonst beschränkt sich der Kreis der Erfüllungsgehilfen selbstverständlich nicht auf die Personen, die unmittelbar mit den Kunden in Berührung kommen. Entscheidend ist allein, ob der Gehilfe aufgrund der ihm übertragenen Aufgabe die Möglichkeit einer besonderen Einwirkung auf die Rechtsgüter des Kunden — d. h. hier i. d. R. auf dessen Vermögen — hatte. Nach diesem Kriterium richtet sich folgerichtig auch der Zeitpunkt, in dem die Begriffsmerkmale des Erfüllungsgehilfen vorliegen müssen. Erfüllungsgehilfe kann daher hinsichtlich der Schutzpflichten auch noch sein, wer aus den Diensten der Bank bereits ausgeschieden ist. Entscheidend ist also nicht, ob er die Schutzpflichtverletzung vor oder nach seinem Ausscheiden begangen hat, sondern ob er die Möglichkeit zur Einwirkung auf die Rechtsgüter des Kunden noch in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Bank erlangt hat. Daher kommt es z. B. hinsichtlich des Bankgeheimnisses nicht auf den Augenblick an, in dem der Gehilfe es gebrochen hat, sondern auf den, in dem er von ihm Kenntnis erlangt hat. 20
Der Sorgfaltsmaßstab, insbesondere Art und Grad der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, bestimmen sich nicht nach der Person des jeweiligen Erfüllungsgehilfen, sondern nach der des Bankiers bzw. eines Organs 4 3 . Das ergibt sich aus dem Zweck des § 278 BGB, den Gläubiger so zu stellen, als hätte sein Vertragspartner nicht einen Erfüllungsgehilfen zwischengeschaltet, sondern die geschuldete Leistung selbst erbracht. c) Die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich der Vertrauenshaftung
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Der Vertrauensgedanke bietet auch den richtigen Ansatz für die Lösung der bisher wenig geklärten, aber praktisch höchst bedeutsamen Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Dritte denselben Schutz genießen wie die Kunden der Bank. Insoweit ist als erstes auf das Institut des Schuldverhältnisses mit Schutzwirkungen für Dritte zu verweisen. Dieses beruht nicht auf einem Vertrag zugunsten Dritter i. S. von § 328 BGB und auch nicht auf einer ergänzenden Vertragsauslegung i. S. von § 157 BGB, sondern auf den Geboten von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB 44 . Folglich ist die Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und ihrem Kunden auch dann eine geeignete Grundlage f ü r die Ausdehnung der Schutzpflichten auf Dritte, wenn man sie entgegen der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" nicht als Vertrag ansieht, sondern mit der hier vertretenen Ansicht als gesetzliches Schuldverhältnis qualifiziert (vgl. oben Rdn. 2 ff bzw. 12 ff); denn im Gegensatz zu § 328 und § 157 BGB gilt § 242 BGB nicht nur für vertragliche, sondern auch für gesetzliche Schuldverhältnisse — wie überhaupt die Schutzpflichten gegenüber Dritten ganz allgemein gesetzlicher und nicht vertraglicher Natur sind und einen weiteren Tatbestand der Vertrauenshaftung bilden (vgl. näher Canaris J Z 1965 477 f). Es kann auch keine Rede davon sein, daß Schutzwirkun-
« Vgl. allgemein B G H Z 31, 358, 367 m. Nachw. und speziell zu einer bankrechtlichen Frage B G H W M 1964, 609 unter 2 a. 44 Vgl. näher Larenz Schuldrecht I aaO § 17 II; Canaris JZ 1965, 477 f; a.A. z . B . B G H LM
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N r . 18 zu § 328 BGB (ergänzende Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB); von Caemmerer Festschr. für Wieacker, 1978, S. 315 („kraft Parteiautonomie mögliche Spielart des Vertrages zugunsten Dritter").
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II. D i e G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g als gesetzliches Schuldverhältnis
gen für Dritte nur bei bestimmten Rechtsverhältnissen oder bestimmten Vertragstypen wie Miet- und Beförderungsverträgen gegeben sein können, und vollends unhaltbar wäre die Beschränkung dieses Instituts auf bestimmte Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit (unrichtig daher von Godin 2. Aufl. Anh. I zu § 365 Anm. 3, 2. Absatz); vielmehr kommen Rechtsverhältnisse aller Art als Anspruchsgrundlage in Betracht, da § 242 BGB sich nicht auf bestimmte Tatbestände beschränken läßt, und aus demselben Grund ist jedes beliebige Rechtsgut, insbesondere auch das Vermögen als solches, als mögliches Schutzobjekt anzusehen (vgl. näher Canaris a a O S. 478 und bezüglich eines „allgemeinen Vermögensschadens" BGHZ 69 82, 86 ff). Irgendwelche grundsätzlichen Einwände gegen die Möglichkeit, die Lehre von den Schutzwirkungen für Dritte auch im Bankrecht fruchtbar zu machen, bestehen daher entgegen der von v. Godin a a O vertretenen Ansicht nicht. Hinsichtlich des Kreises der geschützten Personen stellt die Rechtsprechung im all- 2 2 gemeinen darauf ab, ob der einen Partei eine „Fürsorgepflicht" gegenüber dem Dritten obliegt (vgl. z. B. B G H LM Nr. 11 zu § 328 BGB) oder ob sie auf dessen Sicherheit ebensolchen Wert legt wie auf ihre eigene (vgl. z. B. BGHZ 51 91, 96; BGH N J W 1970 38, 40). Daraus ist z. T. gefolgert worden, das Verhältnis zwischen der Partei und dem Dritten müsse einen personenrechtlichen Einschlag haben. In einer zum Lastschriftverfahren ergangenen Entscheidung hat der B G H dieses Erfordernis indessen als „unnötig eng" bezeichnet, „wenn es sich um Massengeschäfte eines bestimmten Typs mit einem einheitlich praktizierten Verfahren handelt, das dem Rechtsverkehr in großem Stile unter Inanspruchnahme des Vertrauens auf sach- und interessengerechte Abwicklung angeboten wird" (BGHZ 69 82, 86). Zwar überzeugt der Hinweis auf den Massencharakter des Lastschriftverkehrs nicht, doch trifft die Entscheidung entgegen manchen kritischen Stimmen gleichwohl i. E. voll zu (vgl. näher unten Rdn. 617). Man muß sich allerdings darüber im klaren sein, daß die Figur der „Schutzwirkungen zugunsten Dritter" dabei neuen Zwecken dienstbar gemacht wird und daß es insoweit demgemäß um zwei unterschiedliche Fallgruppen geht. Bei der ersten Fallgruppe sollen die Schutzwirkungen auf Außenstehende erstreckt werden; es handelt sich hier um das alte Problem der Einbeziehung solcher Personen in die vertragsgleiche Haftung, die der einen Partei irgendwie „nahestehen" und die man etwas ungenau, aber im Prinzip nicht unzutreffend mit Hilfe des Kriteriums der Fürsorgepflicht oder des personenrechtlichen Einschlags einzugrenzen versucht 45 . Bei der zweiten Fallgruppe, für die die Entscheidung BGHZ 69 82 repräsentativ ist, erscheint dagegen der Bankkunde selbst in der Rolle des Dritten; hier geht es i. d. R. darum, die Zufälligkeiten der Mehrgliedrigkeit von bankrechtlichen Vorgängen zu korrigieren und das „Leerlaufen" von Schutzpflichten zu verhindern, deren Bestehen bei einem zweigliedrigen Vorgang unzweifelhaft wäre — also um eine eng mit der Drittschadensliquidation verwandte Problematik (vgl. näher unten Rdn. 25 und Rdn. 613). Was zunächst den Schutz nahestehender Dritter angeht 4 6 , so greift dieser z. B. ein, 2 3 wenn die Bank ein Geschäftsgeheimnis des Ehepartners eines ihrer Kunden aufgrund der Geschäftsbeziehung mit diesem erfährt — etwa weil auf das Girokonto des Kunden Einzahlungen von Schuldnern des Ehegatten erfolgen oder weil letzterer Abhebungen von dem Konto vornimmt. Das gleiche gilt etwa, wenn die Bank durch ihre 45
Daß dieses für primäre Vermögensschäden — um die es im Bankrecht nahezu immer geht — generell nicht paßt, wie von Caemmerer a a O (Fn. 44) S. 320 ff anzunehmen scheint, dürfte schwerlich
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zutreffen, wie z. B. die unten Rdn. 23 und 24 behandelten Fragen zeigen. Vgl. zum folgenden auch Gottivaid MünchKomm. § 328 Rdn. 85, der der hier vertretenen Ansicht im wesentlichen zustimmt.
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1. Abschnitt. Die Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden
Geschäftsbeziehung mit einer Gesellschaft ein Geheimnis eines Gesellschafters erfährt — zumal wenn dieser der Mehrheitsgesellschafter oder gar der Alleingesellschafter ist — (insoweit unzutreffend daher B G H D B 1953 1031 unter 2) sowie auch wenn sie umgekehrt durch die Verbindung mit dem Gesellschafter ein Geheimnis der Gesellschaft erfährt (vgl. näher unten Rdn. 44). Ähnliche Konstellationen können sich auch bei Auskünften ergeben, wenn diese erkennbar die Vermögensdispositionen eines Dritten — wiederum z. B. des Ehepartners oder der Gesellschaft — beeinflussen können. 24
Kein Dritter i. S. der Lehre von den Schutzwirkungen für Dritte ist dagegen der Schuldner des Bankkunden. Denn den Kunden trifft im allgemeinen gegenüber seinen Schuldnern keineswegs eine der Fürsorgepflicht vergleichbare Schutzpflicht, und diese sind auch nicht in das Vertrauensverhältnis zwischen jenem und der Bank einbezogen. Die Bank haftet daher dem Schuldner nicht aus Schutzpflichtverletzung, wenn sie eine von ihm ausgehende Zahlung ihrem Kunden nicht oder nicht rechtzeitig gutschreibt und dadurch einen Schaden hervorruft; die richtige Lösung liegt hier vielmehr entweder in einer auf § 278 B G B gestützten Einstandspflicht des Kunden für den Fehler der Bank mit anschließendem Regreß bei dieser oder aber im Institut der Drittschadensliquidation.
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D a s Bedürfnis nach einem Schutz des Bankkunden selbst ergibt sich vor allem aus der Arbeitsteiligkeit und Mehrgliedrigkeit des Bankverkehrs. Diese birgt die Gefahr in sich, daß Schutzpflichten, deren Bestehen bei einem nur zweiseitigen Verhältnis unzweifelhaft ist, gegenstandslos werden, weil die eingeschaltete weitere Bank zu dem Kunden nicht in einem Vertragsverhältnis steht und auch nicht Erfüllungsgehilfin der ersten Bank ist. S o lag es im Fall B G H Z 69 82, wo die „Zahlstelle" der „Inkassostelle" bzw. dem Einreicher der Lastschrift nicht schnell genug mitgeteilt hatte, daß der Bezogene die Einlösung der Lastschrift abgelehnt hatte (vgl. näher unten Rdn. 617). Hier rechtfertigt sich die Anerkennung von Schutzpflichten zugunsten Dritter zum einen daraus, daß nicht einzusehen ist, warum die Rechte und Pflichten der Beteiligten geringer sein sollen als bei einem innerbetrieblichen Zahlungsvorgang, und zum anderen wohl auch daraus, daß die Risiko- und Schadensverteilung zwischen der erstbeauftragten Bank und ihrem Kunden ein Internum darstellt, aus welchem die zweitbeauftragte Bank keinen Nutzen ziehen darf. Paradigmatisch hierfür ist der gesamte Bereich des mehrgliedrigen Zahlungsverkehrs, auf den demgemäß das der Entscheidung B G H Z 69 82 zugrunde liegende — wenngleich vom B G H nicht in voller Klarheit formulierte — Haftungsprinzip auszudehnen ist (vgl. z. B. unten Rdn. 395 zur Giroüberweisung). Es gehören aber auch andere Fälle in diesen Zusammenhang. Zu denken ist vor allem daran, daß die Bank ein Geheimnis des Kunden (befugter- oder unbefugtermaßen) einer anderen Bank offenbart oder daß sie bei dieser eine erkennbar für den Kunden bestimmte Auskunft einholt. Das Rechtsverhältnis, an das die Schutzwirkungen anknüpfen, ist dann nicht das zwischen der Bank und ihrem Kunden, sondern das der beiden Banken untereinander. Dieses kann auf einer zwischen ihnen bestehenden Geschäftsverbindung beruhen, doch braucht eine solche nicht unbedingt vorzuliegen. Denn schon das in Frage stehende Geschäft — also z. B. die Weiterleitung einer Uberweisung — begründet einen rechtsgeschäftlichen Kontakt zwischen den Banken und damit ein (gesetzliches) „Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht"; dieses aber reicht ohne weiteres für die Anknüpfung von Schutzwirkungen zugunsten Dritter aus, da diese nicht nur bei Verträgen, sondern auch bei gesetzlichen Schuldverhältnissen wie z. B. bei der culpa in contrahendo in Betracht kommen (vgl. z. B. B G H Z 66 51, 56 ff; Canaris J Z 1965 480). Der rechtsgeschäftliche Kontakt zwischen den beiden Banken kann dabei auch durch eine Zwischenbank — z. B. die Landeszentralbank — 14
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II. D i e G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g als gesetzliches Schuldverhältnis
„vermittelt" werden (vgl. als Beispiel den Fall BGHZ 27 241 und dazu unten Rdn. 44 f, 387 und 396). Auch im übrigen dürften die Voraussetzungen für eine Ausdehnung der Schutzpflichten in derartigen Fällen regelmäßig erfüllt sein. Der Bank obliegt nämlich gegenüber ihrem Kunden aufgrund der bestehenden Geschäfts- und Vertrauensbeziehung eine Schutzpflicht, die mit einer „Fürsorgepflicht" durchaus verglichen werden kann und die daher, wenn man diesem Kriterium entgegen der hier vertretenen Ansicht für die vorliegende Fallgruppe überhaupt Bedeutung zumißt, eine ausreichende Grundlage für eine Schutzwirkung zugunsten des Kunden darstellt (vgl. auch BGHZ 69 88). Auch ist für die andere Bank i. d. R. erkennbar, daß durch ihr Verhalten der Kunde „betroffen" ist und Schaden erleiden kann; das ist evident, sofern ihr ein Geheimnis des Kunden mitgeteilt wird, gilt aber häufig auch, sofern eine Auskunft für diesen bestimmt ist (vgl. auch unten Rdn. 92 ff). Bei der in der vorigen Rdn. behandelten Fallgruppe drängt sich die Frage auf, ob 26 man nicht lieber mit den Grundsätzen über die Drittschadensliquidation arbeiten sollte. Das erweist sich bei näherer Prüfung indessen als wenig sachgerecht. Zum ersten steckt dieses Rechtsinstitut ohnehin in einer dogmatischen Krise und wird mehr und mehr durch die Figur der „Schutzwirkungen zugunsten Dritter" abgelöst 47 . Zum zweiten stünde dabei der Schadensersatzanspruch nach h. L. nicht dem geschädigten Kunden, sondern seiner Bank zu und müßte daher von dieser geltend gemacht oder an den Kunden abgetreten werden; ersteres ist aber grundsätzlich nicht Aufgabe der Banken, und letzteres ist u. U. wegen des kontokorrentrechtlichen Abtretungsverbots gar nicht möglich (vgl. freilich auch unten Rdn. 349) und wird außerdem nicht selten auch aus tatsächlichen Gründen nur schwer durchzusetzen sein, weil Banken erfahrungsgemäß mitunter eine beträchtliche Zurückhaltung an den Tag legen, wenn ihr Kunde gegen eine andere Bank vorgehen will. Zum dritten setzt die Drittschadensliquidation eine Verlagerung des Schadens vom Anspruchsinhaber auf den Dritten voraus (vgl. statt aller Latenz aaO § 27 IV b); der Schaden müßte also „statt" bei der erstbeauftragten Bank bei ihrem Kunden eingetreten sein. Davon aber kann man in den Fällen des mehrgliedrigen Zahlungsverkehrs schwerlich sprechen, weil der betreffende Schaden typischerweise die Bank von vornherein nicht treffen, sondern sich nur in der Person des Kunden realisieren kann — wie z. B., wenn dieser wegen verspäteter Nachricht über die Nichteinlösung von Lastschriften seinem Geschäftspartner noch weiter Kredit gewährt; da daneben auch ein Schaden der erstbeauftragten Bank denkbar ist — z. B. wenn sie die verspätet zurückgegebenen Lastschriften von diesem wegen zwischenzeitlichen Zusammenbruchs nicht rückerstattet erhält —, besteht in Wahrheit die Möglichkeit einer Erweiterung des Schadens, bei der man die Lehre von der Drittschadensliquidation nicht heranziehen sollte. Entsprechendes gilt für die Fälle der Falschauskunft und des Geheimnisbruchs (vgl. dazu auch unten Rdn. 44 f). Bankrechtliche Entscheidungen, in denen mit der Lehre von der Drittschadensliquidation gearbeitet worden ist, sind denn auch verhältnismäßig selten (vgl. aber immerhin BGHZ 27 241, 247; BGH WM 1972 583, 585 unter III). Ein dritter Weg, zu einer Ausweitung der Schutzwirkungen zu gelangen, liegt in 27 der Möglichkeit der Haftung Dritter aus Schutzpflichtverletzung. Daß für eine Schutzpflichtverletzung nicht nur die Vertragsparteien selbst, sondern u. U. auch Dritte einzustehen haben, ist für die culpa in contrahendo heute nicht mehr bestritten; gleiches gilt, wie der BGH mittlerweile anerkannt hat (vgl. B G H Z 70 337, 344 im Anschluß an 47
Vgl. dazu vor allem Hagen Die Drittschadensliquidation im Wandel der Rechtsdogmatik, 1971; vgl. zum Verhältnis von Drittschadensliquidation
und Schutzwirkungen zugunsten Dritter im übrigen z. B. Berg JuS 1977, 363 und Hobloch JuS 1977, 530 ff.
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1. Abschnitt. D i e Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden
Canaris VersR 1965 114 ff), grundsätzlich auch nach Vertragsabschluß, also für die entsprechenden Fälle der positiven Forderungsverletzung. Daraus folgt ganz allgemein, daß Dritte u. U. aus Schutzpflichtverletzung haften. Wann das im einzelnen der Fall ist, ist noch nicht abschließend geklärt, doch zeichnen sich auch insoweit die maßgeblichen Kriterien ab: die Rechtsprechung nimmt eine H a f t u n g des Dritten an, wenn er „wirtschaftlich selbst an dem Abschluß des Vertrages stark interessiert ist und aus dem Geschäft persönlichen Nutzen erstrebt, oder wenn er in besonderem Umfange persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat" (BGH LM Nr. 14 [Fa] zu § 276 BGB; weitere Nachw. bei Palandt-Heinrichs § 276 Anm. 6 b gg). Entscheidend sind also das wirtschaftliche Eigeninteresse einerseits und die persönliche Vertrauenswerbung andererseits; die Rechtsprechung läßt dabei beide Kriterien alternativ genügen, während im Schrifttum z. T. das letztere als allein ausschlaggebend angesehen wird (so z. B. Ballerstedt AcP 151 501 ff und Canaris VersR 1965 118). 28
Es liegt auf der H a n d , daß diese Konstruktion im Bankrecht von außerordentlicher praktischer Bedeutung sein kann. Mit ihrer Hilfe dürfte sich z. B. u. U. eine Schadensersatzpflicht einer Bank begründen lassen, wenn diese duldet, daß ein Unternehmen wie etwa eine Abschreibungsgesellschaft ein bei der Bank geführtes Konto als „Baukonto" bezeichnet und Anleger, also etwa Gesellschafter, zu Einzahlungen auf dieses Konto veranlaßt, obwohl es sich in Wahrheit um ein gewöhnliches Girokonto handelt und die Bank demgemäß nicht kontrolliert, ob Verfügungen über das Konto nur „nach Bautenstand" erfolgen oder dgl. Weiterhin gehören in diesen Zusammenhang bestimmte Fälle der H a f t u n g für falsche Auskünfte. Hier nimmt die Bank nämlich regelmäßig in starkem Umfang Vertrauen für sich selbst in Anspruch, und daher drängt sich eine Anwendung des soeben dargelegten Haftungsprinzips geradezu auf. D a f ü r besteht allerdings kein Bedürfnis, soweit es um die H a f t u n g der Bank gegenüber ihren Kunden geht; denn insoweit liegt, wie dargelegt, bereits in der Geschäftsbeziehung selbst eine hinreichende Haftungsgrundlage. Um so größer ist das Bedürfnis aber gegenüber Dritten, die von der Bank eine Auskunft erhalten. Diese stehen dabei regelmäßig mit einer anderen Person, meist mit einem Kunden der befragten Bank, in Vertragsverhandlungen oder sonst in rechtsgeschäftlichem Kontakt. In diese Rechtsbeziehung kann nun die Bank eingeschaltet werden. Da sie dabei selbstverständlich Vertrauen für sich selbst in Anspruch nimmt, sind die Voraussetzungen erfüllt, die die Rechtsprechung für die H a f t u n g Dritter aus Schutzpflichtverletzung, insbesondere aus culpa in contrahendo aufgestellt hat — zumal meist auch noch (zusätzlich) das Kriterium des Eigeninteresses gegeben ist. Es bedarf daher zur Begründung der H a f t u n g nicht der — fiktiven — Annahme eines „stillschweigend" abgeschlossenen Auskunftsvertrages (vgl. eingehend unten Rdn. 88 m. Nachw.). Anders als bei den „Schutzwirkungen zugunsten Dritter" knüpft die H a f t u n g dabei nicht an die Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und ihrem Kunden an, sondern an das Rechtsverhältnis zwischen dem Kunden und dem Dritten oder an den unmittelbaren Kontakt zwischen der Bank und dem Dritten. Es bestätigt sich hier also die Erkenntnis, daß die Geschäftsbeziehung nur eine von mehreren Möglichkeiten ist, um den für eine Vertrauenshaftung erforderlichen rechtsgeschäftlichen Kontakt zu begründen (vgl. oben Rdn. 14 a E.). d) Die Beweislast
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Die Beweislast richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln. Sie ist jedoch hinsichtlich des Verschuldens und hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen dem Fehler und dem Schadenseintritt zu Lasten des Schädigers umzukehren, sofern der schadensauslösende Umstand in dessen Sphäre liegt. Denn die Grundsätze, 16
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D i e Geschäftsverbindung als gesetzliches Schuldverhältnis
die insoweit für die positive Forderungsverletzung entwickelt worden sind (vgl. z. B. Palandt-Heinrichs § 282 Anm. 2), sind ihrer inneren Konsequenz nach auf alle Fälle von Schutzpflichtverletzungen anwendbar. Auch die Kausalität zwischen dem Vertrauenstatbestand und der Disposition des 3 0 Vertrauenden wird vermutet (vgl. näher Canaris Die Vertrauenshaftung a a O S. 516). Daher braucht z. B. der Empfänger einer falschen Auskunft nicht zu beweisen, daß er die daraufhin vorgenommene Maßnahme nicht auch bei Erhalt einer richtigen Auskunft vorgenommen hätte; er ist insoweit auch nicht lediglich auf die Grundsätze des prima-facie-Beweises beschränkt (so aber wohl B G H W M 1959 1458; 1962 1110 unter I 1 b; 1965 150), sondern kommt in den Genuß einer echten Beweislastumkehr. Der andere Teil muß daher den vollen Gegenbeweis führen, daß der Empfänger die schadensauslösende Disposition auch bei Richtigkeit der Auskunft vorgenommen hätte. Das entspricht der neueren Rspr. des BGH, wonach sich bei der Verletzung von Aufklärungspflichten die Beweislast insoweit zugunsten des Geschädigten umkehrt (vgl. z. B. B G H Z 61 118, 122; 64 46, 51). e) Der Ausschluß der Vertrauenshaftung durch Freizeichnungsklauseln Die H a f t u n g kann weiterhin an einer Freizeichnungsklausel scheitern. Diese Pro- 31 blematik ist an sich erst bei der Kommentierung von Ziff. 10 der AGB näher zu erörtern. Im vorliegenden Zusammenhang ist lediglich darauf hinzuweisen, daß der H a f tungsausschluß grundsätzlich auch die Vertrauenshaftung ergreift. Das wird sich regelmäßig schon daraus ergeben, daß die Geltung der AGB nicht nur hinsichtlich eines einzelnen Vertrages, sondern hinsichtlich der Geschäftsbeziehung als ganzer vereinbart ist. Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, gilt jedoch nichts anders. Denn die Vertrauenshaftung kann grundsätzlich auch einseitig, d. h. ohne Zustimmung des anderen Teils, ausgeschlossen werden (so mit Recht Gerhardt J Z 1970 537 f). Das ergibt sich daraus, daß durch eine solche Freizeichnung meist die Entstehung des Vertrauenstatbestandes verhindert wird und es daher an einer Anspruchsvoraussetzung für die Vertrauenshaftung fehlt (vgl. freilich auch die Einschränkungen unten Rdn. 84 f). Daher kann sich die Bank hinsichtlich der Vertrauenshaftung z. B. auch gegenüber einem Geisteskranken auf einen Haftungsausschluß berufen, obwohl eine vertragliche Freizeichnung wirkungslos wäre. In der Tat geht es auch vom Ergebnis her gesehen nicht an, dem Geisteskranken zwar einen Schutz wie bei einem wirksamen Vertrag zu gewähren (vgl. oben Rdn. 16), einem Haftungsausschluß aber die Wirkung zu versagen; denn der Geisteskranke stünde dann besser, als wenn er einen wirksamen Vertrag geschlossen hätte. Aus demselben Grund wirkt die Freizeichnungsklausel auch gegenüber dem in die 3 2 Schutzwirkungen einbezogenen Dritten, obwohl auch mit ihm keine vertragliche Vereinbarung über den Haftungsausschluß vorliegt. Wiederum ergibt sich das nicht nur aus den immanenten Grenzen des Vertrauensgedankens, sondern auch aus einer Argumentation vom Ergebnis her: der Dritte kann nicht besser stehen als die Partei, von der er seinen Anspruch „ableitet", bzw. als wäre er selbst die Hauptpartei; anderenfalls könnte er einen Schutz erlangen, der ihm bei unmittelbarem Kontakt mit dem Inanspruchgenommenen niemals zuteil würde. Daher wirkt die Freizeichnungsklausel auch ihm gegenüber, wobei man sich unterstützend auch auf den Rechtsgedanken des § 334 BGB berufen kann. — Folgerichtig ist die Wirkung des Haftungsausschlusses nach Ziff. 10 der AGB bei Auskünften an einen Nichtkunden auch dann anzuerkennen, wenn man die H a f t u n g für Falschauskünfte entgegen der h. L. nicht aus einem besonderen Auskunftsvertrag, sondern aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis kraft VerClaus-Wilhelm Canaris
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1. Abschnitt. Die Geschäftsverbindung zwischen Bank und Kunden trauenshaftung ableitet (vgl. dazu unten Rdn. 88 ff). Das stimmt i. E. mit der Rechtsprechung überein, die auch bei Auskünften an N i c h t k u n d e n die Geltung der A G B bejaht (vgl. B G H W M 1970 632; 1972 583; 1973 636). 33
Schließlich ergibt sich aus der Möglichkeit eines einseitigen Haftungsausschlusses auch, daß dieser bereits im vorvertraglichen Stadium eingreift und somit grundsätzlich auch die Ansprüche aus culpa in contrahendo begrenzt. Das gilt insbesondere auch f ü r Ansprüche aus c. i. c. gegen einen Dritten (vgl. B G H Z 63 382, 388). f) Schadensersatz- oder Erfüllungsansprüche als Rechtsfolge der Vertrauenshaftung
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Wie stets im Falle einer Schutzpflichtverletzung besteht die Rechtsfolge in einem Anspruch auf Schadensersatz. Dieser ist grundsätzlich auf das negative Interesse gerichtet; denn nach § 249 BGB hat der Schädiger den Geschädigten so zu stellen, als hätte er die Schutzpflichtverletzung nicht begangen. Liegt die Schutzpflichtverletzung gerade in der Vereitelung eines Vertragsschlusses, wäre dieser also bei pflichtgemäßem Verhalten des Schädigers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zustande g e k o m m e n , so ist ausnahmsweise ein Anspruch auf das positive Interesse gegeben; die hierüber f ü r die culpa in c o n t r a h e n d o entwickelten Regeln (vgl. z. B. B G H N J W 1965 812) müssen folgerichtig auch hier zum Zuge k o m m e n .
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D a r ü b e r hinaus kann unter besonderen Voraussetzungen auch ein Anspruch auf Erfüllung gegeben sein, da die Vertrauenshaftung vom G r u n d s a t z der „Zweispurigkeit" der Rechtsfolgen beherrscht wird und da somit sowohl Schadensersatz- als auch Erfüllungsansprüche in Betracht kommen (vgl. näher Canaris Die V e r t r a u e n s h a f t u n g a a O S. 5 ff). W a n n letztere zu bejahen sind, richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Vertrauenshaftung. Im Bankrecht spielt insoweit vor allem die Rechtsscheinhaftung eine gewisse Rolle, die z. B. bei Auskünften über die Echtheit einer Unterschrift oder über das Bestehen eines Guthabens eingreifen kann (vgl. näher unten Rdn. 87). Daneben kann auch die Vertrauenshaftung kraft widersprüchlichen Verhaltens zur G e w ä h r u n g eines Erfüllungsanspruchs f ü h r e n (vgl. allgemein Canaris a a O S. 287 ff), was etwa bei Auskünften über die Bonität eines Schecks oder eines Wechsels von praktischer Bedeutung sein kann (vgl. näher unten Rdn. 87).
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Abschnitt Die allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank Systematische
Übersicht
Rdn. I. Das Bankgeheimnis 1. Die R e c h t s g r u n d l a g e n des B a n k g e heimnisses a) V e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e G r u n d l a g e n b) Privatrechtliche G r u n d l a g e n . . . 2. Die geschützten P e r s o n e n a) D e r K u n d e als G e h e i m n i s t r ä g e r . . b) Möglichkeiten z u r Erstreckung des S c h u t z e s auf Dritte c) D e r deliktsrechtliche S c h u t z . . . 3. Die dem Bankgeheimnis unterfallenden I n f o r m a t i o n e n u n d Ä u ß e r u n g e n a) D e r Wille des K u n d e n b z w . seines Stellvertreters o d e r R e c h t s n a c h folgers als p r i m ä r e s Kriterium . . b) D a s E r f o r d e r n i s eines Z u s a m m e n hangs mit d e r G e s c h ä f t s v e r b i n dung 4. Die P e r s o n e n und O r g a n e , denen g e g e n ü b e r das Bankgeheimnis zu w a h ren ist a) D e r Wille des K u n d e n b z w . seines Stellvertreters o d e r R e c h t s n a c h folgers als p r i m ä r e s Kriterium . . b) D a s Verhältnis von B a n k g e h e i m nis und B a n k a u s k u n f t c) Die A u f d e c k u n g des Geheimnisses gegen den Willen des K u n d e n zugunsten anderer Privatrechtssubjekte d) Die Verschwiegenheitspflicht g e g e n ü b e r staatlichen Organen und das aus dem B a n k g e h e i m n i s folgende Aussageverweigerungsrecht e) D e r B a n k e n e r l a ß des Bundesfinanzministeriums 5. Die R e c h t s f o l g e n einer V e r l e t z u n g des Bankgeheimnisses a) S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e u n d die Problematik der Ersatzfähigkeit des S c h a d e n s b) Sonstige Rechtsfolgen II. Die Bankauskunft 1. Die P r o b l e m a t i k eines A n s p r u c h s auf Erteilung einer A u s k u n f t 2. Die H a f t u n g f ü r eine unrichtige Ausk u n f t gegenüber einem K u n d e n
a)
Dogmatische Grundlagen
b) c)
36 40 43 44 47
48
52
54 56
61
Die Unrichtigkeit d e r A u s k u n f t . . Sonstige Haftungsvoraussetzungen d) D e r V o r b e h a l t „unverbindlich" o d e r „ o h n e unser O b l i g o " e) Die Rechtsfolgen einer falschen Auskunft 3. Die H a f t u n g f ü r eine unrichtige Ausk u n f t g e g e n ü b e r einem N i c h t k u n d e n a) D o g m a t i s c h e G r u n d l a g e n b) Die wichtigsten Fallgruppen: W e r t p a p i e r a u s k ü n f t e und K r e d i t auskünfte c) Freizeichnungsklauseln d) D e l i k t s a n s p r ü c h e 4. Die H a f t u n g g e g e n ü b e r d e m j e n i g e n , über den eine A u s k u n f t erteilt w i r d . . III. Die Beratung;-, Warn- und Aufklärungspflichten der Bank 1. Die H a f t u n g f ü r die Erteilung eines falschen Rats o d e r einer falschen Empfehlung 2. Die H a f t u n g f ü r die U n t e r l a s s u n g eines Rats, einer W a r n u n g o d e r einer Aufklärung a) Die W a r n p f l i c h t im bargeldlosen Zahlungsverkehr b) Die W a r n p f l i c h t bei Kreditgeschäften c)
66 68
69 72 •
75
Die Pflicht z u r B e r a t u n g u n d A u f klärung über Rechtsfragen . . . .
IV. Sonstige Verhaltenspflichten der Bank gegenüber ihren Kunden 1. Die T r e u p f l i c h t 2. Die P r o b l e m a t i k d e r G l e i c h b e h a n d lungspflicht 3. K o n t r o l l - und Ü b e r w a c h u n g s p f l i c h t e n 4. O r g a n i s a t i o n s p f l i c h t e n V. Die Pflichten der Bank gegenüber „unverbundenen" Dritten 1. Die H a f t u n g aus § 823 B G B 2. Die H a f t u n g aus § 826 B G B a) Fallgruppen u n d G r u n d s ä t z e z u r K o n k r e t i s i e r u n g von § 826 B G B b) Die P r o b l e m a t i k des V o r s a t z e s und des R e c h t s w i d r i g k e i t s z u s a m menhangs
Claus-Wilhelm Canaris
Rdn. 77 79 82 84 86
88
91 95 96 98
100
104 109 115
118 121 123 126
128
130
136
19
2. Abschnitt. D i e allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank Rdn. 3. a)
Die Einstandspflicht der Bank f ü r ihre Leute Die H a f t u n g f ü r V e r r i c h t u n g s -
Alphabetische A b r e c h n u n g s v e r k e h r 108 A l l g e m e i n e G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n 57, 75, 82, 84 f, 95, 103, 117 A n d e r k o n t o 125 A r b e i t n e h m e r b e t e i l i g u n g 111 A r b e i t s p l a t z v e r l u s t 71 A u f k l ä r u n g s p f l i c h t e n 100 f f , s. B e r a t u n g s p f l i c h t A u s k u n f t s h a f t u n g s. B a n k a u s k u n f t Auskunftspflichten gesetzliche 64, 76 a u s T r e u u n d G l a u b e n 75 A u s k u n f t s v e r t r a g 7 7 f, 88 f A u s l a n d s g e s c h ä f t 116 A u s s a g e v e r w e i g e r u n g s r e c h t 66 ff B u n d e s a u f s i c h t s a m t f. d. K r e d i t w e s e n 68 a B u n d e s b a n k 68 a Bußgeldverfahren 67 F i n a n z b e h ö r d e n 68 S t r a f p r o z e ß 67 Z i v i l p r o z e ß 66 B a n k - z u - B a n k - A u s k u n f t 93 Bankauskunft A b l e h n u n g 59 f, 75, 79 A G B Z i f f . 10 57, 75, 82, 84 f, 95 A n s p r u c h auf E r t e i l u n g 75 ff u n d B a n k g e h e i m n i s 56, 76, 7 9 E i n v e r s t ä n d n i s des K u n d e n 55 ff g ü n s t i g e 56, 59 H a f t u n g g e g e n ü b e r N i c h t k u n d e n 88 f f , 9 9 R e c h t s s c h e i n h a f t u n g 87 R ü c k f r a g e n 56, 58 f, 98 u n r i c h t i g e 59, 7 7 f f , 130 „ u n v e r b i n d l i c h e " 84 f, 95 V e r t r a u e n s h a f t u n g 78 ff B a n k e n e r l a ß 68 B a n k g e h e i m n i s 36 ff A u f d e c k u n g 61 ff u n d B a n k a u s k u n f t 56, 76 d e l i k t s r e c h t l i c h e r S c h u t z 40 f D r i t t h a f t u n g 46 D r i t t s c h u t z 44 ff E n t b i n d u n g v o n V e r s c h w i e g e n h e i t s p f l i c h t 63 G e g e n s t a n d 48 ff u n d g e s e t z l i c h e r A u s k u n f t s p f l i c h t 64 im G i r o v e r k e h r 44 i m m a n e n t e G r e n z e n 61 ff bei N i c h t i g k e i t 42 P e r s o n e n k r e i s 54 f Pflichtenkoüision 63 p r i v a t r e c h t l i c h e G r u n d l a g e n 40 ff R e c h t s f o l g e n d e r V e r l e t z u n g 69 ff Rechtsnachfolge 43 S c h u t z d e r B a n k 38 f
20
b)
g e h i l f e n g e m ä ß § 831 B G B Die H a f t u n g f ü r O r g a n e §31 BGB
Rdn. 139 gemäii 140
Übersicht S t e l l v e r t r e t u n g 43, 50 T r e u h a n d 43 u n d ü b e r w i e g e n d e E i g e n i n t e r e s s e n 65 v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e r S c h u t z 36 ff v o r V e r t r a g s s c h l u ß 42, 53 u n d W a r n p f l i c h t 105 B a n k v e r t r a g , a l l g e m e i n e r 57, 77 B e r a t u n g s p f l i c h t 63, 100 ff A b z a h l u n g s g e s c h ä f t 116 A b r e c h n u n g s v e r k e h r 108 Beteiligungen U l f B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t 116 B ü r g s c h a f t 112 D a r l e h e n 111 devisenrechtliche V o r s c h r i f t e n G i r o v e r k e h r 104 ff K r e d i t a u f n a h m e 113 K r e d i t g e s c h ä f t 109 ff R e c h t s f r a g e n 111, 115 ff S c h e c k v e r k e h r 107 S t e u e r f r a g e n 116 u n r i c h t i g e r R a t 100 U n t e r l a s s u n g 103 W e c h s e l v e r k e h r 116 B e r a t u n g s v e r t r a g 100 B e r u f s f r e i h e i t d e r B a n k 38 f B e z u g s r e c h t 122 B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t 116 c u l p a in c o n t r a h e n d o 89, 91
116
D e l i k t s r e c h t 41, 47, 96, 99, 128 ff D e p o t s t i m m r e c h t 122 D i s k r i m i n i e r u n g s v e r b o t 122 D r i t t h a f t u n g 46, 92 D r i t t s c h a d e n s l i q u i d a t i o n 45, 93 D r i t t s c h u t z 44 ff, 128 ff A u s k u n f t 88 ff, 98 f E i g e n t u m s v o r b e h a l t , v e r l ä n g e r t e r 133 E h e p a r t n e r des K u n d e n 44, 54 f E n t s c h u l d i g u n g s g r ü n d e , G e h e i m n i s a u f d e c k u n g 61 E r f ü l l u n g s g e h i l f e n 83, 9 7 , 1 1 1 Freizeichnungsklauseln
84 f, 95, 103, 127
G a r a n t e n s t e l l u n g d e r B a n k 81 G e h e i m n i s s c h u t z s. B a n k g e h e i m n i s Geheimsphäre G r u n d r e c h t s s c h u t z 36 als sonstiges R e c h t i. S. v. § 823 I B G B 40, 47 G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t des K u n d e n 50, 124 G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g 77 f G e s e l l s c h a f t 44
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Abschnitt. D i e allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank G e w e r b e b e t r i e b , R e c h t am e i n g e r i c h t e t e n u n d übten 41, 47, 9 6 , 128 G i r o v e r k e h r s. Ü b e r w e i s u n g G l ä u b i g e r g e f ä h r d u n g 132 G l e i c h b e h a n d l u n g s p f l i c h t 121 f I d e n t i t ä t s k o n t r o l l e 124 Intimsphäre, Grundrechtsschutz I n v e s t m e n t g e s c h ä f t 122
Scheck A u s k u n f t 80, 91 G u t s c h r i f t 133 u n g e d e c k t e r 80 V e r u n t r e u u n g 124 W a r n p f l i c h t 107, 117 S c h e c k k a r t e n s c h e c k 107 S c h e c k r e i t e r e i 134 S c h e c k r i n g v e r k e h r 134 S c h u f a 47 Schuldverhältnis gesetzliches 42, 53 o h n e p r i m ä r e L e i s t u n g s p f l i c h t 89 S c h u t z w i r k u n g z u g u n s t e n D r i t t e r 44, 9 3 S t e l l v e r t r e t u n g 43, 50, 55, 9 0 , 124 S t e u e r n 68 f, 70, 116
36
K a u f l e u t e 57 Konkurs B a n k g e h e i m n i s 51, 55 G e h e i m n i s a u f d e c k u n g 63 des K r e d i t n e h m e r s 110 des K u n d e n 51, 55, 130 des S c h e c k e i n r e i c h e r s 107 des Ü b e r w e i s u n g s e m p f ä n g e r s 105 K o n k u r s v e r s c h l e p p u n g 131 K o n t e n p f ä n d u n g 94 K o n t o k o r r e n t 117 K o n t r o l l p f l i c h t 123 ff K r e d i t a u s k u n f t 57, 80, 91 f f , 109 K r e d i t b e t r u g 62
s t r a f b a r e H a n d l u n g des K u n d e n 61, 67, 70 T r e u h a n d 43, 45 T r e u h a n d k o n t o 125 T r e u p f l i c h t 118 ff T o d des K u n d e n B a n k g e h e i m n i s 51, 55 Überweisung a u ß e r b e t r i e b l i c h e 44 f F ä l s c h u n g 124 u n w i d e r r u f l i c h e 94 u n z w e c k m ä ß i g e 104 V e r u n t r e u u n g 106, 125 W a r n p f l i c h t 104 ff Unterlassungsanspruch 73
K r e d i t g e s c h ä f t , W a r n p f l i c h t 109 ff K r e d i t s c h ä d i g u n g 97 K r e d i t t ä u s c h u n g 130 K r e d i t w ü r d i g k e i t s b e s c h e i n i g u n g 92 K ü n d i g u n g s r e c h t 72 Massen-KG
111, 125
N o t h i l f e 62 N o t w e h r 62 Nummernkonto
124
O d e r - K o n t o 117 O r g a n h a f t u n g 140 Organisationspflicht
126
P e r s ö n l i c h k e i t s r e c h t , allgemeines 37 f f , 4 1 , 4 7 , 55 P f a n d r e c h t aus A G B 117 R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e , G e h e i m n i s a u f d e c k u n g 61 R e c h t s m i ß b r a u c h s e i n w a n d 74 R e c h t s n a c h f o l g e r 43, 55 R e c h t s w i d r i g k e i t s z u s a m m e n h a n g 138 a R ü c k f r a g e , B a n k a u s k u n f t 56, 58 f R ü c k t r i t t s r e c h t 72 S a n i e r u n g s f ä l l e 130 Schadensersatz B a n k a u s k u n f t 59 f, 77 ff G e h e i m n i s a u f d e c k u n g 62, 66, 69 ff S c h a d e n s u m f a n g 69 f
F
venire c o n t r a f a c t u m p r o p r i u m 85 Verbotsirrtum 63 V e r f ü g u n g , einstweilige 66, 73 V e r g l e i c h s. (so z. B. 4. A b s c h n . ) K o n k u r s V e r k e h r s s i t t e 57 V e r m ö g e n s s c h u t z 129 V e r r i c h t u n g s g e h i l f e n 139 V e r t r a g s b r u c h 133 Vertrauenshaftung B a n k a u s k u n f t 78 ff B a n k g e h e i m n i s 42 ff B e r a t u n g s p f l i c h t 100 V o r s a t z 136 ff W a r n p f l i c h t 63, 100 ff, s. B e r a t u n g s p f l i c h t Wechsel A u s k u n f t 80, 87, 91 R e c h t s f r a g e n 116 W e r t p a p i e r a u s k u n f t 87, 91 ff, 100 ff W e t t b e w e r b s v e r b o t 120 Z a h l u n g s e i n s t e l l u n g s. u. K o n k u r s Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g , A u s k u n f t 80 Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g s. u. K o n k u r s
Literatur Bärmann Europäisches Geld-, Bank- und Börsenrecht Band 1, 1974, § 13 (bearbeitet von Scheerer); Cordes H a f t u n g für Kreditauskunft, BankArch. 1931, 161 ff; derselbe Die KreditausClaus-Wilhelm Canaris
21
2. Abschnitt. Die allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank kunft der Banken, BB 1949, 90; Danz Die Grundsätze von Treu und Glauben und ihre Anwendung auf die Rechtsverhältnisse des Bankverkehrs, 1909; Dirichs Die H a f t u n g der Banken f ü r Rat und Auskunft, Diss. Münster 1976; derselbe Die H a f t u n g für die Erteilung einer falschen Kreditauskunft bei Mitwirkung zweier Banken, W M 1976, 1078 ff; Ebeling H a f t u n g f ü r unrichtige Bankauskünfte, W M 1955, 1366 ff; Ehlers Durchsuchung — Beschlagnahme — Bankgeheimnis BB 1978, S. 1513 ff; Eisner Das Bankgeheimnis im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr, W M 1969, 198 ff; Gaede Die H a f t u n g der Banken f ü r Kreditauskünfte, Diss. Köln 1970; derselbe Die vertragliche H a f t u n g der Banken f ü r Kreditauskünfte, N J W 1972, 926 ff; Herold/Lippisch Bankund Börsenrecht, 2. Aufl. 1962, S. 33 f und 41 ff; Hofjmann/Riem Steuerermittlung und Bankgeheimnis, Steuer und Wirtschaft, 1972, S. 127 ff; Honseil Probleme der H a f t u n g für Auskunft und Gutachten JuS 1976, 621 f f ; Koch, Arwed Banken und Bankgeschäfte, 1931, 306 ff; derselbe Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, 1932, S. 10 ff; Kreutzer Bankgeheimnis und Auskunftspflicht unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen Grundlagen, Diss. W ü r z b u r g 1956; Lammel Zur Auskunftshaftung, AcP 179 (1979), 337 ff; Lohmeyer Das Bankgeheimnis und seine Durchbrechung im Steuerrecht, J R 1970, 248; Lorenz Das Problem der H a f t u n g f ü r primäre Vermögensschäden bei der Erteilung einer unrichtigen Auskunft, Festschrift f ü r Larenz, 1973, S. 575 ff; Maass Information und Geheimnis im Zivilrecht, 1970 (allerdings ohne unmittelbare Behandlung des Bankgeheimnisses); Mertens Zur Bankenhaftung wegen Gläubigerbenachteiligung Z H R 143 (1979), S. 174 ff — Mielke Das Bankgeheimnis gegenüber Behörden, Die AG 1964, 182; Müller Die Grenzen des Bankgeheimnisses, N J W 1963, 833 ff; Musielak Die H a f t u n g f ü r Rat, Auskunft und Gutachten, 1974; derselbe Die H a f t u n g der Banken f ü r falsche Kreditauskünfte, VersR 1977, 973 ff; Neustätter Die Kontokorrentbedingungen der Banken, 1921, 65 ff; Pikart Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur H a f t u n g f ü r Ratschläge und Auskünfte, W M 1966, 698 ff; Prost Bankgeheimnis und neues Strafprozeßrecht, N J W 1976, S. 214 f; Raiser, Ludwig Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, 133 ff — Rech Die strafrechtliche Sicherung des Bankgeheimnisses, Z K W 1962, 156; Rössler Bankgeheimnis und Auskunftspflicht der Kreditinstitute gegenüber den Finanzverwaltungsbehörden, N J W 1968, 1998 ff; Rümker Gläubigerbenachteiligung durch Gewährung und Belassung von Krediten, Z H R 143 (1979) S. 195 ff; Ruppelt Das Bankgeheimnis, Diss. Köln 1959. — Schaudwet Bankenkontokorrent und Allgemeine Geschäftsbedingungen, 1967, S. 29 ff; Scheerer Probleme der H a f t u n g der Kreditinstitute f ü r die Erteilung von Auskünften in Deutschland und Frankreich unter besonderer Berücksichtigung der Haftungsfreizeichnungsklauseln, Festschrift f ü r Bärmann, 1975, S. 801 ff; Reimer Schmidt Das Bankgeheimnis im Spannungsfeld zwischen privatem und öffentlichem Recht, WirtschaftsR 1972, 127 ff; ScAöWeBank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, §§ 3 und 5; Schraepler Kreditauskunft — Einschränkung des Bankgeheimnisses, N J W 1972, 1826 ff; Schütz Die Sorgfaltspflicht des Bankkunden, J R 1960, 444 ff; Sichtermann Bankgeheimnis und Bankauskunft, 2. Aufl. 1966; derselbe Das Bankgeheimnis als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, M D R 1965, 697 ff; derselbe Strafverfahren und Bankgeheimnis, N J W 1968, 1996 ff; derselbe Die Grenzen des Bankgeheimnisses — eine Entgegnung, Z K W 1963, 642; derselbe Das Bankgeheimnis in den europ. Gemeinschaften, Z K W 1965, 1080; derselbe Neue Fragen zum Thema Bankgeheimnis, Z K W 1968, 1063; Stoll Vertrauensschutz bei einseitigen Leistungsversprechen, Festschrift für Flume, 1978, S. 741 ff, insbesondere S. 764 ff; Stolz Die Kreditauskunft der Banken, Diss. Köln 1966; Suhr Schadensersatzhaftung für Rat und Auskunft. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, Diss. H a m b u r g 1969; Tepe Die H a f t u n g des Bankiers für die Erteilung von Rat, Empfehlung und Auskunft unter besonderer Berücksichtigung der H a f t u n g für die Empfehlung von Wertpapieren, Diss. Göttingen 1931; Ungnade Bankgeheimnis gegenüber den Strafverfolgungsbehörden, W M 1976, 1210 ff; Wolff Die Geheimhaltungspflicht der Banken, DB 1968, 695 ff; derselbe Bankgeheimnis und Kreditauskunft, Die AG 1968, 286 ff.
I. Das Bankgeheimnis 1. Die Rechtsgrundlagen des Bankgeheimnisses a) Verfassungsrechtliche Grundlagen 36
Das Bankgeheimnis ist in mehrfacher Hinsicht verfassungsrechtlich abgesichert, da es sich sowohl auf Grundrechte des Kunden als auch auf Grundrechte der Bank 22
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. D a s B a n k g e h e i m n i s
zurückführen läßt. Hinsichtlich des Kunden wird im Schriftrum meist auf das „allgemeine Persönlichkeitsrecht" und dessen Verankerung in den Art. 1 und 2 G G abgestellt 1 . Aus diesem wird ein Recht auf Schutz der Geheimsphäre mit dem Rang eines „verfassungsrechtlich anerkannten Grundrechts jeder Person" abgeleitet (Sichtermann M D R 1965 697). Dabei wird der Begriff der Geheimsphäre außerordentlich weit gefaßt, da zu dieser alles gehören soll, „was der einzelne erkennbar geheimhält" (Hubmann JZ 1957 524; ihm folgend Sichtermann aaO). Andererseits wird die Geheimsphäre ohne weiteres mit der „Intimsphäre" gleichgesetzt (vgl. Sichtermann M D R 1965 697 Fn. 6). Damit wird der verfassungsrechtliche Schutz des Bankgeheimnisses indessen überspannt. Der Schutz der Intimsphäre ist nämlich ein Unterfall des Schutzes der Menschenwürde i. S. von Art. 1 GG. Aus diesem fundamentalsten aller Verfassungsgüter aber läßt sich, will man nicht „Heiligtümer in Vorhöfe zerren", keinesfalls ein Recht auf Schutz alles dessen ableiten, „was der einzelne erkennbar geheimhält". Es geht denn auch beim Schutz der „Intimsphäre" in Wahrheit nicht um diese allgemeine, höchst diffuse Geheimsphäre, sondern um einen wesentlich elementareren Bereich der Person. Das machen die „klassischen" Beispiele für Verletzungen der Intimsphäre ohne weiteres deutlich: gedacht ist dabei zum einen an den Schutz gegen die unbefugte Verwendung von höchstpersönlichen Äußerungen wie z. B. Tagebüchern und Privatbriefen, die die „geheimsten" und „innersten" Regungen der Person enthalten können und diese gewissermaßen in ihrem „Wesen" preisgeben, und zum anderen an den Schutz gegen ein heimliches Eindringen in den persönlichen Lebensbereich und gegen ein heimliches Festhalten „unmittelbarer" und „spontaner" Kundgebungen der Person durch Minispione, verborgene Kameras, heimliche Tonbandaufnahmen usw. Es liegt auf der H a n d , daß die Problematik des Bankgeheimnisses grundlegend anders strukturiert ist. Denn im Gegensatz zur ersten Fallgruppe fehlt es hier regelmäßig am Merkmal der Höchstpersönlichkeit, da das Bankgeheimnis grundsätzlich nicht personbezogen, sondern Vermögensbezogen ist; und im Gegensatz zur zweiten Fallgruppe fehlt es am Kriterium der unbefugten Erlangung des Geheimnisses, da der Kunde dieses der Bank ja freiwillig offenbart. Zwar kann auch bei Eingriffen in ein freiwillig geoffenbartes Geheimnis die Würde des Menschen tangiert sein, doch wird man das nur dann annehmen können, wenn dieses Geheimnis höchstpersönlichen Charakter hat und sich auf den Elementarbereich der Person bezieht. Daher könnten zwar staatliche Eingriffe in das Beichtgeheimnis oder in das Berufsgeheimnis des Arztes u. U. Verstöße gegen Art. 1 G G darstellen, grundsätzlich aber nicht Eingriffe in das Bankgeheimnis; die verschiedenen Berufsgeheimnisse lassen sich eben verfassungsrechtlich nicht einheitlich beurteilen, wie ihr Schutz ja derzeit auch auf der Ebene des einfachen Gesetzes durchaus unterschiedlich ausgestaltet ist. Im vermögensrechtlichen und insbesondere im wirtschaftlich-geschäftlichen Bereich dürfte somit ein Geheimnisschutz aus Art. 1 G G regelmäßig nicht abzuleiten sein — von hier nicht relevanten extremen Ausnahmefällen wie einer allgemeinen staatlichen „Vermögens- und Wirtschaftsschnüffelei" einmal abgesehen. Es geht jedenfalls nicht an, die für die Respektierung der Intimsphäre entwickelten Grundsätze auf Vorgänge des Wirtschaftslebens zu übertragen (so mit Recht auch B G H Z 36 77, 80). Auf Art. 1 GG läßt sich der verfassungsrechtliche Schutz des Bankgeheimnisses folglich grundsätzlich nicht stützen. Es bleibt daher nur der Rückgriff auf das Recht zur freien Entfaltung der Person- 3 7 lichkeit i. S. von Art. 2 I GG. In der Tat gewährleistet dieses grundsätzlich einen ver1
Vgl. vor allem KreutzerS. 14 ff und S. 23 ff; Ruppelt S. 98, 124; Sichtermann M D R 1965, 697 ff
und Bankgeheimnis Schönte 5 5 11.
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S. 35 ff
m. w. Nachw.;
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2. Abschnitt. Die allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank
fassungsrechtlichen Schutz des Bankgeheimnisses. Denn Art. 2 GG verbürgt die allgemeine menschliche Handlungsfreiheit in allen Bereichen (vgl. BVerfGE 6 36) und umfaßt daher ohne weiteres auch den Schutz des Bankgeheimnisses (a. A. wohl Müller N J W 1963 833f). Des näheren geht es dabei um zwei besondere Erscheinungsformen der menschlichen Freiheit: zum einen um die Möglichkeit, sich vorbehält- und gefahrlos einem anderen anzuvertrauen und bei ihm Rat und Unterstützung zu suchen, und zum zweiten um die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung und die Vertragsfreiheit; letztere wird durch staatliche Eingriffe in das Bankgeheimnis deshalb eingeschränkt, weil dadurch den Parteien eine umfassende rechtsgeschäftliche Absicherung des Bankgeheimnisses (z. B. durch ein vertragliches Aussageverbot und dgl.) unmöglich gemacht wird. Der Schutz des Art. 2 I GG ist allerdings erheblich schwächer als der des Art. 1 GG, weil Art. 2 aufgrund der „Schrankentrias" des Abs. I H S 2 wesentlich weitergehende Einschränkungen zuläßt. Vor allem wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht unter der „verfassungsmäßigen Ordnung" i. S. des Art. 2 jede formell und materiell verfassungsmäßige Norm versteht (vgl. BVerfGE 6 38), ist für gesetzgeberische Eingriffe in das Bankgeheimnis ein verhältnismäßig breiter Spielraum gegeben. Art. 2 I GG ist jedoch auch bei dieser — im Schrifttum nach wie vor umstrittenen — Sichtweite nicht „leerlaufend" (vgl. z. B. Leibholz/Rinck, Komm, zum GG 4 , Art. 2 Rdn. 6), so daß der auf ihn gestützte verfassungsrechtliche Schutz des Bankgeheimnisses trotz der weitgehenden Einschränkungsmöglichkeiten keineswegs wertlos ist; das gilt um so mehr, als das BVerfG in zunehmendem Maße auch bei Art. 2 die Kriterien der Zumutbarkeit und der Verhältnismäßigkeit heranzieht und dadurch der Vorschrift mittelbar einen eigenständigen materiellen Gehalt zurückgibt (vgl. z. B. BVerfGE 29 221, 242). 38
Außer Grundrechten des Kunden können auch Grundrechte der Bank durch Eingriffe in das Bankgeheimnis verletzt sein. Praktische Bedeutung hat das u. a. deshalb, weil dadurch auch die Bank die Möglichkeit zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde erhält. Zu denken ist dabei zunächst wieder an das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit; denn auch auf Seiten der Bank stellen Eingriffe in das Bankgeheimnis Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und der Vertragsfreiheit dar. Allerdings dürfte insoweit das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG als Sondergrundrecht vorgehen, so daß ein Rückgriff auf Art. 2 I GG weder erforderlich noch möglich ist. Die Einhaltung des Bankgeheimnisses ist nämlich für eine ungestörte Tätigkeit der Banken grundsätzlich unerläßlich, weil andernfalls die Kunden der Bank nicht das nötige Vertrauen entgegenbringen und ihr nicht in dem erforderlichen Ausmaß ihre Vermögensangelegenheiten aufdecken könnten (vgl. auch Sichtermann M D R 1965 699 bei und mit Fn. 28; zu sonstigen Berufsgeheimnissen vgl. Maass S. 52 m. Nachw.). Gesetzliche Durchbrechungen des Bankgeheimnisses können daher Eingriffe in die Berufsfreiheit der Banken darstellen. Daß sie i. d. R. keine unmittelbar berufsregelnde Tendenz haben, steht nicht ohne weiteres entgegen, da in den Schutzbereich von Art. 12 GG auch mittelbare Beeinträchtigungen fallen können (vgl. auch BVerfGE 46 120, 137 f). Freilich handelt es sich dabei grundsätzlich lediglich um eine Regelung der Berufsausübung i. S. von Art. 12 12 GG, so daß der in dieser Vorschrift enthaltene Gesetzesvorbehalt uneingeschränkt zum Zuge kommt. Das bedeutet jedoch nicht, daß dem Gesetzgeber jede beliebige Einschränkung des Bankgeheimnisses offen steht. Vielmehr ist er auch im Rahmen der Art. 12 I 2 GG an die Grenzen des „UbermaßVerbots" gebunden (vgl. z. B. Leibholz/Rinck aaO Art. 12 GG Rdz. 8 m. Nachw.). Der Eingriff 24
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I. Das Bankgeheimnis
darf also nicht übermäßig belastend und unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 18 361 f), sondern muß durch „sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls" gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 7 405 f; 9 221 f; 10 197; 14 22). Außerdem ist zu bedenken, daß der Ubergang zwischen Regelungen der Berufsausübung und Eingriffen in die Berufswahl fließend ist und daß der verfassungsrechtliche Schutz sich daher nach der vom BVerfG entwickelten „Stufentheorie" zunehmend verstärkt, je mehr die Berufswahl berührt wird. Gesetzgeberische Durchbrechungen des Bankgeheimnisses sind daher, je mehr sie die Funktionsfähigkeit der Banken in Frage stellen, desto strengeren Voraussetzungen unterworfen. Zusammenfassend ergibt sich: Das Bankgeheimnis ist auf Seiten des Kunden durch 3 9 Art. 2 I G G und auf Seiten der Bank durch Art. 12 I G G geschützt. Gesetzgeberische Eingriffe in das Bankgeheimnis sind daher grundsätzlich in verhältnismäßig weitem Umfang möglich, da f ü r Art. 2 I GG nur die Schranke der „verfassungsmäßigen O r d nung" besteht und Regelungen der Berufsausübung dem Gesetzesvorbehalt nach Art. 12 1 2 G G unterliegen. Sie müssen jedoch in jedem Falle mit dem „Übermaßverbot" vereinbar sein und auf „sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls" beruhen. Strengere Maßstäbe wie z. B. das Erfordernis, daß der Eingriff zur Durchsetzung von „überragenden Forderungen des Gemeinwohls unabdingbar und zwingend geboten ist", bestehen dagegen grundsätzlich nicht (unrichtig daher Sichtermann M D R 1965 698 Sp. 2 und, ihm folgend, Ehlers BB 1978 1515); eine derartige Verschärfung der Voraussetzungen kommt vielmehr nur in Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Eingriff in das Bankgeheimnis nicht nur die Berufsausübung der Banken einschränkt, sondern so weit geht, daß er sogar die Berufs wähl berührt. Was die derzeit geltenden Durchbrechungen des Bankgeheimnisses betrifft (vgl. zu diesen näher unten Rdn. 61 ff und 66 ff), so kann man zwar nicht sagen, daß sich deren Verfassungswidrigkeit im Lichte dieser Kriterien geradezu aufdrängt, doch ist andererseits den im Schrifttum geäußerten Bedenken die Berechtigung keineswegs ohne weiteres abzusprechen 2 . Wegen der besonderen Schwierigkeiten, die eine Prüfung am Maßstabe des Übermaßverbots stets mit sich bringt, dürfte endgültige Klarheit erst durch subtile Einzeluntersuchungen oder eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu gewinnen sein. b) Die privatrechtlichen Grundlagen Die privatrechtlichen Grundlagen des Bankgeheimnisses sind durch dessen verfas- 4 0 sungsrechtlichen Schutz nicht determiniert. Zwar mag sich aus diesem das grundsätzliche Gebot ergeben, das Bankgeheimnis auch privatrechtlich in irgendeiner Form zu schützen, doch bleibt die Ausgestaltung dieses Schutzes im einzelnen dem einfachen Gesetz überlassen. Sie hat daher mit privatrechtskonformen und privatrechtsimmanenten Mitteln zu erfolgen. Insoweit liegt es nun zunächst nahe, den Schutz des Bankgeheimnisses auf ein subjektives Recht an der Geheimsphäre zurückzuführen und dieses als „sonstiges Recht" i. S. von § 823 I BGB anzusehen 3 . Ein solches Recht gibt es indessen de lege lata nicht (vgl. zuletzt Maass S. 20 ff und S. 107 ff m. umfass. Nachw. zum Streitstand). Das folgt schon daraus, daß ein derartiges „Recht" nicht die für ein „sonstiges Recht" i. S. von § 823 I BGB erforderliche tatbestandliche Bestimmtheit und 2
Vgl. vor allem Sichtermann M D R 1965, 699 f; wesentlich zurückhaltender Mielke Die AG 1964, 182 f; jeden Verfassungsverstoß ablehnend KreutzerS. 64 ff und Schmidt W i R 1972, 140 ff, 145 f.
3
So in der T a t Kreutzer S. 21 ff ; Sichtermann M D R 1965, 697 f und Bankgeheimnis S. 36 ff m. w. N a c h w . ; Schönle § 5 1 1 ; Liesecke WM 1975, 247.
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2. Abschnitt. D i e allgemeinen Verhaltenspflichten der B a n k
Offenkundigkeit besäße und daher mit dem System des geltenden Deliktsrechts nicht vereinbar wäre. Das gilt in verstärktem Maße, soweit es wie beim Bankgeheimnis nicht um die persönliche Sphäre im engeren Sinne, sondern um die Verwaltung des Vermögens und um den Bereich der gewerblichen und beruflichen Betätigung geht. Hier würde die Anerkennung eines Rechts an der Geheimsphäre als eines subjektiven Rechts i. S. von § 823 I B G B nämlich zum einen dazu führen, daß entgegen der unzweifelhaften Intention des Gesetzes auch allgemeine Vermögensschäden generell zu Deliktsansprüchen führen würden — und zwar schon bei lediglich fahrlässiger Weitergabe eines Geheimnisses, das der Schädiger vielleicht nicht einmal als ein solches erkannt hatte; und zum anderen wäre eine derartige Konstruktion auch mit den Grundprinzipien der geltenden Wirtschafts- und Wettbewerbsordnung unvereinbar, da dieser ein solch umfassender Geheimnisschutz fremd ist und da er mit der hier herrschenden grundsätzlichen Freiheit der übrigen Rechtssubjekte in Widerspruch stände (vgl. auch B G H Z 36 77, 80 f; Maass S. 93 ff und S. 138 ff m. Nachw.). Die Geheimsphäre im allgemeinen und das Bankgeheimnis im besonderen genießen daher den Schutz eines subjektiven Rechts nicht schon als solche, sondern nur insoweit, als sie sich einem der anerkannten subjektiven Rechte unterordnen lassen. 41
Dabei ist in erster Linie auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht — wenn auch nicht auf dessen besondere Ausprägung in Form eines Rechts an der Intimsphäre (vgl. oben Rdn. 36 a. E.) — sowie auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zurückzugreifen. Was insbesondere das letztere betrifft, so ist in der Rechtsprechung heute anerkannt, daß es nicht nur den Bestand des Gewerbebetriebs, sondern auch dessen einzelne Erscheinungsformen umfaßt und alles einschließt, „was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebs ausmacht" ( B G H Z 23 157, 163); dazu gehören auch Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Dieser Schutz ist jedoch ziemlich beschränkt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am Gewerbebetrieb haben nämlich anders als die „klassischen" in § 823 I genannten Rechte keine rechtswidrigkeits-indizierende Funktion, sondern stellen lediglich Bezugspunkte für die Entwicklung deliktischer Verhaltensnormen dar. Die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung muß daher in jedem Einzelfall positiv festgestellt und besonders begründet werden, wobei es regelmäßig auf eine Güter- und Interessenabwägung ankommt. Bei der Verletzung eines Geheimnisses kann das Rechtswidrigkeitsurteil dabei entweder darauf gestützt werden, daß das Geheimnis unbefugt erlangt wurde (z. B. durch „Ausspähung" oder durch „Ausnutzung fremden Geheimnisbruchs"), oder darauf, daß bei seiner Weitergabe gegen allgemeine Verhaltenspflichten verstoßen wurde (vgl. näher Maass S. 112 f und 138 f bzw. S. 144 ff m. Nachw.; vgl. auch unten Rdn. 47). Bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten kommt zusätzlich eine Haftung wegen Schutzgesetzverletzung gemäß § 823 II B G B i. V. m. § 203 II StGB in Betracht.
42
Wesentlich umfassender als der deliktsrechtliche Schutz des Bankgeheimnisses ist der Schutz, der aus der „Sonderbeziehung" zwischen Bank und Kunden folgt. Dieser stellt de lege lata den primären, um nicht zu sagen „eigentlichen" Schutz des Bankgeheimnisses dar. Rspr. und h. L. gründen ihn auf die vertraglichen Beziehungen des Kunden zur Bank 4 . Das ist jedoch weder dogmatisch folgerichtig noch praktisch •> Vgl. BGHZ 27, 241, 246; BGH DB 1953, 1031 unter 1; Dresden OLGE 1940, 377; OLG Karlsruhe WM 1971, 486, 487; Müller-Erzbach S. 651; von Gierke §62 III 2; Kreutzer S. 29 ff; Baumbach/Duden Anh. I zu §406 Anm. 1 G ; Schönte
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§ 5 1 1 ; Stolz S. 14; Müller NJW 1963, 835; Wolff DB 1968, 695 f; Schraepler NJW 1972, 1838; Schmidt WiR 1972, 133; Sichterman, Bankgeheimnis S. 92 ff m.w. Nachw.; Liesecke WM 1975, 247.
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I. D a s Bankgeheimnis
befriedigend. Zutreffend ist demgegenüber, daß es sich hier um einen Unterfall der auf der Geschäftsverbindung beruhenden Vertrauenshaftung der Bank handelt (vgl. oben Rdn. 12 ff). Das stimmt nicht nur mit der Erkenntnis überein, daß es ganz allgemein beim Geheimnisschutz grundsätzlich um ein Problem des Vertrauensschutzes geht (vgl. Maass S. 47 ff und S. 139, 143, der daraus jedoch nicht die erforderlichen konstruktiven Konsequenzen zieht), sondern es wird auch durch eine Reihe von Einzelheiten aus dem Bereich des Bankgeheimnisses bestätigt. So ist z. B. anerkannt, daß dieses schon im vorvertraglichen Stadium geschützt ist (vgl. B G H DB 1953 1031 unter 1; Sichtermann S. 99 f; Wolff DB 1968 696), obwohl hier noch kein Vertrag, sondern nur ein gesetzliches Schuldverhältnis aus rechtsgeschäftlichem Kontakt vorliegt und obwohl daher ein Bruch des Bankgeheimnisses keine Vertragshaftung, sondern nur eine Vertrauenshaftung zur Folge haben kann. Ebenso steht außer Streit, daß die H a f t u n g für eine Verletzung des Bankgeheimnisses von der Nichtigkeit des Vertrags zwischen der Bank und dem Kunden grundsätzlich nicht berührt wird (vgl. Sichtermann S. 100 ff; Wolff DB 1968 696) und daß die Bank das Geheimnis nicht im Zusammenhang mit einem bestimmten Einzelvertrag, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung als solcher erfahren haben muß (vgl. Sichtermann S. 103 ff.). Mitunter wird denn auch ausdrücklich das Vertrauensverhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden als Grundlage der Geheimhaltungspflicht bezeichnet (vgl. z. B. RG BankArch. 34 326 = H R R 1935 N r . 662; Herold/Lippisch S. 41; Sichtermann S. 95), doch wird dieses nicht klar von den spezifisch vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien getrennt. Dogmatisch folgerichtig ist demgegenüber allein die hier vertretene Ansicht, wonach die Schutzpflichten, also auch die Verschwiegenheitspflicht der Bank, ihre Grundlage in dem durch den rechtsgeschäftlichen Kontakt begründeten „gesetzlichen Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht" haben und bei ihrer Verletzung zu einer Vertrauenshaftung führen (vgl. oben Rdn. 12ff).
2. Die geschützten Personen a) Der Kunde als Geheimnisträger Der Kreis der geschützten Personen wird grundsätzlich durch die Anspruchsgrund- 4 3 läge bestimmt. Der deliktsrechtliche Schutz (vgl. oben Rdn. 41) besteht also für jedermann, der vertrauensrechtliche Schutz (vgl. oben Rdn. 42) nur für denjenigen, der innerhalb der erforderlichen Sonderverbindung mit der Bank steht. Das ist grundsätzlich der Kunde. Demgemäß ist bei Stellvertretung als Geheimnisträger der Vertretene und nicht der Vertreter anzusehen. Letzterer kommt folglich nur im Rahmen der unten Rdn. 44 ff entwickelten Grundsätze in den Genuß des Geheimnisschutzes. Die Bank wird daher durch das Bankgeheimnis z. B. nicht gehindert, den Vertretenen zu warnen, wenn ihr Anhaltspunkte f ü r ein mißbräuchliches Verhalten des Vertreters vorliegen. Dagegen ist bei der Vollrechtstreuhand der Treuhänder und nicht der Treugeber Geheimnisträger, da nur mit ersterem die Geschäftsverbindung (bzw. der sonstige rechtsgeschäftliche Kontakt) besteht. Folglich fällt ein mißbräuchliches Verhalten eines Treuhänders anders als das eines Stellvertreters grundsätzlich in den Schutzbereich des Bankgeheimnisses, so daß eine Warnung des Treugebers nur bei Vorliegen der unten Rdn. 61 ff herausgearbeiteten Voraussetzungen zulässig ist. Bei einer rechtsgeschäftlichen Nachfolge wie z. B. bei Zession einer Guthabenforderung oder bei Übertragung eines Depots nach § 9 3 1 BGB wird (auch) der Rechtsnachfolger geschützt. Auch zugunsten des Erben gilt grundsätzlich das Bankgeheimnis. Claus-Wilhelm Canaris
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2. Abschnitt. Die allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank b) Möglichkeiten zur Erstreckung des Schutzes auf Dritte 44
Für eine Erstreckung des Geheimnisschutzes auf Dritte bietet sich in erster Linie die Lehre von den Schutzwirkungen zugunsten Dritter an (vgl. dazu oben Rdn. 21 ff). Zu denken ist z. B. an Fälle, in denen die Bank durch die Geschäftsverbindung mit ihrem K u n d e n ein Geheimnis von dessen Ehepartner oder ein Geheimnis einer Personengesellschaft, deren Mitglied der Kunde ist, erfährt 5 (vgl. auch oben Rdn. 23). Das Rechtsverhältnis, an das die Schutzwirkungen anknüpfen, braucht indessen nicht das zwischen der Bank und ihrem K u n d e n zu sein, sondern kann auch das mehrerer Banken untereinander sein; in diesem Falle kann dann der Kunde selbst sich in der Position des geschützten Dritten befinden (vgl. auch oben Rdn. 25). Ein Beispiel dieser Art liegt etwa vor, wenn eine Bank wegen eines Auskunftsbegehrens bei einer anderen Bank r ü c k f r a g t und ihr dabei ein Geheimnis des auskunftssuchenden K u n d e n o f f e n b a r t : verletzt die zweite Bank das Geheimnis, so hat der K u n d e — vorbehaltlich eines weitergeleiteten Haftungsausschlusses — einen eigenen Anspruch gegen sie (a. A. Stolz S. 61; Gaede S. 108). Auch im Uberweisungsverkehr können sich Fälle ergeben, die in den vorliegenden Z u s a m m e n h a n g gehören. So kann der Auftraggeber ein Interesse daran haben, daß die Person des Uberweisungsempfängers oder der Eingang der Uberweisung einem Dritten — z. B. einem auf eine Pfändungsmöglichkeit wartenden Gläubiger — nicht bekannt werden. Die daraus folgende Verschwiegenheitspflicht trifft dann nicht nur die vom K u n d e n beauftragte Bank, sondern auch die Empfangsbank (so mit Recht B G H Z 27 241; zustimmend auch Wolff D B 1968 695 f). Diese Pflicht der Empfangsbank gegenüber dem Auftraggeber — nicht bzw. nicht allein gegenüber dem Überweisungsempfänger! — läßt sich nur durch die Annahme von „Schutzwirkungen f ü r Dritte" erklären, da ja nicht der Auftraggeber selbst, sondern nur dessen Bank in einer Geschäftsverbindung mit der Empfangsbank steht 6 . Statt einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung zwischen den beiden Banken genügt insoweit auch das Rechtsverhältnis, das erst durch das fragliche Geschäft (also die Weiterleitung der Uberweisung) begründet wurde. Dabei ist es gleichgültig, ob man dieses als echten V e r t r a g qualifiziert oder nicht; denn zumindest entsteht zwischen den beiden Banken ein rechtsgeschäftlicher Kontakt und damit das (erforderliche, aber auch hinreichende) „gesetzliche Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht". Auch daß eine weitere Bank — z. B. eine Landeszentralbank — zwischengeschaltet war, wie das im Falle B G H Z 27 241 in der T a t zutraf, steht der Annahme von Schutzwirkungen zugunsten des Auftraggebers nicht entgegen, da der rechtsgeschäftliche Kontakt zwischen den Banken kein unmittelbarer zu sein braucht, sondern auch durch einen anderen vermittelt werden kann 7 . Im Bankverkehr entsteht somit ein weit verzweigtes N e t z von gesetzlichen Schuldverhältnissen aus rechtsgeschäftlichem Kontakt, das allenthalben die A n k n ü p f u n g von Schutzwirkungen erlaubt und so f ü r die K u n d e n einen umfassenden Schutz des Bankgeheimnisses gewährleistet.
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Z u m selben Ergebnis ist u. U. mit dem Institut der Drittschadensliquidation zu kommen (vgl. B G H Z 27 241, 247; Wolff D B 1968 696). Diese setzt jedoch eine echte Verlagerung des Schadens von der Bank auf den Dritten voraus (vgl. oben Rdn. 26 m. Nachw.). Eine solche w a r im Falle B G H Z 27 241 (247) in der T a t gegeben, da die überweisende Bank durch den Geheimnisbruch einen RückZahlungsanspruch gegen die Empfangsbank verlor und gleichzeitig in entsprechender H ö h e von ihrer Herausgabe5
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Z u e n g B G H D B 1953, 1031 u n t e r 2 ; u n z u t r e f f e n d Wolff D B 1968, 696 u n t e r I V 1. U n k l a r i n s o w e i t B G H Z 27, 2 4 1 ; z u t r e f f e n d d a g e gen B G H Z 69, 88 f z u einem ä h n l i c h e n P r o b l e m
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im L a s t s c h r i f t v e r f a h r e n (vgl. d a z u n ä h e r o b e n R d n . 22). E b e n s o i. E. B G H Z 69, 88 f ü r das L a s t s c h r i f t v e r f a h r e n ; vgl. a u c h u n t e n R d n . 9 3 z u r A u s k u n f t .
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I. Das Bankgeheimnis
pflicht gegenüber dem Kunden befreit wurde. Auch wenn ein Treuhänder der Bank ein Geheimnis des Treugebers anvertraut und diese es bricht, dürfte das Kriterium der Schadensverlagerung meist erfüllt sein. Im übrigen aber wird es hieran häufig fehlen, weil auch dem Kunden selbst und nicht nur dem Dritten ein Schaden aus dem Geheimnisbruch erwachsen kann (vgl. auch oben Rdn. 26). Schließlich kann in diesem Zusammenhang auch die Figur einer Haftung Dritter 4 6 aus Schutzpflichtverletzung, insbesondere aus culpa in contrahendo oder positiver Forderungsverletzung, relevant werden (vgl. näher oben Rdn. 27). Diese käme z. B. dann zum Zuge, wenn die Bank in die Vertragsverhandlungen zwischen einem ihrer Kunden und dessen Geschäftspartner beratend oder auskunftgebend eingeschaltet würde und dabei ein Geheimnis des letzteren erführe. Für dessen Bruch hätte sie diesem auch dann aus Vertrauenshaftung einzustehen, wenn sie bisher mit ihm nicht in geschäftlichem Kontakt stand und auch der Rat bzw. die Auskunft nicht auf dem Abschluß eines entsprechenden Vertrages beruhte (vgl. auch unten Rdn. 88 ff, insbesondere 92 f). c) Der deliktsrechtliche Schutz Versagen diese Möglichkeiten einer Einbeziehung des Dritten in den Bereich der 4 7 Vertrauenshaftung und der daraus entspringenden Schutzpflichten, so bleibt allenfalls der Rückgriff auf die Deliktshaftung. Auch diese gewährleistet zwar in gewissem Umfang einen Geheimnisschutz (vgl. oben Rdn. 41), doch reicht sie nicht annähernd so weit wie der Vertrauens- bzw. vertragsrechtliche Schutz. Das tritt nicht nur in der unterschiedlichen Ausgestaltung der Gehilfenhaftung gemäß § 831 BGB einerseits und § 278 BGB andererseits in Erscheinung, sondern vor allem auch in der Beschränkung des Schutzes auf bestimmte Formen der Verletzung. Der deliktsrechtliche Schutz richtet sich nämlich in erster Linie gegen die unbefugte Erlangung des Geheimnisses, wohingegen der vertrauensrechtliche Schutz gerade das befugtermaßen erlangte Geheimnis betrifft. Dabei gelten keine bankrechtlichen Besonderheiten, so daß insoweit auf die im Deliktsrecht entwickelten Tatbestände wie „Erschleichung", „Ausspähung", „Ausnutzung fremden Geheimnisbruchs" und dgl. zu verweisen ist (vgl. näher Maass S. 112f und S. 138f m. Nachw.). Wurde das Geheimnis rechtmäßig erlangt, kann weder in seiner Ausnutzung f ü r eigene Zwecke noch in seiner Weitergabe an Dritte ohne weiteres eine unerlaubte Handlung gesehen werden; denn ein allgemeines subjektives Recht an der Geheimnissphäre gibt es nicht (vgl. oben Rdn. 40). Es kann darin jedoch die Verletzung eines Persönlichkeitsrechts, z. B. ein Eingriff in die Intimsphäre sowie eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb liegen. Die Rechtswidrigkeit wird dabei allerdings aufgrund der „offenen" Struktur dieser Rechtsgüter nicht schon durch die Ausnutzung bzw. Weitergabe des Geheimnisses indiziert, sondern ist im Wege einer Güter- und Interessenabwägung jeweils besonders zu ermitteln. Dabei reicht der Schutz der gewerblichen Betätigung keineswegs so weit wie der Schutz des privaten Bereichs i. e. S. (vgl. B G H Z 36 77, 80). Hinsichtlich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kann man sich an den Grundsätzen orientieren, die für die Verbreitung wahrer Tatsachen entwickelt worden sind; denn bei einem Geheimnisbruch geht es nicht um den Schutz vor unrichtigen Behauptungen, sondern um die Weitergabe wahrer Tatsachen. Es kommt daher im wesentlichen auf Art und Form der Weitergabe an, also vor allem darauf, ob diese ohne gebotenen Anlaß oder in unnötig scharfer Form erfolgt ist (vgl. z. B. B G H Z 8 142; 36 18; Fikentscher, Schuldrecht 6 § 103 II 1 a [5]; Larenz, Schuldrecht II 11 § 7 2 III b). Bei Verbreitung unwahrer Tatsachen wie z. B. der irrtümlichen Behauptung Claus-Wilhelm Canaris
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2. Abschnitt. Die allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank
mangelnder Kreditwürdigkeit auf Grund einer Namensverwechselung durch die Schutzgemeinschaft für die Sicherung von Krediten („Schufa") sind nicht die Regeln über das Bankgeheimnis einschlägig, sondern vielmehr § 824 BGB und § 823 I BGB i . V . m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (vgl. dazu näher B G H W M 1978 999; vgl. zur Schufa im übrigen Schlöter Die Bank 1978 20 ff). 3. Die dem Bankgeheimnis unterfallenden Informationen und Äußerungen a) Der Wille des Kunden bzw. seines Stellvertreters oder Rechtsnachfolgers als primäres Kriterium 48
Das Bankgeheimnis umfaßt „alle Tatsachen, die der Kunde geheimzuhalten wünscht" 8 . Maßgeblich ist also in erster Linie der wirkliche Wille des Kunden. Das gilt auch dann, wenn der Kunde an der Geheimhaltung kein vernünftiges Interesse hat (vgl. Dresden O L G E 40 377; Sichtermann S. 111 f; Schönle § 5 I 1). Denn zum einen ist es nicht Sache der Bank, sondern Sache des Kunden zu entscheiden, wann ein Interesse an der Geheimhaltung gegeben ist, und zum anderen fordert das Vertrauensverhältnis seiner Natur nach die uneingeschränkte Respektierung auch rein subjektiver, durch die objektive Interessenlage nicht gedeckter Wünsche des Kunden; auch kann die Bank die wirklichen Interessen des Kunden häufig gar nicht beurteilen, zumal dieser ihr nicht immer den wahren Grund für seinen Geheimhaltungswunsch offenbaren wird und dazu auch nicht verpflichtet ist.
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Läßt sich der wirkliche Wille des Kunden nicht ermitteln, so kommt es auf seinen mutmaßlichen Willen an. Erst wenn auch dieser nicht erkennbar ist, entscheidet das Kriterium des objektiven Interesses, das somit wenigstens subsidiär zum Zuge kommen kann (vgl. auch Sichtermann S. 112 unter 2; noch weitergehend WolffS. 696). Im Zweifel unterliegt der Geheimhaltungspflicht alles, was die Bank im Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung erfahren hat. Irgendwelche generellen Einschränkungen hinsichtlich der Art des Geheimnisses bestehen nicht. Insbesondere ist das Bankgeheimnis nicht auf Tatsachen i. e. S. beschränkt, sondern umfaßt auch Werturteile (vgl. Sichtermann S. 106 f und 108 f; Wolff DB 1968 696; Schraepler N J W 1972 1836 f). Auch diese kann die Bank nämlich nur deshalb in fundierter bzw. glaubwürdiger Weise äußern, weil sie aufgrund der Geschäftsverbindung Einblick in die Verhältnisse ihres Kunden besitzt und so die für eine Urteilsbildung erforderlichen Tatsachen erfahren hat. Die Bank darf daher negative Werturteile über ihren Kunden grundsätzlich auch dann nicht abgeben, wenn sie richtig sind (vgl. auch unten Rdn. 56 ff und 98). — Auch daß die fragliche Tatsache offenkundig oder allgemein bekannt war, steht der Verschwiegenheitspflicht nicht entgegen, sofern der Kunde gleichwohl ihre Geheimhaltung wünschte und der Dritte sie erst durch die Bank erfahren hat (vgl. Sichtermann S. 114; Wolff DB 1968 696). Unerheblich ist schließlich auch, ob das Geheimnis Vermögens- oder persönlichkeitsbezogen ist (vgl. Sichtermann S. 112 f).
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Der Wille des Kunden kann u. U. durch den Willen eines Dritten ersetzt werden. Dabei geht es hier nicht um die Frage, wer Träger des Geheimnisses ist und als solcher in den Schutzbereich der Geheimhaltungspflicht fällt (vgl. dazu oben Rdn. 43), sondern um die davon scharf zu unterscheidende Frage, wer Herr des Geheimnisses ist und demgemäß die Bank von der Pflicht zu dessen Einhaltung entbinden kann. Während z. B. der Stellvertreter nicht Träger des Bankgeheimnisses ist (vgl. oben Rdn. 43), ist er 8 B G H Z 27, 246; ähnlich R G Z 139, 103, 105; RG H R R 1935 N r . 662 = Bank Arch. 1934, 326; Stolz S. 15; Wolff DB 1968, 696 und Die AG
30
1968, 288; Scblegelberger/HefermehlS Anh. zu § 365 Rdn. 22; Sichtermann S. 110 f f ; Schönle § 5 11.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Das Bankgeheimnis grundsätzlich sehr wohl dessen Herr. Demgemäß bestimmen sich bei Geschäftsunfähigkeit oder beschränkter Geschäftsfähigkeit des Kunden Inhalt und Umfang des Bankgeheimnisses anerkanntermaßen nicht nach dessen Willen, sondern nach dem des gesetzlichen Vertreters 9 . Bei gewillkürter Stellvertretung ist neben dem Willen des Kunden auch der des Vertreters maßgeblich 1 0 . Ein Recht und eine Pflicht zur Offenbarung des Geheimnisses gegenüber dem Vertreter dürfte die Bank dabei schon dann haben, wenn dessen Vertretungsmacht sich auf das fragliche Konto und die sonstigen mit der Geschäftsverbindung zusammenhängenden Fragen erstreckt; die Erlaubnis zur Offenbarung des Geheimnisses gegenüber Dritten, also die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht, kann der Vertreter dagegen nur dann wirksam erteilen, wenn er außerdem auch hinsichtlich der Angelegenheit, auf die sich die Geheimhaltungspflicht bezieht und um derentwillen sie also besteht, vertretungsberechtigt ist, was bei Geschäftsgeheimnissen häufig, bei persönlichen Geheimnissen dagegen nur selten der Fall sein wird. Bei Gesamtvertretung kommt es auf die Person aller Vertreter an; denn es geht um ein Problem der Willensvertretung und nicht um ein solches der bloßen Wissensvertretung, bei der nach dem Rechtsgedanken des § 28 II B G B grundsätzlich schon die Kenntnis eines einzelnen Vertreters genügen würde. Im Konkurs kommt es nicht auf die Person des Gemeinschuldners, sondern auf die 5 1 des Konkursverwalters a n 1 1 , soweit das Bankgeheimnis sich auf einen zur Masse gehörenden Gegenstand bezieht und konkursunabhängige Interessen des Gemeinschuldners nicht berührt sind. Beim Tode des Bankkunden geht der Anspruch auf Geheimhaltung grundsätzlich auf die Erben über 1 2 , da er nicht höchstpersönlicher Natur ist und daher dem Prinzip der Universalsukzession gemäß § 1922 B G B unterliegt. Bei einer Erbengemeinschaft kann jeder Miterbe gemäß § 2039 B G B die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht verlangen. Eine Schadensersatzklage wegen Bruchs des Bankgeheimnisses ist auf Leistung an alle Miterben zu richten. Dasselbe gilt für eine Klage auf Auskunft (vgl. Schönle § 5 I 3 a; Sichtermann S. 152 ff; Wolff D B 1968 697). b) Das Erfordernis eines Zusammenhangs mit der Geschäftsverbindung Der Wille des Kunden ist nicht das einzige Kriterium, das den Kreis der geheim- 5 2 haltungspflichtigen Tatsachen bestimmt. Zusätzlich kommt es vielmehr darauf an, ob ein innerer Zusammenhang zwischen der Kenntnis des Geheimnisses und dem Bestehen der Geschäftsverbindung gegeben ist (vgl. auch Sichtermann S. 103 ff; Wolff D B 1968 696; Schönle § 5 I 1). Denn der Grund für die besondere Verschwiegenheitspflicht der Bank liegt in dem durch die Geschäftsverbindung hervorgerufenen Vertrauensverhältnis sowie in der gesteigerten Schädigungsmöglichkeit, die die Bank durch den Einblick in die Angelegenheiten des Kunden erlangt hat (vgl. oben Rdn. 13). Daher kommt nicht die umfassende vertrauensrechtliche Haftung, sondern allenfalls die wesentlich schwächere deliktsrechtliche Einstandspflicht (vgl. oben Rdn. 41) zur Anwendung, wenn die Bank die fragliche Tatsache lediglich zufällig, also ohne inneren Zusammenhang mit ihren Beziehungen zu dem Kunden erfahren hat. Ein Zusammenhang mit einem bestimmten Einzelvertrag ist allerdings nicht erforderlich; es genügt vielmehr,
» Vgl. O L G München J W 1932, 2176 Nr. 30; Sichtermann S. 136 f; Wolff DK 1968, 697; Schönle § 5 I 3 a. 1 0 Vgl. auch O L G Celle N J W 1955, 1844; Sichtermann S. 135 f und S. 149 f; Wolff DB 1968, 697; Schönle § 5 I 3 a.
Vgl. RGZ 59, 85; Sichtermann S. 137 m. w. Nachw.; Wolff DB 1968, 697; Schönle § 5 I 3 a a. E. '2 Vgl. O L G Frankfurt M D R 1966, 503; Schönle § 5 I 3 a ; Sichtermann S. 130 f; Wolff D B 1968, 697. 11
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2. Abschnitt. Die allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank
wenn die Kenntnis mit der Geschäftsverbindung als solcher in Z u s a m m e n h a n g steht (vgl. Sichtermann S. 103 ff). 53
Im übrigen braucht nicht unbedingt eine Geschäftsverbindung im strengen Sinn des Wortes vorzuliegen. Diese stellt vielmehr nur eine unter mehreren möglichen Formen des rechtsgeschäftlichen Kontakts dar (vgl. oben Rdn. 14 a. E.), und d a h e r genügt es folgerichtig, daß die Bank das Geheimnis im Rahmen irgendeiner Art von rechtsgeschäftlichem Kontakt erfahren hat. Dieser kann anerkanntermaßen z. B. lediglich vorvertraglicher Art sein (vgl. oben Rdn. 42 m. Nachw.). Auch die Beendigung der Geschäftsverbindung läßt die Geheimhaltungspflicht f ü r vorher erlangte Informationen unberührt (vgl. B G H D B 1953 1031 unter 1). Art und Intensität des Schutzes sind im vor- und nachvertraglichen Stadium grundsätzlich dieselben wie während der D a u e r der Geschäftsverbindung. Insbesondere gilt auch hier der Grundsatz vom V o r r a n g des Kundenwillens vor dem objektiven Kundeninteresse (a. A. Sichtermann S. 112 unter 3 bzw. S. 185 vor II). D e n n die Geheimhaltungspflicht beruht in allen Stadien auf einem einheitlichen gesetzlichen Schutzverhältnis (vgl. oben Rdn. 12 ff) und weist keinerlei strukturelle Verschiedenheiten auf, die eine unterschiedliche Ausgestaltung des Schutzes rechtfertigen könnten.
4. Die Personen und Organe, denen gegenüber das Bankgeheimnis zu wahren ist a) Der Wille des Kunden bzw. seines Stellvertreters oder Rechtsnachfolgers als primäres Kriterium 54
In persönlicher Hinsicht, also f ü r die Frage, welchen Personen gegenüber die Verschwiegenheitspflicht besteht, beurteilen sich Inhalt und U m f a n g des Bankgeheimnisses grundsätzlich nach denselben Regeln wie in gegenständlicher Hinsicht. Auch hier sind also nacheinander die Kriterien des wirklichen Willens, des mutmaßlichen Willens und des objektiven Interesses heranzuziehen (vgl. oben Rdn. 48 f). Ausgangspunkt ist dabei ebenso wie d o r t der Grundsatz des weitest möglichen Schutzes: ähnlich wie sich die Geheimhaltungspflicht im Zweifel auf alle im Rahmen der Geschäftsverbindung bekannt gewordenen Tatsachen bezieht (vgl. Rdn. 49), so besteht sie auch grundsätzlich gegenüber jedermann. Es bedarf daher stets eines besonderen Grundes, wenn die Bank einem Dritten ein Geheimnis ihres Kunden aufdecken will. Keinesfalls genügt d a f ü r , daß der Dritte ein Interesse an der Mitteilung des Geheimnisses hat oder dem Geheimnisträger besonders nahesteht; demgemäß ist es anerkannt, daß das Bankgeheimnis grundsätzlich auch gegenüber dem Ehegatten des Bankkunden zu wahren ist (vgl. Sichtermann S. 172 f; Wolff DB 1968 696; Liesecke W M 1975 247; Schönle § 5 I 3 a).
55
Dagegen darf die Bank das Geheimnis aufdecken, soweit der Wille des Erklärungsadressaten den des Geheimnisträgers zu ersetzen vermag wie bei wirksamer Stellvertretung und bei Konkursverwaltung (vgl. oben Rdn. 50 f). Auch gegenüber den Erben unterliegt die Bank i. d. R. keiner Verschwiegenheitspflicht, weil diese mit dem Erbfall z u m Geheimnisherrn werden (vgl. oben Rdn. 51). Allerdings kann sich aus dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers etwas anderes ergeben, wobei vor allem an Geheimnisse zu denken ist, die nicht Vermögens-, sondern persönlichkeitsbezogen sind (vgl. auch Sichtermann S. 131 und S. 152 f; Liesecke W M 1975 248). D e n n k r a f t seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann der Erblasser auch f ü r die Zeit nach seinem T o d der Bank die Aufdeckung des Geheimnisses untersagen. W e r in einem solchen Fall zur D u r c h s e t z u n g des Anspruchs auf Geheimhaltung legitimiert ist, bestimmt sich bei Fehlen einer ausdrücklichen A n o r d n u n g des Erblassers nach dessen 32
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Das Bankgeheimnis mutmaßlichem Willen; meist werden es die nächsten Angehörigen, vor allem der Ehegatte sein (vgl. auch Sichtermann aaO), doch kann auch eine Person, die durch die Aufdeckung des Geheimnisses betroffen ist — z. B. die Geliebte oder ein uneheliches Kind des Erblassers — gemäß oder analog § 328 BGB zur postmortalen Geltendmachung des Geheimhaltungsanspruchs befugt sein. b) Das Verhältnis von Bankgeheimnis und Bankauskunft Zur Problematik der Abgrenzung des Bankgeheimnisses in persönlicher Hinsicht 56 gehört auch die Frage nach dem Verhältnis von Bankgeheimnis und Bankauskunft. Denn auch hierbei geht es darum, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bank gegenüber Dritten Gebrauch von den Kenntnissen machen darf, die sie durch die Vertrauensbeziehung zu ihrem Kunden erlangt hat. Auch hier gilt folglich grundsätzlich das Prinzip vom Vorrang des Geheimnisschutzes. Die Bank darf daher bei Auskünften über einen Kunden grundsätzlich „nur so weit gehen, als sie sein Einverständnis hat oder voraussetzen kann" 1 3 . Das gilt nicht nur für die Mitteilung von Tatsachen, sondern auch für Werturteile (vgl. oben Rdn. 49). Sofern der wirkliche Wille des Kunden der Bank nicht bekannt ist, darf sie nicht ohne weiteres seinen mutmaßlichen Willen zugrunde legen (a. A. Stolz S. 16 ff). Vielmehr hat sie aufgrund des engen Vertrauensverhältnisses regelmäßig eine Pflicht zur Rückfrage bei ihm 14 — zumal ihr diese mit Hilfe der modernen Kommunikationsmittel wie Telephon, Telegraph und dgl. meist rasch und ohne Schwierigkeiten möglich ist. Eine solche Rückfrage setzt freilich ihrerseits das Einverständnis des Anfragenden voraus, da die Bank auch ihm gegenüber aufgrund der Geschäftsbeziehung oder des sonstigen rechtsgeschäftlichen Kontakts zur Verschwiegenheit verpflichtet ist (vgl. auch OLG Karlsruhe WM 1971 486, 488) und da diese Schweigepflicht grundsätzlich auch die Tatsache des Auskunftsbegehrens einschließt; ist der Auskunftsuchende mit der Rückfrage bei dem betroffenen Kunden nicht einverstanden, so hat die Bank die Auskunft abzulehnen — es sei denn, der mutmaßliche Wille des Kunden ist für diesen Fall auf eine Auskunftserteilung ohne Rückfrage gerichtet. Auch sonst kann der mutmaßliche Wille des Kunden natürlich von vornherein darauf gerichtet sein, daß die Bank die Auskunft ohne Rückfrage bei ihm erteilt. Das ist z. B. i. d. R. anzunehmen, wenn für eine Rückfrage nicht genügend Zeit bleibt oder wenn die dadurch entstehende Verzögerung bei dem Anfragenden Mißtrauen erregen würde; das gilt jedenfalls dann, wenn die Auskunft erkennbar im Interesse des Kunden liegt und für ihn günstig ist. Auch wenn der Kunde die Bank gegenüber dem Dritten als Referenz angegeben hat, braucht diese — zumindest für eine günstige Auskunft — nicht erst bei ihm rückzufragen 1 5 ; denn darin ist grundsätzlich ein Einverständnis mit der Erteilung der Auskunft zu sehen, und es ist Sache des Kunden, die Bank zu informieren, wenn er nun nachträglich seinen Willen geändert hat und eine Auskunft über sich nicht mehr wünscht. Zu weit ginge es dagegen, allgemein bei günstigen Auskünften ein mutmaßliches Einverständnis des Kunden ohne Rückfrage anzunehmen (so aber Schmidt WiR 1972 134). Zum ersten ist nämlich die Grenze zwischen günstigen und ungünstigen Auskünften äußerst fließend, zumal die Banken ihre Formulierungen aus gutem Grund oft sehr auslegungsfähig und dehnbar halten; zum zweiten kann häufig nicht die Bank, sondern nur der Kunde beurteilen, aus welchem Anlaß die Auskunft 13
R G Z 139, 103, W M 1971, 817, 1971, 486, 488; mann S. 139 f f ;
105; ebenso oder ähnlich B G H 818 Sp. 2; O L G Karlsruhe W M Schmidt W i R 1972, 134; SichterSchönte § 5 II 2 b.
14
So offenbar auch B G H W M 1971, 817, 818 Sp. 2; ablehnend Schraepler N J W 1972, 1838 f. ' 5 Vgl. auch R G BankArch. 1930, 245; Sichtermann S. 142; Wolff Die AG 1968, 288.
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2. Abschnitt. Die allgemeinen Verhaltenspflichten der Bank
begehrt wird und ob sie gerade in diesem Zusammenhang günstig ist oder nicht; zum dritten ist selbst bei eindeutig günstigen Auskünften für die Bank nicht ohne weiteres ersichtlich, ob nicht eine zu weit gehende Auskunft, ja vielleicht sogar schon die Erteilung der Auskunft selbst dem Interesse oder dem Willen des Kunden widerspricht. 57
Auch aus Ziff. 10 A G B läßt sich nicht entnehmen, daß der Kunde „bis zu einem gewissen Umfang implicite auch die Zustimmung zur Erteilung von Auskünften über sich selbst gibt" (so Schönle § 5 II 2 b; kritisch Schraepler NJW 1972 1837; Schmidt W•" E b e n s o Schlegelberger/Hefermehl R d n . 8 7 ; Stierle S. 157. 150 E b e n s o i. E . O L G D r e s d e n S e u f f A r c h . 7 7 N r . 182 ( z u m S c h e c k r e c h t ) ; Meyer-Cording S. 51 f ; von Caemmerer J Z 1962, 3 8 7 ; Lorenz J Z 1968, 52 und bei Staudinger § S12 R d n . 5 1 ; Schwark W M 1970, 1335; Kumpel W M 1979, 379 f ; Udo Meyer D e r B e r e i c h e r u n g s a u s g l e i c h in D r e i e c k s v e r h ä l t n i s s e n , 1979, S. 117 f f ; a. A. Ulmer A c P 126, 166; Möschel J u S 1972, 301 f ; Wirth S. 34 f f ; Putzo S. 199 f f , 212 (auf n a t ü r l i c h e n Willen a b s t e l l e n d ) ; z . T . a u c h Schlegelberger/Hefermehl R d n . 89 (vgl. d a z u u n t e n bei u n d in Fn. 151).
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
Konkurses über das Vermögen des Überweisenden (vgl. dazu näher unten Rdn. 503). Nicht zufällig handelt es sich dabei um Fälle, in denen die Bank keinen vertraglichen Anspruch gegen den (vermeintlichen) Auftraggeber hat; der Durchgriff gegen den Überweisungsempfänger liegt daher auch aus diesem Blickwinkel nahe. Daß die Bank u. U. einen Schadensersatzanspruch gegen den Auftraggeber hat wie z. B. bei fahrlässiger Ermöglichung einer Fälschung (vgl. oben Rdn. 371) oder bei nachträglichem Eintritt der Geschäftsunfähigkeit gemäß Ziff. 23 AGB, ändert an ihrem Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger nichts 151 ; vielmehr ist der Schadensersatzanspruch subsidiär gegenüber dem Bereicherungsanspruch, da ein Schaden nur entsteht, soweit der Bereicherungsanspruch nicht durchsetzbar ist. Liegt dagegen eine echte Risikoabwälzung vor mit der Folge, daß die Bank nicht lediglich einen Schadensersatzanspruch gegen den Kontoinhaber, sondern den Anspruch aus § 670 BGB und das Recht zur Belastung des Kontos hat, so steht der Anspruch aus § 812 I 1 Fall 2 BGB nicht ihr, sondern dem Kontoinhaber zu 1 5 1 a , weil der Zahlungsempfänger dann „auf Kosten" des letzteren bereichert ist (vgl. näher unten Rdn. 737 zum entsprechenden Problem beim Scheck). 437
Im Gegensatz zu Mängeln des Überweisungsauftrags stehen bloße Mängel des Dekkungsverhältnisses, insbesondere dessen Nichtigkeit. Sie lassen die Wirksamkeit der im Überweisungsauftrag enthaltenen Anweisung und der damit verbundenen Tilgungsbestimmung unberührt, da diese abstrakt ist (vgl. oben Rdn. 323). Folglich scheidet hier eine Kondiktion gegen den Überweisungsempfänger aus (vgl. oben Rdn. 427). Die Bank kann daher z. B. bei einer Anfechtung des Girovertrages nur beim Überweisenden und nicht beim Überweisungsempfänger kondizieren. Dasselbe gilt auch bei völligem Fehlen des Deckungsverhältnisses. Das RG hat daher in dem viel diskutierten „Postanweisungsfall" RGZ 60 24, in dem ein Postbeamter seine Gläubiger durch von ihm selbst ausgestellte und eingereichte, aber nicht durch ein entsprechendes Postscheckkonto gedeckte Überweisungen befriedigt hatte, der Post i. E. mit Recht die Kondiktion gegen die Überweisungsempfänger versagt 152 . Denn der Überweisungsauftrag als solcher war hier fehlerfrei, da in der Person des Postbeamten ja kein Zurechnungsmangel gegeben war und im Verhältnis zu den Gläubigern eine wirksame Tilgungsbestimmung bestand. Auch auf Seiten der Post lag kein relevanter Zurechnungsmangel vor, weil diese bei der Durchführung der Überweisung durch einen anderen Beamten ordnungsgemäß vertreten war und dessen Glaube an das Vorliegen eines entsprechenden Postscheckkontos lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum darstellt. Selbst dann wäre nicht anders zu entscheiden gewesen, wenn der überweisende Beamte selbst für die Erteilung der Gutschrift oder die Auszahlung zuständig gewesen wäre; denn § 181 BGB stünde seiner Vertretungsmacht nicht entgegen, da er durch die Erteilung der Gutschrift bzw. die Auszahlung nur ein Rechtsgeschäft mit dem Überweisungsempfänger, nicht aber zugleich auch mit sich selbst vornimmt.
438
Problematisch und umstritten ist die Rechtslage, wenn der Überweisungsauftrag zwar fehlerhaft ist, dem Überweisenden aber gleichwohl zugerechnet werden kann. Zu denken ist etwa an den Fall eines vom (vermeintlich) Überweisenden verschuldeten 151
A. A. Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 89 f ü r den Fall von Ziff. 23 AGB, was jedoch mit dem bloßen Schadensersatzcharakter dieser Klausel nicht zu vereinbaren ist und überdies in Widerspruch zur Lösung des entsprechenden Problems bei der Fälschung in Rdn. 85 steht; wie Hefermehl wohl auch Stierle S. 153 f, der jedoch sehr unklar f o r muliert.
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1513
152
A . A . Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 85, wonach die Risikoverlagerung nur „subsidiären C h a r a k ter" haben soll; kritisch dazu mit Recht Stierle S. 159. Ebenso z. B. Medicus a a O (Fn. 125) § 27 II 3 e; Wirth S. 33; Staudinger/Lorenz § 8 1 2 Rdn. 52; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 77; Stierle S. 122 und 169.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank
Mißverständnisses. Das R G hat hier der Bank grundsätzlich die Kondiktion beim Überweisungsempfänger gestattet (vgl. J W 1932 735, 738 f). Weiterhin gehört in diesen Z u s a m m e n h a n g die Anfechtung des Überweisungsauftrags. Die h. L. verneint hier einen Bereicherungsanspruch der Bank gegen den Überweisungsempfänger 1 5 3 . Das ist indessen schon konstruktiv gesehen wenig folgerichtig, weil es zu einer wohl kaum zu rechtfertigenden Differenzierung zwischen der Nichtigkeit des Überweisungsauftrags einerseits und der — von § 142 I BGB grundsätzlich gleichgestellten! — Anfechtung andererseits oder aber sogar zu einer Differenzierung innerhalb der Nichtigkeitsgründe f ü h r t . Auch v o m Ergebnis her leuchtet die h. L. nicht recht ein. So liegen z. B. die versehentliche Doppelüberweisung, bei der die Zulässigkeit der Durchgriffskondiktion unstreitig ist, das Mißverständnis über die V o r n a h m e der Überweisung — z. B. hinsichtlich der Person des Empfängers oder des Zeitpunktes der D u r c h f ü h r u n g (vgl. R G a a O ) —, bei dem ebenfalls ein Überweisungsauftrag fehlt, und der Irrtum des Überweisenden über die Person des Empfängers (vgl. z. B. O L G Karlsruhe J W 1938 662) oder ein Schreibfehler hinsichtlich der H ö h e des zu überweisenden Betrags so eng beieinander, daß eine unterschiedliche rechtliche Behandlung zu schweren W e r t u n g s widersprüchen f ü h r e n muß. Außerdem geht es bei den in Betracht k o m m e n d e n Anfechtungstatbeständen gar nicht um spezifische Risiken des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, sondern um Mängel, die bei der Übereignung von Bargeld genauso v o r k o m men können. Das ist f ü r die Fälle des § 123 BGB evident, trifft aber auch f ü r § 119 BGB z u ; beispielsweise kann der Putativschuldner bei einem Irrtum über die Person des Gläubigers die Ü b e r e i g n u n g des Geldes anfechten, und das gleiche gilt f ü r den Irrtum über die H ö h e der übereigneten Summe, dem der Fall des Verschreibens bei der Überweisung entspricht. Das wirkt sich vor allem im K o n k u r s des Leistungsempfängers aus. Die A n f e c h t u n g der Übereignung ermöglicht nämlich die Aussonderung — und zwar auch noch nach der V e r m e n g u n g des Geldes, da § 947 II BGB insoweit nach richtiger Ansicht nicht eingreift (vgl. z. B. Baur, Sachenrecht 1 0 § 53 a III 2 b). Das gleiche Ergebnis läßt sich nun aber bei der bargeldlosen Z a h l u n g nur erreichen, indem man der Bank und nicht dem Überweisenden den Kondiktionsanspruch z u e r k e n n t ; denn diese kann ihn mit der F o r d e r u n g des Überweisungsempfängers aus der Gutschrift verrechnen, so daß der überwiesene Betrag nicht in die Masse fällt, wohingegen der Überweisende f ü r seinen Anspruch i. d. R. nur die K o n k u r s q u o t e erhielte. D e r Fehlerhaftigkeit der Übereignung von Bargeld entspricht also im bargeldlosen Zahlungsverkehr konstruktiv und wertungsmäßig die Fehlerhaftigkeit — d. h. hier: Kondizierbarkeit — der Gutschrift. Entgegen der h. L. ist folglich in den Anfechtungsfällen die Durchgriffskondiktion der Bank beim Überweisungsempfänger grundsätzlich — d. h. vorbehaltlich etwaiger Ausnahmen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (vgl. dazu unten Rdn. 440) — zuzulassen 1 5 4 , weil und soweit die Anfechtung auch bei der Ü b e r eignung von Sachgeld möglich wäre. Im übrigen ist auch dogmatisch allein diese Lösung folgerichtig, weil es auch hier an einer wirksamen Zweck- oder Tilgungsbestimmung des Überweisenden gegenüber dem Überweisungsempfänger fehlt und weil daher dessen Erwerbsakt mangelhaft ist; zwar stellt die Tilgungsbestimmung ein Rechtsgeschäft gegenüber dem Überweisungsempfänger dar, das nach § 143 III BGB diesem gegenüber angefochten werden muß, doch kann eine solche Anfechtung auch 153 Vgl. z. B. Kiehmcherf S. 111 f f ; von Caemmerer JZ 1962, 387; Schwark W M 1970, 1336; Möschel J u S 1972, 301; Kumpel W M 1979, 381; Erman/ Westermann § 8 1 2 Rdn. 22; Scbönle § 3 2 II 3 d ; Stierle S. 117 ff und 125 f f ; offenbar auch Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 90 unter Hinweis auf
Ziff. 8 AGB (vgl. dazu oben Rdn. 436 mit Fn. 151); z. T. differenzierend Meyer-Cording S. 48 und S. 101 f. '54 Zustimmend Kupiscb a a O (Fn. 130) S. 75; Staudinger/Lorenz § 8 1 2 Rdn. 51 a. E.; i. E. auch Meyer a a O (Fn. 150) S. 124 ff.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
noch nach D u r c h f ü h r u n g der Überweisung erfolgen, so d a ß es auf die weitere Frage, ob nicht auch die Botenmacht der Bank zur Überbringung der Tilgungsbestimmung durch Anfechtung gegenüber dieser beseitigt werden kann — etwa in Analogie zu den Regeln über die A n f e c h t u n g der Innenvollmacht —, i. d. R. nicht einmal mehr ankommt. 439
Ebenso sollte man entgegen der früheren h. L. 1 5 5 grundsätzlich auch im Falle des Widerrufs entscheiden 1 5 6 . Allerdings ließe sich dagegen einwenden, daß es hier anders als bei der Anfechtung um ein spezifisches Risiko des bargeldlosen Zahlungsverkehrs geht. Die Versagung der Durchgriffskondiktion w ü r d e jedoch auch hier zu W e r t u n g s widersprüchen gegenüber vergleichbaren Fällen führen. V o r allem ist nicht verständlich, w a r u m die Bank bei versehentlicher Mißachtung einer anfänglichen Weisung des Auftraggebers einen Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger haben soll (vgl. z. B. O L G Kiel SeuffArch. 76 N r . 88), nicht dagegen bei einer entsprechenden nachträglichen Weisung, also bei einem Widerruf. Außerdem fehlt es auch hier an einer wirksamen Zweck- und Tilgungsbestimmung des Überweisenden, weil diese durch die Bank als Botin konkludent überbracht wird und der Überweisende deren H a n d e l n nach dem Widerruf auf G r u n d eines argumentum a fortiori aus § 120 BGB grundsätzlich nicht mehr gegen sich gelten zu lassen braucht. Das gilt indessen nicht ohne eine wesentliche Einschränkung. Es ist nämlich zu bedenken, daß die Zweckbestimmung in dem — vom Überweisenden h e r r ü h r e n d e n ! — Überweisungsträger verkörpert ist und daß dieser bei Mißachtung des W i d e r r u f s in den Besitz des Überweisungsempfängers gelangt. D a die Zweckbestimmung ein Rechtsgeschäft oder doch zumindest eine rechtsgeschäftsähnliche H a n d l u n g darstellt, ist hier § 172 II BGB analog a n z u w e n d e n 1 5 7 . Denn der Überweisungsträger ist zwar im Gegensatz zu einer Vollmachtsurkunde nicht unmittelbar auf eine Legitimierung der Bank gerichtet, erlaubt aber doch mittelbar den Rückschluß auf deren Befugnis zur Übermittlung der Zweckbestimmung, so daß der Überweisungsempfänger hier in ähnlicher Weise schutzwürdig ist wie beim Widerruf einer V o l l m a c h t 1 5 8 ; auch im übrigen bestehen zwischen Stellvertretung und Leistungsmittlung keine so wesentlichen U n t e r schiede, daß eine abweichende Ausgestaltung des Vertrauensschutzes gerechtfertigt erscheint. Im praktischen Ergebnis bedeutet das, daß der Überweisungsempfänger nur dann der Durchgriffskondiktion von Seiten der Bank ausgesetzt ist, wenn entweder vor Entstehung des Anspruchs „aus der Gutschrift" (auch) ihm ein Widerruf (der Tilgungsbestimmung) zugegangen ist oder wenn er wußte bzw. i. S. von § 173 BGB wissen mußte, daß es sich um eine Fehlüberweisung handelte 1 5 9 . Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, hat die Bank keinen Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungs155 Vgl. z. B. Meyer-Cording S. 48; von Caemmerer J Z 1962, 387; Pfister ]K 1969, 49; Schviark W M 1970, 1335; Möschel JuS 1972, 301; Schönle $ 32 II 2; Erman/Westermann § 8 1 2 Rdn. 22; Stierle S. 117 ff und 125 ff. 156 Zustimmend O L G Düsseldorf W M 1975, 875, 876 (versehentliche Ausführung eines widerrufenen Dauerauftrages); Heimann-Trosien J R 1974, 287; Kupisch a a O (Fn. 130) S. 75; Schlegelbergerl Hefermehl Rdn. 88; Larenz a a O (Fn. 120) § 6 8 III c 2 a. E.; Staudingerl Lorenz § 8 1 2 Rdn. 51; Meyer a a O (Fn. 150) S. 108 ff. 157 Diese Einschränkung fehlte in der Erstauflage Anm. 225, liegt aber in der Konsequenz der hier
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vertretenen Konzeption, deren zentrales Anliegen die Harmonisierung mit den allgemeinen Regeln und Prinzipien der Zurechnungs- und der Vertrauenslehre ist, vgl. näher Canaris W M 1980, 355 f und 358 f. 158 Nicht überzeugend daher insoweit Wilhelm A c P 175, 349, der die §§ 170 ff BGB n u r beim Scheck analog anwenden will. 159
Vgl. auch B G H Z 6 1 , 289, w o beim Widerruf eines Schecks der Durchgriff gegen den Gutgläubigen abgelehnt und die Frage seiner Zulässigkeit gegenüber einem Bösgläubigen offengelassen wird; vgl. dazu näher unten Rdn. 739 und Canaris W M 1980, 365 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank
empfänger, sondern statt dessen einen solchen gegen den Uberweisenden (vgl. dazu näher oben Rdn. 361). c) Der Vertrauensschutz des Überweisungsempfängers und die Unterscheidung der verschiedenen Mängel Der soeben entwickelte Vertrauensschutz für den Überweisungsempfänger läßt sich 4 4 0 auf alle Fälle übertragen, in denen der Überweisende den Überweisungsträger zurechenbar hergestellt und der Bank übergeben hat. Daher können z. B. auch bei einem unter dem Einfluß eines Willensmangels abgegebenen Überweisungsauftrag, bei einem Mißverständnis zwischen der Bank und dem Auftraggeber, bei der Mißachtung einer Befristung oder Bedingung des Überweisungsauftrags und in ähnlichen Fällen die §§ 172 f BGB analog anzuwenden sein, sofern das auch bei einer Vollmacht der Fall wäre 1 6 0 . Ebenso dürfte darüber hinaus sogar auch beim Widerruf eines Dauerauftrags zu entscheiden sein 161 , sofern dieser in der Verganganheit bereits ausgeführt worden war. Zwar hat der Überweisende hier den Überweisungsträger nicht selbst hergestellt, doch hat er durch die Erteilung des Dauerauftrags in zurechenbarer Weise eine Lage geschaffen, auf deren Fortdauer der Überweisungsempfänger nach dem Rechtsgedanken der §§ 170, 171 II, 172 II BGB grundsätzlich vertrauen darf 1 6 2 . Schließlich gehören in diesen Zusammenhang auch die Fälle eines nachträglichen Erlöschens des Überweisungsauftrags analog $ 168 S. 1 BGB wegen Beendigung des Girovertrags (vgl. dazu näher Canaris WM 1980 357). Dagegen geht es entgegen einer verbreiteten Ansicht zu weit, generell auf den 441 „Empfängerhorizont" abzustellen und demgemäß den Bereicherungsanspruch der Bank gegen den Überweisungsempfänger unabhängig von den Voraussetzungen einer Analogie zu §§ 171 f BGB immer dann zu verneinen, wenn dieser einen entsprechenden Anspruch gegen den (scheinbar) Überweisenden hatte und die Überweisung als Leistung hierauf ansehen durfte 1 6 3 . Diese Lösung ist schon deshalb fehlerhaft, weil sie die Interessen des (scheinbar) Überweisenden nicht hinreichend berücksichtigt. So kann dieser z. B. ein Zurückbehaltungsrecht oder eine Aufrechnungsmöglichkeit gegen den Überweisungsempfänger haben und diese nun u. U. verlieren, wenn er nicht mehr dem ursprünglichen Anspruch, sondern statt dessen der Rückgriffskondiktion der Bank ausgesetzt ist. Auch ist es denkbar, daß seine Schuld schon verjährt war oder kurz vor der Verjährung stand, wohingegen der Bereicherungsanspruch der Bank grundsätzlich erst in 30 Jahren verjährt. Daß der (scheinbar) Überweisende diese Nachteile hinnehmen muß, ist schlechterdings nicht zu rechtfertigen, da ihm ja die Überweisung nicht zuzurechnen ist; man denke nur an die Fälle der Fälschung oder der Geschäftsunfähigkeit. Ihn einem Bereicherungsanspruch der Bank auszusetzen, wäre daher allenfalls dann 160 Vgl. dazu näher Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 109 ff, 115 ff. m. umf. N a c h w . " I A. A. i. E. O L G Düsseldorf W M 1975, 875, 876; zutreffend dagegen i. E. O L G Koblenz W M 1976, 94, 95, wo allerdings entgegen der Ansicht des Gerichts kein bloßer Doppelmangel in den Kausalverhältnissen, sondern wegen Widerrufs des Dauerauftrags ein „Gültigkeitsmangel" der Tilgungsbestimmung vorlag, der dem Überweisungsempfänger wegen Bösgläubigkeit entgegengesetzt werden k o n n t e ; vgl. zu beiden Entscheidungen auch Stierle S. 140 ff, der indessen die Analogie zu §§ 170 ff BGB Ubersieht.
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Vgl. zum Rechtsgedanken der §§ 170, 171 II, 172 II BGB und zu seiner Verallgemeinerungsfähigkeit näher Canaris a a O (Fn. 160) S. 134 ff, 138 ff. So aber i. E. RG W a r n R s p r . 1911 N r . 114; Recht 1922 N r . 1555; J W 1932, 735, 738 f; O L G H a m bürg SeuffArch. 76 N r . 143; LG Bielefeld W M 1970, 1072; Ulmer A c P 126, 163 Fn. 49; Pfister J R 1969, 48 f; a. A., d. h. i. E. wie hier, z. B. O L G Celle BB 1966, 1169; AG Neuss DB 1976, 2466; von Caemmerer J Z 1962, 387; Lorenz A c P 168, 302, JuS 1968, 447 und bei Staudinger § 8 1 2 Rdn. 53; Schwark W M 1970, 1335; Larenz a a O (Fn. 120) § 6 8 III c 2 m. w. N a c h w . ; Erman/ Westermann § 812 Rdn. 20 a. E.
Claus-Wilhelm Canaris
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4. Abschnitt. D i e G i r o ü b e r w e i s u n g
haltbar, wenn man sich zur entsprechenden Anwendung der §§ 404, 406 ff BGB auf die Rückgriffskondiktion entschlösse. Diese Analogie liegt um so näher, als die Problematik der (vom Schuldner nicht zurechenbar veranlaßten) Rückgriffskondiktion eine starke Ähnlichkeit mit der cessio legis hat 1 6 4 . In der Tat dürfte an ihr zumindest für den Fall des § 267 BGB nicht vorbeizukommen sein 165 . Für die vorliegende Problematik reicht aber nicht einmal diese Analogie aus. Die Stellung des Überweisenden würde sich nämlich selbst bei Anwendung der §§ 404, 406 ff BGB insofern stark verschlechtern, als der Rückgriffsanspruch der Bank durch die Kontokorrentabrede sowie durch das sehr weitgehende Pfand- und Zurückbehaltungsrecht gemäß Ziff. 19 AGB gesichert wäre. Das würde u. a. regelmäßig zu einer Überbürdung der — praktisch sehr unangenehmen — „Klagelast" auf den Uberweisenden führen, da dieser bei einer Verrechnung im Kontokorrent oder einer Ausübung des Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrechts durch die Bank nun seinerseits Klage erheben müßte, wenn er das Bestehen der Schuld gegenüber dem Uberweisungsempfänger — und damit die Voraussetzungen der Rückgriffskondiktion — bestreitet. Daß die gleiche Lage auch durch eine Zession der Forderung des Uberweisungsempfängers an die Bank herbeigeführt werden könnte, wäre demgegenüber kein überzeugender Einwand, da die Bank sich auf eine solche Zession kaum jemals einlassen wird und der Schuldner daher mit diesem Risiko nicht ernsthaft zu rechnen braucht; auch wäre in einem solchen Falle weit eher die Einwendung des Rechtsmißbrauchs gegenüber der „Berufung" auf Ziff. 19 AGB möglich als bei der Rückgriffskondiktion. Die Gegenansicht ist überdies auch deshalb unhaltbar, weil sie verkennt, daß sich der von ihr angestrebte Vertrauensschutz nicht nur durch das von ihr befürwortete Kondiktionsverbot, sondern auch mit Hilfe von § 818 III BGB erzielen läßt. Diese Lösung hat dabei zugleich den Vorzug, daß sie den Uberweisungsempfänger nur insoweit schützt, als dieser wirklich eine Vertrauensdisposition vorgenommen, also etwa eine Sicherheit frei gegeben hat oder seinen Anspruch hat verjähren lassen 166 . Die Gegenansicht führt dagegen dazu, daß der Uberweisungsempfänger z. B. auch dann geschützt wird, wenn er ohne jede Sicherheit vorgeleistet hatte; warum er das damit übernommene Risiko der Zahlungsunfähigkeit seines Vertragspartners nunmehr soll auf die Bank abwälzen können, nur weil diese sich z. B. durch einen gefälschten Uberweisungsauftrag hat täuschen lassen oder die Geschäftsunfähigkeit des Überweisenden nicht erkannt hat, ist nicht einzusehen. Denn anders als bei der oben Rdn. 426 f behandelten Problematik geht es hier ja nicht lediglich um eine Einwendung ex iure tertii, sondern um einen Mangel des Erwerbs des Überweisungsempfängers. Der Vertrauensschutz ist daher nur über § 818 III BGB vorzunehmen, so daß es auf das Vorliegen einer konkreten Vertrauensinvestition ankommt 1 6 7 . 442
Insgesamt gelangt man somit unter den Gesichtspunkten der Zurechnung und des Vertrauensschutzes zu einer Dreiteilung der Mängel 168 . Am einen Ende der Skala stehen dabei die oben Rdn. 426 ff und Rdn. 437 behandelten bloßen Mängel des Dekkungsverhältnisses, bei denen der Überweisungsempfänger sich nicht einmal positive Kenntnis, sondern nur eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i. S. von § 826 BGB 164 Vgl. auch von Caemmerer Festschr. für Dolle, 1963, S. 153 f; Lorenz Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung, 1967, S. 270. 1« Vgl. näher Canum aaO (Fn. 125) S. 844 f. 166 Zur Anwendbarkeit des § 818 III BGB auf derartige Fälle vgl. z. B. von Caemmerer Festschr. für Dölle S. 146 f; Flessner Wegfall der Bereicherung, 1969, S. 19, jeweils m. w. Nachw.
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" 7 Unrichtig O L G Dresden SeuffArch. 77 Nr. 182 S. 286 f, wo es an der erforderlichen Kausalität fehlte; richtig demgegenüber z. B. O L G Celle MDR 1958, 845, 846. 168 Vgl. zur Terminologie, zur dogmatischen Einordnung der Dreiteilung und zu Parallelen bei anderen Problemkreisen näher Canarts W M 1980, 355 ff, 358 f.
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IV. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Ü b e r w e i s u n g s e m p f ä n g e r und seiner Bank
entgegenhalten lassen muß 1 6 9 . Am anderen Ende stehen die oben Rdn. 436 erörterten Mängel, die eine Zurechnung der Überweisung an den (vermeintlich oder unwirksam) Uberweisenden unmöglich machen und die man demgemäß als absolute oder allgemeine Zurechnungsausschlußgründe bezeichnen kann 1 7 0 ; bei ihnen wird nicht einmal der gutgläubige Uberweisungsempfänger vor dem Durchgriff bewahrt, sondern Vertrauensschutz nur nach Maßgabe von § 818 III BGB gewährt. Die Mittelgruppe wird von den reinen Gültigkeitsmängeln gebildet, bei denen zwar eine Zurechnung an den (unwirksam oder vermeintlich) Uberweisenden möglich ist, aber keine gültige Anweisung und keine gültige Zweck- oder Tilgungsbestimmung vorliegt (vgl. oben Rdn. 438—440); hier wird der Überweisungsempfänger vor dem Durchgriff geschützt, es sei denn, er war hinsichtlich des Mangels bösgläubig i. S. von § 173 BGB. d) Besonderheiten bei der zwischenbetrieblichen Überweisung Zusätzliche Probleme ergeben sich bei der zwischenbetrieblichen Überweisung, 4 4 3 sofern nicht der der Empfangsbank erteilte Auftrag fehlte bzw. nichtig war, sondern der Mangel bei einer Zwischenbank oder der Überweisungsbank eingetreten ist. Sicher ist dabei zunächst, daß die Empfangsbank einen einwendungsfreien Anspruch gegen die beauftragende Bank hat (sofern man hier zunächst einmal die Problematik des Stornorechts gemäß Ziff. 4 III 1 AGB ausklammert, vgl. dazu unten Rdn. 450). Denn ihr gegenüber ist ja ein fehlerloser Überweisungsauftrag gegeben; insbesondere ist es ausgeschlossen, das Vorliegen eines Überweisungsauftrags zwischen der die Empfangsbank beauftragenden Bank und deren Auftraggeber als Geschäftsgrundlage des der Empfangsbank erteilten Auftrags anzusehen, da der Mangel allein in der Sphäre und im Risikobereich der beauftragenden Bank liegt und da die Empfangsbank daher vor diesem jedenfalls geschützt werden muß. Folgerichtig ist auch der Bereicherungsausgleich nicht zwischen der Empfangsbank und dem Überweisungsempfänger, sondern zwischen der Bank, die ohne wirksamen Überweisungsauftrag gehandelt hatte, und dem Überweisungsempfänger vorzunehmen 1 7 1 . Die Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs, die bei der — hier allein in Betracht kommenden (vgl. oben Rdn. 433) — Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" unverzichtbar bleibt 172 , ist insoweit zu bejahen; denn erst durch die Erteilung der Gutschrift, also durch das die Bereicherung des Überweisungsempfängers auslösende Ereignis, tritt für die betreffende Bank eine endgültige Vermögensminderung ein, da erst jetzt der von ihr erteilte Überweisungsauftrag unwiderruflich wird. Schwierigkeiten ergeben sich bei dieser Konstruktion allerdings im Konkurs des 4 4 4 Überweisungsempfängers. Hier versagt nämlich die bei der Haus- und Filialüberweisung mögliche Aufrechnungslösung, da es insoweit an der Gegenseitigkeit der Ansprüche fehlt. Es liegt daher nahe, statt dessen der kondiktionsberechtigten Bank die Ersatzaussonderung des entsprechenden Guthabens, das der Gemeinschuldner bei der Empfangsbank erlangt hat, zu gestatten 173 . Denn wirtschaftlich gesehen handelt es sich dabei um „ihr Geld", und rechtlich gesehen bedarf es hier zweifellos einer Rechtsfortbildung, da das geltende Recht auf die Besonderheiten des bargeldlosen Zahlungsver169
Vgl. näher Canaris Festschr. für Larenz aaO S. 818. 170 Vgl. zu den allgemeinen Zurechnungsausschlußgründen näher Canaris Die Vertrauenshaftung aaO S. 468 f. '71 Ebenso i. E. z. B. B G H Z 66, 372, 375 ff; H a m burg O L G E 22, 253, 254; O L G Celle BB 1966,
172 175
1169, 1170 (in Vermischung mit der Problematik des Doppelmangels); Schwark WM 1970, 1335; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 83 und 86. Vgl. statt aller Larenz a a O (Fn. 120) § 68 II a. E. Vgl. dazu in verwandtem Zusammenhang auch Reinhardt Festschr. für Boehmer, 1954, S. 97 f; Similis AcP 159, 462 f.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
kehrs nicht zugeschnitten ist und da die Zufälligkeiten der Überweisungstechnik — also der Unterschied zwischen inner- und außerbetrieblicher Uberweisung — die Verschiedenheit der Rechtsfolgen wertungsmäßig nicht zu rechtfertigen vermögen. Zumindest dann ist ein solches Aussonderungsrecht dringend geboten, wenn bei einer Übereignung von Sachgeld durch den Überweisenden ein Aussonderungsrecht gegeben wäre, wie z. B. in den Fällen der §§ 105 und 123 BGB. Dagegen erscheint es in damit nicht vergleichbaren Fällen, wie z. B. dem der versehentlichen Doppelüberweisung, eher erträglich, die Bank auf die Konkursquote zu beschränken — wenngleich auch insoweit immer noch der störende Unterschied zur Rechtslage bei der innerbetrieblichen Überweisung bleibt. e) Die Rechtslage nach Verfügung über das Guthaben 445
Nach der Auszahlung des zu Unrecht gutgeschriebenen Betrags hat die Bank gegen den Kunden einen Anspruch aus Leistungskondiktion. Die Auszahlung stellt nämlich — anders als die Gutschrift — keine Leistung der Bank an den Überweisenden dar, sondern nur eine solche an den Kunden, mit der die Bank den Anspruch aus der Gutschrift erfüllen will. Daher liegen ohne weiteres die Voraussetzungen der condictio indebiti vor, wenn — wie hier — ein Guthaben in Wahrheit nicht bestand. Ein vertraglicher RückZahlungsanspruch besteht bei Abhebungen nicht (vgl. näher oben Rdn. 434). Verfügt der Kunde im Wege der Uberweisung oder Scheckziehung über sein vermeintliches Guthaben, so sind die §§818 III, 819 I BGB analog auf den Anspruch aus § 670 BGB anzuwenden (vgl. oben Rdn. 434 a. E.).
446
Zu einer Verschlechterung der Stellung der Bank führen Verfügungen über das Scheinguthaben für den Fall des Konkurses des Überweisungsempfängers, sofern dieser nicht noch ein Guthaben bei der Bank hatte. Denn da nunmehr die sonst gegebene Aufrechnungsmöglichkeit bzw. das Aussonderungsrecht nicht mehr in Betracht kommt, erhält die Bank lediglich die Konkursquote. N u r wenn erst der Konkursverwalter über das Guthaben verfügt hat, kann man ein Ersatzaussonderungsrecht in Analogie zu § 46 S. 2 K O geben. — Die Bank kann hier jedoch Regreßansprüche gegen den Überweisenden haben; diese lassen sich zwar wegen des Fehlens eines wirksamen Überweisungsauftrags nicht auf § 670 BGB stützen, können sich jedoch aus §122 BGB, den Regeln über die Schutzpflichtverletzungen oder den AGB (vgl. z. B. deren Ziff. 23 für den Fall der Geschäftsunfähigekit) ergeben (vgl. näher oben Rdn. 368 ff). f) Das Stornorecht gemäß Ziff. 4 III 1 AGB
447
Nach Ziff. 4 III 1 AGB „darf die Bank Gutschriften, die infolge eines Irrtums, eines Schreibfehlers oder aus anderen Gründen vorgenommen werden, ohne daß ein entsprechender Auftrag vorliegt, durch einfache Buchung rückgängig machen (stornieren)". Diese Klausel wirft vielfältige Probleme auf 1 7 4 . Schon ihr Verhältnis zu den im vorstehenden erörterten gesetzlichen Anspruchsgrundlagen ist zweifelhaft. Auf den ersten Blick könnte man meinen, sie habe rein deklaratorischen Charakter 175 und stelle lediglich klar, daß der Überweisungsempfänger durch die Fehlbuchung kein wirkliches Guthaben erlangt hat — sei es, weil ihm aus der Gutschrift überhaupt kein Anspruch erwachsen ist (vgl. oben Rdn. 432), oder sei es, weil diesem von Anfang an ein Rückzahlungsanspruch in gleicher H ö h e gegenüberstand (vgl. oben Rdn. 433). Eine solche Auslegung ist indessen wenig überzeugend, weil Ziff. 4 III 1 AGB dann im Grunde 174
D i e f o l g e n d e n A u s f ü h r u n g e n w e i c h e n in n a h e z u allen P u n k t e n v o n d e r E r s t a u f l a g e A n m . 217 ab.
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175
In diesem S i n n e in d e r T a t z. B. O L G M ü n c h e n N J W 1950, 188; Meyer-Cording S. 9 9 ; E r s t a u f lage A n m . 217.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner B a n k
überflüssig ist. Wesentlich näher liegt daher die Ansicht, daß durch diese Klausel die Rechtsstellung der Bank auf eine selbständige Grundlage gestellt und von den dogmatischen und praktischen Unsicherheiten unabhängig gemacht werden soll, die sich bei Anwendung der allgemeinen Regeln und Normen ergeben. Das bedeutet, daß das Stornorecht gemäß Ziff. 4 III 1 AGB grundsätzlich ohne Rücksicht darauf eingreift, ob der Bank ein Bereicherungsanspruch gegen den Uberweisungsempfänger oder ein Anfechtungsrecht nach § 119 BGB (was vor allem in dem von Ziff. 4 III 1 AGB ausdrücklich erwähnten Fall des Schreibfehlers in Betracht käme) zusteht 1 7 6 . Dabei ist es ohne Belang, ob sich das aus der Entstehungsgeschichte der Klausel plausibel belegen läßt, zumal deren Heranziehung bei AGB ohnehin fragwürdig ist. Ausschlaggebend erscheint vielmehr der allgemeine hermeneutische Topos, daß man eine Norm — sei sie gesetzlicher oder vertraglicher Natur — im Zweifel in einem Sinne auszulegen hat, der ihr einen eigenständigen Gehalt beläßt und ihr nicht jeden praktischen Anwendungsbereich nimmt. Für die dogmatische Einordnung des Stornorechts folgt daraus, daß es ein auf ver- 4 4 8 traglicher Grundlage beruhendes Gestaltungsrecht darstellt, durch dessen (nicht empfangsbedürftige) Ausübung der Anspruch des Uberweisungsempfängers aus dem Schuldversprechen der Bank zerstört wird. Das geschieht mit ex-tunc-Wirkung, da auch bei Anwendung der allgemeinen Vorschriften dem Uberweisungsempfänger grundsätzlich von Anfang an kein wirkliches Guthaben zusteht (vgl. oben Rdn. 433) und nicht anzunehmen ist, daß Ziff. 4 III 1 AGB ihn insoweit besser stellen will. O b das Gestaltungsrecht als Widerrufs-, Rücktritts- oder Anfechtungsrecht zu qualifizieren ist, ist umstritten 177 ; die besseren Gründe sprechen für letzteres, da es um die Geltendmachung eines Fehlers geht und auch die ex-tunc-Wirkung nach h. L. nur für die Anfechtung, nicht aber für die Ausübung eines Rücktrittsrechts oder gar eines Widerrufsrechts charakteristisch ist. — Zu weit ginge es dagegen, aus Ziff. 4 III 1 AGB einen vertraglichen RückZahlungsanspruch herauszulesen 177 ®. Das gibt der Wortlaut nicht her, zumal die Unklarheitenregel zu berücksichtigen ist; denn es ist nun einmal nur davon die Rede, daß die Bank „die Gutschrift rückgängig machen darf" — und zwar „durch einfache Buchung"! —, und nicht auch davon, daß sie „Rückzahlung verlangen kann" oder dgl. Was den tatbestandlichen Anwendungsbereich des Stornorechts angeht, so ist strei- 4 4 9 tig, ob er auf das Fehlen des Uberweisungsauftrages i. e. S., also vor allem Fälle wie die Doppelüberweisung, die Überweisung eines zu hohen Betrages und die Uberweisung an einen falschen Empfänger beschränkt ist oder auch diejenigen Fälle umfaßt, in denen es im Rechtssinne an einem wirksamen Überweisungsauftrag fehlt, d. h. auch die Fälle des gefälschten, nichtigen, angefochtenen und widerrufenen Überweisungsauftrages. Die Frage ist entgegen der h. L. im letzteren Sinne zu beantworten 1 7 8 . Dafür spricht
177
Vgl. auch O L G München W M 1971, 264, 265; LG Berlin WM 1979, 322; Kiehnscherf S. 123 f; Liesecke W M 1975, 240 Sp. 2; Kumpel WM 1976, Sonderbeilage N r . 1, S. 15; Schönle § 3 2 III; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 91. Von einer Befugnis zum Widerruf des in der Gutschrift liegenden Schuldversprechens ist beiläufig in B G H Z 72, 9, 11 die Rede. Im Schrifttum wird dagegen meist ein Anfechtungsrecht angenommen; vgl. z . B . Putzo S. 112; Otto/Stierle WM 1978, 538 und Stierte S. 178 ff m. w. Nachw. zum Diskussionsstand; Berninghaus S. 47 ff; wie der
B G H aber Kumpel WM 1979, 378 und schon früher Grimberg S. 57. 177a Ebenso Stierle S. 207 f in Auseinandersetzung mit OLG Nürnberg WM 1977, 1336. 178 So mit Recht Kumpel a a O (Fn. 176) S. 16; 3. A. h. L., vgl. ( bei unterschiedlichen Akzentsetzungen im einzelnen) Mósche! JuS 1972, 304 f; Grimberg S. 57; Bärmann/Brink Rdn. 254; Liesecke WM 1975, 240; Putzo S. 112 ff; Otto/Stierle WM 1978, 540 ff und Stierle S. 181 ff; Schlegelbergerl Hefermehl Rdn. 92 ff; Erman/Westermann § 812 Rdn. 25; kritisch gegenüber der h. L. Beminghaus
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
unmißverständlich der Wortlaut der Klausel, da diese den ausdrücklich erwähnten Beispielen des Irrtums und des Schreibfehlers ganz allgemein das Fehlen des Überweisungsauftrags „aus anderen Gründen" — und nicht nur aus „ähnlichen" oder „vergleichbaren" Gründen — an die Seite stellt. Auch der objektive Zweck der Klausel, die Rechtsstellung der Bank von den Unsicherheiten des Bereicherungsrechts unabhängig zu machen, weist in diese Richtung; denn damit wäre es nicht vereinbar, wenn ein großer Teil der einschlägigen Fälle nun doch außerhalb der Regelung von Ziff. 4 III 1 AGB bliebe und allein mit Hilfe der gesetzlichen Grundlagen bewältigt werden müßte. Allerdings mag es sein, daß z. B. bei einem nichtigen, angefochtenen oder widerrufenen Uberweisungsauftrag das Vertrauen des Überweisungsempfängers auf die Wirksamkeit der Gutschrift häufiger schutzbedürftig ist als z. B. bei einer Doppel- oder Zuvielüberweisung. Das genügt aber nicht, um den Anwendungsbereich des Stornorechts auf die letzteren Fälle zu beschränken. Zum einen kann nämlich auch bei diesen der Überweisungsempfänger durchaus einmal gutgläubig sein, und zum anderen ist die richtige Lösung der Problematik des Vertrauensschutzes so zweifelhaft und streitig (vgl. oben Rdn. 440 f), daß gerade insoweit für eine Klärung der Rechtslage im Wege einer AGB-Klausel ein besonderes Bedürfnis besteht. Zugleich ergibt sich aus der Umstrittenheit der richtigen Lösung, daß die Gewährung eines Stornorechts auch gegen den gutgläubigen Überweisungsempfänger nicht etwa unter dem Gesichtspunkt der Inhaltskontrolle zu beanstanden ist, da wirklich durchschlagende Gerechtigkeitsgesichtspunkte für eine weite Ausdehnung des Vertrauensschutzes eben nicht ins Feld geführt werden können. In einem Punkte allerdings ist der tatbestandliche Anwendungsbereich von Ziff. 4 III 1 AGB in einschränkendem Sinne zu präzisieren: die Worte „ohne daß ein entsprechender Auftrag vorliegt" sind auf alle drei vorhergehenden Fälle und mithin auch auf den „Irrtum" zu beziehen, so daß nur ein Fehlen des Überweisungsauftrags und nicht auch ein beliebiger sonstiger Motivirrtum — wie z. B. ein solcher über das Vorliegen von Deckung — mit Hilfe des Stornorechts geltend gemacht werden kann (vgl. auch BGH W M 1972 283, 285). 450
Das Stornorecht greift grundsätzlich auch bei zwischenbetrieblichen Überweisungen ein. Es scheint jedoch allgemeine Ansicht zu sein, daß das nur dann gilt, wenn es an einem wirksamen Auftrag gegenüber der Bank des Empfängers fehlte, nicht aber auch dann, wenn ein früherer Auftrag, insbesondere derjenige an die erste Bank, fehlte oder mangelhaft war 1 7 9 . Auch in dieser Frage ist indessen eine restriktive Auslegung von Ziff. 4 III 1 AGB abzulehnen. Wiederum ist zunächst auf den Wortlaut der Klausel zu verweisen. Diese läßt nämlich in keiner Weise erkennen, daß der Irrtum usw. gerade der Bank des Empfängers unterlaufen sein muß; vielmehr ist rein sprachlich gesehen auch dann, wenn bei einer früheren Bank kein wirksamer Überweisungsauftrag vorlag, die Gutschrift „infolge eines Irrtums usw. vorgenommen worden, ohne daß ein entsprechender Auftrag vorliegt". Es kommt hinzu, daß man streng genommen der Bank, die ohne wirksamen Auftrag gehandelt hat, das Stornorecht gegen die nachfolgende Bank einräumen müßte, da die AGB grundsätzlich auch für das Verhältnis der Banken untereinander gelten (vgl. unten Rdn. 2518 ff) und insoweit die tatbestandlichen Voraussetzungen von Ziff. 4 III 1 AGB auch bei restriktiver Interpretation an sich gegeben sind; das wäre aber ganz widersinnig, wenn die betroffene Bank dann nicht auch ihrerS. 108 ff, der eine Unterscheidung nach der Art des Fehlers ablehnt, seinerseits aber ebenfalls zu einer verhältnismäßig engen Begrenzung des Anwendungsbereichs der Stornoklausel kommt, weil er diese nur bei f ü r den Kunden erkennbaren
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Fehlern als einschlägig ansieht (vgl. z. B. S. 104, 116f). Vgl. z. B. von Caemmerer J Z 1962, 387; Schviark W M 1970, 1335; Möschel J u S 1972, 304; Putzo S. 107; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 94 a. E.; Schönte § 32 III a. E.; Beminghaus S. 104 f.
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IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank
seits stornieren könnte. Im übrigen und vor allem aber ist es auch hier ein Gebot praxisnaher Vernunft, sich soweit wie irgend möglich von den Exzentrizitäten der heutigen bereicherungsrechtlichen Dogmatik zu lösen. Das gilt um so mehr, als diese sogar bei korrekter Handhabung in einem so wichtigen Fall wie dem des Empfängerkonkurses zu einem der Interessenlage widersprechenden Ergebnis führt, das sich allenfalls durch eine kühne Rechtsfortbildung korrigieren läßt (vgl. oben Rdn. 444); das Stornorecht führt dagegen ohne weiteres zu dem sachgerechten Ergebnis, daß das Guthaben nicht in der Konkursmasse bleibt, sondern dieser durch Ausübung des Gestaltungsrechts mit ex-tunc-Wirkung entzogen wird. Kollisionen zwischen dem Stornorecht der Empfängerbank und der Durchgriffskondiktion derjenigen Bank, die ohne wirksamen Überweisungsauftrag gehandelt hat, sind nicht zu befürchten. Denn durch die Ausübung des Stornorechts entfällt die Bereicherung des Uberweisungsempfängers, und durch eine etwaige Erfüllung des Bereicherungsanspruchs wird der Zweck des Stornorechts erreicht und diesem die Grundlage entzogen. Folgt man der hier vertretenen Ansicht nicht, sollte man das Stornorecht auf Grund einer restriktiven Auslegung von Ziff. 4 III 1 AGB auch derjenigen Bank absprechen, der gegenüber es unmittelbar an einem wirksamen Überweisungsauftrag fehlte; denn es ist nicht der Sinn und Zweck von Ziff. 4 III 1 AGB, das Risiko einer Fehlüberweisung von der unmittelbar betroffenen Bank auf die von dieser beauftragte Bank abzuwälzen — zumal die erste Bank ohnehin „näher daran" ist, das Risiko zu tragen, weil der Fehler ja ihr gegenüber bzw. sogar von ihr gemacht worden ist. Zum gleichen Ergebnis kommt man wohl auch mit der Begründung, daß der Anspruch der zweiten Bank gegen die erste aus § 670 B G B durch das Fehlen eines wirksamen Überweisungsauftrags zugunsten der ersten Bank nicht berührt wird. Aus den gleichen Gründen kann darüber hinaus auch bei Zugrundelegung des hier vertretenen Standpunktes die erste Bank nicht einfach gegenüber der zweiten Bank stornieren und so fort, sondern nur Rückzahlung dessen verlangen, was diese ihrerseits durch das Storno erlangt; zunächst muß also die letzte Bank gegenüber dem Überweisungsempfänger stornieren, dann hat sie ihrerseits bei Gelingen des Stornos ihre Deckung nach § 667 B G B an die andere Bank herauszugeben und so fort. Im Verhältnis zwischen den Banken findet somit das Stornorecht überhaupt keine Anwendung. Aus dem Wortlauf von Ziff. 4 III 1 AGB nicht zu entnehmen ist, ob und unter wel- 4 5 1 chen Voraussetzungen ein Vertrauensschaden des Überweisungsempfängers anzurechnen oder zu erstatten ist. Man denke etwa daran, daß dieser im Vertrauen auf die Wirksamkeit eines nichtigen oder widerrufenen Überweisungsauftrages eine Sicherheit aufgegeben hat und nun seine Forderung im Valutaverhältnis, auf die sich die Überweisung bezog, nicht mehr durchsetzen kann. Sicher ist freilich einerseits, daß mit der Ablehnung einer rein deklaratorischen Natur des Stornorechts auch eine analoge Anwendung von § 818 III B G B entfällt, da Ziff. 4 III 1 AGB dann ja gerade im Sinne einer Emanzipation vom Bereicherungsrecht zu verstehen ist. Sicher ist andererseits, daß die Bank, wenn sie schuldhaft einen Fehler gemacht hat, dem Überweisungsempfänger aus positiver Forderungsverletzung haftet — und zwar auch dann, wenn sie mit diesem nicht in unmittelbaren Vertragsbeziehungen steht (vgl. dazu oben Rdn. 395). Fraglich ist indessen, ob man darüber noch hinausgehen und dem Überweisungsempfänger einen verschuldensunabhängigen Anspruch in Analogie zu § 122 B G B zusprechen kann. Das dürfte zu bejahen sein, weil das Stornorecht dogmatisch dem Anfechtungsrecht ähnelt (vgl. oben Rdn. 448) bzw. teilweise dieses geradezu ersetzt wie in den Fällen des Schreibfehlers und weil durch seine Ausübung ein Mangel geltend gemacht wird, der in der Sphäre der Bank liegt bzw. in der Sphäre einer vorgeschalteten Bank Claus-Wilhelm Canaris
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4. Abschnitt. D i e G i r o ü b e r w e i s u n g
(die dann der stornierenden Bank nach § 670 BGB regreßpflichtig ist und daher insoweit die gewährte D e c k u n g nicht zurückverlangen kann). Auch werden durch die Analogie zu § 122 BGB etwaige Bedenken gegen die hier vorgeschlagene verhältnismäßig weitgehende A n w e n d u n g von Ziff. 4 III 1 AGB stark gemildert. H a t der Überweisungsempfänger infolge von Fahrlässigkeit i. S. von § 122 II BGB das Vorliegen einer Fehlüberweisung verkannt — was wegen der Übermittlung des Überweisungsträgers an ihn häufig zu bejahen sein d ü r f t e —, traf aber andererseits die Bank ein Verschulden, so ist der Schaden nach den — mit der Analogie zu § 122 BGB in K o n k u r r e n z stehenden — Regeln über die positive Forderungsverletzung i. V. m. § 254 BGB zu teilen. 452
Das Stornorecht versagt, soweit das K o n t o des Überweisungsempfängers im Debet steht oder durch die Stornierung in ein solches gerät 1 8 0 . D e n n Ziff. 4 III 1 AGB gibt nach dem W o r t l a u t der Klausel nur ein Recht zur Beseitigung der Gutschrift und nicht auch einen vertraglichen RückZahlungsanspruch (vgl. oben Rdn. 448). Die Bank ist daher insoweit auf die allgemeinen Anspruchsgrundlagen angewiesen (vgl. zu diesen oben Rdn. 432 ff sowie auch unten Rdn. 459).
453
Besondere zeitliche G r e n z e n hat das Stornorechtgrundsätzlich nicht. Wie bei jedem Gestaltungsrechtdarf seine A u s ü b u n g j e d o c h nicht ungebührlich Verzögertwerden, widrigenfalls gemäß § 242 BGB V e r w i r k u n g eintritt. Man wird sogar noch einen Schritt weitergehen und in A n a l o g i e zu § 121 B G B eine unverzügliche Ausübung f o r d e r n müssen 1 8 1 . D e r B G H ist d a r ü b e r hinaus der Ansicht, daß das Stornorecht durch ein S a l d o a n e r kenntnis entfällt, weil durch dieses „die in das K o n t o k o r r e n t a u f g e n o m m e n e n Einzelforderungen untergehen" 1 8 2 . Das trifft indessen nach richtiger, im Schrifttum vorherrschender Ansicht nicht zu, da die vom B G H vertretene Novationstheorie verfehlt ist 1 8 3 . Richtig ist vielmehr lediglich, daß das Saldoanerkenntnis bzw. die daraus entstehende F o r d e r u n g durch die Ausübung des Stornorechts nicht berührt wird, daß jedoch die betreffende Einzelgutschrift nach wie vor durch Stornierung hinfällig gemacht werden kann mit der Folge, daß das Saldoanerkenntnis nach § 812 II BGB kondiziert werden kann; mit der Kondiktionsklage kann die Bank die Klage auf Zahlung des wahren Saldos verbinden 1 8 4 . D a ß die Zulassung der Stornierung dem Saldoanerkenntnis „die praktische Bedeutung nehmen würde", wie der B G H meint, ist kein G e g e n a r g u m e n t , da das Saldoanerkenntnis auch sonst grundsätzlich nicht z u m Verlust unbekannter Rechte und Einwendungen f ü h r t und nicht ersichtlich ist, w a r u m gerade bezüglich des Stornorechts etwas anderes gelten soll; außerdem ändert die Ausübung des Stornorechts ja nichts an der Notwendigkeit, das Saldoanerkenntnis zu kondizieren. Die P r o blematik hat im übrigen nur geringe praktische Bedeutung, da die falsche Gutschrift selbstverständlich auch nach dem Saldoanerkenntnis noch kondiziert werden kann (vgl. auch Kumpel W M 1979 386 f f ) ; immerhin bleiben gewisse Unterschiede wie z. B. bezüglich der Reichweite des Vertrauensschutzes (vgl. zusammenfassend unten '»= Ebenso LieseckeV/M 1975,241; Otto/Stierle WM 1978, 544 f (in einem gewissen Gegensatz zu der Zurückhaltung S. 542); Schlegeiberger/Hefermebl Rdn. 96; a. A. O L G Nürnberg W M 1977, 1336, 1338, Putzo S. 118 f; Stier/eS. 198 f; Berninghatis S. 152 ff; wohl auch Kumpel a a O (Fn. 176) S. 15 mit Fn. 3. 181 Anders ist folgerichtig zu entscheiden, wenn man das Stornorecht als rein deklaratorisch ansieht, vgl. O L G München N J W 1950, 188; ablehnend aber auch Berninghatis S. 132 f trotz Anerkennung einer konstitutiven Wirkung.
238
182 Vgl. B G H Z 72, 9, 11; ebenso i. E. Liesecke WM 1975, 241; Schlegeiberger/Hefermebl Rdn. 95 (trotz Gegnerschaft zur Novationstheorie!); Kiimpel W M 1979, 378 f; Stierte S. 190 ff; offengelassen bei Otto/Stierle S. 547 ff; a. A. Berninghatis S. 124 ff, 131 f. Vgl. z. B. Schlegeiberger/Hefermebl § 355 Rdn. 58; Canaris Großkomm, zum H G B § 355 Anm. 88 ff m. w. Nachw. 184 Vgl. näher Canaris a a O § 355 Anm. 104.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank Rdn. 455) und u. U. auch der Rechtslage bei Konkurs des Überweisungsempfängers im zwischenbetrieblichen Uberweisungsverkehr (vgl. oben Rdn. 444). Nach Ansicht des B G H soll das Stornorecht ferner durch die Beendigung des Girovertrages erlöschen und daher z. B. bei Konkurseröffnung entfallen 1 8 4 3 . Das erscheint wenig sinnvoll, weil (und soweit) das Stornorecht sich auf Vorgänge bezieht, die vor der Beendigung des Girovertrages liegen. Man sollte daher insoweit eine Nachwirkung des Girovertrages annehmen und vom Fortbestand des Stornorechts ausgehen. Für die „Beendigung der Geschäftsverbindung" ergibt sich das im übrigen ohne weiteres aus Ziff. 18 II AGB, wonach die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und also auch Ziff. 4 III AGB bis zur „völligen Abwicklung" weitergelten; f ü r Erlöschensgründe, die nicht zugleich die Beendigung der Geschäftsverbindung nach sich ziehen, muß a fortiori das gleiche gelten. g) Zusammenfassung der dogmatischen Grundlagen und der praktischen Ergebnisse Beim Fehlen eines wirksamen Uberweisungsauftrags hat die Bank grundsätzlich die 4 5 4 Durchgriffskondiktion gegen den Uberweisungsempfänger, während bei bloßen Mängeln eines Kausalverhältnisses ein Bereicherungsausgleich lediglich zwischen dessen Parteien staufindet. Das maßgebliche Abgrenzungskriterium liegt im Fehlen einer wirksamen Zweck- oder Tilgungsbestimmung (vgl. Rdn. 433). Demgemäß ist die Durchgriffskondiktion nicht nur bei „absoluten Zurechnungsausschlußgründen" wie gänzlichem Fehlen eines Uberweisungsauftrags, Fälschung oder mangelnder Geschäftsfähigkeit gegeben, sondern grundsätzlich auch bei reinen „Gültigkeitsmängeln" wie Mißverständnis, Anfechtung und rechtzeitigem Widerruf des Uberweisungsauftrags (vgl. Rdn. 438 f). Hier sind jedoch die §§ 172 f BGB analog auf die Übermittlung des Überweisungsträgers anzuwenden mit der Folge, daß die Durchgriffskondiktion entfällt, wenn der Überweisungsempfänger die Überweisung als Zahlung auf eine Schuld des Überweisenden ansehen durfte (vgl. Rdn. 439 f)- In den übrigen Fällen wird das Vertrauen des Überweisungsempfängers auf die Wirksamkeit der Überweisung nicht durch die Verneinung der Durchgriffskondiktion, sondern nur nach §§818 III, 819 I BGB geschützt (vgl. Rdn. 441). Diese Schutzgrenze darf entgegen der Ansicht des B G H nicht durch die Gewährung von Ansprüchen aus positiver Forderungsverletzung gegen den Überweisungsempfänger bis zur Schwelle der leichten Fahrlässigkeit gesenkt werden (vgl. Rdn. 435). H a t nicht die Bank des Empfängers, sondern eine früher eingeschaltete Bank ohne wirksamen Überweisungsauftrag gehandelt, steht die Durchgriffskondiktion der letzteren zu (vgl. Rdn. 443). Die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht wird weitgehend durch das Storno- 4 5 5 recht gemäfi Ziff. 4 III 1 AGB überlagert. Dieses hat den Zweck, die Rechtsstellung der Bank auf eine eigenständige, von den Unsicherheiten des Bereicherungsrechts unabhängige Grundlage zu stellen, und ist dogmatisch als Gestaltungsrecht einzuordnen (vgl. Rdn. 447 f). Es greift nicht nur bei tatsächlichem Fehlen eines Überweisungsauftrags ein, sondern auch bei dessen Unwirksamkeit, so daß es tatbestandlich denselben Fehlerbereich abdeckt wie die Durchgriffskondiktion, also insbesondere auch die Fälle der Fälschung, der Nichtigkeit, der Anfechtung und des Widerrufs (vgl. Rdn. 449). Es ist auch dann gegeben, wenn nicht die Bank des Überweisungsempfängers, sondern eine andere Bank ohne wirksamen Überweisungsauftrag gehandelt hat (vgl. Rdn. 450). Es wird durch guten Glauben des Überweisungsempfängers an eine i84.i Vgl. B G H Z 63, 87, 93; ebenso O L G Celle DB 1977, 2137, 2138 a. E.; Liesecke W M 1975, 241;
Schlegelberger/Hefermehl baits S. 135.
Claus-Wilhelm Canaris
Rdn. 95; a. A.
Beming-
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
wirksame Schuldtilgung nicht ausgeschlossen (vgl. Rdn. 449), doch steht diesem analog § 122 BGB ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Ersatz seines Vertrauensschadens zu (vgl. Rdn. 451). Gegenüber dem Bereicherungsrecht verschlechtert sich die Stellung des Uberweisungsempfängers also in zwei Punkten: er kann bei den reinen „Gültigkeitsmängeln" wie Mißverständnis, Anfechtung und Widerruf von Überweisungsaufträgen den überwiesenen Betrag grundsätzlich nicht behalten, sondern ist auf die Geltendmachung seines Vertrauensschadens beschränkt; und ihm schadet entgegen §§818 III, 819 I BGB nicht nur positive Kenntnis, sondern nach § 122 II BGB schon fahrlässige Unkenntnis. Bedenken gegen die Wirksamkeit von Ziff. 4 III 1 AGB bestehen insoweit angesichts der Umstrittenheit des „richtigen" bereicherungsrechtlichen Vertrauensschutzes und der rechtspolitischen Fragwürdigkeit von §§818 III, 819 I BGB nicht, zumal bei Unanwendbarkeit von § 122 BGB immerhin noch ein Anspruch aus positiver Forderungsverletzung (in den Grenzen von § 254 BGB) in Betracht kommt; im übrigen spricht für einen weiten Anwendungsbereich der Stornoklausel und für deren Wirksamkeit auch das legitime Bedürfnis der Praxis, sich von den Wechselfällen und Schwarmgeistereien der bereicherungsrechtlichen Dogmatik unabhängig zu machen. — Das Stornorecht muß analog § 121 BGB unverzüglich ausgeübt werden, entfällt jedoch entgegen der Ansicht des BGH nicht durch ein Saldoanerkenntnis (vgl. Rdn. 453). 5. Gegenansprüche und Einwendungen der Bank aus ihrem Verhältnis zum Überweisungsempfänger a) Die Verrechnung mit einem Debet und die Geltendmachung von Pfand- oder Zurückbehaltüngsrechten 456
Die Bank kann eingehende Überweisungen grundsätzlich mit einem Debet auf dem Konto verrechnen, wie sich ohne weiteres aus dem Bestehen der Kontokorrentabrede ergibt. Sie kann außerdem zur Sicherung sonstiger Forderungen ihr Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht nach Ziff. 19 AGB geltend machen. Anders ist allerdings zu entscheiden, wenn der Bank durch eine Einschränkung oder einen Vorbehalt im Überweisungsauftrag die Verrechnung verboten oder die Barauszahlung geboten wird (vgl. dazu näher oben Rdn. 339 f). Auf eine solche Bestimmung kann sich auch der Überweisungsempfänger berufen, weil dann sein Anspruch aus § 667 BGB (vgl. oben Rdn. 399) einen entsprechenden Inhalt hat, d. h. auf Gutschrift ohne Verrechnung bzw. auf Barauszahlung gerichtet ist.
457
Von sich aus kann der Überweisungsempfänger die Verrechnung bzw. die Ausübung des Pfand- oder Zurückbehaltungsrechts grundsätzlich nicht verhindern. Insbesondere nützt anders als bei einem zum Inkasso gegebenen Scheck (vgl. dazu unten Rdn. 747) ein vor Eingang des Geldes vom Überweisungsempfänger ausgesprochener Vorbehalt oder ein Verrechnungsverbot nichts; denn er kann weder die Kontokorrentabrede bzw. die Geltung von Ziff. 19 AGB durch eine einseitige Erklärung beseitigen noch Verbuchung auf einem anderen als dem im Überweisungsauftrag angegebenen Konto verlangen. Außerdem ist die Bank nach Ziff. 4 I AGB ohnehin unwiderruflich befugt, Geldbeträge für den Kunden entgegenzunehmen und diese dem Kunden durch Gutschrift auf seinem Konto zur Verfügung zu stellen, wenn ihr nicht außerhalb des Überweisungsträgers ausdrücklich eine andere Weisung erteilt worden ist.
458
Daß der Überweisungsempfänger eine Pflicht zur Weiterleitung des Geldes an einen Dritten hat, was z. B. in den Fällen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts vorkommt, steht der Verrechnung und der Geltendmachung des Pfand- oder Zurückbehaltungsrechts grundsätzlich — d. h. abgesehen von Verstößen gegen §§ 830, 823 II, 826 BGB 240
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank — auch dann nicht entgegen, wenn die Bank davon vor Eingang der Überweisung Kenntnis erlangt hat (vgl. auch oben Rdn. 340). Denn die Beziehungen des Uberweisungsempfängers zu Dritten gehen die Bank grundsätzlich nichts an. Soll der Dritte geschützt werden, muß daher i. d. R. ein Fremdkonto oder ein Treuhand- bzw. Anderkonto eingerichtet w e r d e n 1 8 4 b (vgl. auch oben Rdn. 182). Auch eine analoge Anwendung von § 392 II H G B auf Uberweisungen, die aus dem Verkauf von Kommissionsgut stammen, kommt grundsätzlich nicht in Betracht (ebenso i. E. B G H W M 1974 155, 157). Zwar kann die in § 392 II H G B enthaltene vollstreckungs- und konkursrechtliche Privilegierung analog auf den Erlöse aus der vom Kommissionär eingezogenen Forderung angewendet werden, doch gilt gleiches nicht auch für die — an sich ebenfalls in § 392 II H G B enthaltene — Verfügungsbeschränkung 1 8 5 , weil sonst eine „heimliche" Verfügungsbeschränkung an einer Sache entstände und das sowohl dem sachenrechtlichen Publizitätsprinzip als auch dem Rechtsgedanken von § 137 S. 1 B G B widerspräche. W e n n aber der Kommissionär über Bargeld nach Belieben verfügen könnte — insbesondere auch zugunsten seiner eigenen Gläubiger — , muß für Buchgeld das gleiche gelten, so daß dieses (in den Grenzen von §§ 830, 823 II, 826 B G B ) von der Bank zur Abdeckung seiner Schulden herangezogen werden kann. Schwierig ist die Rechtslage, wenn auf einem debitorischen K o n t o nach dessen Kündigung oder nach Aufhebung der Geschäftsverbindung noch Uberweisungen eingehen. Die Kontokorrentabrede nützt der Bank jetzt nichts mehr, da sie erloschen ist (vgl. Großkomm.-Canaris^ § 355 Anm. 110 f). Auch mit Ziff. 18 II i. V . m. Ziff. 4 I 1 A G B ist insoweit nicht weiterzukommen, weil Ziff. 4 1 1 nur „während der Geschäftsverbindung" gilt und also als Sonderregelung Vorrang vor Ziff. 18 II hat (verkannt von L G Nürnberg-Fürth W M 1977 852, 853); außerdem kann Ziff. 4 I 1 ohnehin nicht die fehlende Kontokorrentabrede ersetzen. In Betracht kommt jedoch eine gewöhnliche Aufrechnung nach 387 ff B G B gegen den Auszahlungsanspruch des Kunden (vgl. zu diesem unten Rdn. 463 und 465 a) sowie die Geltendmachung eines Pfand- oder Zurückbehaltungsrechts an diesem gemäß Ziff. 19 II i. V . m. Ziff. 18 II A G B . Im Einzelfall kann allerdings der Rechtsgedanke von § 393 B G B oder der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenstehen, wenn es für die Bank evident war, daß die Entgegennahme der Zahlung wegen des bestehenden Debet und der Kündigung bzw. des Abbruchs der Geschäftsverbindung dem Interesse oder dem mutmaßlichen Willen des Kunden widersprach.
458a
b) Zins- und Provisionsansprüche D a die Bank des Überweisungsempfängers durch die Gutschrift ein Geschäft für 4 5 9 diesen vornimmt, hat sie gemäß §§ 675, 631 B G B einen Anspruch auf ein Entgelt. Dieses besteht i. d. R . in der Gebühr für die Buchung. Wird das K o n t o durch die Stornierung einer Fehlbuchung bzw. durch die Geltendmachung des RückZahlungsanspruchs aus § 8 1 2 B G B (vgl. oben Rdn. 443) debitorisch, stellen die Banken mitunter eine besondere Uberziehungsprovision in Rechnung. Das ist indessen grundsätzlich nicht zulässig (a. A. L G Berlin W M 1979 322). Ziff. 14 III A G B ist schon deshalb nicht anwendbar, weil der Kunde bei Verfügungen über ein vermeintliches Guthaben nicht „Kredit in Anspruch nimmt", wie es diese Klausel voraussetzt (vgl. auch oben Rdn. 434). Auch Ziff. 14 II A G B i. V . m. § 315 B G B ist nicht einschlägig; denn es ist 184b Vgl. auch BGH WM 1973, 722, 723; Liesecke WM 1975, 298; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd. IV, 1976, § 5 3 III 4 a
und IV 2 a; vgl. im übrigen zu verwandten Fragen 185
auch LG Bad Kreuznach WM 1980, 1325 ff. Diese Einschränkung fehlt noch bei Canaris Festschr. für Flume, 1978, S. 424.
Claus-Wilhelm Canaris
241
4. Abschnitt. Die Giroüberweisung mit den von § 315 B G B in Bezug genommenen Geboten der Billigkeit nicht vereinbar, wenn die Bank für ein Debet, das durch einen in ihrer eigenen Sphäre liegenden Fehler entstanden ist, nun auch noch eine besondere Provision fordert. Außerdem verstößt die Heranziehung von Ziff. 14 A G B gegen den Rechtsgedanken von § 818 I B G B , wonach die Haftung des Bereicherungsschuldners — der Kunde ist insoweit ein solcher (vgl. oben Rdn. 450) — auf die „gezogenen" Nutzungen beschränkt ist. 460
Für die Zinsberechnung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Wertstellung maßgeblich. Dagegen beeinflußt dieser abgesehen von Sonderfällen wie denen eines Rückrufsvorbehalts (vgl. oben Rdn. 4 1 9 ) nicht die Möglichkeit des Kunden zu Verfügungen über den Uberweisungsbetrag. Denn diese ist sogar schon vor Gutschrifterteilung gegeben (vgl. z. B. B G H W M 1958 222, 225 und dazu oben Rdn. 399 a. E.) und muß folglich erst recht zwischen Gutschrift und Wertstellungszeitpunkt bestehen. Eine Uberziehungsprovision fällt daher bei Verfügungen vor Wertstellung grundsätzlich nicht an, da der Überweisungsempfänger nicht Kredit in Anspruch nimmt, sondern sein eigenes Geld ausgibt; anders ist folgerichtig zu entscheiden, sofern in der W e r t stellung ausnahmsweise eine aufschiebende Bedingung des Schuldversprechens der Bank liegt (vgl. dazu oben Rdn. 419). Zinsen für ein Debet sind dagegen grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Wertstellung zu entrichten, da erst von diesem an ein entsprechender Habenposten des Uberweisungsempfängers im Kontokorrent zur Verrechnung gelangt. Darin liegt (wenn der Wertstellungszeitpunkt korrekt ist) keine Unbilligkeit gegenüber dem Uberweisungsempfänger; insbesondere kann dieser nicht erwarten, daß eine eingehende Uberweisung noch am selben T a g sein Debet zurückführt, da Zinsen nach angefangenen T a g e n zu berechnen sind und die Bank auf den Zins für den laufenden T a g nicht zu verzichten braucht. D e r korrekte Wertstellungszeitpunkt ist der erste Bankwerktag nach Eingang der Deckung; denn der Anspruch des Begünstigten aus 675, 667 B G B auf Gutschrifterteilung ist nach § 271 I B G B grundsätzlich „sofort" fällig. Für etwaige Habenzinsen kann ein späterer Zeitpunkt maßgeblich sein, wobei eine derartige Einschränkung des Zinsversprechens der Bank auch aus der üblichen Handhabung erschlossen werden kann.
461
Bei Uberweisungen aus dem Ausland stellt die Empfangsbank dem Uberweisungsempfänger häufig eine besondere Provision in Rechnung, die sich nach einem bestimmten Promillesatz vom Überweisungsbetrag richtet. Buchungsmäßig geschieht das i. d. R. so, daß von vornherein nur eine entsprechend verminderte Summe gutgeschrieben wird. Rechtlich dürfte dagegen eine (teilweise) Verrechnung zwischen dem Anspruch des Überweisungsempfängers auf den Überweisungsbetrag und einem Provisionsanspruch der Bank vorliegen. Als Rechtsgrundlage dieses Anspruchs kommt in erster Linie Ziff. 14 II A G B i. V . m. § 315 B G B in Betracht. Es fragt sich indessen, ob die Belastung des Überweisungsempfängers mit der Provision den Grundsätzen der Billigkeit i. S. von § 3 1 5 B G B entspricht. Unbedenklich ist dabei zweifellos, daß bei Auslandsüberweisungen überhaupt eine besondere Provision erhoben wird; denn zu deren Durchführung müssen die Banken Verbindungen mit dem Ausland unterhalten, die erhebliche Kosten verursachen. Nicht zu beanstanden ist wohl auch, daß die H ö h e der Provision von der H ö h e der Überweisung abhängt, da man den Kunden, der mehr Geld aus dem Ausland erhält, auch stärker an den zugrunde liegenden Generalunkosten beteiligen darf. Äußerst fragwürdig ist dagegen, daß die Provision dem Überweisungsempfänger und nicht dem Überweisenden in Rechnung gestellt wird. Letzterer hat nämlich gemäß § 270 I B G B dem Überweisungsempfänger das Geld grundsätzlich auf seine Kosten zu übermitteln, und daher kann dieser, wenn im Valutaverhältnis deutsches Recht gilt, die von der Bank einbehaltene Provision von jenem nachfordern; 242
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Ü b e r w e i s u n g s e m p f ä n g e r und seiner Bank
dadurch würde ein zweiter Zahlungsvorgang ausgelöst, bei dem dann dem Überweisungsempfänger erneut die Provision abgezogen wird usw. Gleiches gilt häufig, wenn im Valutaverhältnis ausländisches Recht anzuwenden ist, da § 270 I BGB lediglich den mußmaßlichen Parteiwillen typisiert und da daher auch nach ausländischem Recht oft genauso zu entscheiden ist. Die Belastung des Uberweisungsempfängers mit der Provision widerspricht daher wegen der Auslösung überflüssiger Zahlungsvorgänge den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Uberweisungsverkehrs. Sie widerspricht aus dem gleichen Grund auch dem mutmaßlichen Willen des Uberweisenden und unterhöhlt den Grundsatz der „formalen Auftragsstrenge", weil die Empfangsbank einen geringeren Betrag als den vom Erstauftraggeber überwiesenen gutschreibt. Sie ist schließlich auch im Hinblick auf den Wettbewerbsgedanken zu beanstanden. Denn nur der Uberweisende beherrscht den Uberweisungsweg und kann demgemäß diejenige Bank wählen, die die Auslandsüberweisung am billigsten durchführt, während der Uberweisungsempfänger die Auferlegung der Provision ohne Ausweichsmöglichkeit hinnehmen muß. Mit § 315 BGB ist daher nur die Belastung des Überweisenden und nicht die des Überweisungsempfängers zu vereinbaren. Auch auf § 354 I HGB kann sich die Empfangsbank nicht stützen — zum einen, weil Ziff. 14 II AGB eine vertragliche Provisionsvereinbarung enthält und § 354 H G B daher schon tatbestandlich nicht einschlägig ist, und zum anderen, weil unbillige Bräuche nicht zur Ausfüllung von § 354 H G B herangezogen werden können 1 8 6 . Wird der Abzug von der der Empfangsbank vorgeschalteten Zwischenbank vorgenommen, so hat die Empfangsbank aus ihrem Rechtsverhältnis mit dieser gemäß §§ 675, 667 BGB einen Anspruch auf Gutschrift des vollen vom Auftraggeber überwiesenen Betrags. Zu dessen Geltendmachung ist sie dem Überweisungsbegünstigten gegenüber auf Grund des Girovertrags mit diesem verpflichtet, doch kann sie sich trotz des kontokorrentrechtlichen Abtretungsverbots auch durch Abtretung des Anspruchs befreien (vgl. oben Rdn. 349). Ohne eine solche Abtretung ist eine Klage des Überweisungsbegünstigten gegen die Zwischenbank mangels Anspruchsgrundlage unbegründet (richtig daher die AG-Urteile WM 1973 291 f und W M 1979 175). Vereinbaren die Inlands- und die Auslandsbank miteinander, daß der Überweisungsbetrag grundsätzlich um einen bestimmten Satz zu kürzen ist, so ist eine solche Abrede gemäß § 138 BGB nichtig, weil sie generell auf einen Vertragsbruch gegenüber dem Auftraggeber gerichtet ist (Grundsatz der formalen Auftragsstrenge!) und sich überdies im Verhältnis zum Überweisungsbegünstigten wie ein „Vertrag zu Lasten Dritter" auswirkt. Erst recht wäre eine entsprechende Usance mißbräuchlich und demgemäß gegenüber dem Überweisungsbegünstigten grundsätzlich unbeachtlich. c) Mängel des Girovertrags zwischen Empfangsbank und Überweisungsempfänger oder des Schuldversprechens aus der Gutschrift Bei Nichtigkeit des Girovertrags zwischen Empfangsbank und Überweisungsemp- 4 6 2 fänger soll nach überwiegender Ansicht kein Anspruch aus der Gutschrift entstehen 187 . Dieses Ergebnis, das übrigens in Widerspruch zu der Entscheidung RGZ 141 287, 290 a6
Das nimmt die h. L. sogar im Rahmen von § 346 H G B an, vgl. z. B. Schlegelberger/Hefermeh! § 346 Rdn. 40; mag das dort auch fragwürdig sein, so trifft es doch jedenfalls zu, wo der Brauch wie im Falle von § 354 H G B kraft gesetzlicher Verweisung und nicht kraft Vertragsauslegung Berücksichtigung findet.
Vgl. B G H WM 1957, 1574, 1575; 1960, 767, 769; 1962, 263, 269; Kühler S. 204; Otto/Stierle WM 1978, 534 unter 5 b und Stierle S. 102 ff; Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 72; MünchKomm.-//«//cr, 1980, 5 780 Rdn. 39 a. E.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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4. Abschnitt. D i e G i r o ü b e r w e i s u n g
steht, ist für den Fall der Nichtigkeit — anders als für den des gänzlichen Fehlens oder Erlöschens eines Girovertrages (vgl. dazu sogleich unten Rdn. 463 ff) — schon deshalb äußerst problematisch, weil die Gutschrift ein abstraktes Schuldversprechen zur Folge hat und dieses grundsätzlich nur dann nichtig ist, wenn der Mangel sich nicht auf das Kausalverhältnis, also den Girovertrag, beschränkt, sondern auch das abstrakte Geschäft selbst, also das Schuldversprechen, ergreift. Allerdings besteht hier insofern eine Besonderheit, als die Abrede über die Begründung des Schuldversprechens im Wege der Auslegung aus dem Girovertrag selbst zu entnehmen ist (vgl. oben Rdn. 416 f), so daß dessen Nichtigkeit in der Tat ipso iure zur Nichtigkeit des Schuldversprechens führen könnte. Indessen wird man diese Abrede nicht selten entgegen der Vermutung des § 139 BGB aufrechterhalten können, da den Interessen der Parteien und insbesondere des Überweisungsbegünstigten mit der Nichtigkeit aller Gutschriften nicht gedient ist. Darüber hinaus dürfte die fragliche Abrede auf Grund des Abstraktionsprinzips sogar als ein gegenüber dem Girovertrag selbständiges Rechtsgeschäft, auf das § 139 BGB grundsätzlich keine Anwendung findet, anzusehen sein. Daher führen nur solche Mängel zur Nichtigkeit des Schuldversprechens, die dieses selbst ergreifen, während im übrigen allenfalls dessen Kondizierbarkeit gemäß § 812 II BGB in Betracht kommt. — Eine andere Frage ist, wie sich Mängel des Girovertrags zwischen der Bank und dem Uberweisungsempfänger auf dessen Verhältnis zum Uberweisenden auswirken, vgl. dazu unten Rdn. 484.
462a
Mängel des Schuldversprechens aus der Gutschrift selbst sind uneingeschränkt zu berücksichtigen. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln. Dabei kommt als Rechtsfolge nicht nur Nichtigkeit des Schuldversprechens, sondern auch dessen Unklagbarkeit in Betracht wie vor allem bei Gutschriften oder Saldoanerkenntnissen über Schulden aus Börsentermin- oder Differenzgeschäften (vgl. B G H W M 1979 1381, 1383; vgl. dazu im übrigen näher unten Rdn. 1868 ff sowie Großkomm. § 355 Anm. 77 ff). d) Die Rechtsstellung des Uberweisungsempfängers bei Fehlen und nach Erlöschen eines Girovertrags mit der Empfangsbank, insbesondere bei Gutschrift auf einem Konto „pro Diverse"
463
Besteht zwischen dem Uberweisungsempfänger und der Empfangsbank kein Girovertrag, so hat dieser mangels einer entsprechenden Anspruchsgrundlage grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Gutschrift. Denn aus dem Vertrag zwischen der Bank und dem Überweisenden bzw. der Überweisungsbank läßt sich ein solcher Anspruch nicht ableiten, da dieser Vertrag grundsätzlich kein Vertrag zugunsten des Überweisungsempfängers ist (vgl. oben Rdn. 398) und da hier insoweit nichts anderes gelten kann als sonst auch 1 8 8 ; ein Anspruch des Überweisungsempfängers aus eigenem Recht aber kommt wegen des Fehlens eines Girovertrags nicht in Betracht. Nimmt die Bank allerdings eine eingehende Überweisung vorbehaltlos entgegen oder unterläßt sie eine unverzügliche Rücküberweisung, so ist sie dem Überweisungsbegünstigten aus §§681, 667 oder aus §§684, 812 BGB zur Auszahlung der erlangten Deckung verpflichtet. Zahlt sie an eine andere Person als den wahren Überweisungsbegünstigten aus, so hat zwar nicht dieser einen Anspruch aus § 328 BGB gegen sie (a. A. R G 2 105 398, 399 ff), wohl aber hat der Auftraggeber bzw. dessen Bank einen Rückbuchungsanspruch wegen unrichtiger Durchführung des Auftrags (vgl. oben Rdn. 347); die Bank wird also auch dann nicht entlastet, wenn der Anspruch des Begünstigten im Falle von §§681, 667 l«8 Ebenso Meyer-Cording S. 23; Wunsche! N J W 1958, 1765; Nebelung N J W 1959, 1069; Maser
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N J W 1959, 1956; offengelassen von B G H WM 1956, 920, 923; a. A. Schönle § 31 III 3 c 1.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Ü b e r w e i s u n g s e m p f ä n g e r und seiner Bank
BGB an fehlendem Verschulden bzw. der Anspruch aus §§ 684, 812 BGB an §§ 818 III, 819 I BGB scheitert. Der Überweisungsempfänger erlangt auch dann grundsätzlich noch keinen 4 6 4 Anspruch gegen die Empfangsbank, wenn diese ihm den eingegangenen Betrag gutschreibt, was z. B. auf einem Konto „pro Diverse" geschehen kann; er hat also grundsätzlich auch keinen Anspruch aus der Gutschrift 189 . Konstruktiv gesehen ergibt sich das daraus, daß der forderungsbegründende Charakter der Gutschrift sich nur aus dem Girovertrag ableiten läßt (vgl. oben Rdn. 416 f) und daß es an einem solchen hier eben fehlt; wertungsmäßig folgt dieses Ergebnis daraus, daß de lege lata zur Begründung einer Forderung nach dem Vertragsdogma des § 305 BGB nun einmal ein einseitiges Rechtsgeschäft nicht ausreicht, sondern ein Vertrag erforderlich ist. Alle Versuche, eine Forderung ohne Mitwirkung des Überweisungsempfängers entstehen zu lassen, sind daher von vornherein verfehlt (unklar und angreifbar insoweit BGH WM 1959 113). Ein Anspruch aus der Gutschrift kann folglich nur begründet werden, wenn die Bank dem Überweisungsempfänger ein entsprechendes Vertragsangebot macht und dieser es annimmt. Annahme und Angebot können dabei selbstverständlich auch konkludent erfolgen. Insbesondere wird man ein Angebot der Bank in der Nachricht an den Überweisungsempfänger sehen können, daß der Betrag für ihn eingegangen sei; dessen Annahme kann dann z. B. in der Bitte liegen, das Geld für ihn bereitzuhalten, ihm den Betrag gutzuschreiben und dgl., dagegen i. d. R. nicht schon in seinem bloßen Schweigen, da dieses hier mangels besonderer Umstände grundsätzlich ebensowenig eine Willenserklärung darstellt wie sonst auch. Die praktische Bedeutung der Problematik zeigt sich z. B. daran, daß vor Entstehen eines eigenen Anspruchs des Überweisungsempfängers noch ein Widerruf des Überweisenden nach den allgemeinen Regeln möglich ist 190 , sowie daran, daß eine Pfändung durch Gläubiger des Überweisungsbegünstigten ins Leere geht 1 9 1 ; für eine Pfändung des „gegenwärtigen" Guthabens gilt das, weil es insoweit mangels einer entsprechenden Forderung des Überweisungsbegünstigten gegen die Bank (noch) an einem Vollstreckungsgegenstand fehlt, und für die Pfändung des „zukünftigen" Guthabens gilt es, weil (noch) kein Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Drittschuldner besteht und weil sich daher der Rechtsgrund der zukünftigen Forderung nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit angeben läßt (vgl. auch oben Rdn. 186). Dieselben Grundsätze gelten auch dann, wenn der Überweisungsempfänger bereits 4 6 5 Kunde der Bank ist, also bei dieser z. B. ein Sparkonto oder ein Effektendepot hat (nur eben keine Girokonto). Denn in einen anderen Vertrag als einen Girovertrag läßt sich eine stillschweigende Abrede über die forderungsbegründende Wirkung einer Giroüberweisung (!) sinnvollerweise nicht hineininterpretieren, und daher bedarf es auch hier eines besonderen Vertragsschlusses 192 . Allerdings ist die Rechtsstellung eines Kunden insofern besser als die eines Nichtkunden, als die Bank ihm gegenüber auf Grund der bestehenden Geschäftsbeziehung besondere Schutzpflichten hat. Daraus wird sich i. d. R. vor allem ein Anspruch auf Benachrichtigung über den Eingang der Überweisung ergeben, so daß die Bank z. B. schadensersatzpflichtig werden kann, wenn sie den Betrag ohne vorherige Rückfrage bei ihrem Kunden an den Überweisenden zurückgeI»' Vgl. B G H Z 27, 241, 247 f; B G H WM 1959, 113; Meyer-Cording S. 24; Wünschet N J W 1958, 1764 f ; Scbönle § 31 III 3 c Ziff. 2; Scblegelberger/ Hefermehl Rdn. 72. 190 Vgl. B G H Z 27, 241, 248; SchlegelbergerlHefermehl Rdn. 72 a. E.
" I Vgl. B G H Z a a O ; OLG Celle W M 1966, 331, 332; Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 72 a. E. I 92 Vgl. auch Maser N J W 1959, 1956 f; anders Nebelung N J W 1959, 1069 auf Grund der verfehlten Lehre vom „ allgemeinen Bankvertrag" vgl. dazu oben Rdn. 2 ff.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
hen läßt (vgl. auch B G H W M 1961 78, 79 unter III). Darüber hinaus wird der Kunde hier nach Treu und Glauben sogar einen Anspruch auf Abschluß eines Girovertrags haben, sofern die Bank nicht besondere Gründe für die Ablehnung eines derartigen Vertragsschlusses hat (vgl. dazu auch oben Rdn. 6 ff).
465a
Entsprechendes gilt bei einem Erlöschen des Girovertrages wie z. B. bei Aufhebung der Geschäftsverbindung oder Konkurs des Kunden (vgl. dazu im übrigen unten Rdn. 493 und Rdn. 495 ff). Auch hier besteht im Gegensatz zur anfänglichen Nichtigkeit des Girovertrages (vgl. dazu soeben Rdn. 462) grundsätzlich keine Möglichkeit, die anspruchsbegründende Kraft einer etwaigen Gutschrift zu konstruieren. Der Kunde hat jedoch auf Grund einer nachwirkenden Schutzpflicht grundsätzlich zumindest einen Anspruch auf Benachrichtigung, darüber hinaus aber wohl auch auf Auszahlung, so daß die Bank eingegangene Beträge jedenfalls dann nicht ohne weiteres zurücküberweisen darf, wenn die Beendigung des Girovertrages erst kurze Zeit zurückliegt (vgl. auch unten Rdn. 496 zur Lage im Kundenkonkurs). Der Auszahlungsanspruch ergibt sich sowohl aus den Ausführungen oben Rdn. 463 als auch u. U. aus § 812 BGB (oder analoger Anwendung von § 816 II BGB), weil und sofern der Überweisende von seiner Schuld trotz der Auflösung des Kontos frei geworden ist (vgl. dazu unten Rdn. 472 gegen Ende).
V. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Uberweisenden und dem Uberweisungsempfänger 1. Die Erfüllung einer Schuld durch Giroüberweisung a) Die Zulässigkeit der Giroüberweisung und das Einverständnis des Uberweisungsempfängers 466
Eine Schuld kann nicht ohne weiteres durch eine Giroüberweisung getilgt werden 1 9 3 . Außer Zweifel steht zunächst, daß es anders als bei Sachgeld keinen Annahmezwang für Buchgeld gibt. So braucht der Gläubiger sich fraglos grundsätzlich kein Girokonto einzurichten, nur um seinem Schuldner eine bargeldlose Zahlung zu ermöglichen. Schon allein deshalb kann der von Thywissen a a O behauptete gewohnheitsrechtliche Annahmezwang nicht bestehen. Der Gläubiger braucht jedoch auch dann, wenn er ein Girokonto hat, eine Uberweisung auf dieses grundsätzlich — d. h. abgesehen von besonderen, nach § 242 BGB zu beurteilenden Ausnahmefällen wie z. B. bei einer Schuld über einen Millionenbetrag — nicht gegen seinen Willen hinzunehmen; denn die Unterschiede zwischen Buch- und Sachgeld sind so groß und die Gefahren des ersteren für den Empfänger u. U. so vielfältig (vgl. näher oben Rdn. 303 f), daß diese beiden Geldformen rechtlich nicht ohne weiteres als austauschbar angesehen werden können.
467
Daraus ergibt sich zugleich, daß die Giroüberweisung nicht Erfüllung i. S. v. § 362 BGB, sondern nur Leistung an Erfüllungs Statt i. S. v. § 364 I BGB ist 194 . Denn eine Leistung, die echten Erfüllungscharakter hat, kann der Gläubiger grundsätzlich nicht ablehnen, sondern allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände wie z. B. bei einer
193 A. A. Isete A c P 129, 165; Schönle 5 32 I unter abwegiger Berufung auf B G H Z 6, 121; Thywissen BB 1971, 1349 f; differenzierend Duden Der Gestaltwandel des Geldes, 1968, S. 8 mit Fn. 15. 9 ' -> So auch R G Z 133, 253; 134, 76; B G H Z 58, 108, 109 (obiter); B G H N J W 1953, 897; W M 1955, 1473; Meyer-Cording S. 127; a. A. Isele AcP 129,
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165; Schoele S. 236 f; Simitis AcP 159, 449 f f ; Schütz AcP 160, 25; Thywissen BB 1971, 1349 f; Grimberg S. 53; Bärmann/Brink Rdn. 252; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 102; Larenz Schuld12 recht I § 18 IV; von Maydell Geldschuld und Geldwert, 1974, S. 10; Schönle § 32 I; unklar von Caemmerer J Z 1953, 446.
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V . D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Ü b e r w e i s e n d e n und d e m Ü b e r w e i s u n g s e m p f ä n g e r
Erfüllung „zur Unzeit" gemäß § 242 BGB vorübergehend zurückweisen; so ist die Rechtslage aber bei der Uberweisung gerade nicht, zumal selbst ein einmal erklärtes Einverständnis nach herrschender und richtiger Ansicht grundsätzlich jederzeit widerrufen werden kann (vgl. unten Rdn. 472). Aus dem Fehlen eines Annahmezwangs folgt weiterhin, daß die Zulässigkeit der 4 6 8 Giroüberweisung des Einverständnis des Gläubigers voraussetzt 195 . Dieses hat rechtsgeschäftlichen Charakter und unterfällt demgemäß den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB, 346 HGB. Folglich kann es auch konkludent erteilt werden. Das ist regelmäßig ohne weiteres zu bejahen, wenn der Gläubiger dem Schuldner seine Kontonummer mitgeteilt hat, z. B. durch einen entsprechenden Aufdruck auf Briefen oder Rechnungen 1 9 6 . Auch durch die widerspruchslose Entgegennahme von Zahlungen kann das Einverständnis damit zum Ausdruck kommen, daß der Schuldner auch in Zukunft Uberweisungen auf dieses Konto vornimmt (vgl. BGH W M 1955 1473, 1476 unter c). Barzahlungsklauseln machen die Giroüberweisung nicht unbedingt unzulässig 197 . 4 6 9 Ihr Sinn ist vielmehr vielfältig und muß jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände ermittelt werden. Dabei wird sich z. B. nicht selten ergeben, daß die Barzahlungsklausel lediglich die Kreditierung ausschließen soll; einer Zahlung durch Uberweisung steht sie dann nicht entgegen. — Im Sinne eines bloßen Kreditierungsverbots ist auch das Barzahlungsgebot von § 115 I GewO zu verstehen. Die Vorschrift macht daher trotz ihres zwingenden Charakters die bargeldlose Lohnzahlung nicht unzulässig. In der bloßen Eröffnung eines Girokontos kann das Einverständnis nicht gesehen 4 7 0 werden 1 9 8 . Der Gläubiger kann nämlich aus mancherlei Gründen ein Interesse daran haben, die Zahlung nicht durch Überweisung oder nicht durch Überweisung auf ein bestimmtes von mehreren Konten zu erhalten — so z. B., weil das Konto gepfändet ist, weil es ein Debet aufweist oder weil Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Bank bestehen (vgl. auch oben Rdn. 303 f). Daß er sich vor diesen Gefahren durch eine entsprechende Mitteilung an den Schuldner schützen könne 1 9 9 , ist kein überzeugender Gegeneinwand. Denn zum einen wird der Gläubiger eine solche Mitteilung häufig unterlassen, weil er — berechtigterweise! — davon ausgeht, der Schuldner könne das — ihm vom Gläubiger nicht mitgeteilte! — Konto nicht kennen oder weil er an die betreffende Schuld bzw. an deren Fälligkeit gerade nicht gedacht hat; und zum anderen ist der Schuldner auch erheblich „näher daran", beim Gläubiger nachzufragen, weil ihm ja von diesem die Kontonummer gar nicht genannt worden ist. Noch weniger Überzeugungskraft besitzt der Hinweis auf die Möglichkeit zu einer Kündigung des Girokontos 1 9 9 . Es ist nämlich völlig lebensfremd, von dem Kunden eine Kündigung 195
Das ist nahezu allgemeine Ansicht, vgl. z. B. lsele a a O S. 165; Schoele S. 248; Meyer-Cording S. 127 f; von Caemmerer J Z 1953, 446; Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 102; Möschel JuS 1972, 298; anders Schönle § 32 I unter unrichtiger Berufung auf von Caemmerer a a O ; Bärmann/Brink Rdn. 252. Vgl. R G Z 114, 142; 134, 73; RG JW 1927, 1147; BGH WM 1955, 1473; Schoele S. 243; MeyerCording S. 128; Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 102; Möschel JuS 1972, 298; Liesecke WM 1975, 216.
" 7 Vgl. KG J W 1933, 1468; Schoele S. 249 f; Isele AcP 129, 169; Simitis AcP 159, 436 f; Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 103. Vgl. RG GruchBeitr. 37 N r . 41 S. 920 = J W 1892, 483; B G H N J W 1953, 897; Esser Schuldrecht A. T. 4 § 26 IV 2; Fikentscher Schuldrecht 6 §39 I 3; Liesecke WM 1975, 216; Putzo S. 70; anders Schoele S. 236 f; von Caemmerer JZ 1953, 447 f; Schütz AcP 160, 19; Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 102; Erman/Westermannb §362 Rdn. 8; der Sache nach auch Simitis AcP 159, 435 f. I " So z. B. von Caemmerer J Z 1953, 447 f.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
eines Kontos zu erwarten, nur weil dieses z. B. zufällig gerade debitorisch ist, und außerdem entspricht dieser Ausweg i. d. R. weder den Interessen der Bank noch denen des Kunden. Neben der Sache liegt schließlich auch der Hinweis auf Ziff. 4 I AGB. Denn diese Klausel regelt nur das Verhältnis zwischen dem Kontoinhaber und der Bank, nicht aber auch das Verhältnis zwischen dem Kontoinhaber und seinen Schuldnern. Darin eine Ermächtigung der Bank zur Entgegennahme der Zahlung analog §§ 362 II, 185 BGB zu sehen 1 9 9 , ist zwar analog § 182 I BGB rein konstruktiv gesehen nicht ausgeschlossen, stellt jedoch im vorliegenden Zusammenhang eine petitio principii dar; denn es geht ja gerade um die Frage, ob Ziff. 4 I AGB auch im Verhältnis zu den Schuldnern des Kontoinhabers gelten soll, und das könnte man bei einer Klausel in den AGB der Banken angesichts der „Unklarheitenregel" und angesichts der Ungewöhnlichkeit einer gleichzeitigen Regelung des Verhältnisses zu Dritten nur bei einer völlig unmißverständlichen Fassung bejahen. Folgerichtig hat darüber hinaus auch die Uberweisung auf ein anderes als das angegebene Konto grundsätzlich keine Tilgungswirkung. Der Gläubiger kann sich allerdings auf die Abweichung nicht berufen, wenn er trotz dieser die freie Verfügungsmacht über das Geld erlangt hat oder wenn seine Interessen aus einem anderen Grund nicht beeinträchtigt sind; die Ausführungen oben Rdn. 350 gelten entsprechend. 471
Das Einverständnis kann auch nachträglich erteilt werden und insbesondere in dem Schweigen des Uberweisungsempfängers liegen. Auch wenn es dabei dogmatisch gesehen nicht um das bloße Ausbleiben eines Widerspruchs, sondern um die „Annahme" der Überweisung als Erfüllung geht (vgl. B G H N J W 1953 897 Sp. 2), wird man das Schweigen doch im Regelfall als Zeichen der Zustimmung zu werten haben (vgl. auch B G H N J W 1953 897 f). Denn wenn der Gläubiger ein Girokonto hat, ist es ein Gebot der Reibungslosigkeit des Zahlungsverkehrs, daß er Uberweisungen, die er nicht als Erfüllung gelten lassen will, grundsätzlich unverzüglich zurückweist; auch wird der Gläubiger normalerweise gegen eine Zahlung durch Giroüberweisung nichts einzuwenden haben, so daß sein Schweigen typischerweise wirklich Ausdruck des Einverständnisses sein wird. Allerdings kann ausnahmsweise anders zu entscheiden sein, sofern besondere Umstände vorliegen, auf Grund deren der Uberweisende mit einem Einverständnis des Uberweisungsempfängers nicht rechnen darf; denn es geht, wie gesagt, nicht lediglich um die Verletzung einer Pflicht zum Widerspruch, sondern um die Wertung des Schweigens als Zustimmung, und diese ist nur dann möglich, wenn das Schweigen bei objektiver Auslegung wirklich als Zeichen des Einverständnisses gedeutet werden darf. Ob die Ablehnung der Giroüberweisung gegenüber dem Uberweisenden erklärt werden muß oder auch gegenüber der gutschreibenden Bank erfolgen kann, hängt von den Umständen des Falles ab. I. d. R. wird man es genügen lassen müssen, wenn der Überweisungsempfänger die Bank mit der Rücküberweisung beauftragt. Denn mehr als die Rücküberweisung kann der Überweisende grundsätzlich nicht erwarten, und daher zerstört schon sie allein die Konkludenz des Schweigens; auch hat ja der Überweisende den falschen Zahlungsweg gewählt und mag daher das Risiko tragen, daß die Bank die Rücküberweisung nicht rechtzeitig vornimmt. Besondere Umstände können jedoch auch einen Widerspruch unmittelbar gegenüber dem Überweisenden erforderlich machen; das kann z. B. dann anzunehmen sein, wenn dieser ein besonderes Interesse an einer möglichst raschen Benachrichtigung über das Fehlschlagen seines Zahlungsversuchs hat — z. B. wegen besonders einschneidender Wirkungen des Verzugs — und der Überweisungsempfänger das erkennen muß. 248
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V. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger Das einmal erteilte Einverständnis ist im Zweifel bis zur Vornahme der Überwei- 4 7 2 sung frei widerruflich 200 . Wertungsmäßig folgt das daraus, daß sich jederzeit eine Lage ergeben kann, bei der die Giroüberweisung den Interessen des Gläubigers grob zuwiderläuft — wie z. B. beim Entstehen eines Debets auf dem Konto oder bei dessen Pfändung. Konstruktiv läßt sich dieses Ergebnis auf § 183 BGB stützen; denn eben weil Umstände eintreten können, die die Uberweisung ganz oder teilweise f ü r den Gläubiger wertlos machen, ist sein Einverständnis bei einer Interpretation seines Verhaltens nach den §§ 133, 157 BGB, 346 H G B i. d. R. nicht als Angebot zu einer bindenden Abrede, also zu einem Vertrag, sondern lediglich als einseitige und widerrufliche Ermächtigung zu interpretieren, auf die die §§ 182 ff BGB zumindest analoge Anwendung finden können. Im übrigen zeigt sich die Richtigkeit dieses Ergebnisses auch daran, daß der Gläubiger sich in aller Regel dem Schuldner gegenüber nicht zur Beibehaltung seines Kontos verpflichten will und daß er diesem daher die Möglichkeit zur Giroüberweisung auch durch eine Auflösung des Kontos nehmen kann. Diese allein beseitigt allerdings die Ermächtigung zur Giroüberweisung noch nicht ohne weiteres; vielmehr sind insoweit die §§ 170 ff BGB zugunsten des gutgläubigen Schuldners analog anzuwenden, so daß es einer entsprechenden Mitteilung bedarf. § 270 III BGB ist dagegen auf eine „Verlagerung" des Kontos nicht analog anwendbar (vgl. B G H Z 6 121, 127). Ist ein Tilgungsversuch im Wege der Überweisung am fehlenden Einverständnis des 4 7 3 Gläubigers gescheitert, so stellt sich das Problem der Bereicherungshaftung des Kontoinhabers. Dogmatisch gesehen handelt es sich dabei um einen Unterfall der „aufgedrängten Bereicherung", da die Überweisung ohne oder sogar gegen den Willen des Kontoinhabers erfolgt ist. Folglich muß er eine Möglichkeit zur „Abwehr" der Bereicherung haben. Anderenfalls könnte z. B. ein Schuldner, der weisungswidrig auf ein debitorisches oder ein gepfändetes Konto gezahlt hat, einen Bereicherungsanspruch gegen den Kontoinhaber geltend machen, weil dieser durch die Überweisung von seiner Schuld bei der Bank bzw. bei dem Pfandgläubiger befreit und daher in dieser H ö h e bereichert ist; mit diesem Kondiktionsanspruch könnte der Überweisende dann sogar gegen die — nicht getilgte — Forderung des Kontoinhabers aufrechnen. Es ist evident, daß dadurch der Schutz, der durch das Erfordernis des Einverständnisses und durch dessen Widerruflichkeit erzielt werden soll (vgl. oben Rdn. 468 bzw. 472), im praktischen Ergebnis nahezu immer gegenstandslos gemacht würde. Denn der Gläubiger erhielte dann von seinem Schuldner nicht die gewünschte Barzahlung und müßte sich außerdem mit ihm über das Bestehen seiner Schuld bei der Bank bzw. bei dem Pfandgläubiger auseinandersetzen, statt diesem das Vorgehen gegen ihn überlassen zu können; andererseits wäre der Zahlende trotz der Unzulässigkeit der Giroüberweisung im Ergebnis gleichwohl von seiner Schuld befreit, da er diese durch die Aufrechnung mit dem Bereicherungsanspruch tilgen könnte. Als Ausweg bieten sich im wesentlichen zwei Möglichkeiten an: entweder man versagt dem Überweisenden die Aufrechnung (sowie auch ein Zurückbehaltungsrecht und eine Einrede aus § 242 BGB), oder man verneint die Wirksamkeit des Schuldversprechens zugunsten des Kontoinhabers und vermeidet dadurch von vornherein das Entstehen einer Bereicherung. Der erste W e g ist nicht befriedigend; denn angesichts der drohenden Bereicherungsklage nützt die Klage aus der ursprünglichen Forderung dem Kontoinhaber praktisch wenig, und außerdem würde sich bei dieser Lösung nichts daran ändern, daß der Kontoinhaber sich nun mit dem Überweisenden über das Beste200 Vgl. hele a a O S. 165; Schoele S. 248; von Caemmerer J Z 1953, 446; Meyer-Cording S. 128;
Fikenticher a a O (Fn. 198) § 3 9 I 3; a. A. AcP 159, 436.
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Simitis
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4. Abschnitt. D i e G i r o ü b e r w e i s u n g
hen der Schuld bei seiner Bank usw. streiten muß, statt diese Auseinandersetzung allein mit der Bank führen zu können. Daher bleibt nur der zweite W e g übrig, also die Anerkennung eines Zurückweisungsrechts des Überweisungsempfängers. In der T a t ist dieser sowohl dogmatisch als auch interessenmäßig allein folgerichtig. Zu der Problematik der „aufgedrängten Bereicherung" durch eine unerwünschte Gutschrift kann es nämlich überhaupt nur deshalb kommen, weil man im Girovertragsrecht entgegen den allgemeinen Grundsätzen des geltenden Privatrechts ein Schuldversprechen ohne eine besondere Annahmeerklärung des Begünstigten zustande kommen läßt (vgl. oben Rdn. 416 f). Unabhängig davon, welche Konstruktion man dabei im einzelnen zugrunde legt, läßt sich dieser Verzicht auf das Annahmeerfordernis letztlich aber nur aus dem mutmaßlichen Parteiwillen rechtfertigen — wie denn überhaupt die gesamte Konstruktion des Schuldversprechens im Grunde nichts anderes darstellt als eine Konkretisierung des „Willens aller am Giroverkehr Beteiligten" (vgl. z. B. B G H Z 26 167, 171). Dann aber muß man folgerichtig dem Überweisungsbegünstigten auch die Möglichkeit geben, das Entstehen des Schuldversprechens zu verhindern, wenn dieses im Einzelfall einmal nicht seinem Willen entspricht. Als positivrechtliche Grundlage hierzu bietet sich vor allem die Analogie zu § 333 BGB an. Denn ähnlich wie beim berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter erhält auch der Gutschriftempfänger einen Anspruch aus einem Rechtsgeschäft, ohne daß es dazu eines besonderen Mitwirkungsaktes von seiner Seite bedarf, und ebenso wie der „Dritte" im Falle des § 328 BGB muß daher auch der Gutschriftempfänger das Recht haben, diesen Anspruch zu Fall zu bringen. In die gleiche Richtung weist im übrigen auch die Parallele zu sonstigen Fällen der „aufgedrängten" Bereicherung, wo man mit dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB und einer Gestattung der Wegnahme gemäß bzw. analog § 1001 S. 2 BGB hilft 2 0 1 . Das Zurückweisungsrecht wird schließlich auch der Interessenlage voll gerecht 2 0 2 und scheitert auch nicht an Ziff. 4 1 1 und 2 AGB, weil diese Klausel auf die vorliegende Problematik nicht zugeschnitten ist. 474
Eine andere Frage ist, ob ein Widerruf des Einverständnisses auch noch nach Eingang einer Giroüberweisung möglich ist. Daran kann der Uberweisungsempfänger vor allem dann ein Interesse haben, wenn er die Tilgung seiner Forderung statt durch den Erhalt von Buchgeld durch eine Aufrechnung erreichen möchte — z. B., um eine schon verjährte Forderung nach § 390 S. 2 BGB durchzusetzen oder um sich nach § 389 BGB rückwirkend von eingetretenen Verzugsfolgen zu befreien. Das dürfte in der Tat nach dem Rechtsgedanken von §§ 357, 554 I 3 BGB grundsätzlich zu bejahen sein, sofern der Uberweisungsempfänger den überwiesenen Betrag unverzüglich zurücküberweist 2 0 3 . Denn man kann von dem Uberweisungsempfänger schwerlich erwarten, daß er sich stets ein einmal erteiltes Einverständnis — z. B. durch Angabe der Kontonummer auf einem Geschäftsbrief — vor Augen hält und rechtzeitig widerruft, und daher sieht sich der Uberweisungsempfänger hier ähnlich wie in den Fällen der §§ 357, 554 I 3 BGB durch eine einseitige Rechtshandlung des anderen Teils seiner Aufrechnungsmöglichkeit beraubt, so daß er auch hier eine Nachholungsmöglichkeit verdient. Die Lage ist in diesem Punkt bei der Giroüberweisung anders als bei der Barzahlung, da man bei letzterer grundsätzlich erwarten kann, daß der Zahlungsempfänger bei Erhalt des Geldes an seine Aufrechnungsmöglichkeit denkt und sie ausnutzt.
201 Vgl. z. B. B G H Z 23, 61; BGH N J W 1965, 816; ¿02 Vgl. näher Canaris Festschr. zum 100jährigen WM 1972, 389; Palandt/Bassenge 5 951 Anm. 2 c Bestehen der Konkursordnung, 1977, S. 92 f. dd. 203 So Dietrich AcP 170, 544 f; a. A. Larenz aaO (Fn. 194) § 18 VI d = S. 216 Fn. 3. 250
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b) Der Eintritt der Erfüllungswirkung Die Giroüberweisung führt gemäß § 364 I BGB zum Erlöschen der Schuld. Darin 4 7 5 liegt ein wesentlicher Unterschied zur Hingabe eines Schecks oder eines Wechsels, die nach § 364 II BGB im Zweifel nur erfüllungshalber erfolgt und die daher als solche noch keine Tilgungswirkung hat, sowie auch zur Anweisung, bei der gemäß dem — hier nicht etwa analog anwendbaren — § 788 BGB nicht schon die Übernahme einer eigenen Verpflichtung des Angewiesenen gegenüber dem Anweisungsbegünstigten, sondern erst die Zahlung Tilgungswirkung im Valutaverhältnis hat. Der Unterschied ist in der Funktion der Giroüberweisung und insbesondere darin begründet, daß der Uberweisungsempfänger die Bank als seine „Zahlstelle" auswählt und sich mit der Überweisung an diese einverstanden erklärt. Die Überweisungsbank und die Zwischenbanken sind grundsätzlich Erfüllungsge- 4 7 5 a hilfen des Überweisenden, während die Empfangsbank Erfüllungsgehilfin des Überweisungsempfängers ist (vgl. auch unten Rdn. 481). Bei der Filialüberweisung gilt entsprechendes je nachdem, wessen Filiale tätig geworden ist. Haben Überweisender und Überweisungsempfänger ihr Konto bei derselben Filiale, kommt es darauf an, in welcher Funktion die Bank bei dem fraglichen Vorgang tätig geworden ist: als Überweisung- oder als Empfangsbank. Der maßgebliche Zeitpunkt für den Eintritt des Erlöschens ist die Entstehung des 4 7 6 Anspruchs aus der Gutschrift 204 (vgl. dazu näher oben Rdn. 419 ff). Ein früherer Zeitpunkt kann nicht zugrunde gelegt werden 2 0 5 . Vorher hat der Gläubiger nämlich noch keine hinreichend gesicherte Stellung gegenüber der Bank erlangt. Denn bis zur Gutschrift beruht sein Anspruch gegen diese nicht auf einer eigenständigen Rechtsgrundlage, sondern ist „reflexartig" von dem Deckungsverhältnis abhängig, so daß ihm sämtliche Einwendungen aus diesem entgegengesetzt werden können (vgl. oben Rdn. 400); auch kann der Überweisungsauftrag bis zur Gutschrift von dem Überweisenden noch widerrufen werden, weil die Bank den Auftrag ja noch nicht durch Eingehung einer eigenen Verbindlichkeit durchgeführt hat und einem Widerruf daher noch Folge leisten kann und muß (vgl. oben Rdn. 353 ff und 405). Im übrigen ist die Anknüpfung an die Gutschrift auch deshalb sachgerecht, weil erst sie klar nach außen in Erscheinung tritt und weil erst mit ihr die Verfügungsmöglichkeit des Überweisungsempfängers faktisch wie rechtlich endgültig außer Zweifel gestellt ist — mag sie meist auch schon vorher gegeben gewesen sein; die bloße Möglichkeit, über den überwiesenen Betrag schon vor der Gutschrift durch eine Weiterüberweisung zu verfügen (vgl. oben Rdn. 399 a. E.), steht schon deshalb dem Erhalt von Bargeld nicht gleich, weil der Überweisungsempfänger meist gar nicht die für eine solche Verfügung notwendige Kenntnis vom Eingang der Überweisung hat. Auch bei Einzahlung eines Barbetrags auf das Konto des Gläubigers führt erst die Gutschrift zur Erfüllung (vgl. oben Rdn. 424). c) Die Tragung der Verlustgefahr Die Verlustgefahr trägt in Analogie zu § 270 I BGB grundsätzlich der Überwei- 4 7 7 sende 2 0 6 . Um diese geht es z. B., wenn vor Entstehung des Anspruchs aus der Gut204
Vgl. R G Z 54, 332; 82, 96 f; 102, 68; 105, 267; 114, 143; 158, 16; B G H Z 6, 121, 123 ff m. umfassenden Nachw.; 58, 108, 109; B G H W M 1971, 110, 111; Meyer-Cording S. 130; Schlegelherger/ Hefermehl Rdn. 105; Esser a a O (Fn. 198) § 2 6 IV 3; Fikentscber zzO (Fn. 198) § 39 I 3; Larenz a a O
205
206
(Fn. 194) § 14 IV c und § 18 II 2; Schönte § 32 I; Simitis AcP 159, 452 f m. w. Nachw. A. A. Schütz AcP 160, 18 ff; Kupisch WM 1979 Sonderbeilage N r . 3 S. 16 f. Vgl. z. B. Meyer-Cording S. 131; Lorenz a a O (Fn. 194) § 1 4 IV c; Schlegelherger/Hefermehl Rdn. 109; Schönte § 32 I.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
Schrift der Nominalwert der Währung geändert wird wie bei einer Währungsreform. Folglich wird in einem solchen Falle der Schuldner trotz rechtzeitiger Vornahme des Überweisungsauftrags nicht befreit 207 . 478
Zur Verlustgefahr gehört auch das Risiko des Konkurses einer der beteiligten Banken. Dieses liegt bis zum Wirksamwerden des Anspruchs aus der Gutschrift grundsätzlich beim Uberweisenden. Das ergibt sich wiederum aus dem Rechtsgedanken von § 270 I BGB. Es entspricht grundsätzlich auch der Interessenlage 208 , da der Gläubiger erst von der Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift an eine mit dem Erhalt von Bargeld vergleichbare Möglichkeit zur „Rettung" seines Geldes hat; größere Uberweisungseingänge läßt kein vernünftiger Bankkunde längere Zeit einfach auf seinem Girokonto stehen. Uneingeschränkt hat der Uberweisende das Risiko eines Bankenkonkurses allerdings nur bei der Haus- und Filialüberweisung zu tragen 2 0 9 . Bei zwischenbetrieblichen Uberweisungen ist die Analogie zu § 270 I BGB dagegen durch den Sphärengedanken zu modifizieren. Das bedeutet, daß das Risiko eines Konkurses der Empfangsbank dem Uberweisungsempfänger aufzuerlegen ist und ihn demgemäß von dem Augenblick an trifft, in dem diese Deckung erhalten hat 2 1 0 — es sei denn, der Überweisende oder seine Bank bzw. eine von dieser eingeschaltete Zwischenbank wußte vom finanziellen Zusammenbruch der Empfangsbank bzw. von dessen unmittelbarem Bevorstehen oder der Überweisende haftete für Zufall wie vor allem im Falle des Verzuges gemäß § 287 S. 2 BGB. Das Risiko des Konkurses einer Zwischenbank und erst recht das des Konkurses der erstbeauftragten Bank bleibt dagegen beim Überweisenden, da insoweit kein hinreichender Anlaß zu einer Abweichung von der Wertung des § 270 I BGB besteht. d) Die Tragung der Verzögerungsgefahr und die Rechtzeitigkeit der Leistung
479
Im Gegensatz zur Verlustgefahr liegt die Verzögerungsgefahr grundsätzlich beim Überweisungsempfänger. Denn nach §§ 270 IV, 269 I BGB sind Geldschulden im Zweifel Schickschulden, so daß es für die Rechtzeitigkeit der Erfüllung grundsätzlich nicht auf den Eintritt des Leistungserfolges, sondern auf die Vornahme der Leistungshandlung ankommt. Praktische Bedeutung hat das z. B. für die Frage, ob Verzug eingetreten ist, eine etwaige Vertragsstrafe verfallen ist, eine Verfallklausel (z. B. sofortige Fälligkeit der gesamten Restschuld bei Verzug mit zwei Darlehensraten) ausgelöst wird oder eine rechtzeitige Zahlung einer Versicherungsprämie nach § 38 W G vorliegt. Um die Verzögerungsgefahr geht es auch, wenn sich die Kaufkraft mindert wie im Falle der Inflation. Denn durch die Giroüberweisung ändert sich nichts an dem Grundsatz, daß für eine Geldschuld nicht die Kaufkraft maßgeblich ist, sondern der nominelle Betrag der Schuld, und daher kann der Schuldner trotz des zwischenzeitlichen eingetretenen Kaufkraftschwundes noch mit demselben Nominalbetrag erfüllen. Folglich trägt insoweit grundsätzlich der Gläubiger die Gefahr 2 1 1 . Er kann also den Entwertungsschaden nur dann vom Schuldner ersetzt verlangen, wenn dieser die Verzögerung zu vertreten hat und auch die übrigen Voraussetzungen des Verzugs vorliegen. Das207 Vgl. a u c h Meyer-Cording S. 131 f f ; Grimberg S. 5 4 ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 111; Schönle § 32 I. 208 A. A. Schütz a a O u n d w o h l a u c h Kupisch a a O (wie F n . 205). 209 S o mit R e c h t a u c h Schlegelberger/Hefermehl R d n . 109 a. E . ; a. A. o f f e n b a r Meyer-Cording S. 120 f ; z w i s c h e n H a u s - u n d F i l i a l ü b e r w e i s u n g d i f f e r e n z i e r e n d Polke S. 9 3 ff.
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210 S o mit R e c h t Schlegelberger/Hefermehl R d n . 109; ähnlich Putzo S. 72 u n d Polke S. 92 f, d e r freilich n i c h t n u r die T r a g u n g des K o n k u r s r i s i k o s , s o n d e m d e n Eintritt d e r E r f ü l l u n g s w i r k u n g v o r v e r legt; a. A. w o h l S c h ö n l e § 32 I ; z u e n g a u c h E r s t a u f l a g e A n m . 241 u n d 244. 211 A n d e r s Meyer-Cording S. 1 3 2 ; Grimberg S. 5 4 ; Schönle%i 2 1.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger selbe gilt auch bei Wechselkursänderungen 212 , weil und soweit diese die Möglichkeit der Erfüllung mit dem betreffenden Nominalbetrag unberührt lassen und daher lediglich einen Verzögerungsschaden zur Folge haben. Daß für die Rechtzeitigkeit der Erfüllung auf die Vornahme der Leistungshandlung 4 8 0 und nicht auf den Eintritt des Leistungserfolges abzustellen ist, bedeutet entgegen der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Ansicht 2 1 3 nicht, daß eine Vornahme der Leistungshandlung vor Fälligkeitseintritt oder Fristablauf ohne weiteres genügt. Vielmehr muß der Schuldner das seinerseits Erforderliche — also die Erteilung eines Überweisungsauftrags oder die Einzahlung von Bargeld auf das Konto des Gläubigers — grundsätzlich so rechtzeitig vornehmen, daß bei normaler Durchführung mit der Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt zu rechnen ist (wohingegen der Zeitpunkt der Wertstellung insoweit unerheblich ist, weil und sofern er nur die Zinsberechnung und nicht die Verfügungsmöglichkeit beeinflußt, vgl. oben Rdn. 460). W e r also z. B. am Nachmittag des 31. einen Uberweisungsauftrag für ein Konto seines Gläubigers bei einer anderen Bank zur Tilgung einer am 1. des folgenden Monats fälligen Mietzins- oder Darlehensschuld erteilt, nimmt seine Leistungshandlung zu spät vor und gerät mit Ablauf des 1. gemäß §§ 284 II, 285 BGB in Verzug. Denn bei Geldschulden bezieht sich der Fälligkeitstermin im Zweifel auf den Eintritt des Leistungserfolges und nicht lediglich auf die Vornahme der Leistungshandlung. Mit der Verzögerungsgefahr hat das nichts zu tun, da es bei dieser lediglich um das Risiko geht, daß zwischen (rechtzeitiger) Vornahme der Leistungshandlung und Eintritt des Leistungserfolges außergewöhnliche Verzögerungen eintreten, nicht aber auch darum, daß zwischen diesen beiden Akten nach dem normalen Lauf der Dinge eine gewisse Zeitspanne liegt. Demgemäß läßt sich auch aus dem Charakter der Geldschuld als einer Schickschuld nichts für die hier bekämpfte Ansicht herleiten; diese stellt den Gläubiger insoweit vielmehr ebenso wie bei einer Holschuld, was das RG denn auch in der Leitentscheidung R G Z 78 137, 140 ausdrücklich ausgesprochen hat, was sich aber durch den Hinweis auf die Regelung von §§ 270 IV, 269 BGB eben gerade nicht rechtfertigen läßt. Eine ganz andere Frage ist, ob nicht für bestimmte, besonders gravierende Verspätungsfolgen ausnahmsweise die Vornahme der Leistungshandlung vor dem Fälligkeitstermin bzw. dem Fristablauf als ausreichend anzusehen ist. Das ist kein Problem der Verzögerungsgefahr i. S. von §§ 270 IV, 269 BGB, sondern eine Frage der Auslegung der betreffenden Gesetzesnorm oder Vertragsklausel. So hat das RG z. B. aus dem Sinn und Zweck von § 554 I 2 BGB entnommen, daß hier trotz des eher in die Gegenrichtung weisenden Wortlauts „die Vornahme der vom Mieter geschuldeten Erfüllungshandlung" genügt, um das Kündigungsrecht des Vermieters zu Fall zu bringen (vgl. R G Z 99 257, 258). Ähnlich hat das KG vertragliche Verfallklauseln grundsätzlich dahin ausgelegt, daß die Verwirkung nur eintritt, wenn die Leistungshandlung erst nach Fristablauf vorgenommen worden ist (vgl. J W 1927 526; viel zu allgemein demgegenüber R G Z 78 137, 140). Gleiches hat der B G H mit Recht f ü r das Rücktrittsrecht des Versicherers und den Eintritt der Leistungsfreiheit gemäß § 38 W G angenommen (vgl. W M 1964 113) sowie auch für den Eintritt der Leistungsfreiheit gemäß § 3 9 II W G (vgl. B G H Z 44 178 und dazu unten Rdn. 780 f). Im selben Sinne dürfte auch die Regelung von § 326 I 2 BGB auszulegen sein (ebenso i. E. offenbar B G H W M 1959 212
Ebenso i. E. Scblegelberger/Hefermehl Rdn. 110 a. E. 213 Vgl. z . B . R G Z 78, 137, 140; B G H W M 1959, 624, 626; O L G Celle M D R 1969, 1007; Grimberg
S. 55; Putzo S. 73; Schönle § 3 2 I; wohl auch Scblegelberger/Hefermehl R d n . 106 a. E. und LieseofeeWM 1975,300.
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480a
4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
624, 626). Die allgemeinen Verzugsfolgen, also die H a f t u n g für den Verzugsschaden nach § 286 BGB, die Haftungsverschärfung nach § 287 BGB und die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen gemäß §§ 288 BGB, 352 H G B richten sich dagegen nach den allgemeinen Regeln und werden demgemäß schon dann ausgelöst, wenn der Schuldner seine Leistungshandlung schuldhaft so spät vornimmt, daß der Leistungserfolg erst nach dem Fälligkeitstermin oder dem Fristablauf eintritt. Die Abgrenzung zwischen besonderen und allgemeinen Verzugsfolgen wird man dabei danach vornehmen können, ob es in erster Linie darum geht, den Schuldner zu pünktlicher Leistung anzuhalten — dann genügt die termin- oder fristgerechte Vornahme der Leistungshandlung, zumal wenn der Schuldner von Rechts wegen eine Nachholungs- oder Heilungsmöglichkeit hat wie in den Fällen der §§ 326, 554 BGB, 38, 39 W G — oder ob im Vordergrund der Schutz des Gläubigers vor Schäden und sonstigen Nachteilen steht — dann muß die Leistungshandlung so frühzeitig vorgenommen werden, daß bei normalem Verlauf mit termin- bzw. fristgerechtem Eintritt des Leistungserfolgs zu rechnen ist. Zur letzteren Fallgruppe dürfte auch das Fixgeschäft i. S. von §361 BGB gehören, wobei allerdings die Vertragsauslegung auch hier das Gegenteil ergeben kann, während die Verwirkung einer Vertragsstrafe ebenso wie vertragliche Verfallklauseln im Zweifel der ersten Fallgruppe zuzuordnen sind. 481
H a t der Uberweisende den Uberweisungsauftrag rechtzeitig i. S. der vorstehenden Rdn. erteilt, so fallen Verzögerungen bei der Durchführung nach dem Rechtsgedanken von §§ 270 IV, 269 I BGB grundsätzlich in den Risikobereich des Gläubigers. Wird also z. B. nach Erteilung des Uberweisungsauftrags dessen Durchführung durch eine staatliche Blockade des Guthabens des Uberweisenden verhindert, so gerät dieser nicht in Verzug, so daß z. B. eine Verfallklausel bei einer Darlehensschuld nicht eingreift. Ist die Verzögerung allerdings durch eine der eingeschalteten Banken verursacht worden, so kommen ähnlich wie bezüglich der Verlustgefahr Korrekturen mit Hilfe des Sphärengedankens in Betracht. Das gilt jedenfalls für die allgemeine Verzugsfolgen gemäß §§ 286 ff, 361 BGB. Demgemäß ist bezüglich dieser bei zwischenbetrieblichen Überweisungen darauf abzustellen, ob die Bank des Uberweisenden den Auftrag so rechtzeitig weitergeleitet hat, daß bei normalem Verlauf mit der Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift im Fälligkeitszeitpunkt zu rechnen war; denn erst die Absendung des Uberweisungsauftrags an die Empfangsbank entspricht der Absendung von Bargeld an den Gläubiger, und daher bedient sich der Uberweisende hier seiner Bank als seiner Erfüllungsgehilfin bei der Absendung des (Buch)geldes, so daß man ihm von ihr verursachte Verzögerungen grundsätzlich zurechnen kann 2 1 4 . Darüber hinaus wird man ihm wohl sogar solche Verzögerungen, die eine Zwischenbank verursacht hat, zurechnen können 2 1 5 , weil die Wahl des Uberweisungswegs Sache der Bank des Überweisenden ist und daher noch in dessen Sphäre fällt. Bei der Filialüberweisung ist folgerichtig darauf abzustellen, ob die Filiale des Überweisenden den Auftrag rechtzeitig an die Filiale des Überweisungsempfängers abgesandt hat, und bei der Hausüberweisung darauf, ob die kontoführende Stelle die Abbuchung vorgenommen hat; der Unterschied zur Verteilung der Verlustgefahr, bei der eine derartige Differenzierung nicht vorzunehmen ist (vgl. oben Rdn. 478), erklärt sich daraus, daß es hier anders als dort in erster Linie um Verhaltens- und Organisationsrisiken geht und daß man diese ohne weiteres sphärenbezogen zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger aufteilen 214
Vgl. auch Larenz a a O (Fn. 194) § 14 IV c a. E. = S. 165 Fn. 1; insoweit übereinstimmend auch Schlegelberger/Hefermeh/ Rdn. 107; a. A. Grimberg S. 56.
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215
A. A. Schtegelberger/Hefermehl Rdn. 107, wo freilieh nicht zwischen allgemeinen und besonderen Verzugsfolgen unterschieden wird.
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V . D a s Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger
kann, während das z. B. bezüglich des Konkursrisikos, das allenfalls ganz peripher von der mehr oder weniger schnellen Arbeit einer Filiale beeinflußt wird, nicht sinnvoll erscheint. Wesentlich anders ist die Rechtslage bei den besonderen Verspätungsfolgen, bezüglich derer nach den in der vorigen Rdn. entwickelten Regeln eine Vornahme der Leistungshandlung vor Eintritt des Termins bzw. Ablauf der Frist genügt, also insbesondere in den Fällen der §§ 326, 554 B G B , 38, 39 W G . Hier ist es mit dem Zweck der gesetzlichen oder vertraglichen Regelung grundsätzlich nicht vereinbar, dem Schuldner das Risiko von außergewöhnlichen Verzögerungen im Bereich der eingeschalteten Banken aufzubürden, ja es ist mit diesem Zweck sogar grundsätzlich unvereinbar, die Zeitspanne für die Vornahme seiner Handlung durch die Einrechnung der von seiner Bank (oder gar einer Zwischenbank) normalerweise benötigten Zeit zu verkürzen, zumal diese häufig nicht ohne weiteres abzuschätzen ist und die Folgen einer Fehlschätzung angesichts der drohenden außerordentlichen Rechtsnachteile übermäßig sein können. Es ist daher nicht erforderlich, daß vor Eintritt des Termins bzw. vor Ablauf der Frist das Konto des Überweisenden belastet worden ist 2 1 6 oder daß die Bank den Uberweisungsauftrag weitergeleitet hat 2 1 7 , sondern es genügt, daß vorher die Erteilung des Uberweisungsauftrags an die erstbeauftragte Bank erfolgt ist (vgl. auch O L G Celle M D R 1969 1007). N u r diese Lösung macht die Stellung des Uberweisenden in dem erforderlichen Maß von den bankmäßigen Interna und den damit verbundenen Risiken unabhängig. Daß der Uberweisende bis zur Gutschrift die Überweisung grundsätzlich durch die 4 8 2 Ausübung seines Widerrufsrechts zu Fall bringen kann, spielt für die Frage der Rechtzeitigkeit der Leistung grundsätzlich keine Rolle. Denn wenn er davon Gebrauch macht, kommt es ohnehin nicht zum Eintritt des Leistungserfolges, so daß sich die Frage der Rechtzeitigkeit gar nicht stellt, und wenn er davon keinen Gebrauch macht, hat die bloße Existenz des Widerrufsrechts die Interessen des Gläubigers nicht beeinträchtigt. Außerdem wird der Überweisende normalerweise überhaupt nicht auf den Gedanken kommen, auf sein Widerrufsrecht zu verzichten, und daher würde ein solches Erfordernis praktisch weitgehend doch auf die Maßgeblichkeit der Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift hinauslaufen, da das Widerrufsrecht i. d. R. erst in diesem Zeitpunkt entfällt (vgl. oben Rdn. 354 f). Anders mag in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu entscheiden sein wie z. B., wenn der Gläubiger bei der Fristsetzung ausdrücklich einen Widerrufsverzicht gefordert hat oder auf Grund außergewöhnlicher Umstände erkennbar auf die Erlangung einer endgültig gesicherten Rechtsstellung schon mit Erteilung des Überweisungsauftrags angewiesen ist (etwa weil er das Geld dringend braucht und seiner Bank bereits einen Auftrag zur Weiterüberweisung an einen seiner Gläubiger erteilt hat). Noch größere Zurückhaltung ist geboten, wenn lediglich zwischen den beteiligten Banken ein besonderes Widerrufsrecht besteht. Denn dieses wird bei Vorliegen eines ordnungsgemäßen Überweisungsauftrags kaum jemals ausgeübt werden und ist überdies dem Überweisenden so gut wie nie bekannt, so daß er keinen Anlaß hat, die Bank in dieser Hinsicht zu besonderen Schritten zu drängen; das gilt selbst dann, wenn das Bestehen eines solchen Widerrufsrechts tatsächlich zu einer gewissen Verzögerung der Gutschrifterteilung an den Überweisungsempfänger geführt hat (bedenklich und wohl zu streng daher B G H W M 1959 624, 626). 216
S o aber z. B. Meyer-Cording S. 136, Putzo S . 76 und Schönle § 32 I, die allerdings o f f e n b a r nicht nur die b e s o n d e r e n , s o n d e r n auch die allgemeinen V e r z u g s f o l g e n im A u g e haben.
217
S o z. B. E r s t a u f l a g e Anm. 243, w o zu U n r e c h t nicht zwischen allgemeinen und b e s o n d e r e n V e r z u g s f o l g e n differenziert w u r d e .
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung 483
Haben die Parteien § 270 IV B G B bzw. § 36 W G abbedungen und eine Bringschuld vereinbart, ist folgerichtig der Zeitpunkt des Leistungserfolges, also der Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift in jeder Hinsicht ausschlaggebend (vgl. B G H W M 1971 110, 111). Der Schuldner trägt hier also auch das Risiko von (ungewöhnlichen) Verzögerungen bis zur Gutschrifterteilung. e) Die Auswirkungen von Mängeln des „Gutschriftverhältnisses" im Valutaverhältnis
484
Bisher wenig durchdacht ist die Frage, wie sich das Fehlen und die Mangelhaftigkeit des Girovertrags zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank auf das Verhältnis zwischen diesem und dem Überweisenden auswirkt. Unzweifelhaft ist dabei zunächst, daß eine Gutschrift auf einem Konto pro Diverse grundsätzlich für sich allein noch keine Erfüllungswirkung hat 2 1 8 ; denn durch sie erlangt der Überweisungsempfänger noch keinen eigenständigen Anspruch gegen die Bank (vgl. oben Rdn. 464 ff). Die Erfüllungswirkung tritt hier vielmehr folgerichtig erst ein, wenn dieser Anspruch durch einen entsprechenden Vertragsschluß zwischen der Bank und dem Überweisungsempfänger entsteht. Darin wird man dann zugleich analog § 185 II B G B die nachträgliche Erklärung des Einverständnisses mit der Giroüberweisung sehen können.
485
Anders liegt es bei Angabe eines falschen oder überhaupt nicht bestehenden Kontos sowie bei dessen zwischenzeitlich erfolgter Auflösung. Hier hat der Überweisungsempfänger gegenüber dem Überweisenden in zurechenbarer Weise einen Rechtsschein geschaffen und letzterer wird daher, sofern er nicht bösgläubig war, in Analogie zu den §§ 170 ff B G B von seiner Schuld befreit (vgl. auch oben Rdn. 472 a. E.). Dasselbe muß im Ergebnis auch gelten, wenn das in der Gutschrift liegende Schuldversprechen wegen Nichtigkeit des Girovertrags zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank unwirksam oder kondizierbar ist (vgl. dazu auch oben Rdn. 462). Wollte man anders entscheiden und hier die Erfüllungswirkung der Gutschrift verneinen, so würde das nämlich bedeuten, daß sich der Überweisende Einwendungen aus einem Rechtsverhältnis, an dem er nicht beteiligt ist, entgegensetzen lassen müßte und daß er das Risiko für dessen Nichtigkeit mittrüge. Er stünde daher schlechter als der Überweisungsempfänger, der vor Mängeln aus dem Verhältnis zwischen der Bank und dem Überweisenden vollständig geschützt ist (vgl. oben Rdn. 425 ff). Er stünde außerdem schlechter als bei einer Bezahlung mit Sachgeld, da dabei Mängel aus einem Rechtsverhältnis des Gläubigers zu einem Dritten nicht in Betracht kommen. Folglich muß auch insoweit ein Einwendungsausschluß stattfinden mit der Folge, daß die Gutschrift auch dann Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis hat, wenn sie aus Gründen, die allein im „GutschriftVerhältnis" liegen, nur zu einem unwirksamen oder kondizierbaren Schuldversprechen geführt hat. Das gebietet nicht nur das Bestreben nach Gleichstellung zwischen Buchund Sachgeld, sondern auch der sonst ausnahmslos durchgeführte Grundsatz, daß die einzelnen „Seiten" des „Dreiecks" zueinander im Verhältnis der Abstraktion stehen. Im übrigen führen auch die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Risikozurechnung zu demselben Ergebnis. Denn der Überweisungsempfänger schafft durch die Mitteilung der Kontonummer und sein Einverständnis mit der Girozahlung in zurechenbarer Weise einen Scheintatbestand und eine bestimmte Risikoordnung, an denen er sich nunmehr nach den Regeln über den Einwendungsausschluß kraft Rechtsscheins in Analogie zu den §§ 170 ff B G B festhalten lassen muß 2 1 9 . Es ist ihm daher grundsätzlich verwehrt, Mängel aus seinem Verhältnis zur Bank auf seinen Schuldner abzuwälzen, 218
A. A. o f f e n b a r Simitis
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A c P 159, 453 Fn. 197.
2,9
V g l . d a z u allgemein Canaris D i e V e r t r a u e n s h a f tung im deutschen Privatrecht, 1971, S . 107 f, 119 ff und v o r allem S . 132 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger und er ist daher auf seine Ansprüche gegen die Bank beschränkt, die ihm auch bei Nichtigkeit des Girovertrags unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zur Herausgabe der erlangten Überweisungsbeträge verpflichtet bleibt. Nur wenn ein wirksames Einverständnis mit der bargeldlosen Zahlung nicht vorlag oder wenn es an der erforderlichen „Empfangszuständigkeit" fehlte wie z. B. bei mangelnder Geschäftsfähigkeit, kann der Uberweisungsempfänger sich weiterhin an den Uberweisenden als an seinen Schuldner halten. 2. Die Rückabwicklung bei Erfüllung einer Nichtschuld und bei sonstigen Fehlüberweisungen Besteht das Valutaverhältnis zwischen dem Uberweisenden und dem Überweisungs- 4 8 6 empfänger nicht oder ist es aus irgendeinem Grunde nichtig, so findet nach der heute herrschenden und richtigen Lehre von der Leistungskondiktion ein Bereicherungsausgleich nur zwischen den an dem „LeistungsVerhältnis" beteiligten Personen, also hier zwischen dem Uberweisenden und dem Uberweisungsempfänger, statt. Etwas anderes gilt nur, wenn außer dem Valutaverhältnis auch der Uberweisungsauftrag selbst fehlerhaft ist (vgl. dazu oben Rdn. 431 ff). Im übrigen aber ist ein „Durchgriff" in jeder Richtung ausgeschlossen. Daher ist der Uberweisungsempfänger hier keinem Rückforderungsanspruch seiner Bank ausgesetzt (vgl. oben Rdn. 429), sondern nur der Kondiktion des Uberweisenden. Auf der anderen Seite kann aber auch der Überweisende nicht auf die Bank durchgreifen. Das spielt praktisch vor allem dann eine Rolle, wenn die Empfangsbank eine Fehlüberweisung mit einem Sollsaldo des Uberweisungsempfängers verrechnet hat und dieser anschließend zahlungsunfähig geworden ist. Es liegt dann nahe, daß der Überweisende den überwiesenen Betrag von der Bank wiederzuerlangen versucht. Das ist indessen entgegen der von v. Godin in der 2. Aufl. vertretenen Ansicht 220 nicht möglich 221 . Nur diese Lösung ist dogmatisch folgerichtig; denn nur sie trägt der heute nicht mehr ernsthaft in Zweifel zu ziehenden Einsicht Rechnung, daß der Bereicherungsausgleich lediglich zwischen den Parteien des Leistungsverhältnisses, hier also des Valutaverhältnisses, vorzunehmen ist und daß der Durchgriff auf den Dritten — d. h. hier also die Bank — grundsätzlich unzulässig ist. Allein diese Lösung ist überdies auch sach- und interessengerecht (zweifelnd Steindorff Z H R 126 178). Der Überweisende braucht nämlich nicht besser gestellt zu werden, als hätte er die vermeintliche Schuld mit Sachgeld bezahlt. Dann bekäme er für seinen Rückforderungsanspruch gegen den Putativgläubiger aber auch nur die Konkursquote. Auf der anderen Seite darf die Bank nicht schlechter gestellt werden, als hätte der Überweisungsempfänger von dem Überweisenden erlangtes Sachgeld zur Bezahlung seiner Schuld bei ihr verwendet; dieses müßte sie aber auch nicht dem Putativschuldner herausgeben, sondern allenfalls nach den Regeln über die Konkursanfechtung an die Konkursmasse abführen. Außerdem ist auch die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß die Bank im Vertrauen auf die Minderung ihrer Forderung gegen den Überweisungsempfänger diesem weiteren Kredit gewährt oder Sicherungs- und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn unterlassen hat. Sie braucht sich insoweit nicht auf den „konkreten" Vertrauensschutz des §818 III BGB verweisen zu lassen, der ihr u.a. den genauen Nachweis ihres Schadens und die Beweislast auferlegt, sondern kann den „abstrakten" Vertrauensschutz des bereicherungsrechtlichen Durchgriffsverbots bean220 Vgl. von Godin G r o ß k o m m . 2 Anh. I zu § 365 Anm. 39 Ziff. 3. 221 So i. E. auch B G H W M 1970, 191, 192; K G W M 1962, 1384, 1386; O L G H a m m W M 1964, 259;
Obermüller S. 53 f; Liesecke W M 1975, 230; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 112; vgl. ferner zu einer verwandten Fallkonstellation auch R G GruchBeitr. 68, N r . 37 S. 524.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
spruchen; denn auch sonst wird bei vergleichbaren Fällen in „Dreiecksverhältnissen" der Dritte nicht nur über § 818 III BGB, sondern mit dem wesentlich weitergehenden Durchgriffsverbot geschützt. In den — wegen der Uberbetonung rein begrifflicher Gesichtspunkte freilich fragwürdigen — Kategorien der h. L. gesprochen, müßte man sagen, die Bank habe den überwiesenen Betrag durch eine — in der Kontokorrentabrede antizipierte — Leistung des Überweisungsempfängers erlangt, so daß sie allenfalls dessen Leistungskondiktion, keinesfalls aber der Durchgriffskondiktion des Uberweisenden ausgesetzt ist. 487
Daß nur dieses Ergebnis richtig sein kann, zeigt sich im übrigen auch an dem Fall, daß der Überweisungsempfänger nicht einen Soll-, sondern einen Habensaldo hatte; dieser könnte unzweifelhaft voll zur Konkursmasse eingezogen werden und wäre nicht etwa in Höhe der Fehlüberweisung an den Überweisenden auszuzahlen; denn wieder gilt, daß dieser bei der Überweisung von Buchgeld nicht besser als bei der Übereignung von Sachgeld zu stehen braucht. Die Ansicht von Godins führt daher in nicht zu rechtfertigender Weise zu einer Befreiung des Überweisenden vom Konkursrisiko des Überweisungsempfängers, das er nach geltendem Recht nun einmal auch und gerade bei Fehlzahlungen trägt. Man darf diese Wertungen daher auch nicht dadurch umgehen, daß man wie von Godin Zuflucht zu einem vertraglichen Anspruch des Überweisenden gegen seine Bank nimmt. Denn durch diese Konstruktion, die übrigens im überbetrieblichen Überweisungsverkehr ohnehin versagt und schon deshalb unzulänglich ist, wird nicht nur die gesetzliche Verteilung des Konkursrisikos und der vom Abstraktionsprinzip gewährte Verkehrs- und Vertrauensschutz unterlaufen, sondern überdies auch noch gegen den allgemein anerkannten Satz verstoßen, daß das Valutaverhältnis die Bank grundsätzlich nichts angeht. Nur wenn die Bank Kenntnis von der Zahlungseinstellung des Überweisungsempfängers hatte, kann sie zum Unterlassen der Gutschrift verpflichtet sein — doch gilt das ganz allgemein und hat nichts mit dem vorliegenden Problem zu tun (vgl. oben Rdn. 105).
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Zur Bereicherungshaftung des Überweisungsempfängers gegenüber der Konkursmasse bei Erlangung einer Gutschrift nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Überweisenden vgl. unten Rdn. 504. VI. Die Beendigung des Girovertrags 1. Aufhebungsvertrag und Kündigung
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Der Girovertrag kann nach § 305 BGB jederzeit durch einen entsprechenden Aufhebungsvertrag beendet werden. Außerdem kann sein Erlöschen aber auch einseitig durch Kündigung herbeigeführt werden. Da der Girovertrag in starkem Maße durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist und Dienste „höherer Art" zum Gegenstand hat, die „nur auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen", können beide Teile gemäß § 627 BGB ohne Einhaltung einer Frist und ohne Vorliegen eines Grundes jederzeit kündigen (vgl. auch Schoele S. 96; Meyer-Cording S. 109). Dieselbe Befugnis gewährt ihnen auch Ziff. 17 der AGB. Die Kündigung darf jedoch nach §§ 627 II, 671 II BGB nicht „zur Unzeit" erfolgen, sofern nicht ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Auch bei Abdingung des gewöhnlichen Kündigungsrechts bleibt den Parteien die Möglichkeit zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund; denn der Girovertrag stellt ein Dauerschuldverhältnis dar (vgl. oben Rdn. 316), und für dieses gilt kraft zwingenden Rechts das Prinzip, daß bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eine fristlose Kündigung möglich ist. Ziff. 17 S. 2 der AGB enthält freilich ohnehin eine entsprechende Regelung. 258
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VI. Die Beendigung des Girovertrags
Die Erklärung der Kündigung kann auch durch konkludentes Verhalten erfolgen, 4 9 0 da sie grundsätzlich keiner Form bedarf. Sie ist aber im Zweifel nicht schon in der Abhebung des gesamten Guthabens durch den Kunden oder in einer Sperrung des Kontos durch die Bank zu sehen, da beide Maßnahmen nicht den Willen zu einer endgültigen Beendigung des Giroverhältnisses erkennen lassen (vgl. auch Meyer-Cording S. 110; anders Schoele S. 98). Die Wirkung der Beendigung besteht darin, daß die beiderseitigen Rechte und 4 9 1 Pflichten aus dem Girovertrag entfallen und eine Abwicklung der bestehenden Vermögenslage stattzufinden hat. Der Kunde hat also ein etwaiges Debet sofort abzudecken, die Bank hat ein etwaiges Guthaben sofort auszuzahlen. Über dieses kann der Kunde nur noch durch Abhebung in bar oder durch Uberweisung auf ein anderes eigenes Konto, dagegen nicht mehr durch Überweisungen an Dritte verfügen (so auch Schoele S. 99). Nach der Kündigung noch eingehende Zahlungen braucht die Bank dem Kunden zwar nicht mehr auf seinem Konto gutzuschreiben, doch darf sie sie auf Grund einer nachwirkenden Pflicht aus § 242 BGB nicht ohne weiteres zurücküberweisen, sondern muß den Kunden von ihrem Eingang benachrichtigen und sie ihm eine angemessene Zeit bis zu seiner Entscheidung auf dem Konto „pro Diverse" bereithaken. Das gilt jedenfalls so lange, als nach der Lebenserfahrung noch mit Einzahlungen auf das bisherige Konto zu rechnen ist, und jedenfalls dann, wenn es sich um eine normale Auflösung des Kontos und nicht um eine Kündigung der Bank wegen vertragswidrigen Verhaltens des Kunden handelt. 2. Tod und Eintritt der Geschäftsunfähigkeit Der Einfluß von Tod und Eintritt der Geschäftsunfähigkeit bestimmt sich nach den 4 9 2 Vorschriften der §§ 672 f BGB, da der Girovertrag unter § 675 BGB fällt (vgl. oben Rdn. 315). Demnach lassen Tod und Eintritt der Geschäftsunfähigkeit auf Seiten des Kunden den Girovertrag grundsätzlich unberührt (vgl. auch Schoele S. 100 ff; MeyerCording S. 110). Dagegen führt der Tod des Bankiers und der „Tod" der Bank, d. h. bei juristischen Personen das Erlöschen der Rechtsfähigkeit der Bank, gemäß § 673 BGB im Zweifel zur Beendigung des Girovertrags. Bei einer Fusion wird allerdings im Gegensatz zur Auslegungsregel des § 673 BGB i. d. R. der Übergang des Auftrags auf die übernehmende Gesellschaft als gewollt anzusehen sein (vgl. RGZ 150 289). 3. Erlöschen des Kontokorrentverhältnisses Mit dem Girovertrag ist grundsätzlich eine Kontokorrentabrede verbunden (vgl. 4 9 3 oben Rdn. 319). Es ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß die Parteien einen Girovertrag aufrechterhalten wollen, der nicht mehr den kontokorrentrechtlichen Regeln unterliegt. Daher führen die kontokorrentrechtlichen Erlöschensgründe (vgl. Großkomm. § 355 Anm. 109 ff) grundsätzlich auch zu einer Beendigung des Girovertrags (so auch BGHZ 74 253, 255). Konstruktiv ergibt sich das aus § 139 BGB — sei es, daß man die Kontokorrentabrede als Teil des Girovertrags ansieht und § 139 unmittelbar anwendet, sei es, daß man die Kontokorrentabrede als selbständiges Rechtsgeschäft ansieht und § 139 analog anwendet. Praktische Bedeutung dürfte dabei vor allem dem Erlöschensgrund der Beendigung der Geschäftsverbindung zukommen, der z. B. bei der Schließung einer Bank von hoher Hand regelmäßig vorliegt (vgl. aaO § 355 Anm. 111 a. E. m. Nachw.), sowie auch der Übertragung der Geschäftsverbindung (vgl. dazu aaO § 355 Anm. 112). Umgekehrt hat die Beendigung des Girovertrages nicht notwendig das Erlöschen 4 9 4 des Kontokorrents zur Folge. Denn die Erlöschensgründe sind z. T. unterschiedlich Claus-Wilhelm Canaris
259
4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
(vgl. z. B. f ü r den Konkurs des Kunden einerseits a a O § 355 Anm. 114 und andererseits unten Rdn. 495), und § 139 BGB kann nicht immer (unmittelbar oder analog) angewandt werden, da der Fortbestand des Kontokorrents u. U. trotz Erlöschens des Girovertrags durchaus sinnvoll sein kann wie z. B. für den Fall nachträglich noch durchgeführter Überweisungsaufträge oder nachträglich eingegangener Zahlungen (vgl. dazu auch die beiden folgenden Rdn.). 4. Konkurs und Vergleich des Kunden a) Das Schicksal des Girovertrags 495
Der Konkurs des Kunden führt gemäß § 23 Abs. II K O ipso iure zur Beendigung des Girovertrags 222 . Der Konkursverwalter muß daher einen neuen Girovertrag mit der Bank abschließen, wenn er das Konto weiterbenutzen will, doch ist ein solcher Vertragsschluß selbstverständlich auch durch konkludentes Verhalten möglich und i. d. R. in der vorbehaltlosen Fortsetzung des Giroverkehrs durch den Konkursverwalter und die Bank zu sehen.
496
Auch ohne eine Erneuerung des Girovertrags hat die Bank aber gemäß § 23 I 2 K O i. V. m. § 672 S. 2 BGB die Verpflichtung zur Durchführung von Uberweisungsaufträgen des Konkursverwalters, „wenn mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist". Sie erwirbt dann gemäß § 27 K O eine Masseforderung und, sofern das Girokonto ein entsprechendes Guthaben aufwies, in Restriktion des hier seinem Sinne nach nicht passenden § 55 Ziff. 2 K O auch ein Aufrechnungsrecht. Weiterhin hat die Bank unter den Voraussetzungen der §5 23 I 2 K O , 672 S. 2 BGB auch eine Verpflichtung zur Gutschrift von nach Konkurseröffnung eingehenden Beträgen 223 , doch muß sie zuvor grundsätzlich ihrer Warnpflicht gegenüber dem Uberweisenden nachkommen (vgl. zu dieser oben Rdn. 105) und diesem Gelegenheit zu einem etwaigen Widerruf geben. Im übrigen ist zu beachten, daß das von § 672 S. 2 BGB geforderte Vorliegen einer „mit dem Aufschübe verbundenen Gefahr" nicht ohne weiteres bei allen eingehenden Beträgen bejaht werden kann, sondern im Einzelfall geprüft und festgestellt werden muß. Auch wenn es nicht zu bejahen ist, dürfte die Bank aber auf Grund einer „nachwirkenden Vertragspflicht" ebenso wie bei der Kündigung zu einer Mitteilung an den Konkursverwalter und zu einer Bereitstellung des Geldes auf dem Konto „pro Diverse" verpflichtet sein (vgl. auch oben Rdn. 491).
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Die Eröffnung des Vergleichsverfahrens läßt den Bestand des Girovertrags grundsätzlich unberührt, da sie die Verpflichtungsfähigkeit des Vergleichsschuldners nicht berührt und da die §§ 56 ff VerglO demgemäß keine dem § 23 K O entsprechende Vorschrift enthalten. Auch der Erlaß eines allgemeinen oder besonderen Verfügungsverbots nach §§ 59, 62 ff VerglO macht als solcher den Girovertrag nicht unwirksam, sondern führt lediglich dazu, daß die Verfügungsmacht über das Konto auf den Vergleichsverwalter übergeht. Allerdings verliert der in der Kontokorrentabrede enthaltene antizipierte Verrechnungsvertrag durch ein Verfügungsverbot seine Wirkung (vgl. Großkomm. § 355 Anm. 116), doch zieht das nicht die Unwirksamkeit des zugehörigen Geschäftsvertrages nach sich (vgl. a a O Anm. 114), so daß auch die oben Rdn. 493 ver-
222 Vgl. B G H Z 63, 87, 90 f ; 67, 75, 76; Brodmann Z H R 48, 160 und 64, 510; Mez ArchBurgR 30, 106; Meyer-Cording S. 112; Obermüller S. 60; Düringer/Hachenburg/Breit Anm. 17; Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 113; Schönte § 4 V 1; anders Klausing RabelsZ 1932, 125 und Schoele S. 57,
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102 auf G r u n d ihrer Ansicht, der Giroverirag sei ein gesetzlich nicht geregelter Vertrag eigener Art. 223 Vgl. Brodmann Z H R 48, 163; Düringer/Hachenburg/Breit Anm. 17; Schlegelberger/Hefermeht Rdn. 115; a. A. o f f e n b a r Obermüller S. 67 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VI. Die Beendigung des Girovertrags
tretene Anwendung von § 139 BGB auf das Verhältnis von Kontokorrent und Girovertrag nicht zum Zuge kommt. b) Uberweisungseingänge nach Ausbruch der „Krise" Gehen vor Konkurseröffnung, aber nach Ausbruch der „Krise" noch Uberweisun- 4 9 8 gen für den (nachmaligen) Gemeinschuldner ein, so ist die Bank ohne weiteres zur Gutschrift verpflichtet, da der Girovertrag durch den Ausbruch der Krise nicht berührt wird. Die Bank hat dann die Möglichkeit der Konkursaufrechnung 224 . Denn keines der in § 55 K O enthaltenen Aufrechnungsverbote ist seinem Wortlaut nach einschlägig, und eine analoge Anwendung der Vorschrift, insbesondere von Ziff. 3, scheitert daran, daß die ratio legis nicht paßt. § 55 K O soll nämlich die „künstliche", um nicht zu sagen dolose Herbeiführung von Aufrechnungslagen, durch die einzelne Gläubiger sich nachträglich Sondervorteile zu Lasten der übrigen verschaffen, verhindern. Diese Gefahr aber besteht hier grundsätzlich nicht; sie ist ohnehin bei der nachträglichen Begründung von Schulden gegenüber der Masse ungleich geringer als beim nachträglichen Erwerb von Forderungen gegen diese, und sie entfällt hier nahezu vollständig, weil der Eingang von Zahlungen in aller Regel ja nicht auf eine entsprechende Initiative der Bank zurückzuführen ist. Diese kann daher aufrechnen — und zwar auch dann, wenn sie die Gutschrift erst nach Konkurseröffnung erteilt, die Deckung aber noch zuvor erhalten hat 2 2 5 . Ausnahmsweise ist der Bank die Aufrechnung allerdings in Analogie zu § 55 Ziff. 3 KO zu versagen, wenn sie nach Ausbruch der Krise und in deren Kenntnis veranlaßt hat, daß der (nachmalige) Gemeinschuldner Zahlungseingänge, die normalerweise auf anderen Wegen erfolgt wären, auf das bei ihr geführte debitorische Konto geleitet hat. Denn dann handelt es sich um die künstliche Herbeiführung einer Aufrechnungslage — und diese soll durch § 55 Ziff. 3 K O verhindert werden. H a t die Bank Deckung erst nach Konkurseröffnung erhalten, so kann sie den Betrag nicht mit einem Debet verrechnen 2 2 6 ; insbesondere erstreckt sich der von §§ 23 II K O , 674 BGB gewährte Vertrauensschutz nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes nicht auf eine nach Konkurseröffnung erfolgte Verrechnung im Kontokorrent, zumal der antizipierte Verrechnungsvertrag durch die Konkurseröffnung seine Wirksamkeit verliert. Trotz der Zulässigkeit der Konkursaufrechnung kann die Bank die nach Ausbruch 4 9 9 der „Krise" eingegangenen Beträge meist nicht endgültig behalten. Der B G H läßt nämlich entgegen der früher vorherrschenden Ansicht 2 2 7 grundsätzlich die Konkursanfechtung nach § 30 KO zu 2 2 8 . Das ist zutreffend, weil diese Vorschrift anders als § 55 K O nicht auf die Verhinderung eines künstlichen oder unredlichen Erwerbs von Vorzugsrechten abstellt, sondern einen Ausfluß des Gedankens der „par conditio creditorum" 22" Vgl. B G H Z 58, 108, 112; O L G H a m b u r g LZ 1910, 791; O L G Stuttgart W M 1957, 529, 530; Brodmann Z H R 48, 170; Meyer-Cording S. 119; Jaeger K T S 1929, 148; Jaeger/Lenl* 5 53 Rdn. 12; Kumpel BankBetr. 1967, 343 f ; Obermüller S. 48 ff. 225 Vgl. B G H W M 1978, 58, 59; Obermüller S. 45 f; Kubier BB 1976, 802; Canaris a a O (Fn. 202) S. 76; ebenso ferner mit Recht B G H W M 1979, 533, 534 und 535 f ü r eine vor Zahlungseinstellung erfolgte, aber erst danach gutgeschriebene Bareinzahlung.
226 So mit Recht B G H Z 74, 253, 255 ff gegen O L G Düsseldorf DB 1977, 1548 f. 227 Vgl. O L G Stuttgart W M 1957, 530; Brodmann Z H R 48, 169 f; Klein Z H R 55, 194; Meyer-CordingS. 119; Kumpel BankBetr. 1967, 345 f; Obermüller S. 51. 228 Vgl. B G H Z 58, 108, 110 f f ; dem B G H folgend Kubier BB 1976, 803 f f ; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 121; Canaris a a O (Fn. 202) S. 77 ff; Certh BB 1978, 690; a. A. vor allem Obermüller Festschr. f ü r Bärmann, 1975, S. 716 ff.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung darstellt und demgemäß nicht primär an eine unredliche Absicht des Gläubigers, sondern schon an die objektive Schmälerung der Masse nach Ausbruch der Krise anknüpft, also gewissermaßen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger auf den Zeitpunkt des Ausbruchs der „Krise" vorverlegt. Immerhin wird die Bank im Falle von § 30 K O in ihrem guten Glauben geschützt. Der maßgebliche Zeitpunkt für dessen Vorliegen ist der Augenblick des Zahlungseingangs, wobei wiederum nicht erst die Vornahme der Gutschrift, sondern schon der Erhalt von Deckung den Ausschlag gibt 229 . Im übrigen differenziert § 30 K O bezüglich der Anforderung an den guten Glauben zwischen kongruenten und inkongruenten Sicherungs- und Befriedigungsleistungen. Insoweit kommt es auf die Art des Debet und des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses an 2 3 0 . Während es sich bei der Abdeckung eines Uberziehungskredits i. S. von Ziff. 14 III AGB ohne weiteres um eine kongruente Befriedigung handelt (vgl. auch BGHZ 70 177, 183), liegt bei der Abdeckung nichtfälliger Raten eines Ratenkredits eine inkongruente Leistung vor. Letzteres dürfte regelmäßig auch für die Abdeckung eines Kontokorrentkredits gelten, weil und sofern die Bank nicht jederzeit dessen Rückzahlung verlangen kann, sondern ihn vorher kündigen muß; verfügt allerdings der Kunde wieder über die eingegangenen Beträge, was er wegen der revolvierenden Natur des Kontokorrentkredits grundsätzlich darf, so ist § 30 K O nach den Grundsätzen über die „Bardeckung" überhaupt unanwendbar (vgl. BGHZ 70 184 f). Darüber hinaus sollte man § 30 K O auch bei Krediten, die die Bank erst nach Ausbruch der Krise gewährt hat, insbesondere bei Krediten zum Zwecke der Fortführung oder Sanierung des Betriebes, außer Anwendung lassen, es sei denn, die Bank hätte von vornherein erkennen müssen, daß das mit der Kreditgewährung angestrebte Ziel unerreichbar oder daß seine Verfolgung wirtschaftlich sinnlos ist 231 . 500
Die Möglichkeit der Anfechtung versagt im Vergleich, weil die VerglO zwar in § 54 auf die Vorschriften über die Konkursaufrechnung, nicht aber auf die §§ 30 ff K O verweist und daher ein der Konkursanfechtung entsprechendes Institut nicht kennt 2 3 2 . Hier wirkt sich daher die Unanwendbarkeit von § 55 Ziff. 3 K O wesentlich gravierender aus als im Konkurs. Man darf sich dadurch jedoch nicht dazu verleiten lassen, nun doch § 55 Ziff. 3 K O analog anzuwenden; denn dadurch würde man die Wertung, die in dem Fehlen einer vergleichsrechtlichen Anfechtungsregelung liegt, in unzulässiger Weise unterlaufen. Anders ist nur zu entscheiden, wenn die Bank ihren Kunden dazu veranlaßt hat, Zahlungseingänge, die normalerweise auf anderen Wegen erfolgt wären, auf das bei ihr geführte debitorische Konto zu leiten. Dann ist nämlich die Aufrechnung zu versagen (vgl. oben Rdn. 498 Abs. 2), und außerdem läge dann ein unzulässiges Abkommen i. S. von § 8 III VerglO vor. Dagegen ginge es viel zu weit, schon in der bloßen Beibehaltung des Girokontos ein unzulässiges Abkommen i. S. von § 8 III VerglO zu sehen 233 . Das wäre in aller Regel eine bare Fiktion; außerdem fehlt es typischerweise 2
" Vgl. B G H W M 1979, 533, 535 (für den Fall der Bareinzahlung vor Zahlungseinstellung); Canaris a a O (Fn. 202) S. 79 f. « 0 Vgl. zum folgenden näher Canaris a a O (Fn. 202) S. 80 f f ; zustimmend Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck K o n k u r s o r d n u n g 9 § 30 Rdn. 42; i. E. im wesentlichen übereinstimmend auch von Uslar BB 1980, 918; zu undifferenziert Kübler BB 1976, 804 und Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 121 a. E., die grundsätzlich von einer kongruenten Deckung ausgehen.
262
» i Vgl. dazu näher Canaris a a O (Fn. 202) S. 82 f f ; im wesentlichen zustimmend Mentzel/Kuhn/ Uhlenbruck a a O § 30 Rdn. 41; a. A. von Uslar BB 1980, 919. 232 Vgl. statt aller Bley/Mohrbutter Vergleichsordnung 3 , 1968, § 48 Anm. 9. 233 Ebenso i. E. O L G Frankfurt W M 1959, 864; LG H a m b u r g BB 1954, 515 N r . 961; Kumpel BankBetr. 1967, 346 ff; Böhle-Stammschräder, Vergleichsordnung 8 , 1973, § 8 Anm. 4 a. E.; a. A. Bley/Mohrbutter a a O (Fn. 230) § 8 Anm. 35 und Bley K T S 1935, 177 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V I . Die Beendigung des Girovertrags auch an dem E r f o r d e r n i s , d a ß das H a n d e l n der P a r t e i e n g e r a d e mit B e z i e h u n g auf den V e r g l e i c h e r f o l g t ist.
c) Die Durchführung von Uberweisungsaufträgen des Kunden nach Verfahrenseröffnung D i e E r ö f f n u n g des K o n k u r s v e r f a h r e n s hat die U n w i r k s a m k e i t eines Überweisungs- 5 0 1 auftrags des G e m e i n s c h u l d n e r s zur F o l g e 2 3 4 — und z w a r sowohl dann, w e n n e r ihn erst nach K o n k u r s e r ö f f n u n g erteilt, als auch dann, w e n n er ihn z w a r v o r h e r erteilt hat, die D u r c h f ü h r u n g a b e r n o c h nicht e r f o l g t ist. D e n n eine W i r k u n g der vom G e m e i n schuldner g e t r o f f e n e n A n w e i s u n g g e g e n ü b e r der M a s s e k o m m t nicht in B e t r a c h t , weil deren rechtliches S c h i c k s a l g e m ä ß §§ 7 , 8 I K O v o m K o n k u r s v e r w a l t e r b e s t i m m t wird, und eine W i r k u n g g e g e n ü b e r dem k o n k u r s f r e i e n V e r m ö g e n ist nicht gewollt, weil sich die Anweisung j a auf ein bestimmtes K o n t o b e z i e h t und dieses nicht k o n k u r s f r e i ist, sondern in die M a s s e f ä l l t 2 3 5 . F ü r den v o r K o n k u r s e r ö f f n u n g erteilten U b e r w e i s u n g s auftrag ergibt sich die U n w i r k s a m k e i t außerdem a u c h aus der U n w i r k s a m k e i t des G i r o v e r t r a g e s , da die A n w e i s u n g nur hinsichtlich ihrer E n t s t e h u n g abstrakt ist, hinsichtlich ihres F o r t b e s t a n d e s a b e r analog § 168 S. 1 B G B das S c h i c k s a l des z u g r u n d e liegenden Rechtsverhältnisses teilt; für einen nach K o n k u r s e r ö f f n u n g erteilten Ü b e r weisungsauftrag kann a b e r sinnvollerweise nichts anderes gelten. A u c h der B G H f o l g t in seiner neueren R e c h t s p r e c h u n g der „ E r l ö s c h e n s t h e o r i e " 2 3 6 . D i e B a n k k o m m t freilich in den G e n u ß eines verhältnismäßig w e i t r e i c h e n d e n V e r - 5 0 2
trauensschutzes gegenüber dem Erlöschen des Girovertrags und des Überweisungsauftrags. D i e s e r ergibt sich z u n ä c h s t aus § 2 3 I 2 K O i. V . m. § 6 7 4 B G B , w o n a c h der G i r o v e r t r a g zu ihren G u n s t e n so lange als f o r t b e s t e h e n d gilt, bis sie von seinem E r l ö s c h e n K e n n t n i s e r l a n g t hat o d e r erlangt haben m ü ß t e — und z w a r auch d a n n , w e n n die G e m e i n s c h u l d n e r i n durch die K o n k u r s e r ö f f n u n g als H a n d e l s g e s e l l s c h a f t a u f gelöst w o r d e n ist (vgl. B G H Z 63 8 7 , 9 1 ) . D i e B a n k erwirbt d a h e r bei G u t g l ä u b i g k e i t eine F o r d e r u n g aus § 6 7 0 B G B gegen die K o n k u r s m a s s e , d o c h ist diese g e m ä ß § 27 K O lediglich eine g e w ö h n l i c h e K o n k u r s f o r d e r u n g . D a b e i hat es jedenfalls dann sein B e w e n d e n , w e n n die B a n k den Ü b e r w e i s u n g s a u f t r a g des G e m e i n s c h u l d n e r s auf d e b i t o rischer G r u n d l a g e d u r c h g e f ü h r t hat. W a r dessen K o n t o d a g e g e n aktiv, so wird die B a n k n a c h 5 8 I I o d e r I I I K O in H ö h e der Ü b e r w e i s u n g v o n ihrer Pflicht zur R ü c k z a h l u n g des G u t h a b e n s befreit, s o f e r n sie keine K e n n t n i s von d e r K o n k u r s e r ö f f n u n h a t t e 2 3 7 . D e n n w e n n nach § 8 II und I I I K O eine Leistung an den G e m e i n s c h u l d n e r selbst, also h i e r die A u s z a h l u n g seines G u t h a 234
235
Ebenso i. E. z. B. Meyer-Cording S. 112; Obermüller S. 60 f; Wirth S. 45; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 113; Stierle S. 164 f; die Gegenansicht, nach der eine Anweisung durch den Konkurs des Anweisenden entgegen der hier vertretenen „Erlöschenstheorie" nicht berührt wird („Bestandstheorie"), dürfte freilich (noch) h. L. sein, vgl. z. B. Heile Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden, 1976, S. 14 ff; Jaeger/Henckel Großkomm, zur K O ' , 1977, § 8 Rdn. 7 ff und 17 ff m. umf. Nachw. Das berücksichtigt Rdn. 14 und 33 bei löschenstheorie nicht übrigen auch Canaris Fn. 76.
Henckel aaO (Fn. 234) seiner Kritik an der Erhinreichend; vgl. dazu im aaO (Fn. 202) S. 97 ff mit
236
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Vgl. B G H Z 67, 75, 76 f (bezuglich der in einem Domizilvermerk auf einem Wechsel liegenden Anweisung); anders noch B G H W M 1974, 570, 571 (in einem obiter dictum zu der in der Ausstellung eines Wechsels liegenden Anweisung). Vgl. Meyer-Cording S. 114 f; Bötticber Scheck und Giroüberweisung im Konkurs, Diss. Hambürg 1953, S. 76; Obermüller S. 61 ff; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 117 f; Mentzel/Kuhn/ Uhlenbruck aaO (Fn. 230) § 8 Rdn. 6 ; Jaeger/ Henckel aaO (Fn. 234) § 8 Rdn. 27 ff und 42 m. w-
Nachw.; anders Düringer/Hachenburg/Breit Anm. 17; Breit Z H R 64, 610 ff; Schreiber Z H R 66, 353.
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4. A b s c h n i t t . D i e G i r o ü b e r w e i s u n g
bens an ihn, schuldbefreiende Wirkung hat, so muß das auch für in seinem Auftrag vorgenommene Zuwendungen an Dritte gelten, zumal diese nach der Lehre von der „Simultanleistung" ohnehin rechtlich als Leistung der Bank an den Überweisenden anzusehen sind (vgl. oben Rdn. 322). Dabei kann es dann folgerichtig auch keinen Unterschied machen, ob der Überweisungsauftrag vor oder nach Konkurseröffnung erteilt wurde 2 3 8 . Hatte die Bank schon vor Konkurseröffnung dem Überweisungsempfänger ausnahmsweise die Erteilung der Gutschrift bindend zugesagt, so kann sie — ebenso wie beim Scheckkartenscheck und beim bestätigten Akkreditiv und aus dem gleichen Grund wie dort (vgl. unten Rdn. 856 und Rdn. 1079) — auch dann gegen eine Guthabenforderung des Gemeinschuldners aufrechnen, wenn sie zur Zeit der Gutschrift nicht gutgläubig i. S. von § 8 II und III K O war (so auch Obermüller S. 63 f). Sagt die Bank nach Konkurseröffnung dem Überweisungsempfänger die Erteilung der Gutschrift bindend zu, so ist § 8 II und III K O analog anzuwenden, da ein solches Zahlungsversprechen nicht anders behandelt werden kann als das in der Gutschrift selbst liegende Zahlungsversprechen (ebenso i. E. Obermüller S. 65 f). Hat die Bank eine Sicherheit in Händen und will sie diese für eine Konkursforderung aus §§ 23 I 2 K O i. V. m. § 674 BGB in Anspruch nehmen, so dürfte auch hierauf § 8 II und III K O analog anzuwenden sein. Denn einerseits ist eine Sicherheit so eng mit der Aufrechnungsmöglichkeit verwandt, daß man der Bank die Absonderung nicht versagen sollte, obwohl sie die gesicherte Forderung erst nach Konkurseröffnung erlangt hat und zu dieser Zeit die Sicherungsbestellung des (nachmaligen) Gemeinschuldners an sich gemäß § 15 K O keine Wirkung mehr entfalten kann; andererseits aber besteht auch kein Anlaß, die Bank besser zu stellen als im Rahmen von § 8 K O , was im Hinblick auf die unterschiedliche Beweislastverteilung bezüglich des guten Glaubens nach § 674 BGB und nach § 8 III K O praktische Bedeutung hat. 503
Führt die Bank nach Konkurseröffnung einen Überweisungsauftrag des Gemeinschuldners durch, ohne daß die Voraussetzungen von § 8 II oder III K O vorliegen, so entsteht ein Bereicherungsanspruch der Bank gegen den Empfänger der Gutschrift 239 . Es handelt sich hier nämlich um einen Mangel des Überweisungsauftrags selbst, so daß die oben Rdn. 431 ff entwickelten Grundsätze über die Durchgriffskondiktion zum Zuge kommen. Denn der Überweisungsauftrag ist nicht lediglich wegen Erlöschens des Girovertrags unwirksam, was ein unbeachtlicher Mangel des Deckungsverhältnisses wäre, sondern es fehlt darüber hinaus auch an einer wirksamen Tilgungsbestimmung im Valutaverhältnis, da diese nach Konkurseröffnung wegen ihres rechtsgeschäfts- und verfügungsähnlichen Charakters nur noch vom Konkursverwalter gesetzt werden kann; außerdem ist auch die in dem Überweisungsauftrag liegende Anweisung als solche unwirksam (vgl. soeben Rdn. 501 am Anfang). Daher ist das maßgebliche Kriterium für die Gewährung der Durchgriffskondiktion erfüllt (vgl. oben Rdn. 433). Auch der BGH läßt in derartigen Fällen grundsätzlich den Durchgriff gegen den Anweisungsbegünstigten zu 2 4 0 . Er hat allerdings offengelassen, ob das auch dann gilt, wenn dieser bezüglich der Konkurseröffnung gutgläubig ist. Vom hier vertretenen Standpunkt aus ist das zu bejahen, da die Überweisung dem Gemeinschuldner wegen Verlusts der Verfügungsmacht nicht als seine Leistung zugerechnet werden kann und es 238
So auch Meyer-Cording S. 1 1 4 f ; Wirth S. 46 f; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 118. Zustimmend Kubier BB 1976, 805; Mentzel/Kuhn/ Uhlenbruck a a O (Fn. 230) § 8 R d n . 4 ; Staudinger/ 1 Lorenz'' % 812 Rdn. 51; ebenso i. E. ferner Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 119; a. A. Wirth S. 47 f;
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Putzo S. 235 f f ; Jaeger/Henckel a a O (Fn. 234) § 8 Rdn. 33; differenzierend Udo Meyer Der Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen, 1979, S. 130 ff und S. 136 ff. Vgl. B G H Z 67, 75, 78 ff und dazu Canaris a a O (Fn. 202) S. 98 ff.
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
VI. Die Beendigung des Girovertrags
einen Schutz des guten Glaubens gegenüber konkursrechtlichen Verfügungsbeschränkungen (außerhalb des Anwendungsbereichs von §§7 1 HS. 2, 8 II und III KO) grundsätzlich nicht gibt; überdies müßte der Uberweisungsempfänger das Geld sonst wohl nach den in der folgenden Rdn. entwickelten Grundsätzen an die Masse herausgeben, so daß ihm ein Vertrauensschutz in Form des Durchgriffsverbots ohnehin nichts nützen würde. Man sollte es daher bei dem „negativen" und „konkreten" Vertrauensschutz nach § 818 III BGB bewenden lassen (vgl. auch oben Rdn. 441). — Der Durchgriff scheitert auch nicht notwendig an § 814 BGB. Das gilt ganz sicher dann, wenn die Bank keine Kenntnis von der Konkurseröffnung hatte und § 8 II bzw. III K O nur deshalb nicht zum Zuge kommt, weil der Gemeinschuldner kein ausreichendes Guthaben hatte. Es gilt aber auch dann, wenn der Bank der von § 8 III K O geforderte Beweis ihrer Unkenntnis mißlingt; denn nach § 814 BGB muß die Bank sich im Gegensatz zu § 8 III K O nicht entlasten, sondern der Uberweisungsempfänger muß gerade umgekehrt ihr den bösen Glauben beweisen. Statt der Durchgriffskondiktion der Bank eine Leistungskondiktion der Masse gegen den Überweisungsempfänger anzunehmen 2 4 1 und der Bank dann ihrerseits eine Leistungskondiktion gegen die Masse zu geben, ist grundsätzlich nicht möglich. Denn die Bank ist sich bei der Durchführung der Uberweisung in aller Regel der Konkurseröffnung nicht bewußt und will daher nicht eine Leistung an die Masse, sondern an den Überweisenden erbringen 2 4 2 . Anders ist zu entscheiden, wenn die Bank ausnahmsweise wirklich einmal im Bewußtsein der Konkurseröffnung handelt und also an bzw. für die Masse leisten will; sie hat dann folgerichtig nicht die Durchgriffskondiktion gegen den Überweisungsempfänger — und zwar wohl ohne daß es auf § 814 BGB ankommt —, sondern entweder die Leistungskondiktion gegen die Masse, wobei gemäß § 59 Ziff. 4 K O eine Masseforderung vorliegt, oder bei Genehmigung ihrer Leistung durch den Konkursverwalter einen Ersatzanspruch aus §§ 675, 670 BGB, der gemäß § 59 Ziff. 1 K O ebenfalls eine Masseforderung darstellt, oder bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 681 BGB ebenfalls einen Ersatzanspruch aus § 670 BGB, auf den § 59 Ziff. 1 K O analog anzuwenden ist. War der Bank bei der Durchführung der Überweisung die Konkurseröffnung nicht bekannt bzw. bewußt, so kann sie statt des Bereicherungsanspruchs gegen den Überweisungsempfänger auch ihr Stornorecht nach Ziff. 4 III 1 AGB geltend machen. Denn wegen der Unwirksamkeit des Überweisungsauftrags (vgl. oben Rdn. 501) ist die Gutschrift dann „infolge eines Irrtums vorgenommen worden, ohne daß ein entsprechender Auftrag vorliegt"; hierunter fallen auch die Tatbestände des unwirksamen Überweisungsauftrags (vgl. oben Rdn. 449). Wird die Bank dagegen nach § 8 II oder III K O geschützt, so ist ein Bereicherungs- 5 0 4 ansprach der Masse gegen den Überweisungsempfänger gegeben 2 4 3 . Die Bank ist hier nicht entreichert und kann folglich keinen Bereicherungsanspruch haben. Andererseits ist aber auch nicht Erfüllung im Valutaverhältnis eingetreten, weil es gegenüber dem Überweisungsempfänger an einer wirksamen Tilgungsbestimmung fehlte. Seine Forderung ist daher nicht erloschen, und er ist folglich auf Kosten der Masse bereichert. Dabei dürfte auch insoweit wohl nicht eine Leistungskondiktion gegeben sein, da § 8 K O nur das Verhältnis zwischen der Bank und der Masse und nicht das zwischen der " i So Putzo S. 232 f f ; für den Fall einer D u r c h f ü h rung der Überweisung auf Kredit auch Meyer a a O (Fn. 239) S. 136 ff. 242 Vgl. näher Canaris W M 1980, 357 f.
" 3 Ebenso i. E. O L G H a m m W M 1977, 1238, 1239; LG H a m b u r g M D R 1966, 328; Schlegelberger/ Hefermehl Rdn. 119; Jaeger/Henckel aaO (Fn. 234) § 8 Rdn. 31; Putzo S. 234; Stierte S. 166 f.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
Masse und dem Überweisungsempfänger betrifft und da es daher gegenüber diesem an einer der Masse zurechenbaren Leistung fehlt, doch liegen die Voraussetzungen einer Kondiktion wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" vor, weil der Überweisungsempfänger, wie soeben gezeigt, unmittelbar auf Kosten der Masse bereichert ist; unterstützend kann eine Analogie zu § 816 II BGB herangezogen werden. Der Kondiktionsanspruch trifft den Überweisungsempfänger auch nicht unbillig; denn für einen hinreichenden Vertrauensschutz sorgt wiederum § 818 III BGB, der z. B. bei Freigabe einer Sicherheit eingreifen würde. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses zeigt sich im übrigen auch daran, daß der Überweisungsempfänger Sachgeld, das er nach Konkurseröffnung ohne Zustimmung des Konkursverwalters aus der Masse erlangt hat, auch in den Grenzen von § 818 III herausgeben müßte; er braucht daher bei Erwerb von Buchgeld nicht besser zu stehen. Der Kondiktionsanspruch ist dabei grundsätzlich auch dann gegeben, wenn der Gemeinschuldner den Überweisungsauftrag zwar noch vor Konkurseröffnung erteilt hatte, die Gutschrift aber erst nach dieser erfolgt ist (richtig daher i. E. LG Hamburg MDR 1966 338). Auch hier fehlt es nämlich an einer wirksamen Tilgungsbestimmung, weil diese verfügungsähnlichen Charakter hat und die erforderliche Verfügungsmacht im Augenblick des Wirksamwerdens der Tilgungsbestimmung — d. h. in dem Augenblick, in dem der Überweisungsauftrag mit dem Vermerk über den Verwendungszweck dem Überweisungsempfänger zuging — nicht mehr vorlag. Zu demselben Ergebnis führt auch die Überlegung, daß die Erfüllung i. S. von § 362 BGB erst im Augenblick der Gutschrift, also nach Konkurseröffnung, eingetreten ist, und daß sie daher der Konkursmasse gegnüber zwar wohl nicht nach § 7 K O (so aber LG Hamburg aaO), aber doch nach dem Rechtsgedanken des — freilich nicht unmittelbar anwendbaren — § 15 K O unwirksam ist. Schließlich ist auch insoweit wieder auf die Parallele zum Sachgeld zu verweisen; dieses müßte der Überweisungsempfänger auch herausgeben, wenn es zwar vor Konkurseröffnung vom Gemeinschuldner an ihn abgesandt, aber erst nach Konkurseröffnung bei ihm eingetroffen wäre, da der zwischenzeitliche Verlust der Verfügungsmacht die Übereignung grundsätzlich unwirksam macht 2 4 4 . Der Überweisungsempfänger kann sich seiner Rückzahlungspflicht auch nicht durch Aufrechnung entziehen, da seine Verpflichtung erst nach Konkursbeginn entstanden ist und die Aufrechnung daher durch § 55 Ziff. 1 K O ausgeschlossen wird. 505
Die Eröffnung des Vergleichsverfahrens berührt als solches die Wirksamkeit von Überweisungsaufträgen des Vergleichsschuldners ebenso wenig wie die Wirksamkeit des Girovertrags (vgl. dazu oben Rdn. 497). Dagegen führt ein allgemeines oder auf das Konto bezogenes Verfügungsverbot gemäß §§ 62 I, 63 III VerglO grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Überweisungsauftrags. Bei einem allgemeinen Veräußerungsverbot wird die Bank nach § 62 IV VerglO in ähnlicher Weise in ihrem guten Glauben an den Fortbestand der Verfügungsbefugnis des Vergleichsschuldners geschützt wie nach § 8 KO. Bei einem auf das Konto bezogenen Verfügungsverbot besteht dagegen für einen Vertrauensschutz weder Bedürfnis noch Raum, da das Verbot nach § 63 I 2 VerglO der Bank zuzustellen ist. Liegen die Voraussetzungen von § 62 IV VerglO nicht vor oder mißachtet die Bank versehentlich ein ihr zugestelltes besonderes Verfügungsverbot, so hat sie grundsätzlich die Durchgriffskondiktion gegen den Überweisungsempfänger; die Ausführungen oben Rdn. 503 gelten entsprechend. Wird die Bank nach § 62 IV VerglO gegenüber einem allgemeinen Verfügungsverbot geschützt, so kann 244
Vgl. z. B. Soergel/Hefermehl" § 1 3 0 Rdn. 31; Larenz Allg. T e i l ' § 18 II c; Baur S a c h e n r e c h t ^ § 19 B III 2 d.
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VI. Die Beendigung des Girovertrags
der Vergleichsverwalter nach § 812 BGB vom Uberweisungsempfänger die Rückzahlung des Geldes zur Masse verlangen; auch insoweit kann auf die Ausführungen zum entsprechenden Problem im Konkurs verwiesen werden (vgl. die vorigen Rdn.). d) Ersatzaussonderung und dingliche Surrogation Zahlt der (nachmalige) Gemeinschuldner fremdes Geld auf sein Konto ein, so stellt 506 sich die Frage der Ersatzaussonderung gemäß § 46 KO. Der BGH lehnt diese grundsätzlich ab (vgl. B G H Z 58 257, 259 ff). Seine Begründung ist indessen sehr angreifbar. Zweifellos genügt nicht schon der Hinweis, daß die Forderung durch ihre Einstellung in das Kontokorrent ihre „Selbständigkeit" verliert (wenig klar insoweit der BGH aaO); denn jedenfalls bleibt der Bestand der Forderung durch ihre Kontokorrentzugehörigkeit unberührt, so daß sie durchaus noch Gegenstand besonderer Rechtsfolgen sein kann (vgl. Großkomm. § 355 Anm. 53). Der BGH stützt sich denn auch weniger auf diesen Gesichtspunkt als vielmehr darauf, daß die Forderung durch die Saldofeststellung nach der Novationstheorie untergeht. Folgerichtig muß eine Ersatzaussonderung zumindest dann möglich bleiben, wenn nach der Einzahlung des Geldes eine Saldofeststellung nicht stattgefunden hat (zustimmend Liesecke WM 1975 217); da der BGH das Bankkontokorrent mit Recht grundsätzlich nicht als ein Staffelkontokorrent ansieht, sondern von einer periodischen — meist halbjährigen — Saldofeststellung ausgeht (vgl. oben Rdn. 319), bleibt somit ein verhältnismäßig breites Anwendungsfeld für eine Ersatzaussonderung. Noch größer ist dieses, wenn man mit der hier vertretenen Ansicht die Novations- 507 theorie ablehnt (vgl. a a O § 355 Anm. 88 ff). Dann kommt es allerdings darauf an, ob die Forderung nicht durch Verrechnung untergegangen ist. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Konto des Gemeinschuldners im Augenblick der Konkurseröffnung passiv ist oder nach Einzahlung des Geldes passiv gewesen war. Bei einem Aktivsaldo ist dagegen zu fragen, ob die fragliche Forderung noch in ihm enthalten ist — was sich nach der h. L. mit Hilfe der Theorie von der „verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung" beurteilt (vgl. a a O $ 355 Anm. 68 f). nach der hier vertretenen Ansicht dagegen analog SS 366, 396 BGB zu entscheiden ist (vgl. aaO S 355 Anm. 74 ff). In Weiterbildung dieser Vorschriften wird man dabei annehmen können, daß die ersatzaussonderungsfähige Forderung nach dem mutmaßlichen, redlichen Parteiwillen gemäß SS 157, 242 BGB erst nach den älteren (aber gleich sicheren) Forderungen getilgt wird. Praktisch bedeutet das, daß die Ersatzaussonderung insoweit ausgeschlossen ist, als das Geld zur Tilgung von Schulden bei der Bank gedient hat, im übrigen aber möglich bleibt. Das erscheint auch vom Ergebnis her überzeugend. Denn daß die Ersatzaussonderung entfällt, soweit die Bank aus dem Geld Befriedigung für eigene Forderungen erlangt hat, ist nur konsequent, da auch sonst S 46 K O nicht eingreift, wenn jemand mit fremdem Geld seine Schulden bezahlt; daß aber im übrigen die Ersatzaussonderung vom hier vertretenen Standpunkt aus zulässig ist, entspricht dem anzustrebenden — wenn auch de lege lata nicht immer voll zu erreichenden — Ziel der Gleichbehandlung von Buchund Sachgeld (vgl. dazu auch oben Rdn. 444). Erfolgt die Tilgung erst bei der letzten, durch den Konkurs ausgelösten Verrechnung, ist § 46 S. 2 K O analog anzuwenden. Viel zu weit geht dagegen die Ansicht, daß die durch die Einzahlung des Fremdgel- 508 des entstandene Forderung gegen die Bank auf Grund einer dinglichen Surrogation generell dem Eigentümer des Geldes und nicht dem Einzahlenden zustehen soll — und zwar so lange, als sich noch ein entsprechendes Guthaben auf dem Konto befindet 2 4 5 . 2
->5 Vgl. Reinhardt Festschr. für Boehmer, 1954, S. 97; ihm folgend Simitis A c P 159, 462 f; a. A. mit Recht z. B. Liesecke W M 1975, 217.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
Diese Ansicht ist insoweit, als sie auf den jeweiligen Aktivsaldo abstellen will, schon deshalb unhaltbar, weil sie alle Theorien über die Wirkung der kontokorrentrechtlichen Verrechnung mißachtet. Ihr kann aber darüber hinaus und vor allem auch im grundsätzlichen Ausgangspunkt nicht gefolgt werden, weil dem geltenden Recht eine so weit gehende dingliche Surrogation fremd ist. Das ergibt sich vor allem aus § 816 BGB, wo für die hier in Frage stehende Problematik der wirksamen Verfügung durch einen Nichtberechtigten nur ein schuldrechtlicher Surrogationsanspruch gewährt wird; daß Geld hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs nach dem BGB den allgemeinen Regeln über Sachen unterliegt, geht u. a. aus § 935 II BGB hervor. Auch die praktischen Folgen dieser Ansicht sind zumindest problematisch. So fragt sich z. B., wie die Bank bei Auszahlung des Guthabens an den Einzahlenden gegenüber dem (ursprünglichen) Geldeigentümer und wahren Inhaber der Guthabenforderung geschützt werden soll; eine Analogie zu § 407 BGB, an die allenfalls zu denken wäre, erscheint reichlich gewagt. Auch ist es sehr zweifelhaft, ob es mit dem System des BGB zu vereinbaren ist, daß Gläubiger des Kontoinhabers, die das Konto gepfändet haben, sich gemäß § 771 Z P O der Drittwiderspruchsklage des früheren Geldeigentümers ausgesetzt sähen. e) Die Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis bei Konkurs des Uberweisungsempfängers 509
Welche Folgen ein nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Überweisungsempfängers erteilter Überweisungsauftrag im Valutaverhältnis hat, bestimmt sich nach § 8 K O 2 4 6 . Danach wird der Überweisende grundsätzlich gemäß Abs. I von seiner Schuld befreit (bzw. erlangt bei Zahlung auf eine Nichtschuld eine Masseforderung nach § 59 I Ziff. 4 K O wegen einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse). Denn da das Konto in die Masse fällt, gelangt der Anspruch aus der Gutschrift notwendigerweise in diese, so daß die Voraussetzungen von § 8 I K O vorliegen. Läßt die Bank den Gemeinschuldner versehentlich über den gutgeschriebenen Betrag verfügen, so berührt das die eingetretene Erfüllungswirkung nicht, sondern betrifft nur das Verhältnis zwischen der Masse und der Bank.
510
Gleiches gilt bei Erteilung des Überweisungsauftrags vor und Gutschrift nach Konkurseröffnung. Auch hier ist an sich § 8 K O einschlägig, weil der Leistungserfolg erst nach Konkurseröffnung eingetreten ist; denn entweder ist für § 8 K O ohnehin generell auf diesen und nicht auf die Vornahme der Leistungshandlung abzustellen oder es ist doch zumindest bei der Giroüberweisung so zu entscheiden, weil der Überweisende den Eintritt des Leistungserfolges hier bis zur Gutschrift noch durch einen Widerruf verhindern kann. Wiederum greift jedoch Abs. I von § 8 K O ein, so daß der Überweisende befreit wird. Allerdings kommt die Überweisung der Masse nicht in voller H ö h e zugute, sofern die Bank bei einem debitorischen Konto des Gemeinschuldners eine Aufrechnungsmöglichkeit hat — d. h. bei Eingang der Deckung vor Konkurseröffnung (vgl. oben Rdn. 498 bei Fn. 225). Dennoch tritt auch in einem solchen Fall im Valutaverhältnis Erfüllung ein. Dogmatisch ergibt sich das daraus, daß auch hier die Forderung aus der Gutschrift massezugehörig geworden ist — wenn auch u. U. nur für eine „logische Sekunde"; interessenmäßig rechtfertigt es sich daraus, daß die Zulassung der Konkursaufrechnung ihrem Sinn und Zweck nach den Leistenden nichts angeht, sondern allein das Verhältnis zwischen dem Aufrechnungsbefugten und der Masse betrifft, so daß folgerichtig letztere den Nachteil tragen muß. Auf die Frage, ob gegenüber der 246
Vgl. auch Jaeger/Henckel a a O (Fn. 234) § 8 Rdn. 5, wo freilich die entscheidende Frage im
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Dunkel bleibt, welcher Absatz von § 8 K O einschlägig ist.
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V I . D i e Beendigung des Girovertrags
Bank die Möglichkeit der Konkursanfechtung gemäß § 30 K O besteht und wie diese sich zu § 8 I K O verhalten würde, kommt es somit nicht an. 5. Konkurs und Vergleich über das Vermögen der Bank Der Konkurs der Bank läßt die Wirksamkeit des Girovertrags unberührt 247 . Es fehlt 5 1 1 nämlich insoweit an einer entsprechenden Rechtsgrundlage, zumal die Nichterwähnung des Beauftragtenkonkurses in den §§ 673 BGB und 23 K O ein argumentum e contrario nahelegt. Auch mit kontokorrentrechtlichen Erwägungen läßt sich das Erlöschen nicht begründen; zwar hätte eine Beendigung des Kontokorrents gemäß § 139 B G B auch das Ende des Girovertrags zur Folge (vgl. oben Rdn. 493), doch wird der — insoweit maßgebliche — kontokorrentrechtliche Verpflichtungsvertrag (im Gegensatz zu den antizipierten Verfügungsverträgen) durch die Konkurseröffnung grundsätzlich nicht berührt (vgl. Großkomm. § 355 Anm. 114). Dieses Ergebnis ist auch interessegerecht. Insbesondere ermöglicht es die Annahme, daß nach Konkurseröffnung erteilte Gutschriften noch forderungsbegründende Kraft haben. War die Dekkung bereits vor Konkurseröffnung eingegangen, erhält der Überweisungsempfänger einen Anspruch auf die Konkursquote bzw. bei einem passiven Konto die Möglichkeit der Konkursaufrechnung gemäß § 54 I K O (vgl. dazu auch oben Rdn. 498 bei Fn. 225). Im übrigen haben beide Parteien ein Recht zur fristlosen Kündigung des Girovertrags, und zwar nicht nur nach Ziff. 17 der AGB, sondern auch auf Grund des Prinzips, daß der Girovertrag als Dauerschuldverhältnis bei Vorliegen eines wichtigen Grundes — als welcher der Konkurs der Bank zweifellos anzusehen ist — fristlos gekündigt werden kann (vgl. oben Rdn. 489). Für die Erteilung von Überweisungsaufträgen durch die Bank an andere Banken 5 1 2 gelten die oben Rdn. 495 ff entwickelten Grundsätze, da die Bank insoweit nicht die Stellung des Beauftragten, sondern die des Auftraggebers hat 2 4 8 . Die von ihr beauftragten Banken sind daher zur Durchführung der Aufträge i. d. R. nicht mehr verpflichtet. Kommen sie diesen gleichwohl nach, so werden sie gegenüber der Konkursmasse nur im Rahmen des § 23 I 2 K O i. V. m. § 674 BGB und des § 8 II und III K O geschützt, haben jedoch in den übrigen Fällen i. d. R. einen Bereicherungsanspruch gegen den Gutschriftsempfänger. Hat die Bank nach Ausbruch der Krise noch Überweisungsaufträge durchgeführt, 5 1 3 so steht dem Konkursverwalter grundsätzlich das Recht zur Konkursanfechtung gegenüber dem Überweisenden zu. Das ergibt sich aus § 30 Nr. 1 Halbs. 2 K O , sofern der Überweisende ein aktives Konto hatte; denn dann hat dieser durch die Überweisung Befriedigung für seine Forderung gegen die Bank erlangt — ähnlich als wäre ihm sein Guthaben bar ausgezahlt worden. Das gleiche folgt aus § 30 Nr. 1 Halbs. 1 K O , sofern die Überweisung auf debitorischer Grundlage durchgeführt wurde; denn dann hat der Überweisende während der Krise noch Kredit erhalten. Von praktischer Bedeutung kann die Konkursanfechtung im letzteren Fall z. B. sein, wenn der Überweisende seine Schuld durch Aufrechnung tilgen will, da diese dann zwar nicht an einem Aufrechnungsverbot, wohl aber an der Konkursanfechtung scheitert (vgl. B G H Z 58 108 und dazu oben Rdn. 499). Maßgebliches Ereignis dürfte dabei nicht die Erteilung des Überweisungsauftrags oder die Kontobelastung, sondern erst die Entstehung des Anspruchs So auch Scblegelberger/Hefermehl Rdn. 120; Jaeger/Lenfi §23 Anm. 14 ff; anders Mez ArchBürgR 30, 106; Düringer/Hachenburg/Breit Anm. 17; Meyer-Cording S. 120; Wirth S. 49.
248
Vgl. auch Böcticher aaO (Fn. 237) S. 86 ff: Wirth S. 50; Scklegelberger/Hefermehl Rdn. 120.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
aus der Gutschrift sein, da für § 30 KO auf die Vollendung des betreffenden Rechtsvorgangs abzustellen ist 249 und sowohl der Auftraggeber als auch die Bank bis zur Gutschrift den Überweisungsvorgang grundsätzlich durch einen Widerruf hinfällig machen können. § 30 Ziff. 2 K O kommt demgegenüber von vornherein nicht in Betracht; denn der Kunde kann jederzeit Auszahlungen von seinem Girokonto oder die Durchführung von Überweisungsaufträgen verlangen, so daß immer eine kongruente Befriedigung i. S. von § 30 Ziff. 1 K O vorliegt. 514
Auch die Konkursanfechtung gegenüber dem Überweisungsempfänger ist tatbestandlich an sich möglich, sofern nach Ausbruch der „Krise" noch eine Gutschrift erteilt wurde. Das ergibt sich zwar nicht aus § 30 Nr. 1 Halbs. 1 KO, weil die Gutschrift auf Grund einer entsprechenden Deckung vorgenommen worden ist und daher ein „Bargeschäft" darstellt, wohl aber aus § 30 Nr. 1 Halbs. 2 KO, weil der Überweisungsempfänger durch die Gutschrift Befriedigung für seinen Anspruch auf Gutschrift erhalten hat. Praktische Bedeutung hat die Anfechtung hier indessen wohl kaum; denn sie würde nur den Anspruch aus der Gutschrift in den Anspruch auf die Gutschrift zurückverwandeln — und auf beide Ansprüche erhält der Überweisungsempfänger grundsätzlich gleichermaßen die Konkursquote. Hebt der Überweisungsempfänger sein Guthaben ab, so unterliegt die Abhebung als solche der Anfechtung.
515
Im Vergleich gibt es kein der Konkursanfechtung entsprechendes Institut (vgl. oben Rdn. 500). Im übrigen gelten hier die Ausführungen oben Rdn. 505 entsprechend.
516
Hinsichtlich der Verteilung des Insolvenzrisikos im Valutaverhältnis ist zu differenzieren: bei der Haus- und Filialüberweisung trägt es allein der Überweisende, während es bei der überbetrieblichen Überweisung grundsätzlich dem Überweisungsempfänger aufzuerlegen ist, soweit es um die Insolvenz von dessen Bank geht (vgl. näher oben Rdn. 478).
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Die Durchführung von Überweisungsaufträgen nach Entziehung der Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften ist zwar gemäß § 54 KWG strafbar, soweit sie nicht in Zusammenhang mit der erforderlichen Abwicklung des Unternehmens steht, doch berührt das ihre privatrechtliche Wirksamkeit grundsätzlich nicht. Denn da § 54 KWG sich nur gegen die Bank richtet und da auch der Schutz des oder der an der Überweisung beteiligten Dritten nicht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts fordert, liegt kein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB vor. Im Verhältnis zwischen der Bank und dem Überweisenden bedeutet das, daß die in einem Überweisungsauftrag enthaltene Ermächtigung trotz der Erlaubnisentziehung wirksam bleibt bzw. ist und daß die Bank daher bei Durchführung des Auftrags das Konto belasten kann. Die zugleich in dem Überweisungsauftrag liegende Weisung (vgl. oben Rdn. 323 zur Doppelnatur des Überweisungsauftrags) ist allerdings gemäß oder analog §§ 275, 280 bzw. § 306 BGB unwirksam, weil sie auf ein strafbares Verhalten gerichtet ist und dieses einer rechtlich unmöglichen Leistung gleichsteht. Unterläßt die Bank demgemäß die Durchführung des Auftrags, hat sie dies dem Überweisenden unverzüglich mitzuteilen, widrigenfalls sie sich schadensersatzpflichtig macht. Darüber hinaus wird man die Bank auch unabhängig von einer Verletzung ihrer Mitteilungspflicht grundsätzlich als schadensersatzpflichtig ansehen müssen, weil die Gründe für eine Erlaubnisrücknahme nach § 35 II KWG in ihren Verantwortungsbereich fallen und es sich mithin um eine von ihr zu ver-
6. Die Folgen aufsichtsrechtlicher Maßnahmen
2-" Vgl. z. B. Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck (Fn. 230) § 30 Rdn. 29 m. w. N a c h w .
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aaO
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VII. Der beleglose Datenträgeraustausch
tretende Unmöglichkeit handelt; das gilt nach dem Rechtsgedanken von § 279 BGB auch bei einer Erlaubnisrücknahme nach § 35 II Ziff. 5 K W G wegen Gefahr f ü r die Erfüllung der Verpflichtungen der Bank gegenüber ihren Gläubigern. Im Verhältnis zum Überweisungsempfänger bzw. einer Zwischenbank folgt aus der Unanwendbarkeit von § 134 BGB grundsätzlich, daß die Erlaubnisentziehung die Wirksamkeit des Anspruchs aus der Gutschrift nicht beeinträchtigt. Auch eine H a f t u n g des Uberweisungsempfängers aus §§ 830, 823 II BGB kommt nicht in Betracht, da er an der Gutschrifterteilung nicht beteiligt ist und man das bloße Unterlassen einer Zurückweisung der Gutschrift mangels einer entsprechenden Rechtspflicht nicht als unerlaubte Handlung qualifizieren kann. Dagegen erscheint eine H a f t u n g des Uberweisenden aus §§ 830, 823 II BGB denkbar, sofern die Überweisung auf Kredit durchgeführt worden ist; denn man wird § 54 i. V. m. § 35 II K W G wohl als Schutzgesetz zugunsten der Konkurs- oder Vergleichsgläubiger ansehen dürfen. Weiterreichende Wirkungen ergeben sich aus einer Abwicklungsanordnung des 5 1 8 Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen, die dieses gemäß § 38 K W G bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften mit der Erlaubnisentziehung verbinden kann. Da nämlich eine solche Entscheidung nach § 38 I 2 K W G wie ein Auflösungsbeschluß wirkt, gelten nunmehr die Vorschriften über die Liquidation. Das bedeutet vor allem, daß die Befugnis zur Vertretung des Unternehmens jetzt primär bei den Liquidatoren liegt und grundsätzlich durch den Abwicklungszweck beschränkt sein kann; die Einzelheiten gehören ins Gesellschaftsrecht 250 . Erläßt das Bundesaufsichtsamt ein Zahlungsverbot nach § 46 a I 1 Ziff. 1 KWG, so 5 1 8 a sind entgegenstehende Verfügungen, also insbesondere Überweisungen und Barauszahlungen, nach §§ 136, 135 BGB gegenüber den Konkurs- und Vergleichsgläubigern grundsätzlich unwirksam. Die Vorschrift ergänzt § 7 K O und führt zu einer Vorverlagerung der Verfügungsbeschränkung auf den Zeitpunkt des Zahlungsverbots. Demgemäß gibt es grundsätzlich keinen Schutz des gutgläubigen Erwerbs; zwar finden nach §§ 136, 135 II BGB die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, entsprechende Anwendung, doch muß hier insoweit folgerichtig § 7 I Halbs. 2 K O analog angewendet werden, wonach nur die — für den bankgeschäftlichen Zahlungsverkehr nicht in Betracht kommenden — §§ 892 f BGB unberührt bleiben. Zahlungen sind daher nur unter den besonderen Voraussetzungen von S 46 a I 2 K W G wirksam. Zu § 46 a I 1 Ziff. 3 K W G vgl. unten Rdn. 1176 a.
VII. Der beleglose Datenträgeraustausch 1. Banktechnische Grundlagen Das Vordringen der elektronischen Datenverarbeitung hat dazu geführt, daß das 5 1 9 herkömmliche Überweisungsverfahren z. T. von einem automatisierten Zahlungsverkehr durch beleglosen Datenträgeraustausch (Magnetband-Clearing-Verfahren) abgelöst worden ist. Dabei nimmt die Bank Magnetbänder mit Ausführungsaufträgen für Überweisungen und Lastschriften entgegen und liefert Magnetbänder mit eingegangenen Buchungsposten aus. Grundeinheit f ü r die Bearbeitung ist jedoch nicht das Magnetbank als solches, sondern die „logische Datei", die sich ihrerseits aus mehreren „Datensätzen" zusammensetzt. Ein Band kann mehrere Dateien enthalten, eine Datei sich über mehrere Bänder erstrecken (bis zu maximal fünf Bändern). Eine Datei darf 250 Vgl. dazu statt aller Schilling in G r o ß k o m m , zum H G B 3 , § 1 4 9 Rdn. 36 ff; vgl. im übrigen auch
Rittner Bankenaufsicht und Gesellschaftsrecht, Festschr. f ü r Ballerstedt, 1975, S. 105 ff.
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung
nur Gutschriften oder nur Lastschriften enthalten. Für jede Datei ist dem Magnetband ein Auftrag in Form eines besonderen Begleitzettels beizufügen, der bestimmte Mindestangaben enthalten muß und die Funktion eines Sammelüberweisungs- oder -einziehungsauftrages über die Gesamtsumme aller Uberweisungen bzw. Lastschriften hat. Bei der Auslieferung der Magnetbänder werden die darauf enthaltenen Gutschriften bzw. Belastungen unter Verzicht auf Einzelbelege in Form einer Sammelbuchung auf dem Konto des Kunden gebucht. Die Einzelheiten des Verhältnisses zwischen der Bank und dem Kunden sind in besonderen Geschäftsbedingungen geregelt (abgedruckt unten Rdn. 526). 520
Im zwischenbetrieblichen Uberweisungsverkehr werden die Magnetbänder entweder als solche an das nächste Kreditinstitut — z. B. eine Girozentrale — weitergeleitet oder es wird ihr Inhalt im Wege der Datenfernübertragung per Fernschreiber übermittelt; im letzteren Fall erstellen das absendende und das empfangende Institut ein Maschinenprotokoll, das inhaltlich dem Magnetbandbegleitzettel entspricht. Soweit eine beleglose Weiterleitung nicht möglich ist, werden die Uberweisungen in Belegform nach den Aufbereitungsvorschriften für Massenzahlungen im „Endlosband" ausgeführt. Das gilt insbesondere für den Fall, daß der Überweisungsempfänger nicht am Magnetband-Clearing-Verfahren beteiligt ist. Eine Kontrolle, ob die Voraussetzungen einer Gutschrift vorliegen (Disposition), findet im Gegensatz zum herkömmlichen Verfahren grundsätzlich nicht statt — und zwar auch dann nicht, wenn die Uberweisungen auf einem „Endlosblatt" ausgedruckt und Einzelbelege an die Uberweisungsempfänger übermittelt werden (vgl. die in dem Urteil des O L G H a m m W M 1979 339, 341 wiedergegebene Sachverständigenauskunft). Im einzelnen sind die Beziehungen zwischen den beteiligten Kreditinstituten in vertraglich vereinbarten „Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch" geregelt (abgedruckt unten Rdn. 527). Diese stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. 2. Bankrechtliche Besonderheiten a) Erteilung und Durchführung des Uberweisungsauftrags
521
Die Erteilung des Überweisungsauftrags erfolgt durch die Übergabe von Magnetband und Begleitzettel. Daß dieser nach Ziff. I 6 der betreffenden AGB die Funktion eines Sammelüberweisungsauftrags hat, bedeutet lediglich, daß sich der Anspruch der Bank auf einen Vorschuß gemäß § 669 BGB (vgl. oben Rdn. 343) und das daraus folgende Recht zu einer sofortigen Kontobelastung nach dem Begleitzettel richtet. Im übrigen ist grundsätzlich der Inhalt des Magnetbandes maßgeblich. Denn dieses enthält die einzelnen Uberweisungsaufträge und damit die der Bank jeweils erteilten girovertraglichen Weisungen. Demgemäß gibt bei Unstimmigkeiten zwischen Begleitzettel und Magnetband grundsätzlich letzteres den Ausschlag, doch darf die Bank in einem solchen Fall gemäß Ziff. II 3 AGB das Magnetband u n d / o d e r den Begleitzettel an den Kunden zurückgeben.
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Der Rückruf eines Magnetbandes ist gemäß Ziff. I 8 AGB ausgeschlossen, sobald die Bank mit dessen Bearbeitung begonnen hat. Der Widerruf eines einzelnen Überweisungsauftrags kann gemäß Ziff. I 8 AGB nur außerhalb des Magnetband-Clearing-Verfahrens vorgenommen werden. Er muß daher möglichst rasch an die Bank des Zahlungsempfängers weitergeleitet werden. Das wird dadurch erleichtert, daß die erstbeauftragte Bank sich gemäß Ziff. II 4 a der „Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch" unmittelbar mit der Bank des Überweisungsempfängers in Verbindung setzen darf, d. h. dieser gegenüber auch bei Zwischenschaltung einer weiteren Bank das girovertragliche Widerrufsrecht hat. Zu einem solchen Vorgehen ist die erstbeauftragte 272
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VII. Der beleglose Datenträgeraustausch Bank gegenüber ihrem Kunden grundsätzlich verpflichtet, da dieser hier so wenig wie sonst ein Widerrufsrecht gegenüber der Bank des Empfängers hat, die nicht mit ihm, sondern nur mit der zwischengeschalteten Bank in girovertraglichen Beziehungen steht. Für die Durchführung der Überweisungsaufträge gelten grundsätzlich die allgemei- 5 2 3 nen Regeln (vgl. oben Rdn. 326 ff). Eine Besonderheit könnte sich allerdings daraus ergeben, daß z. T . die Belege für die Uberweisungsempfänger maschinell hergestellt werden und dabei eine Kontrolle, ob der N a m e des Überweisungsbegünstigten und des Kontoinhabers übereinstimmen, nicht stattfindet. Daraus könnte man den Schluß auf die alleinige Maßgeblichkeit der Kontonummer ziehen (so in der T a t O L G H a m m W M 1979 339, 341). D a f ü r läßt sich auch anführen, daß die Bank nach der Regelung von Ziff. 4 III 2 A G B der Privatbanken ohnehin ganz allgemein „die angegebene Kontonummer des Zahlungsempfängers als maßgeblich ansehen darf". Freilich kann die Gültigkeit dieser Klausel für den normalen Uberweisungsverkehr nicht anerkannt werden (vgl. oben Rdn. 331). Beim automatischen Ausdruck der Belege liegt es indessen insofern anders, als hier nicht wie bei Vornahme einer manuellen Buchung oder einer individuellen Disposition die Namenskontrolle im Rahmen eines ohnehin erfolgenden Vorgangs stattfinden kann, sondern einen eigenen Arbeitsgang erfordern und damit den Rationalisierungseffekt teilweise wieder hinfällig machen würde. D a s allein kann jedoch den Verzicht auf die Kontrolle nicht rechtfertigen, da der Schaffung erhöhter Risiken durch Automation u. U . durch Verschärfung der Sorgfaltsanforderungen zu begegnen ist (vgl. auch unten Rdn. 810). Es kommt jedoch hinzu, daß zur Teilnahme am beleglosen Datenträgeraustausch nicht alle Bankkunden, sondern nur bestimmte Großkunden wie die öffentliche Hand, Versicherungen und dgl. sowie kaufmännische Unternehmen zugelassen werden. Diesen wird man es überlassen können, selbst über die Eingehung der Risiken zu entscheiden, die mit dem Verzicht auf die Namenskontrolle verbunden sind. Allerdings sollte man dann der erstbeauftragten Bank eine Pflicht zur Aufklärung des Auftraggebers über das Unterbleiben der Kontrolle auferlegen, zumal hierüber in den einschlägigen Sonder-AGB nichts steht und Ziff. 4 III 2 der allgemeinen A G B keinen erkennbaren Bezug auf den beleglosen Datenträgeraustausch aufweist und auch sonst recht unauffällig ist. Das Unterbleiben einer solchen Aufklärung begründet jedoch nur Schadensersatzpflichten mit der Folge, daß regelmäßig ein Abzug nach § 254 B G B zu machen ist und die Bank den Anspruch sogar gänzlich zu Fall bringen kann durch den Nachweis, daß der Kunde auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht von der Teilnahme am beleglosen Datenträgeraustausch Abstand genommen hätte. Dagegen ginge es wohl zu weit, den Überweisungsauftrag trotz der Besonderheiten dieses Verfahrens und trotz Ziff. 4 III 2 A G B dahin auszulegen, daß mangels einer besonderen Aufklärung des Kunden der N a m e des Überweisungsbegünstigten Vorrang vor der Kontonummer hat; vielmehr ist Ziff. 4 III 2 A G B im Wege einer Reduktion des Anwendungsbereichs für den beleglosen Datenträgeraustausch als gültig anzuerkennen (vgl. dazu allgemein Capelle/Canaris, Handelsrecht 1 9 , § 1 5 I 3 e m. Nachw. zum Streitstand). b) Die Gutschrift Werden eingegangene Buchungsposten auf Magnetbändern an den Kunden ausge- 5 2 4 liefert, so fragt es sich, ob der Anspruch aus der Gutschrift durch die Eingabe der Einzelposten in das Band oder durch die in Ziff. III 1 vorgesehene Sammelbuchung entsteht. D a s dürfte grundsätzlich im letzteren Sinne zu entscheiden sein. Denn auch hier Claus-Wilhelm Canaris
273
4. Abschnitt. D i e Giroüberweisung
e r l a n g t der Ü b e r w e i s u n g s e m p f ä n g e r eine mit der B a r z a h l u n g v e r g l e i c h b a r e S t e l l u n g n u r durch den B u c h u n g s a k t und dessen M a n i f e s t a t i o n (vgl. dazu n ä h e r o b e n R d n . 4 1 9 ff). A u ß e r d e m k a n n n u r durch die A n k n ü p f u n g an diesen der Z e i t p u n k t für die E n t s t e h u n g des Anspruchs aus der G u t s c h r i f t einheitlich und genau bestimmt w e r den, w ä h r e n d man bei Abstellung auf die E i n g a b e in das B a n d z u r sukzessiven E n t s t e hung z a h l l o s e r E i n z e l a n s p r ü c h e k ä m e . W a s im übrigen die praktisch besonders w i c h tige F r a g e nach der zeitlichen B e g r e n z u n g der W i d e r r u f s m ö g l i c h k e i t a n g e h t , so ist kein G r u n d dafür ersichtlich, diese schon mit der A u f n a h m e der b e t r e f f e n d e n B u c h u n g in das B a n d und nicht erst mit der S a m m e l b u c h u n g entfallen zu lassen, da die B a n k bis zu deren E r t e i l u n g b z w . M a n i f e s t a t i o n o h n e weiteres einen e n t s p r e c h e n d e n A b z u g m a c h e n und n u r einen um die widerrufene Ü b e r w e i s u n g verminderten B e t r a g g u t schreiben kann. W i r d freilich die S a m m e l g u t s c h r i f t erst nach der Auslieferung des B a n des an den K u n d e n v o r g e n o m m e n , so wird m a n den Auslieferungszeitpunkt als e n t scheidend a n z u s e h e n h a b e n . Liegt u m g e k e h r t die M a n i f e s t a t i o n der G u t s c h r i f t e r t e i l u n g v o r B e g i n n der B e a r b e i t u n g des Bandes, so ist auf den Z e i t p u n k t abzustellen, zu dem es letztmals technisch und organisatorisch möglich ist, die E i n g a b e der b e t r e f f e n d e n Ü b e r w e i s u n g in das B a n d zu verhindern. 525
D e r Anspruch auf die G u t s c h r i f t richtet sich wie sonst auch nach den e i n g e g a n g e nen Ü b e r w e i s u n g s a u f t r ä g e n . N i m m t also die B a n k in das B a n d einen B u c h u n g s p o s t e n o h n e entsprechenden A u f t r a g a u f o d e r erteilt sie versehentlich eine zu h o h e S a m m e l gutschrift, so hat sie einen RückZahlungsanspruch aus § 8 1 2 B G B bzw. das S t o r n o r e c h t nach Ziff. 4 III A G B .
3. Die Texte der einschlägigen AGB 526
Bedingungen für die Beteiligung von Kunden am automatisierten Zahlungsverkehr durch beleglosen Datenträgeraustausch (Magnetband-Clearing-Verfahren) November 1977 I. Allgemeine Verfahrensbestimmungen 1. D i e Bank nimmt zur Vereinfachung des automatisierten Zahlungsverkehrs durch beleglosen Datenträgeraustausch (Magnetband-Clearing-Verfahren) Magnetbänder mit Ausführungsaufträgen für Uberweisungen und Lastschriften entgegen und liefert Magnetbänder mit eingegangenen Buchungsposten aus. Bei Ausführungsaufträgen für Lastschriften müssen dem Kunden (Zahlungsempfänger) Einzugsermächtigungen der Zahlungspflichtigen vorliegen. Lastschriften aufgrund von Abbuchungsaufträgen sind im Magnetband-Clearing-Verfahren nicht zugelassen. 2. D i e Magnetbänder müssen in Satz- und Dateiaufbau und in den Spezifikationen den Angaben gemäß der Anlage 1 entsprechen. 3. Die Angaben zum Verwendungszweck haben sich in aussagefähiger K u r z f o r m ausschließlich auf den Zahlungsverkehrsvorgang zu beziehen. Für die Bezeichnung des A u f t r a g g e b e r s / Z a h lungsempfängers sollen möglichst nur 13 Stellen belegt werden. Dies gilt vor allem für den Teil regelmäßig wiederkehrender Zahlungen, bei dem der Empfänger/Zahlungspflichtige aus der Kurzbezeichnung den jeweiligen Auftraggeber/Zahlungsempfänger ohne weiteres erkennen kann. 4. Für die Verwendung von Textschlüsseln gelten die „Richtlinien für einheitliche Zahlungsverkehrsvordrucke" und die Anlage 2. 5. V o r Anlieferung eines Magnetbandes an die Bank und nach Erhalt eines Magnetbandes ist eine Aufzeichnung mit dem vollständigen Magnetbandinhalt, d. h. einschließlich eventueller Erweiterungsteile, zu erstellen. D i e B a n k ist berechtigt, die Überlassung der Aufzeichnung zu verlangen. 6. Bei Anlieferung eines Magnetbandes ist für jede Datei ein Auftrag in Form des M a g n e t bandbegleitzettels in zweifacher Ausfertigung gemäß Anlage 3 beizufügen. D e r Kunde hat den
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VII. Der beleglose Datenträgeraustausch Magnetbandbegleitzettel, der gleichzeitig die Funktion eines Sammelüberweisungs- oder Einziehungsauftrages über die Gesamtsumme aller Überweisungen oder Lastschriften hat, rechtsverbindlich zu unterschreiben. Die Magnetbänder sind durch Aufkleber gemäß Anlage 4 zu kennzeichnen. 7. Der Kunde ist verpflichtet, vor der Anlieferung und nach Erhalt eines Magnetbandes die Kontrollmaßnahmen gemäß der Aufzählung in der Anlage 5 durchzuführen. Der Inhalt der vom Kunden gelieferten Magnetbänder ist mindestens f ü r einen Zeitraum von 10 Geschäftstagen in der Form nachweisbar zu halten, daß der Bank auf Anforderung kurzfristig besonders gekennzeichnete Duplikatbänder geliefert werden können. 8. Nach Anlieferung eines Magnetbandes können Rückrufe von einzelnen Lastschriften oder Überweisungen nur außerhalb des Magnetband-Clearing-Verfahrens vorgenommen werden. Berichtigungen sind nur durch Rückrufe und erneute Auftragserteilung möglich. Der Rückruf eines Magnetbandes ist ausgeschlossen, sobald die Bank mit dessen Bearbeitung begonnen hat. Die Rückgabe nicht bezahlter Lastschriften erfolgt außerhalb des Magnetband-Clearing-Verfahrens. II. Die Behandlung der Magnetbänder durch die Bank 1. Die Bank ist berechtigt, empfangene Magnetbänder ganz oder teilweise auszudrucken. Der Kunde kann den Ausdruck von Belegen nicht verlangen. 2. Ergeben sich bei einer von der Bank durchgeführten Kontrolle des Magnetbandes Fehler, so wird sie die fehlerhaften Datensätze mit ihrem vollständigen Inhalt nachweisen und dem Kunden unverzüglich mitteilen. Die fehlerhaften Datensätze werden von der weiteren Bearbeitung ausgeschlossen. 3. Stellt die Bank fest, daß sie ein angenommenes Magnetband wegen seiner Beschaffenheit ganz oder teilweise nicht bearbeiten kann oder daß Unstimmigkeiten zwischen dem Magnetband und Magnetbandbegleitzettel bestehen, so ist sie berechtigt, das Magnetband u n d / o d e r den Magnetbandbegleitzettel an den Kunden zurückzugeben. Der Kunde ist in diesen Fällen zur Rücknahme verpflichtet. Er kann sich nicht darauf berufen, daß eine Bearbeitung des Bandes auf seiner Anlage möglich ist. 4. Die Bank gibt das Originalband und ein etwa erhaltenes Duplikat nach Bearbeitung zurück. III. Die Auslieferung von Magnetbändern an den Kunden 1. Bei der Auslieferung eines Magnetbandes an den Kunden werden die darauf enthaltenen Gutschriften bzw. Belastungen in Form der üblichen Sammelbuchung auf dem Konto des Kunden gebucht. Der Kunde kann den Ausdruck von Einzelbelegen nicht verlangen. 2. Der Kunde erhält mit dem Magnetband einen Magnetbandbegleitzettel und eine Buchungsliste. Die Sortierung dieser Liste entspricht der Reihenfolge der Daten auf dem Magnetband. 3. Das Magnetband ist unverzüglich zu bearbeiten und sofort nach Bearbeitung der Bank zurückzugeben. 4. Ergeben sich bei den gemäß Abschnitt I Ziffer 7 durchzuführenden Kontrollen Fehler, so sind die fehlerhaften Datensätze mit ihrem vollständigen Inhalt nachzuweisen und der Bank unverzüglich mitzuteilen. Stellt der Kunde fest, daß er ein erhaltenes Magnetband wegen seiner Beschaffenheit ganz oder teilweise nicht bearbeiten kann, so muß er dies der Bank unverzüglich anzeigen. Die Bank wird ihm sodann Unterlagen zur weiteren Bearbeitung der auf diesem Magnetband gespeicherten Zahlungsverkehrsvorgänge zur Verfügung stellen. IV. Haftungsfragen 1. Der Kunde ist im Verhältnis zur Bank und allen Kreditinstituten, die die jeweils von ihm hereingegebenen Daten bearbeitet haben, f ü r alle Schäden und Nachteile verantwortlich, die dadurch entstehen, daß sich das von ihm angelieferte Magnetband oder die von ihm angegebenen Daten nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden haben bzw. unrichtig oder unvollständig sind. Claus-Wilhelm Canaris
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung 2. Die Bank wird die geschäftsüblichen organisatorischen und technischen Voraussetzungen schaffen, um eine ordnungsgemäße Bearbeitung der Magnetbänder zu gewährleisten und Fehler nach Möglichkeit zu vermeiden. Im Hinblick auf die Vielzahl der Vorgänge und die Besonderheiten des Verfahrens muß die Bank jedoch ihre Haftung ausschließen, soweit dies im Rahmen der Rechtsordnung zulässig ist. Dies gilt insbesondere für den Verlust oder die Veränderung von Daten, die bei der Übertragung der Magnetbänder entstehen. Eine Haftung besteht zudem stets nur in dem Maße, in dem das Verhalten der Bank zum Entstehen eines Schadens beigetragen hat. Die Schadensersatzpflicht beschränkt sich auf den Betrag des jeweils betroffenen Vorganges. V. Schlußbestimmungen 1. Die in diesen Bedingungen erwähnten Anlagen sind Bestandteil des mit dem Kunden geschlossenen Vertrages. Sie beruhen auf entsprechenden Vereinbarungen der am MagnetbandClearing-Verfahren beteiligten Kreditinstitute. Änderungen dieser Vereinbarungen müssen im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens sowohl von den beteiligten Kreditinstituten als auch von deren Kunden beachtet werden. Sie sind daher ebenfalls für den Kunden verbindlich. Die Bank wird ihn jedoch rechtzeitig über etwaige Änderungen unterrichten. 2. Vereinbart die Bank mit dem Kunden bestimmte Termine für die Einlieferung von Magnetbändern, so beinhaltet dies eine Absprache über Ausführungstermine nur dann, wenn die Bank ausdrücklich die Bearbeitung zu dem vereinbarten Zeitpunkt verbindlich zugesagt hat. 3. Für die Bearbeitung von Magnetbändern wird eine Gebühr in Höhe von D M . . . . je Buchungsposten erhoben. 4. Ergänzend gelten — auch für Änderungen dieser Bedingungen — die Regelungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken in ihrer jeweiligen Fassung.
526a
Besondere Bedingungen der Deutschen Bundesbank für den beleglosen Datenträgeraustausch Fassung vom 30. 11. 1979 1. Im beleglosen Datenträgeraustausch nimmt die Deutsche Bundesbank (im folgenden Bank genannt) von allen Girokonteninhabern Aufträge für beleglose Uberweisungen und von Kreditinstituten Aufträge für den Einzug von beleglosen Lastschriften entgegen. Die beleglosen Zahlungsvorgänge müssen auf Magnetbändern aufgezeichnet sein. 2. Zum beleglosen Datenträgeraustausch sind grundsätzlich nur Magnetbänder zugelassen, die in Satz- und Dateiaufbau und in den Spezifikationen den Angaben gemäß Anhang entsprechen. 3. (1) Der Auftraggeber/Einreicher liefert die Aufträge mit den Magnetbändern, soweit von der Bank auf Grund örtlicher Verhältnisse nicht ein früherer Termin für erforderlich gehalten wird, bis 14.30 Uhr bei der Stelle der Bank ein, die sein Girokonto führt. Der Gegenwert der beleglosen Lastschriften wird dem Einreicher am zweiten Geschäftstag nach dem Einreichungstag auf Girokonto gutgeschrieben. (2) Die auf den Magnetbändern aufgezeichneten Überweisungen bzw. Lastschriften sind je Datei mit einem von Zeichnungsberechtigten unterschriebenen Sammel-Überweisungsauftrag bzw. Sammel-Einzugsauftrag für den beleglosen Datenträgeraustausch in zweifacher Ausfertigung einzureichen; eine Ausfertigung dient zugleich als Magnetbandbegleitzettel. Als SammelÜberweisungsauftrag/-Einzugsauftrag (Magnetbandbegleitzettel) ist der Vordruck 4134 oder ein eigener Auftrag zu verwenden, der in Aufbau und Inhalt dem Vordruck 4134 gemäß Anhang (Anlage 3) entspricht. (3) Jedes Magnetband muß mit der Girokontonummer und Firmenbezeichnung des Auftraggebers/Einreichers, der Bandnummer sowie dem Dateinamen „DTAUS" gekennzeichnet sein. 4. (1) Die Angaben zum Verwendungszweck einzelner Zahlungsvorgänge haben sich in aussagefähiger Kurzform ausschließlich auf den Zahlungsverkehrsvorgang zu beziehen. Für die Bezeichnung des Auftraggebers/Zahlungsempfängers sollen möglichst nur 13 Stellen belegt werden. Dies gilt vor allem für den Teil regelmäßig wiederkehrender Zahlungen, bei dem der Empfänger/Zahlungspflichtige aus der Kurzbezeichnung den jeweiligen Auftraggeber/Zahlungsempfänger ohne weiteres erkennen kann.
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VII. Der beleglose Datenträgeraustausch (2) Soweit für Verwendungszweckangaben oder f ü r zusätzliche Namensangaben Erweiterungsteile belegt sind, bleibt die Erhebung eines Druckkostenausgleichs vorbehalten. 5. (1) Der Auftraggeber/Einreicher hat vor Einreichung der Magnetbänder die Kontrollmaßnahmen gemäß der Aufzählung im Anhang (Anlage 5) durchzuführen. (2) Ergeben sich bei der Kontrolle eines Magnetbandes u n d / o d e r des Sammel-Uberweisungsauftrags bzw. Sammel-Einzugsauftrags durch die Bank Unstimmigkeiten oder sonstige Fehler, so ist sie berechtigt, das Band ohne Bearbeitung an den Auftraggeber/Einreicher zurückzugeben. Der Auftraggeber/Einreicher kann sich nicht darauf berufen, daß bei einer von ihm durchgeführten weiteren Kontrolle des Bandes keine Fehler festgestellt werden konnten. Er ist verpflichtet, nicht bearbeitete Magnetbänder zurückzunehmen. Die Bank ist nicht verpflichtet, Aufträge teilweise auszuführen. (3) Der Auftraggeber/Einreicher ist verpflichtet, den Inhalt der von ihm weitergeleiteten Magnetbänder mindestens f ü r einen Zeitraum von zehn Geschäftstagen in der Form nachweisbar zu halten, daß auf Anforderung der Bank kurzfristig besonders gekennzeichnete Duplikatbänder geliefert werden können. Zur Klärung von Reklamationen muß er auch danach in der Lage sein, Einzelangaben zu den Zahlungsvorgängen gemäß Anhang (Anlage 7) zu liefern. 6. Die Bank leitet die Daten der Zahlungsvorgänge so weiter, wie sie ihr vom Auftraggeber/ Einreicher aufgegeben worden sind. Sie ist berechtigt, Magnetbänder ganz oder teilweise auszudrucken. 7. Rückfragen und Reklamationen sind unmittelbar zwischen dem Auftraggeber/Einreicher und dem Zahlungsempfänger/Zahlungspflichtigen oder deren Kreditinstituten zu klären. 8. (1) Druckt die Bank Lastschriften auf „Lastschriftvordrucken für auszudruckende Lastschriften" aus, so wird sie die Bankleitzahl der ersten Inkassostelle im letzten Teilfeld des Mittelfeldes angeben. Im Kopf des Lastschriftvordrucks wird lediglich ein Hinweis hierauf eingedruckt, die ausdruckende Stelle der Bank wird nicht angegeben. (2) Druckt die Bank Überweisungen auf „Überweisungsträgern für auszudruckende Gutschriften" aus, so gilt f ü r die Kennzeichnung des erstbeauftragten Instituts Absatz 1 entsprechend. (3) Beim Ausdruck werden Textschlüssel gemäß den „Richtlinien für einheitliche Zahlungsverkehrsvordrucke" und die Kennzeichen für vermögenswirksame Leistungen gemäß Anhang (Anlage 2) im Verwendungszweckfeld angegeben. 9. Die Bank stellt Girokonteninhabern als Empfängern von Überweisungen bzw. von Lastschriften Magnetbänder gemäß Nummer 2 zusammen mit einem Magnetbandbegleitzettel zur Verfügung, der nicht unterschrieben, sondern mit einem Sicherungsstempelabdruck versehen wird. Falls die Voraussetzungen f ü r die Bearbeitung von Magnetbändern nicht gegeben sind, werden Zahlungsverkehrsbelege geliefert, die keine Angaben in der Codierzeile enthalten, ein belegbegleitender Datenträger wird nicht mitgeliefert. 10. Werden beleglose Lastschriften nicht eingelöst, so sind diese in Belegform zurückzugeben. 11. (1) Der Auftraggeber/Einreicher haftet f ü r alle Schäden und Nachteile, die dadurch entstehen, daß sich von ihm eingelieferte Magnetbänder oder die von ihm angegebenen Daten nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden haben bzw. daß Daten unrichtig oder unvollständig sind. (2) Für Schäden, die bei der Bearbeitung von Aufträgen im beleglosen Datenträgeraustausch entstehen, haftet die Bank entsprechend Abschnitt I Nr. 13 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 12. Soweit vorstehend nichts anderes geregelt ist, gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank, Abschnitte I. Allgemeines, II. Giroverkehr und III. Vereinfachter Scheck- und Lastschrifteinzug f ü r die Kreditinstitute.
Vereinbarung über Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch (Magnetband-Clearing-Verfahren) November 1977
527
1. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V., Bonn Bundesverband deutscher Banken e. V., Köln Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V., Bonn Verband öffentlicher Banken e. V., Bonn Claus-Wilhelm Canaris
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung V e r b a n d privater Hypothekenbanken e. V., Bonn V e r b a n d der Gemeinwirtschaftlichen Geschäftsbanken ( V G G ) , Bonn vereinbaren namens der angeschlossenen Kreditinstitute zur Vereinfachung des Zahlungsverkehrs die als Anlage beigefügten „Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch (Magnetband-Clearing-Verfahren)". D i e in diesen Richtlinien erwähnten Anlagen sind Bestandteile des Vertragswerkes. D e r Inhalt der Anlagen kann rechtsverbindlich für alle Beteiligten durch einstimmigen Beschluß des Betriebswirtschaftlichen Arbeitskreises der Spitzenverbände des Kreditgewerbes geändert werden. Diese Vereinbarung begründet Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten. 2. D i e angeschlossenen Kreditinstitute werden nach Inkrafttreten dieser Richtlinien einen Magnetbandaustausch nur noch nach Maßgabe dieser Richtlinien durchführen. D i e Anerkennung dieser Richtlinien begründet jedoch keine Verpflichtung zur A n n a h m e von Magnetbändern. D i e Kreditinstitute können jedoch untereinander Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Annahme von Magnetbändern treffen. Die einmalige vorbehaltlose Annahme eines Magnetbandes zur Bearbeitung gilt als Abschluß eines Vertrages über die weitere Annahme von Magnetbändern. Ein solcher V e r t r a g kann — unabhängig davon, ob er auf einer ausdrücklichen Vereinbarung oder einer vorbehaltlosen Annahme eines Magnetbandes beruht — nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden. 3. Diese Vereinbarung kann, unbeschadet der Regelung in Ziffer 2, von jedem Kreditinstitut o d e r einem Spitzenverband mit einer Frist von zwölf Monaten zum E n d e eines Kalenderjahres gekündigt werden. Die K ü n d i g u n g hat durch eingeschriebenen Brief gegenüber dem Bundesverband deutscher Banken zu erfolgen. K ü n d i g t ein Kreditinstitut, so ist die Erklärung über den zuständigen Spitzenverband an den Bundesverband zu richten. D i e K ü n d i g u n g muß in diesen Fällen spätestens am 14. T a g der Kündigungsfrist beim Bundesverband deutscher Banken eingegangen sein. D e r Bundesverband deutscher Banken hat die K ü n d i g u n g den anderen Kreditinstituten über die zuständigen Spitzenverbände mitzuteilen. D u r c h eine K ü n d i g u n g wird das Fortbestehen der Vereinbarung zwischen den übrigen V e r tragspartnern nicht berüht. 4. Diese Vereinbarung tritt am 2. J a n u a r 1976 in K r a f t .
Richtlinien für den beleglosen Datenträgeraustausch (Magnetband-Clearing-Verfahren)
I. Allgemeine Bestimmungen
1. Im Magnetband-Clearing-Verfahren werden Uberweisungen u n d / o d e r Lastschriften, deren D a t e n auf Magnetband gespeichert sind, im Verrechnungsverkehr zwischen Kreditinstituten beleglos abgewickelt. Bei Lastschriften müssen den Zahlungsempfängern Einzugsermächtigungen der Zahlungspflichtigen vorliegen. 2. D i e Magnetbänder müssen in S a t z - und Dateiaufbau und in den Spezifikationen den A n g a ben gemäß Anlage 1 entsprechen. 3. Die am Magnetband-Clearing-Verfahren beteiligten Kreditinstitute verpflichten sich, die auf den von ihnen angenommenen Magnetbändern gespeicherten Zahlungsverkehrsvorgänge unverzüglich auszuführen. 4. Verrechnungen aller Art insbesondere von Gutschriften, Lastschriften oder Rückbelastungen sind im Rahmen der bestehenden Verrechnungswege und Vereinbarungen vorzunehmen. 5. D i e Vereinbarungen zwischen den Kreditinstituten und ihren Kunden über eine Teilnahme am Magnetband-Clearing-Verfahren sind nach Maßgabe dieser Richtlinien auszugestalten, soweit einzelne Bestimmungen nicht ausschließlich im Verkehr zwischen den Kreditinstituten gelten. Insbesondere ist sicherzustellen, daß die von den Kunden hereingenommenen Magnetbänder in Satzund D a t e i a u f b a u sowie in den Spezifikationen der Anlage 1 entsprechen.
II. Bestimmungen über das Verfahren 1. D i e Lieferung von Magnetbändern a) D i e Angaben zum V e r w e n d u n g s z w e c k haben sich in aussagefähiger K u r z f o r m ausschließlich auf den Zahlungsverkehrsvorgang zu beziehen. Für die Bezeichnung des A u f t r a g g e b e r s / Z a h 278
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VII. Der beleglose Datenträgeraustausch lungsempfängers sollen möglichst nur 13 Stellen belegt werden. Dies gilt vor allem f ü r den Teil regelmäßig wiederkehrender Zahlungen, bei dem der Empfänger/Zahlungspflichtige aus der Kurzbezeichnung den jeweiligen Auftraggeber/Zahlungsempfänger ohne weiteres erkennen kann. Für die Verwendung von Textschlüsseln gelten die „Richtlinien f ü r einheitliche Zahlungsverkehrsvordrucke" und die Anlage 2. b) Soweit f ü r Verwendungszweckangaben oder f ü r zusätzliche Namensangaben Erweiterungsteile belegt sind, bleibt die Erhebung eines Druckkostenausgleichs vorbehalten. c) Bei Anlieferung eines Magnetbandes ist f ü r jede Datei ein rechtsverbindlicher Auftrag in Form des Magnetbandbegleitzettels in zweifacher Ausfertigung gemäß Anlage 3 zu liefern. Die Magnetbänder sind durch Aufkleber gemäß Anlage 4 zu kennzeichnen. 2. Kontrollmaßnahmen und weitere Behandlung von Magnetbändern a) Die Kreditinstitute haben bei der Bearbeitung der Magnetbänder die Kontrollmaßnahmen gemäß der Aufzählung in der Anlage 5 durchzuführen. Ergeben sich bei diesen maschinell durchzuführenden Kontrollen Fehler, so sind die fehlerhaften Datensätze mit ihrem vollständigen Inhalt nachzuweisen und dem Magnetbandabsender unverzüglich mitzuteilen. Die fehlerhaften Datensätze können von der weiteren Bearbeitung ausgeschlossen werden. b) Ergeben sich bei der Kontrolle der Magnetbänder u n d / o d e r der Magnetbandbegleitzettel Unstimmigkeiten oder sonstige Fehler, so ist das feststellende Kreditinstitut berechtigt, fehlerhafte Magnetbänder bzw. unstimmige oder unvollständige Magnetbandbegleitzettel unbearbeitet zurückzugeben. Macht das feststellende Kreditinstitut von dem Rückgaberecht Gebrauch, so muß die Rückgabe unverzüglich erfolgen. Der Magnetbandabsender ist, unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche, verpflichtet, nicht bearbeitete Magnetbänder zurückzunehmen. c) Kann ein Kreditinstitut Zahlungsverkehrsvorgänge nicht beleglos weiterleiten, so hat es diese in Belegform nach den Aufbereitungsvorschriften f ü r Massenzahlungen im Endlosband auszuführen. Es ist berechtigt, Magnetbänder ganz oder teilweise auszudrucken. Das Druckbild der Belege gemäß den Mustern in Anlage 6 ist einzuhalten. 3. Sicherung von Magnetbändern a) Jeder Magnetbandabsender ist verpflichtet, den Inhalt der von ihm weitergeleiteten Magnetbänder mindestens f ü r einen Zeitraum von zehn Geschäftstagen in der Form nachweisbar zu halten, daß den jeweiligen Empfangsstellen auf Anforderung kurzfristig besonders gekennzeichnete Duplikatbänder geliefert werden können. b) Die Kreditinstitute sind verpflichtet, von den Überweisungen und Lastschriften, die sie auf Magnetbändern gespeichert an andere Kreditinstiute beleglos weitergeleitet haben, die Einzelangaben gemäß den Angaben der Magnetbandinhaltsliste der Anlage 7 verfügbar zu halten. Diese Verpflichtung gilt auch f ü r das am Magnetband-Clearing-Verfahren zuletzt beteiligte Kreditinstitut. Das am Magnetband-Clearing-Verfahren unmittelbar zuerst beteiligte Kreditinstitut hat sicherzustellen, daß für die von Kunden entgegengenommenen Magnetbänder eine Aufzeichnung mit dem vollständigen Magnetband-Inhalt vorhanden ist. Bei Rückfragen über einen Zahlungsverkehrsvorgang sind die zuvor erwähnten Angaben bzw. Unterlagen zur Verfügung zu stellen, soweit sie diesen Vorgang betreffen. c) Wird der Inhalt eines Magnetbandes mittels Datenfernübertragung weitergeleitet, sind das absendende und das empfangende Institut verpflichtet, ein Maschinenprotokoll zu erstellen, zu ihren Unterlagen zu nehmen und auf Anforderung gegenseitig zur Verfügung zustellen. Das Maschinenprotokoll muß inhaltlich dem Magnetbandbegleitzettel (Anlage 3) entsprechen. 4. Rückrufe und Rücklastschriften a) Der Rückruf eines Magnetbandes durch das einreichende bzw. auftraggebende Kreditinstut ist ausgeschlossen, sobald die Bearbeitung des Magnetbandes begonnen hat. Nach Anlieferung von Magnetbändern können Rückrufe von einzelnen Lastschriften oder Uberweisungen nur außerhalb des Magnetband-Clearing-Verfahrens vorgenommen werden. Hierzu ist das erstbeauftragte Kreditinstiut bzw. die erste Inkassostelle berechtigt, sich unmittelbar mit der Bank des Zahlungspflichtigen bzw. des Überweisungsempfängers in Verbindung zu setzen. Berichtigungen sind nur durch Rückrufe und erneute Auftragserteilung möglich. Claus-Wilhelm Canaris
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4. Abschnitt. Die Giroüberweisung b) Werden Lastschriften nicht eingelöst, so erfolgt die Rückgabe außerhalb des MagnetbandClearing-Verfahrens nach den Bestimmungen des Lastschriftabkommens. Sofern auf den Ausdruck eines Beleges verziehet wurde, ist mit den aus der Magnetbandinhaltsliste ersichtlichen Angaben eine Ersatzlastschrift anzufertigen. III. Haftung 1. Die Kreditinstitute haften untereinander für alle Schäden und Nachteile, die dadurch entstehen, daß die von ihnen oder ihren Kunden angegebenen Daten unrichtig oder unvollständig sind. Sie haften ferner dafür, daß die Daten nach der Verarbeitung eines Magnetbandes vollständig und unverändert weitergegeben werden, sofern nicht Fehlerkorrekturen vorgenommen worden sind. 2. Verstöße gegen die aus diesen Richtlinien erwachsenen Verpflichtungen sind unverzüglich nach Bekanntwerden zu rügen. Aus einer Verletzung dieser Richtlinien können Schadenersatzansprüche nur in H ö h e des Betrages des jeweils betroffenen Vorganges, der Kosten einer etwa notwendig werdenden Neuerstellung eines Magnetbandes oder — bei Beschädigung eines Magnetbandes — der Anschaffungskosten eines Magnetbandes geltend gemacht werden. Die Abtretung etwaiger Ansprüche aus einer Verletzung dieser Richtlinien ist ausgeschlossen. Ein beteiligtes Kreditinstitut ist auch nicht berechtigt, einen aus der Verletzung dieser Richtlinien entstandenen Schaden eines Dritten im Wege der Schadenliquidation im Drittinteresse geltend zu machen.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
5. Abschnitt Das Lastschriftverfahren Systematische
Übersicht Rdn.
Rdn. I. Begriff und Wesen des Lastschriftverfahrens 1. Technik und Funktion des Lastschriftverfahrens 2. Die Rechtsnatur der Lastschriftermächtigung 3. Die dem Lastschriftverfahren üblicherweise z u g r u n d e liegenden Formularerklärungen a) D e r Text des Abkommens über den Lastschriftverkehr b) Der Text der üblichen Inkassovereinbarung II. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftschuldner und seiner Bank (Zahlstelle) 1. Die Rechte und Pflichten der Zahlstelle gegenüber dem Lastschriftschuldner a) Die Rechtslage im Abbuchungsauftragsverfahren b) Die Rechtslage im Einzugsermächtigungsverfahren 2. Die Einlösung der Lastschrift a) Die verspätete Rückgabe der Lastschrift b) Die Kontobelastung 3. Das Fehlen eines wirksamen Einlösungsauftrags und der „Widerspruch" des Bezogenen gegen die Einlösung a) Die Rechtslage im Abbuchungsauftragsverfahren b) Die Rechtslage im Einzugsermächtigungsverfahren III. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftgläubiger und seiner Bank (erste Inkassostelle) 1. Die Inkassopflicht der Gläubigerbank und die damit verbundenen Nebenpflichten 2. Die Rechtsstellung des Lastschriftgläubigers nach Einreichung der Lastschrift a) Die Bedeutung der G u t s c h r i f t . . b) D e r Rückbelastungsvorbehalt nach Ziff. 9 der Inkassovereinbarung
c)
528 531
536 537
538 543
548 550
554 559
566
569
576
Die Anwendbarkeit des Stornorechts gemäß Ziff. 4 III A G B . . d) Die Kreditgewährung über den Einlösungszeitpunkt hinaus beim Einzugsermächtigungsverfahren IV. Die Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr 1. Die Rechtsstellung der ersten Inkassostelle gegenüber der Zahlstelle 2. Ansprüche der Zahlstelle gegen die erste Inkassostelle a) Der Wiedervergütungsanspruch nach Ziff. II 3 des Lastschriftabkommens b) Der Wiedervergütungsanspruch nach Ziff. III 1 des Lastschriftabkommens c) D e r Schadensersatzanspruch gemäß Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens d) Der Schadensersatzanspruch bei Einlösung einer unwirksamen Lastschrift 3. Die Rechtslage bei Zwischenschaltung einer Landeszentralbank beim „vereinfachten Lastschrifteinzug" a) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten b) Die Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank f ü r das Verfahren zum „vereinfachten Lastschrifteinzug f ü r die Kreditinstitute" 4. Ansprüche der ersten Inkassostelle gegen den Lastschriftbezogenen a) Ansprüche aus der Kausalforderung gemäß Ziff. 44 S. 4 AGB . b) Ansprüche aus § 826 BGB wegen Mißbrauchs der Widerspruchsmöglichkeit und auf Unterlassung eines Widerspruchs im Einzugsermächtigungsverfahren c) Ansprüche aus Schutzpflichtverletzung gemäß § 242 BGB . . . . d) Ansprüche aus § 426 BGB . . . .
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580
582
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601
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604 612 614
281
5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren Rdn.
Rdn. 5. 6. 7.
Ansprüche des Lastschriftschuldners gegen die erste Inkassostelle Ansprüche des Lastschriftgläubigers gegen die Zahlstelle Ansprüche der Zahlstelle gegen den Lastschriftgläubiger a) Die Rechtslage im Abbuchungsauftragsverfahren b) Die Rechtslage im Einzugsermächtigungsverfahren
V. Das Rechtsverhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner 1. Die Abrede über den Lastschrifteinzug a) Die Rechtsnatur b) Inhalt und Wirkungen der Lastschriftabrede 2. Die Erfüllung a) Die Folgen des Eingangsvorbehalts b) Die Folgen der Widerspruchsmöglichkeit im Einzugsermächtigungsverfahren c) Die T r a g u n g der Verlustgefahr . d) Die T r a g u n g der Verzögerungsgefahr und die Rechtzeitigkeit der Leistung
3. 615 617
des Lastschriftschuldners 571 Bankgeheimnis und Auskunftspflicht 571 und Warnpflicht 616 Bedingung, aufschiebende 534 Belastungsbuchung 528, 550 Rückgängigmachung 559
282
648
Lastschriftverfah-
2.
Konkurs und Vergleich über das Vermögen des Lastschriftgläubigers a) Das Verhältnis zwischen der Gläubigerbank (ersten Inkassostelle) und dem Lastschriftgläubiger b) Die Rechtsstellung des Lastschriftschuldners
3. 635
645
Einzug
Der Widerruf von Lastschriftabrede oder -ermächtigung und das Erlöschen des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses
629
636 641
des
bei
1.
628
Alphabetische Abbuchungsauftragsverfahren 528, 538 ff Belastungsrecht 538 Einlösungspflicht 538 und Einzugsermächtigungsvermerk 558, 580, 590, 593, 619 Erlöschen des Auftrags 622 fehlender Auftrag 551, 554 ff, 616, 621 Haftung der ersten Inkassostelle 594 f Haftung des Gläubigers 620 ff interne Einschränkungen 622 Abrechnungsverkehr 548, 570 Abrufserklärung, mangelhafte 556 Allgemeine Geschäftsbedingungen Abtretung der Kausalforderung 602 f Einlösungswirkung 550 f Genehmigungsfiktion 535, 542, 544, 554, 559 f Pfandrecht 575, 653 Sicherheiten 570, 584, 6 0 8 , 653 Stornorecht 581 f, 621, 623 Anscheins- und Duldungsvollmacht 565, 604 Auskunftsanspruch
VI. Die Beendigung rens
620 626
Die Rückabwicklung einer Nichtschuld
Konkurs und Vergleich über das Vermögen des Lastschriftschuldners a) Die Rechtsstellung der Zahlstelle b) Die Rechtsstellung des Lastschriftgläubigers
4.
Der Zusammenbruch Inkassostelle
der
5.
Der Zusammenbruch der Zahlstelle .
651 656
659 663
ersten
Übersicht Benachrichtigungspflicht des Schuldners 633 der Zahlstelle 539, 544, 546, 5 8 4 , 6 1 7 Bereicherungsansprüche bei fehlendem Abbuchungsauftrag 555, 581, 616 Konkurs des Gläubigers 660, 663 bei Nichtschuld 648, 6 6 9 f bei unwirksamer Lastschrift 594 f im vereinfachten Einzug 598 f Zahlstelle gegen Gläubiger 620 ff Bezahltmeldung 528, 571 f Computerfehler 5 4 6 Datenträgeraustausch, belegloser 5 5 0 , 602 Datenverarbeitung, elektronische 550 Doppelzahlung 6 0 6 Eigentumsvorbehalt, verlängerter 602 b Eingangsvorbehalt 570, 572, 574, 6 3 5 , 651 Einlösung der Lastschrift 547 ff, 597, 635 ff Einlösungsverbot 540 Einwendungsausschluß 573 f Einzugsermächtigungsverfahren 528, 543 ff Belastungsrecht 543 f, 560 Einlösungspflicht 543 f Einzug von Treuhandforderung 607 Erlöschen der Ermächtigung 565
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
649
667 673
5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren fehlende Ermächtigung 551, 559 ff, 604, 616, 670 Genehmigung 559 Haftung des Bezogenen 559, 602 ff Haftung des Gläubigers 626 f Haftung der ersten Inkassostelle 559, 578, 591 ff Haftung der Zahlstelle 546, 588 Ruckbelastungsvorbehalt 577 Wiedervergütungsanspruch 588 ff Erfüllungsgehilfe 567 Ermächtigung 531 ff, 656, 659 Widerruf 650 Ermächtigungstheorie 531 f, 538, 543 f, 556, 560 f, 665 Ersatzaussonderung 658 Fälschung 551, 554, 556, 594, 621, 625 falsus procurator 554, 556, 585, 594, 621, 625 Genehmigungstheorie 535, 544, 551, 560 f, 627, 636, 661, 665 Generalanweisungstheorie 534, 538, 541 Gesamtgutschrift 529 Geschäftsfähigkeit 554, 621 Gutschrift 528, 569 ff Anspruch auf 569 Anspruch aus 569 auflösend bedingte 577, 636 aufschiebend bedingte 570, 572, 574, 635, 651 und Konkurs 651 ff Rechtsfolgen 573 Inkassopflicht 566 ff Inkassovereinbarung 528, 566 f Nebenpflichten 567 f Text 537 Inkassoverhältnis 583 Inkassostelle, erste 528
Lastschrift 528 ff außergewöhnlicher Betrag 541 unberechtigte 546, 577, 588, 658, 661 unbezahlte 528 unwirksame 551, 594 f Weiterleitungspflicht 567 Lastschriftabkommen 528 Text 536 Lastschriftabrede 628 ff "Widerruf 649 ff Lastschrifteinzug, vereinfachter 549, 570, 596 ff Auftragsverhältnis 596 der Deutschen Bundesbank 601 Einlösung 597 Text der Geschäftsbedingungen 601 Gutschrift 597 unbezahlte Lastschrift 597 Lastschriftreiterei 585, 588, 604 Lastschriftverfahren 528 ff Beendigung 649 ff Nachteile 530 Rechtsnatur 531 ff Technik 528 ff Vorteile 529 Zulassung 566 Lastschriftverkehr, zwischenbetrieblicher 582, 583 ff Massengeschäfte 529, 617 Mißbrauch der Abbuchungsbefugnis 541 der Ermächtigung 545, 604 der Lastschrift 534 des Widerspruchsrechts 585, 588, 604, 613, 618 f, 638 Nachdisposition 550
Kausalforderung Abtretung 602 f, 652 Abtretungsverbot 603 Konkurs der ersten Inkassostelle 642, 667 ff des Lastschriftgläubigers 530, 540, 578 f, 592, 594, 604 ff, 615, 651 ff des Lastschriftschuldners 530, 563, 571, 621, 638, 659 ff der Zahlstelle 574, 641 ff, 673 f der Zwischenbank 574, 641 Konkursanfechtung 653, 661 a, 664, 674 Konkursaufrechnung 652, 654, 657, 661 a Konto beschlagnahmtes 552 debitorisches 552 Kontokorrent 575 Kontopfändung 552 Konto pro Diverse 621 Kreditgewährung 539, 542, 545 f, 572, 579, 604
Rechtsmißbrauchseinwand 559, 562, 585 f, 588, 607, 638 f Regreßhaftung des Bezogenen 614 Rückbelastungsvorbehalt 570, 572, 574, 576 ff Rückgabe der Lastschrift 539, 545, 551, 597 ff, 617 verspätete 548 f, 587, 617 Rücklieferungsanspruch 584 Sittenwidrige Schädigung durch Bezogenen 604 ff Mitverschulden 610 Rechtsirrtümer 609 Schaden 608 Vorsatz 609 Schutzpflichtverletzung Haftung des Bezogenen 612 f Haftung der ersten Inkassostelle 615 Haftung der Zahlstelle 617 Teilzahlung 539 Überziehungsprovision 572, 577 Valutaverhältnis 628 ff Ankündigungspflicht 633 Erfüllung 635 ff, 657
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283
5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren Holschuld 630, 642, 649 Mängel 620, 624, 626 Verlustgefahr 641 ff Verzögerungsgefahr 645 ff Zahlungspflicht 631 f venire contra factum proprium 549 a. E., 617 a V e r f ü g u n g , einstweilige 586, 611, 618, 638 Verlängerter Eigentumsvorbehalt 602 b Vergleich Lastschriftgläubiger 655, 662 Verpflichtungsermächtigung 532 Versicherungsprämien 647 Vertrauenshaftung kraft widersprüchlichen Verhaltens 617 a Verzug des Gläubigers 630, 643, 646 f des Schuldners 630, 640, 646 der Zahlstelle 538, 544 Vollmachtstheorie 533, 665 Vordisposition 550
Warnpflicht der ersten Inkassostelle 615 der Zahlstelle 540, 545 Wertstellung 572, 577, 653 Widerruf 540, 551, 558, 560, 564 f, 603, 606, 612 des Abbuchungsauftrags 555, 622 der Einzugsermächtigung 560, 649 ff der Lastschriftabrede 540, 551 Verwirkung 560, 565 unwirksamer 585 Widerspruch des Bezogenen 557 f, 561, 580, 585, 588, 600, 604 ff, 612, 636 ff, 654, 661 Unterlassungsanspruch 611, 637 Widersprüchliches Verhalten 549 a. E., 617 a Wiedervergütungsanspruch 587 ff, 592 Willensmängel 555, 622
Zahlstelle 528 Zinsen 572, 577
Literatur Budde Vertrag mit Schutzwirkung f ü r Dritte im Lastschriftverfahren, Diss. Münster 1979; Bärmann/Brink Europäisches Geld-, Bank- und Börsenrecht, Teil I, 1974, Rdn. 260 f f ; Bittroff Der Einzug von Quittungen und Lastschriften, BankBetr. 1962, 13 ff; Buck Der Widerspruch des Konkursverwalters gegen Lastschriften, die im Einzugsermächtigungsverfahren eingezogen wurden, K T S 1980, 97 ff; Canaris D e r Bereicherungsausgleich im bargeldlosen Zahlungsverkehr, W M 1980, 354 f f ; Denck Der Mißbrauch des Widerspruchsrechts im Lastschriftverfahren, Z H R 144 (1980) 171 ff; Engel Hans-Georg, Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, 1966; Fallscheer-Schlegel Das Lastschriftverfahren, 1977; Franke Rechtsfragen im Bereich des Lastschriftverfahrens, D B 1973, 1055 ff; Frenz/WinterhalderY>\t unberechtigte Rückbelastung von Lastschriften beim Abbuchungsauftragsverfahren, D B 1978, 1821 ff; Grzimek Moderne Inkasssoverfahren, 1961; Hadding Zur zivilrechtlichen Beurteilung des Lastschriftverfahrens, Festschrift f ü r Bärmann, 1975, S. 375 ff; derselbe Das Lastschriftverfahren in der Rechtsprechung, W M 1978, 1366 ff; Holschbach Risiken der Forderungseinziehung im Lastschriftverfahren, DB 1977, 1933 ff; Jakfeld Zum Risiko des Lastschrifteinzugsverkehrs, Z g K W 1977, 152 f f ; Keßler Helmut, Der Lastschrifteinzugsverkehr, 1966; Mütze Das Fehlerrisiko im bargeldlosen Zahlungsverkehr unter besonderer Berücksichtigung des Lastschriftverfahrens, Diss. Köln 1980; Liike/Philippi H a f t u n g der einlösenden Bank im Lastschriftverfahren, JuS 1978, 304 ff; Obermüller Die Bank im Konkurs ihres Kunden, 1972, S. 100 ff; Pleyer/Holschbach Lastschriftverfahren und Monopolmißbrauch, DB 1972, 761 f f ; Polke D e r Zahlungsverkehr der Banken im In- und mit dem Ausland, Diss. Hamburg, 1978, S. 98 f f ; Putzo Eugen-Ludwig, Erfüllung mit Buchgeld und die H a f t u n g der Beteiligten wegen ungerechtfertigter Bereicherung, 1977, S. 48 f f ; Sandberger Grundlagen und Grenzen des Widerspruchsrechts beim Lastschriftverfahren, JZ 1977, 285 f f ; Schlegelberger/HefermeWKomm. zum H G B , 5. Aufl. 1976, Anhang nach § 365 Rdn. 122 f f ; Schmidt Reimer, Rationalisierung und Privatrecht, AcP 166 (1966), 1 f f ; Schönle Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, § 3 2 IV; Skrotzki Lastschriftverfahren und Insolvenz, KTS 1974, 136 f f ; Wolff Eberhard, Zahlungsverkehrsabkommen im Kreditgewerbe, Festschr. f ü r Bärmann, 1975, S. 1057, 1071 ff.
I. Begriff und Wesen des Lastschriftverfahrens 1. Technik und Funktion des Lastschriftverfahrens 528
Das Lastschriftverfahren stellt ein Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dar, das im Gegensatz zur Giroüberweisung nicht vom Zahlenden, sondern vom Zahlungsempfänger in Gang gesetzt wird. Dazu reicht dieser bei seiner Bank, die man als 284
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und W e s e n des Lastschriftverfahrens
erste Inkassostelle zu bezeichnen pflegt, eine Lastschrift Uber einen bestimmten Betrag ein, auf welcher Name, Bankverbindung und Konto des Bezogenen sowie des Einreichers angegeben sind (vgl. das Muster bei Schütz S. 367 Nr. 292). Der Einreicher erhält sogleich eine Gutschrift über den Betrag der Lastschrift mit Wertstellung zu einem Datum, das eine bestimmte Zahl von Arbeitstagen nach der Einreichung liegt. H a t der Bezogene sein Konto nicht zufällig bei derselben Bank, leitet die erste Inkassostelle die Lastschrift an die Bank des Bezogenen, die sogenannte Zahlstelle, wobei erforderlichenfalls eine oder mehrere weitere Banken, insbesondere eine Landeszentralbank (als Filiale der Deutschen Bundesbank), zwischengeschaltet werden. Die Zahlstelle nimmt auf dem Konto des Bezogenen eine Belastungsbuchung in Höhe des Lastschriftbetrages vor, sofern dieses Deckung aufweist (oder eine ausreichende Kreditlinie besteht) und ihr entweder ein sogenannter Abbuchungsauftrag des Kontoinhabers zugunsten des Lastschrifteinreichers vorliegt oder die Lastschrift den Vermerk trägt, daß dem Einreicher eine Einzugsermächtigung des Kontoinhabers vorliegt. Ob letzteres wirklich zutrifft, prüft die Zahlstelle nicht nach, und auch die erste Inkassostelle tut es i. d. R. nicht. Die Zahlstelle kann jedoch Lastschriften, die auf einer Einzugsermächtigung beruhen, gemäß Ziff. III 1 und 2 des zwischen den Banken geltenden „Abkommens über den Lastschriftverkehr" (abgedruckt unten Rdn. 536) zurückgeben und deren Wiedervergütung verlangen, wenn der Bezogene der Belastung seines Kontos binnen sechs Wochen nach deren Vornahme widerspricht; in einem solchen Fall kann die erste Inkassostelle gemäß Ziff. 9 der üblichen Inkassovereinbarung mit dem Einreicher (abgedruckt unten Rdn. 537) auf dessen Konto eine entsprechende Rückbelastung vornehmen. Von der Vornahme der Belastungsbuchung benachrichtigt die Zahlstelle den Kontoinhaber in der üblichen Weise, also z. B. durch Zusendung eines entsprechenden Kontoauszugs, wohingegen die erste Inkassostelle und der Einreicher keine Nachricht erhalten, da Bezahltmeldungen gemäß Ziff. I 6 des Lastschriftabkommens nicht erfolgen. Unbezahlt gebliebene Lastschriften versieht die Zahlstelle mit einem entsprechenden Vermerk und reicht sie an die erste Inkassostelle zurück. Das Lastschriftverfahren bietet im Vergleich mit der Giroüberweisung und dem 529 Scheck beträchtliche Vorteile für alle Beteiligten1. Für den Zahlungsempfänger ergeben sich diese vor allem daraus, daß er die Initiative für den Einzug seiner Außenstände in die Hand bekommt. Er erhält daher in aller Regel das Geld rechtzeitig, sofern sein Schuldner nicht ausnahmsweise weder ein Guthaben noch eine ausreichende Kreditlinie bei seiner Bank hat. Demgemäß verschafft das Lastschriftverfahren dem Zahlungsempfänger erhebliche Liquiditäts- und Zinsvorteile, aber auch wesentliche Organisat i o n - und Buchführungsvorteile, da das Mahnwesen weitgehend überflüssig wird und eine gesonderte buchungsmäßige Erfassung nur in den verhältnismäßig seltenen Fällen eines gescheiterten bzw. vom Schuldner durch Widerspruch rückgängig gemachten Lastschrifteinzugs erforderlich ist. — Für den Bezogenen liegt der Hauptvorteil darin, daß er sich nicht um die Bezahlung seiner Schulden zu kümmern braucht, die damit verbundene Arbeit und den Organisationsaufwand einspart und nicht in Gefahr gerät, Skonti zu verlieren, Verzugszinsen zahlen zu müssen usw.; im Gegensatz zu einem Dauerüberweisungsauftrag kann das Lastschriftverfahren dabei auch eingesetzt werden, wenn Höhe und/oder Fälligkeit der Schuld wechseln. — Die erste Inkassostelle ist an dem Lastschriftverfahren insbesondere deshalb interessiert, weil es ihr die Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelüberweisungsvorgängen zu einer Gesamtguti Vgl. dazu z. B. Bittroff BankBetr. 1962, 14 f; Reimer Schmidt AcP 166, 12 ff; Grzimek S. 59 ff; Engel S. 4 f f ; Fallscheer-Schlegel S. 3 ff. C l a u s - W i l h e l m Canaris
285
5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren Schrift über die S u m m e der an einem bestimmten T a g eingereichten Lastschriften ermöglicht und weil sie den Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs durch V e r e i n b a r u n g mit ihrem K u n d e n so steuern k a n n , daß er nicht in die Perioden arbeitsmäßiger Spitzenbelastung fällt. A u ß e r d e m gewährleistet das V e r f a h r e n , daß der Z a h l u n g s e m p f ä n g e r alle Z a h l u n g e n , bezüglich derer eine Lastschriftermächtigung besteht, über die erste Inkassostelle einzieht, w a s nicht nur deren G e s c h ä f t s v o l u m e n erhöht, sondern auch die Sicherheit von K r e d i t e n an den Z a h l u n g s e m p f ä n g e r verbessert. — Im übrigen erleichtert das Lastschriftverfahren w e g e n der Massenhaftigkeit und weitgehenden S c h e m a t i sierbarkeit der einschlägigen Z a h l u n g s v o r g ä n g e sowohl f ü r die erste Inkassostelle als auch f ü r den Z a h l u n g s e m p f ä n g e r den Einsatz von D a t e n v e r a r b e i t u n g s a n l a g e n . 530
D e n Vorteilen stehen erhebliche G e f a h r e n und Nachteile g e g e n ü b e r . D i e s e ergeben sich v o r allem aus den Mißbrauchsmöglichkeiten, die d a s Lastschriftverfahren bietet. Für den B e z o g e n e n b e s o n d e r s gefährlich ist das A b b u c h u n g s a u f t r a g s v e r f a h r e n , weil er dabei Belastungen seines K o n t o s im Verhältnis zu seiner B a n k grundsätzlich auch dann g e g e n sich gelten lassen muß, wenn der Lastschrift in seinem Verhältnis z u m Einreicher eine entsprechende F o r d e r u n g nicht z u g r u n d e lag (vgl. unten R d n . 541). Beim E i n z u g s e r m ä c h t i g u n g s v e r f a h r e n treffen die Folgen eines Mißbrauchs der Lastschrifterm ä c h t i g u n g d a g e g e n grundsätzlich nicht den B e z o g e n e n , weil dieser die K o n t o b e l a stung durch einen W i d e r s p r u c h r ü c k g ä n g i g m a c h e n kann (vgl. näher unten R d n . 5 5 9 f f ) , sondern die erste Inkassostelle, g e g e n die die Zahlstelle bis z u m Ablauf der S e c h s w o c h e n f r i s t einen R ü c k v e r g ü t u n g s - und d a n a c h einen S c h a d e n s e r s a t z a n spruch hat (vgl. näher unten R d n . 588 f f ) , so daß diese ihrerseits auf die R ü c k b e l a stungsmöglichkeit g e g e n den Lastschrifteinreicher angewiesen ist. D i e Z u l a s s u n g z u m Lastschrifteinzug stellt daher einen besonderen V e r t r a u e n s e r w e i s der ersten I n k a s s o stelle g e g e n ü b e r dem Lastschrifteinreicher dar. D a s gilt nicht nur für dessen Zuverlässigkeit, sondern auch f ü r seine Zahlungsfähigkeit. D i e erste Inkassostelle trägt das Risiko seiner Insolvenz nicht nur bei einem unbefugten E i n z u g von Lastschriften im E i n z u g s e r m ä c h t i g u n g s v e r f a h r e n , sondern auch f ü r den Fall, daß der E i n z u g z w a r b e f u g t e r m a ß e n e r f o l g t ist, der B e z o g e n e aber dennoch in nicht mißbräuchlicher W e i s e widerspricht o d e r inzwischen seinerseits insolvent g e w o r d e n ist. — D i e Risiken der Zahlstelle unterscheiden sich nicht wesentlich von den Risiken bei anderen F o r m e n des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Beispielsweise kann es v o r k o m m e n , daß sie den Widerruf eines A b b u c h u n g s a u f t r a g s übersieht o d e r eine u n g e d e c k t e Lastschrift durch V e r s ä u m u n g der R ü c k g a b e f r i s t im Abrechnungsverkehr bei den L a n d e s z e n t r a l b a n k e n versehentlich einlöst, d o c h kann ihr das z. B. auch beim W i d e r r u f eines D a u e r ü b e r w e i s u n g s a u f t r a g s bzw. bei einem über die „ A b r e c h n u n g " vorgelegten S c h e c k unterlaufen. — W a s schließlich die Risiken des Lastschriftgläubigers angeht, so ist in erster Linie ebenfalls die G e f a h r eines mißbräuchlichen Widerspruchs des Schuldners g e g e n die Belastung seines K o n t o s von B e d e u t u n g , d o c h bleibt dieser Nachteil hinter den entsprechenden G e f a h r e n bei anderen Z a h l u n g s f o r m e n weit z u r ü c k . Außerordentliche Nachteile hätte d a s E i n z u g s e r m ä c h t i g u n g s v e r f a h r e n f ü r den G l ä u b i g e r allerdings im K o n k u r s des Schuldners, wenn man der „ G e n e h m i g u n g s t h e o r i e " f o l g e n w ü r d e (vgl. näher unten R d n . 665).
531
D a beim Lastschriftverfahren der Z a h l u n g s v o r g a n g v o m Z a h l u n g s e m p f ä n g e r und nicht v o m Zahlenden ausgelöst wird, kann die Zahlstelle d a s K o n t o des letzteren nur dann wirksam belasten, wenn dieser sein Einverständnis d a z u erteilt. D e m g e m ä ß „bittet" d e r K o n t o i n h a b e r beim A b b u c h u n g s a u f t r a g s v e r f a h r e n die Zahlstelle üblicherweise,
2. Die Rechtsnatur der Lastschriftermächtigung
286
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und W e s e n des Lastschriftverfahrens
für ihn von dem Zahlungsempfänger „eingehende Lastschriften zu Lasten seines Kontos einzulösen". Beim Einzugsermächtigungsverfahren lautet die typische Formulierung, daß der Kontoinhaber den Zahlungsempfänger „ermächtigt", die von jenem „zu entrichtenden Zahlungen wegen . . . (Verpflichtungsgrund) bei Fälligkeit zu Lasten seines Kontos Nr. . . . mittels Lastschrift einzuziehen". Diesen Vorgang erklärt man am besten mit der Rechtsfigur einer dem Zahlungs- 5 3 2 empfänger eingeräumten Ermächtigung i. S. von § 185 I BGB zur Erteilung eines Uberweisungsauftrags an die Zahlstelle mit Wirkung gegen den Kontoinhaber2. Beim Abbuchungsauftragsverfahren handelt es sich um eine externe, d. h. der Zahlstelle gegenüber in Geltung gesetzte oder doch zumindest um eine ihr gegenüber i. S. von §§170 ff BGB kundgegebene Ermächtigung, beim Einzugsermächtigungsverfahren liegt dagegen eine interne, d. h. dem Lastschriftgläubiger gegenüber erklärte Ermächtigung vor. Dessen Rechtsmacht sowie seine — in der Vorlage der Lastschrift liegende — Abruferklärung umfassen dabei bei beiden Verfahrensarten den Uberweisungsauftrag sowohl in seinem anweisungs- als auch in seinem auftragsrechtlichen Bestandteil (vgl. zur Doppelnatur des Uberweisungsauftrags oben Rdn. 323); durch eine auf einer wirksamen Ermächtigung beruhenden Lastschrift erlangt also die Bank die Befugnis zur Belastung des Kontos des Bezogenen und wird zugleich gegenüber diesem zur Einlösung der Lastschrift verpflichtet — und zwar nicht nur beim Abbuchungsauftrags-, sondern auch beim Einzugsermächtigungsverfahren. Für diese Konstruktion sprechen der Wortlaut der üblichen Einzugsermächtigungserklärung, in der ausdrücklich das Wort „Ermächtigung" verwendet wird, die Möglichkeit zu einer bruchlosen und einheitlichen Einordnung des Lastschriftsverfahrens in die Systematik des BGB und in bewährte dogmatische Kategorien sowie die Tatsache, daß man von dieser Grundlage aus durchweg zu sach- und interessegerechten Ergebnissen kommt (vgl. insbesondere Rdn. 543 f, 560, 627, 636, 660, 665 f). Triftige Gegengründe sind nicht ersichtlich. Um eine Verpflichtung!ermächtigung — die nach h. L. unzulässig wäre — handelt es sich nicht, da der Uberweisungsauftrag nicht unmittelbar auf Begründung einer Verpflichtung des Kunden gegenüber der Bank gerichtet ist, sondern diese nur als gesetzliche Nebenfolge gemäß §§ 669, 670 BGB nach sich zieht oder sogar eine automatische Minderung des Guthabens analog § 787 I BGB oder nach §§ 362 II, 185 BGB zur Folge hat (vgl. dazu oben Rdn. 344). Auch der Grundsatz, daß die bedingte Ausübung eines Gestaltungsrechts unzulässig und unwirksam ist, steht nicht entgegen. Denn eine echte Bedingung liegt zweifellos nicht vor, und eine entsprechende Anwendung des fraglichen Grundsatzes kommt auch beim Einzugsermächtigungsverfahren nicht in Betracht 3 . Zwar weiß die Zahlstelle bei diesem nicht, ob der Abruf durch eine wirksame Ermächtigung gedeckt ist, so daß sie sich in der Tat in einer unsicheren Lage befindet, doch ergibt sich aus der Wertung von § 174 BGB zweifelsfrei, daß das nicht zur Unwirksamkeit der Auftragserteilung durch den Lastschriftgläubiger führt, sondern der Zahlstelle allenfalls ein Recht zur Ablehnung der Auftragsdurchführung gibt; in Wahrheit besteht nicht einmal ein solches, da auch § 174
2
Vgl. schon Erstauflage Anm. 188; zustimmend OLG Düsseldorf W M 1978, 769, 770 f; Putzo S. 50; Badde S. 11; Mütze S. 40 f, 61 f; ähnlich die Anhänger der Doppelermächtigungstheorie, die sich jedoch unnötig weit vom Recht der Giroüberweisung entfernen und überdies die weisungsrechtliche Seite zu Unrecht gegenüber der ermächtigungsrechtlichen Seite vernachlässigen;
3
vgl. Engel S. 20 ff; Reimer Schmidt AcP 166, 14; Obermüller S. 101 f; WolffS. 1072; Lüke/Philippi JuS 1978, 307; Kupisch W M 1979 Sonderbeil. Nr. 3 S. 22; ablehnend vor allem Hadding Bärmann-Festschr. S. 384 ff und WM 1978, 1367 f. Verfehlt daher Hadding Bärmann-Festschr. S. 386 f, der u. a. § 174 BGB übersieht.
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
BGB hier unanwendbar ist (vgl. dazu unten Rdn. 543). Was schließlich die Widerspruchs* bzw. Widerrufsmöglichkeit des Bezogenen im Einzugsermächtigungsverfahren angeht, so bereitet deren Erklärung bzw. Begründung für die Ermächtigungstheorie keinerlei Schwierigkeiten (vgl. näher unten Rdn. 560). 533
Der hier vertretenen Ansicht steht die Vollmachtstheorie sehr nahe 4 . Nach ihr liegt beim Abbuchungsauftragsverfahren eine Außenvollmacht oder eine kundgegebene Vollmacht i. S. von §§ 170 ff BGB vor, beim Einzugsermächtigungsverfahren eine Innenvollmacht zur Erteilung des Überweisungsauftrags durch den Lastschriftgläubiger. Ein Unterschied gegenüber der Ermächtigungstheorie besteht also nur in der Frage, ob der Lastschriftgläubiger im eigenen Namen oder im Namen des Kontoinhabers handelt. Da dies den Parteien freisteht und irgendwelche Sachgesichtspunkte für die eine oder die andere Möglichkeit nicht ersichtlich sind, sollte man sich an den Wortlaut der — ja immerhin von Juristen entworfenen! — typischen Einzugsermächtigungserklärung halten, in der nun einmal der auf § 185 BGB verweisende Terminus technicus „Ermächtigung" verwendet wird.
534
Im Gegensatz zur Ermächtigungs- und Vollmachtstheorie soll nach der Generalweisungstheorie5 beim Abbuchungsauftragsverfahren in der Erteilung des Abbuchungsauftrags eine Vielzahl antizipierter Uberweisungsaufträge des Kontoinhabers zu sehen sein. Diese Theorie findet eine gewisse, jedoch keineswegs zwingende Stütze im Wortlaut des typischen Abbuchungsauftrags (vgl. oben Rdn. 531). Sie hat jedoch die Schwäche, daß sie Abbuchungsauftrags- und Einzugsermächtigungsverfahren nicht mit denselben dogmatischen Kategorien erklären kann, obwohl sich in diesen beiden Verfahrensarten deutlich die Alternative von externer und interner Einverständniserklärung nach dem Bilde von §§ 167 1, 182 1 BGB widerspiegelt. Außerdem kommt sie in Schwierigkeiten bei der Frage, wie die Mitwirkung des Lastschriftgläubigers dogmatisch zu qualifizieren ist. Denn wenn man dessen Rechtsmacht zur Herbeiführung der Lastschrifteinlösung mit Wirkung gegen den Kontoinhaber in die herkömmlichen Kategorien einordnet, drängen sich die Annahme einer Ermächtigung oder einer Vollmacht geradezu auf. Dem Lastschriftgläubiger kurzerhand eine „Befugnis" zur Herbeiführung der Lastschrifteinlösung abzusprechen und in der Vorlage der Lastschrift lediglich eine „Voraussetzung" — d. h. wohl eine aufschiebende Bedingung — für das Wirksamwerden der Generalweisung zu sehen 6 , befriedigt nicht, weil zum einen die Rechtsstellung des Lastschriftgläubigers nicht sachgerecht umschrieben und zum anderen der Vorgang nicht bruchlos in die Systematik des geltenden Rechts eingeordnet wird. So ist es z. B. zweifellos sachgerecht, zwischen „befugter" und „unbefugter" Lastschriftziehung zu unterscheiden oder den Gedanken des „Mißbrauchs" heranzuziehen (vgl. dazu unten Rdn. 541); letzteres wird durch die Vorstellung einer bloßen „Voraussetzung" aber erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Auch wird die dogmatische Verwandtschaft mit anderen Rechtsfiguren wie z. B. der Ausfüllungsbefugnis bei Blanketterklärungen, die man gemeinhin als vollmachts- oder ermächtigungsähnliche „Befugnis" und nicht als rein faktische Möglichkeit zur Herbeiführung einer Bedingung ansieht 7 , in unnötiger Weise verdunkelt. Der Voraussetzungs- oder Bedin-
4
Hauptvertreter sind Fallscheer-Schlegel Sandberger J Z 1977, 286. 5 Vgl. B G H Z 69, 82, 85; 72, 343, 345; 1978, 819, 820; Engel S. 15 f; Hadding Festschr. S. 382 f und W M 1978, 1366 berger/Hefermehl Anh. nach § 3 6 5 Putzo S. 52.
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S. 29 f und BGH WM Bärmannf; SchlegelRdn. 130;
6
7
So Hadding a a O (wie vorige Fn.); ihm folgend Polke S. 102 f; offengelassen bei Schlegelberger/ Hefermehl Anh. nach § 365 Rdn. 130; wie hier wohl Putzo S. 52, der § 185 BGB analog anwendet. Vgl. dazu näher Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 55 f m. Nachw.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und Wesen des Lastschriftverfahrens
gungstheorie sollte man daher allenfalls dann nähertreten, wenn auch „Unbefugte" — z. B. Fälscher oder Vertreter ohne Vertretungsmacht — eine wirksame Lastschrifteinlösung herbeiführen könnten, doch ist das beim derzeitigen Rechtszustand nicht der Fall (vgl. unten Rdn. 556). Während der Gegensatz zwischen der Ermächtigungs- bzw. Vollmachtstheorie und 5 3 5 der Generalweisungstheorie in den praktischen Ergebnissen nicht unbedingt zu gravierenden Unterschieden führen muß, läßt sich gleiches bezüglich der Genehmigungstheorie leider nicht sagen. Nach dieser von Hadding entwickelten Lehre, der der BGH zuzuneigen scheint 9 , erfolgt beim Einzugsermächtigungsverfahren die Lastschrifteinlösung bzw. die Kontobelastung allein auf Grund einer Weisung der der Zahlstelle vorgeschalteten Bank und ohne entsprechende Anweisung des Lastschriftbezogenen, so daß sie erst durch dessen Genehmigung wirksam wird. Diese Theorie ist schon deshalb verfehlt 10 , weil sie ohne irgendeinen plausiblen Grund den erklärten Parteiwillen, nach dem nun einmal eine Ermächtigung zugunsten des Lastschriftgläubigers gewollt ist, mißachtet und daher mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar ist. Das kann man nicht mit dem Argument ausräumen, die Einzugsermächtigung habe immerhin zur Folge, daß der Gläubiger überhaupt zum Lastschriftverfahren zugelassen werde (so aber Hadding Z H R 145 156 f); denn das ändert ja nicht das geringste daran, daß der erklärten Rechtsfolge — nämlich der Ermächtigung — nach der Genehmigungstheorie die Anerkennung versagt bleibt. Auch daß die Zahlstelle das Vorliegen der Ermächtigung nicht zu überprüfen pflegt und i. d. R. auch kaum überprüfen kann 1 1 , ist ohne Belang, da sie sich aus freien Stücken auf die damit verbundenen Risiken eingelassen und sich überdies durch das „Lastschriftabkommen" hinreichend abgesichert hat. Außerdem ist nicht ersichtlich, inwiefern aus diesem Gesichtspunkt irgend etwas gegen das Vorliegen oder die Wirksamkeit der von den Parteien unmißverständlich gewollten Ermächtigung folgen soll, da diese nach der ausdrücklichen Klarstellung in § 182 I (bzw. § 167 I) BGB auch „intern" erfolgen kann. Das gilt um so mehr, als es auch aus der Sicht der Zahlstelle immer noch besser ist, wenn wenigstens die auf der Grundlage und im Rahmen einer wirksamen Lastschriftermächtigung vorgenommenen Kontobelastungen wirksam sind als wenn nun alle(\) Lastschrifteinlösungen einer Genehmigung des Kontoinhabers bedürfen, wie das nach der Genehmigungstheorie der Fall sein soll. Was sodann diese Genehmigung selbst angeht, so könnte sie höchstens in einem Schweigen des Kontoinhabers gegenüber dem betreffenden Kontoauszug zu sehen sein, doch liegen insoweit die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion nicht vor, weil Ziff. 15 S. 3 AGB nicht durchgreift (vgl. näher unten Rdn. 559). Zu fehlerhaften praktischen Ergebnissen führt die Genehmigungstheorie ferner insofern, als nach ihr keine Pflicht der Zahlstelle zur Einlösung einer (gedeckten) Lastschrift besteht (vgl. unten Rdn. 544) und als im Konkurs der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen eines abgeschlossenen Zahlungsvorgangs folgerichtig nicht die Lastschrift8 Vgl. B ä r m a n n - F e s t s c h r . S. 388 ff u n d W M 1978, 1367 f ; z u s t i m m e n d Polke S. 106 f ; Stierle D e r B e r e i c h e r u n g s a u s g l e i c h bei f e h l e r h a f t e n B a n k ü b e r w e i s u n g e n , 1980, S. 1 1 3 ; Buck K T S 1 9 8 0 , 9 8 ; Denck Z H R 144 (1980), 1 7 5 ; ä h n l i c h o f f e n b a r a u c h Schlegelberger/Hefermehl A n h . n a c h § 365 R d n . 135 a. E . ; ablehnend Fallscheer-Schlegel S. 11 f f ; Putzo S. 50 f ; Lüke/Philippi J u S 1978, 3 0 7 ; Mütze S. 4 3 ff. » Vgl. B G H Z 69, 82, 84 f ; 72, 343, 3 4 6 ; 74, 300, 303 f ; 74, 309, 3 1 2 ; B G H W M 1978, 819, 820. D i e P o s i t i o n des B G H ist n i c h t g e n a u e i n z u o r d -
n e n , weil e r die E r m ä c h t i g u n g s t h e o r i e b i s h e r n i c h t a u s d r ü c k l i c h a b g e l e h n t h a t u n d sich ü b e r d i e s i m m e r w i e d e r auf das o b i t e r d i c t u m in B G H Z 69, 84 f b e z i e h t , w o er sich e r k l ä r t e r m a ß e n mit d e r „allgemeinen M e i n u n g " in E i n k l a n g g l a u b t u n d sich i n s b e s o n d e r e auf A n m . 188 d e r E r s t a u f l a g e b e r u f t , w o die E r m ä c h t i g u n g s t h e o r i e e n t w i c k e l t w i r d (!). 10
Vgl. z u m f o l g e n d e n e i n g e h e n d Canaris W M 1980, 362 f. 1 ' D a s b e t o n t Hadding B ä r m a n n - F e s t s c h r . S. 386 besonders.
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
einlösung, sondern die Genehmigung der Kontobelastung bzw. der — zeitlich nicht exakt zu bestimmende — Eintritt der Genehmigungsfiktion ist (vgl. unten Rdn. 665). 3. Die dem Lastschriftverfahren üblicherweise zugrunde liegenden Formularerklärungen Das Lastschriftverfahren ist eine Schöpfung der Rechtspraxis. Als solche läßt es sich nur z. T. mit Hilfe des Gesetzes und allgemeiner Rechtsgrundsätze bewältigen. Daneben ist es weitgehend durch bestimmte, üblicherweise einschlägige Formularerklärungen geprägt. Diese sind im folgenden abgedruckt. a) Der Text des Abkommens über den Lastschriftverkehr I. 536
Die Spitzenverbände des Kreditgewerbes haben f ü r den Lastschriftverkehr folgendes Abkommen geschlossen: 1. Die Lastschrift ist ein Einzugspapier, mit dem der Zahlungsempfänger durch Vermittlung seines Kreditinstituts (erste Inkassostelle) aus dem Guthaben des Zahlungspflichtigen bei demselben oder einem anderen Kreditinstitut (Zahlstelle) den aus der Lastschrift ersichtlichen Betrag erhebt, und zwar auf Grund a) eines der Zahlstelle von dem Zahlungspflichtigen zugunsten des Empfängers erteilten Auftrags (Abbuchungsauftrag) oder b) einer dem Zahlungsempfänger von dem Zahlungspflichtigen erteilten Ermächtigung (Einzugsermächtigung) . 2. Die erste Inkassostelle nimmt Aufträge zum Einzug fälliger Forderungen, f ü r deren Geltendmachung nicht die Vorlage einer Urkunde erforderlich ist, mittels Lastschrift herein. Die Lastschriften müssen vorbehaltlich der Regelung in Abschnitt V den in der Anlage beigefügten „Richtlinien f ü r die Herstellung einheitlicher Lastschriftvordrucke" entsprechen. 3. Bei einer Lastschrift, die auf einer Einzugsermächtigung beruht, ist am oberen Rand durch einen Aufdruck deutlich sichtbar zu vermerken: „Einzugsermächtigung des Zahlungspflichtigen liegt dem Zahlungsempfänger vor." Fehlt dieser Vermerk, so wird die Lastschrift wie eine solche im Sinne der Ziffer I 1 a) behandelt. 4. Bei Lastschriften, die den Vermerk „Einzugsermächtigung des Zahlungspflichtigen liegt dem Zahlungsempfänger vor" tragen, haftet die erste Inkassostelle der Zahlstelle f ü r jeden Schaden, der ihr durch unberechtigt ausgestellte Lastschriften entsteht. 5. Die Lastschrift ist bei Sicht zahlbar. Fälligkeitsdaten und Wertstellungen gelten als nicht geschrieben. Eine Lastschrift, die vor Eintritt des auf ihr angegebenen Ausstellungstages zur Zahlung vorgelegt wird, ist am Tage der Vorlegung zahlbar. 6. Die Zahlstelle hat dem Zahlungspflichtigen die Lastschrift nach der Belastung unverzüglich auszuhändigen. Bezahltmeldungen werden nicht erteilt. Teilzahlungen sind unzulässig. 7. Unbezahlt gebliebene Lastschriften sind mit dem Vermerk „Vorgelegt am und nicht bezahlt" zu versehen und zurückzureichen. Lastschriften auf Grund einer Einzugsermächtigung, die wegen Widerspruchs des Zahlungspflichtigen zurückgesandt werden (III. 1), sind mit dem Vermerk „Belastet am Zurück am
wegen Widerspruchs!"
zu versehen und zurückzureichen.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und Wesen des Lastschriftverfahrens II. 1. Lastschriften, die nicht bezahlt werden, a) weil weder der Zahlstelle ein Abbuchungsauftrag vorliegt noch die Lastschrift einen Ermächtigungsvermerk trägt oder b) weil auf dem Konto des Zahlungspflichtigen keine Deckung vorhanden ist, sind von der Zahlstelle mit dem Vorlagevermerk zu versehen und zurückzusenden. Rücklastschriften im Betrage von 1000,— DM und darüber sind entweder am Tage der Vorlage (Eingangstag) unter Beifügung eines Durchschlages der Rücklastschriftrechnung von der Zahlstelle — im ländlichen Genossenschaftssektor über die zuständige Zentralstelle — unmittelbar an die erste Inkassostelle (ist diese eine ländliche Kreditgenossenschaft, an deren Zentralkasse) oder spätestens am zweiten Arbeitstag nach dem Tage der Vorlage unter gleichzeitiger telegrafischer, telefonischer oder fernschriftlicher Benachrichtigung der ersten Inkassostelle (ist diese eine ländliche Kreditgenossenschaft, deren Zentralkasse) auf dem umgekehrten Inkassoweg zurückzusenden. Bei Rücklastschriften mit einem Betrag von weniger als 1000,— DM erfolgt die Rücksendung unverzüglich — spätestens am zweiten Arbeitstag nach dem Tage der Vorlage — auf dem umgekehrten Inkassoweg. 2. Rücklastschriften sowie die Rücklastschriftprovisionen und Barauslagen für die unmittelbare Lastschriftrückgabe werden auf dem umgekehrten Inkassoweg verrechnet. Auf der Rücklastschriftrechnung ist zu vermerken: „Lastschrift mit Vorlegungsvermerk bereits unmittelbar übersandt." 3. Die erste Inkassostelle ist — auch bei Verletzung dieses Abkommens und unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche — verpflichtet, nicht eingelöste und mit dem Vorlegungsvermerk versehene Lastschriften zurückzunehmen und wieder zu vergüten. Zurückgenommene Lastschriften dürfen nicht erneut zum Einzug gegeben werden. 4. Bei Rücksendung von unbezahlt gebliebenen Lastschriften kann die Zahlstelle eine Rücklastschriftprovision von höchstens 3,— DM und Ersatz ihrer Auslagen verlangen. Vereinbarungen der Kreditinstitute mit dem Zahlungsempfänger bzw. Zahlungspflichtigen über die Erhebung von Gebühren werden durch dieses Abkommen nicht berührt. 5. Bei der Verrechnung von Rücklastschriften unter 3000,— D M wird jede Stelle, über die die Rücklastschriftrechnung läuft, mit der Tageswertstellung für Einzugslastschriften belastet. Alle Rücklastschriften von 3000,— DM und darüber können mit der Wertstellung der Einreichung verrechnet werden. III. 1. Lastschriften, die auf einer Einzugsermächtigung beruhen, kann die Zahlstelle — außer wegen fehlender Deckung — zurückgegeben und deren Wiedervergütung verlangen, wenn der Zahlungspflichtige der Belastung widerspricht. Die Zahlstelle hat, unverzüglich nachdem sie von dem Widerspruch Kenntnis erlangt hat, die Lastschrift mit dem Vermerk nach I. 7, Absatz 2, zu versehen und zurückzusenden. 2. Die Rückbelastung ist — unbeschadet der Regelung in I. 4 — ausgeschlossen, wenn der Zahlungspflichtige nicht binnen sechs Wochen nach Belastung widerspricht. 3. Im übrigen gelten die Bestimmungen des Abschnitts II. rv. 1. Dieses Abkommen begründet Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten. 2. Aus einer Verletzung dieses Abkommens können Schadensersatzansprüche nur geltend gemacht werden, wenn der Verstoß gegen die aus diesem Abkommen erwachsenen Verpflichtungen unverzüglich nach Bekanntwerden gerügt wird. Die Schadensersatzpflicht beschränkt sich auf Betrag und Nebenforderungen derjenigen Lastschrift, bei deren Bearbeitung den Verpflichtungen aus diesem Abkommen nicht genügt worden ist. Bei Rücksendung einer Lastschrift gemäß Abschnitt II, Ziff. 1, Abs. 2 und 3, kann die erste Inkassostelle einen Schadensersatzanspruch Claus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren nicht daraus herleiten, daß die Voraussetzungen des Abschnittes II, Ziff. 1, Abs. 1 Buchst, a) und b), nicht vorgelegen haben. 3. Die Abtretrung etwaiger Ansprüche aus einer Verletzung dieses Abkommens ist ausgeschlossen. Ein beteiligtes Kreditinstitut ist auch nicht berechtigt, einen aus der Verletzung dieses Abkommens entstandenen Schaden eines Dritten im Wege der Schadensliquidation im Drittinteresse geltend zu machen. V. Dieses Abkommen tritt am 1.1. 1964 in Kraft. (Abs. 2 und 3 durch Zeitablauf überholt.) Beim Einzug von Beträgen zwischen benachbarten Kreditinstituten und in den Fällen, in denen die erste Inkassostelle gleichzeitig Zahlstelle ist, können — soweit es bisher üblich ist — weiterhin auch andere Vordrucke verwendet werden (z. B. Rechnungen von Versorgungsbetrieben). VI. Dieses Abkommen kann von jedem Kreditinstitut oder einem Spitzenverband mit einer Frist von 12 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. (Abs. 2 u. 3 enthalten Formvorschr. für d. Künd.)
b) Vereinbarung zwischen der ersten Inkassostelle und dem Zahlungsempfänger für den Einzug von Forderungen auf Grund von Lastschriften 537
Zwischen der (Kreditinstitut) und (Zahlungsempfänger) wird folgende Vereinbarung getroffen: 1. D e r oben bezeichnete Zahlungsempfänger ist berechtigt, fällige Forderungen, für deren Geltendmachung nicht die Vorlage einer Urkunde erforderlich ist, mittels Lastschriften einzuziehen. 2. D e r Zahlungsempfänger verpflichtet sich, Lastschriften, die den Aufdruck „Einzugsermächtigung des Zahlungspflichtigen liegt dem Zahlungsempfänger vor" tragen, nur dann zum Einzug einzureichen, wenn ihm eine schriftliche Einzugsermächtigung der Zahlungspflichtigen vorliegt. Er verpflichtet sich, f ü r Einzugsermächtigungen nur den aus der Anlage ersichtlichen Mustertext zu verwenden. Auf Verlangen des Kreditinstituts hat er diesem die Einzugsermächtigung vorzulegen. 3. Der Zahlungsempfänger verwendet nur Lastschriftvordrucke, die den Richtlinien f ü r die Herstellung einheitlicher Lastschriftvordrucke entsprechen. 4. Fälligkeiten, Fristen und Termine gelten als nicht geschrieben. Teilzahlungen sind ausgeschlossen. 5. Regelmäßig einzuziehende Kleinbeträge sind zu viertel- oder halbjährlichem Einzug zusammenzuziehen, so daß sich nach Möglichkeit ein Einzugsbetrag von mindestens 10,— D M je Lastschrift ergibt. 6. Lastschriften sind dem Kreditinstitut mit einem rechtsverbindlich unterzeichneten Sammeleinzugsauftrag einzureichen. 7. D e r Gesamtbetrag der einzuziehenden Forderung wird dem Konto des Zahlungsempfängers „Eingang vorbehalten, W e r t Arbeitstage nach Einreichung" gutgeschrieben. 8. Für Lastschriften wird eine Einzugsgebühr von %o auf den ausmachenden Betrag, mindestens jedoch D M pro Lastschrift erhoben. Für nicht eingelöste Lastschriften kann daneben eine Rücklastschriftprovision von höchstens 3,— D M pro Stück und Ersatz der durch die Rücklastschrift entstandenen eigenen und fremden Auslagen berechnet werden. 9. Der Zahlungsempfänger erklärt sich mit der Rückbelastung nicht eingelöster Lastschriften mit der Einreichungswertstellung einverstanden. Das gilt auch f ü r die Rückbelastung von Last292
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D a s Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftschuldner und seiner Bank (Zahlstelle) Schriften, die auf einer Einzugsermächtigung beruhen und für die der Zahlungspflichtige nach Belastung des Einzugsbetrages auf seinem Konto Widergutschrift verlangt, weil er die Belastung des Einzugsbetrages nicht anerkennt. 10. Lastschriften, die zurückbelastet worden sind (Ziff. 9), können nicht erneut zum Einzug eingereicht werden. 11. Alle Folgen des Abhandenkommens, der mißbräuchlichen Verwendung, der Fälschung und Verfälschung von Lastschrift-Vordrucken trägt der Zahlungsempfänger. D a s Kreditinstitut haftet nur für nachgewiesenes Verschulden und nur in dem Maße, als es im Verhältnis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat. 12. Im übrigen gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditinstituts.
(Ort und Datum)
(Unterschriftfen] der Bank)
(Unterschrift[en] des Zahlungsempfängers)
II. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftschuldner und seiner Bank (Zahlstelle) 1. Die Rechte und Pflichten der Zahlstelle gegenüber dem Lastschriftschuldner a) Die Rechtslage im Abbuchungsauftragsverfahren Im Abbuchungsauftragsverfahren hat die Zahlstelle gegenüber dem Lastschrift- 5 3 8 Schuldner grundsätzlich sowohl ein Recht zur Belastung des Kontos als auch eine Pflicht zur Einlösung der Lastschrift. Das gilt sowohl nach der Ermächtigungstheorie (vgl. oben Rdn. 532) als auch nach der Generalweisungstheorie (vgl. oben Rdn. 534); denn nach beiden Theorien hat die Bank eine wirksame Ermächtigung und eine wirksame Weisung i. S. von §§ 675, 665 B G B erhalten. Die Rechtslage entspricht insoweit derjenigen beim Uberweisungsauftrag. Demgemäß gerät die Bank ohne Mahnung in Verzug, wenn sie die Lastschrift nicht unverzüglich einlöst (vgl. oben Rdn. 326); sie hat dem Lastschriftschuldner daher einen etwaigen Schaden zu ersetzen, den dieser z. B. wegen verspäteter Zahlung an den Gläubiger erleidet. Ebenso wie beim Überweisungsauftrag und beim Scheck setzt die Einlösungspflicht 5 3 9 grundsätzlich auch hier das Vorhandensein von Deckung auf dem Konto des Lastschriftschuldners voraus (vgl. auch Engel S. 38). Die Deckung kann auch auf einer bestehenden Kreditzusage — z. B. einem persönlichen Dispositionskredit, einem Kontokorrentkredit usw. — beruhen. Reicht die Deckung zur Einlösung der Lastschrift nicht aus, so ist die Bank zu einer Teilzahlung weder berechtigt noch verpflichtet. Denn eine solche ist nach Ziff. 6 S. 3 des Lastschriftabkommens unzulässig, so daß der Zahlungsabruf mittels der Lastschrift nur als Abruf des vollen Betrages interpretiert werden kann; außerdem enthält die übliche Abbuchungsauftragserklärung den Hinweis, daß dem Lastschriftschuldner die Unzulässigkeit von Teilzahlungen bekannt ist. Fehlt ausreichende Deckung, so hat die Zahlstelle grundsätzlich die Pflicht zur Benachrichtigung des Lastschriftschuldners vor Rückgabe der Lastschrift, damit dieser Gelegenheit zur Anschaffung von Deckung erhält und die Folgen der Nichteinlösung abwenden kann; anders kann zu entscheiden sein, wenn die Zahlstelle wegen der Kürze der Rückgabefrist — z. B. im Abrechnungsverkehr bei der L Z B — durch den mit der Rückfrage verbundenen Zeitaufwand einen irreversiblen Nachteil zu erleiden droht. Darüber hinaus hat die Zahlstelle nach § 242 B G B u. U. sogar eine Pflicht zur Kreditgewährung (vgl. allgemein unten Rdn. 1271 f sowie auch zum entsprechenden Claus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
Problem beim Scheck Rdn. 690). Ein Recht zur Einlösung auf Kredit ohne Rücksprache mit dem K u n d e n hat die Bank dagegen grundsätzlich nicht (vgl. näher unten Rdn. 542). 540
Ähnlich wie bei der Giroüberweisung kann die Zahlstelle eine Pflicht zur Warnung des Lastschriftschuldners bzw. zur Rückfrage bei ihm haben, um ihm Gelegenheit zu einem Widerruf des Lastschriftauftrags oder zu einem Einlösungsverbot zu geben. Das gilt entsprechend den oben Rdn. 105 entwickelten G r u n d s ä t z e n vor allem, wenn der Zahlstelle der wirtschaftliche Zusammenbruch des Lastschriftgläubigers oder dessen unmittelbares Bevorstehen bekannt ist 12 . Verletzt sie diese Pflicht, so hat sie ebenso wie bei der Giroüberweisung kein Recht zur Belastung des Kontos ihres K u n d e n , weil dann keine pflichtgemäße A u f t r a g s d u r c h f ü h r u n g vorliegt (vgl. oben Rdn. 348); hat die D u r c h f ü h r u n g der Z a h l u n g freilich dem Lastschriftschuldner keinen Nachteil gebracht, kann dieser sich auf die Pflichtwidrigkeit nicht berufen (vgl. oben Rdn. 350).
541
O b der Lastschriftgläubiger durch die Lastschriftziehung eine Pflichtverletzung im Verhältnis z u m Bezogenen begeht, berührt das Recht der Zahlstelle zur Kontobelastung grundsätzlich nicht 1 3 , da der Abbuchungsauftrag ihr gegenüber erteilt bzw. deklariert w o r d e n ist und sein U m f a n g sich daher grundsätzlich nach dem Inhalt dieser Erklärung richtet. Bei einem Mißbrauch der Abbuchungsbefugnis sind jedoch die G r u n d s ä t z e über den Vollmachtsmißbrauch entsprechend anzuwenden. Die Zahlstelle kann sich demnach auf das Vorliegen eines Abbuchungsauftrags und auf das daraus folgende Recht zur Belastung des Kontos ihres K u n d e n nicht berufen, wenn der Lastschriftgläubiger bewußt zu dessen Nachteil gehandelt hat und das der Zahlstelle bekannt war oder sich ihr geradezu aufdrängen mußte (vgl. im einzelnen näher oben Rdn. 170 zum Mißbrauch der Vertretungsmacht). O b vom Boden der Generalweisungstheorie aus ebenso zu entscheiden ist, erscheint jedenfalls dann zweifelhaft, wenn man das Vorliegen einer Befugnis des Lastschriftgläubigers leugnet (vgl. dazu oben Rdn. 534), doch sollte sich angesichts der Weite des Anwendungsbereichs von § 242 BGB dasselbe Ergebnis erreichen lassen 13 *; immerhin vermag die Ermächtigungstheorie dieses leichter dogmatisch einzuordnen, da die Rechtsähnlichkeit zwischen dem Mißbrauch der Vollmacht und dem Mißbrauch der Ermächtigung ohne weiteres einleuchtet. Ein wichtiges Indiz f ü r das Vorliegen eines Mißbrauchs der Abbuchungsbefugnis liegt in der Einreichung einer Lastschrift über einen völlig aus dem Rahmen fallenden Betrag. Erfolgt diese in Benachteiligungsabsicht, so wird man oft zu dem Schluß k o m men müssen, daß der Mißbrauch sich der Bank „geradezu a u f d r ä n g e n " mußte und daß sie daher nach T r e u und Glauben zur R ü c k f r a g e bei ihrem K u n d e n verpflichtet war. Entfällt das Recht der Zahlstelle zur Belastung des Bezogenen wegen Mißbrauchs der Abbuchungsbefugnis, hat diese die Durchgriffskondiktion gegen den Zahlungsempfänger (vgl. unten Rdn. 620 a. E.).
542
Keines Rückgriffs auf den Gedanken eines Mißbrauchs der Abbuchungsbefugnis bedarf es i. d. R. bei Fehlen einer ausreichenden Deckung auf dem Konto des Lastschriftschuldners. Die Abbuchungsbefugnis schließt nämlich grundsätzlich ebensowenig wie z. B. eine normale Bankvollmacht (vgl. oben Rdn. 165) die Befugnis zur A u f nahme von Kredit in sich, sondern gibt nur die Möglichkeit zu V e r f ü g u n g e n über ein 12 Vgl. auch Engel S. 39; Liesecke W M 1975, Polke S. 10; Schlegelberger/Hefermehl Anh. § 365 Rdn. 131. >J Vgl. auch Pleyer/Holschbach DB 1972, 763; ding Bärmann-Festschr. S. 384; Liesecke
294
302; nach I3a
HadWM
1975, 301; Sandberger J Z 1977, 286; Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 365 Rdn. 131. In dieser Richtung in der T a t Mütze S. 247 ff, freilich ohne hinreichende dogmatische Fundierung.
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II. D a s Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftschuldner und seiner B a n k (Zahlstelle)
vorhandenes Guthaben und einen auf dem betreffenden K o n t o bereitgestellten bzw. zugesagten Kredit 1 4 . D i e Bank handelt daher selbst dann, wenn sie zur Kreditgewährung verpflichtet ist (vgl. oben Rdn. 539 a. E.), auf eigenes Risiko, sofern sie den Kredit ohne vorherige R ü c k f r a g e beim Lastschriftschuldner gewährt. Denn dieser kann ihren Darlehensgewährungsantrag grundsätzlich, d. h. abgesehen von geringfügigen Uberziehungen im Rahmen des Üblichen, ablehnen mit der Folge, daß die Bank einen Aufwendungsersatzanspruch nur bei Vorliegen der Voraussetzungen von §§ 683, 670 B G B hat, im übrigen aber gemäß § 684 B G B auf Bereicherungsansprüche angewiesen ist. Die abweichenden Grundsätze über die Einlösung eines Schecks (vgl. unten Rdn. 697) lassen sich nicht übertragen, weil anders als dort beim Lastschriftauftrag eben kein konkludenter Darlehensantrag des Kunden vorliegt. D e r K u n d e kann den Darlehensantrag der Bank freilich auch konkludent annehmen. D a s kann grundsätzlich auch durch Schweigen geschehen; ob hierfür die Unterlassung unverzüglicher Einwendungserhebung nach Ziff. 15 A G B genügt, hängt davon ab, ob die Mitteilung über die Kreditgewährung — also z. B. der betreffende K o n t o a u s z u g — den nach § 10 Ziff. 5 b A G B G erforderlichen Hinweis auf die mit dem Schweigen verbundene Fiktion der Zustimmung enthält 1 5 .
b) Die Rechtslage im Einzugsermächtigungsverfahren Folgt man der Ermächtigungstheorie (vgl. oben Rdn. 532), so hat die Zahlstelle 5 4 3 auch im Einzugsermächtigungsverfahren bei Vorhandensein von D e c k u n g grundsätzlich ein Recht und eine Pflicht zur Einlösung der Lastschrift, da nach dieser Ansicht der Lastschriftgläubiger den Zahlungsauftrag mit Wirkung für und gegen den Kontoinhaber erteilt. Allerdings könnte die Bank ein Zurückweisungsrecht analog § 174 B G B haben, da diese Vorschrift auf die Ermächtigung u. U . entsprechend angewendet werden kann. Die Frage hat jedoch allenfalls theoretische Bedeutung, da die Banken, soweit bekannt, Einlösungsaufträge im Einzugsermächtigungsverfahren nicht zurückzuweisen pflegen. Im übrigen paßt die Vorschrift hier auch ihrer ratio legis nach nicht, da die Zahlstelle sich der Möglichkeit eines Abrufs durch den Lastschriftgläubiger freiwillig durch Teilnahme am Einzugsermächtigungsverfahren ausgesetzt und überdies das damit verbundene Risiko gemäß Ziff. 4 des Lastschriftabkommens auf die Gläubigerbank bzw. (beim H a u s - und Filialverkehr) gemäß Ziff. 9 der Vereinbarung mit dem Lastschriftgläubiger (vgl. oben Rdn. 536) auf diesen abgewälzt hat. Die Voraussetzungen für eine Analogie zu § 174 B G B sind daher hier nicht gegeben; folgt man der Vollmachtstheorie (vgl. oben Rdn. 533), ist § 174 B G B auf Grund einer teleologischen Reduktion außer Anwendung zu lassen 1 6 . N a c h der Genehmigungstheorie (vgl. oben Rdn. 535) hat die Zahlstelle dagegen 5 4 4 trotz Vorliegens einer wirksamen Einzugsermächtigung kein Recht zur Kontobelastung, solange der Bezogene die Lastschrifteinlösung nicht genehmigt hat. Eine Genehmigung durch Schweigen gemäß Ziff. 15 A G B kommt derzeit grundsätzlich schon deshalb nicht in Betracht, weil die K o n t o a u s z ü g e nicht den nach § 10 Ziff. 5 A G B G erforderlichen und demgemäß in Ziff. 15 vorgesehenen Hinweis auf die Folgen des Schweigens enthalten. Außerdem könnte das Schweigen allenfalls bei einem berechtigten Lastschrifteinzug als Genehmigung angesehen werden, da anderenfalls eine Genehmigungsfiktion von vornherein ausscheidet (vgl. unten Rdn. 559). 14
A. A. Engel S . 39 f auf G r u n d z u starrer Buchs t a b e n a u s l e g u n g des A b b u c h u n g s a u f t r a g s ; ihm folgend Polke S . 115; e b e n s o ferner o h n e B e g r ü n d u n g Liesecke WM 1975, 301.
15
O h n e diesen Hinweis tritt die G e n e h m i g u n g s f i k -
tion nicht ein; vgl. z. B. Ulmer/Brandner/Hemen, K o m m , z u m A G B G 3 , § 10 Z i f f . 5 R d n . 13 a. E . Vgl. a u c h Sandberger J Z 1977, 286, der die P r o blematik j e d o c h zu U n r e c h t mit der des § 180 B G B vermischt.
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
Weiterhin hat die Zahlstelle nach der Genehmigungstheorie auch keine Pflicht zur Einlösung der Lastschrift17. Verzögert sie also schuldhaft die Einlösung oder vergißt sie diese gänzlich und entsteht dem Lastschriftschuldner daraus ein Schaden, so ist die Bank demnach nicht ersatzpflichtig. Das Ergebnis erscheint wertungsmäßig nicht gerechtfertigt, zumal es dem Lastschriftschuldner die Vorteile des Lastschriftverfahrens weitgehend nimmt, weil er nun doch wieder (teilweise) das Verspätungsrisiko trägt — und das sogar, wenn er selbst sich völlig korrekt verhält! Daß die Zahlstelle bei Nichteinlösung der Lastschrift eine Pflicht zur Unterrichtung des Lastschriftschuldners und zur Einholung seiner Weisung hat 1 8 , ist schon deshalb kein hinreichender Schutz, weil dadurch die Fälle einer vergessenen Einlösung nicht gedeckt werden. Außerdem kann durch die Rückfrage ein entscheidender Zeitverlust eingetreten sein, sei es, daß es um Tage oder sogar Stunden geht, oder sei es, daß der Lastschriftschuldner wegen Reise, Krankheit usw. längere Zeit nicht erreichbar ist. Der Lastschriftschuldner muß sich daher unbedingt darauf verlassen können, daß die Bank die Lastschrift bei Vorlage einlöst, sofern Deckung vorhanden ist. Die Ermächtigungstheorie ist daher der Genehmigungstheorie in dieser Frage eindeutig überlegen, weil das interessen- und funktionsgerechte Ergebnis für sie eine dogmatische Selbstverständlichkeit darstellt. 545
Bezüglich der Pflicht zur Benachrichtigung des Lastschriftschuldners vor Rückgabe mangels Deckung, einer etwaigen Pflicht zur Kreditgewährung und der Warnpflicht bei drohendem Zusammenbruch des Lastschriftgläubigers gelten die Ausführungen zum Abbuchungsauftragsverfahren oben Rdn. 539 f entsprechend. Eines Rückgriffs auf die Lehre vom Mißbrauch der Ermächtigung bedarf es dagegen hier grundsätzlich nicht, da der Lastschriftschuldner einen solchen in aller Regel weit besser erkennen kann als seine Bank und durch die Möglichkeit des Widerspruchs (vgl. unten Rdn. 560) hinreichend geschützt ist. Eine Befugnis zur Aufnahme eines Kredits, der über einen dem Lastschriftschuldner bereits zugesagten Kredit (Dispositionskredit und dgl.) hinausgeht, hat der Lastschriftgläubiger grundsätzlich ebensowenig wie beim Abbuchungsauftragsverfahren (vgl. oben Rdn. 542), doch ist die Lage hier für die Zahlstelle insofern weniger gefährlich, als eine Zurückweisung des Kredits durch den Lastschriftschuldner zugleich einen Widerspruch gegen die Einlösung der Lastschrift darstellt, so daß die Zahlstelle die Lastschrift zurückgeben kann.
546
Ein spezifisches Problem des Einzugsermächtigungsverfahrens liegt in der Frage, ob bei Einlösung einer unberechtigten Lastschrift eine Schadensersatzhaftung der Zahlstelle gegenüber ihrem Kunden gegeben sein kann. Das hat vor allem dann praktische Bedeutung, wenn das Konto des Lastschriftbezogenen wegen der Einlösung kein Guthaben mehr aufweist und die Zahlstelle deshalb z. B. einen Wechsel oder Scheck zu Protest gehen läßt oder die Einlösung einer anderen Lastschrift verweigert. Meist wird sich die Problematik freilich schon durch die Pflicht der Zahlstelle zur Rückfrage bei ihrem Kunden vor Ablehnung der Wechsel-, Scheck- oder Lastschrifteinlösung bewältigen lassen, doch bleibt ein kleiner Rest von Fällen, wo dieser Weg nicht gangbar ist — z. B. wegen Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Rückfrage. In der Lastschrifteinlösung als solcher ein Verschulden der Zahlstelle gegenüber dem Kontoinhaber zu sehen, wie das von der h. L. befürwortet wird 1 9 , geht zu weit. Zwar mag es sein, daß 17
So ausdrücklich Hadding Bärmann-Festschr. S. 390; ihm folgend Polke S. 107 in Widerspruch zu S. 117; unklar Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 365 Rdn. 135; wie hier i. E. Engel S. 41; Fallscheer-SchlegeI S. 16; Bärmann/Brink Rdn. 261.
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Damit will Hadding aaO helfen; ebenso Polke aaO. >9 Vgl. Pleyer/Holschbach DB 1972, 764; Liesecke W M 1975, 301; Hadding Bärmann-Festschr. S. 390 f; Wolff ebenda S. 1073 f; Bärmann/Brink Rdn. 261; Polke S. 130 f; Mütze S. 254 ff; mit
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftschuldner und seiner Bank (Zahlstelle) die Zahlstelle billigend eine Schädigung ihres Kunden in Kauf nimmt oder mit dieser Möglichkeit i. S. der Lehre von der bewußten Fahrlässigkeit rechnet, doch wird sie i. d. R. ohne Pflichtverstoß an eine wirksame Ermächtigung und damit an ihr Recht zur Kontobelastung glauben. Ein Verschulden liegt dann nicht vor, weil die Teilnahme der Zahlstelle am Lastschriftverfahren nicht generell als pflichtwidrig qualifiziert werden kann. Anders ist freilich zu entscheiden, wenn die Zahlstelle erstmalig eine Lastschrift des betreffenden Gläubigers einlöst und anschließend die Einlösung eines Wechsels oder Schecks ablehnt oder eine ähnliche Maßnahme vornimmt, obwohl das Fehlen von Deckung allein auf die Einlösung der unberechtigten Lastschrift zurückzuführen ist. Denn in einem solchen Fall hat die Zahlstelle durch das Unterlassen einer Rückfrage über die Berechtigung des erstmalig (!) aufgetretenen Lastschriftgläubigers zwar wohl nicht geradezu einen Pflichtverstoß begangen, wohl aber eine besondere Gefahrenlage geschaffen, so daß sie nach den Grundsätzen über das vorangegangene Tun zu einer Kreditgewährung an ihren Kunden bis zur H ö h e der Lastschrift verpflichtet ist, wenn sie ausnahmsweise einmal die Situation nicht durch Rückfrage bei diesem aufklären kann. Damit dürfte den praktischen Bedürfnissen im wesentlichen Rechnung getragen sein. Überschreitet der Lastschriftgläubiger lediglich die Grenzen einer an sich bestehenden Einzugsermächtigung oder nutzt er eine solche noch nach ihrem Erlöschen aus, so ist es nicht unbillig, den Lastschriftbezogenen auf Schadensersatzansprüche gegen den Zahlungsempfänger zu beschränken, weil er insoweit das Risiko eines Mißbrauchs mindestens im selben Maße geschaffen hat wie die Zahlstelle. Für die — an sich durchaus erwägenswerte und der h. L. jedenfalls vorzuziehende — Entwicklung einer besonderen Gefährdungshaftung in Analogie zu §§231 BGB, 302 IV 3, 600 II, 717 II, 945 Z P O 2 0 dürfte somit weder Bedürfnis noch Raum bestehen. Das gilt erst recht, wenn das Fehlen eines Guthabens nicht auf einer unberechtigten Lastschrifteinreichung, sondern auf einem Fehler eines Computers beruht 2 1 ; insoweit ist ebenso wie bei der Giroüberweisung § 278 BGB analog anzuwenden (vgl. oben Rdn. 367). 2. Die Einlösung der Lastschrift Die primäre Pflicht der Zahlstelle gegenüber ihrem Kunden besteht bei Vorliegen 5 4 7 der einschlägigen Voraussetzungen in der Bezahlung oder, wie man statt dessen meist sagt, in der Einlösung der Lastschrift. Diese ist dann erfolgt, wenn die Zahlstelle ihren Willen zur Bezahlung der Lastschrift erkennbar manifestiert hat. Dogmatisch handelt es sich dabei um eine Frage der objektiven Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Eines Zugangs ihrer Willensäußerung bedarf es gemäß oder analog § 151 BGB nicht. Als äußere Anhaltspunkte f ü r das Vorliegen eines Einlösungswillens kommen in erster Linie die Verzögerung der Rückgabe der Lastschrift und die Belastung des Kontos des Bezogenen in Betracht. a) Die verspätete Rückgabe der Lastschrift Bei einem Einzug der Lastschrift im Wege des Abrechnungsverkehrs bei der Lan- 5 4 8 deszentralbank ist eine Einlösung in der Tat schon in der verspäteten Rückgabe der
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gewissen Einschränkungen auch Engel S. 43; a. A. vor allem Franke DB 1973, 1056 f. Diese schlägt Fallscheer-Schlegel S. 61 ff vor. D a ß Fallscheer-Schlegel a a O diese beiden Fragenkreise miteinander verbindet, ist unglücklich, da es sich um durchaus unterschiedliche Problemgestaltungen handelt. Auch ist es entgegen seiner Ansicht nicht ein V o r z u g , sondern vielmehr eine
Schwäche seiner Konstruktion, daß diese — anders als die Analogie zu § 278 BGB — unabhängig vom Vorliegen einer „Sonderverbindung" eingreift; denn dadurch wird das geltende H a f tungssystem unterlaufen, wie sich besonders deutlich zeigt, wenn es wie hier um allgemeine V e r m ö gensschäden geht.
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
Lastschrift zu sehen (vgl. B G H Z 74 352, 359; BGH ZIP 1980 425, 427; Polke S. 135 ff). Denn wenn die Zahlstelle die Lastschrift nicht binnen der in Ziff. 17 V ff der Abrechnungsbedingungen (vgl. unten Rdn. 892) vorgesehenen, längstens drei Geschäftstage währenden Frist zurückgibt, tritt nach Ziff. 1 S. 3 dieser Bedingungen Erfüllungswirkung im Sinne des bürgerlichen Rechts ein. 549
Bei einem anderen Einzugsweg — z. B. durch unmittelbare Zusendung an die Zahlstelle oder nach dem vereinfachten Einzugsverfahren bei der Landeszentralbank (vgl. unten Rdn. 596 ff) — ist die verspätete Rückgabe dagegen nicht als Einlösung anzusehen (vgl. BGH aaO). Das ergibt sich insbesondere aus Ziff. II 3 des Lastschriftabkommens, wonach die erste Inkassostelle auch bei Verletzung der Pflicht zur alsbaldigen Rückgabe gemäß Ziff. II 1 zur Rücknahme und Wiedervergütung nicht eingelöster Lastschriften verpflichtet ist. Allerdings kann die Zahlstelle im Einzelfall auf Grund des Verbots widersprüchlichen Verhaltens gehindert sein, sich auf das Fehlen eines Einlösungswillens zu berufen; das ist um so eher anzunehmen, je größer die Verspätung ist, und hängt im übrigen auch vom Vorliegen sowie von Art und Ausmaß einer etwaigen Vertrauensdisposition auf Seiten des Lastschriftgläubigers ab (vgl. auch unten Rdn. 617 a). b) Die Kontobelastung
550
Alternativ zur verspäteten Rückgabe im Abrechnungsverkehr ist grundsätzlich auf die Belastung des Kontos des Bezogenen durch die Zahlstelle abzuheben. Diese hat hier also — anders als bei der Giroüberweisung und ebenso wie bei der Scheckeinlösung — konstitutive Wirkung 2 2 . Dabei tritt die Einlösungswirkung gemäß Ziff. 41 II AGB allerdings erst ein, wenn die Belastung nicht am folgenden Buchungstage storniert wird — womit zugleich die grundsätzliche Relevanz der Belastungsbuchung vorausgesetzt und bestätigt wird. Erfolgt die Buchung im Wege der elektronischen Datenverarbeitung, so ist der Einlösungswille unproblematisch, wenn die erforderliche Prüfung bereits vorher stattgefunden hat („Vordisposition"); diese selbst sollte man dagegen ebensowenig wie bei der Girogutschrift und aus denselben Gründen wie dort (vgl. oben Rdn. 423) als Manifestation der Endgültigkeit ansehen. Bei einer Nachdisposition könnte man erwägen, im Anschluß an die zum Scheck ergangene Entscheidung BGHZ 53 199, 204 ff einen Einlösungswillen erst bei positivem Abschluß der Nachdisposition anzunehmen oder bei Absendung bzw. Bereitstellung der Belastungsanzeige 23 , doch würde man dadurch der — erst nach Erlaß dieses Urteils eingeführten — Regelung von Ziff. 41 II AGB nicht gerecht; denn durch die Möglichkeit einer Stornierung am folgenden Buchungstag hat die Bank genügend Zeit zur Uberprüfung und Korrektur der Buchung, so daß man es bei dieser — auch im Interesse der Rechtsklarheit begrüßenswerten! — Regelung bewenden lassen sollte, zumal sie gerade im Hinblick auf die Praxis der Nachdisposition geschaffen worden ist (vgl. Kumpel WM 1976 Sonderbeil. Nr. 1 S. 23). Auch beim beleglosen Datenträgeraustausch dürfte Ziff. 41 II AGB anwendbar sein, so daß die Lastschrift grundsätzlich mit Ablauf des nächsten Arbeitstages nach Vornahme der Buchung eingelöst ist; die Ausführungen oben Rdn. 524 gelten insoweit entsprechend.
551
Dagegen kann aus Ziff. 41 II AGB nicht der Schluß gezogen werden, daß die Einlösung nunmehr ausnahmslos am nächsten Buchungstag nach der Kontobelastung 22
Vgl. auch Fallscheer-Schlegel S. 20, dessen Polemik gegen Erstauflage Anm. 168 jedoch abwegig ist, weil sich die dortigen Ausführungen nur auf
298
23
die Belastungsbuchung bei der Giroüberweisung beziehen und für diese völlig zutreffend sind, Vgl. Hefermehl Festschr. für Möhring, 1975, S. 392 bzw. Polke S. 111 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftschuldner und seiner Bank (Zahlstelle)
erfolgt, wenn sie nicht bis zu dessen Ablauf storniert worden ist. Denn trotz dieser Regelung kann sich aus den Umständen des Falles ergeben, daß es trotz der Belastungsbuchung ausnahmsweise am Einlösungswillen der Zahlstelle fehlt. Das ist z. B. bei einer Rückgabe der Lastschrift mit Nichteinlösungsvermerk vor Ablauf des nach Ziff. 41 II AGB maßgeblichen Tages der Fall. Auch bei einer Entziehung der Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften oder bei einer Zahlungseinstellung kann angesichts der dadurch entstandenen Ausnahmesituation im Verstreichenlassen der Stornierungsfrist nicht ohne weiteres der Ausdruck des Einlösungswillens gesehen werden; vielmehr ist hier darauf abzustellen, ob eine Disposition tatsächlich stattgefunden hat oder nicht. Entsprechendes gilt, wenn der Zahlstelle bei einem Einzug im Abbuchungsauftragsverfahren kein Abbuchungsauftrag vorlag und sie den Tagesauszug mit der Belastungsbuchung dem Bezogenen nur deshalb zugesandt hat, um diesen zu einer Weisung über die Einlösung oder Nichteinlösung der Lastschrift zu veranlassen (vgl. BGHZ 74 352, 355 ff); denn daß eine Bank auch ohne Abbuchungsauftrag eine Lastschrift einlösen und die damit verbundenen Risiken übernehmen will, kann man im Zweifel nicht annehmen. Dagegen hat es bei einem Verzicht der Bank auf die Prüfung des Vorliegens eines Abbuchungsauftrags grundsätzlich sein Bewenden bei der Regelung von Ziff. 41 II AGB, da eine solche Praxis nur als Übernahme der damit verbundenen Risiken gedeutet werden kann (vgl. B G H W M 1981 450, 451). Desgleichen ist die Kontobelastung bei irriger Annahme eines wirksamen Abbuchungsauftrags wie z. B. bei dessen Fälschung oder bei versehentlicher Mißachtung seines Widerrufs i. d. R. als Ausdruck des Einlösungswillens anzusehen; denn der Glaube an das Vorliegen eines wirksamen Abbuchungsauftrags stellt lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum dar, so daß die Zahlstelle auf Bereicherungsansprüche angewiesen ist (vgl. dazu unten Rdn. 620 ff). Gleiches gilt beim Fehlen einer wirksamen Lastschrift (vgl. dazu im übrigen unten Rdn. 556 und Rdn. 625). Auch bei Fehlen einer wirksamen Einzugsermächtigung liegt in aller Regel in einer vorbehaltlosen Kontobelastung der Ausdruck des Einlösungswillens, zumal die Zahlstelle die Einzugsermächtigung ohnehin nicht überprüfen kann und überdies durch den Schadensersatzanspruch gegen die Inkassostelle gemäß Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens hinreichend geschützt ist. Aus diesem Grund besteht übrigens auch .bei Zugrundelegung der Genehmigungstheorie (vgl. oben Rdn. 535) nicht etwa Anlaß, im Hinblick auf die danach bestehende vorläufige Unwirksamkeit der Kontobelastung den Einlösungswillen der Schuldnerbank zu verneinen. In der Belastung eines debitorischen oder debitorisch werdenden Kontos wird man 5 5 2 zumindest im Abbuchungsauftragsverfahren grundsätzlich keine oder nur eine durch die Zustimmung des Bezogenen aufschiebend bedingte Einlösung sehen können, weil (und sofern) die Zahlstelle zu einer Einlösung auf Kredit grundsätzlich nicht berechtigt ist (vgl. oben Rdn. 542); die abweichenden Grundsätze zur Einlösung eines Schecks (vgl. unten Rdn. 700) lassen sich nicht übertragen, weil der Scheck grundsätzlich auf Kredit eingelöst werden darf. Anders könnte man u. U. im Einzugsermächtigungsverfahren entscheiden, weil die Zahlstelle hier im Hinblick auf das Widerspruchsrecht des Bezogenen durch die Einlösung auf Kredit kein besonders großes Risiko eingeht (vgl. oben Rdn. 545 a. E.), doch ist auch das sehr bedenklich, weil nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß einerseits kein wirksamer Darlehensvertrag zwischen der Zahlstelle und ihrem Kunden zustande kommt, dieser aber andererseits nicht binnen der Sechswochenfrist (Ziff. III 2 des Lastschriftabkommens) der Belastung widerspricht; im Zweifel dürfte daher auch hier ein Einlösungswille der Zahlstelle erst bei Einverständnis des Kunden mit der Kreditierung anzunehmen sein. Claus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
553
Entsprechendes gilt für die Belastung eines gepfändeten oder von hoher Hand beschlagnahmten Kontos und in ähnlichen Fällen. Denn auch dabei ist für einen objektiven Beobachter, auf den im Rahmen der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB grundsätzlich abzustellen ist, i. d. R. ohne weiteres erkennbar, daß die Bank nicht das Risiko der Anschaffung von Deckung durch den Kontoinhaber auf sich nehmen will und demgemäß keinen Einlösungswillen hat, sondern die Buchung lediglich vorläufig im Hinblick auf die Möglichkeit einer Aufhebung der Pfändung oder dgl. vornimmt; dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ist durch die Pflicht der Bank zu unverzüglicher Benachrichtigung des Lastschriftgläubigers (vgl. unten Rdn. 617) hinreichend Rechnung getragen. 3. Das Fehlen eines wirksamen Einlösungsauftrags und der „Widerspruch" des Bezogenen gegen die Einlösung a) Die Rechtslage im Abbuchungsauftragsverfahren
554
Fehlt ein Abbuchungsauftrag des Bezogenen gegenüber der Zahlstelle oder ist er unwirksam wie z. B. in den Fällen der Fälschung, der Vertretung ohne Vertretungsmacht oder der mangelnden Geschäftsfähigkeit, so gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie beim Fehlen eines wirksamen Giroüberweisungsauftrags (vgl. dazu oben Rdn. 366 ff). Die Zahlstelle hat demgemäß grundsätzlich kein Recht zur Belastung des Kontos des Bezogenen, sondern ist, wenn sie die Lastschrift eingelöst hat, auf einen Bereicherungsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger angewiesen (vgl. näher unten Rdn. 621). Schweigen auf einen Kontoauszug, aus dem die fehlerhafte Abbuchung zu ersehen ist, löst auch dann nicht die Fiktion einer echten Genehmigung i. S. von §185 11 oder §177 BGB aus, wenn dem Hinweiserfordernis gemäß Ziff. 15 AGB i. V. m. § 10 Nr. 5 b AGBG genügt ist, sondern führt höchstens zu einer Schadensersatzpflicht des Kunden; denn auch insoweit gilt folgerichtig nichts anderes als beim Giroüberweisungsauftrag 24 .
555
Gewisse Besonderheiten ergeben sich beim Widerruf des Abbuchungsauftrags. Ist dieser gegenüber dem Lastschriftgläubiger ausgesprochen worden und hält man das für möglich — was nach dem Rechtsgedanken der §§ 183 S. 2, 168 S. 3 BGB mangels entgegenstehender Abreden zu bejahen sein dürfte 2 5 —, so wird die Zahlstelle gemäß oder analog §§171 II, 172 II, 173 BGB in ihrem guten Glauben an den Fortbestand der Abbuchungsbefugnis des Lastschriftgläubigers geschützt 26 , so daß sie ein Recht zur Belastung des Kontos des Bezogenen hat und diesem die Auseinandersetzung mit dem Lastschriftgläubiger überlassen kann. Erfolgt der Widerruf dagegen gegenüber der Zahlstelle selbst — was praktisch die Regel sein dürfte — und löst diese trotzdem noch eine Lastschrift ein, so wird der Lastschriftgläubiger gegenüber der Durchgriffskondiktion der Zahlstelle u. U. analog §§171 II, 172 II, 173 BGB geschützt (vgl. näher unten Rdn. 622); die Zahlstelle hat dann gegen den Bezogenen entweder die Rückgriffskondiktion, sofern dieser von einer Schuld gegenüber dem Lastschriftgläubiger befreit worden ist, oder die „Kondiktion der Kondiktion" (mit Kumulierung der Einwendun24
25
Vgl. d a z u B G H Z 73, 2 0 7 s o w i e u n t e n die K o m m e n t i e r u n g v o n Z i f f . 15 A G B . A n d e r s ist m ö g l i c h e r w e i s e v o m B o d e n d e r G e n e ralweisungstheorie aus zu entscheiden. D a r ü b e r h i n a u s v e r l a n g t Engel S. 26 s o g a r bei d e r E i n z u g s e r m ä c h t i g u n g stets einen W i d e r r u f g e g e n ü b e r d e r S c h u l d n e r b a n k u n d b e g r ü n d e t das mit e i n e r A n a l o g i e z u § 7 9 0 S. 1 B G B ; A n g e w i e s e n e r i. S. dieser V o r s c h r i f t ist j e d o c h v o m B o d e n d e r
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— a u c h v o n Engel v e r t r e t e n e n — E r m ä c h t i g u n g s t h e o r i e aus g e r a d e d e r L a s t s c h r i f t g l ä u b i g e r , weil ihm die E r m ä c h t i g u n g z u r E r t e i l u n g des Ü b e r w e i s u n g s a u f t r a g s e i n g e r ä u m t ist; g e g e n Engel a u c h Fallscheer-Scblegel S. 17 f. 26
Z u r A n w e n d b a r k e i t dieser V o r s c h r i f t e n auf die E r m ä c h t i g u n g vgl. Canaris D i e V e r t r a u e n s h a f t u n g a a O S. 139.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Lastschriftschuldner und seiner Bank (Zahlstelle)
gen und Konkursrisiken). Entsprechendes gilt grundsätzlich, wenn der Abbuchungsauftrag wegen eines Willensmangels nichtig oder wirksam angefochten ist, doch hat die Zahlstelle hier u. U. außer dem Bereicherungsanspruch auch einen Schadensersatzanspruch aus § 122 BGB gegen den Bezogenen. Sonstige Erlöschensgründe stehen ebenfalls gleich; ist also die Abbuchungsermächtigung z. B. durch Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Lastschriftgläubiger und dem Lastschriftschuldner analog § 168 S. 1 BGB erloschen 27 wie z. B. bei Beendigung eines Miet- oder Versicherungsvertrages, so wird die Bank analog §§ 170, 173 BGB geschützt. Mängel der Abrufserklärung des Lastschriftgläubigers führen folgerichtig ebenfalls 5 5 6 dazu, daß die Bank mangels eines wirksamen Einlösungsauftrags grundsätzlich kein Recht zur Belastung des Kontos des Lastschriftbezogenen hat. Zu denken ist vor allem an die Einlösung einer gefälschten oder von einem falsus procurator ausgestellten Lastschrift. Die Rechtslage ist dann grundsätzlich dieselbe wie bei der Fälschung eines Überweisungsauftrags oder bei der Erteilung eines solchen durch einen falsus procurator. Das ist eine dogmatische Selbstverständlichkeit, wenn man der Ermächtigungstheorie folgt, da es dann an einer Verfügung des Ermächtigten über das Konto fehlt. Es gilt aber wohl auch vom Boden der Bedingungstheorie aus (vgl. zu dieser oben Rdn. 534). Denn es ist im Zweifel gemäß § 157 BGB nicht anzunehmen, daß der Abbuchungsauftrag auch bei Vorlage einer gefälschten oder von einem falsus procurator ausgestellten Lastschrift Platz greifen soll, zumal in einem solchen Fall keineswegs ohne weiteres Erfüllung im Valutaverhältnis eintritt und der Lastschriftschuldner daher bei Wirksamkeit der Kontobelastung Gefahr liefe, den Schaden endgültig tragen zu müssen. Aus dem Wortlaut der üblichen Abbuchungsauftragserklärung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Darin wird die Zahlstelle nämlich lediglich beauftragt, „von" dem namentlich bezeichneten Zahlungsempfänger „eingehende" Lastschriften einzulösen. Eine gefälschte oder durch einen falsus procurator ausgestellte Lastschrift geht aber nicht „von" dem benannten Zahlungsempfänger ein. Das Gegenteil müßte unmißverständlich zum Ausdruck gebracht werden, zumal es sich um eine dem AGBG unterfallende Formularerklärung handelt und die Übernahme des Fälschungs- und sonstigen Mißbrauchsrisikos eine gefährliche Maßnahme darstellt. In Ziff. 11 der Inkassovereinbarung wird denn auch ersichtlich davon ausgegangen, daß diese Risiken das Verhältnis zwischen dem Zahlungsempfänger und der ersten Inkassostelle betreffen, was bei ihrer Übernahme durch den Lastschriftbezogenen sinnwidrig wäre. Die Zahlstelle kann sich demgemäß nicht an diesen, sondern lediglich an den Lastschriftgläubiger (und natürlich an den Fälscher bzw. falsus procurator) sowie subsidiär an die erste Inkassostelle halten (vgl. näher unten Rdn. 625 bzw. Rdn. 594 f). Ein Widerspruch des Bezogenen nach Einlösung der Lastschrift ist im Abbuchungs- 5 5 7 auftragsverfahren ohne Wirkung 2 7 3 . Denn mit der Einlösung ist der Abbuchungsauftrag in nicht wieder rückgängig zu machender Weise durchgeführt, so daß das Widerrufsrecht des Lastschriftschuldners ebenso wie bei einer Giroüberweisung erloschen ist (vgl. oben Rdn. 353). Auf den Theorienstreit um die dogmatische Einordnung des Abbuchungsauftrags kommt es insoweit nicht an. Vor Einlösung der Lastschrift kann der Lastschriftschuldner dagegen wirksam widersprechen, da er durch den Abbuchungsauftrag sein allgemeines Weisungs- und Widerrufsrecht (vgl. oben Rdn. 352) nicht verloren hat; notfalls kann er auch den Abbuchungsauftrag als solchen widerru-
27
Zugrunde liegendes Rechtsverhältnis i. S. von § 168 BGB ist (jedenfalls auch) das Verhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und -Schuldner.
27a
Vgl. B G H Z 72, 343, 345 f; B G H W M 1978, 819, 820; PutzoS.Si; Detick Z H R 144, 175.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
fen, da dieser üblicherweise frei widerruflich ist. Ob und wann die Einlösung erfolgt ist, richtet sich nach den oben Rdn. 547 ff entwickelten Regeln. 558
Bei gleichzeitigem Vorliegen eines wirksamen Abbuchungsauftrags und des Einzugsermächtigungsvermerks entfällt das Widerspruchs- oder Widerrufsrecht des Bezogenen mit Einlösung der Lastschrift 28 , da der Zahlungsvorgang damit endgültig durchgeführt ist. Auch ein Widerspruchs- oder Widerrufsrecht nach den Regeln des Einzugsermächtigungsverfahrens (vgl. unten Rdn. 560) hat der Bezogene nicht, da seine Bank nach richtiger Ansicht keine Möglichkeit zur Rückgabe der Lastschrift an die Gläubigerbank und zur Rückbelastung des eingezogenen Betrages hat (vgl. unten Rdn. 590). b) Die Rechtslage im Einzugsermächtigungsverfahren
559
Bei Fehlen einer Einzugsermächtigung oder bei Mißachtung ihrer Grenzen durch den Lastschriftgläubiger kann das Konto des Bezogenen grundsätzlich (vgl. aber auch unten Rdn. 565) nur mit dessen Zustimmung wirksam belastet werden, weil es an einem wirksamen Auftrag zur Einlösung der Lastschrift fehlt. Ein Widerspruch des Bezogenen gegen die Belastung seines Kontos hat daher hier die Bedeutung einer Genehmigungsverweigerung. Das Unterlassen eines unverzüglichen Widerspruchs hat auch dann keine Genehmigungsfiktion zur Folge, wenn den Anforderungen von Ziff. 15 AGB i. V. m. § 10 Nr. 5 AGBG genügt ist und der betreffende Kontoauszug demgemäß den Hinweis enthält, daß Schweigen als Zeichen des Einverständnisses gewertet wird. Denn es kann beim unberechtigten Lastschrifteinzug grundsätzlich nichts anderes gelten als beim Schweigen auf die unberechtigte Durchführung einer Giroüberweisung, wo Ziff. 15 AGB nicht zur Genehmigung, sondern nur zur Fiktion einer rein tatsächlichen Bestätigung der Ordnungsmäßigkeit (mit der Folge einer bloßen Schadensersatzpflicht) führt (vgl. dazu BGHZ 73 207 sowie unten die Kommentierung von Ziff. 15 AGB; a. A. z. B. EngelS. 42). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Lastschrifteinreicher überhaupt keine Einzugsermächtigung besaß, doch sollte man auch dann grundsätzlich ebenso entscheiden, wenn er lediglich deren Grenzen überschritten hat; denn auch in einem solchen Fall ist von dem Kontoinhaber grundsätzlich nicht eine Genehmigung, sondern nur eine Warnung der Zahlstelle zu erwarten. Mangels Genehmigung kann der Kontoinhaber grundsätzlich beliebig lange die Rückgängigmachung der Belastungsbuchung verlangen, da die Verfügung über sein Konto schwebend unwirksam ist. Die in Ziff. III 2 des Lastschriftabkommens vorgesehene Sechswochenfrist ist insoweit ohne Belang 29 , da sie ein Recht zur Belastung des Kontos des Bezogenen weder begründen kann noch soll. Eine Grenze bildet lediglich der Einwand des Rechtsmißbrauchs, insbesondere des widersprüchlichen Verhaltens, doch werden dessen Voraussetzungen hier allenfalls in seltenen Ausnahmefällen erfüllt sein 30 . Von erheblicher praktischer Bedeutung ist dagegen die Möglichkeit einer Schadensersatzhaftung wegen Verletzung der Pflicht zu unverzüglicher Aufklärung der Zahlstelle gemäß § 242 BGB und Ziff. 15 AGB. Freilich liegt ein Schaden nur vor, wenn die Zahlstelle mit ihrem Anspruch aus § 812 BGB gegen den Zahlungsempfänger Ebenso i. E. B G H Z 72, 343, 346; Fallscheer-Schlegel S. 17; a. A. Lüke/Philippi JuS 1978, 305 und wohl auch Wolff S. 1073 sowie Sandberger JZ 1977, 288; unklar insoweit Franke DB 1973, 1055 f. " A. A. unrichtig Franke DB 1973, 1056 bei Fn. 7 und Polke S. 120; zutreffend dagegen insoweit O L G Düsseldorf WM 1978, 769, 771, wo dem
302
30
Kontoinhaber freilich zu Unrecht nur ein Anspruch aus positiver Forderungsverletzung der Zahlstelle (vgl. a a O S. 770) statt seines ursprünglichen Guthabenanspruchs zugebilligt wird. Vgl. zu den Anforderungen, die insoweit zu stellen sind, Canaris Die Vertrauenshaftung aaO S. 530 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Lastschriftschuldner und seiner Bank (Zahlstelle)
(vgl. dazu unten Rdn. 626) ausfällt. Ist das aber der Fall, so kann der Lastschriftbezogene der Zahlstelle neben der ersten Inkassostelle, die für den Schaden nach Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens einzustehen hat, gesamtschuldnerisch haften. Die gleiche Rechtslage soll nach der Genehmigungstheorie grundsätzlich auch bei 5 6 0 einer berechtigten Lastschrifteinziehung gegeben sein, also dann, wenn der Lastschriftschuldner dem Lastschriftgläubiger eine Einziehungsermächtigung erteilt und dieser sich in deren Grenzen gehalten hat; denn nach dieser Theorie handelt die Zahlstelle auch in einem solchen Fall ohne Einlösungsauftrag des Lastschriftschuldners (vgl. oben Rdn. 535 m. Nachw.). Nach der Ermächtigungstheorie ist die Verfügung über das Konto des Lastschriftschuldners dagegen gemäß oder analog § 185 BGB von vornherein wirksam (vgl. oben Rdn. 532). Allerdings kann dieser die Einlösung grundsätzlich rückgängig machen, da ihm ein Widerrufsrecht zusteht. Dogmatisch handelt es sich dabei um das allgemeine girovertragliche Widerrufsrecht (vgl. zu diesem oben Rdn. 352). Anders als bei der Giroüberweisung erlischt dieses hier nicht mit der Auftragsdurchführung 3 1 . Denn das Erlöschen erklärt sich dort daraus, daß eine Rückgängigmachung nach Auftragsdurchführung — d. h. i. d. R. nach Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift zugunsten des Zahlungsempfängers — unmöglich ist (vgl. oben Rdn. 353 f). Hier dagegen ist eine Rückgängigmachung wegen der Rückgabemöglichkeit gemäß Ziff. III 1 des Lastschriftabkommens und des Rückbelastungsvorbehalts gemäß Ziff. 9 der Vereinbarung mit dem Lastschriftgläubiger noch durchführbar, so daß das Widerrufsrecht grundsätzlich nicht erlischt. Das hat nichts mit einer unmittelbaren Berechtigung des Lastschriftschuldners aus diesen Klauseln — etwa i. S. von § 328 BGB — zu tun, sondern stellt eine bloße Reflexwirkung dar, die durch Ziff. IV 1 des Lastschriftabkommens, wonach dieses Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten begründet, nicht berührt wird. Im zwischenbetrieblichen Zahlungsverkehr wird das Widerrufsrecht folgerichtig durch die in Ziff. III 2 des Lastschriftabkommens vorgesehene Sechswochenfrist begrenzt 3 1 3 . Außerdem unterliegt es wie jedes Gestaltungsrecht den Regeln über die Verwirkung gemäß § 242 BGB, so daß es eines Rückgriffs auf Ziff. 15 AGB und eines Hinweises auf die Genehmigungsfiktion insoweit nicht bedarf, doch begründet nicht schon allein die Ausnutzung der vollen Frist den Einwand der Verwirkung (vgl. auch O L G H a m burg W M 1978 941, 943). Durch die Begrenzung des Widerrufsrechts sowie durch die Bejahung eines sofortigen Rechts der Zahlstelle zur Belastung des Lastschriftschuldners unterscheidet sich die hier vertretene Ansicht auch im praktischen Ergebnis von der Genehmigungstheorie. Daß deren Konsequenz, wonach i. d. R. trotz Vorliegens einer wirksamen Einzugsermächtigung noch auf unbestimmte Zeit nach Lastschrifteinlösung kein Recht zur Kontobelastung gegeben ist und der Lastschriftschuldner die Genehmigung noch verweigern kann, dem Zweck und der Funktion des Lastschriftverfahrens sowie dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht, werden selbst die Anhänger dieser Theorie nicht ernstlich behaupten wollen. Die Ermächtigungstheorie erweist sich also einmal mehr als überlegen, da sie einerseits dem Lastschriftschuldner durch das Widerrufsrecht ausreichenden Schutz — insbesondere eine Uberlegungsfrist für die Geltendmachung von Zurückbehaltüngsrechten, Aufrechnungsmöglichkeiten und dgl. — bietet, andererseits aber die mit der Genehmigungstheorie verbundene, u. U. langfristige schwebende 31
Vgl. auch Fallscheer-Schlegel S. 26 f; Sandberger JZ 1977, 287; i. E. übereinstimmend auch Lüke/ Philippi JuS 1978, 307 f, die eine auflösende
3la
Bedingung der Ermächtigung annehmen; a. A. Engel S. 41 und S. 45 f. A. A., vom Standpunkt der Genehmigungstheorie aus folgerichtig, Denck Z H R 144, 179.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
303
5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
Unwirksamkeit vermeidet. D a ß die Zahlstelle u n d / o d e r der Lastschriftgläubiger einen Anspruch auf Genehmigung aus § 157 oder § 242 BGB haben — wozu die Anhänger der Genehmigungstheorie vielleicht Zuflucht nehmen könnten —, ist kein vollwertiger Ersatz, weil dieser Anspruch nur obligatorischer N a t u r ist (vgl. auch unten Rdn. 665 zu den Schwierigkeiten im Konkurs); § 162 BGB läßt sich auf die treuwidrige Verweigerung der Abgabe einer Willenserklärung grundsätzlich nicht analog anwenden, da dadurch sowohl das Klageerfordernis als auch der Unterschied zwischen obligatorischer und dinglicher Bindung unterlaufen würden. Demgegenüber ist es jedenfalls das kleinere Übel, daß die Zahlstelle sich bei einem Widerspruch nach Ablauf der Sechswochenfrist bei Zugrundelegung der Ermächtigungstheorie darum kümmern muß, ob eine wirksame Einzugsermächtigung vorlag und der Lastschrifteinreicher sich in deren Grenzen gehalten hat; im übrigen dürfte man auch vom Boden der Genehmigungstheorie aus nicht um diese Konsequenz herumkommen, da die Zahlstelle nach Ablauf der Sechswochenfrist ja keinesfalls mehr den Rückvergütungsanspruch gemäß Ziff. III 1 des Lastschriftabkommens hat und der Schadensersatzanspruch nach Ziff. I 4 nur bei „unberechtigt (!) ausgestellten Lastschriften" gegeben ist. 561
Widerspricht der Bezogene der Einlösung der Lastschrift, so hat die Bank (außer bei gleichzeitigem Vorliegen eines Abbuchungsauftrags, vgl. dazu oben Rdn. 558) grundsätzlich die Pflicht zur Befolgung des Widerspruchs ohne Rücksicht auf dessen Berechtigung im Verhältnis zum Lastschriftgläubiger 32 . Das ist f ü r die Anhänger der Genehmigungstheorie eine Selbstverständlichkeit, gilt aber ohne weiteres auch vom Boden der hier vertretenen Ermächtigungstheorie aus. Denn die Zahlstelle ist wegen der Unzulässigkeit der Geltendmachung von Einwendungen „ex iure tertii" grundsätzlich nicht befugt, sich auf einen etwaigen Pflichtverstoß des Lastschriftschuldners gegenüber dem Lastschriftgläubiger zu berufen; auch bei der Giroüberweisung oder beim Scheck nimmt ja niemand an, daß die Bank einen Widerruf mit der Begründung unberücksichtigt lassen darf, er sei im Verhältnis zum Zahlungsempfänger pflichtwidrig-
562
Anders kann allerdings bei evidentem und liquid beweisbarem Rechtsmißbrauch des Lastschriftschuldners zu entscheiden sein. In einem solchen Fall ist der Widerruf gemäß § 242 BGB als unbeachtlich anzusehen — ähnlich wie die Bank z. B. auch bei der Scheckkarte, beim Dokumentenakkreditiv und beim Garantievertrag in besonders gelagerten Fällen ausnahmsweise Einwendungen aus dem Valutaverhältnis geltend machen kann (vgl. unten Rdn. 836, Rdn. 1015 ff und Rdn. 1139). Zu denken ist z. B. an Fälle, in denen der Lastschriftschuldner durch einstweilige Verfügung oder gar durch rechtskräftiges Urteil oder einen Schiedsspruch zur Unterlassung eines Widerrufs verurteilt worden ist (vgl. dazu auch unten Rdn. 639).
563
Dem Weigerungsrecht der Zahlstelle gegenüber dem Lastschriftschuldner korrespondiert in derartigen Fällen grundsätzlich eine entsprechende Pflicht gegenüber dem Lastschriftgläubiger — sei es aus § 242 BGB bei einem innerbetrieblichen Zahlungsvorgang bzw. bei Bejahung einer Schutzpflicht zugunsten des Lastschriftgläubigers (vgl. dazu unten Rdn. 618), oder sei es doch zumindest aus § 826 BGB (z. B. bei drohendem Konkurs des mißbräuchlich widerrufenden Lastschriftschuldners).
564
Auch ob der Widerruf eine Schadensersatzpflicht des Lastschriftschuldners gegenüber der Gläubigerbank auslöst (vgl. dazu unten Rdn. 604 ff), geht die Zahlstelle 32 Vgl. B G H Z 74, 309, 312 f; O L G Düsseldorf N J W 1977, 1403; grundsätzlich ebenso auch Sandberger JZ 1977, 289 f; Polke S. 120 ff.
304
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftgläubiger und seiner Bank (erste Inkassostelle) grundsätzlich nichts an. Denn sowohl sie als auch der Lastschriftschuldner müssen sich auf den Standpunkt stellen dürfen, daß der Streit hierüber zwischen letzterem und der Gläubigerbank auszufechten ist. Anders ist wiederum bei einem evidenten und liquid beweisbaren Mißbrauch des Widerrufsrechts zu entscheiden; hier ist die Zahlstelle nicht nur gegenüber dem Lastschriftschuldner berechtigt, sondern auch gegenüber der Gläubigerbank verpflichtet, den Widerruf unbeachtet zu lassen (vgl. auch unten Rdn. 589). Das Fehlen einer wirksamen Einziehungsermächtigung kann u. U. nach Rechts- 5 6 5 scheingrundsätzen unbeachtlich sein. Zu denken ist vor allem an einen Widerruf durch Erklärung gegenüber dem Lastschriftgläubiger oder an ein Erlöschen analog § 168 S. 1 B G B durch Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses wie z. B. des Mietoder Versicherungsvertrages. Die Zahlstelle ist dann analog §§ 170, 171 II, 172 II, 173 B G B so zu stellen wie bei einer wirksamen Einziehungsermächtigung, so daß der Bezogene nicht die Möglichkeit der Genehmigungsverweigerung (vgl. Rdn. 559), sondern nur das Widerrufsrecht (vgl. Rdn. 560) hat. Dieses aber erlischt mit Ablauf der in Ziff. III 1 des Lastschriftabkommens vorgesehenen Sechswochenfrist und unterliegt rascher Verwirkung. Letztere wird z. B. auf Grund des Verbots widersprüchlichen Verhaltens regelmäßig zu bejahen sein, wenn der Lastschriftgläubiger zahlungsunfähig ist und seine Bank auch keine Sicherheit in Händen hat, so daß die Rückbuchungsmöglichkeit nichts nützt; das gilt jedenfalls bei rechtlicher Identität von Inkasso- und Zahlstelle, während im zwischenbetrieblichen Zahlungsverkehr wohl die allgemeinen Grundsätze anzuwenden sind. Auch eine Analogie zu den Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht kommt in Betracht. H a t der Bezogene z. B. die Einlösung unberechtigter Lastschriften wiederholt hingenommen, ohne der Bank gegenüber den Mangel der Berechtigung aufzudecken, so kann er diesen bei einer späteren Lastschrifteinlösung grundsätzlich nicht geltend machen, sondern ist auf das Widerrufsrecht beschränkt, das, wie soeben dargelegt, engeren Grenzen unterliegt als die Möglichkeit der Genehmigungsverweigerung (vgl. auch unten Rdn. 604 a. E.).
III. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftgläubiger und seiner Bank (erste Inkassostelle) 1. Die Inkassopflicht der Gläubigerbank und die damit verbundenen Nebenpflichten Die Bank hat grundsätzlich keine Verpflichtung zur Zulassung eines Kunden zum 5 6 6 Lastschriftverfahren, auch wenn sie mit diesem in girovertraglichen Beziehungen steht 3 3 . Denn wegen der mit diesem Verfahren verbundenen Risiken muß die Bank in jedem Einzelfall die Seriosität und Bonität des betreffenden Kunden besonders prüfen können, bevor sie ihm die Teilnahme am Lastschriftverkehr ermöglicht. T u t sie das, so liegt eine Zusatzabrede zum Girovertrag vor, die eine Inkassovereinbarung darstellt und als solche mit der Abrede über die Einziehung eines Schecks verwandt ist 3 4 . Wie diese ist sie als eine auf eine Dienstleistung gerichtete Geschäftsbesorgungsvereinbarung i. S. von §§ 675, 611 B G B zu qualifizieren. Ihr Inhalt besteht in erster Linie in der Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung der 5 6 7 Lastschrift. Eine Pflicht zur Einlösung ist in ihr dagegen auch dann nicht enthalten, wenn es sich um einen innerbetrieblichen Zahlungsvorgang handelt und die Gläubigerbank demgemäß zugleich Schuldnerbank ist; auch aus dem Vertrag zwischen dieser 33
Vgl. auch Engel S . 13; Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 365 R d n . 125 ff.
14
Vgl. auch Engel 13.
Claus-Wilhelm Canaris
S . 14; Reimer
Schmidt
A c P 166,
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
und dem Lastschriftschuldner ergibt sich kein Einlösungsanspruch des Gläubigers, da hier ebensowenig ein Vertrag zugunsten Dritter vorliegt wie bei der Giroüberweisung (vgl. dazu oben Rdn. 398). Da die Gläubigerbank ihre Pflichten spätestens mit der Vorlegung der Lastschrift erfüllt hat, ist die Schuldnerbank nicht ihre Erfüllungsgehilfin i. S. von § 278 BGB. Das gilt auch für die Pflicht zur unverzüglichen Rückgabe der Lastschrift im Falle der Einlösungsverweigerung bzw. für die Pflicht zu einer unverzüglichen Mitteilung hierüber; der Gläubiger kann sich daher bei Verletzung dieser Pflichten durch die Schuldnerbank nicht an seine Bank, wohl aber nach den Regeln über die Schutzpflichten zugunsten Dritter u. U. unmittelbar an die Schuldnerbank halten (vgl. dazu unten Rdn. 617). Zwischengeschaltete Banken wie z. B. die Landeszentralbank sind ebenfalls nicht Erfüllungsgehilfen der Gläubigerbank, da diese nach Sinn und Zweck der Inkassovereinbarung grundsätzlich nur den zweckmäßigsten Weg zur Vorlage wählen und nicht auch die Vorlage selbst bewirken muß (vgl. auch oben Rdn. 391 zum entsprechenden Problem bei der Giroüberweisung); f ü r eine Heranziehung von Ziff. 9 AGB ist daher insoweit weder Bedürfnis noch Raum. 568
Da der B G H bei gleichzeitigem Bestehen von Abbuchungsauftrag und Einzugsermächtigungsvermerk den Vorrang des letzteren annimmt (vgl. dazu unten Rdn. 590), wird man der Bank des Lastschriftgläubigers insoweit grundsätzlich eine Pflicht zur Beratung über die Wahl des richtigen Einzugsweges auferlegen müssen, die freilich wohl auch durch einen formularmäßigen Hinweis in der Inkassovereinbarung oder auf den Lastschriftvordrucken erfolgen könnte; denn es handelt sich dabei nicht um irgendwelche allgemeinen Rechtsfragen, sondern um spezifische Gefahren des Lastschriftverfahrens, die sich aus dessen rechtlicher Ausgestaltung durch die Banken ergeben und über die der Kunde daher Aufklärung erwarten darf. Zumindest ist eine solche erforderlich, wenn die Bank erkennt, daß der Kunde auf denselben Bezogenen Lastschriften mit und ohne Einzugsermächtigungsvermerk zieht. 2. Die Rechtsstellung des Lastschriftgläubigers nach Einreichung der Lastschrift a) Die Bedeutung der Gutschrift
569
Auch im Lastschriftverfahren gibt es an sich den aus dem Recht der Giroüberweisung bekannten Anspruch auf die Gutschrift. Auch hier hat dieser seine Rechtsgrundlage in §§ 675, 667 BGB. Er entsteht jedoch erst mit Einlösung der Lastschrift, da die Bank vorher nichts Herausgabefähiges i. S. von § 667 BGB erlangt hat. Demgemäß hat er i. d. R. keine praktische Bedeutung, da der Einreicher vom Augenblick der Einlösung an bereits den Anspruch aus der Gutschrift hat.
570
Nach Ziff. 7 der Einzugsvereinbarung (vgl. oben Rdn. 537) erteilt die Bank dem Lastschriftgläubiger im Anschluß an die Einreichung eine Gutschrift unter der Einschränkung „Eingang vorbehalten". Ebenso wie beim Scheckinkasso (vgl. dazu unten Rdn. 744) dürfte dies dogmatisch dahin zu deuten sein, daß der Anspruch aus der Gutschrift unter der aufschiebenden Bedingung der Lastschrifteinlösung steht 3 5 . Das gilt auch bei Haus- und Filiallastschriften (vgl. auch unten Rdn. 745 zum entsprechenden Problem beim Scheck). D a ß durch die Einlösung beim mehrgliedrigen Inkasso auch im Verhältnis zwischen den Banken alle Gutschriften endgültig werden( so B G H W M 1978 819, 820 Sp. 2; ähnlich B G H Z 74 352, 354), trifft allerdings schon deshalb nicht uneingeschränkt zu, weil eine von der Deutschen Bundesbank im vereinfachten Lastschrifteinzug erteilte Gutschrift nicht unter der Bedingung der Einlösung, sondern 35 Vgl. Engel S. 31; Fallscheer-Schlegel S. 30; Sandberger J Z 1977, 287; Jakfeld Z K W 1977, 152;
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Schönte § 32 IV; Polke S. 144 f; offengelassen von B G H Z 70, 177, 182.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftgläubiger und seiner Bank (erste Inkassostelle) unter der (doppelten) B e d i n g u n g des U n t e r b l e i b e n s einer R ü c k g a b e a m T a g des E i n treffens bei der Zahlstelle und des Erhalts von D e c k u n g steht (vgl. unten R d n . 5 9 7 ) ; bei e i n e r späteren R ü c k g a b e a b e r w a r die G u t s c h r i f t zwischenzeitlich i. d. R . o h n e h i n schon endgültig g e w o r d e n , so d a ß die Einlösung in W a h r h e i t lediglich z u m W e g f a l l eines R ü c k z a h l u n g s a n s p r u c h s der Zahlstelle gegen die erste Inkassostelle führt — und z w a r s o w o h l beim v e r e i n f a c h t e n Lastschrifteinzug (vgl. unten R d n . 5 9 8 ) als auch beim E i n z u g im W e g e der A b r e c h n u n g (vgl. unten R d n . 8 9 8 und 9 0 6 ) . O b und w a n n die E i n l ö s u n g e r f o l g t ist, richtet sich n a c h den o b e n R d n . 5 4 7 ff e n t - 5 7 1 w i c k e l t e n G r u n d s ä t z e n . D a B e z a h l t m e l d u n g e n g e m ä ß Z i f f . I 6 des L a s t s c h r i f t a b k o m mens nicht erstattet w e r d e n , k a n n hierüber u. U . U n s i c h e r h e i t und S t r e i t e n t s t e h e n ; auch ist nicht a u s z u s c h l i e ß e n , daß die b e z o g e n e B a n k eine erfolgte E i n l ö s u n g w a h r heitswidrig leugnet — z. B . w e n n der Lastschriftschuldner inzwischen insolvent g e w o r den ist. B e i H a u s - und Filiallastschriften k a n n dem Lastschriftgläubiger in solchen F ä l len durch einen Auskunftsanspruch nach §§ 6 7 5 , 6 6 6 B G B g e h o l f e n w e r d e n . D a s B a n k geheimnis steht s c h o n tatbestandlich nicht e n t g e g e n , da sich die A u s k u n f t nur auf ein V e r h a l t e n der B a n k b e z i e h t und i. d. R . w o h l nicht a u f U m s t ä n d e aus dem G e h e i m n i s bereich des B e z o g e n e n e r s t r e c k t ; zumindest a b e r tritt das B a n k g e h e i m n i s bei e i n e r etwaigen Kollision grundsätzlich hinter dem Auskunftsanspruch z u r ü c k , weil a n d e r e n falls eine o r d n u n g s g e m ä ß e D u r c h f ü h r u n g des Lastschriftverkehrs nicht m ö g l i c h w ä r e (vgl. auch o b e n R d n . 3 4 2 zu einem ähnlichen P r o b l e m bei der G i r o ü b e r w e i s u n g ) . I m außerbetrieblichen L a s t s c h r i f t v e r k e h r hat z w a r nicht der E i n r e i c h e r einen A u s k u n f t s anspruch g e g e n die Zahlstelle, weil e r mit dieser nicht in girovertraglichen B e z i e h u n gen steht, w o h l aber die erste Inkassostelle, weil (und s o f e r n ) zwischen ihr und der Zahlstelle ein V e r t r a g s v e r h ä l t n i s i. S. von §§ 6 7 5 , 6 6 6 B G B besteht. D i e erste I n k a s s o stelle ist ihrerseits verpflichtet, die Auskunft im Interesse ihres K u n d e n einzuholen o d e r diesem den — nicht k o n t o k o r r e n t g e b u n d e n e n — Auskunftsanspruch g e m ä ß § 6 6 7 B G B a b z u t r e t e n . Bei E i n s c h a l t u n g einer Z w i s c h e n b a n k m u ß notfalls diese das Ausk u n f t s b e g e h r e n d u r c h s e t z e n bzw. die Abtretung an die erste Inkassostelle v o r n e h m e n ; die D e u t s c h e B u n d e s b a n k ist j e d o c h bezüglich des E i n l ö s u n g s b e g e h r e n s nur B o t i n (vgl. unten R d n . 5 9 6 ) , so d a ß insoweit ein unmittelbarer A u s k u n f t s a n s p r u c h der ersten Inkassostelle gegen die Zahlstelle g e g e b e n ist. V e r f ü g t der Lastschriftgläubiger v o r der E i n l ö s u n g über den g u t g e s c h r i e b e n e n 5 7 2 B e t r a g und läßt die B a n k das g e s c h e h e n , so handelt es sich f o l g e r i c h t i g um eine Kreditgewährung. D e r Lastschriftgläubiger ist also nicht aus u n g e r e c h t f e r t i g t e r B e r e i c h e r u n g , sondern nach D a r l e h e n s r e c h t zur R ü c k z a h l u n g verpflichtet, w e n n die Lastschrift nicht eingelöst w i r d ; Z i f f . 9 S . 1 der E i n z u g s v e r e i n b a r u n g hat insoweit n u r klarstellende B e d e u t u n g . W i r d die Lastschrift eingelöst, so entfällt die Bedingtheit des Anspruchs aus der G u t s c h r i f t , so d a ß dieser n u n m e h r dem D a r l e h e n s r ü c k z a h l u n g s a n s p r u c h v e r r e c h nungsfähig im K o n t o k o r r e n t gegenübersteht. F ü r die Zinsberechnung und die F r a g e einer etwaigen Uberziehungsprovision ist der Z e i t p u n k t der Wertstellung m a ß g e b l i c h 3 6 , der mit dem der E i n l ö s u n g nicht übereinzustimmen b r a u c h t , s o n d e r n nach Z i f f . 7 der I n k a s s o v e r e i n b a r u n g eine bestimmte Zahl von Arbeitstagen nach der E i n r e i c h u n g liegt. D a s hat seinen G r u n d darin, daß B e z a h l t m e l d u n g e n im Lastschriftverkehr nicht e r f o l gen (vgl. Ziff. I 6 S. 2 des L a s t s c h r i f t a b k o m m e n s ) und d a ß die erste Inkassostelle d a h e r v o n der E i n l ö s u n g und deren Z e i t p u n k t nicht in K e n n t n i s g e s e t z t wird. D i e R e g e l u n g hält d e m g e m ä ß einer I n h a l t s k o n t r o l l e nach § 9 A G B G stand, s o f e r n der W e r t s t e l l u n g s zeitpunkt u n g e f ä h r dem üblichen E i n l ö s u n g s z e i t p u n k t entspricht; denn dann liegt 36 Vgl. auch B G H Z 70, 177, 181 unter 2 b aa;
Engel
S. 52.
Claus-Wilhelm Canaris
307
5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
keine unangemessene Benachteiligung des Einreichers vor, weil die Regelung sich dann in ähnlicher Weise zum Vor- oder Nachteil beider Seiten auswirken kann. 573
Die Rechtsfolgen der Gutschrift sind grundsätzlich dieselben wie bei der Giroüberweisung. Insbesondere findet auch hier ein Ausschluß von Einwendungen aus dem Dekkungsverhältnis statt, der jedoch anders als bei der Giroüberweisung nicht schon an die Erteilung der Gutschrift, sondern erst an den Wegfall der aufschiebenden Bedingung, also die Einlösung der Lastschrift geknüpft ist. Von diesem Zeitpunkt an aber kann z. B. nicht mehr geltend gemacht werden, daß das Konto des Bezogenen nicht gedeckt oder gepfändet war, der Girovertrag mit diesem unwirksam ist, sein Konto von hoher Hand gesperrt worden ist usw.; freilich kann es in derartigen Fällen erkennbar am Einlösungswillen der Zahlstelle fehlen (vgl. oben Rdn. 551 — 553).
574
Ausgeschlossen ist ferner der Einwand der Inkassostelle, daß sie nur buchmäßige und nicht auch wertmäßige Deckung erhalten habe. Das Risiko eines Konkurses der Zahlstelle oder einer Zwischenbank liegt also vom Zeitpunkt der Einlösung an bei der ersten Inkassostelle, da die Inkassovereinbarung hierfür keinen Rückbelastungsvorbehalt enthält und ein solcher sich auch nicht aus einem Satz des objektiven Rechts ergibt. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß die Gutschrift gemäß Ziff. 7 unter dem Vorbehalt des „Eingangs" steht. Das könnte man zwar rein sprachlich dahin verstehen, daß die Bank nicht nur buchmäßige, sondern auch wertmäßige Deckung erhalten haben muß, doch wäre eine solche Interpretation mit Ziff. 9 S. 1 unvereinbar, da danach der Rückbelastungsvorbehalt auf den Fall der Einlösungsverweigerung beschränkt ist. „Eingang vorbehalten" kann folglich, zumal in Anbetracht der Unklarheitenregel gemäß § 5 AGBG, nur im Sinne von „Einlösung vorbehalten" verstanden werden 3 7 . Diese Interpretation entspricht im übrigen auch der Interessenlage; denn der Lastschriftgläubiger hat keinen Einfluß darauf, wann und wie seine Bank ihren Anspruch gegen die Zahlstelle bzw. die Zwischenbank realisiert oder sichert, so daß es unbillig wäre, ihm dieses Risiko aufzuerlegen.
575
Einwendungen aus dem Verhältnis zwischen der Inkassostelle und dem Einreicher werden dagegen durch die Gutschrift nicht berührt. Ebenso wie beim Scheckinkasso (vgl. unten Rdn. 747 m. Nachw.) kann die Bank daher den Anspruch aus der Gutschrift grundsätzlich durch Verrechnung mit einem Debet im Kontokorrent tilgen oder ihr Pfandrecht aus Ziff. 19 AGB an ihm geltend machen. Will der Einreicher das verhindern, muß er bei der Einreichung einen entsprechenden Vorbehalt machen. b) Der Rückbelastungsvorbehalt nach Ziff. 9 der Inkassovereinbarung
576
In Ziff. 9 S. 1 der Inkassovereinbarung erklärt sich der Lastschriftgläubiger mit der Rückbelastung nicht eingelöster Lastschriften einverstanden. Dogmatisch handelt es sich dabei um ein rein deklaratorisches Stornorecht, da die Gutschrift gemäß Ziff. 7 ohnehin unter dem Vorbehalt der Einlösung steht und der Gläubiger demgemäß bei deren Unterbleiben in Wahrheit gar keinen Anspruch aus der Gutschrift erlangt hat.
577
Darüber hinaus enthält Ziff. 9 S. 2 der Inkassovereinbarung einen Rückbelastungsvorbehalt auch für den Fall, daß der Bezogene die Wiedergutschrift des eingezogenen Betrags verlangt, weil er die Belastung nicht anerkennt. Diese Klausel gilt nur im Einzugsermächtigungsverfahren und trägt dessen besonderen Risiken Rechnung: sie ermöglicht eine Rückbelastung sowohl dann, wenn der Lastschrifteinreicher im Verhältnis zum Bezogenen zu einem Einzug nicht berechtigt war, als auch dann, wenn 37
E b e n s o o f f e n b a r , w e n n g l e i c h n u r in einem o b i t e r d i c t u m , B G H Z 72, 343, 345.
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III. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftgläubiger und seiner Bank (erste Inkassostelle) eine solche Berechtigung zwar bestand, der Lastschriftschuldner aber gleichwohl von seinem Widerspruchs- bzw. Widerrufsrecht wirksam Gebrauch gemacht hat (vgl. dazu oben Rdn. 561). Dogmatisch handelt es sich anders als beim Stornorecht gemäß Ziff. 4 III A G B (vgl. dazu oben Rdn. 448) wohl nicht um ein Gestaltungsrecht der Bank, sondern um eine auflösende Bedingung des Anspruchs aus der Gutschrift 3 8 . Dafür spricht der Wortlaut der Klausel, wonach der Kunde sich von vornherein mit der Rückbelastung einverstanden erklärt, sowie auch die Anknüpfung von S. 2 an S. 1, wo die Rechtsfolge zweifelsfrei nicht an eine besondere Gestaltungserklärung der Bank anknüpft, sondern ipso iure eintritt. Als Bedingung ist entgegen dem zu weit geratenen Wortlaut von Ziff. 9 S. 2 nicht schon das bloße Verlangen des Lastschriftbezogenen nach Wiedergutschrift anzusehen, sondern gemäß § 157 B G B erst das Entstehen eines Rückvergütungs- oder Schadensersatzanspruchs der Zahlstelle gegen die erste Inkassostelle, da diese erst dadurch eine Vermögenseinbuße erleidet. D e r Eintritt der Bedingung hat ex-tunc-Wirkung, was sich daraus ergibt, daß die Rückbelastung gemäß Ziff. 9 „mit der Einreichungswertstellung" erfolgt. Gerät der Kunde durch die Rückbelastung ins Debet, hat er folglich Kreditzinsen und eine Uberziehungsprovision zu bezahlen. Eine zeitliche Begrenzung enthält Ziff. 9 der Inkassovereinbarung nicht, doch wirkt 5 7 8 sich die in Ziff. III 2 des Lastschriftabkommens vorgesehene Sechswochenfrist — die auch bei unberechtigtem Lastschrifteinzug gilt — meist reflexartig zugunsten des Einreichers aus. Denn nach deren Ablauf ist die erste Inkassostelle nicht mehr einem W i e dervergütungsanspruch der Zahlstelle ausgesetzt, sondern haftet dieser gemäß Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens nur noch auf Schadensersatz, so daß letztere sich in erster Linie unmittelbar an den Lastschriftgläubiger halten muß (vgl. unten Rdn. 584). Soweit dieser Ansprüchen der Zahlstelle ausgesetzt ist, kann die erste Inkassostelle gemäß § 242 B G B nicht zusätzlich von dem Rückbelastungsvorbehalt Gebrauch machen, weil (und sofern) sie dann der Zahlstelle keinen Schadensersatz zu leisten braucht. Haftet sie dieser jedoch, dann besteht kein Anlaß, dem Rückbelastungsvorbehalt nach Ablauf der Sechswochenfrist entgegen dem Wortlaut von Ziff. 9 S. 2 die Wirkung abzusprechen 3 9 . Fällt also z. B. die Zahlstelle mit ihren Ansprüchen gegen den Lastschriftgläubiger wegen dessen Insolvenz aus und hat sie demgemäß einen Schadensersatzanspruch gegen die erste Inkassostelle, so kommt der Rückbelastungsvorbehalt zum T r a g e n , so daß die erste Inkassostelle bei Bestehen eines entsprechenden Guthabens oder V o r handensein ausreichender Sicherheiten trotz des Konkurses keinen Schaden erleidet (vgl. näher unten Rdn. 654). Bei gleichzeitigem Vorliegen von Abbuchungsauftrag und Einzugsermächtigungsver- 5 7 9 merk hat die erste Inkassostelle das Zurückbelastungsrecht nach Ziff. 9 S. 2 entgegen der Ansicht des B G H 4 0 auch dann nicht, wenn die Lastschrift von der Zahlstelle wegen Widerspruchs des Schuldners zurückgegeben wird. Denn dieser Widerspruch ist unbeachtlich (vgl. oben Rdn. 558), und auch eine Rückgabe- und Rückbelastungsmöglichkeit der Zahlstelle gegenüber der Inkassostelle besteht nicht (vgl. unten Rdn. 590). Folgerichtig ist daher auch Ziff. 9 S. 2 der Inkassovereinbarung auf Grund einer restriktiven Auslegung außer Anwendung zu lassen. Zwar kann die Inkassostelle nicht ohne « Ebenso Fallscheer-Scblegel S. 32 ff; Sandberger J Z 1977, 2 8 7 ; Jakfeld ZY^/i 1977, 153; Polke S. 119; a. A. wohl Obermüller S. 103 f, der anscheinend auf eine aufschiebende Bedingung hinauswill. 39 A. A. Fallscheer-Scblegel S. 44, der statt dessen einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung annimmt.
« Vgl. B G H Z 72, 343, 347 f. Im Schrifttum bleibt diese Frage meist unerörtert, doch liegt eine Zustimmung zum Standpunkt des B G H in der Tendenz der Ausführungen von Franke D B 1973, 1055 f, \Volff S. 1073 und Sandberger J Z 1977, 288.
Claus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
weiteres wissen, ob der Zahlstelle ein Abbuchungsauftrag vorlag, doch wird der Gläubiger ihr das in aller Regel so leicht nachweisen können, daß dieser Gesichtspunkt eine Anwendung von Ziff. 9 S. 2 nicht zu tragen vermag. Nimmt die Inkassostelle trotz Vorliegens eines Abbuchungsauftrags eine Rückbelastung nach Ziff. 9 S. 2 vor, so ist diese wirkungslos, so daß der ursprüngliche Saldo mit rein deklaratorischer Wirkung wiederherzustellen ist; der Kunde hat also weiterhin die ursprüngliche Einlagenforderung und nicht lediglich einen Bereicherungsanspruch (a. A. unrichtig Frenz/Winterhaider DB 1978, 1822 f). c) Die Anwendbarkeit des Stornorechts gemäß Ziff. 4 III AGB 580
Der Rückbelastungsvorbehalt gemäß Ziff. 9 der Inkassovereinbarung deckt nicht alle Fälle von Fehlbuchungen. Vor allem nützt er nichts bei irrtümlichen Einlösungen im Abbuchungsauftragsverfahren. Zu denken ist vor allem an das Fehlen eines wirksamen Abbuchungsauftrags, also z. B. die Fälle der versehentlichen Doppelausführung, der Fälschung des Abbuchungsauftrags, der Mißachtung eines der Bank gegenüber erklärten Widerrufs usw. Hier hat die einlösende Bank grundsätzlich die Durchgriffskondiktion gegen den Lastschrifteinreicher, es sei denn, dieser wird analog §§ 170, 171 II, 172 II, 173 BGB in seinem guten Glauben geschützt (vgl. näher unten Rdn. 621 f). Es ist also eine ganz ähnliche Lage gegeben wie bei Fehlüberweisungen im Giroüberweisungsverkehr. Demgemäß ist das Stornorecht gemäß Ziff. 4 III AGB auch hier gegeben, sofern man es in dem entsprechenden Fall bei einer Girogutschrift anerkennt (vgl. zu dieser streitigen Frage oben Rdn. 449 f). Das entspricht dem Wortlaut von Ziff. 4 III AGB zumindest dann, wenn die einlösende Zahlstelle derselben Bank angehört wie die gutschreibende Inkassostelle. Dann handelt es sich nämlich zweifelsohne um „eine Gutschrift, die infolge eines Irrtums, eines Schreibfehlers oder aus anderen Gründen vorgenommen (worden ist), ohne daß ein entsprechender Auftrag (Abbuchungsauftrag des Bezogenen) vorliegt". Die Anwendung von Ziff. 4 III AGB steht auch mit dem Sinn und Zweck der Klausel voll in Einklang, da das Bedürfnis, die Rechtslage von den Unsicherheiten des Bereicherungsrechts unabhängig zu machen, im Lastschriftverkehr nicht geringer als im Giroüberweisungsverkehr ist.
581
Gleiches gilt nach richtiger, im Girovertragsrecht jedoch nicht herrschender Ansicht (vgl. oben Rdn. 450) auch im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr. Denn auch wenn hier der Fehler nicht der gutschreibenden, sondern der davon verschiedenen einlösenden Bank unterlaufen ist, so ändert das doch rein sprachlich gesehen nichts daran, daß „die Gutschrift infolge eines Irrtums . . . oder aus anderen (!) Gründen vorgenommen worden ist, ohne daß ein entsprechender Auftrag vorliegt". Von der Interessenlage her ist hier erst recht die Anwendung des Stornorechts geboten. Diese ermöglicht nämlich den Rückgriff auf Sicherheiten, die im Zusammenhang mit der Lastschrifteinreichung bestellt worden sind — also insbesondere auf die nach Ziff. 44 S. 4 AGB abgetretene (etwaige) Kausalforderung des Einreichers gegen den Bezogenen —, und erlaubt überdies die Verrechnung mit dem Anspruch, den der Einreicher durch die Gutschrift und die versehentliche Einlösung der Lastschrift erlangt hat. Die Durchgriffskondiktion der Zahlstelle gegen den Einreicher entbehrt dagegen derartiger Vorzüge, so daß diese bei dessen Zahlungsunfähigkeit leer ausgeht (bzw. auf die unsichere Möglichkeit einer Ersatzaussonderung analog § 46 K O angewiesen ist, vgl. dazu oben Rdn. 444), während sie nach erfolgreicher Stornierung einen Anspruch aus § 667 oder § 812 BGB gegen die erste Inkassostelle hat. Daß die Möglichkeit des Rückgriffs auf die Sicherheit und der Verrechnung mit einem etwa noch vorhandenen Guthaben der Gerechtigkeit entspricht, liegt auf der Hand, weil der Wegfall dieser Möglichkeiten im 310
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III. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lastschriftgläubiger und seiner Bank (erste Inkassostelle)
Falle einer Durchgriffskondiktion der Bank ja nur auf dem Zufall der Mehrgliedrigkeit des Zahlungsvorgangs beruht. Andererseits ginge es zu weit, die bereicherungsrechtliche Lösung zu korrigieren und den Kondiktionsanspruch der ersten Inkassostelle zuzusprechen 41 . Denn wenn mit der Stornierung nicht zum Ziel zu kommen ist, weil ein Guthaben oder eine Sicherheit nicht vorhanden sind, ist es beim Abbuchungsauftragsverfahren völlig gerecht, daß die Zahlstelle, in deren Sphäre der Fehler ja schließlich liegt, den Ausfall zu tragen hat. Beim Einzugsermächtigungsverfahren, bei dem das nicht gerecht wäre, sorgt ohnehin der Schadensersatzanspruch der Zahlstelle gegen die Inkassostelle gemäß Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens in Verbindung mit dem Rückbelastungsrecht gemäß Ziff. 9 S. 2 der Inkassovereinbarung für die erforderliche Korrektur. d) Die Kreditgewährung über den Einlösungszeitpunkt hinaus beim Einzugsermächtigungsverfahren Läßt die erste Inkassostelle den Lastschrifteinreicher über den Gegenwert der Last- 5 8 2 Schriften verfügen, so liegt darin im Einzugsermächtigungsverfahren auch nach der Einlösung eine Kreditgewährung, weil der Bezogene den Zahlungsvorgang durch Erhebung des Widerspruchs rückgängig machen kann und die erste Inkassostelle durch das Lastschriftabkommen insoweit das Risiko einer Insolvenz des Einreichers übernommen hat. Das gilt sogar nach Ablauf der Sechswochenfrist, weil unberechtigte Lastschriften auch jetzt noch zurückkommen können und die erste Inkassostelle der Zahlstelle dann nach Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens für einen etwaigen Schaden einzustehen hat. Die Kreditgewährung ist jedoch nur bedingt — und zwar in doppelter Hinsicht. Denn ob die Inanspruchnahme des Guthabens durch den Lastschriftgläubiger zu einer Kreditgewährung der Zahlstelle führt, hängt von der Ausübung der Widerspruchsmöglichkeit durch den Bezogenen ab und von dem Stand, den das Konto des Lastschriftgläubigers zu dieser Zeit hat. Überdies ist ein Widerspruch statistisch gesehen verhältnismäßig unwahrscheinlich. Die Bank kann daher dem Lastschriftgläubiger keinesfalls die Verfügung über den Gegenwert eingereichter Lastschriften längere Zeit — etwa bis zum Ablauf der Sechswochenfrist oder im Hinblick auf die potentielle Haftung aus Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens gar noch darüber hinaus — vorenthalten (a. A. Obermüller in BuB Rdn. 15/92 a. E.); das wäre mit der Funktion des Lastschriftverfahrens gänzlich unvereinbar, da es dem Gläubiger die mit diesem verbundenen Liquiditätsvorteile nehmen würde, ja u. U. sogar eine Verschlechterung seiner Liquiditätslage herbeiführen könnte. Wohl aber kann die Bank nach Ziff. 19 I AGB grundsätzlich die Bestellung von Sicherheiten verlangen. Was deren Umfang angeht, so bestimmt er sich nach dem eingegangenen Kreditrisiko, also keineswegs nach dem vollen Nominalbetrag der jeweils eingezogenen Lastschriften, sondern nach dem Prozentsatz der Lastschriftbeträge, die erfahrungsgemäß bei diesem Kunden oder bei einem ähnlichen Unternehmen pro rata temporis nach Ziff. 9 S. 2 zurückbelastet werden müssen (zuzüglich einer angemessenen Sicherheitsmarge). Statt einer Sicherheitenbestellung kommt auch die Vereinbarung eines prozentualen „Einbehalts" in Betracht. Auch aufsichtsrechtlich dürfte eine Kreditgewährung gegeben sein. Dabei handelt es sich wohl um ein (bedingtes) Gelddarlehen i. S. von § 19 Ziff. 1 und nicht um eine Gewährleistung i. S. von § 19 Ziff. 4 KWG (a. A. Jakfeld ZKW 1977 152 f). Bei der Bemessung der Höhe des Kredits ist wiederum dessen Bedingtheit und die darin liegende Risikominderung maßgeblich zu berücksichtigen. Daher dürfte auch aufsichts41
D a s e r w ä g t Kupisch S. 2 3 bei F n . 187.
W M 1979 S o n d e r b e i l . N r . 3
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582a
5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren rechtlich auf die durchschnittliche Rückbelastungsquote abzustellen sein. Als Alternative kommt allenfalls eine Analogie zu § 13 VI K W G in Betracht, doch erscheint die sich daraus ergebende hälftige Anrechnung unangemessen hoch. Als maßgeblichen Zeitraum kann man wohl jeweils die Sechswochenfrist heranziehen, da spätere wirksame Rückgaben von Lastschriften so selten sein dürften, daß man sie vernachlässigen kann.
IV. Die Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr 1. Die Rechtsstellung der ersten Inkassostelle gegenüber der Zahlstelle 583
Das Rechtsverhältnis zwischen der ersten Inkassostelle und der Zahlstelle bestimmt sich primär nach dem „Abkommen über den Lastschriftverkehr", das die Spitzenverbände des Kreditgewerbes mit Wirkung zum 1.1. 1964 geschlossen haben und das gemäß § 164 B G B oder kraft „stillschweigender", d . h . aus der Verkehrssitte gemäß §§ 157 B G B , 346 H G B folgender Anerkennung auch zwischen den Mitgliedern der Verbände gilt. Sein T e x t ist oben Rdn. 536 abgedruckt. Treten die Inkassostelle und die Zahlstelle unmittelbar miteinander in Kontakt, entsteht zwischen ihnen außerdem ein Inkassoverhältnis gemäß §§ 675, 611 B G B . Dagegen hat die Inkassostelle nach der hier vertretenen Ermächtigungstheorie kein Weisungsrecht gegenüber der Zahlstelle; vielmehr leitet sie an diese lediglich eine Weisung des Lastschriftgläubigers weiter, zu deren Erteilung dieser vom Lastschriftschuldner und Kunden der Zahlstelle ermächtigt worden ist — sei es extern im Wege des Abbuchungsauftrags oder sei es intern im Wege der Einzugsermächtigung (vgl. oben Rdn. 532).
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Der wichtigste Anspruch der Inkassostelle gegen die Zahlstelle aus dem Lastschriftabkommen ist der unter II 1 bzw. III 1 S. 2 näher geregelte Anspruch auf alsbaldige Rücklieferung uneingelöster oder wegen Widerspruchs des Bezogenen im Einzugsermächtigungsverfahren zurücklaufender Lastschriften und auf Benachrichtigung über die Einlösungsverweigerung. Er soll der Inkassostelle die Möglichkeit einer raschen Stornierung der Gutschrift gegenüber dem Einreicher geben und sie so vor einem Schaden bewahren. Ein solcher liegt freilich nur vor, wenn die Gutschrift nicht mit einem Debet des Einreichers verrechnet worden ist, dieser über das Guthaben verfügt hat und zur Rückzahlung außerstande ist und die Inkassostelle sich auch nicht aus einer Sicherheit — insbesondere der nach Ziff. 44 S. 4 A G B abgetretenen Kausalforderung — befriedigen kann 4 2 . Die Rechtsfolge von Verletzungen der Rücklieferungsoder Benachrichtigungspflicht ist also grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch der Inkassostelle gegen die Zahlstelle (vgl. dazu auch B G H W M 1981 450, 451); daß dieser darüber hinaus sogar die Berufung auf das Fehlen des Einlösungswillens versagt ist, erscheint zwar grundsätzlich denkbar (vgl. oben Rdn. 549 und unten Rdn. 617 a), dürfte aber im Verhältnis zwischen den Banken kaum praktisch werden.
585
Die erste Inkassostelle kann ferner gegen die Zahlstelle einen Schadensersatzanspruch wegen Duldung einer Lastschriftreiterei oder wegen Anstiftung des Lastschriftschuldners zu einem mißbräuchlichen Widerspruch im Einzugsermächtigungsverfahren haben (vgl. auch B G H Z 74 309, 314 f). Letzteres kommt vor allem in Betracht, wenn die Zahlstelle den Lastschriftschuldner zur Erhebung des Widerspruchs veranlaßt, um dessen Debet zurückführen zu können, und dabei für sie erkennbar ist, daß die erste Inkassostelle mit ihrem RückZahlungsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger ausfal«
V g l . auch B G H W M 1979, 994, 995 z u m entsprechenden P r o b l e m im Verhältnis zwischen Lastschriftschuldner und G l ä u b i g e r b a n k ; allerdings
312
erwähnt der B G H die B e d e u t u n g von Sicherheiten nicht,
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr
len wird. Als Anspruchsgrundlage steht nicht nur § 826 BGB zur V e r f ü g u n g , sondern auch die H a f t u n g wegen einer Schutzpflichtverletzung. Das gilt auch dann, wenn eine weitere Bank — z. B. eine Landeszentralbank — zwischengeschaltet war. D e n n dann ist die Lehre von den Schutzwirkungen zugunsten Dritter heranzuziehen (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 21 ff und zum entsprechenden Problem bei der Giroüberweisung Rdn. 395); dagegen d ü r f t e mit der Lehre von der Drittschadensliquidation meist nicht zum Ziel zu k o m m e n sein, da der fragliche Schaden hier von vornherein nur bei der ersten Inkassostelle eintreten kann und da daher das Kriterium der Schadensverlager u n g (vgl. oben Rdn. 26) nicht erfüllt ist. Regelmäßig wird die erste Inkassostelle jedoch auf den Schadensersatzanspruch gegen die Zahlstelle gar nicht zurückzugreifen brauchen, sondern sich mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs gegenüber deren W i e dervergütungsanspruch begnügen können (vgl. unten Rdn. 589). Die bloße Befolgung eines mißbräuchlichen Widerspruchs begründet grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch der ersten Inkassostelle gegen die Zahlstelle (ebenso i. E. Mütze S. 325 ff m. w. N a c h w . ) ; insoweit ist vielmehr darauf abzustellen, ob der Mißbrauch evident und liquid beweisbar ist (vgl. unten Rdn. 589). Die Weiterleitung eines unwirksamen Widerrufs — z. B. eines von einem falsus procurator ausgesprochenen Widerrufs — b e g r ü n d e t ebenfalls grundsätzlich keine Schadensersatzpflicht der Zahlstelle gegenüber der ersten Inkassostelle, weil letztere dabei keine WiederVergütungspflicht hat und mithin keinen Schaden erleidet (a. A. O L G Düsseldorf N J W 1977 1403, 1404 obiter). Eine einstweilige Verfügung der ersten Inkassostelle gegen die Zahlstelle auf 5 8 6 Zurückweisung eines mißbräuchlichen Widerspruchs des Lastschriftschuldners k o m m t grundsätzlich nicht in Betracht. D e n n es fehlt in aller Regel an einem V e r f ü g u n g s g r u n d i. S. von §§ 935, 940 Z P O , weil die erste Inkassostelle dem Wiedervergütungsanspruch der Zahlstelle mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs (bzw. bei einer schadensersatzrechtlichen Lösung mit einem P f a n d - oder Zurückbehaltungsrecht nach Ziff. 19 II AGB f ü r einen zukünftigen Anspruch oder gar bereits mit der Kontokorrentverrechnung) begegnen kann und folglich hinreichend geschützt ist. Außerdem kann der (etwaige) Anspruch auf Zurückweisung des Widerspruchs in einen Geldanspruch übergehen, so daß nach § 916 I Z P O wohl ohnehin allenfalls ein Arrest in Betracht kommt.
2. Ansprüche der Zahlstelle gegen die erste Inkassostelle a) Der Wiedervergütungsanspruch nach Ziff. II 3 des Lastschriftabkommens Die erste Inkassostelle ist gegenüber der Zahlstelle nach Ziff. II 3 des Lastschriftab- 5 8 7 kommens zur Wiedervergütung uneingelöster Lastschriften verpflichtet. Stehen die beiden Banken in unmittelbarem Kontakt zueinander, so bedarf es insoweit freilich einer echten Verpflichtung nicht, da die Belastung der Zahlstelle bzw. die der ersten Inkassostelle erteilte Gutschrift dann jedenfalls unter dem Vorbehalt der Einlösung steht und daher mit rein deklaratorischer W i r k u n g storniert werden kann. Gleiches gilt aber wohl auch bei Zwischenschaltung einer dritten Bank z u m Zwecke des Inkassos; f ü r den „vereinfachten Lastschrifteinzug" durch die Landeszentralbanken ist das in Abschnitt III Ziff. 13 II der A G B der Deutschen Bundesbank ausdrücklich klargestellt (abgedruckt unten Rdn. 601). In W a h r h e i t dürfte folglich die in Ziff. II 3 des Lastschriftabkommens ausgesprochene „Verpflichtung" der ersten Inkassostelle zur Rückvergütung bei streng dogmatischer Betrachtung gegenstandslos sein. Wichtig ist jedoch, daß die Verpflichtung „auch bei Verletzung dieses Abkommens und unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche" besteht; daraus folgt insbesondere, daß eine Claus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
verspätete Rückgabe die Rückvergütung nicht ausschließt und folglich nach dem Lastschriftabkommen nicht als Einlösung zu werten ist (vgl. oben Rdn. 549). b) Der Wiedervergütungsanspruch nach Ziff. III 1 des Lastschriftabkommens 588
Die Zahlstelle hat ferner gegen die erste Inkassostelle nach Ziff. III 1 des Lastschriftabkommens einen Anspruch auf Wiedervergütung von im Einzugsermächtigungsverfahren eingelösten Lastschriften bei Widerspruch des Bezogenen binnen sechs Wochen nach Belastung seines Kontos. Hierbei dürfte es sich um einen echten Anspruch handeln, da die Ansprüche der Banken untereinander insoweit wohl nicht (auflösend) bedingt sind. Die Sechswochenfrist gilt für den Wiedervergütungsanspruch der Zahlstelle anders als für die Widerspruchsmöglichkeit des Lastschriftbezogenen (vgl. oben Rdn. 559 Abs. 2) auch bei einem unberechtigten Lastschrifteinzug, wie sich insbesondere aus der ausdrücklichen Verweisung in Ziff. III 2 auf den Schadensersatzanspruch der Zahlstelle bei unberechtigt ausgestellten Lastschriften gemäß Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens ergibt (a. A. Mütze S. 302 ff). Der Wiedervergütungsanspruch entfällt nicht schon durch die bloße Kenntnis der Zahlstelle davon, daß der Schuldner im Verhältnis zu seinem Gläubiger oder zur ersten Inkassostelle rechtsmißbräuchlich von der Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat (vgl. BGHZ 74 309, 313); gleiches gilt, wenn die Zahlstelle nach Einlösung der Lastschrift erfährt, daß zwischen dem Einreicher und dem Bezogenen eine Lastschriftreiterei vorliegt (vgl. BGH aaO S. 315).
589
Dagegen ist der Wiedervergütungsanspruch der Zahlstelle abzulehnen, wenn im Verhältnis zur ersten Inkassostelle ein evidenter und liquid beweisbarer Mißbrauch des Widerspruchsrechts vorliegt. Dann ist die Zahlstelle nämlich nicht nur im Verhältnis zu ihrem Kunden zur Zurückweisung des Widerspruchs berechtigt (vgl. oben Rdn. 564), sondern dazu auch im Verhältnis zur ersten Inkassostelle grundsätzlich verpflichtet, weil diese anderenfalls auf einen bloßen Schadensersatzanspruch gegen den Lastschriftschuldner angewiesen wäre, der bei dessen Zusammenbruch u. U. nicht zu realisieren ist und dessen Durchsetzung im übrigen auch mit prozessualen Risiken und Lasten verbunden ist. Die erste Inkassostelle kann hier somit dem Wiedervergütungsanspruch der Zahlstelle deren Pflicht zur Zurückweisung des Widerspruchs entgegensetzen, so daß dem Anspruch der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegensteht („dolo facit qui petit quod redditurus est" i. V. mit § 249 S. 1 BGB). Die erste Inkassostelle braucht also nicht abzuwarten, ob ihr Anspruch gegen den Lastschriftschuldner wirklich undurchsetzbar ist oder wird, sondern kann die Auseinandersetzung mit diesem der Zahlstelle überlassen. Diese Lösung dürfte angesichts der Evidenz und liquiden Beweisbarkeit der Rechtsmißbräuchlichkeit des Widerspruchs der Interessenlage besser entsprechen als ein bloßer Schadensersatzanspruch der ersten Inkassostelle gegen die Zahlstelle bei Undurchsetzbarkeit des Anspruchs gegen den Lastschriftschuldner. Anders wird man freilich entscheiden müssen, wenn der Mißbrauch des Widerspruchsrechts sich gegen den Lastschriftgläubiger richtet. Denn die diesem gegenüber bestehende Pflicht der Zahlstelle zur Zurückweisung eines evidenten und liquid beweisbaren Mißbrauchs (vgl. unten Rdn. 618) kann die erste Inkassostelle wegen des Verbots von Einwendungen ex iure tertii schon aus dogmatischen Gründen dem Wiedervergütungsanspruch der Zahlstelle grundsätzlich nicht entgegensetzen. Das entspricht im übrigen auch der Interessenlage, da die erste Inkassostelle legitimerweise erwarten darf, daß der Einreicher sie nicht in seinen Streit mit der Zahlstelle hineinzieht. Hier kommt es also grundsätzlich zur Wiedervergütung zugunsten der Zahlstelle und zur Rückbelastung des Einreichers durch die erste Inkassostelle gemäß Ziff. 9 S. 2 314
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IV. D i e Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr
der Inkassovereinbarung. Der Einreicher muß dann schadensersatzrechtlich gegen die Zahlstelle vorgehen. Bei gleichzeitigem Vorliegen von Einzugsermächtigungsvermerk und Abbuchungs- 590 auftrag entfällt nicht nur die Widerrufsmöglichkeit des Lastschriftschuldners (vgl. oben Rdn. 558), sondern entgegen der Ansicht des BGH 4 3 auch der Rückvergütungsanspruch der Zahlstelle gegen die erste Inkassostelle. Der BGH stützt seine gegenteilige Ansicht im wesentlichen auf Ziff. I 3 S. 2 des Lastschriftabkommens, wonach bei Fehlen des Einzugsermächtigungsvermerks die Regeln über den Abbuchungsauftrag anzuwenden sind. Diese Bestimmung hat ihren Grund indessen darin, daß in einem solchen Fall niemand soll vorbringen können, in Wahrheit habe doch eine Einzugsermächtigung bestanden; die Lastschrift wird bei Fehlen des Einzugsermächtigungsvermerks also nur eingelöst, wenn ein Abbuchungsauftrag vorlag, nicht aber auch dann, wenn lediglich eine Einzugsermächtigung bestand. Folglich kann man aus Ziff. I 3 S. 2 keineswegs „mittelbar" auch den umgekehrten Satz entnehmen, daß bei Vorliegen des Einzugsermächtigungsvermerks die Regeln über den Abbuchungsauftrag unanwendbar sind. Denn eine ähnliche Unsicherheit wie beim Fehlen des Vermerks besteht hier ja gerade nicht. Die Zahlstelle kann vielmehr aus dem ihr vorliegenden Abbuchungsauftrag ohne weiteres entnehmen, daß der Lastschriftschuldner zur Einziehung legitimiert ist, und sie handelt daher in aller Regel skandalös, wenn sie den Widerspruch des Schuldners — den auch der BGH als unverbindlich ansieht! — beachtet und die Lastschrift zurückgibt; bei einem Widerspruch des Lastschriftschuldners das Vorliegen eines Abbuchungsauftrags zu überprüfen, setzt keinen unzumutbaren Organisationsaufwand voraus, zumal ja für den Fall einer Lastschrift ohne Einzugsermächtigungsvermerk ohnehin entsprechend Vorsorge getroffen sein muß. Auch der Wortlaut von Ziff. III 1 des Lastschriftabkommens zwingt nicht zur Gewährung des Wiedervergütungsanspruchs gegen die erste Inkassostelle, da dort bezeichnenderweise gerade nicht von Lastschriften, die „den Einzugsermächtigungsvermerk tragen", sondern von Lastschriften, die „auf einer Einzugsermächtigung beruhen", die Rede ist. Es ist aber sprachlich möglich und sachlich sinnvoll, bei gleichzeitigem Vorliegen von Einzugsermächtigungsvermerk und Abbuchungsauftrag zu sagen, daß die Lastschrift auf letzterem „beruht", weil dieser zum einen dem Gläubiger die stärkere Rechtsstellung gewährt und weil sein Vorliegen zum anderen für die Zahlstelle unmittelbar augenfällig ist (im Gegensatz zur allein im Besitz des Gläubigers befindlichen Einzugsermächtigung). Entscheidend kommt hinzu, daß Treu und Glauben gemäß § 157 BGB in diesem Fall eine Interpretation von Ziff. III 1 gegen die Zahlstelle gebieten. Diese hat mithin keinen Rückgabe- und Rückvergütungsanspruch gegen die erste Inkassostelle. Folgerichtig ist auch letzterer gegenüber dem Einreicher das Rückbelastungsrecht nach Ziff. 9 S. 2 der Inkassovereinbarung zu versagen (vgl. oben Rdn. 579). c) Der Schadensersatzanspruch gemäß Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens Schließlich gewährt das Lastschriftabkommen in Ziff. I 4 bei Lastschriften mit Ein- 591 Zugsermächtigungsvermerk der Zahlstelle gegen die erste Inkassostelle einen Anspruch auf Ersatz jedes durch unberechtigt ausgestellte Lastschriften entstandenen Schadens. Der Grund hierfür liegt darin, daß die Zahlstelle sich „blind" auf das Vorliegen der Einzugsermächtigung verlassen muß, während die erste Inkassostelle sich diese immerhin zeigen lassen kann und auch sonst „näher daran" ist, das Risiko eines unberechtig« Vgl. B G H Z 72, 343, 346 f; ebenso i. E. wohl Franke DB 1973, 1055 f; Wolf/S. 1073; Sandberger JZ 1977, 288. C l a u s - W i l h e l m Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren ten Lastschrifteinzugs zu tragen; denn der Lastschriftgläubiger ist ihr Kunde, sie kann seine Seriosität und Bonität prüfen und beurteilen, sie kann sich Sicherheiten geben lassen usw. Demgemäß handelt es sich hier um eine verschuldensunabhängige Risikooder Garantiehaftung der ersten Inkassostelle. 592
Ein Schaden entsteht der Zahlstelle allerdings nur, wenn sie die Ansprüche, die sie bei Einlösung einer Lastschrift ohne zugrunde liegende Einzugsermächtigung gegen den Einreicher hat (vgl. unten Rdn. 626), nicht durchsetzen kann, also vor allem bei Konkurs des Einreichers; das Rückbelastungsrecht der ersten Inkassostelle gegen diesen setzt sich auch im Konkurs durch (vgl. näher unten Rdn. 654). Ein Schaden setzt weiter voraus, daß die Zahlstelle nicht schon durch den Wiedervergütungsanspruch nach Ziff. III 1 auf ihre Kosten kommt. Der Anspruch aus Ziff. I 4 hat daher vor allem dann praktische Bedeutung, wenn der Wiedervergütungsanspruch wegen Ablaufs der Sechswochenfrist nicht mehr in Betracht kommt.
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Bei gleichzeitigem Vorliegen von Einzugsermächtigungsvermerk und Abbuchungsauftrag sollte man den Anspruch ebenso wie den aus Ziff. III 1 (vgl. dazu oben Rdn. 590) ablehnen. Denn es besteht kein Anlaß, die Zahlstelle besser zu stellen, nur weil zusätzlich zu dem Abbuchungsauftrag noch ein Einzugsermächtigungsvermerk gegeben war. Für diese Lösung spricht auch der Umstand, daß die Zahlstelle bei Vorliegen eines Abbuchungsauftrags die Lastschrift auch ohne den Einzugsermächtigungsvermerk eingelöst hätte bzw. bei pflichtgemäßem Verhalten hätte einlösen müssen und daß ein etwaiger Schaden (z. B. wegen Nichtigkeit des Abbuchungsauftrags) daher nicht durch den Einzugsermächtigungsvermerk verursacht ist. d) Der Schadensersatzanspruch bei Einlösung einer unwirksamen Lastschrift
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Löst die Zahlstelle eine unwirksame — z. B. eine gefälschte oder von einem falsus procurator ausgestellte — Lastschrift ein, so hat sie grundsätzlich kein Recht zur Belastung ihres Kunden (vgl. oben Rdn. 556), wohl aber einen Bereicherungsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger (vgl. unten Rdn. 625). Fällt sie mit diesem aus — z. B. wegen Wegfalls der Bereicherung gemäß § 818 III B G B oder wegen Zahlungsunfähigkeit des Lastschriftgläubigers —, so entsteht ihr ein Schaden. Uber dessen T r a g u n g enthält das Lastschriftabkommen keine Regelung. V o n der Interessenlage her erscheint es indessen angemessen, daß die Zahlstelle diesen Schaden auf die erste Inkassostelle abwälzen kann, da der Mangel in deren Sphäre seinen Ursprung hat. Keine Schwierigkeiten entstehen dabei, wenn die erste Inkassostelle ein Verschulden trifft; denn dann haftet sie der Zahlstelle aus Schutzpflichtverletzung — und zwar auch bei Zwischenschaltung einer oder mehrerer weiterer Banken, da diese dem Entstehen von Schutzpflichten grundsätzlich nicht entgegensteht (vgl. oben Rdn. 22 und 25).
595
Gleiches dürfte aber auch dann gelten, wenn es an einem Verschulden der ersten Inkassostelle fehlt. Dann sollte man nämlich einen Ersatzanspruch in Analogie zu § 670 B G B bejahen, da die Zahlstelle den Schaden zwar nicht in Ausführung einer Weisung der Inkassostelle (vgl. oben Rdn. 583), aber doch immerhin durch die Durchführung des von ihr übernommenen Inkassoauftrags erlitten hat und § 670 B G B auf tätigkeitsspezifische Schäden anerkanntermaßen analoge Anwendung findet (vgl. z. B. Palandt/ Thomas § 670 Anm. 3 b). Bei Zwischenschaltung weiterer Banken richtet sich der Anspruch allerdings nur dann unmittelbar gegen die erste Inkassostelle, wenn man die Zwischenbanken lediglich als Boten bei der Weiterleitung des Auftrags ansieht (vgl. dazu unten Rdn. 596); anderenfalls hat jede Bank den Anspruch gegen die ihr vorgeschaltete Bank bis zurück zur ersten Inkassostelle. 316
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr 3. Die Rechtslage bei Zwischenschaltung einer Landeszentralbank beim „vereinfachten Lastschrifteinzug" a) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten Wird die Deutsche Bundesbank bzw. eine Landeszentralbank (als deren Hauptver- 5 9 6 waltung) beim Lastschrifteinzug zwischengeschaltet, so geschieht das entweder im sogenannten Abrechnungsverkehr (vgl. dazu unten Rdn. 878 ff) oder im Verfahren zum „vereinfachten Scheck- und Lastschrifteinzug für die Kreditinstitute" nach Abschnitt III der AGB der Deutschen Bundesbank (abgedruckt unten Rdn. 601). Im letzteren Fall besteht zwischen der Deutschen Bundesbank und den Kreditinstituten ein Auftragsverhältnis i. S. der §§ 662 ff BGB und nicht ein Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. von § 675 BGB, da der Einzug gemäß Abschn. III Ziff. 1 AGB kostenfrei erfolgt. Inhalt dieses Auftrags dürfte nur die Weiterleitung des Inkassoauftrags der ersten Inkassostelle im Wege der Botenschaft und nicht dessen selbständige Erteilung sein, da die Deutsche Bundesbank sich ersichtlich auf eine Vermittlung des Verkehrs zwischen den beteiligten Instituten beschränken will (vgl. auch Mütze S. 381 f). Inhalt des Auftrags ist ferner die (bargeldlose) Weiterleitung des Einlösungsbetrages. Die Abwicklung erfolgt durch Buchungen auf den Girokonten der beteiligten Kre- 5 9 7 ditinstitute. Gutschriften stehen gemäß Absch. III Ziff. 13 II AGB der Bundesbank unter dem Vorbehalt „Eingang vorbehalten" und sind demgemäß aufschiebend bedingt (vgl. auch B G H W M 1978 819, 820). Für unbezahlt gebliebene Lastschriften hat die Zahlstelle gemäß Abschn. III Ziff. 17 I AGB spätestens einen Geschäftstag nach dem Eingangstag der Bundesbank eine Rückrechnungs-Lastschrift zuzuleiten, doch gilt eine verspätete Rückgabe anders als im Abrechnungsverkehr nicht als Einlösung (vgl. oben Rdn. 549). Ob die Einlösung stattgefunden hat oder nicht, ist im Verhältnis zur Deutschen Bundesbank ohne Belang. Das entspricht nicht nur der Interessenlage, weil die Frage der Einlösung der Deutschen Bundesbank als bloßer Vermittlerin des Zahlungsvorgangs gleichgültig sein kann, sondern folgt auch aus der Regelung von Abschn. III Ziff. 17 AGB, die nicht an die Einlösung, sondern an den Zeitpunkt der Rückgabe anknüpft. Danach wird nämlich der Gegenwert einer für eine unbezahlt gebliebene Lastschrift bei fristgerechter Einreichung einer Rückrechnungs-Lastschrift gemäß Abs. 2 der Zahlstelle wiedergutgeschrieben, während verspätet eingereichte Rückrechnungs-Lastschriften der Bundesbank gegenüber stets als Neueinreichungen i. S. von Ziff. 1 1 , 1 3 und 14 AGB gelten. Bei rechtzeitiger Rücklieferung kommt also der Vorbehalt gemäß Ziff. 13 II AGB zum Zuge, so daß die der Inkassostelle erteilte Gutschrift zu stornieren ist (vgl. auch Polke S. 133 f). Bei einer verspäteten Rücklieferung erhält die Zahlstelle dagegen ihrerseits lediglich eine Gutschrift unter dem Vorbehalt des Eingangs gemäß Ziff. 13 II AGB, so daß die erste Inkassostelle folgerichtig durch rechtzeitige Einreichung einer Rückrechnungs-Lastschrift diese Gutschrift wieder hinfällig machen und von der Deutschen Bundesbank gemäß Ziff. 17 II AGB Rückgängigmachung der Belastung ihres Kontos verlangen kann; denn die Einreichung der Rückrechnungs-Lastschrift durch die Zahlstelle ist in diesem Fall gemäß Ziff. 17 IV 2 so zu behandeln, als hätte die Zahlstelle ihrerseits eine Lastschrift zu Lasten der ersten Inkassostelle eingereicht. Bezüglich der der ersten Inkassostelle erteilten Gutschrift muß diese Regelung folgerichtig dazu führen, daß der Eingangsvorbehalt wegfällt und der Anspruch demgemäß unbedingt wird, wenn die Zahlstelle nicht rechtzeitig eine Rückrechnungs-Lastschrift einreicht und ihr Konto Deckung aufweist. D a ß der Eingangsvorbehalt hier anders als im Verhältnis zwischen der ersten Inkassostelle und dem Einreicher (vgl. dazu oben Rdn. 574) im Sinne wertmäßiger Deckung zu verstehen ist, erklärt sich u. a. Claus-Wilhelm Canaris
317
5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
daraus, daß mit Eingang hier keinesfalls die Einlösung gemeint sein kann, weil diese im Verhältnis zur Bundesbank ja keine Rolle spielt, und daß daher als Alternative nur der Erhalt von Deckung übrig bleibt; auch entspricht es anders als im Verhältnis zwischen Inkassostelle und Einreicher durchaus der Interessenlage, daß die Bundesbank nicht einer Bank das Risiko der Zahlungsfähigkeit einer anderen Bank abnimmt. 598
Bei Scheitern der Rückgängigmachung des Zahlungsvorgangs für eine uneingelöste Lastschrift hat die erste Inkassostelle den betreffenden Betrag nach den Vorschriften Uber die ungerechtfertigte Bereicherung gemäß §§ 812 ff B G B zu ersetzen, was die Zahlstelle notfalls im Klagewege erzwingen muß. Diese hat also keinen Anspruch auf Wiedergutschrift gegen die Bundesbank, wenn sie nicht rechtzeitig eine Rückrechnungs-Lastschrift einreicht.
599
Gelingt die Rückgabe einer eingelösten Lastschrift, so haftet umgekehrt die Zahlstelle der ersten Inkassostelle aus ungerechtfertigter Bereicherung (vgl. auch B G H Z 74 352, 354; ebenso ferner B G H Z 53 199, 202 zum entsprechenden Problem beim Scheckinkasso). Dabei handelt es sich bei rechtzeitiger Einreichung einer Rückrechnungs-Lastschrift um einen Fall der Eingriffskondiktion, bei einer späteren Rückgabe dagegen wohl um einen Fall der Leistungskondiktion, weil in dem Unterlassen einer Rücklieferung der Rückrechnungs-Lastschrift das Zeichen des Einverständnisses und damit bei objektiver Interpretation gemäß §§ 133, 157 B G B eine Leistung zu sehen ist.
600
Eine mit dem Einzugsermächtigungsvermerk versehene Lastschrift kann die Zahlstelle bei Widerspruch des Bezogenen gegen die Belastung seines Kontos binnen sechs Wochen gemäß Ziff. 19 A G B über die Bundesbank zurückverrechnen. N a c h S. 2 der Klausel ist dieser V o r g a n g als Einreichung i. S. von Ziff. 11, 13 und 14 A G B zu behandeln, so daß die Zahlstelle nach Ziff. 13 II nur eine vorläufige Gutschrift erhält und die erste Inkassostelle diese wohl durch rechtzeitige Einlieferung einer Rückrechnungs-Lastschrift gemäß Ziff. 17 II A G B hinfällig machen kann. Allerdings bestimmt Ziff. 10 A G B einschränkungslos, daß der Gegenwert der Lastschrift dem Girokonto des Einreichers belastet wird, wenn der Bezogene der Belastung seines Kontos binnen der Sechswochenfrist widersprochen hat, doch wird man daraus nicht schließen können, daß die erste Inkassostelle deshalb keine Möglichkeit zur rechtzeitigen Rückgabe nach Ziff. 17 II A G B hat; diese kann einen guten Sinn vor allem dann haben, wenn nach Ansicht der ersten Inkassostelle die Sechswochenfrist bereits abgelaufen war oder die Inkassostelle zu Unrecht einen Widerspruch des Bezogenen behauptet hat. b) Die Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank für das Verfahren zum „vereinfachten Lastschrifteinzug für die Kreditinstitute"
601
III. Vereinfachter Scheck- und Lastschrifteinzug für die Kreditinstitute Allgemeines Teilnehmer, Einzugspapiere 1. Teilnehmerkreis, Einzugspapiere (1) Die Bank zieht für Kreditinstitute, die bei ihr ein Girokonto unterhalten, auf Deutsche Mark lautende Schecks und Lastschriften auf alle Orte des Bundesgebiets gebühren- und kostenfrei ein; andere Kreditinstitute können Schecks und Lastschriften über ein solches Kreditinstitut einreichen. Die Bank kann von Nichtbanken erteilte Einzugsaufträge in das Einzugsverfahren überleiten. (2) Die Bank nimmt auch Rückrechnungen zum Einzug herein, mit denen bezogene Kreditinstitute oder Zahlstellen den Gegenwert von unbezahlt gebliebenen, von der Bank oder von anderen Stellen vorgelegten Schecks und Lastschriften (Rückrechnungs-Lastschriften) wieder einziehen.
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IV. Die Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr (3) Schecks, die von einem Kreditinstitut ausgestellt sind und der Gelddisposition dienen (Dispositionsschecks), werden zum Einzug hereingenommen, wenn der Einreicher die besonderen Bedingungen beachtet, die ihm von der Bank hierfür bekanntgegeben werden. (4) Zum Einzug sind auch Frachtzahlungsanweisungen und „Zahlungsanweisungen zur Verrechnung" zugelassen. Die Bedingungen für die Behandlung von Schecks in diesem Abschnitt gelten entsprechend. Vom Einzug ausgeschlossene Schecks und Lastschriften 2. Vom Einzug ausgeschlossene Schecks und Lastschriften Vom Einzug sind ausgeschlossen a) Schecks, die von einem Kreditinstitut ausgestellt sind, und Lastschriften, bei denen Zahlungspflichtiger und Zahlungsempfänger Kreditinstitute sind; ausgenommen sind Schecks, die gemäß Nr. 1 (3) zum Einzug hereingenommen werden, sowie Rückrechnungs-Lastschriften, b) Schecks, die den Vermerk „Nur zur Verrechnung" mit einem Zusatz wie „Nur zur Verrechnung mit (folgt Firma)" tragen, auch wenn der Zusatz gestrichen ist, c) Schecks, deren Übertragung vom Aussteller durch die Worte „Nicht an Order" oder durch einen gleichbedeutenden Zusatz untersagt ist. Formerfordemisse der Schecks und der Lastschriften 3. Formale Beschaffenheit, Bankleitzahl Die Schecks und die Lastschriften müssen den Richtlinien für einheitliche Zahlungsverkehrsvordrucke entsprechen. Die Schecks müssen insbesondere die Bankleitzahl des bezogenen Kreditinstituts, die Lastschriften die Bankleitzahl der Zahlstelle tragen. 4. Einreichervermerk u. a. m. (1) Inhaberschecks und Lastschriften müssen vom einreichenden Kreditinstitut auf der Rückseite — oberhalb des Vordruckfußes — mit einem Vermerk „An Landeszentralbank" (ohne Angabe des Landes und der Stelle der Bank) versehen sein, der den Ort, den Namen und die Bankleitzahl des Einreichers enthält. Statt eines solchen Vermerks können sie auch den Abdruck eines Kontroll- oder Paginierstempels tragen, der den Ort, den Namen und die Bankleitzahl des Einreichers wiedergibt. (2) Orderschecks müssen auf der Rückseite — oberhalb des Vordruckfußes — den nach dem Abkommen zur Vereinfachung des Einzugs von Orderschecks vorgeschriebenen Stempelabdruck tragen, der den Ort und den Namen des ersten mit dem Einzug beauftragten Kreditinstituts und, wenn dieses der Einreicher ist, seine Bankleitzahl zu enthalten hat. Orderschecks, die von einem anderen als dem erstbeauftragten Kreditinstitut eingereicht werden, müssen außerdem von dem Einreicher mit dem Abdruck eines Kontroll- oder Paginierstempels versehen sein, der den Ort, den Namen und die Bankleitzahl des Einreichers wiedergibt. Orderschecks, die nicht mit einem Stempelabdruck nach dem Abkommen zur Vereinfachung des Einzugs von Orderschecks versehen sind, müssen ein Indossament mit den in Abs. 1 Satz 1 für den Vermerk auf Inhaberschecks vorgeschriebenen Angaben tragen. Das Indossament darf keinen einschränkenden Zusatz (z. B. „zum Inkasso", „in Prokura") enthalten. 5. Vermerk „Nur zur Verrechnung" auf Schecks Schecks müssen den Vermerk „Nur zur Verrechnung" tragen. Verschiedenes 6. Haftungsausschuß Die Bank prüft die Schecks und die Lastschriften nicht auf ihre formale Ordnungsmäßigkeit. Für Schäden, die sich aus Formfehlern und aus der Nichtbeachtung von Erfordernissen für die Einreichung ergeben, tritt die Bank nicht ein. Claus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren 7. Verpflichtung zur rechtzeitigen Vorlegung von Schecks u. a. m. (1) Legt die Bank Schecks der bezogenen Stelle des Kreditinstituts und Lastschriften der Zahlstelle unmittelbar vor, so haftet sie, falls Schecks nicht rechtzeitig vorgelegt werden oder bei Schecks und Lastschriften die Zahlungsverweigerung nicht ordnungsgemäß festgestellt wird, entsprechend Abschn. I Nr. 13. (2) Auf den Lastschriften angegebene Fälligkeitsdaten und Wertstellungen werden von der Bank nicht beachtet. Die Lastschriften werden als bei Sicht zahlbare Papiere eingezogen. 8. Versendung von Schecks und Lastschriften Die Bank ist berechtigt, Schecks und Lastschriften in gewöhnlichem Brief oder in anderer ihr geeignet scheinender Weise zu versenden. 9. Verlust von Schecks und Lastschriften Geht ein Scheck oder eine Lastschrift auf dem Einzugswege verloren, so benachrichtigt die Bank den Einreicher von dem Verlust und belastet den Gegenwert des Papiers seinem Girokonto. Es ist Sache des Einreichers, die Sperrung des verlorengegangenen Papiers oder bei einem verlorengegangenen Scheck die Einleitung des Aufgebotsverfahrens zu veranlassen. 10. Lastschriften, gegen die Widerspruch erhoben worden ist H a t der Zahlungspflichtige der Belastung wegen einer Lastschrift, die den Vermerk „Einzugsermächtigung des Zahlungspflichtigen liegt dem Zahlungsempfänger vor" trägt, innerhalb einer Frist von sechs Wochen, vom Tage der Belastung an gerechnet, widersprochen, so wird der Gegenwert dem Girokonto des Einreichers belastet. Abwicklung des Scheck- und Lastschrifteinzugs Bei der Annahmestelle 11. Einreichung (1) Schecks und Lastschriften müssen bei der Bank (kontoführende Stelle) bis zu dem durch Aushang in den Geschäftsräumen bekanntgegebenen Annahmeschluß eingereicht werden. Schecks und Lastschriften, die nach Annahmeschluß eingehen, gelten als am nächsten Geschäftstag eingereicht. (2) Die Schecks und die Lastschriften sind mit Verzeichnissen auf Vordrucken der Bank oder mit Verzeichnissen, die entsprechend mit Schnelldrucker beschriftet worden sind, einzureichen. Für Schecks und Lastschriften über Beträge von D M 100 000,— und darüber ist ein gesondertes Verzeichnis zu verwenden. Schecks, f ü r die wegen drohenden Ablaufs der Vorlegungsfristen o. ä. eine Sonderbehandlung gewünscht wird, können unabhängig von ihrer Betragshöhe als Auftragspapiere (Abschn. VII) eingereicht werden. 12. Massenlastschriften Lastschriften, die wegen ihrer außergewöhnlichen Stückzahl von der Bank als Massenlastschriften angesehen werden, nimmt die Bank grundsätzlich im beleglosen Datenträgeraustausch zu den hierfür geltenden besonderen Bedingungen herein. 13. Gutschrift (1) Der Gegenwert der Schecks und der Lastschriften wird den Einreichern am Geschäftstag nach dem Einreichungstag auf Girokonto gutgeschrieben. (2) Die Gutschriften werden „Eingang vorbehalten" erteilt, ohne daß es im Einzelfall eines Vermerks auf dem Konto oder im Kontoauszug bedarf. 14. Verfügungsbeschränkung Die Bank ist berechtigt, Verfügungen über gutgeschriebene Beträge erst zuzulassen, nachdem die Einlösung der Schecks bestätigt ist oder bei Lastschriften Rücklieferungen nicht mehr zu erwarten sind. 320
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IV. Die Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr Bei der Einzugsstelle 15. Vorlegung der Schecks und Lastschriften, Belastung des Gegenwertes Die Bank leitet die Schecks und die Lastschriften an Verrechnungsinstitute (Zentralinstitute, Kopffilialen o. ä.) weiter oder legt sie den bezogenen Stellen der Kreditinstitute bzw. den Zahlstellen unmittelbar vor. Der Gegenwert wird über das Girokonto des aufnehmenden Kreditinstituts verrechnet. Der Gegenwert von nicht an einem Bankplatz zahlbaren Schecks und Lastschriften, die der bezogenen Stelle des Kreditinstituts bzw. der Zahlstelle von der Bank unmittelbar zugeleitet werden, wird am Geschäftstag nach dem Versendungstag belastet. 16. Anschaffung der Deckung oder Rückgabe (1) Das Kreditinstitut hat der Bank den Gegenwert der Schecks und der Lastschriften zur Verfügung zu stellen oder für unbezahlt gebliebene Schecks und Lastschriften RückrechnungsLastschriften mit jeweils einem Rücklieferungsverzeichnis (Vordruck der Bank) gemäß Nr. 17(1) einzureichen. Bis dahin ist das Kreditinstitut nur Verwahrer der Papiere. (2) Rückrechnungs-Lastschriften und Rücklieferungsverzeichnisse können auch von bezogenen Stellen der Kreditinstitute und von Zahlstellen eingereicht werden, die das unbezahlt gebliebene Papier über ein Verrechnungsinstitut (Nr. 15) erhalten haben, sofern sie bei der Bank ein Girokonto unterhalten. 17. Unbezahlt gebliebene Schecks und Lastschriften (1) Rückrechnungs-Lastschriften über von der Bank vorgelegte und unbezahlt gebliebene Papiere sind der Bank spätestens einen Geschäftstag nach dem Eingangstag mit Rücklieferungsverzeichnissen zuzuleiten (Eingangstag im Sinne dieser Bedingungen ist der Geschäftstag, an dem die Papiere der bezogenen Stelle des Kreditinstituts oder der Zahlstelle erstmals vorliegen); Belege, mit denen am Bankplatz zahlbare Schecks oder Lastschriften zurückgerechnet werden, müssen der Bank an dem auf den Eingangstag folgenden Geschäftstag bis zum örtlich festgesetzten Zeitpunkt vorliegen. Aus den Angaben in den Rücklieferungsverzeichnissen muß eindeutig hervorgehen, welches Kreditinstitut das unbezahlt gebliebene Papier bei der Bank eingereicht hat. (2) Der Gegenwert unbezahlt gebliebener Schecks und Lastschriften, die von der Bank vorgelegt worden sind, wird dem Girokonto des Kreditinstituts gutgeschrieben, das der Bank die entsprechenden Rückrechnungs-Lastschriften fristgerecht gemäß Abs. 1 eingereicht hat. (3) Die Bank ist befugt, die Gutschrift des Gegenwertes von unbezahlt gebliebenen Schecks und Lastschriften rückgängig zu machen, wenn die Rückrechnungs-Lastschriften wegen nicht zutreffender Angaben (Abs. 1 Satz 2) nicht aufgenommen werden. Die Bank wird etwaige Ansprüche gegen das Kreditinstitut, das die unbezahlt gebliebenen Schecks oder Lastschriften eingereicht hat, an das Kreditinstitut abtreten, auf dessen Girokonto die Gutschrift rückgängig gemacht worden ist. Darüber hinaus können aus solchen Rückgaben gegen die Bank Ansprüche nicht geltend gemacht werden. (4) Rückrechnungs-Lastschriften gemäß Abs. 1 können auch als Neueinreichungen mit Einreichungsverzeichnissen ohne die nach Abs. 1 Satz 2 erforderlichen Angaben hereingegeben werden. Sofern die Fristen gemäß Abs. 1 Satz 1 nicht eingehalten werden, gelten die RückrechnungsLastschriften der Bank gegenüber stets als Neueinreichungen. Dasselbe gilt für RückrechnungsLastschriften über nicht von der Bank vorgelegte, unbezahlt gebliebene Papiere. In den vorstehenden Fällen gelten insbesondere die Nr. 11, 13 und 14. (5) In Rückrechnungs-Lastschriften enthaltene Kosten und Gebühren werden stets „Eingang vorbehalten" gutgeschrieben. 18. Bestätigung der Einlösung oder Nichtbezahlung eines Schecks Ein von der Bank einem Scheck angehefteter Vordruck zur Bestätigung der Einlösung oder Nichtbezahlung des Schecks ist von dem Kreditinstitut, das den Scheck von der Bank erhalten hat, mit Bestätigungsvermerk zu versehen und an die Bank zurückzugeben. Claus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren 19. Rückgabe von Lastschriften wegen Widerspruchs Die Zahlstelle kann Lastschriften, die den Vermerk „Einzugsermächtigung des Zahlungspflichtigen liegt dem Zahlungsempfänger vor" tragen, über die Bank zurückverrechnen, wenn der Zahlungspflichtige innerhalb der Frist gemäß Nr. 10 Widerspruch erhoben hat. Sie sind von der Zahlstelle mit dem Vermerk „Belastet am Zurück am
wegen Widerspruchs"
zu versehen. Für die Einreichung von Rückrechnungs-Lastschriften über den Gegenwert widersprochener Lastschriften gilt N r . 11, 13 und 14.
4. Ansprüche der ersten Inkassostelle gegen den Lastschriftbezogenen a) Ansprüche aus der Kausalforderung gemäß Ziff. 44 S. 4 AGB 602
Geht die erste Inkassostelle gegen den Lastschriftbezogenen vor, so ist in erster Linie ein Anspruch aus der der Lastschrift zugrunde liegenden Kausalforderung zu prüfen, die grundsätzlich nach Ziff. 44 S. 4 AGB der Privatbanken an die erste Inkassostelle abgetreten wird. Das gilt auch beim beleglosen Datenträgeraustausch, da für Ziff. 44 S. 4 AGB nicht die Einreichung von Einzellastschriften erforderlich ist, sondern die Erteilung der Einzugsaufträge auf dem Magnetband oder doch zumindest ihre Aufführung auf dem Begleitzettel ausreicht. Das Vorgehen aus der Kausalforderung hat grundsätzlich Vorrang vor der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Lastschriftbezogenen, da die erste Inkassostelle keinen Schaden erleidet, soweit sie auf die Kausalforderung zurückgreifen kann. Freilich entfällt diese Möglichkeit, wenn die Kausalforderung gar nicht bestand oder nach §§ 404, 406 BGB durch Einwendungen bzw. eine Aufrechnung hinfällig wird.
602a
Eine Geltendmachung der Kausalforderung durch die Inkassostelle erfolgt freilich grundsätzlich nur bei einem Scheitern des Einzugs. Bei normalem Verlauf, also bei einer Einlösung der Lastschrift macht dagegen trotz der Abtretung nach wie vor der Lastschriftgläubiger die Forderung im eigenen Namen geltend, wozu er gemäß § 157 BGB als ermächtigt i. S. von § 185 BGB anzusehen ist. Die Bank ist dabei wie bei jedem anderen „normalen" Zahlungsvorgang lediglich Zahlungsmittlerin und nicht Zahlungsempfängerin, so daß nicht an sie, sondern an den Lastschriftgläubiger geleistet wird. Auch wird nicht das Vermögen der Bank, sondern das des Lastschriftgläubigers durch die Einlösung unmittelbar vermehrt, da dadurch dessen aufschiebend bedingter Anspruch aus der Gutschrift zum Vollrecht erstarkt, während die Bank erst durch die Verrechnung mit einem etwaigen Debet etwas erlangt — und zwar aus dem Vermögen des Lastschriftgläubigers, nicht aus dem des Lastschriftschuldners. Die genaue dogmatische Erfassung des Zahlungsvorgangs kann sowohl für bereicherungs- als auch für konkursrechtliche Fragen praktische Bedeutung haben.
602b
Das zeigt sich insbesondere bei Kollisionen mit Abtretungen an andere Gläubiger des Lastschrifteinreichers wie z. B. Lieferanten, denen die unter Ziff. 44 S. 4 AGB fallende Kausalforderung im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts im voraus zediert worden ist. Denn sofern die Bank bei deren Einzug lediglich als Zahlstelle tätig wird, ist sie trotz Ziff. 44 S. 4 AGB grundsätzlich schon deshalb nicht dem Anspruch aus § 816 II BGB ausgesetzt, weil sie dann nicht Leistungsempfängerin, sondern nur Leistungsmittlerin ist 43a . Dagegen kann § 816 II BGB analog anzuwenden sein, wenn die erste Inkassostelle ihren Kunden verpflichtet, seine Außenstände im Wege des LastVgl. B G H Z 53, 139, 142 zum entsprechenden Problem im Girovertragsrecht.
322
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IV. D i e Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr
schriftverfahrens über ein bei ihr geführtes Konto einzuziehen 4 3 b ; gleiches dürfte gelten, wenn diesem ein Kredit auf dem laufenden Konto gewährt wird und dabei von vornherein klar ist, daß er wesentliche Teile seiner Außenstände im Wege des Lastschriftverfahrens hereinholt. Eine andere Frage ist, ob die Bank als Nichtberechtigte i. S. von § 816 II BGB anzusehen ist. Das ist grundsätzlich nur bzw. erst dann zu bejahen, wenn das Konto debitorisch ist und die Bank eine (erneute) Inanspruchnahme des Kredits in Höhe des Lastschriftbetrags nicht mehr zu gestatten braucht — z. B. weil der Kredit gekündigt und zur Rückzahlung fällig ist. Denn anderenfalls liegt der Forderungseinzug im Wege des Lastschriftverfahrens grundsätzlich in den Grenzen des „ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs", so daß er gemäß § 157 BGB durch die Einzugsermächtigung, die der Lieferant dem Vorbehaltskäufer regelmäßig erteilt, gedeckt ist. Entsprechendes gilt, wenn der Kunde seine Zahlungen eingestellt hat oder Antrag auf Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen gestellt worden ist, doch wird die Bank insoweit analog §§ 170, 171 II, 172 II, 173 BGB in ihrem guten Glauben geschützt 430 . In keinem Falle deckt die Ermächtigung freilich die Abtretung der Forderung zur Sicherung inkonnexer Forderungen, weshalb Ziff. 44 S. 4 AGB insoweit jedenfalls unanwendbar ist (vgl. unten die Kommentierung von Ziff. 44). Problematisch ist die Behandlung eines etwaigen Abtretungsverbots. Man wird 6 0 3 i. d. R. im Wege einer einschränkenden oder ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB bzw. einer nachträglichen konkludenten Vertragsänderung annehmen müssen, daß das Abtretungsverbot gegenüber der ersten Inkassostelle nicht gelten soll 44 . Die Parteien setzen sich nämlich mit sich selbst in Widerspruch, wenn sie einerseits den Einzug im Wege des Lastschriftverfahrens, andererseits aber trotz Ziff. 44 S. 4 AGB und des insoweit völlig legitimen Sicherungsinteresses der Bank ein Abtretungsverbot vereinbaren. Überdies sind die Schutzzwecke, die dieses normalerweise erfüllen soll, hier nicht nennenswert beeinträchtigt. Denn dem Schuldner kann nicht ein beliebiger Dritter als Gläubiger aufgedrängt werden, sondern der Forderungseinzug erfolgt nach wie vor grundsätzlich durch den ursprünglichen Gläubiger und nur bei Scheitern des Zahlungsvorgangs ausnahmsweise durch die Bank. Das aber hat der Schuldner durch sein Einverständnis mit dem Lastschrifteinzug mittelbar in Kauf genommen, und hier besteht auch ein besonderes Sicherungsinteresse der Bank; das gilt vor allem bei einer unberechtigten Ausnutzung des Widerrufsrechts durch den Schuldner, da die Bank dem Gläubiger hier nicht selten bereits die Verfügung über den eingezogenen Betrag gestattet haben wird und bei dessen Insolvenz daher auf die Kausalforderung als Sicherheit angewiesen ist. Andererseits ist der Schuldner durch die Vorschriften der §§ 404, 406 BGB, auf die er sich insbesondere bei einem berechtigten Widerruf stützen kann, hinreichend geschützt. Insgesamt ist daher mit den Geboten von Treu und Glauben gemäß § 157 BGB nur eine Auslegung vereinbar, die das Abtretungsverbot im Bereich von Ziff. 44 S. 4 AGB grundsätzlich außer Anwendung setzt. Es mag daher dahingestellt bleiben, ob das Abtretungsverbot bei der gegenteiligen Auslegung nicht sogar im Verhältnis zur Bank sittenwidrig und nach § 138 BGB nichtig wäre, wofür wegen des insoweit geringen Eigeninteresses des Schuldners an dem Abtretungsverbot und der starken Gefährdung der Interessen der ersten Inkassostelle durch das Widerspruchsrecht im Einzugsermächtigungsverfahren einiges spricht. « b Vgl. B G H Z 72, 316, 322 zum entsprechenden Problem im Girovertragsrecht und dazu Canaris N J W 1981, 258.
« c Vgl. näher Canaris N J W 1981, 254 f. «• Das Gegenteil wird zu Unrecht vorausgesetzt bei Canaris Festschr. zum 100jährigen Bestehen der KO, 1977, S. 87.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
b) Ansprüche aus § 826 B G B wegen Mißbrauchs der Widerspruchsmöglichkeit und auf Unterlassung eines Widerspruchs im Einzugsermächtigungsverfahren 604
Der B G H geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß der Lastschriftschuldner durch die Ausnutzung der Widerspruchsmöglichkeit im Lastschriftverfahren einen Verstoß gegen § 826 B G B begehen kann, wenn er dadurch vorsätzlich das Risiko einer Insolvenz des Lastschriftgläubigers auf die erste Inkassostelle abwälzt 4 5 . Dem ist im Grundsatz uneingeschränkt zuzustimmen. Zweifelhaft kann nur sein, bei welchen Fallgruppen das anzunehmen ist. Ohne weiteres einleuchtend ist dabei, daß der Lastschriftschuldner das Lastschriftverfahren nicht zu einer risikolosen Kreditgewährung an den Lastschriftgläubiger benutzen darf 4 6 ; denn es ist für jedermann offenkundig, daß ein zum Zwecke des Zahlungsverkehrs geschaffenes Instrument nicht zu Lasten des Zahlungsvermittlers für risikolose Kreditgewährungen mißbraucht werden darf. Hier wird daher i. d. R. ein Sittenverstoß zu bejahen sein. Gleiches gilt erst recht im Falle der Lastschriftreiterei. Auf der anderen Seite ist es eine Selbstverständlichkeit, daß der Widerspruch des Bezogenen grundsätzlich keinen Sittenverstoß darstellt, wenn dieser überhaupt keine Lastschriftermächtigung erteilt oder wenn der Lastschrifteinreicher sich nicht in deren Grenzen gehalten, also z. B. eine nicht bestehende oder nicht fällige Forderung eingezogen hatte. Hat der Bezogene freilich längere Zeit hindurch unbefugte Einziehungen des Lastschrifteinreichers geduldet, kann er sich in Fortbildung der Regeln über die Duldungsvollmacht gegenüber der gutgläubigen Inkassostelle nicht auf das Fehlen der Einzugsermächtigung berufen (vgl. oben Rdn. 565 Abs. 2 sowie auch B G H W M 1979 994, 995).
605
In der Mitte stehen die Fälle, in denen der Schuldner der Belastung seines Kontos widerspricht, weil er Einwendungen, Einreden oder Aufrechnungsrechte geltend machen will — was meist erst geschieht, nachdem er von der Zahlungseinstellung des Lastschriftgläubigers Kenntnis erlangt hat. Der B G H stellt dabei darauf ab, ob der Schuldner eine Uberweisung noch hätte widerrufen können, wenn er sie nach einer angemessenen Uberlegungsfrist seit dem Zeitpunkt, in dem ihm der Kontoauszug mit der Belastungsanzeige zugegangen ist, vorgenommen hätte 4 7 . Das überzeugt indessen in keiner Weise 4 7 3 . Der B G H berücksichtigt nämlich zu Unrecht nicht, daß der Schuldner ohne Vereinbarung des Lastschriftverfahrens keineswegs immer pünktlich eine Barzahlung oder eine Giroüberweisung vorgenommen hätte und daß eine solche Zahlungsverzögerung mitnichten ohne weiteres rechtswidrig gewesen wäre, weil bei Bestehen von Einwendungen oder Zurückbehaltüngsrechten bekanntlich kein Verzug eintritt bzw. durch deren Geltendmachung wieder wegfällt und weil auch die Aufrechnung gemäß § 389 B G B die Verzugsfolgen rückwirkend beseitigt. Der B G H verschlechtert daher entgegen seiner erklärten Absicht die Position des Schuldners im "5 Vgl. B G H Z 74, 300; B G H W M 1979, 830; 1979, 831; 1979, 9 9 4 ; aus dem Schrifttum vgl. vor allem Sandberger J Z 1977, 288 ff. 44 Vgl. B G H Z 74, 300, 308 f; B G H W M 1979, 994, 996 a. A., jedoch nicht überzeugend, Denck Z H R 144, 182 ff, 185. Vgl. B G H Z 74, 300, 3 0 7 ; B G H W M 1979, 830, 831; vgl. ferner B G H W M 1979, 831, 832, wo der Schuldner noch am Tage der Belastung widersprochen hatte. 47a Ablehnend auch Denck Z H R 144, 182 ff, dessen Gründe jedoch nicht überzeugen; denn zum einen stehen die Nachteile, die das Lastschriftverfahren für den Schuldner mit sich bringt, nicht in
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innerem Zusammenhang mit dem Insolvenzrisiko, so daß dessen Verlagerung auf die erste Inkassostelle entgegen der Ansicht Dencks nicht ein angemessener „Ausgleich" für jene, sondern unter diesem Aspekt schiere Willkür ist, und zum anderen soll nach Dencks Meinung der Schuldner im Valutaverhältnis ohnehin nicht aufrechnen können (vgl. dazu auch unten Rdn. 638 mit Fn. 54a), so daß der Widerspruch für ihn gar nicht „attraktiv" bzw. „lohnend" sei (S. 184 bzw. 185), was folgerichtig das Verdikt des Rechtsmißbrauchs unter dem Gesichtspunkt mangelnden Eigeninteresses oder übermäßiger Fremdschädigung nach sich ziehen müßte.
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IV. D i e Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr
Lastschriftverfahren beträchtlich gegenüber der L a g e bei Barzahlung oder Giroüberweisung, indem er ihm praktisch eine pünktliche Zahlung aufzwingt, zu der es in Wirklichkeit gerade bei Bestehen von Gegenrechten u n d / o d e r einer sich schon abzeichnenden Schieflage des Gläubigers meist nicht kommt und legitimerweise auch nicht kommen muß. V o n einem Sittenverstoß kann daher entgegen der Ansicht des B G H grundsätzlich nicht die Rede sein. Anders mag allenfalls dann zu entscheiden sein, wenn sich nachweisen läßt, daß der Schuldner ohne Vereinbarung des Lastschrifteinzugs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Widerspruchszeitpunkt bereits eine nicht mehr rückgängig zu machende Barzahlung oder Giroüberweisung vorgenommen hätte. O b dagegen die Einrede des Zurückbehaltungsrechts oder die Aufrechnungsmöglichkeit schon im Zeitpunkt der Kontobelastung oder auch nur des Widerspruchs bestand, ist unerheblich, da ein Schuldner seine Leistung u. U . auch wegen einer noch nicht fälligen Gegenforderung zurückhält — zumal wenn der andere Teil erkennbar in einer wirtschaftlichen Krise steckt — und die Möglichkeit der K o n kursaufrechnung gemäß § 54 I K O nicht an der Betagtheit oder Bedingtheit der Forderungen scheitert. Zu den Einwendungen, die der Lastschriftbezogene mit Hilfe des Widerrufsrechts 6 0 6 durchsetzen kann, gehört grundsätzlich auch die der Doppelzahlung. Zu denken ist z. B. an den Fall, daß er einen Dauerauftrag nicht rechtzeitig widerrufen hat und der Lastschriftgläubiger daher das Geld zweimal erhält. Hier kann i. d. R. wohl kaum von einem sittenwidrigen Mißbrauch des Widerrufsrechts gesprochen werden, zumal der Lastschriftschuldner u. U . gerade im Vertrauen auf dessen Bestehen es mit dem Widerruf des D a u e r a u f t r a g s oder der Terminierung der Lastschriftermächtigung nicht so genau genommen hat. Die Anwendung von § 826 B G B kommt hier daher wohl nur dann in Betracht, wenn der Lastschriftschuldner zu einer Zeit, zu der er die Doppelzahlung noch verhindern konnte, bereits Kenntnis von dem drohenden Zusammenbruch des Lastschriftgläubigers hatte. O b dieses Ergebnis der Interessenlage entspricht, ist allerdings mehr als zweifelhaft. Denn auch bei Unkenntnis von der gefährdeten L a g e des Lastschriftgläubigers wird sich der Lastschriftschuldner meist den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens gefallen lassen müssen, wenn er nach dessen Zusammenbruch die Folgen seines eigenen Fehlers auf die erste Inkassostelle abzuwälzen versucht; das gilt insbesondere dann, wenn die Lastschriftermächtigung ausdrücklich die (meist vorgedruckte) Erklärung enthielt, ein etwaiger D a u e r a u f t r a g sei widerrufen. Widersprüchliches Verhalten ist aber grundsätzlich nicht sitten-, sondern nur treuwidrig. Daher drängt sich die Frage auf, ob der Lastschriftschuldner der ersten Inkassostelle wirklich nur aus § 826 B G B und nicht auch aus § 242 B G B haftet (vgl. dazu näher unten Rdn. 612 f). Lehnt man letzteres ab, bleibt allenfalls der Ausweg, § 826 B G B zu „strapazieren" — was der B G H zwar im Rahmen des Lastschriftverfahrens ohnehin tut, was aber methodenunehrlich ist und überdies unüberschaubare Auswirkungen für die H a n d h a b u n g von § 826 B G B auch in anderen Bereichen haben kann. Beim Einzug treuhänderisch übertragener Forderungen durch den Lastschriftgläu- 6 0 7 biger stellt der B G H darauf ab, ob im Zahlungszeitpunkt noch gewährleistet war, daß der Lastschriftgläubiger (und Treuhänder) den eingezogenen Betrag an den Treugeber auszahlen konnte (vgl. B G H W M 1979 830, 831 unter 2; 1979 831, 833 unter b). W a r das nicht der Fall, soll der Lastschriftschuldner von der Widerspruchsmöglichkeit mit dem Ziel Gebrauch machen dürfen, das Geld unmittelbar an den Treugeber auszuzahlen. D a s ist indessen schon wegen der Unklarheit und schweren Bestimmbarkeit des vom B G H zugrunde gelegten Zeitpunkts äußerst bedenklich; ist die Auszahlungsmöglichkeit z. B. noch gewährleistet, wenn der Lastschriftgläubiger bei seiner Bank im Claus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
Debet steht und diese eingehende Zahlungen damit verrechnet? Außerdem geht der B G H nicht auf die Frage ein, ob die Gläubigerstellung des Treuhänders mit dinglicher Wirkung erlischt bzw. ob der Lastschriftschuldner ihm eine Verletzung seiner schuldrechtlichen Pflichten gegenüber dem Treugeber überhaupt entgegensetzen kann (Einwendung ex iure tertii?!). In Wahrheit wird man lediglich auf den Zeitpunkt der Zahlungseinstellung abstellen und von diesem Augenblick an gemäß § 157 BGB eine Befugnis des Treuhänders zum Forderungseinzug verneinen können. Das kann dann freilich auch bei rein obligatorischer Wirkung der Lastschriftschuldner dem Treuhänder im Wege des „Einwendungsdurchgriffs kraft Rechtsmißbrauchs" entgegensetzen und demgemäß wohl auch sein Widerspruchsrecht mit dem Ziele einer Rückgängigmachung des Zahlungsvorgangs ausüben. Bei Fehlen einer treuhänderischen Bindung will der B G H offenbar auch dann grundsätzlich einen Sittenverstoß bejahen, wenn der Lastschriftgläubiger den eingezogenen Betrag an einen Dritten abzuführen hat und demgemäß für fremde Rechnung handelt (vgl. W M 1979 830, 831). Das mag angehen, wenn man mit der h. L. Treuhand und Handeln für fremde Rechnung grundsätzlich unterschiedlich behandelt, überzeugt dagegen nicht, wenn man die vollstreckungs- und konkursrechtliche Privilegierung des Treuguts grundsätzlich auf alle Fälle des H a n delns f ü r fremde Rechnung überträgt 4 8 ; dann ist es vielmehr ein Gebot der Konsequenz, auch im vorliegenden Zusammenhang alle Fälle des Handelns für fremde Rechnung ebenso wie die Fälle der Treuhand zu lösen. Im übrigen ist die Einordnung dieser Fallgruppe unter § 826 BGB ohnehin mehr als fragwürdig. Für die Bejahung eines Sittenverstoßes spricht zwar die Anmaßung der Schiedsrichterrolle durch den Lastschriftschuldner, der nach eigenem Gutdünken das Ausfallrisiko von dem Dritten auf die erste Inkassostelle verlagert, sowie die darin liegende Beeinträchtigung des Prinzips der par conditio creditorum, das auch schon im Vorfeld des Konkurses beachtlich ist, wie insbesondere das heutige Verständnis der Konkursanfechtung zeigt 4 9 . Andererseits aber verdient das Handeln des Lastschriftschuldners in derartigen Fällen doch wohl kaum das Prädikat der Verwerflichkeit, das für einen Sittenverstoß nach herrschender und richtiger Ansicht erforderlich ist (vgl. statt aller Larenz Schuldrecht II 1 1 , § 72 IV). Denn zum einen wird der Lastschriftschuldner bei der Ausübung des Widerspruchsrechts hier meist von dem nicht unverständlichen Bestreben geleitet sein, das Geld dorthin gelangen zu lassen, wohin es wirtschaftlich gesehen gehört, und zum anderen war ihm in den vom B G H entschiedenen Fällen auch ein legitimes Eigeninteresse am Schutz des Dritten nicht abzusprechen, da dieser wirtschaftlich gesehen sein eigentlicher Geschäftspartner war und es sich um eine auf Dauer und Fortsetzung angelegte Beziehung handelte. Das Handeln des Lastschriftschuldners dürfte hier daher in Wahrheit i. d. R. nur dann rechtlich zu mißbilligen sein, wenn man nicht den verhältnismäßig großzügigen Maßstab des § 826 BGB, sondern den strengeren des § 242 BGB heranzieht (vgl. dazu näher unten Rdn. 612 f). 608
Ein Schaden der ersten Inkassostelle setzt voraus, daß diese mit ihrer Forderung gegen den Lastschriftgläubiger aus Ziff. 9 S. 2 der Inkassovereinbarung (vgl. dazu oben Rdn. 577) ausfällt. Das ist dann nicht der Fall, wenn sie sich aus einer Sicherheit befriedigen kann, wozu auch die nach Ziff. 44 S. 4 AGB abgetretene Kausalforderung gehört. Dieser Gesichtspunkt hat bisher in der Rechtsprechung keine erkennbare Beachtung gefunden, wobei nicht ganz klar ist, ob er übersehen worden ist oder nach Lage des Falles nicht relevant war; immerhin hatte sich aber zumindest in einem Fall die erste Inkassostelle selbst eines Anspruchs aus der Kausalforderung i. V. mit Ziff. 44 48
Vgl. dazu eingehend Canaris Festschr. für Flume, 1978, S. 423 f m. Nachw.
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49
Vgl. dazu näher Canaris (Fn. 44) S. 78 f m. Nachw.
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KO-Festschr.
aaO
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S. 4 AGB berühmt 5 0 , was bei der Frage nach dem Vorliegen eines Schadens doch wohl hätte berücksichtigt werden müssen. Weiter setzt ein Schaden voraus, daß der Lastschriftgläubiger vor Erhebung des Widerspruchs eine effektive Verfügung über den gutgeschriebenen Betrag vorgenommen hat und zur Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs der Bank außerstande ist (vgl. BGH WM 1979 994, 995); bei Verrechnung des eingezogenen Betrages mit einem Debet des Lastschriftgläubigers entsteht der Bank somit durch den Widerspruch kein ersatzfähiger Schaden (vgl. BGH aaO; OLG H a m burg WM 1978 941, 943). Bezüglich des Vorsatzes können vor allem Irrtümer des Lastschriftschuldners 6 0 9 Schwierigkeiten bereiten. Zwar braucht er anerkanntermaßen nicht das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit zu haben, doch bedeutet das keineswegs, daß Rechtsirrtümer grundsätzlich unbeachtlich sind. Glaubt der Lastschriftschuldner z. B. irrig, der ersten Inkassostelle stehe eine hinreichende Sicherheit zur Verfügung, so fehlt es am Vorsatz der Schadenszufügung auch dann, wenn der Irrtum nicht auf tatsächlichen, sondern auf rechtlichen Fehlvorstellungen beruht. Ahnliches gilt, wenn der Lastschriftschuldner irrtümlich glaubt, der Lastschriftgläubiger habe die Forderung zu Unrecht eingezogen — z. B. weil er in den oben Rdn. 607 behandelten Fällen des Einzugs für fremde Rechnung fälschlich annimmt, die Forderung stehe dem Dritten zu oder sei bei Beginn der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Lastschriftgläubigers an jenen zurückgefallen. Denn dann kennt der Lastschriftschuldner einen die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstand — nämlich das Bestehen einer wirksamen Einziehungsbefugnis des Lastschriftgläubigers — nicht oder nimmt doch zumindest einen die Sittenwidrigkeit ausschließenden Tatumstand an, was folgerichtig zur Verneinung des Vorsatzes führen muß. Daß er bisher den Forderungseinzug geduldet hatte, ändert daran wohl nichts, weil daraus Rückschlüsse nur für normale Zeiten und nicht auch für die Zeit nach Ausbruch der Schwierigkeiten gezogen werden können (vgl. aber auch oben Rdn. 604 a. E.). Der Einwand des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB ist trotz der Schwere des Vor- 6 1 0 wurfs, der mit dem Tatbestand des § 826 BGB zwangsläufig verbunden ist, nicht von vornherein ausgeschlossen, zumal der BGH zu einer außerordentlich strengen Handhabung von § 826 BGB neigt. Insbesondere dann, wenn auf Seiten des Lastschriftbezogenen eine Zurechnung nur über §31 BGB stattfindet, kann man nicht allgemein sagen, daß gegenüber dem Vorsatz des Schädigers eine etwaige Fahrlässigkeit des Geschädigten vollständig zurücktritt (vgl. z. B. RG J W 1913 587, 590; BGH W M 1966 491, 495). Als Ansatzpunkte für ein Mitverschulden der Bank kommen vor allem Leichtfertigkeit bei der Zulassung des Gläubigers zum Lastschriftverfahren und der Verzicht auf angemessene Sicherheiten trotz Gestattung von Verfügungen vor Ablauf der Sechswochenfrist (vgl. dazu auch oben Rdn. 582) in Betracht; im letzteren Fall kann sogar ein bedingter Vorsatz der ersten Inkassostelle gegeben sein, weil dieser die mit dem Lastschriftverfahren verbundenen Gefahren bekannt sind, doch wird es sich meist nur um bewußte Fahrlässigkeit handeln, weil die erste Inkassostelle i. d. R. darauf vertrauen wird, daß die Gefahren sich nicht verwirklichen. Der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wird durch einen Anspruch auf Unter- 611 lassung eines mißbräuchlichen Widerspruchs ergänzt, da präventiver Schutz nicht nur bei drohender Verletzung eines absoluten Rechts, sondern grundsätzlich in allen Fällen eines möglichen Schadensersatzanspruchs gegeben ist. Zur Durchsetzung dieses 50 Vgl. BGH WM 1979, 689, 691; (in B G H Z 74, 300 insoweit nicht abgedruckt). C l a u s - W i l h e l m Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
Anspruchs kommt auch eine einstweilige Verfügung in Betracht. Ein Verfügungsgrund kann jedenfalls dann gegeben sein, wenn (nicht nur der Lastschriftgläubiger in Vermögensverfall zu geraten droht, sondern auch) die Bonität des Lastschriftschuldners zweifelhaft ist und damit die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs gegen ihn fraglich erscheint. Daß die Sechswochenfrist während der Dauer des Verfahrens u. U. abläuft, schließt die Möglichkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht aus. Nach der Genehmigungstheorie folgt das schon daraus, daß der Lastschriftschuldner ohnehin nicht an sie gebunden ist. Nach der hier vertretenen Ermächtigungstheorie besteht dessen Widerrufsrecht zwar in den — im vorliegenden Zusammenhang wohl allein relevanten — Fällen, in denen der Lastschriftgläubiger sich in den Grenzen einer wirksamen Einzugsermächtigung gehalten hat, nur bis zum Ende der Frist (vgl. oben Rdn. 560), doch dürfte deren Lauf nach dem Rechtsgedanken von §§ 202 I (2. Alt.), 203 II BGB gehemmt sein, solange dem Lastschriftschuldner die Ausübung seines Widerrufsrechts durch die einstweilige Verfügung verboten ist; lehnt man diese Analogie ab, so bietet doch jedenfalls der Schadensersatzanspruch nach § 945 Z P O dem Lastschriftschuldner hinreichenden Schutz. c) Ansprüche aus Schutzpflichtverletzung gemäß § 242 BGB 612
Der BGH verneint ohne weiteres, daß die erste Inkassostelle gegen den Lastschriftschuldner Ansprüche aus Schutzpflichtverletzung haben kann (vgl. BGHZ 74 300, 303). Zweifel an der Richtigkeit dieser Ansicht ergeben sich indessen schon aus der Fragwürdigkeit der Lösung nach § 826 BGB, die für den B G H von seinem Ausgangspunkt aus allein übrig bleibt. Ist es z. B. wirklich sachgerecht, daß bei Einlegung des Widerspruchs durch einen Prokuristen allenfalls dieser, nicht aber der Geschäftsherr gegenüber der ersten Inkassostelle haftet? Mit dem Trick, übermäßige Anforderungen an den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB zu stellen, ist hier i. d. R. nicht zum Ziel zu kommen, weil sich das schadensstiftende Ereignis und die verantwortliche Person anders als z. B. in den Fällen der Produzentenhaftung i. d. R. ohne weiteres individualisieren lassen. Es bleibt also, sofern nicht zufällig § 31 BGB eingreift, höchstens der Ausweg, dem Geschäftsherrn eine allgemeine Organisationspflicht des Inhalts aufzuerlegen, daß er seinen Mitarbeitern generell die Einlegung mißbräuchlicher Widersprüche untersagt und sie über die Tatbestandsmerkmale eines Mißbrauchs unterrichtet, doch befriedigt diese Lösung wegen ihrer allzu offenkundigen Methodenunehrlichkeit nicht. Es kommt hinzu, daß § 826 BGB auch in subjektiver Hinsicht zu eng ist, wie vor allem die soeben Rdn. 609 behandelte Irrtumsproblematik zeigt. Schließlich und vor allem aber hat der B G H bei seiner Lösung nach § 826 BGB so scharfe Maßstäbe angelegt, daß in Wahrheit der legitime Anwendungsbereich dieser Vorschrift längst überschritten ist. Denn der BGH prüft mit keinem Wort die — für § 826 BGB erforderliche (vgl. oben Rdn. 607 Abs. 2) — Verwerflichkeit des Widerspruchs, sondern begnügt sich mit dessen bloßer Zweckwidrigkeit, also damit, daß er durch die legitimen — und vom BGH überdies sehr eng gefaßten — Zwecke der Einräumung der Widerspruchsmöglichkeit nicht gedeckt ist bzw. daß keine „anerkennenswerten" Gründe für einen Widerruf gegeben sind (vgl. BGHZ 74 300, 305). Damit wird die Unterschiedlichkeit der Maßstäbe von § 826 BGB einerseits und § 242 BGB andererseits zu Unrecht eingeebnet und ein Kriterium verwandt, das grundsätzlich nur einen Verstoß gegen Treu und Glauben, nicht aber einen so massiven Vorwurf wie einen Sittenverstoß zu tragen vermag.
613
Man sollte sich daher ehrlicherweise zur Anerkennung von Schutzpflichten des Lastschriftschuldners gegenüber der ersten Inkassostelle entschließen. Zwar besteht 328
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zwischen diesen kein unmittelbarer rechtsgeschäftlicher Kontakt, doch ist dieses Kriterium ohnehin zu eng und nach richtiger Ansicht durch das der Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr zu ersetzen (vgl. Canaris Die Vertrauenshaftung aaO S. 538 mit Fn. 72). Auch sonst läßt man ja häufig einen mittelbaren Kontakt genügen; anderenfalls würde jede Zwischenschaltung einer weiteren Bank wichtige Schutzpflichten gegenstandslos machen — ein offenkundig untragbares Ergebnis. Darin klingt zugleich bereits der entscheidende Sachgrund für die Anerkennung der Schutzpflicht an: es ist für den Lastschriftschuldner ein reiner Zufall, daß der Schaden nicht seinen eigenen Vertragspartner — die Zahlstelle —, sondern dessen „Hintermann" trifft, wobei dieser Zufall zum einen auf der Mehrgliedrigkeit des Zahlungsvorgangs und zum andern auf den internen Abmachungen zwischen den beiden Banken — d. h. auf dem Lastschriftabkommen — beruht. Es handelt sich also um eine mit den Fällen der Drittschadensliquidation durchaus vergleichbare Problematik, weil ja auch dort bekanntlich der Gesichtspunkt eine ausschlaggebende Rolle spielt, dem Schädiger dürfe der Zufall einer internen Schadensverlagerung nicht zugute kommen. Ein echter Fall der Schadensverlagerung liegt hier jedoch nicht vor, weil der Schaden nicht „eigentlich" die Zahlstelle treffen müßte, sondern von vornherein nur die erste Inkassostelle treffen kann, und darum sollte man die Lösung nicht in einem Ausbau der — ohnehin in der Krise befindlichen — Lehre von der Driuschadensliquidation, sondern in der Ausweitung der Lehre von den Schutzpflichtverletzungen suchen. Das gilt um so mehr, als auch das Merkmal der gesteigerten Einwirkungsmöglichkeit hier in besonders sinnfälliger Weise verwirklicht ist (vgl. zum Ganzen auch oben Rdn. 22, 25 und 26). Für den Mißbrauch der Widerspruchsmöglichkeit bedeutet das, daß der Lastschriftschuldner der ersten Inkassostelle nicht nur nach § 826 BGB, sondern auch nach § 242 BGB i. V. m. § 278 BGB einzustehen hat, wobei dogmatisch ein „gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht" nach dem Vorbild der c. i. c. zugrunde liegt. d) Ansprüche aus § 426 BGB Erleidet die erste Inkassostelle dadurch einen Schaden, daß sie der Zahlstelle Ersatz 6 1 4 nach Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens leisten muß, so kann sie einen Regreßanspruch aus § 426 BGB gegen den Lastschriftbezogenen haben, sofern dieser schuldhaft zur Entstehung des Schadens bei der Zahlstelle beigetragen hat — z. B. durch Verzögerung des Hinweises auf das Fehlen der Lastschriftermächtigung. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach dem Rechtsgedanken von § 254 BGB. Dabei muß die erste Inkassostelle sich den Umstand, daß sie sich die Lastschriftermächtigung nicht hat vorlegen lassen, unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr grundsätzlich auch dann anspruchsmindernd zurechnen lassen, wenn man darin kein echtes Verschulden sieht; geht es freilich lediglich um eine Überschreitung der Ermächtigung im Einzelfall wie z. B. bei Einziehung einer Nichtschuld, scheidet dieser Gesichtspunkt aus, weil die Nichtvorlage der Ermächtigung dann nicht kausal für den Schaden war. Vgl. im übrigen zu § 254 BGB näher oben Rdn. 610. 5. Ansprüche des Lastschriftschuldners gegen die erste Inkassostelle Das soeben Rdn. 613 Gesagte gilt auch in umgekehrter Richtung: es gibt grundsätz- 6 1 5 lieh auch eine Haftung der ersten Inkassostelle gegenüber dem Lastschriftschuldner aus Schutzpflichtverletzung gemäß § 242 BGB i. V. m. § 278 BGB. (a. A. Mütze S. 345 ff). Praktische Bedeutung kann diese vor allem dann erlangen, wenn die erste Inkassostelle Kenntnis vom wirtschaftlichen Zusammenbruch des Lastschriftgläubigers oder dessen unmittelbarem Bevorstehen hat. Für die Zahlstelle besteht in einem derartiClaus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
gen Fall grundsätzlich eine Warnpflicht (vgl. oben Rdn. 540 m. Nachw.). Für die erste Inkassostelle kann nichts anderes gelten. Denn die Warnpflicht, die sie bei einem innerbetrieblichen Zahlungsvorgang gegenüber dem Lastschriftschuldner als ihrem Kunden hätte, darf nicht allein deshalb gegenstandslos werden, weil es sich um einen zwischenbetrieblichen Zahlungsvorgang handelt. Das gilt um so mehr, als die Warnpflicht gegenüber der anderen Bank bestünde, wenn dieser der Schaden drohen würde; daß er statt dessen deren Kunden trifft, darf die erste Inkassostelle nach dem in Rdn. 613 Gesagten nicht entlasten. Bezüglich der Kollision mit der Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses gelten die Ausführungen oben Rdn. 63 entsprechend. Ziff. IV 1 und 3 des Lastschriftabkommens, wonach dieses Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten begründet und die Liquidation eines aus seiner Verletzung entstandenen Drittschadens ausgeschlossen ist, ist nicht einschlägig, weil es nicht um Ansprüche aus dem Abkommen, sondern aus kraft objektiven Rechts entstehenden Schutzpflichten geht (vgl. auch BGHZ 69 82, 88 f). 616
Bei Fehlen eines wirksamen Abbuchungsauftrags oder einer wirksamen Einzugsermächtigung hat der Bezogene schon deshalb keinen Schadensersatzanspruch gegen die erste Inkassostelle, weil die Belastung seines Kontos nicht wirksam ist und es demgemäß an einem Schaden fehlt. Der BGH verneint darüber hinaus auch eine entsprechende Schutzpflicht der ersten Inkassostelle (vgl. BGHZ 69 186, 187 f); das ist i. E. zutreffend, rechtfertigt sich aber letztlich nur aus der Unwirksamkeit der Kontobelastung, weil die erste Inkassostelle aus diesem Grund nicht die für eine Schutzpflicht erforderliche gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen des Bezogenen hat. Diesem steht auch kein Bereicherungsanspruch gegen die erste Inkassostelle zu (vgl. BGHZ 69 186, 188 ff). Denn eine Leistungskondiktion kommt nicht in Betracht, weil diese nur innerhalb des fehlerhaften Kausalverhältnisses stattfindet und ein solches zwischen dem Bezogenen und der ersten Inkassostelle nicht besteht, und eine Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise scheidet aus, weil eine etwaige Bereicherung der ersten Inkassostelle mangels einer wirksamen Kontobelastung nicht „auf Kosten" des Bezogenen erfolgt ist. 6. Anspräche des Lastschriftgläubigers gegen die Zahlstelle
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Im Verhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und Zahlstelle hat der BGH entschieden, daß letztere eine Schutzpflicht gegenüber jenem haben kann und daß eine solche jedenfalls bezüglich der alsbaldigen Zurückleitung nicht eingelöster Lastschriften bzw. der Benachrichtigung hierüber besteht (vgl. BGHZ 69 82, 85 ff; zustimmend Mölschbach DB 1977 1935). Dem ist entgegen manchen kritischen Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. Hadding W M 1978 1374 f; Badde S. 78 ff und 169 ff) i. E. uneingeschränkt zuzustimmen (vgl. näher oben Rdn. 22). Bei der Giroüberweisung ist die Möglichkeit von Schutzpflichten im Verhältnis zwischen dem Uberweisenden und der Bank des Uberweisungsbegünstigten bzw. einer Zwischenbank schon in der Erstauflage nachdrücklich befürwortet worden (vgl. dort Anm. 196). Folgerichtig muß Gleiches auch für die entsprechenden Konstellationen im Lastschriftverfahren anerkannt werden. Was die Begründung anlangt, so überzeugt allerdings der Hinweis des BGH, daß es sich beim Lastschriftverkehr um „Massengeschäfte" handelt, nicht, weil bei solchen an sich eher eine Verminderung als eine Verschärfung der Pflichtenstellung naheliegt. Entscheidend ist vielmehr wieder (vgl. schon oben Rdn. 613 und Rdn. 615), daß die Schutzpflichten nicht durch die Zufälligkeiten des mehrgliedrigen Zahlungsverkehrs gegenstandslos werden dürfen: die Bank hätte bei einem innerbetrieblichen Zahlungsvorgang ohne weiteres eine Pflicht zur unverzüglichen Information des Einreichers 330
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von der Einlösungsverweigerung und muß sie daher auch hier haben; auch darf die Zahlstelle nicht einen Vorteil daraus ziehen, daß die erste Inkassostelle — der gegenüber auch ohne die ausdrückliche Festlegung im Lastschriftabkommen eine Benachrichtigungspflicht gemäß § 242 BGB bestünde — das mit einer verspäteten Benachrichtigung oder Rückgabe verbundene Risiko durch die Stornierungsmöglichkeit gemäß Ziff. 7 und 9 der Einzugsvereinbarung auf den Lastschriftgläubiger abgewälzt hat. Daß überhaupt eine Rückleitungs- bzw. Benachrichtungspflicht bei einer Einlösungsverweigerung besteht, ist dogmatisch ein ganz anderes, von der Konstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu trennendes Problem und findet seinen Grund darin, daß dem Lastschriftverfahren besondere Gefahren innewohnen, denen die Banken als dessen Ausgestalter und Organisatoren durch entsprechende Maßnahmen begegnen müssen. Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei insbesondere von Bedeutung, daß nach Ziff. I 6 des Lastschriftabkommens Bezahltmeldungen nicht erteilt werden. Da der Lastschriftgläubiger somit grundsätzlich keine Möglichkeit zur Feststellung der Einlösung hat, muß er auf eine unverzügliche Benachrichtigung über die Nichteinlösung vertrauen können. Ist sein Handeln ausnahmsweise gleichwohl als leichtsinnig zu bewerten, so ist das eine Frage des § 254 BGB. Was die Länge der Rückleitungs- bzw. Benachrichtigungsfrist angeht, so richtet diese sich nicht nach dem Lastschriftabkommen, sondern nach § 242 BGB; denn nicht das Lastschriftabkommen, sondern ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis, das auf § 242 BGB beruht, stellt die Anspruchsgrundlage dar (vgl. BGHZ 69 82, 89). Die Frist ist dabei grundsätzlich so zu bemessen, daß die Zahlstelle dem Lastschriftbezogenen noch Gelegenheit zur Anschaffung von Deckung geben kann; sie ist daher i. d. R. wesentlich länger als die Fristen nach dem Lastschriftabkommen. In besonders gelagerten Einzelfällen wird man sogar noch einen Schritt weiterzuge- 6 1 7 a hen und der Inkassostelle die Berufung auf das Fehlen des Einlösungswillens auf Grund des Verbots widersprüchlichen Verhaltens zu versagen haben (vgl. dazu allgemein Canaris Die Vertrauenshaftung aaO S. 287 ff, 311 ff). Dafür spielt zunächst die Länge der verflossenen Zeit eine wesentliche Rolle; man stelle sich etwa vor, daß die Zahlstelle eine im Einzugsermächtigungsverfahren vorgelegte Lastschrift noch nach Ablauf der sechswöchigen Widerspruchsfrist mit der — nicht zu widerlegenden oder gar bewiesenen — Behauptung zurückgibt, sie habe diese nicht eingelöst! Des weiteren kommt es maßgeblich darauf an, ob der Lastschriftgläubiger im Vertrauen auf die Einlösung eine irreversible Disposition vorgenommen hat, die mit anderen Ansprüchen — insbesondere solchen auf Schadensersatz — nicht hinreichend ausgeglichen werden kann. An der letzteren Voraussetzung wird es freilich meist fehlen. Ist sie jedoch ebenfalls erfüllt, kann der Lastschriftgläubiger von der Zahlstelle gemäß § 242 BGB verlangen, so gestellt zu werden wie bei einer wirksamen Einlösung; er hat also einen Anspruch gegen jene darauf, daß sie die Lastschrift gegenüber der ersten Inkassostelle als eingelöst behandelt. In Betracht kommt weiterhin eine Schutzpflicht zur Zurückweisung eines rechtsmiß- 6 1 8 bräuchlichen Widerspruchs des Lastschriftschuldners (a. A. Denck Z H R 144, 188). Diese setzt allerdings voraus, daß die Mißbräuchlichkeit evident und liquid beweisbar ist (vgl. oben Rdn. 562 f). Sie im Wege einer einstweiligen Verfügung durchzusetzen, dürfte i. d. R. nicht möglich sein, weil (und sofern) die Bonität der Zahlstelle keinen Bedenken begegnet und der Lastschriftgläubiger daher durch seinen (etwaigen) Schadensersatzanspruch gegen diese hinreichend geschützt ist. Verleitet die Zahlstelle den Lastschriftschuldner in ihrem eigenen Interesse zu einem Widerspruch, nachdem dieser Claus-Wilhelm Canaris
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seine Zahlungen eingestellt hat, so haftet sie dem Lastschriftgläubiger i. d. R. aus § 826 BGB (vgl. OLG Düsseldorf W M 1976 935, 937; Denck aaO). 619
Eine Schutzpflicht zur Zurückweisung eines Widerspruchs bei gleichzeitigem Vorliegen von Einzugsermächtigungsvermerk und Abbuchungsauftrag hat der BGH abgelehnt (vgl. BGHZ 72 343, 348 f). Indessen beruht die Begründung, es sei „nur das aus dem Einzugsermächtigungsvermerk ersichtliche Interesse des Gläubigers, nach dem Einzugsermächtigungsverfahren korrekt zu verfahren, weitergeleitet worden", auf der Prämisse, daß nur die Regeln über das Einzugsermächtigungsverfahren anzuwenden sind; sie ist daher ebenso verfehlt wie diese (vgl. dazu oben Rdn. 590). Im übrigen steht die Entscheidung durch ihren seltsamen Formalismus isoliert in der deutlich um materielle Gerechtigkeit bemühten Rechtsprechung zum Lastschriftverfahren und bildet insbesondere einen eigentümlichen Kontrast zu den strengen Pflichten, die der BGH dem Lastschriftschuldner gegenüber der ersten Inkassostelle sogar im Rahmen von § 826 BGB auferlegt (vgl. oben Rdn. 605 und 607). Folgerichtig erscheint demgemäß nur die Bejahung einer Schutzpflicht, sofern man bei einem Widerspruch des Schuldners eine Rückbuchungsmöglichkeit der ersten Inkassostelle gegenüber dem Lastschriftgläubiger überhaupt bejaht (zutreffend daher insoweit das Berufungsurteil des OLG Düsseldorf N J W 1977 1403, 1404; a. A. Lüke/Philippi JuS 1978 308). Verneint man diese (vgl. oben Rdn. 579), entfällt grundsätzlich auch die Schutzpflicht der Zahlstelle, weil diese dann insoweit keine besondere Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen des Lastschriftgläubigers hat und es überdies in aller Regel an einem Schaden fehlt. 7. Ansprüche der Zahlstelle gegen den Lastschriftgläubiger a) Die Rechtslage im Abbuchungsauftragsverfahren
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Im Verhältnis zwischen der Zahlstelle und dem Lastschriftgläubiger kommen in erster Linie Bereicherungsansprüche in Betracht. Insoweit kann jedenfalls für das Abbuchungsauftragsverfahren grundsätzlich auf die Ausführungen zum Girovertragsrecht verwiesen werden (vgl. oben Rdn. 425 ff, insbesondere die Zusammenfassung Rdn. 454). Die Zahlstelle hat daher keinen Anspruch gegen den Lastschriftgläubiger, wenn sich der kondiktionsauslösende Mangel auf ihr Deckungsverhältnis zum Lastschriftschuldner beschränkt (vgl. auch oben Rdn. 573 f zum entsprechenden Problem im Verhältnis von Inkassostelle und Lastschriftgläubiger). Ebensowenig kann sie einen Kondiktionsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger darauf stützen, daß diesem im Valutaverhältnis zum Lastschriftschuldner keine Forderung zusteht. Die Rechts- und Interessenlage ist hier allerdings insofern etwas anders als im Girovertragsrecht, als ja der Lastschriftgläubiger selbst die Zahlung einzieht. Das ändert jedoch nichts daran, daß zum einen das Nichtbestehen der Forderung im Valutaverhältnis für die Bank eine Einwendung ex iure tertii darstellt, aus deren Bestehen sie grundsätzlich keinen Vorteil ziehen darf, und daß die Bank zum anderen ihre Entscheidung über die Einlösung auf Grund eines wirksamen Abbuchungsauftrages getroffen hat, der die maßgebliche Grundlage ihrer Rechtsstellung bildet. Daß es hier wohl an einer wirksamen Tilgungsbestimmung fehlt, weil diese durch den Abbuchungsauftrag nur für bestehende Forderungen antizipiert wird bzw. nur für solche durch den Lastschriftgläubiger mittels des Zahlungsabrufs gesetzt werden kann, eröffnet demgemäß für sich allein noch nicht die Durchgriffskondiktion der Zahlstelle gegen den Lastschriftgläubiger; diese setzt vielmehr zusätzlich das Fehlen einer wirksamen Anweisung des Bezogenen, also eines wirksamen Abbuchungsauftrags voraus. Anders ist ausnahmsweise zu entscheiden, wenn der Bezogene die Lastschrifteinlösung in Analogie zu den Regeln über den Mißbrauch der Vertretungsmacht nicht gegen sich gelten zu lassen braucht (vgl. dazu oben 332
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IV. D i e Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr
Rdn. 541); denn dann liegt (auch) im Verhältnis zwischen der Zahlstelle und dem Zahlungsempfänger ein fehlerhafter Zahlungsvorgang vor und es besteht eine mit dem Fehlen des Abbuchungsauftrags auf das engste verwandte Lage, so daß der Durchgriff zuzulassen ist. Ebenso wie im Girovertragsrecht hat die Zahlstelle bei Zurechenbarkeitsmängeln 621 wie Fehlen eines Abbuchungsauftrags, mangelnder Geschäftsfähigkeit des Lastschriftschuldners, Fälschung des Abbuchungsauftrags, Erteilung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht und Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Lastschriftschuldners (vgl. dazu näher unten Rdn. 660) die Durchgriffskondiktion nach § 812 I 1 Fall 2 BGB gegen den Lastschriftgläubiger, der Vertrauensschutz nur nach Maßgabe von § 818 III BGB genießt. Zu beachten ist allerdings, daß die bereicherungsrechtliche Lösung nach der hier vertretenen Ansicht durch das Stornorecht der Inkassostelle ergänzt und z. T. korrigiert wird (vgl. oben Rdn. 580 f i. V. m. Rdn. 449 f). Bei bloßen „Gültigkeitsmängeln" — d. h. bei Mängeln, die zwar den Abbuchungs- 6 2 2 auftrag ungültig machen, die Möglichkeit der Zurechnung aber nicht ausschließen — sind die §§ 170—173 BGB entsprechend anzuwenden. Demgemäß ist der Lastschriftgläubiger bei einem der Zahlstelle gegenüber erklärten Widerruf des Abbuchungsauftrags nicht der Durchgriffskondiktion der Zahlstelle, sondern allenfalls der Leistungskondiktion des Lastschriftgläubigers ausgesetzt, sofern dieser ihm die Erteilung des Abbuchungsauftrags irgendwie mitgeteilt hatte und er bezüglich des Widerrufs nicht bösgläubig i. S. von § 173 BGB war. Die Mitteilung kann auch konkludent erfolgen und insbesondere in der wiederholten vorbehaltlosen Einlösung von Lastschriften zu sehen sein; es liegt insoweit ähnlich wie beim Widerruf eines Dauerauftrags bei der Giroüberweisung (vgl. dazu oben Rdn. 440). Entsprechendes gilt für die übrigen Gültigkeitsmängel, also vor allem für interne Einschränkungen des Abbuchungsauftrages wie z. B. eine Begrenzung der Höhe von einzulösenden Lastschriften, für Willensmängel bei der Erteilung des Abbuchungsauftrags und für dessen Erlöschen analog § 168 S. 1 BGB bei Beendigung des Girovertrages zwischen Lastschriftschuldner und Zahlstelle. Dabei ist ebenso wie im Falle des Widerrufs besonders zu beachten, daß der Schutz der §§ 170 ff BGB nicht allein auf dem guten Glauben des Lastschriftgläubigers aufbaut, sondern zusätzlich einen objektiven Vertrauenstatbestand in Form einer Kundgabe voraussetzt; daran wird es z. B. im Fall einer höhenmäßigen Begrenzung mitunter fehlen, weil der Lastschriftgläubiger aus dem bloßen Vorliegen eines Abbuchungsauftrags nicht immer ohne weiteres auf dessen Unbegrenztheit schließen kann. Freilich kann auch bei Gültigkeitsmängeln nach der hier vertretenen Ansicht das 6 2 3 Stornorecht der Inkassostelle konkurrierend neben einen etwaigen Bereicherungsanspruch der Zahlstelle bzw. an dessen Stelle treten und den Rechtsscheinschutz analog §§170 ff BGB hinfällig machen (vgl. oben Rdn. 580 f i. V. m. Rdn. 449). Der Vertrauensschutz des Lastschriftgläubigers beschränkt sich dann im Verhältnis zur Zahlstelle auf die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs (in den Grenzen von § 254 BGB), der seine Grundlage in der aus § 242 BGB folgenden Schutzpflicht findet, Lastschriften nicht auf der Grundlage eines unwirksamen Abbuchungsauftrags einzulösen. Zweifelhaft ist die Lösung beim Zusammentreffen von Mängeln des Valutaverhält- 6 2 4 nisses mit Gültigkeitsmängeln, wenn der Zahlungsempfänger ersteren gegenüber bösgläubig, letzteren gegenüber dagegen gutgläubig ist. H a t die Zahlstelle also z. B. die Durchgriffskondiktion gegen ihn, wenn er wissentlich eine Nichtschuld einzieht, von einem inzwischen erfolgten Widerruf des Abbuchungsauftrags aber nichts weiß noch zu wissen braucht? Dogmatisch gesehen liegt eine Verneinung der Frage nahe, weil der Mangel des Valutaverhältnisses die Durchgriffskondiktion nicht zu begründen vermag Claus-Wilhelm Canaris
333
5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
und der Zahlungsempfänger bezüglich des Widerrufs gutgläubig ist, doch erscheint auch die Gegenansicht erwägenswert, weil die Bank hier wegen des Fehlens einer wirksamen Anweisung grundsätzlich schutzwürdig ist und der Zahlungsempfänger andererseits weiß, daß ihm die Zahlung nicht gebührt. Letztlich dürfte aber nicht nur aus dogmatischen Gründen, sondern auch von der Interessenlage her die Verneinung der Durchgriffskondiktion den Vorzug verdienen. Denn zum einen wiegen die Interessen der Bank nicht sonderlich schwer, weil die Mißachtung des Widerrufs einen in ihrer Sphäre liegenden Fehler darstellt und ein solcher auch bei sonstigen Gültigkeitsmängeln nicht selten gegeben sein wird, und zum anderen hat der Zahlungsempfänger auch hier ein legitimes Interesse daran, sich über das Bestehen seiner Forderung nur mit seinem (angeblichen) Schuldner und nicht auch mit der Bank auseinandersetzen zu müssen — zumal böser Glaube nach dem Grundsatz der §§ 173, 932 II BGB ja nicht nur bei positiver Kenntnis, sondern u. U. auch bei fahrlässiger Unkenntnis der wahren Rechtslage anzunehmen ist. Lehnt man den Bereicherungsanspruch ab, kann die Zahlstelle sich allenfalls im seltenen Ausnahmefall des § 826 BGB an den Zahlungsempfänger halten. Eine Schutzpflicht nach § 242 BGB, keine Nichtschuld einzuziehen, hat dieser gegenüber der Zahlstelle nicht; denn zum einen geht das Bestehen der Forderung im Valutaverhältnis diese grundsätzlich nichts an, und zum anderen hat der Zahlungsempfänger keine gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen der Zahlstelle, da diese ihm gegenüber in der Entscheidung, ob sie eine Lastschrift auf Kredit einlösen und damit die Gefahr eines Schadens auf sich nehmen will, völlig frei ist. Auch mit einer Analogie zu § 179 BGB ist nicht weiter zu kommen. Zwar scheitert diese analog § 180 S. 2 BGB nicht daran, daß der Zahlungsabruf kein Vertrag, sondern ein einseitiges Rechtsgeschäft ist, doch wird die Zahlstelle hier in aller Regel bösgläubig i. S. von § 179 III 1 BGB sein; selbst wenn ihr aber die Unwirksamkeit des Abbuchungsauftrags — also z. B. dessen Widerruf — ohne Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, handelt es sich dabei doch um einen in ihrer Sphäre liegenden Umstand, bei dem eine Anwendung von § 179 II BGB nicht gerechtfertigt ist (vgl. dazu näher Canaris Die Vertrauenshaftung aaO S. 535 Fn. 53 m. Nachw.). 625
Ein Sonderproblem ergibt sich aus der Möglichkeit des Fehlens einer wirksamen Lastschriftausstellung, wobei vor allem an eine Fälschung oder an das Auftreten eines falsus procurator zu denken ist. Erkennt die Zahlstelle die Fälschung nicht, so läßt sich i. d. R. an ihrem Einlösungswillen schwerlich zweifeln (vgl. auch oben Rdn. 551 Abs. 2). Andererseits kann der Abbuchungsauftrag grundsätzlich nicht dahin ausgelegt werden, daß der Lastschriftschuldner das Risiko einer Lastschriftfälschung und ähnlicher Mängel übernimmt und auch für diesen Fall die Belastung seines Kontos als wirksam anerkennt (vgl. oben Rdn. 556). Die Zahlstelle ist daher auch in einem solchen Fall auf einen Bereicherungsanspruch angewiesen. Eine Leistungskondiktion gegen die erste Inkassostelle scheidet dabei von vornherein aus, weil das Kausalverhältnis zu dieser keinen Mangel aufweist. Es bleibt also nur die Durchgriffskondiktion gegen den Lastschriftgläubiger, dessen Anspruch aus der Gutschrift durch die Einlösung der Lastschrift zu einem unbedingten Recht erstarkt ist und der demgemäß einen Vermögenszuwachs „unmittelbar" aus dem Vermögen der Zahlstelle erlangt hat, also auf deren Kosten bereichert ist. Vertrauensschutz ist nur im Rahmen von § 818 III BGB zu gewähren, wobei dem Lastschriftgläubiger der böse Glaube des Fälschers oder falsus procurator wohl auch dann nicht nach § 819 I BGB zugerechnet werden kann, wenn dieser Vertretungsmacht bezüglich des betreffenden Kontos hat (vgl. Canaris JuS 1980 335). Außerdem hat die Zahlstelle gegen den Lastschriftgläubiger u. U. einen Anspruch 334
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IV. Die Rechtsverhältnisse im zwischenbetrieblichen Lastschriftverkehr aus §§ 823 ff i. V. m. § 31 oder § 831 BGB, nicht jedoch aus Schutzpflichtverletzung i. V. m. § 278 BGB (vgl. Canaris aaO S. 334). Entfällt ein Anspruch der Zahlstelle gegen den Lastschriftgläubiger — z. B. wegen § 818 III BGB — oder ist er wegen dessen Zahlungsunfähigkeit wertlos, so hat die Zahlstelle grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen die erste Inkassostelle (vgl. oben Rdn. 594 f). Diese hat dann ihrerseits einen Regreßanspruch gegen den Lastschriftgläubiger nach Ziff. 11 der Einzugsvereinbarung (abgedruckt oben Rdn. 537); das nützt zwar natürlich im Falle der Insolvenz nichts, wohl aber z. B. im Falle von §818 III BGB. b) Die Rechtslage im Einzugsermächtigungsverfahren Die im vorstehenden zum Abbuchungsauftragsverfahren entwickelten Regeln gelten 6 2 6 grundsätzlich auch für die Bereicherungshaftung des Lastschriftgläubigers im Einzugsermächtigungsverfahren. Mängel des Deckungs- oder des Valutaverhältnisses geben daher auch hier der Zahlstelle nicht die Möglichkeit einer Kondiktion beim Lastschriftgläubiger. Dagegen ist dieser bei Fehlen einer wirksamen Einzugsermächtigung oder einer wirksamen Lastschriftausstellung jedenfalls vom Boden der Ermächtigungstheorie aus grundsätzlich der Durchgriffskondiktion der Zahlstelle ausgesetzt, während bei Gültigkeitsmängeln die §§ 170 ff BGB analog anzuwenden sind. Zusätzlich kann die Zahlstelle gegen den Lastschriftgläubiger einen Anspruch gemäß oder analog § 179 BGB haben (vgl. auch Fallscheer/Schlegel S. 29 f). Beide Ansprüche werden freilich häufig keine praktische Bedeutung erlangen, weil der Bezogene entweder binnen der Sechswochenfrist Widerspruch erhebt und dadurch den Wiedervergütungsanspruch der Zahlstelle gegen die erste Inkassostelle auslöst oder aber den Mangel durch Genehmigung der Kontobelastung heilt. Geschieht dies nicht, hat die Zahlstelle gegen die erste Inkassostelle nur den Anspruch aus Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens, der jedoch einen Schaden voraussetzt und daher nur in Betracht kommt, wenn die Zahlstelle mit ihrem Bereicherungsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger ausfällt. Bei Vorliegen einer wirksamen Einzugsermächtigung hat die Zahlstelle nach der hier 6 2 7 vertretenen Ermächtigungstheorie keinen Bereicherungsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger, weil es sich um einen fehlerlosen Zahlungsvorgang handelt und insbesondere das Konto des Lastschriftschuldners wirksam belastet worden ist (vgl. oben Rdn. 543). Anders ist dagegen möglicherweise nach der Genehmigungstheorie (vgl. oben Rdn. 535, 544) zu entscheiden. Denn einerseits ist wohl auch von deren Boden aus die Kontobelastung grundsätzlich als Einlösung der Lastschrift anzusehen, andererseits hat die Zahlstelle nach dieser Theorie ohne wirksame Anweisung ihres Kunden gehandelt, so daß die Zulassung der Durchgriffskondiktion gegen den Lastschriftgläubiger in Betracht kommt, zumal wegen der Unwirksamkeit der Kontobelastung auf der einen Seite und dem Erstarken der aufschiebend bedingten Gutschrift zum Vollrecht auf der anderen Seite auch das Merkmal der unmittelbaren Vermögensverschiebung erfüllt ist. Das Ergebnis befriedigt nicht, weil der Lastschriftgläubiger hier trotz korrekten Forderungseinzugs einem Bereicherungsanspruch der Bank ausgesetzt ist und also entgegen dem Sinn und Zweck des Lastschriftverfahrens eine beträchtliche Verschlechterung seiner Stellung gegenüber der Giroüberweisung hinnehmen muß; das zeigt sich vor allem nach Ablauf der Sechswochenfrist, da die Zahlstelle jetzt mangels Wiedervergütungsanspruchs gegen die erste Inkassostelle auf den Bereicherungsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger zurückgreifen muß, wenn der Lastschriftschuldner die Belastung seines Kontos nicht genehmigt. Vielleicht könnte man daher vom Boden der Genehmigungstheorie aus dahin ausweichen, daß man als bereicherungsClaus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
rechtlich maßgebliche Anweisung den Auftrag der ersten Inkassostelle oder der Zwischenbank an die Zahlstelle ansieht. Das müßte dann allerdings folgerichtig auch bei Fehlen einer wirksamen Einzugsermächtigung gelten. Folglich hätte die Zahlstelle auch in diesem Fall keinen Bereicherungsanspruch gegen den Lastschriftgläubiger, sondern statt dessen stets den Schadensersatzanspruch gegen die erste Inkassostelle — was indessen ersichtlich nicht der Systematik des Lastschriftabkommens entspricht, weil die Zahlstelle dann auch nach Ablauf der Sechswochenfrist im praktischen Ergebnis immer ohne weiteres Wiedervergütung verlangen könnte und die Ersetzung dieses Anspruchs durch eine bloße Schadensersatzforderung (Ziff. I 4 im deutlichen Unterschied zu Ziff. III) daher sinnwidrig würde.
V. Das Rechtsverhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner 1. Die Abrede über den Lastschrifteinzug a) Die Rechtsnatur 628
Die Abrede über den Lastschrifteinzug ist eine unselbständige Nebenvereinbarung des betreffenden Schuldvertrages, also z. B. eines Versicherungs- oder Mietvertrages. Demgemäß stellt sie keinen Auftrag i. S. von § 662 BGB dar (a. A. Engel S. 24 f). Dem steht schon ihre Unselbständigkeit entgegen. Außerdem paßt das Auftragsrecht auch typologisch nicht. Denn der Lastschriftgläubiger nimmt den Einzug vorwiegend im eigenen Interesse vor und erfüllt dabei nicht eine Schuldnerpflicht i. S. von § 662 BGB, sondern lediglich eine Gläubigerobliegenheit. Eine echte Rechtspflicht zur Vorlegung der Lastschrift kommt allenfalls in Ausnahmefällen auf Grund besonderer Umstände in Betracht. Sie wird i. d. R. anzunehmen sein, wenn der Schuldner ein besonderes Interesse an einem Abfluß des Geldes zu einem bestimmten Zeitpunkt hat und der Gläubiger dies ohne weiteres erkennen kann oder sogar ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist; zu denken ist vor allem an die Zahlung von Versicherungs- oder Bausparprämien, die aus steuerlichen Gründen noch „im alten Jahr" gezahlt sein müssen. b) Inhalt und Wirkungen der Lastschriftabrede
629
Die Abrede über den Lastschrifteinzug verändert den Inhalt der einzuziehenden Forderung dahingehend, daß sie diese entgegen § 270 BGB zur Holschuld macht 51 . Eine etwaige Leistungsklage ohne vorherigen Versuch des Lastschrifteinzugs wäre daher unbegründet. Nach Sinn und Zweck der Lastschriftabrede braucht der Gläubiger allerdings nur einen Holversuch zu machen. Scheitert dieser, weil die Zahlstelle die Lastschrift nicht einlöst, so wird die Lastschriftabrede insoweit gegenstandslos, so daß die Schuld wieder zur Schickschuld nach Maßgabe von § 270 BGB wird. Gleiches gilt, wenn die Vorlage zur Einlösung von vornherein als aussichtslos angesehen werden muß. Der Gläubiger, der sich auf die Rechtsfolgen einer Schickschuld beruft, muß daher vortragen und erforderlichenfalls beweisen, daß er einen vergeblichen Einlösungsversuch gemacht hat oder daß eine Vorlegung der Lastschrift keinen Erfolg versprach.
630
Wegen der Umwandlung in eine Holschuld gerät der Gläubiger im Fälligkeitszeitpunkt grundsätzlich in Annahmeverzug, wenn die Lastschrift nicht so rechtzeitig vor51 So auch LG Berlin W M 1975, 530, 532; Engel S. 49; Polke S. 99 und 143; Hading W M 1978,
336
1379; wohl auch Fallscheer-Schlegel S. 36 („Holausgleich").
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. D a s Rechtsverhältnis zwischen Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner
gelegt wird, daß sie bei normalem Verlauf des Zahlungsvorgangs zum Fälligkeitszeitpunkt eingelöst werden kann. Ein Angebot der Zahlung durch den Schuldner i. S. von § 295 BGB ist i. d. R. überflüssig, weil es sich typischerweise um Zahlungen handelt, deren Fälligkeit kalendermäßig bestimmt ist, so daß nach § 296 BGB das Angebotserfordernis entfällt; im übrigen ist in der Lastschriftabrede eine generelle Aufforderung an den Gläubiger zur Vornahme seiner Mitwirkungshandlung zu sehen, so daß es auch nach § 295 S. 2 BGB eines Angebots nicht bedarf. Der Gläubiger kommt allerdings gemäß § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Schuldner im Fälligkeitszeitpunkt zur Leistungsbewirkung außerstande ist. Das ist dann der Fall, wenn er zu dieser Zeit weder ein Guthaben oder eine ausreichende Kreditlinie zur Verfügung hat noch auf Rückfrage der Zahlstelle (vgl. oben Rdn. 539 Abs. 2) rechtzeitig Deckung anzuschaffen vermöchte. Die Beweislast hierfür liegt nach der Fassung von § 297 BGB beim Gläubiger. Schuldnerverzug tritt in der Person des Lastschriftgläubigers nicht ein, weil (und 6 3 0 a sofern) der Einzug des Geldes nur eine Gläubigerobliegenheit und nicht eine Schuldnerpflicht darstellt (vgl. oben Rdn. 628). Liegt ausnahmsweise doch eine Schuldnerpflicht vor (vgl. dazu oben Rdn. 628 a. E.), so kommt der Lastschriftgläubiger grundsätzlich ohne Mahnung in Verzug, weil eine solche entweder schon nach § 284 II BGB entbehrlich ist oder doch angesichts der Besonderheiten des Lastschriftverfahrens nach § 242 BGB nicht erwartet werden kann. — In der Person des Lastschriftschuldners ist Schuldverzug gemäß § 285 BGB ausgeschlossen, sofern und solange Gläubigerverzug gegeben ist (vgl. dazu auch unten Rdn. 640 und 646). Daran ändern folgerichtig auch Mahnung oder Klageerhebung nichts. Eine Leistungspflicht des Schuldners, für die Einlösung berechtigter Lastschriften 631 zu sorgen, gibt es nicht (a. A. Engel S. 48). Es handelt sich vielmehr nach wie vor um die gewöhnliche Zahlungspflicht aus dem Vertrag mit dem Gläubiger. Bei deren Erfüllung bedient sich allerdings der Schuldner seiner Bank als Erfüllungsgehilfin i. S. von § 278 BGB 52 . Denn auch bei einer Holschuld bleibt der Schuldner zu der erforderlichen Mitwirkung, insbesondere zur Bereitstellung des Leistungsgegenstandes verpflichtet — und diese liegt hier in der Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstelle. Unterbleibt diese, so gerät der Schuldner folglich gemäß §§ 284 f i. V. m. § 278 BGB auch dann in Verzug, wenn ihn selbst kein Verschulden trifft — z. B. weil die Bank irrtümlich das Vorhandensein von Deckung verneint hat oder die Lastschrift versehentlich nicht bearbeitet hat; die Folgen muß der Schuldner mit seiner Bank ausmachen (vgl. dazu oben Rdn. 543 f). Die übrigen Banken sind dagegen nicht Erfüllungsgehilfen des Schuldners. Eine Beschränkung der Erfüllungsmöglichkeit auf den Lastschrifteinzug wird in 6 3 2 aller Regel nicht anzunehmen sein. Der Schuldner kann daher auch durch Barzahlung und wohl auch durch Überweisung auf ein ihm mitgeteiltes Konto bezahlen. Das ist z. B. sinnvoll, wenn er ein Debet auf seinem Konto nicht auffüllen will oder kann, andererseits aber nicht sogleich zu dem drastischen Mittel eines Widerrufs der Lastschriftermächtigung oder des Abbuchungsauftrags greifen möchte. Freilich handelt es sich um eine Frage der Auslegung. Selbst bei einer abweichenden Vereinbarung muß der Gläubiger aber die nicht im Wege des Lastschriftverfahrens erfolgte Zahlung i. d. R. gemäß § 242 BGB gegen sich gelten lassen, wenn er sie nicht sofort zurückweist; darüber hinaus kann auch die sofortige Zurückweisung gegen Treu und Glau52
I n s o w e i t z u t r e f f e n d Engel S. 4 9 ; a. A . u n r i c h t i g L G Berlin W M 1975, 530, 531 f ; Schönle § 32 I V a. E . ; Polke S. 143.
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
ben verstoßen, wobei insbesondere an die Gesichtspunkte des fehlenden Eigeninteresses und der UnVerhältnismäßigkeit zu denken ist. 633
Die Lastschriftabrede zieht für beide Teile gewisse Nebenpflichten und Obliegenheiten nach sich. Auf Seiten des Gläubigers ist vor allem die Pflicht oder Obliegenheit zur Benachrichtigung des Schuldners über eine Einlösungsverweigerung zu nennen, die sich aus § 242 BGB und überdies auch aus dem Rechtsgedanken von § 789 S. 1 BGB ergibt (vgl. auch Engel S. 51). Steht der Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs nicht von vornherein fest, so kommt auch eine Pflicht oder Obliegenheit zur vorherigen Ankündigung in Betracht, damit der Schuldner rechtzeitig für Deckung sorgen kann; gleiches gilt, wenn der Schuldner aus einem anderen Grund möglicherweise nicht ohne weiteres auf die Vorlegung der Lastschrift vorbereitet ist wie z. B. bei Einzug von Lastschriften über höhere Beträge in Jahres- oder gar Mehrjahresabständen. Auf Seiten des Schuldners verdient vor allem die Pflicht zur Unterlassung eines rechtsmißbräuchlichen Widerrufs Hervorhebung (vgl. dazu näher unten Rdn. 638).
634
Zur Beendigung der Lastschriftabrede vgl. unten Rdn. 649 ff. 2. Die Erfüllung a) Die Folgen des Eingangsvorbehalts
635
Die Gutschrift erfolgt im Lastschriftverfahren grundsätzlich unter dem Vorbehalt des Eingangs. Demgemäß ist der Anspruch aus der Gutschrift aufschiebend bedingt durch die Einlösung der Lastschrift (vgl. oben Rdn. 570). Folglich steht auch die Erfüllung unter der aufschiebenden Bedingung der Lastschrifteinlösung 53 . Denn erst mit dem Eintritt der Bedingung erlangt der Gläubiger eine mit dem Erhalt von Bargeld vergleichbare Stellung. Dagegen sollte man nicht darüber hinaus noch auf den Erhalt von Deckung seitens der ersten Inkassostelle abheben (a. A. Erstauflage Anm. 234 und Fallscheer/Schlegel S. 30 f). Dabei handelt es sich nämlich um eine Frage des Deckungsverhältnisses zwischen der ersten Inkassostelle und der Zahlstelle bzw. einer Zwischenbank, von der die Rechtsstellung des Lastschriftgläubigers unabhängig ist (vgl. oben Rdn. 573 f) und die demgemäß auch für seine Beziehungen zum Lastschriftschuldner keine Rolle spielen darf. b) Die Folgen der Widerspruchsmöglichkeit im Einzugsermächtigungsverfahren
636
Im Einzugsermächtigungsverfahren kann der Lastschriftschuldner auch dann eine Rückgängigmachung der Einlösung durch Erhebung eines Widerspruchs herbeiführen, wenn der Lastschriftgläubiger sich im Rahmen einer wirksamen Einzugsermächtigung gehalten hat. Die Gutschrift wird dann mit ex-tunc-Wirkung hinfällig (vgl. oben Rdn. 577). Das führt vom Boden der Ermächtigungstheorie aus folgerichtig dazu, daß die Erfüllungswirkung ebenfalls rückwirkend entfällt. Sie steht mithin unter der auflösenden Bedingung einer Rückbelastung wegen Widerspruchs durch den Lastschriftschuldner 54 . Deren Eintritt hat ex-tunc-Wirkung; daß nach § 159 BGB eine Rückwirkung grundsätzlich nur auf der schuldrechtlichen Ebene Platz greift, steht nicht entgegen, weil es sich dabei nicht um zwingendes Recht handelt und die Erfüllung durch (Buch)geldzahlung nicht bedingungsfeindlich ist. Etwaige Sicherheiten leben also wieder auf. Ob der Widerspruch im Verhältnis zum Gläubiger berechtigt oder mißbräuch-
53
S o w o h l a u c h Engel
S. 52 f u n d
Bärmann/Brink
R d n . 262. 54
Ebenso
Engel
S. 5 4 ;
Falhcheer-Schlegel
( t r o t z gewisser V o r b e h a l t e b e z ü g l i c h d e r T h e o r i e d e r „realen L e i s t u n g s b e w i r k u n g " ) ; d i f f e r e n z i e r e n d , a b e r n i c h t ü b e r z e u g e n d Polke S. 147 ff.
S. 34 f
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
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V . D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner
lieh war, spielt für den Eintritt der Bedingung keine Rolle, da diese allein in der Rückbelastung besteht. Vom Boden der Genehmigungscheorie aus wird man dagegen wohl eine durch die Genehmigung aufschiebend bedingte Erfüllung annehmen müssen, da nach dieser Konstruktion ja die Belastung des Kontos des Lastschriftschuldners erst durch die Genehmigung wirksam wird (vgl. oben Rdn. 535, 544) und vorher demgemäß noch kein abgeschlossener Zahlungsvorgang vorliegt. Das hat die höchst unerfreuliche Folge, daß trotz Vorliegens einer wirksamen Einzugsermächtigung und trotz Einlösung der Lastschrift noch unbestimmt lange keine Erfüllungswirkung eintritt und daß bei Konkurseröffnung vor Genehmigung dem Konkursverwalter grundsätzlich das Wahlrecht nach § 17 K O zusteht (vgl. dazu näher unten Rdn. 661 Abs. 2 und 665). Der Schuldner hat keine allgemeine Pflicht zur Unterlassung störender Eingriffe in 6 3 7 das Lastschriftverfahren und demgemäß auch keine allgemeine Pflicht zur Unterlassung des Widerspruchs gegen berechtigterweise ausgestellte Lastschriften (a. A. Engel S. 49; Polke S. 144). Die Grundsätze, die insoweit im Scheckrecht gelten (vgl. unten Rdn. 768), lassen sich auf das Lastschriftverfahren nicht ohne weiteres übertragen. Denn während der Schuldner sich bei der Hingabe eines Schecks grundsätzlich überlegen kann und muß, ob er eine Einrede erheben oder eine Aufrechnungsmöglichkeit ausnutzen will, hat er eine solche Entscheidungsmöglichkeit bei der Lastschrifteinlösung nicht, da er an dieser nicht beteiligt ist und daher seine Interessen insoweit nur durch die Einlegung eines Widerspruchs wahren kann. Andererseits macht das Bestehen einer Einrede oder einer Aufrechnungsmöglichkeit den Lastschrifteinzug nicht unberechtigt, da der Gläubiger ja nicht weiß, ob der Schuldner von diesen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch machen will, und auch nicht deshalb bei ihm rückzufragen braucht. Der Schuldner hat daher lediglich eine Pflicht zur Unterlassung eines rechtsmiß- 6 3 8 bräuchlichen Widerspruchs. Ein Rechtsmißbrauch ist dabei im Verhältnis des Schuldners zum Gläubiger immer anzunehmen, wenn der Gläubiger die Widerspruchsmöglichkeit zweckwidrig ausübt. Eine zweckentsprechende Ausübung liegt vor allem vor, wenn sie zur Geltendmachung von Einwendungen, Einreden, Aufrechnungsmöglichkeiten und ähnlichen Gegenrechten benutzt wird 5 4 a , wobei es auf den Zeitpunkt des Widerspruchs grundsätzlich nicht ankommt (vgl. oben Rdn. 605). Ob die Einwendungen oder Gegenrechte wirklich bestehen oder nicht, spielt grundsätzlich keine Rolle, da der Schuldner ein legitimes Interesse daran hat, dem Gläubiger insoweit die Klagelast aufzubürden; anders ist freilich zu entscheiden, wenn das Nichtbestehen der Einwendung oder des Gegenrechts evident und liquid beweisbar ist. Eine zweckentsprechende Ausübung der Widerspruchsmöglichkeit ist ferner z. B. dann anzunehmen, wenn der Forderungseinzug im Verhältnis zu einem Dritten rechtswidrig ist und der Schuldner das seinem Gläubiger trotz des grundsätzlichen Verbots von Einwendungen ex iure tertii ausnahmsweise im Wege des „Einwendungsdurchgriffs kraft Rechtsmißbrauchs" gemäß § 242 BGB entgegensetzen kann (vgl. die oben Rdn. 607 behandelten 5 4a A. A. Denck Z H R 144, 184, nach dessen Ansicht „der Widerspruch als nachträgliche Vereitelung einer durch Gegenleistung wohlerworbenen Erfüllung treuwidrig i. S. von § 162 BGB ist. Dabei verkennt Denck indessen, daß gerade im Verlust derartiger Möglichkeiten eine der Hauptgefahren des Lastschriftverfahrens für den Schuldner liegt und man diese folglich nicht noch
durch eine Einschränkung des Widerspruchsrechts erhöhen darf; die Ansicht Dencks ist umso widersinniger, als er andererseits im Verhältnis zur ersten Inkassostelle den Widerspruch uneingeschränkt zulassen will, wodurch die richtige Lösung geradezu auf den Kopf gestellt wird (vgl. auch oben Fn. 47a).
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
Fälle). Darüber hinaus dürfte die Ausübung des Widerspruchsrechts sogar dann nicht ohne weiteres zweckwidrig und mißbräuchlich sein, wenn sie erfolgt, weil der Schuldner die Mittel auf seinem Konto anders einsetzen oder den Rückgriff seiner Bank auf Sicherheiten verhindern will (so auch Denck Z H R 144, 189); denn einer der Hauptnachteile des Lastschriftverfahrens liegt für ihn darin, daß er nicht mehr uneingeschränkt Herr seiner Liquiditäts- und Zahlungspolitik ist (vgl. auch oben Rdn. 605), und daher ist es nicht ohne weiteres als Verstoß gegen Treu und Glauben oder gar gegen die guten Sitten anzusehen, wenn er das Widerspruchsrecht zur Wiederherstellung seiner Entscheidungsfreiheit ausnutzt. Wohl aber liegt z. B. ein Rechtsmißbrauch und i. d. R. auch ein Verstoß gegen § 826 BGB vor, wenn der Schuldner (oder einer seiner Angestellten) nach erfolgter Zahlungseinstellung das Widerrufsrecht ausübt, um sein Debet bei der Zahlstelle zu Lasten des Gläubigers zu verringern und jene so vor dem drohenden Verlust zu bewahren (vgl. OLG Düsseldorf W M 1976 935, 937; Denck aaO S. 187 f). Evidenz und liquide Beweisbarkeit der Rechtsmißbräuchlichkeit des Widerspruchs spielen im Verhältnis von Lastschriftschuldner und -gläubiger untereinander anders als im Verhältnis zu den Banken (vgl. dazu oben Rdn. 562 ff) keine Rolle, da es hier nicht um Drittbeziehungen oder dingliche Wirkungen, sondern nur um eine obligatorische Unterlassenspflicht inter partes geht. Will der Gläubiger einen Dritten wie z. B. das Organ einer Gesellschaft wegen eines mißbräuchlichen Widerspruchs in Anspruch nehmen, so ist dies grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen von § 826 BGB möglich, wozu in subjektiver Hinsicht Schädigungsvorsatz und in objektiver Hinsicht ein nicht nur treuwidriges, sondern verwerfliches Verhalten gehören. 639
Praktische Bedeutung kann die Pflicht des Schuldners zur Unterlassung eines rechtsmißbräuchlichen Widerspruchs vor allem dadurch erlangen, daß sie u. U. im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbar ist. Eine solche kommt vor allem in Betracht, wenn der Schuldner insolvent zu werden droht und sich nun vielleicht durch Einlegung von Widersprüchen wieder ein Guthaben bei seiner Bank zu verschaffen versucht, während der Gläubiger andererseits mit seiner an sich schon bezahlten und rechtmäßig eingezogenen Forderung ausfällt. Die einstweilige Verfügung gegen den Schuldner kann dann auch gegenüber der Zahlstelle eingesetzt werden, um dieser den Rechtsmißbrauch des Schuldners liquid zu beweisen und dadurch auch in ihrer Person bei einer Durchführung des Widerspruchs die Voraussetzungen des Rechtsmißbrauchs zu begründen (vgl. dazu näher oben Rdn. 562).
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Ein unberechtigter Widerruf kann im übrigen zum ruckwirkenden Eintritt von Schuldnerverzug führen. Dadurch werden jedoch nur die allgemeinen Verzugsfolgen der §§ 286 ff BGB ausgelöst. Zusätzliche Erfordernisse bei besonderen Verzugsfolgen wie z. B. die Fristsetzung nach § 326 BGB entfallen grundsätzlich nicht, sondern müssen vom Gläubiger wie sonst auch herbeigeführt werden (a. A. wohl Sandberger JZ 1977 289); anders mag in Sonderfällen wie einem offensichtlich mutwilligen Widerspruch oder dgl. zu entscheiden sein, sofern dieser einer Erfüllungsverweigerung gleichkommt. c) Die Tragung der Verlustgefahr
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Die Verlustgefahr geht spätestens mit der Einlösung auf den Gläubiger über, da in diesem Zeitpunkt Erfüllung eintritt (vgl. oben Rdn. 635). Von jetzt an treffen also insbesondere die Folgen des Konkurses einer der beteiligten Banken oder der Beschlagnahme des Kontos von hoher Hand nicht mehr den Schuldner. Soweit sie sich bei einer Zwischenbank verwirklichen, fallen sie aber auch nicht dem Gläubiger, sondern der 340
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner
ersten Inkassostelle zur Last, da es sich insoweit um präkludierte Mängel des Dekkungsverhältnisses handelt (vgl. oben Rdn. 573 f). Erfolgt die Einlösung der Lastschrift erst nach Eröffnung des Konkurses über das 6 4 2 Vermögen der ersten Inkassostelle (vgl. dazu auch unten Rdn. 667) und fällt der Gläubiger mit seinem Anspruch aus der Gutschrift in diesem aus, so kann er vom Schuldner nicht noch einmal Zahlung verlangen 55 ; dogmatisch ergibt sich das daraus, daß eine Holschuld vorliegt, und interessenmäßig rechtfertigt es sich daraus, daß die Einschaltung der ersten Inkassostelle auf der freien Entscheidung des Gläubigers beruht. Eine Einlösung nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Zahlstelle hat dagegen keine Erfüllungswirkung mehr; dogmatisch folgt das daraus, daß die Lastschriftabrede erloschen ist und die Schuld sich folglich in eine Schickschuld zurückverwandelt hat (vgl. unten Rdn. 673), und interessenmäßig rechtfertigt es sich daraus, daß es nicht Sache des Konkursverwalters ist, das Ausfallrisiko zwischen den verschiedenen potentiell Betroffenen umzuverteilen. Das gleiche gilt für den Konkurs der Bank bei der Haus- oder Filiallastschrift, so daß auch hier eine Einlösung nach Konkurseröffnung nicht das Risiko vom Schuldner auf den Gläubiger verlagert (a. A. Polke S. 151). Bei Unterbleiben einer rechtzeitigen Lastschriftvorlegung geht die Gefahr eines 6 4 3 Konkurses der Zahlstelle im Fälligkeitszeitpunkt grundsätzlich auf den Gläubiger über, wenn nicht Unvermögen des Schuldners i. S. von § 297 BGB vorliegt. Denn dann gerät der Gläubiger in Annahmeverzug (vgl. oben Rdn. 630), so daß die Vorschrift des § 300 II BGB eingreift, die auch auf Geldschulden anzuwenden ist und auch im — hier grundsätzlich gegebenen — Falle von § 296 BGB gilt 56 ; eine „Absonderung" des für die Einlösung der Lastschrift benötigten Geldes ist nicht erforderlich, weil es hier um die Entwertung oder Blockierung des gesamten Guthabens geht und der Gläubiger bei rechtzeitiger Vorlage der Lastschrift noch aus diesem befriedigt worden wäre. Ob das Unterbleiben der Vorlegung auf einem Verschulden des Gläubigers beruht, spielt keine Rolle, da Annahmeverzug anerkanntermaßen unabhängig von Verschulden eintritt; demgemäß ist es insoweit auch ohne Belang, ob man die Zwischenbanken als Erfüllungsgehilfen des Gläubigers ansieht oder nicht. Anders wäre zu entscheiden, wenn man die Problematik mit Hilfe eines Schuldnerverzugs des Gläubigers lösen würde 5 7 ; das ist jedoch unzutreffend, weil die Regeln über den Gläubigerverzug insoweit weiter reichen und daher Vorrang haben und weil überdies ein Schuldnerverzug des Gläubigers mangels einer echten Rechtspflicht zur Vorlegung der Lastschrift grundsätzlich ohnehin nicht in Betracht kommt (vgl. oben Rdn. 630 a). Bei Nichteinlösung einer rechtzeitig vorgelegten Lastschrift verbleibt die Verlustge- 6 4 4 fahr beim Schuldner, da dann weder Erfüllung noch Annahmeverzug eintritt. Die Zahlstelle ist insoweit Erfüllungsgehilfin des Schuldners (vgl. oben Rdn. 631). d) Die Tragung der Verzögerungsgefahr und die Rechtzeitigkeit der Leistung Weil und solange die Lastschriftabrede zum Vorliegen einer Holschuld führt (vgl. 6 4 5 oben Rdn. 629), trifft die Verzögerungsgefahr den Gläubiger. Die Regeln über die Schickschuld sind nur anwendbar, wenn die Einlösung einer vorgelegten Lastschrift unterblieben ist oder die Vorlage von vornherein aussichtslos war (vgl. oben Rdn. 629). Im übrigen kann der Gläubiger den Holschuldcharakter nur durch eine Erklärung 55
Ebenso i. E. Engel S. 60; Jaeger/Henckel Komm, zur KO 9 , § 3 Rdn. 43; wohl auch FallscheerSchlegel S. 35. 56 Vgl. z . B . Urem Schuldrecht § 25 II b = S. 327 bzw. S. 326 Fn. 1.
57
So Engel S. 50 und S. 56 unter b; unzutreffend auch Fallscheer-Schlegel S. 35 f, wo § 243 II BGB herangezogen wird, obwohl es an jeder Konkretisierungshandlung des Schuldners fehlt.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
341
5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
gegenüber dem Schuldner, daß er vom Lastschriftverfahren Abstand nehme, beenden (vgl. unten Rdn. 649). 646
Solange der Gläubiger die Lastschrift nicht vorgelegt und nicht vom Lastschriftverfahren wirksam Abstand genommen hat, kann Schuldnerverzug gemäß § 285 BGB grundsätzlich nicht eintreten, weil dann Gläubigerverzug besteht; anders ist bei Leistungsunvermögen des Schuldners gemäß § 297 BGB zu entscheiden, doch trägt insoweit der Gläubiger die Beweislast (vgl. näher oben Rdn. 630). Verweigert die Zahlstelle die Einlösung, gerät der Schuldner gemäß § 278 BGB auch dann in Verzug, wenn ihn selbst kein Verschulden trifft (vgl. oben Rdn. 631). Eine Rückbelastung des Gläubigers wegen Widerspruchs des Schuldners im Einzugsermächtigungsverfahren führt gegebenenfalls zum rückwirkenden Eintritt von Schuldnerverzug (vgl. oben Rdn. 640).
647
Gewisse Sonderprobleme ergeben sich bezüglich der rechtzeitigen Zahlung von Versicherungsprämien i. S. der §§ 38 f W G (vgl. dazu eingehend Engel S. 61 ff). Was zunächst die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 39 II W G wegen Verzuges mit der Zahlung einer Folgeprämie angeht, so kommt diese bei Erteilung einer Lastschriftermächtigung grundsätzlich schon deshalb nicht in Betracht, weil sie Verzug des Versicherungsnehmers voraussetzt und dieser hier i. d. R. nicht eintreten kann (vgl. die vorige Rdn.). Darüber hinaus fehlt es aber auch schon an den Voraussetzungen für die Fristsetzung gemäß § 39 I W G (ebenso i. E. B G H Z 69 361, 366 f); denn weil und sofern der Versicherer sich im Annahmeverzug befindet (vgl. oben Rdn. 630), kann keine Rede davon sein, daß die Prämie „nicht rechtzeitig bezahlt wird". Aus dem gleichen Grunde entfallen auch das Rücktrittsrecht gemäß § 38 I und die Leistungsfreiheit gemäß § 38 II W G wegen Nichtzahlung der Erst- oder Einmalprämie, solange sich der Versicherer im Annahmeverzug befindet; das folgt insbesondere aus dem Rechtsgedanken von § 324 II BGB, da danach der Gläubiger während des Annahmeverzugs sogar die Gegenleistungsgefahr trägt und folglich auch und erst recht die Gefahr eines Eintritts des Versicherungsfalles tragen muß. Anders ist sowohl im Falle von § 39 als auch im Falle von § 38 W G nur dann zu entscheiden, wenn der Versicherungsnehmer im Fälligkeitszeitpunkt bzw. zur Zeit der mutmaßlichen Lastschriftvorlegung zur Zahlung außerstande i. S. von § 297 BGB war. Das muß grundsätzlich der Versicherer beweisen, da § 297 BGB als Einwendung des Gläubigers formuliert ist; freilich können ihm dabei u. U. die Grundsätze über den prima-facie-Beweis zu Hilfe kommen. Der Beweis ist nicht schon dann als geführt anzusehen, wenn das Konto im fraglichen Zeitpunkt keine Deckung (durch ein Guthaben oder eine Kreditzusage) aufwies (zumindest mißverständlich daher insoweit B G H Z 69 368). Hinzukommen muß vielmehr, daß der Schuldner auch nicht mehr rechtzeitig Deckung hätte anschaffen können, nachdem ihn seine Bank von der Gefahr der Einlösungsverweigerung in Kenntnis gesetzt hätte (vgl. oben Rdn. 630). Hätte der Versicherungsnehmer also von seiner Bank einen Kredit erhalten oder das Konto aus anderweitigen Mitteln rechtzeitig auffüllen können, so führt die fehlende Deckung nicht zum Wegfall des Annahmeverzugs, da dann die Voraussetzungen von § 297 BGB nicht erfüllt sind; die Substantiierungs- und Beweislast sollte man insoweit allerdings wohl dem Versicherungsnehmer auferlegen. 3. Die Rückabwicklung bei Einzug einer Nichtschuld
648
Fehlt es an einer wirksamen Forderung, so findet der Bereicherungsausgleich allein zwischen dem Bezogenen und dem Lastschrifteinreicher statt; die Ausführungen oben Rdn. 486 f gelten entsprechend. Ein Durchgriff der Zahlstelle gegen den Einreicher kommt also nicht in Betracht (vgl. auch oben Rdn. 620 und 624). 342
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VI. D i e B e e n d i g u n g des Lastschriftverfahrens
VI. Die Beendigung des Lastschriftverfahrens 1. Der Widerruf von Lastschriftabrede oder -ermächtigung und das Erlöschen des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses Das Einverständnis des Gläubigers mit dem Lastschrifteinzug ist grundsätzlich frei 6 4 9 widerruflich (vgl. auch B G H 2 69 361, 367). Das folgt ohne weiteres daraus, daß die Zahlung im Lastschriftverfahren eine besondere Handlung des Gläubigers voraussetzt und demgemäß keine Erfüllung i. S. von § 362 BGB, sondern nur eine Leistung an Erfüllungs Statt i. S. von § 364 BGB darstellt, die niemandem aufgezwungen werden kann. Auch bei der Giroüberweisung ist die freie Widerruflichkeit des Einverständnisses anerkannt (vgl. oben Rdn. 472). Die Heranziehung des Rechtsgedankens von § 671 BGB ist nicht erforderlich, aber auch nicht falsch, weil der Gläubiger zwar keine echte Rechtspflicht, immerhin aber eine Obliegenheit zu einer Tätigkeit übernommen hat. Der Widerruf bedarf, wie sich u. a. aus dem Rechtsgedanken von § 37 W G ergibt, der Erklärung gegenüber dem Schuldner (vgl. auch B G H Z 69 367). Es handelt sich um eine inhaltsändernde Gestaltungserklärung, durch die sich die Schuld von einer Holschuld in eine Schick- oder Bringschuld zurückverwandelt. Da bis zum Zugang der Widerrufserklärung der Bringschuldcharakter erhalten bleibt, bedarf es einer besonderen Anzeigepflicht analog § 789 S. 2 BGB nicht (a. A. EngelS. 51). Wohl aber trifft den Gläubiger nach dem Rechtsgedanken von §§ 671 II, 723 II BGB die Pflicht bzw. Obliegenheit, nicht erst so spät von dem Lastschrifteinzug Abstand zu nehmen, daß der Schuldner nicht mehr zu einer anderweitigen rechtzeitigen Zahlung in der Lage ist. Dem Schuldner steht grundsätzlich analog § 168 S. 2 BGB das Recht zum freien 6 5 0 Widerruf der Lastschriftermächtigung zu, womit dann zugleich die Lastschriftabrede hinfällig wird. Das Widerrufsrecht kann jedoch, wie sich ebenfalls aus der Analogie zu § 168 S. 2 BGB ergibt, ausgeschlossen werden. Generelle Bedenken hiergegen bestehen nicht 5 8 ; denn der Schuldner ist i. d. R. dadurch hinreichend geschützt, daß die Ermächtigung analog § 168 S. 1 BGB jedenfalls mit dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis — also z. B. dem Versicherungs- oder Mietvertrag — erlischt und daß der Ausschluß des Widerrufsrechts sich nur auf den freien Widerruf und nicht auch auf den Widerruf aus wichtigem Grund — z. B. wegen Mißbrauchs der Lastschriftermächtigung durch den Gläubiger — erstreckt (vgl. auch oben Rdn. 167 m. Nachw. zum entsprechenden Problem bei der Vollmacht). Ist das Widerrufsrecht nicht vertraglich eingeschränkt — was auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB anzunehmen sein kann —, so ist ein grundloser Widerruf nicht nur dinglich wirksam, sondern grundsätzlich auch obligatorisch zulässig, so daß der Lastschriftgläubiger daraus keine Rechte wegen positiver Forderungsverletzung herleiten kann. Anders mag bei einem Widerruf zur Unzeit zu entscheiden sein — also z. B., wenn der Schuldner unmittelbar nach Erhalt einer Warenlieferung die Lastschriftermächtigung widerruft, um dem Gläubiger die Gegenleistung vorzuenthalten; wird ein solcher Widerruf durch einen Stellvertreter, insbesondere ein Organ einer Gesellschaft, ausgesprochen, können in dessen Person sogar die Voraussetzungen von § 826 BGB erfüllt sein. Ein anderes Problem ist der Widerruf einer schon eingelösten Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren; dieser stellt eine Vertragsverletzung dar, sofern er mißbräuchlich ist (vgl. näher oben Rdn. 638).
58 Vgl. a u c h L G Berlin W M 1975, 530, 531 f, w o freilich s o g u t w i e alles d u r c h e i n a n d e r g e w o r f e n w i r d : f r e i e r u n d eines G r u n d e s b e d ü r f t i g e r W i d e r r u f , dingliche u n d o b l i g a t o r i s c h e A u s w i r -
k u n g e n des W i d e r r u f s , W i d e r r u f d e r E r m ä c h t i gung und Widerruf einer einzelnen Lastschrifteinlösung.
Claus-Wilhelm Canaris
343
5. A b s c h n i t t . D a s L a s t s c h r i f t v e r f a h r e n
650a
Das Erlöschen des Rechtsverhältnisses zwischen Lastschriftgläubiger und Lastschriftschuldner, also z. B. des Versicherungs- oder des Mietvertrages, führt analog § 168 S. 1 BGB zum Erlöschen der Lastschriftermächtigung, doch wird die Bank analog §§ 170, 173 BGB in ihrem guten Glauben geschützt (vgl. auch oben Rdn. 555 a. E. und 565). Auch das Erlöschen des Girovertrags zwischen dem Lastschriftschuldner und seiner Bank zieht das Erlöschen der Lastschriftermächtigung nach sich, da diese von der Rechtsstellung des Lastschriftschuldners abgeleitet ist (vgl. oben Rdn. 532) und demgemäß mit deren Wegfall gegenstandslos wird; hier kommt ein Schutz des Lastschriftgläubigers analog §§ 170 ff BGB in Betracht (vgl. dazu näher oben Rdn. 622). 2. Konkurs und Vergleich über das Vermögen des Lastschriftgläubigers a) Das Verhältnis zwischen der Gläubigerbank (ersten Inkassostelle) und dem Lastschriftgläubiger
651
Der Konkurs des Lastschriftgläubigers führt gemäß § 23 II K O ipso iure zur Beendigung des Girovertrages und der Inkassovereinbarung, so daß die Bank nur noch unter den besonderen Voraussetzungen von §§ 23 I 2 K O , 672 S. 2 BGB zu einem Inkasso verpflichtet ist (vgl. näher oben Rdn. 495 f). Ist eine Lastschrift vor Konkurseröffnung gutgeschrieben, aber erst nach Konkurseröffnung eingelöst worden, so erstarkt der bisher aufschiebend bedingte Anspruch aus der Gutschrift zum Vollrecht 5 9 ; denn der rechtsgeschäftliche Begründungstatbestand ist vor Konkurseröffnung abgeschlossen, so daß das Erlöschen des Girovertrages den Bestand des in der Gutschrift liegenden abstrakten Schuldversprechens nicht hinfällig macht. Ist freilich auch die Erteilung der Gutschrift erst nach Konkurseröffnung erfolgt — z. B. weil diese der Bank nicht bekannt war oder von ihr übersehen wurde —, kann ein Anspruch aus der Gutschrift nicht entstehen, weil es wegen des Erlöschens des Girovertrages an dem erforderlichen rechtsgeschäftlichen Entstehungstatbestand fehlt (vgl. dazu oben Rdn. 464 f); die Bank ist aber zur Gutschrift auf einem Konto pro Diverse verpflichtet, sofern die Lastschrift trotz der Konkurseröffnung noch eingelöst wird. Liegt lediglich der Zeitpunkt der Wertstellung nach Konkurseröffnung, so ist das Entstehen des Anspruchs aus der Gutschrift unproblematisch, weil dieses nicht von der — lediglich für die Zinsberechnung maßgeblichen Wertstellung abhängt (vgl. auch B G H Z 70 177, 181).
652
Bei Einreichung der Lastschrift vor Konkurseröffnung, Einlösung u n d / o d e r Gutschrift nach Konkurseröffnung kann die Frage der Konkursaufrechnung Schwierigkeiten bereiten. Unbedenklich zuzulassen ist diese, wenn die der Lastschrift zugrunde liegende Kausalforderung nach Ziff. 44 S. 4 AGB auf die Bank übergegangen ist. Dann steht der Bank nämlich an dem Gegenwert, also an der Forderung aus der Gutschrift, ein Ersatzaussonderungsrecht gemäß oder analog § 46 S. 1 K O zu, zumal die Ermächtigung des Lastschriftgläubigers zur Einziehung der Forderung spätestens mit Konkurseröffnung analog § 168 BGB (oder auf Grund ergänzender Vertragsauslegung gemäß §157 BGB) erloschen ist. H a t die Bank ausnahmsweise die Kausalforderung nicht erworben — z. B. mangels wirksamer Vereinbarung der AGB oder wegen eines Abtretungsverbotes (vgl. dazu aber auch oben Rdn. 603) — kommt eine Konkursaufrechnung jedenfalls bei Gutschrifterteilung vor Konkurseröffnung in Betracht, da dann in diesem Zeitpunkt eine 59
A n d e r s n o c h Canaris K O - F e s t s c h r . a a O ( F n . 44) S. 87 f ; entgegen d e r d o r t v e r t r e t e n e n A n s i c h t ist die P r o b l e m a t i k n i c h t b a n k r e c h t l i c h , s o n d e r n
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k o n k u r s r e c h t l i c h z u lösen — n ä m l i c h d u r c h eine d i f f e r e n z i e r e n d e A b g r e n z u n g z w i s c h e n § 54 I u n d 5 55 Ziff. 1 K O , vgl. n ä h e r in d e r f o l g e n d e n R d n .
2 . B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
V I . D i e B e e n d i g u n g des Lastschriftverfahrens
aufschiebend bedingte Forderung des Lastschriftgläubigers i. S. von § 54 I K O gegeben war und durch die Einlösung zum Vollrecht erstarkt ist (vgl. dazu die vorige Rdn.). Man sollte es bei diesem Ergebnis indessen nur dann bewenden lassen, wenn die erste Inkassostelle bei Verfahrenseröffnung bereits alles von ihrer Seite Erforderliche zur Einlösung getan, also die Lastschrift an eine Zwischenbank oder die Zahlstelle abgesandt hatte. Denn anderenfalls wird die Schuld der Bank erst durch ihr eigenes, nach Konkurseröffnung liegendes Tun begründet, so daß das Aufrechnungsverbot des § 55 Ziff. 1 K O nach Wortlaut und Zweck einschlägig ist; zwar hat § 54 I K O grundsätzlich Vorrang vor § 55 Ziff. 1 KO 6 0 , doch kann dies sinnvollerweise nicht gelten, wenn die Herbeiführung des Bedingungseintritts noch nach Konkurseröffnung in der Hand des Aufrechnenden liegt und eine Verpflichtung zu dem betreffenden Handeln nicht mehr besteht — z. B. weil wie hier der Auftrag durch die Konkurseröffnung gemäß § 23 II K O erloschen ist (vgl. oben Rdn. 651 am Anfang). Erst recht scheitert eine Aufrechnung an § 55 Ziff. 1 K O , wenn die Gutschrift erst nach Konkurseröffnung erteilt worden ist; das gilt folgerichtig auch dann, wenn man ihr entgegen der in der vorigen Rdn. vertretenen Ansicht noch forderungsbegründende Kraft zuerkennt. Auch soweit die Konkursaufrechnung zulässig ist oder die Forderung aus der Gut- 6 5 3 Schrift sogar schon vor Konkurseröffnung durch Einlösung unbedingt geworden und daher in die bei Konkurseröffnung erfolgende automatische Saldierung 61 einbezogen worden ist, kann die Bank den Vorteil ebenso wie bei der Giroüberweisung (vgl. dazu oben Rdn. 499) u. U. im Wege der Konkursanfechtung gemäß § 30 KO wieder verlieren (vgl. BGHZ 70 177, 181 ff). Die maßgebliche Rechtshandlung i. S. von $ 30 K O ist dabei im Regelfall schon in der Einreichung der Lastschrift zu sehen, weil (und sofern) die Bank durch diese nach Ziff. 44 S. 4 AGB die zugrunde liegende Forderung als Sicherheit erwirbt (unzutreffend daher insoweit BGHZ 70 181 unter 2 a). Liegt also die Einreichung vor Ausbruch der Krise i. S. von § 30 Ziff. 1 K O bzw. vor Beginn der Zehntagesfrist i. S. von § 30 Ziff. 2 KO, so hat die Bank in unanfechtbarer Weise ein Absonderungsrecht an der zugrunde liegenden Forderung und mithin auch eine unanfechtbare Verrechnungsmöglichkeit mit dem Anspruch aus der Gutschrift erlangt 62 . Ist die Lastschrift dagegen nach diesem Zeitpunkt eingereicht worden, kommt es auf den guten Glauben der Bank an, wobei für diesén wiederum der Augenblick der Einreichung und nicht erst der der Gutschrift entscheidend ist 62 . Für die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie bei der Giroüberweisung (vgl. oben Rdn. 499 Abs. 2). Soweit die Bank die Lastschrift nicht zur endgültigen Rückführung eines Debet benutzt, sondern dem Kunden die Verfügung über den Gegenwert erlaubt, ist § 30 K O nach den Grundsätzen über die „Bardeckung" überhaupt unanwendbar (vgl. B G H Z 70 184 f und 186). Anders ist die Rechtslage wiederum, wenn die Bank die Kausalforderung nicht erworben hat. Denn dann hat sie nicht bei Einreichung der Lastschrift ein Absonderungsrecht erlangt, so daß man für § 30 K O nicht auf diesen Augenblick abstellen kann. In Betracht kommt dann entweder der Zeitpunkt der Gutschrift oder der der Einlösung. Den Vorzug verdient ersterer 63 . Auch für die Konkursanfechtung ist nämlich der Grundsatz zu respektieren, daß bei bedingten Rechtslagen der rechtsgeschäftli60
Vgl. statt aller B G H Z 71, 380, 384 unter II 1 a m. w. Nachw. Vgl. dazu Schlegelberger/Hefermehl5 § 355 Rdn. 101; Capelle/Canaris Handelsrecht 1 9 , § 16 VI 2 b unter Aufgabe von Canaris Großkomm. zum HGB 3 , § 355 Anm. 113.
62 Vgl. näher Canaris KO-Festschr. a a O (Fn. 44) S. 87 i. V. m. S. 85 f; zustimmend Mentzel/Kukn/ Uhlenbruch, Komm, zur K O 9 , § 30 Rdn. 42. 63 Vgl. auch B G H Z 70, 177, 181 f, wo freilich die Kausalforderung abgetreten war und wo überdies die mögliche Maßgeblichkeit des Einlösungszeitpunkts überhaupt nicht erörtert wird.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
che Entstehungstatbestand und nicht erst der Zeitpunkt des Bedingungseintritts den Ausschlag gibt; das gilt hier um so mehr, als die Bank nach Ziff. 19 II AGB mit Gutschrifterteilung ein aufschiebend bedingtes Pfandrecht und damit ein Absonderungsrecht an dem Anspruch aus der Gutschrift erlangt, an dessen Erstarken zum Vollrecht der Ausbruch der Krise nach dem Rechtsgedanken von § 161 12 BGB nichts ändern kann. Daß im Verhältnis zum Lastschriftbezogenen noch keine Bindung eingetreten ist und daß demgemäß insoweit auch keine Konkursfestigkeit angenommen werden kann (vgl. unten Rdn. 663 Abs. 2), ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang, da es nicht um den Konkurs des Bezogenen, sondern um den des Gläubigers und die Rechte der Bank in diesem geht. Zu beachten ist freilich, daß nicht nur die Gutschrifterteilung, sondern auch die Weitersendung der Lastschrift durch die Inkassostelle vor Konkurseröffnung erfolgt sein muß, weil anderenfalls keine Verrechnungsmöglichkeit gegeben ist und die Frage der Anfechtung sich somit gar nicht stellt (vgl. die vorige Rdn. gegen Ende). 654
Bei Widerspruch des Bezogenen gegen die Belastung seines Kontos im Einzugsermächtigungsverfahren entfällt der Anspruch aus der Gutschrift wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung mit ex-tunc-Wirkung (vgl. oben Rdn. 577). Das gilt auch im Konkurs 6 4 , da Ziff. 9 S. 2 der Inkassovereinbarung insoweit eine Nachwirkung entfaltet, auch wenn der Girovertrag nach § 23 K O erloschen ist (vgl. auch oben Rdn. 453 gegen Ende und unten Rdn. 661). Die Problematik der Konkursaufrechnung stellt sich hier nicht, weil durch Ziff. 9 S. 2 nicht ein Gegenanspruch der Bank begründet wird, sondern der Anspruch aus der Gutschrift rückwirkend entfällt; es verwirklicht sich also lediglich eine inhärente Schwäche. Erfolgt der Widerspruch des Bezogenen erst nach Ablauf der Sechswochenfrist — was nur bei einer unberechtigt ausgestellten Lastschrift Rechtswirkungen haben kann (vgl. oben Rdn. 559 f) —, so ergibt sich die gleiche Rechtslage, sofern man mit der hier vertretenen Ansicht auch in einem solchen Fall Ziff. 9 der Inkassovereinbarung anwendet (vgl. oben Rdn. 578). Gewährt man der ersten Inkassostelle statt dessen nur einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung, sollte man die Konkursaufrechnung zulassen (a. A. Fallscheer-Schlegel S. 44); denn der Grund für den Anspruch ist vor Konkurseröffnung gelegt, da die den Schaden der Inkassostelle begründende Ersatzpflicht gegenüber der Zahlstelle gemäß Ziff. I 4 auf einem vor Konkurseröffnung geschlossenen Vertrag beruht, so daß bei teleologischer Gesetzesauslegung nicht § 55, sondern § 54 I K O einschlägig ist (vgl. auch unten Rdn. 856 zu einem verwandten Problem beim Scheckkartenscheck).
655
Die Rechtslage im Vergleich ist wesentlich anders, weil zum einen die Verfahrenseröffnung sowie auch der Erlaß eines Verfügungsverbots den Bestand des Girovertrags unberührt lassen und weil es zum anderen kein der Konkursanfechtung entsprechendes Institut gibt (vgl. oben Rdn. 497 und 500). Bezüglich der Aufrechnungsmöglichkeit gelten dagegen gemäß § 54 VerglO die §§ 53 ff K O entsprechend, so daß insoweit auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen ist. b) Die Rechtsstellung des Lastschriftschuldners
656
Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Lastschriftgläubigers wird die Gültigkeit der Lastschriftermächtigung grundsätzlich nicht berührt 6 5 — gleichgültig, ob es sich um eine Einzugsermächtigung oder einen Abbuchungsauftrag handelt. Denn § 23 K O ist auf den Konkurs des Beauftragten grundM Ebenso i. E. Fallscheer-SchlegelS. die Schwierigkeiten übertreibt.
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43 f, der freilich
« A. A. Fallscheer-Schlegel S. 37, wonach § 23 KO entsprechend anzuwenden sein soll.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VI. D i e Beendigung des Lastschriftverfahrens
sätzlich nicht analog anzuwenden und gilt daher erst recht nicht für die vorliegende Fallgestaltung, bei der nicht einmal ein Auftrag vorliegt (vgl. oben Rdn. 628). Anders ist analog § 168 S. 1 BGB zu entscheiden, wenn das Dauerrechtsverhältnis, zu dessen Erfüllung die Einzugsermächtigung erteilt ist, durch die Konkurseröffnung erlischt (vgl. oben Rdn. 650 a). W o das nicht der Fall ist wie z. B. gemäß § 21 K O bei der Miete, kann der Konkursverwalter weiterhin von der Lastschriftermächtigung Gebrauch machen. Der Konkurs stellt bei Ausschluß des Rechts zum freien Widerruf der Lastschriftermächtigung auch nicht ohne weiteres einen wichtigen Grund für einen Widerruf dar, weil (und sofern) die ordnungsgemäße Abwicklung des betreffenden Rechtsverhältnisses durch die Konkurseröffnung nicht in Frage gestellt wird, zumal von einem Konkursverwalter in aller Regel unberechtigte Abbuchungen nicht zu befürchten sind. Der Konkurs des Lastschriftgläubigers steht grundsätzlich dem Eintritt der Erfül- 6 5 7 lungswirkung im Valutaverhältnis nicht entgegen. Bei Einlösung der Lastschrift vor Konkurseröffnung ist das unproblematisch. Bei Einreichung vor und Einlösung nach Konkurseröffnung kommt man zum selben Ergebnis. Das folgt normalerweise schon daraus, daß die Kausalforderung nach Ziff. 44 S. 4 AGB auf die Bank übergegangen ist und also mangels Massezugehörigkeit nicht von § 8 K O erfaßt wird 66 . Es gilt aber auch bei Unterbleiben oder Unwirksamkeit der Abtretung. Denn der Anspruch aus der Gutschrift gelangt wegen der Massezugehörigkeit des Kontos notwendigerweise in die Masse, so daß der Schuldner gemäß § 8 I K O von seiner Schuld befreit wird (vgl. oben Rdn. 509 zur Giroüberweisung); daran ändert auch eine etwaige Konkursaufrechnung der ersten Inkassostelle — die bei Weiterleitung der Lastschrift vor Konkurseröffnung möglich ist (vgl. oben Rdn. 652) — grundsätzlich nichts 67 , weil mindestens für eine „logische Sekunde" ein Durchgang durch die Masse erfolgt und die Zulassung der Konkursaufrechnung nach der Interessenlage zu Lasten der Masse und nicht des Zahlenden gehen muß (vgl. näher oben Rdn. 510). Was schließlich die Einreichung der Lastschrift durch den Gemeinschuldner nach Konkurseröffnung angeht, so greift hier zwar Ziff. 44 S. 4 AGB nicht ein, doch gelangt der Anspruch aus der Gutschrift wegen der Massezugehörigkeit des Kontos wiederum zwangsläufig in die Masse, zumal hier nicht einmal eine Konkursaufrechnung in Betracht kommt; läßt die Bank den Gemeinschuldner über die Gutschrift noch verfügen, so berührt das nur das Verhältnis zwischen ihr und der Masse und nicht das zwischen dieser und dem Lastschriftschuldner. Sollte das Geld doch einmal nicht in die Masse gelangen oder folgt man insoweit der hier vertretenen Ansicht nicht, kann sich der Schuldner durch Ausübung seines Widerrufsrechts schützen, die man insoweit grundsätzlich wohl nicht als rechtsmißbräuchlich ansehen kann (vgl. auch Denck Z H R 144, 186). Bei unberechtigtem Lastschrifteinzug stellt sich die Frage, ob der Bezogene auf ein 6 5 8 etwaiges Guthaben des Gemeinschuldners bei der ersten Inkassostelle zugreifen kann. Beim Einzugsermächtigungsverfahren dürfte die Problematik allerdings nicht praktisch werden, da bei Fehlen einer wirksamen Ermächtigung oder bei Überschreitung von deren Grenzen das Konto des Bezogenen grundsätzlich auch nach Ablauf der Sechswochenfrist nicht wirksam belastet worden ist (vgl. oben Rdn. 559). Dagegen stellt sich die Frage in voller Schärfe beim Abbuchungsauftragsverfahren, weil hier der Bezogene grundsätzlich das Risiko eines Mißbrauchs der Ermächtigung trägt (vgl. oben Rdn. 541). Die Lösung liegt ebenso wie bei der unbefugten Einzahlung von fremdem 66
D a s ü b e r s i e h t Fallscbeer-Schlegel
S. 40 .
67
Claus-Wilhelm
D a s Gegenteil w i r d z u U n r e c h t bei FallscheerSchlegel S. 40 als selbstverständlich v o r a u s g e s e t z t . Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren
Bargeld auf ein Konto des nachmaligen Gemeinschuldners (vgl. dazu oben Rdn. 506) in der Gewährung eines Rechts zur Ersatzaussonderung analog § 46 S. 1 KO 68 . Daß hier nicht fremdes Bargeld eingezahlt, sondern fremdes Buchgeld eingezogen worden ist, kann keinen Unterschied machen, da die K O auf die Besonderheiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht zugeschnitten ist und daher insoweit im Wege der Rechtsfortbildung angepaßt werden muß. Erforderlich ist allerdings, daß der zu Unrecht eingezogene Betrag noch in dem Guthaben enthalten ist; dafür gelten die Ausführungen oben Rdn. 507 entsprechend. 3. Konkurs und Vergleich über das Vermögen des Lastschriftschuldners a) Die Rechtsstellung der Zahlstelle 659
Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Lastschriftschuldners führt nicht nur zur Beendigung des Girovertrags (vgl. oben Rdn. 495), sondern grundsätzlich auch zum Erlöschen der Lastschriftermächtigung und des damit verbundenen Rechts zur Belastung des Kontos mit dem Lastschriftbetrag 69 . Der entscheidende Grund liegt darin, daß das Konto massezugehörig ist und daher vom Augenblick der Konkurseröffnung an der Verfügungsmacht des Gemeinschuldners und mithin auch der davon abgeleiteten Verfügungsmacht des Lastschriftgläubigers entzogen ist. Konstruktive Probleme treten demgegenüber zurück. Insbesondere ist es gleichgültig, ob man den Abbuchungsauftrag lediglich als Generalweisung ansieht oder zusätzlich eine Abbuchungsbefugnis des Lastschriftgläubigers annimmt und ob man letztere als Ermächtigung oder Vollmacht, als gegenüber der Bank erteilt oder nur als mitgeteilt i. S. der §§ 170 ff BGB ansieht (vgl. dazu oben Rdn. 533 f). Gleichgültig ist ferner, ob man als zugrunde liegendes Rechtsverhältnis i. S. von § 168 S. 1 BGB den Girovertrag mit der Bank, einen besonderen Auftrag an den Lastschriftgläubiger (vgl. dazu oben Rdn. 628) oder eine Nebenabrede des Rechtsverhältnisses, zu dessen Erfüllung die Lastschrift dient, betrachtet. Denn auch wenn letzteres trotz der Konkurseröffnung bestehen bleibt, kann die Lastschriftermächtigung keine Wirkung gegenüber der Konkursmasse entfalten und muß daher folgerichtig erlöschen, weil sie sich auf das Konto und also auf einen massezugehörigen Gegenstand bezieht. Das gilt sogar dann, wenn die Ermächtigung unwiderruflich erteilt worden ist, da eine Unwiderruflichkeitsklausel, wie vor allem für die Vollmacht anerkannt ist 70 , keine Wirkung gegenüber dem Konkursverwalter hat.
660
Demgemäß bestimmt sich die Rechtsstellung der Bank im wesentlichen nach denselben Grundsätzen wie beim Erlöschen eines Giroüberweisungsauftrags durch Konkurseröffnung. Der Vertrauensschutz der Bank gegenüber einem Erlöschen der Lastschriftermächtigung richtet sich also nach § 23 I 2 K O i. V. m. § 674 BGB sowie nach § 8 II und III KO (vgl. näher oben Rdn. 502). Anders dürfte allerdings beim Einzugsermächtigungsverfahren vom Boden der Genehmigungstheorie aus zu entscheiden sein, da danach bis zur Genehmigung schon unabhängig von der Konkurseröffnung keine Befugnis der Zahlstelle zur Belastung des Kontos des Bezogenen besteht und da demgemäß wohl zusätzlich darauf abzustellen ist, ob der Gemeinschuldner nach Konkurseröffnung eine Genehmigung erteilt hat. Greift der Vertrauensschutz zugunsten der 68
Vgl. a u c h Fallscbeer-Scblegel S. 4 7 ff. E b e n s o i. E . Fallscbeer-Scblegel S. 3 6 ; Mentzel/ Kuhn/Uhlenbruck a a O , § 23 R d n . 5. 7 ° V g l . z. B. von Tuhr F e s t s c h r . f ü r L a b a n d , 1908, S. 67 f f ; Flume Allg. Teil des B ü r g . R e c h t s Bd. I I 3 , § 53, 6 = S. 8 8 3 ; a. A. Müller-Freienfels Die Ver69
348
t r e t u n g beim R e c h t s g e s c h ä f t , 1955, S. 331 ff. D e r Gegensatz zwischen von T u h r und MüllerFreienfels ist ein Musterbeispiel f ü r die Ü b e r l e genheit s y s t e m t r e u e r D o g m a t i k ü b e r s y s t e m f r e i e Interessenjurisprudenz.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V I . D i e B e e n d i g u n g des L a s t s c h r i f t v e r f a h r e n s
Bank nicht Platz, so steht ihr die Durchgriffskondiktion gegen den Zahlungsempfänger z u ; denn die Bank hat dann auf Grund eines Zurechenbarkeitsmangels, dem gegenüber es Vertrauensschutz nur nach Maßgabe von § 818 III B G B gibt, durch die Einlösung das V e r m ö g e n des Zahlungsempfängers unmittelbar vermehrt, so daß die Voraussetzungen eines Anspruchs wegen Bereicherung „in sonstiger Weise" i. S. von § 812 I I Fall 2 B G B erfüllt sind (vgl. näher oben Rdn. 503). Anders ist wohl auch in dieser Frage im Einzugsermächtigungsverfahren zu entscheiden, wenn man der Genehmigungstheorie folgt (vgl. oben Rdn. 627 Abs. 2). Die Widerspruchsmöglichkeit im Einzugsermächtigungsverfahren kann grundsätz- 6 6 1 lieh auch der Konkursverwalter ausnutzen. D a s ist eine Selbstverständlichkeit, sofern dem Lastschrifteinzug keine wirksame Ermächtigung zugrunde lag oder der Zahlungsempfänger sich nicht in deren Grenzen gehalten hat; denn dann liegt in dem Widerspruch lediglich die Verweigerung einer etwaigen Genehmigung bzw. die Geltendmachung des wahren, durch die Belastungsbuchung nicht veränderten Kontostandes (vgl. oben Rdn. 559). Ebenso sollte man grundsätzlich aber auch bei einem berechtigten Lastschrifteinzug entscheiden. Allerdings beruht bei einem solchen nach der Ermächtigungstheorie die Widerspruchsmöglichkeit auf dem girovertraglichen Weisungs- und Widerrufsrecht (vgl. oben Rdn. 560), so daß man annehmen könnte, dieses sei zusammen mit dem Girovertrag durch die Konkurseröffnung erloschen 7 1 . Indessen ist es nicht Sinn und Zweck von § 23 II K O , die Stellung des Konkursverwalters durch die Zerstörung von Rechten zu verschlechtern, die sich auf in der Vergangenheit liegende V o r g ä n g e beziehen und deren Entstehungstatbestand dem Grunde nach bereits vor K o n k u r s e r ö f f n u n g gelegt ist (vgl. auch oben Rdn. 654). Man sollte dem Girovertrag daher insoweit eine Nachwirkung zuerkennen und dem Konkursverwalter das Widerrufsrecht im selben U m f a n g zubilligen, wie es der Gemeinschuldner bei Konkurseröffnung hatte. N a c h der Genehmigungstheorie ist diese Rechtsfolge unproblematisch, da es danach ja auch beim berechtigten Lastschrifteinzug nicht um einen echten Widerruf, sondern lediglich um eine Genehmigungsverweigerung geht (vgl. oben Rdn. 560). Darin tritt jedoch nicht etwa ein V o r z u g der Genehmigungstheorie zu T a g e . Diese führt hier nämlich im Gegenteil zu besonders unerträglichen Folgen, weil nach ihr alle bei K o n k u r s e r ö f f n u n g noch nicht genehmigten Kontobelastungen unwirksam sind, auch wenn der Lastschrifteinzug durch die Einzugsermächtigung gedeckt war. D a ß der Gemeinschuldner im Verhältnis zum Lastschriftgläubiger zu einer Genehmigung verpflichtet war, hilft nicht weiter, weil der Lastschriftgläubiger insoweit eine rein obligatorische Rechtsstellung hat und diese gegenüber dem Konkursverwalter nicht durchsetzbar ist (vgl. im übrigen unten Rdn. 665). Eine etwaige Genehmigung des Konkursverwalters wäre wohl sogar unwirksam, weil sie die Masse zugunsten einzelner Gläubiger schädigen würde 7 2 . Sachgerecht — insbesondere mit dem mutmaßlichen Parteiwillen und den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Zahlungsverkehrs vereinbar — ist daher allein die Annahme, daß die Einlösung einer berechtigterweise ausgestellten Lastschrift bereits vor Konkurseröffnung — nämlich im Zeitpunkt der Einlösung — zu einer entsprechenden Minderung des Kontoguthabens geführt hat. N u r so läßt sich im übrigen auch der G e f a h r hinreichend begegnen, daß der Konkursverwalter die Wider71
So in der Tat Fallscheer-Schlegel S. 28; a. A. Canaris WM 1980, 363; Denck Z H R 144, 189; noch weitergehend wird der Übergang des Widerrufsrechts auf den Konkursverwalter offen-
71
bar als unproblematisch angesehen bei Mentzel/ Kuhn/Uhlenbruck aaO § 23 Rdn. 5. Vgl. dazu allgemein z. B. Jaeger/Henckel aaO § 6 Rdn. 150 ff m. Nachw.; nicht folgerichtig Buck K T S 1980, 100.
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren spruchsmöglichkeit mißbraucht, um eine Mehrung der Masse zu erreichen (vgl. dazu unten Rdn. 666). 661a
Macht der Konkursverwalter von dem Widerspruchsrecht Gebrauch, so hat die Bank grundsätzlich die Möglichkeit zur Verrechnung mit einem Debet aus der Zeit vor Konkurseröffnung (vgl. O L G Bremen Z I P 1980 358, 359). D a s ergibt sich beim Fehlen einer wirksamen Lastschriftermächtigung und bei Überschreitung von deren Grenzen schon daraus, daß der „Widerspruch" dabei nur deklaratorische Bedeutung hat bzw. als Verweigerung einer Genehmigung anzusehen ist (vgl. oben Rdn. 559). Es gilt aber auch für den Widerspruch gegen eine Lastschrifteinlösung, die auf Grund einer wirksamen Ermächtigung erfolgt ist und sich in deren Grenzen hält. § 55 Ziff. 1 K O steht nicht entgegen; zwar wirkt der Widerruf in einem solchen Falle nur ex nunc (vgl. dazu oben Rdn. 560), doch bestand der Anspruch des Lastschriftbezogenen auf die Wiedergutschrift schon vor Konkurseröffnung als aufschiebend bedingter, so daß § 54 I K O eingreift (ebenso O L G Bremen aaO). Bei der ersten Fallvariante scheidet darüber hinaus auch eine Konkursanfechtung nach § 30 K O von vornherein aus, weil es wegen der rein deklaratorischen Wirkung des „Widerspruchs" an einer anfechtbaren Rechtshandlung fehlt. Bei der zweiten Variante sollte man dagegen die Konkursanfechtung grundsätzlich zulassen. Denn bei dieser darf die Rechtslage nicht anders sein, als wäre eine Girozahlung durch Rücküberweisung rückgängig gemacht worden — und dann bestünde grundsätzlich die Möglichkeit der Konkursanfechtung (vgl. oben Rdn. 499). Daß hier ausnahmsweise der Konkursverwalter selbst die Vermögensvermehrung bei der Bank herbeigeführt hat, mag zwar auf den ersten Blick gegen die Anwendung von § 30 K O sprechen, ist aber kein wirklich durchschlagender Einwand, weil dem Konkursverwalter hier häufig nur der Weg des Widerspruchs bleibt, um die Masse vor Nachteilen zu bewahren. Auch konstruktiv bestehen keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, da als anfechtbare Rechtshandlung hier die Verrechnungserklärung der Bank anzusehen ist — mag sie nun antizipiert sein oder gar der erneuten Vornahme nach Konkurseröffnung bedürfen. Allerdings wird der Konkursverwalter angesichts der unklaren Rechtslage gut daran tun, den Zahlungsvorgang auf andere Weise als durch Widerspruch rückgängig zu machen, sofern das ohne Nachteil für die Masse möglich ist.
662
Bei Eröffnung des Vergleichsverfahrens über das Vermögen des Lastschriftschuldners gelten im wesentlichen die gleichen Grundsätze wie bei der Giroüberweisung, so daß auf die Ausführungen oben Rdn. 505 verwiesen werden kann. b) Die Rechtsstellung des Lastschriftgläubigers
663
Bei Einlösung einer Lastschrift nach Konkurseröffnung muß der Lastschriftgläubiger das Geld nach §§ 812 ff B G B wieder herausgeben — und zwar auch dann, wenn er gutgläubig bezüglich der Konkurseröffnung war und sich in den Grenzen der Lastschriftermächtigung gehalten hat. Soweit die Einlösung der Masse gegenüber unwirksam ist, steht der Kondiktionsanspruch der Zahlstelle zu (vgl. oben Rdn. 660). Soweit sie wirksam ist (vgl. dazu oben Rdn. 660), besteht ein Bereicherungsanspruch der Masse; die Ausführungen oben Rdn. 504 gelten hier entsprechend. Es tritt also keine Erfüllung des dem Lastschrifteinzug zugrunde liegenden Anspruchs mehr ein, sondern dieser ist grundsätzlich als Konkursforderung geltend zu machen. Dogmatisch erklärt sich das daraus, daß die antizipierte Tilgungsbestimmung (oder die Befugnis des Gläubigers zu deren Setzung gegenüber sich selbst) zusammen mit der Lastschriftermächtigung bei Konkurseröffnung erlischt und daß die Einlösung demgemäß nicht mehr mit Erfüllungswirkung gegenüber der Masse erfolgen kann. Konkursrechtlich ergibt sich 350
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VI. Die Beendigung des Lastschriftverfahrens das wohl nicht erst aus § 15 KO, sondern schon aus § 7 KO, da die Einlösung vom Lastschriftgläubiger mittels einer Ermächtigung des Gemeinschuldners herbeigeführt wird und daher als „Rechtshandlung, welche der Gemeinschuldner nach der Eröffnung des Verfahrens vorgenommen hat" anzusehen ist. Das gilt auch bei Gutschrifterteilung vor Konkurseröffnung. Zwar tritt bereits mit dieser aufschiebend bedingt Erfüllung ein (vgl. oben Rdn. 635), doch hat der Lastschriftgläubiger entgegen dem Grundsatz des § 161 12 BGB, der schon seinem Wortlaut nach nicht paßt, gleichwohl noch keine konkursfeste Stellung erlangt. Denn der Schuldner kann den Bedingungseintritt ohne weiteres durch ein Einlösungsverbot oder durch Nichtanschaffung von Deckung verhindern, und daher hängt die Position des Gläubigers noch vollständig vom Belieben des Schuldners ab, so daß deren Konkursfestigkeit nicht in Betracht kommt. Vertrauensschutz erhält der Gläubiger nur im Rahmen von § 818 III BGB (vgl. auch oben Rdn. 503). Aus § 23 I 2 K O i. V. m. § 674 BGB ergibt sich nichts Gegenteiliges. Das folgt vom hier vertretenen Standpunkt aus schon daraus, daß mit der Lastschriftermächtigung gar kein Auftrag an den Gläubiger verbunden ist (vgl. oben Rdn. 628). Überdies zielt § 23 I 2 K O ohnehin nur auf etwaige Aufwendungen des Beauftragten und dgl. ab, die auch im Rahmen von § 818 III BGB abzugsfähig sind, während die Wirkung eines vom Beauftragten vorgenommenen Rechtsgeschäfts gegenüber der Konkursmasse trotz § 169 BGB nach h. L. 73 von der Genehmigung des Konkursverwalters abhängt. Bei einer Einlösung vor Konkurseröffnung ist der Lastschriftgläubiger zwar bei 6 6 4 berechtigtem Einzug und Bestehen der Kausalforderung keiner Bereicherungshaftung, wohl aber u. U. der Konkursanfechtung gemäß § 30 KO ausgesetzt. Maßgebliches Ereignis ist auch insoweit die Einlösung und nicht die Gutschrift 7 4 , da für § 30 K O grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs abzustellen ist 75 und das Vorliegen einer aufschiebend bedingten Erfüllung daran aus den in Abs. 2 der vorigen Rdn. genannten Gründen nichts ändert. Kenntnis der ersten Inkassostelle von der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsantrag ist dem Gläubiger nicht nach § 166 I BGB anzurechnen; denn die Bank ist nicht Stellvertreter ihres Kunden, und für eine Analogie fehlt es insoweit an der erforderlichen Rechtsähnlichkeit, weil § 166 I BGB auf der Repräsentationstheorie beruht und der Leistungsmittler den Leistungsempfänger wegen seiner bloßen Mittlerfunktion nicht „repräsentiert". Die in den beiden vorstehenden Rdn. entwickelten Grundsätze gelten auch im Ein- 6 6 5 Zugsermächtigungsverfahren, wenn man der Ermächtigungstheorie oder der Vollmachtstheorie folgt (vgl. zu diesen oben Rdn. 532 f). Höchst befremdliche Ergebnisse dürften dagegen bei konsequenter Anwendung der Genehmigungstheorie eintreten. Nach dieser müßte nämlich folgerichtig für die Konkursanfechtung auf den Zeitpunkt der Genehmigung abgestellt werden, da erst durch diese die Belastung des Schuldnerkontos wirksam wird und der Zahlungsvorgang abgeschlossen ist. Darüber hinaus müßte bei Fehlen einer Genehmigung wohl der Erfüllungseintritt verneint werden, so daß der Konkursverwalter das unverminderte Guthaben zur Masse ziehen und den Gläubiger auf die Konkursquote verweisen kann (vgl. oben Rdn. 661 Abs. 2). Außerdem hätte der Konkursverwalter sogar das Wahlrecht nach § 17 K 0 7 5 a , da der Vertrag mangels Genehmigung bei Konkurseröffnung nicht erfüllt ist. Das Einzugsermächti75
Vgl. statt aller Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck aaO § 2 3 Rdn. 11. Vgl. dazu auch B G H Z I P 1980, 425 m. Anm. von Canaris Z I P 1980, 516 ff.
75 Vgl. s t a t t a | | e r Mentzel/Kuhn/Uhlenbmck aaO § 3 0 Rdn. 29. 75a So in der T a t offenbar Denck Z H R 144, 190 f; das erscheint zwar vom Boden der von ihm ver-
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5. Abschnitt. D a s Lastschriftverfahren
gungsverfahren ist folglich bei folgerichtiger Durchführung der Genehmigungstheorie für den Gläubiger mit unüberschaubaren Risiken hinsichtlich eines etwaigen Schuldnerkonkurses belastet und demgemäß für einen ordnungsgemäßen Zahlungsverkehr ungeeignet. 666
Vom Boden der Ermächtigungstheorie aus reduziert sich die Problematik dagegen auf die Möglichkeit eines Mißbrauchs des Widerrufsrechts durch den Konkursverwalter, falls man dieses ihm überhaupt zuerkennt (vgl. dazu oben Rdn. 661). Nennenswerte Schwierigkeiten ergeben sich hier nicht, da der Konkursverwalter das Widerrufsrecht mit denselben Beschränkungen erwirbt wie der Lastschriftschuldner und es mithin grundsätzlich auch nur zu denselben Zwecken ausüben darf 7 6 (vgl. dazu oben Rdn. 638). Bei einem Mißbrauch ist die Ausübung des Widerrufsrechts zwar i. d. R. wirksam — es sei denn, der Mißbrauch ist evident und liquid beweisbar (vgl. dazu oben Rdn. 561 f) —, doch ist der Gläubiger gleichwohl angemessen geschützt; denn sein RückZahlungsanspruch stellt eine Masseforderung nach § 59 Ziff. 1 K O oder zumindest nach § 59 Ziff. 4 K O dar, und außerdem kann er auch einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen den Konkursverwalter persönlich haben. 4. Der Zusammenbruch der ersten Inkassostelle
667
Da der Girovertrag durch Konkurs und Vergleich der Bank grundsätzlich nicht erlischt (vgl. oben Rdn. 511), ist das Erstarken des aufschiebend bedingten Anspruchs aus der Gutschrift zum Vollrecht unproblematisch, sofern die Einlösung trotz der inzwischen erfolgten Konkurseröffnung noch vorgenommen wird. Weil (und sofern) die Gutschrift bereits vor Konkurseröffnung erteilt worden ist, handelt es sich um eine bedingte Forderung i. S. von § 67 KO (ebenso Jaeger/Henckel § 3 Rdn. 43). Folglich steht dem Gläubiger die Aufrechnungsbefugnis gemäß § 54 I KO bzw. § 54 VerglO zu, falls sein Konto debitorisch ist. Bei einem aktiven Saldo erhält er nur die Konkursquote; der Schuldner braucht gleichwohl nicht noch einmal zu zahlen, da das Verlustrisiko beim Gläubiger liegt (vgl. näher oben Rdn. 642).
668
Demgemäß beeinträchtigt es die Interessen des Lastschriftschuldners insoweit nicht, daß die Wirksamkeit der Lastschriftermächtigung durch die Eröffnung des Konkurses oder Vergleichs über das Vermögen der ersten Inkassostelle nicht berührt wird (ebenso i. E. Fallscheer-SchlegelS. 38). Die Zahlstelle behält folglich das Recht zur Belastung des Schuldnerkontos und hat mithin keinen Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger, da die Einlösung der Lastschrift auf einer wirksamen Anweisung beruht; anders ist möglicherweise im Einzugsermächtigungsverfahren zu entscheiden, wenn man der Genehmigungstheorie folgt, da ein etwaiger Auftrag der Inkassostelle an die Zahlstelle nach § 23 K O erloschen ist.
669
Bei Einzug einer Nichtschuld im Abbuchungsauftragsverfahren muß und kann sich der Bezogene ebenso wie sonst aus positiver Forderungsverletzung und ungerechtfertigter Bereicherung an den Zahlungsempfänger halten.
670
Bei Fehlen einer wirksamen Einzugsermächtigung — also z. B. bei Einzug einer Nichtschuld — kann der Bezogene ohne weiteres von der Widerspruchsmöglichkeit tretenen Genehmigungstheorie aus konsequent, doch überzeugt seine wertungsmäßige Rechtfertigung dieses Ergebnisses in keiner Weise, weil die von ihm beschworenen Nachteile des LastschriftVerfahrens f ü r den Schuldner nichts mit der konkursrechtlichen Problematik und einem etwaigen Widerrufsrecht des Konkursverwalters zu tun
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76
haben (vgl. auch oben Fn. 47a). Unzutreffend daher Skrotzki KTS 1974, 138 f; ihm folgend aber offenbar Mentzel/Kuhn/Ublenbrück aaO § 23 Rdn. 5; zweifelnd Obermüller in BuB 15/94; wie im Text demgegenüber i. E. Buck KTS 1980, 100, was jedoch nicht folgerichtig ist, da Buck der Genehmigungstheorie anhängt.
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V I . D i e Beendigung des Lastschriftverfahrens
Gebrauch machen. Die Zahlstelle hat ihm dann den vollen Betrag gutzuschreiben und nicht etwa nur die Konkursquote (a. A. Jaeger/Henckel § 3 Rdn. 43); denn der Konkurs der ersten Inkassostelle ändert nichts daran, daß in einem solchen Fall die Kontobelastung unwirksam ist (vgl. oben Rdn. 559). Folgerichtig hat hier die Zahlstelle die Durchgriffskondiktion gegen den Zahlungsempfänger (vgl. oben Rdn. 626); auf Entreicherung nach § 818 III B G B wegen Entwertung seines Anspruchs aus der Gutschrift wird dieser sich i. d. R. schon nach § 819 I BGB nicht berufen können, doch kommt es darauf nicht entscheidend an, weil der Zahlungsempfänger der Zahlstelle jedenfalls in Analogie zu § 179 BGB haftet (vgl. oben Rdn. 626). Fällt die Zahlstelle sowohl mit ihrem Anspruch gegen den Zahlungsempfänger als auch mit ihrem Anspruch aus Ziff. I 4 des Lastschriftabkommens gegen die erste Inkassostelle — für den sie sich u. U. durch Aufrechnung oder aus Sicherheiten befriedigen kann, weil er dem Grunde nach vor Konkurseröffnung entstanden ist — ganz oder teilweise aus, so dürfte ihr ein Schadensersatzanspruch analog § 670 BGB gegen den Kontoinhaber zuzuerkennen sein, sofern der Gläubiger immerhin im Besitz einer wirksamen Einzugsermächtigung war und lediglich deren Grenzen überschritten hat; denn dann hat sie auf Grund der Geschäftsverbindung mit dem Kontoinhaber einen tätigkeitsspezifischen Schaden erlitten, den dieser veranlaßt hat und der daher in seinen Risikobereich fällt. Gewisse Schwierigkeiten können sich bezüglich des Widerrufsrechts im Einzugser- 6 7 1 mächtigungsverfahren bei berechtigtem Lastschrifteinzug ergeben, sofern man dieses entgegen der Genehmigungstheorie als echtes Widerrufsrecht qualifiziert und demgemäß reflexartig von der Möglichkeit einer Rückgängigmachung des Zahlungsvorgangs im Verhältnis zwischen der Zahlstelle und der ersten Inkassostelle abhängig macht (vgl. oben Rdn. 560). Zwar entfällt der Rückbuchungsanspruch aus dem Lastschriftabkommen nicht ohne weiteres durch die Konkurseröffnung, da er sich auf einen vor Konkurseröffnung eingeleiteten Zahlungsvorgang bezieht und demgemäß von 5 23 K O nicht erfaßt wird, doch ist der Anspruch möglicherweise entwertet. Steht die Zahlstelle allerdings bei der Inkassostelle im Debet, so kann sie sich für den Rückbuchungsanspruch durch Aufrechnung decken, da dieser dem Grunde nach bereits vor Konkurseröffnung entstanden ist und daher nicht unter § 55 Ziff. 1, sondern unter § 54 I K O fällt; hier ist also die Durchführung des Widerrufs ohne Schädigung der Zahlstelle möglich, so daß der Bezogene es z. B. zur Geltendmachung einer ihm gegen den Lastschriftgläubiger zustehenden Einrede oder einer Aufrechnungsmöglichkeit ausnutzen kann. Wenn die Zahlstelle dagegen von der ersten Inkassostelle nur noch die Konkursoder Vergleichsquote erlangt, sollte man gemäß § 242 B G B das Widerrufsrecht grundsätzlich ausschließen, auch wenn rein rechtlich gesehen eine Rückgängigmachung des Zahlungsvorgangs an sich noch möglich ist und die Gegenweisung des Kunden daher von der Bank nichts Unmögliches i. S. von § 306 BGB, sondern nur eine Selbstschädigung verlangt. Denn durch seine Beteiligung am Einzugsermächtigungsverfahren hat der Kunde für die Fälle eines berechtigten Lastschrifteinzugs, um die es insoweit ja allein geht, Risiken geschaffen, deren Verwirklichung er bei Insolvenz der ersten Inkassostelle nicht einfach auf Kosten seiner Bank hintanhalten darf; das gilt um so mehr, als der Kunde die Einrede oder Aufrechnungsmöglichkeit gegen seinen Gläubiger schließlich schon vor der Einlösung geltend machen und diese seiner Bank durch eine entsprechende Weisung verbieten könnte. Überdies ist der Kunde dadurch geschützt, daß die Zahlstelle ihn bei Kenntnis vom Zusammenbruch der ersten Inkassostelle vor der Einlösung warnen muß 77 . Zuzulassen wäre der Widerruf allerdings 77
A. A. Fallscheer-Schlegel S. 42 f, der jedoch (zumindest) die vorliegende Problematik übersieht. Claus-Wilhelm Canaris
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5. Abschnitt. Das Lastschriftverfahren auch bei Unkenntnis der Zahlstelle, wenn diese sich im Falle eines W i d e r r u f s unmittelbar an den Z a h l u n g s e m p f ä n g e r halten könnte, d o c h d ü r f t e ein Anspruch aus § 8 1 2 B G B regelmäßig an der A n a l o g i e zu §§ 171 ff B G B und ein Anspruch aus § 179 B G B an der — durch den W i d e r s p r u c h g e g e n die K o n t o b e l a s t u n g nicht berührten — Ermächtig u n g des Z a h l u n g s e m p f ä n g e r s scheitern. Ein W i d e r r u f , der nur den Interessen des G l ä u b i g e r s dienen und diesen v o r der Entw e r t u n g seines G u t h a b e n s bei der ersten Inkassostelle z u Lasten der Zahlstelle o d e r einer zwischengeschalteten B a n k bewahren soll, ist rechtsmißbräuchlich und braucht von der Zahlstelle nicht beachtet zu werden 7 8 ; denn d a s W i d e r r u f s r e c h t ist dem Lastschriftbezogenen lediglich z u m S c h u t z e seiner eigenen Interessen g e g e b e n . 672
Bei Nichteinlösung einer Lastschrift hat die Zahlstelle u. U . keinen Anspruch auf Wiedergutschrift g e g e n die zwischengeschaltete B u n d e s b a n k , sondern nur einen R ü c k z a h l u n g s a n s p r u c h g e g e n die erste Inkassostelle (vgl. oben R d n . 598 und unten R d n . 898). S o w e i t sie mit diesem ausfällt, kann sie einen S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h g e g e n den K o n t o i n h a b e r haben — sei es, weil dieser die E i n l ö s u n g s v e r w e i g e r u n g pflichtwidrig verursacht hat wie z. B. durch m a n g e l n d e D e c k u n g seines K o n t o s , o d e r sei es, weil die V o r a u s s e t z u n g e n einer A n a l o g i e z u § 6 7 0 B G B vorliegen (vgl. d a z u oben R d n . 6 7 0 a. E.). 5. D e r Z u s a m m e n b r u c h der Zahlstelle
673
K o n k u r s und V e r g l e i c h über das V e r m ö g e n der Zahlstelle führen grundsätzlich z u m Erlöschen der Lastschriftermächtigung und - a b r e d e (ebenso i. E. Fallscbeer-Schlegel S . 37 f). D e n n nach § 35 II Ziff. 5 K W G wird der Zahlstelle in einem solchen Fall die Erlaubnis z u m Betreiben v o n B a n k g e s c h ä f t e n e n t z o g e n , so daß die weitere Beteilig u n g an der D u r c h f ü h r u n g des bargeldlosen Zahlungsverkers nach § 54 K W G strafbar ist, soweit sie über die A b w i c k l u n g des U n t e r n e h m e n s hinausgeht. A u c h wenn ein V e r stoß g e g e n § 54 K W G nicht die Nichtigkeit des Z a h l u n g s g e s c h ä f t s z u r F o l g e hat (vgl. oben R d n . 517), sind Lastschriftermächtigung und - a b r e d e d o c h nunmehr sinn- und g e g e n s t a n d s l o s g e w o r d e n , weil sie zweifellos nicht auf ein strafbares T u n des K o n k u r s o d e r Vergleichsverwalters angelegt sind und überdies das girovertragliche W e i s u n g s recht g e m ä ß o d e r a n a l o g § 306 bzw. 275 B G B hinfällig g e w o r d e n ist. S i e erlöschen d a h e r nach den R e g e l n über die Zweckverfehlung o d e r die G e s c h ä f t s g r u n d l a g e , nach denen in einem solchen Fall nicht nur ein Rücktrittsrecht besteht, sondern ipso iure
, U n w i r k s a m k e i t eintritt 7 9 . D e m g e m ä ß entfällt die Obliegenheit des G l ä u b i g e r s , Befried i g u n g im W e g e des Lastschrifteinzugs zu suchen. D e r Schuldner muß also von sich aus f ü r die B e z a h l u n g seiner Schuld sorgen, wenn diese ohne die Lastschriftabrede eine Schick- oder g a r Bringschuld ist, d o c h g e r ä t er g e m ä ß § 2 8 5 B G B nicht in V e r z u g , s o l a n g e er o h n e sein V e r s c h u l d e n nichts v o m Z u s a m m e n b r u c h der Zahlstelle weiß. 674
Bei Lastschrifteinlösungen während der K r i s e hat der K o n k u r s v e r w a l t e r g e g e n ü b e r dem Lastschriftschuldner die Möglichkeit der K o n k u r s a n f e c h t u n g g e m ä ß § 30 K O ; die A u s f ü h r u n g e n oben R d n . 513 gelten entsprechend.
78
Vgl. auch Sandberger J Z 1977, 288; Denck Z H R 144, 186 f.
354
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Das ergibt sich u. a. aus der Analogie zu § 7 7 9 B G B ; vgl. im übrigen z. B. B G H WM 1974, 192, 194.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
6. Abschnitt Die Scheckzahlung Systematische
Übersicht Rdn.
Rdn. I. Begriff und Wesen der Scheckzahlung 1. Die systematische E i n o r d n u n g des Scheckgeschäfts 2. Die T e c h n i k der S c h e c k z a h l u n g . . 3. Die F u n k t i o n des Schecks 4. Die R e c h t s n a t u r d e r einschlägigen Rechtsgeschäfte a) Die R e c h t s n a t u r des S c h e c k v e r trages b) Die R e c h t s n a t u r d e r S c h e c k a n weisung c) Die R e c h t s n a t u r des I n k a s s o v e r trages II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks 1. Die Pflichten u n d die R e c h t e d e r Bank g e g e n ü b e r dem Aussteller a) Einlösungspflicht und N e b e n pflichten b) D a s R e c h t der Bank z u r Belastung des A u s s t e l l e r k o n t o s u n d seine R e c h t s g r u n d l a g e 2. Die E i n l ö s u n g 3. W i d e r r u f u n d S c h e c k s p e r r e 4. D a s Fehlen einer w i r k s a m e n Anweisung a) Fehlende und beschränkte Geschäftsfähigkeit b) F ä l s c h u n g und V e r f ä l s c h u n g . . c) V e r t r e t u n g o h n e V e r t r e t u n g s macht d) Willensmängel u n d das Fehlen eines w i r k s a m e n Begebungsvertrags e) Formnichtigkeil u n d Unklagbarkeit d e r K a u s a l f o r d e r u n g . . 5. Die A u s z a h l u n g an einen N i c h t b e rechtigten a) D a s E r f o r d e r n i s f o r m e l l e r u n d materieller Berechtigung des Vorlegers b) Die Rechtslage beim V e r r e c h nungsscheck 6. D e r T e x t der „ B e d i n g u n g e n f ü r den Scheckverkehr"
675 676 678
682 686 687
689
696 699 701
708 710 715
717 719
721 723 726
III. Die Rechtsverhältnisse beim Einzug des Schecks 1. D a s Rechtsverhältnis zwischen dem S c h e c k i n h a b e r und d e r b e z o g e n e n Bank a) D a s Fehlen eines allgemeinen A n s p r u c h s auf E i n l ö s u n g . . . . 727 b) E i n l ö s u n g s z u s a g e u n d S c h e c k auskunft 730 c) S c h u t z p f l i c h t e n z u g u n s t e n des Scheckinhabers 735 d) Die B e r e i c h e r u n g s h a f t u n g des Einreichers g e g e n ü b e r d e r einlösenden Bank 736 2. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n dem E i n r e i c h e r und seiner B a n k a) D e r maßgebliche V e r t r a g s t y p u s 740 b) Die Pflichten d e r B a n k 741 c) Die G u t s c h r i f t u n d ihre Folgen . 744 d) Die w e r t p a p i e r r e c h t l i c h e H a f t u n g des Einreichers 748 3. D a s Rechtsverhältnis zwischen d e r I n k a s s o b a n k und dem Aussteller bzw. sonstigen Scheckschuldnern sowie Dritten a) D e r E r w e r b d e r R e c h t e am u n d aus dem Scheck d u r c h die Inkassobank 750 b) Die P r o b l e m a t i k des E i n w e n dungsausschlusses 752 c) D e r E r w e r b d e r K a u s a l f o r d e r u n g d u r c h die I n k a s s o b a n k . . 755 d) S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e des Ausstellers gegen die I n k a s s o bank 756 e) Die Rechtsstellung von Eigentumsvorbehaltslieferanten . . . . 757a 4. Die Rechtsverhältnisse zwischen den Banken a) Die einschlägigen R e c h t s - und Anspruchsgrundlagen 758 b) D e r T e x t des A b k o m m e n s über die R ü c k g a b e nicht eingelöster Schecks und die B e h a n d l u n g von E r s a t z s t ü c k e n v e r l o r e n g e g a n g e n e r Schecks im S c h e c k e i n zugsverkehr 760
Claus-Wilhelm Canaris
355
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung Rdn.
Rdn. IV. Das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner (Valutaverhältnis) 1. Die Abrede über die Scheckzahlung a) Das Erfordernis eines Einverständnisses des Gläubigers . . . b) Die Pflichten und Obliegenheiten des Nehmers c) Die Pflichten des Gebers . . . . 2. Das Schicksal der Kausalforderung und die Erfüllung a) Einwendungen und Einreden gegen die Kausalforderung . . . b) Der Eintritt der Erfüllungswirkung c) Die Tragung der Verlust- und der Verschlechterungsgefahr . . d) Die Tragung der Verzögerungsgefahr und die Rechtzeitigkeit der Leistung 3. Die Rückabwicklung bei Erfüllung einer Nichtschuld und bei sonstigen Fehlüberweisungen V. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem wahren Berechtigten bei abhanden gekommenen Schecks 1. Die Anspruchsgrundlagen a) Ansprüche aus dem EigentümerBesitzer-Verhältnis b) Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung c) Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung d) Ansprüche aus Art. 39 V ScheckG 2. Die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 990 BGB im einzelnen a) Die Problematik des Schadens . b) Die für den bösen Glauben maßgeblichen Personen c) Die den bösen Glauben begründenden Umstände d) Die Auswirkungen von Rationalisierungsmaßnahmen e) Mitverschulden des Geschädigten VI. Die Beendigung des Scheckgeschäfts 1. Aufhebung und Kündigung des Scheckvertrages 2. Tod und Eintritt der Geschäftsunfähigkeit
3.
761 763 767
769 771 775
779
783
784 785 787 790
792 797 801 810 814
816 817
Alphabetische Abrechnungsverkehr 690, 699 Abtretungsverbot, kontokorrentrechtliches 793 Akzeptverbot 727, 830 Allgemeine Geschäftsbedingungen Abtretung der Kausalforderung 755
356
Konkurs und Vergleich über das Vermögen des Ausstellers 4. Konkurs und Vergleich über das Vermögen des Scheckinhabers . . . 5. Der Zusammenbruch der Bank . . . VII. Die Scheckkarte 1. Funktion und Rechtsnatur a) Die Einlösungspflicht der bezogenen Bank b) Die Konstruktion des Abschlußtatbestandes c) Der einschlägige Vertragstypus . 2. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem ersten Schecknehmer a) Mängel des Kausalverhältnisses . b) Mängel des Begebungsvertrages c) Mängel der Vollmacht und des Garantieversprechens d) Fälschung und Verfälschung von Scheckkarte und/oder Scheck e) Konkurs des Ausstellers 3. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und einem späteren Schecknehmer 4. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller 5. Der Text der „Bedingungen für eurocheque-Karten" VIII. Der Reisescheck 1. Funktion und Rechtsnatur des Reiseschecks 2. Die bankrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten beim DMReisescheck 3. Die Übertragung des DM-Reiseschecks 4. Abhandenkommen und Fälschung des DM-Reiseschecks a) Die Problematik des gutgläubigen Erwerbs b) Die Einlösung eines abhanden gekommenen Reiseschecks durch die Emissionsbank oder eine ihrer Filialen c) Die Einlösung eines abhanden gekommenen Reiseschecks durch eine Korrespondenzbank d) Die Einlösung eines abhanden gekommenen Reiseschecks durch eine dritte Bank
Übersicht Geschäftsfähigkeit 708 Pfandrecht 734, 747, 750 Stornorecht 700, 747 Anderkonto 697 Angestellte
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
818 821 826
829 831 834
835 837 842
846 850
852 854 857
858
860 863
864
867
872
876
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung des Ausstellers 803 des Zahlungsempfängers 802 Annahmeverbot 678 Auskunftsanspruch des Einreichers 744 Auskunftshaftung 734
Scheckkarte 846 ff Scheckkartenscheck 833, 846 ff falsus procurator 715 f, 842 Finanzamt 806 Freizeichnung 697, 711, 734, 742
Bankgeheimnis 802 Barauszahlung 676, 699, 713 an Nichtberechtigten 725 nicht bezogene Filiale 713 Barzahlungsverbot 724, 790 f, 807 f Begebungsvertrag 7 0 9 , 718, 720, 775, 7 9 6 , 836 ff Belastung des Ausstellerkontos 696 ff, 700 Benachrichtigungspflicht Einlösungsverweigerung 693, 7 5 8 , 764 Schecksperre 7 0 6 Bereicherungsansprüche abhandengekommener Scheck 785 f bezogene Bank gegen Inkassobank 759 falsche Übermittlung 776 Inkassobank gegen Scheckeinreicher 747 Konkurs des Ausstellers 818 f Mißachtung der Schecksperre 705 Reisescheck 874 ff Scheckinhaber gegen bezogene Bank 728 unwirksames Valutaverhältnis 7 8 3 , 794 Börsentermingeschäft 771
736 f,
Computerfehler 690 Datenverarbeitung, elektronische 677, 690, 774, 813 Diskontvertrag 681, 740 Doppelzahlung 707 Drittschadensliquidation 796 Eigentümer-Besitzer-Verhältnis 7 7 5 , 784 ff Besitzdiener 797 ff böser Glaube 793, 797 ff Herausgabeanspruch 784 Konkurrenzen 788 Mitverschulden 894 Rationalisierungsmaßnahmen 810 ff Schaden 792 ff Schadensersatzanspruch 784 Eigentumsvorbehalt, verlängerter 7 5 7 a f Eingangsvorbehalt 744 Einlösung 676, 6 8 9 f, 697, 699 ff, 727 ff, 771 vorläufige 745 Einlösungsbestätigung 733 Einlösungspflicht 819, 829 f Einlösungsverweigerung 677, 689 f, 712, 743 Einlösungszusage 730 f Einreicherliste 811 Einwendungsausschluß 747, 752 ff Erfüllungsgehilfe 742 eurocheque s. Scheckkartenscheck Fälschung durch Angestellte 714 des Schecks 677, 697, 710 ff, 7 3 7 , 825
Garantievertrag 730, 834 Gehaltskonto 811 Geschäftsfähigkeit 708 f, 736, 800, 805, 812, 817, 839 f Gewerbetreibende, selbständige 803 Gutschrift 744 ff, 771 Anspruch auf 742 aufschiebend bedingte 744, 771 Handelsvertreter 803 Identitätsprüfung 804, 864 Inflation 779 Inkassoauftrag 681, 687 f, 740 und Girovertrag 688 Konkurs des Scheckinhabers 824 Inkassostempel 809 Kausalforderung s. a. Valutaverhältnis Einrede der Scheckhingabe 770, 775, 793 Einwendungen 769 f Erlöschen gem. § 407 B G B 774 bei Indossament 772 Konkurs des Ausstellers 736, 767, 818 ff, 850 f, 856 der bezogenen Bank 777, 826 des Einreichers 757 der Inkassobank 751, 777, 827 des Scheckinhabers 821 ff Konkursanfechtung 819, 822 a. E . , 824 Konkursaufrechnung 824 K o n t o pro Diverse 802 Kontoeröffnung Pflichtwidrigkeiten 800, 804, 807 zur Scheckeinlösung 807 Zeitpunkt 812 Kontokorrent 7 4 7 Kontopfändung 835 Kreditgewährung 676, 686, 6 9 7 , 746 Massengeschäft 712 Mißbrauch der Vertretungsmacht 835 Naturalobligation 771, 795, 841 Nichtberechtigter Auszahlung an 721 f, 725, 738, 854 Gutschrift zugunsten 723 f Nichteinlösungsvermerk 706, 743, 782 Organisationsmangel 7 5 6 a. E., 800, 810 ff positive Forderungsverletzung abhandengekommener S c h e c k 787 ff der bezogenen Bank 695, 709, 711, 721 der Inkassobank 756 Reisescheck 871, 877
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung Schaden 792 ff des Scheckgebers 768 des Schecknehmers 763, 775 Präjudizierung 778 Prolongation eines Wechsels durch S c h e c k 756 Prüfungspflicht der bezogenen Bank 711 ff, 798, 801 f der einlösenden Bank 801 ff Verdachtsmomente 801 ff Rationalisierung 810 ff Rechtsfähigkeit der Bank, Erlöschen 817 Rechtsmißbrauchseinwand 768, 800, 835 f Rechtsscheinhaftung bei Fälschung 710, 833 Reisescheck 858 ff abhandengekommener 864 ff Drittbank 876 einlösende Bank 861 f gutgläubiger Erwerb 864 ff Haftung der ausgebenden Bank 860 Korrespondenzbank 872 f ohne Unterschrift 865 Rechtsnatur 858 f Übertragung 863 Verlustmitteilung 869 vorzeitig unterschriebener 866 Rückfragepflicht der bezogenen Bank 690 f, 697 der einlösenden Bank 802 Rückgriff 696, 820, 837 Schalterangestellte, Verantwortung 811 f Scheck abhandengekommener 718, 7 7 5 , 784 ff bestätigter 819 präjudizierter 778 Prolongations- 7 5 6 ungedeckter 697, 712, 729, 731, 748, 7 5 0 , 764 Vernichtung 770 veruntreuter 7 5 7 , 775, 787, 802, 825 vordatierter 781 Scheckanweisung 686, 736 Fehlen 707 ff Scheckauskunft 734 Scheckbedingungen, T e x t 7 2 6 Scheckbestätigung 732 Scheckeinzug 727 ff belegloser 677 Rechtserwerb der Inkassobank 750 f Treuhand 750 f zwischenbetrieblicher 759, 777, 792 Scheckinhaber formelle Berechtigung 721 materielle Berechtigung 722 Scheckkartenbedingungen, T e x t 857 Scheckkartenscheck 819, 829 f Abhandenkommen 847 abstraktes Schuldversprechen 834 Botentheorie 831 ff Deckungsverhältnis 835, 854 ff Einlösungsvoraussetzungen 843
358
Garantievertrag 834, 843, 845, 852 Kartenvorlage 844 Kraftloserklärung der Scheckkarte 849 zu Kreditzwecken 835 spätere Nehmer 852 f Valutaverhältnis 836, 841 Vertrag zugunsten Dritter 832 f Vertretungstheorie 831 ff Vordatierung 843 Scheckkartenvertrag Abschluß 831 ff Beendigung 842 unwirksamer 848 Scheckprotest 676, 689 ff, 743 unberechtigter 765 f Scheckrecht, internes 675 Scheckrückgabe 676, 743, 758 f verspätete 699, 735 Scheckrückgabeabkommen 760 Schecksperre 694, 702 ff, 774, 782 Mißachtung 705 Scheckkartenscheck 834 f Unterlassungspflicht 768 Vertretungsmacht 704 Scheckvertrag 681 ff, 698 Aufhebung 816 Beendigung 816 ff und Darlehensvertrag 683 und Girovertrag 684 und Kontokorrent 685, 696 Kündigung 816 Nebenabreden 703 Nebenpflichten 689 ff und Verwahrungsvertrag 683 Scheckvordruck 684, 689 Scheckzahlung Einverständnis des Schuldners 761 f Funktion 678 ff Technik 676 f Schenkung 719 f, 771, 795, 841 Schutzwirkung zugunsten Dritter 7 5 7 f Selbstkontrahieren 716 Sittenwidrige Schädigung 695, 728, 7 5 6 Sperrzusage 732 Teilzahlung 691 T o d des Kunden 817 Überziehungsprovision 746 Unterschrift 712, 736 Valutaverhältnis 692, 712, 761 ff s. a. Kausalforderung Erfüllung 771 ff formnichtiges 719 f, 771, 794, 841 Holschuld 764 Pflichten des Scheckgebers 767 f Pflichten des Schecknehmers 763 ff unklagbares 719 f unwirksames 768, 7 8 3 , 794, 836 Verlustgefahr 775 ff Verzögerungsgefahr 779 ff Zurückbehaltungsrecht 768
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung V e r g l e i c h s. K o n k u r s verlängerter Eigentumsvorbehalt 757a f V e r r e c h n u n g s s c h e c k 676, 6 9 9 , 723 f, 781, 807 V e r t r a u e n s h a f t u n g 729, 734 V e r w e n d u n g s z w e c k 712 Verzug des G l ä u b i g e r s 764, 777 des S c h u l d n e r s 780 V o l l i n d o s s a m e n t 748 f, 750 V o r l e g u n g s f r i s t 692, 701 f, 768, 843 V o r t e i l s a u s g l e i c h u n g 756 a. E .
W a r n v e r m e r k 802, 805 W e c h s e l k u r s ä n d e r u n g 779 W e i t e r l e i t u n g s p f l i c h t d e r e i n l ö s e n d e n B a n k 741, 743 Wertpapierrechtliche H a f t u n g des E i n r e i c h e r s 748 f W e r t s t e l l u n g 746 Widerruf des I n k a s s o a u f t r a g s 754 des R e i s e s c h e c k s 870 des S c h e c k s 701 ff, 739, 774 W i l l e n s m ä n g e l 717 f, 738
W ä h r u n g s r e f o r m 762 Warnpflicht d e r I n k a s s o b a n k 757
Z a h l u n g s e i n s t e l l u n g s. K o n k u r s Z i n s e n 746
Literatur Baumbach/Hefermehl Wechselgesetz und Scheckgesetz, 13. Aufl. 1981; Bezler Rechtsfragen der Scheckkarte, Diss. Frankfurt 1972; Breit Die Grundlagen des internen Scheckrechts, Z H R 64, 445 ff; Capeller Scheckverkehr minderjähriger Lohnkonteninhaber? BB 1961, 682 f; Canaris Der Bereicherungsausgleich im bargeldlosen Zahlungsverkehr, W M 1980, 354 ff; Düringer/Hachenburg/Breit Komm, zum H G B , 3. Aufl. 1932, Anhang I zu §§ 363—365; von Godin Über das Scheckinkasso, N J W 1958, 856 ff; Göcking Sorgfaltspflichten und H a f t u n g der Bank im Scheckverkehr, Diss. München 1965; Herold/Lippisch Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1962, S. 38 ff; Hueck/Canaris Recht der Wertpapiere, 11. Aufl. 1977; Isele Geldschuld und bargeldloser Zahlungsverkehr, AcP 129, 129 ff (153 ff); Jacobi Wechsel- und Scheckrecht, 1955; Klein Michael, Das Scheckinkasso, Diss. Heidelberg 1974; derselbe Die Stellung der Inkassobank im Scheckeinzugsverkehr, W M 1975, 374 ff; Koch Arwed, Banken und Bankgeschäfte, 1931, S. 235 ff; Lambeck Verkehrserforderliche Sorgfalt und Organisationsverschulden der Banken im Umgang mit Verrechnungsschecks, Diss. Köln 1970; Lang Das Orderscheckabkommen, o. J. (1967); Liesecke Neuere Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofes, zum Einheitlichen Wechsel- und Scheckrecht, W M 1969, 1366 ff; Meyer-Cording Das Recht der Banküberweisung, 1951, S. 81 ff; Müller-Erzbach Handelsrecht, 2./3. Aufl. 1928, S. 525 ff; Obermüller Die Bank im Konkurs ihres Kunden, 1972, S. 71 ff; Ohm Der Scheck im Konkurse, W M 1960, 310 f; Pflug Schecksperre und Handelsbrauch, Z H R 135, 1 ff; Polke Der Zahlungsverkehr der Banken im In- und mit dem Ausland, Diss. H a m b u r g 1978, S. 160 ff; Prost Der bestätigte Scheck der Deutschen Bundesbank, N J W 1959, 1959 ff; ders. Spielarten und Rechtsfragen des Scheckinkassos, N J W 1969, 1233 ff und 2041; Rehfeldt/Zollner Wertpapierrecht, 12. Aufl. 1978, § 2 6 ; Reinhardt Die H a f t u n g der Bank bei Hereinnahme von Inhaberschecks von Nichtberechtigten, Gedächtnisschrift f ü r Rudolf Schmidt, 1966, S. 115 ff; Rieder Scheckbestätigung und Scheckeinlösung, W M 1979, 686 ff; Scheerer Bankgeschäfte des Minderjährigen, BB 1971, 981 ff; Schoele Das Recht der Überweisung, 1937; Schoene Die Rechte des Scheckinhabers gegen den Bezogenen nach französischem und deutschem Recht und ihre Bedeutung für die Zahlungsmittelfunktion des Schecks, Diss. Mainz 1975; Schönle Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, §§ 8 VI und 15; Schütz Die Fortbildung des Scheckrechts durch die Praxis, N J W 1968, 721 ff; Steuer Neuerungen bei der Scheck- und Wechselrückgabe, Die Bank 1978, 497 f f ; Tietmann Nochmals: Spielarten und Rechtsfragen des Scheckinkassos, N J W 1969, 2040 f; Ulmer Das Recht der Wertpapiere, 1938, S. 308 ff; H. P. Westermann Die Bedeutung der Güterstände und der beschränkten Geschäftsfähigkeit f ü r die Bankgeschäfte, FamRZ 1967, 645 ff; Woeste Einreichung unterschlagener Schecks durch einen ungetreuen Angestellten zur Gutschrift auf seinem Bankkonto, N J W 1960, 131 ff; von Wrede Das beleglose Scheckinkasso, 1977; Wolff Eberhard, Zahlungsabkommen im Kreditgewerbe, Festschr. f ü r Bärmann, 1975, S. 1057 ff; Zähmt Die Sicherheit der Scheckeinlösung, 1971.
Claus-Wilhelm Canaris
359
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
I. Begriff und Wesen der Scheckzahlung 1. Die systematische Einordnung des Scheckgeschäfts 675
Der Scheck ist ein Wertpapier. Als solcher ist er nicht Gegenstand der vorliegenden Kommentierung, da das Wertpapierrecht eine eigenständige Materie und kein Teil des Bankrechts ist. Den (abstrakten) wertpapierrechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien liegen jedoch kausale Rechtsverhältnisse zugrunde. Dieses kausale Scheckrecht, das häufig auch als internes Scheckrecht bezeichnet wird 1 , ist (zumindest teilweise) in das Bankrecht einzuordnen; denn der Scheck darf nach Art. 3 ScheckG nur auf einen Bankier gezogen werden, mit dem eine Vereinbarung besteht, die dem Aussteller die Verfügung über sein Guthaben mittels Scheck erlaubt, und überdies erfolgt auch die Einziehung eines Schecks durch seinen Inhaber i. d. R. unter Zwischenschaltung einer Bank.
676
In ihrer banktechnischen Abwicklung ähnelt die Scheckzahlung stark dem Lastschrifteinzug. Mit diesem hat sie gemeinsam, daß der Einzugsvorgang vom Zahlungsempfänger in Gang gebracht wird. Sofern es sich nicht um einen Verrechnungsscheck handelt, kann der Inhaber des Schecks bei rechtzeitiger Vorlage i. d. R. Barzahlung von der bezogenen Bank erlangen. Findet eine solche nicht statt, erhält er nach Einreichung des Schecks bei seiner Bank eine Gutschrift unter Vorbehalt des Eingangs mit Wertstellung zu einem Tag, der ungefähr dem mutmaßlichen Einlösungstermin zu entsprechen pflegt. H a t der Aussteller sein Konto bei derselben Bank wie der Einreicher, so erfolgt die Einlösung durch dessen Belastung. Anderenfalls muß eine andere Bank — meist eine Landeszentralbank als Filiale der Deutschen Bundesbank — zwischengeschaltet werden, um den Scheck bei der bezogenen Stelle vorzulegen und den Gegenwert über Girokonto gutzubringen. Der Aussteller wird von der Einlösung in der üblichen Weise, also z. B. durch Zusendung eines Kontoauszugs mit der Belastungsbuchung, unterrichtet, während die Inkassobank und der Einreicher keine Nachricht erhalten. Wird der Scheck nicht eingelöst, wird er mit Vorlegungsvermerk bzw. Protest versehen zurückgesandt; die Einzelheiten sind im Scheckriickgabeabkommen geregelt (abgedruckt unten Rdn. 760).
677
Auch im Scheckverkehr beginnen sich Tendenzen durchzusetzen, im Interesse einer Erleichterung der elektronischen Datenverarbeitung zu einem beleglosen Scheckeinzug zu gelangen 2 . Dieses Verfahren funktioniert reibungslos, sofern der Scheck ordnungsgemäß ausgestellt ist und eingelöst wird. Bei gefälschten Schecks und im Falle der Einlösungsverweigerung ergeben sich dagegen gewisse Schwierigkeiten, weil die bezogene Bank mangels Vorlage die Fälschung nicht erkennen kann bzw. weil der Rückgriff nach Art. 40 ScheckG die Vorlegung des Schecks voraussetzt. Dogmatisch handelt es sich hier um eine Parallele zur „Entstückung" im Effektenwesen 3 , doch geht der daraus folgende Funktionsverlust des Wertpapiers 3 hier nicht so weit wie dort, weil er sich auf die Einlösung beschränkt und z. B. nicht auch die Übertragung erfaßt.
2. Die Technik der Scheckzahlung
3. Die Funktion des Schecks 678
Der Scheck hat, soweit die Bank betroffen ist, nicht die Funktion der Kreditgewährung 4 . Gesetzlich ist das vor allem durch das Annahmeverbot des Art. 4 ScheckG 1
2
Vgl. z. B. Breit Z H R 64, 445 ff und bei Düringer/ Hachenburg Anh. I zu §5 3 6 3 - 3 6 5 Anm. 3; Meyer-Cording S. 82. Vgl. dazu von Wrede Das beleglose Scheckinkasso, 1977.
360
3
4
Vgl. dazu näher Zöllner Festschr. für Raiser, 1974, S. 249 f f ; Hueck/Canaris § 1 III. Vgl. dazu eingehend Zähmt Die Sicherheit der Scheckeinlösung, 1971; ferner z . B . Baumbach/ Hefermehl Einl. zum SchG R d n . 27.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und W e s e n der Scheckzahlung
gewährleistet. Im Verhältnis zwischen Aussteller und Schecknehmer kann der Scheck dagegen zu einer gewissen Kreditgewährung führen, sofern der Schecknehmer den Scheck erst bei Fälligwerden der zugrunde liegenden kausalen Forderung oder unmittelbar vor diesem Termin entgegennimmt, da die Hingabe des Schecks nach § 364 II BGB im Zweifel keine Erfüllungswirkung hat (vgl. unten Rdn. 769) und der Schecknehmer auch nach dessen Präsentation bei der Bank i. d. R. nicht sofort über den Scheckbetrag verfügen kann (vgl. unten Rdn. 746). Auch im Verhältnis von Aussteller und Schecknehmer setzt aber die Vorschrift des Art. 28 1 ScheckG, wonach jeder Scheck bei Sicht fällig ist, einer Kreditierung enge Grenzen. Man sollte daher den Scheck nicht als „Kreditpapier" bezeichnen. Die Funktion des Schecks liegt vielmehr darin, Mittel des bargeldlosen Zahlungsver- 6 7 9 kehrs zu sein 5 . Es besteht daher eine enge Verwandtschaft mit dem Girovertragsrecht. Zu weitgehend ist es jedoch, das interne Scheckrecht einfach als Teil des Girovertragsrechts anzusehen 6 . Denn der Scheckvertrag ist mit dem Girovertrag nicht identisch (vgl. unten Rdn. 684); auch liegt funktionell gesehen ein erheblicher Unterschied darin, daß der Scheck wenigstens näherungsweise Zug-um-Zug-Geschäfte ermöglicht (z. B. Warenaushändigung gegen Scheckhingabe). Wegen der engen Verwandtschaft ist aber weitgehend die analoge Anwendung der Regeln des Girovertragsrechts möglich. Die folgende Kommentierung beschränkt sich daher auf die Darstellung der Grundzüge des internen Scheckrechts sowie dessen Besonderheiten gegenüber dem Girovertragsrecht und begnügt sich im übrigen meist mit Verweisungen auf die ausführliche Behandlung der Parallelprobleme im Girovertragsrecht. Der Scheck verkörpert kein Buchgeld7. Er gibt vielmehr — ebenso wie im Girover- 6 8 0 tragsrecht der dem Scheck entsprechende Uberweisungsauftrag — nur die Möglichkeit, über Buchgeld zu verfügen. 4. Die Rechtsnatur der einschlägigen Rechtsgeschäfte Die Bank kann im Rahmen des Scheckgeschäfts in verschiedener Weise tätig wer- 681 den: einmal als Bezogene und zum anderen als Einziehende. Dementsprechend sind der Scheckvertrag zwischen der Bank und dem Aussteller des Schecks und der Inkassovertrag zwischen der Bank und dem Einreicher des Schecks zu unterscheiden. Daneben kann u. U. auch ein Diskontvertrag in Betracht kommen; er ist jedoch beim Scheck anders als beim Wechsel äußerst selten, so daß auf ihn hier nicht näher eingegangen, sondern statt dessen auf die Regeln über den Wechseldiskont verwiesen wird (vgl. dazu unten Rdn. 1522 ff). a) Die Rechtsnatur des Scheckvertrages Durch den Scheckvertrag verpflichtet sich die Bank gegenüber ihrem Kunden, von 6 8 2 diesem auf sie gezogene Schecks einzulösen, sofern ein entsprechendes Guthaben bzw. eine entsprechende Kreditlinie vorhanden ist und der Kunde die sonstigen Bedingungen der Bank beachtet, insbesondere die vorgeschriebenen Scheckformulare verwendet hat. Es handelt sich daher um einen Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. von § 675 BGB 8 . 5
6
Vgl. z. B. Isele AcP 129, 153 f; Baumbach/Hefermehl Einl. zum SchG Rdn. 27. So aber Breit Z H R 64, 445 ff und bei Düringer/ Hachenburg Anh. I zu §§ 363 — 365 Anm. 3 in Widerspruch zu der besseren Qualifikation aaO Anh. II Anm. 4; wie Breit auch Meyer-Cording S. 82.
7
8
So auch Baumbach/Hefermehl Einl. zum SchG Rdn. 27. H . L., vgl. z. B. Baumbach/Hefermehl Art. 3 SchG Rdn. 3; Schönte § 8 VI 2; zurückhaltend Jacobi S. 402 mit Fn. 5.
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
Im Gegensatz zum Girovertrag, der als gemischttypischer Vertrag zu qualifizieren ist (vgl. oben Rdn. 315), stellt der Scheckvertrag entgegen der h. L.9 einen Werkvertrag i. S. der §§ 675, 631 ff BGB dar; denn die Bank verspricht nicht nur die Zurverfügungstellung ihrer Dienste, sondern einen bestimmten Erfolg, nämlich die Einlösung des Schecks (bei Vorliegen der vertraglichen Voraussetzungen, also insbesondere eines entsprechenden Guthabens). Ebenso wie der Girovertrag und aus denselben Gründen wie dieser (vgl. oben Rdn. 317) ist der Scheckvertrag ein entgeltlicher und daher auch ein gegenseitiger Vertrag 1 0 . 683
Der Scheckvertrag ist i. d. R. zeitlich nicht begrenzt und erstreckt sich auf eine im voraus nicht abschließend festgelegte Zahl von Scheckeinlösungen. Er stellt daher grundsätzlich ein Dauerschuldverhältnis dar. Rechtlich und praktisch möglich ist jedoch auch der Abschluß eines Scheckvertrages zur Durchführung einer einzigen Scheckziehung oder einiger weniger, im voraus genau festgelegter. Auch ein solcher Einzelscheckvertrag unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Regeln über den Scheckvertrag.
684
Der Scheckvertrag ist regelmäßig mit einer Reihe anderer Verträge verbunden. So ist zunächst das Vorliegen eines (uneigentlichen) Verwahrungsvertrages oder eines Darlehensvertrages erforderlich, um das notwendige Guthaben zu schaffen. Weiterhin ist der Scheckvertrag typischerweise mit einem Girovertrag verknüpft. Er ist mit diesem jedoch nicht identisch 11 . Das folgt schon daraus, daß der Girovertrag ein gemischttypischer Vertrag, der Scheckvertrag dagegen ein Werkvertrag ist. Es ergibt sich weiterhin aber auch daraus, daß der Kunde nicht ohne weiteres mit Abschluß des Girovertrages über sein Konto auch durch Scheck verfügen kann, sondern dazu besonderer Scheckvordrucke bedarf. Daß deren Aushändigung durch die Bank nicht rein deklaratorischen Charakter hat, sondern i. d. R. den (konkludenten) Abschluß des Scheckvertrags selbst darstellt, ist daraus zu schließen, daß die Bank durchaus ein Interesse daran haben kann, unzuverlässigen Girokunden die Teilnahme an ihrem Scheckverkehr zu versagen. Aus diesem Grunde kann der Scheckvertrag auch nicht als unselbständige Nebenabrede des Girovertrags oder des — ohnehin nicht existierenden (vgl. oben Rdn. 4 ff) — „allgemeinen Bankvertrags" angesehen werden 1 2 . Demgemäß läßt eine Kündigung oder sonstige Beendigung des Scheckvertrags — z. B., weil der Kunde mehrfach ungedeckte Schecks auf die Bank gezogen hat — den Bestand des Girovertrags grundsätzlich unberührt. Umgekehrt wird man allerdings auf Grund des mutmaßlichen Parteiwillens in Analogie zu § 139 BGB anzunehmen haben, daß eine Beendigung des Girovertrags ohne weiteres auch das Ende des Scheckvertrags zur Folge hat.
685
Ebenso wie der Girovertrag ist auch der Scheckvertrag regelmäßig mit einem Kontokorrentvertrag verbunden.
686
Die in dem Scheck enthaltene Anweisung an die Bank, an den legitimierten Inhaber eine bestimmte Geldsumme zu zahlen, stellt eine Anweisung i. S. von § 783 BGB und demgemäß eine Doppelermächtigung i. S. dieser Vorschrift dar. Folglich können die
b) Die Rechtsnatur der Scheckanweisung
9
Vgl. Koch S. 238; Baumbach/Hefermehl Art. 3 SchG Rdn. 3; Schönte § 8 VI 2. A. A. Müller-Erzbach S. 527, der einen „einseitigen Vertrag" annimmt. l ' A . A. Breit Z H R 64, 445 ff und bei Düringer1 10
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12
Hachenburg Anh. I zu %% 363 — 365 Anm. 3; Meyer-Cording S. 82. Ebenso i. E. wohl Baumbach/Hefermehl Art. 3 SchG Rdn. 3; Schlegelberger/Hefermehl Anh. zu § 365 Rdn. 13; a. A. Ulmer S. 310.
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II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks §§ 783 ff B G B a n g e w e n d e t werden, soweit das S c h e c k G keine Sondervorschriften enthält. Zugleich liegt in der Z a h l u n g s a n w e i s u n g eine Weisung i. S. des A u f t r a g s r e c h t s z u r E i n l ö s u n g des S c h e c k s , die durch den Inhaber als B o t e n überbracht wird. D i e S c h e c k anweisung hat also dieselbe ermächtigungs- und weisungsrechtliche D o p p e l n a t u r wie der Ü b e r w e i s u n g s a u f t r a g (vgl. zu diesem oben R d n . 323). W e n n das G u t h a b e n bzw. die Kreditlinie des Ausstellers z u r E i n l ö s u n g des S c h e c k s nicht ausreicht, kann in der Z a h l u n g s a n w e i s u n g zusätzlich auch noch der (konkludente) A n t r a g auf G e w ä h r u n g eines D a r l e h e n s liegen (vgl. d a z u unten R d n . 697).
c) Die Rechtsnatur des Inkassovertrages D u r c h den I n k a s s o v e r t r a g wird die B a n k verpflichtet, einen bei ihr eingereichten 6 8 7 S c h e c k einzuziehen. A u c h hier handelt es sich d e m g e m ä ß um einen G e s c h ä f t s b e s o r g u n g s v e r t r a g i. S. von § 675 B G B 1 3 . D a die B a n k die V o r l a g e des S c h e c k s nicht versprechen kann — sie findet das K o n t o des Ausstellers u. U . nicht! — , verpflichtet sie sich hier anders als beim Scheckvertrag nicht z u r H e r b e i f ü h r u n g eines bestimmten E r f o l g e s , sondern nur z u r V o r n a h m e entsprechender D i e n s t e ; der Inkassovertrag ist d a h e r nicht W e r k - , s o n d e r n Dienstvertrag. V g l . im übrigen auch unten R d n . 740. D e r I n k a s s o v e r t r a g braucht nicht notwendig mit einem anderen V e r t r a g v e r k n ü p f t 6 8 8 z u sein, sondern ist praktisch und rechtlich auch als selbständiger Einzelvertrag d e n k bar. I. d. R. wird der einreichende K u n d e jedoch mit der B a n k bereits einen Girovert r a g abgeschlossen haben. D a hier, anders als beim S c h e c k v e r t r a g , irgendein berechtigtes Interesse der B a n k an der Ablehnung von I n k a s s o a u f t r ä g e n nicht ersichtlich ist, ist nach 157 B G B , 346 H G B davon a u s z u g e h e n , daß die V e r p f l i c h t u n g z u r E i n z i e h u n g von S c h e c k s als unselbständige N e b e n a b r e d e des G i r o v e r t r a g s k o n k l u d e n t mitvereinbart ist. D i e Einreichung des S c h e c k s durch den K u n d e n ist daher nicht als ein A n g e b o t auf Abschluß eines Inkassovertrages anzusehen, sondern stellt sich lediglich als einseitige K o n k r e t i s i e r u n g des bereits bestehenden Inkassovertrags durch den K u n d e n , g e n a u e r als Weisung i. S . v o n § 665 B G B dar. Praktische B e d e u t u n g hat das u. a. insofern, als die B a n k die E i n z i e h u n g des Schecks nicht ablehnen darf und sich durch eine derartige Ablehnung u. U . ihrem G i r o k u n d e n schadensersatzpflichtig machen w ü r d e .
II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks 1. Die Pflichten und die Rechte der Bank gegenüber dem Aussteller a) Einlösungspflicht und Nebenpflichten D u r c h den S c h e c k v e r t r a g (vgl. oben R d n . 682 f f ) wird die B a n k z u r Einlösung prä- 6 8 9 sentierter S c h e c k s des ausstellenden K u n d e n verpflichtet, sofern die v o n ihr v o r g e schriebenen V o r d r u c k e verwendet w o r d e n sind (vgl. Ziff. 1 der S c h e c k b e d i n g u n g e n , a b g e d r u c k t unten R d n . 726) und das K o n t o des K u n d e n g e d e c k t ist. Verstößt sie g e g e n diese Pflichten, s o ist sie ihrem K u n d e n wegen V e r l e t z u n g des S c h e c k v e r t r a g e s z u m S c h a d e n s e r s a t z verpflichtet — z. B. wenn der S c h e c k p r o t e s t z u r K r e d i t s c h ä d i g u n g führt o d e r s o g a r die Zahlungseinstellung z u r F o l g e h a t 1 4 . O b D e c k u n g v o r h a n d e n ist, 13 H. L., vgl. z. B. O L G Frankfurt WM 1978, 1025, 1027; Ulmer S. 325; Baumbacb/Hefermebl Anh. zu Art. 28 S c h G Rdn. 7; Schönte § 15 I 1, der zusätzlich ein kommissionsähnliches Verhältnis i. S. von § 406 I H G B annimmt.
Vgl. B G H WM 1968, 1214; Liesecke WM 1969. 1375; Baumbacb/Hefermebl An. 3 SchG Rdn. 4 a. E.
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
richtet sich nicht nach dem buchmäßigen, sondern nach dem — davon u. U. abweichenden — wahren Kontostand. Macht der Aussteller eine Bareinzahlung zum Zwecke der Einlösung des Schecks, so ist das Vorliegen von Deckung auch dann zu bejahen, wenn die entsprechende Gutschrift bei Vorlage des Schecks noch nicht erteilt ist und bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang auch noch gar nicht erteilt sein kann (a. A. RG BankArch. 1929/30 259, 260). Denn die Bank hat dann mit Sicherheit den Gegenwert des Schecks rechtzeitig erhalten. Allerdings kann es bei einer Einlösungsverweigerung an einem Verschulden der Bank fehlen wie z. B., wenn der Kunde sie auf die zu erwartende Vorlage des Schecks nicht hingewiesen hat oder wenn eine rechtzeitige Information des für die Einlösung zuständigen Angestellten unmöglich oder unzumutbar war. Demgegenüber stellt eine eingegangene, aber noch nicht gutgeschriebene Überweisung wegen der Möglichkeit eines Widerrufs schon tatbestandlich grundsätzlich keine Deckung dar, so daß insoweit eine Haftung der Bank nur auf eine pflichtwidrige Verzögerung der Gutschriftserteilung gestützt werden kann. 690
Ausnahmsweise kann die Bank auch bei fehlender Deckung gemäß § 242 BGB zur Einlösung verpflichtet sein wie z. B., wenn sie über genügende Sicherheiten wie etwa ein Wertpapierdepot des Kunden verfügt oder wenn die erforderliche Kontoüberziehung geringfügig und ausweislich der bisherigen Kontobewegungen voraussichtlich nur kurzfristig ist und es sich um einen kreditwürdigen Kunden handelt, wohingegen die bloße Duldung wiederholter Kontoüberziehungen grundsätzlich keine Pflicht zur Einlösung auf Kredit begründet 1 5 . Im übrigen hat die Bank bei Ablehnung einer Kontoüberziehung i. d. R. gemäß § 242 BGB eine Pflicht zur Rückfrage bei dem Kunden im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, damit dieser u. U. noch rechtzeitig Deckung oder eine Sicherheit für eine Kreditgewährung anschaffen bzw. Irrtümer über die wahre Höhe seines — u. U. von einem Computer „leergebuchten" oder durch eine unberechtigte Lastschrift scheinbar überzogenen — Kontos aufklären kann. Ziff. 5 S. 2 der Scheckbedingungen, wonach „bei Nichteinlösung dem Vorleger des Schecks ohne vorherige Rückfrage beim Kontoinhaber die gesetzlich vorgesehene Bescheinigung erteilt wird", ist gemäß § 9 AGBG unwirksam. Die mit einer Nichteinlösung verbundenen Gefahren für den Kunden sind nämlich so schwerwiegend, daß es schon ganz besonders triftiger Gründe bedürfte, um eine Senkung der Anforderungen an das Verhalten der Bank unter das von § 242 BGB gebotene Maß zu rechtfertigen. Ein solcher Grund ist nicht ersichtlich. Er liegt insbesondere nicht in den kurzen Rückgabefristen im Abrechnungsverkehr 16 , deren Versäumung zur Einlösung des Schecks führt (vgl. unten Rdn. 699). Zum ersten würde das nämlich den Haftungsausschluß allenfalls bei solchen Schecks rechtfertigen, die wirklich über die Abrechnung vorgelegt werden, zum zweiten besteht gemäß § 242 BGB ohnehin keine Pflicht zur Rückfrage, wenn die Bank sich durch diese in unzumutbarer Weise der Gefahr einer Selbstschädigung aussetzen würde, und zum dritten kann es selbstverständlich auch bei Vorlage eines Schecks über die Abrechnung geradezu skandalös sein, wenn der zuständige Bankangestellte den Griff zum Telephon unterläßt und den Scheck einfach zu Protest gehen läßt.
691
Bejaht man demgemäß grundsätzlich eine Pflicht zur Rückfrage, so wird man gegen die weitere Bestimmung von Ziff. 5 der Scheckbedingungen, wonach die Bank eine Teilzahlung auf einen Scheck nur bei einem gesonderten, im Einzelfall erteilten Auftrag zu leisten verpflichtet ist, keine durchgreifenden Bedenken geltend zu machen 15 Vgl. d a z u e i n g e h e n d Canaris Z H R 143 (1979) S. 113 ff, i n s b e s o n d e r e S. 132 f einerseits u n d S. 128 a n d e r e r s e i t s s o w i e a u c h u n t e n R d n . 1271 f.
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" D a r i n sieht Kumpel W M 1976 S o n d e r b e i l . N r . 1 S. 11 bei F n . 8 die r a t i o d e r Klausel,
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II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks
brauchen. Denn die Klausel, die zwar in Gegensatz zur Rechtslage bei der Giroüberweisung steht (vgl. oben Rdn. 326), aber eine Entsprechung beim Lastschriftverfahren hat (vgl. oben Rdn. 539), kann keinen Schaden anrichten, soweit Rückfrage genommen wird. Soweit dies ausnahmsweise nicht der Fall ist — sei es wegen Unzumutbarkeit für die Bank oder sei es wegen Unmöglichkeit —, darf die Bank i. d. R. davon ausgehen, daß der Aussteller trotz Art. 34 II SchG kein wesentliches Interesse an der Teilzahlung hat, da diese ihn ja nicht vor einem Protest und dessen Folgen bewahrt; zumindest darf sie ohne Verstoß gegen § 9 AGBG das Interesse der Banken, den auf Schnelligkeit und Reibungslosigkeit angelegten Scheckverkehr nicht mit Komplikationen durch Teilzahlungen zu belasten, über das Interesse des Ausstellers stellen. Eine Pflicht der Bank, eine Teilzahlung zu unterlassen oder vor einer Einlösung auf Kredit beim Kontoinhaber zurückzufragen, begründet Ziff. 5 der Scheckbedingungen nicht, da der Zweck der Klausel im Schutz der Bank und nicht des Kunden liegt (vgl. O L G Celle W M 1976 677, 678). Die Einlösungspflicht wird durch den Ablauf der Vorlegungsfrist nicht berührt 6 9 2 (a. A. OLG Düsseldorf W M 1976 882, 886). Denn dieser beeinträchtigt weder die in dem Scheck liegende Zahlungsermächtigung noch die darin zugleich enthaltene Einlösungsweisung (vgl. dazu oben Rdn. 686); der Aussteller hat auch nach wie vor grundsätzlich ein Interesse an der Einlösung, da deren Verweigerung zwar nicht mehr die spezifisch wertpapierrechtlichen Sanktionen nach sich zieht, wohl aber für ihn nachteilige bürgerlich-rechtliche Folgen im Valutaverhältnis haben kann wie z. B. den (u. U. rückwirkenden!) Eintritt von Verzug, den Verlust eines Skontos usw. Daß die Bank eine Pflicht zur Benachrichtigung des Ausstellers über eine erfolgte 6 9 3 Einlösungsverweigerung hat, wird in Ziff. 7 der Scheckbedingungen ausdrücklich hervorgehoben. Diese soll an die Stelle der in Art. 42 SchG vorgesehenen Benachrichtigungspflicht des letzten Scheckinhabers treten. Das dürfte als Vertrag zu dessen Gunsten i. S. von § 328 BGB anzusehen sein, wobei freilich nur eine obligatorische Einrede gegen die Inanspruchnahme und nicht ein echter Erlaß der Pflicht in Betracht kommt, wenn man mit der herrschenden — jedoch nicht überzeugenden — Lehre eine dingliche Wirkung zugunsten des Dritten für unmöglich hält. Die in Art. 42 VI SchG vorgesehene Haftungsbeschränkung auf die Höhe der Schecksumme kommt der Bank nicht zugute, da sich ihre Benachrichtigungspflicht schon aus § 242 BGB ergibt und es sich somit nicht um eine echte Übernahme der — ihr an sich nicht obliegenden — Pflicht aus Art. 42 SchG handelt. Daneben hat die Bank eine Reihe weiterer Nebenpflichten. So ist sie z. B. dem Aus- 6 9 4 steller gegenüber verpflichtet, einen Auskunft suchenden Dritten auf das Bestehen einer Schecksperre hinzuweisen, um so den Aussteller vor einem etwaigen Einwendungsverlust kraft gutgläubigen Erwerbs zu bewahren (vgl. BGHZ 35 217, 220 ff sowie auch unten Rdn. 706). Weiterhin hat die Bank die Pflicht zur sorgfältigen Prüfung der ihr vorgelegten Schecks, die vor allem im Zusammenhang mit der Tragung des Fälschungsrisikos und bei Vorlegung des Schecks durch einen Nichtberechtigten von Bedeutung ist (vgl. näher unten Rdn. 711 bzw. 721 ff), die Pflicht, u . U . einen Widerruf auch ohne entsprechende Vertragsabrede zu beachten (vgl. näher unten Rdn. 701 ff), die Pflicht, einen Verrechnungsscheck nicht entgegen Art. 39 II ScheckG in bar auszuzahlen usw. 17 . 17
Vgl. die eingehende Zusammenstellung bei Gökking Sorgfaltspflichten und H a f t u n g der Banken im Scheckverkehr, Diss. München 1965.
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung 695
Dagegen hat die Bank i. d. R. keine Pflicht, auf die Beziehungen zwischen dem Aussteller und dem Einreicher des Schecks zu achten, da sie diese meist nicht hinreichend übersehen kann und da das Valutaverhältnis sie grundsätzlich nichts angeht 1 8 ; in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann allerdings abweichend zu entscheiden sein, und dann kann die Bank u. U. aus positiver Forderungsverletzung oder aus § 826 BGB schadensersatzpflichtig werden 1 9 . b) Das Recht der Bank zur Belastung des Ausstellerkontos und seine Rechtsgrundlage
696
H a t die Bank den Scheck eingelöst, so kann sie das Konto des Ausstellers grundsätzlich in entsprechender Höhe belasten. Einen spezifisch scheckrechtlichen Rückgriffsanspruch gegen den Aussteller hat die bezogene Bank indessen nicht, da der Rückgriff gemäß Art. 40 ScheckG ja gerade die Nichteinlösung des Schecks voraussetzt. Die Rechtsgrundlage für die Belastung des Ausstellerkontos kann sich daher nur aus den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften ergeben. Welche Vorschrift dabei als einschlägig anzusehen ist, ist streitig. Die Frage ist genauso zu entscheiden wie das entsprechende Problem bei der Giroüberweisung. Demgemäß ist vom hier vertretenen Standpunkt aus (vgl. oben Rdn. 344) weder § 362 II i. V. m. § 185 BGB 20 noch § 787 I BGB 21 , sondern § 670 BGB anzuwenden 2 2 . Dafür spricht insbesondere die Verknüpfung des Scheckvertrags mit dem Kontokorrent (vgl. im übrigen eingehend oben Rdn. 344).
697
Das Recht der Bank zur Belastung des Ausstellers setzt nicht voraus, daß dessen Konto bei Präsentierung des Schecks Deckung in der erforderlichen Höhe — sei es auf Grund eines Guthabens, sei es auf Grund einer Kreditzusage der Bank — aufwies. Die Bank ist vielmehr grundsätzlich berechtigt — wenngleich i. d. R. nicht verpflichtet (vgl. Rdn. 690) —, auch ungedeckte Schecks einzulösen 23 . Das ist in Ziff. 5 der Scheckbestimmungen ausdrücklich klargestellt. Konstruktiv wird man dabei davon auszugehen haben, daß der Aussteller durch die Ziehung des ungedeckten Schecks der Bank konkludent ein Angebot auf Abschluß eines Darlehensvertrages in entsprechender Höhe macht und daß die Bank dieses durch die Einlösung konkludent annimmt. Hat der Aussteller allerdings noch nie einen ungedeckten Scheck auf die Bank gezogen und/ oder erscheint es nach den sonstigen Umständen des Falles, insbesondere nach der Persönlichkeit des Ausstellers und nach seinem Geschäftsgebahren äußerst unwahrscheinlich, daß er dies tut, so hat die Bank gemäß § 242 BGB im Rahmen des zeitlich und organisatorisch Möglichen die Pflicht zur Rückfrage, ob der Scheck in Ordnung ist (bedenklich daher OLG Celle W M 1976 677, 678); denn in einem derartigen Fall liegt der Verdacht, daß der Scheck gefälscht oder verfälscht ist, verhältnismäßig nahe, und die Bank muß sich daher um eine Aufklärung bemühen — zumal, wenn sie das Fälschungsrisiko durch eine Freizeichnungsklausel in den AGB (vgl. dazu unten Rdn. 711) auf den Aussteller abgewälzt hat. Auch bei einem ordnungsgemäß ausgestellten Scheck kann es im übrigen im Einzelfall bei einer Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ausnahmsweise an einem Angebot zum Abschluß eines Darlehensvertrages fehlen, wenn der 18 Vgl. BGH WM 1969, 240 m. w. Nachw.; 1973, 674, 675; vgl. auch zum entsprechenden Problem bei der Giroüberweisung oben Rdn. 338. " Vgl. zu § 826 BGH WM 1956, 1292; 1961, 1186; 1971, 855; 1973, 674; vgl. dazu näher oben Rdn. 133 sowie auch unten Rdn. 756 f. Dafür z. B. facobi ZHR 91, 188 ff; Enneccerus/ Lehmann Schuldrecht' 5 § 203 Anm. 3.
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21 Dafür z.B. Baumbach/Hefermehl Art. 3 SchG Rdn. 5. 22 So auch BGH NJW 1951, 598, 599 Sp. 2; Ulmer S. 313 f. 23 Vgl. RG BankArch. 1925, 171; 1928, 258; BGHZ 53, 199, 204; Baumbach/Hefermehl Art. 3 SchG Rd n . 4
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II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks
Scheck nicht gedeckt ist. Besondere Vorsicht ist insoweit z. B. geboten, wenn der Scheck auf ein ungedecktes Anderkonto gezogen ist. Zwar kann dieses grundsätzlich auch debitorisch werden (vgl. oben Rdn. 289), doch ist das ungewöhnlich und wird mitunter dem mutmaßlichen Willen des Kontoinhabers nicht entsprechen (vgl. OLG München W M 1973 438, 439). Die Bank kann daher bei diesem zumindest dann nicht ohne weiteres Regreß wegen der Einlösung des Schecks nehmen, wenn für sie Umstände erkennbar waren, aus denen hervorging, daß die Einlösung wegen des Fehlens der Deckung dem mutmaßlichen Willen oder dem Interesse des Kontoinhabers widersprach (vgl. OLG München aaO). Dabei darf freilich andererseits auch nicht vergessen werden, daß dem Kontoinhaber als dem Aussteller des Schecks bei einer Einlösungsverweigerung die Regreßhaftung des Art. 12 ScheckG droht und daß die Bank darin einen wesentlichen Umstand, der für das mutmaßliche Einverständnis mit der Scheckeinlösung und für das Interesse an dieser spricht, sehen darf. In einem derartigen Konfliktsfalle sollte die Bank daher, soweit irgend möglich, Rücksprache mit dem Kunden nehmen. Ist eine solche nicht möglich, bleibt es letztlich eine Frage des Einzelfalles, ob die Umstände trotz des Fehlens der Deckung auf dem Anderkonto eher für oder gegen das mutmaßliche Einverständnis und das Interesse des Kunden hinsichtlich der Einlösung sprechen. Auch der vorherige Abschluß eines Scheckvertrags ist nicht notwendige Vorausset- 6 9 8 zung für den Ersatzanspruch der Bank gegen den Aussteller; denn in der Ziehung des Schecks durch den Aussteller und in der Einlösung durch die Bank ist der konkludente Abschluß des Scheckvertrags zu sehen. Ist der Aussteller kein Kaufmann, so gelten in einem solchen Fall freilich die Scheckbedingungen der Bank grundsätzlich nicht, da es an den besonderen Einbeziehungsvoraussetzungen von § 2 AGBG regelmäßig fehlen wird. Im kaufmännischen Verkehr dürfte dagegen von einer Einbeziehung kraft Verkehrssitte auszugehen sein, die gemäß § 24 AGBG auch heute noch möglich ist (vgl. Capelle/Canaris Handelsrecht 1 9 , § 14 IV 1 m. Nachw. zum Streitstand). 2. Die Einlösung Die einfachste Art der Einlösung, die zugleich die geringsten rechtlichen Schwierig- 6 9 9 keiten bereitet, ist die Bezahlung des Schecks in bar, die freilich beim Verrechnungsscheck unzulässig ist. Als Einlösung ist weiterhin die verspätete Rückgabe eines im Abrechnungsverkehr über die Landeszentralbank vorgelegten Schecks anzusehen, da diese nach Ziff. 17 i. V. m. Ziff. 1 S. 3 der Geschäftsbedingungen für den Abrechnungsverkehr (abgedruckt unten Rdn. 892) Erfüllungswirkung hat 2 4 . Bei einem anderen Einziehungsweg kann in der verspäteten Rückgabe dagegen keine Einlösung gesehen werden (vgl. B G H Z 53 199, 203). Denn darin allein tritt nicht der Wille der bezogenen Bank zur Bezahlung des Schecks in Erscheinung; das ergibt sich auch aus Klausel A I Abs. 5 des Scheckrückgabeabkommens (abgedruckt unten Rdn. 760), wonach die Inkassobank nicht eingelöste Schecks auch bei Verletzung der Pflicht zur fristgerechten Rückgabe durch die bezogene Bank zurückzunehmen hat. Die dritte und wichtigste Möglichkeit der Einlösung ist die Belastung des Aussteller- 7 0 0 kontos (vgl. BGH aaO). In dieser liegt grundsätzlich die Manifestation des Einlösungswillens gemäß § 151 BGB. Allerdings gilt das gemäß Ziff. 41 II AGB nur, wenn die Belastung nicht spätestens am folgenden Buchungstag storniert wird (vgl. dazu näher 2" Vgl. B G H W M 1972, 1379, 1380; O L G Zweibrücken W M 1970, 1240, 1242; ebenso f ü r den Wechsel B G H W M 1969, 1447; O L G N ü r n b e r g
W M 1968, 263, 264; f ü r die Lastschrift B G H W M 1979, 996, 997 f.
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6. Abschnitt. D i e Scheckzahlung
oben Rdn. 550 ff). Davon ist im Geltungsbereich von Ziff. 41 II AGB auch bei Buchung durch einen Computer keine Ausnahme zu machen; die abweichenden Grundsätze, die der B G H aaO S. 204 ff aufgestellt hat, sind durch die Schaffung von Ziff. 41 II AGB überholt (vgl. näher oben Rdn. 550). Ob das Konto des Ausstellers ein hinreichendes Guthaben aufwies, spielt für die Manifestation des Einlösungswillens durch die Belastung keine Rolle, da die Einlösung auch auf Kredit erfolgen kann (vgl. B G H Z aaO S. 204). Eines Zugangs bedarf es gemäß § 151 B G B nicht (a. A. O L G Frankfurt W M 1975 1194, 1195). 3. Widerruf und Schecksperre 701
Ein Widerruf nach Ablauf der Vorlegungsfrist ist gemäß Art. 32 I ScheckG grundsätzlich wirksam. Gemäß Ziff. 10 S. 2 der Bedingungen für den Scheckverkehr (abgedruckt unten Rdn. 726) braucht die Bank ihn allerdings nur zu beachten, wenn er der kontoführenden Stelle spätestens am Bankarbeitstag vor der Vorlage des Schecks zugeht; das hat seinen Grund und seine Rechtfertigung darin, daß die Bank aus organisatorischen Gründen u. U. eine gewisse Zeit braucht, um eine Einlösung zu verhindern (vgl. Steuer BankBetr. 1976 29).
702
Ein Widerruf vor Ablauf der Vorlegungsfrist ist dagegen, wie der Umkehrschluß aus Art. 32 I ScheckG ergibt, grundsätzlich unwirksam. Ein Widerruf ist jedoch seinem Begriffe nach eine einseitige Weisung des Ausstellers an die Bank. Art. 32 Scheck G schließt daher nicht notwendig aus, daß die Bank sich ihrerseits zur Beachtung des Widerrufs durch Vertrag mit dem Aussteller verpflichtet. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn Art. 32 I ScheckG insoweit ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB enthielte. Das ist jedoch nicht der Fall, so daß nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit eine Verpflichtung zur Berücksichtigung des Widerrufs möglich ist 25 . Weder der Wortlaut noch der Zweck des Art. 32 I fordern nämlich, ihn als Verbotsgesetz i. S. von § 134 BGB zu interpretieren; denn dem Bezogenen steht es nach Art. 32 I unzweifelhaft frei, einen Widerruf des Ausstellers auch vor Ablauf der Vorlegungsfrist zu beachten, und da die Bank das im Interesse ihrer Kunden in der Tat regelmäßig tut, wird durch die Zulassung einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung die Sicherheit des Schecks als Zahlungsmittel und die Reibungslosigkeit des Scheckverkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt. Ein Vertrag zwischen der Bank und dem Aussteller über die Beachtung des Widerrufs ist daher gültig. Sein Abschluß ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Aussteller gegenüber der Bank eine Schecksperre ausspricht und diese sich mit deren Berücksichtigung einverstanden erklärt. Der Vertrag kann jedoch auch schon mit dem Abschluß des Scheckvertrages selbst zusammenfallen; die Bank ist dann verpflichtet, später auch eine Schecksperre durch einseitige Erklärung des Ausstellers zu beachten.
703
Da die Banken seit langem Schecksperren ohne weiteres zu berücksichtigen pflegen (vgl. Zähmt S. 73 m. Nachw.), wird man auf Grund einer Auslegung des Scheckvertrags gemäß §§ 157 BGB, 346 H G B an sich annehmen können, daß die Verpflichtung zur Beachtung einer Schecksperre im Zweifel konkludent als Nebenabrede des Scheckvertrags vereinbart ist (vgl. Pflug Z H R 135 49 ff). Anders ist freilich zu entscheiden, wenn sich die Bank, wie das derzeit gemäß Ziff. 10 der Scheckbedingungen der Fall ist, "
So mit Recht BGHZ 35, 217, 220; BGH WM 1975,755,756; OLG Düsseldorf WM 1975, 1072, 1073; LG Krefeld WM 1973, 622; Baumbach/ HefermehlAn. 32 SchG Rdn. 1; Schinnerer/Avan-
368
cini S. 128 f; Pflug ZHR 135, 3 ff; a. A. i. E. Ulmer S. 319 f; Meyer-Cording S. 95; Jacobi S. 379 f; Zöllner ZHR 126, 165 und Rehfeldt/ Zöllner § 26 VI 3.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks
ausdrücklich gegen eine Verpflichtung zur Beachtung der Schecksperre verwahrt (zustimmend OLG Düsseldorf WM 1977 428, 431; a. A. Pflug a a O S. 50 f). Denn dann ist der Vertrag eben mit einem von der Verkehrssitte abweichenden Inhalt geschlossen worden, was nach dem Grundsatz der Inhaltsfreiheit ohne weiteres zu respektieren ist; eine unbeachtliche protestatio facto contraria liegt darin nicht (a. A. Pflug aaO), da diese — ohnehin fragwürdige — Regel allenfalls dann zum Zuge kommen könnte, wenn das Verhalten der Banken schlechterdings nicht anders als im Sinne einer entsprechenden Verpflichtungserklärung ausgelegt werden könnte — und das ist hier nicht der Fall, da der Brauch, Schecksperren zu beachten, nicht zwingend auf einen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Bindungswillen schließen läßt, sondern auch als rein faktische Übung verstanden werden kann. Auch in einem solchen Falle, in dem die Bank grundsätzlich nicht zur Beachtung der Sperre vor Ablauf der Vorlegungsfrist verpflichtet ist, kann sich freilich im Einzelfall aus § 242 BGB etwas anderes ergeben; das wird z. B. anzunehmen sein, wenn der Aussteller der bezogenen Bank glaubwürdig dartut, daß er nur durch Betrug zur Hingabe des Schecks veranlaßt worden ist. Darüber hinaus bleibt die Möglichkeit, daß die Bank sich vertraglich zur Einhaltung einer Schecksperre verpflichtet, unberührt, doch wird man im Hinblick auf den ausdrücklichen Vorbehalt in Ziff. 10 der Scheckbedingungen an das Vorliegen einer entsprechenden Individualvereinbarung, die gemäß § 4 AGBG Vorrang hat, verhältnismäßig strenge Anforderungen stellen müssen (vgl. auch OLG Düsseldorf W M 1977 428, 431); es muß jedenfalls deutlich werden, daß die Bank nicht nur aus Kulanz die Beachtung der Sperre in Aussicht stellt, sondern insoweit eine rechtliche Bindung eingehen will, doch dürfte dafür z. B. die Erklärung eines Filialleiters, er „notiere" die Sperre und „melde sie dem Kontoführer weiter", i. d. R. ausreichend sein (a. A. OLG Düsseldorf aaO). Das Schriftformerfordernis gemäß Ziff. 11 AGB ist nicht einschlägig, da die Pflicht zur Beachtung eines Widerrufs keine „Verwaltungspflicht" i. S. dieser Klausel ist (a. A. Kröger WM 1975 1250 f)Vertretungsmacht für den Abschluß einer bindenden Schecksperre hat grundsätz- 7 0 4 lieh nicht der Scheckdisponent der Bank (vgl. OLG Düsseldorf W M 1975 1072, 1073), wohl aber ein mit Handlungsvollmacht ausgestatteter Filialleiter, da die Leitung einer Filiale die Eingehung von Schecksperren mit sich bringt, so daß die Voraussetzungen von § 54 I H G B insoweit grundsätzlich erfüllt sind (offengelassen von O L G Düsseldorf WM 1977 428, 431). Eine Beschränkung der Vertretungsmacht enthält Ziff. 10 der Scheckbedingungen nicht, da die Möglichkeit zum Abschluß von Individualvereinbarungen durch die Klausel nicht ausgeschlossen oder an besondere Voraussetzungen geknüpft wird. Soweit ein nicht-vertretungsberechtigter Angestellter die Schecksperre entgegennimmt, hat er i. d. R. die Pflicht, den Kunden auf das Fehlen der Vertretungsmacht hinzuweisen; die Beweislast dafür, daß diesem bei einem solchen Hinweis der Abschluß einer bindenden Sperre mit einem vertretungsbefugten Angestellten gelungen wäre, liegt freilich bei ihm selbst (vgl. auch OLG Düsseldorf W M 1975 1074). Bei Mißachtung einer wirksamen Schecksperre hat die Bank keinen Anspruch aus 7 0 5 § 670 BGB gegen den Aussteller, da es dann an einer gültigen Zahlungsanweisung des Ausstellers ihr gegenüber fehlt. Die Bank kann allerdings einen Bereicherungsanspruch gegen den Aussteller haben. Dessen Bereicherung liegt entweder in dem Erlöschen einer Schuld gegenüber dem Einreicher des Schecks oder im Erwerb eines Kondiktionsanspruchs gegen diesen, der dann im Wege einer „Kondiktion der Kondiktion" an die Bank abzutreten ist. Einen Bereicherungsanspruch gegen den Einreicher des Schecks hat die Bank dagegen bei Mißachtung einer Schecksperre grundsätzlich nicht (vgl. unten Rdn. 739). Claus-Wilhelm Canaris
369
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
706
Zusätzlich zu der Pflicht, einen wirksam widerrufenen Scheck nicht einzulösen, kann die Bank gegenüber dem Aussteller eine Pflicht zur Mitteilung der Schecksperre an einen Dritten haben, der sich nach der Bonität des Schecks erkundigt oder fragt, ob dieser in Ordnung geht; denn durch das Unterlassen einer solchen Mitteilung wird der Dritte u. U. zum Erwerb des Schecks veranlaßt, so daß der Aussteller möglicherweise Einwendungen oder Einreden gegen den bisherigen Inhaber nach den Regeln über den Einwendungsausschluß verliert und einen Schaden erleidet (vgl. B G H Z 35 217, 220 ff). Dagegen hat die Bank keine Pflicht zur Anbringung eines Nichteinlösungsvermerks auf dem widerrufenen Scheck ohne Zustimmung des Einreichers, da sie diesem gegenüber zu einer solchen Maßnahme nicht berechtigt ist (vgl. B G H W M 1975 755, 756). 4. Das Fehlen einer wirksamen Anweisung
707
Das Fehlen einer wirksamen Anweisung führt beim Scheck grundsätzlich ebenso wie bei der Giroüberweisung (vgl. dazu oben Rdn. 366 ff) dazu, daß die Bank kein Recht zur Belastung des Ausstellerkontos hat. Sollte es also z. B. zu einer doppelten Bezahlung des Schecks kommen — etwa, weil die Bank sich diesen nicht hat aushändigen lassen — oder sollte der Scheck unter dem Einfluß von Zwang i. S. der vis absoluta ausgestellt worden sein, so hat die Bank einen etwaigen Schaden selbst zu tragen. Im übrigen aber ergeben sich einige Besonderheiten gegenüber dem Recht der Giroüberweisung, die ihren Grund teils in dem Charakter des Schecks als Wertpapier und teils in Sonderregelungen der AGB haben. a) Fehlende und beschränkte Geschäftsfähigkeit
708
Bei Geschäftsunfähigkeit des Ausstellers hat die Bank entgegen der vereinzelt gebliebenen Ansicht Ulmers (vgl. S. 317 f) kein Recht zur Kontobelastung, da der Geschäftsunfähige keinen wirksamen Verpflichtungstatbestand schaffen, insbesondere keinen zurechenbaren Rechtsschein setzen kann. Die Banken haben sich allerdings für den Fall des nachträglichen Eintritts der Geschäftsunfähigkeit durch Ziff. 23 der AGB weitgehend abgesichert; rechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Klausel bestehen nicht (vgl. B G H Z 52 63 sowie unten die Erläuterungen zu Ziff. 23 AGB).
709
Bei beschränkter Geschäftsfähigkeit ergeben sich besondere Probleme insofern, als die Begebung eines Schecks zu ihrer Wirksamkeit außer der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters auch noch der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung gemäß §§ 1643, 1822 Ziff. 9 BGB bedarf — und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Order- oder um einen Inhaberscheck handelt 2 6 . Es fragt sich daher, ob das Fehlen der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nur den Begebungsvertrag und die spezifisch scheckrechtliche H a f t u n g hinfällig macht oder ob es auch die Zahlungsanweisung an die Bank und damit deren Anspruch aus § 670 BGB ergreift. Die Frage dürfte im ersteren Sinne zu beantworten sein 27 . Denn die Fehlerhaftigkeit des Begebungsvertrags hat nicht notwendig die Fehlerhaftigkeit der Anweisung zur Folge (vgl. auch B G H W M 1969 240 und unten Rdn. 716), und auch die ratio legis des § 1822 Ziff. 9 BGB fordert eine solche Ausdehnung nicht, da sie den Minderjährigen nur vor den besonde26
Vgl. Baumbach/HefermehI Einleitung zum S c h e c k G R d n . 12; Schönte § 4 II 1; Jacobi S. 209 A n m . 1; Rehfeldt/Zöllner § 26 I I I 5 a. E . ; Capeller BB 1961, 6 8 3 ; H. P. Westermann F a m R Z 1967, 650 f ; Scheerer BB 1971, 9 8 4 ; Koehler D B 1971, 1341; Sennekamp N J W 1971, 1785 f ; WentzelS. 133 ff.
370
27
A. A. Baumbach/Hejermehl Einl. S c h G R d n . 12; Wentzel S. 135; Liesecke W M 1975, 221, d e r s o g a r d e n „mit d e m G i r o v e r t r a g meist v e r b u n d e nen Scheckvertrag" dem G e n e h m i g u n g s e r f o r d e r nis u n t e r w e r f e n will.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks
ren Gefahren der Begebung von Inhaber- und Orderpapieren schützen will und es hinsichtlich des Rückgriffsanspruchs der Bank nicht um diese geht, sondern um gewöhnliche Gefahren, wie sie auch die — von § 1822 BGB nicht umfaßte — Anweisung i. S. des § 783 BGB oder die — ebenfalls nicht unter § 1822 BGB fallende — Giroüberweisung (vgl. dazu insoweit oben Rdn. 374 f) mit sich bringt. Man wird daher der Bank den Anspruch aus § 670 BGB trotz Fehlens der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zuerkennen müssen (sofern das erforderliche Einverständnis des gesetzlichen Vertreters gegeben war). Allerdings dürfte die Bank auf Grund ihrer besonderen Sachund Rechtskunde eine Aufklärungspflicht über die Notwendigkeit der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung gegenüber ihrem minderjährigen Kunden haben und diesem wegen positiver Forderungsverletzung schadensersatzpflichtig sein, sofern ihm ein Schaden erwachsen ist; dabei ist freilich § 254 BGB (insbesondere § 254 II 2 i. V. m. § 278 BGB hinsichtlich des gesetzlichen Vertreters) zu beachten. Bei einer Einlösung auf Kredit steht einem Anspruch der Bank aus § 607 BGB allerdings das Genehmigungserfordernis der §§ 1643, 1822 Nr. 8 BGB entgegen, so daß nur Ansprüche aus G. o. A. oder § 812 BGB in Betracht kommen. b) Fälschung und Verfälschung Bei der Fälschung und der Verfälschung des Schecks fehlt es ebenfalls an einer 7 1 0 rechtsgeschäftlich wirksamen Zahlungsanweisung des Ausstellers an die bezogene Bank. Auch nach den Regeln über die Rechtsscheinhaftung läßt sich eine Haftung des Ausstellers gegenüber der Bank hier grundsätzlich nicht begründen, da die Schaffung des Scheintatbestandes bei Fälschung und Verfälschung i. d. R. nicht zurechenbar ist 28 . Anders ist folgerichtig dann zu entscheiden, wenn ausnahmsweise im Einzelfall doch einmal die Möglichkeit der Zurechnung gegeben ist. Das richtet sich bei der Rechtsscheinhaftung im allgemeinen und bei der wertpapierrechtlichen Haftung im besonderen nach dem Risikoprinzip. Zu folgen ist daher grundsätzlich der von Ulmer begründeten Sphärentheorie29. Danach haftet der Aussteller der Bank trotz der Fälschung gemäß § 670 BGB, sofern der Mangel aus seiner Sphäre stammt, also z. B. wenn ihm das Scheckheft abhanden gekommen ist — sei es auch ohne sein Verschulden — oder er eine Verfälschung durch eine unsorgfältige Ausfüllung des Schecks ermöglicht hat. Demgegenüber will die h. L. das Fälschungsrisiko grundsätzlich der Bank auferlegen und den Aussteller nur unter den Voraussetzungen der positiven Forderungsverletzung, also insbesondere nur bei Verschulden haften lassen 30 . Für die h. L. scheint auf den ersten Blick die Parallele zur Regelung im Girovertragsrecht zu sprechen (vgl. dazu eingehend oben Rdn. 368. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß der Scheck im Gegensatz zum Uberweisungsauftrag ein Wertpapier i. e. S. darstellt und daß im Wertpapierrecht wesentlich strengere Rechtsscheinregeln gelten als sonst; insbesondere wird hier grundsätzlich für jede Art und Form einer zurechenbaren Risikosetzung gehaftet 31 . Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß der Anspruch der Bank aus § 670 BGB in dem Scheck nicht verbrieft sei, also nicht den besonderen wertpapierrechtlichen Schutz verdiene; denn jedenfalls ist die Zahlungsanweisung in dem Scheck verbrieft, und diese zieht ipso iure den Anspruch aus § 670 BGB nach sich, so daß die Anwendung der spe28
Vgl. dazu allgemein Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 468 f. " Vgl. Ulm er S. 315 f; ebenso Rehfeldt/Zöllner § 26 VI 2. 30 Vgl. R G Z 92, 50, 51; 100, 55, 60; 161, 174, 181; Meyer-Cording S. 104 f; Baumbach/Hefermehl
31
Art. 3 SchG Rdn. 7 und 8; differenzierend Jacobi S. 403 f, der offenbar zwischen aktivem und passivem K o n t o des Ausstellers unterscheiden will, was jedoch willkürlich erscheint. Vgl. näher Canaris Die Vertrauenshaftung a a O S. 235 ff, 246 ff, 487 f.
Claus-Wilhelm Canaris
371
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
zifisch wertpapierrechtlichen erscheint. 711
Rechtsscheinregeln
zugunsten
der
Bank
berechtigt
Die Problematik hat allerdings mehr dogmatische als praktische Bedeutung, da die Banken dem Kunden ohnehin das Fälschungsrisiko in ihren Scheckbedingungen aufzuerlegen pflegen und von dieser Möglichkeit derzeit in Ziff. 11 der Scheckbedingungen Gebrauch gemacht haben. Trotz des nicht völlig zweifelsfreien Wortlauts handelt es sich dabei um eine echte Risikoabwälzungsklausel, so daß die Bank bei Einlösung eines ge- oder verfälschten Schecks den Anspruch aus § 670 BGB und ein Recht zur Kontobelastung hat und nicht auf die Geltendmachung eines bloßen Schadensersatzanspruchs — der z. B. u. U. die Undurchsetzbarkeit etwaiger Ansprüche gegen den Fälscher oder den Zahlungsempfänger voraussetzen würde — beschränkt ist. Das ergibt sich insbesondere aus der Hervorhebung der Verschuldenshaftung der Bank in Abs. 2 der Klausel, die nur Sinn hat, wenn das Fälschungsrisiko an sich beim Kunden liegt. Der Abwälzungs- und Freizeichnungsmöglichkeit sind von Rspr. und h. L. mit Recht Grenzen gezogen worden. Diese ergeben sich in gewissem Umfang schon aus dem Grundsatz einer restriktiven Auslegung derartiger Klauseln 3 2 ; das gilt auch vom Boden der hier vertretenen „Sphärentheorie" aus, da die Banken das Risiko in wesentlich weiterem Umfang abwälzen, als es nach der „Sphärentheorie" gerechtfertigt wäre. Nicht einmal des Restriktionsgrundsatzes bedarf es zur Begründung dafür, daß Ziff. 11 der Scheckbedingungen nicht eingreift, wenn die Bank das Scheckheft einem Unberechtigten aushändigt, der sich nicht durch die Vorlage des Vordrucks der Empfangsbescheinigung legitimiert hat (vgl. O L G Köln W M 1972 943, 944); denn dabei geht es nicht um das Risiko einer Fälschung oder eines Mißbrauchs von Vordrucken, sondern um das allgemeine Risiko des Fehlens der Vertretungsmacht oder Empfangszuständigkeit, auf das Ziff. 11 nicht zugeschnitten ist. Im übrigen folgen die Grenzen der Risikoverlagerung aus den Regeln über die Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß § 9 AGBG. Unzulässig wäre danach vor allem, wenn die Banken ihre Pflicht zu sorgfältiger Prüfung vorgelegter Schecks ausschließen würden 3 3 . Das ergibt sich vor allem daraus, daß es dem Kunden schlechterdings unmöglich ist, sich vor Unvorsichtigkeiten der Bank bei der Auszahlung zu schützen; er würde durch den Haftungsausschluß daher insoweit praktisch recht- und schutzlos gestellt, was in AGB nicht zulässig ist. Auch wird man die Prüfungspflicht als eine „Kardinalpflicht" der Bank i. S. von § 9 II Ziff. 2 AGBG ansehen müssen. Die Banken tragen diesen Beschränkungen denn auch Rechnung, indem sie die Verschuldenshaftung in Ziff. 11 der Scheckbedingungen von dem Haftungsausschluß ausnehmen; die frühere Begrenzung der H a f t u n g auf „nachgewiesenes" Verschulden, gegen deren Gültigkeit schwerste Bedenken bestanden (vgl. Erstauflage Anm. 276) und die heute jedenfalls gegen § 11 Nr. 15 a AGBG verstoßen würde, ist in der derzeitigen Fassung der Klausel nicht mehr enthalten. Dogmatisch gesehen führt eine Verletzung der Prüfungspflicht nicht zur Unanwendbarkeit der Risikoabwälzungsklausel (a. A. K G W M 1979 478, 479), sondern zu einem Gegenanspruch des .Kunden aus positiver Forderungsverletzung. Das dürfte jedoch trotz des Schadenserfordernisses nicht zur Folge haben, daß der Kunde von der Bank nur dann Ersatz verlangen kann, wenn er mit seinen Ansprüchen gegen
32 Vgl. R G Z 161, 174, 182 f ; R G J W 1919, 8 2 1 ; 1921, 3 9 5 ; Ulmer S. 3 1 6 ; Meyer-Cording S. 108. 33 Vgl. B G H W M 1969, 240, 241 u n t e r u n z u t r e f f e n d e r B e r u f u n g auf R G Z 161, 174, 181 f f , w o n u r mit d e m G r u n d s a t z restriktiver A u s l e g u n g g e a r beitet wird u n d die M ö g l i c h k e i t eines A u s s c h l u s -
372
ses d e r P r ü f u n g s p f l i c h t S. 183 g r u n d s ä t z l i c h bejaht wird; für Unabdingbarkeit ferner z . B . O L G K a r l s r u h e W M 1975, 4 6 0 ; O L G M ü n c h e n W M 1977, 1036, 1037; L G F r a n k e n t h a l W M 1975, 482, 4 8 3 ; Baumbach/Hefermehl Art. 3 S c h G R d n . 10 m. w. N a c h w .
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks
den Fälscher u n d / o d e r Zahlungsempfänger nachweisbar ausfällt; vielmehr kann er nach dem Rechtsgedanken von § 255 BGB von der Bank Schadensersatz gegen Abtretung dieser Ansprüche — z. B. der Eingriffskondiktion gegen den Zahlungsempfänger (vgl. unten Rdn. 737) — fordern, sofern nicht sogar ohnehin eine gesamtschuldnerische H a f t u n g der Bank und des Dritten gegeben ist. Was den Inhalt der Prüfungspflicht betrifft, so dürfen die Anforderungen hier nicht 7 1 2 überspannt werden. V o r allem ist zu bedenken, daß das Scheckgeschäft ein Massengeschäft ist und seiner Funktion nach eine rasche und reibungslose Abwicklung fordert. Die Bank kann daher nicht schon dem geringfügigsten Verdachtsmoment nachgehen und deshalb bei dem Aussteller rückfragen. Eine ungewöhnlich hohe Summe stellt für sich allein noch kein hinreichendes Verdachtsmoment dar (vgl. aber R G J W 1919 36, 38). Dasselbe gilt für eine Kontoüberziehung, es sei denn, diese fällt ihrer Art oder H ö h e nach stark aus dem Rahmen des Üblichen (vgl. auch O L G Celle W M 1976 677, 678 sowie näher oben Rdn. 697). Daß der Bank der Überbringer unbekannt ist, begründet selbstverständlich ebenfalls keinen hinreichenden Verdacht, da diese Möglichkeit geradezu in der Natur des Schecks liegt (vgl. auch R G Z 81 254, 256). Auch daß der Begünstigte zugleich Mitunterzeichner in Vertretung des Ausstellers ist, braucht die Bank f ü r sich allein noch nicht stutzig zu machen, da dies im Geschäftsleben keine Seltenheit ist (vgl. B G H W M 1969 240, 241). Angaben über den Verwendungszweck sowie überhaupt die Besonderheiten des Valutaverhältnisses gehen die Banken grundsätzlich nichts an und brauchen daher bei der Überprüfung des Schecks nicht berücksichtigt zu werden (vgl. B G H W M 1969 240 unter 3). Abweichungen der Unterschriften von den Schriftproben oder von den Unterschriften auf anderen Schecks bzw. Überweisungsaufträgen sind jedenfalls dann nicht notwendig ein besonderes Verdachtsmoment, wenn auch die echten Unterschriften des Ausstellers stark divergieren und der Bank das aus ihrem bisherigen Verkehr mit dem Kunden bekannt ist (ähnlich B G H W M 1969 241 Sp. 2; ähnlich O L G Karlsruhe W M 1975 460). Ein Vergleich mit der Unterschriftenprobe ist nicht bei jeder Scheckeinlösung erneut erforderlich, wenn der überprüfende Bankangestellte laufend das Konto des betreffenden Kunden führt und daher mit dessen Unterschriftsbild inzwischen hinlänglich vertraut ist (vgl. B G H a a O ; ähnlich O L G H a m m W M 1975, 480). Weist die Unterschrift einen Zusatz auf, der in der Unterschriftsprobe nicht enthalten ist, so braucht das keinen Anlaß zu Erkundigungen zu geben, sofern nicht dadurch nach den Umständen auf eine andere Person als den Zeichnungsberechtigten hingewiesen wird (vgl. B G H W M 1971 474). Rasuren und Abänderungen müssen der Bank zwar i. d. R. auffallen (vgl. R G Z 161 174, 183), doch braucht nicht jeder Scheck gegen das Licht gehalten zu werden (RGZ 100 31, 35). Insgesamt gesehen genügt eine Bank ihrer Prüfungspflicht i. d. R., wenn sie sich in einer den Anforderungen des Massenverkehrs entsprechenden Weise davon überzeugt, daß der Scheck seinem äußeren Gesamtbild nach den Eindruck der Echtheit macht (vgl. B G H W M 1969 240, 241; O L G Frankfurt W M 1972 861; O L G Karlsruhe W M 1975 460; O L G Hamm W M 1975 480; KG W M 1979 479). O b das der Fall war, kann dabei nur auf Grund der Originale und nicht an Hand von Lichtbildern entschieden werden (vgl. B G H W M 1971 474). Bei Barauszahlung eines Schecks durch eine nichtbezogene Filiale liegt i. d. R. eine 7 1 3 Verletzung der Prüfungspflicht vor (vgl. auch LG Berlin W M 1977 150, 151 ; a. A. LG Frankenthal W M 1975 482, 483). Denn die Bank kann in einem solchen Fall einen Unterschriftsvergleich nicht durchführen. Daß dieser durch eine telephonische Plausibilitätsprüfung, bei der die auffälligsten Charakteristika fernmündlich verglichen werden, ersetzt werden kann, dürfte auch dann zu verneinen sein, wenn es sich nur um kleinere Claus-Wilhelm Canaris
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung Beträge (bis zu einer Größenordnung von ca. D M 5000,—) handelt (a. A. wohl KG W M 1979 478, 479 f). Eine solche Prüfung stellt nämlich keine gleichwertige Sicherung dar, weil sie nicht dieselbe Gewähr für eine Aufdeckung von Fälschungen bietet wie der unmittelbare visuelle Vergleich bzw. die Vertrautheit mit der Unterschrift des Ausstellers. Auch ist es je nach den Vermögensverhältnissen des Kontoinhabers eine höchst relative Frage, ob der betreffende Betrag als hoch anzusehen ist oder nicht. Vor allem aber darf man nicht vergessen, daß die Bank sich hier nicht im Bereich voller Vertragsfreiheit bewegt, sondern die Grenzen von § 9 AGBG zu respektieren hat. Diese sind überschritten, wenn man ihr zusätzlich zu der grundsätzlichen Abwälzung des Fälschungsrisikos nun auch noch die Aushöhlung der — unabdingbaren! — Prüfungspflicht durch die Vornahme einer bloßen telephonischen Plausibilitätsprüfung oder gar durch den Verzicht auf jeden Unterschriftsvergleich gestattet. Denn durch die Risikoabwälzung schafft die Bank eine besondere Gefahrenlage für den Kunden, die nur dann vertretbar ist, wenn sie durch entsprechende Sorgfaltspflichten in Grenzen gehalten wird; wohl kaum würde die Bank sich mit einer Plausibilitätsprüfung begnügen, wenn sie selbst das Fälschungsrisiko trüge, wie das ja an sich grundsätzlich der gesetzlichen Lage entspricht! Im übrigen ist eine Herabsetzung der Sorgfaltsanforderungen auch deswegen nicht zu rechtfertigen, weil die nichtbezogene Filiale grundsätzlich die sofortige Barauszahlung ablehnen und den Scheckinhaber auf eine Einreichung des Schecks zum Inkasso oder eine Vorlage bei der bezogenen Filiale verweisen kann. Eine Einlösungsverweigerung i. S. von Art. 40 ScheckG liegt darin nicht, weil die Zahlungsanweisung auf die kontoführende Filiale lautet und eine zum Protest berechtigende Vorlegung daher gemäß §§ 133, 157 BGB nur bei dieser erfolgen kann. Es kann auch keine Rede davon sein, daß der Scheck seine Funktionsfähigkeit als Zahlungsmittel z. T. verlieren würde, wenn man Barschecks nicht ohne weiteres auch bei einer nichtbezogenen Filiale einlösen kann. Insbesondere kann der Aussteller selbst dies ohne weiteres tun, weil er sich durch Ausweisung und/oder Scheckkarte legitimieren kann und dabei mühelos ein Unterschriftsvergleich möglich ist (unrichtig daher LG Frankenthal W M 1975 483). Legt aber ein anderer als der Aussteller einen Scheck bei einer nichtbezogenen Filiale vor, so liegt darin sogar geradezu eine Beeinträchtigung des ordnungsgemäßen Zahlungsverkehrs und ein erhebliches Verdachtsmoment, zumal auch dem Vorleger selbst bewußt sein muß, daß diese Filiale keinen Unterschriftenvergleich vornehmen kann. Es besteht daher aller Anlaß zu einer Ablehnung der Barauszahlung. Demgemäß ist auch im Rahmen der Kausalitätsprüfung nicht ausschlaggebend, ob die kontoführende Filiale die Fälschung hätte erkennen können und müssen, wenn der Scheck bei ihr vorgelegt worden wäre (so aber LG Frankenthal und LG Berlin aaO), sondern vielmehr, ob der Scheck auch dann (ohne Verletzung der Prüfungspflicht) eingelöst worden wäre, wenn die nichtbezogene Filiale die Barauszahlung abgelehnt hätte. 714
Auf Seiten des Ausstellers kann ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB vorliegen. Denn es ist grundsätzlich Sache des Kontoinhabers, durch eine entsprechende Organisation seines Betriebes die Gefahr der Fälschung oder des Mißbrauchs seiner Schecks so weit wie möglich einzuschränken. Dazu gehört insbesondere, daß der Geschäftsinhaber oder ein vertrauenswürdiger Angestellter, der selber mit Schecks nicht unmittelbar zu tun hat, deren Verwendung an Hand der Bankauszüge laufend überwacht (vgl. BGH WM 1965 741, 743; 1969 240, 241; OLG Karlsruhe W M 1975 460). Sorgfaltsverstöße seiner Angestellten muß sich der Aussteller im Rahmen von § 278 BGB zurechnen lassen; allerdings stellt nicht auch die Fälschung selbst ein unter § 278 BGB fallendes Verhalten dar, so daß der Aussteller nicht etwa auf diese Weise ohne weiteres 374
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n der b e z o g e n e n Bank und d e m Aussteller des S c h e c k s
f ü r Fälschungen seiner Angestellten nach § 254 BGB einzustehen hat (vgl. Liesecke W M 1970 507 sowie oben Rdn. 371 Abs. 2; vgl. im übrigen auch unten Rdn. 814 f). c) Vertretung ohne Vertretungsmacht Dieselben Regeln wie bei der Fälschung kommen grundsätzlich auch bei der — mit 7 1 5 dieser ohnehin nahe verwandten — Vertretung ohne Vertretungsmacht zur Anwendung. Ausgangspunkt muß daher auch hier die Feststellung sein, daß es in einem derartigen Falle an einer wirksamen Anweisung und damit an den Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 670 BGB fehlt. Auch hier hat jedoch folgerichtig eine Risikoverteilung nach Sphärengesichtspunkten zu erfolgen; demgemäß muß sich ein Kaufmann oder der Inhaber eines kaufmannsähnlichen Unternehmens die Handlungen seiner Angestellten grundsätzlich als Teil des kaufmännischen Betriebsrisikos zurechnen lassen 34 . Auch hier greift jedoch regelmäßig die noch weitergehende Gefahrüberwälzungsklausel gemäß Ziff. 11 der allgemeinen Scheckbedingungen ein, da diese nicht nur die Fälschung, sondern auch den „Mißbrauch" von Schecks betrifft. Es bewendet daher auch insoweit bei der unabdingbaren Pflicht der Bank zu sorgfältiger Uberprüfung der eingereichten Schecks. Ist der Stellvertreter, der den Scheck ausstellt, zugleich Zahlungsempfänger, so ist 7 1 6 das Verbot des Selbstkontrahierens gemäß § 181 BGB nicht berührt. Denn die in dem Scheck liegende Zahlungsermächtigung stellt ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber der Bank dar, so daß der Stellvertreter insoweit nur auf einer Seite desselben beteiligt ist (vgl. B G H W M 1969 240 und dazu auch oben Rdn. 169). Daran ändert auch eine etwaige Unwirksamkeit des Begebungsvertrags nach § 181 BGB nichts, weil diese die Wirksamkeit der Scheckanweisung nicht beeinträchtigt (vgl. B G H aaO). Die Bank kann daher nur dann das Konto des Vertretenen nicht belasten, wenn die Voraussetzungen eines Mißbrauchs der Vertretungsmacht vorliegen (vgl. zu diesen oben Rdn. 170). Die bloße Tatsache, daß der Stellvertreter zugleich Zahlungsempfänger ist, bildet für sich allein kein Verdachtsmoment, dem die Bank nachgehen muß (vgl. B G H aaO). Dagegen liegt in der Auszahlung des Schecks an den Stellvertreter in aller Regel dann eine Pflichtverletzung, wenn dessen Vertretungsmacht lediglich auf einer Kontovollmacht beruhte und diese der Bank gegenüber widerrufen worden war 3 5 . d) Willensmängel und das Fehlen eines wirksamen Begebungsvertrags Auf die Scheckanweisung sind grundsätzlich die §§ 116 ff BGB anzuwenden. Eine 7 1 7 Anfechtung kann gemäß § 143 III 1 BGB wohl wahlweise gegenüber der Bank oder dem ersten Nehmer erklärt werden 3 6 , da beide Adressaten einer der beiden in der Anweisung enthaltenen Ermächtigungen sind. Der jeweils andere Teil ist dann zumindest analog §§ 170 ff BGB zu schützen. Darüber hinaus kommt die Bank nach richtiger Ansicht sogar in den Genuß eines spezifisch wertpapierrechtlichen Rechtsscheinschutzes. Denn sie darf bei Zahlung auf einen wirksam angefochtenen Scheck nicht schlechter stehen als z. B. bei dessen Erwerb im Wege des Diskonts. Anders als im Girovertragsrecht kann hier also die Bank den Anspruch aus § 670 BGB gutgläubig erwer34
Vgl. dazu näher, wenngleich ohne unmittelbaren Bezug zum Scheckrecht, Canaris Die Vertrauenshaftung a a O S. 228 ff. 35 Richtig daher i. E. wohl KG Berlin W M 1977, 1236, wo freilich Ziff. 11 bzw. Ziff. 10 a. F. der Scheckbedingungen gar nicht geprüft worden ist.
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Die Frage ist vor allem für die Anfechtung einer Vollmacht viel diskutiert worden und hier ebenso zu entscheiden wie dort; vgl. dazu statt aller Thiele in MünchKomm. § 167 Rdn. 95 m. Nachw.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung ben 3 7 . D a ß dieser nicht verbrieft ist, steht nicht entgegen, weil ja jedenfalls die Zahlungsanweisung verbrieft ist. 718
Entsprechendes gilt bei sonstigen Willensmängeln wie z. B. in den Fällen der §§ 1 1 6 — 1 1 8 B G B . Bloße Mängel des Begebungsvertrages werden dagegen meist schon unabhängig von Rechtsscheingrundsätzen unbeachtlich sein, weil (und sofern) sie die Gültigkeit der Scheckanweisung nicht berühren (vgl. z . B . oben Rdn. 716 zu § 1 8 1 B G B ) . Ist ausnahmweise auch diese unwirksam, erwirbt die Bank den Anspruch aus § 6 7 0 B G B wiederum nach Rechtsscheingrundsätzen. Zu denken ist vor allem an das Abhandenkommen des Schecks nach ordnungsgemäßer Ausstellung; denn dabei fehlt zum einen eine wirksame Anweisung, weil deren rechtsgeschäftlicher Tatbestand erst mit der willentlichen Entäußerung vollendet ist, zum anderen aber sind die Voraussetzungen einer Rechtsscheinhaftung gegeben, weil durch die Ausstellung in zurechenbarer Weise ein Scheintatbestand geschaffen worden ist.
e) Formnichtigkeit und Unklagbarkeit der Kausalforderung 719
Formnichtigkeit und Unklagbarkeit der Kausalforderung lassen als bloße Mängel des Valutaverhältnisses die Scheckanweisung sowohl in ihrem ermächtigungs- als auch in ihrem weisungsrechtlichen Bestandteil grundsätzlich unberührt. Aus Vorschriften wie § 518 1 2 oder § 762 II B G B ergibt sich nichts Gegenteiliges, weil danach nur eine „Verbindlichkeit" des Ausstellers, also seine Regreßhaftung gemäß Art. 12 S c h e c k G , nicht aber eine Zahlungsanweisung unwirksam ist. Gewiß würde niemand auf den Gedanken kommen, einen Überweisungsauftrag, der zur Erfüllung eines Schenkungsoder Bürgschaftsversprechens oder einer Naturalobligation erteilt wird, als unwirksam anzusehen. Dann aber kann für die in dem Scheck liegende Anweisung nichts anderes gelten.
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Daraus wird man wertpapierrechtlich den Schluß zu ziehen haben, daß entgegen der h. L. die Ubereignung des Papiers und damit auch der Begebungsvertrag wirksam ist (a. A. z. B. noch Hueck/Canaris § 19 II 4 a a. E . m. Nachw.). Denn da der Scheck eine Zahlungsanweisung verbrieft, erscheint es nicht folgerichtig, trotz deren W i r k samkeit die Ubereignung der Anweisungsurkunde für nichtig zu erklären und den Inhaber zum Nichtberechtigten zu stempeln. Das gilt um so mehr, als der Begebungsvertrag sich hier in der Ubereignung erschöpft und nicht zugleich die Begründung der Regreßhaftung des Ausstellers, die nicht kraft Parteiwillens, sondern kraft Gesetzes eintritt, zum Inhalt hat (vgl. Hueck/Canaris § 3 I 2 b und § 8 V I I I 2). Die Analogie zu §§ 518 1 2, 762 II B G B führt daher zwar zur Unwirksamkeit der Regreßhaftung — was methodologisch mit dem V o r r a n g des Schutzzwecks dieser Vorschriften vor Art. 12 S c h e c k G zu begründen ist — , läßt aber die Wirksamkeit des Begebungsvertrags unberührt. Das hat auch bankrechtliche Auswirkungen (vgl. z. B. unten Rdn. 841 zur Scheckkarte). 5. Die Auszahlung an einen Nichtberechtigten
a) Das Erfordernis formeller und materieller Berechtigung des Vorlegers 721
Bei Auszahlung an einen Nichtberechtigten hat die Bank grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Aussteller aus § 670 B G B . Denn die in dem Scheck enthaltene Zahlungsanweisung an die Bank kann sinnvollerweise nur als eine solche zur Zahlung an den Berechtigten verstanden werden, zumal es keineswegs sicher ist, daß der Aus37
Vgl. auch Hueck/Canaris § 11 IV 2 e zum entsprechenden Problem beim Wechsel.
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II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks steller durch die Auszahlung an einen Nichtberechtigten überhaupt von der dem Scheck zugrunde liegenden kausalen Schuld befreit wird (vgl. dazu unten Rdn. 775), so daß seinem mutmaßlichen Willen und Interesse ersichtlich nur die Zahlung an den Berechtigten entspricht 3 8 . Auch Art. 35 ScheckG geht ersichtlich davon aus, daß die Bank nicht ohne weiteres durch die Zahlung an den Nichtberechtigten befreit wird; denn diese Vorschrift, die genau die hier in Frage stehende Rückgriffsmöglichkeit der Bank gegen den Aussteller betrifft 3 9 , befreit die Bank von der Prüfungspflicht hinsichtlich der Unterschriften der Indossanten, legt ihr aber eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente auf. Die Bank hat also jedenfalls keinen Anspruch aus § 670 B G B , wenn sie die formelle Berechtigung des Scheckinhabers nicht sorgfältig geprüft hat. Dabei wird man ihr allerdings in Analogie zu Art. 40 III 1 W G nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zur Last legen dürfen 4 0 ; zwar ist die Bank wegen des Akzeptverbots dem Inhaber grundsätzlich nicht zur Zahlung verpflichtet, doch nötigt die Reibungslosigkeit des Scheckverkehrs sie zu einer raschen Erledigung, und außerdem befindet sie sich auch insofern in einer gewissen Zwangslage, als sie dem Aussteller aus dem Scheckvertrag zur Zahlung an den Inhaber verpflichtet ist und ihm bei einer Zahlungsverweigerung oder -Verzögerung u. U. schadensersatzpflichtig werden kann (vgl. oben Rdn. 689). Dem entspricht die Regelung von Ziff. 4 der Scheckbedingungen, wonach die bezogene Bank bei Vorliegen besonderer Verdachtsgründe die Berechtigung des Einreichers zu prüfen hat, jedoch nur für grobe Fahrlässigkeit haftet. Ein anderes Problem ist, ob die Bank auch zur Prüfung der materiellen Berechti- 7 2 2 gung des Scheckinhabers verpflichtet ist. Der Umkehrschluß aus Art. 35 sowie die Vorschrift des Art. 19 ScheckG, wonach der formell Berechtigte auch als materiell berechtigt anzusehen ist, legen eine Verneinung dieser Frage nahe 4 1 . Indessen sprechen die am Anfang der vorigen Rdn. vorgetragenen Gründe für die entgegengesetzte Entscheidung. Die Bank ist daher auf Grund des Scheckvertrags auch zur Prüfung der materiellen Berechtigung verpflichtet, wobei ihr freilich auch insoweit nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit schaden 4 2 . Das entspricht wiederum Ziff. 4 der Scheckbedingungen, wo nicht zwischen formeller und materieller Berechtigung differenziert wird. Konstruktiv gesehen ist dabei davon auszugehen, daß der Anspruch aus § 670 B G B bei Zahlung an den materiell Nichtberechtigten an sich nicht gegeben ist, daß die Bank ihn aber wegen der wertpapierrechtlichen Verkörperung der Zahlungsanweisung in dem Scheck gleichwohl nach Rechtsscheingrundsätzen gutgläubig erwerben kann. b) Die Rechtslage beim Verrechnungsscheck Die im Vorstehenden entwickelten Regeln gelten grundsätzlich auch für Verrech- 7 2 3 nungsschecks. Die Bank erwirbt daher den Anspruch aus § 670 B G B gegen den Aussteller auch durch eine Gutschrift zugunsten eines Nichtberechtigten, sofern sie gutgläubig war. Wenn sie dagegen bösgläubig war, hat sie keinen Anspruch gegen den Aussteller erlangt und darf daher dessen Konto nicht belasten; tut sie es gleichwohl, so 38
39
S o i. E. wohl auch Baumbach/Hefermehl Art. 3 S c h G R d n . 5 a. E . ; a n d e r s Ulmer S. 321, der die hier abgelehnte Ansicht vertritt, § 670 B G B setze nur v o r a u s , d a ß die B a n k d a s nach ihrem s u b j e k tiven E r m e s s e n E r f o r d e r l i c h e g u t g l ä u b i g getan hat, vgl. d a z u kritisch oben R d n . 368. E b e n s o z. B. Baumbach/Hefermehl R d n . 1.
Art. 35 S c h G
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S o i. E. auch Ulmer S. 3 2 1 ; Baumbach/Hefermehl Art. 35 W G R d n . 2 ; noch weitergehend Jacobi S . 141, der s o g a r g r o b e Fahrlässigkeit für unschädlich hält.
' S o o f f e n b a r in der T a t Jacobi S . 140. S o i. E. auch UlmerS. 321; Baumbach/Hefermehl Art. 35 S c h G R d n . 2 ; Reinhardt Gedächtnisschrift f ü r R . S c h m i d t , S . 117.
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6. Abschnitt. D i e S c h e c k z a h l u n g
hat dieser vor der Saldofeststellung den Anspruch aus seinem wirklichen Guthaben und nach der Saldofeststellung einen Berichtigungsanspruch aus § 812 BGB. Auch Schadensersatzansprüche aus § 990 B G B können in Betracht kommen, sofern der Aussteller noch Eigentümer des Schecks war (vgl. B G H W M 1965 741); allerdings wird es angesichts der zuvor geschilderten Rechtslage meist an einem Schaden des Ausstellers fehlen (unklar insoweit der B G H aaO). — Grobe Fahrlässigkeit der Bank und damit böser Glaube ist z. B. dann anzunehmen, wenn ein als solcher bekannter Buchhalter des Ausstellers Inhaberverrechnungsschecks, die üblicherweise zur Bezahlung von Rechnungen dienen und einen bestimmten Zahlungsempfänger angeben, zur Gutschrift auf sein eigenes Konto einreicht und die Bank ihn nicht einmal auffordert, seine Berechtigung zur Einziehung der Schecks näher darzulegen (vgl. B G H W M 1965 741 und dazu auch die verwandte Problematik unten Rdn. 803). 724
Scharf von dem Problem der mangelnden materiellen Berechtigung des Einreichers und der Bösgläubigkeit der Bank zu unterscheiden ist die Frage, ob die Bank den Anspruch aus § 670 B G B durch eine Verletzung des Barzahlungsverbots gemäß Art. 39 II ScheckG verliert. D a s könnte deshalb zu bejahen sein, weil die Barzahlung eine gemäß § 665 B G B unzulässige Abweichung von den Weisungen des Ausstellers darstellt und dieser ein weisungswidrig durchgeführtes Geschäft grundsätzlich nicht als Durchführung des Auftrags gelten zu lassen braucht, so daß folgerichtig der Anspruch aus § 670 B G B hinfällig wird 4 3 . Anders ist jedoch zu entscheiden, soweit Treu und Glauben dies gebieten. D a s ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn das Geld trotz der weisungswidrigen Durchführung des Auftrags in die Verfügungsmacht dessen gelangt, für den es bestimmt ist (vgl. oben Rdn. 350 m. Nachw.). Bei Barzahlungen an den Berechtigten bleibt der Bank ihr Anspruch aus § 670 B G B daher grundsätzlich erhalten 4 4 . D a s gilt allerdings nicht, wenn dem Scheckinhaber das Geld im Verhältnis zum Aussteller nach den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen nicht zustand — z. B. wegen Nichtigkeit oder Anfechtung des Kausalverhältnisses oder des Begebungsvertrags — und der Aussteller die Auszahlung noch rechtzeitig verhindert hätte, sofern die Bank statt der Barzahlung eine Gutschrift vorgenommen hätte 4 5 . Das ergibt sich vom hier vertretenen Standpunkt aus schon daraus, daß es dem Aussteller in einem derartigen Fall nicht durch § 242 B G B verwehrt sein kann, die Weisungswidrigkeit des Handelns der Bank geltend zu machen. Statt dessen den Schadensersatzanspruch aus Art. 39 IV ScheckG heranzuziehen 4 6 , ist nicht überzeugend, weil diese Vorschrift richtiger Ansicht nach gar nicht das Verhältnis zum Aussteller, sondern das zu den übrigen, mit der Bank nicht in vertraglichen Beziehungen stehenden Scheckverpflichteten betrifft 4 7 ; denn dem Aussteller gegenüber haftet die Bank ohnehin schon aus dem Scheckvertrag, und es ist kaum anzunehmen, daß Art. 39 IV ScheckG demgegenüber eine abschließende Sonderregelung geben will, weil das „interne" Scheckrecht gar nicht Gegenstand des dem ScheckG zugrunde liegenden Abkommens war, sondern den einzelnen Vertragsstaaten überlassen geblieben ist, und weil überdies die in Art. 39 IV ScheckG vorgesehene höhenmäßige Begrenzung der H a f t u n g dem Aussteller gegenüber angesichts des Bestehens des Scheckvertrages unberechtigt erschiene.
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Am schwierigsten ist die Problematik bei der Kombination der beiden bisher erörterten Fallkonstellationen, d. h. bei Barzahlung an einen Nichtberechtigten. Es sind « Vgl. z. B. B G H WM 1962, 460, 461; 1968, 1368; vgl. ferner oben Rdn. 346 ff m. w. Nachw. 4 4 So i. E. auch Ulmer S. 339; Baumbach/Hefermehl Art. 39 SchG Rdn. 2 und 6.
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So i. E. auch B G H WM 1961, 203; Baumbach/ Hefermehl Art. 39 SchG Rdn. 6. 4 6 Diesen Weg gehen der B G H und und ihm folgend Hefermebl aaO. » So mit Recht Jacobi S. 192 f. 45
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1981
II. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller des Schecks d a n n d i e b e i d e n s o e b e n e n t w i c k e l t e n R e g e l n z u v e r b i n d e n : die B a n k k a n n d e n A n s p r u c h a u s § 6 7 0 B G B bei Z a h l u n g a n e i n e n N i c h t b e r e c h t i g t e n g u t g l ä u b i g e r w e r b e n (vgl. o b e n R d n . 7 2 3 ) , u n d d e r A u s s t e l l e r k a n n d e n V e r s t o ß g e g e n d a s B a r z a h l u n g s v e r b o t n u r g e l t e n d m a c h e n , w e n n bei o r d n u n g s g e m ä ß e m V o r g e h e n d e r B a n k d e r S c h a d e n — h i e r a l s o die A u s z a h l u n g a n e i n e n N i c h t b e r e c h t i g t e n — v e r m i e d e n w o r d e n w ä r e . H i n s i c h t l i c h d e r l e t z t e r e n F r a g e w i r d m a n die B e w e i s l a s t f ü r d i e K a u s a l i t ä t des V e r s t o ßes d a b e i d e r B a n k a u f e r l e g e n m ü s s e n 4 8 ; d e n n diese h a t sich b e w u ß t ü b e r die u n m i ß verständliche W e i s u n g des Ausstellers, den Scheck n u r d u r c h G u t s c h r i f t einzulösen, h i n w e g g e s e t z t u n d h a n d e l t d a h e r i n s o w e i t „auf e i g e n e G e f a h r " . Ü b e r d i e s ist z u b e a c h t e n , d a ß d i e V e r l e t z u n g d e s B a r z a h l u n g s v e r b o t s r e g e l m ä ß i g a u c h bei d e r P r ü f u n g des guten G l a u b e n s d e r B a n k an die Berechtigung des Scheckinhabers negativ m i t z u b e r ü c k s i c h t i g e n ist; d e n n d a s V e r l a n g e n des S c h e c k i n h a b e r s n a c h b a r e r A u s z a h l u n g e i n e s V e r r e c h n u n g s s c h e c k s ist s o v e r d ä c h t i g , d a ß es d e r B a n k i. d. R . A n l a ß z u r g e n a u e r e n U b e r p r ü f u n g seiner materiellrechtlichen Legitimation geben m u ß . Im übrigen k ö n n e n h i n s i c h t l i c h d e r G u t g l a u b e n s p r ü f u n g im w e s e n t l i c h e n d i e G r u n d s ä t z e h e r a n g e z o g e n w e r d e n , die d i e R e c h t s p r e c h u n g i n s o w e i t f ü r A r t . 21 S c h e c k G u n d § 9 9 0 B G B e n t w i k k e l t h a t (vgl. d a z u u n t e n R d n . 801 f f , i n s b e s o n d e r e R d n . 807). 6. D e r T e x t der „ B e d i n g u n g e n für d e n Scheckverkehr" 1. Für die Ausstellung des Schecks sind nur die vom bezogenen Institut zugelassenen Scheck- 7 2 6 Vordrucke zu verwenden; anderenfalls besteht keine Einlösungsverpflichtung. Verwendet der Kunde eigene Scheckvordrucke, gelten ebenfalls diese Bedingungen. Scheckvordrucke werden gegen Empfangsbescheinigung ausgehändigt. Der Empfänger von Scheckvordrucken hat diese bei Empfang auf Vollständigkeit zu prüfen. 2. Scheckvordrucke sind mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren. Das Abhandenkommen von Scheckvordrucken oder des Vordrucks der Empfangsbescheinigung ist der kontoführenden Stelle unverzüglich mitzuteilen. Unbrauchbar gewordene Vordrucke sind vom Kontoinhaber sofort zu vernichten. Bei Beendigung des Scheckvertrages sind nichtbenutzte Vordrucke unverzüglich entweder in den Geschäftsräumen der kontoführenden Stelle zurückzugeben oder entwertet zurückzusenden. 3. Scheckvordrucke sind deutlich und korrekt auszufüllen sowie sorgfältig zu behandeln (z. B. nicht knicken, lochen, beschmutzen). Der Scheckbetrag ist in Ziffern und Buchstaben so einzusetzen, daß nichts hinzugeschrieben werden kann. 4. Das bezogene Institut ist befugt, die Berechtigung des Einreichers des Schecks oder der Empfangsbescheinigung zu prüfen; soweit das bezogene Institut eine solche P r ü f u n g vorzunehmen hat, haftet es nur f ü r grobes Verschulden. 5. Das bezogene Institut ist berechtigt, Schecks auch bei mangelndem Guthaben einzulösen. Bei Nichteinlösung wird dem Vorleger des Schecks ohne vorherige Rückfrage beim Kontoinhaber die gesetzlich vorgesehene Bescheinigung erteilt. Reicht bei Vorlegung eines Schecks das Guthaben zur vollen Einlösung nicht aus, so wird das bezogene Institut Teilzahlung nur dann leisten, wenn der Aussteller gesondert und im Einzelfall einen Auftrag dazu erteilt hat. 6. Schecks, die vor dem angegebenen Ausstellungstag vorgelegt werden, löst das bezogene Institut aus dem Guthaben des Kontoinhabers ohne vorherige Rückfrage bei Vorlegung ein. Im übrigen gelten auch f ü r diese Schecks die Regelungen in N r . 5. 7. Im Falle der Nichteinlösung eines Schecks obliegt die Verpflichtung zur Benachrichtigung des Ausstellers gemäß Art. 42 des Scheckgesetzes nicht dem letzten Inhaber des Schecks, sondern dem bezogenen Institut. Das bezogene Institut ist berechtigt, die Nichteinlösung ungedeckter Schecks einer Kreditschutzorganisation der Wirtschaft zu melden. 48 A. A. B G H W M 1961, 203; Art. 39 SchG Rdn. 6 a. E.
Baumbach/Hefermehl
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung 8. Überbringerschecks dürfen nur auf Vordrucken für Überbringerschecks, Orderschecks nur auf Vordrucken für Orderschecks ausgestellt werden. Änderungen und Streichungen des vorgedruckten Textes dürfen nicht vorgenommen werden. 9. Wenn auf einem im Inland ausgefüllten Scheckvordruck die Währungsangabe fehlt, kann das bezogene Institut in Deutscher Mark zahlen. Schecks, die auf Fremdwährung lauten, kann das bezogene Institut in Deutscher Mark einlösen. Es ist berechtigt, die Umrechnung durch die erste inländische Inkassostelle vornehmen zu lassen. Dabei wird der Briefkurs des der Umrechnung vorangegangenen Börsentages zugrunde gelegt. 10. Das bezogene Institut ist berechtigt, aber — soweit rechtlich zulässig — nicht verpflichtet, den Widerruf eines Schecks (Schecksperre) vor Ablauf der Vorlegungsfrist zu beachten. Der Widerruf eines Schecks braucht nur beachtet zu werden, wenn er der kontoführenden Stelle spätestens am Bankarbeitstag vor der Vorlage des Schecks zugeht. Nach Ablauf der Vorlegungsfrist hat das bezogene Institut eine Schecksperre nur für 6 Monate, gerechnet vom Eingang des Widerrufes, zu beachten; später vorgelegte Schecks kann das bezogene Institut einlösen, sofern der Aussteller die Sperre nicht schriftlich um weitere 6 Monate verlängert. 11. Alle Folgen eines Zuwiderhandelns gegen die vorstehenden Bedingungen sowie alle Nachteile des Abhandenkommens, der mißbräuchlichen Verwendung, der Fälschung und Verfälschung von Schecks, Scheckvordrucken und des Vordrucks der Empfangsbescheinigung trägt der Kontoinhaber. Das bezogene Institut haftet im Rahmen des von ihm zu vertretenen Verschuldens nur in dem Maße, als es im Verhältnis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat.
III. Die Rechtsverhältnisse beim Einzug des Schecks 1. D a s R e c h t s v e r h ä l t n i s zwischen d e m S c h e c k i n h a b e r u n d d e r b e z o g e n e n B a n k a) D a s F e h l e n eines a l l g e m e i n e n A n s p r u c h s auf E i n l ö s u n g 727
Einen spezifisch wertpapierrechtlichen Anspruch kann der Scheckinhaber g e g e n die b e z o g e n e Bank w e g e n des A k z e p t v e r b o t s g e m ä ß A r t . 4 S c h e c k G nicht erlangen; eine Ausnahme bildet nur die Sonderregelung des § 23 BundesBankG (vgl. dazu näher Baumbach/Hefermehl Art. 4 S c h G Rdn. 4 ff). Aber auch nach allgemeinem bürgerlichen Recht besteht grundsätzlich kein Anspruch g e g e n die b e z o g e n e Bank. U n z w e i f e l h a f t liegt nämlich in der Begebung des Schecks durch den Aussteller k e i n e Zession seines G u t h a b e n a n s p r u c h s g e g e n die Bank an den S c h e c k n e h m e r 4 9 , zumal dieser das k o n t o korrentrechtliche Abtretungsverbot entgegenstünde. Ebenso u n z w e i f e l h a f t ist der Scheckvertrag z w i s c h e n der Bank und dem Aussteller k e i n V e r t r a g z u g u n s t e n des S c h e c k i n h a b e r s i. S. v o n § 328 B G B 5 0 .
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D e r Scheckinhaber hat auch k e i n e n B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h g e g e n die b e z o g e n e Bank, w e n n diese Mittel, die ihr v o m Aussteller z u m Z w e c k e der Einlösung des betreffenden Schecks überlassen w o r d e n sind, weisungswidrig zur A b d e c k u n g v o n Schulden des Ausstellers bei ihr verwendet (vgl. B G H W M 1960 3 4 6 ; 1974 156); denn im V e r hältnis zwischen dem Scheckinhaber und der Bank liegen w e d e r die V o r a u s s e t z u n g e n der Leistungskondiktion n o c h die der Eingriffskondiktion vor. Allerdings kann in einem derartigen Fall unter besonderen Umständen ein S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h g e m ä ß § 826 B G B in Betracht k o m m e n (vgl. auch die verwandte Problematik o b e n Rdn. 133 bei Fn. 72).
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Schließlich scheidet auch ein Anspruch aus V e r t r a u e n s h a f t u n g k r a f t w i d e r s p r ü c h l i c h e n V e r h a l t e n s auf Einlösung des Schecks in aller Regel aus (vgl. auch Weber D B 49
Vgl. z. B. B G H Z 64, 340, 341; Zähmt S. 68; Rehfeldt/Zöllner § 26 VI 1; Hueck/Canaris § 20 I 2. 50 Vgl. z. B. B G H Z 3, 238, 241; B G H W M 1960, 346; 1974, 156; Ulmer S. 311; Baumhach/Hefer-
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mehl Art. 3 SchG Rdn. 3; Zähmt S. 70 f; vgl. auch zum entsprechenden Problem im Girovertragsrecht oben Rdn. 398.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D i e Rechtsverhältnisse beim E i n z u g des S c h e c k s
1974 714). Das gilt auch dann, wenn die Bank jahrzehntelang Schecks eines bestimmten Ausstellers zugunsten des Einreichers immer wieder eingelöst hat, obwohl der Aussteller bei ihr im Debet stand (vgl. B G H W M 1974 155, 156 unter II). Denn durch eine solche Übung wollte die Bank in erkennbarer Weise keine Rechtspflicht begründen, auch in Zukunft ebenso zu verfahren und die Schecks einzulösen; ihre Zahlungen erfolgten vielmehr „freiwillig". In derartigen Fällen ist aber eine Erfüllungshaftung kraft widersprüchlichen Verhaltens grundsätzlich abzulehnen, weil der Vertrauende insoweit nicht schutzwürdig ist und weil sonst außerdem die Gefahr einer Aushöhlung der Privatautonomie bestünde 5 1 ; die engen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise anders zu entscheiden ist 52 , werden im Verhältnis zum Scheckinhaber kaum jemals erfüllt sein. Unzutreffend erscheint es dagegen, hier schon das Bestehen eines rechtlich relevanten Vertrauensverhältnisses zu leugnen (so aber der B G H aaO); denn angesichts der langjährigen Übung kann sich ein solches durchaus gebildet haben, und es läßt sich auch kaum bestreiten, daß es sich dabei nicht lediglich um ein rein tatsächliches Verhältnis, sondern um ein solches auf Grund eines rechtsgeschäftlichen Kontaktes handelt, da durch die Zahlungen der Schecks ja eine Kontaktaufnahme innerhalb des rechtsgeschäftlichen Verkehrs erfolgt. Das hat erhebliche praktische Konsequenzen insofern, als der Schecknehmer dann u. U. wenigstens einen Schadensersatzanspruch wegen Schutzpflichtverletzung gemäß § 242 BGB gegen die Bank haben kann (nur eben keinen Erfüllungsanspruch auf Einlösung des Schecks). In der Tat dürfte es der Bank in derartigen Fällen nach Treu und Glauben obliegen, den Einreicher soweit möglich und tunlich davon zu benachrichtigen, daß sie in Z u k u n f t ungedeckte Schecks nicht mehr einlösen wird; daß dieser darauf nicht ohne weiteres vertrauen durfte, ist lediglich im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen, steht aber nicht generell der Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs entgegen, da im redlichen Geschäftsverkehr eine Warnpflicht schon dann bestehen kann, wenn der andere Teil erkennbar Opfer eines Mißverständnisses oder eines sonstigen Irrtums zu werden droht. Allerdings kommt eine solche Warnpflicht nur in Betracht, wenn wirklich ein konkretes Vertrauensverhältnis entstanden war wie im Falle einer „Übung" (vgl. den Fall B G H W M 1974 156). Eine allgemeine Warnpflicht der Bank, daß sie Schecks eines bestimmten Kunden nicht mehr einlösen werde, besteht dagegen auch gegenüber solchen Teilnehmern am Scheckverkehr nicht, denen gegenüber die Bank wiederholt Schecks des betreffenden Kunden eingelöst hatte (so mit Recht KG W M 1962 1385). b) Einlösungszusage und Scheckauskunft Der bezogenen Bank ist nach geltendem Recht nicht verboten, dem Scheckinhaber 7 3 0 gegenüber eine besondere Verpflichtung zur Einlösung der Schecks einzugehen. N u r eine spezifisch wertpapierrechtliche Verpflichtung mit ihren Besonderheiten, nicht aber auch eine bürgerlichrechtliche Verpflichtung wird nämlich durch das Akzeptverbot des Art. 4 ScheckG ausgeschlossen (vgl. z. B. Baumbach/Hefermehl Art. 4 Rdn. 2). Als Vertragstypus bietet sich dabei neben Bürgschaft und Schuldübernahme vor allem der Garantievertrag an 5 3 . Dieser setzt allerdings regelmäßig ein Eigeninteresse des Garanten voraus, doch ist dies nur eines unter mehreren möglichen Auslegungskriterien, und 51
52
Vgl. allgemein Canaris Die Vertrauenshaftung aaO S. 352 f sowie auch (bezüglich des Verhältnisses zum Aussteller) Z H R 143, 128. Vgl. dazu allgemein Canaris Die Vertrauenshaftung a a O S. 355 und 543 f.
53 Vgl. RG BankArch. 1925, 335; B G H WM 1956, 1293; 1959, 113; B G H LM N r . 19 zu § 328 BGB; LG Limburg BB 1952, 332; Baumbach/Hefermehl Art. 4 SchG Rdn. 2; vgl. ferner unten Rdn. 834 zur Scheckkarte.
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daher kann auf dieses Merkmal verzichtet werden, wenn sich aus den sonstigen Auslegungselementen, insbesondere aus dem klaren Wortlaut der Erklärung ein Garantieversprechen ergibt 5 4 . Das ist im Bankrecht um so weniger bedenklich, als das Merkmal des Eigeninteresses vorwiegend zur Abgrenzung gegenüber der Bürgschaft dient und dabei vor allem von Wichtigkeit ist, um ein Unterlaufen des Schriftformerfordernisses gemäß § 766 BGB zu verhindern; dieser Gesichtspunkt aber ist hier irrelevant, da die Bank gemäß § 350 H G B von diesem Schriftformerfordernis ausgenommen ist. Dagegen ist aus anderen Gründen äußerste Zurückhaltung bei der Annahme eines Garantievertrages geboten. Die Bank kann nämlich bei der Abgabe der Garantiezusage i. d. R. nicht übersehen, welche anderen Verfügungen der Aussteller bis zur Vorlegung und Einlösung des fraglichen Schecks über sein Konto vornehmen wird und ob das Guthaben danach noch ausreicht. Eine Kontosperre bis zur Einlösung des Schecks aber wäre nicht nur praktisch mit gewissen Schwierigkeiten verbunden (vgl. dazu näher R G Z 112 317, 321 f), sondern würde vor allem auch eine — u. U. zum Schadensersatz verpflichtende — Vertragsverletzung gegenüber dem Aussteller darstellen; denn die Bank ist diesem gegenüber nicht berechtigt, von sich aus zu bestimmen, welchen von mehreren Schecks oder Uberweisungsaufträgen sie zuerst durchführt, wenn insgesamt keine ausreichende Deckung vorhanden ist, sondern sie muß alle Aufträge, die sie von dem Kunden vor der Präsentation des von ihr garantierten Schecks erhält, ordnungsgemäß durchführen und läuft daher Gefahr, daß der Aussteller gerade f ü r diesen Scheck keine Deckung mehr anschafft. Selbst wenn die Bank aber dem Aussteller gegenüber zu einer Kontosperre berechtigt ist — z. B. auf Grund einer entsprechenden Abrede —, besteht immerhin noch die Gefahr, daß dieser die Verfügungsbefugnis über das Guthaben durch Pfändung, Konkurs und dgl. verliert. Da die Einlösungsgarantie somit für die Bank ein nicht geringes Risiko mit sich bringt, wird ihr Verhalten im Zweifel nicht in diesem Sinne auszulegen sein; die Annahme eines Garantievertrags bedarf daher besonders klarer und unmißverständlicher Auslegungskriterien. Dementsprechend geht ein Mißverständnis über eine Erklärung der Bank, die nicht klar und eindeutig auf eine Garantieübernahme gerichtet ist, regelmäßig auch in dem Sinne zu Lasten des Ausstellers, daß er keinen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo wegen schuldhafter Herbeiführung eines Dissenses durch den anderen Teil hat (vgl. B G H W M 1966 335, 336). 731
Wenngleich somit eine echte Garantiezusage selten ist, so kommt sie in der Praxis doch durchaus vor. Sicher liegt sie z. B. in einer schriftlichen Einlösungszusage, in der die Bank ausdrücklich erklärt, sie werde einen bestimmten, der Nummer nach individualisierten Scheck bei Vorlegung bezahlen (vgl. B G H Z 77 50, 52; B G H W M 1956 1293, 1294; LG Limburg BB 1952 332). Wird diese Erklärung dem Aussteller ausgehändigt, so ist darin i. d. R. die Erteilung einer Vollmacht (oder die Schaffung einer Scheinvollmacht i. S. von § 172 BGB) zum Abschluß des Garantievertrags mit dem ersten Nehmer des Schecks zu sehen (vgl. B G H und LG Limburg aaO). Erst recht liegt ein Garantievertrag vor, wenn die bezogene Bank erklärt, sie „garantiere" die Einlösung des Schecks (vgl. B G H W M 1978 871, 872). Soll allerdings mit dem Scheck ein bereits bestehendes Debet des Ausstellers bei dem Garantienehmer abgedeckt werden, so ist dieser verpflichtet, die bezogene Bank bei seinem Garantieersuchen auf den besonderen Verwendungszweck des Schecks hinzuweisen, widrigenfalls letztere einen Gegenanspruch aus c.i.c. haben kann (vgl. B G H W M 1978 873, 875). Auch in der Zusage der bezogenen Bank, einen Scheck ohne Rücksicht auf ein Debet auf dem 54 Vgl. B G H W M 1956, 1293, 1294 unter I 3; zustimmend auch Baumbach/Hefermehl Art. 4 SchG Rdn. 4.
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Konto des Ausstellers einzulösen, kann ein Garantieversprechen liegen (vgl. BGH W M 1974 155, 157 unter IV 2). Freilich ist die Bank an ihr Garantieversprechen nicht unbegrenzt lange gebunden; reicht jedoch der Inhaber den Scheck alsbald nach dessen Erteilung bei seiner Bank zum Einzug auf dem üblichen Inkassoweg ein, so ist das auch dann noch als rechtzeitig genug anzusehen, wenn der Scheck nach Ablauf der Vorlagefrist des Art. 29 ScheckG und einige Tage später als üblich der bezogenen Bank zur Einlösung vorgelegt wird (vgl. BGHZ 77 50, 53 f). Nicht als Garantieerklärung, sondern lediglich als Versprechen, für die Erhaltung 7 3 2 eines ausreichenden Kontostandes zu sorgen, ist eine Sperrzusage anzusehen (vgl. OLG Stuttgart WM 1969 278); auch bei der Annahme einer solchen Verpflichtung der Bank ist aber äußerste Zurückhaltung geboten, da sie dem Kontoinhaber gegenüber regelmäßig zur „Sperrung" des Kontos nicht berechtigt ist und ihm daher schadensersatzpflichtig werden kann (vgl. schon oben Rdn. 730), so daß sie im Zweifel nicht den Willen zur Abgabe einer verbindlichen Sperrverpflichtungserklärung gegenüber dem Scheckinhaber haben wird. — Mit Sicherheit liegt in einer Scheckbestätigung, also einer Erklärung der Bank, daß der Scheck „in Ordnung geht", keine Einlösungszusage, sondern nur eine Auskunft über den derzeitigen Kontostand 5 5 . Das ergibt sich sowohl aus den soeben Rdn. 730 zur Kontosperre angestellten Überlegungen als auch schon aus dem Wortlaut von Anfrage und Antwort; denn diese stellen sich hier als bloßes Auskunftsersuchen und dessen Beantwortung dar, also als rein deklaratorische Erklärungen, durch die lediglich eine Tatsache mitgeteilt, nicht aber eine Verpflichtung in Geltung gesetzt werden soll, so daß es hier schon am äußeren Tatbestand der — stets konstitutiven — Willenserklärung fehlt. Eine gewisse Mittelstellung zwischen Garantiezusage und bloßer Auskunft nimmt 7 3 3 die Einlösungsbestätigung ein, d. h. die Erklärung, daß ein vorgelegter Scheck eingelöst sei. Rechtsprechung und h. L. sehen darin grundsätzlich den Abschluß eines Garantievertrags 56 . Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Schon ihrem Wortlaut nach handelt es sich bei der Erklärung der Bank nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine bloße Tatsachenmitteilung. Nach der Rechtsprechung des BGH müßte daher zumindest auf ein Eigeninteresse der Bank abgestellt werden, da sich der Garantievertrag hier anders als im Fall B G H W M 1956 1293 nicht aus dem Wortlaut der Erklärung ergibt, sondern im Gegenteil gegen den Wortlaut in die Erklärung „hineininterpretiert" wird. Auch ist nicht zu sehen, warum der Empfänger der Erklärung unbedingt durch einen Erfüllungsanspruch gegen die Bank geschützt werden muß, obwohl der Scheckbetrag bisher seinem Vermögen in Wahrheit noch nicht zugeflossen ist. Vielmehr genügt auch der — regelmäßig gegebene — Schadensersatzanspruch wegen Erteilung einer falschen Auskunft (vgl. auch zu ähnlichen Fällen im Girovertragsrecht oben Rdn. 94). Die Bank haftet daher nur, sofern der Anfragende einen Schaden erlitten hat — also z. B., wenn dieser jetzt eine Sicherheit aufgegeben oder die Gegenleistung erbracht hat und sie nicht zurückerlangen kann usw.; auch kann sein etwaiges Mitverschulden gemäß § 254 BGB berücksichtigt werden. Diese Lösung dürfte wegen ihrer Flexibilität wesentlich gerechter sein als die starre Erfüllungshaftung, die die h. L. befürwortet. Eine falsche Scheckauskunft verpflichtet die Bank grundsätzlich zum Schadenser- 734 satz gegenüber dem Anfragenden. Als Anspruchsgrundlage ist dabei nicht ein „still55 Vgl. R G Z 112, 317, 322; B G H Z 49, 167, 168; 77, 50, 52; B G H W M 1973, 1134; Zähmt S. 217 ff; Baumbach/Hefermehl Art. 4 S c h G R d n . 3; Scbönle § 15 II 1; RiederWM 1979, 686.
56 Vgl. R G BankArch. 1925, 335; B G H W M 1959, 113, 114; Baumbach/Hefermehl Art. 4 SchG Rdn. 6; Baumbach/Duden Anh. I zu § 406 Anm. 3 A ; Rieder "WM 1979, 687.
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
schweigend" abgeschlossener Auskunftsvertrag anzusehen 57 , da diese Konstruktion i. d. R. wegen ihres Fiktionscharakters abzulehnen ist (vgl. oben Rdn. 88 f), sondern die Vertrauenshaftung wegen Verletzung einer Schutzpflicht. Der für das Entstehen einer Schutzpflicht erforderliche „rechtsgeschäftliche Kontakt" wird nicht selten schon auf Grund einer laufenden Geschäftsverbindung gegeben sein (vgl. z. B. B G H Z 49 167, 168), doch ist auch unabhängig von einer solchen eine Schutzpflicht schon allein auf Grund der Anfrage zu bejahen; denn der Anfragende will ja wissen, ob die Bank den Scheck einlösen wird oder schon eingelöst hat, und da die Einlösung ein Rechtsgeschäft darstellt, geht es um Verhandlungen über den Abschluß eines Rechtsgeschäfts, so daß man ohne weiteres die Regeln über die culpa in contrahendo anwenden kann (vgl. näher oben Rdn. 89 f). Nur in seltenen Ausnahmefällen, in denen die Beschränkung des Anfragenden auf einen Schadensersatzanspruch mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, kann er einen Erfüllungsanspruch aus Vertrauenshaftung kraft dolosen oder kraft widersprüchlichen Verhaltens haben (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 87 gegen Ende sowie auch Rdn. 729). Auch sonst gelten die allgemeinen Grundsätze über die Haftung für unrichtige Auskünfte (vgl. oben Rdn. 75 ff). Die Unrichtigkeit kann sich dabei auch daraus ergeben, daß die Auskunft unvollständig ist (vgl. oben Rdn. 80). So ist die Auskunft, der Scheck gehe in Ordnung, z. B. schon dann unrichtig, wenn das Konto im Augenblick der Auskunft zwar noch ausreicht, jedoch unter Berücksichtigung von Wechseln oder Schecks, die sich bereits im Besitz der Bank befinden und noch zu Lasten des Kontos zu verbuchen sind, oder im Hinblick auf schon im Geschäftsgang befindliche Überweisungen als erschöpft anzusehen ist oder wenn es gepfändet ist (vgl. B G H Z 49 167, 169; B G H W M 1973 1134; kritisch Rieder W M 1979 686 f). Auf das Bestehen ihres eigenen Pfandrechts gemäß Ziff. 19 II AGB braucht die Bank dagegen nicht hinzuweisen, wenn sie keinen Anlaß zu der Annahme hat, daß sie es in Kürze geltend machen wird (vgl. B G H W M 1973 1134, 1135); das gleiche gilt folgerichtig für das Zurückbehaltungsrecht gemäß Ziff. 19 V AGB und die Möglichkeit einer Aufrechnung. Die Auskunft bezieht sich allein auf den Stand des Kontos im Augenblick der Auskunft. Die Bank hat grundsätzlich auch keine Benachrichtigungspflicht hinsichtlich des nachträglichen Eintritts von Umständen, die einer Einlösung des Schecks entgegenstehen, doch kann sich in besonders gelagerten Ausnahmefällen aus § 242 BGB auch einmal das Gegenteil ergeben (vgl. B G H W M 1973 1134, 1135). Eine allgemeine Warnpflicht der Bank, daß sie Schecks eines bestimmten Kunden in Zukunft nicht mehr einlösen werde, besteht auch gegenüber solchen Teilnehmern am Scheckverkehr nicht, denen gegenüber die Bank bisher wiederholt Schecks des betreffenden Kunden eingelöst hat 5 8 . Der Haftungsausschluß nach Ziff. 10 AGB greift bei einer falschen Scheckauskunft zumindest im Verkehr zwischen Banken nicht ein (vgl. B G H Z 49 167, 173 f und dazu unten Rdn. 2616). c) Schutzpflichten zugunsten des Scheckinhabers 735
Ansprüche des Scheckinhabers gegen die bezogene Bank kommen nicht nur in Betracht, wenn zwischen diesen ein unmittelbarer rechtsgeschäftlicher Kontakt besteht wie in den soeben behandelten Fällen falscher Scheckauskünfte oder bei Identität von Bank des Ausstellers und Bank des Einreichers, sondern auch dann, wenn es an der 57 So aber z. B. BGH WM 1965, 287; 1973, 1134; OLG Stuttgart WM 1969, 278; Baumbach/Hefermehl Art. 4 SchG Rdn. 7.
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Vgl. KG WM 1962, 1385; ebenso i. E. BGH WM 1974, 156 unter II und dazu oben Rdn. 729.
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Unmittelbarkeit des Kontakts fehlt. Zu denken ist insbesondere an die verspätete Rückgabe eines nicht eingelösten Schecks. Für die entsprechende Problematik beim Lastschriftverfahren hat der B G H anerkannt, daß dem Einreicher in einem solchen Fall grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen die bezogene Bank nach den Regeln über die Schutzwirkungen zugunsten Dritter zusteht (vgl. B G H Z 69 82 und dazu oben Rdn. 22 und 617). Beim Scheck kann folgerichtig nichts anderes gelten, da die oben Rdn. 22 und Rdn. 617 gegebene Begründung uneingeschränkt auch hier paßt (ebenso i. E. Steuer Die Bank 1978 500). d) Die Bereicherungshaftung des Einreichers gegenüber der einlösenden Bank Bezüglich der Bereicherungshaftung des Scheckeinreichers gelten grundsätzlich 7 3 6 dieselben Regeln wie im Girovertragsrecht (vgl. oben Rdn. 425 ff, insbesondere die Zusammenfassung Rdn. 454). Demgemäß eröffnen zwar nicht Mängel des Deckungsverhältnisses zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller, wohl aber Mängel der Zahlungsanweisung selbst grundsätzlich die Durchgriffskondiktion der einlösenden Bank gegen den Scheckeinreicher — mag jene zugleich die gutschrifterteilende Bank sein oder nicht. Die Durchgriffskondiktion ist daher z. B. bei Geschäftsunfähigkeit des Ausstellers, bei Ausstellung und Begebung des Schecks unter dem Einfluß von Zwang i. S. der vis absoluta sowie bei Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ausstellers vor Scheckeinlösung gegeben (vgl. zum letzteren Fall näher unten Rdn. 818). Mit Recht hat der B G H auch bei Einlösung eines nicht unterschriebenen Schecks den Durchgriff zugelassen, wobei es freilich entgegen der Begründung des Urteils nicht darauf ankommt, ob der Scheckinhaber das Fehlen der Unterschrift kannte 5 9 . Abweichungen von der Rechtslage bei der Giroüberweisung ergeben sich bei Fäl- 7 3 7 schung und Verfälschung des Schecks. Denn da die bezogene Bank in einem solchen Fall gemäß Ziff. 11 der Scheckbedingungen das Konto des Ausstellers belasten kann, ist der Scheckeinreicher auf Kosten des letzteren und nicht auf Kosten der Bank bereichert, so daß nicht dieser, sondern jenem die Eingriffskondiktion zusteht 60 . Das gilt auch dann, wenn die Bank ihre Pflicht zur Echtheitsprüfung schuldhaft verletzt hat. Dadurch entfällt nämlich nicht ihr Recht zur Kontobelastung, sondern es entsteht lediglich ein Gegenanspruch des Kunden aus positiver Forderungsverletzung (vgl. oben Rdn. 711), so daß auch hier die Bereicherung nicht auf Kosten der Bank, sondern des Ausstellers erfolgt. Statt dessen der Bank die Durchgriffskondiktion zuzusprechen 6 1 — sei es generell oder doch wenigstens für die Fälle eines Pflichtverstoßes bei der Echtheitsprüfung —, ist dogmatisch nicht korrekt, weil dabei das Merkmal „auf Kosten" mißachtet wird. Außerdem entspricht es auch nicht der Interessenlage. Denn entweder hat die Bank kein eigenes Interesse an dem Vorgehen gegen den Zahlungsempfänger — dann muß sie sich durch eine Abtretung des Anspruchs an den Kontoinhaber befreien können, so daß man weitgehend zum selben Ergebnis kommt wie bei der hier vorgeschlagenen Lösung; oder die Bank hat ausnahmsweise ein Interesse an dem -Durchgriff wie z. B., wenn von ihrem Kunden nichts zu holen ist — dann verdient sie den Anspruch nicht, weil sie ihrem Kunden ungesicherten Kredit gegeben hat und die Eingehung dieses Risikos durch die Aufdeckung der Fälschung oder Verfälschung in keiner Weise berührt wird. 59
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Vgl. B G H Z 66, 362 sowie dazu eingehend Canaris WM 1980, 364; wie hier jetzt auch Baumbach/ Hefermehi Art. 3 SchG Rdn. 6. Vgl. näher Canaris WM 1980, 365; ebenso i. E. z. B. Weitnauer Festschr. für von Caemmerer, 1978, S. 285.
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So Baumbach/Hefermehl Art. 3 SchG Rdn. 12 und Schlegelberger/HefermehlAnh. zu § 365 Rdn. 85 a. E. zum entsprechenden Problem im Girovertragsrecht, wonach die Abwälzung des Fälschungsrisikos nur „subsidiären Charakter" haben soll.
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Ahnlich ist die Rechtslage i. E. bei Willensmängeln und Leistung an einen Nichtberechtigten, weil und sofern die Bank in ihrem guten Glauben geschützt wird (vgl. oben Rdn. 717 f, 721 ff) mit der Folge, daß wiederum die Bereicherung nicht auf ihre Kosten, sondern auf Kosten des Ausstellers erfolgt 6 2 . Eine Möglichkeit zur Wahl zwischen dem Gutglaubensschutz und der Durchgriffskondiktion hat die Bank nicht 6 2 .
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Besonderheiten ergeben sich ferner bei der Mißachtung eines wirksamen Widerrufs. Der B G H hat dabei der Bank einen Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger jedenfalls f ü r den Fall versagt, daß dieser von dem Widerruf nichts wußte 6 3 . Man wird sogar noch einen Schritt weitergehen und einen bloßen Mangel des Dekkungsverhältnisses annehmen müssen, bei dem nicht einmal positive Kenntnis, sondern nur ein Verstoß gegen § 826 BGB dem Zahlungsempfänger schadet 6 4 . Das gilt jedenfalls vor Ablauf der Vorlegungsfrist, da die Abdingung von Art. 3 1 1 ScheckG eine rein interne Abrede zwischen der Bank und dem Aussteller darstellt, um die sich der Zahlungsempfänger nicht zu kümmern braucht. Man sollte jedoch auch nach Ablauf der Vorlegungsfrist ebenso entscheiden, da deren Kürze und die mit ihrer Versäumung verbundenen Sanktionen ihren Grund nicht in einem Interesse des Ausstellers oder der bezogenen Bank an einer raschen Vorlegung, sondern allein in dem Bestreben finden, den Scheck als Kreditmittel unbrauchbar zu machen — also in Gesichtspunkten, die auf die spezifisch scheckrechtliche Lage zugeschnitten sind und eine Übertragung auf bereicherungsrechtliche Probleme weder fordern noch verdienen. Auch dogmatisch unterscheidet sich die Rechtslage vor und nach Ablauf der Vorlegungsfrist nicht wesentlich. Denn in beiden Fällen kann zwar die Zahlungsermächtigung gemäß § 183 S. 2 BGB u n d / o d e r § 790 BGB durch Erklärung gegenüber der Bank widerrufen werden, nicht aber auch die Zweck- oder Tilgungsbestimmung, die bei der Scheckhingabe durch Vertrag mit dem ersten Nehmer gesetzt worden ist und nach der Lehre vom actus contrarius daher auch nur durch Vertrag mit ihm wieder aufgehoben werden kann. Da somit der Widerruf das Vorliegen einer wirksamen Zweck- oder Tilgungsbestimmung nicht zu beseitigen vermag, ist es sach- und systemgerecht, daß der Zahlungsempfänger sich nur mit seinem Partner im Valutaverhältnis, also dem Aussteller darüber auseinanderzusetzen braucht, ob er das Geld behalten darf. Die Bank ist demgemäß auf Ansprüche gegen den Aussteller beschränkt — z. B. aus G. o. A. oder § 812 BGB (vgl. dazu näher oben Rdn. 361 zum entsprechenden Problem im Girovertragsrecht). 2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Einreicher und seiner Bank a) Der maßgebliche Vertragstypus
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Reicht der Scheckinhaber den Scheck bei einer Bank ein, so ist darin im Zweifel kein Diskontvertrag, sondern ein Inkassoauftrag zu sehen 6 5 , da ersterer beim Scheck — anders als beim Wechsel — wesentlich seltener ist als letzterer. Der Inkassoauftrag stellt seinerseits entweder den Abschluß eines eigenständigen Geschäftsbesorgungsvertrags i. S. von §§ 675, 611 BGB oder eine einseitige Weisung des Kunden zum Einzug des Schecks dar (vgl. oben Rdn. 687 f). " Vgl. näher Canarii W M 1980, 365. « Vgl. B G H Z 61, 289; zustimmend z. B. Königen Festschr. für Esser, 1975, S. 70; Wilhelm A c P 1975, 338 ff, 347 f, der die §§ 170 ff BGB analog anwenden will; Weitnauer mO. (Fn. 60) S. 283 f; Udo Meyer D e r Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen, 1979, S. 114 f f ; Larenz Schuldrecht I I " § 68 III c 2 a. E.; Mediati Bür-
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gerliches R e c h t ' , § 27 II 3 c = Rdn. 676; Baumbach/Hefermebl Art. 3 SchG Rdn. 6. Vgl. dazu und zum folgenden eingehend Canaris W M 1980, 365 f. Vgl. O L G F r a n k f u r t W M 1978, 1025, 1027; Baumbach/Hefermehl Anh. zu Art. 28 SchG Rdn. 4; Pikart W M 1957, 49; Prost N J W 1969, 1233 m. w. N a c h w . ; Schönle § 13 I 2 ; vgl. ferner unten Rdn. 1525 f.
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b) Die Pflichten der Bank Durch den Inkassoauftrag wird die Bank dem Einreicher gegenüber zur Weiterlei- 7 4 1 tung des Schecks an die bezogene Bank oder die zuständige Abrechnungsstelle bzw. eine Zwischenbank verpflichtet, wobei sie grundsätzlich den schnellsten und sichersten Weg zu wählen hat 6 6 . Die Bank haftet daher für eine Fehlleitung oder ein sachwidriges Vorgehen beim Einzug des Schecks, wenn dieser dadurch uneinbringlich wird und dem Auftraggeber infolgedessen ein Schaden entsteht (vgl. B G H Z 6 55, 60; 13 127, 132); Ziff. 7 A G B steht dem nicht entgegen (vgl. unten Rdn. 2579). Allerdings trägt letzterer grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß bei ordnungsgemäßer V o r lage des Schecks Deckung auf dem Konto des Ausstellers bei der bezogenen Bank vorhanden gewesen oder rechtzeitig angeschafft worden wäre (vgl. B G H W M 1981 119 unter III 1 a). Nach Einlösung des Schecks hat die Bank dem Kunden den Scheckbetrag gemäß §§ 675, 667 B G B auszuzahlen oder gutzuschreiben (vgl. auch B G H Z 26 1, 5), doch erfolgt die Gutschrift i. d. R. ohnehin schon vorher (vgl. unten Rdn. 744), so daß der Anspruch auf die Gutschrift, der an sich auch beim Scheckinkasso gegeben ist (vgl. auch B G H a a O ) , i. d. R. keine praktische Bedeutung erlangt. Im übrigen bestimmen sich die näheren Einzelheiten nach Ziff. 40 ff A G B (vgl. näher deren Kommentierung) bzw. nach den Einheitlichen Richtlinien für das Inkasso von Handelspapieren (vgl. unten Rdn. 1088 ff). Die bezogene Bank ist nicht Erfüllungsgehilfin der Inkassobank i. S. von § 278 7 4 2 B G B 6 7 . Denn die Pflicht der Inkassobank erschöpft sich in der Weiterleitung des Schecks und erstreckt sich keinesfalls auf dessen Einlösung, so daß die Inkassobank sich der bezogenen Bank insoweit nicht zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit i. S. von § 278 B G B bedient und daher z. B. nicht dafür einzustehen hat, wenn diese den Scheck nicht rechtzeitig einlöst, sondern liegen läßt; diese haftet jedoch selbst (vgl. oben Rdn. 735). — Zwischengeschaltete Banken sind ebenfalls nicht als Erfüllungsgehilfen der Inkassobank anzusehen 6 8 , da deren Pflicht nicht in der Vorlegung als solcher besteht, sondern sich gegebenenfalls auf die Wahl des richtigen Weges beschränkt (vgl. auch oben Rdn. 391 zum entsprechenden Problem bei der Giroüberweisung). Bei Nichteinlösung des Schecks hat die Bank Sorge für die Protesterhebung und die 7 4 3 erforderlichen urkundlichen Feststellungen zu tragen (vgl. Ulmer S. 325), doch ist sie nicht gegen den Willen des Einreichers zur Einholung oder Anbringung eines Nichteinlösungsvermerks befugt (vgl. B G H WM 1975 755, 756). Bei Einschaltung einer Zwischenbank obliegt dieser die Pflicht zur Protesterhebung. Die Bank hat ferner gemäß §§ 675, 667 B G B grundsätzlich die Pflicht zur Rückgabe des Schecks oder wenn ihr diese aus einem von ihr zu vertretenden Grund unmöglich geworden ist wie z. B. bei pflichtwidriger Weitergabe des Schecks an einen zur Rückgabe nicht bereiten Dritten, eine Schadensersatzpflicht gemäß § 2 5 1 B G B ; dem Einreicher ist allerdings kein Schaden entstanden, wenn dem Aussteller gegen ihn die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung — z. B. wegen Fehlens des Grundgeschäfts - zustand (vgl. B G H W M 1960 253, 254 zum Wechsel).
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V g l . B G H Z 13, 127; 22, 3 0 4 ; B G H W M 1957, 2 3 9 ; Ulmer S. 3 2 5 ; Baumbach/Hefermehl Anh. zu Art. 28 S c h G R d n . 7 ; Schönle § 15 I 2 b 5. V g l . auch R G Z 105, 3 4 ; O L G K ö l n B B 1953, 3 0 5 ; Baumbach/Hefermehl Art. 3 S c h G R d n . 4 gegen E n d e .
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A. A. E r s t a u f l a g e Anm. 289 a. E. in W i d e r s p r u c h zur richtigen Ansicht z u m entsprechenden P r o blem bei der G i r o ü b e r w e i s u n g Anm. 194.
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c) Die Gutschrift und ihre Folgen 744
Da die bezogene Bank die Inkassobank i. d. R. nicht von der Einlösung des Schecks unterrichtet, pflegt diese dem Einreicher unabhängig von der Einlösung eine Gutschrift zu erteilen. Diese steht gemäß Ziff. 41 AGB unter dem Vorbehalt des Eingangs. Dogmatisch ist darin eine aufschiebende Bedingung zu sehen 69 . Die Inkassobank kann daher die Gutschrift mit rein deklaratorischer Wirkung, also ex tunc stornieren, wenn sich herausstellt, daß der Scheck nicht eingelöst worden ist. Wird dagegen die Einlösung vorgenommen (vgl. dazu oben Rdn. 699 f), erstarkt der aufschiebend bedingte Anspruch aus der Gutschrift zum Vollrecht. Eine Rückbelastung des Einreichers ist daher auch dann unzulässig und unwirksam, wenn die Inkassobank der bezogenen Bank den Scheckbetrag wieder vergütet hat, weil diese die Nichteinlösung behauptet hatte (vgl. auch LG Frankfurt NJW 1975 2296). Hinsichtlich der Frage, ob die Einlösung erfolgt ist, steht dem Einreicher gemäß §§ 675, 666 BGB ein Auskunftsanspruch zu; im einzelnen gelten die Ausführungen oben Rdn. 571 entsprechend.
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Auch beim innerbetrieblichen Inkasso hat die Gutschrift gemäß oder analog Ziff. 41 AGB nur vorläufige Wirkung. Das gilt zumindest dann, wenn der Scheck bei einer nicht bezogenen Filiale eingereicht wird 70 . Ob es sich dabei um ein echtes Inkasso oder um eine vorläufige Einlösung handelt 71 , ist ohne praktische Bedeutung. Der Anspruch aus der Gutschrift wird daher auch hier erst mit der Einlösung unbedingt, wobei diese hier naturgemäß nur durch Belastung des Ausstellerkontos (und Unterbleiben einer Stornierung am nächsten Tag gemäß Ziff. 41 II AGB) erfolgen kann. Ebenso wird man darüber hinaus sogar bei Gutschrift durch die bezogene Filiale zu entscheiden haben, da der Einreicher auch dabei nicht ohne weiteres erwarten kann, daß zur Zeit der Gutschrifterteilung das Konto des Ausstellers schon belastet und die Frist von Ziff. 41 II AGB abgelaufen war.
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Vor der Einlösung hat der Einreicher grundsätzlich noch keine Verfügungsmöglichkeit über den gutgeschriebenen Betrag, da die aufschiebende Bedingung noch nicht eingetreten ist 72 . Gestattet ihm die Bank gleichwohl eine Verfügung, so liegt darin eine Kreditgewährung 73 . Das ist praktisch u. a. insofern von Bedeutung, als der Kunde bei Nichteinlösung des Schecks zur Rückzahlung des Betrags weder aus Bereicherungsrecht mit der Möglichkeit der Berufung auf einen Wegfall der Bereicherung gemäß §818 III BGB noch aus §§ 675, 670 BGB mit der Folge der kurzen Verjährung nach § 196 I Ziff. 1 BGB (so OLG Frankfurt WM 1978 1025, 1027), sondern uneingeschränkt nach Darlehensrecht verpflichtet ist (zustimmend Polke S. 173). Für die Zinsberechnung und die Frage einer etwaigen Uberziehungsprovision ist weder der Zeitpunkt der Gutschrift noch der der Einlösung, sondern der der Wertstellung maßgeblich (vgl. näher oben Rdn. 572).
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Wird die Gutschrift unbedingt, so hat sie nicht anders als bei der Giroüberweisung den Ausschluß von Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis zur Folge 74 . Einen «> Vgl. z. B. R G J R 1926 N r . 34; Isele A c P 129, 157; Meyer-Cording S. 83; Prost N J W 1969, 1233 f. 70 Vgl. auch B G H N J W 1951, 598; 57, 338; Baumbach/Hefermehl Anh. nach Art. 28 SchG Rdn. 6. 71 Im ersteren Sinne die Rspr., vgl. B G H N J W 1951, 598; O L G Celle W M 1955, 1565 unter 1 b ; O L G Düsseldorf W M 1970, 170; im letzteren Sinne das überwiegende Schrifttum, vgl. z. B. Baumbach/ Hefermehl Anh. nach Art. 28 SchG Rdn. 6 m. w. Nachw. 72 So auch Prost N J W 1969, 1233 f; a. A. offenbar
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B G H Z 35, 217, 221; 44, 178, 180 und B G H W M 1962, 524 unter III, wobei es sich jedoch jeweils nur um obiter dicta handelt. Vgl. Meyer-Cording S. 83 m. N a c h w . zur älteren Rspr. in Fn. 6. Ebenso i. E. z. B. O L G Zweibrücken W M 1970, 1240, 1242 sowie f ü r die entsprechende Problematik beim Wechsel B G H W M 1969, 1447 und O L G N ü r n b e r g W M 1968, 263, 264; vgl. ferner z. B. Baumbach/Hefermehl Anh. nach Art. 28 SchG Rdn. 9.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Die Rechtsverhältnisse beim Einzug des Schecks Bereicherungsanspruch gegen den Einreicher hat die gutschreibende Bank nur, wenn sie zugleich einlösende Bank ist und die oben Rdn. 736 ff dargestellten Voraussetzungen vorliegen. Darüber hinaus hat die Inkassobank bei Fehlen einer wirksamen Scheckanweisung ebenso wie beim Lastschriftverfahren und aus den dort Rdn. 580 f genannten Gründen das Stornorecht gemäß Ziff. 4 III A G B — und zwar entgegen der h. L. auch beim zwischenbetrieblichen Inkasso. Einwendungen aus ihrem Verhältnis zum Einreicher, also insbesondere das Pfandrecht nach Ziff. 19 A G B und die zu automatischer Verrechnung führende Kontokorrentabrede, kann die Bank dem Anspruch aus der Gutschrift grundsätzlich uneingeschränkt entgegensetzen. Will der Kunde dieser Gefahr entgehen und über die Schecksumme jedenfalls in voller H ö h e verfügen können, so muß er bei der Einreichung zum Inkasso einen entsprechenden Vorbehalt machen (vgl. B G H W M 1971 178; Prost N J W 1969 1235); die Bank ist auch bei einem erkennbaren Wunsch des Kunden, über den Betrag des einzuziehenden Schecks unabhängig von einem etwa bestehenden Debet zu verfügen, nicht verpflichtet, einen Vorbehalt zu machen, um ihre sich aus Nr. 19 A G B und der Kontokorrentabrede ergebenden Rechte zu wahren (vgl. B G H aaO). d) Die wertpapierrechtliche Haftung des Einreichers Die Bank läßt den Einreicher häufig sein Vollindossament auf den Scheck setzen. 7 4 8 Nach h. L. soll sie dennoch grundsätzlich keinen wertpapierrechtlichen Rückgriffsanspruch gegen ihn haben 7 5 . Das mag bei (nicht blanko indossierten) Orderpapieren diskutabel sein, überzeugt aber beim Inhaberscheck nicht. Denn da es bei diesem zur Legitimation der Bank eines Indossaments nicht bedarf, drängt es sich geradezu auf, daß das Indossament Haftungszwecken zu dienen bestimmt ist. Auch von der Interessenlage her ist grundsätzlich nicht ersichtlich, warum die Bank entgegen der Regelung von Ziff. 42 V A G B auf den wertpapierrechtlichen Rückgriff gegen den Einreicher verzichten soll. Das gilt zumindest dann, wenn das Debet dadurch entstanden ist, daß die Bank den Kunden über den gutgeschriebenen Betrag hat verfügen lassen und der Scheck dann nicht eingelöst worden ist. Man sollte aber auch dann i. d. R. nicht anders entscheiden, wenn schon bei Einreichung des Schecks ein Debet bestand. Normalerweise wird dann nämlich der Gegenwert des Schecks zur Abdeckung des Debets verwendet, so daß es nur folgerichtig ist, wenn bei Nichteinlösung die Bank wenigstens den wertpapierrechtlichen Rückgriffsanspruch hat. Soll die Bank an dessen Geltendmachung gehindert sein, müssen daher besondere Umstände vorliegen. Solche sind z. B. gegeben, wenn vereinbart worden ist, daß der Einreicher über den Gegenwert des Schecks unabhängig von einem etwaigen Debet soll verfügen können; denn dann wäre es widersprüchlich, wenn sich der Einreicher im Falle einer Einlösungsverweigerung der wertpapierrechtlichen Haftung ausgesetzt sähe. Anders ist grundsätzlich auch dann nicht zu entscheiden, wenn der Einreicher 7 4 9 zugleich Aussteller ist und die Bank ihn demgemäß nicht als Indossanten, sondern als Aussteller aus Art. 12 S c h e c k G in Anspruch nimmt 7 6 . Zwar entfällt hier das Argument, daß das Indossament zur Legitimation nicht erforderlich ist und daher nur als H a f tungsinstrument verstanden werden kann, doch hat die Bank andererseits auch keinen Anlaß zu einem Verlangen nach einem Indossament, da der Einreicher hier ja ohnehin auf Grund seiner Eigenschaft als Aussteller haftet. Zumindest bei vorzeitiger Verfü75
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Vgl. B G H W M 1974, 171; Baumbach/Hefermehl Art. 18 W G Rdn. 10; Erstauflage Anm. 289 a. So lag es im Falle B G H W M 1974, 171, wo der Einreicher jedoch weder über den gutgeschriebe-
nen Betrag verfügt hatte, noch bei Einreichung des Schecks im Debet stand, so daß die Entscheidung i. E. jedenfalls zutrifft.
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
gung über den Gegenwert und anschließender Stornierung der Gutschrift wegen Nichteinlösung des Schecks ist daher der Bank gemäß Ziff. 42 Y AGB, wonach auch zukünftige Ansprüche gesichert sind (vgl. BGHZ 69 27, 30 f und dazu die folgende Rdn.), der wertpapierrechtliche Regreßanspruch zuzubilligen. 3. Das Rechtsverhältnis zwischen der Inkassobank und dem Aussteller sowie sonstigen Scheckschuldnern a) Der Erwerb der Rechte am und aus dem Scheck durch die Inkassobank 750
Der Kunde versieht den einzulösenden Scheck i. d. R. nicht lediglich mit einem Inkassoindossament i. S. von Art. 23 ScheckG, sondern verschafft der Inkassobank eine Stellung, die sie — wie z. B. bei einem Vollindossament — nach außen als Vollrechtsinhaberin erscheinen läßt. Es fragt sich daher, ob darin eine bloße Einziehungsermächtigung i. S. von § 185 BGB zu sehen ist 77 oder ob es sich um eine Treuhandübertragung handelt 78 . Grundsätzlich stehen den Parteien beide Gestaltungsmöglichkeiten offen (vgl. BGHZ 5 292); es ist daher Auslegungsfrage, welche gewollt ist. Dabei gibt hier Ziff. 42 V AGB, wonach der Bank bei einer Zurückbelastung des Schecks „alle Ansprüche auf Zahlung des vollen Betrags . . . bis zur Abdeckung eines etwa vorhandenen Schuldsaldos verbleiben", den Ausschlag zugunsten einer Vollrechtsübertragung, da nur eine solche mit Wortlaut und Schutzzweck der Klausel vereinbar ist. Das gilt entgegen einer früher verbreiteten Ansicht (auch Erstauflage Anm. 290) nicht nur dann, wenn zur Zeit der Scheckeinreichung bereits ein Debet bestand, sondern auch dann, wenn lediglich nicht ausgeschlossen ist, daß die Bank den Einreicher wie üblich bereits vor der Einlösung über den gutgeschriebenen Betrag verfügen läßt (so mit Recht BGHZ 69 27, 30 f). Denn auch für den daraus im Falle der Nichteinlösung entstehenden, zur Zeit der Einreichung noch zukünftigen RückZahlungsanspruch der Bank paßt Ziff. 42 V AGB nach Wortlaut und Zweck; außerdem stünde die Bank sonst schlechter als bei der — im Schrifttum 7 9 vereinzelt befürworteten, jedoch mit Ziff. 42 V AGB als vorrangiger Sonderregelung nicht zu vereinbarenden — Anwendung der Pfandklausel gemäß Ziff. 19 AGB, die nach ihrem klaren Wortlaut auch zukünftige Ansprüche sichert. Der Erwerb des Treuhandeigentums ist auch kraft guten Glaubens möglich (vgl. OLG Düsseldorf W M 1973 739 und dazu unten die Kommentierung von Ziff. 42 V AGB). H a t die Bank ausnahmsweise nur eine Einzugsermächtigung erhalten, so erstreckt sich diese gemäß § 157 BGB grundsätzlich auch auf die Geltendmachung der Ansprüche gegen die Rückgriffsschuldner (vgl. auch BGH W M 1977 1119, 1120; OLG Düsseldorf W M 1975 970).
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Unabhängig davon, welche Konstruktion zur Anwendung kommt, hat der Scheckeinreicher gegenüber einem pfändenden Gläubiger der Inkassobank die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO und im Konkurs der Inkassobank das Aussonderungsrecht gemäß § 43 KO. Das ist bei einer bloßen Einziehungsermächtigung ohnehin selbstverständlich, doch gilt es auch bei der Treuhandübertragung, da nach richtiger und heute herrschender Ansicht dem Sicherungsgeber ganz allgemein — und also auch 77
So z. B. Siebert Das rechtsgeschäftliche T r e u handverhältnis, 1933, S. 287; UlmerS. 326; Jacobi S. 650; Schönle § 15 I 1 und 2 b 1. ™ So B G H Z 5, 285, 292; 69, 27, 29; B G H W M 1977, 49, 50; KG N J W 1959, 2018; O L G Düsseldorf DB 1966, 697 f und W M 1981, 369, 370; O L G Köln W M 1979, 1193; Liesecke W M 1969, 551; Baumbacb/Hefermehl Anh. nach Art. 28 SchG Rdn. 13; Coing Die T r e u h a n d k r a f t priva-
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ten Rechtsgeschäfts, 1973, S. 159; Klein W M 1975, 376. " Vgl. Ttetmann N J W 1969, 2041; ähnlich Prost N J W 1969, 1233 und 2041, der sowohl Sicherungseigentum als auch ein P f a n d r e c h t annimmt; gegen beide überzeugend Obermüller Die Bank im Konkurs ihres Kunden, 1972, S. 153 f; vgl. ferner Klein W M 1975, 375.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D i e Rechtsverhältnisse beim E i n z u g des S c h e c k s
bei der sicherungsweisen Übereignung eines Schecks — die Rechte aus §§771 Z P O , 43 K O zustehen 8 0 . b) Die Problematik des Einwendungsausschlusses Soweit lediglich eine Einziehungsermächtigung vorliegt, muß sich die Bank von den 7 5 2 Scheckverpflichteten alle Einwendungen gegen den Einreicher entgegenhalten lassen; denn sie macht ja in Wahrheit nur dessen Recht geltend, so daß für einen gutgläubigen einwendungsfreien Erwerb der Inkassobank kein Raum ist. Ist dagegen eine Sicherungstreuhand gegeben, so werden die Einwendungen der Scheckverpflichteten gegen die Bank grundsätzlich nach den Regeln über den Einwendungsausschluß kraft Rechtsscheins präkludiert. Hier geht die Bank nämlich aus eigenem Recht und im eigenen Interesse vor und muß daher in ihrem guten Glauben geschützt werden wie jeder andere Scheckerwerber auch, was sich im übrigen auch aus einem argumentum a fortiori zu Art. 19 II W G ergibt. Der Einwendungsausschluß ist allerdings nur in der H ö h e zu bejahen, in der der Einreicher eine Schuld bei der Bank hat 8 1 ; denn soweit die Schecksumme das Debet des Kunden übersteigt, handelt sie zwar wohl noch aus eigenem Recht, da eine höhenmäßige Spaltung zwischen Sicherungstreuhand und Einziehungsermächtigung mit dem sachenrechtlichen Bestimmtheits- und Klarheitsgebot kaum vereinbar erscheint, doch handelt sie insoweit nicht mehr im eigenen Interesse, so daß hier für einen Einwendungsausschluß ebensowenig eine Berechtigung besteht wie z. B. beim Fehlen eines echten „Verkehrsgeschäftes". Das gleiche muß bei Vorliegen einer uneigennützigen Treuhand gelten. Außerdem kommt ein Einwendungsausschluß auch insoweit nicht in Betracht, als das Debet erst entstanden ist, nachdem die Bank von der Einwendung Kenntnis erlangt hat (vgl. B G H Z 5 294). Einwendungen gegen die Inkassobank können die Scheckverpflichteten dieser bei 7 5 3 der Einziehungsermächtigung keinesfalls entgegensetzen, da die Bank dabei ja nicht ein eigenes Recht, sondern ein solches des Einreichers geltend macht, so daß es an der erforderlichen Gegenseitigkeit fehlt. Anders ist dagegen zu entscheiden, soweit die Bank auf Grund einer Sicherungstreuhand gegen einen Scheckverpflichteten vorgeht: dieser hat hier sowohl der formalen Rechtslage als auch der Interessenlage nach die Möglichkeit, der Bank seine gegen diese gegebenen Einwendungen entgegenzuhalten. Soweit die Bank dadurch von einer Schuld befreit oder sonst bereichert wird, mindert sich der Schuldsaldo des Einreichers bei ihr in entsprechender H ö h e . Einwendungen aus dem Treuhandverhältnis zwischen dem Einreicher und der Bank 7 5 4 wie z. B. der Widerruf des Inkassoauftrags schlagen bei der Ermächtigungstreuhand grundsätzlich auf das Außenverhältnis zu den Scheckverpflichteten durch und können demgemäß von diesen geltend gemacht werden, weil und soweit sie die Einzugsermächtigung hinfällig machen. Das gilt trotz der Abstraktheit der Ermächtigung i. d. R. auch für interne Bindungen und Beschränkungen; denn die Ermächtigung wird intern, d. h. durch Erklärung gegenüber der Bank erteilt, so daß sich ihre Reichweite gemäß §§ 133, 157 BGB nach den internen Abreden richtet. Bei der Vollrechtstreuhand berühren Einwendungen aus dem Treuhandverhältnis dagegen die Eigentümerstellung und damit die Einzugszuständigkeit der Bank gemäß § 137 S. 1 BGB grundsätzlich nicht, weil und sofern diese nicht im Wege einer Bedingung von Bestand und Inhalt des Kausalverhältnisses abhängig gemacht worden ist. Daher hat z. B. ein Widerruf des Ein80 Vgl. z. B. Coing aaO S. 176 ff; Baumbach/Hefermehl Art. 18 W G Rdn. 10; Hueck/Canaris § 10 VIII 3 b. 81 Vgl. B G H Z 5, 285, 294; B G H WM 1969, 1321
(zum Wechsel); OLG Düsseldorf WM 1975, 18, 20; Baumbach/Hefermehl Anh. nach Art. 28 SchG Rdn. 13; Hueck/Canaris § 10 VIII 3 b.
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
Zugsauftrags hier grundsätzlich nur obligatorische Wirkung im Verhältnis zwischen der Bank und dem Einreicher; seine Geltendmachung durch einen Scheckschuldner wäre daher eine unzulässige Einwendung ex iure tertii (ebenso i. E. R G Z 134 291, 292 für das Wechselinkasso). Stellt freilich der Einzug eine unerlaubte Handlung gegenüber dem Einreicher dar, was vor allem bei Vorliegen der Voraussetzungen von §§ 823 II BGB i. V. m. § 266 StGB oder von § 826 BGB in Betracht kommt, so kann der Scheckschuldner die Zahlung verweigern, zumal er anderenfalls gemäß § 830 BGB selbst haftbar werden kann (vgl. zum „Mißbrauch" der Treuhand im übrigen auch oben Rdn. 274 m. Nachw.). c) Der Erwerb der Kausalforderung durch die Inkassobank 755
Gemäß Ziff. 44 S. 4 AGB geht mit der Einreichung des Schecks die Kausalforderung nach § 398 BGB auf die Inkassobank über, da der Scheck ein „Einzugspapier" i. S. dieser Klausel ist. Das kann z. B. bei einer Präjudizierung des Schecks oder beim Bestehen besonderer Sicherheiten für die Kausalforderung von praktischer Bedeutung sein. Wegen der Einzelheiten, insbesondere bezüglich der Frage, wer Zahlungsempfänger ist, und bezüglich eines etwaigen Abtretungsverbots ist auf die Ausführungen oben Rdn. 602 ff zu verweisen. d) Schadensersatzansprüche des Ausstellers gegen die Inkassobank
756
Schadensersatzansprüche des Ausstellers gegen die Inkassobank können sich in erster Linie aus unerlaubter Handlung, d. h. vor allem aus §§ 823 II, 826 II BGB ergeben (vgl. dazu auch oben Rdn. 129 ff, insbesondere Rdn. 132 f). Repräsentativ für die Problematik ist die Gutschrift eines Schecks, den der Aussteller dem Einreicher zum Zwecke der Einlösung eines von letzterem akzeptierten und i. d. R. von ersterem als Aussteller oder dgl. mitunterzeichneten Wechsels anläßlich einer Vereinbarung über dessen Prolongation gegeben hat. Mißbraucht in einem solchen Falle der Einreicher den Scheck zu einem anderen als dem mit dem Aussteller vereinbarten Zweck, so haftet die Bank diesem u . U . aus § 826 BGB 8 1 a . Allerdings bedarf es dieser Anspruchsgrundlage nicht, um die wertpapierrechtliche Regreßhaftung des Ausstellers gegenüber der Bank bei Nichteinlösung des Schecks zu Fall zu bringen (anders B G H W M 1973 674, 675). Insoweit wird der Aussteller nämlich schon durch Art. 22 ScheckG geschützt, da er seiner Inanspruchnahme durch den Nehmer (und Einreicher) den Einwand mißbräuchlicher Verwendung entgegenhalten könnte und diesen folglich bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 826 BGB — die ja eher enger sind als die von Art. 22 ScheckG — auch gegenüber der Bank hat; daß die Mißbrauchsabsicht erst nach der Einreichung des Schecks voll verwirklicht worden ist, steht nicht entgegen, weil und sofern sie schon bei Einreichung bestand, so daß der Grund für den Mißbrauchseinwand bereits gelegt war. Raum und Bedürfnis f ü r die Anwendung von § 826 BGB ist dagegen bei Einlösung des Schecks gegeben. Im Vordergrund steht dabei der Fall, daß mit dem Erlös ein Debet des Einreichers bei der Bank abgedeckt wird und die Einlösung des Wechsels unterbleibt oder aus anderen Mitteln des Scheckausstellers erfolgt. Hier haftet die Bank jedenfalls dann aus § 826 BGB, wenn sie den Einreicher zu dem Vertragsbruch geradezu verleitet hat, also auf ihn in irgendeiner Weise eingewirkt hat, damit er den Scheck abredewidrig verwendet. H a t dieser das Papier dagegen von sich 8 » Vgl. B G H W M 1961, 1186; 1973, 674; 1975,754; O L G H a m b u r g BB 1974, 1266; LG Kleve DB 1975, 296; Liesecke W M 1975, 229 f.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Die Rechtsverhältnisse beim Einzug des Schecks aus und ohne jeden A n s t o ß der B a n k z u m I n k a s s o g e g e b e n , stellt sich die F r a g e , ob in der Gutschrift eine bloße A u s n u t z u n g f r e m d e n V e r t r a g s b r u c h s liegt, die im G e g e n s a t z z u r Verleitung grundsätzlich f ü r eine A n w e n d u n g v o n § 826 B G B nicht ausreicht (vgl. oben R d n . 133), o d e r o b besondere U m s t ä n d e h i n z u k o m m e n , die eine A n w e n d u n g von § 826 B G B rechtfertigen. D e r B G H entscheidet i. d. R . im letzteren Sinne (vgl. v o r allem W M 1961 1186; 1975 754). D e m ist grundsätzlich z u z u s t i m m e n . D e n n das V e r halten des Einreichers wird i. d. R. den T a t b e s t a n d des § 266 S t G B erfüllen (vgl. auch B G H W M 1961 1188 unter II sowie z u m entsprechenden Problem beim P r o l o n g a tionswechsel B G H Z 8 2 7 6 , 280 f f ) . D i e A u s n u t z u n g einer S t r a f t a t geht aber über die A u s n u t z u n g eines bloßen V e r t r a g s b r u c h s so weit hinaus, daß sie grundsätzlich die A n w e n d u n g von § 826 B G B rechtfertigt. Außerdem wird sich die H a f t u n g der B a n k meist auch aus §§ 830, 823 II B G B i. V . m. § 266 S t G B ergeben. Freilich müssen f o l g e richtig in der P e r s o n des Scheckeinreichers grundsätzlich die subjektiven und objektiven V o r a u s s e t z u n g e n der U n t r e u e g e g e b e n sein o d e r sonstige erschwerende U m s t ä n d e h i n z u k o m m e n , die die B e j a h u n g eines Sittenverstoßes rechtfertigen (unklar insoweit B G H W M 1975 7 5 4 ) ; letzteres ist z. B. i. d. R. a n z u n e h m e n , wenn die B a n k den E r l ö s aus dem S c h e c k entgegen einer W e i s u n g des Einreichers mit einem D e b e t verrechnet, statt ihn z u r B e z a h l u n g des Wechsels zu verwenden (vgl. auch B G H W M 1956 1292). D e s weiteren muß auf Seiten der B a n k ein S c h ä d i g u n g s v o r s a t z nachweisbar sein, d o c h ist dieser grundsätzlich schon dann zu bejahen, wenn sie damit rechnet, daß der W e c h sel w e g e n der anderweitigen V e r w e n d u n g des S c h e c k s nicht o d e r nur mit sonstigen Mitteln des Scheckausstellers eingelöst wird. Liegen die V o r a u s s e t z u n g e n von § 826 u n d / o d e r §§ 823 II, 830 B G B nur in der Person eines Bankangestellten vor, auf den § 3 1 B G B keine A n w e n d u n g findet, kann der B a n k die B e r u f u n g auf den Entlastungsbeweis nach § 8 3 1 I 2 B G B u . U . w e g e n eines O r g a n i s a t i o n s m a n g e l s verwehrt sein, wenn sie ihr Personal nicht o r d n u n g s g e m ä ß über die korrekte H a n d h a b u n g v o n P r o longationsschecks belehrt hat (vgl. O L G H a m b u r g B B 1974 1266, 1267 und d a z u auch oben R d n . 126). Läßt die B a n k in Kenntnis der Z u s a m m e n h ä n g e z u , daß der Einreicher über den G e g e n w e r t des S c h e c k s in abredewidriger W e i s e zugunsten Dritter v e r f ü g t , also z. B. an diese eine (nicht der Einlösung des Wechsels dienende) Ü b e r w e i s u n g vornimmt, so ist sie z w a r v o m V o r w u r f des E i g e n n u t z e s frei, kann aber grundsätzlich gleichwohl aus § 826 u n d / o d e r § 823 II B G B haften, weil (und s o f e r n ) auch darin eine Beteiligung an strafbarer U n t r e u e liegt (vgl. auch oben R d n . 106). Maßgeblicher Zeitpunkt f ü r die subjektiven V o r a u s s e t z u n g e n auf Seiten der B a n k ist dabei der A u g e n blick, in dem sie die V e r f ü g u n g zuläßt und daran mitwirkt, so daß ihr auch eine erst nach der Einreichung des S c h e c k s erlangte Kenntnis noch schaden kann. Maßgeblicher Zeitpunkt bei einer V e r r e c h n u n g mit einem D e b e t des K u n d e n ist d a g e g e n spätestens die Weiterleitung des S c h e c k s zur Einlösung, da alles Weitere sowohl in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht ohne Zutun der I n k a s s o b a n k geschieht. D e r A n s p r u c h des Ausstellers wird allerdings regelmäßig durch ein Mitverschulden g e m ä ß § 254 B G B gemindert sein (a. A. B G H W M 1975 755 unter I 4). D e n n es ist grundsätzlich als Leichtsinn anzusehen, seinem Schuldner einen S c h e c k z u r E i n l ö s u n g des Wechsels zu ü b e r g e b e n , statt den betreffenden B e t r a g unmittelbar der B a n k , bei der der Wechsel zahlbar ist, z u r V e r f ü g u n g zu stellen; das gilt zumindest d a n n , wenn der Schuldner sich erkennbar in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. D a r ü b e r hinaus k o m m t eine M i n d e r u n g oder ein Wegfall des S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h s nach den G r u n d s ä t z e n über die Vorteilsausgleichung in Betracht, wenn die B a n k später einen anderen Wechsel nur deshalb eingelöst hat, weil z u v o r durch den z w e c k e n t f r e m deten S c h e c k das D e b e t des Akzeptanten reduziert w o r d e n w a r (vgl. B G H W M 1975 755). Claus-Wilhelm Canaris
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
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Außer Deliktsansprüchen können auch Ansprüche aus Schutzwirkung zugunsten Dritter gegeben sein, da das Verhalten der Inkassobank auf die Rechtssphäre des Ausstellers einwirken kann und zwischen jener und diesem ein — durch die übrigen beteiligten Banken „vermittelter" — rechtsgeschäftlicher Kontakt besteht (unzutreffend daher insoweit KG W M 1980 226, 227 a. E.). Freilich dürfen durch die Anerkennung derartiger Schutzpflichten zugunsten des Ausstellers nicht gesetzliche Wertungen ausgehöhlt oder unterlaufen werden; daher ist für diese Konstruktion z. B. bei Einlösung eines veruntreuten Schecks kein Raum, weil (und soweit) sonst die Schranken von § 990 BGB obsolet würden (richtig daher i. E. KG aaO). Auch müssen die Pflichten der Inkassobank inhaltlich nicht unbedingt so weit gehen wie die der bezogenen Bank; demgemäß braucht diese den Aussteller anders als dessen eigene Bank (vgl. dazu oben Rdn. 107) und anders als im Lastschriftverfahren (vgl. dazu oben Rdn. 615) grundsätzlich, d. h. abgesehen von den Fällen eines Nothilfegebots, auch nach Ablauf der Vorlegungsfrist nicht vor einem drohenden Zusammenbruch des Einreichers zu warnen, da dieser im Gegensatz zum Aussteller ihr Kunde ist und anders als bei der Giroüberweisung bereits ein Erfüllungssurrogat — nämlich den Scheck mit dem wertpapierrechtlichen Regreßanspruch gegen den Aussteller — in Händen hat, also stärker schutzwürdig erscheint. e) Die Rechtsstellung von Eigentumsvorbehaltslieferanten
757a
H a t sich ein Lieferant die Forderungen aus dem Verkauf von Waren, die er unter Eigentumsvorbehalt geliefert hat, im voraus abtreten lassen, so kann er die darin liegende Sicherheit u. U. dadurch verlieren, daß der Drittschuldner mittels Schecks an den Vorbehaltskäufer zahlt — zumal grundsätzlich schon auf die Hingabe des Schecks § 407 BGB anzuwenden ist (vgl. unten Rdn. 774). Der Lieferant tut daher gut daran, mit dem Vorbehaltskäufer die Ubereignung von Kundenschecks zu vereinbaren, die zur Bezahlung von unter verlängertem Eigentumsvorbehalt stehenden Forderungen hingegeben werden. Das kann auch global im voraus und mithin grundsätzlich auch in AGB geschehen, da auch hier der Weg über § 930 BGB offensteht (vgl. z. B. BGH W M 1957 674, 675; 1958 70 f). Allerdings erstreckt sich die Einzugsermächtigung, die dem Vorbehaltskäufer üblicherweise vom Lieferanten erteilt wird, gemäß § 157 BGB grundsätzlich auch auf die Einreichung von Kundenschecks zum Inkasso und die damit verbundene Sicherungsübertragung auf die Bank, weil (und soweit) es sich dabei um eine Maßnahme des „ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs" handelt (vgl. zum Ganzen näher Canaris N J W 1981 256 f). Eine solche liegt indessen grundsätzlich nicht vor, wenn der Scheck über ein debitorisches Konto eingezogen wird und die Bank nicht ausnahmsweise dessen (erneute) Uberziehung in Höhe des Scheckbetrags zu dulden verpflichtet ist; denn da die Bank den Gegenwert für den Scheck i. d. R. mit dem Debet verrechnen darf (vgl. oben Rdn. 747 Abs. 2) und dieser folglich von vornherein nicht zur Weiterleitung an den Lieferanten zur Verfügung steht, entspricht das Inkasso über ein debitorisches Konto grundsätzlich nicht dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Lieferanten. Entsprechendes gilt, wenn der Vorbehaltskäufer seine Zahlungen eingestellt hat oder Antrag auf Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen gestellt worden ist. Die Bank erwirbt daher in derartigen Fällen das Eigentum am Scheck nur, wenn sie gutgläubig i. S. von Art. 21 ScheckG ist. Anderenfalls haftet sie dem Lieferanten aus § 990 BGB. In keinem Fall kann die Bank den Scheck nach Ziff. 42 I AGB zur Deckung inkonnexer Forderungen verwenden (vgl. näher unten die Kommentierung von Ziff. 42).
757b
Schwächer ist die Rechtsstellung des Lieferanten bei Unterbleiben einer Vorausübereignung an ihn. Dann erwirbt die Bank den Scheck nämlich vom Berechtigten (vgl. 394
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D i e Rechtsverhältnisse beim Einzug des Schecks
auch B G H W M 1970 245, 246 zum Wechseldiskont) und haftet daher nicht nach § 990 BGB, wo schon grobe Fahrlässigkeit schadet, sondern allenfalls nach § 826 BGB, wo Vorsatz und Sittenwidrigkeit erforderlich sind (vgl. auch B G H W M 1970 900, 902). Diese Voraussetzungen dürften freilich i. d. R. zu bejahen sein, wenn die Bank Kenntnis von der Zweckbestimmung des Schecks hat und diesen trotzdem zum Einzug über ein debitorisches Konto hereinnimmt, ohne dem Vorbehaltskäufer die Verfügung über den Gegenwert — zumindest zugunsten des Lieferanten — zu gestatten. Denn dann beschränkt sie sich nicht darauf, einen Vertragsbruch ihres Kunden auszunutzen, sondern beteiligt sich an einem Treubruch, der weit über eine gewöhnliche Vertragsverletzung hinausgeht und häufig sogar einen Verstoß gegen § 266 StGB darstellt, so daß die Voraussetzungen von §§ 826, 830 und u. U. auch von §§ 823 II, 830 BGB erfüllt sind; es liegt insoweit nicht wesentlich anders als beim Inkasso von Prolongationsschecks (vgl. dazu oben Rdn. 756). Erst recht greift § 826 BGB ein, wenn der Vorbehaltskäufer seine Bank bei der Einreichung des Schecks anweist, den Erlös f ü r die Bezahlung eines von ihm dem Lieferanten gegebenen Wechsels bereitzuhalten, und die Bank gleichwohl eine Verrechnung mit einem Debet vornimmt (vgl. B G H W M 1956 1292). Sind die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung dagegen nicht gegeben, so hat der Lieferant i. d. R. keine Anspruchsgrundlage gegen die Bank. Insbesondere ist diese grundsätzlich nicht der Haftung aus § 816 II BGB ausgesetzt. Das wird sich meist schon daraus ergeben, daß sie nicht Zahlungsempfängerin i. S. dieser Vorschrift, sondern nur Zahlungsmittlerin ist (vgl. näher oben Rdn. 602 b zum entsprechenden Problem beim Lastschriftverfahren); außerdem ist sie auch nicht Nichtberechtigte i. S. von § 816 II BGB, da dazu das Erlöschen oder die Undurchsetzbarkeit der mit dem Scheck bezahlten Kausalforderung nicht ausreicht (vgl. näher unten Rdn. 1566 zum entsprechenden Problem beim Wechseldiskont).
4. Die Rechtsverhältnisse zwischen den Banken a) Die einschlägigen Rechts- und Anspruchsgrundlagen Das Rechtsverhältnis zwischen der Inkassobank und der bezogenen Bank richtet 7 5 8 sich in erster Linie nach dem Scheckrückgabeabkommen (abgedruckt unten Rdn. 760). Gemäß Klausel A I hat die bezogene Bank u. a. die Pflicht zur Rücksendung nicht eingelöster Schecks spätestens an dem auf den Tag der Vorlage folgenden Geschäftstag sowie gemäß Klausel A II bei Schecks im Betrage von D M 2000,— und darüber die Pflicht zur fernmündlichen, fernschriftlichen oder telegraphischen Benachrichtigung der Inkassobank bis spätestens 12 Uhr des auf den T a g der Vorlage folgenden Geschäftstags (vgl. dazu auch Wolff Festschr. für Bärmann S. 1060 ff, der freilich noch den früheren Text im Auge hat). Eine Verletzung dieser Pflichten hat anders als die verspätete Rückgabe eines über die Abrechnungsstelle der Landeszentralbank vorgelegten Schecks nicht die Folge der Einlösung (vgl. oben Rdn. 699), sondern führt nur zu einem Schadensersatzanspruch der Inkassobank, so daß diese sich zunächst an den Einreicher und gegebenenfalls auch den Aussteller oder andere Regreßschuldner zu halten hat; zahlen diese nicht freiwillig, so braucht die Inkassobank allerdings wohl nicht Klage gegen sie zu erheben, sondern kann die bezogene Bank Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche auf Schadensersatz belangen (vgl. auch Wolff a a O S. 1063 f). Verstöße gegen die aus dem Abkommen erwachsenen Verpflichtungen sind unverzüglich zu rügen (Klausel A V ) . Da eine Sanktion im Abkommen nicht ausgesprochen ist, hat ein Unterlassen der Rüge nicht die ungewöhnliche und äußerst harte Folge eines automatischen Verlusts des Schadensersatzanspruchs, sondern führt ledigClaus-Wilhelm Canaris
395
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung lieh zur Anwendung von § 254 BGB — was sich im übrigen auch aus dem Vergleich des heutigen Textes mit dem früheren ergibt 82 . In dem Abkommen ist ausdrücklich festgelegt, daß es Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten begründet, daß die Abtretung etwaiger Ansprüche aus seiner Verletzung ausgeschlossen ist und daß ein aus seiner Verletzung entstandener Schaden eines Dritten nicht im Wege der Drittschadensliquidation geltend gemacht werden kann (Klauseln A V und VI). Diese Regelung dürfte ohne wesentliche praktische Bedeutung sein, da sie Ansprüche aus Schutzwirkungen zugunsten Dritter ebensowenig erfaßt wie die entsprechende Regelung im Lastschriftabkommen (vgl. dazu BGHZ 69 82, 88 f und oben Rdn. 615 a. E.). 759
Häufig erfolgt der Scheckeinzug unter Zwischenschaltung einer dritten Bank, insbesondere einer Landeszentralbank als Filiale der Deutschen Bundesbank. Insoweit kann grundsätzlich auf die Ausführungen zum Lastschrifteinzug oben Rdn. 596 ff verwiesen werden. Insbesondere entspricht die Rechtslage beim vereinfachten Scheckeinzug für die Kreditinstitute weitgehend der Rechtslage beim Lastschriftverfahren. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings bezüglich der Rückgabe uneingelöster Schecks. Diese sind nach Abschnitt III Ziff. 18 der AGB der Deutschen Bundesbank (abgedruckt oben Rdn. 601) noch am Tag des Eintreffens, an Bankplätzen spätestens am folgenden Geschäftstag bis zu dem örtlich festgesetzten Zeitpunkt zurückzugeben mit der Folge, daß der Gegenwert des Rückschecks dem belasteten Girokonto wieder gutgeschrieben wird. Die Möglichkeit einer späteren Rückgabe, wie sie für Lastschriften in Ziff. 19 III vorgesehen ist, gibt es für Schecks nicht, so daß sich hier auch die Probleme nicht stellen, die die Qualifikation der späteren Rückgabe als Einreichung mit sich bringt. H a t die bezogene Bank die Frist von Ziff. 18 versäumt, so ist sie bei Nichteinlösung des Schecks auf einen Bereicherungsanspruch gegen die Inkassobank angewiesen. Gibt sie umgekehrt einen bereits eingelösten Scheck binnen dieser Frist zurück, so haftet sie ihrerseits der Inkassobank aus § 812 I 1 Fall 2 BGB (vgl. BGHZ 53 199, 202).
b) Der Text des Abkommens über die Rückgabe nichteingelöster Schecks und die Behandlung von Ersatzstücken verlorengegangener Schecks im Scheckeinzugsverkehr 760
Abkommen über die Rückgabe nichteingelöster Schecks1 und die Behandlung von Ersatzstükken verlorengegangener Schecks1 im Scheckeinzugsverkehr (i. d. F. der am 1. Juli 1957, am 1. November 1960 und am 1. Oktober 1977 in Kraft getretenen Änderungen) Die nachstehend aufgeführten Spitzenverbände des Kreditgewerbes, und zwar Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V., Bonn, Bundesverband deutscher Banken e. V., Köln, Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V., Bonn, Verband der Gemeinwirtschaftlichen Geschäftsbanken VGG, Bonn, Verband öffentlicher Banken e. V., Bonn-Bad Godesberg, schließen namens der in ihnen zusammengeschlossenen Kreditinstitute hiermit folgenden Vertrag: 1 Als Schecks im Sinne dieses Abkommens gelten auch Abschnitte mit faksimilierten Ausstellerunterschriften und Abschnitte, die in anderen Punkten nicht den Artikeln 1 und 2 des Scheckgesetzes entsprechen. 82
Vgl. Steuer Die Bank 1978, 501; überholt insoweit B G H Z 53, 199, 202 und wohl auch Baumbach/ Hefermehl Anh. nach Art. 28 SchG Rdn. 19, w o
396
offenbar die Änderung des Abkommens nicht berücksichtigt ist.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
noch
III. Die Rechtsverhältnisse beim Einzug des Schecks A. Rückgabe nichteingelöster Schecks (Scheckrückgabeabkommen) I. (l) Schecks, die nicht bezahlt werden, sind von dem bezogenen Kreditinstitut 2 spätestens an dem auf den Tag der Vorlage (Eingangstag) folgenden Geschäftstag mit dem Vorlegungsvermerk bzw. Protest versehen unter Beifügung eines Durchschlages der Rückscheckrechnung unmittelbar an die erste Inkassostelle zurückzusenden. Bei Schecks, die dem bezogenen Kreditinstitut an einem Sonnabend zugehen, gilt der nächste Geschäftstag als Eingangstag. Bei vom Ausland eingereichten Schecks ist erste Inkassostelle das erste am Einzug beteiligte inländische Kreditinstitut. (2) Um die unmittelbare Scheckrückgabe an die erste Inkassostelle zu ermöglichen, ist auf allen Inkassoschecks von der ersten Inkassostelle ihre Firmenbezeichnung mit Ortsangabe und Bankleitzahl anzubringen. (3) Rückschecks und Barauslagen (Porto u. ä.) für die unmittelbare Scheckrückgabe werden nach Möglichkeit auf dem umgekehrten Inkassoweg verrechnet; auf der Rückscheckrechnung ist zu vermerken: „Abschnitt mit/ohne Vorlegungsvermerk/Protest bereits unmittelbar übersandt". (4) Schecks, die im Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank oder von Stellen der Deutschen Bundesbank unmittelbar oder im vereinfachten Platzeinziehungsverfahren vorgelegt werden, sind im Falle der Nichtbezahlung auf demselben Weg zurückzugeben, und zwar Abrechnungsschecks bis zu dem in den Geschäftsbestimmungen der Abrechnungsstelle, andere Schecks noch am Tage des Eintreffens, an Bankplätzen spätestens am folgenden Geschäftstag bis zu dem sonst örtlich festgesetzten Zeitpunkt. (5) Die erste Inkassostelle ist — auch bei Verletzung dieses Abkommens und unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche — verpflichtet, nicht eingelöste und mit dem Vorlegungsvermerk versehene Schecks zurückzunehmen, gleichgültig auf welchem Wege die Schecks vorgelegt worden sind. Zurückgenommene Schecks dürfen nicht erneut zum Einzug in den Verkehr gebracht und bei erneuter unmittelbarer Einreichung durch den Scheckinhaber selbst von dem bezogenen Kreditinstitut nicht eingelöst werden. Das bezogene Kreditinstitut darf einen von ihm mangels Deckung zurückgegebenen Scheck von dem mit dem Einzug beauftragten Kreditinstitut nur dann zurückrufen, wenn auf dem Konto des Scheckausstellers Deckung vorhanden war und der Scheck somit nur versehentlich zurückgegeben worden ist. II. Das bezogene Kreditinstitut 2 hat die erste Inkassostelle unmittelbar fernmündlich, fernschriftlich oder telegrafisch von der Nichteinlösung eines Schecks im Betrage von 2000,— D M und darüber spätestens an dem auf den Tag der Vorlage (Eingangstag) folgenden Geschäftstag bis 12.00 Uhr zu benachrichtigen. Bei Schecks, die dem bezogenen Kreditinstitut an einem Sonnabend zugehen, gilt der nächste Geschäftstag als Eingangstag. Ist die erste Inkassostelle auf dem Scheck nicht erkennbar, so ist das erste in der Inkassokette feststellbare Kreditinstitut gemäß Satz 1 zu benachrichtigen. Die Kosten für diese Benachrichtigungen können dem Aussteller belastet oder der ersten Inkassostelle in Rechnung gestellt werden. III. Eine Rückscheckprovision wird durch die erste Inkassostelle erhoben. Das bezogene Kreditinstitut erhebt seine Auslagen. Von den Zwischenstellen dürfen nur die Barauslagen erhoben werden, wenn ausnahmsweise, z. B. aus den in I Abs. 2 dargelegten Gründen, der Rückscheck nicht unmittelbar an die erste Inkassostelle, sondern mit der Originalrechnung an die Zwischenstellen gesandt und weitergesandt wird. IV. Bei der Verrechnung von Rückschecks unter 10 000,— D M wird jede Stelle, über die die Rückscheckrechnung läuft, mit der Tageswertsteilung für Einzugsschecks belastet. Rückschecks
2 B e z o g e n e s Institut im S i n n e dieser V o r s c h r i f t ist die k o n t o f ü h r e n d e Stelle, ggf. also eine Zweigstelle des Instituts.
Claus-Wilhelm Canaris
397
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung von 10 000,— D M und darüber können mit der Lastschriftwertsteilung der Einreichung verrechnet werden. V. Dieses Abkommen begründet Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Kreditinstituten. Verstöße gegen die aus diesem Abkommen erwachsenen Verpflichtungen sind unverzüglich nach Bekanntwerden zu rügen. Die Schadensersatzpflicht beschränkt sich auf den Betrag desjenigen Schecks, bei dessen Bearbeitung den Verpflichtungen aus diesem Abkommen nicht genügt worden ist. VI. Die Abtretung etwaiger Ansprüche aus einer Verletzung dieses Abkommens ist ausgeschlossen. Ein beteiligtes Kreditinstitut ist auch nicht berechtigt, einen aus der Verletzung dieses Abkommens entstandenen Schaden eines Dritten im Wege der Schadensliquidation im Drittinteresse geltend zu machen. VII. Dieses Abkommen findet auch auf solche Schecks Anwendung, die auf ausländische W ä h r u n g lauten (Valuta-Schecks). Soweit in diesem Abkommen Betragsgrenzen f ü r Schecks in D - M a r k angegeben sind, ist bei Valuta-Schecks vom Geldkurs des Vortages der Vorlage beim Bezogenen auszugehen. VIII. Dieses Abkommen gilt nicht für Schecks, die von ausländischen Kreditinstituten auf inländische Kreditinstitute gezogen sind. B. Ausstellung, Annahme und Behandlung von Ersatzstücken für verlorengegangene Schecks I. Geht eine Schecksendung verloren und steht der Verlust nach der Uberzeugung des Kreditinstituts, das die Schecks als letztes abgesandt hat oder bei dem sie verlorengegangen sind (Verluststelle), einwandfrei fest, so fordert dieses Kreditinstitut über seinen Vormann Ersatzstücke von den erstbeauftragten Kreditinstituten an. II. Das erstbeauftragte Kreditinstitut benachrichtigt den Einreicher, stellt nach Möglichkeit den Aussteller fest und fertigt das von der Verluststelle angeforderte Ersatzstück an. Als Ersatzstück wird ein einheitliches Formular im Format D I N A 6 verwendet, das folgende Angaben enthält: „Ersatzstück für verlorengegangenen Scheck Der Scheck N r DM Betrag in Worten Bezogenes Kreditinstitut Bankleitzahl Aussteller ist verlorengegangen. Er hat sich in der Sendung vom
Pf. wie oben
an . . . befunden.
Wir bitten Sie, in Anerkennung der zentralen Vereinbarung den in Verlust geratenen Scheck zu sperren, den Aussteller zu benachrichtigen und sein Konto auf Grund dieses Ersatzstücks mit dem Scheckbetrag zu belasten. Sollte das Original bereits vorgekommen sein oder noch vorkommen, so bitten wir um vertrauliche Mitteilung, wann und von wem es vorgelegt wurde. Y
, den
X-Bank"
Das erstbeauftragte Institut übersendet dieses Ersatzstück unmittelbar der Verluststelle. Im Scheckeinzugsverkehr der Deutschen Bundesbank weitergeleitete Schecks werden, wenn sie auf dem Einzugsweg verloren gehen, dem Einreicher zurückbelastet. Das vom erstbeauftragten Kreditinstitut hierfür auszufertigende Ersatzstück ist der Deutschen Bundesbank gegenüber als neue Einreichung zu behandeln; auf dem Ersatzstück soll in diesem Fall neben der Anschrift des bezogenen Instituts auch dessen Bankleitzahl vermerkt sein. III. Die Verluststelle gibt das Ersatzstück in der üblichen Weise zum Einzug weiter. IV. Das bezogene Institut sperrt den verlorengegangenen Scheck, benachrichtigt den Aussteller, behandelt das Ersatzstück wie einen Scheck und belastet es gegebenenfalls dem Konto des Ausstellers. Für die Sperrung des verlorengegangenen Schecks und die Einlösung des Ersatzstückes ist die Mitwirkung des Ausstellers nicht erforderlich. Sofern der verlorengegangene Scheck nicht bereits 398
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner (Valutaverhältnis) vorgekommen ist, kann das Ersatzstück ohne eine Ermächtigung des Ausstellers an den Bezogenen wie der verlorengegangene Scheck behandelt und eingelöst werden. Ist bei Vorlegung des Ersatzstückes der in Verlust geratene Scheck bereits vorgekommen, so teilt das bezogene Institut dem erstbeauftragten Institut — unter gleichzeitiger unmittelbarer Rückgabe des Ersatzstücks — vertraulich mit, wann und von wem der in Verlust geratene Scheck vorgelegt worden ist. Das gleiche gilt bei Vorkommen des in Verlust geratenen Schecks nach Einlösung des Ersatzstücks. V. Zur Arbeitsvereinfachung wird bei der Weitergabe des Ersatzstücks auf besondere Wertstellung innerhalb der Einzugskette verzichtet. Der Aussteller kann mittels des Ersatzstücks mit rückdatierter Wertstellung belastet werden, die an H a n d des auf dem Ersatzstück verzeichneten Datums der ursprünglichen Schecksendung festzustellen ist. Zwischen den in Betracht kommenden Kreditinstituten (Verluststelle und Bezogene) findet ein Zinsausgleich f ü r die Zeitspanne zwischen der ersten Belastung und der Vorlage des Ersatzstücks nur bei Schecks über D M 10 000,— (oder Gegenwert) statt. C. Kündigungsregelung Dieses Abkommen tritt am 1. Juli 1956 in Kraft. Das Abkommen kann im ganzen wie getrennt hinsichtlich der Abschnitte A und B von jedem Kreditinstitut gekündigt werden. Die Kündigung kann unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten zum Schluß eines jeden Kalenderhalbjahres ausgesprochen werden. Die Kündigung hat durch eingeschriebenen Brief gegenüber dem Bundesverband deutscher Banken zu erfolgen. Kündigt ein Kreditinstitut, so ist die Erklärung über den zuständigen Spitzenverband an den Bundesverband zu richten. Die Kündigung muß in diesen Fällen spätestens am 14. Tag der Kündigungsfrist beim Bundesverband deutscher Banken eingegangen sein. Der Bundesverband hat die Kündigung den anderen Kreditinstituten über die zuständigen Spitzenverbände mitzuteilen. Durch eine Kündigung wird das Fortbestehen der Vereinbarung zwischen den übrigen Vertragspartnern nicht berührt. Der Bundesverband des privaten Bankgewerbes (E. V.) hat die Kündigung den übrigen Kreditinstituten über die zuständigen Spitzenverbände bekanntzugeben. Durch die Kündigung wird das Fortbestehen des Vertrages zwischen den übrigen Vertragspartnern nicht berührt.
IV. D a s Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger u n d Schuldner (Valutaverhältnis) 1. D i e A b r e d e über die Scheckzahlung a) D a s Erfordernis eines Einverständnisses des Gläubigers D a d e r S c h e c k k e i n g e s e t z l i c h e s Z a h l u n g s m i t t e l ist u n d f ü r d e n N e h m e r ü b e r d i e s 7 6 1 d u r c h die N o t w e n d i g k e i t , z u s e i n e r E i n l ö s u n g t ä t i g z u w e r d e n , u n d d u r c h die G e f a h r des A b h a n d e n k o m m e n s e i n e gewisse B e l a s t u n g m i t sich b r i n g t , b e s t e h t g r u n d s ä t z l i c h kein A n n a h m e z w a n g . E s g i b t a u c h k e i n e V e r k e h r s s i t t e u n d k e i n e n H a n d e l s b r a u c h , w o n a c h d e r G l ä u b i g e r a l l g e m e i n o d e r i n n e r h a l b b e s t i m m t e r V e r k e h r s k r e i s e — z. B. u n t e r K a u f l e u t e n — g e h i n d e r t w ä r e , e i n e Z a h l u n g mittels S c h e c k o h n e b e s o n d e r e n G r u n d z u r ü c k z u w e i s e n (vgl. Isele A c P 129 155 f f ) . A u s n a h m e n k ö n n e n sich a b e r selbstv e r s t ä n d l i c h aus P a r t e i v e r e i n b a r u n g s o w i e aus T r e u u n d G l a u b e n g e m ä ß §§ 157, 242 B G B e r g e b e n w i e z . B., w e n n sich bei e i n e r l a u f e n d e n G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g die G e p f l o g e n h e i t g e b i l d e t h a t , d i e S c h u l d e n mittels S c h e c k s z u b e g l e i c h e n , u n d d e r G l ä u b i g e r n u n m e h r o h n e v e r n ü n f t i g e n G r u n d p l ö t z l i c h die A n n a h m e eines S c h e c k s a b l e h n t ; d a s w ä r e in e i n e m d e r a r t i g e n Falle im H i n b l i c k auf d a s V e r b o t des v e n i r e c o n t r a f a c t u m p r o p r i u m t r e u w i d r i g , u n d d e r G l ä u b i g e r k ä m e d a h e r d u r c h seine W e i g e r u n g in Annahmeverzug. Claus-Wilhelm Canaris
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
762
Im übrigen aber bedarf es grundsätzlich seines Einverständnisses mit der Scheckzahlung. Dieses kann auch konkludent erteilt werden und ist grundsätzlich insbesondere in der vorbehaltlosen Entgegennahme eines Schecks zu erblicken; angesichts der Verkehrsüblichkeit der Scheckzahlung muß der Gläubiger daher einen erhaltenen Scheck unverzüglich zurücksenden, wenn er verhindern will, daß die Entgegennahme gemäß § 157 BGB als Einverständnis mit der Scheckzahlung auszulegen ist 83 . Anders kann allerdings zu entscheiden sein, wenn außergewöhnliche Umstände wie z. B. das unmittelbare Bevorstehen einer Währungsreform gegeben sind (vgl. B G H W M 1956 947, 949) oder wenn der Gläubiger um eine andere Zahlungsform wie z. B. Barzahlung oder Giroüberweisung ersucht hatte; denn in derartigen Fällen kann aus dem Unterbleiben einer unverzüglichen Rücksendung nicht auf ein konkludentes Einverständnis mit der Scheckzahlung geschlossen werden.
763
Auf Grund seines Einverständnisses mit der Scheckzahlung hat der Nehmer gemäß §§ 157, 242 BGB für einen ordnungsgemäßen Einzug zu sorgen 8 4 . Er muß also insbesondere den Scheck innerhalb der Vorlegungsfrist vorlegen, doch braucht dies nicht unmittelbar bei der bezogenen Bank zu geschehen, sondern kann auch durch eine andere Bank, die der Nehmer mit dem Inkasso beauftragt, erfolgen. Dogmatisch geht es dabei i. d. R. wohl nur um eine Gläubigerobliegenheit und nicht um eine echte Rechtspflicht. Eine solche dürfte allerdings vorliegen, wenn der Scheck noch die Unterschriften anderer Personen trägt und der Geber daher durch dessen Präjudizierung einen Schaden zu erleiden droht; diesen hat der Nehmer dann aus positiver Forderungsverletzung zu ersetzen, sofern dem Interesse des Gebers nicht schon aus anderen Gründen — z. B. durch Befreiung von seiner Kausalschuld (vgl. unten Rdn. 778) — Genüge getan ist.
764
Durch die Abrede über die Scheckzahlung tritt wohl keine Verwandlung in eine Holschuld ein. D a ß beim Lastschriftverfahren entgegengesetzt zu entscheiden ist (vgl. oben Rdn. 629), steht nicht entgegen, weil hier keine so weitreichende Entlastung des Schuldners von der Sorge für die Vornahme der Zahlung gewollt sein dürfte. Gleichwohl ergeben sich weitgehend dieselben Rechtsfolgen. Insbesondere gerät der Gläubiger grundsätzlich in Annahmeverzug, wenn er den Scheck nicht rechtzeitig vorlegt und damit seine Mitwirkungsobliegenheit verletzt. Anders ist allerdings gemäß § 297 BGB zu entscheiden, wenn der Scheck bei Vorlegung nicht eingelöst worden wäre, d. h., wenn weder ein Guthaben noch eine ausreichende Kreditlinie vorhanden war und der Kontoinhaber auf Rückfrage seiner Bank (vgl. dazu oben Rdn. 690) auch nicht mehr anderweitig hätte f ü r Deckung sorgen können.
765
Bei Nichteinlösung hat der Scheckinhaber gemäß Art. 42 ScheckG eine Pflicht zur Benachrichtigung seines Vormanns und des Ausstellers, doch ist diese bezüglich des Ausstellers nach Ziff. 7 der Scheckbedingungen mit befreiender Wirkung von der bezogenen Bank übernommen worden (vgl. näher oben Rdn. 693). Eine Nebenpflicht von besonderer Wichtigkeit ist die Pflicht zur Unterlassung eines unberechtigten Scheckprotests (vgl. auch Baumbach/Hefermebl Einl. SchG Rdn. 25). Kommt es infolge einer Verletzung dieser Pflicht zur Entziehung oder Verweigerung von Krediten und anschließend zu einem Zusammenbruch des Unternehmens, war dieses aber ohnehin
b) Die Pflichten und Obliegenheiten des Nehmers
83 Vgl. RG J R 1926, 636 N r . 799; B G H Z 3, 238, 240 f und 244; 44, 178, 182; Baumbach/Hefermebl Einleitung SchG Rdn. 20.
400
»4 Vgl. z. B. R G J R 1926, 636 N r . 799; Hefermehl Einleitung SchG R d n . 22.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Baumbach/
IV. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n Gläubiger und S c h u l d n e r (Valutaverhältnis)
schwer angeschlagen, so kann eine Schadensersatzpflicht nach den Grundsätzen über die Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalzusammenhangs zu verneinen sein (vgl. BGH WM 1968 1214, 1215); die Beweislast dafür, daß der Schaden auch ohne den Protest eingetreten wäre, liegt bei dem potentiellen Schädiger, da die Berufung auf einen hypothetischen Kausalzusammenhang eine Einwendung darstellt. Die Inkassobank ist keine Erfüllungsgehilfin des Nehmers beim Scheckeinzug 766 (ebenso i. E. Baumbach/Hefermehl Einl. SchG Rdn. 22). Denn dessen Pflicht beschränkt sich, wie dargelegt (vgl. oben Rdn. 763), auf die Einreichung des Schecks, so daß er sich bei der Weiterleitung und Vorlegung nicht der Bank zur Erfüllung einer ihm selbst obliegenden Pflicht bedient; das gilt um so mehr, als die Bank in aller Regel Eigentümerin des Schecks wird (vgl. oben Rdn. 750). Schädigt die Bank den Aussteller, ist diesem daher nur nach den Regeln über die Schutzpflichtverletzungen (vgl. oben Rdn. 757) oder die Drittschadensliquidation zu helfen (so auch Hefermehl aaO). Allerdings dürfte die Pflicht zur Unterlassung eines unberechtigten Protests auch bei Einschaltung einer Bank eine Pflicht des Nehmers bleiben, so daß insoweit seine Haftung nach § 278 BGB möglich ist. c) Die Pflichten des Gebers Der Geber hat in erster Linie die Zahlungspflicht auf Grund der betreffenden Kau- 7 6 7 salschuld. Dabei bedient er sich seiner Bank als Erfüllungsgehilfin, so daß er z. B. bei einer Einlösungsverweigerung oder -Verzögerung für deren Verhalten nach § 278 BGB einzustehen hat. Daneben haftet die bezogene Bank dem Scheckinhaber u. U. selbst aus Schutzpflichtverletzung (vgl. oben Rdn. 735), was z. B. bei Konkurs des Gebers von praktischer Bedeutung sein kann. Der Geber hat ferner die Pflicht zur Unterlassung eines die Scheckeinlösung stören- 7 6 8 den Verhaltens, insbesondere zur Unterlassung einer Schecksperre (vgl. BGHZ 3 238, 241 f; BGH W M 1976 903, 904). Das gilt zumindest vor Ablauf der Vorlegungsfrist. Anders ist selbstverständlich zu entscheiden, sofern der Scheckgeber einen legitimen Grund für den Widerruf hat (vgl. auch BGH WM 1976 903, 904). Ein solcher liegt jedenfalls dann vor, wenn er sich gegenüber dem Regreßanspruch aus dem Scheck mit der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung zur Wehr setzen könnte, also z. B. bei Nichtigkeit, Unklarbarkeit oder wirksamer Anfechtung der Kausalforderung. Dagegen dürfte eine bloße Einrede gegen die Kausalforderung nicht als hinreichender Grund zu einem Widerruf des Schecks vor Ablauf der Vorlegungsfrist anzuerkennen sein, es sei denn, die Einrede kann ausnahmsweise mit Hilfe des Rechtsmißbrauchseinwandes auch dem Regreßanspruch aus dem Scheck entgegengesetzt werden 8 5 . Da das z. B. bezüglich der Verjährungseinrede gemäß §§ 813 1 2, 222 II BGB nicht der Fall ist, darf der Schuldner einen Scheck vor Ablauf der Vorlegungsfrist nicht sperren, um nunmehr die Einrede der Verjährung zu erheben; tut er es dennoch, haftet er dem Gläubiger aus positiver Forderungsverletzung, d. h. er hat ihm die Forderung trotz der Verjährung zu bezahlen, sofern der Scheck ohne den Widerruf eingelöst worden wäre. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Einrede des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB, da es mit der Funktion des Schecks als Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und als Ersatz für eine echte Zug-um-Zug-Leistung unvereinbar wäre, dieses Recht auf dem Umweg über den Rechtsmißbrauchseinwand der Regreßforderung gegen den Scheckaussteller entgegenzusetzen. In dem Widerruf nur dann eine 85
Zu den Voraussetzungen, unter denen das möglieh ist, vgl. z . B . B G H Z 57, 292, 300; Hueck/
Canaris § 20 I 1 b; Baumbach/Hefermehl W G Rdn. 67 m. w. Nachw.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
Art. 17
401
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
Pflichtverletzung gegenüber dem N e h m e r zu sehen, wenn der Geber bei H i n g a b e des Schecks positive Kenntnis vom Bestehen der Einrede hatte, wäre zu wenig; denn es ist im Interesse der Funktionsfähigkeit der Scheckzahlung von dem Geber zu erwarten, daß er sich vor der H i n g a b e des Schecks Klarheit über die Geltendmachung etwaiger Einreden verschafft — nicht anders als vor der H i n g a b e von Bargeld. N a c h Ablauf der Vorlegungsfrist ist dagegen in einer Schecksperre oder einem ähnlichen Verhalten — z. B. einer „Abräumung" des Kontos — grundsätzlich, d. h. mangels besonderer Abreden oder Umstände, keine Pflichtverletzung gegenüber dem N e h mer zu sehen. Anderenfalls käme man nämlich gewissermaßen zu einer Ersetzung der wertpapierrechtlichen H a f t u n g durch eine Schadensersatzhaftung — und das wäre schwerlich mit Sinn und Zweck der Präjudizierungsfolgen zu vereinbaren; auch kann der Scheckgeber nicht verpflichtet sein, noch unbestimmt lange ein Guthaben f ü r die Einlösung eines präjudizierten Schecks zu unterhalten. D a ß er nach der hier vertretenen Ansicht kein Recht zum Widerruf der Tilgungsbestimmung hat und daß der N e h mer demgemäß nicht der Durchgriffskondition der Bank ausgesetzt ist, wenn diese den Scheck trotz des Widerrufs doch noch bezahlt (vgl. oben Rdn. 739), stellt keinen Wertungswiderspruch dar, sondern beruht im Gegenteil auf demselben G r u n d g e d a n ken: nach Ablauf der Vorlegungsfrist soll das bürgerliche Recht nach keiner Richtung korrigierend eingreifen — w e d e r zugunsten des N e h m e r s durch eine Schadensersatzh a f t u n g noch zugunsten der Bank (oder des Gebers) durch eine Durchgriffskondiktion (mit deren Hilfe man dem N e h m e r z. B. den Gegenwert f ü r eine verjährte Forderung wieder abnehmen könnte). 2. Das Schicksal der Kausalforderung und die Erfüllung a) Einwendungen und Einreden gegen die Kausalforderung 769
G e m ä ß § 364 II BGB sowie im Hinblick auf die Tatsache, daß der Erwerb des Schecks als solcher dem Gläubiger noch keine mit der Barzahlung vergleichbare Sicherheit verschafft, stellt die Hingabe eines Schecks w e d e r eine Erfüllung noch eine Leistung an Erfüllungs Statt dar, sondern erfolgt lediglich erfüllungshalber 86 . Die bloße Entgegennahme des Schecks berührt daher den Bestand der Kausalforderung noch nicht. W o h l aber tritt gemäß §§ 157, 242 BGB eine — mit der S t u n d u n g verwandte, aber nicht identische — Hemmung der Durchsetzbarkeit ein, die so lange währt, als der Gläubiger noch mit Aussicht auf Erfolg aus dem Scheck vorgehen k a n n 8 7 ; denn es wäre mit Sinn und Zweck der Scheckzahlung unvereinbar und w ü r d e gegen T r e u und Glauben verstoßen, wenn der Gläubiger z w a r den Scheck a n n ä h m e und dadurch seine Rechtsstellung verstärkte, dann aber nicht versuchte, sich primär mit Hilfe des Schecks zu befriedigen. Das gleiche gilt, wenn jemand von einem f r ü h e r e n Inhaber einen Scheck erfüllungshalber entgegengenommen hat. Er muß diesen dann nicht nur zur Einlösung vorlegen lassen, sondern darüber hinaus im Falle der Einlösungsverweigerung grundsätzlich auch den Regreßanspruch gegen den Aussteller und etwaige weitere Wechselverpflichtete (mit Ausnahme seines unmittelbaren Vormannes) geltend machen, nicht jedoch unbedingt einen Scheckprozeß d u r c h f ü h r e n 8 8 .
770
Auch wenn der Einwand der Scheckhingabe nicht mehr besteht, kann der Gläubiger die Kausalforderung nicht ohne weiteres, sondern gemäß §§ 157, 242 BGB grundsätzVgl. R G Z 78, 137, 142; R G J R 192 6, 636 N r . 799; W a r n R s p r . 1928 N r . 31 S. 60; B G H Z 44, 178, 179; Baumbach/Hefermebl Einleitung SchG Rdn. 19; Scbönle § 8 VI 3 d.
402
87
88
Vgl. z . B . Köhler W M 1977, 250; Baumbach/ Hefermebl Einl. SchG Rdn. 24; Hueck/Canaris § 20 III 1; Rehfeldt/Zöllner § 19 II 4 b. Vgl. auch O L G N ü r n b e r g BB 1961, 737; Baumbach/Hefermebl Einl. SchG Rdn. 24.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D a s Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner
(Valutaverhältnis)
lieh nur Zug um Zug gegen Rückgabe des unbezahlten Schecks geltend machen 8 9 . Anderenfalls müßte der Aussteller nämlich u. U. doppelt zahlen, weil der Scheck z. B. an einen Dritten übertragen worden ist oder weil ihn ein Dritter nach Bezahlung der Kausalforderung gutgläubig einwendungsfrei erwirbt. Zu weit ginge es dagegen, die Kausalforderung auf den gutgläubigen Erwerber des Schecks übergehen zu lassen, wie das z. B. bei dem verwandten Problem des gutgläubigen Erwerbs einer Hypothek gemäß § 1138 BGB von der h. L. angenommen wird (vgl. statt aller Palandt/Bassenge § 1153 Anm. 1 m. Nachw.); denn zum einen fehlt im Scheckrecht eine dem § 1153 BGB entsprechende Vorschrift, und zum anderen würde die Stellung des gutgläubigen Erwerbers durch einen ipso-iure-Ubergang der Kausalforderung auch über Gebühr gestärkt, was praktische Bedeutung z. B. im Hinblick auf für die Kausalforderung etwa bestehende Sicherungsrechte haben könnte. Demgegenüber stellt die Gewährung einer Einrede eine „mittlere" Lösung dar, die den Interessen aller Beteiligten angemessen Rechnung trägt, wobei man ergänzend auf eine Analogie zu § 1161 BGB verweisen kann (die übrigens auch im Hypothekenrecht die bessere Lösung darstellt). Folgerichtig entfällt diese Einrede, sofern die Gefahr der Doppelzahlung nicht mehr besteht. Das ist z. B. der Fall, wenn der Regreßanspruch gegen den Aussteller durch Präjudizierung erloschen und der Scheckbereicherungsanspruch aus Art. 58 ScheckG verjährt ist. Gleiches gilt grundsätzlich auch bei einer Vernichtung des Schecks. Zwar ist hier an sich die Möglichkeit des Vorgehens aus einem Ausschlußurteil gegeben, doch wird man dem Gläubiger die Wahl zwischen dem Aufgebotsverfahren und dem — u. U. schneller zum Ziel führenden — Rückgriff auf die Kausalforderung lassen können. Gehörte freilich der Scheck zur Zeit der Vernichtung einem Dritten und kann daher dieser ein Ausschlußurteil erwirken, so besteht weiterhin die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme und mithin auch die daraus folgende Einrede gegen die Kausalforderung. Die bloße Unwahrscheinlichkeit einer doppelten Inanspruchnahme genügt dagegen auch dann nicht f ü r die Geltendmachung der Kausalforderung, wenn sie sehr groß ist und der Erringung eines Ausschlußurteils besondere Schwierigkeiten entgegenstehen (a. A. B G H W M 1956 190 zum Wechsel). Der Gläubiger mag hier entweder dem Schuldner Sicherheit für den Fall leisten, daß dieser doch noch erfolgreich aus dem Wechsel in Anspruch genommen wird, oder den Ablauf der Verjährungsfrist — gegebenenfalls einschließlich der des Art. 58 II ScheckG — abwarten. b) Der Eintritt der Erfüllungswirkung Erfüllung tritt erst in dem Augenblick ein, in dem der Gläubiger eine der Erlangung 771 von Bargeld gleichstehende Rechtsstellung erlangt. Das ist, sofern der Scheck nicht in bar bezahlt wird, erst im Augenblick der Einlösung der Fall 90 , da erst jetzt der Anspruch aus der Gutschrift unbedingt wird (vgl. oben Rdn. 744 f). Demgemäß erfolgt z. B. erst bei Einlösung Heilung durch Erfüllung i. S. von §§518 II, 766 S. 2 BGB (vgl. B G H Z 64 340, 342); diese kann gemäß § 130 II BGB, Art. 33 ScheckG auch noch nach dem Tode des Ausstellers eintreten — und zwar auch dann, wenn die Erben von der Begebung u n d / o d e r Einlösung des Schecks keine Kenntnis haben (vgl. B G H W M 1978 89 Vgl. a u c h (jeweils z u m W e c h s e l ) B G H W M 1956, 190; Baumbacb/Hefermeht Einl. W G R d n . 5 4 ; Hueck/Canaris § 20 III 2. 90 Vgl. z. B. Isele A c P 129, 157; Baumbach/Hefermehl Einl. S c h G R d n . 19. D i e R s p r . steht i. E. auf Claus-Wilhelm
d e m s e l b e n S t a n d p u n k t , a u c h w e n n ihre F o r m u l i e r u n g e n n i c h t i m m e r g a n z p r ä z i s e s i n d ; vgl. z. B. R G W a r n R s p r . 1928 N r . 31 S. 6 0 ; B G H Z 6, 121; 44, 178, 180.
Canaris
403
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
844, 845). Entsprechendes gilt für die Erfüllung einer Naturalobligation gemäß §§ 65612, 762 I 2 BGB, 55 BörsG. 772
Durch die Bezahlung des Schecks erlöschen nicht nur die spezifisch scheckrechtlichen Ansprüche, sondern auch die Forderung aus dem Kausalverhältnis geht gemäß § 362 I BGB durch Erfüllung bzw. bei Erteilung einer Gutschrift gemäß § 364 I BGB durch Leistung an Erfüllungs Statt (vgl. oben Rdn. 467) unter. Zwar zahlt die Bank im Zweifel nur auf den Scheck und nicht auch auf die Kausalforderung, da die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Aussteller und dem Scheckinhaber sie weder interessieren noch etwas angehen und sie insbesondere nicht Drittleistende i. S. von § 267 BGB ist, doch stellt der Scheck eine Anweisung dar, und daher ist die Leistung der Bank zugleich als Leistung des Schuldners im Valutaverhältnis anzusehen. Das folgt sowohl aus einer Analogie zu § 788 BGB (vgl. auch RGZ 78 137, 142) als auch aus Sinn und Zweck der Abrede über die Annahme des Schecks als Leistung erfüllungshalber, also aus dem mutmaßlichen Parteiwillen. Die Einlösung des Schecks gegenüber dem Gläubiger bringt folglich auch die Kausalforderung zum Erlöschen. Das gleiche gilt, wenn der Scheck inzwischen auf einen Dritten übertragen worden ist, die Kausalforderung aber noch dem bisherigen Gläubiger zusteht. Bei einem Orderpapier ergibt sich das aus der Orderklausel, weil auf Grund dieser ja an den ersten Nehmer oder dessen Order gezahlt werden soll und von dieser Möglichkeit bei Zahlung an einen Indossatar Gebrauch gemacht wird. Bei einem Inhaberpapier folgt es aus der Inhaberklausel, weil hier die Anweisung eben auf Zahlung an den jeweiligen (berechtigten) Inhaber lautet. Daß die Zahlung dabei jeweils auch auf die Kausalforderung einwirkt, ergibt sich wiederum aus Sinn und Zweck der Abrede über die Annahme des Schecks als Leistung erfüllungshalber. Gibt also der erste Nehmer den Scheck einem seiner Gläubiger erfüllungshalber weiter, so erlischt bei Einlösung sowohl die Kausalforderung des ersten Nehmers gegen den Aussteller als auch die des zweiten Nehmers gegen den ersten Nehmer durch Erfüllung. Anders dürfte bei Bezahlung des Schecks an einen Nichtberechtigten oder an einen gutgläubigen Erwerber zu entscheiden sein. Denn da hier die Zahlung dem wahren Berechtigten und Inhaber der Kausalforderung nicht zugute kommt, kann man die Abrede über die erfüllungshalber erfolgende Scheckhingabe nicht dahin interpretieren, daß die Kausalforderung durch Erfüllung erlischt. Die Problematik ist daher insoweit mit Hilfe der oben Rdn. 770 behandelten Einrede zu lösen (vgl. näher unten Rdn. 775).
773
Unter besonderen Voraussetzungen kann es auch zu einer Erfüllung ohne Einlösung des Schecks kommen. Das ist dann der Fall, wenn der Gläubiger den Gegenwert für diesen erhalten hat und weder aus dem Scheck noch aus dem Kausalverhältnis zu seinem Nachmann noch aus sonstigen Rechtsgründen wie z. B. Bereicherung in Anspruch genommen werden kann. Die Problematik hat indessen für den Wechsel größere praktische Bedeutung als für den Scheck, weshalb wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen unten Rdn. 1527 verwiesen sei. 774 Bei einem Erlöschen der Kausalforderung nach § 407 BGB durch Leistung an den früheren Gläubiger kommt es für die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Scheckhingabe und nicht auf den der Einlösung an (vgl. BGH W M 1976 903, 904). Das gilt auch dann, wenn der Scheck von dem ersten Nehmer und nicht von einem gutgläubigen späteren Inhaber vorgelegt wird. Zwar könnte der Aussteller hier seiner Regreßhaftung aus dem Scheck mit der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegentreten, doch ist ihm das angesichts der ratio legis von §407 BGB, wonach dem — an der Abtretung nicht beteiligten! — Schuldner jede Verschlechterung seiner Rechtsposition erspart werden soll, nicht 404
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D a s Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner
(Valutaverhältnis)
zuzumuten (ebenso B G H aaO); denn sowohl der Protest als auch der Zwang zur Führung eines Prozesses — den er u. U. sogar erst im Nachverfahren gewinnen kann! — stellen gravierende Nachteile dar. Darüber hinaus ist sogar schon in der Notwendigkeit eines Widerrufs des Schecks eine mit Sinn und Zweck von § 407 BGB unvereinbare Belastung zu sehen, zumal der Schuldner den Widerruf u. U. vergißt bzw. verzögert oder an den Scheck nicht mehr denkt; daher schadet ihm Kenntnis von der Abtretung im Einlösungszeitpunkt auch dann nicht, wenn der Scheck erst nach Ablauf der Vorlegungsfrist präsentiert wird und eine wertpapierrechtliche Regreßhaftung daher nicht mehr in Betracht kommt (ebenso i. E. Haäding JZ 1977 285; offengelassen vom BGH aaO). Ist freilich eine wirksame Schecksperre erfolgt und wird diese anschließend wieder aufgehoben, so liegt darin eine neue Anweisung, bei der der Schuldner sich eine jetzt etwa bestehende Kenntnis von der Abtretung entgegenhalten lassen muß (vgl. BGH aaO). Vor der Einlösung des Schecks kann sich der Schuldner folgerichtig gegen die Inanspruchnahme aus der Kausalforderung mit dem Einwand der Scheckhingabe (vgl. oben Rdn. 769) wehren, da diese ein „Rechtsgeschäft in Ansehung der Forderung" i. S. von § 407 BGB darstellt. Bleibt dem zuständigen Angestellten eine Abtretungsanzeige nur deshalb unbekannt, weil der Schuldner seine Zahlungen über EDV abwickelt, so soll er sich nach Ansicht des BGH gemäß § 242 BGB nicht auf seine Unkenntnis berufen können (vgl. BGH W M 1977 51 f). Das ist zwar bei anderen Problemkreisen eine vernünftige Maxime (vgl. z. B. unten Rdn. 813), erscheint aber bei § 407 BGB höchst fragwürdig, weil es dazu führt, daß der Schuldner entgegen dem Schutzzweck dieser Vorschrift durch die Abtretung einen Nachteil erleidet. c) Die Tragung der Verlust- und der Verschlechterungsgefahr Die Verlustgefahr trägt analog § 270 I BGB grundsätzlich der Schuldner. Mit der 7 7 5 einverständlichen Entgegennahme des Schecks durch den Gläubiger geht jedoch die Gefahr des Abhandenkommens auf diesen über. Kommt ihm nämlich der Scheck nunmehr irgendwie abhanden, so verliert er u. U. durch gutgläubigen Erwerb eines Dritten oder durch gutgläubige Leistung der bezogenen Bank seine Rechte aus dem Scheck und kann außerdem auch nicht mehr auf seine Kausalforderung zurückgreifen 9 1 , da der Schuldner diese nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Schecks zu erfüllen braucht (vgl. oben Rdn. 770). H a t der Gläubiger sich schon im voraus mit der Scheckzahlung einverstanden erklärt oder ergibt sich deren Zulässigkeit aus den Umständen des Falles wie z. B. aus den bisherigen Geschäftsgepflogenheiten des Gläubigers, so geht die Verlustgefahr sogar noch vor der eigentlichen „Entgegennahme" des Schecks auf ihn über, da dann folgerichtig der Zeitpunkt des Zugangs maßgeblich sein muß. In diesem Augenblick hat nämlich zum einen der Schuldner alles seinerseits zur Hingabe des Schecks Erforderliche getan und ist der Scheck zum anderen in den Herrschafts- und Gefahrenbereich des Gläubigers gelangt. Insbesondere trägt der Gläubiger daher das Risiko, daß der Scheck von einem seiner Angestellten veruntreut wird. Das erscheint auch vom Ergebnis her interessengerecht. Denn wenn der Gläubiger sich schon im vorhinein mit der Scheckzahlung einverstanden erklärt hat, dann ist es, zumal angesichts der weiten Verbreitung des Schecks, seine Sache, ob er seinen Geschäftskreis so organisiert und seine Angestellten so überwacht, daß die Veruntreuung eingehender Kundenschecks verhindert wird. Der Gläubiger kann in diesen Fällen auch dann nicht auf 91
A n d e r s R G Z 100, 31, 33, w o n a c h auf den E i n z e l fall a b z u s t e l l e n sein soll; Jacobi S. 195, d e r d e m G l ä u b i g e r o f f e n b a r i m m e r die D u r c h s e t z u n g d e r
K a u s a l f o r d e r u n g e r m ö g l i c h e n will; d e m hier vertretenen Standpunkt zuneigend dagegen O L G F r a n k f u r t W M 1980, 95, 96 u n t e r II v o r 1.
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405
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
die Kausalforderung zurückgreifen, wenn es noch nicht zum Abschluß des Begebungsvertrags gekommen war und er demgemäß noch kein Eigentum am Scheck erlangt hatte (vgl. dazu im übrigen auch unten Rdn. 796). Anders ist dagegen zu entscheiden, wenn es an einem vorherigen Einverständnis mit der Scheckzahlung fehlte, diese dem Gläubiger vielmehr aufgedrängt wurde: in einem solchen Falle geht die Verlustgefahr erst dann und nur dann auf den Gläubiger über, wenn er ihn „entgegennimmt", d. h., wenn er (oder sein Stellvertreter) ihn in Kenntnis seines Eingangs nicht unverzüglich zurückschickt (vgl. näher oben Rdn. 762). Statt mit einer derartigen Risikoabwägung mit den Grundsätzen über die positive Forderungsverletzung zu arbeiten 92 , dürfte demgegenüber nicht der richtige dogmatische Ausgangspunkt sein. Denn man müßte dann dem Gläubiger seine Kausalforderung einredefrei belassen, was wohl kaum mit Sinn und Zweck der Scheckabrede zu vereinbaren ist, und könnte dem Schuldner nur dadurch helfen, daß er eine Schadensersatzforderung erhält, mit der er gegen die Kausalforderung des Gläubigers aufrechnen kann. Das aber würde ein Verschulden des Gläubigers voraussetzen, und daran wird es nicht selten fehlen; vor allem lassen sich Veruntreuungen von Angestellten häufig nicht über § 278 BGB dem Gläubiger zurechnen, da derartige Straftaten meist nicht „in Erfüllung der Verbindlichkeit", sondern nur „bei Gelegenheit" erfolgen und daher nicht unter § 278 BGB fallen. Auch kommen in der Praxis Aufrechnungserklärungen offenbar kaum vor. Im übrigen spricht für den hier vertretenen Standpunkt auch, daß im Rahmen des Ersatzanspruchs des Gläubigers gegen die Bank (vgl. unten Rdn. 792 ff) das Vorliegen eines Schadens und damit die Unmöglichkeit des Rückgriffs auf die Kausalforderung von den Gerichten durchweg mit Selbstverständlichkeit vorausgesetzt und nicht etwa davon abhängig gemacht wird, daß der Schuldner gegen den Gläubiger einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung besitzt und mit diesem gegen die Kausalforderung aufgerechnet hat. 776
Bei Überbringung eines Schecks durch einen Mittelsmann geht die Zweck- oder Tilgungsbestimmung so zu, wie dieser sie gegenüber dem ersten Nehmer erklärt (es sei denn, der Mittelsmann war dessen Empfangsbote oder -Vertreter). Erfüllung kann daher allenfalls nach Maßgabe dieser Erklärung eingetreten sein, so daß keinesfalls eine andere Forderung oder ein höherer Betrag getilgt ist, als dies nach der Erklärung des Überbringers der Fall sein soll (ebenso i. E. BGH WM 1977 449, 450). Bezeichnet dieser eine andere Forderung als die vom Aussteller angegebene, so ist die Zweck- oder Tilgungsbestimmung zwar i. d. R. entweder unwirksam (bei bewußter Abweichung) oder gemäß § 120 BGB anfechtbar, doch kann sich der Aussteller darauf i. d. R. analog § 172 BGB nicht berufen, so daß er keinen Bereicherungsanspruch gegen den ersten Nehmer hat. Behauptet der Überbringer freilich, einen Teilbetrag des Schecks solle der erste Nehmer an ihn selbst weiterleiten (vgl. den Fall B G H WM 1977 449), so wird der erste Nehmer angesichts der Ungewöhnlichkeit einer solchen Fallgestaltung und der Verdächtigkeit einer derartigen Behauptung meist bösgläubig i. S. von § 173 BGB sein, wenn er nicht beim Aussteller rückfragt. Seiner Bereicherungshaftung steht dann jedoch i. d. R. § 818 III BGB im Wege, den man hier wohl nicht im Wege einer Restriktion oder teleologischen Reduktion außer Anwendung lassen kann; es kommt dann darauf an, ob man eine „Auflockerung" von § 818 III BGB für zulässig hält — sei es durch analoge Anwendung von § 254 BGB oder sei es mit Hilfe eines Anspruchs des Ausstellers gegen den Nehmer aus Schutzpflichtverletzung (i. V. m. § 254 BGB). "
So LG Braunschweig W M 1979, 735, 736 und Baumbach/Hefermehl Art. 21 SchG Rdn. 6, beide jedoch ohne Begründung.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I V . D a s Rechtsverhältnis zwischen G l ä u b i g e r und S c h u l d n e r (Valutaverhältnis)
Das Risiko des Konkurses einer der beteiligten Banken richtet sich weitgehend nach 7 7 7 denselben Grundsätzen wie im Lastschriftverfahren (vgl. oben Rdn. 641 ff). Der Schuldner trägt es nach der Einlösung des Schecks keinesfalls, da er dann seine Schuld ja erfüllt hat. Es liegt dann vielmehr grundsätzlich beim Gläubiger; auch dieser trägt es freilich im überbetrieblichen Zahlungsverkehr nicht bezüglich der zwischengeschalteten und der bezogenen Bank, da es sich insoweit um Mängel des Deckungsverhältnisses handelt, die ihm seine Bank nach der Einlösung nicht mehr entgegensetzen kann (vgl. oben Rdn. 747). Der Gläubiger trägt das Risiko eines Konkurses seiner Bank auch dann, wenn die Einlösung erst nach Eröffnung des Verfahrens erfolgt ist; denn er hat sie ausgewählt, so daß sie seiner Sphäre zuzurechnen ist — nicht anders als die Empfängerbank bei der Giroüberweisung der Sphäre des Empfängers zugerechnet wird (vgl. oben Rdn. 478). Das Risiko eines Konkurses der bezogenen Bank liegt bis zur Einlösung grundsätzlich beim Aussteller. Befindet sich der Gläubiger freilich in Annahmeverzug (vgl. dazu oben Rdn. 764), so ist die Gefahr gemäß § 300 II B G B auf ihn übergegangen (vgl. näher oben Rdn. 643). Eine Einlösung nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der bezogenen Bank hat keine Erfüllungswirkung mehr (vgl. oben Rdn. 642). Entsprechendes gilt für den Konkurs der Bank beim Haus- oder Filialinkasso. Das Risiko einer Entwertung des Schecks durch Präjudizierung trägt grundsätzlich 7 7 8 der Gläubiger (vgl. näher unten Rdn. 1573 zum Wechsel, bei dem die Problematik größere praktische Bedeutung hat). d) Die Tragung der Verzögerungsgefahr und die Rechtzeitigkeit der Leistung Die Verzögerungsgefahr trägt nach dem Rechtsgedanken von §§ 270 IV, 269 I B G B 7 7 9 grundsätzlich der Gläubiger. Daher geht z. B. eine Kaufkraftminderung durch Inflation oder Wechselkursänderung grundsätzlich zu seinen Lasten (vgl. näher oben Rdn. 479); im letzteren Falle ist auch das Währungswahlrecht des Scheckgläubigers nach Art. 36 ScheckG zu beachten (vgl. dazu auch O L G Frankfurt N J W 1970 2172). Verzögerungen durch die bezogene Bank bzw. Filiale sind gemäß § 278 B G B dem Schuldner zuzurechnen. Ebenso wie bei der Giroüberweisung vermengt die h. L. die Problematik der Verzö- 7 8 0 gerungsgefahr mit der Rechtzeitigkeit der Leistung und nimmt demgemäß an, daß eine Absendung oder eine sonstige endgültige Entäußerung des Schecks vor Fälligkeitseintritt oder Fristablauf genügt 9 3 . Dem ist aus den oben Rdn. 480 genannten Gründen nicht zu folgen. Vielmehr gerät der Schuldner in Verzug, wenn er den Scheck nicht so rechtzeitig absendet, daß er bei normalem Verlauf im Fälligkeitszeitpunkt bzw. vor Fristablauf eingelöst wird. Dadurch treten freilich nur die allgemeinen Verzugsfolgen der §§ 284 ff B G B ein, während für besondere Verzugsfolgen, wie sie insbesondere in den §§ 326, 554 B G B , 38 f W G angeordnet sind, entsprechend den Ausführungen oben Rdn. 480 a i. E. der h. L. zuzustimmen und demgemäß auf die Absendung des Schecks abzustellen ist, sofern dieser eingelöst wird; dessen Absendung macht dann z. B. eine Fristsetzung nach § 39 W G gegenstands- und wirkungslos (zutreffend daher i. E. B G H Z 44 178, 180; B G H W M 1969 390). Auch die allgemeinen Verzugsfolgen können gemäß § 242 B G B entfallen, wenn der Gläubiger einen verspätet abgesandten Scheck vorbehaltlos entgegennimmt. 93
Vgl. z. B. R G Z 78, 137, 142; B G H Z 44, 178, 180; B G H WM 1969, 390; Liesecke WM 1973, 1168; Baumbach/Hefermeh/ Einl. SchG Rdn. 20; Erst-
auflage Anm. 319; Anm. 2 c.
Claus-Wilhelm Canaris
Palandt/Heinrichs
§270
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
781
Unerheblich ist, ob die Zahlung durch Barscheck oder durch Verrechnungsscheck erfolgt, sofern der Gläubiger mit der Annahme eines Verrechnungsschecks einverstanden war (vgl. BGHZ 44 178, 180). Unerheblich ist ferner, ob der Scheck vordatiert worden ist 94 , da der Scheck gemäß Art. 28 II ScheckG jedenfalls schon am Tage seiner Vorlegung zahlbar ist und es beim Gläubiger liegt, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht.
782
Bei Nichteinlösung des Schecks hat es bei den allgemeinen und besonderen Verzugsfolgen sein Bewenden. Im Falle einer Schecksperre kann § 326 BGB unter besonderen Umständen sogar ohne Fristsetzung eingreifen (vgl. dazu näher oben Rdn. 640).
3. Die Rückabwicklung bei Erfüllung einer Nichtschuld und bei sonstigen Fehlüberweisungen 783 Besteht das Valutaverhältnis zwischen dem Aussteller und dem ersten Nehmer nicht oder ist es aus irgendeinem Grunde nichtig, so erfolgt die Rückabwicklung im Wege des Bereicherungsausgleichs grundsätzlich nur zwischen diesen beiden Parteien, da sie durch das fehlende bzw. fehlerhafte „Leistungsverhältnis" verbunden sind. „Durchgriffe" — z. B. ein Durchgriff des Ausstellers gegen die Inkassobank — sind ausgeschlossen, sofern nicht die in dem Scheck liegende Zahlungsanweisung als solche fehlerhaft ist. Im einzelnen gelten die Ausführungen oben Rdn. 486 f entsprechend.
V. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem wahren Berechtigten bei abhandengekommenen Schecks 1. Die Anspruchsgrundlagen a) Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis 784
Will der wahre Berechtigte Ansprüche wegen Abhandenkommens eines Schecks gegen die Bank, in deren Besitz dieser gelangt ist, geltend machen, so kommen als Anspruchsgrundlage in erster Linie die Vorschriften der §§ 985 ff BGB in Betracht. Dabei hat der wahre Berechtigte einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, sofern die Bank noch im Besitz des Schecks ist und kein Eigentum an diesem erworben hat — sei es, daß eine Eigentumsübertragung an sie gar nicht stattgefunden hat, sei es, daß die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb gemäß § 2 1 ScheckG nicht gegeben waren. Ist die Bank zur Erfüllung dieses Herausgabeanspruchs nicht in der Lage, weil sie den Scheck nicht mehr in Besitz hat, so können an die Stelle der Forderung aus § 985 BGB Schadensersatzansprüche nach § 990 i. V. m. § 989 und nach § 992 i. V. m. §§ 823 ff BGB treten. Das gilt unabhängig davon, ob die Bank den Scheck zum Inkasso, zum Diskont oder zur Einlösung erhalten hat 95 . Auch für den Postscheckdienst gilt § 990 BGB trotz § 11 I PostG uneingeschränkt (vgl. BGH W M 1980 891, 892). b) Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung
785
Hat die Bank des Einreichers kein Eigentum an dem Scheck erworben, ist dieser aber von der bezogenen Bank wirksam eingelöst worden, so kann der wahre Berech9t So mit Köhler BGHZ holten, SchG
408
Recht B G H Z 44, 178, 181; a. A. abwegig W M 1977, 248 ohne E r w ä h n u n g von 44, 178 und unter Berufung auf die überweil vor S c h a f f u n g von Art. 28 II n. F. ergangenen Entscheidungen RG
95
W a r n R s p r . 1927 N r . 187 und Recht 1927 N r . 2048. Vgl. z. B. Reinhardt Gedächtnisschrift f ü r Rudolf Schmidt, 1966, S. 1 1 6 f ; Baumhach/Hefermehl Art. 21 SchG Rdn. 5.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Das Rechtsverhältnis bei abhanden gekommenen Schecks
tigte gegen jene einen Bereicherungsanspruch aus § 816 I 1 oder § 816 II BGB auf Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten, also auf den Gegenwert des Schecks haben. Beim Inkasso wird ein solcher Anspruch freilich regelmäßig daran scheitern, daß die Bank nicht Zahlungsempfängerin, sondern lediglich Zahlstelle des Einreichers ist (vgl. näher oben Rdn. 757 a a. E.). Beim Diskont entfällt dagegen dieser Einwand grundsätzlich (vgl. näher unten Rdn. 1566). Soweit er tatbestandlich gegeben ist, steht der Anspruch aus § 8 1 6 BGB selbständig neben dem Schadensersatzanspruch aus §§ 990, 992 BGB. Praktisch ist das vor allem deshalb von Bedeutung, weil der Bereicherungsanspruch im Gegensatz zu den Ansprüchen aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis weder bösen Glauben noch Verschulden der Bank voraussetzt. Dem steht jedoch als Nachteil die „charakteristische Schwäche" des Bereicherungs- 7 8 6 anspruchs gegenüber: die Bank kann sich, sofern nicht die besonderen Voraussetzungen der ^ 818 IV, 819 BGB vorliegen, gemäß §818 III BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Ein solcher ist sicher dann gegeben, wenn die Bank die Schecksumme dem Einreicher des Schecks bereits in bar ausbezahlt hat. Fraglich ist dagegen, ob das auch dann gilt, wenn sie dem Einreicher lediglich eine Gutschrift erteilt hat. Das ist zu verneinen. Zwar entsteht durch die Gutschrift grundsätzlich ein Anspruch des Einreichers gegen die Bank aus einem abstrakten Schuldversprechen, doch kann die Bank diesen Anspruch gemäß § 123 I BGB durch Anfechtung zu Fall bringen, weil der Einreicher sie — zumindest durch konkludentes Verhalten — arglistig über seine Berechtigung getäuscht hat; außerdem stünde einem durch Veruntreuung eines Schecks erworbenen Anspruch gegen die Bank jedenfalls der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegen. Da somit aus der Gutschrift kein durchsetzbarer Anspruch gegen die Bank entsteht, ist deren Bereicherung nicht weggefallen, so daß sie trotz der Gutschrift nach § 816 BGB herausgabepflichtig bleibt. c) Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung In Betracht kommen weiterhin Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung (vgl. 7 8 7 auch O L G Nürnberg W M 1968 419, 424 unter 3 b; O L G München W M 1977 1036, 1037 unter 2 a). Dabei ist in erster Linie daran zu denken, daß dem Aussteller durch einen Fehler seiner Bank ein Schaden entsteht — z. B. indem einer seiner Angestellten den Scheck vor Absendung abfängt und seinem Privatkonto gutschreiben läßt. Es ist jedoch auch nicht ausgeschlossen, daß der Zahlungsempfänger einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung hat. Das kann z. B. anzunehmen sein, wenn er bei der Inkassobank, bei der ein veruntreuter Scheck eingereicht wird, ein Konto hat. Problematisch ist allerdings in derartigen Fällen, ob der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der Geschäftsverbindung und dem schadensauslösenden Ereignis besteht (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 15 a. E.); denn die Hereinnahme des Schecks beruht ja nicht auf einem Verhalten des Kontoinhabers, sondern des nichtberechtigten Scheckbesitzers, und dieser wird sich meist nur aus Zufall gerade an die Bank des Ausstellers bzw. des Zahlungsempfängers wenden. Im Verhältnis zum Aussteller ist seine Bank indessen zugleich in ihrer Eigenschaft als Bezogene angesprochen; das genügt jedenfalls für eine H a f t u n g aus positiver Forderungsverletzung, da sie zumindest bei der Einlösung — wenn schon nicht bei der Hereinnahme des Schecks — dem Aussteller gegenüber Prüfungspflichten aus § 242 BGB hat. Gegenüber dem Zahlungsempfänger dürfte dagegen eine H a f t u n g aus positiver Forderungsverletzung nur dann in Betracht kommen, wenn sich auf Grund besonderer Umstände ein innerer Zusammenhang zwischen der Einreichung des Schecks gerade bei dieser Bank und dem Bestehen einer Geschäftsverbindung mit dem Zahlungsempfänger dartun läßt. Claus-Wilhelm Canaris
409
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
788
Im Verhältnis zu dem Anspruch aus § 990 BGB steht ein etwaiger Anspruch aus positiver Forderungsverletzung in Anspruchskonkurrenz. Denn die Gründe, die sonst für den Vorrang der Vertragshaftung gegenüber den §§ 989 ff BGB sprechen, passen hier nicht, weil die Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und der Bank dieser kein Recht zum Besitz hinsichtlich des von dem Angestellten veruntreuten Schecks gibt und weil die Bank daher trotz Bestehens einer schuldrechtlichen Beziehung zu dem Scheckeigentümer nichtberechtigte Besitzerin bleibt.
789
Praktische Bedeutung könnte der Anspruch aus positiver Forderungsverletzung vor allem deshalb erlangen, weil er, anders als der Anspruch aus § 990 BGB, an sich nicht grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich des Rechts zum Besitz voraussetzt. Dadurch entstünde jedoch ein Wertungswiderspruch gegenüber Art. 21 ScheckG und dem sonst das Recht der Umlaufpapiere beherrschenden Grundsatz, daß die Haftungsgrenze hier erst bei grober Fahrlässigkeit beginnt (vgl. auch oben Rdn. 271 f). Man wird daher auch dann, wenn nicht ohnehin Art. 21 ScheckG unmittelbar eingreift, d. h. also, wenn eine Eigentumsübertragung auf die Bank nicht stattgefunden hat, auch die H a f t u n g aus positiver Forderungsverletzung auf grobe Fahrlässigkeit begrenzen müssen 9 6 . Der Anspruch aus positiver Forderungsverletzung hat aber gleichwohl einen eigenständigen Wert, weil er zur Anwendbarkeit von § 278 BGB führt (vgl. z. B. unten Rdn. 800). d) Ansprüche aus Art. 39 IV ScheckG
790
Eine besondere Anspruchsgrundlage ist für Verrechnungsschecks in Art. 39 IV ScheckG enthalten, wo ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Barzahlungsverbots gewährt wird. Dieser steht nicht nur demjenigen zu, der den Verrechnungsvermerk auf den Scheck gesetzt hat, sondern jedem (berechtigten) Inhaber des Schecks (vgl. R G Z 100 31, 32 und 33; Jacobi S. 192 f)- Was das Verhältnis zu dem Anspruch aus § 990 BGB angeht, so steht die Schadensersatzforderung aus Art. 39 IV ScheckG selbständig neben jenem, da sie sich sowohl hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen als auch hinsichtlich der Rechtsfolge, die eine höhenmäßige Begrenzung der Ersatzpflicht enthält, wesentlich von den Ansprüchen aus dem EigentümerBesitzer-Verhältnis unterscheidet.
791
Der Anspruch aus Art. 39 IV ScheckG ist dabei insofern günstiger als der aus § 990 BGB, als er keinen bösen Glauben i. S. von grober Fahrlässigkeit oder positiver Kenntnis voraussetzt. Es ist darüber hinaus sogar umstritten, ob Art. 39 IV ScheckG auch nur eine schuldhafte Pflichtverletzung der Bank erfordert 9 7 . Richtigerweise ist die Frage zu verneinen und davon auszugehen, daß Art. 39 IV ScheckG eine verschuldensunabhängige Risikohaftung der Bank statuiert. D a f ü r spricht nicht nur der Wortlaut der Bestimmung, in der von einem Verschuldenserfordernis nicht die Rede ist, sondern auch der Gedanke, daß die Bank „auf eigene Gefahr" handelt, wenn sie dem ausdrücklichen und unmißverständlichen Barzahlungsverbot zuwider handelt; in dieselbe Richtung weist auch die höhenmäßige Begrenzung der H a f t u n g , die bei einer Verschuldenshaftung gänzlich systemwidrig wäre. Art 39 IV ScheckG ist also in seinen Tatbestandsvoraussetzungen wesentlich günstiger f ü r den Scheckberechtigten als § 990 BGB. Ein Wertungswiderspruch gegenüber den sonstigen Grundsätzen des Wertpapierrechts entsteht dadurch hier im Gegensatz 96 A. A. O L G München W M 1977, 1036, 1037; vgl. demgegenüber aber z. B. auch B G H Z 28, 368, 371 zu dem entsprechenden Problem bei § 808 BGB und dazu unten Rdn. 1185.
410
Bejahend z. B. Baumbach/Hefermehl Art. 39 SchG Rdn. 7; verneinend z. B. Jacobi S. 196; offengelassen von B G H Z 26, 168, 171.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Das Rechtsverhältnis bei abhanden gekommenen Schecks zu der oben Rdn. 789 behandelten Problematik bei der positiven Forderungsverletzung aber nicht. Denn dadurch, daß sich die Bank über eine Anweisung des Ausstellers hinweggesetzt hat, und dadurch, daß die Haftung höhenmäßig begrenzt ist, liegen auf der Tatbestands- wie auf der Rechtsfolgenseite so starke Besonderheiten vor, daß eine rechtliche Sonderbehandlung ohne weiteres angemessen erscheint.
2. Die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 990 B G B im einzelnen Praktisch am wichtigsten und rechtlich am kompliziertesten ist der Anspruch aus § 990 BGB. Im einzelnen sind hier mehrere Problemkreise zu unterscheiden. a) Die Problematik des Schadens In der Rechtsprechung finden sich trotz ihrer Reichhaltigkeit merkwürdigerweise 7 9 2 kaum jemals Ausführungen zur Frage des Schadens. Diese ist aber keineswegs unproblematisch, zumal i. d. R. nicht schon der Verlust der spezifisch wertpapierrechtlichen Vorteile aus dem Scheck, sondern erst der Verlust oder die dauerhafte Undurchsetzbarkeit der Kausalforderung zu einer Vermögensminderung und damit zu einem Schaden führt (vgl. auch Baumbach/Hefermehl Art. 21 SchG Rdn. 6). Ein solcher wird nun allerdings bei Verschiedenheit von Inkassobank und einlösender Bank in der T a t meist gegeben sein. Denn weil und sofern letztere gutgläubig ist, kann sie dem Aussteller den Gegenwert für den Scheck in Rechnung stellen (vgl. oben Rdn. 721 ff). Ist er diesem selbst abhanden gekommen, so steht sein Schaden außer Frage. Ist er dagegen dem ersten Nehmer (oder dessen Rechtsnachfolger) abhanden gekommen, so liegt in dessen Person ein Schaden vor, weil nunmehr grundsätzlich der Rückgriff auf die Kausalforderung ausgeschlossen ist — sei es, daß man insoweit mit einer dauernden Einrede arbeitet, oder sei es, daß man dem Aussteller einen Gegenanspruch aus positiver Forderungsverletzung zuerkennt, mit dem er gegen die Kausalforderung aufrechnen kann (vgl. dazu näher oben Rdn. 775). Wesentlich anders ist die Rechtslage bei Identität von Inkassobank und einlösender 7 9 3 Bank. Ist hier der Scheck dem Aussteller abhanden gekommen, so fehlt es an einem Schaden schon deshalb, weil die Bank bei Bösgläubigkeit das Konto nicht wirksam belasten kann (vgl. oben Rdn. 721 f f ) ; da die an den guten Glauben zu stellenden Anforderungen insoweit keine anderen sind als im Falle von § 990 B G B , kommt hier eine Schadensersatzhaftung von vornherein nicht in Betracht. Gleiches kann u. U. auch gelten, wenn der Scheck dem ersten Nehmer (oder dessen Rechtsnachfolger) abhanden gekommen ist. Die Bank kann diesem nämlich grundsätzlich das Papier aushändigen und ihn auf die Möglichkeit verweisen, Zug um Zug gegen dessen Rückgabe seine Kausalforderung gegen den Aussteller geltend zu machen. Das ist in der Tat eine angemessene Lösung, sofern die Bank dem Aussteller den Gegenwert für den Scheck anstandslos wieder gutschreibt. Beharrt sie dagegen auf der Kontobelastung, so fragt es sich, wer den Streit über ihre Bösgläubigkeit mit ihr ausfechten muß: der Aussteller mit der Begründung, sein Konto sei zu Unrecht belastet worden, oder der Verlierer des Schecks mit der Begründung, die Bank habe ihm einen Schaden zugefügt. Der Interessenlage wird zweifellos die letztere Lösung besser gerecht. Denn da der Scheck hier dem ersten Nehmer (oder seinem Rechtsnachfolger) abhanden gekommen ist und der Streit daher in dem Verhältnis zwischen diesem und der Bank seinen Ursprung hat, hat der Aussteller ein legitimes Interesse daran, sich über die Berechtigung der Belastung seines Kontos weder mit seinem Gläubiger — dem ersten Nehmer — noch mit seiner Bank auseinandersetClaus-Wilhelm Canaris
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
zen zu müssen. Ihm die Möglichkeit zu geben, seinen Anspruch gegen die Bank seinem Gläubiger unter Anrechnung auf die Kausalforderung abzutreten, ist indessen wohl wegen des kontokorrentrechtlichen Abtretungsverbots ausgeschlossen; auch eine Einziehungsermächtigung gemäß § 185 BGB kommt schwerlich in Frage, weil der Anspruch gegen die Bank wegen seiner Kontokorrentzugehörigkeit nicht selbständig geltend gemacht werden kann. Es bleibt daher nur die Lösung, daß der Aussteller den ersten Nehmer auf den Anspruch aus § 990 BGB gegen die Bank verweist. In der Tat ist dieser Weg gangbar. Die Bank kann nämlich wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens gemäß 5 242 BGB gegenüber der Klage aus § 990 BGB nicht einwenden, der Kläger könne auf seine Kausalforderung gegen den Aussteller zurückgreifen und habe daher keinen Schaden, sondern muß sich insoweit an ihrem Standpunkt festhalten lassen, die Belastung des Ausstellerkontos sei wirksam — was zur Undurchsetzbarkeit oder zum Untergang der Kausalforderung führen würde (vgl. oben Rdn. 770, 775). Auch das Vorliegen eines „Untergangs" oder doch zumindest einer „Verschlechterung" des Schecks i. S. von § 989 BGB dürfte grundsätzlich zu bejahen sein, weil als solche bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Einlösung mit (zu unterstellender) Wirkung gegen den Aussteller anzusehen ist und diese wiederum zur (zu unterstellenden) Undurchsetzbarkeit der Kausalforderung führt; der „Untergang" oder die „Verschlechterung" liegen also im „Verbrauch" der im Scheck liegenden Zahlungsanweisung und -ermächtigung, die der wahre Berechtigte nun nicht mehr ausnutzen kann. Eine Verschlechterung liegt zwar außerdem auch in dem Verlust des Regreßanspruchs gegen den Aussteller (und etwaige weitere Wechselverpflichtete), doch dürfte auf diesem Wege nicht zum Ziel zu kommen sein, weil der Verlust des Regreßanspruchs als solcher angesichts der Kausalforderung noch keinen Schaden darstellt und deren Untergang oder Undurchsetzbarkeit wiederum nicht auf den Verlust des Regreßanspruchs zurückzuführen ist, so daß es an dem von § 989 BGB geforderten Kausalzusammenhang zwischen der „Verschlechterung" und dem Schaden fehlt; auch müßte man sonst danach differenzieren, ob die Vorlegungsfrist bei Einreichung des Schecks schon verstrichen war oder nicht — was nicht angemessen erscheint, weil auch bei einer Einlösung nach Fristablauf die Kausalforderung untergeht oder undurchsetzbar wird. — Den Interessen der Bank ist dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß die gemäß oder analog § 255 BGB die Abtretung der Kausalforderung gegen den Aussteller verlangen und diesem damit entgegentreten kann, wenn er nun plötzlich doch noch die Unwirksamkeit der Kontobelastung geltend macht. Der Aussteller seinerseits ist gegenüber einer Inanspruchnahme aus der Kausalforderung durch den ersten Nehmer (vor deren etwaiger Abtretung an die Bank) durch eine Einrede gemäß § 157 oder § 242 BGB zu schützen. 794
Bei Fehlen oder Unwirksamkeit der Kausalforderung gegen den Aussteller kann ein Schaden zwar an sich im Verlust der Regreßansprüche aus dem Scheck liegen, doch wird das meist deshalb nicht der Fall sein, weil der erste Nehmer den Gegenwert des Schecks dem Aussteller nach § 812 BGB zurückzahlen müßte. Ist der Scheck freilich einem späteren Nehmer abhanden gekommen, so ist i. d. R. ein Schaden gegeben, weil mit den Regreßansprüchen grundsätzlich auch die Kausalforderung gegen den Vormann undurchsetzbar wird oder untergeht (vgl. oben Rdn. 778) und ein Scheckbereicherungsanspruch aus Art. 58 ScheckG gegen den Aussteller angesichts der Rechtsgrundlosigkeit der Scheckhingabe nicht in Betracht kommt. Ist in einem solchen Fall die Inkassobank mit der einlösenden Bank identisch, so ist sie bei Bösgläubigkeit der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt: zum einen durch den Aussteller, dem sie den Gegenwert des Schecks nicht in Rechnung stellen kann (vgl. oben 412
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Das Rechtsverhältnis bei abhanden gekommenen Schecks Rdn. 721 ff), und zum anderen durch den wahren Berechtigten, der grundsätzlich den Anspruch aus § 990 BGB hat. Die Mißlichkeit dieser Lage wird jedoch dadurch wesentlich gemildert, daß die Bank vom Aussteller gemäß § 812 I 1 Fall 2 BGB die Abtretung seines Anspruchs gegen den ersten Nehmer aus § 812 I 1 Fall 1 BGB verlangen kann; ein solcher Anspruch besteht, weil (und sofern) der erste Nehmer von seiner Kausalschuld gegenüber dem zweiten Nehmer befreit worden ist oder seinerseits gegen diesen einen Bereicherungsanspruch erlangt hat. — Darüber hinaus kommt ein Schadensersatzanspruch aus 5 990 BGB zugunsten eines späteren Nehmers nach dem in der vorigen Rdn. Gesagten auch dann in Betracht, wenn bei Einreichung des Schecks keine Regreßansprüche mehr bestanden. Sein Schaden liegt regelmäßig in der Undurchsetzbarkeit oder dem Untergang seiner Kausalforderung gegen seinen Vormann, die durch die Rechtsgrundlosigkeit der Scheckausstellung nicht berührt wird. Sogar bei Unwirksamkeit von Kausalforderung und Forderung aus dem Papier, also 7 9 5 z. B. bei Ausstellung eines Schecks zur Erfüllung eines Schenkungsversprechens oder einer Naturalobligation kann ein Anspruch aus § 990 BGB gegeben sein — sei es unmittelbar, weil der erste Nehmer trotz des Mangels das Eigentum am Papier erlangt hat (vgl. dazu oben Rdn. 720), oder sei es auf dem Umweg über § 1007 III 2 BGB. Der Schaden liegt hier im Hinblick auf die Möglichkeit einer Heilung durch Erfüllung im Wege der Scheckeinlösung (vgl. dazu oben Rdn. 771) in der Vereitelung einer Erwerbschance, die gemäß § 252 BGB einen ersatzfähigen Schaden darstellt (vgl. statt aller Larenz Schuldrecht I 1 2 § 29 I vor a). Das setzt freilich voraus, daß entweder die Bank den Scheck nicht mehr herausgeben kann oder daß man mit der oben Rdn. 793 Abs. 2 vertretenen Ansicht schon im „Verbrauch" der Zahlungsanweisung und -ermächtigung eine „Verschlechterung" des Schecks i. S. von § 989 BGB sieht; denn in dem Verlust eines Regreßanspruchs kann diese hier keinesfalls liegen, weil ein solcher nicht besteht. — Ist der Mangel des Begebungsvertrags durch gutgläubigen Erwerb eines späteren Nehmers geheilt worden und kommt der Scheck diesem abhanden, so gelten die in der vorigen Rdn. entwickelten Regeln entsprechend. Bei Fehlen eines wirksamen Begebungsvertrages kann es zu einer Schadensverlage- 7 9 6 rung i. S. der Lehre von der Drittschadensliquidation kommen. Ist z. B. zwischen Gläubiger und Schuldner die Zahlung durch Übersendung von Schecks üblich oder auf Grund besonderer Abrede generell zulässig und fängt nun ein Angestellter des Gläubigers den Scheck ab, so trägt das Risiko hierfür der Gläubiger (vgl. oben Rdn. 775), während das Eigentum am Scheck u. U. mangels wirksamen Begebungsvertrags noch beim Schuldner liegt (vgl. auch BGH WM 1977 1019, 1020). Hatte der Gläubiger wenigstens den Besitz am Scheck erlangt, was vor allem nach § 855 BGB geschehen sein kann, so wird er i. d. R. einen eigenen Anspruch aus § 1007 III 2 i. V. m. § 990 BGB haben (zu Unrecht nicht geprüft von BGH W M 1977 1019, 1020). Ist auch dieser nicht gegeben, bleibt nur der Weg über die Drittschadensliquidation. Deren Voraussetzungen liegen dann grundsätzlich vor, weil es sich um eine echte Schadensverlagerung auf Grund einer „obligatorischen Gefahrentlastung" handelt. Der Adressat des Schecks hat hier folglich nach herkömmlicher Ansicht keinen Anspruch aus eigenem Recht, sondern muß sich den Anspruch des Ausstellers abtreten lassen, wozu dieser gemäß oder analog § 281 BGB verpflichtet ist. Folglich muß er sich ein etwaiges Mitverschulden des Ausstellers gemäß §§ 404, 254 BGB anrechnen lassen; dafür spricht nicht nur die folgerichtige Durchführung der Abtretungskonstruktion, sondern auch der Gesichtspunkt, daß sich die Stellung des Schädigers durch die Zulassung der Drittschadensliquidation nicht verschlechtern darf. Alternativ — nicht aber kumulativ! — wird man auch ein Mitverschulden des Geschädigten selbst anrechnen können, was praktiClaus-Wilhelm Canaris
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
sehe Bedeutung hat, wenn dieses größer ist als das des Ausstellers oder wenn letzteren überhaupt kein Mitverschulden trifft; denn es dürfte mit Sinn und Zweck des Instituts der Drittschadensliquidation schwerlich zu vereinbaren sein, den Geschädigten besser zu stellen als bei einem Ersatzanspruch aus eigenem Recht (bedenklich daher BGH W M 1977 1022 unter 4, wo die Anrechnung eines eigenen Mitverschuldens von vornherein aus rein konstruktiven Gründen abgelehnt wird, ohne daß der Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation überhaupt zur Sprache kommt oder das Entstehen eines Schadens beim Aussteller näher dargelegt wird). b) Die für den bösen Glauben maßgeblichen Personen 797
Da regelmäßig nicht der Inhaber der Bank bzw. bei einer juristischen Person eines ihrer Organe die eingereichten Schecks selbst entgegennimmt, sondern dies vielmehr i. d. R. durch den Schalterbeamten geschieht, erhebt sich die Frage, auf wessen Person es für den bösen Glauben i. S. von § 990 BGB ankommt. Es handelt sich hier um einen Unterfall des allgemeinen Problems, ob sich der Besitzherr den bösen Glauben des Besitzdieners im Rahmen von § 990 BGB zurechnen lassen muß. Die Frage ist bekanntlich für das bürgerliche Recht stark kontrovers 9 8 ; teilweise wird eine Analogie zu § 166 I BGB befürwortet, teilweise wird der richtige Lösungsansatz in § 831 BGB gesehen. Für die — hier allein zu erörternde — bankrechtliche Problematik erscheint nur die Anwendung des § 166 I BGB angemessen. Das folgt für den Scheckdiskont und die Scheckeinlösung schon daraus, daß es sich dabei um echte Rechtsgeschäfte handelt und daß daher § 166 I BGB insoweit unmittelbar anwendbar ist (vgl. auch Reinhardt S. 119); denn der gute Glaube an das Recht zum Besitz, auf den es für § 990 BGB ankommt, ist hier identisch mit dem guten Glauben an den Erwerb des Eigentums — und dieser richtet sich hier unzweifelhaft nach § 166 I BGB. Das gleiche gilt ohne weiteres für diejenigen Fälle des Scheckinkassos, in denen eine Eigentumsübertragung auf die Bank vorliegt (vgl. dazu oben Rdn. 750); auch dann erwirbt nämlich die Bank den Scheck durch Rechtsgeschäft, so daß § 166 I BGB unmittelbar eingreift. Es bleiben diejenigen Fälle des Scheckinkassos, in denen ausnahmsweise lediglich eine Einzugsermächtigung gegeben ist. Hier anders als bei den übrigen Fällen zu entscheiden, müßte schon vom Ergebnis her willkürlich erscheinen; es ist aber auch konstruktiv nicht geboten, da zum einen die Erteilung der Einziehungsermächtigung wiederum ein Rechtsgeschäft darstellt und die Ubergabe des Schecks mit dieser eine Einheit bildet, und da zum anderen die angestrebte Übertragung des „Rechts zum Besitz" auf die Bank einer rechtsgeschäftlichen Verfügung so ähnlich ist, daß jedenfalls eine analoge Anwendung des § 166 I BGB geboten erscheint. Im Ergebnis ist somit bei allen in Betracht kommenden Fallgestaltungen § 166 I BGB anzuwenden".
798
Innerhalb der Bank ist die maßgebliche Person i. d. R. der Schalterbeamte. Daneben kommt es aber auch auf das Wissen des zuständigen Angestellten der Scheckabteilung an 1 0 0 . Denn die Besitzbegründung setzt einen entsprechenden Willen voraus, und dieser erlangt seine Endgültigkeit erst dann, wenn die Scheckabteilung oder eine ähnliche Stelle den Scheck geprüft und seiner Hereinnahme zugestimmt hat; auch kann der 98
99
Vgl. z. B. Westermann Lehrbuch des Sachenrechts 5 § 14, 3 m. N a c h w . zum Streitstand; Palandt/Bassenge § 990 Anm. 1 a. Ebenso i. E. B G H W M 1974, 154, 155; 1974, 1000, 1001; 1974, 1040 unter I 1; O L G N ü r n b e r g W M 1968, 419, 422 vor B; O L G München W M
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1977, 1036, 1038; KG W M 1980, 226; Reinhardt S. 118 ff; Baumbach/Hefermehl Art. 21 SchG Rdn. 10; a. A. Woeste N J W 1960, 133. 100 Vgl. B G H W M 1965, 741, 742 f ; Baumbach/ Hefermehl Art. 21 SchG Rdn. 10; a. A. Reinhardt S. 125 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . D a s Rechtsverhältnis bei a b h a n d e n g e k o m m e n e n S c h e c k s
Bank nicht gestattet sein, sich weitgehend von den Prüfungspflichten bei der Hereinnahme von Schecks zu befreien, indem sie die Kontrolle allein dem — oft nicht hinreichend informierten — Schalterbeamten überläßt (vgl. auch unten Rdn. 810 f). — Bei Eingang von Schecks mit der Post ist auf den oder die zur Empfangnahme und Uberprüfung der Post zuständigen Angestellten abzustellen. — Das Wissen von mit dem Erwerb und der Bearbeitung des Schecks nicht befaßten Angestellten braucht sich die Bank dagegen nicht zurechnen zu lassen (vgl. B G H W M 1965 972). Auch ein nachträglicher Eintritt des bösen Glaubens ist denkbar, doch schadet jetzt 7 9 9 gemäß § 990 I 2 B G B nicht mehr grobe Fahrlässigkeit, sondern nur noch positive Kenntnis (vgl. auch B G H W M 1974 154, 155 unter III). Maßgeblich für die Bösgläubigkeit sind nunmehr alle Bankangestellten, die mit der Bearbeitung des Schecks — z. B. mit seiner Weiterleitung zum Inkasso — befaßt sind. Auch ein Fortwirken früherer Pflichtverletzungen soll nach Ansicht des B G H zur 8 0 0 Begründung der Bösgläubigkeit herangezogen werden können 1 0 1 . Das soll auch dann gelten, wenn die frühere Pflichtverletzung gar nicht von der nunmehr für die Bösgläubigkeit maßgeblichen Person begangen worden ist, letztere aber nur deshalb gutgläubig bleiben konnte, weil erstere den Pflichtverstoß begangen hatte. H a t also z. B. der für die Kontoeröffnung zuständige Angestellte seinerzeit pflichtwidrig nicht alle erforderlichen Angaben über die Person des Kontoinhabers — wie z. B. dessen Minderjährigkeit — auf die Kontokarte aufgenommen und hätte der für die Hereinnahme des Schecks zuständige Angestellte bei Vollständigkeit der Angaben jedenfalls Verdacht hinsichtlich der Berechtigung des Einreichers schöpfen müssen, so soll die Bank als bösgläubig anzusehen sein (vgl. B G H WM 1965 972). Dem ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als der frühere Pflichtverstoß auf einen Organisationsmangel zurückzuführen ist, also z. B. darauf, daß der Angestellte keine hinreichenden Anweisungen für die Aufnahme der Personalien bei der Kontoeröffnung erhalten hatte, oder darauf, daß der Informationsfluß zwischen den verschiedenen Abteilungen bzw. Angestellten der Bank ordnungswidrig beeinträchtigt war; denn die Bank kann, wie z. B. auch im Zusammenhang des § 31 B G B und des § 831 1 2 B G B anerkannt ist, nicht deswegen besser stehen, weil sie nicht für eine ausreichende Organisation gesorgt hat 1 0 2 . Beruht dagegen der Fehler allein auf dem Verhalten des für die Kontoeröffnung zuständigen Angestellten, so bereitet seine Zurechnung beträchtliche dogmatische Schwierigkeiten. Mit Ansprüchen aus positiver Forderungsverletzung i. V. m. § 278 B G B zu helfen, ist nur gegenüber dem Aussteller ein brauchbarer Ausweg, während gegenüber dem Einreicher diese Möglichkeit allenfalls in Einzelfällen gegeben ist (vgl. oben Rdn. 787). Dennoch sollte man der Rechtsprechung des B G H die Gefolgschaft nicht versagen. Sie stellt nämlich einen begrüßenswerten ersten Anlauf dar, um die Problematik von bösem Glauben und Arbeitsteilung in den Griff zu bekommen und zu verhindern, daß durch eine arbeitsteilige Organisation die herkömmlichen Sorgfaltsanforderungen weitgehend entfallen oder sanktionslos werden. Bis zu einer tieferen dogmatischen Durchdringung mag man sich dabei damit begnügen, der Bank angesichts des früheren Pflichtverstoßes die Berufung auf den guten Glauben des für die Hereinnahme und/ oder Prüfung des Schecks zuständigen Angestellten gemäß § 242 B G B zu verwehren, also mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs zu arbeiten. Daß der frühere PflichtverVgl. B G H WM 1962, 524, 525 vor V ; 1965, 972; 1974, 154, 155; der Sache nach auch schon R G Z 166, 98, 103 f; aus dem Schrifttum vgl. z. B. Liesecke WM 1973, 1167 f; Baumbach/Hefermehl
Art. 21 SchG Rdn 10; kritisch, aber i. E. ebenfalls übereinstimmend Reinhardt S. 126 ff. 102 Vgl. auch Reinhardt S. 129 f sowie bezüglich des entsprechenden Problems im Rahmen von § 123 BGB Liebs AcP 174, 51 f.
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
stoß grob fahrlässig war, ist nicht erforderlich (a. A. RGZ 166 98, 103 f); ausschlaggebend ist vielmehr, ob ohne ihn der über den Scheck entscheidende Angestellte bösgläubig i. S. von § 990 BGB gewesen wäre. c) Die den bösen Glauben begründenden Umstände 801
Was die Voraussetzungen für die Annahme grober Fahrlässigkeit i. S. von § 990 I 1 BGB angeht, so steht als Ausgangspunkt außer Streit, daß es keine allgemeine Priifungspflicht der Bank hinsichtlich der Berechtigung des Scheckinhabers gibt 103 . In der Tat wäre eine solche Pflicht mit der Funktion und dem wirtschaftlichen Zweck des Scheckgeschäfts, das auf rasche Abwicklung und geringen Kostenaufwand angelegt ist und das außerdem ein typisches Massengeschäft darstellt, gänzlich unvereinbar; außerdem stünde sie auch im Widerspruch zur Legitimationsfunktion des Schecks und damit zu dessen spezifischer Ausgestaltung als Wertpapier. Grobe Fahrlässigkeit kommt daher von vornherein nur dann in Betracht, wenn besondere Verdachtsmomente gegeben waren. Hinzu kommen muß außerdem, daß deren Aufhellung den wahren Sachverhalt zu Tage gefördert oder die Bank bei redlichem Verhalten zu einer Ablehnung des Geschäfts (wegen fortbestehenden Verdachts oder dgl.) veranlaßt hätte; die gegenteilige Ansicht, die für das Recht des gutgläubigen Erwerbs vertreten wird 1 0 4 , ist für § 990 BGB keinesfalls brauchbar, da es hier um Schadensersatzhaftung geht und bei dieser das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden unverzichtbar ist.
802
Bezüglich der Verdachtsmomente lassen sich in der Rechtsprechung verschiedene Fallgruppen erkennen. Praktisch am wichtigsten sind dabei diejenigen Fälle, bei denen sich die Verdachtsmomente aus der Person des Einreichers ergeben. Nicht genügend ist insoweit allerdings, daß in einem Inhaberscheck nicht der einreichende Inhaber, sondern ein Dritter als Zahlungsempfänger angegeben ist (vgl. BGH WM 1965 706 unter III; 1969 1383 unter 1; 1974 1001 unter III 2); denn es macht ja gerade das Wesen des Inhaberschecks aus, daß der Inhaber als solcher als legitimiert gilt. Anlaß zu Verdacht kann jedoch bestehen, wenn der Einreichende ein Angestellter des im Scheck benannten Zahlungsempfängers ist und die Schecksumme nicht auf dessen Konto, sondern auf seinem eigenen Konto oder auf einem Konto pro Diverse gutschreiben läßt 105 . Denn in einem solchen Falle liegt die Gefahr einer Veruntreuung sehr nahe, da zum einen der Angestellte u. U. auf Grund seiner Stellung besonders leicht Zugang zu den bei seinem Arbeitgeber eingehenden Schecks hat und da zum anderen durch die Verbuchung auf dem Privatkonto des Angestellten oder dem Konto pro Diverse dem als Zahlungsempfänger benannten Arbeitgeber die Möglichkeit zu einer Kontrolle über das Schicksal des Schecks genommen wird. Voraussetzung für eine Haftung der Bank ist dabei die positive Kenntnis des maßgeblichen Bankangestellten (vgl. dazu oben Rdn. 797 f) von der Tatsache, daß der Einreicher ein Angestellter des in dem Scheck benannten Zahlungsempfängers ist 106 . Eine Nachforschungspflicht hat die Bank in dieser Hinsicht nicht; sie braucht also grundsätzlich weder die Angaben des Kunden über seinen Beruf IM Vgl. z. B. B G H W M 1965, 741 f unter I 1 m. w. N a c h w . aus der Rspr.; 1974, 154 unter I; 1980, 891, 892; Reinhardt S. 130 f; Baumbach/Hefermehl Art. 21 SchG Rdn. 8. Vgl. z. B. R G Z 147, 321, 331; Westermann a a O (Fn. 86) § 46, 2 b a. E.; kritisch z. B. Schlegelberger/Hefermebl5 § 366 Rdn. 34 m. w. N a c h w . '05 Vgl. R G Z 166, 98; B G H Z 26, 268; B G H W M 1959, 593; 1963, 454; 1963, 891; 1965, 705; 1965,
416
972; 1969, 1383; O L G N ü r n b e r g W M 1968, 419, 424 unter 2; O L G München W M 1969, 510; O L G Stuttgart W M 1970, 1497; O L G Celle BB 1971, 327. •
s, 151
,2U weit> , e i n e so!^hf, i m ™ r das ° e r Ansicht von Zöllner DB
1968 > 5 6 2 ( u n t e r n I L 3 ) u n d D ü t z D B 1 9 7 °> 1 9 1 40 (be,' ) . Vg . dazu auch O L G Nürnberg N J W 1978 2513 u n d LG , Hamburg W M 1975 111, wo freilich jeweils der Beweis der Geschäftsunfähigkeit nicht gelungen war.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VII. Die Scheckkarte Mangel des Valutaverhältnisses gegeben 1 5 2 , der als solcher unbeachtlich ist (vgl. oben Rdn. 836) und dem man grundsätzlich auch nicht auf dem Umweg über den Einwand des Rechtsmißbrauchs Relevanz verschaffen sollte, weil er dazu nicht schwer genug wiegt. Dieses Ergebnis entspricht der Funktion der Scheckkarte, dem Gläubiger eine mit der Barzahlung vergleichbare Stellung zu verschaffen. Für seine Richtigkeit spricht außerdem auch der Vergleich mit der Hingabe eines Bankakzepts oder eines bestätigten Bundesbankschecks, da bei dieser eine Heilung des Mangels nach §§518 II, 762 I 2 BGB gegeben wäre. Daraus wird zugleich deutlich, daß man die Wirksamkeit des Einlösungsversprechens auch dann bejahen sollte, wenn man die dogmatischen Prämissen der hier vertretenen Ansicht nicht teilt. Dann bleibt nämlich immer noch die Möglichkeit, eine Heilung anzunehmen, und diesen Weg sollte man beschreiten, weil die Zuwendung eines Garantieanspruchs gegen eine Bank anders als die Eingehung einer eigenen (zusätzlichen) Verbindlichkeit eine hinreichende Warnfunktion besitzt; wer einen Scheck unter Verwendung der Scheckkarte begibt, weiß, daß er ihn anders als sonst nicht mehr widerrufen kann, und verdient daher keinen stärkeren Schutz als bei einer Barzahlung. c) Mängel der Vollmacht und des Garantieversprechens Mängel der Vollmacht können nur in engen Grenzen praktische Bedeutung erlan- 8 4 2 gen. Denn zum einen sind sie wegen der Abstraktheit der Vollmacht ohnehin selten, und zum anderen werden sie in den wenigen denkbaren Fällen wie z. B. dem der Geschäftsunfähigkeit des Ausstellers meist auch den Begebungsvertrag nichtig machen, so daß eine Einlösungspflicht der Bank schon aus diesem Grunde entfällt. Immerhin gehört in diesen Zusammenhang aber der Fall des Erlöschens der Vollmacht gemäß § 168 S. 1 BGB wegen Beendigung des Scheckkartenvertrages. Der Dritte wird hier nach §§ 172 f BGB geschützt. Dabei ist zu beachten, daß nach § 173 BGB nicht immer schon einfache Fahrlässigkeit schadet, sondern eine situations- und funktionsgerechte Differenzierung der Sorgfaltsanforderungen erforderlich ist 153 . Das muß bei der Scheckkarte dazu führen, daß der Dritte grundsätzlich keine Nachforschungsobliegenheit bezüglich des Fortbestandes des Vertrages hat und nur dann als bösgläubig i. S. von § 173 BGB anzusehen ist, wenn sich dessen Erlöschen ihm geradezu aufdrängen mußte; denn schärfere Anforderungen wären mit der Funktion der Scheckkarte als Mittel des alltäglichen Zahlungsverkehrs, insbesondere auch des Massenverkehrs, nicht zu vereinbaren. Beachtet man dies, so besteht zu der — bei einer strengeren H a n d h a bung von § 173 BGB in Betracht zu ziehenden — Abdingung von § 168 S. 1 BGB im Wege ergänzender Auslegung gemäß § 157 BGB kein Anlaß. Bei Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter wird man die §§ 172 f BGB analog anwenden müssen (vgl. näher oben Rdn. 832 Abs. 2). Mängel des Garantieversprechens selbst kann die Bank dem ersten Nehmer grund- 8 4 3 sätzlich uneingeschränkt entgegensetzen. Zu denken ist in erster Linie an die Nichterfüllung der Einlösungsvoraussetzungen, die auf der Rückseite der Scheckkarte niedergelegt sind. Es sind dies die Ubereinstimmung von Unterschrift, N a m e der Bank sowie Kontonummer auf dem Scheck und der Karte, die Eintragung der Kartennummer auf der Rückseite des Schecks, ein Ausstellungsdatum innerhalb der Gültigkeitsdauer der 152
R i c h t i g d a h e r insoweit i. E. O L G N ü r n b e r g N J W 1978, 2514 u n t e r II 2 a, w o a l l e r d i n g s die P r o b l e m a t i k d e r A u s w i r k u n g e n v o n § 7 6 2 B G B auf die
l5:!
R e c h t e a m u n d aus d e m P a p i e r völlig ü b e r s e h e n ist. Vgl. n ä h e r Canaris D i e V e r t r a u e n s h a f t u n g im d e u t s c h e n P r i v a t r e c h t , 1971, S. 505 f.
Claus-Wilhelm Canaris
433
6. Abschnitt. D i e
Scheckzahlung
Karte und die Einhaltung der Frist von 8 Tagen bei einem im Inland ausgestellten und von 20 Tagen bei einem im Ausland ausgestellten Scheck seit Ausstellungsdatum, binnen deren der Scheck vorgelegt, zum Inkasso eingereicht oder der Deutschen eurocheque-Zentrale zugeleitet werden muß; eine Vordatierung des Schecks ist unschädlich (vgl. B G H Z 64 79, 82), die Einlieferung in eine Abrechnungsstelle der Deutschen Bundesbank wirkt nicht nur für die wertpapierrechtlichen Regreßansprüche, sondern auch für den Garantieanspruch fristwahrend 1 5 4 . 844
Daß der Scheck unter Verwendung der Scheckkarte begeben worden sein muß, wird zwar nirgends ausdrücklich gefordert, ergibt sich aber daraus, daß der Aussteller sonst nicht von seiner Vollmacht zum Abschluß eines Garantievertrages Gebrauch gemacht und diesen also nicht zustande gebracht hat. Das entspricht auch der Interessenlage, weil der Nehmer nicht schutzwürdig ist, wenn er sich nicht die Scheckkarte zeigen läßt, sondern sich einfach mit der Eintragung der Kartennummer auf der Rückseite des Schecks begnügt. Im übrigen ist die Notwendigkeit einer Verwendung der Scheckkarte in Ziff. 5 der eurocheque-Karten-Bedingungen als selbstverständlich vorausgesetzt, weil danach „der ec-Scheck nach dem Beweis des ersten Anscheins unter Verwendung der eurocheque-Karte begeben worden ist, (wenn) der ec-Scheck auf der Rückseite die N u m m e r der eurocheque-Karte trägt". Das gilt übrigens nicht nur zugunsten der Bank im Verhältnis zum Aussteller — w o f ü r es freilich primär gemeint sein dürfte —, sondern auch im Verhältnis des Nehmers zur Bank, weil die Klausel nur einen gegebenen Anscheinsbeweis mit deklaratorischer Wirkung korrekt beschreibt (widrigenfalls sie wohl im Verhältnis zum Aussteller analog § 1 1 Ziff. 15 AGBG unwirksam wäre).
845
Nichtigkeit und Anfechtung des Garantievertrages dürften vom hier vertretenen Standpunkt aus keine nennenswerte praktische Rolle spielen, weil die in Betracht kommenden Mängel schon den Begebungsvertrag u n d / o d e r die Vollmacht hinfällig machen, so daß eine Einlösungspflicht ohnehin nicht gegeben ist. Hält man dagegen Eigentum am Scheck nicht für eine Garantievoraussetzung, so ist gesondert zu prüfen, ob der Mangel auch den Garantievertrag ergreift, was gemäß § 166 I BGB häufig der Fall sein wird. d) Fälschung und Verfälschung von Scheckkarte und/oder Scheck
846
Nach Ziff. 5 der eurocheque-Karten-Bedingungen hat die Bank grundsätzlich auch dann eine Einlösungsverpflichtung, „wenn die Unterschriften auf den ec-Vordrucken u n d / o d e r eurocheque-Karten gefälscht u n d / o d e r die ec-Vordrucke bzw. eurochequeKarten verfälscht worden sind". Dadurch soll ersichtlich der Streit über die Frage, ob in derartigen Fällen eine H a f t u n g der Bank in Frage kommt 1 5 5 , zugunsten des Schecknehmers entschieden werden. Dogmatisch handelt es sich daher auch hier um ein rechtsgeschäftliches Einlösungsversprechen, das jedoch anders als im Normalfall nicht im Wege der Stellvertretung zustande kommt, sondern auf einem Vertrag zugunsten Dritter beruht (vgl. dazu näher oben Rdn. 833).
847
Was die tatbestandlichen Voraussetzungen angeht, so nennt Ziff. 5 der eurochequeKarten-Bedingungen nur die Einhaltung der auf der Rückseite der Scheckkarte aufgezählten Erfordernisse und den Umstand, daß „die Unterschriften auf eurochequeKarte und ec-Vordruck nach ihrem äußeren Gesamtbild den Eindruck der Echtheit 15t Vgl. Possen B a n k B e t r . 1968, 6 2 ; Dütz D B 1970, 191; Zähmt D i e S i c h e r h e i t d e r S c h e c k e i n i ö s u n g , 1971, S. 6 0 ; Wolff S p a r k a s s e 1973, 300 f.
434
'55 Vgl. d a z u e i n g e h e n d Hueck/Canaris § 24 II 3 d u n d E r s t a u f l a g e A n m . 330 m. N a c h w . z u m seinerzeitigen S t r e i t s t a n d .
2 . B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5 . 1 9 8 1
VII. Die Scheckkarte e r w e c k e n " . Zusätzlich wird man guten G l a u b e n des N e h m e r s f o r d e r n müssen, w o b e i diesem freilich nur positive K e n n t n i s der U n e c h t h e i t und g r o b e Fahrlässigkeit schaden. D e n n es w ä r e unerträglich und insbesondere mit § 157 B G B unvereinbar, w e n n die B a n k z. B . auch dem F ä l s c h e r selbst o d e r dessen H e l f e r s h e l f e r haften würde, n u r weil die Fälschung so g e s c h i c k t g e m a c h t ist, daß das „ ä u ß e r e G e s a m t b i l d den E i n d r u c k der E c h t h e i t e r w e c k t " . M e i s t wird freilich der B ö s g l ä u b i g e o h n e h i n kein E i g e n t u m am S c h e c k e r l a n g e n , so d a ß eine Einlösungsgarantie s c h o n nach dem o b e n R d n . 8 3 7 e n t wickelten G r u n d s a t z nicht besteht, d o c h sollte m a n a u c h dann e b e n s o entscheiden, wenn der N e h m e r aus irgendwelchen G r ü n d e n ausnahmsweise einmal E i g e n t u m am S c h e c k hat o d e r erwirbt, j e d o c h hinsichtlich der F ä l s c h u n g bösgläubig ist. L e t z t e r e s ist stets a n z u n e h m e n , w e n n die U n t e r s c h r i f t nicht in G e g e n w a r t des N e h m e r s auf den S c h e c k g e s e t z t wird. D a g e g e n sollte man nicht zusätzlich f o r d e r n , d a ß die S c h e c k k a r t e und/oder die V o r d r u c k e dem K o n t o i n h a b e r nicht a b h a n d e n g e k o m m e n sein dürfen — etwa nach dem M o d e l l v o n § 9 3 5 I o d e r § 172 B G B . Z w a r stünde einer solchen E i n s c h r ä n k u n g der W o r t l a u t von Ziff. 5 nicht e n t g e g e n , d o c h w ü r d e die Klausel dadurch w e i t g e h e n d des praktischen Anwendungsbereichs b e r a u b t , weil F ä l s c h u n g e n o h n e A b h a n d e n k o m m e n äußerst selten sind. Bei N i c h t i g k e i t und A n f e c h t u n g des S c h e c k k a r t e n v e r t r a g e s zwischen der B a n k und 8 4 8 dem Aussteller hängt die Einstandspflicht der B a n k davon ab, o b man eine a n a l o g e A n w e n d u n g der §§ 170 ff B G B auf den V e r t r a g zugunsten D r i t t e r für möglich hält (vgl. dazu o b e n R d n . 8 3 2 Abs. 2). Bei vollständigem F e h l e n eines S c h e c k k a r t e n v e r t r a ges — also z. B . beim D i e b s t a h l von K a r t e n - und S c h e c k v o r d r u c k e n bei der B a n k — ist für eine r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e Einstandspflicht der B a n k k e i n e R e c h t s g r u n d l a g e ersichtlich. A n d e r s w ä r e n u r zu entscheiden, w e n n in Ziff. 5 der e u r o c h e q u e - K a r t e n - B e d i n g u n g e n ein A n g e b o t ad incertam p e r s o n a m läge, das v o n dem ersten N e h m e r k o n k l u dent a n g e n o m m e n wird, d o c h ist diese K o n s t r u k t i o n w o h l zu gekünstelt und entspricht auch nicht dem m u t m a ß l i c h e n Willen der B a n k ; denn Ziff. 5 steht im R a h m e n von B e s t i m m u n g e n , die mit dem S c h e c k k a r t e n i n h a b e r vereinbart w e r d e n , und d a r f d a h e r nicht e i n f a c h aus diesem Z u s a m m e n h a n g herausgelöst w e r d e n . E i n e R e c h t s s c h e i n h a f tung der B a n k k o m m t nur dann in F r a g e , wenn sie das A b h a n d e n k o m m e n in z u r e c h e n b a r e r W e i s e e r m ö g l i c h t hat. E i n e K r a f t l o s e r k l ä r u n g der S c h e c k k a r t e , die z w a r nicht n a c h Art. 5 9 S c h e c k G , 8 4 9 w o h l a b e r g e m ä ß o d e r a n a l o g § 176 B G B möglich i s t 1 5 6 , m a c h t den E i n l ö s u n g s a n spruch aus Ziff. 5 hinfällig. Z w a r beruht dieser, wie dargelegt, nicht auf § 172 II B G B , sondern auf § 3 2 8 B G B , d o c h setzt er ebenfalls eine V o r l e g u n g der S c h e c k k a r t e und guten G l a u b e n voraus (vgl. o b e n R d n . 8 4 7 ) , so d a ß die L a g e nicht wesentlich anders ist als im A n w e n d u n g s b e r e i c h von § 172 B G B , weil der E i n l ö s u n g s a n s p r u c h auch hier auf der L e g i t i m a t i o n s w i r k u n g der S c h e c k k a r t e aufbaut. A u c h w ü r d e es zu einem u n t r a g b a ren W e r t u n g s w i d e r s p r u c h f ü h r e n , w e n n eine K r a f t l o s e r k l ä r u n g der S c h e c k k a r t e z w a r bei einem E r w e r b v o n ihrem (ursprünglich) b e r e c h t i g t e n I n h a b e r den G a r a n t i e a n spruch ausschlösse, bei einem E r w e r b von einem F ä l s c h e r a b e r dem N e h m e r nicht schaden würde. D i e B e f u g n i s zur K r a f t l o s e r k l ä r u n g liegt nach § 176 I 1 B G B bei der B a n k als V o l l m a c h t g e b e r i n , d o c h dürfte diese grundsätzlich ihrem K u n d e n g e g e n ü b e r g e m ä ß § 2 4 2 B G B zumindest dann zu deren V o r n a h m e verpflichtet sein, w e n n dieser sie v e r l a n g t ; Ziff. 5 läßt jedenfalls nichts Gegenteiliges e r k e n n e n , z u m a l die b e s o n d e r e n A u s l e g u n g s g r u n d s ä t z e f ü r A G B zu b e a c h t e n sind.
156
Zustimmend Baumbach/Hefermehl Art. 4 SchG Anh. Rdn. 13 a. E.; A. Kumpel N J W 1975,
1549 und Pleyer/Müller/Wüiten WM 1975, 1102 ff, die jedoch $ 176 B G B übersehen haben.
Claus-Wilhelm Canaris
435
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung e) Konkurs des Ausstellers 850
Bei Konkurs des Ausstellers nach Begebung des Schecks liegt lediglich ein Mangel des Deckungsverhältnisses vor, den die Bank der Einlösungsverpflichtung nicht entgegensetzen kann.
851
Wird das Konkursverfahren dagegen vor Begebung des Schecks eröffnet, so ist die Vollmacht zusammen mit dem Scheckvertrag nach § 168 S. 1 B G B i. V . m. § 23 II K O erloschen. Die h. L. will gleichwohl dem Schecknehmer den Einlösungsanspruch gemäß oder analog § 172 B G B zuerkennen 1 5 7 , sofern er gutgläubig bezüglich der K o n kurseröffnung war. Das läuft indessen im praktischen Ergebnis auf einen gutgläubigen Erwerb zu Lasten der Masse hinaus, da man folgerichtig der Bank einen Erstattungsanspruch gegen diese bzw. sogar die Befugnis zur Verrechnung mit einem Guthaben zuerkennen müßte 1 5 8 . Die Zulassung gutgläubigen Erwerbs ist aber um so weniger berechtigt, als der Nehmer dann besser stünde, als hätte er ein vor Konkurseröffnung erteiltes Akzept der Bank von dem Aussteller erworben; denn ein solches fiele in die Masse und könnte gemäß § 7 K O nicht gutgläubig erworben werden 1 5 9 . Es kommt hinzu, daß der Nehmer den Gegenwert für den Scheck ohnehin nach § 8 1 2 oder § 816 II B G B an die Masse herausgeben müßte (vgl. oben Rdn. 819). Das alles zeigt, daß die Anwendung von § 172 B G B mit dem Konkursrecht — insbesondere mit dem Rechtsgedanken von § 7 K O — unvereinbar ist. Man sollte daher bei einer Scheckbegebung nach Konkurseröffnung dem Nehmer den Einlösungsanspruch entgegen der h. L. absprechen. 3. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen B a n k und einem späteren Schecknehmer
852
Nach einer verbreiteten Ansicht soll das Einlösungsversprechen der Bank sich nicht nur an den ersten Nehmer richten, sondern auch gegenüber jedem späteren Erwerber des Schecks gelten, so daß auch dieser einen Einlösungsanspruch aus eigenem Recht h a t 1 6 0 . Nach der Gegenansicht wird grundsätzlich nur der erste Nehmer geschützt 1 6 1 . D a mit dem Wortlaut der Scheckkarte und der eurocheque-Karten-Bedingungen beide Lösungen vereinbar sind, müssen teleologische Gesichtspunkte den Ausschlag geben. Diese sprechen eindeutig für die zuletzt genannte Ansicht. Nur sie entspricht dem typischen Sinn der Scheckkarte, die gerade nicht ein umlauffähiges Zahlungsmittel schaffen will — und im Hinblick auf Art. 4 ScheckG und § 14 B B a n k G wohl auch gar nicht schaffen darf — und die ersichtlich am Normalfall ausgerichtet ist, in dem der Aussteller seine Schuld bei dem ersten Nehmer mittels Scheckzahlung begleicht und dieser den Scheck dann unmittelbar zum Inkasso gibt, nicht aber in Umlauf setzt; für diese Auslegung spricht insbesondere die kurze Befristung der Einlösungsgarantie. Auch im •57 Vgl. Damrau BB 1969, 205; WentzelS. 152; Heile Die Anweisung im Konkurs des Anweisenden, 1976, S. 144; Baumbach/Hefermehl Art. 3 SchG Rdn. 15; Jaeger/Henckel aaO (Fn. 120) Rdn. 45; der h. L. folgend auch Erstauflage Anm. 353; a. A. aber schon Canaris Festschr. zum lOOjährigen Bestehen der KO, 1977, S. 96 f; gegen die Anwendung von §172 BGB auch Obermüller S. 80 f, dessen Gründe jedoch nicht überzeugen (vgl. Canaris aaO S. 96 Fn. 68); wie hier ferner i. E. Mentzel/Kuhm/Uhlenbruck aaO (Fn. 120) § 8 Rdn. 9. 158 So in der Tat z. B. Baumbach/Hefermehl Art. 3 SchG Rdn. 15 und Wentzel S. 153 f.
436
159
Das dürfte für die Begebung eines Inhaberpapiers wohl unstreitig sein (vgl. z. B. Jaeger/Henckel 3l3lO § 7 Rdn. 66), gilt aber nach richtiger Ansicht auch für Orderpapiere (vgl. z. B. Jaeger/Henckel aaO § 7 Rdn. 67; Hueck/Canaris § 10 IV 2 b cc). Vgl. Schaudwet NJW 1968, 1 1; Zöllner DB 1968, 560 f; Damrau DB 1969, 201; Dütz DB 1970, 192; Wentzel S. 184 ff; Buchmüller NJW 1979, 1198 f. Vgl. OLG Nürnberg NJW 1978, 2513, 2514; Baumbach/Hefermehl Art. 4 SchG Anh. Rdn. 5; Bärmann/Brink Rdn. 268; diesem Standpunkt neigt jetzt auch Zöllner zu, vgl. Rehfeldt/Zöllner § 26 IV 3 a. E.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VII. Die Scheckkarte
Hinblick auf den mit der Einführung der Scheckkarte angestrebten Zweck besteht kein Bedürfnis f ü r eine Ausdehnung des durch das Einlösungsversprechen begünstigten Personenkreises über den ersten Nehmer hinaus; denn der von den Banken gewünschte Effekt einer Ausweitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs hat, wie auch das Beispiel der Girozahlung zeigt, die Umlauffähigkeit der Zahlungsanweisung in keiner Weise zur Voraussetzung, und auch das Bedürfnis des Zahlenden und des Zahlungsempfängers nach erhöhter Sicherheit des Schecks erfordert eine Einlösungsgarantie nur gegenüber dem ersten Nehmer als dem Gläubiger des Valutaverhältnisses, nicht dagegen eine Steigerung der Umlauffähigkeit. Schließlich spricht für die hier vertretene Ansicht auch sehr wesentlich, daß spätere Erwerber des Schecks im Gegensatz zum ersten Nehmer die Scheckkarte gar nicht zu Gesicht bekommen, sondern sich insoweit nur auf die Behauptungen ihres Vormannes verlassen; sie sind daher nicht schutzwürdig, wenn das Recht des Vormannes aus dem Garantievertrag nicht bestand oder einwendungsbehaftet war. Sieht man in der Begebung des Schecks unter Verwendung der Scheckkarte eine eigenständige Tatbestandsvoraussetzung des Einlösungsanspruchs (vgl. oben Rdn. 844), so erledigt sich die Problematik ohnehin schon unter diesem Aspekt. Eine andere Frage ist selbstverständlich, ob ein späterer Nehmer den Einlösungsan- 8 5 3 Spruch aus abgeleitetem Recht erwirbt. Das ist grundsätzlich zu bejahen, da in der Übertragung eines Schecks, der auf seiner Rückseite die Scheckkartennummer trägt, i. d. R. eine konkludente Zession des Abtretungsanspruchs zu sehen ist 162 . Die Bank hat dabei gemäß § 404 BGB alle Einwendungen, die ihr gegen den ersten Nehmer zustanden 1 6 3 . Das gilt auch für den Einwand des mangelnden Eigentums am Scheck. Zwar kann dieser als solcher durch gutgläubigen Erwerb überwunden werden, doch ändert das nichts daran, daß der erste Nehmer keinen Einlösungsanspruch hatte (vgl. oben Rdn. 837) und daß folglich auch ein späterer Nehmer diesen nicht erwerben kann 1 6 4 ; denn einen gutgläubigen Erwerb gibt es — außerhalb des hier normalerweise nicht in Betracht kommenden Bereichs einer unmittelbaren oder analogen Anwendung von § 405 BGB — insoweit nicht. 4. Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller Das Rechtsverhältnis zwischen der bezogenen Bank und dem Aussteller wird zum 8 5 4 einen bestimmt durch die besonderen Geschäftsbedingungen für eurocheque-Karten (abgedruckt unten Rdn. 857) und zum anderen durch die oben Rdn. 689 ff dargestellten allgemeinen Regeln. Gegenüber diesen besteht eine Besonderheit u. a. insofern, als Ziff. 6 S. 2 der eurocheque-Karten-Bedingungen ein Verbot der Scheckziehung ohne Guthaben oder vorherige Kreditzusage enthält. Hervorhebung verdient ferner der in Ziff. 6 S. 3 enthaltene Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen, die der Bank aufgrund der mit der eurocheque-Karte verbundenen Zahlungsverpflichtung erwachsen. Die Klausel setzt nach ihrem unmißverständlichen Wortlaut freilich das Bestehen einer wirksamen Einlösungspflicht gegenüber dem Scheckinhaber voraus, so daß insoweit alle Einwendungen der Bank reflexartig dem Aussteller zugute kommen. 1 " Vgl. auch O L G N ü r n b e r g N J W 1978, 2513, 2514; LG H a m b u r g W M 1975, 90; Baumbacb/ Hefermehl Art. 4 SchG Anh. Rdn. 5; Bärmann/ Brink Rdn. 268. 1« Ebenso z. B. O L G N ü r n b e r g a a O ; a. A. Bärmann/Brink a a O , wonach ein Einwendungsverzicht vorliegen soll.
164
Schief daher insoweit noch Hueck/Canaris § 24 II 3 d, w o bei Übertragung des Schecks auf die Anfechtbarkeit des Garantieversprechens selbst statt nach wie vor auf die Anfechtbarkeit des Begebungsvertrags abgestellt wird.
Claus-Wilhelm Canaris
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6. Abschnitt. D i e S c h e c k z a h l u n g
855
Demgemäß hat es bei Zahlung an einen Nichtberechtigten sein Bewenden bei den allgemeinen Regeln, die für die Bank insofern erheblich günstiger sind als Ziff. 6 S. 3, als sie danach einen Regreßanspruch gegen den Aussteller schon dann hat, wenn sie ohne grobe Fahrlässigkeit den Einreicher für den wahren Berechtigten gehalten hat (vgl. oben Rdn. 721 ff). Darüber hinaus wird man in Weiterbildung der zu Art. 40 III W G entwickelten Grundsätze einer Zahlung der Bank nur dann die Wirkung gegenüber ihrem Kunden versagen dürfen, wenn sie nicht nur bösgläubig war, sondern darüber hinaus dem Vorleger das Fehlen eines Einlösungsanspruchs liquide beweisen konnte; denn im Hinblick auf die Möglichkeit einer Zahlungsgarantie befindet sich die Bank hier in einer ähnlichen Zwangslage wie bei einem Wechselakzept, zumal Streitereien über die Berechtigung des Scheckinhabers die Funktionsfähigkeit der Scheckkarte als sicheres Instrument des bargeldlosen Zahlungsverkehrs beeinträchtigen können.
856
Eine Besonderheit ergibt sich ferner im Konkurs des Ausstellers. Hier hat die Bank bei Einlösung eines vor Konkurseröffnung begebenen Schecks die Möglichkeit zur Verrechnung mit einem Guthaben des Gemeinschuldners sowie zum Rückgriff auf etwaige Sicherheiten nicht nur unter den Voraussetzungen von § 8 II oder III K O , sondern auch dann, wenn sie bei der Einlösung bösgläubig bezüglich der Konkurseröffnung war 1 6 5 . Denn sie hat bereits bei Begebung des Schecks, also vor Konkurseröffnung, einen nur noch von der Einlösung abhängigen, d. h. aufschiebend bedingten Aufwendungsersatzanspruch gegen den Gemeinschuldner erlangt, so daß gemäß § 54 I K O die Voraussetzungen einer Aufrechnung vorliegen; § 55 Ziff. 1 KO steht nicht entgegen, weil die Bank zur Einlösung verpflichtet ist und die Herbeiführung der Bedingung daher — anders als z. B. bei einem vor Konkurseröffnung eingereichten und nach Konkurseröffnung eingelösten normalen, d. h. nicht garantierten Scheck — nicht in ihrem Belieben steht. Bei einem nach Konkurseröffnung begebenen Scheck wird die Bank dagegen nur in den Grenzen von § 8 bzw. § 23 I 2 K O geschützt, weil sie keine Einlösungspflicht hat (vgl. oben Rdn. 851). 5. Der Text der „Bedingungen für eurocheque-Karten"
857
1. e u r o c h e q u e - K a r t e n gelten ausschließlich für das in ihnen mit seiner N u m m e r a n g e g e b e n e K o n t o . Auf W u n s c h des Kontoinhabers k ö n n e n e u r o c h e q u e - K a r t e n auch für K o n t o b e v o l l m ä c h tigte ausgestellt w e r d e n . 2. Eine e u r o c h e q u e - K a r t e gilt nur bis z u m Ende des auf ihr vermerkten Kalenderjahres. Bei B e e n d i g u n g des e u r o c h e q u e - K a r t e n v e r t r a g e s ist die e u r o c h e q u e - K a r t e unverzüglich z u r ü c k z u g e ben. 3. D i e e u r o c h e q u e - K a r t e wird nur g e g e n b e s o n d e r e E m p f a n g s b e s c h e i n i g u n g a u s g e h ä n d i g t und ist in A n w e s e n h e i t des Schalterangestellten v o m Inhaber der e u r o c h e q u e - K a r t e mit seiner Unterschrift z u versehen. D i e Unterschriften auf E m p f a n g s b e s c h e i n i g u n g e n und e u r o c h e q u e Karte müssen übereinstimmen. 4. In der e u r o c h e q u e - K a r t e garantiert das Kreditinstitut die Z a h l u n g des Scheckbetrages eines auf seinen e c - S c h e c k v o r d r u c k e n ausgestellten Schecks j e d e m S c h e c k n e h m e r in Europa und in den an das Mittelmeer g r e n z e n d e n Staaten bis zu einem Betrag v o n 3 0 0 , — D M o d e r G e g e n w e r t in ausländischer W ä h r u n g . W i r d i n f o l g e v o n K u r s d i f f e r e n z e n beim E i n z u g des S c h e c k s der Betrag v o n 3 0 0 , — D M überschritten, so ist auch der darüber h i n a u s g e h e n d e Betrag garantiert. D a s K r e ditinstitut ist über diese Beträge hinaus berechtigt, auf ausländische W ä h r u n g lautende e c - S c h e c k s bis z u r H ö h e des in d e m Land des S c h e c k n e h m e r s g e l t e n d e n e c - G a r a n t i e h ö c h s t b e t r a g e s e i n z u l ö sen. " 5 Damrau BB 1969, 205; Obermüller S. 74 ff; Wentzel S. 149 ff; Baumbach/Hefermehl Art. 3 SchG Rdn. 15; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck aaO
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§ 8 Rdn. 9; a. A. Jaeger/Henckel a a O § 8 Rdn. 46; dagegen eingehend Canarii a a O (Fn. 156) S. 95 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VIII. Der Reisescheck Im Inland ausgestellte ec-Schecks sind für die Dauer einer Frist von 8 Tagen, im Ausland ausgestellte ec-Schecks f ü r die Dauer einer Frist von 20 Tagen seit dem Ausstellungsdatum garantiert. Die Frist ist gewahrt, wenn der ec-Scheck innerhalb dieser Fristen dem bezogenen Institut vorgelegt, einem inländischen Geldinstitut zum Inkasso eingereicht oder der Deutschen eurocheque-Zentrale zugeleitet worden ist. Das Kreditinstitut wird f ü r Rechnung des Kontoinhabers auf jeden mit der N u m m e r der eurocheque-Karte versehenen ec-Scheck Zahlung gemäß Nr. 4 Absatz 1 leisten. Im Rahmen der sich aus Nr. 4 Absatz 1 ergebenden Beträge wird eine Zahlungsverpflichtung des Kreditinstituts durch Widerruf bzw. Sperre solcher Schecks, die rechtzeitig (Nr. 4 Absatz 2 Sätze 1 und 2) vorgelegt, eingereicht oder zugeleitet worden sind, nicht berührt. 5. T r ä g t der ec-Scheck auf der Rückseite die Nummer der eurocheque-Karte, so ist der ecScheck nach dem Beweis des ersten Anscheins unter Verwendung der eurocheque-Karte begeben worden. Werden die auf der Rückseite der eurocheque-Karte aufgezählten Voraussetzungen eingehalten und erwecken die Unterschriften auf eurocheque-Karte und ec-Scheckvordruck nach ihrem äußeren Gesamtbild den Eindruck der Echtheit, so besteht eine Einlösungsverpflichtung auch dann, wenn die Unterschriften auf den ec-Scheckvordrucken u n d / o d e r eurocheque-Karten gefälscht u n d / o d e r die ec-Scheckvordrucke bzw. eurocheque-Karten verfälscht worden sind. Das Kreditinstitut prüft die Unterschriften auf Scheckkartenschecks mit derselben Sorgfalt wie bei sonstigen Schecks. 6. Die eurocheque-Karte wird im Auftrag und im Interesse des Kontoinhabers ausgestellt und ausgehändigt. Der Inhaber wird von der eurocheque-Karte nur im Rahmen des Guthabens bzw. eines vorher eingeräumten Kredits Gebrauch machen. Der Kontoinhaber ist zum Ersatz aller Aufwendungen verpflichtet, die dem Kreditinstitut aufgrund der mit der eurocheque-Karte verbundenen Zahlungsverpflichtung erwachsen. 7. Die ec-Scheckvordrucke und die eurocheque-Karte sollten mit besonderer Sorgfalt und getrennt voneinander aufbewahrt werden. Der Kontoinhaber trägt alle Folgen und Nachteile des Abhandenkommens, der mißbräuchlichen Verwendung, der Fälschung oder der Verfälschung der eurocheque-Karte oder der ec-Scheckvordrucke, und zwar auch dann, wenn dem Kreditinstitut der Verlust angezeigt worden ist oder wenn eine Kontovollmacht dem Kreditinstitut gegenüber widerrufen wurde. Das Kreditinstitut haftet im Rahmen des von ihm zu vertretenden Verschuldens nur in dem Maße, als es im Verhälntis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat. 8. Ergänzend gelten die Bedingungen f ü r den Scheckverkehr und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditinstituts.
VIII. Der Reisescheck Literatur Bärmann/Brink Europäisches Geld-, Bank- und Börsenrecht, Bd. I 1974 Rdn. 270 ff; — Heinichen Die Rechtsgrundlagen des Reisescheckverkehrs, 1964; Justat/Mauer Rechtsfragen des Reiseschecks, Z K W 1956, 155 f f ; Käser Der amerikanische Travelers Check in der internationalen Rechtsprechung, Z K W 1961, 196 ff; derselbe Rechtliche Aspekte des einheitlichen DM-Reiseschecks, Z K W 1962, 399 ff; Rehfeldt/Zöllner Wertpapierrecht, 12. Aufl., 1978, § 26 V 4; Schinnerer Der Reisescheck, österr. Landesreferate zum VII. Int. Kongreß f ü r Rechtsvergleichung in Uppsala, 1966; derselbe W a s ist der Reisescheck in rechtlicher Beziehung? österr. Bank-Arch. 1967, 94 ff; Schlegelberger/Hefermehl Komm, zum H G B , 5. Aufl., 1976, Anhang nach §365 Rdn. 312 ff; Schönle Bankrecht, 2. Aufl., 1976, § 8 VI 3 e; Stückradt Travellers Checks und Deutsches Scheckrecht, Z K W 1966, 770 und 861 ff.
1. Funktion und Rechtsnatur des Reiseschecks Die Funktion des Reiseschecks liegt im Gegensatz zum gewöhnlichen Scheck nicht 858 primär darin, Mittel des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu sein, sondern darin, dem Inhaber die Beschaffung von Bargeld im Ausland zu ermöglichen. Claus-Wilhelm Canaris
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung 859
Die Rechtsnatur des Reiseschecks ist streitig. Teilweise wird er nicht als echter Scheck i. S. des S c h e c k G angesehen (vgl. z. B. R G Z 79 342, 344 zum amerikanischen travellers check), vereinzelt wird er sogar gänzlich aus dem Kreis der Wertpapiere verbannt und nicht einmal als Rektapapier anerkannt (so Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 365 Rdn. 314). Für den heute in der Bundesrepublik gebräuchlichen DM-Reisescheck bestehen indessen in Wahrheit keine durchgreifenden Bedenken dagegen, ihn in Einklang mit der h. L. als echten an die eigene Order des Reisenden gestellten Scheck
zu qualifizieren (vgl. Käser ZKW 1962 400; Heinieben S. 55 ff; Schönle § 8 VI 3 e; Bär-
mann/Brink Rdn. 270). Dafür spricht vor allem, daß er im T e x t der Urkunde ausdrücklich die W o r t e enthält „Zahlen sie gegen diesen Reisescheck . . . " — womit offenkundig den Erfordernissen von Art. 1 S c h e c k G Rechnung getragen werden soll. Auch wenn die Bezeichnung allein nicht immer den Ausschlag zu geben braucht, so kommt ihr doch gerade im Wertpapierrecht besondere Bedeutung zu, zumal wenn wie hier an der Formulierung Bankjuristen beteiligt sind. Es ist daher nicht zulässig, sich hierüber hinwegzusetzen und eine falsa demonstratio anzunehmen. Das gilt um so mehr, als auch funktionell gesehen durchaus gute Gründe für die Annahme eines echten Orderpapiers sprechen (a. A. Hefermehl a a O ) ; denn dessen gesteigerte Umlauffähigkeit und die Garantiehaftung des Ausstellers oder Indossanten verbessern die Rechtsstellung der einlösenden Banken oder etwaiger sonstiger Nehmer (wie z. B. Hotels usw.) und erhöhen dadurch das Vertrauen in den Reisescheck und die Bereitwilligkeit zu seiner Entgegennahme. 2. Die bankrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten beim DM-Reisescheck 860
Die Haftung der ausgebenden Bank gegenüber dem Kunden ist beim D M - R e i s e scheck nicht wertpapierrechtlicher, sondern bankrechtlicher Art (zur Rechtslage beim travellers check vgl. Käser Z K W 1961 196 ff; Heinichen S. 110 ff). Denn da nicht die emittierende Bank, sondern der Reisende als Aussteller anzusehen ist (so mit Recht Käser Z K W 1962 4 0 0 ; Heinichen S. 44 ff), besteht ein spezifisch wertpapierrechtlicher Anspruch gegen die Bank nicht. Diese ist dem Kunden vielmehr lediglich aus dem der Ausgabe der Reiseschecks zugrunde liegenden Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. der §§ 675, 631 ff B G B und dem damit verbundenen Einlagegeschäft gemäß §§ 7 0 0 , 607 B G B zur Einlösung bzw. Rückzahlung verpflichtet (vgl. auch L G Frankfurt W M 1980
290, 291; Käser ZKW 1962 402; Heinichen S. 88; Schönle §8 VI 3 e). Praktische Bedeutung kommt dabei vor allem der Einlösung bei einer anderen als der emittierenden Filiale zu.
V o r dem Ende der Laufzeit des Schecks kann der bürgerlichrechtliche Auszahlungsanspruch gegen die Bank nach Sinn und Zweck des Vertrages nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Reiseschecks geltend gemacht werden, da die Bank sonst Gefahr läuft, durch Einlösung des Schecks doppelt in Anspruch genommen zu werden. Nach Ablauf der Einlösungsfrist kann der Kunde die Rückzahlung auch dann verlangen, wenn er nicht mehr im Besitz des Schecks ist, es sei denn, die Bank ist inzwischen durch Einlösung des Schecks von ihrer Rückzahlungspflicht frei geworden (vgl. auch unten Rdn. 862). 861
Eine Einlösungspflicht anderer Banken besteht mangels einer entsprechenden Anspruchsgrundlage grundsätzlich nicht (ebenso i. E. Justat/Mauer Z K W 1956 157; Heinichen S. 103 f). D a die Banken jedoch ein nicht unerhebliches Interesse an der Popularisierung des Reiseschecks haben und da auch dessen Funktion eine möglichst große Sicherheit bzw. Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Einlösung erfordert, liegt es nicht fern, daß in den Vereinbarungen, die die Emissionsbanken mit ihren ausländi440
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VIII. Der Reisescheck sehen Korrespondenzbanken bezüglich der Reiseschecks treffen, Klauseln enthalten sind, die als Vertrag zugunsten des Reisenden i. S. von § 328 BGB zu interpretieren sind; die Lösung dieser Frage kann jedoch nicht generell getroffen werden, sondern hängt stets von der Fassung des betreffenden Abkommens ab (zu allgemein daher Heinichen S. 103 f). Der Regreßanspruch der einlösenden Bank gegen die emittierende Bank ergibt sich 8 6 2 aus den Regeln über die Geschäftsbesorgung gemäß §§ 675, 670 BGB, wenn ein entsprechendes Abkommen zwischen den beiden Banken besteht, oder aus den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683, 670 BGB, sofern es an einem solchen Abkommen fehlt (vgl. auch Justat/Mauer Z K W 1956 155 und 157; Käser Z K W 1962 402; Heinichen S. 96 ff bzw. S. 101 f). Daneben steht i. d. R. ein Anspruch aus abgeleitetem Recht; denn die einlösende Bank nimmt den Reisescheck typischerweise nicht lediglich zum Inkasso herein, sondern kauft ihn an (so mit Recht Justat/Mauer Z K W 1956 155; Käser Z K W 1962 402; Heinichen S. 101), und dabei überträgt ihr der Reisende nicht nur die spezifisch scheckrechtlichen Ansprüche, sondern bei einer objektiven Auslegung gemäß § 157 BGB grundsätzlich zugleich seinen Einlösungsanspruch gegen die Emissionsbank. 3. Die Übertragung des DM-Reiseschecks Der DM-Reisescheck ist frei Ubertragbar und kann dementsprechend auch von 8 6 3 einem Dritten wie z. B. einem Hotelier zur Einlösung vorgelegt werden. Nach der hier vertretenen Ansicht, wonach der DM-Reisescheck ein echter Scheck ist, kann die Übertragung auch in der Form des Indossaments geschehen mit der Folge, daß der Reisende sowohl als Aussteller (vgl. oben Rdn. 860) wie als Indossant der scheckrechtlichen Garantiehaftung nach Art. 12 bzw. Art. 18 ScheckG unterliegt. Allerdings wird der Erwerber diesen Anspruch häufig gemäß Art. 40 ff ScheckG wieder verlieren, weil die Vorlagefrist von 8 bzw. 20 Tagen gemäß Art. 29 ScheckG bei Reiseschecks i. d. R. nicht eingehalten wird (vgl. Käser Z K W 1962 400; Heinichen S. 62 f und 72 ff). Auch wird das Indossament oft formnichtig sein, weil es ein Blankoindossament ist und entgegen der Vorschrift des Art. 16 II 2 ScheckG nicht auf die Rückseite des Schecks gesetzt ist. In jedem Falle aber enthält die Übertragung des DM-Reiseschecks zugleich konkludent gemäß § 157 BGB die Zession des bürgerlichrechtlichen Einlösungsanspruchs, den der Aussteller gegen die Emissionsbank hat (vgl. zu diesem oben Rdn. 860). 4. Abhandenkommen und Fälschung des DM-Reiseschecks a) Die Problematik des gutgläubigen Erwerbs Kommt der DM-Reisescheck dem Reisenden abhanden und trägt er nur die erste 8 6 4 Unterschrift, nicht aber die Gegenzeichnung, so ist ein gutgläubiger Erwerb des Schecks gemäß Art. 21 i. V. m. Art. 19 ScheckG grundsätzlich möglich, sofern ein formell ordnungsgemäßes Indossament vorliegt (vgl. auch Käser Z K W 1962 400; Heinichen S. 94 f). Nach Art. 21 ScheckG schadet dem Erwerber nur positive Kenntnis und grobe Fahrlässigkeit; letztere ist vor allem anzunehmen, wenn der Erwerber die Fälschung bei einem sorgfältigen Unterschriftsvergleich hätte erkennen können oder wenn er die nach der Verkehrssiue und i. d. R. auch nach den einschlägigen Vertragsbedingungen erforderliche Identitätskontrolle an Hand eines Ausweispapiers unterlassen hat (zustimmend LG Frankfurt W M 1980 290). Die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs hängt dabei nicht davon ab, ob der Scheck bereits einen Zahlungsanspruch verbrieft Claus-Wilhelm Canaris
441
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung bzw. ob der E r w e r b e r einen solchen zumindest k r a f t guten G l a u b e n s erwirbt. D e n n auch die in dem S c h e c k enthaltene Z a h l u n g s a n w e i s u n g als solche k a n n gutgläubig e r w o r b e n w e r d e n , da eine A n w e i s u n g g e m ä ß § 7 9 2 I 1 und I I I 2 i. V . m. §§ 3 9 8 f f B G B auch als solche, d. h. u n a b h ä n g i g v o m Bestehen eines Z a h l u n g s a n s p r u c h s , ü b e r t r a g e n w e r d e n kann und da sie somit folgerichtig auch als solche G e g e n s t a n d gutgläubigen E r w e r b s sein k ö n n e n m u ß , soweit dieser in dem b e t r e f f e n d e n R e c h t s g e b i e t v o m G e s e t z zugelassen wird. D e r b l o ß e E r w e r b der Anweisung als s o l c h e r ist für den E r w e r b e r auch keineswegs w e r t l o s , da er ihn z u m B e r e c h t i g t e n m a c h t und dadurch bei einer E i n lösung des S c h e c k s z. B . v o r dem Anspruch aus § 8 1 6 I I B G B schützt. In der T a t e r l a n g t der gutgläubige E r w e r b e r bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht m e h r als die A n w e i s u n g . Ein gutgläubiger E r w e r b des Rückgriffsanspruchs aus A r t . 12 S c h e c k G gegen den Aussteller ist hier nämlich nicht m ö g l i c h (a. A. Käser a a O ) . D e n n lediglich die erste U n t e r s c h r i f t des Ausstellers auf dem S c h e c k ist e c h t , und diese beinhaltet n o c h k e i n e Ausstellung im s c h e c k r e c h t l i c h e n S i n n e , sondern stellt lediglich ein Mittel zur S i c h e r u n g gegen Fälschungen dar (so mit R e c h t fustat/Mauer Z K W 1956 1 5 8 ; a. A . Käser a a O S. 4 0 0 bei F n . 5 ; Heinichen S . 52 f). F o l g l i c h hat der Aussteller hier g e g e n den E r w e r b e r nicht nur den E i n w a n d des f e h l e n d e n B e g e b u n g s v e r t r a g s , der durch gutgläubigen E r w e r b überwunden w e r d e n k a n n , s o n d e r n den E i n w a n d der F ä l s c h u n g , der nach a l l g e m e i n e r Ansicht auch dem gutgläubigen E r w e r b e r e n t g e g e n g e setzt w e r d e n k a n n . E i n gutgläubiger E r w e r b des bürgerlichrechtlichen Einiösungsanspruchs gegen die Emissionsbank — der an sich im Z w e i f e l als mitübertragen a n z u s e hen ist (vgl. o b e n R d n . 8 6 3 a. E . ) — k o m m t o h n e h i n nicht in B e t r a c h t , da das Z e s s i o n s r e c h t einen gutgläubigen E r w e r b nur unter sehr e n g e n V o r a u s s e t z u n g e n zuläßt und diese hier nicht erfüllt sind. 865
T r ä g t der S c h e c k n o c h keine Unterschrift des Ausstellers, weil dieser die erste Z e i c h n u n g unterlassen hat, so ist die R e c h t s l a g e im wesentlichen dieselbe wie bei der v o r h e r g e h e n d e n Fallkonstellation. W i r d also der S c h e c k m i ß b r a u c h t — sei es, daß der F ä l s c h e r die beiden U n t e r s c h r i f t e n mit seinem eigenen N a m e n , mit einem f r e m d e n bzw. erdichteten N a m e n o d e r mit dem N a m e n des w a h r e n B e r e c h t i g t e n v o r n i m m t — , so findet ein gutgläubiger E r w e r b des Schecks g e m ä ß Art. 21 S c h e c k G statt mit der F o l g e , d a ß der E r w e r b e r B e r e c h t i g t e r hinsichtlich der in dem S c h e c k v e r k ö r p e r t e n Z a h l u n g s a n w e i s u n g wird.
Ein gutgläubiger Erwerb des Rückgriffsanspruchs gegen den wahren Berechtigten ist d a g e g e n auch hier nicht m ö g l i c h . Ein solcher k o m m t e n t w e d e r schon deshalb nicht in B e t r a c h t , weil der S c h e c k g a r nicht die U n t e r s c h r i f t des w a h r e n B e r e c h t i g t e n trägt, o d e r a b e r er scheidet w i e d e r deshalb aus, weil die U n t e r s c h r i f t gefälscht ist und man für eine gefälschte U n t e r s c h r i f t auch im W e r t p a p i e r r e c h t , wie soeben ausgeführt, nicht einzustehen b r a u c h t . M a n k a n n insoweit auch n i c h t mit dem A r g u m e n t arbeiten, der w a h r e B e r e c h t i g t e h a b e durch das Unterlassen der (ersten) S i g n a t u r ein e r h ö h t e s F ä l schungsrisiko g e s c h a f f e n und müsse daher in A b w e i c h u n g von den allgemeinen G r u n d sätzen hier ausnahmsweise d o c h h a f t e n ; denn z w a r hat e r ein e r h ö h t e s R i s i k o d a f ü r g e s c h a f f e n , daß der S c h e c k veruntreut wird, nicht j e d o c h d a f ü r , daß der S c h e c k g e r a d e durch eine Fälschung seiner U n t e r s c h r i f t m i ß b r a u c h t wird. A u c h die R e g e l n über den B l a n k e t t m i ß b r a u c h sind w e d e r unmittelbar n o c h a n a l o g a n w e n d b a r , da ein B l a n k e t t als M i n i m a l v o r a u s s e t z u n g stets eine echte U n t e r s c h r i f t des Ausstellers e r f o r d e r t (vgl. Canaris D i e V e r t r a u e n s h a f t u n g im deutschen P r i v a t r e c h t , 1 9 7 1 , S. 5 4 ) . — W a s den bürgerlichrechtlichen Einlösungsanspruch gegen die B a n k betrifft, so scheidet a u c h insoweit ein g u t g l ä u b i g e r E r w e r b von vornherein aus. D e n n ein s o l c h e r ist an a b h a n d e n g e k o m m e n e n U r k u n d e n und den darin verbrieften b ü r g e r l i c h r e c h t l i c h e n A n s p r ü c h e n 442
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VIII. Der Reisescheck
nach der in den §§ 172 I, 935 I BGB zum Ausdruck gekommenen Wertung im bürgerlichen Recht grundsätzlich nicht möglich (vgl. näher Canaris a a O S. 14 ff, 38 f und 548). Trägt der Scheck bereits beide Unterschriften des Ausstellers, weil dieser die zweite 8 6 6 Zeichnung schon vor der Begebung vorgenommen hatte und ihm der Scheck anschließend abhanden gekommen ist, so ergeben sich gegenüber den beiden bisher behandelten Fallkonstellationen in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten. Diese betreffen zunächst schon den gutgläubigen Erwerb des Schecks gemäß Art. 21 ScheckG, da hier erhöhte Anforderungen an die Prüfungspflicht des Erwerbers zu stellen sind. Gibt sich nämlich der Veräußerer des Schecks als Aussteller aus, so muß der Erwerber deshalb besonders vorsichtig sein, weil der Scheck entgegen den Verkehrsgepflogenheiten und entgegen den f ü r ihn geltenden Bedingungen schon beide Unterschriften trägt und nicht erst in Gegenwart des Erwerbers gegengezeichnet wird, so daß die hierin liegende besondere Kontrollmöglichkeit entfällt. Zwar ist im Erwerb des Schecks hier nicht ohne weiteres eine grobe Fahrlässigkeit zu sehen, da eine vorherige Zeichnung durch den Aussteller ja immerhin denkbar ist, doch muß der Erwerber wegen des hier gegebenen besonderen Verdachtsmoments eine verschärfte Identitätskontrolle vornehmen und nicht nur das Lichtbild im Ausweis sehr genau mit dem Aussehen des Veräußerers vergleichen, sondern auch die Unterschrift in dem Ausweis auf das sorgfältigste auf ihre Übereinstimmung mit den Unterschriften auf dem Scheck überprüfen. Darüber hinaus wird man von dem Erwerber verlangen dürfen, daß er den Veräußerer zu einer Wiederholung seiner Unterschrift auf der Rückseite des Schecks auffordert, selbst wenn sich dort bereits ein ordnungsgemäßes Indossament befindet (zustimmend LG Frankfurt W M 1980 290); denn auf diese Weise wird die Kontrollmöglichkeit wieder hergestellt, die durch die vorzeitige Vornahme der Gegenzeichnung verloren gegangen war. — Gibt sich der Veräußerer dagegen nicht als Aussteller aus, sondern als Erwerber des Schecks, so stellt zwar das Vorliegen der zweiten Zeichnung kein besonderes Verdachtsmoment dar, doch ist auch in diesem Fall erhöhte Vorsicht geboten und der Beruf des Veräußerers festzustellen. Der DM-Reisescheck dient nämlich nicht im selben Umfang als Zahlungsmittel wie z. B. der amerikanische travellers check, sondern wird üblicherweise nur von bestimmten Personengruppen in Zahlung genommen und an diese begeben; dazu gehören außer den Banken vor allem Hotels, Gaststätten, Reisebüros, Luftfahrtgesellschaften, Reedereien, die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft und z. T. auch Kaufhäuser. Unterfällt der Veräußerer einer dieser Personengruppen, so besteht i. d. R. kein Anlaß zu einem Verdacht — es sei denn, der Erwerber kann sich keine ausreichende Gewißheit über die Seriosität des Veräußerers verschaffen oder hat gar Anhaltspunkte für dessen mangelnde Seriosität. Gehört der Veräußerer dagegen zu einem Berufsstand, bei dem die Bezahlung mit DM-Reiseschecks unüblich ist, wie z. B. bei Autohändlern, Versicherungen und Rechtsanwälten, darf der Erwerber nicht blind auf die Berechtigung des Veräußerers vertrauen, sondern muß sich diese näher dartun lassen und jedenfalls seine Seriosität sorgfältig überprüfen; bleiben danach noch Zweifel, dann muß der potentielle Erwerber entweder beim Aussteller rückfragen oder von dem Ankauf des Schecks Abstand nehmen (zustimmend Schlegelberger/Hefermebl Anh. nach § 365 Rdn. 322). Wird der Scheck einer Bank angeboten, so liegt es in Zweifelsfällen überdies nahe, den Scheck nicht anzukaufen, sondern lediglich zum Inkasso hereinzunehmen. Eine zweite Besonderheit besteht bei der vorliegenden Fallkonstellation hinsichtlich des scheckrechtlichen Rückgriffsanspruchs aus Art. 12 ScheckG gegen den Aussteller. Liegen nämlich die Voraussetzungen gutgläubigen Erwerbs vor, so erstreckt sich dieser auch auf den Anspruch aus Art. 12, da hier ja auch die zweite Unterschrift auf dem Claus-Wilhelm Canaris
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6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
Scheck echt ist und da der Aussteller somit nicht den Einwand der Fälschung, sondern nur den Einwand des fehlenden Begebungsvertrages hat, der anerkanntermaßen durch gutgläubigen Erwerb überwunden werden kann (vgl. dazu statt aller Baumbach/Hefermehl Art. 17 W G Rdn. 21). Ein gutgläubiger Erwerb des bürgerlichrechtlichen Einlösungsanspruchs gegen die Bank ist dagegen hier ebenso wie bei der zuvor behandelten Fallgruppe und aus denselben Gründen wie dort unmöglich (vgl. oben Rdn. 865 a. E.). b) Die Einlösung eines abhanden gekommenen Reiseschecks durch die Emissionsbank oder eine ihrer Filialen 867
Mit der Problematik des gutgläubigen Erwerbs z. T . eng verzahnt, von ihr jedoch dogmatisch und praktisch grundsätzlich zu unterscheiden ist die Frage, welche Rechtsfolgen die Einlösung eines abhanden gekommenen Schecks durch eine Bank hat. Erfolgt diese durch die Emissionsbank bzw. eine ihrer Filialen, also durch den Bezogenen, so fragt sich, ob die Bank durch die Zahlung auf den gefälschten Scheck gegenüber dem wahren Berechtigten, also ihrem Kunden, frei wird. Das ist nach den oben Rdn. 710 ff entwickelten Regeln grundsätzlich zu bejahen, sofern die Bank ihren Prüfungspflichten nachgekommen ist. Diese beschränken sich hier nicht auf den Vergleich der Unterschriften, sondern umfassen entsprechend der Eigenart des Reiseschecks grundsätzlich auch eine Identitätskontrolle. Trägt der Scheck bereits beide Unterschriften, so gelten die oben Rdn. 866 Abs. 1 herausgearbeiteten erhöhten Prüfungspflichten auch hier. Eine Einlösung nach Ablauf der einjährigen Gültigkeitsdauer des Schecks befreit die Bank keinesfalls gegenüber dem wahren Berechtigten, da sie hier einen groben Sorgfaltsverstoß begangen hat und unter allen Umständen als bösgläubig anzusehen ist.
868
In jedem Falle, also auch bei Gutgläubigkeit, hat die Bank eine Pflicht zur Aufbewahrung des eingelösten Schecks während eines angemessenen Zeitraums und zur Mitteilung der einlösenden Filiale bzw. Korrespondenzbank an den wahren Berechtigten. Diese Pflicht, die sich gemäß §§ 157, 242 BGB aus dem Vertrag zwischen der Emissionsbank und dem Reisenden ergibt, ist unerläßlich, um letzterem die Möglichkeit zu geben, die Umstände der Einlösung aufzuklären und der einlösenden Filiale oder Korrespondenzbank einen etwaigen Pflichtverstoß — z. B. durch zu oberflächlichen Vergleich der Unterschriften — nachzuweisen. Eine Freizeichnung von dieser Pflicht in allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre unzulässig und unwirksam, da sie den Reisenden für den Fall des Abhandenkommens praktisch rechtlos machen würde, ohne daß dafür zwingende Sachgründe gegeben sind.
869
Macht der Kunde der Bank Mitteilung vom Verlust des Reiseschecks, so wird diejenige Stelle, der die Mitteilung zugegangen ist, grundsätzlich bösgläubig (vgl. auch LG Frankfurt W M 1980 290, 291). Denn von ihr zu verlangen, daß sie den oder die für die Auszahlung von Reiseschecks zuständigen Angestellten über die Verlustmeldung informiert, stellt keine Überspannung der Sorgfaltspflicht dar, und auch von diesen Angestellten kann ohne weiteres erwartet werden, daß sie den betreffenden Scheck bei Vorlage erkennen, da er an Hand des auf dem Scheck stehenden Namens des Kunden und, wenn sich von diesem auch noch ordnungsgemäß begebene Schecks im Umlauf befinden, an Hand der — von dem Kunden bei der Verlustmeldung anzugebenden — Nummer des Schecks unschwer zu identifizieren ist. Auch wenn die Nummer nicht angegeben ist, wird man von der Bank aber zumindest erwarten müssen, daß sie bei der Kontrolle der Unterschriften und bei der Uberprüfung des Einreichers gesteigerte Sorgfalt walten läßt. Gibt sich der Einreicher als Aussteller aus, muß der Bank ohnehin klar sein, daß er unredlich ist — da der wahre Aussteller ihr ja den Verlust angezeigt 444
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VIII. Der Reisescheck
hat und daher jetzt unmöglich den Scheck zur Einlösung präsentieren kann oder aber dessen Wiedererlangung dartun muß; gibt sich der Einreicher als Erwerber aus, so hat die Bank ihn mit äußerstem Mißtrauen zu überprüfen und im Zweifelsfalle darauf zu verweisen, daß erst mit dem Aussteller Rücksprache genommen werden müsse. — Zweifelhaft ist, ob die Bank gemäß §§ 157, 242 BGB eine Pflicht zur Weitergabe der Verlustmitteilung an alle ihre Filialen hat; angesichts des damit verbundenen organisatorischen und technischen Aufwandes wird man das verneinen müssen. Der Frage kommt indessen kaum praktische Bedeutung zu. Die Banken erklären nämlich in dem Formular mit „Hinweisen", das sie ihren Kunden beim Erwerb von Reisescheckformularen auszuhändigen pflegen, eine „Auszahlungssperre" sei „mit Rücksicht auf die zahlreichen Einlösungsstellen nicht möglich". Auch wenn allgemeine Geschäftsbedingungen im Zweifel eng und gegen den „Unternehmer" auszulegen sind, wird man in dieser Klausel die Abdingung einer etwaigen Pflicht zur Weitergabe der Verlustmitteilung an alle Filialen sehen müssen, die durch widerspruchslose Entgegennahme seitens des Reisenden durch konkludentes Verhalten vertraglich vereinbart wird. Unabhängig hiervon aber wäre es in jedem Falle eine Uberspannung der Sorgfaltspflichten, wollte man fordern, daß die Emissionsbank auch ihre Korrespondenzbanken informiert (vgl. auch Käser Z K W 1962 402). Im Ergebnis hat die Verlustmitteilung des Reisenden also nur einen geringfügigen Effekt, weil sie nur geeignet ist, die Filiale, der die Mitteilung zugegangen ist — i. d. R. also die emittierende Filiale — bösgläubig zu machen. Ein Widerruf des Schecks ist gemäß Art. 32 ScheckG nach Ablauf der Vorlegungs- 8 7 0 frist für die Emissionsbank grundsätzlich beachtlich (a. A. Käser Z K W 1962 401 f). Die einjährige Laufzeit des Schecks steht dem nicht entgegen. Diese hat nämlich nicht die Funktion, Gewähr dafür zu bieten, daß der Scheck während seiner Laufzeit honoriert wird (so aber Käser a a O ) ; denn die Bank übernimmt unzweifelhaft keine Einlösungsgarantie und könnte eine solche auch gar nicht f ü r einen so langen Zeitraum übernehmen, da darin — anders als bei der kurzfristigen und mit den Fristen des Art. 29 ScheckG übereinstimmenden Garantie des Scheckkartenschecks — eine Umgehung des in Art. 4 ScheckG enthaltenen Akzeptverbots läge. Der Sinn der Gültigkeitsangabe in dem Reisescheck liegt vielmehr ganz im Gegenteil in einer Einschränkung der Einlösungsmöglichkeit, da der Scheck nach Ablauf des einen Jahres selbst dann von der Bank nicht mehr eingelöst wird, wenn die Vorlegungsfristen des Art. 29 ScheckG gewahrt sind. Der Zweck dieser Beschränkung ist darin zu sehen, daß zu einem festen Zeitpunkt Klarheit darüber geschaffen wird, ob noch Reiseschecks vorgelegt werden. Ist das ausgeschlossen, kann die Bank ihrem Kunden den Betrag für abhanden gekommene Schecks zurückerstatten, ohne Gefahr zu laufen, daß der Scheck von einer ihrer Filialen oder einer Korrespondenzbank noch gutgläubig erworben wird. Die Beschränkung der Gültigkeitsdauer dient also letztlich der Möglichkeit zur gefahrlosen Rückerstattung abhanden gekommener Schecks. Diese Ansicht wird auch nicht etwa durch die gegen Ende des letzten Abschnitts bereits erwähnte Klausel, wonach „eine Auszahlungssperre mit Rücksicht auf die zahlreichen Einlösungsstellen nicht möglich" ist, widerlegt, sondern im Gegenteil bestätigt. Daraus, daß hier als Grund der Klausel ausdrücklich „die zahlreichen Einlösungsstellen" angegeben werden, wird nämlich deutlich, daß es keineswegs um eine Sicherung der Einlösung im Interesse des Schecknehmers geht, sondern lediglich um eine Absicherung der Emissionsbank gegenüber den Gefahren, die ihr bei Bezahlung eines abhanden gekommenen Reiseschecks durch eine gutgläubige Filiale oder eine Korrespondenzbank drohen. Dementsprechend ist die Klausel gemäß § 157 BGB bei einer teleologischen Interpretation einschränkend dahin auszulegen, daß die Zahlungssperre nicht schlechthin ausgeschlossen wird, sondern Claus-Wilhelm Canaris
445
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
daß die Filiale, der gegenüber sie erklärt wird, sie zwar selbst beachten, nicht aber auch die übrigen Filialen und die Korrespondenzbanken davon in Kenntnis setzen muß. 871
Die Folge einer Pflichtverletzung durch die Bank ist, daß sie mangels guten Glaubens nicht frei wird. Der Kunde behält daher seinen RückZahlungsanspruch aus §§ 700, 607 I BGB (a. A. offenbar LG Frankfurt W M 1980 290, das einen Anspruch des Kunden aus positiver Forderungsverletzung annimmt). Diesen kann er trotz der Unmöglichkeit, den Scheck zurückzugeben, spätestens nach Ende der Laufzeit des Schecks geltend machen, richtiger Ansicht nach sogar wohl schon vorher, da ein Abwarten bis zum Ende der Laufzeit sinnlos ist, wenn feststeht, daß die Bank den Scheck eingelöst hat und der Kunde nun behauptet, sie sei dabei bösgläubig gewesen. Die Bank kann ihrerseits einen Gegenanspruch aus positiver Forderungsverletzung haben, wenn der Kunde schuldhaft zu dem Schaden beigetragen hat wie z. B. durch unsorgfältige Aufbewahrung der Schecks, Unterlassen der ersten Signatur, verfrühte Vornahme der zweiten Signatur, Versäumung der Verlustmitteilung, Unterlassen der Eintragung der Nummern der gekauften und der in Zahlung gegebenen Schecks in das dafür vorgesehene Kontrollblatt oder Aufbewahrung dieses Kontrollblatts zusammen mit den Scheckformularen und dementsprechend gleichzeitigen Verlust dieses Blattes mit den Schecks. Diese Pflichten des Reisenden ergeben sich aus § 242 BGB; ihre Hervorhebung in dem ihm ausgehändigten Hinweisblatt hat daher nur verdeutlichenden und bestärkenden Charakter, was vor allem im Rahmen des § 254 BGB von praktischer Bedeutung sein kann, würde aber im übrigen auch gemäß § 157 BGB zur Begründung einer vertraglichen Pflicht genügen, weil (und sofern) der Reisende das Hinweisblatt widerspruchslos entgegengenommen hat (abwegig daher Käser Z K W 1962 402, der eine Rechtspflicht zur Verlustmitteilung verneint). — Der Schadensersatzanspruch der Bank ist freilich in aller Regel gemäß § 254 BGB zu kürzen, da ihre Bösgläubigkeit zugleich ein Mitverschulden darstellt. Als überwiegendes Alleinverschulden des Kunden ist es allerdings anzusehen, wenn dieser die Erstsignatur der Schecks trotz einer entsprechenden Aufforderung der Bank nicht sofort beim Erwerb vornimmt und die Schecks anschließend abhanden kommen und gefälscht werden, weil sie noch keine Unterschrift trugen; eine Pflichtverletzung der Bank bei der Einlösung wird hier regelmäßig völlig hinter dem Verschulden des Kunden zurücktreten, so daß dieser i. E. den Schaden allein zu tragen hat. c) Die Einlösung eines abhanden gekommenen Reiseschecks durch eine Korrespondenzbank
872
Wesentlich größere praktische Bedeutung kommt der Einlösung durch eine Korrespondenzbank zu. Ist diese gutgläubig, so erwirbt sie gemäß §§ 675, 670 BGB einen Regreßanspruch gegen die Emissionsbank, da sie dann die im Ankauf des Schecks liegende Aufwendung i. S. von § 670 BGB „den Umständen nach für erforderlich halten darf" (ebenso i. E. LG Frankfurt W M 1980 290; Heinichen S. 98 f). Die Bedenken, die im allgemeinen bei Fälschungen gegen eine Anwendung des § 670 BGB sprechen (vgl. oben Rdn. 368), entfallen hier. Anders als sonst liegt nämlich die Zahlungsanweisung der Emissionsbank an die Korrespondenzbank nicht in dem gefälschten Scheck, sondern in dem Abschluß des Abkommens über die Einlösung von Reiseschecks — und dieses wird durch die Fälschung der Unterschrift des Ausstellers in keiner Weise berührt. Denn das Abkommen ist gemäß §§ 133, 157 BGB im Zweifel dahin auszulegen, daß die Korrespondenzbank alle von der Emissionsbank stammenden Reiseschecks einlösen soll, und zu diesen Schecks gehören selbstverständlich auch solche mit gefälschter Ausstellerunterschrift, da ja nicht der von der Bank stammende Scheckvor446
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VIII. Der Reisescheck druck gefälscht ist, sondern eben nur die Unterschrift des Ausstellers; das Abkommen einschränkend dahin auszulegen, daß der darin enthaltene Einlösungsauftrag der Emissionsbank an die Korrespondenzbank bei Schecks, die dem Reisenden abhanden gekommen sind, nicht gelten solle, ist mangels einer ausdrücklichen Klausel gemäß §157 BGB nicht möglich, da dadurch der Korrespondenzbank in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise das Risiko von Fälschungen auferlegt würde, die sie nicht erkennen kann und die darüber hinaus regelmäßig sogar von dem Reisenden verschuldet oder wenigstens unter Risikogesichtspunkten zu verantworten sind. Im Verhältnis der Emissionsbank zu ihren Kunden, d. h. zu dem wahren Berechtig- 8 7 3 ten, hat die Zahlung an die Korrespondenzbank zur Folge, daß die Emissionsbank von dem RückZahlungsanspruch des Kunden aus §§ 700, 607 I BGB befreit wird. Das ergibt sich i. d. R. schon aus den soeben in Rdn. 867 entwickelten Grundsätzen, da bei Gutgläubigkeit der Korrespondenzbank meist auch die Emissionsbank gutgläubig sein wird und ihre Zahlung an die Korrespondenzbank grundsätzlich nicht nur auf deren Anspruch aus §§ 675, 670 BGB, sondern zugleich auch auf den von jener präsentierten Scheck erfolgen wird. Das gleiche muß aber auch dann gelten, wenn die Emissionsbank inzwischen vom Abhandenkommen des Schecks erfahren hat und daher insoweit bösgläubig geworden ist. Denn zwar braucht sie nicht auf den Scheck zu zahlen, da sie auch gegenüber einem gutgläubigen Erwerber keine Einlösungspflicht hat (vgl. oben Rdn. 864—866, jeweils a. E.), doch ist sie der gutgläubigen Korrespondenzbank jedenfalls aus §§ 675, 670 BGB zur Zahlung verpflichtet (ebenso i. E. OLG Frankfurt W M 1980 752; a. A. Schlegelberger/Hefermebl Anh. nach § 365 Rdn. 322 a. E.). Ziff. 11 der allgemeinen Scheckbedingungen, wonach der Kunde „alle Folgen und Nachteile des Abhandenkommens, der mißbräuchlichen Verwendung, der Fälschung und Verfälschung von Schecks" trägt, greift daher ohne weiteres ein, so daß es auf eine entsprechende Klausel in den besonderen Bedingungen für den Reisescheck nicht einmal ankommt. Aber selbst abgesehen von Ziff. 11 der Scheckbedingungen müßte der Kunde nach der hier vertretenen Sphärentheorie (vgl. oben Rdn. 710) das Risiko gegenüber der Emissionsbank tragen, da der „Mangel" aus seiner „Sphäre" stammt und die Emissionsbank sich trotz ihrer Kenntnis vom Abhandenkommen des Schecks nicht mehr aus ihrer Haftung gegenüber der gutgläubigen Korrespondenzbank lösen kann. Das trifft den Kunden nicht unbillig, stellt der Reisescheck doch erkennbar ein besonders gefährliches Instrument dar; denn er muß seiner Funktion entsprechend von jeder Korrespondenzbank grundsätzlich sofort bar eingelöst werden, so daß weder die Möglichkeit zu einem Vergleich mit einer Unterschriftsprobe bei der Emissionsbank noch auch nur die Möglichkeit zu einer Rückfrage der Korrespondenzbank bei jener besteht. Der Kunde kann seine Haftung grundsätzlich auch nicht dadurch vermeiden, daß er die Emissionsbank von dem Abhandenkommen des Reiseschecks benachrichtigt, da die Weitergabe dieser Mitteilung an alle Korrespondenzbanken unzumutbar aufwendig wäre und auch für letztere übermäßige Kontrollvorrichtungen erforderlich machen würde (ebenso i. E. OLG Frankfurt aaO). Ein Anspruch des wahren Berechtigten gegen die Korrespondenzbank besteht nicht, 874 wenn diese gutgläubig war. Als Anspruchsgrundlage wäre insoweit allenfalls an § 816 II BGB zu denken, doch liegen dessen Voraussetzungen nicht vor, weil (und sofern) die Korrespondenzbank den Reisescheck angekauft (vgl. oben Rdn. 860 a. E.) und folglich nach Art. 21 ScheckG gutgläubig erworben hat (vgl. oben Rdn. 862 — 864), so daß sie nicht Nichtberechtigte i. S. von § 816 II BGB ist. Außerdem hat die Korrespondenzbank jedenfalls auch einen Anspruch aus §§ 675, 670 BGB gegen die Emissionsbank, auf den deren Leistung ebenso wie auf den Scheck erfolgt, und daher kann die KorreClaus-Wilhelm Canaris
447
6. Abschnitt. Die Scheckzahlung
spondenzbank auch aus diesem Grunde nicht als Nichtberechtigte angesehen werden; das ist von Bedeutung, wenn zwar die Voraussetzungen des § 670 BGB vorliegen, nicht aber die des Art. 21 W G — z. B., weil die Korrespondenzbank sich den Reisescheck nicht hat indossieren lassen. 875
Bei Bösgläubigkeit der Korrespondenzbank entfällt deren Anspruch gegen die Emissionsbank, weil dann die Voraussetzungen des § 670 BGB nicht gegeben sind (so auch LG Frankfurt W M 1980 290). Zahlt die Emissionsbank gleichwohl an die Korrespondenzbank und ist sie dabei ihrerseits gutgläubig, weil sie trotz Erfüllung ihrer Prüfungspflichten die Bösgläubigkeit und damit die mangelnde Berechtigung der Korrespondenzbank nicht erkennen konnte, so tritt gegenüber dem wahren Berechtigten nach den oben Rdn. 867 entwickelten Grundsätzen Schuldbefreiung ein. Der wahre Berechtigte hat dann gegen die Korrespondenzbank den Anspruch aus § 816 II BGB, weil die Korrespondenzbank in diesem Falle weder den Scheck noch den Anspruch aus § 670 BGB erworben hat und daher Nichtberechtigte i. S. von § 816 II BGB ist. Den an den Einreicher gezahlten Betrag kann die Korrespondenzbank nicht als Minderung oder Wegfall der Bereicherung in Abzug bringen, da es sich hierbei um die Gegenleistung für den Erwerb des Schecks handelt und die Gegenleistung anerkanntermaßen im Rahmen des § 816 nicht abzugsfähig ist (vgl. statt aller von Caemmerer Festschr. f ü r Rabel, 1954, S. 385 m. w. Nachw.). Auch Schadensersatzansprüche des wahren Berechtigten gegen die Korrespondenzbank kommen in Betracht, wobei sowohl an eine „Drittschadensliquidation" auf dem Umweg über die Emissionsbank als auch an einen unmittelbaren Anspruch gegen die Korrespondenzbank nach den Regeln über die „Schutzwirkungen zugunsten Dritter" zu denken ist (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 21 ff). d) Die Einlösung eines abhanden gekommenen Reiseschecks durch eine dritte Bank
876
Erfolgt die Einlösung des Schecks durch eine dritte Bank, also weder durch die Emissionsbank noch durch eine Korrespondenzbank, so kommt als Grundlage ihres Regreßanspruchs nur Geschäftsführung ohne Auftrag in Frage (vgl. oben Rdn. 862). Es kommt daher gemäß § 683 BGB darauf an, ob die Zahlung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Emissionsbank entsprach. Das wird bei abhanden gekommenen Schecks in aller Regel zu verneinen sein (a. A. Heinichen S. 102). Denn die Emissionsbank ist hier der zahlenden Bank durch keine Vereinbarung verbunden und kann daher das Interesse ihres Kunden, also desjenigen, dem der Scheck abhanden gekommen ist, uneingeschränkt wahrnehmen und muß das gemäß § 242 BGB auch tun. Dem Interesse des Kunden aber entspricht die Zahlung selbstverständlich nicht; das gilt auch in dem — ohnehin seltenen — Fall, daß der gutgläubige Erwerber gegen ihn einen Regreßanspruch gemäß Art. 12 ScheckG erworben hat (vgl. dazu oben Rdn. 866 Abs. 2), da der Rückgriff gemäß Art. 40 ScheckG die rechtzeitige Vorlegung beim Bezogenen — also bei der Emissionsbank — voraussetzt und es daran fehlt, wenn der Scheck, wie hier, einer dritten Bank verkauft wird. Es bleibt folglich allenfalls ein Bereicherungsanspruch gemäß §§ 684, 812 ff BGB, doch liegen auch dessen Voraussetzungen nicht vor, da die Emissionsbank durch die Zahlung der dritten Bank weder von ihrer Verpflichtung aus §§ 700, 607 I BGB gegenüber dem wahren Berechtigten befreit wird noch sonst etwas i. S. des Bereicherungsrechts „erlangt". Die dritte Bank hat daher grundsätzlich keinen Regreßanspruch gegen die Emissionsbank. Sie erwirbt einen solchen nur, wenn die Emissionsbank die Einlösung des abhanden gekommenen Schecks gemäß § 684 S. 2 BGB genehmigt, doch wird diese das nicht tun, da sie dadurch ihre Pflichten gegenüber ihrem Kunden verletzt und dementsprechend 448
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VIII. Der Reisescheck
diesem gegenüber nicht frei wird; im übrigen ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß eine Genehmigung stets das Bewußtsein der Genehmigungsbedürftigkeit und -fähigkeit erfordert und daher hier folgerichtig die Kenntnis der Emissionsbank vom Abhandenkommen des Schecks voraussetzt. Eine Zahlung der Emissionsbank an die dritte Bank muß der Reisende, dem der 8 7 7 Scheck abhanden gekommen ist, unter den oben Rdn. 867 ff entwickelten Voraussetzungen, also bei Gutgläubigkeit der Emissionsbank, gegen sich gelten lassen. Sofern auch die dritte Bank gutgläubig war, hat der Reisende keinen Bereicherungsanspruch aus § 816 II BGB gegen sie, da sie wegen gutgläubigen Erwerbs des Schecks (vgl. oben Rdn. 864—866) Berechtigte und nicht Nichtberechtigte i. S. von § 816 II BGB ist. War die Emissionsbank bösgläubig, wird sie gegenüber ihrem Kunden nicht befreit, sondern hat allenfalls einen — i. d. R. nach § 254 BGB zu kürzenden — Gegenanspruch aus positiver Forderungsverletzung (vgl. oben Rdn. 871). Hat die dritte Bank den Scheck aus irgendeinem Grund nicht gutgläubig erworben, so hat der wahre Berechtigte den Bereicherungsanspruch aus § 816 BGB gegen sie, ohne daß sie die an den Einreicher des Schecks erbrachte Zahlung abziehen könnte (vgl. auch oben Rdn. 875). Daneben kommen auch Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der „Drittschadensliquidation" oder der „Schutzwirkungen für Dritte" in Betracht (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 21 ff sowie auch Rdn. 875 a. E.); daß zwischen der Emissionsbank und der dritten Bank kein Vertrag besteht, sondern nur das Rechtsverhältnis der G. o. A., steht dem nicht entgegen, da auch gesetzliche Schuldverhältnisse die Grundlage für Schutzwirkungen zugunsten Dritter bilden können (vgl. oben Rdn. 21).
Claus-Wilhelm Canaris
449
7. Abschnitt Der Abrechnungsverkehr Systematische Übersicht Rdn.
Rdn. I. Begriff und Wesen des Abrechnungsverkehrs 1. 2. 3.
4.
D e r technische A b l a u f des A b r e c h nungsverfahrens D i e F u n k t i o n e n des A b r e c h n u n g s verkehrs
b) 3.
Der Verrechnungsvorgang . . . Die Kausalverträge T e x t der G e s c h ä f t s b e s t i m m u n der Abrechnungsstelle
Abrech895
878 882
a) b)
und
-schul-
D i e einzubeziehenden Posten . . Entstehung und G r u n d l a g e der S a l d o f o r d e r u n g e n und - s c h u l den
892
D i e Pflichten der A b r e c h n u n g s t e i l nehmer
Die Pflichten der B u n d e s b a n k . . . . Der Widerruf
893
2. Die E r f ü l l u n g s w i r k u n g IV. Das Rechtsverhältnis zwischen A b r e c h nungsteilnehmern und außerhalb des Abrechnungsverfahrens stehenden D r i t ten
a)
894
D e r R ü c k r u f von T a s c h e n
. . .
1.
V. Die Beendigung der Abrechnungsverkehr
Alphabetische Abrechnungspapiere 879 W i d e r r u f 8 5 4 ff, 9 0 8 Abrechnungsstelle 8 7 9 , 8 8 2
898
902
III. Das Rechtsverhältnis der Abrechnungsteilnehmer untereinander
884 890
II. Das Rechtsverhältnis zwischen der B u n desbank und den Abrechnungsteilnehmern 1. 2.
von
Die Saldoforderungen den
D i e R e c h t s n a t u r des A b r e c h n u n g s verkehrs a) b) Der gen
Der Widerruf nungspapieren
Teilnahme
905 907
910
am 912
Übersicht Einlieferungstermin 8 7 9 Einlieferungsverzeichnis 8 8 1 , 8 8 9 Fehler 8 9 9 , 9 0 6 , 9 0 8 Einlösung 9 0 7 Einlösungszusage Fehlen 9 0 1 Erlaßvertrag 885
Fehler 900 Abrechnungsteilnehmer 879, 883 Pflichten untereinander 9 0 5 f Verhältnis zu Dritten 9 1 0 f Abrechnungstermin 879, 896, 914 A b r e c h n u n g s v e r t r e t e r 878 ff Ausscheiden 9 1 2 ff F u n k t i o n 882 f und G i r o v e r k e h r 882 Kündigung 913 f Zulassung 8 9 0 Aufrechnungsvertrag 885, 889
Erlaubnisentziehung, Bankgeschäfte 914 Erfüllungswirkung 9 0 7 ff Forderungspapiere 879, 889 Rücklieferung 8 9 8 , 9 0 8 , 9 1 1 Geschäftsbesorgungsvertrag 891, 893 G e s c h ä f t s b e s t i m m u n g e n , T e x t 892 Girokassen 878 G i r o ü b e r w e i s u n g s t h e o r i e 884
Bereicherungsansprüche 899, 9 0 6 , 911
Hamburger Abrechnungsverkehr 878
D e u t s c h e B u n d e s b a n k 878 f Verhältnis zu A b r e c h n u n g s t e i l n e h m e r n 8 9 1 , 8 9 3 ff
Kausalverträge 8 9 0 Konkurs
Claus-Wilhelm
von A b r e c h n u n g s t e i l n e h m e r n 8 9 3 , 9 1 1 Canaris
451
7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr K o n t o k o r r e n t 885 K o n z e r n v e r r e c h n u n g s k l a u s e l 885
S k o n t r a t i o n 885 f f , 895 z u r E r f ü l l u n g 909 Rolle d e r D e u t s c h e n B u n d e s b a n k 888
Multilateralität 883, 887 P l a t z ü b e r t r a g u n g e n 879, 889 positive F o r d e r u n g s v e r l e t z u n g 906, 911
Rückerstattungsanspruch 906 S a l d o f o r d e r u n g 898 ff a b s t r a k t e s S c h u l d v e r s p r e c h e n 904 Entstehung 903
T a s c h e 881, 889 Abholungspflicht 905 R ü c k r u f 894 T i p p s t r e i f e n 881 V e r r e c h n u n g 880, 884 ff V o l l m a c h t s t h e o r i e 886, 895 V o r s c h u ß a n s p r u c h 889 W e i s u n g s t h e o r i e 889, 895 W i d e r r u f 894 ff, 910
Literatur Canaris Grundprobleme des bankgeschäftlichen Abrechnungsverkehrs, W M 1976, 994 ff; Pfister D e r Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank, Z H R 143 (1979), 24 ff; Putzo EugenLudwig, Erfüllung mit Buchgeld und die H a f t u n g der Beteiligten aus ungerechtfertigter Bereicherung, 1977, S. 41 ff; Sandberger Die Sorgfaltspflichten der Bundesbank beim Abrechnungsverkehr, BB 1976, 487 ff; Schlegelberger/Hefermehl 5. Aufl. 1976, Anhang nach § 365 Rdn. 7 f und 24; Schönte Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, § 31 IV; Teschemacher Ein Beitrag zur rechtlichen Betrachtung des Abrechnungsverkehrs bei der Abrechnungsstelle der Reichsbank, Z H R 67 (1910), 401 ff.
I. Begriff und Wesen des Abrechnungsverkehrs 1. Der technische Ablauf des Abrechnungsverfahrens 878
Die D u r c h f ü h r u n g des Abrechnungsverkehrs liegt in erster Linie in den H ä n d e n der Deutschen Bundesbank, die dadurch zur Erfüllung der ihr nach § 3 BBankG obliegenden Aufgabe beiträgt, f ü r die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs zu sorgen. N a c h § 1 I 2 Ziff. 9 K W G stellt die D u r c h f ü h r u n g des Abrechnungsverkehrs ein Bankgeschäft dar, so daß Girokassen, Giroverbände oder Girozentralen auch dann Kreditinstitute sind, wenn sie sich auf die Abrechnung beschränken (vgl. auch Schönte § 30 I 2 a. E.). Die folgende Darstellung beschränkt sich auf den Abrechnungsverkehr bei der Deutschen Bundesbank, der in starkem Maße durch die „Geschäftsbestimmungen der Abrechnungsstelle" geprägt ist (abgedruckt unten Rdn. 892); außer Betracht bleiben dabei die Besonderheiten des Abrechnungsverkehrs in H a m b u r g , der anders organisiert ist und auf wesentlich anders formulierten AGB beruht (abgedruckt unten Rdn. 892 a).
879
Z u r D u r c h f ü h r u n g des Abrechnungsverkehrs unterhält die Bundesbank an den größeren Bankplätzen Abrechnungsstellen (vgl. die Zusammenstellung der O r t e bei Baumbach/Hefermehl Art. 31 SchG Rdn. 4). Bei diesen sind Kreditinstitute — und nur solche — als Abrechnungsteilnehmer zugelassen. Auch die Bundesbank selbst kann sich wie ein gewöhnlicher Abrechnungsteilnehmer am Abrechnungsverkehr beteiligen. Die Abrechnungsteilnehmer können zu bestimmten Einlieferungsterminen, die in Ziff. 12 der Geschäftsbestimmungen festgelegt sind, sowie unter den in Ziff. 12 II bestimmten Voraussetzungen auch noch zu dem in Ziff. 18 festgelegten Abrechnungstermin sogenannte Abrechnungspapiere bei der Abrechnungsstelle einliefern. Die Abrechnungspapiere werden nach Ziff. 7 der Geschäftsbestimmungen unterteilt in Forderungspapiere — wie Schecks, Wechsel, Lastschriften, Anweisungen, Quittungen, Rechnungen u. ä. 452
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und W e s e n des Abrechnungsverkehrs
— sowie Platzübertragungen. Durch Forderungspapiere wird der betreffende Betrag von dem bezogenen Abrechnungsteilnehmer eingezogen, durch Platzübertragungen wird er ihm gutgebracht. Die Durchführung der Abrechnung erfolgt gemäß Ziff. 2 der Geschäftsbestimmun- 8 8 0 gen in erster Linie durch Verrechnung der Beträge, die der jeweilige Abrechnungsteilnehmer für die an ihn ausgelieferten Forderungspapiere und die von ihm eingelieferten Platzübertragungen schuldet, mit den Beträgen, die er f ü r die von ihm eingelieferten Forderungspapiere und die an ihn ausgelieferten Platzübertragungen zu fordern hat. Die sich dabei ergebenden Salden, also die Haben- oder Debetspitzen, werden gemäß Ziff. 18 II 2 der Geschäftsbestimmungen durch Buchung auf den Girokonten ausgeglichen, die alle Abrechnungsteilnehmer bei der Deutschen Bundesbank unterhalten. Bei der Errechnung dieser Beträge richtet sich die Abrechnungsstelle grundsätzlich 881 nicht nach den einzelnen Abrechnungspapieren. Diese befinden sich vielmehr i. d. R. (Ausnahme: Ziff. 10 V S. 1 der Geschäftsbestimmungen) in einer Tasche, von deren Inhalt die Abrechnungsstelle grundsätzlich keine Kenntnis nimmt und der für sie im übrigen auch deshalb nicht maßgeblich sein kann, weil die Abrechnungsteilnehmer z. T. einzelne oder gar alle Papiere untereinander austauschen und gleichwohl über die Abrechnung verrechnen. Maßgeblich sind im Verhältnis zur Abrechnungsstelle vielmehr die Aufschriften auf den Taschen bzw. bei deren Divergenz mit den Einlieferungsverzeichnissen die in den Taschen liegenden Tippstreifen (vgl. dazu näher Pfister Z H R 143 28). Die Abrechnungsteilnehmer untereinander erhalten dagegen i. d. R. Kenntnis von dem Inhalt der Taschen, da diese von der Abrechnungsstelle für sie bereitgestellt werden und von ihnen gemäß Ziff. 15 der Geschäftsbestimmungen abzuholen sind.
2. Die Funktionen des Abrechnungsverkehrs Ein erster großer Vorteil des Abrechnungsverkehrs liegt darin, daß er sich zur 8 8 2 Durchführung aller Arten von bargeldlosen Zahlungen eignet, weil in ihm alle Erscheinungsformen wie Uberweisung, Scheckeinzug, Lastschrifteinzug usw. zusammengefaßt sind. Das gilt sowohl für Geschäfte zwischen den beteiligten Kreditinstituten selbst als auch für die Vermittlung von Zahlungen zwischen Dritten. So kann z. B. die Uberweisungsbank eine Giroüberweisung durchführen, indem sie zugunsten der Empfängerbank eine Platzübertragung in die Abrechnung einliefert. Der Abrechnungsverkehr geht über den Giroüberweisungsverkehr jedoch weit hinaus, weil in ihn auch Forderungspapiere einbezogen sind. Schon aus diesem Grund sind Giroüberweisung und Abrechnung trotz ihrer aufsichtsrechtlichen Gleichstellung in § 1 I 2 Ziff. 9 K W G privatrechtlich streng von einander zu unterscheiden (vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 365 Rdn. 7 a. E. sowie näher unten Rdn. 884). Zum Inkasso von Wechseln und Schecks eignet sich der Abrechnungsverkehr insofern besonders gut, als die bei den Zweiganstalten der Deutschen Bundesbank errichteten Abrechnungsstellen als Abrechnungsstellen i. S. von Art. 38 W G und 31 ScheckG anerkannt sind (vgl. dazu näher Baumbach/Hefermehl Art. 31 SchG Rdn. 2 und 3; Wolff Sparkasse 1973 299 f). Der zweite und wichtigste Hauptvorteil des Abrechnungsverkehrs ist die Vereinfa- 8 8 3 chung des Zahlungsverkehrs, die durch die Verrechnung erreicht wird. Historisch gesehen ist es diese Funktion, der der Abrechnungsverkehr seine Entstehung verdankt. Der Vereinfachungseffekt erreicht seine außerordentliche Dimension vor allem dadurch, daß eine Verrechnung nicht nur bilateral zwischen jeweils zwei Abrechnungsteilnehmern, sondern multilateral zwischen allen Abrechnungsteilnehmern erfolgt — was bei Claus-Wilhelm Canaris
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7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr
z. T. über 100 Abrechnungsteilnehmern an den großen Bankplätzen zu einer enormen Einsparung von Zahlungsvorgängen führt. In einem vereinfachten Modell mit vier Abrechnungsteilnehmern stellt sich der Verrechnungsvorgang folgendermaßen dar: A hat z. B. von B D M 100000,— zu erhalten und an ihn D M 70000,— zu zahlen, B hat von C D M 80000,— und von D D M 50000,— zu erhalten und an C D M 120000,— zu zahlen, C hat von D D M 50000,— zu erhalten und an ihn D M 150 000,— zu zahlen, D hat von A D M 100 000,— zu erhalten und an ihn D M 70000,— zu zahlen. Dann ergibt sich f ü r A ein Saldo von D M 0 , — , für B ein debitorischer Saldo von D M 20000,—, für C ein debitorischer Saldo von D M 60000,— und für D ein aktiver Saldo von D M 80000, —. Die Fülle der Zahlungsvorgänge zwischen den vier Teilnehmern — die sich aus den genannten Zahlen ja nicht im einzelnen ablesen lassen, weil in diesen i. d. R. schon eine Vielzahl von Überweisungen, Scheckzahlungen usw. zusammengefaßt ist — wird also auf drei Zahlungsvorgänge reduziert. Die Gesamtheit der Salden beträgt dabei stets D M 0,—, weil Aktiva zugunsten eines Teilnehmers notwendigerweise Passiva zu Lasten eines anderen Teilnehmers darstellen und umgekehrt. 3. Die Rechtsnatur des Abrechnungsverkehrs a) Der Verrechnungsvorgang 884
Von den älteren Denkmodellen, die zur dogmatischen Erklärung des Abrechnungsverkehrs entwickelt worden sind, ist heute nur noch die vor allem von Schoele vertretene Giroüberweisungstheorie hervorhebenswert. Danach ist die Verrechnung „lediglich eine technische Operation, die unzählige Einzelbuchungen erspart, den Uberweisungsvorgang aber nicht verändert"; mit der Saldobuchung erfolge „die Vermögensverschiebung zwischen allen beteiligten Geldanstalten in der gleichen Weise, als ob jede Uberweisung oder sonstige Buchung einzeln vorgenommen worden wäre" (vgl. Das Recht der Überweisung, 1937, Nr. 223 unter II). Diese Ansicht kann nicht überzeugen (vgl. zum folgenden näher Canaris W M 1976 996). Gegen sie spricht zunächst schon, daß nach ihr die Funktion des Abrechnungsverkehrs lediglich in der Vermeidung von Buchungsakten liegt, während es in Wahrheit um die Vermeidung von Zahlungsvorgängen und deren Ersetzung durch Verrechnung geht (vgl. die vorige Rdn.). Außerdem ist es zu gekünstelt, ja geradezu fiktiv anzunehmen, daß bei einem negativen Saldo in der Belastungsbuchung Gutschriften in H ö h e der verrechneten Aktiva und bei einem positiven Saldo in der Gutschrift Belastungsbuchungen in H ö h e der verrechneten Passiva — z. B. f ü r eingelöste Schecks oder Lastschriften — enthalten sind. Vollends unbrauchbar wird diese Theorie, wenn sich Aktiva und Passiva bei einem Teilnehmer vollständig ausgleichen und daher überhaupt keine Buchung stattfindet — was zwar praktisch ein seltener Grenzfall ist, funktionell und dogmatisch aber geradezu den Idealfall darstellt, so daß man diese Möglichkeit bei der theoretischen Erklärung des Verrechnungsvorgangs keinesfalls außer Betracht lassen darf.
885
Demgegenüber wird der Abrechnungsverkehr heute überwiegend mit Hilfe der Rechtsfigur der Skontration erklärt (vgl. z . B . B G H W M 1972 1379 unter II im Anschluß an Teschemacher Z H R 67 401 ff; Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 3 6 5 Rdn. 7 f; Schönle § 31 IV; Canaris W M 1976 997 f m. w. Nachw.). Den Kern dieses Instituts, das auch in anderen Fällen wie z. B. bei der Abrechnung der Gewinne und Verluste zwischen mehreren Teilnehmern eines Kartenspiels oder bei Konzernverrechnungsklauseln zur Anwendung kommt, bildet eine Vielzahl von Verfügungsverträgen, durch welche die Aktiva und die Passiva aller Teilnehmer mit Erfüllungswirkung miteinander verrechnet werden. Inhaltlich werden diese Verträge z. T. als Erlaßverträge angesehen (vgl. z. B. Trumpler Z H R 50 435 ff; Teschemacher Z H R 67 448 ff). Besser 454
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und W e s e n des Abrechnungsverkehrs
erscheint indessen, sie in die Nähe des Aufrechnungsvertrages zu rücken (vgl. näher Canaris W M 1976 997 m. Nachw.). Von diesem unterscheiden sie sich zwar zum einen dadurch, daß die Verrechnungswirkung nicht auf zwei Personen beschränkt ist und daß demgemäß das Erfordernis der „Gegenseitigkeit" hier keine Rolle spielt, und zum anderen dadurch, daß nicht nur Forderungen, sondern auch (oder gar nur) Leistungen verrechnet werden, doch ist das ohne Belang, da die Parteien sich nach dem Grundsatz der Privatautonomie ohne weiteres auf eine derartige Regelung einlassen können. Die Einbeziehung von Leistungen in die Verrechnung macht zugleich die Verwandtschaft mit dem Kontokorrent deutlich, bei dem ebenfalls außer Forderungen auch Leistungen zur Verrechnung gelangen und das im übrigen auch funktionell gesehen dem Abrechnungsverkehr besonders nahe steht, weil es ebenfalls auf die Vermeidung von Zahlungsvorgängen und deren Ersetzung durch Verrechnung und Ausgleich von Saldoforderungen abzielt. Was die Abgabe der Skontrationserklärungen angeht, so erfolgt diese entgegen 8 8 6 einer älteren Ansicht nicht durch die Abrechnungsstelle als Bevollmächtigte der Abrechnungsteilnehmer (so Teschemacher Z H R 67 436 ff), sondern durch die Abrechnungsteilnehmer selbst, die durch Einlieferung und Belassen der Papiere in der Abrechnung konkludente Skontrationserklärungen abgeben (vgl. BGH W M 1972 1379, 1380 Sp. 1; Canaris W M 1976 998 f). Hierfür spricht vor allem, daß die Geschäftsbestimmungen nicht einmal andeutungsweise eine Bevollmächtigung der Abrechnungsstelle erkennen lassen, sondern im Gegenteil z. B. in Ziff. 18 II 1 von einer lediglich rechnerischen und buchungsmäßigen Tätigkeit der Abrechnungsstelle bei der Verrechnung ausgehen und in anderen Bestimmungen wie z. B. Ziff. 10 IV Halbs. 2 und 10 V 3 ersichtlich den Abschluß von Rechtsgeschäften unmittelbar durch die Abrechnungsteilnehmer voraussetzen. Hinsichtlich der Rechtsfolgen ist für den Skontrationsvertrag die Multilateralität 8 8 7 der Verrechnungswirkung charakteristisch. Hat z. B. A eine Forderung gegen B in Höhe von DM 50000,— und eine Forderung gegen C in Höhe von DM 30000, — , B eine Forderung gegen C in Höhe von DM 10000,—, C eine Forderung gegen D in Höhe von D M 20000,— und D eine Forderung gegen A in Höhe von DM 80000,—, so führt eine Skontration für A zu einem ausgeglichenen Saldo von D M 0,— für B zu einem debitorischen Saldo in Höhe von DM 40000,— für C zu einem debitorischen Saldo von DM 20 000,— und für D zu einem aktiven Saldo von DM 60 000, — . Das bedeutet bei „reiner" Durchführung, d. h. wenn man zunächst einmal die Zwischenschaltung der Deutschen Bundesbank außer Betracht läßt, daß D nunmehr statt seiner Forderung von DM 80 000,— gegen A eine Forderung von DM 20000,— gegen C hat, dem er bisher umgekehrt DM 20 000,— schuldete, sowie eine Forderung von DM 40 000,— gegen B, mit dem er überhaupt nicht in Rechtsbeziehungen stand und mit dem keine Skontrationserklärungen ausgetauscht worden sind. Die Beteiligung an der Skontration schließt daher grundsätzlich das Einverständnis damit ein, daß die eingebrachten Aktiva beliebigen Teilnehmern zugute kommen und daß die zu erhaltenden Zahlungen durch beliebige Teilnehmer aufgebracht werden, ja daß jeder Teilnehmer jeden anderen Teilnehmer als Schuldner zu akzeptieren bereit ist. Dagegen bedeutet die Multilateralität der Skontration nicht, daß der Abschlußtatbestand immer zwischen sämtlichen Abrechnungsteilnehmern vorgenommen werden muß (unzutreffend daher Pfister Z H R 143 42 oben). Skontrationsverträge schließen vielmehr nur diejenigen Teilnehmer miteinander, die an dem betreffenden Tag Zahlungen miteinander vornehmen (insoweit zutreffend Schönte § 31 IV, dessen Polemik gegen die h. L. freilich allenfalls in terminologischer Hinsicht berechtigt ist). Claus-Wilhelm Canaris
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7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr
888
Im Gegensatz zu dem in der vorigen Rdn. zugrunde gelegten „reinen" Modell der Skontration ist im bankgeschäftlichen Abrechnungsverkehr als Gläubiger und Schuldner der Saldoforderungen nicht der betreffende Abrechnungsteilnehmer, sondern die Deutsche Bundesbank anzusehen. Die Teilnehmer mit passiven Salden schulden also nicht den Teilnehmern mit aktiven Salden die fraglichen Beträge, sondern vielmehr der Deutschen Bundesbank, die ihrerseits entsprechende Schulden bei den Teilnehmern mit aktiven Salden hat (a. A. offenbar Sandberger BB 1976 489 Sp. 1). N u r diese Lösung entspricht dem Erfordernis der Praktikabilität und steht mit der Ausgestaltung der Geschäftsbestimmungen in Einklang (vgl. näher Canaris W M 1976 1005 f m. Nachw. zum älteren Schrifttum). Insbesondere Ziff. 20 II, wonach bei mangelnder Deckung eines in der Abrechnung entstandenen Sollsaldos eine neue Abrechnung unter Ausschluß des zahlungsunfähigen Teilnehmers stattfindet (vgl. dazu näher unten Rdn. 912), setzt ersichtlich voraus, daß die Bundesbank das Deckungsrisiko eigentlich selbst trägt. Das aber erklärt sich am einfachsten dann, wenn sie Gläubigerin der entsprechenden Saldoforderung und Schuldnerin der Teilnehmer mit aktiven Salden ist — wobei konstruktionsmäßig wohl am besten mit einer ergänzenden Auslegung gemäß § 157 BGB zu arbeiten ist (vgl. näher Canaris W M 1976 1006). Als mögliche, wenngleich kompliziertere Alternative könnte man z. B. daran denken, daß zwar die Saldoforderungen und -schulden nur zwischen den Abrechnungsteilnehmern bestehen, daß die Bundesbank aber eine Garantie für die Bezahlung der aktiven Salden übernommen und eine unwiderrufliche Ermächtigung zum Einzug der passiven Salden erhalten hat.
889
Die Schwierigkeiten, die sich für die Theorie des multilateralen Aufrechnungsvertrags bei der Bestimmung von Gläubiger und Schuldner der Salden ergeben, hat Pfister zum Anlaß für die Entwicklung eines Gegenvorschlags genommen, den man Weisungstheorie nennen kann und der in gewisser Hinsicht als eine modifizierte Wiederaufnahme der alten Anweisungstheorie (vgl. zu dieser Canaris W M 1976 995) erscheint. Danach sollen die in den Taschen liegenden Papiere (vgl. oben Rdn. 881) Weisungen an den betreffenden anderen Abrechnungsteilnehmer darstellen, „auftragsgemäß zu verfahren" ( Z H R 143 55); daraus sollen sich dann „bei Platzübertragungen Forderungen des Empfängers gegen den Einlieferer, bei Forderungspapieren Forderungen des Einlieferers gegen den Empfänger ergeben" (aaO i . V . m. S. 50; ähnlich auch schon Putzo S. 44). Das ist zumindest für Forderungspapiere unhaltbar. Gibt z. B. ein Teilnehmer einen auf einen anderen Teilnehmer gezogenen Scheck in die Abrechnung, so kann von einer Weisung zu dessen Bezahlung schon deshalb nicht die Rede sein, weil die vorlegende Bank ein entsprechendes Weisungsrecht gegen die bezogene Bank unbestrittenermaßen überhaupt nicht hat. Erst recht ist unverständlich, wie der vorlegenden Bank aus ihrer (angeblichen) Weisung nun gar noch eine Forderung gegen die bezogene Bank erwachsen soll; eine solche kann sich vielmehr nur daraus ergeben, daß letztere den Scheck nicht zurückliefert — worüber sie unabhängig von jeder „Weisung" der vorlegenden Bank entscheiden kann — und dadurch konkludent dessen Bezahlung verspricht. Aus dem gleichen Grund ist auch die weitere Annahme Pfisters unzutreffend, die Taschenaufschriften und Einlieferungsverzeichnisse seien bei Forderungspapieren Weisungen „des Einlieferers an die Abrechnungsstelle, . . . vom Empfänger (der Tasche) den entsprechenden Betrag einzukassieren und dem Einlieferer zukommen zu lassen", wobei „Anspruchsgrundlage der Bundesbank gegenüber dem Empfänger der Tasche der Vertrag BB — Empfänger in Verbindung mit 5 669 BGB, also der Anspruch auf Vorschuß" sein soll (S. 56). Demgegenüber ist es evident, daß die Bundesbank gegen den Empfänger der Tasche, also die bezogene Bank so wenig einen Anspruch auf Bezahlung eines Schecks oder eines sonstigen Forderungspapiers 456
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und Wesen des Abrechnungsverkehrs haben kann wie die einreichende Bank. Einen Anspruch auf Vorschuß hat nur die bezogene Bank gegen den Aussteller (oder sonstigen Auftraggeber, z. B. den Lastschriftschuldner). Die Bundesbank könnte einen Vorschußanspruch gegen die bezogene (!) Bank nur dann haben, wenn letztere ihr einen Auftrag erteilt hätte, den Scheck zu bezahlen, doch kann davon nicht die Rede sein. Auch mit der Annahme, daß durch das Unterbleiben der Rücklieferung ein Einlösungsauftrag zustande kommt und (erst) dadurch der Vorschußanspruch entsteht, kann man Pfisters Theorie nicht retten; abgesehen davon, daß er selbst diesen Weg unzweifelhaft nicht geht (vgl. insbesondere S. 57 Fn. 165 zu Ziff. 12 II 2 der Geschäftsbestimmungen), würde eine solche Lösung daran scheitern, daß nicht die Bundesbank als Beauftragte des bezogenen Abrechnungsteilnehmers, sondern dieser selbst das Papier bezahlt (vgl. auch B G H W M 1972 1380 unter IV). Dieser letztere Einwand spricht schließlich auch dagegen, in dem Unterlassen der Rücklieferung eine konkludente Genehmigung der (angeblich) von der einliefernden Bank erteilten Weisung durch die bezogene Bank oder — was noch am wenigsten gekünstelt erschiene — eine eigene Weisung der bezogenen Bank an die Bundesbank zur Bezahlung des Forderungspapiers zu sehen. Die Bundesbank hat eben nicht die Stellung des Bezogenen oder sonstigen Zahlungsbeauftragten, der das Papier im eigenen Namen bezahlt und sich dafür bei seinem Auftraggeber erholt, sondern sie vermittelt im Abrechnungsverfahren lediglich Zahlungen zwischen den Abrechnungsteilnehmern, die diese ihrerseits im eigenen Namen vornehmen und für die ihnen als Finanzierungsgrundlage nur die Gesamtheit der in die Abrechnung gegebenen Aktivposten, nicht aber das Vermögen der Bundesbank zur Verfügung steht. Da diese demgemäß zu keinem Zeitpunkt etwas aus ihrem eigenen Vermögen aufwendet, verfehlt jeder Versuch, die Abrechnung mit Hilfe von Vorschuß- oder Aufwendungsersatzansprüchen zu erklären, die Struktur und Funktion dieses Verfahrens, so daß die Weisungstheorie auch unter diesem Aspekt unhaltbar ist. Damit ist auch der weiteren These Pfisters der Boden entzogen, auf Grund der Taschenaufschriften und Einlieferungsverzeichnisse entstünden von vornherein Forderungen und Schulden zwischen der Bundesbank und dem betreffenden Abrechnungsteilnehmer aus § 669 bzw. § 667 BGB, so daß „eine rein zweiseitige Aufrechnungslage" gegeben sei und sich „die Annahme eines vielseitigen Aufrechnungsvertrags mit all seinen Schwierigkeiten erübrigt" (S. 58; der Sache nach ebenso schon Putzo S. 43 f). Denn da ein Vorschußanspruch bei Forderungspapieren nicht besteht, hat die Bundesbank insoweit weder einen aufrechenbaren Anspruch aus § 669 BGB gegen den Empfänger der Tasche noch eine aufrechenbare Schuld aus § 667 BGB bei deren Einlieferer. Selbst wenn Pfister aber in diesem Punkt Recht hätte, würde dadurch entgegen seiner Behauptung doch keineswegs „die Annahme eines vielseitigen Aufrechnungsvertrages" überflüssig. Pfister übersieht hier nämlich, daß auch nach seiner Ansicht die Rechtswirkungen zwischen der Bundesbank und den Abrechnungsteilnehmern einerseits und zwischen diesen untereinander andererseits divergieren können (so ausdrücklich S. 55; vgl. dazu im übrigen unten Rdn. 908 f). Folglich bedarf es zur Erklärung der Tilgungswirkung zwischen den Abrechnungsteilnehmern einer zusätzlichen Konstruktion — womit man wieder beim „vielseitigen Aufrechnungsvertrag" zwischen diesen angelangt ist. b) Die Kausalverträge Die Kausalbeziehungen, die dem Abrechnungsverkehr zugrunde liegen, sind prak- 8 9 0 tisch und dogmatisch von untergeordneter Bedeutung, wie insbesondere das Scheitern von Pfisters Versuch zeigt, von hier aus die dingliche Seite der Problematik in den Griff Claus-Wilhelm Canaris
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7. Abschnitt. D e r Abrechnungsverkehr
zu bekommen. Selbstverständlich existieren aber derartige Kausalbeziehungen — wie ja z. B. auch dem kontokorrentrechtlichen Verfügungsvertrag ein obligatorischer „Geschäftsvertrag" zugrunde liegt (vgl. näher Großkomm, zum H G B 3 § 355 Anm. 10 m. Nachw.). Im Verhältnis der Abrechnungsteilnehmer untereinander handelt es sich dabei nicht um einen gesellschaftsrechtlichen bzw. -ähnlichen Vertrag oder gar um einen Verein (vgl. Pfister S. 45 f; a. A. wohl Schönle § 31 I V ) , sondern vielmehr um einen multilateralen Schuldvertrag zwischen allen Teilnehmern, die der betreffenden Abrechnungsstelle angeschlossen sind (vgl. auch Pfister S. 46 ff). Für eine gesellschaftsoder vereinsrechtliche Lösung ließe sich zwar anführen, daß die Verbindung eines neu hinzukommenden Abrechnungsteilnehmers zu den übrigen Teilnehmern durch seine Zulassung zum Abrechnungsverkehr vermittelt wird und insofern einem Verbandsbeitritt ähnelt, doch spricht nachdrücklich gegen diese Konstruktion, daß die Entscheidung über die Zulassung nicht bei den übrigen Abrechnungsteilnehmern, sondern allein bei der Bundesbank liegt und daß es auch an den charakteristischen Organen wie Gesellschafterversammlung, Geschäftsführern usw. fehlt. Typologisch handelt es sich bei dem multilateralen Vertrag vielmehr um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, so daß weitgehend Auftragsrecht gilt (ebenso Pfister S. 49 f). 891
Auch im Verhältnis zwischen der Deutschen Bundesbank und den Abrechnungsteilnehmern liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag vor (ebenso Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 365 Rdn. 8; Pfister S. 50 ff). Dadurch wird die Bundesbank u. a. verpflichtet, ihre Einrichtungen für den Abrechnungsverkehr zur Verfügung zu stellen, den Austausch der Taschen zu ermöglichen und ordnungsgemäß zu organisieren, die Salden zu errechnen und die aktiven Salden den betreffenden Teilnehmern über Girokonto gutzubringen. 4. D e r T e x t der Geschäftsbestimmungen der Abrechnungsstelle
892
D e r im folgenden abgedruckte T e x t wird in gleicher oder fast gleicher Form von allen Abrechnungsstellen mit Ausnahme von Hamburg verwendet. D e r Hamburger T e x t ist unten Rdn. 892 a abgedruckt. Geschäftsbestimmungen der Abrechnungsstelle bei der Landeszentralbank Bezeichnung der Zweigansealt
(nach dem Stande vom 2. 5. 1980)
Allgemeines Wesen und Aufgabe der Abrechnungsstelle
1. D i e bei der Landeszentralbank stelle der Deutschen Bundesbank (im folgenden Zweiganstalt genannt) errichtete Abrechnungsstelle ist eine Abrechnungsstelle im Sinne des Artikels 38 Abs. 2 des Wechselgesetzes und des Artikels 31 Abs. 1 des Scheckgesetzes. Sie hat die Aufgabe, den Zahlungsausgleich zwischen den Teilnehmern zu erleichtern. D e r Ausgleich im Abrechnungsverfahren gilt als Erfüllung im Sinne des bürgerlichen Rechts: das gilt nicht für unbezahlt gebliebene Abrechnungspapiere, die gemäß Nr. 17 Abs. 5 ff noch nach dem Abrechnungstermin ( N r . 18 Abs. 1) zurückgeliefert werden.
Verrechnung, Sicherung für Sollsalden
2. (i) D i e Abrechnungsstelle verrechnet die Beträge, die der Abrechnungsteilnehmer für die an ihn ausgelieferten Forderungspapiere und die von ihm eingelieferten Platzübertragungen schuldet, mit den Beträgen, die er für die von ihm eingelieferten Forderungspapiere und die an ihn ausgelieferten Platzübertragungen zu fordern hat.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und Wesen des Abrechnungsverkehrs (2) Die Zweiganstalt ist berechtigt, die Guthaben auf den Girokonten der Abrechnungsteilnehmer bis zum Ausgleich der Verpflichtungen aus der Abrechnung zu sperren. 3. Die Geschäftsbestimmungen der Abrechnungsstelle sind für die Abrechnungsteilnehmer verbindlich, ohne daß es einer besonderen Anerkennung bedarf. Änderungen der Bestimmungen werden durch Rundschreiben bekanntgegeben. Sie treten, sofern im Einzelfall anderes nicht bestimmt wird, eine Woche nach der Aushändigung oder Absendung des Rundschreibens in Kraft.
Verbindlichkeit der Bestimmungen, Änderungen
4. Der Abrechnungsteilnehmer und die Zweiganstalt können das Vertragsverhältnis zu jeder Zeit ohne Frist kündigen. Die Kündigung ist schriftlich vorzunehmen.
Kündigung
5. Kann ein Abrechnungsteilnehmer eine Zahlungsververpflichtung aus der Abrech- Ausschluß nung nicht erfüllen, so ist er von der Teilnahme am Abrechnungsverkehr ohne weiteres ausgeschlossen. 6. Nachteile, die daraus entstehen, daß ein Abrechnungsteilnehmer Geschäftsbestim- Nichtbeachtung mungen nicht beachtet, trägt dieser auch dann, wenn die Abrechnungsstelle das Abgehen von Geschäftsvon den Bestimmungen nicht beanstandet hat. bestimmungen
Abrechnungspapiere 7. In die Abrechnung können bei Abrechnungsteilnehmern zahlbare Forderungspa- Arten der piere, wie Schecks, Wechsel, Lastschriften, Anweisungen, Quittungen, Rechnungen Abrechnungs(auch mit beigefügten Wertpapieren oder Ertragscheinen) u. ä. sowie Platzübertragun- papiere gen — im folgenden sämtlich Abrechnungspapiere genannt — eingeliefert werden. 8. Schecks, deren Übertragung vom Aussteller durch die Worte „Nicht an Order" Ausschluß von oder durch einen gleichbedeutenden Zusatz untersagt ist, sind von der Abrechnung aus- Rektaschecks geschlossen. 9. Aus den Abrechnungspapieren müssen der Einlieferer, der Empfänger und der Merkmale der Betrag deutlich zu ersehen sein. Von der Zweiganstalt in die Abrechnung gegebene AbrechnungsPapiere von Girokontoinhabern, die an der Abrechnung nicht teilnehmen, tragen nicht papiere den Quittungsvermerk oder Stempel (Nr. 10) der Zweiganstalt, sondern den des Einreichers. 10. (1) Schecks, Wechsel, Lastschriften und Anweisungen müssen vom Einlieferer mit Besonderes für einem Vermerk Schecks, Wechsel, „Betrag durch Abrechnung empfangen" Lastschriften und Firma Anweisungen o. ä. versehen sein: er braucht nicht unterschrieben zu sein. Statt des Quittungsvermerks können die Papiere auch den Abdruck eines Stempels tragen, der den Namen und die Girokontonummer des Einlieferers enthält. Auf Orderschecks, Wechseln, Lastschriften und Anweisungen hat der Einlieferer nachträglich eine unterschriftlich vollzogene Quittung zu erteilen, wenn der Abrechnungsteilnehmer, der die Papiere eingelöst hat, dies verlangt. (2) Schecks müssen den Vermerk „Nur zur Verrechnung" tragen. (3) Rechnungen und Quittungen müssen einen Empfangsvermerk tragen: er soll Rechnungen und unterschrieben sein. Ist er nicht in der Wendung „Betrag durch Abrechnung empfangen" Quittungen o. ä. gehalten, so müssen die Papiere mit dem Vermerk „Nur zur Verrechnung" oder einem anderen Vermerk versehen werden, der die Barzahlung ausschließt. (4) Mehr als fünf für dasselbe Girokonto eines Nicht-Abrechnungsteilnehmers mit PlatzBankleitzahl bei der Zweiganstalt bestimmte Platzübertragungen sind von Abrechnungs- übertragungen teilnehmern mit Bankleitzahl in einer Tasche für Platzgutschriften (von der Zweiganstalt zur Verfügung gestellter Vordruck) zusammenzufassen. Die Tasche ist zu verschließen: für die Richtigkeit ihres Inhalts haftet die Zweiganstalt nicht. Claus-Wilhelm Canaris
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7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr Verpacken der Abrechnungspapiere, Einlieferungsverzeichnisse
11. (l) Schecks und andere Forderungspapiere sind f ü r jeden Empfänger in einem Lieferumschlag, Platzübertragungen in einem farbig gekreuzten Lieferumschlag zu verpacken. Umfangreiche Lieferungen (ausgenommen solche mit Ertragscheinen) können auch unter Streif- oder Kreuzband genommen werden. In die Lieferumschläge, Streifund Kreuzbänder hat der Einlieferer einen mit seiner Firma gekennzeichneten Tippstreifen einzulegen, auf dem die Abrechnungspapiere mit ihren Beträgen einzeln verzeichnet sind. Tippstreifen, auf denen Platzübertragungen verzeichnet sind, sind vom Einlieferer mit einem Abdruck des Sicherungsstempels zu sichern. Für Schäden, die sich aus dem Fehlen der Sicherung auf Tippstreifen für andere Abrechnungsteilnehmer als die Zweiganstalt ergeben, ist die Deutsche Bundesbank nicht verantwortlich. (2) Auf den Lieferumschlägen, Streif- oder Kreuzbändern müssen der Einlieferer und der Empfänger sowie die Stückzahl und der Gesamtbetrag der darin enthaltenen Abrechnungspapiere (bei Wertpapieren oder Ertragscheinen der Rechnungen s. Nr. 7) angegeben werden. Kreuzbänder, die Wertpapiere umschließen, sowie Umschläge mit Wertpapieren oder Ertragscheinen müssen außerdem die Aufschrift „Wertpapiere" bzw. „Ertragscheine" tragen; die Umschläge sind zu verschließen. Umschläge mit anderen Abrechnungspapieren sind nicht zu verschließen. (3) Die Lieferung ist, getrennt nach Forderungspapieren und Platzübertragungen, auf Einlieferungsverzeichnissen (von der Zweiganstalt zur Verfügung gestellten Vordrucken) zusammenzustellen. Die Verzeichnisse sind, wie im Vordruck vorgesehen, als erste, zweite oder dritte Einlieferung zu kennzeichnen.
Geschäftsgang Einlieferungstermine
12. (1) Die Abrechnungspapiere sind bis .Uhr zum zweiten Einlieferungstermin bis . Uhr 1 ) bei der Abrechnungsstelle einzuliefern. (2) Platzübertragungen dürfen auch noch zum Abrechnungstermin eingeliefert werden, Platzübertragungen f ü r die Zweiganstalt jedoch nur, sofern sie nach den Annahmezeiten f ü r Überweisungsaufträge zu diesem Zeitpunkt auch außerhalb der Abrechnung eingereicht werden dürfen. Andere Abrechnungspapiere dürfen zum Abrechnungstermin nur eingeliefert werden, wenn ihre Einlösung vorher zugesagt worden ist.
Auslieferungen
13. Die Auslieferungen werden von der Abrechnungsstelle, getrennt nach Forderungspapieren und Platzübertragungen, auf Auslieferungsverzeichnissen zusammengestellt.
Empfangsbescheinigung
14. Die Abrechnungsstelle bescheinigt den Abrechnungsteilnehmern auf Blatt II der Einlieferungsverzeichnisse den Empfang des Blattes I und der im Verzeichnis erfaßten Lieferumschläge, Kreuz- und Streifbandpackungen. Die von den Abrechnungsteilnehmern ermächtigten Abholer (Nr. 15) haben auf Blatt II der Auslieferungsverzeichnisse den Erhalt des Blattes I und der im Verzeichnis erfaßten Lieferumschläge, Kreuz- und Streifbandpackungen zu bescheinigen. Die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts der Lieferumschläge usw. werden mit diesen Empfangsbescheinigungen nicht bestätigt.
Einlieferung und Abholung der Abrechnungspapiere, Abholerermächtigung
15. Die Abrechnungspapiere sind bei der Abrechnungsstelle rechtzeitig einzuliefern und abzuholen. Die Abrechnungsteilnehmer haben die Personen, die die Auslieferungen in Empfang nehmen und darüber quittieren sollen, der Abrechnungsstelle gegenüber schriftlich zu ermächtigen und ihr vorzustellen. Die Ermächtigungen gelten bis zum Eingang eines schriftlichen Widerrufs.
P r ü f u n g der Auslieferung
16. (1) Die Abrechnungsteilnehmer haben die Auslieferungen unverzüglich nach Erhalt zu prüfen. Unstimmigkeiten sind der Abrechnungsstelle unverzüglich mitzuteilen, •) Z u s t r e i c h e n , falls n u r ein E i n l i e f e r u n g s t e r m i n festgelegt ist.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und Wesen des Abrechnungsverkehrs spätestens aber bei Auslieferungen, die vor dem Abrechnungstermin vorgenommen worden sind,
um
bei Auslieferungen, die im Anschluß an den Abrechnungstermin um vorgenommen worden sind,
Uhr,
Uhr.
(2) Zeigt ein Abrechnungsteilnehmer Unstimmigkeiten nicht rechtzeitig an, so können etwaige Ersatzansprüche w e g e n einer solchen Unstimmigkeit nicht gegen die Deutsche Bundesbank geltend gemacht werden. 17. (1) Papiere, die nicht bezahlt werden (Rücklieferungen), sind wie Einlieferungen ( N r . 11) zu behandeln.
Rücklieferungen Verfahren
(2) Zurückgelieferte Papiere gelten als mangels D e c k u n g zurückgegeben, wenn ihnen nicht ein Zettel angeheftet ist, auf dem ein anderer Grund angegeben ist. (3) Schecks und Lastschriften, die nicht eingelöst werden, hat der B e z o g e n e bzw. die Zahlstelle mit dem Vorlegungsvermerk zu versehen; will bei Schecks der B e z o g e n e den Vorlegungsvermerk wegen Ablaufs der Vorlegungsfrist nicht mehr anbringen, so hat er dem Scheck einen Zettel anzuheften, auf dem vermerkt ist, daß der Scheck nicht bezahlt wird. Ist für einen unbezahlt gebliebenen, rechtzeitig in die Abrechnung eingelieferten Scheck der Vorlegungsvermerk des Bezogenen nicht zu erlangen, so gibt die Abrechnungsstelle auf Antrag die in Artikel 40 N r . 3 des Scheckgesetzes vorgesehene Erklärung ab. (4) Papiere, die bis zum Abrechnungstermin nicht zurückgeliefert werden, gelten der Abrechnungsstelle gegenüber als in O r d n u n g .
Fristen
(5) Wechsel, die am gesetzlichen Zahlungstag eingeliefert worden und unbezahlt geblieben sind, werden von den einliefernden Abrechnungsteilnehmern auch noch nach dem Abrechnungstermin bis zum ersten Einlieferungstermin des folgenden Geschäftstages zurückgenommen. V o r a u s s e t z u n g hierfür ist, daß die unbezahlten Wechsel den einliefernden Abrechnungsteilnehmern am Abrechnungstag fernmündlich bis Uhr angesagt werden 1 ). Abs. 8 bliebt unberührt 2 ). (6) Unbezahlt gebliebene Schecks und Anweisungen (Lastschriften s. Abs. 7) sind spätestens am folgenden G e s c h ä f t s t a g bis zum Abrechnungstermin zurückzugeben. Abs. 8 bleibt unberührt 2 ). (7) Unbezahlt gebliebene Lastschriften werden zurückgenommen, wenn sie bis zum zweiten Geschäftstag nach dem T a g des Eintreffens bei der Zahlstelle von dieser zurückgegeben werden. Lastschriften mit dem V e r m e r k „Einzugsermächtigung des Zahlungspflichtigen liegt dem Z a h l u n g s e m p f ä n g e r v o r " werden zurückgenommen, wenn der Zahlungspflichtige der Belastung innerhalb einer Frist von sechs W o c h e n , v o m T a g e der Belastung auf seinem K o n t o an gerechnet, widersprochen hat und die Zahlstelle die Lastschrift unverzüglich danach zurückgibt. 3 ) (8) Papiere — ausgenommen Lastschriften — auf die in der Anlage verzeichneten, in Nachbarorten ansässigen Abrechnungsteilnehmer und verkehrsungünstig gelegenen Depositenkassen und Zweigstellen von am O r t ansässigen Abrechnungsteilnehmern werden jedoch von den Abrechnungsteilnehmern auch noch nach dem Abrechnungstermin bis zu dem in der Anlage bezeichneten Zeitpunkt zurückgenommen, wenn sie ihnen fernmündlich bis zu dem ebenfalls in der Anlage angegebenen Zeitpunkt angesagt werden. Für die A n s a g e wird beiderseitige N e n n u n g und N o t i z der N a m e n empfohlen.
(9) Ist ein Abrechnungsteilnehmer in der Abrechnung für Papiere belastet worden, die von den einliefernden Abrechnungsteilnehmern gemäß Abs. 5 bis 7 — und Abs. 8 ') S a t z 2 streichen, falls nicht z u t r e f f e n d . 2
) Zu streichen, falls Abs. 8 gestrichen wird.
3
) Zu streichen, falls nicht z u t r e f f e n d .
Claus-Wilhelm Canaris
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7. Abschnitt. D e r Abrechnungsverkehr — 4 ) z u r ü c k z u n e h m e n sind, so steht ihm gegen diese ein unmittelbarer Anspruch auf Rückerstattung des belasteten Betrages gegen Rückgabe der unbezahlt gebliebenen Papiere zu. Soweit nicht die Zweiganstalt selbst Einlieferer dieser Papiere ist, k ö n n e n Ansprüche aus solchen Rücklieferungen gegen die Deutsche Bundesbank nicht geltend gemacht w e r d e n . Abrechnungstermin, Abrechnungssaldo, Buchung
18. (l) D e r Abrechnungstermin wird auf U h r festgesetzt. ( 2 ) Im Anschluß an den Abrechnungstermin ermittelt die Abrechnungsstelle f ü r jeden Abrechnungsteilnehmer die Gesamtverpflichtung bzw. - f o r d e r u n g aus den mit ihm zu verrechnenden Abrechnungspapieren (Abrechnungssaldo). Z u m Ausgleich der Abrechnung w e r d e n die Abrechnungssalden auf den G i r o k o n t e n der Abrechnungsteilnehmer gebucht. Diese erhalten eine Aufstellung über ihre Einlieferungen und die Auslieferungen an sie, die auch den Abrechnungssaldo ausweist.
A n s c h a f f u n g der 19. D e r Abrechnungsteilnehmer hat die D e c k u n g f ü r einen in der A b r e c h n u n g entDeckung standenen Sollsaldo rechtzeitig auf seinem G i r o k o n t o z u r V e r f ü g u n g zu stellen. Zahlungs20. (l) Bis z u m Ausgleich der A b r e c h n u n g (Nr. 18 Abs. 2) sind die Abrechnungsteilunfähigkeit eines nehmer n u r V e r w a h r e r der ihnen ausgelieferten Abrechnungspapiere. Teilnehmers ( 2 ) Stellt die Abrechnungsstelle fest, daß der Sollsaldo eines Abrechnungsteilnehmers nicht gedeckt ist, so setzt sie diesem Abrechnungsteilnehmer eine Frist f ü r die Anschaff u n g der D e c k u n g . W i r d die D e c k u n g nicht bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist angeschafft, so w e r d e n die Abrechnungsteilnehmer unterrichtet, daß die A b r e c h n u n g nicht zustande g e k o m m e n ist. In diesem Fall wird eine neue A b r e c h n u n g unter Ausschluß des Zahlungsunfähigen und o h n e die von ihm gelieferten und die von ihm e m p f a n g e n e n Abrechnungspapiere v o r g e n o m m e n . Die von der neuen Abrechnung nicht erfaßten Papiere sind von den Abrechnungsteilnehmern an die Abrechnungsstelle zurückzuliefern, die sie an die Einlieferer weiterleitet. O r d n e n von 21. (l) Die Abrechnungsstelle teilt die ihr nach N r . 16 angezeigten Unstimmigkeiten Unstimmigkeiten den beteiligten Abrechnungsteilnehmern unverzüglich mit. Die Abrechnungsteilnehmer haben die Unstimmigkeiten u n t e r e i n a n d e r zu ordnen. Unstimmigkeiten, von denen die Abrechnungsstelle nach dem Abrechnungstermin Kenntnis erhält, w e r d e n den beteiligten Abrechnungsteilnehmern fernmündlich bekanntgegeben, gegebenenfalls unter gleichzeitiger Gutschrift bzw. Belastung des zu o r d n e n d e n Betrages auf G i r o k o n t o . Auf die Berichtigung von Unstimmigkeiten finden die Bestimmungen in N r . 19 und 20 sinngemäße A n w e n d u n g . (2) Bis die nach Nr. 16 der Abrechnungsstelle angezeigten Unstimmigkeiten geordnet sind, gelten die Abrechnungssalden als unter dem Vorbehalt von Ä n d e r u n g e n aus Unstimmigkeiten gebucht.
4
) Z u s t r e i c h e n , falls Abs. 8 g e s t r i c h e n w i r d .
Bestimmungen für die Abrechnungsstelle zu Hamburg (nach dem Stand vom 10. 4. 1979) I. Errichtung und Aufgaben der Abrechnungsstelle
892a
1. Die Abrechnungsstelle bei der Landeszentralbank in der Freien und H a n s e s t a d t H a m b u r g , Hauptstelle H a m b u r g (im folgenden Landeszentralbank), ist eine Abrechnungsstelle im Sinne des Art. 38 des Wechselgesetzes und des Art. 31 des Scheckgesetzes. Sie hat die A u f g a b e , den Z a h 462
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und Wesen des Abrechnungsverkehrs lungsausgleich zwischen den Mitgliedern zu erleichtern. Die Einlieferung eines Papiers in die Abrechnungsstelle steht der V o r l a g e zur Zahlung gleich (s. V O über Abrechnungsstellen im Wechsel- und Scheckverkehr § 1, W G A n . 38 und SchG Art. 31); der Ausgleich im Abrechnungsverfahren gilt als Erfüllung im Sinne des bürgerlichen Rechts, es sei denn, das Papier wird gemäß Nr. 9 der Geschäftsordnung zurückgegeben. 2. Die Abrechnungsstelle zu H a m b u r g ist im Gebäude der Landeszentralbank errichtet. Sie wird von der Landeszentralbank unter Mitwirkung der Mitglieder geleitet und beaufsichtigt. Die Mitglieder können sich durch einen oder mehrere Bevollmächtigte bei den täglichen Tauschterminen und der Schlußabrechnung vertreten lassen. Alle Mitglieder tragen die ihnen aus der Abrechnung entstehenden Unkosten selbst. Der Abrechnungsraum mit den Einrichtungsgegenständen wird von der Landeszentralbank unentgeltlich zur Verfügung gestellt. 3. Der Austausch des Materials und die Verrechnung erfolgen unmittelbar zwischen den Mitgliedern. Eine Unterzeichnung/Sicherung der Sammelverzeichnisse erfolgt nicht. Die Sammelverzeichnisse, die in den Umsatzbogen der empfangenden Banken festgehalten sind, gelten spätestens mit Schließung der Abrechnung als Auftrag an diese Mitglieder. Die sich täglich aus der Saldierung ergebenden Forderungen oder Schulden sind durch Gutschriften oder Belastungen auf den Girokonten der Mitglieder bei der Landeszentralbank auszugleichen (Ziff. 5 b der Geschäftsordnung). 4. Den Geschäftsgang bei der täglichen Abrechnung regelt die Geschäftsordnung. II. Vollversammlung, Beschlüsse, Ausscheiden 1. Beschlüsse für die Abrechnungsstelle fassen die Mitglieder in der Vollversammlung (Versammlung sämtlicher Mitglieder). 2. Zu Vollversammlungen lädt die Landeszentralbank bei Bedarf oder, wenn mindestens vier Mitglieder die Einberufung schriftlich beantragen, ein. Im ersten Viertel eines jeden Jahres muß eine Vollversammlung stattfinden. Zu Vollversammlungen soll mindestens drei T a g e vor der Sitzung schriftlich eingeladen werden. 3. Die Vollversammlung unterstützt die Landeszentralbank in der Aufsicht über den Ablauf des Abrechnungsverkehrs und entscheidet bei Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedern der Abrechnungsstelle oder ihren Vertretern. 4. Die Landeszentralbank wird in der Vollversammlung durch ein Mitglied des Vorstandes oder einen Direktor der Hauptstelle vertreten, die übrigen Mitglieder durch je ein Mitglied ihres Vorstandes oder ein stellvertretendes Vorstandsmitglied bzw. durch einen Geschäftsinhaber. In Ausnahmefällen kann ein Mitglied durch einen bevollmächtigten leitenden Angestellten vertreten werden. Der Vertreter der Landeszentralbank führt in den Vollversammlungen den Vorsitz. 5. a) Zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder erforderlich. Die Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit gefaßt; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. b) Zur Änderung dieses Abkommens oder der Geschäftsordnung und zur Beschlußfassung über die Aufnahme neuer Mitglieder ist die Stimmenmehrheit von drei Vierteln der Zahl der Anwesenden erforderlich. 6. Jedem Mitglied der Abrechnungsstelle steht es frei, zum Schluß eines Monats mit vierteljährlicher Kündigung aus der Abrechnungsstelle auszuscheiden. D a s Ausscheiden muß der Landeszentralbank angezeigt werden, die allen übrigen Mitgliedern Kenntnis gibt. 7. Reicht das LZB-Giroguthaben eines Mitgliedes zur Deckung eines aus der Abrechnung sich ergebenden Debet-Saldos nicht aus und kann die erforderliche Deckung nicht unverzüglich beschafft werden, so daß die Abrechnung nicht zustande kommt (s. Geschäftsordnung Ziff. 6), so scheidet das betreffende Mitglied aus der Abrechnungsstelle aus. III. Verpflichtung der Mitglieder 1. Die Mitglieder verpflichten sich, Einzelbelege (Schecks, Lastschriften und Überweisungen) nur codiert (Bankleitzahl und Betrag) bei der Abrechnungsstelle einzureichen. Für die Codierung Claus-Wilhelm Canaris
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7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr sind die „Richtlinien für eine einheitliche Codierung von zwischenbetrieblich weiterzuleitenden Zahlungsverkehrsbelegen" maßgebend. Für einen Ubergangszeitraum sind hiervon nicht automationsfähige Belege ausgenommen, die auf gesonderten Verzeichnissen getrennt von den automationsfähigen Belegen einzureichen sind. 2. Die Mitglieder verpflichten sich, darauf zu achten, daß ihre Kunden nur gedeckte Schecks auf sie ziehen. Der Verkehr mit den hiergegen verstoßenden Kunden ist spätestens beim dritten Vorkommen eines ungedeckten Schecks abzubrechen. Die Mitglieder sind davon umgehend zu unterrichten. Die Eröffnung von Girokonten hat im gegenseitigen Interesse unter Einholung von Auskünften nur unter größter Vorsicht zu geschehen. Besondere Sorgfalt ist dann zu üben, wenn bei neu eingerichteten Girokonten — einschließlich Lohn- und Gehaltskonten — größere Verfügungen, d. h. von mehr als DM 5000,— vorgenommen werden, ehe Auskünfte über den Kontoinhaber vorliegen.
IV. Schecks, Postschecks, Überweisungen 1. Alle Schecks müssen den inländischen gesetzlichen Vorschriften entsprechen, ausgenommen DM-Schecks, die von ausländischen Ausstellern auf Abrechnungsmitglieder gezogen sind. Die Schecks müssen den Vermerk „Nur zur Verrechnung" tragen. Von der Abrechnung ausgeschlossen sind Schecks, in denen die Überbringerklausel gestrichen ist, Schecks, die den Vermerk „Nur zur Verrechnung" mit einem Zusatz wie „Nur zur Verrechnung mit (folgt Firma)" tragen, auch wenn der Zusatz gestrichen ist, und Schecks, deren Übertragung vom Aussteller durch die Worte „Nicht an Order" oder durch einen gleichbedeutenden Zusatz untersagt ist. Orderschecks müssen auf der Rückseite mindestens den nach dem Abkommen zur Vereinfachung des Einzugs von Orderschecks vorgeschriebenen Stempelabdruck des einliefernden Mitglieds tragen. 2. Wird ein in die Abrechnung eingelieferter Scheck nicht eingelöst, so hat der Bezogene die in Art. 40 Ziff. 2 des Scheckgesetzes vorgeschriebene Erklärung abzugeben. Sollte diese Erklärung vom Bezogenen nicht zu erlangen sein, wird die Abrechnungsstelle, vertreten durch die Landeszentralbank, die in Art. 40 Ziff. 3 des Scheckgesetzes vorgeschriebene Erklärung abgeben. 3. Für Postschecks sind die Bestimmungen der Postscheckordnung maßgebend. Das Postscheckamt kann Postschecks, die nicht gemäß Art. 39 Abs. 1 des Scheckgesetzes mit dem Vermerk „Nur zur Verrechnung" versehen sind, zurückweisen. 4. Überweisungen, die geändert sind, dürfen nicht in die Abrechnung eingeliefert werden. 5. Die für die Landeszentralbank bestimmten „telegrafischen" und anderen „unwiderruflichen" Überweisungen sind von der Abrechnung ausgeschlossen.
Geschäftsordnung 1. Vollmachten Alle Mitglieder entsenden an den Geschäftstagen zu den festgesetzten Tauschterminen (s. Ziff. 3) zur Abrechnungsstelle einen nach den beiliegenden Mustern I oder II Bevollmächtigten, auch wenn sie nichts abzurechnen haben. Die Vollmachten für die zur Schlußabrechnung entsandten Vertreter (s. Ziff. 5) sowie die Vollmachten zur Unterzeichnung von Widerrufen müssen nach dem Muster I ausgestellt sein. Zur Annahme und Auslieferung von Abrechnungspapieren und Überweisungsverzeichnissen können nach dem Muster II andere Personen als nach Muster I ermächtigt werden; sie sind jedoch gegenüber der Landeszentralbank nicht zu Weisungen bezüglich des Abrechnungssaldos befugt. 464
2. Bearbeitung. Stand 1.5. 1981
I. Begriff und Wesen des Abrechnungsverkehrs Die Abrechnungsmitglieder haben sich gegenseitig darüber zu unterrichten, wen sie nach Muster I oder II zu ihrer Vertretung bevollmächtigt haben. Alle Vollmachten werden von der Landeszentralbank geprüft und nach Erledigung etwaiger Beanstandungen bei ihr verwahrt.
2. Einlieferer, Quittung, Verzeichnisse Aus jedem Abrechnungspapier muß deutlich der Einlieferer, der Empfänger und der Betrag ersichtlich sein. Im allgemeinen bedürfen Forderungspapiere wie Wechsel, Schecks und Anweisungen keiner unterschriebenen Quittung; sie müssen dann einen Stempelaufdruck tragen, der mindestens die Firmabezeichnung des Einreichers, den O r t sowie dessen Bankleitzahl enthält. Für Schecks, die auf den Inhaber oder Überbringer lauten oder keine Angaben darüber enthalten, an wen zu zahlen ist, kann eine unterschriebene Quittung nicht verlangt werden; bei den übrigen Forderungspapieren bleibt es dem einlösenden Mitglied vorbehalten, nachträglich eine ordnungsmäßig handschriftlich unterzeichnete Quittung vom Einreicher zu verlangen. Für jedes zahlungspflichtige Mitglied ist ein Verzeichnis der einzelnen Beträge und der Gesamtsumme beizufügen. Allen Forderungspapieren außer Schecks und Lastschriften sowie allen Rücklieferungen nicht bezahlter Papiere sind außerdem vorbereitete Empfangsbestätigungen zwecks Quittungsleistung beizulegen. Der Ausgleich von Überweisungen erfolgt nach Verzeichnissen, die für jedes zahlungsempfangsberechtigte Mitglied aufzustellen sind.
3. Tauschtermine Die Vertreter erscheinen in der Abrechnungsstelle um 7.30 Uhr, 9.30 Uhr, 10.30 Uhr, 11.15 Uhr, 12.00 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr und tauschen die auf Verzeichnissen erfaßten Forderungspapiere und Überweisungen aus. Überweisungen zur gleichtätigen Gutschrift bei den Zweigstellen Altona und Harburg der Landeszentralbank müssen auf gesonderten Verzeichnissen bis 12.30 Uhr eingereicht werden. Der Belegaustausch im 12.30 Uhr-Termin muß spätestens um 12.45 Uhr beendet sein. Die Termine um 11.15 Uhr und 12.00 Uhr sind grundsätzlich dem Austausch von Überweisungen vorbehalten, daneben sind nur Forderungspapiere ab DM 20 000,— zugelassen. Diese Einschränkung gilt nicht für die Landeszentralbank hinsichtlich der ihr von ihren Zweigstellen Hamburg-Altona und Hamburg-Harburg eingelieferten Schecks und Lastschriften. Im 12.30 Uhr-Termin dürfen nur noch Überweisungen getauscht werden. Die um 16.00 Uhr getauschten Forderungspapiere gelten als am folgenden Geschäftstag vorgelegt. Das zu diesem Termin eingelieferte Material wird in die Abrechnung des folgenden Geschäftstages einbezogen. Platzüberweisungen unter D M 1000,— dürfen nur um 16.00 (für den nächsten Geschäftstag) und um 7.30 Uhr getauscht werden. Überweisungen unter D M 1000,— von Korrespondenzbanken sowie von auswärtigen Filialen/Zentralen des einliefernden Abrechnungsteilnehmers müssen für eine gleichtägige Verrechnung spätestens um 11.15 Uhr getauscht werden. Dies gilt auch für alle von der Landeszentralbank in die Abrechnung zu liefernden Überweisungen. Wechsel sind möglichst an dem dem Fälligkeitstag vorangehenden Geschäftstag um 16.00 Uhr einzuliefern. Am letzten Geschäftstag vor dem 24. Dezember um 16.30 Uhr und am 24. Dezember — falls er ein Geschäftstag ist — um 10.00 Uhr finden Tauschtermine zur Verrechnung am ersten Geschäftstag nach Weihnachten statt. Eine Abrechnung am 24. Dezember findet nur dann statt, wenn wenigstens die Hälfte der Mitglieder bis spätestens vier Wochen vorher einen entsprechenden Antrag bei der Landeszentralbank stellt. Claus-Wilhelm Canaris
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7. Abschnitt. D e r Abrechnungsverkehr 4. Prüfung Für e m p f a n g e n e Forderungspapiere — ausgenommen Schecks und Lastschriften (s. a. Ziff. 2 Abs. 2) — sowie f ü r alle Rücklieferungen nicht bezahlter Papiere w e r d e n die Empfangsbestätigungen der Verzeichnisse unterschrieben zurückgegeben. Die e m p f a n g e n e n Forderungspapiere und Uberweisungsverzeichnisse w e r d e n umgehend im e m p f a n g e n d e n H a u s geprüft. Die S u m m e n der Verzeichnisse sind von jedem Mitgliedsvertreter auf dem U m s a t z b o g e n im Soll bzw. H a b e n , die Stückzahlen jedoch n u r auf der Habenseite einzutragen. Z u r Abstimmung ist mit den Schlußverzeichnissen f ü r jedes Mitglied eine Gesamtaufstellung mit den E n d s u m m e n und Stückzahlen aller Habenverzeichnisse einzuliefern.
5. Schlußtermin, Schlußabrechnung, Schließung der Abrechnung a) U m 14.45 U h r , dem Schlußtermin, versammeln sich nach Muster I bevollmächtigte V e r t r e ter aller Mitglieder z u r Schlußabrechnung. Die A b r e c h n u n g soll nicht vor Ablauf einer halben Stunde nach dem Beginn des Schlußtermins geschlossen w e r d e n . b) Die Soll- und H a b e n - E n d s u m m e n des U m s a t z b o g e n s w e r d e n in das Abrechnungsblatt übertragen. N a c h S u m m i e r u n g aller Soll- sowie H a b e n s u m m e n des Abrechnungsblattes ermittelt jeder V e r t r e t e r durch Saldieren, was sein H a u s jedem einzelnen und der Gesamtheit der Mitglieder schuldet oder von ihnen zu f o r d e r n hat. Diese Arbeiten sind von jedem Mitglied vor Beginn der Schlußabrechnung a u s z u f ü h r e n . Ü b e r den selbst errechneten Saldo seines H a u s e s stellt jeder V e r t r e t e r auf besonderem V o r d r u c k eine Weisung an die Landeszentralbank aus, die er dem V e r treter der Landeszentralbank z u s a m m e n mit seinem Abrechnungsblatt übergibt. D e r V e r t r e t e r der Landeszentralbank trägt die Salden der Abrechnungsblätter in ein Bilanzblatt ein, dessen Soll- und H a b e n a d d i t i o n übereinstimmen müssen. Er p r ü f t die Richtigkeit der Saldo-Weisungen, unterschreibt sie und die Abrechnungsblätter und stellt fest, ob die G i r o g u t h a ben z u r D e c k u n g etwaiger Debetsalden ausreichen. Ist ausreichende D e c k u n g v o r h a n d e n , zeichnet er das Bilanzblatt ab und schließt die Abrechnung u n t e r Beachtung von Ziff. 5 a) Abs. 2. Die Schließung der A b r e c h n u n g wird vom Vertreter der Landeszentralbank unter E i n t r a g u n g der U h r z e i t auf dem Bilanzblatt verkündet. Die Weisungen w e r d e n d a n a c h von der Landeszentralb a n k gebucht.
6. NichtZustandekommen der Abrechnung Reicht das L Z B - G i r o g u t h a b e n eines Mitgliedes z u r D e c k u n g eines aus der A b r e c h n u n g sich ergebenden Debetsaldos nicht aus und kann die erforderliche D e c k u n g nicht sofort beschafft w e r d e n , so ist die A b r e c h n u n g nicht z u s t a n d e g e k o m m e n (Bestimmungen II, 7), und die in die A b r e c h n u n g gegebenen Beträge gelten als nicht ausgeglichen. Die Abrechnungspapiere gehen nicht in das Eigentum der E m p f ä n g e r über; sie verbleiben aber bis auf weiteres in deren V e r w a h rung. Die übrigen Mitglieder treten unverzüglich zu einer neuen Schlußabrechnung — unter Ausschluß aller Posten, die von dem zahlungsunfähigen Mitglied und auf das zahlungsunfähige Mitglied eingeliefert sind — z u s a m m e n . Auf diese Schlußabrechnung finden die Ziffern 5, 7, 8, 9 und 10 entsprechende A n w e n d u n g .
7. Sperre der LZB-Konten während der Schlußabrechnung Die Landeszentralbank ist berechtigt, die G u t h a b e n auf den G i r o k o n t e n der Mitglieder bis z u m Ausgleich der V e r p f l i c h t u n g e n aus der Abrechnung zu sperren.
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I. Begriff und Wesen des Abrechnungsverkehrs 8. Festsetzung bzw. Aufhebung von Terminen Der Vertreter der Landeszentralbank ist ermächtigt, im Bedarfsfall und nach Anhören der Vertreter der anderen Mitglieder sowie unter Mitteilung an sie, außer den zu Ziff. 3 festgesetzten, weitere Tauschtermine anzuberaumen, Tauschtermine zu suspendieren und den Schlußtermin f ü r Widerrufe und die Schlußabrechnung auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen.
9. Rückgabe beanstandeter Papiere Beanstandete Papiere sind im allgemeinen bis 12.00 Uhr mit besonderen Verzeichnissen gegen Empfangsbescheinigung zurückzugeben. Unbeschadet dessen sind an den Einreicher zurückzuliefem: a) Unbezahlt gebliebene Schecks bis 12.00 U h r des nächsten Geschäftstages b) Nicht eingelöste Lastschriften 1. bis 12.00 U h r des nächsten Geschäftstages von der LZB vorgelegte Lastschriften, die innerhalb der Abrechnung verrechnet werden sollen. Spätere Rückgaben sind an die LZB wie Neueinreichungen im Scheck- und Lastschriftverkehr zu geben, darüber hinaus können aus solchen Rückgaben gegen die LZB keine Ansprüche geltend gemacht werden. Diese Regelung gilt auch f ü r Lastschriften, die auf einer Einzugsermächtigung beruhen. 2. bis 12.00 U h r des zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Geschäftstages alle übrigen Lastschriften. 3. Abweichend von der Regelung zu 2. werden Lastschriften, die auf einer Einzugsermächtigung beruhen, zurückgenommen, wenn der Zahlungspflichtige binnen sechs Wochen nach Belastung widerspricht und die Zahlstelle die Lastschrift unverzüglich danach zurückgibt. Die Rücklieferungen werden wie Einlieferungen behandelt. Die Verrechnung beanstandeter Papiere, die dem Einreicher nicht bis 14.00 Uhr angezeigt worden sind, findet in der Abrechnung des nächsten Geschäftstages bzw. des Tages der Rückgabe statt. Die nicht bis zu den vorstehend festgelegten Terminen zurückgegebenen Papiere gelten als anerkannt (s. I. 1 der Bestimmungen).
10. Widerruf von Überweisungen a) der Widerruf von Überweisungen ist nur durch ein Schreiben nach Muster III möglich. Platzüberweisungen und Überweisungen nach auswärts mit Ausnahme von „telegrafisch" bzw. mit einer gleichbedeutenden Aufschrift oder „unwiderruflich" gekennzeichneten Überweisungen sind bis zum Beginn des Schlußtermins unbeschränkt widerruflich. Die durch den ordnungsgemäßen Widerruf einer Platzüberweisung bedingten weiteren Widerrufe und evtl. notwendigen Widerrufe zur Herstellung ausreichender Deckung auf dem LZB-Girokonto eines Mitglieds sind noch möglich, bis der Vertreter der Landeszentralbank die Schließung der Abrechnung erklärt (Ziffern 5 und 6). Nach Beginn des Schlußtermins vorgenommene Rückrufe werden zwischen den Beteiligten direkt oder über die LZB-Girokonten der Mitglieder verrechnet. Sofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, die durch die vorstehende Regelung unberührt bleiben, eine Überweisung dem empfangenden Mitglied gegenüber auch noch später wirksam widerrufen werden kann, wird zwischen den beteiligten Mitgliedern gemäß Einzelabsprache verrechnet. Claus-Wilhelm Canaris
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7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr In die Abrechnung werden nur bis 14.00 Uhr vorliegende Widerrufe einbezogen; später eingehende werden über LZB-Girokonto oder unter den Mitgliedern direkt ausgeglichen. b) Soll ein mit Muster III ausgesprochener Widerruf einer Überweisung rückgängig gemacht werden, so ist der Posten erneut zu überweisen.
11. Umsatzbuch Der Vertreter der Landeszentralbank hat ein Umsatzbuch zu führen, in das er nach den Abrechnungsblättern die Stückzahl der Habenposten und die Habensummen einträgt. Die Bilanzblätter sowie das Umsatzbuch und die Anweisungsbelege sind von der Landeszentralbank zehn Jahre aufzubewahren.
Muster I Abrechnungsstelle Hamburg VOLLMACHT Wir bevollmächtigen hiermit unseren Angestellten unsere Angestellte zur Vornahme aller im Abrechnungsverfahren nach Maßgabe der Bestimmungen für die Abrechnungsstelle vorkommenden Rechtshandlungen, insbesondere zu der Präsentation der zur Abrechnung bestimmten Papiere, dem Empfang solcher Papiere, zur Erklärung über sie, zur Rückgabe und Rücknahme beanstandeter Papiere, zur Unterzeichnung der Überweisungsaufträge und Verzeichnisse aller Art und deren Annahme und Übergabe, zur Feststellung des Tagessaldos und zur Ausstellung der erforderlichen Anweisungen zu Gunsten oder zu Lasten unseres Giroguthabens bei der Landeszentralbank. Die erforderliche Unterschrift wird der/die Bevollmächtigte unter unserer Firma und Beisetzung seines/ihres Namens abgeben. Diese Vollmacht erlischt nur durch schriftlichen, seitens des Machtgebers oder der Rechtsnachfolger an die Landeszentralbank in der Freien und Hansestadt Hamburg, Hauptstelle Hamburg, zu richtenden Widerruf. Unterschrift des/der Bevollmächtigten: Hamburg, den ( G r o ß e Vollmacht)
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I. Begriff und Wesen des Abrechnungsverkehrs Muster II Abrechnungsstelle H a m b u r g
VOLLMACHT Wir bevollmächtigen hiermit unseren Angestellten unsere Angestellte zur Vornahme aller im Abrechnungsverfahren nach Maßgabe der Bestimmungen für die Abrechnungsstelle vorkommenden Rechtshandlungen, insbesondere zur Präsentation der für die Abrechnung bestimmten Papiere, zum Empfang solcher Papiere, zur Rückgabe und Rücknahme beanstandeter Papiere, zur Annahme und Übergabe von Überweisungsaufträgen und Verzeichnissen aller Art, jedoch nicht zur Feststellung des Tagessaldos und zur Ausstellung der erforderlichen Anweisungen zu Gunsten oder zu Lasten unseres Giroguthabens bei der Landeszentralbank. Die erforderliche Unterschrift wird der/die Bevollmächtigte unter unserer Firma und Beisetzung seines/ihres Namens abgeben. Diese Vollmacht erlischt nur durch schriftlichen, seitens des Machtgebers oder der Rechtsnachfolger an die Landeszentralbank in der Freien und Hansestadt H a m burg, Hauptstelle H a m b u r g , zu richtenden Widerruf. Unterschrift des/der Bevollmächtigten: Hamburg, den (Kleine V o l l m a c h t )
Muster III innerhalb der Abrechnung*) außerhalb Hamburg, den '') Überweisung im Betrag von DM von für j—"') hierdurch widerrufen D M werden enthalten in D M (bereits telefonisch aufgegeben) (Unterschrift)
An Hamburg >) N i c h t z u t r e f f e n d e s s t r e i c h e n
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7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr
II. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bundesbank und den Abrechnungsteilnehmern 1. Die Pflichten der Bundesbank 893
Die Pflichten der Bundesbank ergeben sich in erster Linie aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit den Abrechnungsteilnehmern (vgl. näher oben Rdn. 891). Parallelen zum Girovertragsrecht sind nicht ohne weiteres möglich, da es sich dogmatisch im Hinblick auf das Vorliegen von Skontrationsverträgen sowie interessemäßig im Hinblick auf die Multilateralität der Abrechnungswirkungen um unterschiedliche Rechtsinstitute handelt. Mit Recht hat der B G H daher z. B. eine Übertragung der im Girovertragsrecht entwickelten Warnpflicht bei bevorstehendem Zusammenbruch eines Abrechnungsteilnehmers abgelehnt (vgl. B G H W M 1978 588 und dazu näher oben Rdn. 108). 2. Der Widerruf a) Der Rückruf von Taschen
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Auf Grund des Geschäftsbesorgungsvertrags haben die Teilnehmer des Abrechnungsverkehrs gegenüber der Bundesbank grundsätzlich das auftragsrechtliche Weisungsrecht und daher auch das aus diesem folgende Widerrufsrecht. Sie können daher der Abrechnungsstelle die Weisung erteilen, eine eingelieferte Tasche nicht dem Adressaten auszuliefern. Freilich ist diese Möglichkeit zeitlich eng begrenzt; denn sie setzt voraus, daß die Bundesbank dem Widerruf überhaupt noch nachkommen kann, und entfällt daher, sobald die Tasche dem Adressaten ausgehändigt worden ist. b) Der Widerruf von Abrechnungspapieren
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Wesentlich komplexer ist die Problematik hinsichtlich eines Widerrufs von Abrechnungspapieren. Zweifel bestehen hier schon bezüglich der Rechtsgrundlage des Widerrufsrechts. Folgt man z. B. der Vollmachtstheorie Teschemachers (vgl. dazu oben Rdn. 886), so liegt es nahe, bis zur Beendigung der jeweiligen Abrechnung durch die Saldobuchungen einen Widerruf im Wege des Vollmachtswiderrufs nach § 168 BGB für möglich zu halten, doch zieht Teschemacher diese Konsequenz bemerkenswerterweise nicht, sondern sieht auf Grund der Besonderheiten und praktischen Bedürfnisse des Abrechnungsverkehrs das Widerrufsrecht als ausgeschlossen an (vgl. Z H R 67 445 f; ähnlich S. 443). Auch nach der Weisungstheorie P/isters (vgl. dazu oben Rdn. 889) erscheint eine weitgehende Zulassung des Widerrufs folgerichtig, doch sucht auch er diesem Ergebnis z. T. zu entrinnen (vgl. Z H R 143 62). Vom Boden der hier vertretenen Ansicht aus, nach der in der Einlieferung eines Abrechnungspapiers ein Skontrationsantrag an einen anderen Abrechnungsteilnehmer liegt (vgl. oben Rdn. 886), kommt dagegen weder ein vollmachts- noch ein weisungsrechtlicher Widerruf in Betracht. Vielmehr liegt die Rechtsgrundlage des Widerrufsrechts in § 130 I 2 BGB.
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Daraus ergeben sich ohne weiteres Folgerungen sowohl für die Person des Widerrufsadressaten als auch für die zeitliche Begrenzung der Widerrufsmöglichkeit. Denn nach § 130 I 2 BGB ist der Widerruf nicht an die Bundesbank, sondern an den anderen Abrechnungsteilnehmer zu richten, da dieser Adressat der Skontrationserklärung ist. Außerdem entfällt die Widerrufsmöglichkeit folgerichtig mit dem Zugang der Erklärung, also bei Platzübertragungen i. d. R. mit der Aushändigung der betreffenden Tasche an den Empfangsboten des anderen Abrechnungsteilnehmers; nach dem Abrechnungstermin, zu dem die Teilnehmer letztmals Taschen und Erklärungen aus470
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bundesbank und den Abrechnungsteilnehmern tauschen können, ist demnach ein Widerruf generell ausgeschlossen (vgl. zum ganzen näher Canaris W M 1976 1007; bezüglich der zeitlichen Begrenzung durch den Abrechnungstermin i. E. übereinstimmend LG F r a n k f u r t W M 1975 1118, 1121, Sp. 2 obiter). D a r ü b e r hinaus wird man die Widerrufsmöglichkeit auch noch insofern 8 9 7 einzuschränken haben, als einem Widerruf ein Einfluß auf die Abrechnungssalden nur dann z u z u e r k e n n e n ist, wenn er seinen Niederschlag in dem Abrechnungsverfahren gefunden hat. Es genügt daher entgegen § 130 I 2 BGB nicht, daß ein Teilnehmer z. B. einen anderen Teilnehmer k u r z vor dem Abrechnungstermin anruft und ihm erklärt, er habe z w a r einen bestimmten Scheck nicht zurückgeliefert, widerrufe aber hiermit das darin liegende konkludente Einverständnis mit dessen Einbeziehung in die Skontration. Einem solchen Widerruf W i r k u n g e n im Verhältnis zur Bundesbank z u z u e r k e n n e n , wäre mit Ziff. 17 IV der Geschäftsbestimmungen unvereinbar, w o n a c h Abrechnungspapiere, die bis z u m Abrechnungstermin nicht zurückgeliefert sind, der Abrechnungsstelle gegenüber als in O r d n u n g gelten. Entsprechendes gilt folgerichtig f ü r den W i d e r ruf von Platzübertragungen, der demgemäß von der Abrechnungsstelle grundsätzlich nur zu beachten ist, wenn der Begünstigte eine entsprechende Rücklieferung vornimmt, der W i d e r r u f e n d e ein Forderungspapier in gleicher H ö h e zu Lasten des betreffenden Teilnehmers einliefert und dieser es in der Abrechnung beläßt oder dgl. Im Verhältnis zwischen den Abrechnungseilnehmern untereinander besteht dagegen kein Anlaß, einen nach § 130 I 2 BGB wirksamen, in der Abrechnung aber nicht in Erscheinung getretenen Widerruf unberücksichtigt zu lassen (vgl. zum ganzen näher Canaris W M 1976 1007 f).
3. Die Saldoforderungen und -schulden a) Die einzubeziehenden Posten N a c h Ziff. 17 der Geschäftsbestimmungen sind Rücklieferungen von Forderungspa- 8 9 8 pieren, die nicht bezahlt werden, auch noch an einem späteren T a g möglich. Auf die Salden des Einlieferungstages wirkt sich das nicht aus. Diese werden also nicht etwa unrichtig mit der Folge, d a ß sie mit rein deklaratorischer W i r k u n g zu korrigieren sind (vgl. Canaris W M 1976 1001 f). Das folgt schon aus Ziff. 17 IV, w o n a c h Papiere, die nicht bis z u m Abrechnungstermin zurückgeliefert sind, der Abrechnungsstelle gegenüber als in O r d n u n g gelten. Es ergibt sich mittelbar ferner aus Ziff. 17 X , w o n a c h der betroffene Abrechnungsteilnehmer nicht etwa gegen die Bundesbank, sondern gegen den einliefernden Abrechnungsteilnehmer einen — rein obligatorischen und daher notfalls im Klagewege durchzusetzenden — Erstattungsanspruch hat, wenn ein nach Ziff. 17 V — VIII, also z w a r fristgerecht, aber nicht mehr am Einlieferungstag zurückgegebenes Papier in die Abrechnung einbezogen w o r d e n ist. Im übrigen wäre es auch mit den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Abrechnungsverkehrs unvereinbar, wenn die Salden nachträglich — u. U. nach W o c h e n ! — immer wieder berichtigt werden müßten. Ahnliches gilt f ü r die Berichtigung von Unstimmigkeiten, die sich vor allem aus 8 9 9 Divergenzen zwischen Taschenaufschriften bzw. Einlieferungsverzeichnissen und Tascheninhalt ergeben können. Für die Ermittlung der Abrechnungssalden sind dann grundsätzlich die Taschenaufschriften bzw. Einlieferungsverzeichnisse maßgeblich, während f ü r die Beziehungen der Abrechnungsteilnehmer außerhalb des Abrechnungsverkehrs der Tascheninhalt den Ausschlag gibt (vgl. Canaris W M 1976 1001; zustimmend Pfister Z H R 143 55 und 57 Fn. 165). D e r benachteiligte Abrechnungsteilnehmer hat also lediglich einen RückZahlungsanspruch aus § 812 BGB gegen den begünstigten Claus-Wilhelm Canaris
471
7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr
Abrechnungsteilnehmer, während ein Anspruch gegen die Bundesbank durch Ziff. 16 II und Ziff. 2 1 1 2 der Geschäftsbestimmungen grundsätzlich ausgeschlossen wird. Eine Korrektur von Unstimmigkeiten innerhalb der Abrechnung kann die Bundesbank trotz der nicht ganz unmißverständlichen Regelung von Ziff. 21 II grundsätzlich (vgl. aber auch unten Rdn. 901 a. E.) nur vornehmen, wenn Einigkeit zwischen den Betroffenen erzielt wird (ebenso Pfister Z H R 143 29). 900
Dagegen führen Fehler der Abrechnungsstelle zur Unrichtigkeit der ermittelten Salden, so daß diese mit rein deklaratorischer Wirkung berichtigt werden können und müssen. Zu denken ist z. B. daran, daß die Abrechnungsstelle einen Rechenfehler gemacht oder einen Posten der falschen Partei zugute gebracht bzw. belastet hat.
901
Ebenso ist bei Fehlen einer Einlösungszusage des Bezogenen bei zum Abrechnungstermin eingelieferten Forderungspapieren zu entscheiden (vgl. Canaris W M 1976 1004; a. A. Pfister ZH.R 143 57 Fn. 165). Da nach diesem Zeitpunkt eine Rücklieferung nicht mehr möglich ist, schreibt Ziff. 12 II 2 der Geschäftsbestimmungen vor, daß Forderungspapiere zum Abrechnungstermin nur eingeliefert werden dürfen, wenn ihre Einlösung vorher zugesagt worden ist. Fehlt es an einer solchen Zusage, so kann das betreffende Papier nicht mit Wirkung gegen den Bezogenen in die Abrechnung einbezogen werden, da die erforderliche Skontrationserklärung i. d. R. in dem Unterbleiben einer Rücklieferung liegt (vgl. auch BGH W M 1972 1380 Sp. 1) und eine solche bei einer Einlieferung zum Abrechnungstermin eben nicht möglich ist. Der sich rechnerisch ergebende Saldo ist folglich juristisch gesehen unrichtig. Das bedeutet, daß das Risiko insoweit grundsätzlich bei der Bundesbank liegt. Dieses Ergebnis entspricht auch allein der Interessenlage und der Billigkeit (a. A. unzutreffend Pfister aaO). Denn die Bundesbank hat durch die Zulassung der Einlieferung von Forderungspapieren zum Abrechnungstermin und durch das Unterlassen einer telephonischen Rückfrage bei dem bezogenen Abrechnungsteilnehmer die betreffende Gefahrenquelle geschaffen, so daß sie grundsätzlich für die Folgen eines Mißbrauchs dieser Möglichkeit aufzukommen hat. Im übrigen ist sie ohnehin hinreichend durch Ziff. 16 1 der Geschäftsbestimmungen geschützt, wonach auch bei Auslieferungen nach dem Abrechnungstermin etwaige Unstimmigkeiten — zu denen auch die Einlieferung eines Forderungspapiers im Abrechnungstermin ohne Einlösungszusage zu rechnen ist — bis zu einem bestimmten Zeitpunkt desselben Tages zu rügen sind. Zwar greift Absatz II dieser Klausel hier nicht ein, da es nicht um einen „Ersatzanspruch" gegen die Bundesbank, sondern um die rein deklaratorische Geltendmachung des wahren Saldos geht, doch erwächst der Bundesbank aus dem Unterlassen der Rüge grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen den bezogenen Abrechnungsteilnehmer; denn bei einer rechtzeitigen Rüge hätte sie dem Einlieferer den fraglichen Betrag nicht gutgebracht und auch nicht gutbringen müssen, was sich ohne weiteres aus der Unrichtigkeit des Saldos ergibt (so daß es einer Heranziehung von Ziff. 21 II der Geschäftsbedingungen insoweit nicht einmal bedarf). b) Entstehung und Grundlage der Saldoforderungen und -schulden
902
Durch die Skontration wird die Fülle der in die Abrechnung einbezogenen Posten auf positive oder negative „Spitzen" reduziert, die gemäß Ziff. 18 II 2 der Geschäftsbestimmungen über die Girokonten der Abrechnungsteilnehmer bei der Bundesbank ausgeglichen werden. Das Abrechnungsverfahren ist also durch eine gewisse Zweistufigkeit gekennzeichnet: im Mittelpunkt des ersten Teils steht die Skontration, durch die im Wege einer kontokorrentähnlichen Verrechnung der ganz überwiegende Teil der Posten getilgt wird, während im zweiten Teil die daraus entstandenen Saldoforderun472
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis der Abrechnungsteilnehmer untereinander
gen — in denen folgerichtig wieder die Parallele zum Kontokorrent in Erscheinung tritt — bezahlt werden. Schuldner einer aktiven Saldoforderung und Gläubiger einer passiven Saldoforderung ist dabei jeweils die Bundesbank (vgl. oben Rdn. 888). Als Zeitpunkt der Saldoentstehung ist folgerichtig die Beendigung des Abrech- 9 0 3 nungstermins anzusehen. Das ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen der Skontration, da in diesem Augenblick die letzten Skontrationserklärungen vorliegen und gemäß § 130 I BGB wirksam werden, so daß die Verrechnungswirkung und damit die Reduktion auf die Salden eintritt. Es folgt im übrigen auch daraus, daß die Salden logischerweise vor ihrem „Ausgleich" durch die Buchungen auf den Girokonten entstanden sein müssen und ein anderer Zeitpunkt als der Abrechnungstermin insoweit nicht ersichtlich ist (vgl. im übrigen näher Canaris W M 1976 1003 f und 1009 ff; zustimmend Stierle Der Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Banküberweisungen, 1980, S. 109). Zwischen den den Salden zugrunde liegenden Posten und den im Verhältnis der 9 0 4 Abrechnungsteilnehmer untereinander eintretenden Wirkungen können sich Divergenzen ergeben, wie vor allem die Beispiele der wirksamen Rücklieferung von Forderungspapieren an einem späteren Tag und der nicht mehr rechtzeitig berichtigten Unstimmigkeiten zeigen (vgl. oben Rdn. 898 f sowie auch unten Rdn. 908 f). Es liegt daher nahe, die Saldoforderungen auf eine eigenständige rechtliche Grundlage zu stellen. Dazu bietet es sich an, in der Einlieferung von Platzübertragungen sowie in dem Unterlassen der Rücklieferung von Forderungspapieren abstrakte Schuldversprechen zu sehen, durch die der eine Teilnehmer dem anderen die Bezahlung des betreffenden Betrags in der Abrechnung des laufenden Tages verspricht (vgl. eingehend Canaris W M 1976 1002 m. Nachw. zum älteren Schrifttum in Fn. 31). Folgt man dem, so entstehen die Saldoforderungen durch die Verrechnung der sich aus den Schuldversprechen ergebenden Zahlungsansprüche, so daß insoweit — d. h. bezüglich der für die Saldoermittlung maßgeblichen Verhältnisse — nur Forderungen und nicht Leistungen zur Verrechnung gelangen.
III. Das Rechtsverhältnis der Abrechnungsteilnehmer untereinander 1. Die Pflichten der Abrechnungsteilnehmer Die Pflichten der Abrechnungsteilnehmer ergeben sich in erster Linie aus dem zwi- 9 0 5 sehen ihnen bestehenden vielseitigen Geschäftsbesorgungsvertrag (vgl. zu diesem oben Rdn. 890). So dürfte aus diesem z. B. eine Pflicht zur Abholung der Taschen, die bei der Abrechnungsstelle f ü r sie eingeliefert worden sind, herzuleiten sein (vgl. Pfister Z H R 143 47 f). Dagegen besteht i. d. R. keine Pflicht zur Vornahme von Zahlungsvorgängen gerade über die Abrechnung, doch kann sich aus den Umständen des Falles und den Beziehungen der Parteien ein anderes ergeben. Wird einer Bank z. B. von einem Dritten ein Uberweisungsauftrag zugunsten einer anderen Bank erteilt, mit der sie nur über den Abrechnungsverkehr in Verbindung steht, so hat sie grundsätzlich einen Anspruch aus § 667 BGB auf Zahlung eines entsprechenden Betrages über die Abrechnung; die Zulassung zu dieser kann insoweit nicht anders beurteilt werden als das Bestehen einer laufenden Kontobeziehung zwischen den Banken, aus der bekanntlich ein Anspruch auf Gutschrift eingegangener Überweisungen erwächst (vgl. oben Rdn. 399). Ein für den Abrechnungsverkehr spezifischer Anspruch ist der Rückerstattungsan- 9 0 6 sprach aus Ziff. 17 X der Geschäftsbestimmungen, wenn ein Teilnehmer in der Abrechnung für Forderungspapiere belastet worden ist, die er anschließend gemäß Ziff. 17 Claus-Wilhelm Canaris
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7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr
V—VIII rechtzeitig zurückgegeben hat und die daher nach Ziff. 1 S. 3 Halbs. 2 nicht als eingelöst anzusehen sind. Es handelt sich dabei um einen vertraglichen Anspruch, der seine Grundlage in den Geschäftsbestimmungen findet, die nach ihrer unmißverständlichen Ausgestaltung auch Regelungen für das Verhältnis der Abrechnungsteilnehmer untereinander enthalten. Der belastete Teilnehmer ist also nicht auf einen Bereicherungsanspruch beschränkt und daher nicht dem Einwand des Wegfalls der Bereicherung gemäß § 818 III BGB ausgesetzt. Dagegen ist bei Divergenzen zwischen Taschenaufschriften bzw. Einlieferungsverzeichnissen und Tascheninhalt (vgl. dazu oben Rdn. 899) in erster Linie an einen Bereicherungsanspruch zu denken. Daneben kommt ein — u. U. nach § 254 BGB geminderter — Anspruch aus positiver Forderungsverletzung in Betracht, sofern der begünstigte Teilnehmer zu dem Fehler durch positives Tun beigetragen hat, während man beim bloßen Unterlassen einer korrekten Kontrolle nach richtiger, im Girovertragsrecht jedoch nicht herrschender Ansicht die bereicherungsrechtliche Regelung nicht mit Hilfe der positiven Forderungsverletzung unterlaufen sollte (vgl. oben Rdn. 434). 2. Die Erfüllungswirkung 907
Nach Ziff. 1 S. 3 Halbs. 1 gilt der Ausgleich im Abrechnungsverfahren als Erfüllung im Sinne des bürgerlichen Rechts. Das gilt auch bei Forderungspapieren, sofern diese nicht nach Ziff. 17 V ff der Geschäftsbestimmungen rechtzeitig zurückgegeben werden. Mit Recht nimmt der BGH daher in st. Rspr. an, daß die Versäumung der in Ziff. 17 V ff enthaltenen Rückgabefristen grundsätzlich als Einlösung des betreffenden Forderungspapiers anzusehen ist (vgl. BGH WM 1969 1447 für den Wechsel; W M 1972 1379, 1380 für den Scheck; BGHZ 74 352, 358 f und ZIP 1980 425, 427 für die Lastschrift). Das kann freilich folgerichtig nur gelten, sofern der Bezogene dem Einlieferer nicht vor Ablauf der Frist mitgeteilt hat, daß er das Papier nicht bezahlen werde; denn dadurch ist die Konkludenz seines Verhaltens hinfällig geworden. Die Erfüllungswirkung tritt dabei wohl schon am Tag der Vorlage auflösend bedingt ein (vgl. BGH ZIP 1980 426 und dazu Canaris ZIP 1980 517 f).
908
Im übrigen ist die Rückgabe eines Forderungspapiers binnen der in Ziff. 17 V ff vorgesehenen Fristen einer der wichtigsten Gründe für die bereits mehrfach betonte Möglichkeit von Divergenzen zwischen der bürgerlichrechtlichen Erfüllungswirkung und der Lage innerhalb des Abrechnungsverfahrens; denn einerseits tritt dann gemäß Ziff. 1 S. 3 Halbs. 2 keine Erfüllungswirkung ein, andererseits ist das Papier aber in die Saldoermittlung einzubeziehen, sofern es nicht spätestens zum Abrechnungstermin des laufenden Tages zurückgeliefert worden ist (vgl. oben Rdn. 898). Weitere Fälle derartiger Divergenzen könnnen beim Widerruf von Abrechnungspapieren und bei Abweichungen zwischen Taschenaufschriften bzw. Einlieferungsverzeichnissen und Tascheninhalt auftreten (vgl. oben Rdn. 897 und Rdn. 899).
909
Die bürgerlichrechtliche Erfüllungswirkung beruht demgemäß auf einer eigenständigen Skontration. Für diese sind nur die Tascheninhalte maßgeblich. Ein in der Abrechnung nicht in Erscheinung getretener, aber nach § 130 12 BGB wirksamer Widerruf ist zu berücksichtigen. Wechsel, Schecks und Lastschriften sind in die Skontration nur unter der Bedingung einbezogen, daß sie nicht binnen der in Ziff. 10 V, VII 1 und VIII der Geschäftsbestimmungen bestimmten Fristen zurückgeliefert werden; bei im Einzugsermächtigungsverfahren vorgelegten Lastschriften steht die Skontration zusätzlich unter der auflösenden Bedingung einer Rücklieferung binnen der in Ziff. 10 VII 2 vorgesehenen Frist. Auch vom Gegenstand her unterscheidet sich die Skontration, die zur bürgerlichrechtlichen Erfüllungswirkung führt, wesentlich von der Skon474
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IV. D a s Rechtsverhältnis zwischen Abrechnungsteilnehmern und Dritten
tration, auf der die Entstehung der Salden in der Abrechnung beruht. Während bei letzterer nämlich nur Forderungen aus abstrakten Schuldversprechen miteinander verrechnet werden (vgl. oben Rdn. 904), gelangen bei ersterer vorwiegend Leistungen auf die betreffenden Posten — also z. B. auf einen Scheck, eine Lastschrift, einen Anspruch auf Giroüberweisung usw. — zur Verrechnung (vgl. näher Canaris W M 1976 999 f). Beiden Skontrationen gemeinsam ist jedoch die Zweistufigkeit des Verfahrens, da auch auf der Ebene der bürgerlichrechtlichen Erfüllungwirkung die Tilgung nur zum Teil durch die Verrechnung als solche, hinsichtlich der verbleibenden Spitzen aber erst durch die Saldobuchungen erfolgt. Das Verhältnis zwischen den beiden Stufen dürfte dabei in Analogie zu §§ 396 I 2, 366 a. E. B G B nach dem Grundsatz der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung zu bestimmen sein, doch kommt der Frage keine praktische Bedeutung zu, da auf die Verrechnung notwendigerweise stets die Saldobuchung (oder der Ausschluß des betreffenden Teilnehmers aus der Abrechnung) folgt (vgl. im übrigen Canaris W M 1976 1000).
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen Abrechnungsteilnehmern und außerhalb des Abrechnungsverfahrens stehenden Dritten Die Erfüllung durch Abrechnung kann Reflexwirkungen zugunsten von Dritten 9 1 0 haben, die an dem Verfahren nicht beteiligt sind. S o wird z. B. der aufschiebend bedingte Anspruch aus der Gutschrift eines zum Inkasso gegebenen Forderungspapiers unbedingt, wenn dieses im Abrechnungsverfahren eingelöst wird. Im Giroüberweisungsverkehr erlangt der Uberweisungsbegünstigte einen Anspruch auf Gutschrift, sobald seine Bank den betreffenden Betrag durch Abrechnung empfangen hat. Dieser Anspruch ist sogar „stärker" als bei einer Durchführung der Uberweisung mit Hilfe einer zwischen den beiden Banken bestehenden Kontoverbindung, da die Empfängerbank hier stets wertmäßige Deckung erlangt hat und der Anspruch auf die Gutschrift daher nicht mehr an deren Fehlen scheitern kann (vgl. dazu im übrigen oben Rdn. 402); die Möglichkeit eines Widerrufs bis zur Entstehung des Anspruchs aus der Gutschrift besteht allerdings auch hier. Aus der Einbeziehung von Papieren in die Abrechnung können sich auch Nachteile 9 1 1 für Dritte ergeben. D a s kommt vor allem bei Nichteinlösung eines über die Abrechnung vorgelegten Forderungspapiers und Zusammenbruch der vorlegenden Bank in Betracht. Hier hat der Bezogene nämlich seiner Bank grundsätzich aus positiver Forderungsverletzung oder aus § 670 B G B den Schaden zu ersetzen, den diese bei einer Rückgabe des Papiers nach Ziff. 17 V ff der Geschäftsbestimmungen erleidet, wenn sie ihren obligatorischen Anspruch aus Ziff. 17 X (oder aus § 812 B G B ) gegen den zusammengebrochenen Abrechnungsteilnehmer nicht mehr realisieren kann (vgl. näher oben Rdn. 672).
V. Die Beendigung der Teilnahme am Abrechnungsverkehr Nach Ziff. 20 II der Geschäftsbestimmungen setzt die Abrechnungsstelle bei man- 9 1 2 gelnder Deckung eines Sollsaldos dem betreffenden Abrechnungsteilnehmer eine Frist zur Anschaffung des erforderlichen Betrages. Verstreicht diese Frist ungenutzt, so ist die Abrechnung nicht zustande gekommen und wird gemäß Ziff. 20 II 3 ohne den zahlungsunfähigen Teilnehmer, der nach Ziff. 5 ohne weiteres von der Teilnahme am Abrechnungsverkehr ausgeschlossen ist, erneut vorgenommen. Die Klausel, die offenbar eine Reaktion auf die Entscheidung des O L G H a m b u r g SeuffArch. 58 Nr. 74 darstellt, dient dem Schutz der Bundesbank und soll diese vor dem Dilemma bewahren, Claus-Wilhelm Canaris
475
7. Abschnitt. Der Abrechnungsverkehr
entweder die Abrechnung nicht abschließen zu können oder einzelnen Teilnehmern Kredit geben zu müssen, was ihrer Funktion als bloßer Vermittlerin des Abrechnungsverkehrs widerspräche. Dogmatisch ist Ziff. 20 II dahin zu deuten, daß die Abrechnung eines laufenden Tages, also insbesondere die zur Skontration führenden Verfügungsverträge unter der auflösenden Bedingung des Ausschlusses eines Teilnehmers stehen (vgl. Teschemacher Z H R 67 432; Canaris W M 1976 1005). 913
Eine Beendigung der Teilnahme am Abrechnungsverkehr kann ferner von beiden Seiten jederzeit durch eine fristlose Kündigung gemäß Ziff. 4 der Geschäftsbestimmungen herbeigeführt werden. Wird die Kündigung von der Bundesbank vorgenommen, ist freilich entgegen dem Wortlaut von Ziff. 4 ein wichtiger Grund für den Ausschluß zu fordern, an dessen Vorliegen verhältnismäßig strenge Anforderungen zu stellen sind. Denn da die Bundesbank sich durch den Abrechnungsverkehr einer ihr in § 3 BBankG übertragenen gesetzlichen Aufgabe mit den Mitteln des Privatrechts entledigt und da sie überdies auf dem Gebiete des Abrechnungsverkehrs eine Monopolstellung besitzt, hat sie insoweit nicht die Freiheit privatautonomer Gestaltung.
914
Der praktisch bei weitem wichtigste Anlaß für eine solche Kündigung ist die Entziehung der Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 35 II KWG. Wird diese vor dem Abrechnungstermin wirksam, so hat die Bundesbank die Kündigung in aller Regel schon deshalb auszusprechen, weil die weitere Mitwirkung des betreffenden Abrechnungsteilnehmers eine strafbare Handlung gemäß § 54 K W G wäre und die Bundesbank sich an einer solchen nicht beteiligen darf (vgl. näher Canaris W M 1976 1008 f). Bei einer Entziehung nach dem Abrechnungstermin besteht dagegen diese Gefahr nicht, da dann eine Mitwirkung des betreffenden Teilnehmers nicht mehr in Betracht kommt. Die Bundesbank braucht ihn daher nicht auszuschließen, kann es aber tun, wenn sie schon vor dem Abrechnungstermin Kenntnis von der bevorstehenden Schließung erlangt (vgl. Canaris W M 1976 1015 f); eine Rechtspflicht gegenüber den übrigen Abrechnungsteilnehmern besteht weder in der einen noch in der anderen Richtung, da jedes Verhalten der Bundesbank zu einer für sie nicht überschaubaren Schädigung von Abrechnungsteilnehmern führen kann und folglich eine Kollision gleichrangiger Interessen vorliegt (vgl. Canaris W M 1976 1013; im wesentlichen übereinstimmend B G H W M 1978 588, 589). Erlangt die Bundesbank erst nach dem Abrechnungstermin Kenntnis von der (bevorstehenden oder erfolgten) Schließung, so ist ein Ausschluß mit Wirkung für den laufenden Tag nicht mehr möglich, weil im Abrechnungstermin die Saldoforderungen und -schulden entstanden sind (vgl. oben Rdn. 903) und die Bundesbank diese und die ihnen zugrunde liegende Verrechnungswirkung nachträglich nicht mehr beseitigen kann (vgl. eingehend Canaris W M 1976 1009 ff).
915
Ähnliche Grundsätze gelten bei Zahlungseinstellung eines Abrechnungsteilnehmers. Erfolgt diese erst nach dem Abrechnungstermin oder wird sie der Bundesbank erst jetzt bekannt, so kommt eine Ausschließung nicht mehr in Betracht, weil die Skontration im Abrechnungstermin in nicht mehr rückgängig zu machender Weise erfolgt ist. Vor dem Abrechnungstermin ist ein Ausschluß zwar rechtlich möglich und grundsätzlich zulässig, doch hat die Bundesbank gegenüber den übrigen Abrechnungsteilnehmern keine Rechtspflicht zu einem derartigen Vorgehen; denn ebenso wenig wie im Falle der Erlaubnisentziehung kann man von ihr verlangen, „Schicksal zu spielen" und das Insolvenzrisiko mehr oder weniger blind von einem Teil der Abrechnungsteilnehmer (oder deren Kunden) auf einen anderen Teil (oder deren Kunden) zu verlagern. Freilich wird in derartigen Fällen häufig Ziff. 20 II der Geschäftsbestimmungen zu einem Ausschluß des Abrechnungsteilnehmers führen, doch braucht das nicht der Fall zu sein wie z. B., wenn die Skontration zu einem aktiven Saldo für ihn führt. 476
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
8. Abschnitt Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso Systematische
Übersicht
Rein. I. Begriff und Wesen des Akkreditivgeschäfts 1. Z w e c k e und F u n k t i o n e n des A k k r e ditivgeschäfts 2. T e c h n i k und G r u n d b e g r i f f e des Akkreditivgeschäfts 3. Die R e c h t s n a t u r des Akkreditivgeschäfts a) Akkreditiv und A n w e i s u n g . . . b) Die R e c h t s n a t u r d e r Beziehungen zwischen den Beteiligten . . II. Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Akkreditive ( E R G ) 1. Die R e c h t s n a t u r der E R G 2. Die G e l t u n g der E R G 3. Die A u s l e g u n g d e r E R G 4. D a s Verhältnis d e r E R G zu a n d e r e n Bestimmungen 5. D e r T e x t d e r E R G III. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und seiner Bank 1. D e r V e r t r a g s s c h l u ß 2. Die A u s f ü h r u n g s p f l i c h t 3. Die Pflicht der Bank z u r B e a c h t u n g d e r W e i s u n g e n des A k k r e d i t i v - A u f t r a g g e b e r s und d e r Akkreditivbedingungen a) D e r G r u n d s a t z d e r Akkreditivund Dokumentenstrenge . . . . b) Die Zulässigkeit von Abweic h u n g e n g e m ä ß 5 665 S. 2 BGB und g e m ä ß § 242 B G B c) G e n e h m i g u n g d e r A b w e i c h u n g u n d verspätete R ü g e d) Die R e c h t s f o l g e n von Abweichungen e) Die wichtigsten Akkreditivbedingungen 4. Die P r ü f u n g s p f l i c h t d e r Bank bei der A u f n a h m e d e r D o k u m e n t e a) b)
Der Gegenstand pflicht D e r Maßstab pflicht und die zum Grundsatz tenstrenge
Rdn. c)
916 919
920 922
925 928 930 934 935
936 939
942
944 947 949 952
der P r ü f u n g s 957 der PrüfungsRechtsprechung der D o k u m e n 962
Die T r a g u n g des Fälschungsrisikos und die Freizeichnung g e m ä ß Art. 9 E R G 5. Die Beratungspflicht d e r Bank . . . 6. D e r W i d e r r u f des A k k r e d i t i v a u f trags 7. Die Pflichten des A k k r e d i t i v - A u f traggebers 8. Die S i c h e r u n g s r e c h t e d e r Bank an den D o k u m e n t e n IV. Die Rechtsverhältnisse im mehrgliedrigen Akkreditiwerkehr 1. Die A u f g a b e n d e r zweiten Bank . . . 2. Die R e c h t s b e z i e h u n g e n d e r B a n k e n untereinander 3. A u s w i r k u n g e n auf die Rechtsbezieh u n g e n des A k k r e d i t i v - A u f t r a g g e bers zu seiner Bank 4. Die R e c h t s b e z i e h u n g e n des A k k r e ditiv-Auftraggebers z u d e r zweitbea u f t r a g t e n Bank 5. A u s w i r k u n g e n auf die Rechtsstellung des Begünstigten V. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Begünstigten und der Akkreditivbank sowie der Bestätigungsbank 1. Die Rechtsstellung des Begünstigten vor E r ö f f n u n g bzw. Bestätigung des Akkreditivs 2. Erteilung und R e c h t s n a t u r des Z a h lungsversprechens d u r c h E r ö f f n u n g o d e r Bestätigung des Akkreditivs a) D e r V e r t r a g s s c h l u ß zwischen dem Begünstigten und der A k k r e d i t i v b a n k o d e r der Bestätigungsbank b) D e r maßgebliche V e r t r a g s t y p u s c) Die A b g r e n z u n g zwischen einer rechtsgeschäftlichen V e r p f l i c h t u n g und einer bloßen Mitteilung (Avis) d) D a s Verhältnis zwischen E r ö f f nung und Bestätigung des Akkreditivs 3. Die T a t b e s t a n d s v o r a u s s e t z u n g e n des A n s p r u c h s aus d e r A k k r e d i t i v e r ö f f n u n g o d e r -bestätigung
Claus-Wilhelm Canaris
964 966 967 968 970
971 972
974
977 978
981
982 984
986
987
477
8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso Rdn.
Rdn. a)
W i d e r r u f l i c h e s und u n w i d e r r u f liches Akkreditiv
4.
5.
6.
Die fristgerechte P r ä s e n t a t i o n akkreditivkonformer Dokumente c) Die einzelnen D o k u m e n t e . . . . Einwendungsausschluß und Bereicherungsausgleich a) Die R e c h t s g r u n d l a g e des Einw e n d u n g s a u s s c h l u s s e s u n d die Einteilung d e r E i n w e n d u n g e n . b) E i n w e n d u n g e n aus dem R e c h t s verhältnis zwischen d e r Bank u n d dem Begünstigten c) E i n w e n d u n g e n aus dem D e k kungsverhältnis d) E i n w e n d u n g e n aus dem V a l u t a verhältnis e) E i n w e n d u n g e n bei gleichzeitiger U n w i r k s a m k e i t von D e c k u n g s u n d Valutaverhältnis f) E i n w e n d u n g e n bei Fehlen einer wirksamen Akkreditivanweisung Die Ü b e r t r a g u n g des Akkreditivs a) D a s „ u n ü b e r t r a g b a r e " A k k r e d i tiv b) D a s „ ü b e r t r a g b a r e " Akkreditiv . c) D a s U n t e r - o d e r G e g e n a k k r e d i tiv u n d der B a c k - t o - B a c k - C r e d i t Die P f ä n d u n g d e r R e c h t e aus d e r A k k r e d i t i v e r ö f f n u n g o d e r -bestätigung
988
3.
b)
VI. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber (Käufer) und dem Begünstigten (Verkäufer) 1. D e r E i n f l u ß der Akkreditivklausel auf das Valutaverhältnis a) Die Pflichten der Parteien u n d ihr Verhältnis z u e i n a n d e r . . . . b) Die N i c h t e r f ü l l u n g d e r Pflichten aus dem Kausalverhältnis und ihre R e c h t s f o l g e n 2. Die W i r k u n g der A k k r e d i t i v e r ö f f n u n g im Valutaverhältnis a) Die A k k r e d i t i v e r ö f f n u n g als Leistung e r f ü l l u n g s h a l b e r b) D e r Einfluß auf die K a u s a l f o r derung
990 997
1004
VII. D i e Beendigung des Akkreditivgeschäfts 1007 1010 1012
1026 1027
1030 1034 1042
1044
1047
1050
1055 1057
Alphabetische Akkreditiv A n w e i s u n g im weiteren Sinn 920 f, 972 Fälligkeit des Z a h l u n g s a n s p r u c h s 955 freies 916 mit h i n a u s g e s c h o b e n e r Z a h l u n g 955, 1045 R e c h t s n a t u r 920 ff T e i l ü b e r t r a g u n g 1038 Ü b e r t r a g u n g 1029 ff, 1043, 1046
478
c) Die G e f a h r t r a g u n g 1061 Fehlen u n d M a n g e l h a f t i g k e i t des Valutaverhältnisses a) D e r Einfluß von M ä n g e l n des Valutaverhältnisses auf das Recht zur Geltendmachung der Akkreditivforderung und die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes 1064 b) Die Rechtslage bei M ä n g e l n des Valutaverhältnisses nach A u s z a h l u n g des Akkreditivbetrags . 1071
1. 2.
Aufhebungsvertrag und Kündigung . T o d u n d Eintritt d e r G e s c h ä f t s u n f ä higkeit 3. D e r K o n k u r s des A k k r e d i t i v a u f t r a g gebers ( K ä u f e r s ) a) Die Rechtsstellung des B e g ü n stigten ( V e r k ä u f e r s ) b) Die Rechtsstellung d e r Bank . . 4. D e r Konkurs des Begünstigten (Verkäufers) 5. D e r K o n k u r s d e r Bank VIII. Sonderformen des Akkreditivgeschäfts und verwandte Tatbestände 1. D a s R e m b o u r s g e s c h ä f t a) Begriff u n d W e s e n des R e m boursgeschäfts b) Die rechtliche B e h a n d l u n g des Remboursgeschäfts 2. D e r Letter of Credit 3. Das D o k u m e n t e n i n k a s s o g e s c h ä f t a) Begriff und W e s e n des D o k u menteninkassogeschäfts b) D a s Rechtsverhältnis zwischen d e r Bank u n d dem D o k u m e n teneinreicher c) Besonderheiten beim mehrgliedrigen I n k a s s o v e r k e h r d) D a s Rechtsverhältnis zwischen der Inkassobank und dem Schuldner e) D a s Rechtsverhältnis zwischen dem V e r k ä u f e r u n d dem K ä u f e r f) D e r T e x t d e r „Einheitlichen Richtlinien f ü r das I n k a s s o von Handelspapieren"
Übersicht W i d e r r u f l i c h k e i t 954, 967, 988 ff A k k r e d i t i v a u f t r a g 936 ff A u f h e b u n g s v e r t r a g 1072 Inhalt 939 K ü n d i g u n g 1073 u n w i r k s a m e r 938, 1027 f A k k r e d i t i v a u f t r a g g e b e r 919, 936 ff Pflicht z u r Akkreditivstellung 1048
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
1072 1074
1075 1078 1080 1082
1085 1086 1087
1088
1089 1095
1098 1100
1101
8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso R ü g e p f l i c h t 9 4 7 f, 9 6 9 Tod
Bereicherungsansprüche
1074
A u f n a h m e unter V o r b e h a l t 9 9 4
Verwirkung 948
der B a n k gegen B e g ü n s t i g t e n 9 7 9 , 9 9 6 , 1 0 1 1 ,
Akkreditivavisierung 9 7 1 , 9 8 6 , 1041
1028
Akkreditivbank 919
Doppelmängel
Beratungspflicht 966
1026
bei N i c h t z a h l u n g d u r c h A k k r e d i t i v - A u f t r a g -
als E r f ü l l u n g s g e h i l f i n
1053
geber 9 4 6
Genehmigung weisungswidriger Handlungen
unwirksamer Akkreditivauftrag 9 3 8 , 1027 f
947
unwirksames Valutaverhältnis 1013, 1071
Leistungsverweigerungspflicht
B e s t ä t i g u n g s b a n k 9 7 1 s. a. A k k r e d i t i v b a n k
1024
Dokumentenprüfung 973
Mitteilungspflicht 9 4 0 Prüfungspflicht für Dokumente 9 5 6 ff R e c h t s f o l g e von A b w e i c h u n g e n 9 4 9
cif-Klausel 945, 1000
Weisungsgebundenheit 9 4 3 ff Zahlungsversprechen 982, 1020
devisenrechtliche Bestimmungen 9 6 6 , 1010, 1054
Akkreditivbedingungen
Deckungsverhältnis 920
Abfassung 9 6 6
E i n w e n d u n g e n 1 0 0 4 ff, 1 0 1 0 f
Einhaltung 9 3 9 ff
Geschäftsbesorgungsvertrag 923
I n h a l t 9 5 2 ff
Dokumente
Akkreditivbegünstigter
A u f n a h m e 9 5 6 f, 9 7 9
L i e f e r p f l i c h t 1048
Aufnahme unter V o r b e h a l t 9 9 4
Pflicht zur D o k u m e n t e n e i n r e i c h u n g
1048
A u s s o n d e r u n g s r e c h t des A u f t r a g g e b e r s
Rechtsstellung 981 ff, 1004, 1076
1083
Ausstellungsdatum 991
Verzichtsanspruch 1064 f
Fälschung 964 f
A k k r e d i t i v b e s t ä t i g u n g 9 7 1 , 9 8 0 f f , 1041 s . a .
Akkre-
ditiveröffnung
inhaltliche R i c h t i g k e i t 9 5 9 des k o m b i n i e r t e n T r a n s p o r t s 9 9 9
Akkreditivbetrag 9 5 3
mehrere Ausführungen 961, 9 9 7
E r s t a t t u n g s a n s p r u c h der B a n k 9 4 9 f, 9 5 4 , 9 6 8
ordnungswidrige 956, 9 7 0 , 979, 9 9 4 , 996, 1008
Erstattungsanspruch
Pfändung 1045
der z w e i t b e a u f t r a g t e n
Bank
972 f
Präsentation 9 5 3 , 9 5 5 , 9 9 0 ff
Fälligkeit 1 0 2 3
Prüfungsmaßstab 962 ff
Z a h l u n g s a n s p r u c h des B e g ü n s t i g t e n 9 5 7 , 9 7 9 ,
P r ü f u n g s p f l i c h t der A k k r e d i t i v b a n k 9 5 7 f f
981
P r ü f u n g s p f l i c h t der z w e i t b e a u f t r . B a n k 9 7 3
Akkreditiveröffnung 9 4 0 , 9 8 1 ff
reine 9 6 0 , 9 9 7
abstraktes Schuldversprechen 9 8 4 , 9 8 9 , 1004 Form 985
Sicherungsrechte der B a n k 9 7 0 D o k u m e n t e n a k k r e d i t i v s. ü b r . A k k r e d i t i v
gleichzeitige Bestätigung 9 8 7
Kreditfunktion 9 1 8 , 1042
Pfändung 1044 ff
Sicherungsfunktion 917, 986, 1004
Widerruf 1007
Zahlungsfunktion 9 1 6 D o k u m e n t e n i n k a s s o g e s c h ä f t 9 9 4 , 1088 ff
W i r k u n g im V a l u t a v e r h ä l t n i s 1 0 5 5 f f Akkreditivfrist 9 5 4 , 9 9 0 , 1008
m e h r g l i e d r i g e s 1 0 9 5 ff
A k k r e d i t i v k l a u s e l 9 1 9 , 1047 f f Unmöglichkeit
Dokumentenstrenge 942, 945, 962, 993, 1002,
1054
1048,
1100
Akkreditivstrenge 942, 945
Doppelmängel
A k k r e d i t i w e r k e h r , m e h r g l i e d r i g e r 9 1 9 , 9 7 1 ff
Drohung
1026
1020
Auswahlverschulden 975
Duplikatfrachtbrief
Haftung der zweitbeauftragten B a n k 9 7 7
Durchkonnossement 997
1047
Provision 972 z w e i t b e a u f t r a g t e B a n k als E r f ü l l u n g s g e h i l f i n 9 7 4 f, 9 7 8 f
und a n d e r e B e s t i m m u n g e n 9 3 4
Pfandrecht 970, 1009, 1079
Auslegung 9 3 0 ff
An-Bord-Konnossement 997 A n f e c h t u n g des S c h u l d v e r s p r e c h e n s arglistige T ä u s c h u n g
E i n h e i t l i c h e R i c h t l i n i e n und G e b r ä u c h e für A k k r e d i tive ( E R G )
Allgemeine Geschäftsbedingungen
Geltung 928 f
1007
R e c h t s n a t u r 9 2 5 ff, 9 3 2
1020
Sprachen 933
Arrest 1065 ff
Text 935
Aufrechnung 1060
E i n h e i t l i c h e R i c h t l i n i e f ü r das I n k a s s o v o n H a n d e l s -
Avisbank 971
papieren ( E R I )
Haftung gegenüber Begünstigtem 978 W e i t e r l e i t u n g s p f l i c h t f. D o k u m e n t e 9 7 3
1101
Einstweilige V e r f ü g u n g 1 0 2 5 , 1 0 6 5 f f Einwendungen
B a c k - t o - B a c k - C r e d i t 1042 f
bei A k k r e d i t i v ü b e r t r a g u n g 1 0 2 9 , 1 0 3 2 f, 1 0 3 6
Bankgarantie 994
A u s s c h l u ß 1 0 0 4 ff
Claus-Wilhelm Canaris
479
8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso B e w e i s b a r k e i t 1017, 1023 aus D e c k u n g s v e r h ä l t n i s 1010 f D o k u m e n t e n i n k a s s o 1099 aus V a l u t a v e r h ä l t n i s 1012 ff zulässige 1006 ff E i n z i e h u n g s e r m ä c h t i g u n g 1031, 1092 E i s e n b a h n f r a c h t b r i e f 998 E r f ü l l u n g s g e h i l f e 974 Erfüllungsort 979 E r p r e s s u n g 1020
des B e g ü n s t i g t e n 1052 P r ü f u n g s b e s c h e i n i g u n g e n 960
F ä l s c h u n g 1028 f a l s u s p r o c u r a t o r 1020, 1028 f a s - K l a u s e l 997 F i x g e s c h ä f t 1051 f o b - K l a u s e l 945, 9 9 7
S c h e i n g e s c h ä f t 1019 S p e d i t e u r - Ü b e r n a h m e - B e s c h e i n i g u n g 9 6 0 , 1049 S p e d i t e u r s k o n n o s s e m e n t 997, 999 Speditionsklausel 997 S t u n d u n g 1008, 1058
F o r d e r u n g s a b t r e t u n g 1014, 1029, 1031 f f , 1070 F o r m 936 f F r a c h t b r i e f d o p p e l 998 Freizeichnung d e r B a n k 9 4 1 , 9 5 1 , 964 f in D o k u m e n t e n 960 f ü r E r f ü l l u n g s g e h i l f e n 975, 1095 G e g e n a k k r e d i t i v 1042 Gesamtschuld 986 G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t 1020, 1028, 1074 H a n d e l s b r a u c h 926, 929 f, 981 F r e i z e i c h n u n g 941 i n t e r n a t i o n a l e r 1005 S c h r i f t f o r m 936 f H a n d e l s g e w o h n h e i t s r e c h t , weltweites 1004 H y p o t h e k e n b e s c h a f f u n g 1003 K a s s e gegen D o k u m e n t e 1100 Konkurs des A k k r e d i t i e r t e n 1060 d e r A k k r e d i t i v b a n k 1010, 1061, 1082 des A u f t r a g g e b e r s 1010, 1075 ff des Begünstigten 1080 f des D o k u m e n t e n e i n r e i c h e r s 1094 d e r Zahlstelle 9 8 7 K o n k u r s a n f e c h t u n g 1077, 1081 K o n k u r s a u f r e c h n u n g 1079, 1081 K o n n o s s e m e n t 960, 9 9 7 C a s p i a n a - K l a u s e l 960 Unbekannt-Klausel 960 V e r l a d u n g an D e c k - K l a u s e l 960 K o n t o , d e b i t o r i s c h e s 979 K o n t o k o r r e n t 1009 K o n t o p f ä n d u n g 9 7 9 , 1010 L a d e s c h e i n 998 L a g e r s c h e i n 1002 Letter of C r e d i t 1087 L i e f e r s c h e i n 1002 positive F o r d e r u n g s v e r l e t z u n g d e r A k k r e d i t i v b a n k 946, 951 des A u f t r a g g e b e r s 965, 1052
480
Q u a l i t ä t s z e r t i f i k a t 960, 1002, 1049 R e c h n u n g 1001 R e c h t s m i ß b r a u c h s e i n w a n d 989, 1015 ff, 1028, 1049, 1061 m a ß g e b l i c h e r Z e i t p u n k t 1023 R e m b o u r s g e s c h ä f t 1085
T r a d i t i o n s p a p i e r e 961 T r e u h a n d ü b e r t r a g u n g 1092 Ü b e r n a h m e k o n n o s s e m e n t 997 Ü b e r t r a g b a r k e i t s k l a u s e l 1034 f Ü b e r t r a g u n g s u r k u n d e 1037 U n m ö g l i c h k e i t 1022 U n t e r a k k r e d i t i v 1042 U r s p r u n g s z e u g n i s 1002 V a l u t a v e r h ä l t n i s 9 1 7 , 9 2 0 , 924, 940, 9 5 7 , 979, 1047 ff A b t r e t u n g 1014, 1060 b e t r ü g e r i s c h e s 1017, 1020 E i n w e n d u n g e n 1004 ff, 1012 ff E n t w e r t u n g s g e f a h r 1063 N i c h t e r f ü l l u n g 1050 ff P f ä n d u n g 1045 sittenwidriges 1017, 1019 u n w i r k s a m e s 1012, 1015 ff, 1064 v e r b o t e n e s 1015, 1019 V e r l u s t g e f a h r 1061 V e r z ö g e r u n g s g e f a h r 1062 V e r f a l l d a t u m 954, 990, 1060 N a c h f r i s t 990 V e r f ü g u n g , einstweilige 1025, 1065 V e r j ä h r u n g 1059 Verladefrist 990 V e r s i c h e r u n g s d o k u m e n t e 1000 V e r t r a g z u g u n s t e n D r i t t e r 981 V e r z u g 1022 V o l l m a c h t 1031, 1041 W ä h r u n g 953 Ware m a n g e l h a f t e 1012, 1021 P r ü f u n g 958, 963, 1049 W a r e n k o n t r o l l z e r t i f i k a t 963 W e r t p a p i e r k a u f 1003 Zahlstelle 971 D o k u m e n t e n p r ü f u n g 973 H a f t u n g gegenüber Begünstigtem 979 v o r b e h a l t l o s e A u f n a h m e 995 Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t 1009
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
Literatur Aden Der Arrest in den Auszahlungsanspruch des Akkreditivbegünstigten durch den Akkreditivauftraggeber, R I W / A W D 1976, 678 f f ; Angersbach Beiträge zum Institut des DokumentenAkkreditivs, Diss. Würzburg 1966; Bandomir Risikoaspekte bei Akkreditivbestätigungen, BankBetr. 1967, S. 169 ff; Baumhöfener Die doppelte Zustimmung der Akkreditivbank zur Übertragung von Dokumentenakkreditiven, W M 1969, 1462 ff; Borggrefe Akkreditiv und Grundverhältnis, 1971; Brüggemann Die Banktechnik des Auslandsgeschäfts, 3. Aufl. 1969; Burger Die Gestaltung der Zahlungsbedingungen im Ausfuhrgeschäft, A W D 1962, 305 ff; Capelle Das Akkreditivgeschäft, 1925; Eberth Erscheinungen im Recht und in der Praxis des Dokumentenakkreditivs in der Bundesrepublik Deutschland und in England, in: Rechtsfragen zum Dokumentenakkreditiv, 1976, S. 26 ff (zit. Eberth); derselbe Die Revision von 1974 der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche f ü r Dokumenten-Akkreditive, R I W / A W D 1975, 365 f f ; derselbe Die deutsche Rechtsprechung zum Dokumenten-Akkreditiv von 1970 bis 1976, R I W / A W D 1977, 522 ff; Eichhorn Das Dokumentenakkreditiv, 1953; Eisele Akkreditiv und Konkurs, Diss. Tübingen 1976; Eisemann/Eberth Das Dokumenten-Akkreditiv im internationalen Handelsverkehr, 2. Aufl. 1979; Erman Einwirkungen des Kaufvertragsverhältnisses auf die Akkreditiwerpflichtung der Bank, in: Geld, Kapital und Kredit, Festschrift f ü r Rittershausen 1968, S. 261 ff; Gessler Pfändungen in Akkreditive, Köln 1967; derselbe Die Verwertung von Dokumentenakkreditiven, A W D 1968, 293 ff; Gleisberg Die Prüfung von Dokumenten des kombinierten Transports beim DokumentenAkkreditiv, 1980; Gölte Das übertragbare Akkreditiv, BankBetr. 1963, 110 ff; Horn Norbert, Internationale Zahlungen und Akkreditiv, in: Horn/von Marschall/Rosenberg/Pavicevic 1977, S. 9 ff; Käser Das Dokumentenakkreditiv in Rechtsprechung und Gesetzgebung der Vereinigten Staaten von Amerika, RabelsZ 21 (1956), 73 ff; Kübler Feststellung und Garantie, 1967, S. 180 ff; Liesecke Dokumentenakkreditiv und Seefrachtgeschäft, W M 1961, 194 ff; derselbe Das Konnossement nach der Revision 1962 der „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für DokumentenAkkreditive", W M 1964, 1282 ff; derselbe Neuere Theorie und Praxis des Dokumentenakkreditivs, W M 1976, 258 ff; derselbe Die Stellung der kreditgebenden Bank beim Dokumenten-Inkasso und Dokumenten-Akkreditiv, Festschr. für Robert Fischer, 1979, S. 397 ff; Loeffler Der Einfluß des Käufer-Konkurses auf das Dokumenten-Akkreditiv-Geschäft, Diss. H a m b u r g 1969; Lücke Das Dokumentenakkreditiv in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Eine rechtsvergleichende Darstellung, Diss. Kiel 1976; Nielsen Auslandsgeschäft, in: Bankrecht und Bankpraxis Bd. I, 1978; derselbe Dokumentenstrenge im Akkreditivgeschäft bei Abweichungen in den vorgelegten Dokumenten, W M 1962, 778 ff; derselbe Selbständige Abtretbarkeit des Zahlungsanspruchs aus einem Akkreditiv, DB 1964, 1727 ff; Obermüller Manfred, Die Bank im Konkurs ihres Kunden, 1972, S. 91 ff; Obermüller Walter, Sicherungsrechte der Bank beim Dokumenteninkasso, Festschr. f ü r Bärmann, 1975, S. 709 ff; Ohlig Konnossementsvermerk „Verladen an Deck" und Akkreditivbestimmungen, A W D 1963, 142 f; Ottersbach Akkreditiv und Bankvertrag, DB 1958, 1384 f; Peters Rechtsprobleme des Akkreditivgeschäfts, W M 1978, 1030 ff; Petersen Die H a f t u n g der bestätigenden Bank aus einem unwiderruflichen Dokumentenakkreditiv, W M 1961, 1182 ff; derselbe Die Verpflichtung der Akkreditivbanken zur Aufnahme und Honorierung bei Abweichungen in den vorgelegten Dokumenten, W M 1962, 622 f; Pilger Einstweiliger Rechtsschutz des Käufers und Akkreditivstellers wegen Gewährleistung durch Arrest in den Auszahlungsanspruch des Akkreditivbegünstigten? R I W / A W D 1979, 588 ff; Rückert Verpflichtungen der Banken aus unwiderruflichen Akkreditiven, Diss. Mainz 1960; Schärrer Die Rechtsstellung des Begünstigten im Dokumenten-Akkreditiv, 1980; Schinnerer Zur Neufassung der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche f ü r Dokumentenakkreditive, ö Z f R V 1963, 207 ff; derselbe U m ein Recht des internationalen Handels, ö Z f R V 1968, 185 ff; Schinnerer/Avancini Bankverträge III. Teil, 3. Aufl. 1976; Schlegelberger/Hefermehl Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 1976, Anhang zu § 365 Rdn. 139 ff; Schönle Die Rechtsnatur der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche f ü r Dokumentenakkreditive, N J W 1968, 726 ff; derselbe Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, § 8 VIII; Schuberts Akkreditiv, BB 1952, 128 ff; Schütz Abtretung und Pfändung im Akkreditiwerkehr, BB 1964, 332 ff; Schütze Zur Auslegung von Artikel 34 der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive, W M 1963, 578 f f ; Sichtermann Dokumentenmängel beim Dokumentenakkreditiv, DB 1954, 552 ff; Stauder Die Übertragung des Dokumentenakkreditivs, A W D 1968, 46 ff; derselbe Rechtsfragen beim Unterakkreditiv, A W D 1969, 385 ff; derselbe Das Dokumentenakkreditiv mit Claus-Wilhelm Canaris
481
8. Abschnitt. A k k r e d i t i v g e s c h ä f t und D o k u m e n t e n i n k a s s o h i n a u s g e s c h o b e n e r Z a h l u n g , Festschr. für A d o l f F. Schnitzer, 1979, S. 4 3 3 ff; Steindorff Das Akkreditiv im Internationalen Privatrecht der Schuldverträge, Festschr. für v o n C a e m m e r e r , 1978, S. 761 ff; Ulmer Akkreditiv und A n w e i s u n g , A c P 126, 129 ff und 2 5 7 ff; Vanderhoeght Das D o k u m e n t e n a k k r e d i t i v , 1955; Wessely D i e U n a b h ä n g i g k e i t der A k k r e d i t i w e r p f l i c h t u n g v o n D e k k u n g s b e z i e h u n g und Kaufvertrag, 1975; Graf von Westphalen R e c h t s p r o b l e m e der E x p o r t f i n a n zierung, 2. Aufl. 1978; derselbe D i e Einheitlichen Richtlinien und G e b r ä u c h e für D o k u m e n t e n Akkreditive ( 1 9 7 4 ) und die Einheitlichen Richtlinien für Inkassi im Licht des A G B - G e s e t z e s , W M 1980, 178 ff; Wiele D a s D o k u m e n t e n - A k k r e d i t i v und der anglo-amerikanische D o c u m e n t a r y Letter of Credit, 1975; Witte-Wegmann S t ö r u n g e n im Dreiecksverhältnis — dargestellt am D o k u mentenakkreditiv, JuS 1975, 137 ff; Wolff D a s Akkreditiv, J W 1922, 7 7 0 ff; Zahn Z a h l u n g und Zahlungssicherung im A u ß e n h a n d e l , 5. Aufl. 1976; derselbe N a t i o n a l e R e c h t s e l e m e n t e im W i d e r streit mit der internationalen Praxis des A u ß e n h a n d e l s , in: Geld, Kapital und Kredit, Festschr. für Rittershausen, 1968.
I. Begriff und W e s e n des Akkreditivgeschäfts 1. Zwecke und Funktionen des Akkreditivgeschäfts 916 Das Akkreditivgeschäft ist in erster Linie ein Mittel des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und hat daher ähnlich wie das Giro- und das Scheckgeschäft Zahlungsfunktion1. Das gilt sowohl für das einfache (freie, offene) Akkreditiv als auch für das wesentlich weiter verbreitete Dokumentenakkreditiv, bei dem die Zahlung nicht nur wie beim einfachen Akkreditiv die Legitimation des Begünstigten, sondern zusätzlich die Einreichung bestimmter Dokumente voraussetzt. Praktische Bedeutung hat das Dokumentenakkreditiv vor allem für die Finanzierung von Außenhandelsgeschäften. Es kommt jedoch auch bei inländischen Geschäften vor und kann z. B. in einer „bankbestätigten Zahlungsanweisung" — etwa im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Bauvorhabens — zu sehen sein (vgl. OLG Schleswig W M 1980 48, 49). 917
Neben der Zahlungsfunktion hat das Dokumentenakkreditiv zugleich Sicherungsfunktion 2 . Diese kommt grundsätzlich beiden Parteien des Valutaverhältnisses, das meist ein Kaufvertrag ist, zugute. Die Sicherung des Käufers liegt dabei darin, daß die von ihm eingeschaltete Bank Zahlung nur gegen Aushändigung der Dokumente leistet, mit deren Hilfe Verfügungen über die Ware bereits vor deren Ubergabe möglich sind oder die zumindest die Absendung der Ware bescheinigen; der Käufer ist also weitgehend gegen das Risiko gesichert, Zahlung zu leisten, ohne die Ware zu erhalten. Die Sicherung des Verkäufers besteht in erster Linie darin, daß er durch die Akkreditiveröffnung einen selbständigen, von den jeweiligen Kausalverhältnissen grundsätzlich unabhängigen Anspruch gegen die Bank erhält (vgl. näher unten Rdn. 1004 ff). Er ist daher vor der — im Außenhandel besonders ernst zu nehmenden — Gefahr geschützt, daß er seine Ware aus der Hand gibt, ohne den Kaufpreis zu erhalten. Insbesondere wird ihm das Risiko der Zahlungsfähigkeit des Käufers — das er aus dem Ausland oft besonders schwer abschätzen kann — von der Bank abgenommen. Auch ist es für ihn von großem Vorteil, daß er das Geld grundsätzlich unabhängig von etwaigen Einwendungen aus seinem Kausalverhältnis zum Käufer (Valutaverhältnis) erhält; denn dadurch kehrt sich nicht nur die Klagelast um, sondern i. d. R. auch der Gerichtsstand, so daß der Verkäufer den Prozeß meist vor den Gerichten seines eigenen Landes, nach den Regeln des in diesem geltenden internationalen Privatrechts usw. führen kann. 1
Vgl. auch Ulmer AcP 126, 258 ff; Schlegelberger/ Hefermehl Rdn. 144; Scbönle § 8 VIII 1; Nielsen BuB 5/251; SchinnerenAvancini S. 13 f.
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2
Vgl. auch Zahn S. 23; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 143; Nielsen BuB 5/251; von Westphalen S. 121; Schinnerer/Avancini S. 13 f; Eisemann/ Eberth S. 54 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
Schließlich kann das Akkreditivgeschäft auch Kreditfunktion haben 3 . Diese kann 9 1 8 sich schon daraus ergeben, daß die Bank die Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Begünstigten eingeht, ohne von dem Akkreditivauftraggeber Deckung erhalten zu haben. Die Dokumente dienen der Bank dann i. d. R. als Sicherheit. Auch sonst wird es f ü r den Käufer oft nahe liegen, der Bank die Dokumente als Sicherheit für einen Kredit anzubieten, den er — z. B. zur Überbrückung der Zeit bis zur Ankunft der W a r e — benötigt. Auf der anderen Seite kann auch für den Verkäufer das Zahlungsversprechen der Bank die Grundlage für die Beschaffung eines Kredits sein, doch handelt es sich dann nicht mehr um eine Funktion des Akkreditivgeschäfts selbst, sondern um ein an dieses angelehntes selbständiges Geschäft. 2. Technik und Grundbegriffe des Akkreditivgeschäfts Dem Akkreditivgeschäft liegt in seiner einfachsten Form eine Dreiecksbeziehung 9 1 9 zugrunde. Es knüpft an das Valutaverhältnis, das meist ein Kaufvertrag ist, an. In diesem vereinbaren die Parteien in der sogenannten „Akkreditivklausel", daß und in welcher Weise der Käufer (Importeur) die Bezahlung des Kaufpreises durch die „Stellung eines Akkreditivs" zugunsten des Verkäufers (Exporteurs) gewährleisten soll. Der Käufer oder „Akkreditiv-Auftraggeber" beauftragt daraufhin eine auf sein Ersuchen und nach seinen Weisungen handelnde Bank, die „eröffnende Bank" oder „Akkreditivbank", gegen Ubergabe bestimmter Dokumente und bei Erfüllung der vorgeschriebenen Bedingungen Zahlung an den Verkäufer, den „Begünstigten", bzw. an dessen Order zu leisten. Die Akkreditivbank teilt anschließend dem Begünstigten die „Eröffnung des Akkreditivs" mit und gibt diesem gegenüber ein Zahlungsversprechen ab, das widerruflich oder unwiderruflich sein kann und die Einreichung der Dokumente zur Voraussetzung hat. Meist, insbesondere im Außenhandel, tritt die Akkreditivbank freilich nicht unmittelbar an den Begünstigten heran, sondern beauftragt damit eine „Korrespondenzbank" im Lande des Begünstigten, so daß aus dem Dreiecks- ein Vierecksverhältnis wird. Nach Erhalt des Zahlungsversprechens bringt der Akkreditivbegünstigte (und Verkäufer) sodann die Ware auf den Weg. Nach Einreichung der D o k u mente leistet die Bank nunmehr die Zahlung an ihn und gibt die Dokumente an den Akkreditivauftraggeber weiter bzw., wenn es sich um eine Korrespondenzbank handelt, an die Akkreditivbank, die sie dann ihrerseits dem Akkreditiv-Auftraggeber zukommen läßt. 3. Die Rechtsnatur des Akkreditivgeschäfts a) Akkreditiv und Anweisung Das Akkreditiv stellt keine echte Anweisung i. S. der §§ 783 ff BGB dar, da dem 9 2 0 Begünstigten keine Ermächtigungsurkunde vom Akkreditivauftraggeber ausgehändigt wird und da somit die Voraussetzungen des 5 783 BGB nicht erfüllt sind. Jedoch wird in der Literatur nicht selten die Ansicht vertreten, daß das Akkreditiv eine Anweisung im weiteren Sinne darstellt und daß daher die Vorschriften der §§ 783 ff BGB zumindest teilweise entsprechend angewendet werden können 4 . In der T a t besteht insofern eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen dem Akkreditiv und der Anweisung, als es sich auch hier um einen Fall der Simultanleistung handelt (vgl. zum Begriff näher oben 3
Vgl. a u c h Zahn S. 23 f ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 144 a. E . ; Nielsen BuB 5 / 2 5 1 ; von Weitpbalen S. 121; Eisemann/Eberth S. 55.
4
Vgl. z. B. Ulmer A c P 126, 297 f f ; von Caemmerer J Z 1959, 3 6 4 ; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 215; a. A. Wiele S. 3 3 f ; Zahn S. 2 6 ; Schönle § 8 V I I I 2 b (2 a ) ; Nielsen 1034.
Claus-Wilhelm Canaris
BuB 5 / 2 6 4 ; Peters T M
1978,
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso Rdn. 322); denn die Zahlung der Bank an den Begünstigten stellt gleichzeitig („simultan") eine Leistung der Bank an den Akkreditiv-Auftraggeber im Deckungsverhältnis und eine Leistung des Akkreditiv-Auftraggebers an den Begünstigten im Valutaverhältnis dar. Es liegt daher insoweit ebenso wie bei der echten Anweisung i. S. der §§ 783 ff BGB und den anerkannten Fällen von Anweisungen im weiteren Sinne wie z. B. der Giroüberweisung oder der Scheckzahlung. Es erscheint deshalb sinnvoll, auch beim Akkreditiv von einer Anweisung i. w. S. zu sprechen, um die Verwandtschaft mit den übrigen Figuren der Simultanleistung deutlich zu machen. Die Unterschiede gegenüber der echten Anweisung i. S. der §§ 783 ff BGB dürfen dabei zwar nicht übersehen werden, wiegen jedoch nicht so schwer, daß sie die Gemeinsamkeiten völlig zurückdrängen. Insbesondere steht nicht entgegen, daß die Anweisung nur eine Ermächtigung zur Leistung beinhaltet, das Akkreditiv die Bank aber auch verpflichtet; denn dies ist z. B. auch bei der Giroüberweisung der Fall, die aber gleichwohl als Anweisung i. w. S. angesehen wird (vgl. oben Rdn. 322), und läßt sich überdies unschwer durch den — ohnehin unerläßlichen — Rückgriff auf das Kausalverhältnis zwischen der Bank und ihrem Auftraggeber erklären. 921
Folglich ist eine analoge Anwendung der §§ 783 ff BGB grundsätzlich zulässig. So ist z. B. § 784 I H S 2 BGB mit der herrschenden und richtigen Ansicht entsprechend anzuwenden (vgl. näher unten Rdn. 1005 m. Nachw.). Das gleiche gilt für § 788 BGB (vgl. unten Rdn. 1055) und für $ 790 BGB (vgl. unten Rdn. 967). Die Analogie darf jedoch nicht schematisch und pauschal bejaht werden und hat insbesondere dort zu unterbleiben, wo sie mit den Besonderheiten des Akkreditivs — wie z. B. dem Fehlen einer Urkunde — oder mit den für dieses geltenden Sonderregeln in Widerspruch steht. b) Die Rechtsnatur der Beziehungen zwischen den Beteiligten
922
Auch wenn man mit der hier vertretenen Ansicht das Akkreditiv als Anweisung i. w. S. qualifiziert, ist damit dessen Rechtsnatur nicht erschöpfend beschrieben. Vielmehr bleibt auch von diesem Standpunkt aus die Notwendigkeit bestehen, die Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Beteiligten noch gesondert zu untersuchen; die Anweisungskonstruktion vermag also die Rechtsnatur des Akkreditivs nicht vollständig zu erklären, hat aber immerhin den Wert, daß sie den inneren Zusammenhang zwischen den einzelnen Rechtsverhältnissen deutlich macht und begrifflich erfaßt 5 .
923
Was zunächst das Rechtsverhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und der Akkreditivbank betrifft, so ist dieses mit der Rechtsprechung und der h. L. als Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, gemäß §§ 675, 631 BGB anzusehen 6 . Denn die Bank verpflichtet sich durch den Vertrag mit dem Auftraggeber, unter bestimmten Voraussetzungen an den Begünstigten zu zahlen, also einen bestimmten Erfolg herbeizuführen und nicht lediglich ihre Dienste zur Verfügung zu stellen. Ebenso wie der Giro- und der Scheckvertrag ist der Akkreditivauftrag ein entgeltlicher und daher auch ein gegenseitiger Vertrag.
924
Im Verhältnis zwischen der akkreditiv-eröffnenden Bank und dem Begünstigten liegt ein abstraktes Schuldversprechen gemäß § 780 BGB vor (vgl. näher unten Rdn. 984). Das Valutaverhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und dem 5
Das verkennen z. B. Wiele und Schönte a a O (wie vorige Fn.). ' Vgl. R G Z 106, 26, 27; 107, 7, 8; 114, 266, 270; B G H W M 1958, 1542, 1543; Capelle S. 61; /
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Ulmer A c P 126, 280; Wiele S. 34 f; Zahn S. 34 f; Borggrefe S. 17; Schlegelherger/Hefermehl Rdn. 155; Schönle § 8 VIII 2 b (2 a).
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Die einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Akkreditive (ERG)
Begünstigten kann grundsätzlich durch jeden beliebigen Schuldvertrag gebildet werden, doch liegt typischerweise ein Kaufvertrag vor (vgl. im übrigen unten Rdn. 1047 ff).
II. Die einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Akkreditive (ERG) 1. Die Rechtsnatur der ERG Das Recht des Akkreditivs wird mangels einer gesetzlichen Regelung heute weitge- 9 2 5 hend durch die „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive" (ERG) bestimmt. Sie wurden 1933 von der Internationalen Handelskammer auf deren 7. Kongreß in Wien aufgestellt und in den Jahren 1951, 1962 und 1974 revidiert. Wegen ihrer internationalen Verbreitung und nahezu lückenlosen Befolgung wird mitunter versucht, ihre Rechtsnatur unabhängig vom jeweils anwendbaren nationalen Recht zu bestimmen. Derartige Bemühungen sind jedoch aus rechtsquellentheoretischen Gründen von vornherein aussichtslos, da die Internationale Handelskammer unzweifelhaft keine Rechtssetzungshoheit besitzt. Die ERG sind daher keine internationale Rechtsordnung „sui generis"7 und auch kein „normatives Regelwerk" 8 ; wenn in diesem Zusammenhang von der „Notwendigkeit" die Rede ist, den ERG „als Ausdruck des faktisch (!) Üblichen unabhängig von der Parteivereinbarung rechtsgestaltende (!) Wirkung zuzusprechen" 9 , so tritt darin die unzulässige Vermengung von Faktizität und Normativität unverhüllt zu Tage. Ebenso verfehlt ist es, die Geltung der ERG auf einen „weltweiten einheitlichen Handelsbrauch" ohne Anknüpfung an den jeweiligen Einzelvertrag zurückzuführen 1 0 ; demgegenüber ist es eine rechtsquellentheoretische Selbstverständlichkeit, daß Handelsbräuche nur nach Maßgabe des einschlägigen nationalen Rechts Relevanz erlangen und folglich nach der deutschen lex lata nur auf dem Umweg über die Auslegung und Ergänzung von Rechtsgeschäften gemäß §§ 157 BGB, 346 H G B wirksam werden 1 1 . Keine grundsätzlichen Bedenken rechtsquellentheoretischer Art bestehen demge- 9 2 6 genüber dagegen, die ERG als Gewohnheitsrecht 12 oder als Handelsbräuche i. S. von § 346 H G B 1 3 anzusehen. Insoweit dürften jedoch bezüglich der Bestimmungen in ihrer Gesamtheit die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sein 14 . Schon die wie7
Vgl. a u c h Kübler Feststellung u n d G a r a n t i e , 1967, S. 198; Schönle N J W 1968, 7 2 6 f m. w. N a c h w . ; Wessely S. 43 f ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 148; Nielsen BuB 5 / 2 5 6 ; von Westphalen S. 122; a. A. Eisemann R e c h t u n d P r a x i s des Dokumentenakkreditivs, 1963, S. 81 f und A W D 1963, 139 u n d 142.
8
S o a b e r Eisemann/Eberth S. 49, w o freilich n i c h t g a n z deutlich w i r d , o b d a s eine u n v e r ä n d e r t e F o r t f ü h r u n g o d e r eine M o d i f i k a t i o n des f r ü h e r v o n E i s e m a n n v e r t r e t e n e n S t a n d p u n k t s sein soll; a. A. mit R e c h t von Westphalen W M 1980, 179.
' S o Eisemann/Eberth S. 48. S o Schinnerer/Avancini S. 3 f mit Fn. 7 u n d 8 ; ähnlich s c h o n Schinnerer Z f R V 1968, 185; kritisch mit R e c h t Schönle N J W 1968, 726. 11 Z u r B e d e u t u n g d e r H a n d e l s b r ä u c h e als A u s l e gungselement vgl. e i n g e h e n d Capelle/Canaris H a n d e l s r e c h t 1 9 , 1980, § 13 I 1 u n d 3. 12 S o v o r allem Herold/Lippisch Bank- und Börsenr e c h t 2 , 1962, S. 51 u n d ( b e z ü g l i c h e i n z e l n e r K l a u seln) Wessely S. 47 ff, 56 f ; a. A . z. B. Schönle 10
N J W 1968, 7 2 7 f m. w. N a c h w . ; Schlegelbergerl Hefermehl R d n . 148. '3 Vgl. B G H W M 1958, 456, 459 in einem - viel z u w e i t g e h e n d e n — o b i t e r d i c t u m ; Horn S. 13 f ; Zahn S. 8 f. E n t g e g e n Z a h n s A n s i c h t (vgl. S. 9) g e n ü g t ein „ H a n d e l s b r a u c h , d a ß A k k r e d i t i v e n a c h den E R d e r I H K in i h r e r jeweils g e l t e n d e n Fass u n g a b g e w i c k e l t w e r d e n " , keinesfalls f ü r die A n n a h m e , d a ß die E R G a u c h ihrem gesamten Inhalt nach H a n d e l s b r a u c h s i n d ; a u c h scheint Z a h n bei seinem B e m ü h e n , die E R G v o n einer n a t i o n a l e n Billigkeitskontrolle f r e i z u h a l t e n , zu v e r k e n n e n , d a ß die h. L. an H a n d e l s b r ä u c h e ä h n liche K o n t r o l l m a ß s t ä b e anlegt w i e an A G B (vgl. n ä h e r u n t e n R d n . 929 A b s . 2). 14
Vgl. a u c h Liesecke W M 1966, 4 5 8 ; Schönle N J W 1968, 7 2 8 ; Sonnenberger Verkehrssitten im S c h u l d v e r t r a g , 1970, S. 76 f ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 148; von Westphalen S. 122 f ( u n t e r A u f g a b e d e r in d e r 1. Aufl. v e r t r e t e n e n a b w e i chenden Meinung).
Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
derholten Änderungen der ERG lassen es zweifelhaft erscheinen, ob ausnahmslos alle Klauseln den Anforderungen an Gewohnheitsrecht oder Handelsbrauch genügen. Außerdem enthalten die ERG keinesfalls nur die empirische Fest Stellung eines schon vorher allgemein befolgten Rechtszustandes, sondern beruhen vielmehr in weiten Teilen auf einer von Gerechtigkeits- oder Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten geleiteten Fest Setzung, die überdies auch durch die Rücksichtnahme auf mannigfache Interessen, nationale Wünsche oder Besonderheiten und dgl. beeinflußt worden ist 15 . Es bliebe also allenfalls die Möglichkeit, daß die ERG nach ihrer Verkündung, d. h. bezüglich der derzeitigen Fassung seit 1975, in den Rang von Gewohnheitsrecht oder von Handelsbräuchen hineingewachsen sind 16 . Für die Annahme von Gewohnheitsrecht fehlt es insoweit aber schon an der erforderlichen opinio iuris, weil die ERG keineswegs allgemein als Regeln des objektiven (nationalen) Rechts akzeptiert werden — und zwar weder in der Wissenschaft noch von den beteiligten Verkehrskreisen, wie insbesondere die Sorgfalt beweist, mit der diese auf eine ausdrückliche Einbeziehung oder dgl. zu achten pflegen (vgl. z. B. auch Ziff. 28 S. 2 AGB!). Die Bejahung eines Handelsbrauchs setzt zwar nicht eine opinio iuris voraus, doch kann andererseits bei einer geschriebenen Regelung auch nicht einfach deren allgemeine Praktizierung ausreichen, da sonst der Unterschied zwischen Handelsbräuchen und verkehrsüblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwischt würde und die Gefahr einer Aushöhlung des AGBG entstünde; mit Recht werden ja z. B. die AGB der Privatbanken oder die ADSp auch nicht ihrem ganzen Inhalt nach als Handelsbräuche oder Verkehrssitten qualifiziert, obwohl sie praktisch in nahezu allen einschlägigen Fällen gelten. Eine geschriebene Regelung kann vielmehr nur dann zur Gänze den Rang von Handelsbräuchen oder Verkehrssitten erlangen, wenn sie auch bei einer Änderung oder Streichung von Klauseln mit ihrem ursprünglichen Inhalt praktiziert werden würde — und davon kann bezüglich der ERG in ihrer Gesamtheit zweifellos nicht die Rede sein. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, daß Teile der ERG Handelsbräuche wiedergeben. Das trifft gewiß zu 1 7 , darf in seiner Bedeutung jedoch nicht überschätzt werden. Denn das Vorliegen eines Handelsbrauchs ist eine Tatsachenfrage und kann daher vom Richter nur berücksichtigt werden, wenn eine entsprechende (substantiierte) Parteibehauptung aufgestellt worden ist. An einer solchen wird es aber häufig fehlen, so daß schon unabhängig von der Frage ihrer Beweisbarkeit die Anwendung der Regeln über Handelsbräuche von vornherein ausscheidet. 927
Es führt somit kein Weg daran vorbei, daß die ERG in ihrer Gesamtheit (und mangels gegenteiliger Parteibehauptung auch in allen Einzelteilen) grundsätzlich als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind 18 . In der Tat sind die Voraussetzungen von § 1 AGBG erfüllt, da die ERG „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen" enthalten und von der Bank der anderen Partei einseitig „gestellt" werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Vorformulierung 15 16
17
Vgl. dazu näher SchinnererlAvancini S. 2 f. Dies ist offenbar die Ansicht von Zahn a a O (Fn. 13), der auf die Möglichkeit der Verwandlung von AGB in Handelsbräuche hinweist. Vgl. auch die oben Fn. 14 Zitierten; daß in der 1. Auflage des vorliegenden Buches die Auffassung vertreten worden sei, die E R G seien „ausschließlich als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu bewerten" (so von Westphalen W M 1980, 178 bei Fn. 15), ist falsch, vgl. a a O Anm. 365 und 366 a. E.
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18 Vgl. auch B G H W M i960, 38, 40 = LM N r . 3 zu § 665 BGB unter 3 vor a ; Eichhorn S. 4; Liesecke W M 1960, 210 und 1966, 458; Schönle N J W 1968, 728 f; Schlegelherger/Hefermehl Rdn. 148 a. E.; von Westphalen Exportfinanzierung S. 123 f und W M 1980, 178 f; a. A. vor allem Zahn S. 8 f; ihm weitgehend folgend Nielsen BuB 5/256 und 258.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D i e einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Akkreditive (ERG)
nicht durch die Bank, sondern durch die Internationale Handelskammer vorgenommen worden ist. Zwar wird dadurch die Gefahr einer unbilligen Ausgestaltung zum Nachteil des Kunden beträchtlich vermindert, doch stellt das Gesetz hierauf nicht ab; denn nach dem klaren Wortlaut von § 1 I 1 AGBG kommt es nicht darauf an, ob der Verwender selbst oder ein Dritter die Bedingungen vorformuliert hat 1 9 . 2. Die Geltung der ERG Weil (und soweit) die ERG lediglich Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, 928 erlangen sie Geltung für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien nur durch rechtsgeschäftliche Anerkennung oder Einbeziehung. Eine solche ist für den kaufmännischen Verkehr, auf den die besonderen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 2 AGBG gemäß § 24 AGBG keine Anwendung finden, jedenfalls in Ziff. 28 S. 2 AGB enthalten. Greift Ziff. 28 S. 2 AGB nicht ein — was vor allem im Verhältnis zu einem ausländischen Kunden in Betracht kommt —, ist im kaufmännischen Verkehr i. d. R. von einer „stillschweigenden" oder konkludenten Einbeziehung kraft Handelsbrauchs gemäß § 346 H G B auszugehen 2 0 , da die Zugrundelegung der ERG verkehrsüblich ist und der Vertrag daher im Zweifel in dem Sinne ausgelegt werden muß, daß die Bank nur unter Einbeziehung der ERG kontrahiert. Wird ein Akkreditivgeschäft ausnahmsweise mit einem Nichtkaufmann abgeschlossen oder gehört es bei einem Kaufmann nicht zum Betriebe seines Handelsgewerbes, scheiden gemäß § 2 AGBG sowohl die Einbeziehung nach Ziff. 28 S. 2 AGB als auch die Einbeziehung kraft Verkehrssitte aus. Sind in einem derartigen Fall die Voraussetzungen von § 2 AGBG nicht erfüllt, so können gemäß § 157 BGB nur diejenigen Teile der ERG Vertragsinhalt werden, die mit einer entsprechenden Verkehrssitte übereinstimmen, doch wird sich eine solche für den nichtkaufmännischen Bereich u. U. nicht nachweisen lassen. Aus der Qualifikation der ERG als AGB folgt weiterhin, daß sie der Inhaltskon- 929 trolle nach dem AGBG und insbesondere einer Billigkeitsprüfung nach § 9 AGBG unterliegen 21 . Man mag das wegen der Gefahr nationaler Besserwisserei bedauern, doch dürfte daran angesichts der weiten tatbestandlichen Fassung von § 1 AGBG (vgl. dazu oben Rdn. 927 a. E.) de lege lata kein Weg vorbeiführen. Auch sollte man die Beeinträchtigungen, die sich hieraus für eine international einheitliche Handhabung der ERG ergeben, nicht überschätzen. Zwar kann es in der Tat zur Unanwendbarkeit einzelner Klauseln kommen (vgl. z. B. unten Rdn. 975), doch ist zu bedenken, daß die große Masse der Verträge den kaufmännischen Verkehr betrifft und daß für diesen gemäß § 24 AGBG nur der sehr flexible Prüfungsmaßstab von § 9 AGBG heranzuziehen ist; dieser erlaubt es insbesondere, sowohl das Streben nach internationaler Einheitlichkeit als auch den Umstand zu berücksichtigen, daß die ERG von der Internationalen Handelskammer ausgearbeitet sind und mithin in weit geringerem Maße die Gefahr einer unbilligen Benachteiligung des Kunden in sich bergen als von den Banken formulierte AGB 22 . Soweit die ERG mit einem Handelsbrauch übereinstimmen — was freilich nur auf Grund eines entsprechenden Parteivortrags zu berücksichtigen ist (vgl. oben Rdn. 926 19
20
21
Vgl. d a z u a u c h Ulmer/Brandner/Hensen Komm. z u m A G B G 3 , 1978, R d n . 42 u n d 52 m. N a c h w . O b eine s o l c h e n a c h E r l a ß des A G B G n o c h m ö g lieh ist, ist streitig, r i c h t i g e r w e i s e a b e r z u b e j a h e n ; vgl. n ä h e r Capelle/Canaris a a O ( F n . 11) § 14 I V 1 m. N a c h w . Vgl. d a z u e i n g e h e n d von Westphalen W M 1980, 178 f f ; a. A. Zahn S. 8 F n . 17 mit u n z u t r e f f e n d e r
22
P o l e m i k gegen Schönle; w i e Z a h n o f f e n b a r a u c h Nielsen BuB 5 / 2 5 8 u n d Schinnerer/Avancini S. 8. Vgl. a u c h d e n u n t e r s c h i e d l i c h e n M a ß s t a b v o n § 315 I I I B G B einerseits u n d 5 319 I 1 B G B a n d e rerseits! Es ist z u e r w ä g e n , o b n i c h t a n a l o g § 319 I 1 B G B in R e s t r i k t i o n v o n § 9 A G B G n u r „ o f f e n b a r e " Unbilligkeit s c h a d e t .
Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
a. E.) —, ist das AGBG unanwendbar 2 3 , da Handelsbräuche nicht in seinen Geltungsbereich fallen. Allerdings sollen sie nach h. L. einer ähnlichen Billigkeitskontrolle unterliegen, doch ist dem nach richtiger Ansicht nicht zu folgen 2 4 ; vielmehr besteht lediglich die Vermutung, daß die Parteien die Geltung eines unbilligen Handelsbrauchs nicht gewollt haben 2 4 — und diese Vermutung ist jedenfalls dann i. d. R. als widerlegt anzusehen, wenn die Parteien die ERG ausdrücklich in den Vertrag einbezogen und damit in einer über §§ 157 BGB, 346 H G B hinausgehenden Weise auf den Handelsbrauch bzw. seinen Inhalt Bezug genommen haben. 3. Die Auslegung der ERG 930
Die Auslegung der ERG ist nach den einschlägigen Regeln des nationalen Rechts vorzunehmen. Einen Grundsatz einer international einheitlichen Auslegung gibt es nicht 2 5 . Das folgt schon daraus, daß nicht einmal für Gesetze ein Grundsatz (national) einheitlicher Auslegung besteht. Hier wie dort hat vielmehr jeder Interpret die Auslegung so vorzunehmen, wie sie nach seiner Uberzeugung richtig ist. Auch ist nicht zu sehen, wie der Grundsatz einer international einheitlichen Auslegung ohne eine übernationale Revisionsinstanz praktisch funktionsfähig sein könnte. Denn daß irgendeine Instanz eines anderen Landes — und sei es auch dessen höchstes Gericht — die ERG in bestimmter Weise ausgelegt hat, kann nach deutschem Verfassungsrecht und nach anerkannten Grundsätzen der Methodenlehre die deutschen Gerichte nicht präjudizieren; und was eine Auslegung durch Mitglieder der Internationalen Handelskammer anbetrifft, so mag darin zwar eine nützliche Hilfe liegen, doch wird der Richter dadurch nicht der Notwendigkeit einer eigenverantwortlichen Entscheidung enthoben, weil die I H K eine Auslegungsprärogative ebensowenig besitzt 2 6 wie Rechtssetzungshoheit. N u r wenn sich eine bestimmte Auslegung zum Handelsbrauch verdichtet hat, ist sie gemäß §§ 157 BGB, 346 H G B grundsätzlich maßgeblich — und dann hat die I H K auch die Kompetenz, über das Bestehen dieses Handelsbrauchs als Sachverständige Auskunft zu geben. Eine andere Frage ist, ob das den ERG zugrunde liegende Bestreben nach internationaler Rechtseinheit nicht wenigstens als eines unter vielen Auslegungselementen oder als „Datum" bei der Auslegung heranzuziehen ist. Das ist gemäß §§ 133, 157 BGB, 346 H G B grundsätzlich zu bejahen, so daß im Zweifel diejenige Interpretation zu wählen ist, die die besten Chancen für ein international einheitliches Ergebnis bietet. Indessen ist sehr fraglich, ob dieser Maxime große praktische Bedeutung zukommt. Immerhin liegt in ihr eine gewisse Annäherung an den berechtigten Kern der Forderung nach einer „international einheitlichen Auslegung".
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Uneingeschränkt Rechnung zu tragen ist dem — ebenfalls aus dem Grundsatz „international einheitlicher Auslegung" abgeleiteten — Postulat, Lücken der ERG durch lückenfüllende Auslegung und nicht durch Rückgriff auf das nationale Gesetzesrecht zu beheben 2 7 . Die Richtigkeit dieser Ansicht folgt ohne weiteres daraus, daß die ergänzende Vertragsauslegung bei Verträgen, auf die die Typologie des Gesetzes nicht zugeschnitten ist, Vorrang vor dem dispositiven Recht hat 2 8 . Daß die ERG als AGB zu qualifizieren sind, steht der Möglichkeit einer lückenergänzenden Auslegung nicht ent23 A. A. u n r i c h t i g von Westphalen W M 1980, 178 f u n d 188 f, d e r v e r k e n n t , d a ß die §§ 10 f A G B G keineswegs ausnahmslos „grundlegende Gerechtigkeitsprinzipien" enthalten. 24 Vgl. e i n g e h e n d Capelle/Canaris a a O ( F n . 11) 5 13 I V 2 u n d 3 m. N a c h w . z u r gegenteiligen h. L. " Vgl. a u c h Schönle N J W 1968, 7 3 0 ; a. A . Eisemann A W D 1963, 142 u n d Eisemann/Eberth S. 4 9 ; Schinnerer/Avancini S. 8; Steindorff
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S. 765 f ; w o h l a u c h Horn N i e l s e n BuB 5 / 2 5 8 . 26
S. 14 bei Fn. 16 u n d
A. A. o f f e n b a r Nielsen BuB 5 / 2 5 8 im A n s c h l u ß an Schinnerer/Avancini S. 8. Dies f o r d e r t Steindorff S. 7 6 6 ; z u s t i m m e n d Eisemann/Eberth S. 50. 28 Vgl. d a z u z. B. ( o h n e B e z u g auf A k k r e d i t i v r e c h t ) B G H W M 1979, 3 2 7 ; Larenz Allg. T e i l des d e u t " sehen B ü r g . R e c h t s 5 , 1980, § 2 9 II m. w . N a c h w .
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II. Die einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Akkreditive (ERG)
gegen, weil es hier nicht um eine von § 6 II AGBG erfaßte Frage geht 2 9 . Freilich muß es sich wirklich um eine Lücke in den ERG handeln, also um eine Frage, die nach Sinn und Zweck der ERG eigentlich in ihnen geregelt sein müßte. Da die ERG eine vollständige Behandlung aller Probleme des Akkreditivrechts von vornherein nicht anstreben 3 0 , bleibt durchaus noch Raum für eine ergänzende Anwendung des nationalen dispositiven Rechts. Dagegen kann eine Vermutung zugunsten der Anwendbarkeit der ERG bei Zwei- 9 3 2 fein über ihre Einschlägigkeit nicht anerkannt werden 3 1 . Zwar spricht für eine solche wiederum das Bestreben nach einer möglichst weitgehenden Zurückdrängung des nationalen Rechts, doch ist sie mit der Unklarheitenregel gemäß § 5 AGBG jedenfalls insoweit unvereinbar, als die Anwendung der ERG zum Vorteil der Bank ausschlagen würde. Daß nicht die Bank, sondern die I H K die ERG formuliert hat, dürfte der Geltung von § 5 AGBG nicht entgegenstehen; denn immerhin ist es die Bank, die die ERG dem Kunden „stellt", und daher läßt sich auch hier noch sinnvoll sagen, daß Verantwortung und Risiko für die Klarheit der ERG grundsätzlich bei der Bank liegen. Sehr zweifelhaft ist, ob und inwieweit der Rückgriff auf den (englischen) Original- 9 3 3 text der ERG ein zulässiges Auslegungsmittel darstellt. D a ß nicht immer dieser, sondern die der jeweiligen Vertragssprache entsprechende Übersetzung Vertragsinhalt wird, steht zwar außer Zweifel, schließt aber nicht von vornherein aus, den Sinn der Ubersetzung durch Heranziehung des Originals aufzuhellen. Die Schwierigkeit liegt vielmehr darin, daß das Original dem Kunden i. d. R. nicht bekannt und meist auch nicht ohne weiteres zugänglich ist. Dieses zu seinem Nachteil heranzuziehen, dürfte daher gegen die Unklarheitenregel gemäß § 5 AGBG verstoßen. Nach dem — freilich sehr fragwürdigen — Grundsatz der „objektiven" Auslegung gilt das selbst dann, wenn der betreffende Kunde den Originaltext kannte; denn es ist nach h. L. nicht auf seine individuelle Verständnismöglichkeit, sondern auf die eines Durchschnittskunden abzustellen«. 4. Das Verhältnis der ERG zu anderen Bestimmungen Im Verhältnis zu zwingendem Gesetzesrecht sind die ERG wie alle AGB und alle 9 3 4 Handelsbräuche nachrangig, im Verhältnis zu dispositivem Gesetzesrecht sind sie dagegen vorrangig, soweit dessen Abdingung nicht gemäß §§ 9 ff AGBG unwirksam ist. Im Verhältnis zu besonderen Vertragsbestimmungen sind die ERG nachrangig, da die Vertragsbestimmung als die speziellere Regelung vorgeht, im Verhältnis zu Handelsbräuchen und (anderen) Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie z. B. den AGB der Privatbanken sind die ERG dagegen vorrangig, da sie insoweit ihrerseits die speziellere Regelung darstellen 33 . Der Text der ERG (Revision 1974)
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Allgemeine Regeln u n d Begriffsbestimmungen a) Diese Regeln und Begriffsbestimmungen sowie die folgenden Artikel beziehen sich auf alle Dokumenten-Akkreditive und sind für alle Beteiligten bindend, sofern nicht ausdrücklich anderweitige Vereinbarungen getroffen worden sind. b) Die in diesen Regeln, Begriffsbestimmungen und Artikeln verwendeten Ausdrücke „Dokumenten-Akkreditiv(e)" und „Akkreditiv(e)" bedeuten jede, wie auch immer benannte oder 29
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Z u u n d i f f e r e n z i e r t d a h e r z. B. Ulmer aaO (Fn. 19) § 5 R d n . 15. Vgl. Zahn S. 3 4 ; Schinnerer/Avancini S. 2 ; Eisemann/Eberth S. 4 9 f ; Stauder S. 4 3 7 ; Nielsen BuB 5/265. .
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A. A. SteindorfS. 766, freilich cjhne A u s e i n a n d e r Setzung mit d e m A G B - C h a r a k t e r d e r E R G . Vgl. statt aller Ulmer a a O (Fn. 19) § 5 R d n . 6 ff. Vgl. z u m V o r s t e h e n d e n a u c h Schönle N J W 68, 730 f.
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso bezeichnete Vereinbarung, d e r z u f o l g e eine auf Ersuchen und in Ubereinstimmung mit den Weisungen eines Kunden (Akkreditiv-Auftraggeber) handelnde Bank (eröffnende Bank) gegen Übergabe vorgeschriebener D o k u m e n t e (i) Zahlungen an einen Dritten (Begünstigten) oder dessen O r d e r zu leisten oder v o m Begünstigten g e z o g e n e Wechsel zu bezahlen, zu akzeptieren oder zu negoziieren hat oder (ii) eine andere B a n k zur A u s f ü h r u n g solcher Zahlungen oder zur Bezahlung, Akzeptierung oder N e g o z i i e r u n g derartiger Wechsel ermächtigt, sofern die Akkreditiv-Bedingungen erfüllt sind. c) Akkreditive sind ihrer N a t u r nach von den K a u f - oder anderen Verträgen, auf denen sie beruhen können, getrennte Geschäfte, und die Banken haben in keiner Hinsicht etwas mit solchen Verträgen zu tun und sind nicht durch sie gebunden. d) Akkreditivaufträge und Akkreditive selbst müssen vollständig und genau sein. U m Irrtümern und Mißverständnissen vorzubeugen, sollten die eröffnenden Banken jedem Versuch des Akkreditiv-Auftraggebers entgegentreten, zu weit gehende Einzelheiten aufzunehmen. e) D i e Entscheidungsmöglichkeit, die eine Bank auf Grund des Artikels 32 b) hat, steht an erster Stelle derjenigen Bank zu, die ermächtigt ist, unter einem Akkreditiv zu zahlen, zu akzeptieren oder zu negoziieren. D i e Entscheidung dieser Bank bindet alle Beteiligten. Eine Bank ist ermächtigt, unter einem Akkreditiv zu zahlen oder zu akzeptieren, wenn sie im Akkreditiv ausdrücklich benannt ist. Eine Bank ist ermächtigt, unter einem Akkreditiv zu negoziieren, (i) wenn sie im Akkreditiv ausdrücklich benannt ist, oder (ii) wenn das Akkreditiv bei jeder Bank frei negoziierbar ist. f) Ein Begünstigter kann sich in keinem Fall auf die vertraglichen Beziehungen berufen, die zwischen den Banken oder zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und der eröffnenden Bank bestehen.
A. Form und Anzeige der Akkreditive Artikel 1 a) Akkreditive können entweder (i) widerruflich oder (ii) unwiderruflich sein. b) Alle Akkreditive sollen daher eindeutig angeben, ob sie widerruflich oder unwiderruflich sind. c) Fehlt eine solche A n g a b e , so gilt das Akkreditiv als widerruflich. Aritkel 2 Ein widerrufliches Akkreditiv kann jederzeit ohne vorherige Nachricht an den Begünstigten geändert oder annulliert werden. D i e eröffnende Bank ist jedoch verpflichtet, eine Filiale oder eine andere Bank, der ein solches Akkreditiv übermittelt und bei der es zur Zahlung, Akzeptleistung oder N e g o z i i e r u n g benutzbar gemacht worden ist, für jede Zahlung, Akzeptleistung oder N e g o z i i e r u n g zu remboursieren, die den Akkreditiv-Bedingungen und allen bis zum Zeitpunkt der Zahlung, Akzeptleistung oder N e g o z i i e r u n g erhaltenen Änderungen entspricht und die von dieser Filiale oder der anderen Bank vorgenommen wurde, bevor sie Nachricht über die Änderung oder Annullierung erhalten hat. Artikel 3 a) Ein unwiderrufliches Akkreditiv begründet eine feststehende Verpflichtung der eröffnenden Bank, (i) zu zahlen o d e r zahlen zu lassen, wenn das Akkreditiv Zahlung vorsieht, ob gegen eine T r a t t e o d e r nicht,
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II. Die einheitlichen Richtlinien und Gebräuche f ü r Akkreditive (ERG) (ii) Tratten zu akzeptieren, wenn das Akkreditiv Akzeptleistung durch die eröffnende Bank vorsieht, oder die Verantwortung f ü r die Akzeptierung von Tratten und deren Einlösung bei Fälligkeit zu übernehmen, wenn das Akkreditiv die Akzeptierung von Tratten vorsieht, die auf den Akkreditiv-Auftraggeber oder einen anderen im Akkreditiv benannten Bezogenen gezogen sind, (iii) Sicht- oder Nachsicht-Tratten, die vom Begünstigten auf den Akkreditiv-Auftraggeber oder einen anderen im Akkreditiv benannten Bezogenen gezogen sind, ohne Rückgriff auf Aussteller u n d / o d e r gutgläubige Inhaber anzukaufen/zu negoziieren oder f ü r A n k a u f / N e g o z i i e r u n g durch eine andere Bank zu sorgen, wenn das Akkreditiv A n k a u f / N e g o z i i e r u n g vorsieht, sofern die Akkreditv-Bedingungen erfüllt sind. b) Ein unwiderrufliches Akkreditiv kann dem Begünstigten durch eine andere Bank (die avisierende Bank) ohne Verbindlichkeit f ü r diese Bank avisiert werden. Wenn dagegen die eröffnende Bank eine andere Bank ermächtigt oder ersucht, ihr unwiderrufliches Akkreditiv zu bestätigen, und diese dementsprechend verfährt, begründet diese Bestätigung zusätzlich zur Verpflichtung der eröffnenden Bank eine feststehende Verpflichtung der bestätigenden Bank, (i) zu zahlen, wenn das Akkreditiv bei ihr zahlbar ist, ob gegen eine Tratte oder nicht, oder zahlen zu lassen, wenn das Akkreditiv Zahlung an anderer Stelle vorsieht, (ii) Tratten zu akzeptieren, wenn das Akkreditiv Akzeptleistung durch die bestätigende Bank bei ihr selbst vorsieht, oder die Verantwortung f ü r die Akzeptierung von Tratten und deren Einlösung bei Fälligkeit zu übernehmen, wenn das Akkreditiv die Akzeptierung von Tratten vorsieht, die auf den Akkreditiv-Auftraggeber oder einen anderen im Akkreditiv benannten Bezogenen gezogen sind, (iii) Sicht- oder Nachsicht-Tratten, die vom Begünstigten auf die eröffnende Bank oder den Akkreditiv-Auftraggeber oder einen anderen im Akkreditiv benannten Bezogenen gezogen sind, ohne Rückgriff auf Aussteller u n d / o d e r gutgläubige Inhaber a n z u k a u f e n / z u negoziieren, wenn das Akkreditiv A n k a u f / N e g o z i i e r u n g vorsieht, sofern die Akkreditiv-Bedingungen erfüllt sind. c) Verpflichtungen dieser Art können ohne die Zustimmung aller Beteiligten weder geändert noch annulliert werden. Die teilweise Annahme von Änderungen ist ohne die Zustimmung aller Beteiligten unwirksam. Artikel 4 a) Wenn eine eröffnende Bank eine Bank durch Kabel, Telegramm oder Fernschreiben beauftragt, ein Akkreditiv zu avisieren und die briefliche Bestätigung das Instrument f ü r die Inanspruchnahme des Akkreditivs sein soll, muß das Kabel, Telegramm oder Fernschreiben angeben, daß das Akkreditiv erst bei Erhalt einer solchen brieflichen Bestätigung wirksam wird. In diesem Fall muß die eröffnende Bank das Instrument für die Inanspruchnahme des Akkreditivs (briefliche Bestätigung) und alle nachträglichen Akkreditiv-Änderungen dem Begünstigten durch die avisierende Bank übersenden lassen. b) Die eröffnende Bank ist f ü r alle Folgen verantwortlich, die entstehen, wenn sie dem im vorstehenden Absatz dargelegten Verfahren nicht folgt. c) Sofern ein Kabel, Telegramm oder Fernschreiben nicht den Hinweis „Einzelheiten folgen" (oder W o r t e gleicher Bedeutung) enthält oder nicht angibt, daß die briefliche Bestätigung das Instrument f ü r die Inanspruchnahme des Akkreditivs sein soll, wird das Kabel, Telegramm oder Fernschreiben als das Instrument für die Inanspruchnahme des Akkreditivs angesehen, und die eröffnende Bank braucht der avisierenden Bank die briefliche Bestätigung nicht zu übersenden. Artikel 5 Wird eine Bank durch Kabel, Telegramm oder Fernschreiben beauftragt, ein Akkreditiv zu eröffnen, zu bestätigen oder zu avisieren, dessen Bedingungen einem früher eröffneten Akkreditiv gleichen, das später geändert worden ist, so sind die Einzelheiten des zu eröffnenden, zu bestätigenden oder zu avisierenden Akkreditivs dem Begünstigten unter Auslassung der Änderungen bekanntzugeben, es sei denn, der Auftrag bezeichnet klar die Änderungen, die zu berücksichtigen sind. Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso Artikel 6 Eine Bank, die unvollständige oder unklare Weisungen zur Eröffnung, Bestätigung oder Avisierung eines Akkreditivs erhält, kann dem Begünstigten hiervon nur zu seiner vorläufigen Unterrichtung unverbindlich Kenntnis geben. In diesem Fall wird das Akkreditiv erst nach Eingang der notwendigen Informationen eröffnet, bestätigt oder avisiert. B. Haftung und Verantwortlichkeit Artikel 7 Die Banken müssen alle Dokumente mit angemessener Sorgfalt prüfen, um sich zu vergewissern, daß sie der äußeren Aufmachung nach den Akkreditiv-Bedingungen entsprechen. Dokumente, die sich der äußeren Aufmachung nach untereinander widersprechen, werden nicht als der äußeren Aufmachung nach den Akkreditiv-Bedingungen entsprechend angesehen. Artikel 8 a) Im Dokumenten-Akkreditiv-Geschäft befassen sich alle Beteiligten mit Dokumenten und nicht mit Waren. b) Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung durch eine hierzu ermächtigte Bank gegen Dokumente, die ihrer äußeren Aufmachung nach den Akkreditiv-Bedingungen entsprechen, verpflichten denjenigen, der die Ermächtigung erteilt hat, die Dokumente aufzunehmen und die zahlende, akzeptierende oder negoziierende Bank zu remboursieren. c) Wenn die eröffnende Bank bei Erhalt der Dokumente der Ansicht ist, daß diese der äußeren Aufmachung nach nicht den Bedingungen des Akkreditivs entsprechen, muß sie allein auf Grund der Dokumente entscheiden, ob sie geltend machen will, daß die Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung nicht in Ubereinstimmung mit den Akkreditiv-Bedingungen durchgeführt worden ist. d) Der eröffnenden Bank steht eine angemessene Zeit zu, die Dokumente zu prüfen und wie oben angegeben zu entscheiden, ob eine solche Reklamation vorzunehmen ist. e) Wenn eine solche Reklamation vorgenommen werden soll, muß eine entsprechende Mitteilung unter Angabe der Gründe unverzüglich drahtlich oder auf anderem schnellen Wege der Bank gemacht werden, von der die Dokumente eingegangen sind (übersendende Bank). Die Mitteilung muß besagen, daß die Dokumente zur Verfügung dieser Bank gehalten oder ihr zurückgesandt werden. f) Wenn die eröffnende Bank die Dokumente nicht zur Verfügung der übersendenden Bank hält oder die Dokumente dieser Bank nicht zurücksendet, kann die eröffnende Bank nicht geltend machen, daß die betreffende Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung nicht in Übereinstimmung mit den Akkreditiv-Bedingungen durchgeführt worden ist. g) Wenn die übersendende Bank die eröffnende Bank auf irgendwelche Unstimmigkeiten in den Dokumenten hinweist oder diese Bank davon benachrichtigt, daß sie auf Grund dieser Unstimmigkeiten unter Vorbehalt oder gegen eine Garantie gezahlt, akzeptiert oder negoziiert hat, wird die eröffnende Bank dadurch von keiner ihrer Verpflichtungen aus diesem Artikel befreit. Eine solche Garantie oder ein solcher Vorbehalt betrifft allein das Verhältnis zwischen der übersendenden Bank und dem Begünstigten. Artikel 9 Die Banken übernehmen keine Haftung oder Verantwortung für Form, Vollständigkeit, Genauigkeit, Echtheit, Verfälschung oder Rechtswirksamkeit irgendwelcher Dokumente, oder für die allgemeinen und/oder besonderen Bedingungen, die in den Dokumenten angegeben oder denselben hinzugefügt sind. Sie übernehmen auch keine Haftung oder Verantwortung für Bezeichnung, Menge, Gewicht, Qualität, Beschaffenheit, Verpackung, Lieferung, Wert oder Vorhandensein der durch die Dokumente vertretenen Waren, oder in bezug auf Treu und Glauben oder die Handlungen und/oder Unterlassungen sowie für Zahlungsfähigkeit, Leistungsvermögen oder Ruf des Absenders, der Frachtführer oder der Versicherer der Waren oder irgendwelcher anderer Personen. 492
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II. Die einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Akkreditive ( E R G ) Artikel 10 Die Banken übernehmen keine Haftung oder Verantwortung für die Folgen von Verzögerungen und/oder Verlusten bei Übermittlung von Nachrichten, Briefen oder Dokumenten sowie für Verzögerung, Verstümmelung oder sonstige Irrtümer, die aus der Übermittlung von Kabeln, Telegrammen oder Fernschreiben resultieren. Die Banken übernehmen keine Haftung oder Verantwortung für Irrtümer bei der Übersetzung oder Auslegung von technischen Ausdrücken und behalten sich das Recht vor, Akkreditiv-Bedingungen unübersetzt weiterzugeben. Artikel 11 Die Banken übernehmen keine Haftung oder Verantwortung für die Folgen der Unterbrechung ihrer Geschäftstätigkeit durch Fälle höherer Gewalt, Unruhen, Aufruhr, Aufstand, Kriege oder irgendwelche andere Ursachen, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, sowie durch irgendwelche Streiks oder Aussperrungen. Sofern sie hierzu nicht ausdrücklich ermächtigt sind, nehmen die Banken nach Ablauf der Gültigkeitsdauer von Akkreditiven, die während einer solchen Unterbrechung der Geschäftstätigkeit verfallen, keine Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung vor. Artikel 12 a) Banken, welche die Dienste anderer Banken in Anspruch nehmen, um die Weisungen des Akkreditiv-Auftraggebers auszuführen, tun dies für Rechnung und Gefahr dieses Auftraggebers. b) Die Banken übernehmen keine Haftung oder Verantwortung, wenn die von ihnen erteilten Weisungen nicht ausgeführt werden, auch wenn sie selbst die Auswahl dieser anderen Bank von sich aus getroffen haben. c) Der Akkreditiv-Auftraggeber muß alle Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten übernehmen, die auf ausländischen Gesetzen und Gebräuchen beruhen, und er muß die Banken für alle hieraus resultierenden Folgen schadlos halten. Artikel 13 Von einer Bank, die ermächtigt worden ist, für ihre Zahlungen oder Negoziierungen Rembours von einer von der eröffnenden Bank benannten dritten Bank zu verlangen, und die die Zahlung oder Negoziierung ausgeführt hat, soll nicht verlangt werden, der dritten Bank zu bestätigen, daß sie in Übereinstimmung mit den Akkreditiv-Bedingungen gezahlt oder negoziiert hat. C. Dokumente Artikel 14 a) Alle Aufträge zur Eröffnung, Bestätigung oder Avisierung eines Akkreditivs müssen genau angeben, gegen welche Dokumente Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung vorgenommen werden soll. b) Ausdrücke wie „erstklassig", „gut bekannt", „qualifiziert" u. ä. sollen zur Klassifizierung der Aussteller irgendwelcher Dokumente, deren Beibringung in Akkreditiven vorgeschrieben wird, nicht verwendet werden. Wenn solche Ausdrücke jedoch in den Akkreditiv-Bedingungen enthalten sind, nehmen die Banken die Dokumente so an, wie sie präsentiert werden. C.I. —Dokumente, welche die Verschiffung oder Versendung oder Übernahme ausweisen (Verladedokumente) Artikel 15 Abgesehen von den Bestimmungen des Artikels 20 wird das Datum des Konnossements oder das Datum irgendeines anderen Dokuments, welches die Verschiffung oder Versendung oder Übernahme ausweist, oder das im Empfangsstempel angegebene oder durch Vermerk angebrachte Datum auf irgendeinem derartigen Dokument in jedem Fall als Datum der Verschiffung oder Versendung oder Übernahme der Ware angesehen. Artikel 16 a) Erscheinen Worte, die eindeutig die wie auch immer benannte oder bezeichnete Zahlung oder Vorauszahlung der Fracht anzeigen, durch Stempel oder auf andere Weise auf Dokumenten, welche die Verschiffung oder Versendung oder Übernahme ausweisen, werden sie als Nachweis der erfolgten Frachtzahlung anerkannt. Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso b) Sind die Worte „Fracht vorauszahlbar" oder „Fracht im voraus zu zahlen" oder Worte ähnlicher Bedeutung auf solchen Dokumenten durch Stempel oder auf andere Weise angebracht, werden sie nicht als Nachweis der erfolgten Frachtzahlung anerkannt. c) Die Banken nehmen Dokumente an, die den Vermerk tragen, daß Fracht- oder Transportkosten bei Auslieferung zu zahlen sind, sofern im Akkreditiv nichts anderes vorgeschrieben ist oder keine Unvereinbarkeit mit irgendeinem der auf Grund des Akkreditivs präsentierten Dokumente besteht. d) Die Banken nehmen Verladedokumente an, die durch Stempel oder auf andere Weise auf zusätzlich zur Fracht anfallende Kosten hinweisen, wie Kosten der Beladung, Entladung oder ähnlicher Vorgänge oder damit im Zusammenhang stehende Auslagen, sofern die AkkreditivBedingungen solche Hinweise nicht ausdrücklich verbieten. Artikel 17 Verladedokumente, die eine Klausel wie „shipper's load and count" oder „said by shipper to contain" oder Worte ähnlicher Bedeutung enthalten, werden angenommen, sofern im Akkreditiv nichts anders vorgeschrieben ist. Artikel 18 a) Reine Verladedokumente sind solche, die keine hinzugefügten Klauseln oder Angaben enthalten, die einen mangelhaften Zustand der Ware und/oder der Verpackung ausdrücklich vermerken. b) Die Banken weisen Verladedokumente zurück, die solche Klauseln oder Vermerke enthalten, sofern im Akkreditiv nicht ausdrücklich die Klauseln oder Vermerke bezeichnet werden, die angenommen werden dürfen. C. 1.1. — Seekonnossemente Artikel 19 a) Folgende Konnossemente werden zurückgewiesen, sofern das Akkreditiv keine ausdrückliche Ermächtigung zur Aufnahme enthält: (i) Konnossemente, die von Spediteuren ausgestellt sind; (ii) Konnossemente, die unter Charter-Partie ausgestellt und deren Bedingungen unterworfen sind; (iii) Konnossemente, die Verladung auf Segelschiffen ausweisen. b) Jedoch werden, vorbehaltlich der vorstehenden Regelung und sofern im Akkreditiv nichts anderes vorgeschrieben ist, Konnossemente folgender Art angenommen: (i) „Durchkonnossemente" (d. h. „Through Bills of Lading"), die von Schiffahrtsgesellschaften oder deren Agenten ausgestellt sind, selbst wenn sie mehrere verschiedenartige Transportarten umfassen; (ii) „Short Form Bills of Lading" (d. h. Konnossemente, die von Schiffahrtsgesellschaften oder deren Agenten ausgestellt sind und einige oder sämtliche Beförderungsbedingungen durch Hinweis auf eine andere Quelle oder ein anderes Dokument als das Konnossement aufzeigen); (iii) Konnossemente, die von Schiffahrtsgesellschaften oder deren Agenten ausgestellt sind und unitisierte Ladungen, wie solche auf Paletten oder in Containern, ausweisen. Artikel 20 a) Die Konnossemente müssen ausweisen, daß die Waren an Bord eines namentlich genannten Schiffes verladen oder auf einem namentlich genannten Schiff verschifft sind, sofern im Akkreditiv nichts anderes vorgeschrieben ist. b) Die Verladung an Bord eines namentlich genannten Schiffes oder die Verschiffung auf einem namentlich genannten Schiff kann entweder durch ein Konnossement nachgewiesen werden, dessen Wortlaut die Verladung an Bord eines namentlich genannten Schiffes oder die Verschiffung auf einem namentlich genannten Schiff ausweist, oder durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Konnossement mit Unterschrift oder Handzeichen und Datumsangabe des Frachtführers oder seines Agenten. Das Datum dieses Vermerks wird als Zeitpunkt der Verladung an 494
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II. Die einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Akkreditive (ERG) Bord des namentlich genannten Schiffes oder der Verschiffung auf dem namentlich genannten Schiff angesehen. Artikel 21 a) Sofern Umladung nach den Akkreditiv-Bedingungen nicht verboten ist, werden Konnossemente, die Umladung während der Reise vorsehen, angenommen, vorausgesetzt, daß die gesamte Reise durch ein und dasselbe Konnossement gedeckt ist. b) Konnossemente mit eingedruckten Klauseln, die dem Frachtführer das Recht zur Umladung geben, werden angenommen ungeachtet der Tatsache, daß das Akkreditiv die Umladung verbietet. Artikel 22 a) Die Banken weisen ein Konnossement zurück, das die Verladung der Waren an Deck ausweist, sofern das Akkreditiv diese nicht ausdrücklich erlaubt. b) Die Banken weisen ein Konnossement nicht zurück, das eine Klausel enthält, welche die Beförderung der Waren an Deck gestattet, vorausgesetzt, daß das Konnossement nicht ausdrücklich eine Verladung an Deck ausweist. C.I.2.—Dokumente des kombinierten Transports Artikel 23 a) Wenn das Akkreditiv ein Dokument des kombinierten Transports vorschreibt, d. h. ein Dokument, das einen kombinierten Transport durch mindestens zwei verschiedene Beförderungsarten vorsieht, und zwar von einem Ort, an dem die Waren übernommen wurden, bis zu einem Ort, an dem die Auslieferung erfolgen soll, oder wenn das Akkreditiv einen kombinierten Transport vorsieht, jedoch in beiden Fällen die Form des geforderten Dokuments und/oder den Aussteller eines solchen Dokuments nicht bezeichnet, nehmen die Banken solche Dokumente so an, wie sie präsentiert werden. b) Schließt der kombinierte Transport Seetransport ein, wird das Dokument angenommen, obgleich es nicht ausweist, daß sich die Waren an Bord eines namentlich genannten Schiffes befinden, und obgleich es eine Klausel enthält, welche die Beförderung der Waren, falls in einem Container verpackt, an Deck gestattet, vorausgesetzt, daß das Dokument nicht ausdrücklich eine Verladung an Deck ausweist. C. 1.3.—Andere Verladedokumente etc. Artikel 24 Die Banken betrachten Eisenbahnfrachtbriefe oder Flußladescheine oder entsprechende Verladebescheinigungen, Frachtbriefdoppel, Posteinlieferungsscheine, Postversand-Bescheinigungen, Luftposteinlieferungsscheine, Luftfrachtbriefe, Lufttransportbriefe oder entsprechende Empfangsbestätgigungen, Frachtbriefe von Kraftverkehrsunternehmen oder andere Dokumente ähnlicher Art als ordnungsgemäß, wenn sie den Empfangsstempel des Frachtführers oder seines Agenten oder eine Unterschrift tragen, welche die des Frachtführers oder seines Agenten zu sein scheint. Artikel 25 Wenn bei anderen als Seetransporten das Akkreditiv einen Nachweis oder eine Beglaubigung des Gewichts vorschreibt, erkennen die Banken durch den Frachtführer auf den Verladedokumenten angebrachte Wiegestempel oder Gewichtsangaben an, sofern im Akkreditiv keine besondere oder unabhängige Gewichtsbescheinigung verlangt wird. C.2.—Versicherungsdokumente Artikel 26 a) Versicherungsdokumente müssen so beschaffen sein, wie im Akkreditiv vorgeschrieben, und von Versicherungsgesellschaften, ihren Agenten oder von Versicherern (underwriters) ausgestellt und/oder unterzeichnet sein. b) Von Maklern ausgestellte Deckungsbestätigungen (cover notes) werden nicht angenommen, sofern dies im Akkreditiv nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso Artikel 27 Sofern im Akkreditiv nichts anderes vorgeschrieben ist oder aus den vorgelegten Versicherungsdokumenten nicht hervorgeht, daß die Deckung spätestens am Tag der Verschiffung oder Versendung oder im Falle des kombinierten Transports am Tag der Übernahme der Waren wirksam wird, weisen die Banken vorgelegte Versicherungsdokumente zurück, die ein späteres Datum tragen als das Datum der Verschiffung oder Versendung oder im Falle des kombinierten Transports der Übernahme der Waren, wie es aus den Verladedokumenten hervorgeht. Artikel 28 a) Sofern im Akkreditiv nichts anderes vorgeschrieben ist, muß das Versicherungsdokument in derselben Währung ausgestellt sein wie das Akkreditiv. b) Der Mindestbetrag, für den die Versicherung abgeschlossen sein muß, ist der CIF-Wert der betreffenden Waren. Wenn jedoch der CIF-Wert nicht aus der äußeren Aufmachung der vorgelegten Dokumente bestimmt werden kann, nehmen die Banken als Mindestwert den Betrag der Entnahme aus dem Akkreditiv oder den Betrag der entsprechenden Handelsrechnung an, je nachdem, welcher Betrag höher ist. Artikel 29 a) In den Akkreditiven sollte ausdrücklich bezeichnet werden, welche Art von Versicherung verlangt wird, und gegebenenfalls, welche zusätzlichen Risiken zu decken sind. Ungenaue Ausdrücke wie „übliche Risiken" oder „handelsübliche Risiken" sollten nicht verwendet werden; werden jedoch solche ungenauen Ausdrücke verwendet, nehmen die Banken die Versicherungsdokumente so an, wie sie präsentiert werden. b) Fehlen besondere Anweisungen, nehmen die Banken die Versicherungsdeckung so an, wie sie sich aus dem präsentierten Versicherungsdokument ergibt. Artikel 30 Wenn ein Akkreditiv „Versicherung gegen alle Risiken" vorschreibt, nehmen die Banken ein Versicherungsdokument an, das irgendeinen Vermerk oder eine Klausel über „alle Risiken" enthält, und sie übernehmen keine Verantwortung, wenn irgendein besonderes Risiko nicht gedeckt ist. Artikel 31 Die Banken nehmen ein Versicherungsdokument an, in dem angegeben ist, daß die Deckung einer Franchise oder einer Abzugsfranchise unterworfen ist, sofern das Akkreditiv nicht ausdrücklich besagt, daß die Versicherung ohne Berücksichtigung eines Prozentsatzes für Franchise ausgestellt sein muß.
C.3.—Handelsrechnungen Artikel 32 a) Sofern im Akkreditiv nichts anderes vorgeschrieben ist, müssen Handelsrechnungen auf den Namen des Akkreditiv-Auftraggebers ausgestellt sein. b) Sofern im Akkreditiv nichts'anders vorgeschrieben ist, können die Banken Handelsrechnungen, die auf einen die Akkreditivsumme übersteigenden Betrag lauten, ablehnen. c) Die Beschreibung der Waren in der Handelsrechnung muß mit der Beschreibung im Akkreditiv übereinstimmen. In allen anderen Dokumenten können die Waren in allgemein gehaltenen Ausdrücken, die nicht im Widerspruch zur Warenbeschreibung im Akkreditiv stehen, beschrieben sein. C.4.—Andere Dokumente .Artikel 33 Wenn andere Dokumente wie Lagerscheine, Lieferscheine, Konsulatsfakturen, Ursprungszeugnisse, Gewichts-, Qualitäts- oder Analysenzertifikate usw. ohne nähere Beschreibung verlangt werden, nehmen die Banken solche Dokumente so an, wie sie präsentiert werden. 496
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II. Die einheitlichen Richtlinien und Gebräuche f ü r Akkreditive (ERG) D. Verschiedene Regeln Menge und Betrag Artikel 34 a) Die W o r t e „etwa", „circa" oder ähnliche Ausdrücke, die in Verbindung mit dem Akkreditivbetrag oder der Warenmenge oder dem Preis der W a r e pro Einheit verwendet werden, sind dahin auszulegen, daß eine Abweichung bis zu 10 % nach oben oder bis zu 10 % nach unten statthaft ist. b) Sofern im Akkreditiv nicht festgelegt ist, daß die angegebene Warenmenge nicht über- oder unterschritten werden darf, ist eine Abweichung bis zu 3 % nach oben oder bis zu 3 % nach unten gestattet, immer vorausgesetzt, daß der Gesamtbetrag der Inanspruchnahme nicht den Akkreditivbetrag überschreitet. Diese Abweichung ist nicht zulässig, wenn im Akkreditiv die Menge in einer bestimmten Anzahl von Verpackungseinheiten oder Stücken angegeben ist. Teilverladungen Artikel 35 a) Teilverladungen sind zulässig, sofern im Akkreditiv nicht ausdrücklich etwas anderes vorgeschrieben ist. b) Verschiffungen, die auf demselben Schiff und f ü r dieselbe Reise erfolgen, werden nicht als Teilverschiffungen angesehen, selbst wenn die Konnossemente, die „An Bord"-Verschiffung ausweisen, unterschiedliche Daten tragen u n d / o d e r unterschiedliche Verschiffungshäfen angeben. Artikel 36 Ist Verladung in Teillieferungen innerhalb bestimmter Zeiträume vorgeschrieben und ist irgendeine Teillieferung nicht innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraums verladen worden, so kann das Akkreditiv f ü r diese betreffende oder jede weitere Teilverladung nicht mehr benutzt werden, sofern im Akkreditiv nichts anderes vorgeschrieben ist. Verfalldatum Artikel 37 Alle Akkreditive, gleichgültig, ob widerruflich oder unwiderruflich, müssen ein Verfalldatum für die Präsentation der Dokumente zwecks Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung enthalten, auch wenn ein letztes Datum für die Verladung festgesetzt ist. Artikel 38 Die W o r t e „bis", „bis zum" und Ausdrücke ähnlicher Bedeutung, die sich auf das festgesetzte Datum beziehen, an dem die Frist zur Präsentation der Dokumente zwecks Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung endet, oder die das festgesetzte letzte Verladungsdatum betreffen, sind so zu verstehen, daß sie das angegebene Datum einschließen. Artikel 39 a) Wenn das festgesetzte Verfalldatum auf einen T a g fällt, an dem die Banken aus anderen als den unter Artikel 11 genannten Gründen geschlossen sind, wird das Verfalldatum auf den nächstfolgenden Arbeitstag hinausgeschoben. b) Durch das Hinausschieben des Verfalldatums auf Grund dieses Artikels wird das letzte Verladungsdatum nicht hinausgeschoben. Ist in einem Akkreditiv ein letztes Verladungsdatum festgesetzt, werden Verladedokumente, die ein späteres Datum als das festgesetzte Datum tragen, nicht angenommen. Ist in einem Akkreditiv kein letztes Verladungsdatum festgesetzt, werden Verladedokumente, die ein späteres Datum als das im Akkreditiv oder in dazu erfolgten Änderungen festgesetzte Verfalldatum tragen, nicht angenommen. Andere als die Verladedokumente können dagegen bis zum hinausgeschobenen Verfalldatum ausgestellt sein. c) Banken, die an einem solchen hinausgeschobenen Verfalldatum zahlen, akzeptieren oder negoziieren, müssen den Dokumenten eine von ihnen ausgestellte Erklärung folgenden Wortlauts beifügen: „Zur Zahlung (Akzeptleistung oder Negoziierung, je nach Lage des Falles) präsentiert innerhalb der gemäß Art. 39 der Einheitlichen Richtlinien verlängerten Gültigkeitsdauer." Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso Verschiffung, Verladung oder Versendung Artikel 40 a) Sofern die Akkreditiv-Bedingungen nichts anderes besagen, sind Ausdrücke wie „Abgang", „Versendung", „Beladung" oder „Verschiffung", die zur Festsetzung des letzten Verladungsdatums der Waren verwendet werden, als gleichbedeutend mit „Verladung" anzusehen. b) Ausdrücke wie „prompt", „unverzüglich", „baldmöglichst" usw. sollten nicht verwendet werden. Wenn sie verwendet werden, legen die Banken sie dahin aus, daß die Verladung innerhalb von 30 Tagen verlangt wird, und zwar gerechnet ab Datum der Akkreditiv-Eröffnungsanzeige der eröffnenden oder einer avisierenden Bank an den Begünstigten — je nachdem, wie der Fall liegt. c) Der Ausdruck „am oder um den" und ähnliche Ausdrücke werden dahin ausgelegt, daß die Verladung innerhalb des Zeitraums von 5 Tagen vor bis 5 Tage nach dem angegebenen Datum verlangt wird, wobei der erste und letzte Tag eingeschlossen sind. Präsentation Artikel 41 Ungeachtet der Bestimmung des Artikels 37, wonach in jedem Akkreditiv ein Verfalldatum f ü r die Vorlage der Dokumente festgesetzt sein muß, müssen Akkreditive auch eine genau bestimmte Frist ab Ausstellungsdatum der Konnossemente oder anderer Verladedokumente festsetzen, innerhalb welcher Dokumente zur Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung vorgelegt werden müssen. Ist eine derartige Frist im Akkreditiv nicht festgesetzt, weisen die Banken Dokumente zurück, die ihnen später als 21 Tage nach dem Ausstellungsdatum der Konnossemente oder anderer Verladedokumente präsentiert werden. Artikel 42 Die Banken sind nicht verpflichtet, Dokumente außerhalb ihrer Schalterstunden entgegenzunehmen. Zeitbestimmungen Artikel 43 Die Ausdrücke „erste Hälfte", „zweite Hälfte" eines Monats bedeuten „vom 1. bis zum 15. einschließlich" bzw. „vom 16. bis einschließlich Monats-Ultimo". Artikel 44 Die Ausdrücke „Anfang", „Mitte" oder „Ende" eines Montas bedeuten „vom 1. bis zum 10. einschließlich", „vom 11. bis zum 20. einschließlich" und „vom 21. bis einschließlich Monats-Ultimo". Artikel 45 Wenn die eröffnende Bank Weisung gibt, das Akkreditiv gültig „für einen Monat", „für sechs Monate" oder ähnlich zu bestätigen oder zu avisieren, aber nicht angibt, wann diese Frist beginnen soll, bestätigt oder avisiert die bestätigende oder avisierende Bank das Akkreditiv dahingehend, daß die Gültigkeit mit Ablauf des so bezeichneten Zeitraumes, gerechnet ab Datum der Bestätigung oder Avisierung, erlischt. E. Übertragung Artikel 46 a) Ein übertragbares Akkreditiv ist ein Akkreditiv, bei dem der Begünstigte berechtigt ist, der zur Zahlung oder Akzeptleistung aufgeforderten oder jeder zur Negoziierung berechtigten Bank Weisung zu geben, das Akkreditiv im Ganzen oder zum Teil einem Dritten oder mehreren Dritten (Zweitbegünstigten) verfügbar zu machen. b) Die Bank, die ersucht wird, die Übertragung vorzunehmen — gleichgültig, ob sie das Akkreditiv bestätigt hat oder nicht —, ist nicht verpflichtet, die Übertragung vorzunehmen, außer in dem Umfang und in der Art, wie sie ausdrücklich zugestimmt hat und bevor die im Zusammenhang mit der Übertragung entstehenden Kosten dieser Bank bezahlt sind.
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II. D i e einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Akkreditive ( E R G ) c) Bankkosten, die im Z u s a m m e n h a n g mit Übertragungen entstehen, sind vom Erstbegünstigten zu tragen, sofern nichts anderes bestimmt worden ist. d) Ein Akkreditiv kann nur übertragen werden, wenn es von der eröffnenden Bank ausdrücklich als „übertragbar" bezeichnet worden ist. Ausdrücke wie „divisible", „fractionable", „assignable" und „transmissible" f ü g e n der Bedeutung des Ausdrucks „transferable" (übertragbar) nichts hinzu und sollen nicht benutzt werden. e) Ein übertragbares Akkreditiv kann nur einmal übertragen werden. Teile eines übertragbaren Akkreditivs (die im G a n z e n den Gesamtbetrag des Akkreditivs nicht überschreiten) können getrennt übertragen werden, sofern Teilverladungen nicht untersagt sind; die Gesamtheit derartiger Übertragungen gilt als nur eine Übertragung des Akkreditivs. D a s Akkreditiv kann nur zu den im Originalakkreditiv angegebenen Bedingungen übertragen werden mit der Ausnahme, daß der Akkreditivbetrag, die im Akkreditiv etwa genannten Preise pro Einheit und die Gültigkeitsdauer oder die Verladungsfrist insgesamt oder einzeln ermäßigt oder verkürzt werden können. Außerdem kann der N a m e des ersten Begünstigten an die Stelle des Akkreditiv-Auftraggebers gesetzt werden. Wenn jedoch im Originalakkreditiv ausdrücklich verlangt wird, daß der N a m e des Akkreditiv-Auftraggebers in irgendeinem anderen D o k u m e n t als der Rechnung erscheint, muß diese Bedingung erfüllt werden. f) D e r Erstbegünstigte hat das Recht, seine eigenen Rechnungen an die Stelle der Rechnungen des Zweitbegünstigten zu setzen, und zwar mit Beträgen, welche den im Akkreditiv angegebenen Originalbetrag nicht übersteigen, und mit den im Akkreditiv gegebenenfalls angegebenen Originalpreisen pro Einheit. Bei einem solchen Rechnungsaustausch kann der Erstbegünstigte auf G r u n d des Akkreditivs den Unterschiedsbetrag erheben, der gegebenenfalls zwischen seinen Rechnungen und denen des Zweitbegünstigten besteht. W e n n ein Akkreditiv übertragen worden ist und der Erstbegünstigte seine eigenen Rechnungen an die Stelle der Rechnungen des Zweitbegünstigten setzen soll, der ersten A u f f o r d e r u n g hierzu aber nicht nachkommt, dann hat die zahlende, akzeptierende oder negoziierende Bank das Recht, der eröffnenden Bank die auf G r u n d des Akkreditivs erhaltenen D o k u m e n t e auszuliefern, einschließlich der Rechnungen des Zweitbegünstigten, und zwar ohne weitere Verantwortlichkeit gegenüber dem Erstbegünstigten. g) D e r Erstbegünstigte eines übertragbaren Akkreditivs kann das Akkreditiv an einen Zweitbegünstigten in demselben Land oder in einem anderen L a n d übertragen, sofern im Akkreditiv nicht ausdrücklich etwas anderes vorgeschrieben ist. D e r Erstbegünstigte soll berechtigt sein zu verlangen, daß die Z a h l u n g oder N e g o z i i e r u n g an den Zweitbegünstigten an dem Platz vorgenommen wird, an den das Akkreditiv übertragen worden ist, und zwar bis zum Verfalldatum des Originalakkreditivs einschließlich dieses T a g e s und unbeschadet des Rechtes des Erstbegünstigten, nachträglich seine Rechnungen an die Stelle der Rechnungen des Zweitbegünstigten zu setzen und jeden ihm zustehenden Differenzbetrag zu fordern. Artikel 47 Die T a t s a c h e , daß ein Akkreditiv nicht als übertragbar bezeichnet ist, berührt nicht die Rechte des Begünstigten, den Zahlungsanspruch aus einem solchen Akkreditiv gemäß den Bestimmungen des anzuwendenden Rechts abzutreten.
III. D a s Rechtsverhältnis zwischen dem A k k r e d i t i v - A u f t r a g g e b e r und seiner Bank 1. Der Vertragsschluß Für den Vertragsschluß zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und der 9 3 6 (erst)beauftragten Bank gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln. Ein Formerfordernis ist weder im Gesetz noch in den E R G vorgesehen. Die schriftliche Festlegung der Akkreditivbedingungen und die Verwendung von Auftragsformularen ist jedoch in einem solchen Maße verkehrsüblich, daß wohl von einem Formerfordernis kraft HanClaus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso delsbrauchs auszugehen ist 3 4 . Ein solches ist rechtlich möglich 3 5 und als gewillkürtes Formerfordernis i. S. von §§ 125 S. 2, 127 B G B anzusehen. 937
Das Formerfordernis dürfte sich jedoch auf den Antrag des Auftraggebers beschränken, so daß seitens der Bank auch eine konkludente Annahme — z. B. durch Rücksendung einer Auftragskopie — möglich ist. Auch ein Vertragsschluß durch Schweigen gemäß § 362 H G B kommt in Betracht 3 6 ; denn ein Handelsbrauch, der diese Vorschrift unanwendbar macht, wird sich schwerlich nachweisen lassen.
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Im übrigen gelten für den Akkreditivauftrag grundsätzlich die allgemeinen Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe ohne Einschränkung — nicht anders als für die Giroüberweisung (vgl. dazu oben Rdn. 373 ff). Die Abwicklung findet nach Bereicherungsrecht statt; hinsichtlich der Frage des Bereicherungswegfalls sind die oben Rdn. 381 ff entwickelten Grundsätze zu beachten.
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Durch den Abschluß des Vertrages mit dem Akkreditiv-Auftraggeber, der ein auf eine Geschäftsbesorgung gerichteter Werkvertrag i. S. der §§ 6 7 5 , 631 ff B G B ist (vgl. oben Rdn. 923), wird die Bank in erster Linie dazu verpflichtet, Zahlung an den Begünstigten zu leisten. Diese Pflicht besteht jedoch, soweit sie lediglich aus dem Akkreditivauftrag folgt, nur gegenüber dem Akkreditiv-Auftraggeber und nicht gegenüber dem Begünstigten (vgl. unten Rdn. 981). Sie setzt voraus, daß die Zahlungsbedingungen erfüllt sind, d. h. insbesondere, daß die Akkreditivbedingungen eingehalten und die erforderlichen Dokumente eingereicht sind.
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Entsprechend dem Zweck des Akkreditivs hat die Bank dem Begünstigten Mitteilung von der Akkreditivstellung zu machen oder ihm diese durch eine andere Bank avisieren zu lassen 3 7 . Außerdem hat sie dem Begünstigten das Akkreditiv zu eröffnen, d. h. ihm gegenüber eine selbständige, abstrakte Zahlungsverpflichtung einzugehen (vgl. im übrigen unten Rdn. 982 ff). Diese Pflichten ergeben sich aus den §§ 157, 242 B G B und werden auch von den E R G in den Art. 5 und 6 vorausgesetzt. Auch sie bestehen nicht dem Begünstigten, sondern lediglich dem Akkreditiv-Auftraggeber gegenüber; ihre Verletzung begründet daher nur für letzteren einen Schadensersatzanspruch, während sich ersterer lediglich an den Akkreditiv-Auftraggeber als an seinen Vertragspartner halten und gegebenenfalls wegen Nichterfüllung oder verspäteter Erfüllung der Pflicht zur Akkreditiveröffnung zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann 3 8 .
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Die Haftung für eine Verletzung der Pflichten zur Mitteilung und Eröffnung des Akkreditivs wird durch die Freizeichnungsklausel gemäß Art. 10 E R G nicht berührt. Denn entweder bezieht diese sich schon tatbestandlich nicht auf die Fälle eines V e r schuldens der B a n k 3 9 , oder aber sie ist insoweit gemäß § 9 II Ziff. 2 A G B G unwirksam,
2. Die AusfUhrungspflicht
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Vgl. auch Schinnerer/Avancini S. 33 f und Eisemann/Eberth S. 66, wo das Schriftformerfordernis freilich im Wege einer offenkundigen petitio principii aus der „Formstrenge" des Akkreditivgeschäfts hergeleitet wird; a. A., d. h. gegen ein Formerfordernis Zahn S. 3 6 ; Nielsen BuB 5/272; von Westphalen S. 125. Vgl. z. B. R G Z 95, 2 4 2 ; Capelle/Canaris aaO (Fn. 11) § 13 II 4 m. w. Nachw. Vgl. Zahn S. 6 8 ; Nielsen BuB 5/272; Schinnerer/ Avancini S. 3 0 ; a. A. offenbar Eisemann/Eberth S. 68.
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Vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 157; von Westphalen S. 127. Vgl. auch R G Z 103, 376, 3 7 9 ; 105, 32, 34 f ; vgl. dazu im übrigen unten Rdn. 1047 ff. S o Eisemann/Eberth S. 127 f ; unklar Schinnerer/ Avancini S. 24 ff, wonach u. a. das Vorliegen eines „grenzüberschreitenden Verkehrs und damit die Unübersichtlichkeit der tatsächlichen Verhältnisse" ( a a O Fn. 9 6 ) eine Rolle spielen soll — ein Gesichtspunkt, der indessen weder für die Auslegung noch für die Inhakskontrolle von Bedeutung ist, sondern lediglich das Urteil über das Verschulden zu beeinflussen vermag.
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III. D a s R e c h t s v e r h ä l t n i s z w i s c h e n d e m A k k r e d i t i v - A u f t r a g g e b e r u n d s e i n e r B a n k
weil es hier um „Kardinalpflichten" geht 4 0 . Da es sich mithin nicht etwa um einen Anwendungsfall von § 11 Ziff. 7 AGBG handelt, stellt sich von vornherein nicht die Frage, ob die Bank sich wenigstens für einfache Fahrlässigkeit freigezeichnet hat; sie haftet vielmehr folgerichtig auch für diese — was übrigens in Ubereinstimmung mit der verwandten Regelung von Ziff. 8 AGB der Privatbanken steht, die nach ihrem klaren Wortlaut für „einen von der Bank verschuldeten Schaden" nicht gilt. Sollte die Freizeichnung freilich einem Handelsbrauch entsprechen, wäre sie grundsätzlich zu respektieren (vgl. oben Rdn. 929 Abs. 2). 3. Die Pflicht der Bank zur Beachtung der Weisungen des Akkreditiv-Auftraggebers und der Akkreditivbedingungen a) Der Grundsatz der Akkreditiv- und Dokumentenstrenge Bei der Durchführung des Akkreditivgeschäfts hat sich die Bank streng innerhalb 9 4 2 der Grenzen des ihr erteilten formalen Auftrags zu halten und insbesondere die Ubereinstimmung der ihr von dem Begünstigten präsentierten Dokumente mit den Akkreditivbedingungen auf das genaueste und förmlichste zu überprüfen 4 1 . Dieser Grundsatz der Akkreditiv- und Dokumentenstrenge findet seine Rechtfertigung darin, daß die Bank in aller Regel keinen Einblick in die Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer hat und deshalb sowie auch mangels Sach- und Branchenkenntnis grundsätzlich nicht beurteilen kann, welche Folgen eine Abweichung von dem Akkreditivauftrag für ihren Auftraggeber haben kann. Welche Akkreditivbedingungen der Auftraggeber aufstellt und welche Weisungen 9 4 3 er erteilt, ist grundsätzlich seine Sache. Die Bank muß daher auch funktionswidrige Bedingungen und Weisungen, d. h. solche, die der Funktion oder dem Wesen des Dokumentenakkreditivs widersprechen, beachten, sofern sie sich auf den Abschluß eines entsprechenden Akkreditiwertrags eingelassen hat. Das ergibt sich daraus, daß auch für das Dokumentenakkreditivgeschäft der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt und daß die Parteien sich insbesondere ohne weiteres über die ERG einvernehmlich hinwegsetzen können. Der Bank bleibt daher in einem derartigen Fall keine andere Möglichkeit, als den Vertragsschluß abzulehnen. Anders ist allerdings bei nachträglichen Weisungen zu entscheiden. Zwar hat sich der Beauftragte grundsätzlich auch an nachträgliche einseitige Weisungen des Auftraggebers zu halten, doch steht dessen Weisungsrecht nunmehr unter den Einschränkungen des § 242 BGB sowie der im Vertrag enthaltenen Bindungen, hier also vor allem der Regeln der E R G ; damit aber sind Weisungen, die der Funktion oder dem Wesen des Dokumentenakkreditivs widersprechen, unvereinbar. b) Die Zulässigkeit von Abweichungen gemäß § 665 S. 2 BGB und gemäß § 242 BGB Ausnahmsweise darf die Bank von den Weisungen abweichen, wenn sie den 9 4 4 Umständen nach annehmen darf, daß der Akkreditiv-Auftraggeber die Abweichung bei S o mit R e c h t von Westphalen W M 1980, 181 f ; a. A. o f f e n b a r Schlegelberger/Hefermehl R d n . 157, w o n a c h „die F r e i z e i c h n u n g g r u n d s ä t z l i c h w i r k sam ist" u n d lediglich „die B e r u f u n g auf sie bei V o r l i e g e n b e s o n d e r e r U m s t ä n d e gegen T r e u u n d G l a u b e n (§ 242 B G B ) v e r s t o ß e n k a n n " . «1 Vgl. R G Z 97, 144, 148; 105, 48, 5 3 ; 106, 26, 30 f ; 114, 268, 2 7 1 ; B G H W M 1958, 291, 292 u n t e r I I I Claus-Wilhelm
= LM N r . 1 z u § 780 B G B ; W M 1958, 587, 588 = L M N r . 2 zu § 780 B G B ; W M 1960, 38, 39 = L M N r . 3 z u § 665 B G B ; W M 1964, 4 7 6 = LM N r . 3 z u § 373 H G B ; W M 1970, 552, 554 f ; 1971, 158, 159 f ; Nielsen W M 1962, 778 f f ; Schütze W M 1963, 578 f ; Zahn S. 103 f ; Schlegelbergerl Hefermehl R d n . 162 u n d 181 ; Schönle § 8 V I I I 2 b (2 b ) ; Eberth S. 34 ff. Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
Kenntnis der Sachlage billigen würde und eine vorherige Rückfrage bei diesem untunlich ist, weil mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist; das ergibt sich aus § 665 Satz 2 BGB, der gemäß § 675 BGB auf das Akkreditivgeschäft entsprechend Anwendung findet 4 2 und durch die ERG nicht verdrängt wird. 945
Außerdem steht der Grundsatz der Akkreditivstrenge wie jedes Rechtsprinzip unter der Einschränkung von Treu und Glauben 43 . Der Akkreditiv-Auftraggeber kann daher eine Abweichung von seinen Weisungen oder den Akkreditivbedingungen nicht geltend machen, wenn die Bank ohne Hinzuziehung von Fachkennern völlig einwandfrei beurteilen konnte, daß es sich um eine unerhebliche und für den Auftraggeber unschädliche Abweichung handelt 44 . In der Tat läge in einem solchen Fall eine mit Treu und Glauben unvereinbare Ausnutzung einer rein formalen Rechtsposition vor. Dementsprechend wird man z. B. beim fob- und cif-Kauf Abweichungen als unschädlich anzusehen haben, wenn der Käufer dadurch in keinem Punkte schlechter gestellt ist als nach der in den Akkreditivbedingungen vorgesehenen Klausel 45 . Daß der Grundsatz der Akkreditiv- und Dokumentenstrenge starr und förmlich gehandhabt werden muß, um seine Funktion erfüllen zu können, schließt die Anwendbarkeit von § 242 BGB nicht aus, da auch derartige Rechtsprinzipien u. U. hinter § 242 BGB zurücktreten müssen, wie insbesondere die heute im Grundsatz nicht mehr umstrittene Einschränkung der Formvorschriften durch die Gebote von Treu und Glauben zeigt. Allerdings ist wegen des förmlichen Charakters des Grundsatzes der Akkreditiv- und Dokumentenstrenge starke Zurückhaltung bei der Anwendung des § 242 BGB geboten. Insbesondere genügt i. d. R. auch schon die Gefahr geringfügiger Nachteile für den Auftraggeber, um eine Abweichung von den Akkreditivbedingungen unstatthaft zu machen und eine Korrektur über § 242 BGB auszuschließen; es ist daher bedenklich, wenn der BGH es als unschädlich angesehen hat, daß eine Bank auf die in den Akkreditivbedingungen vorgeschriebene Vorlage einer zweiten Ausfertigung einer Aufgabebescheinigung verzichtet hat, obwohl durch die zweite Ausfertigung, wie der BGH selbst ausdrücklich festgestellt hat, „vielleicht die Abwicklung des Einfuhrgeschäfts erleichtert worden wäre" (BGH W M 1960 39).
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Darüber hinaus wird es nach Durchführung des Kaufvertrages in aller Regel gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Käufer nunmehr eine geringfügige Abweichung zum Anlaß nimmt, um die Zahlung der Akkreditivsumme an die Bank zu verweigern bzw. diese nach § 667 BGB zurückzufordern. Denn weil (und sofern) der Verkäufer den Akkreditivbetrag ordnungsgemäß erhalten hat, käme man sonst entweder zu dem absurden Ergebnis, daß der Akkreditiv-Auftraggeber (und Käufer) den Kaufpreis bezahlt hat, den Akkreditivbetrag aber nicht zu bezahlen braucht und folglich die Ware auf Kosten der Bank umsonst erhält, oder aber man müßte der Bank die Kondiktion bei dem Verkäufer gestatten (vgl. dazu auch oben Rdn. 431 ff, insbesondere 438 ff, und unten Rdn. 1027 f) und diesem dann wieder den Kaufpreisanspruch gegen den Käufer (und Akkreditiv-Auftraggeber) geben, was offensichtlich ebenso unpraktikabel wie interessenwidrig wäre. Aus diesem Grunde kann, falls der Kaufvertrag zur Abwicklung gelangt ist und auch nicht rückgängig gemacht werden soll, eine Abweichung der Bank von den Weisungen ihres Kunden sogar dann ihren Anspruch auf Zah« Vgl. R G Z 106, 26, 31; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 185; a. A. offenbar Zahn S. 104 f; Schinnerer/Avancini S. 6 Fn. 13; Eisemann/Eberth S. 65. « Vgl. schon R G LZ 1920, 230 sowie auch B G H W M 1958, 291, 292 unter III und 1960, 38, 39.
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Vgl. B G H a a O (wie vorige Fn.); zustimmend Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 185; a. A. Nielsen W M 1962, 778 ff und BuB 5/320; Zahn S. 105. Ebenso Zahn S. 134 in einem gewissen Gegensatz zu seiner sehr strengen Haltung im Grundsätzlichen S. 105.
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III. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Akkreditiv-Auftraggeber und seiner Bank
lung des Akkreditivbetrags gemäß § 242 BGB unberührt lassen, wenn dem Kunden Nachteile wie z. B. höhere Einfuhrkosten oder ein entgangener Gewinn wegen verspäteten Erhalts der Ware entstanden sind; allerdings ist die Bank dann wegen positiver Forderungsverletzung insoweit zum Schadensersatz verpflichtet. Unter dieser Voraussetzung, d. h. einer definitiven Abwicklung des Kaufvertrags, ist es auch zutreffend, daß der Akkreditiv-Auftraggeber eine Abweichung gemäß § 242 BGB dann gegen sich gelten lassen muß, wenn der Zweck der Akkreditivbedingungen trotz der Abweichung erreicht ist 46 ; kommt es allerdings nicht zu einer Durchführung des Kaufvertrags, so kann die Bank den Akkreditivbetrag nicht verlangen, da es weder ihre Aufgabe noch ihr Recht ist, ohne Rücksicht auf die Weisungen des Auftraggebers zu entscheiden, ob der Zweck der Akkreditivbedingungen auch auf anderem als dem ihr vorgeschriebenen Weg zu erreichen ist.
c) Genehmigung der Abweichung und verspätete Rüge Eine Abweichung von den Weisungen des Auftraggebers oder von den Akkreditiv- 9 4 7 bedingungen ist weiterhin dann unerheblich, wenn dieser seine Genehmigung erteilt hat 47 . Eine solche kann auch konkludent erfolgen, liegt jedoch i. d. R. nicht in dem bloßen Schweigen des Auftraggebers auf die Ubersendung von Dokumenten, die mit den Akkreditivbedingungen in Widerspruch stehen; denn Schweigen ist nach geltendem Recht grundsätzlich nicht als Zustimmung zu werten. Auch in der vorbehaltlosen Entgegennahme bedingungswidriger Dokumente durch den Auftraggeber ist nicht ohne weiteres eine Genehmigung zu sehen; § 464 BGB kann insoweit nicht analog angewandt werden, da die Vorschrift lediglich eine stark formalisierte Sonderregelung des allgemeinen Prinzips der Verwirkung darstellt, weshalb in anderen Fällen grundsätzlich auf dieses selbst und seine Grundlage in § 242 BGB zurückzugreifen ist. Die Regeln über die Verwirkung können allerdings in der Tat der Geltendmachung 9 4 8 einer Abweichung entgegenstehen. Dazu genügt es freilich entgegen der h. L. noch nicht, daß der Akkreditiv-Auftraggeber die Abweichung nicht unverzüglich nach Kenntniserlangung durch eine entsprechende Rüge geltend gemacht hat 48 . Insbesondere setzt die Verwirkung die Möglichkeit voraus, daß die Bank sich auf die Genehmigung irgendwie „eingerichtet" hat, und daran wird es meist fehlen, weil und sofern die Bank den Akkreditivbetrag schon ausgezahlt hat, bevor sie die Dokumente an ihren Auftraggeber weitergereicht und diesem dadurch überhaupt erst die Möglichkeit zu einer Rüge gegeben hat; auch ist dem Auftraggeber eine angemessene Frist zur Überprüfung der Frage einzuräumen, ob er das Geschäft trotz der Abweichung gelten lassen will, wozu er i. d. R. erst die Ankunft der Ware und deren Untersuchung abwarten muß. Immerhin hat der Auftraggeber aber eine Pflicht zu unverzüglicher Rüge eines (erkennbaren) Dokumentenmangels, deren Verletzung grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch der Bank begründet. Diese Lösung entspricht der Interessenlage wesentlich besser als die viel zu starre h. L., weil sie die Bank nur dann schützt, wenn dieser durch die Verspätung der Rüge wirklich ein Nachteil entstanden ist, und weil sie überdies eine Schadensteilung nach § 254 BGB erlaubt.
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So B G H WM 1960, 39; zustimmend z. B. sen WM 1962, 622 f; Liesecke W M 1976, a. A. Nielsen und Zahn a a O (wie Fn. 44); S. 39 f. Vgl. auch R G Z 97, 144, 147; 114, 266, 271
Peter263 f; Eberth f.
"8 Richtig i. E. daher R G Z 144, 266, 272; a. A. h. L., vgl. Liesecke W M 1960, 210 und 1966, 461; Zahn S. 185; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 188; von Westphalen Exportfinanzierung S. 131; Eberth S. 42.
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
d) Die Rechtsfolgen von Abweichungen 949
W e i c h t die B a n k von den Weisungen des Akkreditiv-Auftraggebers oder von den Akkreditivbedingungen ab und ist diese Abweichung nicht nach den in Rdn. 9 4 4 ff entwickelten Grundsätzen unschädlich, so braucht der Auftraggeber das Geschäft nicht gegen sich gelten zu lassen. D i e B a n k hat folglich keinen Anspruch auf den Akkreditivbetrag, so daß der Auftraggeber dessen Bezahlung verweigern bzw. ihn, wenn er ihn bereits eingezahlt hatte, gemäß § 6 6 7 1. Altern. B G B zurückverlangen k a n n 4 9 . Das entspricht auch den für das Girorecht geltenden Grundsätzen, auf die ergänzend zu verweisen ist (vgl. oben Rdn. 3 4 6 ff).
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Anders ist allerdings zu entscheiden, wenn die B a n k kein Verschulden trifft. D e r Anspruch auf Rückzahlung des Akkreditivbetrags scheitert dann an § 2 7 5 B G B 5 0 ; § 2 7 9 B G B steht nicht entgegen, da diese Vorschrift dem Schuldner nur das Risiko der Z a h lungsfähigkeit, nicht aber auch das Risiko eines unverschuldeten Irrtums über die W e i sungskonformität seines Handelns auferlegt. H a t t e die B a n k das Geld vom Auftraggeber noch nicht erhalten, so wird sie in einem derartigen Fall in aller Regel einen Zahlungsanspruch aus § 6 7 0 B G B haben; denn diese V o r s c h r i f t setzt lediglich voraus, daß die B a n k die Auszahlung der Akkreditivsumme an den Begünstigten „den Umständen nach für erforderlich halten" durfte.
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Entsteht dem Akkreditiv-Auftraggeber durch die Abweichung ein Schaden — z. B. weil das Geschäft mit dem V e r k ä u f e r deshalb scheitert und ihm dadurch Gewinn entgeht — , so ist die B a n k bei Verschulden zum Schadensersatz wegen positiver Forderungsverletzung verpflichtet, sofern nicht ein Fall der Freizeichnung gemäß Art. 9 ff E R G vorliegt (vgl. zu deren Gültigkeit Rdn. 965 und 9 7 5 ) .
e) Die wichtigsten Akkreditivbedingungen51 952
N a c h der „Allgemeinen R e g e l " lit. d der E R G sollen die Akkreditivbedingungen einerseits „vollständig und g e n a u " sein, andererseits aber auch nicht „zu weit gehende Einzelheiten" enthalten. Vollständigkeit und Genauigkeit der Akkreditivbedingungen ist vor allem deshalb wichtig, weil der Bank sowohl der Einblick in das Verhältnis zwischen K ä u f e r und V e r k ä u f e r als auch die erforderlichen S a c h - und Branchenkenntnisse i. d. R . fehlen und sie daher zu einer selbständigen Entscheidung offen gebliebener F r a gen meist nicht in der Lage ist. D e m entspricht es, daß den Banken durch die derzeitige Fassung der E R G , insbesondere durch die Art. 14 ff ihre Handlungsweise bei Zweifelsfragen überwiegend genau vorgeschrieben ist, während sie nach den älteren Fassungen der E R G einen wesentlich größeren Ermessensspielraum hatten.
953
Zu den wichtigsten Weisungen, die der Akkreditiv-Auftraggeber zu erteilen hat, gehört zunächst die Benennung des Begünstigten. W e i t e r muß die H ö h e des Akkreditivbetrags angegeben sein, wobei etwa zuzuschlagende Nebenkosten zu spezifizieren sind und die W ä h r u n g zu bezeichnen ist; ist der Betrag nicht genau bestimmt, sondern mit dem Zusatz „etwa" oder „circa" versehen, so ist das nach Art. 34 E R G dahin auszulegen, daß die B a n k bis zu 10 % nach oben oder unten abweichen darf. Als drittes essentiale der Akkreditivbedingungen ist schließlich die Angabe der D o k u m e n t e anzu-
50
Vgl. R G Z 106, 26, 31 f ; 114, 268, 2 7 1 ; B G H W M 1958, 1542, 1543 unter I ; Zahn S. 185; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 190. Zutreffend daher W M 1958, 1543 unter I ; 1961, 158, 160 unter 7 ; auf Verschulden stellen ferner ab z. B. Zahn S. 185; Scklegelberger/Hefermehl
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51
Rdn. 190; a. A. unter unrichtiger Berufung auf § 279 B G B Erstauflage Anm. 381. Eingehende Darstellungen finden sich bei Zahn S. 37 ff; Schinnerer/Avancini S. 49 ff; Eisemann/ Eberth S. 87 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D a s Rechtsverhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und seiner Bank
sehen, gegen deren Einreichung die Bank leisten soll (vgl. dazu näher unten Rdn. 956 ff und 997 ff); diese Angabe wird nicht nur durch Art. 14 lit. a ERG besonders nachdrücklich vorgeschrieben, sondern ist auch auf Grund der spezifischen Eigenart des Dokumentenakkreditivgeschäfts unerläßlich, so daß ihr Fehlen oder eine durch Auslegung nicht zu behebende Mehrdeutigkeit in aller Regel zum Dissens und über §139 BGB zur Vollnichtigkeit des Akkreditiv-Auftrags führen w i r d . . Darüber hinaus steht es dem Auftraggeber grundsätzlich frei, weitere Bedingungen 9 5 4 aufzustellen (vgl. auch oben Rdn. 943). Zu bestimmten Angaben wird er sogar ausdrücklich durch die ERG angehalten, ohne daß ihr Fehlen jedoch die Unwirksamkeit des Akkreditivauftrags zur Folge hätte. So soll der Auftraggeber nach Art. 1 lit. b ERG z. B. eine Bestimmung über die Widerruflichkeit des Akkreditivs treffen (vgl. dazu im übrigen unten Rdn. 988 f); tut er das nicht, so gilt das Akkreditiv nach Art. 1 lit. c ERG als widerruflich. Unabhängig von der Frage der Widerruflichkeit müssen alle Akkreditive gemäß Art. 37 ERG ein Verfalldatum tragen (vgl. dazu auch unten Rdn. 990). Fehlt es, liegt gemäß §§ 154 f BGB (noch) kein wirksamer Akkreditivauftrag vor, doch ist die Bank i. d. R. gemäß § 242 BGB verpflichtet, den Kunden auf diesen Mangel hinzuweisen 5 2 . Eine Leistung der Bank nach Ablauf der Akkreditivfrist braucht der Auftraggeber nicht gegen sich gelten zu lassen, so daß er entsprechend den oben Rdn. 949 f entwickelten Regeln die Zahlung des Akkreditivbetrags verweigern bzw. diesen zurückfordern kann; das gilt grundsätzlich auch bei einer geringfügigen Uberschreitung des Verfalldatums (vgl. R G Z 105 48, 52 f). Eine Regelung über die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs aus der Akkreditiveröff- 9 5 5 nung wird i. d. R. nicht getroffen. Das Akkreditiv ist vielmehr auch ohne besondere Abrede grundsätzlich Zug um Zug gegen Präsentation akkreditivkonformer D o k u mente zahlbar, wobei der Bank gemäß Art. 8 lit. d ERG eine angemessene Zeit f ü r die Dokumentenprüfung zusteht. Abweichendes gilt für das Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung (deferred payment), bei dem die Bank erst eine bestimmte Zeit nach Präsentation der Dokumente zu zahlen hat. An der Wirksamkeit einer derartigen Gestaltung besteht nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kein Zweifel 5 2 3 . Die Hinausschiebung des Zahlungstermins betrifft dabei nicht nur das Verhältnis zwischen der Bank und dem Begünstigten, sondern ist nach dem Grundsatz der formalen Auftragsstrenge auch im Verhältnis zwischen der Bank und dem Auftraggeber verbindlich. Die Bank handelt daher grundsätzlich auf eigenes Risiko, wenn sie vor Fälligkeit zahlt 5 2 b . §271 II BGB, wonach der Schuldner auch bei fester Bestimmung der Leistungszeit im Zweifel schon vorher zur Bewirkung der Leistung berechtigt ist, steht nicht entgegen; denn die Vorschrift paßt nur auf den Fall, daß der Schuldner an den Gläubiger leistet, nicht aber auch auf den Fall, daß der Schuldner für Rechnung des Gläubigers an einen Dritten leistet und folglich u. U. die Interessen des Gläubigers gefährdet. Bei vorzeitiger Zahlung ist die Bank daher darauf angewiesen, nach den oben Rdn. 944 ff entwikkelten Grundsätzen die Unschädlichkeit der vorzeitigen Zahlung darzutun; das bedeutet u. a., daß sie insoweit die Beweislast trägt und demgemäß den Akkreditivbetrag z. B. nicht erhält, wenn nicht zu klären ist, ob der Auftraggeber eine Zahlung zum Fällig52
D i e s e P f l i c h t w i r d v o n Zahn S. 45 o h n e B e g r ü n d u n g a b g e l e h n t ; vgl. d e m g e g e n ü b e r a u c h Liesecke W M 1976, 262 z u m e n t s p r e c h e n d e n P r o b l e m im Verhältnis z u m Begünstigten. 52a Vgl. a u c h Liesecke W M 1976, 260 f ; Stauder S. 4 3 7 f f ; die A u s f ü h r u n g e n v o n Schinnerer/Avancini S. 100 f mit Fn. 303 r i c h t e n sich w o h l n i c h t gegen die r e c h t l i c h e Z u l ä s s i g k e i t , s o n d e r n n u r
52b
g e g e n die p r a k t i s c h e G e f ä h r l i c h k e i t des A k k r e d i tivs mit h i n a u s g e s c h o b e n e r Z a h l u n g . A. A. w o h l Horn S. 17 u n d j e d e n f a l l s Stauder S. 447 ff im A n s c h l u ß an die E n t s c h e i d u n g des schweizerischen Bundesgerichts BGE 100 II 146 f f ; kritisch d a z u , a b e r w e n i g k l a r Schinnerer/ Avancini S. 101; auf die U m s t ä n d e des E i n z e l f a l l s abstellend O L G F r a n k f u r t W M 1981, 445 f.
Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und D o k u m e n t e n i n k a s s o
keitszeitpunkt nach den Regeln über den Einwand des Rechtsmißbrauchs (vgl. zu diesen unten Rdn. 1015 ff) verhindert hätte. Allerdings kann auch die Berufung des Auftraggebers auf die Auftragswidrigkeit einer vorzeitigen Zahlung u. U. rechtsmißbräuchlich sein (vgl. O L G Frankfurt W M 1981 445 f). 4. Die Prüfungspflicht der Bank bei der Aufnahme der Dokumente 956
Reicht der Begünstigte der Bank ordnungsgemäße Dokumente ein, so ist diese gegenüber dem Akkreditiv-Auftraggeber (und i. d. R. auch gegenüber dem Begünstigten, vgl. unten Rdn. 993) zur „Aufnahme" der Dokumente und zur Bezahlung des Akkreditivbetrags verpflichtet und kann durch eine Weigerung schadensersatzpflichtig werden (vgl. oben Rdn. 939). Auf der anderen Seite darf die Bank ordnungswidrige Dokumente grundsätzlich nicht einlösen, will sie nicht Gefahr laufen, den Anspruch auf Ersatz des Akkreditivbetrags zu verlieren (vgl. oben Rdn. 949) und ihrem Auftraggeber schadensersatzpflichtig zu werden; die Bank hat demgemäß eine entsprechende Prüfungspflicht.
957
Die Prüfungspflicht der Bank bezieht sich grundsätzlich allein auf die formelle Ubereinstimmung der Dokumente mit den Akkreditivbedingungen. Die Prüfungspflicht erstreckt sich also insbesondere nicht auf das Kausalgeschäft zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber (Käufer) und dem Begünstigten (Verkäufer) und auf dessen ordnungsgemäße Durchführung 5 3 . Das ergibt sich schon daraus, daß die Bank ihrer Funktion nach lediglich die Zahlung vermittelt und in das Valutaverhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und dem Begünstigten i. d. R. weder Einblick nehmen kann noch will; es ist ferner in der „Allgemeinen Regel" lit. c der ERG ausdrücklich hervorgehoben, wonach „Akkreditive ihrer Natur nach von den Kauf- oder anderen Verträgen, auf denen sie beruhen können, getrennte Geschäfte sind und die Banken in keiner Hinsicht etwas mit solchen Verträgen zu tun haben und durch sie nicht gebunden sind"; es folgt schließlich auch daraus, daß der Anspruch des Begünstigten auf Auszahlung des Akkreditivbetrags abstrakt gegenüber dem Valutaverhältnis ist (vgl. unten Rdn. 1012) und daß daher die Bank — von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, in denen dann freilich nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht zur Zahlungsverweigerung besteht (vgl. unten Rdn. 1024) — die Zahlung wegen Mängeln im Valutaverhältnis überhaupt nicht ablehnen kann.
a) Der Gegenstand der Prüfungspflicht
Die Unerheblichkeit des Valutaverhältnisses gilt dabei nicht nur in dem Sinne, daß die Bank in dieser Richtung keine Prüfungen anzustellen braucht, sondern auch umgekehrt in dem Sinne, daß sie trotz ordnungsgemäßer Abwicklung des Kausalgeschäfts die Aufnahme der Dokumente und die Bezahlung des Akkreditivbetrags verweigern kann und muß, wenn die Dokumente mit den Akkreditivbedingungen nicht übereinstimmen 5 4 . Nimmt die Bank in einem solchen Falle gleichwohl die Dokumente auf, so wird die darin liegende Abweichung von den Akkreditivbedingungen allerdings meist nach § 242 BGB unerheblich sein (vgl. oben Rdn. 946). 958
Da die Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer die Bank grundsätzlich nichts angehen, hat sie auch keine Prüfungspflicht hinsichtlich der Ware und ihrer Beschaffenheit oder Vollständigkeit 5 5 . Der Käufer kann sich eine gewisse Sicherheit in dieser Richtung daher allenfalls dadurch verschaffen, daß er die Einreichung entsprechender " Vgl. auch R G Z 97, 144, 148; Zahn S. 103; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 181 a. E.; Nielsen BuB 5/316.
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Vgl. auch Zahn S. 103; Nielsen BuB 5/316 a. E. ^ Vgl. auch B G H WM 1970, 158; Zahn S. 103; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 18 3.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Akkreditiv-Auftraggeber und seiner Bank
Dokumente wie z. B. eines Qualitätszertifikates oder eines Prüfungszeugnisses über die Vollständigkeit der Lieferung vorschreibt. Dem entspricht es, daß Art. 8 lit. a ERG bestimmt: „Im Dokumenten-Akkreditiv-Geschäft befassen sich alle Beteiligten mit Dokumenten und nicht mit Waren." Die Prüfungspflicht der Bank bezieht sich schließlich grundsätzlich nicht auf die 9 5 9 inhaltliche Richtigkeit der Dokumente 56 ; denn auch dabei handelt es sich um außerhalb der Dokumente liegende Fragen, die die Bank mangels entsprechender Sach- und Branchenkenntnisse i. d. R. nicht angemessen beurteilen kann und die sie überdies ihrer Funktion als Zahlungsvermittlerin entsprechend auch gar nicht beurteilen soll. Die Bank braucht sich demgemäß auch bei Vorliegen entsprechender Verdachtsmomente grundsätzlich nicht darum zu kümmern, ob z. B. die in den Dokumenten angegebene Menge wirklich der verschifften Menge oder ob die bestätigte Qualität der gelieferten Qualität entspricht. Liegt der Bank allerdings gleichzeitig mit einem eingereichten Dokument eine urkundliche Erklärung seines Ausstellers vor, die die Richtigkeit des Dokuments in wesentlichen Punkten in Frage stellt, so wird man der Bank zumindest dann ein Recht zur Zurückweisung des Dokuments geben müssen, wenn sie ein eigenes schutzwürdiges Interesse an dessen Richtigkeit hat (vgl. B G H W M 1964 223). Darüber hinaus dürfte die Bank in einem derartigen Fall auch eine Pflicht gegenüber dem Auftraggeber zur Zurückweisung des Dokuments haben (sofern dieser nicht mit dessen Annahme einverstanden ist wie in dem vom B G H a a O entschiedenen Fall), weil der Fehler jetzt allein aus den Urkunden hervorgeht und es einer Uberprüfung der Ware und der tatsächlichen Vorgänge durch die Bank somit nicht bedarf, so daß die sonst gegen eine Prüfungspflicht der Bank sprechenden Gründe hier entfallen. Dementsprechend hat die Bank ganz allgemein aus den Dokumenten ersichtliche 9 6 0 Mängel grundsätzlich zu berücksichtigen. Sie darf also nur „reine Dokumente" („clean documents") hereinnehmen, sofern der Auftraggeber ihr nicht eine andere Weisung im Akkreditiv erteilt hat 5 7 . „Unrein" ist ein Verladedokument nach Art. 18 ERG dann, wenn es Klauseln oder Angaben enthält, „die einen mangelhaften Zustand der W a r e u n d / o d e r Verpackung ausdrücklich vermerken". Trotz des Wortes „ausdrücklich" wird man ein Dokument jedoch schon dann als „unrein" anzusehen haben, wenn der Vermerk auf eine Tatsache hinweist, die auf einen drohenden oder gar auf einen bereits eingetretenen Schaden hinweist, auch wenn der Mangel als solcher nicht ausdrücklich hervorgehoben ist . Daß eine Klausel, die ein Dokument „unrein" macht wie z. B. ein Vermerk über das Fehlen der Verpackung, handelsüblich ist, ändert nichts daran, daß die Bank das Dokument zurückweisen darf und muß; es ist Sache des Akkreditiv-Auftraggebers, durch eine besondere Bestimmung festzulegen, daß das Dokument gleichwohl aufgenommen werden soll 58 . Als „unrein" zurückzuweisen sind mangels einer abweichenden Akkreditivbestimmung gemäß Art. 22 ERG auch Konnossemente, welche eine Verladung an Deck ausweisen 59 . Dagegen macht die sogenannte „Caspiana-Klausel", die dem Schiffsführer bei Unmöglichkeit der Löschung im Bestimmungshafen die Löschung im nächstgelegenen geeignet erscheinenden H a f e n gestattet, ein Konnossement nicht „unrein" 6 0 ; denn in derartigen Notfällen hat der Kapitän schon nach allgemeinen Grundsätzen das Recht, einen anderen H a f e n anzulaufen, und die Klausel hat daher rein deklaratorische Bedeutung. Die Klausel „Particulars as 56 So mit Recht Zahn S. 103 f; Eisemann/Eherth Rdn. 149; a. A. wohl RG BankArch. 1922, 93. 57 Vgl. dazu auch Zahn S. 127 f; Schlegelberger/ Hefermehl Rdn. 170. 58 So mit Recht Schlegelherger/Hefermehl Kdn. 170.
59 Vgl. näher Ohlig AWD 1963, 142; ebenso auch Schlegelherger/Hefermehl Rdn. 170. Vgl. O L G Frankfurt WM 1978, 886, 887; Eisemann A W D 1957, 138; SiebelDB 1957,676; Liesecke W M 1964, 1282 f und 1966, 180; Zahn S. 128 f; Schlegelherger/Hefermehl Rdn. 170.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
furnished by shippers" macht eine Spediteur-Ubernahmebescheinigung nicht „unrein" (vgl. B G H W M 1970 158, 159). Auch die üblichen allgemeinen Unbekannt-Klauseln machen ein Konnossement grundsätzlich nicht unrein (vgl. näher Liesecke W M 1976 264 sowie Art. 17 ERG). Nicht nur Verladedokumente, auf die allein sich Art. 18 ERG bezieht, können „unrein" sein, sondern auch Dokumente anderer Art. wie z. B. Qualitätszertifikate oder Prüfungsbescheinigungen über die Quantität der verladenen Ware. Auch bei diesen können sich nämlich bereits aus dem Inhalt der Urkunde selbst Zweifel oder Einwände gegen die Ordnungsmäßigkeit der Ware, ihrer Verpackung oder ihrer Beförderungsweise ergeben. So kann z. B. eine Freizeichnungsklausel u. U. ein Warenkontrollzertifikat „unrein" machen, doch ist das jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn die Klausel am O r t der Kontrolle handelsüblich ist, so daß sie Bedenken hinsichtlich der Sorgfalt der Prüfung nicht nahelegt 6 1 . 961
Bestehen von einem Dokument mehrere Ausfertigungen, so darf die Bank sich bei Traditionspapieren grundsätzlich nicht mit einem einzelnen Exemplar begnügen, sondern nur den vollen Satz („füll set") aufnehmen, auch wenn das in den Akkreditivbedingungen nicht besonders vorgeschrieben ist 62 . Denn nur auf diese Weise erhält der Akkreditivauftraggeber die erforderliche Sicherheit, weil anderenfalls die Gefahr besteht, daß mit Hilfe einer der übrigen Ausfertigungen noch über das Gut abweichend verfügt wird und ein Dritter Eigentum erwirbt. Bei Dokumenten ohne Traditionswirkung kann sich die Bank dagegen grundsätzlich mit der Aufnahme einer Ausfertigung begnügen, sofern nicht in den Akkreditivbedingungen etwas anderes bestimmt ist 63 . Selbst wenn die Akkreditivbedingungen ausdrücklich die Aufnahme mehrerer Ausfertigungen vorschreiben, kann es u. U. gemäß § 242 BGB unschädlich sein, wenn die Bank sich mit einem einzigen Exemplar begnügt 6 4 . b) Der Maßstab der Prüfungspflicht und die Rechtsprechung zum Grundsatz der Dokumentenstrenge
962
Der Maßstab der Prüfungspflicht der Bank bestimmt sich nach dem Grundsatz der Dokumentenstrenge (vgl. oben Rdn. 942 m. Nachw.). Danach hat die Bank die Übereinstimmung der Dokumente mit den Akkreditivbedingungen äußerst genau und streng förmlich zu prüfen, sofern ihr nicht ausnahmsweise Abweichungen von dem Grundsatz der Dokumentenstrenge gestattet sind (vgl. dazu oben Rdn. 944 ff). Das heißt allerdings nicht, daß sie sich nur an den Wortlaut festklammern soll oder darf; vielmehr gilt auch hier der Auslegungsgrundsatz des § 133 BGB, wonach nicht an dem buchstäblichen Ausdruck zu haften, sondern der wahre Sinn zu ermitteln ist, und daher können und müssen u. U. sowohl die Akkreditivbedingungen ausgelegt werden (vgl. B G H W M 1958 1542, 1543 unter III) als auch die Dokumente im Lichte des $ 133 BGB gelesen werden (vgl. B G H W M 1958 587, 588 Sp. 1).
963
Demgemäß kann z. B. die in einem Dokumentenakkreditiv enthaltene Bestimmung, daß es gegen das Warenkontrollzertifikat („Good-Control-Certificate") einer „öffentlich anerkannten Kontrollfirma" eingelöst werden soll, dahin ausgelegt werden, daß ein „Certificate of Inspection" einer gesetzlich anerkannten Kontrollfirma genügt, wenn es in dem Land des Lieferanten keine durch einen hoheitlichen Akt zur Warenprüfung " Vgl. B G H W M 1958, 1542, 1543 f; Liesecke W M 1960,210. M Vgl. B G H W M 1958, 456, 459; Liesecke W M 1964, 1282; Zahn S. 121; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 169; von Westphalen s. 129
508
« Vgl. auch Liesecke W M 1976, 263 f; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 177; a. A. z . B . Eisemann/ Eberth S. 151 f. 64 Vgl. B G H W M 1960, 38, 39 und dazu oben Rdn. 945 m. w. N a c h w .
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und seiner Bank bestellten oder ermächtigten Firmen gibt (vgl. B G H W M 1958 1542, 1543). Fehlt es an derartigen besonderen Umständen, muß ein Qualitätszertifikat oder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung dagegen gerade von der in den Akkreditivbedingungen bestimmten Person oder Institution stammen (vgl. R G Z 114 268, 270 f). Auch der in den Dokumenten angegebene Adressat wie z. B. der Adressat eines Frachtbriefs muß genau mit den Bestimmungen des Akkreditivs übereinstimmen (vgl. R G Z 106 26, 28 f; vgl. auch RG LZ 1920 230, 231). Darüber hinaus können selbst scheinbar geringfügigste Abweichungen von den Akkreditivbedingungen ausschlaggebende Bedeutung haben und die Zurückweisung der Dokumente erforderlich machen. So kann die Bank z. B. zur Zurückweisung oder zumindest zu einer Rückfrage verpflichtet sein, wenn in einem Prüfungsattest bestimmte Worte in Anführungszeichen enthalten sind und das die Möglichkeit nahelegt, daß sich der Prüfer diese Worte — z. B. hinsichtlich einer Eigenschaft der Ware — nicht zu eigen macht und sie nicht als Gegenstand des Prüfungsberichts ansieht, sondern sie lediglich zitiert (vgl. B G H W M 1958 587, 588). Besondere Zurückhaltung ist für die Bank stets bei der Abweichung von Zahlenangaben geboten; denn Zahlen sind grundsätzlich nicht auslegungsfähig, und außerdem kann die Bank mangels entsprechender Sach- und Fachkunde i. d. R. nicht beurteilen, ob die Abweichung gravierend oder zumindest für die besonderen, ihr meist unbekannten oder nicht voll überschaubaren Zwecke des Akkreditiv-Auftraggebers relevant ist. Mit Recht hat es der B G H daher nicht als Uberspannung des Grundsatzes der Dokumentenstrenge angesehen, ein Werksattest über das spezifische Gewicht von Dieselkraftstoff bei 15° C nicht für ausreichend zu erachten, wenn in den Akkreditivbedingungen ein solches für 20° C gefordert wird, mag auch ein Olfachmann die Angaben als gleichwertig beurteilen (vgl. B G H W M 1958 291, 292 unter III).
c) Die Tragung des Fälschungsrisikos und die Freizeichnung gemäß Art. 9 ERG Löst die Bank gefälschte Dokumente ein, so braucht der Auftraggeber das nach all- 9 6 4 gemeinen Grundsätzen an sich auch dann nicht als ordnungsgemäße Durchführung des Auftrags gegen sich gelten zu lassen, wenn die Fälschung bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unerkennbar war 6 5 ; denn der Auftrag des Kunden bezieht sich bei einer Auslegung nach §§ 133, 157 BGB nur auf die Einlösung echter D o k u mente (vgl. oben Rdn. 368 zur Giroüberweisung). Zugunsten der Bank greift in diesem Fall jedoch die Freizeichnungsklausel gemäß Art. 9 ERG ein. Diese betrifft allerdings nur unerkennbare Fälschungen und nicht auch den Fall, 9 6 5 daß die Bank die Fälschung infolge von Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. Dann geht nämlich die in Art. 7 ERG ausdrücklich hervorgehobene und nicht eingeschränkte Prüfungspflicht der Bank der Freizeichnung gemäß Art. 9 ERG vor 6 6 . Der Vorrang von Art. 7 gegenüber Art. 9 ERG gilt folgerichtig auch f ü r sonstige Verletzungen der Prüfungspflicht wie z. B. bei einer Unvollständigkeit der Dokumente oder bei für die Bank erkennbarer Unwirksamkeit. Da es sich um ein Ergebnis der Auslegung handelt, steht von vornherein außer Frage, daß die Bank auch f ü r leichte Fahrlässigkeit haftet und
65
66
Z u s t i m m e n d Scblegelberger/Ilefermehl R d n . 184; a. A . R G Z 106, 26, 31 m . N a c h w . aus d e r älteren Rspr. Vgl. a u c h Liesecke W M 1966, 4 6 3 ; Zahn S. 106 f ; Schlegelberger/Hefermebl R d n . 184; e n g e r w o h l Nielsen B u B 5 / 3 2 2 , d e r eine H a f t u n g d e r B a n k n u r b e j a h t , „ w e n n eine F ä l s c h u n g o d e r a n d e r e
f o r m e l l e M ä n g e l s o z u s a g e n ins A u g e s p r i n g e n m ü s s e n ' " ; u n k l a r von Westphalen^fflA 1980, 180, w o o h n e h i n r e i c h e n d e K l ä r u n g des systematischen V e r h ä l t n i s s e s v o n A r t . 9 z u A r t . 7 E R G s o f o r t mit e i n e r I n h a l t s k o n t r o l l e n a c h § 9 A G B G gearbeitet wird.
Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
nicht — wie u. U. im Anwendungsbereich von § 11 Ziff. 7 AGBG — nur für grobe 6 7 ; das gleiche ergäbe sich wohl auch nach den Grundsätzen über die Inhaltskontrolle, da die Prüfungspflicht eine „Kardinalpflicht" i. S. von § 9 II Ziff. 2 AGBG darstellt, weshalb übrigens auch Ziff. 5 I AGB nicht eingreift (vgl. unten Rdn. 2568 a. E.). Scheidet somit ein Anspruch nach Art. 9 ERG hier aus, so kann die Bank doch immerhin gegen ihren Kunden einen Gegenanspruch aus positiver Forderungsverletzung (gemindert nach § 254 BGB) haben, wenn diesen gleichfalls ein Verschulden trifft, z. B. weil er die Bank vor einer für ihn vorhersehbaren Fälschung nicht rechtzeitig gewarnt hat (vgl. auch RG BankArch 1912/13 193, 195); die entsprechenden Grundsätze des Girovertragsrechts (vgl. oben Rdn. 370 ff) gelten auch hier. 5. Die Beratungspflicht der Bank 966
Die Bank hat grundsätzlich keine Beratungspflicht bei der Abfassung der Akkreditivbedingungen 68 . Das folgt sowohl aus ihrer Funktion als bloßer Vermittlerin der Zahlung als auch aus der Tatsache, daß sie weder hinreichende Sach- und Branchenkenntnisse noch hinreichenden Einblick in die Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer hat, um eine Beratung hinsichtlich der Abfassung der Akkreditivbedingungen ordnungsgemäß vornehmen zu können. Ahnlich wie im Girovertragsrecht (vgl. dazu oben Rdn. 104) ist daher vor allem eine Beratungspflicht der Bank hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Akkreditivbedingungen abzulehnen. Anders kann dagegen im Einzelfall bei Rechtsfragen zu entscheiden sein, sofern von der Bank in dieser Richtung besondere Kenntnisse zu erwarten sind wie etwa in bezug auf devisenrechtliche Bestimmungen und nicht ohne weiteres zu erwarten ist, daß der Kunde die einschlägigen Probleme von sich aus ordnungsgemäß löst (vgl. auch oben Rdn. 116). Außerdem hat die Bank jedenfalls dann eine Hinweispflicht, wenn dem Kunden ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist wie z. B. ein Schreibfehler und dies für die Bank evident ist 69 . 6. Der Widerruf des Akkreditivauftrags
967
Der Akkreditivauftrag unterliegt grundsätzlich dem freien Widerruf durch den Auftraggeber. Das ergibt sich sowohl aus §§ 675, 649 S. 1 als auch aus § 790 S. 1 BGB, der wegen der Ähnlichkeit des Akkreditivs mit der Anweisung (vgl. oben Rdn. 920 f) analog angewendet werden kann 7 0 . Der Anspruch der Bank auf die Akkreditivprovision wird durch die Kündigung gemäß §§ 675, 649 S. 2 BGB grundsätzlich nicht berührt. Ob das Akkreditiv widerruflich oder unwiderruflich i. S. von Art. 1 ERG ist, spielt keine Rolle, da diese Frage lediglich die Rechtsposition des Begünstigten nach der Akkreditiveröffnung betrifft (vgl. dazu unten Rdn. 988 f), nicht aber das hier allein in Frage stehende Verhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und seiner Bank. Insoweit ist der Widerruf vielmehr erst dann ausgeschlossen, wenn die Bank den Akkreditivauftrag in nicht mehr rückgängig zu machender Weise durchgeführt hat (vgl. auch oben Rdn. 353 zum Widerruf der Giroüberweisung), d. h. i. d. R., wenn die Bank oder eine von ihr eingeschaltete zweite Bank dem Begünstigten einen unwiderruflichen Anspruch eingeräumt hat; diese Beschränkung des Widerrufsrechts ergibt sich wohl schon aus §§ 675, 649 S. 1 BGB, wonach der Widerruf nur bis zur „Vollendung des Werks" zulässig ist, zumindest aber aus § 790 S. 1 BGB, wonach der Widerruf durch die Annahme des Angewiesenen gegenüber dem Anweisungsempfänger aus67
Ebenso i. E. Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 184 und 190 a. E.; wohl auch Zahn S. 106 und von Westphalen W M 1980, 180; a. A. Liesecke W M 1976, 262; Nielsen BuB 5/322 a. E. 48 So auch Zahn S. 62 f; Nielsen BuB 5/285; Schinnerer/Avancini S. 48.
510
" Vgl. auch Zahn S. 63, der jedoch eine H a f t u n g nicht schon bei Evidenz des Fehlers, sondern erst bei positiver Kenntnis der Bank bejaht. 7 ° A. A. z. B. Wiele S. 34; Palandt/Thomas §790 Anm. 1 b.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D i e Rechtsverhältnisse im mehrgliedrigen A k k r e d i t i w e r k e h r
geschlossen wird. Im übrigen ist auf die entsprechenden Ausführungen zum Girovertragsrecht oben Rdn. 352 ff zu verweisen. 7. Die Pflichten des Akkreditiv-Auftraggebers Der Akkreditiv-Auftraggeber ist der Bank zur Zahlung der Akkreditivprovision 9 6 8 gemäß §§ 675, 631 BGB verpflichtet. Außerdem hat er ihr den Akkreditivbetrag gemäß §§ 675, 670 BGB zu erstatten. Mangels einer gegenteiligen Abrede ist er dabei gemäß §§ 675, 669 BGB vorschußpflichtig71. Diese Pflichten entfallen allerdings, wenn die Bank den Akkreditivauftrag nicht weisungsgemäß durchführt (vgl. oben Rdn. 949). Hinsichtlich der Entgegennahme der Dokumente wird man keine echte Schuldner- 9 6 9 pflicht des Akkreditiv-Auftraggebers, sondern nur eine Gläubigerobliegenheit, deren Verletzung Annahmeverzug begründet, anzunehmen haben. Eine Pflicht zu unverzüglicher Rüge ordnungswidriger Dokumente ist zwar grundsätzlich zu bejahen, doch führt ihre Verletzung nur zu einer Schadensersatzpflicht des Auftraggebers gegenüber der Bank und nicht zu einem Verlust der Möglichkeit, die Auftragswidrigkeit des Verhaltens der Bank geltend zu machen (vgl. oben Rdn. 948). 8. Die Sicherungsrechte der Bank an den Dokumenten Zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen den Kunden hat die Bank gemäß § 273 BGB 970 und § 369 H G B ein Zurückbehaltungsrecht an den Dokumenten. Darüber hinaus steht ihr nach Ziff. 19 AGB grundsätzlich ein Vertragspfandrecht an den Papieren zu. Dieses kann die Bank auch für solche Ansprüche geltend machen, die mit dem Akkreditivgeschäft nicht in Zusammenhang stehen 72 . Will der Kunde diese Rechtsfolge vermeiden, muß er bei Abschluß des Akkreditivauftrags einen entsprechenden Vorbehalt machen 73 . Anders dürfte allerdings zu entscheiden sein, wenn die Dokumente mangelhaft sind; die Bank darf deren Rückgabe dann nicht unter Berufung auf ihr Zurückbehaltungsrecht oder ihr Pfandrecht verweigern 74 . IV. D i e Rechtsverhältnisse im mehrgliedrigen A k k r e d i t i w e r k e h r 1. Die Aufgaben der zweiten Bank I. d. R. schaltet die erstbeauftragte Bank eine weitere Bank, die ihren Sitz meist im 971 selben Land wie der Begünstigte hat, in die Abwicklung des Geschäfts ein. Funktionell gesehen gibt es dabei im wesentlichen drei verschiedene Gestaltungsformen. Bei der ersten besteht die Aufgabe der zweiten Bank primär in der Bestätigung des Akkreditivs, wodurch sie gemäß Art. 3 lit. b ERG eine eigenständige Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Begünstigten übernimmt. Bei der zweiten beschränkt sie sich dagegen grundsätzlich auf die Avisierung des Akkreditivs, d. h. auf dessen Ankündigung ohne Eingehung einer eigenen Zahlungspflicht. In der Mitte steht die — in Art. 3 ERG nicht geregelte, aber weit verbreitete — Einschaltung der zweiten Bank als Zahlstelle 75 , bei der diese zwar nicht selbst dem Begünstigten gegenüber zur Zahlung verpflichtet ist, aber doch die Auszahlung des Akkreditivbetrags und die Dokumentenprüfung grund71
73
Vgl. R G Z 102, 155; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 187; Nielsen BuB 5/290. Vgl. Schütz BB 1964, 334; Liesecke W M 1964, 1282; Wiele S. 49; Zahn S. 173; Scblegelberger/ Hefermehl Rdn. 189. Ebenso Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 189; vgl. ferner B G H W M 1971, 179 zu zum entsprechen-
den Problem beim Scheckinkasso und dazu oben Rdn. 747 Abs. 2. < Vgl. Liesecke WM 1969, 551; Zahn S. 145; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 189. 75 Vgl. dazu eingehend Zahn S. 52 ff und 88 ff; Schinnerer/Avancini S. 62 ff; Eisemann/Eberth S. 79 ff; Nielsen BuB 5/305; Schärrer S. 115 f. 7
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso sätzlich in eigener Verantwortung übernimmt. Demgemäß wird im folgenden je nach der Funktion der zweiten Bank von Bestätigungsbank, Avisbank oder Zahlstelle gesprochen. Selbstverständlich können die Funktionen auch zusammentreffen; so ist die Avisbank häufig zugleich Zahlstelle. 2. Die Rechtsbeziehungen der Banken untereinander 972
Zwischen den Banken entsteht ebenso wie im mehrgliedrigen Uberweisungsverkehr grundsätzlich ein Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. von § 675 BGB 7 6 — und zwar bei allen drei in der vorigen Rdn. erwähnten Gestaltungsformen. Durch diesen wird die Akkreditivbank der zweiten Bank zur Provisionszahlung verpflichtet. H a t diese das Akkreditiv zu bestätigen und einzulösen, so ist die Akkreditivbank darüber hinaus gemäß §§ 675, 669 f BGB bzw. Art. 8 lit. b ERG grundsätzlich zur Vorauszahlung bzw. Erstattung des Akkreditivbetrags verpflichtet. Das Rechtsverhältnis entspricht in einem solchen Fall weitgehend demjenigen zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und der erstbeauftragten Bank; insbesondere liegt dann auch eine Anweisung i. w. S. vor, die die Akkreditivbank der Bestätigungsbank erteilt.
973
Die Bestätigungsbank und die Zahlstelle sind gegenüber der erstbeauftragten Bank zur ordnungsgemäßen Prüfung der Dokumente verpflichtet. Wenn sie diese Pflicht schuldhaft verletzen, haben sie grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung des ausgelegten Betrages; die Ausführungen oben Rdn. 942 ff gelten entsprechend. Hält die erstbeauftragte Bank die Dokumente nicht für akkreditivgerecht, so hat sie dies der Bestätigungsbank bzw. der Zahlstelle gemäß Art. 8 lit. e ERG unverzüglich mitzuteilen. Die Verletzung dieser Pflicht begründet indessen grundsätzlich nur einen Schadensersatzanspruch und führt nicht ohne weiteres zum Verlust der Möglichkeit, den Mangel geltend zu machen und die Zahlung des Akkreditivbetrages zu verweigern 7 7 . Denn eine solch einschneidende Rechtsfolge müßte besonders angeordnet sein — wie das in lit. f in der T a t geschehen ist, woraus sich zugleich ein Umkehrschluß für lit. e ergibt; außerdem ist ein Schadensersatzanspruch auch wesentlich sachgerechter, weil kein Anlaß besteht, die Bestätigungsbank bzw. Zahlstelle auch dann zu schützen, wenn ihr durch die Verspätung der Mitteilung gar kein Nachteil erwachsen ist. — Die Avisbank hat keine Pflicht zur Dokumentenprüfung, sondern lediglich eine Pflicht zu unverzüglicher Weiterleitung an die Akkreditivbank. 3. Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen des Akkreditiv-Auftraggebers zu seiner Bank
974
Im Verhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und der Akkreditivbank erhebt sich beim mehrgliedrigen Akkreditiwerkehr vor allem die Frage, ob die zweitbeauftragte Bank Erfüllungsgehilfin der Akkreditivbank ist oder nicht. Im Gegensatz zum Girovertragsrecht (vgl. dazu oben Rdn. 391) kann das nicht generell verneint werden, doch kann es auch nicht generell bejaht werden 7 8 . Vielmehr kommt es darauf an, welche Pflichten die Akkreditivbank im Einzelfall gegenüber ihrem Auftraggeber über76 E b e n s o Liesecke W M 1966, 462 f ; Zahn S. 8 1 ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 192; von Westphalen S. 132; Scbönle § 8 V I I I 2 b ( 3 ) ; Nielsen BuB 5 / 2 9 7 ; Eisemann/Eberth S. 77. 77 A. A. h. L., vgl. z. B. Schlegelberger/Hefermehl R d n . 193 u n d von Westphalen S. 132 mit Fn. 82, beide u n t e r u n z u t r e f f e n d e r B e r u f u n g auf Art. 8 lit. f E R G , d e r n u r f ü r d e n — w e i t a u s s c h w e r e r
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78
w i e g e n d e n — Fall m a n g e l n d e r R ü c k g a b e b z w . B e r e i t h a l t u n g d e r D o k u m e n t e gilt; d e r h. L. f o l g e n d f e r n e r Nielsen BuB 5 / 3 0 0 . Ä h n l i c h Schlegelberger/Hefermehl R d n . 195; von Westphalen W M 1980, 183 f f ; a. A. z. B. einerseits Zahn S. 82, d e r g r u n d s ä t z l i c h § 278 B G B a n w e n den will, a n d e r e r s e i t s Nielsen B u B 5 / 3 0 3 , d e r eine solche A n w e n d u n g grundsätzlich ablehnt.
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nommen hat und ob sie gerade diese Pflichten durch die zweitbeauftragte Bank durchführen läßt. Das wird bezüglich der Pflicht zur Mitteilung des Akkreditivs i. d. R. zu bejahen sein, so daß die Avisbank grundsätzlich als Erfüllungsgehilfin der erstbeauftragten Bank anzusehen ist 79 . Gleiches gilt für die Zahlstelle 80 , da diese im Namen der erstbeauftragten Bank handelt und das auch bei der Wahrnehmung der typischen Pflichten aus dem Akkreditivauftrag wie insbesondere der Pflicht zur Dokumentenprüfung der Fall ist 81 . Beschränkt sich die Pflicht der erstbeauftragten Bank dagegen auf die Beauftragung einer anderen Bank mit der Eröffnung des Akkreditivs, so nimmt letztere keine Pflicht wahr, die eigentlich ersterer obliegt, und ist daher nicht deren Erfüllungsgehilfin 8 2 . Auch die Bestätigungsbank ist i. d. R. nicht Erfüllungsgehilfin der erstbeauftragten Bank, weil und sofern ihre Einschaltung dem Begünstigten einen Anspruch gegen eine Bank in seinem eigenen oder sonst für ihn besonders günstigen Land verschaffen soll und sie daher Aufgaben wahrnimmt, die die erstbeauftragte Bank von vornherein nicht sinnvoll erfüllen kann; anders mag z. B. zu entscheiden sein, wenn statt der zweitbeauftragten Bank ebenso gut eine ausländische Filiale oder Tochter der erstbeauftragten Bank tätig werden könnte. Die Frage der Erfüllungsgehilfenschaft hat durch das AGBG, insbesondere durch 9 7 5 dessen § 11 Nr. 7, beträchtlich an Bedeutung gewonnen, weil sie f ü r die Wirksamkeit der Freizeichnungsklauseln gemäß Ziff. 12 ERG und Ziff. 9 AGB der Privatbanken eine wesentliche Rolle spielt. Denn jedenfalls im nichtkaufmännischen Verkehr ist an der zwingenden Regelung von § 11 Nr. 7 AGBG nicht vorbeizukommen, so daß für diesen Art. 12 ERG insoweit unwirksam ist, als die zweite Bank Erfüllungsgehilfin der erstbeauftragten Bank ist; immerhin wird die H a f t u n g der Bank aber durch Ziff. 25 I Halbs. 2 AGB wirksam auf grobes Verschulden der Korrespondenzbank beschränkt (vgl. dazu unten Rdn. 2717). Darüber hinaus soll § 11 Nr. 7 AGBG nach einer verbreiteten, wohl derzeit sogar als h. L. zu bezeichnenden Ansicht über §§ 24, 9 AGBG auch auf den kaufmännischen Verkehr entsprechende Anwendung finden 8 3 . Indessen ist dieser Meinung nicht zu folgen 8 4 (vgl. auch unten Rdn. 2601). Denn es läßt sich nicht begründen, daß die Erstrekkung von § 11 Nr. 7 AGBG auf jede Art von Erfüllungsgehilfen — die im Gegensatz zum Rechtszustand vor Erlaß des AGBG und zur damaligen Rechtsprechung des B G H steht! — Ausdruck eines „wesentlichen Grundgedankens" des BGB i. S. von § 9 II Ziff. 1 AGBG ist 85 . Daß dies nicht zutrifft, zeigt gerade die vorliegende Problematik mit besonderer Deutlichkeit. Die erstbeauftragte Bank hat nämlich häufig nur geringfügige oder vielleicht überhaupt keine Möglichkeiten, sich Klarheit über das Geschäftsgebaren der ausländischen (!) Bank zu verschaffen oder gar dieses zu kontrollieren — und muß doch eine solche einschalten, wenn die ordnungsgemäße Abwicklung des Akkreditivgeschäfts nicht in Frage gestellt werden soll. Es ist daher nur gerecht und bil7
' Ebenso i. E. von Westphalen W M 1980, 185. 80 A. A. von Westphalen WM 1980, 185, der die Zahlstelle als Substitut der Akkreditivbank ansieht, jedoch nicht auf deren Funktion als Stellvertreterin eingeht. 81 Vgl. Zabn S. 53 f und 89; Nielsen BuB 5/305; Eisemann/Eberth S. 79. 82 Vgl. auch R G Z 105, 48, 51; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 195; von Westphalen W M 1980, 185 f. 83 Vgl. statt aller von Westphalen WM 1980, 182 m. umf. Nachw. in Fn. 58. 84 Vgl. näher Capelle/Canaris a a O (Fn. 11) § 15 I 3 c m . Nachw.
85 Abwegig von Westphalen WM 1980, 186, der generell die These aufstellt, daß „die garantiemäßig ausgeprägte Haftung für Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (i. S. von § 9 II Ziff. 1 AGBG) gehört"; das wird schon allein durch den Hinweis auf § 11 N r . 7 AGBG widerlegt, wonach die Abdingung von § 278 BGB nicht schlechthin unwirksam ist, sondern nur insoweit, als sie sich auch auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit von Erfüllungsgehilfen erstreckt.
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
lig, daß sie die aus § 278 BGB folgende Garantiehaftung (!) für deren Verhalten ausschließt. Soweit sich freilich die Freizeichnung nach Art. 12 ERG auch auf die H a f t u n g der erstbeauftragten Bank für ihr eigenes Verschulden bei der Auswahl der anderen Bank erstreckt, dürfte der Klausel die Wirksamkeit gemäß § 9 II Ziff. 1 u n d / o d e r 2 AGBG abzusprechen sein 8 6 ; die Gültigkeit der Bestimmung für die übrigen Fälle wird dadurch nicht berührt 8 7 . Ziff. 9 AGB ist dagegen zur Gänze unwirksam (vgl. unten Rdn. 2586). 976
Besonderheiten können sich im Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und der Akkreditivbank bei der Einschaltung einer Bestätigungsbank ferner insofern ergeben, als der Auftraggeber kein eigentliches Widerrufsrecht mehr hat, sondern nur noch seine Bank anweisen kann, ihrerseits der Bestätigungsbank eine entsprechende Weisung zu erteilen. Die Ausführungen oben Rdn. 393 zum Girovertragsrecht gelten hier analog. 4. Die Rechtsbeziehungen des Akkreditiv-Auftraggebers zu der zweitbeauftragten Bank
977
Zwischen dem Akkreditivauftraggeber und der zweitbeauftragten Bank besteht kein Vertragsverhältnis 88 . Daher hat jener dieser gegenüber z. B. kein Weisungsrecht. Ebenso scheiden Bereicherungsansprüche oder gar vertragliche Rückabwicklungsansprüche insoweit grundsätzlich aus. Dagegen kommen Schadensersatzansprüche wegen Schutzpflichtverletzung durchaus in Betracht, so daß der Auftraggeber nicht auf die Möglichkeit der Drittschadensliquidation beschränkt ist 89 ; die Ausführungen oben Rdn. 395 gelten entsprechend. Keines Rückgriffs auf schadensersatzrechtliche Lösungen bedarf es allerdings i. d. R., wenn die zweitbeauftragte Bank die Pflicht zu ordnungsgemäßer Dokumentenprüfung verletzt hat 9 0 ; denn dann hat sie grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung des Akkreditivbetrags gegen die erstbeauftragte Bank (vgl. oben Rdn. 973), so daß diese auch ihrerseits grundsätzlich nicht den Anspruch aus § 670 BGB gegen den Akkreditivauftraggeber hat.
978
Ist die zweitbeauftragte Bank lediglich Avisbank, so ist zwar zwischen ihr und dem Begünstigten kein Vertragsverhältnis gegeben, so daß letzterer keinen Zahlungsanspruch gegen sie hat, aber es liegt wegen des Bestehens eines rechtsgeschäftlichen Kontakts immerhin ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht vor (vgl. zum Begriff näher oben Rdn. 12), so daß Schadensersatzansprüche wegen Schutzpflichtverletzung gemäß § 242 BGB — z. B. wegen einer falschen Mitteilung — entstehen können 9 1 . Außerdem ist die Avisbank grundsätzlich Erfüllungsgehilfin des Akkreditiv-Auftraggebers in dessen Verhältnis zum Begünstigten 9 2 , so daß jener sich ihr Verhalten gemäß § 278 BGB z. B. im Rahmen von § 326 BGB zurechnen lassen muß.
5. Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Begünstigten
86
E b e n s o i. E. Zahn e n g e r o f f e n b a r von
S. 8 2 ; Nielsen BuB 5/302; Westphalen W M 1980, 186,
d e r d a r a u f abstellt, o b das A u s w a h l v e r s c h u l d e n v o r s ä t z l i c h o d e r g r o b f a h r l ä s s i g i. S. v o n § 11 N r . 7 A G B G ist. «7 D a s ist a l l e r d i n g s s e h r streitig; vgl. e i n g e h e n d Capelle/Canaris a a O (Fn. 11) § 15 I 3 e m. Nachw. zum Diskussionsstand. «8 Vgl. R G Z 105, 48, 5 0 ; 106, 26, 3 0 ; O L G Dusseld o r f W M 1978, 359, 3 6 0 ; Capelle S. 6 9 ; Liesecke W M 1966, 4 6 3 ; Zahn S. 8 2 ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 194.
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89 A. A. h. L., vgl. z. B. Schlegelberger/Hefermehl R d n . 194; Schönte § 8 V I I I 2 b ( 6 ) ; Nielsen BuB 90 91
92
5 / 3 0 1 ; Eisemann/Eberth S. 78. D a s v e r k e n n t o f f e n b a r von Westphalen S. 132 f. E b e n s o i. E. Schubert BB 1952, 128; Käser R a b e l s Z 1921, 89 u n d Z K W 1961, 1089; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 196; Nielsen BuB 5 / 3 0 6 Fn. 5 ; Eisemann/Eberth S. 8 1 ; vgl. f e r n e r R G Z 106, 304, 3 0 5 ; a. A. z. B. Wiele S. 49 f. I n s o w e i t z u t r e f f e n d d a h e r Zahn S. 82.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . D a s Rechtsverhältnis
Begünstigter/Akkreditivbank/Bestätigungsbank
Ahnlich ist die Rechtslage, wenn die zweite Bank die Funktion einer Zahlstelle hat. 9 7 9 Auch hier entsteht also kein Vertrag mit dem Begünstigten, wohl aber ein gesetzliches Schuldverhältnis, das die Grundlage von Schadensersatzansprüchen wegen Schutzpflichtverletzung bilden k a n n ; darüber hinaus k o m m t bei einer vorbehaltlosen A u f nahme der D o k u m e n t e in seltenen Ausnahmefällen auch eine H a f t u n g der Zahlstelle auf den Akkreditivbetrag in Betracht (vgl. näher unten Rdn. 995). D e r Erfüllungsort f ü r die Zahlungspflicht der erstbeauftragten Bank aus der Akkreditiveröffnung wird durch die Einschaltung der Zahlstelle grundsätzlich nicht berührt 9 3 , doch kann diese Einfluß auf das anwendbare Recht haben 9 4 . Die Einreichung der D o k u m e n t e bei der Zahlstelle wirkt fristwahrend 95 , da sie als Empfangsvertreterin gemäß § 164 III BGB oder als Empfangsbotin der Akkreditivbank anzusehen ist. Bei der Zahlung ist die Zahlstelle Erfüllungsgehilfin der Akkreditivbank 9 6 , da diese sich ihrer zur Erfüllung ihrer Pflicht aus der Akkreditiveröffnung bedient, sowie auch des Schuldners im Valutaverhältnis. Die Gutschrift auf einem gepfändeten oder debitorischen Konto bei der Zahlstelle hat grundsätzlich Erfüllungswirkung 9 7 , da hier keine anderen Regeln gelten als sonst auch, doch kann der Begünstigte sein Einverständnis mit der Gutschrift auf dem betreffenden K o n t o einseitig widerrufen (vgl. oben Rdn. 472). D e n n dadurch wird nicht die Vereinbarung über die Zahlstelle geändert, was nur mit Einverständnis der Akkreditivbank möglich w ä r e 9 8 , sondern lediglich die Zulässigkeit der Gutschrift gerade auf diesem bestimmten K o n t o ausgeschlossen. Ein solcher Widerruf nützt jedoch nur im Falle der P f ä n d u n g etwas, weil die Zahlstellenvereinbarung dadurch, wie gesagt, nicht berührt wird und die Zahlstelle auch bei Gutschrift auf einem anderen — u. U. neu eingerichteten — K o n t o oder bei einem Verlangen nach Barzahlung mit ihrem Gegenanspruch aufrechnen kann. Auch gegenüber einer devisenrechtlichen Sperre im Lande der Zahlstelle kann sich der Begünstigte folgerichtig nicht durch einseitigen W i d e r r u f , sondern nur durch einvernehmliche Ä n d e r u n g der Zahlstellenvereinbarung schützen. — Bei irrtümlicher Einlösung nicht-akkreditivgerechter D o k u mente steht der Bereicherungsanspruch gegen den Begünstigten nicht der Akkreditivbank, sondern der Zahlstelle zu (vgl. näher unten Rdn. 996). Bei einer Bestätigung des Akkreditivs durch die zweitbeauftragte Bank erwächst 9 8 0 dieser eine eigenständige Zahlungspflicht gegenüber dem Begünstigten, vgl. eingehend unten Rdn. 982 ff.
V. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Begünstigten und der Akkreditivbank sowie der Bestätigungsbank 1. Die Rechtsstellung des Begünstigten vor Eröffnung bzw. Bestätigung des Akkreditivs V o r der E r ö f f n u n g bzw. Bestätigung des Akkreditivs hat der Begünstigte nach herr- 9 8 1 sehender und z u t r e f f e n d e r Ansicht keinen Anspruch gegen die Bank, da der V e r t r a g 93
94
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H . L., vgl. z. B. Zahn S. 53; Schinnerer/Avancini S. 62; Nielsen BuB 5/306. Vgl. dazu statt aller Steindorff Festschr. für von Caemmcrer S. 761, 766 ff; da in diesem Kommentar auf international-privatrechtliche Fragen grundsätzlich nicht eingegangen wird, ist die Problematik hier nicht zu vertiefen. H. L., vgl. z. B. Zahn S. 53; Schinnerer/Avancini S. 63; Nielsen BuB 5/306; Schärrer S. 116. Vgl. auch Schinnerer/Avancini S. 62; Eisemann/ Eberth S. 80.
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Ebenso offenbar Zahn S. 54, wenngleich mit der nicht unmißverständlichen Formulierung, die Akkreditivbank erfülle „ihre Zahlungsverpflichtung mit schuldbefreiender Wirkung, wenn sie dem Begünstigten den Gegenwert der Dokumente . . . bei der Zahlstelle zur Verfügung hält"; a. A., wenngleich wohl z. T. Zahn mißverstehend, SchinnererJAvancini S. 63 Fn. 165; zutreffend dagegen Nielsen BuB 5/307. So mit Recht auch Zahn und Nielsen a a O (wie vorige Fn.).
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8. Abschnitt. A k k r e d i t i v g e s c h ä f t und D o k u m e n t e n i n k a s s o
zwischen der Bank und dem Akkreditiv-Auftraggeber kein Vertrag zugunsten des Begünstigten i. S. von § 328 BGB ist und eine andere Anspruchsgrundlage nicht in Betracht k o m m t " . Zwar sprechen hier nicht dieselben zwingenden Gründe gegen die Konstruktion eines Vertrags zugunsten Dritter wie im Girovertragsrecht (vgl. dazu oben Rdn. 398), doch spielen die „Eröffnung" und die „Bestätigung" nach Handelsbrauch und praktischer Handhabung des Akkreditivs eine so wesentliche Rolle, daß man nicht annehmen kann, der Akkreditiv-Auftraggeber und die Akkreditivbank wollten dem Begünstigten bereits vor diesem Zeitpunkt einen Rechtsanspruch einräumen; auch schließt die „Allgemeine Regel" lit. f der ERG eine Berufung des Begünstigten auf die zwischen den Banken oder zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und der eröffnenden Bank bestehenden Vertragsbeziehungen ausdrücklich aus. Der Begünstigte hat folglich vor der Eröffnung nicht nur keinen — und sei es auch bedingten — Zahlungsanspruch, sondern auch keinen Anspruch auf die Eröffnung bzw. Bestätigung des Akkreditivs. Daran ändert sich auch nach Eingang der Akkreditivsumme nichts 1 0 0 ; die abweichenden Grundsätze des Girovertragsrechts (vgl. oben Rdn. 399 ff) lassen sich nicht übertragen, da hier anders als dort kein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Bank und dem Begünstigten besteht und es daher an einer Grundlage für einen Anspruch aus § 667 BGB fehlt. 2. Erteilung und Rechtsnatur des Zahlungsversprechens durch Eröffnung oder Bestätigung des Akkreditivs a) Der Vertragsschluß zwischen dem Begünstigten und der Akkreditivbank oder der Bestätigungsbank 982
Die Eröffnung und die Bestätigung eines unwiderruflichen Akkreditivs begründen nach Art. 3 lit. a bzw. nach Art. 3 lit. b S. 2 ERG eine „feststehende Verpflichtung" der Bank gegenüber dem Begünstigten. Der Rechtsgrund dieser Verpflichtung ist in einem Vertragsschluß zu sehen. Allerdings kann dessen Konstruktion gewisse Schwierigkeiten bereiten, da mitunter ein klarer Annahmeakt des Begünstigten nur schwer feststellbar sein wird. Deshalb wird im Schrifttum vereinzelt der Versuch gemacht, die Verpflichtung der Bank aus einem einseitigen Rechtsgeschäft zu erklären 1 0 1 . Das ist indessen mit dem Vertragsprinzip des § 305 BGB unvereinbar. Eine gesetzliche Ausnahme hierzu liegt nicht vor. In Betracht käme insoweit allenfalls eine Analogie zu § 784 II 1 BGB, doch erweist sich eine solche bei näherer Prüfung als nicht tragfähig, da auch diese Vorschrift, wie sich insbesondere aus § 784 II 2 BGB und der wertpapierrechtlichen Vertragstheorie ergibt, nach richtiger Ansicht im Sinne des Vertragserfordernisses zu interpretieren ist 102 .
983
Folglich bleibt es bei dem Erfordernis des Vertragsschlusses. Die dadurch entstehenden konstruktiven Schwierigkeiten hinsichtlich der Annahme durch den Begünstigten werden sich in aller Regel mit Hilfe einer konkludenten nicht zugangsbedürftigen Willensbetätigung i. S. von § 151 BGB überwinden lassen 103 . Diese liegt i. d. R. in der widerspruchslosen Entgegennahme der Eröffnungserklärung. Bis zum Zugang der " Vgl. RG BankArch 1912/13, 193, 194; UlmerAcP 126, 274; Zahn S. 25; Schönle § 8 VIII 2 b (2 a); Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 197 m. w. Nachw.; a. A. z. B. Wolff J W 1922, 772. 100 So auch Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 197. 101 So vor allem Rückert S. 39 f; wohl auch Schinnerer/Avancini S. 56 und S. 136; Schärrer S. 80; a. A. mit Recht z. B. Zahn S. 73 f; Borggrefe S. 24.
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't>2 Vgl. z.B. Larenz Schuldrecht II' 1 , 5 67 III; Hueck/Canaris Wertpapierrecht", 5 4 V 2 m. w. Nachw.; a. A. z. B. Palandt/Thomai%7M Anm. 1 c. Vgl. auch Ulmer AcP 126, 286; Zahn S. 73; Borggrefe S. 18 und S. 24; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 199; Schönle § 8 VIII 2 b (4); Nielsen BuB 5/292.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . D a s Rechtsverhältnis
Begünstigter/Akkreditivbank/Bestätigungsbank
letzteren kann die Bank das Zahlungsversprechen gemäß § 130 I 2 BGB einseitig widerrufen. b) Der maßgebliche Vertragstypus Seinem schuldrechtlichen Typus nach wird der durch die Akkreditiveröffnung oder 9 8 4 -Bestätigung entstandene Vertrag von der ganz h. L. als abstraktes Schuldversprechen i. S. von § 780 BGB angesehen 1 0 4 . Nach einer neueren Gegenmeinung soll es sich dagegen um einen „stereotypisierten" Garantievertrag handeln 1 0 5 . Zuzustimmen ist der h. L.. Gegen die Garantievertragskonstruktion spricht vor allem, daß dieser Vertrag typischerweise an ein anderes Geschäft „angelehnt" ist und nicht die „primäre" Anspruchsgrundlage darstellt (vgl. unten Rdn. 1102 m. Nachw.), während das Akkreditiv gerade den hauptsächlichen Zahlungsanspruch schaffen und nicht etwa nur „subsidiär" zu dem Anspruch aus dem Kaufvertrag hinzutreten soll; oder anders formuliert: die Bank verspricht unmittelbar Zahlung und nicht nur Garantie der Zahlung durch den Käufer. Genau dafür aber ist das abstrakte Schuldversprechen der adäquate Vertragstypus; die Ausführungen oben Rdn. 418 Abs. 2 zu dem parallelen Problem im Girovertragsrecht gelten insoweit entsprechend. Auf Grund ihrer N a t u r als abstraktes Schuldversprechen bedürfte die Verpflichtung 9 8 5 der Bank an sich nach § 780 BGB der Schriftform. Dieses Formerfordernis entfällt jedoch gemäß § 350 H G B 1 0 6 , weil die Bank Vollkaufmann ist und das Akkreditivgeschäft für sie ein Handelsgeschäft darstellt. Es dürfte jedoch ein gewillkürtes Formerfordernis kraft Handelsbrauchs vorliegen; die Ausführungen oben Rdn. 936 gelten entsprechend. Dieses unterscheidet sich von dem gesetzlichen Formerfordernis des § 780 BGB u. a. dadurch, daß ihm gemäß § 127 S. 2 BGB auch durch Telegramm oder Telex Genüge getan werden kann. c) Die Abgrenzung zwischen einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung und einer bloßen Mitteilung (Avis) Nicht jede Erklärung der Bank gegenüber dem Begünstigten muß eine Eröffnungs- 9 8 6 oder Bestätigungserklärung i. S. eines verpflichtenden Rechtsgeschäfts sein. Es kann sich vielmehr, wie sich auch aus Art. 3 lit. b S. 1 ERG ergibt, um eine rein deklaratorische Mitteilung, um ein bloßes Avis handeln. Durch eine solche Erklärung kann zwar u. U. eine Schadensersatzpflicht ausgelöst werden, wenn sie falsch ist (vgl. R G Z 106 304, 305 sowie oben Rdn. 978), doch begründet sie keine Zahlungspflicht, da sie kein hierauf gerichtetes Rechtsgeschäft darstellt (vgl. auch zum entsprechenden Problem beim Eilavis im Girovertragsrecht oben Rdn. 404). Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Verwendet die Bank ausdrücklich den Terminus „Eröffnung" bzw. „Bestätigung" des Akkreditivs, so wird man grundsätzlich ohne weiteres von einer ech-
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Vgl. R G Z 106, 304, 307; 107, 7, 9 ; 144, 133, 136; R G LZ 1920, 230 N r . 2; B G H Z 60, 262, 264; B G H W M 1955, 765, 767; 1960, 38, 41; Ulmer A c P 126, 2 8 6 ; von Caemmerer J Z 1959, 362; ScblegelberNielsen D B 1964, 1727; Zahn S. 72; ger/Hefermehl R d n . 198. Vgl. Kühler Feststellung u n d G a r a n t i e , 1967, S. 189 f f ; ihm folgend Schönle § 8 V I I I 2 b (4); ähnlich auch Borggrefe S. 21 f.
E b e n s o z. B. Schlegelberger/Hefermehl R d n . 199; a. A. unrichtig Scbinnerer öJBl. 1976, 664, d e r o f f e n k u n d i g verkennt, d a ß § 350 des deutschen H G B a u s d r ü c k l i c h auf das a b s t r a k t e Schuldversprechen A n w e n d u n g findet, w ä h r e n d § 350 des österreichischen H G B n u r die B ü r g s c h a f t nennt, weil das österreichische A B G B kein abstraktes S c h u l d v e r s p r e c h e n k e n n t ; a u ß e r d e m hätte die A n w e n d u n g von § 780 B G B die g a n z praxisfeindliche Folge, d a ß eine A k k r e d i t i v e r ö f f n u n g d u r c h T e l e g r a m m o d e r Telex f o r m n i c h t i g w ä r e !
Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
ten rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärung auszugehen haben, da diese Ausdrücke durch Verkehrssitte wie auch durch die ERG entsprechend typisiert sind; auf einen Irrtum über diese typische Bedeutung ihrer Erklärung kann sich die Bank nicht berufen 1 0 7 . Die Verwendung der Ausdrücke „Eröffnung" oder „Bestätigung" ist aber nicht unerläßlich. Vielmehr hängt es wie stets bei der Auslegung von allen Umständen des Einzelfalles ab, ob eine echte Willenserklärung mit Bindungswirkung oder nur eine unverbindliche Mitteilung anzunehmen ist. So kann sich der verpflichtende Charakter der Erklärung z. B. daraus ergeben, daß eine Bank auf die Anfrage des Begünstigten, ob eine Bankbestätigung ein unwiderrufliches Akkreditiv darstelle, antwortet, Abänderungen würden ohne sein, d. h. des Begünstigten, Einverständnis nicht vorgenommen 1 0 8 . Mit Recht hat das RG ferner bereits in der Erklärung einer Bank, „daß die Firma J. Po. Sie bei uns mit 2 250 000,— M akkreditiert hat und zwar zunächst bis 31. Dezember 1920 unwiderruflich gültig unter nachstehend angeführten Bedingungen" ein verbindliches Zahlungsversprechen gesehen und dies vor allem mit Sinn und Funktion des Akkreditivs begründet 1 0 9 . Uberhaupt wird man im Hinblick auf Zweck und Funktion des Akkreditivs, insbesondere auf dessen Sicherungsfunktion, in der Mitteilung über die Stellung eines Akkreditivs im Zweifel eine verbindliche Zahlungsverpflichtung und nicht nur ein unverbindliches Avis sehen müssen.
d) Das Verhältnis zwischen Eröffnung und Bestätigung des Akkreditivs 987
Die vorstehenden Ausführungen über Zustandekommen, Rechtsnatur und Abgrenzung der Zahlungsverpflichtung der Bank gelten grundsätzlich in gleicher Weise für die „Eröffnung" des Akkreditivs durch die Akkreditivbank und für dessen „Bestätigung" durch die Bestätigungsbank. Liegt sowohl eine „Eröffnung" als auch eine „Bestätigung" vor, so hat der Begünstigte gegen beide Banken einen Anspruch aus § 780 BGB. Diese haften dann als Gesamtschuldner 110 . Das gilt auch dann, wenn nur eine der beiden Banken Zahlstelle ist; der Begünstigte hat sich dann zwar gemäß 157, 242 BGB primär an diese zu halten, kann jedoch auf die andere zurückgreifen, wenn er von der Zahlstelle das Geld nicht erhält — z. B. wegen Konkurses, Devisensperre oder dgl. 3. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs aus der Akkreditiveröffnung oder -bestätigung a) Widerrufliches und unwiderrufliches Akkreditiv
988
Ein Akkreditiv kann widerruflich oder unwiderruflich sein (vgl. oben Rdn. 954). Praktisch ist das unwiderrufliche Akkreditiv der Regelfall. Juristisch ist es jedoch die Ausnahme, da ein Akkreditiv ohne Unwiderruflichkeitsklausel nach Art. 1 lit. c ERG, der nicht nur für das Verhältnis der Akkreditivbank zum Aussteller, sondern auch und gerade für die Rechtsposition des Begünstigten von Bedeutung ist, als widerruflich anzusehen ist. 107 Vgl e i n g e h e n d Canaris D i e V e r t r a u e n s h a f t u n g im deutschen P r i v a t r e c h t , 1971, S. 218 ff sowie Capelle/Canaris a a O ( F n . 11) § 1 3 I I I 1 m. Nachw. '08 Vgl. B G H W M 1955, 765, 7 6 7 u n d d a z u A r t . 3 lit. c ERG. >09 Vgl. R G Z 106, 304, 305 f ; a. A. z. B. Wiele S. 6 1 ; w o h l a u c h Schlegelberger/Hefermebl R d n . 212.
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n o H . L., vgl. z. B. Liesecke^M 1976, 2 6 0 ; Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 211; Schinnerer/Avaticini S. 6 7 ; Nielsen BuB 5 / 3 1 0 ; Eisemann/Eberth S. 8 3 ; von Westpbalen W M 1980, 1 8 3 ; d e r S a c h e n a c h a u c h Zahn S. 8 5 ; m o d i f i z i e r e n d Schärrer S. 117 f, d e r b e z ü g l i c h d e r e r ö f f n e n d e n B a n k n u r eine a u f schiebend bedingte Zahlungspflicht annimmt.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . D a s Rechtsverhältnis
Begünstigter/Akkreditivbank/Bestätigungsbank
Auch ein widerrufliches Akkreditiv begründet ein abstraktes Schuldversprechen. 9 8 9 Das war schon für die frühere Fassung von Art. 2 ERG h. L. 111 und steht seit der Revision von 1974 vollends außer Zweifel. Die Annahme eines — auflösend bedingten — Schuldversprechens hat insofern einen guten Sinn, als der Widerruf nicht unbegrenzt lange zulässig ist und danach eine unbedingte Verpflichtung bzw. ein fehlerloser Rechtsgrund für die Leistung besteht, was voraussetzt, daß das Akkreditiv trotz seiner Widerruflichkeit eine Anspruchsgrundlage darstellt. Das Erlöschen des Widerrufsrechts erfolgt spätestens in dem Augenblick, in dem die Bank an den Begünstigten leistet, also i. d. R. mit der Auszahlung des Akkreditivbetrags" 2 . Dagegen schließt die Einreichung der Dokumente den Widerruf grundsätzlich noch nicht aus. Das Widerrufsrecht kann jedoch nach den Grundsätzen über den Rechtsmißbrauch gemäß § 242 BGB auch schon vor der Leistung durch die Bank ausgeschlossen sein — so z. B., wenn die Bank in dem Begünstigten das Vertrauen erweckt hat, sie werde von dem Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen, dieser sich darauf eingerichtet hat und die Bank nun ohne triftigen Grund doch widerruft (Verwirkung) oder wenn die Bank ohne jeden sachlichen Anlaß oder gar aus unlauteren Motiven widerruft 1 1 3 . Einer Erklärung des Widerrufs gegenüber dem Begünstigten bedarf es nach dem klaren Wortlaut des Art. 2 ERG zur Wirksamkeit des Widerrufs nicht. Jedoch kann die Bank wegen einer Schutzpflichtverletzung schadensersatzpflichtig werden, wenn sie dem Begünstigten keine Mitteilung von dem erfolgten Widerruf macht und dieser im Vertrauen auf den Fortbestand seiner Rechtsposition eine Disposition vornimmt 1 1 4 . b) Die fristgerechte Präsentation akkreditivkonformer Dokumente Nach Art. 37 ERG muß jedes Akkreditiv — ob widerruflich oder nicht — ein Ver- 9 9 0 falldatum tragen. Fehlt es, so liegt in der „Eröffnung" kein abstraktes Schuldversprechen, doch kann die Bank sich aus culpa in contrahendo gegenüber dem Akkreditivinhaber schadensersatzpflichtig machen, wenn sie diesen nicht auf das Fehlen des Verfalldatums hinweist 1 1 5 . Nach Ablauf der Frist, über die Art. 38 und 39 ERG nähere Bestimmungen enthalten, kann die Bank auch bei einem unwiderruflichen Akkreditiv die Einlösung der Dokumente verweigern, da ihre Zahlungspflicht durch deren fristgerechte Präsentation (aufschiebend) bedingt ist (vgl. auch B G H W M 1960 38). Treu und Glauben können jedoch bei Vorliegen besonderer Umstände gebieten, dem Akkreditivbegünstigten eine Nachfrist zur Beschaffung akkreditivkonformer Dokumente oder zur Behebung sonstiger Hindernisse einzuräumen, doch sind dabei strenge Anforderungen zu stellen 116 . Entgegen Art. 39 ERG a. F. hat seit der Revision von 1974 eine Verlängerung der Verladefrist nicht mehr ipso iure eine Verlängerung der Akkreditivfrist zur Folge. Nach deren Ablauf (und dem einer etwaigen Nachfrist) ist die Bank nicht nur gegenüber dem Begünstigten zur Zahlungsverweigerung berechtigt, sondern gegenüber dem Akkreditiv-Auftraggeber dazu grundsätzlich auch verpflichtet, so daß eine Einlösung der Dokumente keinen Anspruch auf Ersatz des Akkreditivbetrags begründet (vgl. auch R G Z 105 48, 52 f).
I " Vgl. z. B. RGZ 107, 7, 9; Erstauflage Anm. 416 m. w. Nachw. I '2 Vgl. R G Z 107, 7, 9; Wiele S. 44 f; Liesecke W M 1966, 459 f; Zahn S. 78; Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 206; von Westphalen S. 135; SchärrerS. 86. 113 Zustimmend Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 206.
114
So mit Recht auch Schlegelberger/Hefermebl Rdn. 205; Schinnerer/Avancini S. 54; Schärrer S. 85. H5 Vgl. Liesecke WM 1976, 262; Schlegelbergerl Hefermehl Rdn. 207; a. A. Zahn S. 45. 116 Vgl. auch — zum entsprechenden Problem bei der Garantie - O L G Stuttgart WM 1979, 733, 735; LG Stuttgart WM 1978, 1056, 1058.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
519
8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
991
Zusätzlich zu dem Verfalldatum muß das Akkreditiv gemäß Art. 41 ERG eine genau bestimmte Frist ab Ausstellungsdatum der Verladedokumente enthalten, binnen derer diese bei der Bank vorgelegt werden müssen. Das Fehlen dieser Bestimmung macht jedoch weder den Akkreditivauftrag noch das in der Eröffnung liegende Zahlungsversprechen unwirksam, sondern führt gemäß Art. 41 S. 2 ERG dazu, daß eine Frist von 21 Tagen gilt. Der Ermessensspielraum, den die Bank früher für die Zurückweisung derartiger „stale documents" hatte, ist somit seit der Revision von 1974 beseitigt.
992
Sowohl für die W a h r u n g der Frist nach Art. 37 als auch der Frist nach Art. 41 ERG genügt, wie sich schon aus dem unmißverständlichen Wortlaut der Klauseln ergibt, die Präsentation der Dokumente. Dabei wirkt eine Präsentation bei der Zahlstelle fristwahrend (vgl. oben Rdn. 979), während die Dokumente bei einer bloßen Avisbank so rechtzeitig eingereicht werden müssen, daß sie bei normaler Weiterleitung innerhalb der Frist in den Besitz der Akkreditivbank gelangen können 1 1 7 . Ohne Belang ist demgegenüber die Aufnahme der Dokumente durch die Bank. Eine unberechtigte Zurückweisung ändert daher nichts an der Entstehung des Anspruchs aus dem Zahlungsversprechen, da dieser nur durch die Präsentation und nicht auch durch die Aufnahme bedingt ist; der Berechtigte hat in einem solchen Falle folglich nicht etwa lediglich einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, sondern den ursprünglichen Erfüllungsanspruch sowie gegebenenfalls die sich aus einem Verzug der Bank ergebenden Rechte 1 1 8 . Die in der Praxis mitunter zu beobachtenden Versuche von AkkreditivAuftraggebern, der Bank die Aufnahme der Dokumente im Wege einer einstweiligen Verfügung untersagen zu lassen, sind demgemäß rechtlich sinnlos und schon aus diesem Grunde unzulässig; auf der anderen Seite hat auch der Akkreditivbegünstigte nicht etwa einen Anspruch auf Aufnahme der Dokumente, sondern lediglich einen Anspruch auf Zahlung gegen Einreichung akkreditivkonformer Dokumente (vgl. auch Liesecke W M 1966 466). Vollends unerheblich ist, ob die Zahlung binnen der Frist erfolgt ist. Das gilt auch dann, wenn diese nach Präsentation der Dokumente durch höhere Gewalt oder einen anderen der in Art. 11 ERG genannten Umstände verzögert wurde und inzwischen die Frist abgelaufen ist. Zwar leisten die Banken nach Art. 11 S. 2 ERG grundsätzlich nicht auf Akkreditive, die während einer solchen Störung ihrer Geschäftstätigkeit verfallen sind, doch gilt dies nach dem Wortlaut der Bestimmung sowie im Hinblick auf die „Unklarheitenregel" nur für den Fall, daß die Dokumente erst nach dem Eintritt der Betriebsunterbrechung (und dem Ablauf der Verfallfrist) eingereicht wurden 1 1 9 .
993
Ob die präsentierten Dokumente akkreditivkonform sind, beurteilt sich nach dem Grundsatz der Dokumentenstrenge (vgl. dazu oben Rdn. 942 und Rdn. 962). Dieser ist zwar primär für das Verhältnis zum Akkreditiv-Auftraggeber entwickelt worden, gilt aber auch im Verhältnis zum Begünstigten 120 , da die Verhaltenspflichten der Bank in beiden Richtungen grundsätzlich nach demselben Maßstab bestimmt werden müssen. Demgemäß ist die Bank nur dann, aber grundsätzlich auch immer dann zur Leistung an den Begünstigten verpflichtet, wenn die Dokumente bei strenger und förmlicher Prüfung den Akkreditivbedingungen entsprechen. Dabei muß der Begünstigte die Urkun117
Vgl. d a z u a u c h Nielsen BuB 5 / 3 0 4 a. E . ; Eisemann/Ebertb S. 79 u n d S. 145 f. " 8 Vgl. a u c h Liesecke W M 1966, 4 6 6 ; Zahn S. 159; Scblegelberger/Hefermehl R d n . 213 a. E. 119 S o mit R e c h t B G H W M 1960, 38, 40 f z u A r t . 13
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•
20
E R G i. d. F. v o n 1952; die E n t s c h e i d u n g h a t a u c h heute noch unverändert Bedeutung. D a s d ü r f t e unstreitig sein; vgl. z. B. B G H W M 1960, 38, 3 9 ; Liesecke W M 1976, 2 6 3 ; Horn S. 2 4 ; Scblegelberger/Hefermehl R d n . 2 1 4 ; Nielsen BuB 5 / 3 1 6 ; Scbärrer S. 89 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Das Rechtsverhältnis Begünstigter/Akkreditivbank/Bestätigungsbank den in solcher Fassung der Bank vorlegen, daß ihre genaue Ubereinstimmung mit den Akkreditivbedingungen ohne Schwierigkeiten und Zweifel festgestellt werden kann (vgl. B G H W M 1958 587, 588). Dagegen wäre es eine Uberspannung des Grundsatzes der Dokumentenstrenge anzunehmen, daß der Begünstigte sich stets die für ihn ungünstigere Auslegung entgegenhalten lassen muß 1 2 1 . Bei Einreichung nicht akkreditivgerechter Dokumente hat die Bank diese dem 9 9 4 Begünstigten bzw. der übersendenden Bank unverzüglich zurückzugeben, damit möglichst noch innerhalb der Verfallfrist akkreditivgerechte Dokumente beschafft werden können (vgl. auch Art. 8 lit. e E R G ) . Verletzt die Bank diese Pflicht, so kann sie dem Begünstigten schadensersatzpflichtig werden und u. U. gemäß § 242 B G B die Möglichkeit verlieren, den Ablauf der Akkreditivfrist oder gar den Mangel der Akkreditivkonformität geltend zu machen 1 2 2 . Letzteres ist im Hinblick auf das Verbot des venire contra factum proprium insbesondere dann anzunehmen, wenn die Bank mit Hilfe der Dokumente über die W a r e verfügt oder dem Akkreditiv-Auftraggeber eine solche V e r fügung ermöglicht h a t 1 2 2 a . Art. 8 lit. f E R G regelt die Problematik nur teilweise, da die Klausel nach ihrem unmißverständlichen Wortlaut voraussetzt, daß bereits „die betreffende Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung . . . durchgeführt worden ist". Unschädlich ist dagegen grundsätzlich eine Verfügung über die W a r e als solche, sofern diese ohne Benutzung der Dokumente vorgenommen worden ist (was freilich nur selten möglich sein wird); denn die Bank ist dem Begünstigten für das Schicksal der W a r e — anders als für das Schicksal der Dokumente — grundsätzlich nicht verantwortlich, wie sich ohne weiteres aus dem elementaren Grundsatz von Art. 8 lit. a E R G ergibt, wonach sich „im Dokumentenakkreditivgeschäft alle Beteiligten mit Dokumenten und nicht mit Waren befassen." Die Bank kann jedoch auch die Dokumente unter Vorbehalt hereinnehmen und versuchen, die Genehmigung des Akkreditiv-Auftraggebers zu erhalten. Wird diese verweigert, kann die Bank ihre Leistung nach § 812 B G B zurückfordern, da sie eine Nichtschuld erfüllt h a t 1 2 3 . § 814 B G B steht nicht entgegen, da er bei einer Leistung unter Vorbehalt unstreitig unanwendbar ist, und auch an § 8 1 8 III B G B kann der Rückforderungsanspruch der Bank nicht scheitern, da die Vorschrift in Analogie zu § 820 I B G B außer Anwendung bleibt; unerläßlich ist allerdings auch hier, daß die Bank die Dokumente unbenutzt zurückgibt, d. h. daß diese nicht zu einer Verfügung über die W a r e verwendet worden sind — was sich insoweit wohl schon aus Art. 8 lit. f E R G ergibt. — Weitere Möglichkeiten sind 1 2 4 , daß die Bank zum Ausgleich des D o k u mentenmangels eine ihr von dem Begünstigten angebotene Bankgarantie entgegennimmt, wozu sie u. U. sogar gemäß § 242 B G B verpflichtet sein kann, oder daß sie unter Ablehnung der Akkreditiveinlösung den Dokumentengegenwert im W e g e des Inkassos für den Begünstigten einzuziehen sucht. Ahnliche Probleme können sich bei einer Aufnahme der Dokumente durch die 9 9 5 Zahlstelle ergeben. Allerdings ist diese grundsätzlich nicht schon deshalb gehindert, das 121
S o aber Nielsen BuB 5/319 unter unzutreffender Berufung auf Erstauflage Anm. 3 9 0 ; ähnlich offenbar auch Schinnerer/Avancini S. 113 bei Fn. 3 5 8 ; im wesentlichen wie hier demgegenüber Schärrer S. 94.
Ähnlich vor allem Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 2 1 4 ; vgl. ferner zur Problematik z. B. Schubert B B 1952, 128; Zahn S. 143 ff. 1 2 2 1 Ebenso i. E. schweizerisches B G A W D 1964, 395, 396 mit zustimmender Anm. von Eisemann;
23
122
24
Liesecke W M 1966, 4 6 6 ; Zahn S. 146; Schärrer S. 109. Anders Zahn S. 148 f, der eine vertragliche Abänderung der Akkreditivbedingungen annimmt, aber im wesentlichen zu denselben Ergebnissen kommt wie hier. Vgl. zum folgenden eingehend Zahn S. 146 ff; ferner z. B. Liesecke W M 1960, 2 1 0 ; 1961, 194; 1976, 2 6 4 ; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 2 7 3 ; Schärrer S. 109 ff.
Claus-Wilhelm Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso Fehlen einer eigenen Zahlungspflicht geltend zu machen, weil sie keinen entsprechenden Vorbehalt gemacht hat 1 2 5 . Ein solcher ist nämlich normalerweise nicht erforderlich, weil es gerade das Wesen der Zahlstelle ausmacht, daß sie nicht selbst zur Zahlung an den Begünstigten verpflichtet ist, und weil dieser folglich nur eine Zahlung durch die Akkreditivbank erwarten darf. Aus diesem Grunde lassen sich auch keine Parallelen zur Regelung der §§ 436, 614 HGB oder zu ähnlichen Fällen einer Zahlungspflicht kraft Handelsbrauchs 1 2 6 ziehen. Auch die Zahlstelle haftet jedoch dem Begünstigten in Fortbildung der Regeln über die culpa in contrahendo auf Schadensersatz, wenn sie ihm die Dokumente nicht oder nicht unverzüglich zurückgibt. In seltenen Ausnahmefällen kann darüber hinaus sogar eine Haftung auf Zahlung des Akkreditivbetrags nach den Regeln über die Erfüllungshaftung kraft widersprüchlichen Verhaltens 1 2 7 in Betracht kommen. 996
Bei einer Zahlung der Bank in Unkenntnis eines Dokumentenmangels hat sie einen Bereicherungsanspruch gegen den Begünstigten 128 . Denn dann hat der kondiktionsauslösende Mangel seinen Ursprung in ihrem eigenen Verhältnis zu diesem, so daß es nicht wie bei bloßen Mängeln des Valutaverhältnisses um eine Einwendung ex iure tertii geht 1 2 9 . Leistet die Zahlstelle auf nicht akkreditivkonforme Dokumente, so steht ihr und nicht der Akkreditivbank der Bereicherungsanspruch gegen den Begünstigten zu 1 3 0 . Da die Zahlstelle nämlich keine Vollmacht zur Einlösung derartiger Dokumente hat, ist die Zahlung nicht der Akkreditivbank als deren Leistung zuzurechnen, und daher sind im Verhältnis zwischen Zahlstelle und Begünstigtem die Voraussetzungen einer Durchgriffskondiktion erfüllt 1 2 9 — nicht anders als z. B. bei einer dem Schuldner nicht zurechenbaren Drittleistung nach § 267 BGB 131 . c) Die einzelnen Dokumente
997
Das wichtigste Dokument beim Akkreditivgeschäft ist das Konossement, das demgemäß in den Art. 19 ff ERG eine besonders eingehende Regelung erfahren hat. Es muß grundsätzlich in übertragbarer und negoziierbarer Form vorgelegt werden (vgl. BGH WM 1958 456, 459). Mangels einer abweichenden Bestimmung in den Akkreditivbedingungen muß es gemäß Art. 20 ERG ausweisen, daß die Waren an Bord eines namentlich genannten Schiffes verschifft sind; das kann nach lit. b entweder durch ein An-Bord-Konnossement oder durch einen entsprechenden Vermerk des Frachtführers oder seines Agenten geschehen. Ein bloßes Ubernahmekonnossement genügt folglich anders als nach Art. 19 ERG in der Fassung von 1952 heute nicht mehr, da danach gemäß § 642 V H G B die Güter nur zur Beförderung übernommen, aber noch nicht an Bord genommen sind und da somit die Voraussetzungen des Art. 20 ERG nicht erfüllt sind. Allerdings kann in den Akkreditivbedingungen etwas anderes bestimmt sein; eine 125
Vgl. auch Zahn S. 53 Fn. 52; a. A. Schinnerer/ Avancini S. 64 f, w o n a c h eine eigene Z a h l u n g s pflicht d e r Zahlstelle n u r beim Akkreditiv mit hina u s g e s c h o b e n e r Z a h l u n g s z e i t a b z u l e h n e n sein
R d n . 214 a. E . ; Schinnerer/Avancini S. 142 unter 2. 129 Z u r z u g r u n d e liegenden bereicherungsrechtlichen K o n z e p t i o n vgl. n ä h e r Canaris Festschr. f ü r
so"« Vgl. z. B. B G H Z 6, 378 und d a z u Capelle/Canaris a a O (Fn. 11) § 1 3 II 1; ähnlich f e r n e r z. B. B G H Z 46, 53 f. 127 Vgl. zu diesen eingehend Canaris Die V e r t r a u e n s h a f t u n g a a O (Fn. 107) S. 287 ff, i n s b e s o n d e r e S. 352 ff. >28 E b e n s o i. E. Ulmer A c P 126, 2 9 0 ; Liesecke W M 1966, 4 6 9 ; Zahn S. 146; Scbiege/berger/He/ermehi
L a r e n z , 1973, S. 799 ff, i n s b e s o n d e r e S. 821 ff d TO 1980, 354 ff, i n s b e s o n d e r e S. 369 f. 130 E b e n s o i. H. Zahn S. 89, der freilich im G e g e n s a t z z u r hier vertretenen Ansicht ersichtlich von einer Leistungskondiktion u n d nicht von einer D u r c h g r i f f s k o n d i k t i o n nach § 812 I 1 Fall 2 BGB ausgeht. 131 Vgl. d a z u n ä h e r Canaris Festschr. f ü r L a r e n z S. 846 f f ; Stauäinger/Lorenz]2 § 812 R d n . 43 m. w.
12
un
Nachw.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. D a s Rechtsverhältnis
Begünstigter/Akkreditivbank/Bestätigungsbank
derartige abweichende Regelung kann insbesondere in der Vereinbarung einer fasKlausel liegen, während bei einer fob-Klausel stets ein Bordkonnossement erforderlich ist (vgl. B G H W M 1958 456, 459). Ein Durchkonnossement wird nach Art. 19 lit. b I ERG grundsätzlich angenommen, sofern es von einer Schiffahrtsgesellschaft oder deren Agenten ausgestellt ist. Dagegen reicht ein Spediteurskonnossement nach Art. 19 lit. a I ERG im Zweifel nicht aus. Das gleiche muß folgerichtig für das sogenannte unechte Durchkonnossement gelten, wonach der ausstellende Verfrachter lediglich die Beförderung bis zu einem Umladehafen übernimmt, f ü r den Rest der Reise jedoch auf Grund einer „Speditionsklausel" nur als Spediteur tätig wird und die Beförderung einem anderen Verfrachter überläßt; ein solches Konnossement hat so starke Verwandtschaft mit einem Spediteurskonnossement, daß es den Bestimmungen der ERG nicht entspricht und demgemäß nicht aufnahmefähig ist 132 . Zum Erfordernis der Vorlage eines reinen Konnossements und eines vollen Satzes vgl. oben Rdn. 960 f; zur Behandlung eines Konnossements, das lediglich die Verladung an Deck ausweist, vgl. oben Rdn. 960. Für den Binnenverkehr entspricht dem Konnossement der Ladeschein. In Abwei- 9 9 8 chung von § 126 BGB fordert dabei Art. 24 ERG keine Unterschrift, sondern läßt den Empfangsstempel des Frachtführers oder Ausstellers genügen. Das gleiche gilt für Eisenbahnfrachtbriefe, Frachtbriefdoppel und die sonstigen in Art. 24 ERG genannten Papiere. Seit der Revision von 1974 gehören auch Dokumente des kombinierten Transports 9 9 9 zu den aufnahmefähigen Papieren 1 3 3 . Dabei werden diese gemäß Art. 23 ERG so aufgenommen, wie sie präsentiert werden, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind: es muß im Akkreditiv zum einen ein Dokument des kombinierten Transports oder die Vornahme eines kombinierten Transports vorgeschrieben sein und es darf zum anderen die Form des geforderten Dokuments u n d / o d e r dessen Aussteller nicht bezeichnet sein. Sind diese Erfordernisse erfüllt, so sind gemäß Art. 23 lit. b ERG z. B. auch Dokumente aufnahmefähig, die entgegen Art. 20 ERG nicht ausweisen, daß sich die Waren an Bord eines namentlich genannten Schiffes befinden. Auch Spediteurskonnossemente sind unter den Voraussetzungen von Art. 23 ERG aufnahmefähig. O b das Dokument des kombinierten Transports echtes Orderpapier oder gar Traditionspapier ist — was nach geltendem deutschen Recht beides grundsätzlich möglich erscheint 1 3 4 — ist für die Anwendung von Art. 23 ERG belanglos. In den Akkreditivbedingungen kann weiterhin die Einreichung von Versicherungs- 1 0 0 0 dokumenten vorgesehen sein. Auch ohne eine entsprechende Bestimmung sind bei einem cif-Kauf die Transportversicherungspolice oder das Versicherungszertifikat zu fordern, da das handelsüblich ist. Die Versicherungsdokumente müssen nach Art. 26 lit. a E R G von Versicherungsgesellschaften, ihren Agenten oder Versicherern (Underwriters) stammen; von Maklern ausgestellte Deckungsbestätigungen werden nach lit. b grundsätzlich nicht angenommen. Die Versicherungsdokumente müssen 132
Vgl. Liesecke W M 1964, 1286; Schlegelberger/ Hefermehl R d n . 168 a. E . ; w o h l a u c h Norf D a s K o n n o s s e m e n t im g e m i s c h t e n Warenverkehr, 1976, S. 4 9 ; a. A. Zahn S. 116 f ; Nielsen BuB 5 / 3 4 5 bei Fn. 2 in einem gewissen W i d e r spruch zu 5/344. 133 Vgl. d a z u Liesecke W M 1976, 2 8 6 f ; Horn S. 22 f ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 176; Schinnerer/
Avancini S. 83 f ; Nielsen B u B 5 / 3 5 3 f f ; Eisemann/Eberth S. 109 f ; Gleisberg D i e P r ü f u n g v o n D o k u m e n t e n des k o m b i n i e r t e n T r a n s p o r t s beim D o k u m e n t e n a k k r e d i t i v , 1980, S. 17 ff. 134
Vgl. n ä h e r Canaris Großkomm, zum HGB3, 1978, § 363 A n m . 66 b z w . 116 a ; a. A. w o h l Helm F e s t s c h r . f ü r H e f e r m e h l , 1976, S. 57 ff, 71.
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso gemäß Art. 28 lit. a E R G im Zweifel auf dieselbe Währung lauten wie das Akkreditiv und gemäß Art. 28 lit. b E R G mindestens den cif-Wert der betreffenden Waren dekken. Die Prüfungspflicht der Bank beschränkt sich darauf, ob die in den Versicherungsdokumenten enthaltenen Klauseln den im Akkreditiv aufgestellten Bedingungen entsprechen, und erstreckt sich nicht auf den materiellen Inhalt der Versicherung; insbesondere haben die Banken grundsätzlich nicht dafür einzustehen, wenn der Inhalt gleichlautender Klauseln in einem anderen Land eine abweichende Bedeutung hat. 1001
Ein weiteres wichtiges Dokument ist die Rechnung. Sie muß nach Art. 32 lit. a E R G grundsätzlich auf den Namen des Akkreditiv-Auftraggebers ausgestellt sein und nach Art. 32 lit. c E R G eine Beschreibung der Waren enthalten, die mit der Beschreibung in dem Akkreditiv übereinzustimmen hat. Ubersteigt der Rechnungsbetrag den Akkreditivbetrag, so kann die Bank nach Art. 32 lit. b E R G die Einlösung ablehnen, doch braucht sie das nicht zu tun, sondern kann auch das Akkreditiv auszahlen und wegen des Restbetrags z. B. einen Inkassoauftrag übernehmen.
1002
Art. 33 E R G nennt noch eine Reihe weiterer aufnahmefähiger Dokumente wie z. B. Lagerschein, Lieferschein, Ursprungszeugnis und Qualitätszertifikate. Soweit darüber im Akkreditiv nähere Bestimmungen enthalten sind, gilt auch hier der Grundsatz der Dokumentenstrenge 1 3 5 , (vgl. z. B. hinsichtlich eines Qualitätszertifikats R G Z 114 270 f einerseits und B G H W M 1958 1543 andererseits sowie dazu oben Rdn. 963). Fehlen nähere Angaben im Akkreditiv, so nimmt die Bank diese Dokumente gemäß Art. 33 E R G „so an, wie sie ihr präsentiert werden". Auch in diesem Fall hat die Bank aber zu prüfen, ob das Dokument überhaupt seinem Begriff entspricht, ob also z. B. ein Qualitätszertifikat wirklich Aussagen über die Qualität und ein Ursprungszeugnis wirklich Angaben über die Herkunft macht. Ist dies der Fall, so hat die Bank das Dokument aufzunehmen; der Ermessensspielraum, den Art. 31 E R G a. F. ihr insoweit einräumte (vgl. dazu z . B . O L G Düsseldorf W M 1976 115, 117; 1978 440, 441), ist seit 1974 durch die Änderung des Wortlauts beseitigt (so auch Liesecke W M 1976 265).
1003
Die Aufzählung der Dokumente in den E R G ist nicht abschließend. Daher kann, wie sich im übrigen auch schon aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ergibt, im Akkreditiv auch die Aufnahme anderer als der in den E R G vorgesehenen Dokumente vorgeschrieben werden. Das gilt selbst dann, wenn diese mit Wesen und Eigenart des Akkreditivs in Widerspruch stehen; denn auch insoweit besteht keine zwingende Beschränkung der Vertragsfreiheit. Daher kann z. B. auch der Vollzug des Kaufs von Wertpapieren oder die Beschaffung von Hypotheken in der Form des Akkreditivs gegen Auslieferung der Papiere vorgenommen werden 1 3 6 . 4. Einwendungsausschluß und Bereicherungsausgleich a) Die Rechtsgrundlage des Einwendungsausschlusses und die Einteilung der Einwendungen
1004
Die Rechtsstellung des Begünstigten wäre äußerst schwach und die Sicherungsfunktion des Akkreditivs würde daher weitgehend vereitelt, wenn die Bank dem Anspruch aus der Akkreditiveröffnung oder -bestätigung beliebige Einwendungen, insbesondere solche aus ihrem Verhältnis zu dem Akkreditiv-Auftraggeber („Deckungsverhältnis") oder solche aus dem Verhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und dem 135
Vgl. z. B. hinsichtlich eines Qualitätszertifikats einerseits R G Z 114, 270 f und andererseits B G H W M 1958, 1543 sowie dazu oben Rdn. 963.
524
136
S o mit Recht von Codin G r o ß k o m m , zum H G B 2 § 3 6 5 Anhang I Anm. 41 = S. 5 7 6 ; a. A. wohl Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 166 a. E .
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . D a s Rechtsverhältnis
Begünstigter/Akkreditivbank/Bestätigungsbank
Begünstigten („Valutaverhältnis") entgegensetzen könnte. Folglich wird schon durch die Funktion des Akkreditivs ein weitgehender Einwendungsausschluß gefordert 1 3 7 . Das ist rechtlich insofern von Bedeutung, als in konstruktiver Hinsicht nicht etwa der Einwendungsausschluß, sondern im Gegenteil die Zulassung der fraglichen Einwendungen irregulär wäre und daher einer besonderen Begründung bedürfte. Der Anspruch des Begünstigten gegen die Bank aus der Akkreditiveröffnung oder -bestätigung ist nämlich schon konstruktiv gesehen selbständig sowohl gegenüber dem Dekkungsverhältnis, da der Begünstigte nicht dessen Partei ist, als auch gegenüber dem Valutaverhältnis, da die Bank nicht dessen Partei ist; die Zulassung von Einwendungen aus Rechtsverhältnissen mit Dritten stellt aber eine äußerst ungewöhnliche Erscheinung dar und bedarf stets einer besonderen Rechtsgrundlage. Als solche dürfte § 139 BGB von vornherein ausscheiden, da er sich zwar auf mehrere selbständige Rechtsgeschäfte zwischen denselben Parteien analog anwenden läßt, mangels jeglicher Rechtsähnlichkeit aber nicht auch auf ein Rechtsgeschäft einer der beteiligten Parteien mit einem Dritten. Es bliebe daher allenfalls die Möglichkeit, das Bestehen des fraglichen Rechtsverhältnisses — also des Deckungs- u n d / o d e r des Valutaverhältnisses — als Geschäftsgrundlage des Schuldversprechens der Bank gegenüber dem Begünstigten anzusehen. Das aber wäre nur möglich, wenn dadurch nicht die geschäftstypische Risikoverteilung zerstört würde, und genau dies würde bei der Zulassung von Einwendungen eintreten, weil dadurch, wie gezeigt, die Sicherungsfunktion des Akkreditivs und darüber hinaus weitgehend auch seine Tauglichkeit als Mittel des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zerstört würde (vgl. auch oben Rdn. 410 und 425 ff zum entsprechenden Problem bei der Giroüberweisung). Der Ausschluß von Einwendungen aus dem Deckungs- und dem Valutaverhältnis 1 0 0 5 läßt sich somit nach geltendem deutschen Recht grundsätzlich ohne Schwierigkeiten begründen. Der Rückgriff auf ein weltweites Handelsgewohnheitsrecht 138 , der wie alle gewohnheitsrechtlichen Argumentationen bei Grenz- und Einzelfragen häufig zu keinem sicheren Ergebnis führen würde, oder auf einen internationalen Handelsbrauch 139 , der ähnliche Unsicherheiten mit sich brächte, ist daher ebenso abzulehnen wie die alleinige Begründung mit Hilfe der einschlägigen Bestimmungen der ERG, insbesondere der „Allgemeinen Regel" lit. c, zumal deren Anwendbarkeit ja im Einzelfall auch einmal zweifelhaft oder zu verneinen sein kann. Zutreffend erscheint dagegen, in Ubereinstimmung mit der h. L. (unterstützend) die Analogie zu § 784 I HS 2 BGB heranzuziehen 1 4 0 . D a f ü r spricht nicht nur die Verwandtschaft zwischen Akkreditiv und Anweisung (vgl. oben Rdn. 920), sondern vor allem auch die spezifische Funktion des 5 784 I H S 2 BGB, der genau das hier zu lösende Geschäftsgrundlagenproblem zum Gegenstand hat (vgl. dazu näher oben Rdn. 418 Abs. 1 a. E.). Die Entgegnung, nach § 784 I H S 2 BGB könnten Einwendungen „aus dem Inhalt der Anweisung" dem Anspruchsberechtigten entgegengesetzt werden, Einwendungen aus dem Auftragsverhältnis müßten dagegen beim Akkreditiv gerade präkludiert werden 1 4 1 , beruht auf einem Mißverständnis; Einwendungen „aus dem Inhalt der Anweisung" sind solche, die aus dem Zahlungsversprechen selbst ersichtlich sind (das ja im Falle des § 784 BGB auf 137
Vgl. auch von Caemmerer J Z 1959, 362; Liesecke WM 1966, 467; Zahn S. 155; Schlegelberger/ Hefermeh! Rdn. 215. '38 So z. B. Liesecke WM 1966, 467; Wessely Rdn. 107 ff, 136. 139 So vor allem Borggrefe S. 35 f; wohl auch Schinnerer/Avancini S. 140 f (vgl. dazu auch oben Rdn. 925 a. E.).
I « Vgl. B G H W M 1955, 765, 767; Ulmer AcP 126, 300; von Caemmerer J Z 1959, 362; Kübler S. 190; Scblegelberger/Hefermehl Rdn. 215; a. A. Zahn S. 26; Borggrefe S. 25 f und S. 35 f; wohl auch Schönle § 8 VIII 2 b 4 und Witte- Wegmann JuS 1975, 140. So Zahn S. 26; a. A. mit Recht z. B. Borggrefe S. 25; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 215.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und Dokumenteninkasso
die Anweisungsurkunde gesetzt wird), und ihnen entsprechen daher beim Akkreditiv ebenfalls nur die Einwendungen, die aus dem Versprechen selbst, insbesondere aus den in dieses aufgenommenen Akkreditivbedingungen hervorgehen. 1006
Die Anknüpfung an § 784 BGB ist zugleich eine wesentliche Hilfe bei der Einteilung der Einwendungen in zulässige und unzulässige. Zulässig sind danach Gültigkeitseinwendungen, inhaltliche Einwendungen und unmittelbare Einwendungen, also zusammenfassend alle Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Begünstigten (vgl. näher unten Rdn. 1007 ff). Unzulässig sind dagegen Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis und aus dem Valutaverhältnis, also Einwendungen aus den Kausalverhältnissen mit Dritten (vgl. unten Rdn. 1010 ff). Eine Sonderstellung nehmen schließlich Einwendungen gegen das Bestehen einer wirksamen Akkreditivanweisung ein; diese Einwendungen — die sich mit Hilfe der Analogie zu § 784 BGB nicht erfassen lassen, aber auch aus dem allgemeinen Recht der Anweisung und aus dem Girovertragsrecht bekannt sind (vgl. oben Rdn. 431 ff) — sind, zumindest auf dem Umweg über die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung, zulässig (vgl. unten Rdn. 1027 f). b) Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Begünstigten
1007
Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Begünstigten sind, wie sich nicht nur aus § 784 BGB ergibt, sondern auch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen mit Selbstverständlichkeit folgt, zulässig. Zu nennen sind hier zunächst die Gültigkeitseinwendungen, d. h. die Einwendungen gegen die Wirksamkeit des von der Bank abgegebenen Schuldversprechens. Die Bank kann daher z. B. geltend machen, sie sei bei der Abgabe des Schuldversprechens von dem Begünstigten arglistig getäuscht worden, das Zahlungsversprechen verstoße gegen ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB wie z. B. eine Devisenvorschrift oder sie sei nicht wirksam vertreten gewesen; es gelten insoweit also ohne Einschränkung die allgemeinen Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe. Darüber hinaus wird man der Bank u. U. ein Widerrufsrecht aus wichtigem Grund gewähren müssen wie z. B., wenn sich herausstellt, daß der Begünstigte bei einem früheren Akkreditivgeschäft mit ihr einen Betrugsversuch begangen hatte.
1008
Des weiteren kann die Bank inhaltliche Einwendungen geltend machen, also Einwendungen, die aus dem Inhalt ihres Leistungsversprechens ersichtlich sind. Hierher gehören vor allem die Einwände des Widerrufs, des Ablaufs der Akkreditivfrist und der mangelnden Akkreditivgerechtigkeit der eingereichten Dokumente (vgl. dazu im übrigen oben Rdn. 988 ff). Darüber hinaus steht es den Parteien nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit grundsätzlich offen, die Verpflichtung zur Zahlung der Akkreditivsumme von sonstigen — u. U. auch atypischen — Voraussetzungen abhängig zu machen und dadurch weitere „inhaltliche" Einwendungen zu schaffen. Möglich ist insbesondere auch die Übernahme von Klauseln aus den Kausalverhältnissen ins Akkreditiv. Dann ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob es sich um echte Anspruchsvoraussetzungen bzw. Einwendungen handelt oder ob lediglich ein rechtlich bedeutungsloser Hinweis vorliegt, von dessen Beachtung der Anspruch auf Auszahlung der Akkreditivsumme nicht abhängt. Für eine Auslegung im ersteren Sinne spricht i. d. R., daß den Parteien nicht ohne weiteres unterstellt werden darf, sie hätten etwas Uberflüssiges und rechtlich Irrelevantes in das Akkreditiv aufgenommen. Daß dies doch einmal geschieht, kann aber nicht generell ausgeschlossen werden und liegt z. B. dann nicht fern, wenn die Bank überhaupt keine sinnvolle Möglichkeit hat, das Vorliegen der fraglichen Vor526
2. Bearbeitung. Stand 1.5. 1981
V. D a s Rechtsverhältnis
Begünstigter/Akkreditivbank/Bestätigungsbank
aussetzungen zu überprüfen, oder wenn eine solche Uberprüfung wegen ihrer Komplexität oder dgl. das Akkreditiv praktisch funktionsunfähig machen würde. Ob es sich in derartigen Fällen überhaupt noch um ein — wenngleich atypisches — Akkreditiv handelt oder ob in Wahrheit ein anderer Vertrag wie z. B. ein Garantievertrag, ein Zahlungsversprechen sui generis usw. vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Zulässig sind schließlich grundsätzlich auch unmittelbare Einwendungen, also Ein- 1 0 0 9 Wendungen aus den besonderen Rechtsbeziehungen zwischen der Bank und dem Begünstigten. Als Beispiele sind etwa eine Stundungsabrede oder eine ähnliche Sondervereinbarung sowie der Arglisteinwand zu nennen. Weiterhin gehören in diesen Zusammenhang auch die Aufrechnung, das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts gemäß §§ 273 BGB, 369 H G B oder eines Pfandrechts gemäß Ziff. 19 II AGB und das Bestehen eines Kontokorrents. Die Bank kann daher diese Einwendungen als „unmittelbare" Einwendungen grundsätzlich geltend machen. Dadurch wird zwar eine sofortige Barauszahlung des Akkreditivbetrags an den Begünstigten verhindert, doch hat er auf diese grundsätzlich keinen Anspruch; will er sie sicherstellen, so muß er — ähnlich wie in anderen verwandten Fällen (vgl. oben Rdn. 747 Abs. 2 und 970) — bei Abschluß des Vertrages mit der Bank, d. h. bei der Entgegennahme der Mitteilung über die Akkreditiveröffnung bzw. -bestätigung einen entsprechenden Vorbehalt machen, auf den sich einzulassen im freien Belieben der Bank steht. Die Bank kann folglich bei Bestehen eines Kontokorrents den Akkreditivbetrag grundsätzlich in die Saldierung einbeziehen oder mit einem Gegenanspruch aufrechnen 1 4 2 . Daß der Akkreditierte nach Sinn und Zweck des Akkreditivs über den Akkreditivbetrag müsse frei verfügen können, wie meist für die Gegenansicht angeführt wird, betrifft grundsätzlich nur das Verhältnis zum Akkreditiv-Auftraggeber und nicht auch das zur Bank. Folgerichtig kann die Bank allerdings nicht mit solchen Ansprüchen aufrechnen, die dem Valutaverhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber und dem Akkreditierten entstammen und die sie im Wege der Abtretung erworben hat (vgl. unten Rdn. 1014). Darüber hinaus sollte man ein Aufrechnungsverbot nur bei Vorliegen besonderer Umstände annehmen wie z. B. dann, wenn der Akkreditierte auf die Auswahl der eröffnenden oder bestätigenden Bank keinerlei Einfluß nehmen konnte und daher überraschend und ohne sein Zutun der Aufrechnungsmöglichkeit ausgesetzt wird. c) Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis zu dem Akkreditivauftraggeber bzw. 1 0 1 0 der erstbeauftragten Bank kann die Bank dem Begünstigten nach dem oben Rdn. 1004 f Gesagten grundsätzlich nicht entgegensetzen 1 4 3 . Die Bank kann also nicht geltend machen, sie habe keine Deckung erhalten. Das gilt entgegen der Entscheidung R G Z 144 137 auch dann, wenn der Deckungsmangel darauf beruht, daß das Land des Auftraggebers nach der Akkreditiveröffnung eine Devisensperre verhängt hat 1 4 4 ; denn Vgl. a u c h Liesecke W M 1966, 469 und 1976, 2 6 7 (mit b e r e c h t i g t e n E i n s c h r ä n k u n g e n f ü r d e n E i n zelfall); von Westphalen S. 139; a. A. Geßler S. 106 f ; von Godin a a O ( F n . 136) A n m . 79 = S. 6 1 8 ; Zahn S. 153 u n d F e s t s c h r . f ü r R i t t e r s h a u sen S. 258 f f ; Wessely R d n . 174 f f ; Schlegelbergerl Hefermeh! R d n . 223 im G e g e n s a t z z u r v o r h e r g e h e n d e n A u f l a g e ; o f f e n g e l a s s e n v o n B G H Z 60, 262, 264.
Vgl. 292 126, und grefe 144
Claus-Wilhelm
RGZ unter 287 f 1962, S. 43
144, 133, 137; B G H W M 1958, 291, V I ; 1960, 38, 41 u n t e r c ; Ulmer A c P u n d 3 0 0 ; von Caemmerer J Z 1959, 364 3 8 8 ; Wiele S. 5 8 ; Zahn S. 155; Borgf ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 216.
S o a u c h Wiele S. 5V; Borggrefe S. 4 4 ; Kühler S. 191 f f ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 216 im G e g e n s a t z z u f r ü h e r ; von Westphalen S. 140; k r i tisch f e r n e r Liesecke W M 1960, 212. Canaris
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8. Abschnitt. Akkreditivgeschäft und D o k u m e n t e n i n k a s s o
die Bank ist „näher daran" als der Begünstigte, dieses Risiko zu tragen, weil sie über bessere Informationsmöglichkeiten hinsichtlich einer etwa drohenden Sperre verfügt und weil sie überdies vor der Eröffnung des Akkreditivs gemäß §§ 675, 669 BGB einen Vorschuß einfordern und sich so sichern kann. Ebensowenig kann die Bank geltend machen, der Akkreditivauftraggeber bzw. die erstbeauftragte Bank sei nach Akkreditiveröffnung in Konkurs gefallen bzw. das Konto sei gepfändet gewesen oder es sei eine Vermögenssperre verhängt worden. Auch Abweichungen zwischen dem Akkreditivauftrag und der Akkreditiveröffnung sind nach h. L. präkludiert 1 4 5 ; allerdings ist hier die Grenze zu den Fällen des Fehlens einer wirksamen Akkreditivanweisung, in denen eine Leistungspflicht der Bank grundsätzlich nicht besteht (vgl. unten Rdn. 1027 f), mitunter schwer zu ziehen. Schließlich ist der Bank auch der Einwand der Unwirksamkeit des Deckungsverhältnisses grundsätzlich abgeschnitten 1 4 6 ; auch hier ist freilich zu beachten, daß anders zu entscheiden ist, wenn die Unwirksamkeit (auch oder nur) die Anweisung ergreift (vgl. näher unten Rdn. 1027 f). 1011
Der Einwendungsausschluß darf auch nicht dadurch unterlaufen werden, daß man der Bank einen Bereicherungsanspruch gegen den Begünstigten gibt. Die h. L. dürfte das damit begründen, daß sie die Bank im Verhältnis zum Begünstigten lediglich als Leistungsmittlerin und nicht als Leistende ansieht, während richtiger Ansicht nach entscheidend ist, daß der Mangel seinen Ursprung allein im Deckungsverhältnis hat (vgl. auch oben Rdn. 428). Im Ergebnis steht jedenfalls die Ablehnung eines Bereicherungsanspruchs heute außer Streit.
1012
Auch auf Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Akkreditiv-Auftraggeber (Käufer) und dem Begünstigten (Verkäufer) kann die Bank sich grundsätzlich nicht berufen 1 4 7 . Die Bank kann dem Begünstigten also grundsätzlich weder die Unwirksamkeit des Kaufvertrages noch etwaige Leistungsstörungen oder die Mangelhaftigkeit der Ware entgegensetzen. Der Grund f ü r diesen Einwendungsausschluß ist in Ubereinstimmung mit Art. 8 lit. a ERG zum einen darin zu sehen, daß nur so die Funktion des Akkreditivs als eines Zahlungs- und Sicherungsmittels für den Begünstigten gewahrt werden kann, und zum anderen auch darin, daß die Bank i. d. R. keinen hinreichenden Einblick in das Valutaverhältnis hat, um die daraus folgenden Einwendungen und Gegenrechte sachgemäß beurteilen und wahrnehmen zu können.
1013
Ebenso wie hinsichtlich des Deckungsverhältnisses (vgl. soeben Rdn. 1011) sind auch hier Bereicherungsansprüche folgerichtig mitausgeschlossen 148 . Das ergibt sich nicht nur daraus, daß sonst der Einwendungsausschluß im praktischen Ergebnis auf dem Umweg über die Bereicherungseinrede wieder rückgängig gemacht würde, sondern auch schon aus der rein konstruktiven Erwägung, daß der Rechtsgrund für die Abgabe des Leistungsversprechens der Bank allein in dem Deckungsverhältnis zwischen ihr und dem Akkreditivauftraggeber liegt.
1014
Der Ausschluß von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis gilt auch dann, wenn die Bank die Ansprüche des Akkreditivauftraggebers aus dem Valutaverhältnis im
d) Einwendungen aus dem Valutaverhältnis
Vgl. RG LZ 1922, 712; B G H W M 1958, 291, 292 unter VI; Ulmer AcP 126, 288; Borggrefe S. 44; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 216; von Westphalen S. 140. Vgl. Ulmer S. 288; Borggrefe S. 44; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 216. ' Vgl. auch Pleyer S. 9 ; von Marschall S. 35 ff; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 278; von Westphalen S. 176; Kleiner S. 46 f und 48 f. 27 Vgl. O L G Stuttgart W M 1977, 881, 882 f und dazu die Revisionsentscheidung B G H Z 74, 244, 246 ff; ähnlich B G H W M 1976, 422 unter I, wo freilich als Alternative zur Bürgschaft nicht ein Garantievertrag, sondern ein abstraktes Schuldversprechen erwogen wird.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Begünstigten und der Garantiebank
tischen Aspekten ein wesentlicher Fortschritt, wenn sich die Mischform einer Bürgschaft auf erstes Anfordern durchsetzen würde 2 7 a . Selbst wenn man dabei nämlich den Rückforderungsanspruch wegen Nichtbestehens der Hauptschuld grundsätzlich dem Bürgen zusprechen würde (vgl. dazu unten Rdn. 1142 Fn. 52 und 2628), hätte dieser an dessen Geltendmachung doch i. d. R. kein eigenes Interesse und würde ihn daher an den Hauptschuldner abtreten, weil er selbst durch seinen Ersatzanspruch gegen letzteren aus §§ 675, 670 BGB hinreichend geschützt ist; das Risiko, ob sich das Geld von dem Dritten zurückholen läßt, liegt also ebenso wie bei der Garantie beim Hauptschuldner, und auch die Gefahren einer mißbräuchlichen Zahlungsanforderung des Dritten sind nicht geringer als bei der Garantie. Unproblematisch ist demgegenüber die Abgrenzung zum abstrakten Schuldverspre- 1 1 2 5 chen i. S. von § 780 BGB. Da die Bank nämlich nicht Zahlung schlechthin verspricht, sondern nur Zahlung für den Fall, daß der Hauptschuldner bestimmten Pflichten nicht nachkommt oder sich ein sonstiges Risiko verwirklicht, kommt ein abstraktes Schuldversprechen von vornherein nicht in Betracht (vgl. oben Rdn. 1106 a. E.). Das gilt auch für das Versprechen, Zahlung „auf erstes Anfordern" zu leisten. Denn auch hier soll die Bank nicht etwa — wie z. B. bei der Giroüberweisung oder beim Dokumentenakkreditiv — primär und in aller Regel zahlen, sondern nur subsidiär und im Ausnahmefall einspringen; nur soll der Begünstigte den Eintritt des Garantiefalles nicht materiell nachweisen müssen, sondern sich mit der bloßen Behauptung begnügen dürfen, dessen Voraussetzungen lägen vor. Diese Behauptung, der Garantiefall sei eingetreten, ist aber auch hier erforderlich, und daher liegt nicht etwa ein abstraktes — d. h. „farbloses", von jedem Vertragszweck losgelöstes — Schuldversprechen vor 2 8 , sondern ein „kausaler", weil nach wie vor durch den Sicherungszweck geprägter Garantievertrag 29 . Von der Problematik des Einwendungsausschlusses ist diese Frage entgegen einem verbreiteten Mißverständnis zu trennen; denn abstrakt bedeutet in diesem Zusammenhang nicht „losgelöst von einem Kausalverhältnis zwischen einer Partei und einem Dritten" — also vom Deckungs- oder Valutaverhältnis —, sondern abstrakt bedeutet hier „farblos" oder „nicht-typus-bezogen" in dem Sinne, daß der Vertrag keinen bestimmten Geschäftszweck wie z. B. den Sicherungszweck in sich aufnimmt (vgl. zu diesen unterschiedlichen Bedeutungen des Abstraktionsbegriffs auch schon oben Rdn. 418). 3. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs aus dem Garantieversprechen a) Verfalldatum und Garantiefrist Ebenso wie der Anspruch aus der Eröffnung eines Akkreditivs (vgl. oben) kann 1126 auch der Anspruch aus dem Garantieversprechen befristet sein oder aus einem anderen Grund verfallen. Dabei ist es eine Frage der Vertragsgestaltung und -auslegung, ob lediglich der Eintritt des Garantiefalles innerhalb der Frist erfolgen muß oder ob dies auch für die Inanspruchnahme der Garantie, also für die Geltendmachung des Anspruchs gilt; bei der Garantie auf erstes Anfordern ist grundsätzlich letzteres anzunehmen 3 0 , weil hier die bloße Erklärung des Begünstigten für die Inanspruchnahme 27a
28
A. A. offenbar Horn N J W 1980, 2154 ff im Anschluß an die in der vorigen Fn. zitierte Rspr.; gegen ihn Graf von Westphalen W M 1981, 297 f, der jedoch die Gefahren dieser Rechtsfigur überschätzt, weil er der Bank bei einer Bürgschaft offenbar nicht den Anspruch aus §§ 675, 670 BGB gegen den Kunden geben will. So aber Auhagen S. 45; von Caemmerer S. 301; PleyerS. 13.
29
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Ebenso i. E. Kühler S. 189 und Schönte § 28 I 3 und II 2, die jedoch im Gegensatz zur hier vertretenen Ansicht den Garantievertrag generellen die Stelle des abstrakten Schuldversprechens setzen wollen. Vgl. auch O L G H a m b u r g R I W / A W D 1978, 615, 616; O L G Stuttgart W M 1979, 733, 734; Pleyer S. 17; Zahn S. 252 mit Fn. 15; von Westphalen S. 181; Nielsen BuB 5/164; KleinerS. 152 f.
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9. Abschnitt. Die Bankgarantie
der Garantie genügt und weil überdies die Beteiligten angesichts der besonderen Gefährlichkeit dieser Garantieform ein erhöhtes Interesse an einer raschen Klärung der Frage haben, ob die Garnatie ausgenutzt wird oder nicht. An der Vereinbarung einer Garantiefrist haben die Banken ein um so größeres Interesse, als die Verjährungsfrist gemäß §195 BGB grundsätzlich dreißig Jahre beträgt, so daß f ü r sie ein unerträglich langer Schwebezustand eintreten kann, wenn es an einem Verfalldatum fehlt (vgl. im übrigen auch unten Rdn. 1157 ff). 1127
U. U. kann die Bank zur Einräumung einer Nachfrist gemäß § 242 BGB verpflichtet sein. Dabei sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Demgemäß dürfte f ü r eine Nachfrist regelmäßig kein Raum sein, wenn der Begünstigte die Frist überhaupt versäumt hat — und sei es auch auf Grund von höherer Gewalt wie Krieg, Unterbrechung der Postbeförderung usw. 3 1 ; denn ob der Begünstigte die Versäumung der Frist zu vertreten hat oder nicht, wird häufig zweifelhaft und zwischen diesem und dem Garantieauftraggeber umstritten sein, so daß die Entscheidung über die Einräumung oder Nichteinräumung einer Nachfrist die Bank de facto in eine Schiedsrichterposition brächte, die mit ihren Aufgaben und Kompetenzen unvereinbar ist. Anders kann es liegen, wenn der Garantiebegünstigte innerhalb der Frist immerhin die erforderliche Handlung vorgenommen hat, die Bank diese jedoch nicht als vertragskonform ansieht. Reicht der Begünstigte also z. B. rechtzeitig Dokumente ein, die einen geringfügigen behebbaren Mangel aufweisen, oder gibt er rechtzeitig eine Erklärung über den Eintritt des Garantiefalles ab, die den vertraglichen Anforderungen nicht voll entspricht, so wird die Bank ihm nicht selten gemäß § 242 BGB eine Nachfrist zur Behebung des Fehlers zugestehen müssen.
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Zur Problematik einer Beendigung des Garantieversprechens durch Kündigung oder Rücktritt (z. B. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage) vgl. unten Rdn. 1157 ff. b) Der Nachweis des Garantiefalles
1129
Da der Garantievertrag im Gegensatz zum abstrakten Schuldversprechen auf einen bestimmten Zweck, nämlich den Sicherungszweck bezogen ist, setzt der Anspruch aus dem Garantieversprechen grundsätzlich den Eintritt des Garantiefalles voraus. Entsprechend den allgemeinen Regeln über die Beweislast hat dabei der Garantiebegünstigte den Garantiefall zu beweisen, da es insoweit um die Tatbestandsvoraussetzungen seines Anspruchs geht. Damit wird nun freilich der Anspruch aus dem Garantieversprechen trotz seiner Abstraktheit in gewissem Umfang doch wieder von dem Kausalverhältnis zwischen dem Begünstigten und dem Hauptschuldner abhängig. Da das die Sicherheit der Garantie wesentlich beeinträchtigt und überdies die Bank in unerwünschter Weise in das ihr fremde und von ihr sehr schwer zu überschauende Kausalverhältnis hineinzieht, kommt diese Form der Garantie, bei der der Begünstigte alle Voraussetzungen des Garantiefalles beweisen muß, die sogenannte „einfache Garantie", im Bankverkehr nur sehr selten vor.
1130
Praktisch weitaus am häufigsten ist hier vielmehr die Garantie „auf erstes Anfordern". Bei dieser genügt die bloße Behauptung des Begünstigten, daß der Garantiefall eingetreten sei. Andererseits ist eine solche Behauptung auch dann erforderlich, wenn sie im Text der Garantieurkunde nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist; denn das ändert nichts daran, daß das Garantieversprechen sich auf einen bestimmten Sicherungszweck bezieht — z. B. rechtzeitige Lieferung, Freiheit von Mängeln der KaufZutreffend daher O L G Stuttgart W M 1979, 733, 735; LG Stuttgart W M 1978, 1056, 1057 f.
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IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Begünstigten und der Garantiebank
sache usw. — und daß demgemäß der Eintritt des Garantiefalles zumindest behauptet werden muß. Die Behauptung genügt nicht, wenn es ihr an der Schlüssigkeit fehlt 3 2 ; daher ist z. B. eine in sich widersprüchliche Behauptung unbeachtlich, während sich die Bank um ihre Richtigkeit grundsätzlich — d. h. vorbehaltlich der noch zu erörternden Fälle des Rechtsmißbrauchs (vgl. unten Rdn. 1138 ff) — nicht zu kümmern braucht. Darüber hinaus ist eine gewisse Substantiierung der Behauptung zu fordern. Dabei dürfen allerdings keine zu strengen Anforderungen gestellt werden, weil sonst die Funktionsfähigkeit der Garantie „auf erstes Anfordern" gefährdet werden könnte. Völlig auf das Erfordernis der Substantiierung zu verzichten, geht jedoch nicht an. Das folgt schon daraus, daß die Bank anderenfalls die Schlüssigkeitsprüfung nicht vornehmen kann und auch keine Grundlage für die Erkenntnis eines etwaigen Rechtsmißbrauchs hat. Außerdem muß die Bank auch feststellen können, ob überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Garantieanspruchs gegeben sind; das kann etwa deswegen zweifelhaft sein, weil der Sicherungszweck begrenzt ist — z. B. deckt eine Gewährleistungsgarantie nach dem Grundsatz der formalen Garantiestrenge i. d. R. keine Verzugsschäden — oder weil mehrere Garantien für unterschiedliche Leistungsgegenstände eröffnet worden sind. Demgemäß kann sich der Begünstigte bei einer Leistungs- oder Lieferungsgarantie auch dann nicht auf die schlichte Erklärung beschränken, der Verkäufer habe seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt, wenn nach dem Wortlaut der Garantieurkunde nur diese Erklärung von ihm verlangt wird; vielmehr muß er z. B. erklären, die Ware sei trotz Fälligkeit nicht rechtzeitig geliefert worden, es sei eine andere als die geschuldete W a r e geliefert worden usw. Eine solche Substantiierung ist im übrigen auch deshalb unerläßlich, weil anderenfalls die Mißbrauchsrisiken in einem Maße wüchsen, daß die institutionelle Funktionsfähigkeit der Garantie „auf erstes Anfordern" in Frage gestellt würde und sogar die rechtliche Zulässigkeit wegen der Auslieferung an die Willkür des Begünstigten im Hinblick auf § 138 BGB problematisch erschiene. Dem läßt sich nur begegnen, indem man den Begünstigten durch das Substantiierungserfordernis mit der Notwendigkeit einer nachweisbaren Lüge konfrontiert und ihn vor die darin liegenden psychologischen und rechtlichen Barrieren stellt, während er sich anderenfalls in aller Regel mit irgendwelchen Ausflüchten oder angeblichen Irrtümern herausreden und seinen Betrug verschleiern könnte. — Die Erklärung muß vom Begünstigten selbst abgegeben werden; eine Erklärung des Zessionars der Forderung aus dem Garantieversprechen genügt nicht (vgl. LG Frankfurt W M 1978 442, 443). Schwierigkeiten bereitet die Auslegung bestimmter Zusätze wie z. B. der Klausel 1131 „Zahlung auf erstes Anfordern, falls der Schaden eintritt" oder „Zahlung auf erstes Anfordern, falls der Verkäufer den Lieferpflichten nicht nachkommt". Nach diesen sogenannten Effektivklauseln soll nämlich einerseits auf bloßes „Anfordern", also lediglich auf die Behauptung des Begünstigten hin gezahlt werden, andererseits aber doch offenbar der Eintritt des Garantiefalles objektiv geprüft werden. Den Klauseln ist daher eine gewisse Widersprüchlichkeit eigentümlich, und folglich muß im Wege der Auslegung ermittelt werden, was ihr Sinn ist. Hier einen Mittelweg zu gehen und zwar nicht den vollen Nachweis, wohl aber einen „gewissen Anhaltspunkt" für den Eintritt des Garantiefalles zu verlangen 3 3 , dürfte nicht möglich sein, weil eine solche „Glaubhaftmachung" nur dem Prozeßrecht, nicht aber dem materiellen Recht bekannt und daher ein dogmatischer Fremdkörper ist und weil sie überdies den Banken kein brauch32
Zustimmend von Westphalen S. 178; ähnlich wie hier ferner Schütze R I W / A W D 1981, 84.
33
So Auhagen S. 56; Finger BB 1969, 208; Horn N J W 1980, 2156; a. A. mit Recht Pleyer S. 10 f Fn. 38; Schtegelberger/Hefermehl Rdn. 297.
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9. Abschnitt. Die Bankgarantie
bares Entscheidungskriterium an die Hand gibt und daher unpraktikabel ist. Man wird die Klauseln deshalb ihrem Wortsinn entsprechend so auslegen müssen, daß die Bank zwar einerseits den Eintritt des Garantiefalles — also das Vorliegen eines Schadens, einer Schlechtlieferung usw. — voll nachzuprüfen und der Begünstigte ihn voll zu beweisen hat, daß aber im übrigen „auf erstes Anfordern", d. h. unabhägig von Einwendungen aus dem Kausalverhältnis zum Hauptschuldner gezahlt werden muß, so daß die Bank z. B. grundsätzlich nicht vorbringen kann, das Kausalverhältnis sei unwirksam, der Hauptschuldner habe aufgerechnet, ihm stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu usw. 34 . Ahnlich hat die Bank bei Anzahlungsgarantien auch dann, wenn sie die Klausel „auf erstes Anfordern" enthalten, grundsätzlich das Recht und die Pflicht zu prüfen, ob die Anzahlung überhaupt erfolgt ist (vgl. auch ]. Schöder DB 1975 2358 sowie im übrigen auch unten Rdn. 1133 a. E.); dagegen hat sie sich bei einer Garantie „auf erstes Anfordern" grundsätzlich nicht darum zu kümmern, ob die sonstigen Voraussetzungen der Pflicht zur Rückzahlung der Anzahlung gegeben sind. 1132
Wollen die Parteien einerseits die Gefahren eines Mißbrauchs der Garantie durch den Begünstigten, die beim Leistungsversprechen „auf erstes Anfordern" unvermeidlich sind, einschränken, andererseits aber auch nicht die Bank mit der für sie sehr schwierigen und heiklen Aufgabe einer vollen Nachprüfung des Schadenseintritts bzw. der Schlechtleistung belasten, so können sie eine Garantie gegen Einreichung bestimmter Dokumente vereinbaren. In Betracht kommen vor allem Zertifikate über den Schaden bzw. Mangel oder die sonstigen Voraussetzungen des Garantiefalles, die von bestimmten, im voraus festgelegten Personen oder Institutionen ausgestellt sein müssen; auch an die Vorlage eines Schiedsurteils kann die Zahlungspflicht der Bank geknüpft werden. Dann gilt ebenso wie beim Dokumentenakkreditiv (vgl. oben Rdn. 993) auch im Verhältnis zwischen dem Begünstigten und der Bank der Grundsatz der Dokumentenstrenge 35 , wobei die oben Rdn. 1109 entwickelten Regeln sinngemäß zu übernehmen sind.
1133
Der Grundsatz der Dokumentenstrenge ist nur eine besondere Erscheinungsform des allgemeineren Grundsatzes der formalen Garantiestrenge. Wie im Verhältnis zwischen der Bank und dem Garantieauftraggeber der Grundsatz der formalen Auftragstrenge herrscht (vgl. oben Rdn. 1107), so muß folgerichtig im Verhältnis zwischen der Bank und dem Begünstigten entsprechendes gelten. Denn anderenfalls geriete diese in die Gefahr, daß ihre Pflichten gegenüber dem Begünstigten nach einem anderen Maßstab beurteilt werden als ihre Rechte gegenüber dem Auftraggeber 3 6 . Außerdem besteht wegen der Gefährlichkeit der Garantie, insbesondere der Garantie „auf erstes Anfordern", ohnehin Anlaß, auf einer strikten, ja geradezu pedantischen Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen zu beharren. Der Begünstigte muß daher z. B. die Erklärung, daß der Garantiefall eingetreten sei, genau in der Weise und mit dem Inhalt abgeben, wie die Garantieurkunde es vorschreibt. Auch ist die Garantieerklärung entsprechend den oben Rdn. 993 zum Dokumentenakkreditiv aufgestellten Grundsätzen verhältnismäßig eng und förmlich auszulegen. Demgemäß deckt z. B. eine „Gewährlei-
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35
Zurückhaltend Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 297 a. E. mit der Begründung, die vorgeschlagene Differenzierung werde sich häufig nicht durchführen lassen und schaffe daher keine klare Rechtslage; das mag sein, liegt aber nicht an der hier vertretenen Lösung, sondern an der Zwiespältigkeit der betreffenden Klauseln. Ebenso O L G H a m b u r g W M
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1978, 260, 261;
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O L G Stuttgart W M 1979, 733, 734 f; LG Stuttgart W M 1978, 1056, 1058; Nielsen BuB 5/144. Es trifft daher nicht zu, daß der G r u n d s a t z der Dokumentenstrenge nur dem Interesse des Auftraggebers dient, wie O L G H a m b u r g und LG Stuttgart a a O (vorige Fn.) anzunehmen scheinen; richtig demgegenüber z. B. O L G Schleswig W M 1980, 48, 50 unter 3 b.
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IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Begünstigten und der Garantiebank
stungsgarantie" („warranty guarantee", „garantie de bon fonctionnement") im Zweifel nicht auch den Verzugs- oder den Nichterfüllungsschaden. Sind sich freilich Auftraggeber und Begünstigter darüber einig, daß die Garantievoraussetzungen trotz einer formalen Abweichung erfüllt sind — daß also z. B. statt des an sich erforderlichen Schiedsspruches auch ein staatliches Urteil genügt —, so kann die Bank sich i. d. R. nicht auf den Grundsatz der Garantiestrenge berufen. Zwar können Auftraggeber und Begünstigter ohne Mitwirkung der Bank den Inhalt des Garantieversprechens nicht ändern, doch verstößt in einem solchen Fall die Zahlungsverweigerung der Bank gegen Treu und Glauben, weil das Bestehen ihres Regreßanspruchs gegen den Auftraggeber dann außer Zweifel steht. Das gilt allerdings nur, wenn der Auftraggeber gegenüber der Bank die Unerheblichkeit der Abweichung anerkennt — was diese u. U. durch Rückfrage bei ihm klären muß. Daß er im Verhältnis zum Begünstigten zu einer solchen Anerkennung verpflichtet ist, reicht nicht aus, weil die Bank sich in den Streit hierüber nicht hineinziehen zu lassen und das Risiko seines Ausgangs nicht durch eine Auszahlung der Garantiesumme auf sich zu nehmen braucht. Sie ist daher z. B. nicht schon deshalb zur Zahlung an den Begünstigten verpflichtet, weil der Auftraggeber sich auf einen Prozeß vor einem staatlichen Gericht eingelassen hat und der Begünstigte nun nicht das in dem Garantieversprechen geforderte Schiedsurteil beibringen kann 3 7 ; mag letzterer sich rechtzeitig eine Erklärung des Garantieauftraggebers beschaffen, daß die Vorlage des staatlichen Urteils ausreicht. Noch weitergehend kann die Bank sogar dann, wenn der Auftraggeber mit der Abweichung einverstanden ist, ein legitimes Eigeninteresse an der genauen Einhaltung der Garantiebedingungen haben. Tritt z. B. eine Anzahlungsgarantie erst in Kraft, nachdem die Anzahlung auf einem Konto der Garantiebank eingegangen ist, so genügt grundsätzlich der Eingang der Zahlung auf einem Konto bei einer anderen Bank nicht 37a ; denn es ist z. B. möglich, daß die Garantiebank den AnZahlungsanspruch ihres Kunden „bevorschußt" hat, oder daß sie den Avalkredit nur bei gleichzeitiger Rückführung eines Kontokorrentkredits gewähren will usw. Fehlt es freilich an einem solchen Eigeninteresse der Bank und hat sie vielleicht überdies die ihr bekannte Zahlung auf ein fremdes Konto widerspruchslos hingenommen, so kann es gegen § 242 BGB verstoßen, wenn sie sich auf die Abweichung von den Garantiebedingungen beruft. 4. Einwendungsausschluß und Bereicherungsausgleich a) Die Rechtsgrundlage des Einwendungsausschlusses Daß das Garantieversprechen abstrakt und folglich sowohl von Einwendungen aus 1 1 3 4 dem Deckungsverhältnis zwischen der Bank und dem Garantieauftraggeber als auch von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Begünstigten und dem Garantieauftraggeber grundsätzlich unabhängig ist, steht außer Streit 38 . Nach den Ausführungen oben Rdn. 1004 zum entsprechenden Problem beim Akkreditiv, die sinngemäß auch hier passen, ist dieser Einwendungsausschluß konstruktiv gesehen an sich eine Selbstverständlichkeit und bedarf daher keiner anderen Begründung als des Hinweises auf Sinn und Zweck des Garantiegeschäfts39. Demgemäß kommt es auch Bedenklich daher O L G H a m b u r g a a O (Fn. 35); kritisch dazu mit Recht auch Nielsen BuB 5/144. " a A. A. unrichtig ]. Schröder DB 1975, 2359 f, der weder den Grundsatz der Garantiestrenge berücksichtigt noch die Interessenlage bezüglich eines etwaigen Kredits der Bank in den Griff bekommt.
J« Vgl. z. B. LG F r a n k f u r t N J W 1963, 450, 451 ; von Caemmerer S. 301 f f ; Liesecke W M 1968, 24 f; Finger BB 1969, 207 f; Kühler S. 188; Pleyer S. 13 und S. 17 f f ; Schönte § 2 8 II 2 ; von Westphalen S. 189; Nielsen BuB 5/137. 39 So mit Recht auch von Caemmerer S. 302.
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9. Abschnitt. Die Bankgarantie
nicht darauf an, ob im Einzelfall in dem Garantieversprechen ausdrücklich auf Einwendungen verzichtet wird oder ob die Bank sich ohne einen solchen Zusatz lediglich zur Zahlung „auf erstes Anfordern" verpflichtet 40 . Auch einer Analogie zu § 784 BGB 4 1 bedarf es folgerichtig an sich nicht, doch hat diese gleichwohl insofern eine sinnvolle Hilfsfunktion, als diese Vorschrift genau das hier zu lösende Geschäftsgrundlagenproblem betrifft (vgl. oben Rdn. 1005) — und zwar unabhängig davon, ob man auch beim Garantiegeschäft noch von einer „Anweisung i. w. S." sprechen kann —, und als § 784 BGB überdies die richtige und auch hier verwendbare Einteilung der Einwendungen bereithält. b) Die Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Einwendungen 1135
Die Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Einwendungen ist im wesentlichen nach denselben Kriterien vorzunehmen wie beim Dokumentenakkreditiv, so daß weitgehend auf die Ausführungen oben Rdn. 1007 ff verwiesen werden kann. Zulässig sind daher, in Ubereinstimmung mit § 784 BGB, zunächst Gültigkeitseinwendungen, d. h. Einwendungen, durch die die Wirksamkeit des Garantieversprechens selbst bestritten wird wie z. B. der Einwand, dieses sei gesetzeswidrig oder vom Begünstigten durch arglistige Täuschung der Bank erschlichen worden. Zulässig sind weiter unmittelbare Einwendungen wie z. B. der Einwand der Aufrechnung durch die Bank oder die Einrede des Zurückbehaltungsrechts 42 . Eine besondere praktische Bedeutung haben hier schließlich inhaltliche Einwendungen, also solche, die sich aus dem Inhalt des Garantieversprechens selbst ergeben. Hierher gehört vor allem der Einwand, der Begünstigte habe das Vorliegen des Garantiefalles nicht bewiesen oder es nicht schlüssig behauptet oder die erforderlichen Dokumente nicht eingereicht; welcher Einwand relevant ist, hängt dabei von der jeweiligen Fassung des Garantieversprechens ab (vgl. dazu oben Rdn. 1129 ff).
1136
Ausgeschlossen sind demgegenüber grundsätzlich Einwendungen aus Rechtsverhältnissen mit Dritten. Die Bank kann daher keine Einwendunen aus dem Deckungsverhältnis zu dem Garantieauftraggeber vorbringen und demnach z. B. ihre Zahlungspflicht nicht mit der Begründung bestreiten, der Auftraggeber sei inzwischen in Konkurs gefallen oder die Erstattung der Garantiesumme sei durch eine devisenrechtliche Vorschrift verboten worden 4 3 . Das gilt grundsätzlich auch schon vor Eintritt des Garantiefalles (vgl. dazu näher unten Rdn. 1155 ff).
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Ausgeschlossen sind grundsätzlich auch Einwendungen aus dem Valutaverhältnis. Die Bank kann folglich dem Garantiebegünstigten i. d. R. nicht entgegenhalten, er habe im Verhältnis zum Garantieauftraggeber gar keinen Anspruch auf die Garantiesumme, z. B. wegen Nichtigkeit des Kausalverhältnisses oder wegen wirksamer Aufrechnung. Das gilt in Übereinstimmung mit dem Akkreditivrecht (vgl. oben Rdn. 1014) auch dann, wenn der Garantieauftraggeber der Bank seine Ansprüche gegen den Begünstigten abgetreten hat 4 4 . 40
Vgl. auch Pleyer S. 9; von Marschall S. 35; Scblegelberger/Hefermehl Rdn. 278; von Westphalen S. 178; Nielsen BuB 5/142; wohl auch Kleiner S. 48 f; widerspruchlich Schinnerer/Avancini S. 315 f: einerseits seien „die W o r t e .unter Verzieht auf alle Einwendungen' von rechtlich erheblieh größerer Bedeutung" als die Klausel „auf erstes Anfordern", andererseits aber seien sie „nur deklaratorischer N a t u r , weil es der Selbständigkeit der Garantieverpflichtung entspricht, daß
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Einwendungen aus dem Hauptvertrag nicht erhoben werden können". Vgl. zu dieser z . B . von Caemmerer S. 301; LieseckeWM. 1968, 24; Finger ÜB 1969, 208. Vgl. auch Pleyer S. 12; von Westphalen S. 189; Nielsen BuB 5/166; siehe im übrigen näher oben Rdn. 1009. Vgl. Liesecke W M 1966, 467 und 1968, 26; Pleyer S. 18; Schönle 5 28 11 2. Vgl. auch O L G H a m b u r g W M 1978, 260, 261; von Caemmerer S. 303 f.
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IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Begünstigten und der Garantiebank
Allerdings steht der Einwendungsausschluß insoweit unter der Einschränkung von 1 1 3 8 Treu und Glauben gemäß § 242 BGB 45 . Auch in dieser Frage sind dabei grundsätzlich dieselben Regeln wie beim Akkreditiv anzuwenden. Demgemäß ist darauf abzustellen, ob es sich um einen „schweren" Mangel handelt und ob er liquide beweisbar ist (vgl. im einzelnen oben Rdn. 1016 ff). Besondere praktische Bedeutung kommt der Frage zu, ob und gegebenenfalls unter 1 1 3 9 welchen Voraussetzungen die Bank dem Begünstigten den Nichteintritt des Garantiefalles entgegenhalten kann. Von vornherein unproblematisch sind dabei in diesem Zusammenhang die Fälle, in denen es schon nach dem Inhalt des Garantieversprechens an den Voraussetzungen der Zahlungspflicht der Bank fehlt — z. B. weil der Begünstigte den Eintritt des Garantiefalles nicht einmal schlüssig behauptet, ihn nicht in der erforderlichen Form nachgewiesen 4 6 oder die zum Beweis erforderlichen Dokumente nicht vorgelegt hat; hier ist eine inhaltliche Einwendung gegeben, die die Bank dem Begünstigten ohne weiteres entgegensetzen kann (vgl. oben Rdn. 1135 a. E.). Problematisch sind vielmehr allenfalls die Fälle, in denen die Einstandspflicht der Bank nach den zwischen ihr und dem Begünstigten vereinbarten Bedingungen an sich gegeben ist, in denen aber nach den davon abweichenden Vereinbarungen im Verhältnis zwischen dem Begünstigten und dem Akkreditivauftraggeber die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Garantie nicht vorliegen. Anschaulichstes und zugleich praktisch wichtigstes Beispiel ist, daß die Bank dem Begünstigten zur Zahlung „auf erstes Anfordern ohne jede Einwendung" verpflichtet ist und der Begünstigte nun zu Unrecht das Vorliegen des Garantiefalles behauptet. Die Frage, ob die Bank hier die Zahlung verweigern darf, ist grundsätzich zu verneinen 4 7 . Denn es ist kein Grund ersichtlich, hier anders als bei sonstigen Mängeln des Valutaverhältnisses zu entscheiden. Folglich kann die Bank die Zahlung nicht mit der Begründung verweigern, im Valutaverhältnis seien die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Garantie nicht gegeben — es sei denn, es liegt ein „schwerer" und liquide beweisbarer Mangel vor, so daß die Garantieziehung einen Rechtsmißbrauch darstellt. „Schwer" ist der Mangel insbesondere dann, wenn er dem Garantiegläubiger bekannt ist oder sich ihm geradezu aufdrängen muß; denn dann stellt die Inanspruchnahme der Garantie i. d. R. eine Straftat oder eine sittenwidrige Schädigung des Garantieauftraggebers dar oder kommt einem solchen Verhalten doch so nahe, daß der Bank eine Mitwirkung daran nicht zuzumuten ist. Zahlt die Bank in Unkenntnis des Rechtsmißbrauchseinwandes, so hat sie grundsätzlich einen Rückforderungsanspruch gegen den Begünstigten (vgl. unten Rdn. 1145), während ihr ein solcher in den übrigen Fällen von Mängeln des Valutaverhältnisses nicht zusteht (vgl. unten Rdn. 1142f). Auch bei der Rückgarantie kommt grundsätzlich ein Einwendungsdurchgriff kraft 1 1 3 9 8 Rechtsmißbrauchs in Betracht 4 7 3 . Ausschlaggebend ist dabei jedoch nicht, ob der Begünstigte der Erstgarantie — also i. d. R. der ausländische Importeur — diese rechtsmißbräuchlich geltend macht, sondern allein, ob dem Begünstigten der Rückgarantie 45
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Vgl. von CaemmererS. 303; Auhagen S. 77; Käser S. 625; Liesecke W M 1968, 26 f; Finger BB 1969, 208; Pleyer S. 18; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 298 und 306; von Westphalen S. 189 f unter Aufgabe des in der 1. Aufl. vertretenen gegenteiligen Standpunkts; Nielsen BuB 5/142 a. E. und 168. U n z u t r e f f e n d von Westphalen S. 190, der diesen Fall nach den Regeln über den Rechtsmißbrauch behandeln will, während es sich in W a h r h e i t um eine „inhaltliche" Einwendung handelt, deren
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47a
Ausschluß von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl. oben Rdn. 1135). Vgl. auch Zahn S. 249; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 29; Horn N J W 1980, 2156 f. Vgl. dazu auch O L G Saarbrücken W M 1981, 275, 277 f; LG Braunschweig W M 1981, 278, 280; LG D o r t m u n d W M 1981, 280, 282 f; LG F r a n k f u r t W M 1981, 284, 286 f; LG Stuttgart W M 1981, 633, 634 f; Horn N J W 1980, 2158; Graf von Westphalen W M 1981, 301 ff.
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9. Abschnitt. Die Bankgarantie
— also i. d. R. einer Bank im Lande des Importeurs — ein mißbräuchliches Verhalten vorzuwerfen ist. Das ist grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn es für diesen liquid beweisbar ist, daß der Erstbegünstigte die Erstgarantie mißbräuchlich in Anspruch nimmt, und wenn er dadurch nach dem insoweit einschlägigen Recht — also i. d. R. nach dem an seinem Sitz geltenden (ausländischen) Recht — von seiner Pflicht zur Bezahlung der Erstgarantie frei wird. Ob die fremde Rechtsordnung ebenfalls den Einwand des Rechtsmißbrauchs zuläßt bzw. eine ähnliche Möglichkeit kennt, wirkt sich somit entscheidend auf die Beurteilung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Rückgaranten und dem Rückgarantiebegünstigten nach deutschem Recht aus und gehört insoweit zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Rechtsmißbrauchseinwandes. Mit der ordre-public-Klausel des Art. 30 EGBGB hat das nichts zu tun 4 7 b , weil es nicht um die „Anwendung" des ausländischen Rechts auf Grund einer international-privatrechtlichen Kollisionsnorm geht, sondern lediglich um die „Tatbestandswirkung" des ausländischen Rechts auf der Ebene des materiellen Rechts. Allerdings kann man in Extremfällen im Wege der Auslegung oder nach den Regeln über die Geschäftsgrundlage zu dem Ergebnis kommen, die Rückgarantie solle nicht auch das Risiko abdecken, daß der Rückgarantiebegünstigte nach seiner Rechtsordnung an den Erstgarantiebegünstigten auch bei mißbräuchlicher Inanspruchnahme der Erstgarantie zahlen muß. Insgesamt erhöht somit die Rückgarantie die Gefahren der Garantiestellung für den Auftraggeber — der letztlich nach §§ 675, 670 BGB den Schaden trägt (vgl. oben Rdn. 1112 und 1116 a) — in erheblichem Maße, weshalb sie grundsätzlich nur mit seinem Einverständnis eingegangen werden darf (vgl. oben Rdn. 1118 i. V. m. 1115). 1140
Ist die Bank im Verhältnis zum Garantiebegünstigten zur Zahlungsverweigerung berechtigt, so hat sie folgerichtig im Verhältnis zum Garantieauftraggeber grundsätzlich zugleich eine Pflicht zur Zahlungsverweigerung48. Eine einstweilige Verfügung gegen die Bank mit dem Ziel, die Auszahlung des Garantiebetrags zu verhindern, ist allerdings entsprechend dem oben Rdn. 1025 Gesagten grundsätzlich nicht möglich 49 , es sei denn, es droht die Gefahr, daß die Bank trotz Verletzung ihrer Pflicht zur Auszahlungsverweigerung einen Regreßanspruch aus §§ 675, 670 BGB gegen den Auftraggeber erlangt, was vor allem bei einem Rechtsirrtum in Betracht kommt (vgl. oben aaO). Eine andere Frage ist, ob der Auftraggeber gegen den Begünstigten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorgehen kann (vgl. dazu unten Rdn. 1152).
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Der Einwendungsausschluß kann und darf nicht auf dem Umwege über das Kondiktionsrecht unterlaufen werden. Gemäß der das moderne Bereicherungsrecht prägenden Regel, daß der Kondiktionsausgleich grundsätzlich zwischen den Parteien des fehlerhaften Leistungsverhältnisses stattfindet und ein „Durchgriff" auf einen daran unbeteiligten Dritten zu vermeiden ist, kann die Bank sich daher bei Mängeln des Dekkungsverhältnisses nur an ihren Partner in diesem, also an den Garantieauftraggeber halten und nicht etwa die ausgezahlte Garantiesumme von dem Begünstigten zurückverlangen.
c) Bereicherungs- und sonstige Rückforderungsansprüche der Bank
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Unzutreffend insoweit daher LG F r a n k f u r t W M 1981, 284, 287 Sp. 2; vgl. auch die Kritik von Graf von Westphalen W M 1981, 302 f. « Vgl. O L G Saarbrücken W M 1981, 275, 277; LG D o r t m u n d W M 1981, 280, 282; LG F r a n k f u r t W M 1981, 284, 286; Finger BB 1969, 208; Pleyer S. 18 f; von Marschalls. 39; KleinerS. 160; Horn N J W 1980, 2157.
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Ebenso i. E. O L G Stuttgart W M 1981, 631, 632 f; LG München W M 1981, 416, 417 f; Scheuermann A W D 1959, 196; von Caemmerer S. 304; Auhagen S. 66; Liesecke W M 1968, 27; Nielsen BuB 5/ 170; z . T . a. A. die oben Fn. 4 7 a zitierten Entscheidungen; Pleyer S. 25; von Westphalen S. 191 f; Horn N J W 1980, 2158; Stockmayer Die AG 1980, 332 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Begünstigten und der Garantiebank Dementsprechend hat die Bank auch bei Mängel des Valutaverhältnisses, also des 1 1 4 2 Kausalverhältnisses zwischen dem Begünstigten und dem Garantieauftraggeber, keinen Kondiktionsanspruch auf Rückzahlung des Garantiebetrags gegen den Begünstigten, sondern muß den Bereicherungsausgleich der Auseinandersetzung zwischen dem Begünstigten und dem Garantieauftraggeber überlassen — was ja auch völlig dem Sinn des Garantiegeschäfts entspricht. Folgerichtig gilt dieses Verbot eines Durchgriffs auf den Begünstigen für die Bank entgegen einer verbreiteten, ja wohl immer noch vorherrschenden Lehre 5 0 grundsätzlich (vgl. aber auch unten Rdn. 1145 a. E.) auch bei Nichtbestehen der gesicherten Forderung und bei Nichteintritt des Garantiefalles 5 1 . Die Richtigkeit dieser Ansicht folgt schon daraus, daß die Bank bei Zulassung eines Kondiktionsanspruchs schon die Forderung des Begünstigten aus dem Garantieversprechen mit der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung abwehren und dadurch entgegen Zweck und Funktion des Garantiegeschäfts den Einwendungsausschluß zunichte machen könnte. Sie steht im übrigen auch voll in Einklang mit der Interessenlage. Denn wenn der Mangel des Valutaverhältnisses nicht „schwer" und liquide beweisbar ist — und allein um diese Fälle geht es hier (vgl. oben Rdn. 1139 und unten Rdn. 1145 a. E.) —, hat der Garantiegläubiger ein legitimes Interesse daran, den Streit allein mit seinem Partner im Valutaverhältnis ausfechten zu können und nicht durch einen Durchgriff der Bank die Vorteile der Garantie z. T . zu verlieren. Insbesondere entspricht es dem Sicherungszweck der Garantie und dem Bestreben nach einer V e r stärkung der Stellung des Gläubigers, wie er in deren Abstraktheit zum Ausdruck kommt, daß dieser nicht schlechter steht, als hätte er die Zahlung unmittelbar von dem anderen Teil erhalten 5 2 . E r muß also die Möglichkeit haben, in dem Streit um das Bestehen der gesicherten Forderung oder um den Eintritt des Garantiefalles das Geld als Druckmittel einzusetzen sowie eine etwaige Bereicherungsforderung mit Einreden — z. B. gemäß § 273 B G B — aus dem Verhältnis zu seinem Partner im Kausalvertrag oder im W e g e der Aufrechnung zu bekämpfen. Man denke nur an eine Gewährleistungsgarantie, die häufig den „Einbehalt" eines Teils des Kaufpreises als Sicherheit während der Gewährleistungsperiode ersetzt; es ist evident, daß die Möglichkeit zur Durchsetzung eines (etwaigen oder angeblichen) Nachbesserungsanspruchs oder zur Erreichung eines für den Garantiegläubiger günstigen Vergleichs sich wesentlich verschlechtert, wenn er die Garantiesumme insoweit nicht ins Spiel bringen kann, sondern sie im W e g e des Durchgriffs an die Bank verliert — zumal diese ihm das Geld u. U .
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Vgl. von Godin Großkomm, zum HGB 2 , Anhang I nach § 365 Anm. 62 a. E.; Finger BB 1969, 208; Zahn S. 249 ff; Nielsen BuB 5/168 a. E.; wohl auch Liesecke WM 1968, 27 und Schönte % 28 II 2. Ebenso oder ähnlich von Caemmerer S. 302 f (freilich ohne die erforderliche Einschränkung für den Fall des Rechtsmißbrauchs); PleyerS. 19; von Marschall S. 40; Schlegelherger/Hefermehl Rdn. 299; wohl auch von Westphalen S. 190 f. Das gilt nach richtiger, jedoch nicht herrschender Ansicht sogar für die Bürgschaft, vgl. Canaris Festschr. für Larenz, 1973, S. 837 sowie auch unten Rdn. 2628; a. A. z. B. Staudinger/Lorenz]2, 5 812 Rdn. 48 m. w. Nachw. zur h. L., der dabei freilich entscheidend auf die Akzessorietät der Bürgschaft abstellt und daher folgerichtig bei der Garantie im Hinblick auf deren Abstraktheit entgegengesetzt, also wie hier entscheiden müßte. Gegen die h. L. spricht u. a., daß kein Grund
ersichtlich ist, den Zahlungsempfänger bei einer (vom Hauptschuldner zurechenbar veranlaßten) Bürgschaft anders zu stellen als bei einer (vom Schuldner zurechenbar veranlaßten) Drittzahlung nach § 267 BGB. Bei dieser aber braucht der Zahlungsempfänger sich grundsätzlich nur mit seinem Schuldner und nicht mit dem Dritten über das Bestehen der Schuld auseinanderzusetzen, vgl. Canaris aaO S. 845 ff und Staudinger/Lorenz aaO Rdn. 43 m. Nachw. zum Streitstand; denn da er die Leistung des Dritten nicht zurückweisen kann, darf er nicht schlechter stehen als bei Leistung seines Schuldners und braucht sich nicht auf eine Prüfung der oft schwierigen Frage einzulassen, ob der Dritte — z. B. eine Konzernobergesellschaft — im eigenen Namen gemäß § 267 BGB oder im Namen des Schuldners gemäß § 164 BGB geleistet hat (vgl. auch den Rechtsgedanken von § 37 II AO).
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9. Abschnitt. Die Bankgarantie
einfach durch Verrechnung im Kontokorrent (faktisch) wieder entziehen kann oder ein allgemeines Sicherungsrecht wie z. B. das Pfandrecht nach Ziff. 19 AGB in Händen hat. Eine andere Frage ist, ob bei Konkurs des Garantieauftraggebers anders zu entscheiden ist, vgl. dazu unten Rdn. 1147. 1143
Abzulehnen ist eine Leistungskondiktion der Bank gegen den Begünstigten auch bei nachträglicher Erfüllung der gesicherten Forderung durch den Hauptschuldner — d. h., wenn die Bank auf (berechtigtes) Anfordern des Begünstigten die Garantiesumme ausgezahlt hat und der Garantieauftraggeber dann doch noch seine Schuld begleicht. Hier hat die Bank nicht etwa einen Bereicherungsanspruch wegen nachträglichen Wegfalls des rechtlichen Grundes ihrer Leistung gemäß § 812 I 2 BGB 53 . Das versteht sich von selbst, wenn man annimmt, daß die Bank nur auf ihre eigene Schuld aus dem Garantieversprechen leistet — wie das wohl der h. L. entspricht; denn diese Verpflichtung wird ja durch die spätere Leistung des Hauptschuldners gar nicht berührt. Gleiches gilt aber auch dann, wenn man davon ausgeht, daß die Bank auch auf die gesicherte Forderung zahlt. Diese ist nämlich entweder analog § 774 BGB auf sie übergegangen (vgl. oben Rdn. 1112) oder durch Erfüllung erloschen, so daß auch aus diesem Grund ein Wegfall des Rechtsgrundes nicht mehr in Betracht kommt. Im übrigen ist es ohnehin eine ganz ungereimte Vorstellung, daß durch eine spätere Leistung der Rechtsgrund einer früheren Leistung wegfallen könnte; gedacht ist bei der condictio ob causam finitam vielmehr an Fälle wie Anfechtung, Bedingungseintritt oder Befristung. Demgemäß hat die Bank hier mit Rechtsgrund und der Hauptschuldner ohne Rechtsgrund geleistet, so daß nur letzterem die Leistungskondiktion zustehen kann. Daß der Garantiegläubiger auf diese Weise u. U. eine Aufrechnungsmöglichkeit und dadurch Befriedigung für eine weitere Forderung erhält, ist keineswegs unbillig 54 . Denn das liegt nicht an der Zahlung der Bank, die der Garantiebegünstigte ja wegen Eintritts der Zahlungsvoraussetzungen völlig zu Recht erhalten hat, sondern an der zusätzlichen Zahlung durch seinen Schuldner, aus dessen Vermögen er sich ohne weiteres auch für andere Forderungen befriedigen darf; im übrigen ist es auch gerade das Bestreben der modernen bereicherungsrechtlichen Dogmatik, dem Kondiktionsschuldner Aufrechnungsmöglichkeiten zu erhalten 55 . Eine ganz andere Frage ist, ob die Bank gegen den Garantiegläubiger einen Anspruch aus § 816 II BGB hat. Das wird i. d. R. zu bejahen sein, sofern man mit der h. L. § 774 BGB auf die Garantie analog anwendet (vgl. oben Rdn. 1112). Dann wird der Schuldner nämlich bei Unkenntnis von der vorherigen Zahlung der Bank gemäß §§ 412, 407 BGB von seiner Kausalschuld frei, so daß der Garantiegläubiger als Nichtberechtigter eine Leistung mit Wirkung gegen die Bank entgegengenommen hat und ihr mithin nach § 816 II BGB zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet ist. Das könnte für die Bank vor allem dann von Nutzen sein, wenn der Hauptschuldner (und Garantieauftraggeber) nach seiner Zahlung in Konkurs gefallen ist und die Bank ihren Anspruch auf Ersatz der Garantiesumme aus §§ 675, 670 BGB noch nicht durchgesetzt hat und nun nicht mehr durchsetzen kann. Gibt man freilich dem Schuldner mit der h. L. 56 ein Wahlrecht zwischen der Berufung auf § 407 BGB und der Rückforderung der Leistung vom (nichtberechtigten) Altgläubiger gemäß § 812 BGB, so nützt der » A. A. Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 299 gegen Ende und wohl auch Schönle § 2 8 II 2 ; offengelassen von B G H W M 1961, 204, 207 unter III a. E. (vgl. zu dieser Entscheidung im übrigen unten Rdn. 1148).
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54
A. A. offenbar B G H W M 1961, 204, 207 unter III. 55 Vgl. dazu näher Canaris a a O (Fn. 52) S. 802 m. Nachw. 56 Vgl. statt aller Palandt/Heinrkhs § 407 Anm. 1 m. N a c h w . aus der Rspr.
2. Bearbeitung. Stand 1 . 5 . 1981
IV. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n d e m Begünstigten und der Garantiebank
Bank der Anspruch aus § 816 II BGB nichts, weil (und sofern) der Konkursverwalter dann nicht den Weg über § 407 BGB, sondern den über § 812 BGB wählen wird. Will die Bank sich in den soeben Rdn. 1142 f behandelten Fällen vor den Unsicher- 1 1 4 4 heiten der bereicherungsrechtlichen Dogmatik schützen und sich eine Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen des Begünstigten sichern, so kann sie das durch die Vorauszession eines etwaigen Bereichungsanspruchs des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten tun 5 7 . Diese Abtretung ist auch dann nicht überflüssig, wenn man eine cessio legis analog § 774 BGB bejaht; denn diese Zession bezieht sich nur auf die Forderung des Begünstigten gegen den Garantieauftraggeber und nicht auch umgekehrt auf den Rückforderungsanspruch des Auftraggebers gegen den Begünstigten aus § 812 BGB 58 . Einen Bereicherungsanspruch aus eigenem Recht hat die Bank gegen den Begün- 1 1 4 5 stigten dagegen bei Mängeln des Garantieverhältnisses zwischen ihr und diesem, da sie dann nicht Einwendungen ex iure tertii," sondern aus ihrem eigenen Rechtsverhältnis mit dem Begünstigten geltend macht. In diesen Zusammenhang gehören die nachträgliche Entdeckung eines Gültigkeitseinwandes, einer inhaltlichen Einwendung, also z. B. die versehentliche Zahlung auf nicht-garantiegerechte Dokumente (vgl. dazu auch oben Rdn. 996), oder einer (dauernden) unmittelbaren Einwendung; letztere ist insbesondere gegeben, wenn die Bank nach den oben Rdn. 1138 f entwickelten Grundsätzen die Zahlung wegen Rechtsmißbrauchs des Begünstigten verweigern konnte, so daß sie in einem solchen Fall eine dennoch erfolgte Zahlung von diesem gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB kondizieren kann 5 9 — vorbehaltlich etwaiger Einwendungen aus § 814 oder § 818 III BGB (vgl. auch oben Rdn. 1028). Darüber hinaus ist der Bank entsprechend den oben Rdn. 433, 436 ff und Rdn. 1027 1146 entwickelten Grundsätzen die Durchgriffskondiktion gegen den Begünstigten gemäß §812 11 Fall 2 BGB zuzuerkennen, wenn in der Person des Garantieauftraggebers ein Zurechenbarkeitsmangel vorlag wie vor allem bei Fälschung oder Verfälschung des Garantieauftrags, Vertretung ohne Vertretungsmacht und mangelnder Geschäftsfähigkeit des Auftraggebers. Bei Mängeln des Garantieauftrags, die die Zurechenbarkeit unberührt lassen, diesen aber hinfällig machen wie vor allem ein Widerruf vor Eröffnung der Garantie, ist zwar an sich ebenfalls die Durchgriffskondiktion gegeben, doch sind insoweit die §§ 170 ff BGB zum Schutze des Begünstigten analog anzuwenden (vgl. näher oben Rdn. 439 f); demgemäß kann die Bank das Garantieversprechen sowie eine etwaige Zahlung dann, aber auch nur dann kondizieren, wenn der Begünstigte bei der Eröffnung oder Avisierung der Garantie den Widerruf kannte oder i. S. von § 173 BGB kennen mußte. Konkurs des Garantieauftraggebers zwischen Erteilung und Eröffnung der Garan- 1147 tie stellt ebenfalls einen Zurechenbarkeitsmangel dar (vgl. oben Rdn. 503), so daß die Bank das Garantieversprechen unabhängig vom guten oder bösen Glauben des Begünstigten kondizieren kann — vorbehaltlich etwaiger Einwendungen aus § 814 oder § 818 III BGB. Bei Konkurs nach Eröffnung der Garantie liegt dagegen lediglich ein Mangel des Deckungsverhälntisses vor, der die Zahlungspflicht der Bank grundsätzlich unberührt läßt (vgl. oben Rdn. 1136). Zu erwägen ist jedoch, ob der Bank hier bei Mängeln des Valutaverhältnisses, insbesondere bei Nichteintritt des Garantiefalles, entgegen der oben Rdn. 1142 vertretenen Ansicht ausnahmsweise die Kondiktion zu gestatten ist 60 . 57
Dazu rät mit Recht Zahn S. 251; ähnlich auch Schinnerer/Avancini S. 323 f. 58 Das verkennt Pleyer S. 18. 59 Vgl. auch Auhagen S. 58; PleyerS. 19; von Marschall S. 40 f; Schlegelherger/Hefermehl Rdn. 299.
40 Das erwägt von Marschall S. 40; Fn. 50 zitierten Autoren haben z. diese Fallkonstellation im Auge, den Rückforderungsanspruch der sie beschränken.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
auch die oben T. vorwiegend auch wenn sie Bank nicht auf
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9. Abschnitt. Die Bankgarantie
Bei Auszahlung der Garantiesumme vor Konkurseröffnung ist dies indessen schon deshalb abzulehnen, weil dann bereits ein Kondiktionsanspruch des (nachmaligen) Gemeinschuldners entstanden war und nicht ersichtlich ist, warum und wie er bei Konkurseröffnung plötzlich von der Masse auf die Bank übergehen soll; auch besteht kein Grund, dem Garantiegläubiger z. B. die Möglichkeit der Konkursaufrechnung zu nehmen. Es bleibt also nur der Fall einer Auszahlung der Garantiesumme nach Konkurseröffnung. Auch hier muß dem Gläubiger aber — wenn er nicht rechtsmißbräuchlich handelt, worum es allein geht — jedenfalls der in der Umkehr der Prozeßrollen liegende Vorteil erhalten bleiben, so daß der Bank keinesfalls ein Leistungsverweigerungsrecht zugebilligt werden kann; ein RückZahlungsanspruch ohne vorangehendes Leistungsverweigerungsrecht ist aber im Hinblick auf die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 821 BGB eine dubiose Konstruktion. Was die Problematik der Gegenrechte angeht, so dürfte dem Gläubiger hier allerdings die Konkursaufrechnung gemäß § 55 Ziff. 1 K O verwehrt sein, weil seine Schuld erst nach Konkurseröffnung entstanden ist; auch kommen Zurückbehaltüngsrechte wohl kaum in Betracht — das aus § 273 BGB nicht, weil es ohnehin nicht konkursfest ist, das aus § 369 H G B nicht, weil das Geld nicht mit Willen des Konkursverwalters in den Besitz des Gläubigers gelangt ist (falls man das Buchgeld überhaupt im Wege der Analogie unter § 369 H G B bringt); die Einreden aus der Saldotheorie oder aus § 348 BGB, die sich im Konkurs an sich durchsetzen, werden häufig nicht einschlägig sein wie z. B. bei Fehlen der Garantievoraussetzungen, können aber andererseits durchaus gegeben sein wie bei Unwirksamkeit des gesamten Valutaverhältnisses wegen Dissenses. Insgesamt bietet sich also ein sehr differenziertes Bild der Interessenlage, das allenfalls in eng umgrenzten Sonderfällen einen Durchgriff der Bank als angemessen erscheinen läßt, zumal angesichts des Vorliegens einer wirksamen Anweisung zur Garantieeröffnung die Interessen der Bank ohnehin nicht besonders schwer wiegen. Will man den Bereicherungsanspruch nicht von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängig machen, wie das freilich gewissen Tendenzen in der Rechtsprechung des BGH entspräche, kann man es daher nur bei dem Grundsatz bewenden lassen, daß Mängel des Valutaverhältnisses eine Kondiktion der Bank nicht zu begründen vermögen. Das gilt umso mehr, als sich eine allein auf den Konkursfall zugeschnittene Anspruchsgrundlage — zu denken wäre allenfalls an eine Analogie zu § 822 BGB 61 — ohnehin kaum finden läßt. 1148
Ein vertraglicher RückZahlungsanspruch der Bank gegen den Begünstigten ist selbstverständlich denkbar, doch bedarf es dazu einer besonderen Vereinbarung. Diese ohne weiteres in den Garantievertrag hineinzuinterpretieren, geht nicht an 62 . Denn eine solche Konstruktion ist nicht nur dem Einwand der Künstlichkeit und der Fiktion ausgesetzt, sondern sie mißbraucht vor allem auch das Vertragsrecht zur Lösung eines Problems, das in Wahrheit kein solches der Rechtsgeschäftsordnung, sondern der Ausgleichsordnung ist, und sie unterläuft auf diese Weise zugleich die spezifischen Wertungen der Ausgleichsordnung, insbesondere des § 819 BGB (vgl. auch in verwandtem Zusammenhang oben Rdn. 435). 5. Der Übergang des Anspruchs aus dem Garantieversprechen
1149
Eine rechtsgeschäftliche Abtretung des Anspruchs aus dem Garantieversprechen ist grundsätzlich ohne weiteres möglich, da die Beziehungen zwischen der Bank und dem " Vgl. dazu näher Canaris a a O (Fn. 52) S. 833 f m. N a c h w . z u r — die Analogie ablehnenden — h. L. in Fn. 94; die Analogie zu § 822 BGB wird dort freilich nur f ü r akzessorische Rechtsstellungen vorgeschlagen. « U n z u t r e f f e n d daher B G H W M 1961, 204, 207
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(für einen Fall nachträglicher Erfüllung durch den Hauptschuldner); kritisch mit Recht auch Pleyer S. 19 („etwas gewaltsam") und Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 299 („gewöhnlich nicht schon aus der Auslegung des Garantievertrags herzuleiten").
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . D a s Rechtsverhältnis G a r a n t i e a u f t r a g g e b e r / B e g ü n s t i g t e r
Begünstigten i. d. R. nicht so enger und persönlicher Natur sind, daß ein konkludentes Abtretungsverbot oder eine Inhaltsänderung i. S. von § 399 BGB anzunehmen wäre 6 3 . Ein gesetzlicher Übergang des Garantieanspruchs gemäß § 401 BGB wird dagegen 1150 überwiegend abgelehnt, weil die Garantie nicht akzessorisch ist und § 401 BGB angeblich nur auf akzessorische Rechte Anwendung findet 64 . Das ist nicht überzeugend. Die Garantie ist vielmehr der Bürgschaft so ähnlich, daß sie dieser im Rahmen des § 401 BGB gleichgestellt werden muß. Denn § 401 trägt lediglich dem typischen Parteiwillen Rechnung, und dieser ist hier sicher nicht weniger auf eine Mitübertragung gerichtet als bei der Bürgschaft. Stellt aber §401 nichts anderes als eine gesetzlich typisierte rechtsgeschäftliche Übertragung dar, so kann es zumindest dann nicht auf die Akzessorietät des fraglichen Rechts ankommen, wenn dieses ebenso wie die Hauptforderung selbst durch schlichte Einigung übertragen werden kann; denn hier von den Parteien eine doppelte Einigung zu verlangen, wäre gekünstelt und ein leerer Formalismus. Anders als z. B. beim Eigentumsvorbehalt, wo die Übertragung zusätzlich zu der Einigung noch die Übergabe oder ein Übergabesurrogat voraussetzt, oder bei Wechsel und Scheck, die ebenfalls grundsätzlich nicht durch bloße Einigung übertragen werden, ist daher bei der Garantie § 401 BGB analog anzuwenden.
V. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Garantieauftraggeber (Schulder) und dem Begünstigten (Gläubiger) Anders als beim Akkreditivgeschäft erfolgt die Stellung einer Garantie nicht erfül- 1151 lungshalber, sondern nur sicherungshalber; denn es soll sich hier ja nichts daran ändern, daß die Leistung grundsätzlich nicht durch die Bank, sondern durch den Garantieauftraggeber, also den Hauptschuldner selbst zu erfolgen hat. Demgemäß braucht der Gläubiger hier anders als beim Dokumentenakkreditiv nicht zunächst aus der Garantie vorzugehen, sondern kann uneingeschränkt seine Kausalforderung gegen den anderen Teil geltend machen 65 . Im übrigen aber kann grundsätzlich auf die entsprechenden Regeln über das Akkreditivgeschäft verwiesen werden (vgl. oben Rdn. 1047 ff). Hinsichtlich der Pflicht zur Garantiestellung besteht daher eine Vorleistungspflicht des Schuldners (vgl. oben Rdn. 1049). Die Pflicht ist i. d. R. als Hauptleistungspflicht anzusehen, so daß ihre Verletzung die Rechtsfolgen der §§ 325 f BGB auslöst und ihre Unwirksamkeit gemäß § 139 BGB die Gesamtnichtigkeit des Vertrages zur Folge hat 6 6 . Die Bank ist Erfüllungsgehilfin des Garantieauftraggebers i. S. von § 278 BGB (vgl. oben Rdn. 1053). Sehr zweifelhaft ist allerdings, ob sich das akkreditivrechtliche Aufrechnungsverbot 1 1 5 1 a (vgl. zu diesem oben Rdn. 1060) ebenfalls übertragen läßt. Das dürfte zu verneinen sein, sofern nicht im Valutaverhältnis eine Kassaklausel oder dgl. vereinbart worden ist. Aus der Garantieabrede als solcher kann man jedenfalls nicht ohne weiteres auf ein Aufrechnungsverbot schließen, weil die Garantie im Gegensatz zum Akkreditiv keine Zahlungsfunktion hat (vgl. oben Rdn. 1102), so daß in der Vereinbarung über die Stellung einer Garantie grundsätzlich kein Barzahlungsversprechen gesehen werden kann. Andererseits macht aber eine Aufrechnungserklärung des Garantieauftraggebers die Inanspruchnahme der Garantie durch den Begünstigten zumindest dann nicht ohne weiteres pflichtwidrig und rechtsmißbräuchlich, wenn dieser die Wirksamkeit der Aufrechnung oder das Bestehen der Gegenforderung mit diskutablen Gründen bestreitet; « Vgl. auch Pley er S. 20 unter 4 a. E. 4 3 5 ff. C a n a r h B B j97g 227 ff 9 Grundlegend Kegel Gedächtnisschrift f ü r Rudolf
8 v
vor
,
dazu
a
Schmidt, 1966, S. 236 ff.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D i e E i n l a g e n f o r d e r u n g und ihre rechtlichen E i g e n s c h a f t e n
„bei Gelegenheit" der ihnen obliegenden Tätigkeit, so kommt eine Haftung der Bank von vornherein nicht in Betracht; das kann z. B. der Fall sein, wenn der Angestellte für das Geld eine Garantie der Bank zusagt oder vorspiegelt, zumal wenn unüblich hohe Zinsen vereinbart werden (vgl. BGH WM 1967 714, 715) oder wenn er als Mittelsmann des Kunden gegenüber der Bank eingeschaltet wird (vgl. BGH W M 1977 994, 996 unter IV 2; ähnlich bezüglich der Verfügung über vorhandene Einlagen RG SeuffArch 84 Nr. 174 S. 293). In den übrigen Fällen ist zunächst zu prüfen, ob die Bank sich die Entgegennahme der Einlagen nach den Grundsätzen über die Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zurechnen lassen muß. Ist das zu verneinen, bleibt nur die Möglichkeit einer Schadensersatzhaftung. Diese kann auch auf die in der Entgegennahme und/oder Veruntreuung der Gelder liegende unerlaubte Handlung gestützt werden, sofern die Voraussetzungen von § 31 oder § 831 BGB erfüllt sind; das gilt auch dann, wenn die Ersatzpflicht der Bank im wesentlichen auf dasselbe Ergebnis wie eine vertragliche Rückzahlungspflicht hinausläuft (sehr Str., vgl. näher oben Rdn. 174 f m. Nachw.; ebenso i. E. im vorliegenden Zusammenhang offenbar BGH WM 1977 994, 995 unter III 2). Dagegen tritt eine Haftung aus culpa in contrahendo i. V. m. § 278 BGB hinter dem Schutzzweck der Beschränkung der Vertretungsmacht zurück, soweit es um die mit der Entgegennahme und Veruntreuung der Gelder zusammenhängenden Pflichtverletzungen des betreffenden Bankangestellten geht (vgl. näher oben aaO; a. A. wohl BGH WM 1977 994 unter II 2). Für sonstige Pflichtverletzungen haftet die Bank uneingeschränkt, also gegebenenfalls auch aus culpa in contrahendo; zu denken ist etwa an die Vernachlässigung gebotener Uberwachungs- oder Organisationsmaßnahmen, an eine mangelnde Aufklärung des Kunden über Umfang und Grenzen der Vertretungsmacht der Bankangestellten (vgl. z. B. BGH W M 1980 1030, 1031) oder an das Fehlen einer Warnung vor der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der Bank und einem — vom Kunden u. U. für eine Filiale gehaltenen — Kreditvermittler (vgl. auch OLG Frankfurt W M 1980 95, 97 zu einem entsprechenden Problem beim Kreditgeschäft). 2. Die Fälligkeit Die Fälligkeit der Einlagenforderung richtet sich an sich nach den Vorschriften der 1 1 6 9 §§ 609 bzw. 700 I 3 i. V. m. 695 BGB. Praktisch entscheidet aber in aller Regel die vertragliche Abrede zwischen der Bank und dem Einleger über die Fälligkeit. Danach unterscheidet man Sichteinlagen oder Tagesgelder, die jederzeit fällig sind, Fest- oder Termingelder, die nach Ablauf einer bestimmten Frist fällig sind, Kündigungsgelder, deren Fälligkeit von einer vorherigen, an eine vereinbarte Frist gebundenen Kündigung abhängt, und Spareinlagen, die nach § 22 KWG mangels einer abweichenden Abrede bis zur Höhe von 2000,— D M innerhalb von dreißig Zinstagen jederzeit fällig sind und im übrigen einer gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten unterliegen (vgl. dazu im übrigen unten Rdn. 1187 und 1192 ff). Das Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses nimmt der Einzelforderung zwar 1 1 7 0 grundsätzlich die Selbständigkeit, ändert aber an der Möglichkeit des Kunden zur Verfügung über sein Guthaben nichts, da diese sich nicht nach der Kontokorrentabrede, sondern nach dem von dieser regelmäßig abweichenden „Geschäftsvertrag" und den entsprechenden bankrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Kunden und der Bank richtet 10 . 1° Vgl. näher Canaris in Großkomm, zum HGB 3 , § 355 Anm. 4 und 54. C l a u s - W i l h e l m Canaris
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10. Abschnitt. Das Einlagengeschäft
3. Die Verzinslichkeit 1171
Hinsichtlich der Vereinbarung von Zinsen und hinsichtlich ihrer H ö h e herrscht seit Erlaß der Zinsfreigabeverordnung vom 2 1 . 3 . 1 9 6 7 (BGBl. I 352) wieder voll der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Von der Möglichkeit des § 23 K W G , durch Rechtsverordnung Anordnungen über die Bedingungen zu erlassen, zu denen Einlagen entgegengenommen werden dürfen, ist bisher nicht Gebrauch gemacht worden. Die Banken sind insoweit also nur durch die allgemeinen Schranken der Privatautonomie wie insbesondere § 138 BGB in ihrer Vertragsfreiheit begrenzt. Besondere Schranken gelten entweder für die Banken nicht, wie das Verbot des vorherigen Zinseszinsversprechens, von dem sie nach § 248 II BGB ausdrücklich freigestellt sind, oder haben für das Einlagengeschäft nur eine ganz untergeordnete praktische Bedeutung wie das unabdingbare Kündigungsrecht bei einem Zinssatz von mehr als 6 % pro Jahr gemäß § 247 I BGB.
1172
Ein Recht zu einseitigen Änderungen des Zinssatzes — etwa bei Änderungen der kreditpolitischen Situation, insbesondere bei Änderungen des Diskontsatzes durch die Bundesbank — haben die Banken grundsätzlich nicht. Insbesondere ist es nicht in der Vorschrift des § 22 IV K W G enthalten, wonach „der jeweils geltende Zinssatz f ü r Spareinlagen durch Aushang im Kassenraum ersichtlich zu machen ist"; denn diese Bestimmung ermöglicht den Banken weder ihrem Wortlaut noch ihrem Schutzzweck nach, in laufende Verträge durch eine einseitige Änderung des Zinssatzes einzugreifen, sondern ordnet nur die Bekanntgabe der „jeweils geltenden", d. h. bei Neuabschlüssen von der Bank zugestandenen Zinssätze an. Auch auf dem Wege über das Institut der Geschäftsgrundlage läßt sich, von praktisch kaum vorkommenden Sonderfällen abgesehen, ein einseitiges Anpassungsrecht der Bank nicht herleiten, da Schwankungen der kreditpolitischen Lage und insbesondere Änderungen des Diskontsatzes und dgl. nicht unvorhersehbar sind und daher in den Risikobereich der Bank fallen. Von einer gewohnheitsrechtlichen Befugnis der Bank zu einseitigen Zinsanpassungen zu sprec h e n " , dürfte der erforderlichen rechtstatsächlichen Grundlage, insbesondere der „opinio iuris ac necessitatis" entbehren und ist überdies auch rechtsdogmatisch mehr als fragwürdig, da die Möglichkeit gesetzesderogierenden Gewohnheitsrechts (hier würde § 305 BGB, wonach Vertragsänderungen grundsätzlich wiederum eines Vertrages bedürfen, teilweise derogiert) im parlamentarischen gewaltenteilenden Rechtsstaat äußerst zweifelhaft ist. Es bliebe daher allenfalls die Möglichkeit, im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung eine „stillschweigend" vereinbarte Klausel über ein Recht zu einseitiger Anpassung in die Verträge hineinzuinterpretieren, doch würde das gemäß § 157 BGB zumindest eine entsprechende Verkehrssitte voraussetzen und bliebe selbst bei deren Bestehen noch eine kühne Konstruktion. Der einzig wirklich sichere W e g für die Banken ist daher die Vereinbarung eines Rechts der Bank zu einseitiger Zinsanpassung durch eine entsprechende Klausel in den Sparverträgen oder, wie in der Praxis in der T a t üblich, in den diesen zugrunde zu legenden AGB über den Sparverkehr. Fehlt es daran, so bleibt der Bank nur die Möglichkeit, mit Hilfe einer Änderungskündigung ihren Willen durchzusetzen, wobei sie dann jedoch die einschlägige Kündigungsfrist einhalten muß.
1173
Zinskartelle sind durch § 102 I GWB i. V. m. § 23 KWG privilegiert, indem sie von der Anwendbarkeit der §§ 1 und 15 GWB ausgenommen sind. Sie unterliegen jedoch nach § 102 II GWB einer besonderen Mißbrauchskontrolle. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht soll seit Erlaß der Zinsfreigabeverordnung jede kartellrechtliche Vereinbarung über Zinsen im Einlagengeschäft als Mißbrauch i. S. von § 102 II GWB II Vgl. dazu Pröhl Komm, zum K W G , 1962, § 2 2 Anm. 3 e.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D i e Unwirksamkeit des Einlagengeschäfts
anzusehen sein 12 . Das ist jedoch mit dem Gesetz wohl kaum vereinbar; denn die Banken sind nach § 102 I GWB grundsätzlich vom Kartellverbot freigestellt, und daher darf man § 102 II nach dem Grundsatz der inneren Folgerichtigkeit der Rechtsordnung nicht so auslegen, daß er doch wieder jedes Kartell der Verbotsmöglichkeit unterstellt und auf diese Weise die durch Abs. 1 erfolgte Freistellung im praktischen Ergebnis so gut wie vollständig zurücknimmt.
III. Die Unwirksamkeit des Einlagengeschäfts 1. Die wichtigsten Unwirksamkeitsgründe a) Verstöße gegen das KWG Für das Einlagengeschäft gelten grundsätzlich die allgemeinen Nichtigkeits- und 1174 Anfechtungsgründe. Als spezifisch bankrechtliche Mängel kommen vor allem Verstöße gegen das KWG in Betracht. Das Betreiben des Einlagengeschäfts ohne die erforderliche Genehmigung gemäß § § 1 , 3 2 KWG soll allerdings nach h. L. die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts unberührt lassen, weil ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB nicht vorliege 13 . Dafür läßt sich anführen, daß die Regelung der §§ 1, 32, 54 KWG sich nur an eine Partei richtet und daß daher ebenso wie beim unerlaubten Betreiben von Kreditgeschäften (vgl. dazu unten Rdn. 1286) die Voraussetzungen für eine Anwendung von § 134 BGB nicht erfüllt seien. Indessen besteht hier insofern ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem Kreditgeschäft, als der Erlaubnisvorbehalt nicht dem Schutz des Kreditnehmers, wohl aber dem Schutz des Einlegers dient und diesen vor einer Gefährdung seiner Einlage durch unsolide Unternehmen bewahren soll 14 . In der Tat wäre es mit dem Gesetzeszweck unvereinbar, wenn der Einleger uneingeschränkt an das Einlagengeschäft gebunden wäre und daher seine Einlage bis zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt in dem — möglicherweise höchst gefährdeten — Bankunternehmen belassen müßte. Um dies zu vermeiden, bedarf es jedoch nicht der Annahme von Vollnichtigkeit aller Einlagengeschäfte, die ohne die erforderliche Erlaubnis abgeschlossen werden 1 5 . Das ist evident bei Einlagengeschäften mit täglicher Fälligkeit, da bei diesen die Nichtigkeitsfolge nicht das geringste zum Schutz des Einlegers beiträgt und daher von den §§ 1, 32, 54 KWG nicht gefordert wird. Auch bei Geschäften mit längerfristiger Bindung des Einlegers ist aber § 134 BGB nicht auf das Einlagengeschäft als ganzes anzuwenden. Nicht 12
stitut g e r i c h t e t e G e b o t , keine E i n l a g e n o h n e eine entsprechende Erlaubnis entgegenzunehmen, zum S c h u t z e des Einlegers b e s t i m m t ist, w ä h r e n d es im R a h m e n v o n § 839 B G B auf die g a n z a n d e r e F r a g e a n k o m m t , o b gleiches a u c h f ü r die d e m B u n d e s a u f s i c h t s a m t f ü r d a s K r e d i t w e s e n oblieg e n d e n A m t s p f l i c h t e n gilt; a u c h k a n n f ü r die A n w e n d u n g v o n § 134 B G B s c h o n das Ziel eines lediglich institutionellen E i n l e g e r s c h u t z e s g e n ü gen, w o h i n g e g e n f ü r die B e j a h u n g v o n A m t s p f l i c h t e n g e g e n ü b e r d e m jeweiligen E i n l e g e r die A n n a h m e eines I n d i v i d u a l s c h u t z e s u n e r l ä ß l i c h ist.
Vgl. Immenga BB 1967, 696 f f ; ihm f o l g e n d Schönle § 7 II 2 b ; i. E . ü b e r e i n s t i m m e n d a u c h Möschel D a s W i r t s c h a f t s r e c h t d e r B a n k e n , 1972, S. 445 f f ; n o c h w e i t e r g e h e n d von Renthe gen. Fink W u W 1967, 315 ff, d e r die B e r e i c h s a u s n a h m e v o n § 102 G W B auf Z i n s k a r t e l l e u n d - e m p f e h l u n g e n ü b e r h a u p t n i c h t a n w e n d e n will; gegen ihn mit R e c h t Möschel a a O S. 396 ff.
13 Vgl. z. B. Kömer Z H R 131, 132 f f ; Prost N J W 1977, 2 3 0 ; Bähre/Schneider Komm, zum K W G 2 , §32 A n m . 8; Szagunn/Neumann/Wohlschieß K o m m , z u m K W G 3 , § 32 A n m . 20. 14 Vgl. eingehend Lünterbusch S. 87 f i. V . m. S. 24 ff u n d S. 97 ff. A u c h d e r B G H geht b e k a n n t l i c h in seiner R s p r . z u § 839 B G B v o n d e r e i n l e g e r s c h ü t z e n d e n F u n k t i o n des K W G a u s (vgl. B G H Z 74, 144; 75, 120), d o c h ist diese P r o b l e m a t i k mit d e r v o r l i e g e n d e n n i c h t identisch. D e n n hier g e h t es u m die F r a g e , o b d a s a n das K r e d i t i n -
15
Z u w e i t g e h e n d d a h e r Lünterbusch S. 97 f f , d e r sich d e n n a u c h n i c h t z u f ä l l i g z u e i n e r K o r r e k t u r d e r K o n s e q u e n z e n seiner A n s i c h t g e z w u n g e n sieht, vgl. S. 100 f f ; ihm f o l g e n d j e d o c h o f f e n b a r M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann § 607 R d n . 9 bei Fn. 24.
Claus-Wilhelm Canaris
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10. Abschnitt. D a s Einlagengeschäft
dieses selbst, sondern nur die Abrede über die Fälligkeit ist nämlich mit dem Schutzzweck des K W G unvereinbar, da bei sofortiger Fälligkeit mit § 134 BGB, wie gesagt, nichts zu gewinnen ist. Demgemäß liegt es nahe, nur die Fälligkeitsvereinbarung dem § 134 BGB zu unterwerfen, und im übrigen entgegen § 139 BGB die Gültigkeit des Geschäfts anzunehmen, wofür man sich insoweit u. a. auf den Rechtsgedanken von § 6 AGBG berufen könnte. Unbefriedigend bleibt dabei freilich, daß die Einlage dann i. d. R. gemäß § 609 B G B erst in drei Monaten fällig wird. Die richtige Lösung dürfte daher in einer Analogie zu § 15 V K W G liegen, wonach der Kredit sofort zurückgefordert werden kann. Denn diese Vorschrift enthält einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken für die Fälle, in denen eine gesetzliche Unwirksamkeitsanordnung (auch oder gar nur) den Kreditnehmer selbst schützen soll, sich aber teilweise zu desschen Nachteil zu verkehren droht, weil sie ihm bei unmodifizierter Anwendung von § 134 BGB zugleich die Rechte aus dem Vertrag nehmen würde. Daher ist das Einlagengeschäft analog § 15 V K W G nur insoweit nichtig, als der Einleger die Belassung der Einlage für eine bestimmte Zeit versprochen hat, im übrigen aber wirksam (vgl. näher unten Rdn. 1289 Abs. 2). 1175
Die Analogie zu § 15 V K W G bewährt sich auch bei Verstößen gegen das Verbot von Werkssparkassen gemäß § 3 Ziff. 1 KWG und von Zwecksparunternehmen gemäß § 3 Ziff. 2 KWG. Die h. L. verneint auch in diesen Fällen das Vorliegen eines gesetzlichen Verbots i. S. von § 134 B G B und bejaht demgemäß die Wirksamkeit der betreffenden Einlagengeschäfte 16 . Dabei spielt das Argument eine wesentliche Rolle, daß es unangemessen sei, dem Einleger seine Ansprüche aus dem Vertrag zu nehmen und ihn auf Bereicherungsansprüche zu verweisen 17 . Auf der anderen Seite ist es aber mit dem Schutzzweck des Gesetzes ebensowenig zu vereinbaren, den Einleger, der durch § 3 Ziff. 1 und 2 vor den besonderen Gefahren einer Werkssparkasse bzw. eines Zwecksparunternehmens bewahrt werden soll, dazu zu zwingen, seine Einlagen dem Unternehmer zu belassen und sie dadurch genau den Gefahren auszusetzen, denen das Gesetz durch § 3 Ziff. 1 und 2 K W G vorbeugen will; noch viel weniger wäre es zu rechtfertigen, wenn der Einleger sogar noch weitere Einlagen, zu deren Erbringung er sich bereits verpflichtet hat, einzahlen müßte. Aus diesem Dilemma bietet die Analogie zu § 15 V K W G einen sach- und systemgerechten Ausweg: einerseits behält der Einleger seine vertraglichen Ansprüche, andererseits kann er seine Einlage sofort zurückverlangen (vgl. näher die vorige Rdn. sowie unten Rdn. 1289 Abs. 2).
1176
Uneingeschränkt anwendbar ist § 134 BGB bei einem vertraglichen Ausschluß oder einer Erschwerung der Barabhebung gemäß § 3 Ziff. 3 K W G 1 8 . Zwar richtet sich die zugehörige Strafdrohung des § 54 Ziff. 1 K W G nur gegen die Bank, doch ist gleichwohl das Geschäft als solches und nicht lediglich die Art seiner Vornahme verboten, da § 3 Ziff. 3 Mißbräuche des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Kreditgeschäfts unterbinden und ein Unterlaufen von kreditpolitischen Maßnahmen der Bundesbank verhindern soll 19 . Von § 134 BGB betroffen ist dabei nicht nur der Ausschluß der Barabhebung selbst, sondern das Geschäft im ganzen, so daß es insoweit eines Rückgriffs auf § 139 BGB nicht bedarf 2 °; das folgt schon aus dem Wortlaut von § 3 Ziff. 3 K W G sowie im übrigen auch daraus, daß das Gesetz nicht nur eine vertragliche Vereinbarung " Vgl. z. B. KörnerZHR 131, 135 ff m. w. Nachw.; Bähre/Schneider aaO § 3 Anm. 7; Szagunn/NeumannfWohlschieß aaO § 3 Anm. 8; Schork aaO § 3 Rdn. 31. 17 Vgl. insbesondere Kömer ZHR 131, 139. !8 Vgl. Lünterbusch S. 79 f f ; Körner Z H R 131, 131, 140 f; Liesecke WM 1975, 297; Bähre/Schneider
608
aaO § 3 Anm. 7; a. A. Schönle % 40 IV 1 b sowie wohl auch Szagunn/Neumann/Wohlschief! aaO § 3 Anm. 8 und Schork aaO § 3 Rdn. 31; Hadding Gutachten zum 53. Deutschen Juristentag, 1980, S. 206 f. " Vgl. dazu z. B. Bahre/Schneider aaO § 3 Anm. 4. 20 A. A. offenbar Lünterbusch S. 80.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D i e Unwirksamkeit des Einlagengeschäfts
über den Ausschluß der Barabhebung, sondern auch schon eine entsprechende rein tatsächliche Gepflogenheit sanktioniert. Ob die Parteien Kenntnis von dem gesetzlichen Verbot hatten, ist wie auch sonst im Rahmen von § 134 BGB unerheblich 21 . Bei einem Verstoß gegen ein vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen erlasse- 1 1 7 6 a nen Verbot der Entgegennahme von Einlagen gemäß § 46 I 1 oder § 46 a I 1 Ziff. 3 KWG tritt grundsätzlich ebenfalls Unwirksamkeit des Einlagengeschäfts ein — und zwar auch auf der dinglichen Ebene 2 1 3 . Dabei wird man wohl nicht § 136, sondern §134 BGB analog anzuwenden haben. Zu § 46 a I 1 Ziff. 1 vgl. oben Rdn. 518 a. b) Konten zum Zwecke der Steuerhinterziehung („schwarze" Konten) Daß sich auf einem Konto unversteuerte Gelder befinden und/oder daß die daraus 1177 fließenden Erträge hinterzogen werden, führt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit nach §134 oder § 138 BGB. Das ergibt sich i. d. R. schon daraus, daß lediglich ein einseitiger Gesetzes- oder Sittenverstoß des Einlegers vorliegt. Daran ändert auch eine etwaige Kenntnis der Bank von den Absichten oder Praktiken des Einlegers grundsätzlich nichts, weil (und sofern) diese dadurch nicht zum Inhalt des Geschäfts werden, sondern im Bereich der — für sich allein irrelevanten — Motive verbleiben. N u r in besonders gelagerten Ausnahmefällen kommt der sittenwidrige Zweck im Vertrag selbst zum Ausdruck mit der Folge, daß dieser gemäß § 138 BGB nichtig ist; das hat das RG in einem Fall angenommen, in dem der Vertrag „unter Formen vollzogen wurde, welche im regelmäßigen Bankverkehr niemals vorkommen und es unmöglich machen sollten, daß die Steuerbehörde der Vermögensanlage auf die Spur kam" 2 2 . Die gebräuchliche Formulierung, es komme darauf an, ob die Steuerhinterziehung der Hauptzweck des Vertrages sei 22a , führt daher hier in die Irre. Denn sie paßt allenfalls, wenn beide Parteien bei der Steuerhinterziehung mitwirken und diese mithin im Inhalt des Geschäfts Niederschlag gefunden hat, während es hier regelmäßig um die logisch vorgelagerte Frage geht, ob die Bank überhaupt an dem Sittenverstoß beteiligt ist. Dazu reicht die — sei es auch wissentliche — Förderung der Steuerhinterziehung durch den bloßen Vertragsschluß nicht aus, da es nicht Sache der Banken ist, für die Steuerehrlichkeit ihrer Kunden zu sorgen. Mit Recht hat das RG daher auf das Vorliegen zusätzlicher Umstände wie besonderer Verheimlichungsmanipulationen abgestellt. 2. Die Riickabwicklung nach Bereicherungsrecht a) Der Umfang der Herausgabepflicht Für die Rückabwicklung nichtiger Einlagengeschäfte gelten die allgemeinen Regeln 1178 des Bereicherungsrechts. Die Bank hat daher die Einlage nach §§ 812, 818 II BGB zu erstatten. Dabei kann sie sich grundsätzlich auf einen Wegfall der Bereicherung gemäß §818 III BGB berufen. Das trifft z. B. zu, wenn die Bank auf Weisung des Kunden über die Einlage verfügt, also etwa eine Uberweisung vorgenommen hat; anders ist allerdings z. T. zu entscheiden, wenn nicht nur das Einlagengeschäft nichtig ist, sondern es darüber hinaus auch noch an einer wirksamen Anweisung fehlte (vgl. dazu näher oben Rdn. 381 ff). H a t die Bank sich nicht in den Grenzen des — wenngleich nichtigen — Vertrages gehalten, sondern z. B. weisungswidrige Verfügungen vorge21
Vgl. a u c h Lünterbusch S. 8 1 ; Kömer Z H R 131, 140. 21a Vgl. a u c h Neeff E i n l a g e n s i c h e r u n g bei B a n k i n s o l v e n z e n , Diss. K ö l n 1980, S. 191 ff. 22 Vgl. R G J W 1935, 4 2 0 ; viel z u w e i t g e h e n d d a h e r die I n t e r p r e t a t i o n dieser E n t s c h e i d u n g d u r c h Mayer-Maly in M ü n c h K o m m . z u m B G B , 1978,
22a
§ 138 R d n . 38, w o es e i n s c h r ä n k u n g s l o s heißt, sitt e n w i d r i g sei „die d e r S t e u e r h i n t e r z i e h u n g dienende(!) Kontoeröffnung". S o im v o r l i e g e n d e n Z u s a m m e n h a n g z. B. Liesecke WM 1975, 227 u n t e r V I ; MünchKomm.§ 607 R d n . 10 a. E . H. P. Westermann
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10. Abschnitt. D a s E i n l a g e n g e s c h ä f t
nommen oder die Einlage gar für ihre eigenen Zwecke verbraucht und dabei verloren, so haftet sie für einen derartigen „Exzess" in Analogie zu §§ 819 f BGB verschärft ähnlich wie der Besitzer beim „Exzess" im Rahmen der §§ 987 ff BGB. 1179
Zinsen hat die Bank nach § 818 I BGB zu erstatten, soweit sie ihrerseits aus der Einlage Erträge gezogen hat. Unterläßt sie eine nutzbringende Anlage des Kapitals, so hat sie Zinsen an sich nur unter den Voraussetzungen der verschärften Haftung gemäß §§ 819, 818 IV, 292, 987 II BGB zu zahlen, doch wird man nach den Regeln des primafacie-Beweises grundsätzlich davon ausgehen können, daß die Bank mit erhaltenem Geld marktübliche Gewinne erwirtschaftet hat 23 . b) Die Problematik des § 817 S. 2 BGB
1180
Bei gesetzes- und sittenwidrigen Einlagengeschäften versagt die Rechtsprechung dem Einleger nach der Regelung von § 817 S. 2 BGB die Rückforderung der Einlage, wenn auch (oder nur) dem Einleger ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last fällt 24 . Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, da sie auf einer falschen Auslegung des § 817 S. 2 beruht. Vielmehr müssen hier dieselben Grundsätze zur Anwendung kommen, wie sie anerkanntermaßen für das wucherische Darlehen gelten. Bei diesem aber läßt die Rechtsprechung die Rückforderung des Darlehens selbst zu und beläßt dem Bewucherten lediglich die zinslose Nutzung der Summe während der vereinbarten Zeit 25 . Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung wird mit Recht darin gesehen, daß der andere Teil „nicht mehr behält, als er nach der getroffenen Abrede erhalten sollte", daß § 817 S. 2 BGB „keine Einnahmequelle sein soll" oder daß „nur die Herausgabe solcher Leistungen auszuschließen ist, die der Empfänger nach der Parteiabrede oder dem sonst einverständlich verfolgten Leistungszweck endgültig behalten soll" 26 . Dann aber muß der Bankkunde z. B. auch bei einem zum Zwecke der Steuerhinterziehung angelegten Bankguthaben 27 oder bei einem zum Zwecke unzulässiger Verfügungen errichteten Sperrmarkguthaben 2 8 seine Einlage zurückfordern können, weil die Bank diese keinesfalls sollte endgültig behalten dürfen und weil nach der entgegengesetzen Lösung der Rechtsprechung § 817 S. 2 für die Bank zu einer „Einnahmequelle" werden kann. Die restriktive Auslegung von § 817 S. 2 BGB kann daher nicht auf den Wucher beschränkt bleiben, sondern muß grundsätzlich auf alle Fälle der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit erstreckt werden. Davon geht die Rechtsprechung denn auch beim Kreditgeschäft mit Selbstverständlichkeit aus 2 9 ; für das Einlagengeschäft kann nichts anderes gelten. Noch weitergehend kann die Anwendung des § 817 S. 2 BGB nach dem Schutzzweck der Verbotsnorm sogar gänzlich ausgeschlossen sein. Das gilt vor allem dann, wenn diese gerade die Vermögensverschiebung als solche verhindern soll, was z. B. bei Devisenbestimmungen i. d. R. der Fall sein wird 30 . 23 Vgl. dazu auch RGZ 53, 363, 371; B G H Z 64, 322, 323 f m. w. Nachw.; vgl. im übrigen auch unten Rdn. 1314 zum entsprechenden Problem beim Kreditgeschäft. « Vgl. RG J W 1935, 420, 421; B G H W M 1957, 1574, 1575 Sp. 2; 1960, 767, 769 vor IV; 1966, 1246, 1247 Sp. 2; offengelassen in B G H WM 1962, 263, 269 unter X. 25 Vgl. grundlegend R G Z 161, 52, 63; ebenso z. B. B G H WM 1963, 836. " V g l . Urem Schuldrecht I I " , § 6 9 III b bzw. Fikentscher Schuldrecht 6 , § 99 IV 1 c bzw. Esser Schuldrecht IIS $ 103 IV 1 = S . 360.
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27
Darum ging es im Fall RG J W 1935, 420. Darum ging es in den in Fn. 24 zitierten B G H Entscheidungen. 2 ? Vgl. BGH W M 1977, 72, 73 unter II; 1978, 1062, 1064 unter II 2 a und 3; nicht überzeugend daher die Verteidigung der entgegengesetzten Rechtsprechung zum Einlagengeschäft durch Liesecke WM 1975, 227. Vgl. dazu z. B. O L G Karlsruhe N J W 1957, 1153; Esser aaO (Fn. 26) S. 359. 28
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I V . Besonderheiten bei Spareinlagen
IV. Besonderheiten bei Spareinlagen 1. Das Sparbuch und seine rechtliche Bedeutung a) Das Sparbuch als Rektapapier Das Sparbuch ist ein Wertpapier, da die Bank gemäß 5 808 BGB nur gegen Vorlage 1181 der Urkunde zu zahlen braucht und der Gläubiger sein Recht bei Abhandenkommen oder Vernichtung des Papiers grundsätzlich nur im Wege des Aufgebotsverfahrens durchsetzen kann 3 1 . Innerhalb des Kreises der Wertpapiere ist das Sparbuch den Namens- oder Rektapapieren zuzuordnen, da die Leistung an einen ganz bestimmten, i. d. R. namentlich benannten Gläubiger zu erfolgen hat. Die Übertragung des Sparguthabens erfolgt gemäß § 398 BGB durch schlichte Eini- 1 1 8 2 gung. Das Eigentum am Buch geht nach § 952 BGB ipso iure mit über. Die Ubergabe des Papiers ist mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage für den Rechtsübergang weder erforderlich noch ausreichend 32 . In ihr liegt aber immerhin ein wesentliches Indiz für die Annahme einer Übertragung oder für die Begründung eines originären Anspruchs des Buchinhabers gegen die Bank (vgl. näher oben Rdn. 156 f). Die Vermutungswirkung des § 1006 BGB kommt dem Besitz am Sparbuch jedoch nicht zu (vgl. näher oben Rdn. 158). Nach der Zession erfolgende Einzahlungen auf das Sparkonto durch den früheren Inhaber oder einen Dritten, dem die Zession bekannt ist, werden im Zweifel nicht zugunsten des früheren, sondern zugunsten des zur Zeit der Einzahlung berechtigten Gläubigers vorgenommen 3 3 . — Zur Verpfändung des Sparguthabens ist gemäß § 1280 BGB eine Anzeige an die Bank erforderlich 3 4 , weil die Abtretung, wie dargelegt, durch schlichte Einigung erfolgen kann. Praktische Konsequenzen hat der Wertpapiercharakter vor allem durch die Aus- 1183 Schaltung von § 407 BGB, die grundsätzlich bei allen Wertpapieren und also auch beim Sparbuch eintritt 35 . Die Bank wird folglich nicht befreit, wenn sie nach einer Zession des Sparguthabens an den bisherigen Gläubiger zahlt, ohne sich das Buch vorlegen zu lassen. Dagegen besteht die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs der Guthabenforderung 1 1 8 4 oder eines wertpapierrechtlichen Einwendungsausschlusses beim Sparbuch grundsätzlich nicht, da es einen solchen bei bloßen Rektapapieren nicht gibt. Immerhin erwirbt ein gutgläubiger Zessionar aber in Analogie zu § 405 BGB die Guthabenforderung gegen die Bank, wenn diese ein Sparbuch ausgibt, auf das, wie sie weiß, die darin eingetragene Einlage noch nicht geleistet ist 36 . Gleiches gilt, wenn die Bank es unterläßt, eine erfolgte Auszahlung im Sparbuch einzutragen und der Inhaber anschließend sein angebliches Guthaben unter Vorlage des Buches abtritt oder verpfändet. 31
32
Zum Wertpapierbegriff vgl. näher Hueck/Canaris Recht der Wertpapiere", § 1, insbesondere unter I 5 und II 4. Auf die abweichende, das Sparbuch nicht umfassende Definition, die unlängst Kumpel vorgeschlagen hat (vgl. W M 1981 Sonderbeilage N r . 1 S. 3 ff), kann hier nicht eingegangen werden, da es dabei nicht um eine bankrechtliche, sondern um eine wertpapierrechtliche Fragestellung geht; vgl. dazu auch Koller WM 1981, 474 ff. Vgl. R G Z 89, 402; Ulmer Das Recht der Wertpapiere, 1938, S. 102; Rehfeldt/Zöllner Wertpapierrecht 1 2 , § 27 IV; Hueck/Canaris a a O § 30 I 2 b; Baumbach/Hefermehl Wechsel- und Scheckgesetz 12 , W P R Rdn. 36 und 37; Larenz a a O (Fn. 26) § 66 VII b; Liesecke WM 1975, 299.
33 Vgl. R G Z 73, 220, 222; kritisch von Tuhr LZ 1918, 881 ff. 34 Vgl. statt aller RGZ 68, 282. 35 Vgl. näher Hueck/Canaris a a O § 30 III 2 mit eingehender Begründung; i. E. ebenso Rehfeldt/Zötlner a a O § 3 V ; Baumbach/Hefermehl aaO WPR Rdn. 36; Liesecke WM 1975, 298; a. A. LG Krefeld WM 1980, 351; Scbraepler N J W 1973, 1864 ff; wohl auch Ulmer a a O (Fn. 32) S. 101. 3' Vgl. näher Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 94 ff, insbesondere S. 100 mit Fn. 74; a. A. R G Z 131, 239 und RG J W 1931, 3097, wo lediglich ein Schadensersatzanspruch aus einem „stillschweigend" abgeschlossenen Auskunftsvertrag in Betracht gezogen wird.
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10. Abschnitt. D a s Einlagengeschäft
b) Das Sparbuch als Legitimationspapier und die Befreiungswirkung gemäß § 808 BGB 1185
Das Sparbuch ist nicht nur Rektapapier, sondern zugleich Legitimationspapier i. S. von § 808 BGB. Die Bank wird daher grundsätzlich auch dann befreit, wenn sie an einen nichtberechtigten Buchinhaber leistet. Das gilt freilich, wie heute im Grundsatz nicht mehr streitig ist, nur bei Gutgläubigkeit der Bank, obwohl das Gesetz keine ausdrückliche Einschränkung in diesem Sinne enthält. Zweifelhaft ist jedoch, was insoweit unter bösem Glauben zu verstehen ist. Sicher genügt es, wenn die Bank positive Kenntnis vom Mangel der Verfügungsbefugnis hatte. Ebenso sicher ist andererseits, daß man nicht jede Form von Fahrlässigkeit als ausreichend für eine Ablehnung des von § 808 BGB gewährten Schutzes ansehen kann, da sonst die rasche und flüssige Abwicklung des Sparverkehrs über Gebühr beeinträchtigt würde. Nach überwiegender Ansicht schadet der Bank daher nur positive Kenntnis oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben 3 7 . Dem ist jedoch in Analogie zu Art. 40 III 1 W G die grobe Fahrlässigkeit gleichzustellen 3 8 ; denn es ist schlechterdings kein Grund dafür ersichtlich, warum die Bank bei der Leistung auf ein Sparbuch weniger scharfen Anforderungen unterliegen soll als bei der Einlösung eines Wechsels, und daher ist zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs eine entsprechende Anwendung des Art. 40 III 1 W G geboten. Noch schärfere Anforderungen dürfen dagegen nicht gestellt werden. Man darf daher den Schutz des § 808 BGB auch nicht dadurch unterlaufen, daß man dem wahren Berechtigten bei (einfacher) Fahrlässigkeit der Bank einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung gibt (so mit Recht B G H Z 28 371); für dessen Gewährung ist vielmehr folgerichtig ebenfalls grobe Fahrlässigkeit erforderlich (vgl. auch oben Rdn. 789 zur entsprechenden Problematik bei der Einlösung eines Schecks). Auf liquide Beweisbarkeit der mangelnden Berechtigung des Buchinhabers kommt es anders als im Rahmen von Art. 40 III W G nicht an, da für den Besitzer hier nicht die Vermutung der Berechtigung streitet (vgl. oben Rdn. 1182) und da der Bank erst recht keine Zwangslage droht, wie sie beim Wechsel durch die Gefahr des Protests besteht. Die Zurechnung des bösen Glaubens von Bankangestellten erfolgt nach § 166 I BGB, da die Leistung auf das Sparbuch wegen der damit verbundenen Ubereignung des Geldes ein Rechtsgeschäft darstellt und § 166 BGB daher unmittelbar einschlägig ist. Die Schwierigkeiten und Probleme, die sich bei der Hereinnahme eines Schecks von einem Nichtberechtigten ergeben (vgl. 797 ff), entfallen hier also.
1186
Zweifelhaft und streitig ist, auf welche Art von Mängeln sich § 808 BGB bezieht. Der Wortlaut des Gesetzes legt insoweit eine weite Auslegung nahe, da in § 808 BGB von einer „Leistung an jeden Inhaber" die Rede ist. Demgemäß wird nicht nur der gute Glaube der Bank an die Gläubigerschaft des Inhabers, sondern — anders als z. B. nach § 932 BGB — auch der gute Glaube an die Verfügungs- oder Vertretungsmacht des Inhabers geschützt (vgl. auch B G H Z 28 368, 370); das steht mit dem der Vorschrift zugrunde liegenden Rechtsscheingedanken ohne weiteres in Ubereinstimmung, da nach der Verkehrssitte bei Abhebungen durch einen Dritten diesem nicht noch eine besondere schriftliche Verfügungsermächtigung bzw. Vollmacht erteilt zu werden pflegt, sondern lediglich das Sparbuch ausgehändigt wird, so daß dieses folglich auch hinsichtlich des Vorliegens von Verfügungs- und Vertretungsmacht einen Scheintatbestand setzt. — Auf welche Weise der Nichtberechtigte in den Besitz des Sparbuchs gekommen ist, ist unerheblich. § 808 BGB greift daher auch ein, wenn das Buch dem 57 Vgl. z. B. R G Z 89, 401, 403; B G H Z 28, 368, 371; Soergel/Lippisch10 § 808 Rdn. 3 m. w. Nachw. 38 Vgl. schon Ulmer a a O (Fn. 32) S. 96; Kraut-
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Schneider S. 81 f; ebenso jetzt auch Rehfeldt/Zöllner a a O § 27 IV; a. A. z. B. Baumbach/Hefermehl a a O W P R Rdn. 36.
2. Bearbeitung. Stand 1 . 5 . 1981
I V . Besonderheiten bei Spareinlagen
wahren Berechtigten abhandengekommen ist; § 935 I BGB kann nicht analog angewendet werden, da es zum einen nicht um die Frage des gutgläubigen Erwerbs, sondern der gutgläubigen Forderungstilgung geht, und da zum anderen das Sparbuch durch § 808 hinsichtlich der Tilgungswirkung einem Inhaberpapier gleichgestellt wird, so daß auch aus diesem Grunde nicht § 935 I, sondern allenfalls § 935 II BGB — der das Abhandenkommen bei Inhaberpapieren ausnahmsweise für unschädlich erklärt — analog anzuwenden wäre. Nach h. L. soll § 808 BGB auch im Fall mangelnder oder beschränkter Geschäftsfähigkeit eingreifen 3 9 . Dem ist nicht zu folgen, da die Innehabung der Urkunde über die Geschäftsfähigkeit des Inhabers nicht das geringste aussagt und daher insoweit keinen Rechtsschein und auch keinen sonstigen Vertrauenstatbestand setzt. Allerdings wird die Bank bei nachträglichem Eintritt des Mangels der Geschäftsfähigkeit durch Ziff. 23 der AGB geschützt; das gilt auch gegenüber einem Erwerber der Guthabenforderung, da dieser sich die in den AGB enthaltenen Klauseln gemäß § 404 BGB entgegenhalten lassen muß unabhängig davon, ob er selbst sich den AGB der Bank „unterworfen" hatte oder nicht. Kennt die Bank den Mangel schon bei der Anlegung des Sparbuchs, was z. B. bei Begründung eines Sparguthabens durch einen Minderjährigen oder auf seinen Namen häufig der Fall sein wird, so tut sie in ihrem eigenen Interesse gut daran, einen entsprechenden Vermerk in das Buch aufzunehmen. Nach Ansicht der Rechtsprechung soll die Befreiungswirkung des § 808 BGB nicht 1 1 8 7 eintreten, wenn die Bank in Abweichung von § 22 I KWG mehr als die dort vorgesehene Höchstsumme vor Ablauf der Kündigungsfrist auszahlt oder wenn sie eine solche Auszahlung in Abweichung von einer vertraglichen Kündigungsfrist vornimmt 4 0 . Das soll hinsichtlich des gesamten ausgezahlten Betrages und nicht nur hinsichtlich des Teils gelten, der die nach § 22 I K W G jederzeit auszahlungsfähige Summe übersteigt 41 . Entgegenstehende Abreden sollen nach § 134 BGB nichtig sein 4 1 a . Auch für öffentliche Sparkassen in Bayern soll trotz Art. 110 BayAGBGB dieselbe Ausnahme von § 808 BGB gelten 4 2 . Diese Rechtsprechung wird von der h. L. nachdrücklich abgelehnt 4 3 . Die von der h. L. geübte Kritik an der Rechtsprechung ist i. E. zutreffend. Das wichtigste Gegenargument liegt dabei darin, daß § 22 I K W G seiner ratio legis nach die vom B G H aus ihm gezogenen Folgerungen nicht trägt. Die Kündigungsvorschriften sollen nämlich in erster Linie die Liquidität der Kreditinstitute sichern und außerdem die klare Scheidung zwischen Spareinlagen und Einlagen zu Zwecken des Zahlungsverkehrs gewährleisten 4 4 . Die gesetzliche Regelung dient also teils dem Schutz der Banken selbst, teils öffentlichen Interessen; soweit es um letztere geht, ist dabei zu beachten, daß den Banken gemäß § 22 III K W G eine vorzeitige Rückzahlung freigestellt bleibt und daß daher sie allein darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang der Gesetzeszweck insoweit erreicht wird. Es ist nun aber mit den Grundsätzen einer Vgl. z. B. O L G Düsseldorf W M 1971,231; Dum J u S 1962, 139; H. P. Westermann F a m R Z 1967, 652; Krautschneider S. 88 ff und 93 f m . w . N a c h w . ; Schönle% 4 II 1; Rebfeldt/Zöllner a a O § 27 IV; offengelassen von B G H Z 28, 374. "0 Vgl. B G H Z 28, 368, 371 f f ; 42, 302, 304 ff; 64, 278, 281 ff; O L G H a m m N J W 1961, 1311; BayObLG W M 1968, 259; zustimmend z. B. Baumbach/Hefermehl a a O W P R Rdn. 37 und vor allem Pflug Z H R 140, 175 ff. 41 A. A. soweit ersichtlich nur LG Hildesheim W M 1967, 431.
*>' Vgl. B G H Z 64, 278, 281 m . w . N a c h w . ; vgl. dazu auch unten Rdn. 1192. « Vgl. BayObLG W M 1968, 259 gegen O L G N ü r n berg W M 1967 , 857. "3 Vgl. Flume J Z 1959, 538; D B 1961, 337; J Z 1965, 181; Thierfelder N J W 1969, 1071; Rötelmann N J W 1961, 1311; Sprengel M D R 1961, 988 und 1965, 216; Dum JuS 1962, 139; Schraepler N J W 1976, 23; Krautschneider S. 37 ff und S. 70 f; Soergel/Lippisch 5 808 Rdn. 17. 44 Das räumt der B G H selbst ein, vgl. B G H Z 42, 306 m. N a c h w .
C l a u s - W i l h e l m Canaris
613
10. Abschnitt. Das Einlagengeschäft teleologischen, d. h. am Gesetzeszweck ausgerichteten Interpretation unvereinbar, eine Vorschrift zum Nachteil der Banken auszulegen, die zu ihrem Vorteil geschaffen worden und deren Anwendung ausdrücklich in ihr freies Belieben gestellt ist. Wenn der B G H sich demgegenüber darauf beruft, daß § 808 B G B die Bank nur bei Erbringung der „versprochenen" Leistung schützt und eine vorzeitige Leistung nicht die „versprochene" sei 4 5 , so erscheint ein solches reines Wortlautargument gemessen an der teleologischen Auslegung als hinfällig, ja geradezu als Begriffsjurisprudenz im schlechten Sinne. Im übrigen ist die Argumentation des B G H auch in sich selbst unschlüssig. Denn der Inhalt des Leistungsversprechens der Bank kann jederzeit geändert werden, und zu einer solchen Änderung ist auch der nichtberechtigte Inhaber des Sparbuchs in der Lage, da das Gesetz in den vergleichbaren Fällen der §§ 407 I, 408 I, 574, 893, 1141 1 2, 2367 B G B der Leistung an den Nichtberechtigten die Vornahme eines sonstigen Rechtsgeschäfts über die Forderung gleichstellt und daraus ein allgemeiner Rechtsgedanke deutlich wird, der folgerichtig im W e g e der „Rechtsanalogie" auch für § 808 B G B gelten muß 4 6 . — Dabei kann auch dann keine Ausnahme von der Befreiungswirkung gemäß § 808 B G B gemacht werden, wenn eine andere als die kontoführende Filiale die Auszahlung vornimmt, weil auch in einem solchen Fall „der Schuldner" — nämlich die Bank — an den durch den Buchbesitz (scheinbar) Legitimierten leistet 4 7 . Freilich wird in einem solchen Fall besonders häufig grobe Fahrlässigkeit der Bank vorliegen, wie denn überhaupt diesem Gesichtspunkt bei Zahlungen von mehr als 2 0 0 0 , — D M an einen anderen als den im Sparbuch benannten oder der Bank bekannten Gläubiger größte Bedeutung zukommt — ein Lösungsweg, den sich die h. L. allerdings durch ihre rigide Auslegung von § 808 B G B versperrt hat (vgl. oben Rdn. 1185 bei Fn. 37). 1188
Unanwendbar ist § 808 B G B , wenn besondere Sicherheitsmaßnahmen gegen einen Mißbrauch des Sparbuchs vorgenommen worden sind und die Bank sich über diese hinweggesetzt hat. Zu denken ist etwa an die Eintragung eines Sperrvermerks, die Vereinbarung eines Kennwortes oder die Ausgabe einer zusätzlichen Ausweiskarte 4 8 . D a r über hinaus ist zu beachten, daß § 808 B G B dispositives Recht darstellt. Ein Sparbuch kann daher zwar, muß aber nicht als „hinkendes Inhaberpapier" i. S. von § 808 B G B ausgestellt werden; die Anwendbarkeit des § 808 B G B hängt folglich, wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt, von der konkreten Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses ab, und daher können Sparbücher im Einzelfall auch reine Rektapapiere darstellen, bei denen die Bank nur durch Leistung an den wahren Berechtigten frei wird. Letzteres gilt z. B. für die von den Sparkassen und Volksbanken seit 1964 ausgegebenen „Sparbriefe" 4 9 .
1189
Soweit die Bank nach § 808 nicht frei wird, kann ihre Haftung gleichwohl durch ein Mitverschulden des wahren Berechtigten gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen werden. Konstruktiv handelt es sich dabei um einen Gegenanspruch der Bank aus positiver Forderungsverletzung, mit dem sie gegen die Guthabenforderung aufrechnen kann 5 0 . Die Ausführungen oben Rdn. 371 f zum Girovertragsrecht gelten insoweit entsprechend. « So z. B. BGHZ 28, 373 f und 42, 305 ff. 4 6 Es ist bezeichnend, daß der BGH bei seiner Auseinandersetzung mit der im Text vertretenen Ansicht auf dieses Argument mit keinem Wort eingeht, vgl. BGHZ 64, 283 ff; dagegen wird das Argument von Pflug ZHR 140, 188 f aufgenommen, doch ist seine Entgegnung verfehlt, ja z. T. geradezu abwegig, vgl. näher Hueck/Canaris aaO § 30 III 3.
614
A. A. vor allem Krautschneider S. 71 f, obwohl er an sich den hier vertretenen Standpunkt teilt. 4« Vgl. auch BGHZ 28, 368, 372; BGH WM 1976, 1050 unter I 2 a und b; BayObLG WM 1976, 1203, 1206; Soergel/Lippisch § 808 Rdn. 19. Vgl. auch Schönle § 7 II b 2. Vgl. auch BGHZ 28, 368, 374 f. 47
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. B e s o n d e r h e i t e n bei Spareinlagen
2. Die Sonderregelung der §§ 21 f KWG a) Die Zweckbeschränkung nach § 21 KWG Nach §21 II dürfen als Spareinlagen nur Gelder angenommen werden, die der 1190 Ansammlung oder Anlage von Vermögen dienen. Das Gesetz fügt ausdrücklich hinzu, daß Gelder, die zur Verwendung im Geschäftsbetrieb oder für den Zahlungsverkehr bestimmt sind, diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Demgemäß dürfen Verfügungen über Spareinlagen nicht durch Überweisung oder Scheck und nur gegen Vorlage des Sparbuchs zugelassen werden. Verstöße gegen diese Bestimmungen sind zwar nach § 54 I Ziff. 6 KWG eine Ord- 1191 nungswidrigkeit, lassen aber die Wirksamkeit des Einlagengeschäfts unberührt. Denn § 21 KWG stellt kein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB dar 5 1 . In diese Richtung weist schon der Wortlaut der Vorschrift, da es in § 21 KWG durchweg „dürfen" und nicht „können" heißt. Auch der Schutzzweck der Vorschrift rechtfertigt nicht die Anwendung von § 134 BGB, da § 21 KWG in erster Linie eine klare Trennung zwischen Spareinlagen und sonstigen Einlagen gewährleisten soll und daher nur den Charakter einer Ordnungsvorschrift hat. Hat die Bank sich allerdings über das Vorliegen der Voraussetzungen von §21 II oder III KWG geirrt, so kommt eine Anfechtung nach § 119 II oder § 123 BGB sowie eine fristlose Kündigung des Einlagenvertrages in Betracht. b) Die Kündigungs- und Rückzahlungsbeschränkungen nach § 22 KWG Nach § 22 I KWG beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist für Spareinlagen drei 1 1 9 2 Monate. Nach h. L. soll darin nicht nur eine Ordnungsvorschrift zu sehen sein, die die Kreditinstitute bei ihrer Vertragsgestaltung in das Privatrecht umzusetzen haben, sondern eine Norm mit unmittelbarer und zwingender Privatrechtswirkung und demgemäß ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB 52 . Gleiches soll auch für die Vorschrift des Abs. 2 gelten, wonach eine längere Kündigungsfrist mindestens sechs Moate betragen muß und die Kündigung frühestens sechs Monate nach der Einzahlung der Spareinlage zulässig ist, sowie auch für die Vorschrift des Abs. 3, wonach vorzeitig zurückgezahlte Spareinlagen als Vorschuß zu verzinsen sind und die Sollzinsen dabei die zu vergütenden Habenzinsen um mindestens ein Viertel übersteigen müssen 53 . Diese Regelung gilt auch für prämienbegünstigte Spareinlagen. Die Gewährung 1 1 9 3 einer Sparprämie läßt also als solche die zwischen der Bank und dem Sparer getroffene Vereinbarung über die Fälligkeit sowie deren nachträgliche Änderung unberührt 5 4 . Der Sparer verliert jedoch i. d. R. die Prämie, wenn er vorzeitig über das Sparguthaben verfügt; vor diesem Nachteil hat ihn die Bank grundsätzlich zu warnen (vgl. oben Rdn. 116 m. Nachw.). c) Die verfassungsrechtliche Fragwürdigkeit der §§ 21 f KWG Die §§ 21 f KWG, die weitgehend aus dem KWG von 1939 übernommen worden 1 1 9 4 sind, stellen in der heutigen Rechtsordnung einen etatistischen Fremdkörper dar und dürften einer verfassungsrechtlichen Uberprüfung am Maßstab von Art. 2 GG bzw. 12
51
52
Das ist h. L., vgl. z . B . Lünterbusch S. 189 ff m. Nachw.; Schork aaO § 21 Rdn. 42. Vgl. B G H Z 64, 278, 281 m. umf. Nachw.; vgl.
außer den dort Zitierten ferner Lünterbusch S. 341 ff. Vgl. statt aller Lünterbusch S. 344 ff ra. Nachw. 5t Vgl. dazu auch Schönle § 7 II 1 c 3 d.
53
C l a u s - W i l h e l m Canaris
615
10. Abschnitt. Das Einlagengeschäft G G i. V. mit dem Übermaßverbot sowie am Maßstab von Art. 3 G G i. V. mit dem Verbot systemwidriger Differenzierungen schwerlich s t a n d h a l t e n 5 5 . Eine v e r n ü n f t i g e ratio legis, die den Kriterien der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht und die den Systembruch zu rechtfertigen v e r m a g , ist nämlich nicht ersichtlich. D a s gilt insbesondere f ü r die Überlegung, die Kreditinstitute müßten im Interesse ihrer Liquidität vor einem plötzlichen A b z u g von Spargeldern geschützt w e r d e n ; denn d a z u sind sie g e g e n ü b e r dem kleinen Sparer (!) selbst in der Lage, so daß es eines Eingriffs in die V e r t r a g s f r e i h e i t nicht bedarf. Erst recht k a n n nicht mit dem Gesichtspunkt a r g u mentiert w e r d e n , Spareinlagen verdienten wegen ihrer h o h e n Stabilität einen h ö h e r e n Zins als gleichfristige T e r m i n e i n l a g e n 5 6 ; dies zu gewährleisten, ist die Regelung d e r SS 21 f K W G völlig ungeeignet — und die Realität lehrt denn ja auch, d a ß die Sparzinsen gerade bei h o h e m , also f ü r den Sparer besonders interessantem Zinsniveau weit hinter den T e r m i n g e l d z i n s e n zurückzubleiben pflegen. S p a r e r f r e u n d l i c h ist vielmehr n u r die — verfassungsrechtlich unbedenkliche — R e g e l u n g v o n § 22 I 2 K W G , w o n a c h bei Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist o h n e K ü n d i g u n g bis zu zweitausend D M innerhalb von dreißig Zinstagen z u r ü c k g e f o r d e r t w e r d e n k ö n n e n . Im übrigen aber enthalten die S S 21 f K W G in ihrem wesentlichen Gehalt sachlich ungerechtfertigte Eingriffe in die V e r t r a g s - und Wirtschaftsfreiheit, die überdies w e g e n ihrer überwiegend sparerfeindlichen A u s w i r k u n g e n auch im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlich äußerst bedenklich sind.
Vgl. z u r v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e n Ü b e r p r ü f u n g v o n E i n g r i f f e n in die V e r t r a g s f r e i h e i t e i n g e h e n d CanarisWM 1978, 6 9 1 - 6 9 3 m . N a c h w . (im H i n blick auf § 2 4 7 B G B ) .
616
56
D a r a u f stellt u n t e r d e r Ü b e r s c h r i f t „ Z w e c k d e r V o r s c h r i f t e n ü b e r d e n S p a r v e r k e h r " Schork a a O § 21 R d n . 1 ab.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
11. Abschnitt Der Krediteröffnungsvertrag Systematische
Übersicht
Rdn. 2.
I. Begriff und Wesen des Krediteröffnungsvertrags 1.
2.
Das Kreditgeschäft a) Die F u n k t i o n des Kreditgeschäfts b) D e r Begriff des K r e d i t g e s c h ä f t s im Rechtssinne u n d die verschied e n e n Arten des K r e d i t g e s c h ä f t s c) Die R e c h t s n a t u r des Kreditgeschäfts Der Krediteröffnungsvertrag a) G e g e n s t a n d und B e g r i f f s m e r k male des K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r trags b) D a s V e r h ä l t n i s zwischen dem Krediteröffnungsvertrag und den einzelnen K r e d i t g e s c h ä f t e n . c) Die R e c h t s n a t u r des A b r u f rechts des K u n d e n d) Die E i n o r d n u n g des K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r t r a g s in die V e r tragstypen des S c h u l d r e c h t s . . .
II. Zustandekommen und Wirksamkeit des Krediteröffnungsvertrags 1. D e r T a t b e s t a n d des V e r t r a g s s c h l u s ses 2. Die H a f t u n g d e r Bank bei Scheitern des Vertragsschlusses 3. Mängel des Vertragsschlusses a) Die wichtigsten Unwirksamkeitsgründe b) Die Rechtsfolgen d e r U n w i r k samkeit
Rdn.
1195
1196 1198
IV. Die Beendigung des Krediteröffnungsvertrags 1.
1200
1201 1204
1206
1208
2.
1210
1212 1215
III. Der Inhalt des Krediteröffnungsvertrags 1.
D e r A n s p r u c h des K r e d i t n e h m e r s auf die K r e d i t g e w ä h r u n g a) Entstehen und G e g e n s t a n d des Anspruchs 1216 b) Die Pflicht der B a n k z u r Barzahlung 1220 c) A b t r e t u n g und P f ä n d u n g des A n s p r u c h s auf die K r e d i t g e w ä h rung 1222
Die A n s p r ü c h e d e r Bank a) D e r Provisions- u n d Z i n s a n spruch 1226 b) D e r A n s p r u c h auf R ü c k z a h l u n g , Freistellung u n d A u f w e n d u n g s ersatz 1228 c) D e r A n s p r u c h auf A b r u f u n g des Kredits 1230
3.
Die B e e n d i g u n g s g r ü n d e a) Zeitablauf b) R ü c k t r i t t und Schadensersatz wegen N i c h t e r f ü l l u n g bei V e r tragsverletzungen c) Die A u f h e b u n g d e r G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g o d e r des K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r t r a g s g e m ä ß Ziff. 17 S. 1 A G B d) Die ordentliche K ü n d i g u n g . . . e) Die a u ß e r o r d e n t l i c h e Kündigung f) D e r W i d e r r u f g e m ä ß § 6 1 0 B G B g) D e r K o n k u r s des K r e d i t n e h mers h) D e r K o n k u r s d e r Bank Schranken der Kreditbeendigung und -Verweigerung a) D a s V e r b o t der K ü n d i g u n g z u r Unzeit b) D e r E i n w a n d des R e c h t s m i ß b r a u c h s und die T r e u p f l i c h t als Schranken des Rechts zur ordentlichen K ü n d i g u n g . . . . c) Die S c h r a n k e n p r o b l e m a t i k bei der außerordentlichen Kündigung d) Pflichten z u r Kreditverlängerung oder-erhöhung Die Rechtsfolgen d e r Beendigung des K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r t r a g s a) Die U n t e r s c h e i d u n g zwischen v e r s p r o c h e n e n , g e w ä h r t e n und a b g e r u f e n e n Krediten b) S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e des Kreditnehmers
Claus-Wilhelm Canaris
1232
1234
1238 1242 1246 1251 1258 1260
1262
1264
1269 1271
1273 1276
617
11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag Alphabetische Abruf des Kreditnehmers 1204 f, 1216, 1219, 1224, 1230, 1274 Akzeptkredit 1197, 1209, 1220, 1232, 1235, 1250, 1253, 1258, 1275 Allgemeine Geschäftsbedingungen Aufhebung der Geschäftsverbindung 1225, 1238 ff, 1247, 1273 ff Aufrechnung 1229 Pfandrecht 1220 f, 1225 Überziehungszinsen 1241 Zurückbehaltungsrecht 1220 f Anschlußkonkurs 1259 Aufrechnung der Bank 1220 des Kreditnehmers 1229 Aufrechnungsvalutierung 1221 Avalkredit 1197, 1209, 1220, 1232, 1250, 1253, 1258 Bankgeheimnis 1277 Bereicherungsansprüche unwirks. Krediteröffnungsvertrag 1215 Aufhebung der Geschäftsverbindung 1241 Bereitstellungsprovision 1200, 1226, 1230, 1241 culpa in contrahendo der Bank 1210
Übersicht Befristung 1209 als Dauerschuldverhältnis 1202 gesetzwidriger 1212 fristlose Kündigung 1234 ff, 1238 ordentliche Kündigung 1242 ff, 1264 ff, 1275 Kündigung z u r Unzeit 1262 f Kündigung aus wichtigem G r u n d 1246 ff, 1252, 1255, 1269 ff, 1275 Rechtsnatur 1201 ff Rücktritt der Bank 1230, 1234 ff sittenwidriger 1212 Übertragung 1224 Vertragsschluß 1208 ff als Vorvertrag 1203 Widerruf 1251 ff, 1275 Kreditgeschäft Begriff 1196 Kündigung 1245 Leistungsstörungen 1235 Rechtsnatur 1198 f Kreditgewährung Anspruch des Kunden 1206 effektive 1197 Kreditleihe 1197 Kreditlinie 1200, 1209, 1217 f, 1233, 1263 Kreditrestriktionen 1248, 1254 Kreditwürdigkeit 1213
Diskontgeschäft 1197, 1209, 1258 Laufzeit 1219, 1232 f, 1238 Factoring 1197 Forderungsabtretung 1222 ff
Normenvereinbarungsvertrag
Gelddarlehen 1197, 1228, 1232 f, 1235, 1250, 1253, 1258, 1260 f Geschäftsgrundlage, Wegfall 1251 Geschäftsverbindung, Aufhebung 1225, 1238 ff, 1247, 1273 ff Haftungskredit 1197, 1199, 1227 Kapitalmarktsituation 1248 Konkurs der Bank 1260 des Kreditnehmers 1254, 1258, 1279 Konkursanfechtung 1259 K o n k u r s a u f r e c h n u n g 1259 K o n t o k o r r e n t 1220 Kontokorrentkredit 1218, 1239 Kredit Inanspruchnahme 1200 langfristiger 1261 revolvierender 1218, 1233 zweckgebundener 1223, 1225, 1238 Kreditart 1209, 1217 Krediterhöhung 1271 f Krediteröffnungsvertrag 1200 ff Anfechtung 1213, 1229, 1255 Beendigung 1201, 1232 ff, 1273 ff
618
1209
P f ä n d u n g 1225 positive Forderungsverletzung 1234 f, 1276 Provision 1227 Rechtsmißbrauchseinwand 1264 ff revolvierender Kredit 1218, 1233 RückZahlungsanspruch 1228 Sanierungsfälle 1259, 1266, 1272 Schadensersatz wegen Nichterfüllung 1236 f, 1276 Sicherheitenstellung unwirksame 1214 Verweigerung 1247 Sicherheitenverwertung 1278 Sicherungsabtretung, Offenlegung 1277 Stille Zession, Offenlegung 1277 Vermögensverfall 1247, 1254 ff Vertrauenshaftung der Bank 1211 Verwirkung 1270 Zahlungskredit 1197, 1199, 1227 Zinsen 1227 Verzug des Kreditnehmers 1235 f Zwangsvollstreckung, Fehler der Bank 1278
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und Wesen des Krediteröffnungsvertrags Literatur Bärmann Europäisches Geld-, Bank- und Börsenrecht, Teil I, 1974, Rdn. 149 ff.; Canaris Kreditkündigung und Kreditverweigerung gegenüber sanierungsbedürftigen Bankkunden, Z H R 143 (1979), 113 ff; Cohn „Kredit" und „Kreditgeschäfte", in Endemanns Handbuch des Handelsrechts Bd. 2, 1882, S. 354 ff und Bd. 3, 1885, S. 832 ff; Curdt Krediteröffnungsvertrag und Geschäftsgrundlage, Diss. Göttingen 1963; Danz Zum Widerruf bankmäßiger Kreditzusagen wegen veränderter Umstände, BankArch. 1906/07, 97 ff; Erman Zur Pfändbarkeit der Ansprüche eines Kontokorrentkunden gegen seine Bank aus deren Kreditzusage, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 1966, S. 261 ff; Herold Das Kreditgeschäft der Banken, 15. Aufl. 1964; Hopt Rechtspflichten der Kreditinstitute zur Kreditversorgung, Kreditbelassung und Sanierung von Unternehmen, Z H R 143 (1979), 139 ff; Klausing Der Krediteröffnungsvertrag, Deutsche Landesreferate zum ersten Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung 1932, RabelsZ 1932, Beiheft S. 77 f; Koch Arwed, Kredit im Recht, 1925; derselbe Banken und Bankgeschäfte, 1931, S. 89 ff; derselbe Der Krediteröffnungsvertrag, BankArch. 1932/33, 224 ff; Kohler Über das Konsensualdarlehen, ArchBürgR 2, 211 ff; Lwowski/Weber Pfändung von Ansprüchen auf Kreditgewährung, ZIP 1980, 609 ff; Obermüller Die Bank im Konkurs ihres Kunden, 1972, S. 105 ff; derselbe Kredite vor Konkurseröffnung, ZIP 1980, 337 ff; PantelPflichten der Bank aus dem Kreditverhältnis, insbesondere bei der Kündigung, Diss. Bielefeld 1979; Schmidt Karsten, Darlehn, Darlehnsversprechen und Darlehnskrediteröffnung im Konkurs, JZ 1976, 756 ff;Schoen Der Krediteröffnungsvertrag als schuldrechtliche Rahmenverpflichtung, Diss. Erlangen-Nürnberg 1965; Schönke Die Einwirkung der Konkurseröffnung auf Krediteröffnungs- und Kontokorrentverträge, J W 1934, 2745 ff; Schönle Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, § 12; Schütz Wilhelm, Der Verwendungszweck bei Krediten, W M 1964, 38 ff; Stauder Der bankgeschäftliche Krediteröffnungsvertrag, 1968; Siebel Bankkreditgebühren nach Kreditkündigung, BB 1954, S. 519 ff.
I. B e g r i f f u n d W e s e n d e s K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r t r a g s 1. D a s Kreditgeschäft a) D i e Funktion des Kreditgeschäfts W i r t s c h a f t l i c h g e s e h e n liegt die F u n k t i o n des K r e d i t g e s c h ä f t s in d e r zeitweiligen 1 1 9 5 Überlassung v o n Kaufkraft 1 . Als K a u f k r a f t ist d a b e i nicht n u r B a r g e l d , s o n d e r n jedes g e l d e s w e r t e W i r t s c h a f t s g u t z u v e r s t e h e n . D i e Ü b e r l a s s u n g b r a u c h t nicht n o t w e n d i g d u r c h eine u n m i t t e l b a r e V e r m ö g e n s b e w e g u n g z w i s c h e n d e m K r e d i t g e b e r u n d d e m K r e d i t n e h m e r z u e r f o l g e n , s o n d e r n k a n n a u c h d a r i n liegen, d a ß d e r K r e d i t g e b e r v o r ü b e r g e h e n d auf die E i n f o r d e r u n g e i n e r ihm an sich s o f o r t z u s t e h e n d e n L e i s t u n g des a n d e r e n Teils v e r z i c h t e t wie z. B. bei d e r V o r l e i s t u n g o d e r bei d e r S t u n d u n g , s o w i e a u c h d a r i n , d a ß d e r K r e d i t g e b e r eine E i n s t a n d s p f l i c h t f ü r d e n K r e d i t n e h m e r ü b e r n i m m t u n d es diesem s o m i t t e l b a r e r m ö g l i c h t , sich a n d e r w ä r t s K a u f k r a f t z u b e s c h a f f e n . D a ß die K a u f k r a f t n u r zeitweilig überlassen w i r d , b e d e u t e t , d a ß d e r K r e d i t n e h m e r sie nicht e n d g ü l t i g b e h a l t e n d a r f , s o n d e r n n a c h Ablauf e i n e r b e s t i m m t e n Frist d e m K r e d i t g e b e r z u r ü c k g e w ä h r e n b z w . diesen v o n seiner E i n s t a n d s p f l i c h t b e f r e i e n soll. D a niemals v o l l s t ä n d i g sicher ist, d a ß d e r K r e d i t n e h m e r dieser seiner R ü c k l e i s t u n g s p f l i c h t n a c h k o m m e n k a n n u n d w i r d , e n t h ä l t das K r e d i t g e s c h ä f t — wie a u c h seine s p r a c h l i c h e H e r k u n f t aus d e m l a t e i n i s c h e n „ c r e d e r e " deutlich w e r d e n läßt — stets ein m e h r o d e r w e n i g e r starkes Vertrauensclement.
1
Vgl. statt aller Scboen S. 40 ff und Stauder S. 28 f, jeweils m. w. N a c h w .
Claus-Wilhelm Canaris
619
11. Abschnitt. D e r Krediteröffnungsvertrag
b) Oer Begriff des Kreditgeschäfts im Rechtssinne und die verschiedenen Arten des Kreditgeschäfts 1196
Um Begriff und Wesen des Kreditgeschäfts im Rechtssinne hat man sich im Schrifttum immer wieder bemüht 2 . Daß diesen Bemühungen Erfolg beschieden war, kann man jedoch nicht sagen. Das Gesetz kennt nämlich keinen einheitlichen Begriff des Kreditgeschäfts und enthält erst recht keine Legaldefinition. Zwar wird in 5 1 I Ziff. 2 K W G als Kreditgeschäft „die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten" bezeichnet, doch läßt sich das schon deshalb nicht als eine allgemeine, d. h. auch außerhalb des speziellen Gesetzeszusammenhangs verwertbare Bestimmung des Begriffs des Kreditgeschäfts verstehen, weil wichtige Kreditgeschäfte wie z. B. das Diskontgeschäft und das Garantiegeschäft fehlen, obwohl ihre Kreditfunktion außer Frage steht. Auch § 19 I K W G läßt sich nicht heranziehen, da er lediglich eine Aufzählung — wenngleich eine wesentlich vollständigere als § 1 K W G — und nicht eine Begriffsbestimmung enthält. Der Versuch einer einheitlichen Begriffsbestimmung braucht indessen auch gar nicht unternommen zu werden, sondern wäre im Gegenteil überflüssig und gefährlich 3 . Er wäre überflüssig, weil es einheitliche Regeln für alle Kreditgeschäfte nicht gibt, und er wäre gefährlich, weil er dazu verleiten könnte, unterschiedliche Probleme einer sachwidrigen Einheitslösung zu unterwerfen und z. B. den Kreditbegriff in so verschiedenartigen — d. h. insbesondere auf einer verschiedenen ratio legis beruhenden — Vorschriften wie z. B. § 19 1 K W G einerseits und § 778 BGB andererseits einheitlich zu bestimmen. Es gibt somit nicht „das Kreditgeschäft", sondern nur verschiedene Arten von Kreditgeschäften.
1197
Zwei der wichtigsten Arten des Kreditgeschäfts sind in § 1 I Ziff. 2 K W G erwähnt: das Gelddarlehen und der Akzeptkredit. Sie sind repräsentativ für die beiden Grundtypen des Kreditgeschäfts: der Kredit kann entweder wie beim Gelddarlehen in einer Zahlung des Kreditgebers an den Kreditnehmer oder in der Übernahme einer H a f t u n g bestehen (vgl. auch oben Rdn. 1195); abkürzend kann man von effektiver Kreditgewährung und Kreditleihe 4 oder von Zahlungskredit und Haftungskredit sprechen. Der ersteren Kategorie unterfallen dabei außer dem Gelddarlehen vor allem der Diskontkredit und das Factoring, der zweiten Kategorie außer dem Akzeptkredit vor allem der Avalkredit 5 . c) Die Rechtsnatur des Kreditgeschäfts
1198
Da es keinen einheitlichen Rechtsbegriff des Kreditgeschäfts, sondern nur verschiedene Arten von Kreditgeschäften gibt, kann man folgerichtig auch nicht die Rechtsnatur „des" Kreditgeschäfts bestimmen. Verfehlt ist insbesondere der Versuch, auf der Grundlage eines einheitlichen Begriffs des Kreditgeschäfts zu einer einheitlichen Anwendung des Darlehensrechts zu kommen 6 .
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Folgerichtig kann vielmehr nur die Frage nach der Rechtsnatur der einzelnen Kreditgeschäfte gestellt werden. D a f ü r kommen im wesentlichen die Vertragstypen des 2
3
Vgl. z. B. Cohn Endemanns Handbuch 2, S. 354 ff, 365 f und 3 S. 832 ff; Arwed Koch Kredit im Recht, S. 2 f und Banken und Bankgeschäfte, S. 89 ff; Klausing S. 78 ff; Würdinger Festschrift für Müller-Erzbach, 1954, S. 119 ff; von Caemmerer N J W 1955, 42 f und 44 f. A. A.( wenngleich mit gegensätzlichen Ergebnissen, Würdinger und von Caemmerer aaO (wie Fn. 2).
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4
5
6
So z. B. von Caemmerer N J W 1955, 42 ff m. Nachw.; MünchKomm.-//. P. Westermann Vorbem. vor § 607 Rdn. 11. Vgl. ferner die Zusammenstellung der verschiedenen Kreditgeschäfte bei Herold S. 19 und S. 110 ff. So aber Würdinger Festschrift für Müller-Erzbach S. 119 ff; gegen ihn mit Recht von Caemmerer N J W 1955, 42 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und W e s e n des Krediteröffnungsvertrags
Darlehens i. S. der §§ 607 ff BGB, der Geschäftsbesorgung i. S. des § 675 BGB und des Rechtskaufs i. S. von § 433 I 2 BGB in Betracht. Dabei läßt sich eine gewisse Zuordnung der verschiedenen Vertragstypen zu den beiden soeben herausgearbeiteten Grundtypen des Kreditgeschäfts feststellen: beim Haftungskredit liegt meist ein Geschäftsbesorgungsvertrag vor (vgl. für den Avalkredit oben Rdn. 1106 und f ü r den Akzeptkredit unten Rdn. 1600 ff), beim Zahlungskredit dagegen meist ein Darlehensvertrag — wobei diese Gegenüberstellung eine besonders scharfe Akzentuierung erlangt, wenn man hinsichtlich des Diskontgeschäfts und des Factoringgeschäfts mit der hier vertretenen Ansicht entgegen der h. L. der Darlehenstheorie folgt (vgl. dazu unten Rdn. 1532 bzw. 1655). 2. Der Krediteröffnungsvertrag a) Gegenstand und Begriffsmerkmale des Krediteröffnungsvertrags Der Krediteröffnungsvertrag ist dadurch charakterisiert, daß sich der Kreditgeber 1 2 0 0 (die Bank) verpflichtet, dem Kreditnehmer (dem Kunden) zu bestimmten Bedingungen auf dessen, Anfordern Kredit bis zu einer bestimmten H ö h e , der „Kreditlinie", zur Verfügung zu stellen. Als Gegenstand der Krediteröffnung kommen dabei alle banküblichen Kreditformen in Betracht (vgl. die Zusammenstellung oben Rdn. 1197), so daß ein Krediteröffnungsvertrag sich z. B. auch auf einen Diskontkredit, einen Avalkredit oder einen Akzeptkredit beziehen kann 7 . Der Krediteröffnungsvertrag beinhaltet i. d. R. auch für den Kunden eine Rechtspflicht, nämlich die Pflicht zur Zahlung der sogenannten Bereitstellungsprovision (vgl. dazu auch unten Rdn. 1226), doch sollte man die Entgeltlichkeit nicht zum notwendigen Begriffsmerkmal des Krediteröffnungsvertrags machen 8 ; denn daß die Zahlung einer besonderen Provision üblich und überdies wegen der Notwendigkeit, Mittel zur Erfüllung des Krediteröffnungsvertrags bereit zu halten, auch wirtschaftlich angemessen ist, besagt noch nicht, daß es sich dabei um ein begriffsnotwendiges Tatbestandsmerkmal handeln müßte und daß die Regeln über den Krediteröffnungsvertrag nicht auch dann zur Anwendung kommen könnten, wenn auf eine Bereitstellungsprovision oder ein ähnliches Entgelt im Einzelfall verzichtet worden ist. Unzweifelhaft hat der Kunde weiterhin grundsätzlich keine Pflicht zur Inanspruchnahme des Kredits (vgl. näher unten Rdn. 1230 f); vielmehr steht es in seinem Belieben, ob er von seinem Recht, den Kredit anzufordern, Gebrauch macht oder nicht. Dieses (negative) Tatbestandsmerkmal erscheint dabei als unverzichtbar für den Begriff des Krediteröffnungsvertrags, da anderenfalls der Unterschied zum Kreditvertrag verwischt würde. Ist also der Kunde zur Inanspruchnahme des Kredits bzw. zur Zahlung der Zinsen oder der Avalprovision usw. verpflichtet, so liegt nicht mehr lediglich ein Krediteröffnungsvertrag, sondern bereits das entsprechende Kreditgeschäft selbst vor. b) Das Verhältnis zwischen dem Krediteröffnungsvertrag und den einzelnen Kreditgeschäften Die Rechtsnatur des Krediteröffnungsvertrags ist lebhaft umstritten. Im Mittelpunkt 1201 der Problematik steht dabei das Verhältnis zwischen dem Krediteröffnungsvertrag und den einzelnen Kreditgeschäften, also den einzelnen Gewährungen von Gelddarlehen, Diskontkrediten, Akzeptkrediten usw., die auf der Grundlage des Krediteröffnungsvertrags erfolgen. Dabei sind der Krediteröffnungsvertrag und die einzelnen Kreditgeschäfte dogmatisch scharf voneinander zu unterscheiden (vgl. auch B G H W M 1959 7
Vgl. auch von Caemmerer N J W 1955, 44; Schoen S. 76 f; StauderS. 34 ff; Schönle § 12 I.
8
Vgl. vor allem Koch BankArch. 1932/33, 224; a. A. offenbar Stauder S. 55; Schönte § 12 I.
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11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag
664, 665). Dieser Grundsatz der Trennung findet seine Rechtfertigung schon allein in der unterschiedlichen Zielrichtung: während der Krediteröffnungsvertrag, wie schon sein N a m e sagt, lediglich die Eröffnung, d. h. die Bereithaltung des Kredits zum Gegenstand hat, ist Inhalt der einzelnen Kreditgeschäfte wie z. B. eines Diskontgeschäfts die effektive Gewährung des Kredits. Darüber hinaus ist eine klare Trennung zwischen dem Krediteröffnungsvertrag und den einzelnen Kreditgeschäften aber auch deshalb geboten, weil beide ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können. So kann z. B. ein einzelnes Diskontgeschäft durch Rückbelastung gemäß Ziff. 42 AGB rückgängig gemacht werden, ohne daß der Krediteröffnungsvertrag als solcher davon betroffen wird; umgekehrt läßt beispielsweise auch eine Beendigung des Krediteröffnungsvertrags durch Zeitablauf oder Kündigung den Bestand bereits durchgeführter Einzelgeschäfte wie z. B. ein schon gewährtes und noch laufendes Darlehen unberührt (vgl. näher unten Rdn. 1232 f, 1244, 1249, 1273). 1202
Der Grundsatz der Trennung darf andererseits aber auch nicht verabsolutiert werden. Vielmehr ist das Bestehen eines engen Zusammenhangs zwischen dem Krediteröffnungsvertrag und den einzelnen Kreditgeschäften nicht zu leugnen. Die konstruktive Erfassung dieses Zusammenhangs bereitet allerdings gewisse dogmatische Schwierigkeiten. Den Krediteröffnungsvertrag als schuldrechtliche Rahmenverpflichtung zu kennzeichnen 9 , ist sicher nicht falsch, andererseits aber auch nicht sonderlich aussagekräftig, weil es sich dabei eher um ein anschauliches Bild als um einen klar definierten Begriff handelt und weil es überdies und vor allem keine bestimmten Rechtsfolgen f ü r „schuldrechtliche Rahmenverpflichtungen" gibt. Immerhin mag dieser Sprachgebrauch aber insofern einigermaßen fruchtbar sein, als er die Verwandtschaft des Krediteröffnungsvertrags mit dem Sukzessivlieferungsvertrag, die im Schrifttum verschiedentlich betont wird 1 0 , deutlich zu machen geeignet ist und damit einen ersten Ansatzpunkt für die Herleitung konkreter Rechtsfolgen bietet (vgl. z . B . unten Rdn. 1235 Abs. 2 und 1258). Zugleich ist damit der — allerdings auch unabhängig davon zu gewinnenden — Einsicht der Boden bereitet, daß der Krediteröffnungsvertrag ein Dauerschuldverhältnis darstellt 1 1 ; daraus können sich vor allem für die Problematik der Leistungsstörungen und der Kündigung praktische Konsequenzen ergeben (vgl. dazu näher unten Rdn. 1234 f bzw. 1246 ff).
1203
Eine weitere Möglichkeit zur dogmatischen Erfassung des Zusammenhangs zwischen dem Krediteröffnungsvertrag und den einzelnen Kreditgeschäften könnte im Institut des Vorvertrags liegen 12 . Ein Vorvertrag erschöpft sich indessen in der Vorbereitung des Hauptvertrags und findet durch dessen Abschluß seine Erledigung, wohingegen der Krediteröffnungsvertrag auch nach der Gewährung einer oder mehrerer Kreditleistungen noch Sinn und Funktion behält. Vor allem aber beinhaltet ein Vorvertrag lediglich eine Pflicht zur Begründung einer Pflicht zur Leistung und steht durch diese Zweistufigkeit in Widerspruch zu Zweck und Wesen des Krediteröffnungsvertrags. Es wäre nämlich höchst gekünstelt und entspräche offensichtlich nicht dem mutmaßlichen Parteiwillen, wollte man annehmen, daß die Bank sich durch den Krediteröffnungsvertrag lediglich verpflichtet, eine Verpflichtung zur Kreditgewährung einzugehen, also z. B. die Verpflichtung übernimmt, einen Geschäftsbesorgungsvertrag 9
So vor allem Scboen S. 87 f f ; ebenso z. B. Stauder S. 74 f f ; Bärmann/Brink/Ochmann Rdn. 152. 10 Vgl. z. B. Klausing S. 84; Schoen S. 88 f; Stauder S. 77 f m. w. N a c h w . ; Schönle % 12 II b. 11 Vgl. auch B G H N J W 1955, 1228; KlausmgS. 89; Stauder S. 84; Larenz Schuldrecht I I " , § 511 II;
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12
M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann V o r b e m . vor § 6 0 7 Rdn. 17 a.E. Vgl. vor allem Stinzing Die Vorverpflichtung im Gebiet der Schuldverhältnisse, 1903, S. 67; ebenso z. B. Baumbach/Duden 5 406 Anh. I Anm. 5 B.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und W e s e n des Krediteröffnungsvertrags
abzuschließen, durch den die Pflicht zur Übernahme einer Garantie oder zur Leistung eines Akzepts begründet wird; diese Verpflichtung zur Kreditgewährung ist vielmehr sinnvollerweise dem Krediteröffnungsvertrag selbst zu entnehmen, da dieser die Bank ja durchaus zur Gewährung des Kredits verpflichten soll und nur die Inanspruchnahme durch den Kunden noch offen bleibt. Folglich ist die Zwischenschaltung eines weiteren Verpflichtungsvertrags zwischen den Krediteröffnungsvertrag und die Kreditgewährung, wie sie die Vorvertragskonstruktion notwendig macht, abzulehnen und dementsprechend der Krediteröffnungsvertrag als unmittelbarer Verpflichtungsgrund und als causa der Kreditgewährungen anzusehen, die sich folgerichtig als Erfüllungshandlungen hinsichtlich des im Krediteröffnungsvertrag enthaltenen Kreditversprechens darstellen 13 . c) Die Rechtsnatur des Abrufrechts des Kunden Auch bei Ablehnung einer Zweistufigkeit bleibt allerdings die Besonderheit beste- 1 2 0 4 hen, daß nicht sicher ist, ob und in welcher H ö h e es zur Inanspruchnahme des Kredits kommen wird. Der Krediteröffnungsvertrag ist insoweit also unvollständig und mithin ausfüllungsbedürftig. Diese Ausfüllung erfolgt durch den „Abruf" des Kredits seitens des Kunden. Da dadurch erst die Verpflichtung der Bank zur Kreditzahlung endgültig festgelegt und inhaltlich bestimmt wird, kann man in dem Abruf keinen bloßen Realakt sehen, durch den der Kunde lediglich seinen Erfüllungsanspruch geltend macht, sondern muß ihn als Rechtsgeschäft qualifizieren. Insoweit bedarf es also doch noch der Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsaktes zwischen Krediteröffnungsvertrag und Kreditgewährung, so daß der Zweistufenkonstruktion ein berechtigter Kern nicht völlig abzusprechen ist. Anders als nach dieser handelt es sich dabei jedoch nicht um einen Vertrag, sondern um ein einseitiges Rechtsgeschäft; das entspricht dem mutmaßlichen Parteiwillen, da die Verpflichtung der Bank auf Grund des Krediteröffnungsvertrags ja grundsätzlich feststeht und ihre Konkretisierung und Realisierung allein vom Willen des Kunden abhängen soll 14 . Das Recht zur Vornahme dieses Rechtsgeschäfts, also das „Abrufrecht" ist folge- 1 2 0 5 richtig als ausfüllendes Gestaltungsrecht zu qualifizieren 1 5 . Es findet eine Parallele z. B. im Wahlrecht bei der Wahlschuld gemäß $ 262 BGB oder in dem Bestimmungsrecht gemäß § 315 BGB, läßt sich jedoch unter keine dieser Kategorien unmittelbar subsumieren. Insbesondere ist § 315 BGB, wonach die Bestimmung der Leistung im Zweifel nach billigem Ermessen zu erfolgen hat und nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht, unanwendbar 1 6 ; denn die für die Bank wesentlichen Bestimmungen und der Rahmen, innerhalb dessen der Kunde sein Abrufrecht ausüben kann, sind bereits durch den Krediteröffnungsvertrag abschließend festgelegt, so daß für eine zusätzliche Billigkeitskontrolle weder Raum noch Bedürfnis besteht. d) Die Einordnung des Krediteröffnungsvertrags in die Vertragstypen des Schuldrechts Die typologische Einordnung des Krediteröffnungsvertrags in das System des 1 2 0 6 Besonderen Schuldrechts wird wesentlich bestimmt durch die Rechtsnatur des Kredit13
14
So mit Recht Schoen S. 88, 90 und öfter; Stauder S. 83 ff; Schönte § 12 II 1 d ; Larenz a a O (wie Fn. 11); MünchKomm.-//. P. Westermann Vorbem. vor §607 Rdn. 17. Vgl. auch R G Z 65, 185, 189, wenn auch in dogmatisch unhaltbarer Vermischung mit dem Unterbleiben einer Kündigung durch die Bank.
15
So mit Recht Stauder S. 81 ff; ebenso auch Schönle § 12 II 1 d; Larenz a a O (wie Fn. 11); MünchKomm.-//. P. Westermann Vorbem. vor § 607 Rdn. 17. " Vgl. auch StauderS. 83.
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11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag
geschäfts, auf das er sich jeweils richtet; das ist eine Selbstverständlichkeit vom Boden der hier vertretenen Ansicht aus, wonach schon der Krediteröffnungsvertrag selbst ein Verpflichtungsgrund und die causa der Kreditgewährung unmittelbar enthält, es gilt aber grundsätzlich auch vom Boden der Vorvertragskonstruktion aus, da der Vorvertrag im wesentlichen dieselbe Rechtsnatur wie der intendierte Hauptvertrag hat. Der Krediteröffnungsvertrag ist also grundsätzlich dem Darlehensrecht, dem Geschäftsbesorgungsrecht oder dem Kaufrecht zuzuordnen je nachdem, auf welches Kreditgeschäft er sich richtet und wie man dieses rechtlich qualifiziert. 1207
Darin kann sich die typologische Einordnung des Krediteröffnungsvertrags indessen nicht erschöpfen 17 . Einwände ergeben sich insoweit vielmehr schon daraus, daß es „den" Krediteröffnungsvertrag als einheitlichen Vertragstypus dann überhaupt nicht gäbe 1 8 , daß aber gleichwohl gemeinsame Regeln für alle Arten von Krediteröffnungsverträgen gelten und daß die Abweichungen, die zwischen ihnen je nach der Natur des intendierten Kreditgeschäfts bestehen, hinter den Gemeinsamkeiten sehr stark zurücktreten, ja nahezu verschwinden. Entscheidend kommt hinzu, daß der Krediteröffnungsvertrag, wie schon der Name zeigt, wesentlich durch seinen kreditrechtlichen Charakter geprägt wird, daß diesem aber nur das Darlehensrecht, nicht jedoch das Geschäftsbesorgungsrecht und das Kaufrecht — falls letzteres überhaupt einschlägig ist (vgl. dazu unten Rdn. 1532 und 1655) — Rechnung trägt. Dieses kreditrechtliche Element konstituiert die Gemeinsamkeit aller Krediteröffnungsverträge und bietet die Rechtfertigung für den Versuch zur Entwicklung gemeinsamer Regeln. Diese haben sich folgerichtig im wesentlichen am Darlehensrecht zu orientieren 183 , das, wie gesagt, als einziges den Besonderheiten eines Kreditvertrages Rechnung trägt — eine Einsicht, die z. B. für die analoge Anwendung des § 610 BGB von erheblicher praktischer Bedeutung sein kann (vgl. dazu unten Rdn. 1253). Berücksichtigt man das kreditrechtliche Element aller Krediteröffnungsverträge als wesentliches typusprägendes Merkmal und betont man dementsprechend die Gemeinsamkeiten stärker als die Unterschiede, die sich aus der Verschiedenartigkeit der intendierten Einzelgeschäfte ergeben, so läßt sich der Krediteröffnungsvertrag keinem der im BGB geregelten Vertragstypen vollständig unterordnen, sondern erscheint als Vertrag sui generis 19 . Das ändert natürlich nichts daran, daß auf diesen auch die Vorschriften des intendierten Geschäfts — also des Diskontgeschäfts, des Akzeptkreditgeschäfts usw. — Anwendung finden, sondern bedeutet nur, daß daneben in wesentlichem Maß noch andere, allen Krediteröffnungsverträgen gemeinsame Regeln gelten. II. Zustandekommen und Wirksamkeit des Krediteröffnungsvertrags 1. Der Tatbestand des Vertragsschlusses
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Der Abschluß eines Krediteröffnungsvertrags wird in aller Regel durch ausdrückliche Erklärung erfolgen, doch kann er entgegen einer verbreiteten Ansicht 20 auch auf konkludentem Verhalten beruhen. Denn da ein Formerfordernis nicht besteht, insbesondere wohl auch nicht aus Handelsbrauch oder Verkehrssitte folgt, ist nicht einzusehen, warum die Regeln über das konkludente Verhalten, wie sie sonst für Verträge 17
So aber offenbar Scboen S. 91 f und 170 f; Stauder S. 84; Schönle $ 12 II 1 d a. E. So in der T a t Stauder a a O und woh! auch Schönle aaO. 18a Zustimmend M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann Vorbem. vor § 607 Rdn. 18 a. E. I? So i. E. schon Klausing S. 83; Schönke J W 1934, 18
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2745; a. A. Scboen S. 86; Stauder S. 84; Lange Das Akzeptkreditgeschäft der Banken, Diss. Mainz 1960, S. 91. 2 ° Vgl. Schoen S. 102; StauderS. 91; Schönle % 12 II 2 a; wie hier dagegen Hopt Z H R 143, 157; M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann V o r b e m . vor § 607 Rdn. 19.
2. Bearbeitung. Stand I. 5. 1981
II. Zustandekommen und Wirksamkeit des Krediteröffnungsvertrags aller Art — auch für solche von großer Wichtigkeit und einschneidender Bedeutung für einen Partner! — gelten, für den Krediteröffnungsvertrag nicht zur Anwendung kommen sollen. Dieser kann daher insbesondere auch dadurch zustande kommen, daß eine Bank während eines längeren Zeitraums immer wieder bis zu einer bestimmten Höchstgrenze Kredite gewährt und zu erkennen gibt, daß sie das auch in Zukunft tun wird. Allerdings muß aus ihrem Verhalten ein entsprechender Verpflichtungswille hervorgehen, und daran wird es bei einem konkludenten Verhalten meist fehlen; denn auch bei wiederholter Gewährung von Krediten wird sich die Bank ihre Entscheidungsfreiheit für die Zukunft vorbehalten wollen und die jeweiligen Kredite nur „freiwillig" und ohne Anerkennung eines entsprechenden Rechtsanspruchs des Kunden gewähren (vgl. dazu ferner unten Rdn. 1272 a. E.). Im Zweifel ist daher ein konkludenter Vertragsschluß, für dessen Vorliegen ohnehin der Kunde die Beweislast trägt, zu verneinen. Gleiches gilt für die konkludente Auswechselung des Kreditnehmers, die zwar grundsätzlich ebenfalls möglich, aber im Zweifel angesichts der Wichtigkeit der Person des Kreditnehmers nicht anzunehmen ist (vgl. B G H W M 1978 1003, 1004 f). Selbst bei Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung kann es sehr zweifelhaft sein, ob 1 2 0 9 der Tatbestand eines Vertragsschlusses erfüllt ist oder nicht. Schwierigkeiten bereitet dabei insbesondere die Abgrenzung gegenüber bloßen Vorverhandlungen über einen Krediteröffnungsvertrag und gegenüber der unverbindlichen Inaussichtstellung eines Kredits. Ein allgemein gültiges Abgrenzungskriterium gibt es dabei selbstverständlich nicht. Vielmehr kommt es wie stets in derartigen Zusammenhängen auf die Umstände des Einzelfalles an. Unter diesen spielt eine besondere Rolle die Frage, ob eine Kreditlinie, also eine Höchstgrenze für den zu gewährenden Kredit vereinbart worden ist oder nicht. Fehlt es daran, so wird in aller Regel noch kein wirksamer Vertragsschluß vorliegen 2 1 ; denn es würde gegen die Grundsätze der Bankpraxis und der kaufmännischen Vernunft verstoßen, wenn die Bank sich ohne Festlegung einer Höchstgrenze zur Kreditgewährung verpflichtete, und eine solche im W e g e der ergänzenden V e r tragsauslegung oder mittels eines unbestimmten Rechtsbegriffs wie dem eines „angemessenen" Betrages festzulegen, ist angesichts der Notwendigkeit, zu einer bestimmten Zahlengrenze zu kommen, praktisch nicht ohne Verstoß gegen das Verbot einer willkürlichen richterlichen Vertragsgestaltung möglich. Auch die Art des Kredits muß in aller Regel von den Parteien bestimmt werden, soll nicht der Fall eines (offenen oder versteckten) Dissenses gegeben sein 2 2 ; denn die Risiken, die die Bank eingeht, sind bei den verschiedenen Kreditarten wie z. B. Diskontkredit, Avalkredit und Akzeptkredit so unterschiedlich, daß man eine Zusage, die diesen Punkt offen läßt oder gar die Wahl insoweit einseitig dem Kunden überläßt, im Zweifel nicht annehmen kann. Weniger starke Bedenken sprechen dagegen bei Fehlen einer Befristung gegen die Bejahung eines Vertragsschlusses. Hier kann der Wille nämlich entweder auf einen unbefristeten — jedoch kündbaren (vgl. unten Rdn. 1242) — Krediteröffnungsvertrag gerichtet sein, oder die Befristung kann sich aus den Umständen, insbesondere aus dem mit dem Kredit erkennbar verfolgten Zweck ermitteln lassen (vgl. aber auch L G Berlin W M 1975 131). Andererseits kann es selbst dann, wenn alle typischen Vertragsbestimmungen wie Kreditlinie, Art des Kredits und Befristung festgelegt worden sind, gleichwohl u. U. am Abschluß eines Krediteröffnungsvertrags fehlen, weil ein Verpflichtungswille der Bank hinsichtlich der Krediteröffnung nicht gegeben war. Es handelt sich dann lediglich um einen Normenvereinbarungsvertrag bezüglich eventueller späterer Kreditgeschäfte, zu 21
A. A. Schoen S. 90.
S. 103 f und wohl auch Stauder
22 a . A. Schoen und Stauder aaO.
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11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag
deren Abschluß keine der Parteien, also anders als beim Krediteröffnungsvertrag auch nicht die Bank, verpflichtet ist (vgl. auch R G Z 58 152, 155). 2. Die Haftung der Bank bei Scheitern des Vertragsschlusses 1210
Ist ein wirksamer Vertragsschluß nicht zustande gekommen, so kann die Bank dem Kunden gleichwohl u. U. aus anderen Rechtsgründen haften. In Betracht kommt dabei in erster Linie eine Schadensersatzpflicht wegen culpa in contrahendo (vgl. B G H W M 1960 433; 1962 347). Dazu genügt allerdings nicht schon die bloße Tatsache, daß die Bank den Krediteröffnungsvertrag nicht abgeschlossen, sondern die Verhandlungen darüber abgebrochen hat (vgl. auch B G H W M 1960 433; LG Berlin W M 1975 131); denn das stellt angesichts des Prinzips der Abschlußfreiheit keine „culpa" dar. Erforderlich ist demnach vielmehr, daß die Bank eine bestimmte Rechtspflicht gegenüber dem Kunden verletzt hat wie z. B. die Pflicht, diesen darüber aufzuklären, daß die Zusage des Kredits gar nicht von ihr allein abhängt (vgl. B G H W M 1962 347), oder die Pflicht, diesem unverzüglich Mitteilung zu machen, wenn sie sich entgegen ihrem bisherigen Verhalten bei den Vertragsverhandlungen zur Verweigerung des Kredits entschlossen hat. Durfte allerdings der Kunde nicht auf das Zustandekommen des Vertragsschlusses vertrauen wie z. B., wenn er die Bank über seine Kreditwürdigkeit oder über sonstige wesentliche Umstände getäuscht hat, so kommt eine H a f t u n g aus culpa in contrahendo grundsätzlich auch dann nicht in Betracht, wenn eine Pflichtverletzung der Bank an sich zu bejahen ist (vgl. B G H W M 1960 433); denn die Einstandspflicht für culpa in contrahendo stellt einen Unterfall der Vertrauenshaftung dar und setzt daher auf Seiten des Kunden die Schutzwürdigkeit des Vertrauens voraus.
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In seltenen und eng begrenzten Ausnahmefällen kann darüber hinaus eine H a f t u n g der Bank auch unabhängig von Verschulden in Betracht kommen. Das ist dann der Fall, wenn die Voraussetzungen der Vertrauenshaftung kraft widersprüchlichen Verhaltens vorliegen. Auch diese begründet ebenso wie die H a f t u n g für culpa in contrahendo i. d. R. lediglich eine Schadensersatzhaftung, doch kann sie in Extremfällen auch eine Erfüllungshaftung nach sich ziehen. Zu demselben Ergebnis kann man u. U. auch mit der Konstruktion einer Treupflicht aus vorangegangenem Tun kommen (vgl. B G H W M 1956 217, 220 unter III sowie im übrigen näher unten Rdn. 1271 ff). 3. Mängel des Vertragsschlusses a) Die wichtigsten Unwirksamkeitsgründe
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Gesetzes- und Sittenwidrigkeit spielen weniger für den Krediteröffnungsvertrag als solchen eine Rolle als vielmehr für die einzelnen Kreditgeschäfte wie z. B. das Gelddarlehen oder das Factoring. Daher ist auf deren Kommentierung zu verweisen, vgl. insbesondere unten Rdn. 1286 ff.
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Von den Anfechtungsgründen ist in erster Linie der Tatbestand der arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB zu nennen. In Betracht kommt insoweit vor allem, daß der Kreditnehmer die Bank über seine Kreditwürdigkeit oder über eine zu stellende Sicherheit irregeführt hat. Dagegen liegt nicht ohne weiteres eine arglistige Täuschung vor, wenn der Kreditnehmer bei Vertragsschluß die Absicht hatte, den Rückzahlungsanspruch des Kreditgebers nicht in bar zu erfüllen, sondern durch Aufrechnung mit einer streitigen Forderung zu Fall zu bringen (vgl. R G J W 1929 2705). — Eine wichtige Rolle spielt daneben der Irrtum über Eigenschaften der Person gemäß § 119 II BGB. Als ein solcher ist insbesondere ein Irrtum über die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers oder über die diese begründenden Tatsachen anzusehen; daß der Irrtum der Bank 626
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Z u s t a n d e k o m m e n und W i r k s a m k e i t des Krediteröffnungsvertrags
unverschuldet oder nur leicht fahrlässig war, ist nicht erforderlich, da die Relevanz eines Irrtums nach der Regelung des BGB durch ein Verschulden des Irrenden nicht ausgeschlossen wird 23 . Die Unwirksamkeit der Bestellung einer Sicherheit zieht entgegen einer verbreite- 1214 ten, auch in der Erstbearbeitung geteilten Ansicht 24 grundsätzlich nicht die Nichtigkeit des Kreditvertrages gemäß § 139 BGB nach sich — sei es, daß man schon das Vorliegen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts verneint, oder sei es, daß man aus dem mutmaßlichen Parteiwillen auf die Restgültigkeit schließt. Wie sachwidrig die Erstreckung der Nichtigkeit auf den Kreditvertrag wäre, zeigt sich schon daran, daß an dieser Rechtsfolge keinesfalls der Kreditnehmer, sondern allenfalls der Kreditgeber ein legitimes Interesse haben kann. Auch letzterer hat es indessen zumindest dann nicht, wenn der Kredit bereits gewährt worden ist — weshalb für diesen Fall die Unanwendbarkeit von § 139 BGB anerkannt ist 24a . Demgemäß sollte man die Entscheidung über die Wirksamkeit des Kreditvertrages grundsätzlich dem Kreditgeber überlassen und die Lösung folglich in einem Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund (oder einem Rücktrittsrecht wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage) sehen. Die Unwirksamkeit der Sicherheitsbestellung ist dabei grundsätzlich als wichtiger Grund zur Kündigung anzuerkennen; denn in aller Regel ist es unzumutbar, einen Kredit ohne Sicherheit zu gewähren oder zu belassen, obwohl er nur gegen Sicherheit versprochen war. Der Kreditgeber kann sich daher grundsätzlich fristlos von der Pflicht zur Kreditgewährung lösen und bereits gewährte Kredite sofort zur Rückzahlung fällig stellen, ohne im übrigen seine vertraglichen Ansprüche, insbesondere den Zinsanspruch zu verlieren. Er muß sich aber andererseits mangels eines wichtigen Grundes zur Kündigung am Vertrag festhalten lassen, wenn der Kreditnehmer eine Heilung des Mangels der Sicherheitsbestellung oder die Stellung einer anderen gleichartigen oder gleichwertigen Sicherheit anbietet — worin ein wesentlicher praktischer Unterschied gegenüber der allzu unflexiblen Anwendung von § 139 BGB zu Tage tritt. Beruhte die Unwirksamkeit der Sicherheitsbestellung auf deren Übermaß wie vor allem in den Fällen der sittenwidrigen Knebelung und/oder Übersicherung, muß der Kreditgeber sich sogar mit dem Angebot einer geringeren als der vereinbarten Sicherheit zufrieden geben 2 4 b , sofern diese angemessen oder verkehrsüblich ist; diese Lösung trägt einerseits dem Schutzzweck des Knebelungs- und Übersicherungsverbots Rechnung, ohne andererseits den Richter zu einem gestaltenden Eingriff in den Vertrag zu zwingen, wie er mit einer richterlichen Reduzierung des Übermaßes auf ein angemessenes Maß verbunden wäre. Allerdings braucht sich der Kreditgeber weder in diesem noch in anderen Fällen eine Sicherheit von völlig anderer Risikostruktur aufdrängen zu lassen und demgemäß z. B. nicht statt einer Hypothek eine Bürgschaft anzunehmen (vgl. auch BGH WM 1964 62, 63).
» A. A. Stauder S. 94; Schönle § 12 II 2 b 2. « Vgl. StauderS. 92; Schönle§ 12 II 2 b (1); Erstbearbeitung Anm. 625; wesentlich enger, jedoch grundsätzlich ebenfalls von § 139 BGB ausgehend Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd. I, 1963, § 4 II 3 = S. 60 f; Soergel/ Hefermehl11 §138 Rdn. 105; M ü n c h K o m m H. P. Westermann § 607 Rdn. 15 (vgl. dort Rdn. 26 auch zur Nichtbestellung geschuldeter Sicherheiten); a. A., d. h. grundsätzlich gegen die Anwendung von § 139 BGB offenbar BGH W M
24b
1957, 1334, 1335 (IV a. E.) unter Berufung auf RGZ 86, 323, wo es jedoch nur um den Fall eines bereits gewährten Kredits ging. Vgl. R G Z 86, 323, 324 f; 108, 146, 150; Serick und Hefermehl aaO (wie vorige Fn.) Anders Schönle § 12 II 2 b (1), der auch in diesem Falle § 139 BGB anwendet und folgerichtig zur Nichtigkeit des Krediteröffnungsvertrages kommt; die Berufung von Schönle auf B G H WM 1958, 756 f ist irreführend, weil dort die Problematik von § 139 BGB gar nicht behandelt wird.
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11. A b s c h n i t t . D e r K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r t r a g
b) Die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit 1215
Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen der Nichtigkeit bzw. der Anfechtung gelten die allgemeinen Regeln, so daß grundsätzlich ex-tunc-Wirkung eintritt. Dem steht nicht entgegen, daß der Krediteröffnungsvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist 25 . Denn einen Rechtssatz, wonach die Nichtigkeits- oder Anfechtungsfolgen bei allen Dauerschuldverhältnissen zu modifizieren wären und die ex-tunc-Wirkung durch eine ex-nuncWirkung ersetzt werden müßte, gibt es nicht; die Ausnahmen, die insoweit für das Gesellschafts- und das Arbeitsrecht entwickelt worden sind, stellen Besonderheiten dieser Rechtsgebiete dar und sind einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Bereits gewährte Kredite sind daher grundsätzlich nach Bereicherungsrecht zurückzuzahlen (vgl. dazu im übrigen unten Rdn. 1308 ff). III. D e r Inhalt des Krediteröffnungsvertrags 1. Der Anspruch des Kreditnehmers auf die Kreditgewährung a) Entstehen und Gegenstand des Anspruchs
1216
Die Grundlage des Anspruchs auf die Kreditgewährung ist der Krediteröffnungsvertrag. Dieser begründet jedoch zunächst nur einen „verhaltenen" Anspruch, weil noch nicht feststeht, ob, wann und in welcher H ö h e der Kreditnehmer den Kredit beanspruchen wird. Zur endgültigen Entstehung des Anspruchs und zur Konkretisierung seines Inhalts bedarf es vielmehr zuvor des „Abrufs" des Kredits durch den Kreditnehmer, d. h. der Geltendmachung des entsprechenden ausfüllenden Gestaltungsrechts (vgl. oben Rdn. 1204 f). Erst dadurch entsteht die Leistungspflicht der Bank. Eine Pflicht, den Kredit bzw. die erforderlichen Mittel schon vor dem Abruf des Kunden bereitzuhalten, besteht für die Bank nicht 2 6 ; zwar hat die Bank dem Kunden für ihre Leistungsfähigkeit im Augenblick des Abrufs unabhängig von Verschulden einzustehen, doch ergibt sich das schon aus § 279 BGB und setzt nicht das Bestehen einer besonderen Rechtspflicht zur Bereithaltung des Kredits oder eine „ständige Anspannung des Kreditgebers zur Leistungsbereitschaft" 27 voraus.
1217
Der Inhalt des Anspruchs wird durch den Krediteröffnungsvertrag umgrenzt. In diesem wird in aller Regel insbesondere die Art des Kredits festgelegt, also bestimmt, ob es sich um einen Geldkredit, einen Akzeptkredit, einen Avalkredit oder einen Diskontkredit handelt. Weiterhin enthält der Krediteröffnungsvertrag die Kreditlinie, also die Bestimmung der Maximalhöhe des Kredits, ohne deren Vereinbarung im Zweifel kein Krediteröffnungsvertrag vorliegt (vgl. oben Rdn. 1209).
1218
Eine andere Frage ist, ob der Kredit mehrfach bis zu dieser H ö h e in Anspruch genommen werden kann, ob er also revolvierend ist, d. h., ob der Kreditnehmer z. B. nach Rückzahlung eines Darlehens erneut einen Geldkredit beanspruchen kann oder ob er nach Einlösung diskontierter Wechsel erneut Wechsel zum Diskont geben kann, solange nur die jeweilige Summe seiner Kreditaufnahme sich in den Grenzen der Kreditlinie hält. Selbstverständlich ist eine solche Vertragsgestaltung nach dem Grundsatz der Inhaltsfreiheit zulässig, doch folgt sie nicht notwendig aus Begriff und Wesen des Krediteröffnungsvertrags und bedarf daher einer besonderen Vereinbarung 2 8 . Diese kann aber selbstverständlich auch konkludent erfolgen 2 9 und sich insbesondere aus "
26 27
A. A. Klausing S. 144; Schoen S. 167 f f ; Stauder S. 146 f ; wie hier i. E. a b e r o f f e n b a r Schönle § 12 II 2 b 2 a. E. A. A. Schoen S. 105 u n d w o h l a u c h Stauder'S. S o Stauder a a O .
628
97.
28
29
S o a u c h Schönle § 12 II 3 a I i ; i . A . Schoen S. 106; u n k l a r i n s o w e i t StauderS. 164 ff. A. A. Schönle a a O , d e r eine „ a u s d r ü c k l i c h e V e r einbarung" fordert.
2 . B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
III. D e r Inhalt des Krediteröffnungsvertrags
dem Zweck der Kreditgewährung, aus den zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsgebräuchen und Gewohnheiten oder dem Typus des vereinbarten Kredits ergeben; so ist z. B. ein Kontokorrentkredit grundsätzlich, d. h. mangels entgegenstehender Abreden, als revolvierend anzusehen (vgl. auch unten Rdn. 1350). Im übrigen ist es auch möglich, daß eine Einzahlung des Kunden nach dessen erkennbarem Willen oder nach den sonstigen Umständen des Falles nicht zur Tilgung des Darlehens, sondern nur zur vorübergehenden Anlage des zwischenzeitlich nicht benötigten Geldes erfolgt (vgl. B G H W M 1957 635, 637 vor III); dann steht einer erneuten Abhebung auch bei einem nicht-revolvierenden Kredit nichts im Wege. Schließlich wird der Anspruchsinhalt meist durch die Vereinbarung einer bestimm- 1 2 1 9 ten Laufzeit für den Kredit begrenzt, wenngleich es sich dabei nicht um einen notwendigen Vertragsbestandteil handelt, da auch Krediteröffnungsverträge mit unbestimmter Laufzeit möglich sind (vgl. oben 1209 und unten Rdn. 1242). Die Bedeutung der Laufzeit erschöpft sich im Zweifel darin, daß der Kreditnehmer vor ihrem Ende sein Abrufrecht ausüben muß; das Ende der Laufzeit hat also nur zur Folge, daß der Kreditnehmer von diesem Augenblick an sein Recht zum Abruf weiterer Kredite verliert, nicht jedoch auch, daß bereits gewährte Kredite zur sofortigen Rückzahlung fällig werden (vgl. näher unten Rdn 1232 f). b) Die Pflicht der Bank zur Barzahlung Sinn und Zweck eines Kredits ist es, dem Kreditnehmer Bargeld zu verschaffen 1 2 2 0 bzw. ein entsprechendes Surrogat (vgl. dazu unten Rdn. 1319 f), nicht dagegen, ein bei der Bank bereits bestehendes Debet abzudecken. Die Bank hat daher an der Forderung des Kreditnehmers auf die Gewährung des Kredits grundsätzlich, d. h. abgesehen von der Sicherung konnexer Gegenforderungen wie z. B. solcher auf Bezahlung rückständiger Zinsen, weder das Pfandrecht gemäß Ziff. 19 II AGB noch das Zurückbehaltungsrecht gemäß Ziff. 19 V AGB 3 0 ; zwar ist die Regelung der Ziff. 19 II und V AGB ihrem Wortlaut nach an sich einschlägig, doch ist ihre Geltung durch eine konkludente Individualabrede i. S. von § 4 AGBG abbedungen, da sie, wie gesagt, mit Sinn und Zweck des Krediteröffnungsvertrags unvereinbar ist. Aus den gleichen Gründen kann die Bank sich auch nicht darauf berufen, zwischen ihr und dem Kreditnehmer bestände ein Kontokorrentverhältnis und der Anspruch auf den Kredit sei daher kontokorrentgebunden, so daß er nicht selbständig zu befriedigen, sondern mit einem bereits bestehenden Debet zu verrechnen sei. Schließlich scheidet folgerichtig auch ein Aufrechnungsrecht der Bank aus 3 1 , selbst wenn diesem nicht schon das Fehlen der Gleichartigkeit entgegensteht wie beim Akzeptkredit und beim Avalkredit. Zwar kann vertraglich grundsätzlich vereinbart werden, daß auch eine Aufrechnungsvalutierung zulässig sein soll, doch bedarf es dazu einer besonders klaren Abrede 3 2 , weil ein derartiges Vorgehen der Bank mit Sinn und Zweck des Krediteröffnungsvertrages i. d. R. unvereinbar ist. Eine Vereinbarung in AGB genügt sowohl im Hinblick auf § 4 AGBG als auch im Hinblick auf § 9 II Ziff. 2 AGBG grundsätzlich nicht 3 3 , um eine Aufrechnungsvalutierung oder die Ausübung von Pfand- oder Zurückbehaltüngsrechten zulässig zu machen. 30
31
Vgl. auch Erman Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, S. 271 f sowie unten Rdn. 545 und 550 f zur entsprechenden Problematik beim Diskontgeschäft. Vgl. auch Kohler ArchBürgR 2, 235; Stauder S. 141; Schönte § 1 2 II 3 a 5 a. E.; Bärmann/
32
33
Brink/Ochmann Rdn. 155 a. E.; MünchKomm.H. P. Westermann § 607 Rdn. 20. Vgl. auch B G H Z 71, 19, 21 zum Hypothekendarlehen. Das hat der B G H aaO (vorige Fn.) offengelassen; wie im Text i. E. MünchKomm.-//. P. Westermann § 607 Rdn. 20.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
629
11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag
1221
An diesen Grundsätzen ändert sich auch dann nichts, wenn die Bank dem Kunden eine Gutschrift auf dem Girokonto in Höhe des Darlehensbetrages erteilt 34 . Denn eine solche Gutschrift läßt die Vereinbarung über den Kreditcharakter der Leistung der Bank unberührt und kann daher die Barzahlungspflicht nicht beseitigen. c) Abtretung und Pfändung des Anspruchs auf die Kreditgewährung
1222
Die Abtretbarkeit des Anspruchs aus dem Krediteröffnungsvertrag ist nach richtiger, wenngleich umstrittener Ansicht grundsätzlich zu bejahen 3 5 . Denn man kann weder allgemein sagen, daß die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne eine Änderung ihres Inhalts erfolgen kann, noch daß stets ein konkludentes rechtsgeschäftliches Abtretungsverbot vorliegt, und folglich sind die Voraussetzungen, an die § 399 BGB die Unabtretbarkeit knüpft, nicht ohne weiteres gegeben.
1223
Allerdings wird ein Kredit häufig mit einer bestimmten Zweckbindung gegeben 36 . In einem solchen Falle ist der Anspruch auf die Kreditgewährung grundsätzlich unabtretbar, weil dann der Tatbestand der Inhaltsänderung i. S. von § 399 1. Alternative BGB erfüllt ist 37 . Die Abtretung ist hier nur dann wirksam, wenn die Bank ihr analog § 185 BGB zustimmt oder wenn der Zessionar zur Förderung des Darlehenszwecks beiträgt und die Zession im Hinblick hierauf erfolgt.
1224
Für die Wirkung der Abtretung gelten, wenn sie überhaupt zulässig ist, grundsätzlich keine Besonderheiten. Der Zessionar rückt also hinsichtlich des Anspruchs auf die Kreditgewährung in die Stellung des Zedenten ein. Er kann daher jetzt den Anspruch geltend machen und das zu einer Konkretisierung erforderliche Abrufrecht (vgl. oben Rdn. 1204 f), das man als konkludent mitübertragen oder analog § 401 BGB mitübergegangen ansehen muß 3 8 , ausüben; der Zedent kann dagegen die Auszahlung des Kredits an den Zessionar nicht verlangen, da er sich seines Rechts durch die Abtretung begeben hat (a. A. RGZ 77 407, 408). — Von der Gläubigerschaft hinsichtlich des Anspruchs auf die Kreditgewährung scharf zu unterscheiden ist die Stellung als Partei des Krediteröffnungsvertrags. Diese wird durch die Abtretung nicht berührt, und daher bleibt der Zedent und Kreditnehmer weiterhin Vertragspartner der Bank. Praktische Bedeutung hat das vor allem insofern, als sich daraus ergibt, daß Schuldner der Bank nach wie vor der Kreditnehmer ist; er muß also die Kreditgebühren wie Provision und Zinsen bezahlen, er ist der Bank zur Rückzahlung bzw. zur Freistellung oder zum Aufwendungsersatz verpflichtet, und nach seiner Person bestimmen sich folglich auch die Voraussetzungen des Widerrufsrechts gemäß §610 BGB, dessen Ausübung die Bank dann gemäß § 404 BGB auch dem Zessionar entgegensetzen kann. Wollen die Beteiligten diese Folgen vermeiden, so bedarf es dazu einer privativen Schuldübernahme oder einer Vertragsübernahme und folglich der Zustimmung der Bank; möglich ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit allerdings auch, den Krediteröffnungsvertrag von vornherein so zu begründen, daß der Bankkunde einseitig einen Dritten als Vertragspartner mit allen Rechten und Pflichten, also insbesondere auch als Schuldner der Rückzahlungs- oder Revalierungspflicht bestimmen darf (vgl. RGZ 66 359, 361). « A. A. B G H W M 1956, 217, 218 Sp. 2 hinsichtlich des Pfandrechts und des Zurückbehaltungsrechts. 35 Vgl. R G Z 68, 355, 356 f; 77, 407; Esser Schuldrecht II 4 , § 8 6 I 4; Erman Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, S. 262 ff, 264 und ö f t e r ; Schönle § 12 II 3 a 2 ; a. A. z. B. R G Z 66, 359, 361 ; SoergeULippisch/Häuser" Rdn. 52 vor § 6 0 7 BGB; wohl auch Stander S. 130.
630
36 Vgl. dazu allgemein Schütz W M 1964, 39 ff. Vgl. Erman S. 267 f; Stauder S. 131 f und 133 f; Schönle § 12 II 3 a 2; Lwowski/Weher Z I P 1980, 610; M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann §607 Rdn. 38. 38 Vgl. z u r Übertragbarkeit akzessorischer Gestaltungsrechte statt aller B G H N J W 1973, 1793, 1794.
37
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Der Inhalt des Krediteröffnungsvertrags Für die P f ä n d u n g gelten grundsätzlich dieselben R e g e l n wie f ü r die Abtretung. 1 2 2 5 B e s o n d e r e P r o b l e m e ergeben sich dabei nur insofern, als eine P f ä n d u n g nach § 851 II Z P O an sich auch d a n n zulässig ist, wenn eine Abtretung nach § 399 B G B ausgeschlossen ist. D a s w ü r d e bedeuten, daß auch bei einer z w e c k g e b u n d e n e n K r e d i t z u s a g e , bei der das Z e s s i o n s v e r b o t des § 399 1. Alternative B G B eingreift (vgl. soeben R d n . 1223), ein G l ä u b i g e r des K r e d i t n e h m e r s in dessen Verhältnis zu der B a n k „einbrechen" und die z w e c k g e r e c h t e V e r w e n d u n g des Kredits durch einen P f ä n d u n g s - und U b e r w e i sungsbeschluß verhindern könnte. Entsprechend dem S c h u t z z w e c k des § 851 II Z P O 3 9 ist dieser hier j e d o c h auf G r u n d einer „ R e s t r i k t i o n " o d e r „teleologischen R e d u k t i o n " außer A n w e n d u n g zu l a s s e n 4 0 . D i e P f ä n d u n g ist also nur unter denselben V o r a u s s e t z u n g e n zulässig wie die Abtretung, d. h. wenn die B a n k zustimmt o d e r wenn die V e r w e n d u n g des Kredits zu d e m vorgesehenen Z w e c k gesichert bleibt. Unterliegt der K r e dit keiner Z w e c k b i n d u n g , so ist der Anspruch d o c h jedenfalls dann u n p f ä n d b a r , wenn er erst durch die A u s ü b u n g des Abrufrechts (vgl. zu diesem oben R d n . 1204 f) z u r Entstehung g e l a n g t 4 0 a , w a s beim K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r t r a g die R e g e l ist; denn d a der Abruf auch Pflichten des Kreditnehmers erzeugt, kann er nicht durch dessen G l ä u b i g e r im W e g e der Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g erzwungen o d e r von diesen v o r g e n o m m e n werden. D i e praktische B e d e u t u n g der P f ä n d u n g ist d e m n a c h verhältnismäßig gering. D a r über hinaus wird sie ihres Wertes meist auch dadurch beraubt w e r d e n , daß die B a n k die G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g g e m ä ß Ziff. 17 und 18 A G B beendet o d e r den K r e d i t e r ö f f nungsvertrag g e m ä ß § 6 1 0 B G B w i d e r r u f t 4 1 . D a g e g e n kann die B a n k i. d. R . nicht den V o r r a n g ihres P f a n d r e c h t s aus Ziff. 19 A G B geltend m a c h e n 4 2 , da dieses g e g e n ü b e r dem K r e d i t n e h m e r nicht g e g e b e n ist (vgl. oben R d n . 1220 f) und folglich auch g e g e n über dem P f a n d g l ä u b i g e r als dessen R e c h t s n a c h f o l g e r nicht durchgreifen kann.
2. Die Ansprüche der Bank a) Der Provisions- und Zinsanspruch D i e B a n k hat g e g e n den Kreditnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Z a h l u n g 1 2 2 6 einer Bereitstellungsprovision. Wenngleich der K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r t r a g nicht notwendig entgeltlich ist (vgl. oben R d n . 1200), wird diese Provision auch ohne besondere A b r e d e geschuldet. D e n n durch die N o t w e n d i g k e i t , stets Mittel f ü r den K u n d e n z u r V e r f ü g u n g stellen zu k ö n n e n , erbringt die B a n k diesem eine besondere Leistung, und das tut sie nach dem in § 354 H G B z u m A u s d r u c k k o m m e n d e n R e c h t s g e d a n k e n im Zweifel nicht unentgeltlich (vgl. auch B G H Z 19 2 8 2 , 2 9 2 ; O L G H a m b u r g W M 1959 300, 301). D a ß eine echte Rechtspflicht der B a n k z u r dauernden Bereithaltung der Kreditmittel nicht g e g e b e n ist (vgl. oben R d n . 1216), steht dem nicht entgegen, da in der E r ö f f n u n g des Kredits jedenfalls eine eigenständige Leistung der B a n k zu sehen ist; denn einerseits v e r f ü g t der Kreditnehmer nun über eine entsprechende Dispositionsmöglichkeit, und andererseits geht die B a n k damit eine B i n d u n g ein, f ü r die sie unabhängig d a v o n , o b der K r e d i t in Anspruch g e n o m m e n wird o d e r nicht, ein Entgelt verlangen kann. Folgerichtig k o m m t es auch nicht d a r a u f an, o b die B a n k wirklich Kapital z u r V e r f ü g u n g gehalten hatte o d e r nicht (a. A. Belke B B 1968 1224). D a r ü b e r hinaus
39
40
Vgl. zu diesem näher Canaris Großkomm, zum H G B 3 , § 357 Anm. 2. S o mit Recht Erman S. 269 f ; ihm folgend auch Stauder S. 137 f; Schönte § 12 II 3 a 4; Lwowski/ Weber ZIP 1980, 610; MünchKomm.H. P. Westermann Vorbem. vor § 607 Rdn. 25 und § 607 Rdn. 38.
S o mit Recht LwowskifWeber Z I P 1980, 611 f. > Vgl. auch R G J W 1908, 676; Diesel J W 1933, 2504; Erman S. 272 f; StauderS. 139 f. 4 2 A. A. für die Fälle der „Zweikontenmethode" Liesecke WM 1975, 318 f im Anschluß an die oben Rdn. 1221 kritisierte Entscheidung B G H WM 1956, 217.
40a 4
Claus-Wilhelm Canaris
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11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag
ist die Bereitstellungsprovision sogar dann zu zahlen, wenn der Kredit auf Grund eines entsprechenden Vorbehalts später reduziert oder überhaupt nicht gewährt wird, weil auch in diesem Falle die Bank eine Leistung durch die (vorübergehende) Bereitstellung des Kredits, die Überprüfung der Kreditwürdigkeit des Kunden usw. erbracht hat (vgl. B G H W M 1978 422; O L G Nürnberg W M 1968 346, 348; StauderS. 55 und 106). Die Bereitstellungsprovision wird aber grundsätzlich erst von dem Tage an geschuldet, an dem die Kreditzusage verbindlich geworden ist (vgl. B G H aaO); denn vorher hat weder die Bank eine entgeltswürdige Pflicht übernommen noch der Kunde einen entsprechenden Anspruch erhalten. Dogmatisch stellt die Bereitstellungsprovision keine Zinsen im Rechtssinne, sondern eine echte Provision dar, weil sie nicht für die Möglichkeit des Kapitalgebrauchs geschuldet wird (vgl. B G H a a O ; siehe im übrigen zum Zinsbegriff unten Rdn. 1323 f); demgemäß ist auf sie das Zinseszinsverbot des § 289 BGB nicht anzuwenden (vgl. B G H aaO S. 423 unter 4). 1227
Daneben hat die Bank noch den Anspruch auf die Vergütung für die Kreditgewährung selbst. Diese besteht beim Zahlungskredit i. d. R. in einer Zinsforderung, beim Haftungskredit (vgl. zum Begriff oben Rdn. 1197) dagegen typischerweise in einer Provisionsforderung. Im einzelnen richtet sich der Anspruch nach dem jeweiligen Kreditgeschäft, weshalb auf die entsprechenden Ausführungen zum Garantiegeschäft, zum Diskontgeschäft, zum Akzeptkreditgeschäft usw. zu verweisen ist.
1227a
Läßt die Bank sich in AGB eine Bearbeitungsgebühr für den Fall einer Ablehnung ihres Kreditangebots durch den Kunden versprechen, so ist diese Regelung unwirksam, wenn sie in einem krassen Mißverhältnis zu den durch die Bearbeitung entstandenen Kosten steht (vgl. O L G Köln ZIP 1980 981, 982). Das folgt gegenüber Nichtkaufleuten aus einem argumentum a fortiori aus § 10 Nr. 7 Buchst, b und § 11 Nr. 6 AGBG und wird sich gegenüber Kaufleuten i. d. R. aus § 9 AGBG ergeben. Zu den Kosten gehört freilich auch der Arbeitsaufwand von Mitarbeitern der Bank für diesen Kredit, nicht aber ein Anteil an den Generalunkosten (so auch O L G Köln aaO).
1228
Auch der Rückzahlungs- und Revalierungsanspruch ist kein Spezifikum des Krediteröffnungsvertrags, sondern bestimmt sich nach den Regeln über das jeweilige Kreditgeschäft. So hat die Bank beim Avalkredit den Anspruch auf Erstattung des Garantiebetrags (vgl. oben Rdn. 1112), beim Akzeptkredit den Anspruch auf rechtzeitige Anschaffung von Deckung bzw. auf Erstattung ihrer Aufwendungen (vgl. unten Rdn. 1612 f), beim Geldkredit i. d. R. den RückZahlungsanspruch gemäß § 607 BGB und beim Diskontkredit das Rückbelastungsrecht gemäß Ziff. 42 AGB (vgl. unten Rdn. 1549 ff).
1229
Eine Aufrechnung des Kreditnehmers gegen den Anspruch der Bank auf Rückzahlung oder Aufwendungsersatz wird durch den Abschluß des Krediteröffnungsvertrags grundsätzlich nicht ausgeschlossen, weil dieser nicht ohne weiteres die konkludente Vereinbarung eines rechtsgeschäftlichen Aufrechnungsverbots enthält (vgl. RG J W 1929 2705), doch kann im Einzelfall etwas anderes gelten (vgl. auch B G H Z 25 211). Zu beachten ist allerdings die Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit durch Ziff. 2 AGB (vgl. dazu die Kommentierung von Ziff. 2). Es ist nicht ohne weiteres der Tatbestand der arglistigen Täuschung gegeben, wenn der Kreditnehmer den Vertrag in der Erwägung geschlossen hat, daß er durch Aufrechnung gegen den Rückzahlungsanspruch eine eigene bestrittene Forderung leichter durchsetzen könne (vgl. RG J W 1929 2705).
b) Der Anspruch auf Rückzahlung, Freistellung und Aufwendungsersatz
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I V . D i e B e e n d i g u n g des K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r t r a g s
c) Der Anspruch auf Abrufung des Kredits Die Besonderheit und das Wesen des Krediteröffnungsvertrags liegt darin, daß ein 1 2 3 0 Kredit „eröffnet", also zur Disposition des Kunden gestellt wird, daß aber noch nicht der endgültige Abschluß des Kreditgeschäfts selbst erfolgt. Dementsprechend hat die Bank grundsätzlich keinen Anspruch auf Abrufung des Kredits durch den Kunden 4 3 . Die Bank kann folglich nur die Bereitstellungsprovision und nicht die besondere Kreditvergütung verlangen, wenn und soweit der Kreditnehmer den Kredit nicht in Anspruch nimmt; sie hat auch nicht etwa ein Recht zum Rücktritt von dem Krediteröffnungsvertrag gemäß § 326 B G B 4 4 . Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kann jedoch selbstverständlich etwas 1 2 3 1 anderes vereinbart und dem Kreditnehmer eine Pflicht zur Ausnutzung der Kreditzusage auferlegt werden. Das kann sich auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Abrede aus den Umständen des Falles ergeben 4 5 , ist jedoch in aller Regel nicht anzunehmen, wenn eine besondere Bereitstellungsprovision vereinbart wurde, da die Bank ihr Interesse dann insoweit schon durch diese abgedeckt hat und es auch an einer wirtschaftlichen Rechtfertigung für die Bereitstellungsprovision fehlen würde, sofern der Bank der Verdienst aus dem Kreditgeschäft selbst ohnehin sicher wäre. Ist eine Vereinbarung getroffen, daß der Kunde den Kredit jedenfalls in Anspruch nehmen muß, so sollte man allerdings nicht mehr von einem Krediteröffnungsvertrag sprechen 4 6 ; vielmehr ist dann bereits ein Vertrag über das entsprechende Kreditgeschäft selbst zustande gekommen (vgl. oben Rdn. 1200 a. E.).
IV. Die Beendigung des Krediteröffnungsvertrags 1. Die Beendigungsgründe a) Zeitablauf Häufig wird im Krediteröffnungsvertrag eine bestimmte Laufzeit vereinbart (vgl. 1 2 3 2 auch oben Rdn. 1219). Dann endet der Krediteröffnungsvertrag mit deren Ablauf ipso iure. Das hat jedoch nur Wirkung für die Zukunft und zerstört daher lediglich die Pflicht der Bank zu weiterer Kreditgewährung, wohingegen das rechtliche Schicksal bereits gewährter Kredite mangels einer entgegenstehenden Abrede unberührt bleibt. Das ist für den Avalkredit und den Akzeptkredit schon deshalb eine Selbstverständlichkeit, weil es sich dabei um Verträge zwischen der Bank und einem Dritten handelt und diese durch das Erlöschen des Deckungsverhältnisses zwischen der Bank und ihrem Kunden auf Grund des Abstraktionsprinzips nicht berührt werden (vgl. allgemein oben Rdn. 1134 ff). Es gilt aber auch für den Geldkredit. Denn auch bei diesem ist der Krediteröffnungsvertrag entsprechend der Trennungstheorie (vgl. oben Rdn. 1201) scharf von den einzelnen Darlehensgewährungen zu unterscheiden, und auch bei diesem ist daher keineswegs ohne weiteres anzunehmen, daß das Ende der Laufzeit des Krediteröffnungsvertrags auch die sofortige Fälligkeit bereits gewährter Kredite zur Folge haben soll.
"
Vgl. auch Koch BankArch. 1932/33, 225; Schoen S. 116 f; Stauder S. 108; Scbönle 5 12 II 3 c; MünchKomm.-//. P. Westermann Vorbem. vor § 607 Rdn. 22. ** A. A. Baumbach/Duden Anh. I nach § 406 Anm. 5 B a. E. unter unzutreffender Verallgemeinerung von B G H BB 1962, 116 = WM 1962, 114
und unzutreffender Berufung auf B G H 1962, 1265. « Vgl. z. B. R G JW 1937, 2765; B G H WM 114, 115; MünchKomm.-//. P. Westermann bem. vor § 607 Rdn. 22. 4 6 A. A. Schoen, Stauder und Schönle aaO Fn. 43).
Claus-Wilhelm Canaris
WM 1962, Vor(wie
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11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag
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Vielmehr gelten eigene Laufzeiten für die einzelnen Kreditleistungen. Diese können vertraglich vereinbart sein oder sich aus den Umständen, insbesondere aus dem Verwendungszweck des Kredits ergeben und bestimmen sich mangels einer besonderen rechtsgeschäftlichen Abrede beim Geldkredit nach § 609 BGB. Die Laufzeit des Krediteröffnungsvertrags und die Laufzeit der gewährten Kredite dürfen also nicht miteinander verwechselt werden. So kann z. B. die Laufzeit eines gewährten Kredits beendet sein, obwohl der Krediteröffnungsvertrag selbst noch läuft; der Kreditnehmer muß ihn dann zurückzahlen und gegebenenfalls einen neuen Kredit aufnehmen, der jetzt möglicherweise teuerer ist — z. B. weil der Zins sich nach dem jeweils im Augenblick der Kreditaufnahme geltenden Diskontsatz der Bundesbank richten soll —, doch erhält der Kreditnehmer u. U. trotz Fortlaufens des Krediteröffnungsvertrags nicht einmal mehr einen neuen Kredit in der gleichen H ö h e wie z. B., wenn die Kreditlinie dafür nicht mehr voll ausreicht und der Kredit nicht revolvierend ist. Umgekehrt kann aber auch die Laufzeit des Krediteröffnungsvertrags beendet sein, die Laufzeit eines gewährten Kredits aber noch nicht. Sollen gewährte Gelddarlehen z. B. eine halbjährige Laufzeit haben oder erst nach Erreichung eines bestimmten Verwendungszwecks zur Rückzahlung fällig werden, so kann der Kreditnehmer den Kredit auch noch einen T a g vor Ablauf des Krediteröffnungsvertrags abrufen und braucht ihn dann erst nach einem halben Jahr bzw. bei Erreichung des Zwecks zurückzuzahlen. Ebenso kann der Kreditnehmer beispielsweise noch unmittelbar vor Ablauf des Krediteröffnungsvertrags ein Dreimonatsakzept zum Diskont einreichen (vgl. im übrigen auch unten Rdn. 1275). b) Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung bei Vertragsverletzungen
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Der Krediteröffnungsvertrag kann grundsätzlich nach den Regeln der §§ 325 f BGB oder über die positive Forderungsverletzung beendet werden. So kommt z. B. ein Rücktrittsrecht nach § 326 BGB in Betracht, wenn der Kreditnehmer mit der Zahlung der Bereitstellungsprovision in Verzug gerät; denn diese stellt eine Hauptleistungspflicht dar, so daß das von § 326 BGB vorausgesetzte synallagmatische Verhältnis gegeben ist. Sobald und soweit der Krediteröffnungsvertrag durch die Gewährung von Krediten in das Erfüllungsstadium getreten ist, gilt das jedoch nur noch mit Wirkung f ü r die Zukunft, so daß i. E. ein Recht zur fristlosen Kündigung an die Stelle des Rücktrittsrechts tritt 4 7 ; denn der Krediteröffnungsvertrag stellt ein Dauerschuldverhältnis dar (vgl. oben Rdn. 1202), und bei einem solchen ist das Rücktrittsrecht nach Eintritt in das Erfüllungsstadium grundsätzlich durch ein Kündigungsrecht zu ersetzen 4 8 . Das gilt freilich nur hinsichtlich der Rechtsfolgen und nicht hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen, da die Rechtfertigung für die Ersetzung des Rücktrittsrechts durch das Kündigungsrecht in den besonderen Schwierigkeiten, die eine Abwicklung nach Rücktrittsrecht machen würde, liegt und da daher auch nur hinsichtlich der Abwicklungsund nicht auch hinsichtlich der Tatbestandsproblematik eine Abweichung von den an sich einschlägigen Vorschriften des Gesetzes statthaft ist. Es ist jetzt also nicht etwa unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu fragen, ob die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes zur Kündigung vorliegen, sondern es kommt lediglich auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 325 f BGB bzw. der positiven Forderungsverletzung an; oder anders gesprochen: eine Vertragsverletzung, die normalerweise ein Rücktrittsrecht auslösen würde, ist immer und ohne zusätzliche Voraussetzungen als Kündigungsgrund anzuerkennen. Kommt also z. B. der Kreditnehmer nach 47
Vgl. auch Schoen S. 159 f; Stauder S. 122 f und S. 147; Schönle § 12 II 4 a und b ; Pantel S. 30 f f ; 48
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M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann Vorbem. vor § 607 Rdn. 23. Vgl. statt aller Latenz Schuldrecht I 1 2 , § 26 d.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D i e Beendigung des Krediteröffnungsvertrags
Gewährung eines ersten Kredites mit der Zahlung der Bereitstellungsprovision in Verzug, so kann die Bank zwar grundsätzlich nicht den gewährten Kredit vor Ende seiner Laufzeit zurückfordern (vgl. dazu auch unten Rdn. 1244, 1249, 1273), wohl aber den Krediteröffnungsvertrag bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 326 BGB ohne weiteres mit sofortiger Wirkung kündigen. Nach denselben Regeln ist grundsätzlich auch der Einfluß von Leistungsstörungen 1 2 3 5 bei einzelnen Kreditgeschäften auf den Krediteröffnungsvertrag zu beurteilen. Es geht dabei z. B. um die Frage, ob die Bank den Krediteröffnungsvertrag kündigen kann, wenn der Kunde mit der Zahlung der Zinsen für ein gewährtes Darlehen in Verzug geraten ist, wenn er die rechtzeitige Anschaffung der Deckung für einen Akzeptkredit unterlassen hat oder wenn er einen bereits fälligen Geldkredit nicht zurückzahlt. Grundsätzlich sind auch hier nicht die allgemeinen Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund, sondern die besonderen Tatbestandsmerkmale der Vertragsverletzung, insbesondere also die des § 326 BGB und der positiven Forderungsverletzung maßgeblich. Dabei ergeben sich indessen gewisse Schwierigkeiten. So ist z. B. die Anwendung des § 326 BGB bei einer Verletzung der Anschaffungs- oder der Rückzahlungspflicht von vornherein nicht möglich, weil diese Pflichten nicht im Synallagma von Leistung und Gegenleistung stehen, das Gegenseitigkeitsverhältnis aber anerkanntermaßen eine (ungeschriebene) Voraussetzung für die Anwendung des § 326 BGB ist. Für die Pflicht zur Zinszahlung trifft dieser Einwand allerdings nicht zu, wenn man das Darlehen mit der richtigen Ansicht als einen gegenseitigen Vertrag ansieht (vgl. unten Rdn. 1282) und außerdem mit der oben vertretenen Ansicht den Krediteröffnungsvertrag entgegen der Zweistufentheorie als Verpflichtungs- und Rechtsgrund der gewährten Kreditleistungen betrachtet (vgl. oben Rdn. 1203). Auch hier ergibt sich jedoch ein wesentliches Bedenken gegen die Anwendung des § 326 BGB daraus, daß die jeweilige Zinszahlung nur einen — u. U. verhältnismäßig geringfügigen — Teil der vom Kreditnehmer zu erbringenden Gegenleistung darstellt und bei Teilverzug § 326 BGB grundsätzlich nicht hinsichtlich der gesamten Gegenleistung eingreift 4 9 . Entscheidend kommt hinzu, daß es sich jeweils nur um die Verletzung der Pflichten aus einem einzelnen Kreditgeschäft handelt und daß diese Leistungsstörung nicht ohne weiteres zur Vernichtung des gesamten Krediteröffnungsvertrags, der Verpflichtungs- und Rechtsgrund f ü r eine Reihe weiterer — teils schon gewährter, teils noch zu gewährender — Kredite ist, führen kann. Dieser Einwand steht dabei nicht nur der Anwendung des § 326 BGB entgegen, sondern ebenso der einschränkungslosen Gewährung eines Rücktritts- bzw. Kündigungsrechts nach den Regeln über die positive Forderungsverletzung. Sucht man nach Lösungsansätzen in verwandten Problemlagen, so stäßt man unschwer auf die Parallele zum Sukzessivlieferungsvertrag (vgl. dazu auch allgemein oben Rdn. 1202 m. Nachw.). Die für diesen entwickelten Regeln können auch hier fruchtbar gemacht werden. Demgemäß kann die Bank den Krediteröffnungsvertrag wegen der Verletzung der Erfüllungs- oder Abwicklungspflichten aus einem einzelnen Kreditgeschäft kündigen, wenn durch diese Pflichtverletzung die Erfüllung des ganzen Vertragszwecks derart gefährdet wird, daß ihr die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann 5 0 . Das wird in aller Regel nicht schon dann zu bejahen sein, wenn es sich um eine einmalige und erstmalige Vertragsverletzung handelt, doch kann selbst hier je nach den Umständen des Falles gleichwohl einmal bereits ein Kündigungsrecht gegeben sein. Allgemeingültige Regeln lassen sich selbstverständlich wie bei jeder Zumutbarkeitsklausel nicht aufstellen. Sicher unrichtig ist daher z. B. die 49
Vgl. statt aller Palandt/Heinrichs
§ 326 A n m . 3 a.
50
Claus-Wilhelm
Vgl. Palandt/Heinrichs % 326 A n m . 13 z u m S u k z e s s i v l i e f e r u n g s v e r t r a g m. N a c h w . aus d e r R s p r . Canaris
635
11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag
Behauptung, Zinszahlungsverzug für zwei oder mehr aufeinanderfolgende Termine berechtige f ü r sich allein nicht zu einer Kündigung des Krediteröffnungsvertrags, sofern nicht eine entsprechende Vertragsklausel vereinbart sei 5 1 ; vielmehr ist auch hier nach den Umständen des Falles zu prüfen, ob der Bank die Gewährung neuer Kredite trotz des Verzugs noch zuzumuten ist. Andererseits kann auch nicht etwa aus der Tatsache, daß durch den Zinszahlungsverzug das Darlehen auf Grund einer vertraglichen Verfallklausel sofort in voller H ö h e fällig wird (vgl. unten Rdn. 1339), ohne weiteres geschlossen werden, daß die Bank nun auch den Krediteröffnungsvertrag kündigen dürfe; denn dieser ist von den einzelnen Kreditgeschäften scharf zu trennen (vgl. oben Rdn. 1201), und daher kann aus dem vorzeitigen Verfall eines Darlehens nicht ohne weiteres auf die Unzumutbarkeit weiterer Kreditgewährungen geschlossen werden, wenngleich hier sehr häufig das Vertrauensverhältnis zerstört und damit die Voraussetzung für eine Kündigung auch des Krediteröffnungsvertrags gegeben sein wird. 1236
Die gleichen Regeln gelten mutatis mutandis zugunsten des Kreditnehmers, wobei allerdings für diesen wegen des Fehlens einer Pflicht zur Inanspruchnahme des Kredits (vgl. oben Rdn. 1230) nicht das Recht zur Kündigung, sondern der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung im Vordergrund steht. Einen Anspruch wegen Nichterfüllung des gesamten Krediteröffnungsvertrags bzw. des gesamten noch nicht erfüllten Rests kann der Kreditnehmer folglich aus einer Vertragsverletzung der Bank hinsichtlich einzelner Leistungen wie z. B. aus der unberechtigten Zurückweisung eines zum Diskont eingereichten Wechsels oder aus einer unberechtigten Akzeptverweigerung in entsprechender Anwendung der soeben entwickelten Grundsätze nur geltend machen, wenn dadurch die Erfüllung des ganzen Vertragszwecks derart gefährdet ist, daß ihm die Fortsetzung des Vertrags nicht zugemutet werden kann.
1237
Die den Rücktritt ersetzende Kündigung wirkt nur ex nunc, und ebenso hat die Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung lediglich Wirkung für die Zukunft, d. h. für den noch nicht erfüllten Rest des Krediteröffnungsvertrags. Das Schicksal bereits gewährter Kredite wird folglich grundsätzlich nicht beeinflußt. Diese werden also erst nach Ablauf ihrer eigenen Laufzeit fällig, wozu das oben Rdn. 1233 Gesagte entsprechend gilt, und können nur in ganz besonderen Ausnahmefällen aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung gekündigt werden (vgl. dazu näher unten Rdn. 1250). c) Die Aufhebung der Geschäftsverbindung oder des Krediteröffnungsvertrags gemäß Ziff. 17 S. 1 AGB
1238
Gemäß Ziff. 17 S. 1 AGB haben die Bank und der Kunde grundsätzlich das Recht, „nach freiem Ermessen die Geschäftsverbindung im ganzen oder einzelne Geschäftsbeziehungen einseitig aufzuheben". Als „einzelne Geschäftsbeziehung" in diesem Sinne ist dabei auch der Krediteröffnungsvertrag anzusehen, so daß dieser auch f ü r sich allein ohne gleichzeitige Beendigung der Geschäftsbeziehung aufgehoben werden kann. Zu beachten ist dabei jedoch, daß Ziff. 17 S. 1 nur „mangels anderweitiger Vereinbarung" gilt und daß eine solche auch konkludent getroffen werden kann. Das Aufhebungsrecht kommt daher von vornherein nicht in Betracht, wenn f ü r den Krediteröffnungsvertrag eine bestimmte Laufzeit 5 2 , eine besondere Zwecksetzung oder eine
51 So aber Stauder S. 159; Schönle § 12 II 4 b ; wie hier dagegen Pantel S. 35. 52 Vgl. auch B G H W M 1981, 150, 151; O L G Düs-
636
seldorf W M 1980, 1300, 1303 Sp. 1; MünchK o m m . - / / . P. Westermann § 610 Rdn. 9.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die Beendigung des Krediteröffnungsvertrags eigene Kündigungsmöglichkeit vereinbart worden ist 53 . Ziff. 17 S. 1 AGB ist folglich nur in den Fällen anwendbar, in denen der Krediteröffnungsvertrag unbefristet und ohne vertragliche Kündigungsmöglichkeit geschlossen worden ist. Die Beweislast für das Vorliegen einer „anderweitigen Vereinbarung" liegt allerdings beim Kunden 5 4 . Trotz dieses beschränkten Anwendungsbereichs kann Ziff. 17 AGB zu beträcht- 1 2 3 9 liehen Härten für den Kreditnehmer führen. Das zeigt sich vor allem im besonders wichtigen Fall des Kontokorrentkredits, da bei diesem häufig — man denke etwa an einen Betriebsmittelkredit — die Zweckbindung zu allgemein und unbestimmt ist, um aus ihr eine Mindestlaufzeit zu entnehmen. Dennoch dürften gegen die Gültigkeit von Ziff. 17 S. 1 keine durchgreifenden Einwände bestehen 5 5 . Denn gemessen an der „Leitbildfunktion" des dispositiven Rechts gemäß § 9 II Ziff. 1 AGBG erscheint die Klausel unbedenklich, da das Gesetz u. a. in §§ 627, 723 BGB die Möglichkeit einer fristlosen, aber gleichwohl keines Grundes bedürftigen Kündigung kennt. Im übrigen läßt sich der Schutz des Kreditnehmers hinreichend mit dem Verbot einer Kündigung zur Unzeit sowie den Grundsätzen über die Treupflicht und den Rechtsmißbrauch gewährleisten (vgl. dazu näher unten Rdn. 1262 ff). Noch weiter zu gehen und nur eine Kündigung „mit einer angemessenen Kündigungsfrist" zuzulassen 5 6 , ist dagegen de lege lata nicht zu rechtfertigen. Die Wirkungen der Aufhebung der Geschäftsverbindung gemäß Ziff. 17 AGB sind 1 2 4 0 in Ziff. 18 AGB geregelt. Danach werden Kontokorrentkredite sofort fällig, Diskontkredite dürfen sofort zurückbelastet werden und für Aval- und Akzeptkredite hat der Kunde die Bank sofort von ihrer Verbindlichkeit zu befreien bzw. ihr Sicherheit zu leisten. Anders als sonst hat die Aufhebung hier also unmittelbaren Einfluß auf das Schicksal bereits gewährter Kredite. Das gilt jedoch nach dem klaren Wortlaut von Ziff. 18 nur für die Beendigung der „Geschäftsverbindung" als ganzer, nicht jedoch auch für die Beendigung einer einzelnen „Geschäftsbeziehung", die in Ziff. 18 anders als in Ziff. 17 nicht gleichgestellt wird. 5 7 . Daran läßt sich auch nicht etwa im Wege der Interpretation etwas ändern. Eine erweiternde Auslegung von Ziff. 18 oder gar eine analoge Anwendung dieser Bestimmung wäre nämlich unvereinbar mit der „Unklarheitenregel" gemäß § 5 AGBG, wonach Allgemeine Geschäftsbedingungen im Zweifel gegen den Aufsteller zu interpretieren sind. Das gilt um so mehr, als man dem Fehlen der „einzelnen Geschäftsbeziehung" in Ziff. 18 AGB durchaus einen vernünftigen Sinn abgewinnen kann; denn angesichts der außerordentlich weitreichenden Folgen von Ziff. 18 erscheint es keineswegs unangemessen, daß diese nur bei dem schwerwiegenden Tatbestand der Beendigung der gesamten Geschäftsverbindung, nicht aber auch schon bei bloßer Beendigung einer einzelnen Geschäftsbeziehung zur Anwendung kommen. Für diese Auslegung spricht außerdem auch Abs. 2 von Ziff. 18, da die dort geregelte Fortgeltung der AGB überhaupt nur bei Beendigung der gesamten Geschäftsverbindung, nicht aber einer einzelnen Geschäftsbeziehung zweifelhaft sein kann. Beschränkt sich die Bank also auf die Aufhebung des Krediteröffnungsvertrags und läßt sie im übrigen die Geschäftsverbindung fortbestehen, so entfällt lediglich die Pflicht 53
Vgl. auch StauderS. 152 m. w. N a c h w . in Fn. 48; H. P. Westermann ZfgG 29 (1979), 70; Pantel S. 39 f. 5« Vgl. B G H W M 1979, 457, 458. 55 Vgl. näher Canaris Z H R 143 (1979) 119 f; a. A. vor allem StauderS. 151; i. E. wie hier ausdrücklich O L G Düsseldorf W M 1977, 546 unter 1 2 ; Hopt Z H R 143, 162 Fn. 96 a. E.; H. P. Westermann a a O (wie Fn. 53) und in M ü n c h K o m m .
56 57
§ 610 Rdn. 12; Pantel S. 40 ff; Graf von Westphalen W M 1980, 1419; der B G H setzt die Gültigkeit von Ziff. 17 S. 1 AGB ersichtlich als selbstverständlich voraus, vgl. B G H W M 1959, 664, 665; 1978, 234, 235 unter II 2; 1979, 1176, 1178. So Stauder a a O . Zustimmend Pantel S. 54; MünchKomm.H. P. Westermann $ 610 Rdn. 17.
Claus-Wilhelm Canaris
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11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag
zur Gewährung weiterer Kredite, während das Schicksal bereits gewährter Kredite entsprechend der Trennungstheorie (vgl. oben Rdn. 1201) und in Einklang mit den auch sonst f ü r die Kündigung geltenden Regeln (vgl. oben Rdn. 1237 und unten Rdn. 1244, 1249 f, 1273) unberührt bleibt (vgl. auch B G H W M 1959 664, 665). 1241
Auch auf die Kreditkosten wirkt sich die Auflösung des Vertrags bzw. der Geschäftsverbindung aus. So wird man dem Kreditnehmer gemäß § 812 I 2 BGB einen Anspruch auf anteilsmäßige Rückzahlung der Bereitstellungsprovision geben müssen (a. A. SiebelBH 1954 520); denn diese ist das Entgelt dafür, daß der Kredit während der verabredeten Laufzeit zur Verfügung des Kunden gehalten wird, und diese „Bereitstellung" entfällt nunmehr vom Augenblick der Auflösung an. Andererseits stehen der Bank gemäß Ziff. 14 III AGB Überziehungszinsen und gegebenenfalls auch eine Uberziehungsprovision zu, wenn der Kunde einen etwa fälligen Kredit nicht fristgerecht zurückzahlt (vgl. auch Siebel aaO).
d) Die ordentliche Kündigung 1242
Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung des Krediteröffnungsvertrags durch die Bank ist zu differenzieren. Unproblematisch ist die Rechtslage, wenn eine ordentliche Kündigung im Vertrag ausdrücklich vorgesehen ist. Enthält dieser dagegen keine entsprechende Klausel, so kommt es darauf an, ob der Krediteröffnungsvertrag eine bestimmte Laufzeit hat oder ob er auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist. Im ersteren Fall besteht ein Recht zu einer ordentlichen Kündigung nicht, da sich Befristung und ordentliche Kündigung im Zweifel, d. h. mangels einer entgegenstehenden Vertragsabrede ausschließen; das folgt nicht nur aus dem in den §§ 565 c, 620 II BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, sondern ergibt sich vor allem auch aus dem Sinn und Zweck der Laufzeitbestimmung, da diese dem Kunden im Zweifel während des Laufs der Frist grundsätzlich eine feste Rechtsposition geben soll. Ist der Krediteröffnungsvertrag dagegen ohne Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, so stellt sich an sich die auch aus anderem Zusammenhang bekannte Frage, ob und in welchen Grenzen hier gleichwohl ein Recht zu einer ordentlichen Kündigung zu gewähren ist 58 . Diese Problematik dürfte hier indessen nicht praktisch werden, da bei Fehlen einer vertraglichen Regelung Ziff. 17 S. 1 AGB eingreift (vgl. oben Rdn. 1238). Folglich kann die Bank in diesem Falle grundsätzlich jederzeit kündigen, sofern sie nur das Verbot der Kündigung zur Unzeit beachtet (vgl. zu diesem näher unten Rdn. 1262 f).
1243
Die Vorschrift des § 609 BGB ist dagegen auf den Krediteröffnungsvertrag nicht anwendbar — und zwar auch dann nicht, wenn es sich um einen Darlehenskredit handelt 5 9 . Das ergibt sich nach dem soeben Gesagten schon daraus, daß für die Anwendung des § 609 BGB gar kein Raum bleibt, weil alle regelungsbedürftigen Fälle bereits anderweitig erfaßt sind. Es gilt aber darüber hinaus und vor allem auch deshalb, weil § 609 BGB seinem Wortlaut und Sinn nach hier überhaupt nicht paßt. Die Vorschrift hat nämlich nur die Kündigung eines gewährten Darlehens und die Herbeiführung von dessen Rückzahlbarkeit zum Gegenstand, während es hier um die ganz andere Problematik der Kündigung eines bloßen D3.r\t)\tnsversprechen$ und der Beseitigung der Pflicht zur Auszahlung weiterer Darlehen geht. 58 Vgl. dazu näher Canaris G r o ß k o m m , zum H G B 3 , § 356 Anm. 33 Abs. 2 m. N a c h w . 5» Vgl. Canaris Z H R 143 (1979) 119; zustimmend
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Graf von Westphalen W M 1980, 1420; a. A. Stauder S. 153 und S. 157 f; o f f e n b a r auch Schönle § 12 II 5 a.
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IV. D i e B e e n d i g u n g des Krediteröffnungsvertrags
Dagegen kann sich nach § 609 BGB das Schicksal bereits gewährter Kredite bestim- 1244 men, sofern nicht entgegenstehende vertragliche Abmachungen die Anwendung der Vorschrift ausschließen. Auch hier ist also wieder entsprechend der Trennungstheorie (vgl. oben Rdn. 1201) scharf zwischen der Kündigung des Krediteröffnungsvertrags und der Kündigung der einzelnen gewährten Kredite zu unterscheiden 60 . Die (ordentliche) Kündigung des Krediteröffnungsvertrags läßt bereits gewährte Kredite folglich grundsätzlich unberührt 6 1 . Diese werden daher erst dann fällig, wenn die für sie vereinbarte eigene Laufzeit beendet ist, wenn der mit der Kreditgewährung verfolgte Zweck erreicht ist, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 609 BGB erfüllt sind oder wenn die sonstigen für eine Rückzahlung bzw. Revalierung geltenden Voraussetzungen gegeben sind. Für eine Kündigung des Krediteröffnungsvertrags durch den Kreditnehmer besteht 1 2 4 5 grundsätzlich kein Bedürfnis, da auch ihm die Auflösungsmöglichkeit gemäß Ziff. 17 S. 1 AGB zu Gebote steht. Davon zu unterscheiden ist auch hier die Frage einer Kündigung der einzelnen Kreditgeschäfte. Dafür gelten die allgemeinen Vorschriften und Regeln. Beim Aval- und beim Akzeptkredit besteht also grundsätzlich die Kündigungsmöglichkeit gemäß §§ 675, 649 BGB, beim Darlehenskredit die Kündigungsmöglichkeit gemäß § 609 BGB oder gemäß § 247 BGB usw. (vgl. dazu auch unten Rdn. 1342). e) Die außerordentliche Kündigung Da der Krediteröffnungsvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist (vgl. oben Rdn. 1202) 1246 und jedes Dauerschuldsverhältnis grundsätzlich der außerordentlichen Kündigung unterliegt, besteht beim Krediteröffnungsvertrag auch ohne eine entsprechende Vertragsklausel ein Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund 62 . Ein solcher ist entsprechend dem in § 626 I BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken dann gegeben, „wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann". Entscheidend ist dabei allein, ob ein solcher Grund objektiv gesehen vorliegt; daß die Bank ihn nennt, ist anders als nach der — nicht verallgemeinerungsfähigen — Sonderregelung von § 626 II 3 BGB nicht erforderlich (so mit Recht BGH WM 1979 1176, 1178). Beispiele eines wichtigen Grundes sind in Ziff. 17 S. 2 AGB aufgezählt. Dort wer- 1247 den unrichtige Angaben des Kunden über seine Vermögensverhältnisse, eine wesentliche Verschlechterung seines Vermögens oder eine erhebliche Vermögensgefährdung 6 3 sowie die Verweigerung der Stellung oder Verstärkung von Sicherheiten genannt. Man wird das als eine grundsätzlich zulässige und zutreffende rechtsgeschäftliche Konkretisierung des „wichtigen Grundes" — bzw. der Voraussetzungen des Widerrufsrechts gemäß § 610 BGB (vgl. dazu unten Rdn. 1254 ff) — ansehen können, doch bedürfen die Beispiele der Präzisierung unter dem Gesichtpunkt von Treu und Glauben. So müssen die falschen Angaben vertragserheblich sein, indem sie sich entweder auf die Sicherheit des Kredits auswirken oder Zweifel an der persönlichen Zuver«> A. A. offenbar Stauder S. 152 ff und S. 157 ff, dessen Ausführungen insoweit jedoch wenig klar sind; wie hier dagegen z. B. Hopt Z H R 143, 160; Pantel S. 57. 61 A. A. zu Unrecht B G H W M 1963, 507, 508 unter
12 a und b zum Diskontkredit; vgl. dazu näher unten Rdn. 1556. 62 Vgl. auch Schoen S. 161 f; Stauder S. 153 und S. 158; Scbönle § 12 II 5 a. « Vgl. dazu z. B. B G H W M 1959 1002, 1003; O L G Düsseldorf WM 1978, 1300, 1303.
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11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag lässigkeit des Kunden als Kreditnehmer begründen; die Vermögensverschlechterung oder -gefährdung muß die Interessen der Bank in nicht unwesentlicher Weise beeinträchtigen, was vor allem beim Vorhandensein ausreichender Sicherheiten regelmäßig zu verneinen sein wird 6 4 ; die Verweigerung der Sicherheitsbestellung oder -erhöhung muß vertragswidrig sein oder gegen Ziff. 19 I und V I A G B verstoßen 6 5 , was heute auch schon im Wortlaut der Klausel („Verpflichtung" zur Stellung. . .) anklingt. Die Begründung für diese Einschränkungen liegt darin, daß ohne sie Ziff. 17 S. 2 A G B sich zu weit vom „Leitbild" des typischen „wichtigen Grundes" entfernen würde und daher mit § 9 II Ziff. 1 A G B G unvereinbar wäre; dogmatisch dürfte es sich dabei noch um eine an Treu und Glauben orientierte restriktive Auslegung und nicht um eine (verdeckte) Inhaltskontrolle handeln. 1248
Außer den in Ziff. 17 A G B genannten Beispielen kommen auch noch andere Fälle eines wichtigen Grundes in Betracht. Zu denken ist vor allem an schwere Vertragsverletzungen durch den Kunden 6 6 (soweit diese nicht ohnehin schon nach den oben Rdn. 1234 f entwickelten Regeln eine fristlose Vertragsauflösung rechtfertigen). Dagegen reicht eine Verschlechterung der Kapitalmarktsituation und insbesondere eine von der Deutschen Bundesbank verfügte Politik scharfer Kreditrestriktionen in aller Regel nicht für eine Kündigung aus wichtigem Grund aus 6 7 . Vollends unerheblich ist eine Verschlechterung der Finanzlage der Bank, was sich insbesondere aus dem Rechtsgedanken des § 279 B G B ergibt.
1249
Die Wirkung der außerordentlichen Kündigung beschränkt sich auf die Zukunft und bringt daher lediglich die Verpflichtung zur Gewährung weiterer Kredite zu Fall, während sie grundsätzlich, d. h. mangels einer abweichenden vertraglichen Abrede, das Schicksal bereits gewährter Kredite entsprechend dem oben Rdn. 1233 und 1244 Gesagten auch hier wieder unberührt läßt 6 8 . Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Ziff. 18 A G B , da diese Klausel nicht für die — hier allein zur Erörterung stehende — Kündigung des Krediteröffnungsvertrags, sondern nur für die Auflösung der gesamten Geschäftsverbindung gilt (vgl. oben Rdn. 1240).
1250
Man kann auch nicht allgemein sagen, daß der wichtige Grund zur Kündigung des Krediteröffnungsvertrags notwendigerweise zugleich ein wichtiger Grund zur Kündigung der gewährten Kredite sein muß. Beim Aval- und beim Akzeptkredit gilt das schon deshalb, weil die Bank hier eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten eingegangen ist und weil diese nach dem Abstraktionsprinzip (vgl. oben Rdn. 1134 ff) vom Schicksal des Deckungsverhältnisses zwischen der Bank und dem Kunden grundsätzlich unabhängig ist, so daß eine fristlose Kündigung des Krediteröffnungsvertrags die Verpflichtung der Bank aus dem Garantie- oder Bürgschaftsvertrag bzw. aus dem Akzept unberührt läßt. Allerdings wird man der Bank in unmittelbarer bzw. analoger Anwendung des § 775 B G B einen Befreiungsanspruch oder einen Anspruch auf Sicherheitsleistung geben müssen, sofern die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind, « Vgl. Canaris Z H R 143, 120 und dazu z. T . kritisch Obermüller ZIP 1980, 343, zu dessen Ansicht jedoch in Wahrheit kein sachlicher Gegensatz bestehen dürfte, da die hier verwendete Formulierung durch ihre Flexibilität („ausreichende Sicherheiten", „regelmäßig") ohne weiteres für die von Obermüller befürworteten Einschränkungen Raum läßt. « Zustimmend B G H W M 1979, 1176, 1179 Sp. 1 1981, 150, 151; vgl. dazu ferner O L G Düsseldorf
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W M 1978, 1300, 1304; Graf von Westphalen^JU 1980, 1419. Vgl. dazu z. B. W M 1978, 2 3 4 ; 1980, 380 (freilich nicht zu einem bankrechtlichen Fall); Obermüller Z I P 1980, 343 f. V Vgl. auch O L G Frankfurt M D R 1952, 745; Schoen S. 165; Stauder S. 160; H. P. Westermann aaO (Fn. 55) S. 71. A. A. wohl Schoen S. 163 ff und Stauder S. 159 ff, deren Ausführungen insoweit zumindest höchst mißverständlich sind.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D i e B e e n d i g u n g des Krediteröffnungsvertrags
was sich freilich hinsichtlich der Sicherheitsleistung auch bereits aus Ziff. 19 I AGB ergeben dürfte. Beim Darlehenskredit treffen diese Einwände dagegen nicht zu. Da das Darlehen ein Dauerschuldverhältnis darstellt, unterliegt es nämlich grundsätzlich auch der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund (vgl. auch unten Rdn. 1341). Daraus folgt indessen nicht, daß ein wichtiger Grund zur Kündigung des Krediteröffnungsvertrags zugleich ein wichtiger Grund zur Kündigung bereits gewährter Darlehen sein muß. Denn es ist eine andere Frage, ob der Bank die Gewährung weiterer Kredite unzumutbar ist, oder ob ihr auch die Belassung schon gewährter Kredite bis zum vereinbarten RückZahlungstermin unzumutbar ist; auch wenn ersteres zu bejahen ist, kann gleichwohl letzteres zu verneinen sein wie z. B., wenn für die gewährten Darlehen ausreichende Sicherheiten bestehen, für weitere Kredite dagegen nicht mehr. Nicht selten werden freilich die Gründe, die zu einer fristlosen Kündigung des Krediteröffnungsvertrags berechtigen, auch für eine fristlose Kündigung der schon gewährten Darlehen ausreichen; vor allem bei schweren Vertragsverletzungen des Kreditnehmers wird das oft der Fall sein. f) Der Widerruf gemäß § 610 BGB Ein besonderes Recht zur Auflösung des Krediteröffnungsvertrags ergibt sich f ü r 1251 die Bank aus § 610 BGB. Das dort vorgesehene Widerrufsrecht gleicht konstruktiv und hinsichtlich der Rechtsfolgen im wesentlichen dem Kündigungsrecht, doch sollte man es u-m der terminologischen Klarheit willen von diesem unterscheiden. Dogmatisch handelt es sich um einen besonderen Anwendungsfall der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die für diese entwickelten ungeschriebenen Regeln können allerdings neben § 6 1 0 BGB zum Zuge kommen, sofern es sich nicht gerade um den von §610 BGB allein erfaßten Tatbestand der Vermögensverschlechterung handelt 6 9 . Im Verhältnis zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund ist § 610 BGB 1 2 5 2 als vorrangige lex specialis anzusehen; denn die Vorschrift zählt die maßgeblichen T a t bestandsmerkmale abschließend auf und läßt daher f ü r die Abwägung aller Umstände des Falles, die bei einer außerordentlichen Kündigung erforderlich ist, keinen Raum. Im Verhältnis zu vertraglichen Kündigungsregelungen ist §610 BGB dagegen grundsätzlich nachrangig, da die Vorschrift nach ihrem klaren Wortlaut nur „im Zweifel" gilt. Die Parteien können daher z. B. die Gründe für eine Kündigung abschließend festlegen oder die Widerrufsmöglichkeit abweichend von §610 BGB gestalten; freilich bleibt es stets eine Frage der Auslegung des einzelnen Vertrags, ob die Bank sich des Widerrufsrechts gemäß §610 BGB wirklich begeben wollte, oder ob die vertragliche Regelung nicht vielmehr neben dieses treten sollte. Der Anwendungsbereich des § 610 BGB ist entgegen einer verbreiteten Ansicht 7 0 1 2 5 3 nicht auf den Darlehenskrediteröffnungsvertrag beschränkt. Die Vorschrift gilt vielmehr analog f ü r alle anderen Krediteröffnungsverträge wie z. B. f ü r den Akzeptkredit und den Avalkredit 71 . Die Begründung der Gegenmeinung, § 610 BGB sei eine Sondervorschrift und daher nicht verallgemeinerungsfähig, ist methodisch überholt, da nach richtiger und heute wohl unstreitiger Ansicht auch Sondervorschriften der Analo»» Vgl. auch B G H W M 1964, 62, wo freilich schon mit den Mitteln der Auslegung zum Ziel zu kommen gewesen wäre; vgl. ferner O L G Düsseldorf WM 1976, 882, 885, wo umgekehrt die Heranziehung der Lehre von der Geschäftsgrundlage näher gelegen hätte als eine bloße Vertragsauslegung.
70 Vgl. Stauder S. 128 f und S. 148; Schönle § 12 II 5 a; Staudinger/Riedel § 610 Anm. 5. 71 Vgl. auch Dam BankArch. 1906/07, 99; Scboen S. 157; Pantel S. 77 f; Palandt/Putzo §610 Anm. 1 c; MünchKomm.-//. P. Westermann § 610 Rdn. 2 a. E. m. w. Nachw.
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641
11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag gie fähig sind. Sie ist überdies auch in sich selbst unschlüssig, da §610 BGB eben gerade keine Sondervorschrift, sondern Ausdruck des allgemeinen Instituts der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage ist (vgl. oben Rdn. 1251); es ist aber heute anerkannt, daß die dogmatische Präzisierung der Regeln über die Geschäftsgrundlage sich so weit wie möglich an der gesetzlichen Risikoverteilung ausrichten sollte, und daher ist §610 BGB für alle Verträge mit Kreditcharakter heranzuziehen, da sich das Problem der nachträglichen Vermögensverschlechterung für sie alle in gleicher Weise stellt (vgl. auch oben Rdn. 1207) und da überdies auch die mit § 610 BGB eng verwandte Vorschrift des § 321 BGB für alle gegenseitigen Verträge gilt und so mittelbar die Verallgemeinerungsfähigkeit von § 610 BGB beweist. Im übrigen wäre es auch vom Ergebnis her widersprüchlich und willkürlich, wollte man zwar bei einem Darlehenskredit die Problematik der nachträglichen Vermögensverschlechterung nach der tatbestandlich klaren und einfachen Norm des §610 BGB lösen, bei den übrigen Kreditgeschäften dagegen auf die noch immer unklaren Regeln über die Geschäftsgrundlage und auf § 242 BGB oder gar auf die Kündigung aus wichtigem Grund und die dabei erforderliche Abwägung aller Umstände des Einzelfalles ausweichen. 1254
Tatbestandlich setzt §610 BGB in erster Linie eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers voraus. Als eine solche ist grundsätzlich jede Verminderung des Vermögens anzusehen. Daher kann sich auch das Vermögen eines konkursreifen Unternehmens noch verschlechtern, wenn dessen Schulden weiter wachsen und die voraussichtliche Konkursquote dadurch geringer wird (vgl. BGH WM 1959 626, 629 f). Eine Vermögensminderung ist zwar in aller Regel ausreichend für die Annahme einer Verschlechterung, aber nicht unbedingt erforderlich. Das Gesetz fordert nämlich nicht eine Verschlechterung des Vermögens, sondern allgemeiner der „Vermögensverhältnisse". Deshalb kann z. B. auch der Wegfall einer begründeten Aussicht auf Kredit oder die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen wegen bereits bei Vertragsschluß bestehender Schulden als Verschlechterung i. S. von § 610 BGB anzusehen sein, obwohl das Vermögen des Kreditnehmers dadurch nicht im eigentlichen Sinne gemindert zu werden braucht (vgl. BGH WM 1963 1274, 1276). Dementsprechend kann auch eine bloße Krediterschütterung für die Anwendung des § 610 BGB ausreichen. Maßgeblich für die Bestimmung des Begriffs der Verschlechterung sind also nicht streng juristische Maßstäbe, sondern wirtschaftliche Gesichtspunkte und die Verkehrsauffassung (vgl. RG WarnRspr. 1908 Nr. 298; BGH W M 1963 1274, 1276). Auch Beeinträchtigungen der Verdienstmöglichkeiten wie z. B. das Entstehen von Absatzschwierigkeiten sind folgerichtig u. U. als Verschlechterung der Vermögensverhältnisse zu betrachten (vgl. BGH WM 1957 949, 952 unter 5). Es muß sich allerdings stets um eine individuelle Verschlechterung der Vermögensverhältnisse gerade des Kreditnehmers handeln. Eine allgemeine wirtschaftliche Rezession oder Ereignisse wie ein Kriegsausbruch, eine Handelskrise und die Einführung von Kreditrestriktionen durch die Bundesbank reichen daher für die Anwendung des § 610 BGB nicht aus (vgl. auch RG WarnRspr. 1916 Nr. 6). Unanwendbar ist § 610 BGB ferner auch dann, wenn die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse gerade darauf zurückzuführen ist, daß die Bank den versprochenen Kredit zu Unrecht nicht oder zu spät ausgezahlt hat (vgl. auch RG Recht 1907 Nr. 3296); das folgt aus § 242 BGB und dem Verbot der Berufung auf eigenes Unrecht.
1255
Die Verschlechterung muß nach Vertragsschluß erfolgt sein (vgl. dazu z. B. RG J W 1909 309); das ergibt sich u. a. aus dem Wortlaut des Gesetzes, da der Ausdruck „eintritt" nur für nachträgliche Änderungen paßt. Lagen die maßgeblichen Umstände schon bei Vertragsschluß vor, so kommt grundsätzlich nur eine Anfechtung nach §§119 II, 642
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D i e B e e n d i g u n g des Krediteröffnungsvertrags
123 BGB (vgl. oben Rdn. 1213) oder eine Kündigung aus wichtigem Grund (vgl. oben Rdn. 1246 ff) in Betracht. Möglich ist ferner, daß ein vertraglich vereinbartes Widerrufs- oder Kündigungsrecht nach Wortlaut und Sinn der Abrede auch für den Fall gelten soll, daß die kreditgefährdenden Umstände schon bei der Kreditzusage vorlagen und erkennbar waren, der Bank aber erst nachträglich bekannt geworden sind (vgl. BGH WM 1957 949, 951); das ist jedoch im Zweifel nicht anzunehmen und muß daher entsprechend unmißverständlich vereinbart sein, da erkennbare Umstände — ähnlich wie bei der Geschäftsgrundlagenproblematik — grundsätzlich in den Rahmen des vertraglich übernommenen Risikos fallen (bedenklich daher BGH aaO; richtig demgegenüber insoweit OLG Düsseldorf WM 1978 1300, 1303, wo es freilich z . T . sogar um bekannte Umstände ging). Erforderlich ist schließlich die Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs. Meist 1256 wird diese sich ohne weiteres schon aus der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse selbst ergeben. Anders liegt es insoweit vor allem dann, wenn der Kreditnehmer noch genügend andere Mittel hat oder wenn ausreichende Sicherheiten für den Rückerstattungsanspruch bestehen 7 1 a ; ob eine Sicherheit ausreichend ist, beurteilt sich im wesentlichen nach der Höhe des sogenannten Zerschlagungswertes, also des Erlöses, der bei einer Zwangsversteigerung vermutlich zu erzielen sein wird (vgl. BGH W M 1960 576, 578 f unter IV). Die Wirkungen des Widerrufs entsprechen weitgehend denen der Kündigung. 1 2 5 7 Bereits gewährte Kredite werden daher hier ebensowenig wie bei jener ohne weiteres zur Rückzahlung fällig, da sich §610 BGB nur auf das Darlehensversprechen, nicht aber auf die Darlehensgewährung bezieht 72 . Die Gewährung eines Teils der Kredite läßt jedoch nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes die Möglichkeit des Widerrufs hinsichtlich des noch nicht ausgenützten Rests der Kreditzusage unberührt 7 3 . g) Der Konkurs des Kreditnehmers Der Konkurs des Kreditnehmers führt ipso iure zum Erlöschen des Krediteröff- 1258 nungsvertrags 74 . Das ergibt sich für den Akzept- und den Avalkredit unmittelbar aus § 23 II K O und folgt für den Darlehens- und den Diskontkredit aus analoger Anwendung dieser Bestimmung, weil durch den Konkurs das den Krediteröffnungsvertrag tragende Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört ist und § 23 II K O den allgemeinen Rechtsgedanken zum Ausdruck bringt, daß in einem solchen Falle das Vertragsverhältnis ipso iure enden soll. Auch wenn man mit der Gegenmeinung § 17 K O anwendet 7 5 , kommt man indessen nicht zu wesentlich anderen Ergebnissen. Der Eintritt des Konkurses ist dann nämlich jedenfalls bei Fehlen ausreichender Sicherheiten 76 , als Grund zum Widerruf gemäß § 610 BGB sowie auch zur außerordentlichen Kündigung anzusehen, so daß die Bank jedenfalls nicht gegen ihren Willen zur Auszahlung weiterer Kredite gezwungen werden kann. Im übrigen könnte das Wahlrecht —
7la
S o auch K. Schmidt J Z 1976, 759; MünchKomm.H. P. Westermann § 610 Rdn. 6. " Vgl. Gernhuber ]Z 1959, 314, 315; Schoen S. 158; Stauder S. 150. " Vgl. R G Z 52, 5, 10 f; Schoen S. 157 f; Soergel/ Lippisch/Häuser*1 §610 Rdn. 10; a. A. Gernhuber J Z 1959, 315 und StauderS. 149. Ebenso i. E. Schönke JW 1934, 2745 ff; Schoen S. 148 ff; K. Schmidt J Z 1976, 762; Schönle § 12
75
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II 5 a; Jaeger/Henckel Komm, zur K O 9 , § 1 7 Rdn. 16; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck Komm, zur KO 9 , § 17 Rdn. 7 gegen Ende. So vor allem A. Koch Kredit im Recht S. 112; für den Fall einer Verbindung mit einem Kontokorrentverhältnis auch Klausing S. 125 f. Vgl. auch K. Schmidt JZ 1976, 759 bei Fn. 44; a. A. zu Unrecht (vgl. oben Rdn. 1256) Obermüller Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 15/56.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
643
11. Abschnitt. D e r Krediteröffnungsvertrag
ebenso wie beim Sukzessivlieferungsvertrag 77 — nur hinsichtlich des Krediteröffnungsvertrags im ganzen ausgeübt werden mit der Folge, daß die Ansprüche der Bank aus schon abgerufenen Krediten zu Masseschulden gemäß § 59 Ziff. 2 K O werden. 1259
Was das Schicksal schon gewährter Kredite angeht, so werden diese gemäß § 65 I K O zur sofortigen Rückzahlung fällig 78 . H a t der Kreditnehmer ein Guthaben bei der Bank, steht dieser gemäß §§ 54 f K O das Recht der Konkursaufrechnung zu, da der RückZahlungsanspruch dem Grunde nach schon vor Konkurseröffnung entstanden ist (vgl. auch unten Rdn. 1563 zum entsprechenden Problem beim Diskontgeschäft). H a t sie freilich das Guthaben erst in der kritischen Phase erlangt, kann sie der Konkursanfechtung gemäß § 30 K O ausgesetzt sein; wegen der Einzelheiten, insbesondere auch wegen der Behandlung etwaiger Sanierungskredite, ist auf die Ausführungen oben Rdn. 499 zu verweisen. Im Anschlußkonkurs stellt der Darlehensrückzahlungsanspruch gemäß § 106 VerglO grundsätzlich eine Masseschuld dar, sofern das Darlehen mit Zustimmung des Vergleichsverwalters aufgenommen worden ist 79 . h) Der Konkurs der Bank
1260
Im Konkurs der Bank unterliegt der Krediteröffnungsvertrag grundsätzlich dem Wahlrecht des Konkursverwalters gemäß § 17 KO. Das gilt freilich nur bis zur Gewährung des Kredits, also z. B. der Übernahme der Garantie oder der Auszahlung des Gelddarlehens (vgl. zu letzterer näher unten Rdn. 1318 ff). Zwar erschöpft sich die Leistung der Bank nicht in der Kreditgewährung, sondern erstreckt sich vom Boden der hier vertretenen Ansicht aus (vgl. oben Rdn. 1203) auch auf die Belassung des Kredits, doch kann für die Anwendung von § 17 K O nur die Kreditgewährung ausschlaggebend sein 8 0 ; denn durch diese erlangt der Kreditnehmer eine feste, bei Ubereignung von Bargeld geradezu dingliche Rechtsstellung, die folgerichtig konkursbeständig sein muß (vgl. auch die folgende R d n . ) . Dagegen reicht es f ü r eine Verneinung von § 17 K O nicht aus, daß der Kreditnehmer die Bereitstellungsprovision bezahlt hat. Vielmehr ist als Gegenleistung i. S. von § 17 K O nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift sowie in folgerichtiger Durchführung der oben Rdn. 1203 vertretenen Ansicht das Äquivalent für die Kreditgewährung selbst, also die Zins- bzw. Provisionszahlung, anzusehen.
1261
Noch weitergehend in Analogie zu § 728 BGB der Masse einen Anspruch auf sofortige Rückzahlung bereits gewährter Kredite zu geben, sofern es sich um einen langfristigen Unternehmenskredit handelt 8 1 , geht nicht an. Dagegen spricht schon der naheliegende Einwand, daß das Kriterium des „langfristigen Unternehmenskredits" zu unscharf ist, um praktisch zu befriedigen, und zu systemfremd, um dogmatisch zu überzeugen. Außerdem und vor allem aber paßt die ratio legis von § 728 BGB hier nicht. Denn im Normalfall der BGB-Gesellschaft ist der Gemeinschuldner dinglich am Gesamthandsvermögen beteiligt, so daß es lediglich um die Mobilisierung dieses dinglichen Vermögenswertes f ü r die Masse geht 8 2 , während der Kreditgeber nach der Kre77
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Vgl. dazu z. B. Palandt/Heinrichs § 326 Anm. 13 m. w. Nachw. Wohl unstreitig, vgl. z. B. K. Schmidt JZ 1976, 761; MünchKomm.-//. P. Westermann §607 Rdn. 39. Vgl. dazu näher Obermüller Die Bank im Konkurs ihres Kunden S. 113 ff; ebenso z . B . MünchKomm,-H. P. Westermann § 6 0 7 Rdn. 41 a. E. m. w. Nachw.
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Ebenso i. E. K.Schmidt J Z 1976, 761; Jaegerl Henckel a a O (Fn. 74) §17 Rdn. 12; MünchKomm.-//. P. Westermann § 607 Rdn. 40. So K. Schmidt JZ 1976, 759 und 761 f im Anschluß an Jaeger, Komm, zur K O s / 7 , § 3 Anm. 16 a; kritisch dazu RGRKomm.-Ballhaus §607 Rdn. 80; M ü n c h K o m m . - / / . / ' . Westermann § 607 Rdn. 40. Zutreffend daher im Grundsätzlichen z. B. RG J W 1938, 1025.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die Beendigung des Krediteröffnungsvertrags ditgewährung, insbesondere nach der A u s z a h l u n g eines Gelddarlehens eben nicht mehr einen dinglichen V e r m ö g e n s w e r t , sondern nur noch einen obligatorischen R ü c k z a h lungsanspruch hat; dem entspricht die — wiederum beim Gelddarlehen besonders evidente — Verdinglichung der Rechtsstellung des K r e d i t n e h m e r s , die noch stärker ist als die eines Mieters und die g e r a d e z u ein a r g u m e n t u m a fortiori aus § 21 I K O nahelegt. Z w a r m a g es sein, daß § 728 B G B nicht notwendigerweise eine gesamthänderische Beteiligung des Gemeinschuldners v o r a u s s e t z t 8 3 , d o c h handelt es sich dann allenfalls um Randberichtigungen innerhalb des Gesellschaftsrechts, die einer Ü b e r t r a g u n g auf das Kreditrecht nicht z u g ä n g l i c h sind. 2. S c h r a n k e n der Kreditbeendigung und -Verweigerung
a) Das Verbot der Kündigung zur Unzeit Für die K r e d i t k ü n d i g u n g gilt in Analogie zu § 627 II, 671 II, 6 7 5 H a l b s . 2, 723 II 1 2 6 2 B G B das V e r b o t einer K ü n d i g u n g zur U n z e i t 8 4 . D e r S c h u t z z w e c k dieser R e g e l u n g besteht darin, d e m G e k ü n d i g t e n eine angemessene Frist f ü r die erforderlichen U m d i s positionen zu sichern. D e m g e m ä ß darf die B a n k nur so kündigen, daß dem Kreditnehmer g e n ü g e n d Zeit f ü r die B e s c h a f f u n g des fälligen Kapitals u n d / o d e r f ü r die e r f o r d e r liche U m s c h u l d u n g bleibt. O b diese dem Kreditnehmer gelingt, d. h. ob er binnen angemessener Frist g e n ü g e n d Kapital beschaffen b z w . einen anderen K r e d i t g e b e r finden kann, ist j e d o c h grundsätzlich sein eigenes Risiko. Bei V e r l e t z u n g des V e r b o t s der K ü n d i g u n g zur U n z e i t hat der Kreditnehmer ledig- 1 2 6 3 lieh einen Anspruch auf E r s a t z des aus der Unzeitigkeit entstehenden Schadens, nicht aber einen Anspruch auf Fortdauer der Kreditbereitstellung o d e r - g e w ä h r u n g . D i e W i r k s a m k e i t der K ü n d i g u n g wird also durch die Unzeitigkeit nicht beeinträchtigt, d a die §§ 627 II usw. B G B ihrer unmißverständlichen F a s s u n g nach keine „dingliche", sondern nur eine „schuldrechtliche" K ü n d i g u n g s s c h r a n k e enthalten. Teilt die B a n k dem Kreditnehmer die beabsichtigte K ü n d i g u n g zur V e r m e i d u n g eines Verstoßes g e g e n d a s V e r b o t einer unzeitigen K ü n d i g u n g mit und versucht dieser d a r a u f h i n , noch rasch die Kreditlinie in voller H ö h e a u s z u s c h ö p f e n , so wird darin i. d. R . ein wichtiger G r u n d f ü r eine unzeitige K ü n d i g u n g liegen, w a s die B a n k g e m ä ß § 242 B G B dem A u s z a h lungsbegehren auch einredeweise entgegensetzen kann.
b) Der Einwand des Rechtsmißbrauchs und die Treupflicht als Schranken des Rechts zur ordentlichen Kündigung Anders als ein V e r s t o ß g e g e n das V e r b o t der K ü n d i g u n g z u r U n z e i t führt ein V e r - 1 2 6 4 stoß g e g e n das V e r b o t des Rechtsmißbrauchs z u r U n w i r k s a m k e i t der K ü n d i g u n g . D e n n die mißbräuchliche A u s ü b u n g eines Rechts wird von der R e c h t s o r d n u n g g r u n d sätzlich nicht anerkannt und ist also unwirksam — sei es, daß man mit der „Innentheorie" eine Ü b e r s c h r e i t u n g der immanenten Schranken des betreffenden Rechts annimmt, o d e r sei es, daß man mit der „Außentheorie" von einer externen B e g r e n z u n g des — an sich als unbeschränkt g e d a c h t e n — Rechts ausgeht. D a ß das R e c h t z u r ordentlichen K ü n d i g u n g dem V e r b o t des Rechtsmißbrauchs 1 2 6 5 unterliegt, kann im G r u n d s a t z nicht bezweifelt w e r d e n 8 5 , da dieses universelle G e l t u n g 8' Darauf stellt K. Schmidt a a O maßgeblich ab. 8 4 Vgl. eingehend Canaris Z H R 143, 114 f f ; i. E. ebenso O L G Düsseldorf WM 1977, 546, 547 unter 4; U. H. Schneider J R 1978, 417; Hopt Z H R 143, 163; H. P Westermann Z f g G 29 (1979), 70 und in MünchKomm. § 6 0 9 Rdn. 6; Pantel S. 130 ff.
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Vgl. auch B G H WM 1979, 1176, 1179 unter c a a ; 1981, 150, 151 f; O L G Hamburg M D R 1965, 294, 295; O L G Düsseldorf WM 1977, 546, 547 unter 4; A.Koch BankArch. 1932/33, 225 f; U. H. Schneider J R 1978, 417; MünchKomm.H. P. Westermann § 609 Rdn. 6.
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11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag besitzt und also auf Rechte aller Art Anwendung findet. Problematisch können somit nur Reichweite und Inhalt des Rechtsmißbrauchsverbots sein. Als einschlägiger Maßstab sind dabei nicht lediglich die guten Sitten i. S. von § S26 BGB, sondern die Grundsätze von Treu und Glauben i. S. von § 242 BGB heranzuziehen, weil die Bank und ihr Kunde sich nicht „unverbunden" gegenüber stehen, sondern durch vertragliche Beziehungen und i. d. R. darüber hinaus auch durch ein besonderes Vertrauensverhältnis miteinander verbunden sind (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 13 f). Man kann daher geradezu von einer besonderen Treupflicht sprechen (vgl. allgemein oben Rdn. 118 ff) und darin den Anknüpfungspunkt an die im Gesellschaftsrecht entwickelten Kündigungsschranken kraft Treupflicht sehen 86 . 1266
Besondere Bedeutung f ü r die inhaltliche Konkretisierung des Rechtsmißbrauchsverbots hat sowohl in dogmatischer als auch in praktischer Hinsicht das Verbot einer übermäßigen oder unverhältnismäßigen Schädigung. Allerdings ist zu beachten, daß die ordentliche Kündigung ein Mittel privatautonomer Gestaltung darstellt und i. d. R. — insbesondere im Falle von Ziff. 17 S. 1 AGB — ohne rechtfertigenden Grund erfolgen kann. Ihre Zulässigkeit ist daher weder am Grundsatz der Erforderlichkeit oder des schonendsten Mittels zu messen noch von einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen abhängig zu machen. Demgemäß kann grundsätzlich keine Rede davon sein, daß die Bank ein ordentliches Kündigungsrecht „nicht ohne ernstlichen Anlaß ausüben" darf 8 7 . Wohl aber ist die Kündigung rechtsmißbräuchlich, wenn die daraus folgenden Vorteile für die Bank in einem groben Mißverhältnis zu den dem Kreditnehmer drohenden Nachteilen stehen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Bank über ausreichende Sicherheiten verfügt — und zwar gemessen am „Zerschlagungswert" (vgl. oben Rdn. 1256 a. E.) — und der Kreditnehmer sich in einer kritischen, jedoch überwindbaren Lage befindet, also insbesondere sanierungsbedürftig und -fähig ist 88 . Darüber hinaus kann die Kreditkündigung gegenüber einem solchen Kreditnehmer sogar bei Fehlen ausreichender Sicherheiten gegen das Verbot übermäßiger Schädigung verstoßen. Das gilt vor allem dann, wenn der Kredit bereits gewährt ist und die Stellung der Bank durch die Kündigung nicht wesentlich verbessert wird, weil es an einer raschen Zugriffsmöglichkeit oder dgl. fehlt. Dagegen verstößt die Kündigung eines noch nicht ausgezahlten, sondern nur versprochenen Kredits bei Fehlen hinreichender Sicherheiten in aller Regel nicht gegen das Ubermaßverbot, weil die Bank ein elementares Eigeninteresse an der Zurückhaltung eines ungesicherten und gefährdeten Kredits hat 8 9 .
1267
Einen weiteren Ansatzpunkt zur Konkretisierung des Rechtsmißbrauchsverbots bildet der Gedanke des Vertrauensschutzes, insbesondere das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Freilich genügt für die Annahme eines Rechtsmißbrauchs nicht schon allein die Tatsache, daß die Bank in dem Kreditnehmer das Vertrauen erweckt hat, sie werde von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen; denn i. d. R. ist der Kreditnehmer auf die Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes, hier also eines vertraglichen Kündigungsausschlusses zu verweisen. Kommen jedoch besondere Umstände hinzu, so kann die Kündigung in der Tat gegen das Verbot des venire contra factum proprium «6 Vgl. näher Canaris Z H R 143, 116 f. 87 Zu weitgehend daher die entsprechenden obiter dicta von B G H W M 1977, 834, 835 und O L G H a m b u r g M D R 1965, 294, 295; kritisch auch Hopt Z H R 143, 162, der die Formulierung des B G H „nur angesichts der besonderen Umstände des konkreten Falles annehmbar" findet;
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zustimmend dagegen U. H. Schneider J R 1978, 417. 88 Vgl. näher Canaris Z H R 143, 130 f f ; ähnlich Hopt Z H R 143, 162 f und Obermüller Z I P 1980, 342 Sp. 1. 89 Vgl. hierzu und zum Vorstehenden Canaris Z H R 143, 135.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die Beendigung des Krediteröffnungsvertrags
verstoßen 8 9 3 . Zu denken ist dabei in erster Linie an eine sehr starke Abhängigkeit des Kreditnehmers von seiner „Hausbank" 9 0 , wie sie zumal bei mittelständischen Unternehmen nicht selten anzutreffen ist, sowie an einen besonders engen Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung und einem bestimmten Projekt des Kreditnehmers 9 1 , wobei freilich im letzteren Fall nicht selten schon mit einer konkludenten Abdingung des Kündigungsrechts gemäß § 4 AGBG zu helfen sein wird (vgl. allgemein oben Rdn. 1238 gegen Ende). Ein Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens — oder wiederum für eine einschränkende Vertragsauslegung — kann ferner darin liegen, daß für den Kredit an sich eine feste Laufzeit vereinbart, gleichwohl aber der Bank ein Recht zur ordentlichen Kündigung eingeräumt worden ist (vgl. dazu näher unten Rdn. 1329 Abs. 2). Was das Verhältnis zwischen dem Verbot übermäßiger Schädigung und dem Verbot 1 2 6 8 widersprüchlichen Verhaltens angeht, so werden sich beide zwar im konkreten Fall bei der erforderlichen Gesamtabwägung häufig wechselseitig ergänzen und verstärken, doch sind sie grundsätzlich sowohl dogmatisch als auch praktisch unabhängig voneinander. Ein Rechtsmißbrauch wegen übermäßiger Schädigung des Kreditnehmes kann daher auch dann gegeben sein, wenn die Bank nicht das Vertrauen erweckt hat, sie werde von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen. Umgekehrt braucht in den Fallgruppen der Abhängigkeit oder der gemeinsamen Projektierung keineswegs geradezu der Zusammenbruch des Kreditnehmers zu drohen, um die Kündigung unzulässig zu machen; darüber hinaus schließt hier sogar eine beträchtliche Selbstgefährdung der Bank einen Rechtsmißbrauch nicht ohne weiteres aus, so daß u. U. das Verbot widersprüchlichen Verhaltens die Erfüllung einer Kreditzusage trotz Fehlens ausreichender Sicherheiten gebieten kann — ein Ergebnis, das mit dem Ubermaßverbot nicht zu begründen ist (vgl. oben Rdn. 1266 a. E.). Im übrigen ist es ohnehin eine Selbstverständlichkeit, daß ein Rechtsmißbrauch sich angesichts der Generalklauselartigkeit dieses Instituts auch aus anderen Gesichtspunkten ergeben kann, die weder mit dem Ubermaßverbot noch mit dem Gedanken des Vertrauensschutzes etwas zu tun haben. Dabei ist nicht zuletzt auch an Momente aus der Person des Kreditnehmers wie dessen Geschäftserfahrung oder dessen soziale Stellung zu denken. Demgemäß kann der Einwand des Rechtsmißbrauchs z. B. bei sozial schwachen Kreditnehmern u. U. anders zu handhaben sein als bei kaufmännischen Unternehmen (vgl. im übrigen auch unten Rdn. 1329 Abs. 2). c) Die Schrankenproblematik bei der außerordentlichen Kündigung Bei der außerordentlichen Kündigung stellt sich die Schrankenproblematik dogma- 1 2 6 9 tisch gesehen insofern wesentlich anders dar, als die einschlägigen Gesichtspunkte hier regelmäßig schon für den Tatbestand des wichtigen Grundes von Belang sind, so daß für einen Rückgriff auf das Verbot des Rechtsmißbrauchs oder den Gedanken der Treupflicht insoweit weder Raum noch Bedürfnis besteht. So sind z. B. das Prinzip des schonendsten Mittels und das Verhältnismäßigkeitsprinzip (i. S. einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen) schon bei der Tatbestandsprüfung zu berückE b e n s o jetzt B G H W M 1981, 150, 151 f. Vgl. n ä h e r Canaris Z H R 143, 125 f ; im wesentlic h e n z u s t i m m e n d Obermüller Z I P 1980, 342 f ; ähnlich f e r n e r M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann § 6 1 0 R d n . 4. "
Vgl. n ä h e r Canaris Z H R 143, 127; z u s t i m m e n d B G H W M 1981, 150, 151 Sp. 2 ; siehe f e r n e r Hopt
Z H R 143, 160 u n d M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann § 6 1 0 R d n . 4, die a u c h s o n s t die drei bei Canaris Z H R 143, 125 ff h e r a u s g e a r b e i t e t e n Fallgruppen (starke Abhängigkeit, gemeinsames P r o jekt u n d D u l d u n g v o n Kreditüberziehungen) ü b e r n e h m e n u n d im w e s e n t l i c h e n ä h n l i c h lösen.
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11. Abschnitt. D e r Krediteröffnungsvertrag
sichtigen 92 . Das hat auch praktische Konsequenzen, was sowohl in der Verschärfung des Maßstabs, der beim Rechtsmißbrauch wesentlich milder ist (vgl. oben Rdn. 1266), als auch in der Verteilung der Beweislast, die beim Rechtsmißbrauch den Kreditnehmer, hier dagegen die Bank trifft, in Erscheinung tritt. Auch dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens ist in aller Regel bereits bei der Prüfung des wichtigen Grundes Rechnung zu tragen. Mit Recht geht der B G H demgemäß davon aus, daß es an einem solchen fehlt, wenn die Bank ohne Warnung oder Abmahnung eine außerordentliche Kündigung wegen eines Verhaltens des Kreditnehmers ausspricht, das sie bisher geduldet hatte und von dem dieser daher u. U. annehmen durfte, sie sehe es nicht als vertragswidrig an oder sei doch trotz einer etwaigen Vertragswidrigkeit damit einverstanden 93 . Auch das etwaige Erfordernis einer Schon- oder Umstellungsfrist, das z. B. bei dem Verlangen nach Stellung zusätzlicher Sicherheiten gegeben sein kann 9 4 , ist schon im Rahmen des wichtigen Grundes zu berücksichtigen, da der Bank bei Mißachtung eines solchen Erfordernisses das Festhalten am Kreditvertrag nicht unzumutbar ist. 1270
Eigenständige Bedeutung dürfte das Verbot des Rechtsmißbrauchs dagegen auch bei der außerordentlichen Kündigung haben, soweit es um die zeitliche Begrenzung dieses Rechts geht. Insoweit handelt es sich nämlich nicht mehr um den Tatbestand des wichtigen Grundes, sondern um die Problematik der Verwirkung. Dabei sind ähnlich wie auch in anderen Fällen der außerordentlichen Kündigung ziemlich strenge Anforderungen zu stellen, um den Kreditnehmer vor einem unzumutbar langen Schwebezustand und der damit verbundenen gesteigerten Abhängigkeit von der Bank zu bewahren. Der B G H fordert, daß der Kreditgeber sein Recht zur außerordentlichen Kündigung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist ausübt 9 5 . d) Pflichten zur Kreditverlängerung oder -erhöhung
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In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann die Bank auch eine Pflicht zur Kreditverlängerung u n d / o d e r -erhöhung haben 9 6 . Als Anspruchsgrundlage kommt dabei freilich nicht das Verbot des Rechtsmißbrauchs in Betracht, da dieses keine Anspruchsstruktur hat. Wohl aber kann auch hier auf die Treupflicht zurückgegriffen werden, zumal aus dieser auch in anderen Gebieten wie vor allem im Gesellschafts- und im Arbeitsrecht Ansprüche auf Vertragsänderung hergeleitet werden.
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Zur inhaltlichen Konkretisierung der Treupflicht können dabei in erster Linie wieder das Verbot übermäßiger Schädigung und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens herangezogen werden. Aus ersterem ergibt sich z. B. grundsätzlich, daß die Bank bei Vorhandensein ausreichender Sicherheiten einem sanierungsbedürftigen und -fähigen Kreditnehmer einen fälligen Kredit verlängern muß, ja daß sie dies sogar trotz Fehlens von Sicherheiten tun muß, wenn sie durch das Unterlassen der Verlängerung keine nennenswerten Vorteile erlangt; die Interessenlage ist insoweit nicht wesentlich anders als bei der ordentlichen Kündigung (vgl. dazu oben Rdn. 1266). Darüber hinaus wird 92 Vgl. auch B G H WM 1978, 234, 235 f („Abwägung der Interessen beider Vertragsteile", „angemessene W a h r u n g der Interessen des Kunden"); 1980, 380, 381. « Vgl. BGH W M 1978, 234, 236; vgl. dazu auch H. P. Westermann ZfgG 29 (1979), 69 ff und in MünchKomm. §610 Rdn. 19 f; Hopt Z H R 143, 161 f; Pantel S. 146 ff.
648
9* Vgl. dazu B G H W M 1979, 1176, 1179 f, wo freilich ein solches Erfordernis i. E. abgelehnt worden ist. 95 Vgl. B G H W M 1969, 721, 723; 1980, 380, 381 vgl. zur Verwirklichung des Kündigungsrechts ferner Pantel S. 151 ff. Vgl. näher Canaris Z H R 143, 120 ff, 123 f, 132 f; ähnlich Hopt Z H R 143, 159 f; MünchKomm.H. P. Weitermann § 610 Rdn. 3 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D i e B e e n d i g u n g des Krediteröffnungsvertrags
man der Bank gegenüber einem sanierungsbedürftigen und -fähigen Kreditnehmer bei Vorhandensein ausreichender Sicherheiten sogar eine Pflicht zur Bereitstellung des kurzfristigen Liquiditätsbedarfs auferlegen müssen 97 . Langfristige Mittel zur V e r f ü gung zu stellen, ist die Bank dagegen unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbots grundsätzlich nicht verpflichtet, doch ist vorstellbar, daß sich eine solche Pflicht aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens herleiten läßt; dabei ist auch hier vor allem an die Fälle einer extremen Abhängigkeit des Kreditnehmers von der Bank u n d / o d e r einer gemeinsamen Planung eines Projekts zu denken. Dagegen kann aus der bloßen Duldung eines bestimmten Verhaltens des Kreditnehmers, insbesondere aus der Duldung wiederholter Kreditüberziehungen grundsätzlich nicht auf eine Pflicht der Bank geschlossen werden, in Z u k u n f t ebenso zu verfahren 9 8 ; denn das Vertrauen darauf, daß die Bank freiwillig (!) ihre bisherige Praxis beibehalten wird, ist grundsätzlich, d. h. mangels zusätzlicher Umstände, nicht schutzwürdig, weil der Kreditnehmer primär auf die Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes zu verweisen ist und sich folglich grundsätzlich durch eine entsprechende vertragliche Erhöhung des Kreditlimits sichern muß. 3. Die Rechtsfolgen der Beendigung des Krediteröffnungsvertrags a) Die Unterscheidung zwischen versprochenen, gewährten und abgerufenen Krediten Wie mehrfach betont, läßt die Beendigung des Krediteröffnungsvertrags das Schick- 1 2 7 3 sal gewährter Kredite unberührt und beseitigt demgemäß lediglich die Pflicht der Bank zur Ausreichung weiterer Kredite (vgl. oben Rdn. 1233, 1237, 1244, 1249 f, 1257, 1259). Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem Kunden im Ganzen gemäß Ziff. 17 und 18 AGB aufgehoben wird (vgl. oben Rdn. 1240). Gewährt ist ein Geldkredit mit der Auszahlung (vgl. dazu näher unten Rdn. 1318 ff), ein Diskontkredit ebenfalls mit der Auszahlung oder mit einer verbindlichen Einlösungszusage, ein Akzeptkredit mit Abschluß des Begebungsvertrages und ein Avalkredit mit Abschluß des Bürgschafts- bzw. Garantievertrages, der u. U. auch durch den Kreditnehmer als Boten oder Stellvertreter der Bank erfolgen kann (vgl. dazu oben Rdn. 1121 Abs. 2). Zweifelhaft ist die Behandlung noch nicht gewährter, aber schon abgerufener Kre- 1 2 7 4 dite. Für deren Gleichstellung mit den gewährten Krediten läßt sich anführen, daß die Beendigung des Krediteröffnungsvertrages lediglich ex nunc wirkt und folglich eine bereits entstandene Verpflichtung nicht mehr beseitigen kann. Für die Fälle des Fristablaufs folgt daraus in der Tat, daß der Kreditnehmer die Pflicht der Bank zur Kreditgewährung durch einen Abruf vor diesem Zeitpunkt noch wirksam begründen kann, es sei denn, es ergibt sich aus dem Vertrag das Gegenteil (vgl. auch oben Rdn. 1233 a. E.). Im übrigen aber trägt diese Argumentation nicht weit, weil die durch den Abruf entstandene Verpflichtung der Bank zur Kreditgewährung regelmäßig ihrerseits der Kündigung unterliegt 99 . So kann z. B. auch sie nach Ziff. 17 S. 1 AGB aufgehoben werden, wenn diese Klausel nicht durch eine entgegenstehende Individualabrede außer Kraft gesetzt worden ist. Auch für eine außerordentliche Kündigung wird es in aller Regel keinen wesentlichen Unterschied machen, ob sie sich auf den Krediteröffnungsvertrag " Vgl. Canaris Z H R 143, 132 f; ähnlich Hopt Z H R 143, 159 vor (3); MünchKomm -H. P. Westermann § 610 Rdn. 16. 98 Vgl. Canaris Z H R 143, 128; i. E. ebenso Hopt
99
Z H R 143, 158; MünchKomm.-W. P. Westermann Vorbem. vor § 607 Rdn. 20. Die z . T . abweichende Auffassung, die in der Erstauflage Anm. 647 vertreten wurde, kann daher nicht aufrechterhalten werden.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
649
11. Abschnitt. D e r Krediteröffnungsvertrag
als solchen oder auf eine durch den Abruf entstandene Pflicht zur Kreditgewährung bezieht. Was schließlich das Widerrufsrecht nach § 610 BGB betrifft, so könnte man zwar rein dogmatisch gesehen erwägen, es nach Vornahme des Abrufs auf die Fälle zu beschränken, in denen die Vermögensverschlechterung erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten ist, doch dürfte eine derartige Differenzierung wohl kaum der Interessenlage entsprechen. Denn es hängt mehr oder weniger vom Zufall ab, ob die Bank einen schon vorher zulässigen Widerruf vor oder nach dem Abruf erklärt; verzögert sie die Erklärung, sollte man lieber mit den Regeln über die Verwirkung helfen, statt das Widerrufsrecht nach dem Abruf generell an den Eintritt einer erneuten Vermögensverschlechterung zu binden. 1275
Gleichwohl muß der Kunde u. U. auch schon vor der Gewährung des Kredits gegenüber einer einseitigen Beendigung des Krediteröffnungsvertrages durch die Bank geschützt werden, wenn er in berechtigtem Vertrauen auf dessen Erfüllung eine irreversible Disposition getroffen hat. Repräsentativ hierfür ist der Fall, daß der Kunde beim Akzeptkredit zulässigerweise einen auf die Bank gezogenen Wechsel in Umlauf gebracht hat, ohne diesen vorher zum Akzept vorzulegen oder die Bank von der Begebung zu benachrichtigen. Diese ist ihm gegenüber dann trotz Kündigung des Krediteröffnungsvertrages grundsätzlich zum Akzept verpflichtet, wenn er den Wechsel vor deren Zugang in Umlauf gebracht hat 1 0 0 . Das gilt uneingeschränkt für die ordentliche Kündigung, wobei man dogmatisch entweder mit einer ergänzenden Vertragsauslegung oder mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens arbeiten kann. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist dagegen nicht generell ausgeschlossen, doch muß bei der Prüfung des wichtigen Grundes und der dabei erforderlichen umfassenden Interessenabwägung maßgeblich berücksichtigt werden, daß der Kunde in berechtigtem Vertrauen auf die Zusage der Bank eine Disposition vorgenommen hat und nun durch das Unterbleiben des Akzepts u. U. einen beträchtlichen Schaden erleiden kann (vgl. zum Grundsätzlichen auch oben Rdn. 1269). Das Widerrufsrecht nach §610 BGB, das an sich auch beim Akzeptkrediteröffnungsvertrag gegeben ist (vgl. oben Rdn. 1253), dürfte wie die ordentliche Kündigung generell ausgeschlossen sein, weil es keine Berücksichtigung der Besonderheiten der vorliegenden Fallkonstellation erlaubt und die Problematik daher allein mit dem flexibleren außerordentlichen Kündigungsrecht sachgemäß zu bewältigen ist. Ebenso wie beim Akzeptkredit ist grundsätzlich zu entscheiden, wenn der Kunde den Kredit zulässigerweise durch die Begebung eines Schecks in Anspruch genommen hat. Denn eine vorherige Vorlage des Papiers bei der Bank wäre wegen des Akzeptverbots unsinnig und eine jeweilige Rückfrage untunlich und mit der Reibungslosigkeit des Scheckverkehrs unvereinbar. Auch hier kommt daher allenfalls ein außerordentliches Kündigungsrecht in Betracht — und auch das nur, wenn der Bank die Einlösung des Schecks trotz des berechtigten Vertrauens des Kunden und trotz der für diesen aus einer Einlösungsverweigerung drohenden Gefahren unzumutbar ist, was kaum vorkommen wird. b) Schadensersatzansprüche des Kreditnehmers
1276
Schadensersatzansprüche des Kreditnehmers können sich in erster Linie aus einer unberechtigten Kündigung oder Kreditverweigerung ergeben. Als Anspruchsgrundlage kommen dann vor allem § 325 BGB, die Regeln über die positive Forderungsverletzung Vgl. auch RGZ 65, 185, 187; Schoen S. 158; a. A. Stauder 162.
650
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die Beendigung des Krediteröffnungsvertrags sowie eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht. Tatbestandsvoraussetzung ist dabei die Unzulässigkeit der Kündigung. D a die Bank auch dann, wenn die Kündigung eines Grundes bedarf, diesen nicht anzugeben braucht (vgl. oben Rdn. 1246 a. E.), und da demnach grundsätzlich ein „ N a c h schieben" von Gründen zulässig ist, kommt es nur darauf an, ob objektiv ein die Kündigung rechtfertigender Grund vorlag, nicht dagegen darauf, ob sich die Bank gerade auf diesen oder auf einen anderen — unzureichenden — Grund gestützt hat (vgl. B G H 1960 576 unter II 2). Auch bei einer berechtigten Kreditkündigung oder -Verweigerung kann sich die 1 2 7 7 Bank u. U. schadensersatzpflichtig machen. Allerdings genügen dafür i. d. R. nicht Fehler bei der Uberprüfung und Einschätzung der Finanzlage des Kreditnehmers, weil (und sofern) die Bank eine solche Prüfung nur in ihrem eigenen Interesse und nicht in Erfüllung einer Rechtspflicht gegenüber dem Kunden vornimmt (vgl. auch B G H W M 1959 626, 631 unter b). Dagegen wird mitunter eine Verletzung des Bankgeheimnisses in Betracht kommen (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 36 ff). V o r allem hat die Bank strikt darauf zu achten, daß eine Kreditkündigung oder -Verweigerung nicht ohne zwingenden Anlaß Dritten zur Kenntnis gelangt (vgl. auch R G BankArch. 1934 326); denn erfahrungsgemäß wirkt sich das Bekanntwerden einer solchen Tatsache für den Kredit des Betroffenen äußerst negativ aus und kann seinen wirtschaftlichen Zusammenbruch herbeiführen oder wenigstens beschleunigen. Allerdings kann sich aus dem mit dem Kreditnehmer geschlossenen Vertrag die Befugnis ergeben, die Kreditkündigung oder Maßnahmen, die den Rückschluß auf sie zulassen, einem beschränkten Personenkreis gegenüber aufzudecken, weil das Eigeninteresse der Bank das gebietet. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Vertragsbestimmung kann das auch aus § 157 B G B und dem Sinn und Zweck des Vertrags folgen. S o wird man der Bank z. B. nach einer Kreditkündigung i. d. R. das Recht zur Offenlegung stiller Zessionen oder Sicherungsübereignungen zubilligen müssen 1 0 1 , wenn nicht sicher ist, daß der Kreditnehmer sein Debet bei der Bank sofort abdeckt und diese nicht über ausreichende andere Sicherheiten verfügt. Die Bank muß aber auch hierbei das Verbot übermäßiger Schädigung oder rücksichtslosen Vorgehens beachten und daher von einer Offenlegung z. B. Abstand nehmen, wenn der Kreditnehmer seinen Schuldner unwiderruflich anweist, die sicherungsweise abgetretenen Forderungen nur über ein bei der kreditgebenden Bank geführtes Konto zu begleichen, oder wenn auf andere Weise wie z. B. durch Einschaltung eines Treuhänders oder Entsendung eines Beauftragten in das Unternehmen des Kreditnehmers sichergestellt wird, daß die Bank in den Genuß der betreffenden Zahlungen kommt. Im übrigen können auch die Interessen Dritter in besonders gelagerten Ausnahmefällen der Bank die Befugnis geben, die Kreditkündigung oder -Verweigerung offenzulegen, vgl. dazu allgemein oben Rdn. 61 ff. Schadensersatzpflichtig kann die Bank sich schließlich auch durch Pflichtverletzun- 1 2 7 8 gen bei der Sicherheitenverwertung und der Zwangsvollstreckung machen. In diesem Bereich gilt grundsätzlich nicht nur das Verbot übermäßiger Schädigung oder rücksichtlosen Vorgehens, sondern darüber hinaus wohl auch das Prinzip des milderen Mittels 1 0 2 . Die Bank darf daher grundsätzlich nicht alsbald nach Fälligstellung eines Kredits zur Verwertung von Sicherheiten schreiten 1 0 3 und z. B. die Eintragung eines 101
Vgl. auch B G H W M 1963, 507, 508 f ; 1963,962; 1979, 1176, 1180 unter 3. Vgl. näher Canaris Z H R 143, 132; in ähnlicher Richtung z. B. B G H W M 1962, 673, 6 7 4 ; O L G D ü s s e l d o r f W M 1977, 546, 547 unter II 2.
103 U n z u t r e f f e n d daher B G H W M 1978, 234, 237 unter c, w o die Einleitung von Z w a n g s v o l l s t r e k kungsmaßnahmen nach Beendigung der G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g nur am M a ß s t a b von § 826 B G B gemessen und s c h o n deshalb f ü r z u l ä s s i g
Claus-Wilhelm Canaris
651
11. Abschnitt. Der Krediteröffnungsvertrag
Zwangsversteigerungsvermerks oder gar dessen Veröffentlichung veranlassen. Denn ein solches Vorgehen kann alle Bemühungen des Kreditnehmers um eine anderweitige Kreditaufnahme bzw. eine Umschuldung zunichte machen und dadurch Unternehmen in den Zusammenbruch treiben, die bei rücksichtsvollerem Vorgehen hätten saniert werden können. Anders mag zu entscheiden sein, wenn die Sicherheiten die anschwellenden Zinsansprüche nicht mehr decken, doch bleibt auch dann das Verbot übermäßiger Schädigung zu respektieren (vgl. im übrigen auch unten Rdn. 2701 f). 1279
Pflichtverletzungen der Bank im Zusammenhang mit einer Kreditbeendigung oder -Verweigerung werden nicht selten zum Zusammenbruch des Kreditnehmers führen. Dann kann die Frage der Kausalität gewisse Schwierigkeiten bereiten. Auszugehen ist dabei von dem Grundsatz, daß die Pflichtverletzung der Bank — also z. B. die unberechtigte Kündigung oder die Verletzung des Bankgeheimnisses — nur dann, aber auch schon dann kausal war, wenn der Kreditnehmer ohne sie nicht zu diesem Zeitpunkt und/oder in dieser Weise zusammengebrochen wäre 1 0 4 ; insoweit liegt die Beweislast beim Kreditnehmer. Bei der Frage, ob der Kreditnehmer ohne die Pflichtverletzung der Bank zu einem späteren Zeitpunkt und/oder in anderer Weise zusammengebrochen wäre — z. B. wegen mangelnder Lebensfähigkeit seines Betriebes —, geht es dagegen um die Berücksichtigung hypothetischer Ursachen 105 , so daß die Beweislast insoweit bei der Bank liegt.
gehalten wird, weil die Aufhebung der Geschäftsverbindung rechtlich zulässig w a r ; demgegenüber ist es eine Selbstverständlichkeit, daß auch nach Ende der Geschäftsverbindung noch eine „nachwirkende" Treupflicht besteht und daß der einschlägige Prüfungsmaßstab d a h e r nicht in § 826, sondern in § 242 BGB zu sehen ist — zumal nach Ziff. 18 II AGB sogar noch die AGB fortgelten. 4 i° Zutreffend B G H W M 1968, 1214; dagegen betrifft die Entscheidung B G H W M 1957, 949,
652
952 unter V einen Sonderfall, weil dort das Unternehmen o h n e die Kreditkündigung w a h r scheinlich sogar f r ü h e r zusammengebrochen wäre; vgl. im übrigen auch M ü n c h K o m m . H. P. Westermann § 610 Rdn. 18 m. w. N a c h w . 105 So mit Recht B G H W M 1968, 1214, 1215; vgl. dazu ferner z. B. B G H W M 1959, 1002, 1003 unter I; zu undifferenziert noch B G H W M 1956, 217, 219 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
12. Abschnitt Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten Systematische Übersicht Rdn. I. Begriff und Wesen des Gelddarlehens 1. Die terminologische Bedeutung des Begriffs Gelddarlehen 1280 2. Die Rechtsnatur des Gelddarlehens a) Das Gelddarlehen als gegenseitiger Vertrag und als Dauerschuldverhältnis 1282 b) Real- und Konsensualvertragstheorie 1284
Rdn. b) c)
IV. Die Beendigung des Darlehensvertrages 1. 2.
II. Die Unwirksamkeit des Darlehensvertrag« 1. Die wichtigsten Unwirksamkeitsgründe a) Verstöße gegen das K W G . . . . b) Verstöße gegen das RBerG . . . c) Verstöße gegen das Verbot des Abschlusses und der Vermittlung von Darlehensgeschäften im Reisegewerbe gemäß § 56 I Ziff. 6 G e w O d) Kreditwucher und verwandte Tatbestände e) Verstöße gegen das G e b o t einer Angabe des effektiven Jahreszinses gemäß § 1 IV Preisangaben V O f) Sonstige Unwirksamkeilsgründe 2. Der Bereicherungsausgleich a) D e r Bereicherungsschuldner bei Auszahlung des Darlehens an einen Dritten b) Gegenstand und U m f a n g der Herausgabepflicht c) Bereicherungsrechtliche Sonderprobleme bei gesetzes- und sittenwidrigen Verträgen . . . .
Die Pflicht z u r Z u r ü c k z a h l u n g des Darlehens 1330 Die Rechtslage bei V e r z u g und Abnahmeverweigerung des D a r lehensnehmers 1334
1286 1290
Die wichtigsten Beendigungsgründe 1341 Die Rechtsfolgen einer vorzeitigen Vertragsbeendigung a) D e r Einfluß auf die vertraglichen Zins- und Vergütungsansprüche 1343 b) Gesetzliche Zins- und Schadensersatzansprüche 1347
V. Besondere Erscheinungsformen Gelddarlehens 1292
1.
1295
1303a 1304
1308 1310
1315
III. Der Inhalt des Darlehensvertrages 1. Die Pflichten der Bank a) Die Pflicht z u r Auszahlung des Darlehens 1317 b) Sonstige Pflichten der Bank . . . 1321 2. Die Pflichten des Darlehensnehmers a) Die Pflicht z u r Entrichtung der vereinbarten V e r g ü t u n g 1323
2.
3.
des
Der Kontokorrentkredit a) Technik und Funktion des K o n tokorrentkredits b) Rechtsnatur und rechtliche Besonderheiten des K o n t o k o r rentkredits D e r Lombardkredit a) Technik und Funktion des Lombardkredits b) Rechtsnatur und rechtliche Besonderheiten des Lombardkredits Schuldscheindarlehen und Revolvingkreditvermittlungsgeschäft a) Die Technik der beiden Geschäfte und deren Zusammenspiel b) Die Funktionen von Schuldscheindarlehen und Revolvingkreditvermittlungsgeschäft . . . c) Die Rechtsnatur von Schuldscheindarlehen und Revolvingkreditvermittlungsgeschäft . . . d) Die Rechtsverhältnisse zwischen den verschiedenen Beteiligten . . e) Besonderheiten bei Einschaltung eines Treuhänders
Claus-Wilhelm Canaris
1348
1350
1358
1362
1365
1371
1373 1379 1382
653
12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten Alphabetische Abrechnungsgebühren
V e r z u g des D a r l e h e n s n e h m e r s
1324, 1342
Abschnittsfinanzierung
Steuererstattungsansprüche
Allgemeine Geschäftsbedingungen Aufhebung der Geschäftsverbindung
1 3 2 9 f, 1341
Unfallhelferring
Aufrechnungsvalutierung
Gelddarlehen
1331
1 2 8 0 ff
Begriff 1280 f
A u ß e n w i r t s c h a f t s r e c h t 1 3 0 5 , 1 3 0 7 a. E .
als D a u e r s c h u l d v e r h ä l t n i s
Auszahlung
als g e g e n s e i t i g e r V e r t r a g
1317 ff 1320
Zeitpunkt
Gewinnbeteiligung
1319
Großkredite
1326 als S i c h e r h e i t
1297,
Baukonto
G u t s c h r i f t des D a r l e h e n s
1317
1319
J a h r e s z i n s , effektiver 1298 f
1305, 1320
Angabepflicht
1320
Bausparvertrag
1303 a f
1294
Bearbeitungsgebühren
1299, 1324, 1326, 1335, 1342,
K a p i t a l s a m m e l s t e l l e 1 3 6 5 , 1371 Knebelung
1345 Beleihungsgrenzen
1305
Konkursverschleppung
1304
D a r l e h e n s z a h l u n g an D r i t t e 1 3 0 8 f f
Kontokorrent
g e s e t z - und s i t t e n w i d r i g e r V e r t r a g
Kontokorrentkredit
des K r e d i t n e h m e r s
1315 f
Restschuldversicherung Umfang
Kreditgebühren
1300
Kredittäuschung 1313
Kreditvermittler
1314 f
1324
1305
1293,
1 3 0 0 ff,
1306,
1318 a. E . , 1 3 2 0 , 1 3 6 5 f f
Bereitstellungsprovision Börsenkredit
1281, 1317
1305
Kreditüberziehung
1300
V e r u n t r e u u n g des D a r l e h e n s
1350
1299, 1324, 1334, 1335, 1342, 1344
Kreditkostenpauschale
1316
1310 ff
Vermittlungsprovision Zinsen
1297, 1319, 1348 ff
Krediteröffnungsvertrag
1343
1284 f
1 3 3 1 , 1 3 3 5 , 1351
Kredit, revolvierender
1316
K ü n d i g u n g des D a r l e h e n s v e r t r a g s Saldotheorie
1305
Konsensualvertragstheorie
Bereicherungsansprüche
1324, 1327, 1335
Provision
1364
1300 ff, 1318, 1324, 1326, 1345
Kreditversicherung
1300, 1324
Kreditwesengesetz c u l p a in c o n t r a h e n d o , E f f e k t i v z i n s a n g a b e
1303 b
Barabhebungsverbot
1287
E r l a u b n i s für K r e d i t g e s c h ä f t e Großkredite
Darlehensvertrag Abnahmeverweigerung
1 3 0 3 b,
1 2 9 2 f,
1303 a f ,
1304,
K ü n d i g u n g aus w i c h t i g e m G r u n d Kündigung nach § 247 B G B
V e r z u g des D a r l e h e n s n e h m e r s Warnpflicht der B a n k
sittenwidriger Mahngebühren
1336
Marktkonditionen
1296 ff
1284 Organkredit
1289
1281
Einkonten-Methode Effektenlombard
1364 1364
1 3 3 4 f f , 1341
1321
1324, 1326, 1342, 1345
Diskontgeschäft
1358 f f
gesetzwidriger
1318
Darlehenszusage
1298
1297, 1299, 1329
Lombardkredit
1 3 3 7 , 1341
1342, 1346
sittenwidriger 1 2 9 0 , 1 2 9 5 ff, 1 3 0 5 , 1 3 1 5 f
packing
1348, 1357
1300 a
Preisangabeverordnung
1361, 1364
1303 a
Produktionsvertrag
1294
Realvertragstheorie
1 2 8 4 f, 1 3 4 2
1 2 8 1 , 1291
falsus p r o c u r a t o r
1313
Finanzierungskredit
654
1297
laesio e n o r m i s Laufzeit
1315 f
Widerruf
1289
1 2 9 5 ff, 1 3 1 5 f
1341 f f
g e s e t z w i d r i g e r 1 2 8 6 ff,
Factoring
Kreditwucher Kreditzweck
1306 Beendigung
1286
1288
Organkredite
1340
A n f e c h t u n g w e g e n arglistiger T ä u s c h u n g
1332
1318,
1307
Baufortschrittsdarlehen
Disagio
1300,
1329, 1370
1287
Barauszahlungspflicht Bardepot
1283 1282
1288, 1307
Grundpfandrecht Barabhebungsverbot
1291
1290
1329 a
A u f k l ä r u n g s p f l i c h t 1 3 0 0 a, 1 3 2 0
an D r i t t e
1332, 1334
Forderungsabtretung
1329 a
Amortisationsdarlehen
Übersicht
1281,
1294,
1311,
1321,
1324,
Rechtsberatungsgesetz
1 2 9 0 f, 1 3 1 5 f
Rechtsmißbrauchseinwand
2. Bearbeitung. Stand 1 . 5 . 1981
1289, 1329
1311,
I. Begriff und Wesen des Gelddarlehens R e i s e g e w e r b e 1292 f f , 1314 ff R e s t s c h u l d v e r s i c h e r u n g 1299 ff, 1333 R e v o l v i n g k r e d i t v e r m i t t l u n g 1368 ff 7 - M - S y s t e m 1369, 1372, 1374, 1377, 1379 R e c h t s n a t u r 1373 ff R ü c k z a h l u n g s p f l i c h t 1318, 1330 A n r e c h n u n g 1331
S c h e i n g e s c h ä f t 1307 S c h u l d s c h e i n d a r l e h e n 1365 ff K o n k u r s des Z e s s i o n a r s 1377 K ü n d i g u n g 1379 P e n s i o n s g e s c h ä f t 1376 R e c h t s n a t u r 1373 ff R e f i n a n z i e r u n g 1367 S i c h e r h e i t e n 1370 T r e u h ä n d e r 1370, 1382 ff S c h u l u n g s v e r t r a g 1294 S i c h e r h e i t e n e r l ö s k o n t o 1331 S i c h e r u n g s ü b e r e i g n u n g 1361 f S p a r k a s s e n , Ü b e r s c h u l d u n g 1305 Steuererstattungsansprüche, Vorfinanzierung S t r o h m a n n 1307
T e i l z a h l u n g s b a n k e n 1297 T e i l z a h l u n g s k r e d i t 1297, 1299 Ü b e r z i e h u n g s g e b ü h r e n 1325 Ü b e r z i e h u n g s k r e d i t 1349, 1356 U n f a l l h e l f e r r i n g 1290, 1312 V e r f a l l k l a u s e l 1315, 1339, 1346 V e r j ä h r u n g 1332 a V e r m i t t l e r 1293, 1300 ff, 1306, 1311, 1318 a. E., 1320, 1365 ff V e r z u g 1334 ff V o r f ä l l i g k e i t s e n t s c h ä d i g u n g 1346 v o r m u n d s c h a f t s g e r i c h t l i c h e G e n e h m i g u n g 1308 Warenkauf
1291
1294
Z e s s i o n s k r e d i t 1361 f Zinsen 1318, 1323 ff, 1331 ff A n d e r u n g s k ü n d i g u n g 1329 E r h ö h u n g 1328 K ü n d i g u n g n a c h § 247 B G B 1342, 1346 verschleierte 1326, 1345 Z i n z e s z i n s v e r b o t 1325, 1335, 1344 Z w e i k o n t e n - M e t h o d e 1348, 1357
Literatur Vgl. außer den Angaben zum 11. Abschnitt und den Lehrbüchern und Kommentaren zu den §§ 607 ff BGB: Bachmann Die Restforderung der Teilzahlungsbank gegen den säumigen Schuldner, N J W 1978, 865 ff; Belke Die Strafzinsen im Kreditgewerbe — ihre Begrenzung aus dem Zinseszinsverbot und ihr Verhältnis zu den gesetzlichen Verzugsfolgen, BB 1968, 1219 ff; Canaris Der Zinsbegriff und seine rechtliche Bedeutung, N J W 1978, 1891 ff; derselbe Die Kreditkündigung gemäß § 247 BGB und der „Wandel der Normsituation", WM 1978, 686 ff; derselbe Schranken der Privatautonomie zum Schutze des Kreditnehmers, ZIP 1980, 709 ff; Gorniak Regelungen für den Verzugsfall in Kreditverträgen, N J W 1969, 2124 ff; Hadding Welche Maßnahmen empfehlen sich zum Schutz des Verbrauchers auf dem Gebiet des Konsumentenkredits, Gutachten zum 53. Deutschen Juristentag, 1980; derselbe Zur Auslegung des §247 II BGB, NJW 1979, 405 ff; Körner Schutz des Publikums bei Verstößen gegen die Verbots- und Genehmigungsvorschriften des KWG und des VAG, Z H R 131 (1968), 127 ff; Lammel Probleme des Ratenbarkredits, BB 1980 Beilage 8; Lünterbusch Die privatrechtlichen Auswirkungen des Gesetzes über das Kreditwesen auf Einlagen- und Kreditgeschäfte, 1968; Neumann-Duesberg Irrelevanz des Darlehens-Theorienstreits, N J W 1970, 1403 ff; Peetz Konsumentenkredit und Restschuldversicherung, ZIP 1980, 605 ff; Pleyer Das Kündigungsrecht nach § 247 BGB und seine Ausnahmen, N J W 1978, 2128 ff; Pleyer/Müller-Wüsten Abschnittsfinanzierung und Kündigungsverbot, Festschr. für Möhring, 1975, S. 401 ff; Rittner Der Beitrag zur Restschuldlebensversicherung und der Darlehensvertrag, DB 1980 Beilage Nr. 16; Rühle Das Wucherverbot — effektiver Schutz des Verbrauchers vor überhöhten Preisen?, 1978; Scholz Zur Zinsberechnung bei Teilzahlungskrediten, BB 1977, 1425 ff; Terpitz Kündigungsklauseln in den Hypothekarkreditverträgen der Kreditinstitute, Festschrift für Bärmann, 1975, S. 953 ff; Weber Karl-Heinz, Die Nichtigkeit von Teilzahlungskreditverträgen, NJW 1980, 2062 ff; Werhahn Der notleidende Kredit, 1967.
I. Begriff und Wesen des Gelddarlehens 1. Die terminologische Bedeutung des Begriffs Gelddarlehen D e r Begriff G e l d d a r l e h e n s t a m m t aus § 1 I 2 Z i f f . 2 K W G u n d h a t d a h e r in e r s t e r 1 2 8 0 Linie a u f s i c h t s r e c h t l i c h e B e d e u t u n g . D e n n o c h ist es b e r e c h t i g t , ihn a u c h im B a n k v e r t r a g s r e c h t z u v e r w e n d e n u n d mit ihm a u c h hier einen b e s o n d e r e n bankrechtlichen VerClaus-Wilhelm Canaris
655
12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten
tragstyp zu kennzeichnen. Die Regelung des Darlehensrechts in den §§ 607 ff BGB trägt nämlich, auch abgesehen von ihrer außergewöhnlichen Dürftigkeit, den Besonderheiten der für den Bankverkehr typischen Darlehensgestaltungen so wenig Rechnung, daß diese sich weitgehend praeter legem entwickelt haben; die §§ 607 ff BGB sind f ü r das Darlehensgeschäft der Banken ungefähr so „ergiebig" wie die §§ 675, 662 ff BGB für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Demgemäß ist es nicht das Ziel der folgenden Darstellung, diese Vorschriften oder gar das gesamte Darlehensrecht vollständig zu erörtern, sondern vielmehr in erster Linie die für das Bankwesen im Vordergrund stehenden Probleme herauszuarbeiten; das allgemeine Darlehensrecht wird nur insoweit einbezogen, als es zum Verständnis der bankrechtlichen Probleme unerläßlich ist. 1281
Das Gelddarlehen der Banken steht zwar in enger Verbindung zu anderen Formen des Kreditgeschäfts, ist aber von diesen grundsätzlich zu unterscheiden. So kann es z. B. eingebettet sein in einen Krediteröffnungsvertrag, doch ist dieser Zusammenhang weder notwendig noch begriffsbestimmend; denn zum einen gibt es Gelddarlehen, denen kein Krediteröffnungsvertrag zugrunde liegt, und zum anderen gibt es Krediteröffnungsverträge, die sich auf andere Kreditformen wie z. B. Aval- oder Akzeptkredite beziehen. Auch lassen sich manche Kreditformen, die man üblicherweise als eigenständig ansieht, u. U. als besondere Erscheinungen des Gelddarlehens deuten. Das kommt vor allem für das Diskontgeschäft und das Factoring in Betracht. Aber auch wenn man dabei entgegen der h. L. der darlehensrechtlichen Deutung den Vorzug vor der kaufrechtlichen gibt (vgl. dazu unten Rdn. 1532 bzw. Rdn. 1655), weisen diese Verträge doch so viele Eigentümlichkeiten auf — man denke etwa an das geschäftsbesorgungsrechtliche Element beim Factoring —, daß man es jedenfalls für die privatrechtliche Darstellung bei ihrer systematischen Eigenständigkeit belassen sollte; ob bankaufsichtsrechtlich ebenso zu entscheiden ist, ist ein anderes Problem. Zweifelsfrei unter den Begriff des Gelddarlehens fällt allerdings das Finanzierungsdarlehen (sofern man mit der herrschenden und auch hier vertretenen Ansicht der Trennungstheorie folgt); wenn es im folgenden gleichwohl in einem eigenen Abschnitt behandelt wird, so deswegen, weil seine spezifische Problematik in dem Bezug auf das zugehörige „finanzierte Geschäft" liegt und es durch diese „Dreieckskonstellation" sein eigenes Gepräge erhält. 2. Die Rechtsnatur des Gelddarlehens a) Das Gelddarlehen als gegenseitiger Vertrag und als Dauerschuldverhältnis
1282
Das bankrechtliche Gelddarlehen teilt die Rechtsnatur des bürgerlichrechtlichen Darlehens. Demgemäß ist es wie dieses entgegen der früher vorherrschenden Ansicht 1 nicht als einseitig verpflichtender, sondern als gegenseitiger Vertrag anzusehen 2 (sofern es, was im Bankrecht allein von Interesse ist, gegen Entgelt gewährt wird). Die Gegenmeinung vernachlässigt zu Unrecht die wirtschaftlich-funktionellen Aspekte völlig zugunsten einer formal-juristischen Betrachtungsweise und berücksichtigt demgemäß nicht, daß die Belassung des Kapitals die Gegenleistung des Kreditgebers darstellt (vgl. dazu auch unten Rdn. 1322). Daß darin nur ein „Aufschub des Rückforderungsanspruchs" liegt, wie man gemeint hat, trifft wirtschaftlich gesehen gewiß nicht zu und ist auch juristisch schief; denn bei einer solchen Sichtweise ist z. B. ein etwaiges Recht des 1
2
Vgl. z. B. Oertmann Komm, zum BGB 5 , Vorbem. vor § 607 Anm. 5 a; Enneccerus/Lehmann Recht der Schuldverhältnisse 1 5 , § 142 I. Das ist heute h. L., vgl. besonders eingehend Latenz Schuldrecht II 1 1 , § 5 1 1 ; ebenso ferner
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z . B . Esser/Weyers Schuldrecht II 15, § 2 6 112; Palandt/Putzo Einführung vor § 607 BGB Anm. 1 b ; M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann V o r bem. vor § 607 Rdn. 5 a. E.
2. Bearbeitung. Stand 1 . 5 . 1981
I. Begriff und W e s e n des Gelddarlehens
Kreditgebers zur Anpassung des Zinses an die Schwankungen des Marktes oder dgl. ganz unbegreiflich, weil in einem derartigen Fall der Zins schlechterdings nicht anders denn als Gegenleistung für die jeweilige Äelassung des Kapitals und nicht als — gewissermaßen ratenweise zu zahlende — Gegenleistung für dessen mit der Auszahlung abgeschlossene Über lassung verstanden werden kann. Praktische Bedeutung kann dem Theorienstreit vor allem für die Frage nach der 1283 Anwendbarkeit der §§ 320 ff BGB zukommen. Diese wird jedoch weitgehend entschärft durch die Einsicht, daß das Darlehen wegen der Zeitbezogenheit der beiderseitigen Leistungen ein Dauerschuldverhältnis darstellt und daß nach dessen Invollzugsetzung das Recht zur außerordentlichen Kündigung an die Stelle des in den §§ 325 f BGB vorgesehenen Rücktrittsrechts tritt 3 . Allerdings gilt das nur bezüglich der Rechtsfolgen und nicht auch bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen, so daß die Frage nach der Geltung der §§ 320 ff BGB keineswegs ohne jede praktische Relevanz ist (vgl. im übrigen auch oben Rdn. 1234 ff).
b) Real- und Konsensualvertragstheorie Früher wurde das Darlehen als ein Realvertrag angesehen in dem Sinne, daß der 1284 eigentliche Darlehensvertrag erst mit Hingabe der Darlehensvaluta zustande kommt 4 ; eine etwa vorhergehende Darlehenszusage ist dann folgerichtig als bloßer Vorvertrag zu qualifizieren. Heute dagegen folgt die h. L. der Konsensualvertragstheorie 5 und sieht demgemäß den Darlehensvertrag bereits in der Zusage des Darlehens, während dessen Hingabe grundsätzlich nur den zugehörigen Erfüllungsakt bildet. In der Tat entspricht allein diese Sichtweise dem Prinzip der schuldrechtlichen Typenfreiheit und dem Gebot der systematischen Einheit, da die Realvertragstheorie im geltenden Recht ein Fremdkörper und ein nur historisch zu erklärender Anachronismus ist. Gerade im Bankrecht erweist sich die Überlegenheit der Konsensualvertragstheorie in besonderem Maße, da hier das „Handdarlehen", bei dem die Realvertragstheorie immerhin noch einen gewissen Sinn hat, keine praktische Rolle spielt. Allerdings steht es den Parteien nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit offen, realvertraglichen Vorstellungen zu folgen und demgemäß das Darlehensversprechen als bloßen Vorvertrag und die Darlehenshingabe als eigentlichen Darlehensvertrag zu konzipieren 6 , doch kann man das angesichts der Künstlichkeit dieser Konstruktion jedenfalls für das Bankdarlehen nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte annehmen. Nennenswerte praktische Bedeutung hat der Theorienstreit heute, soweit ersieht- 1 2 8 5 lieh, nicht mehr 7 . Insbesondere ist anerkannt, daß auf Grund eines Darlehensversprechens unmittelbar Klage auf Auszahlung der Darlehensvaluta erhoben werden kann und nicht etwa zunächst auf Abschluß eines Darlehenshauptvertrages geklagt werden
3
4
So ausdrücklich z. B. Larenz a a O ; H. P. Westermann a a O Rdn. 8 und 23. Vgl. z. B. R G Z 86, 323, 324; 108, 146, 150; Oertmann und Enneccerus/Lehmann a a O (wie Fn. 1). Auch der B G H läßt mitunter deutliche Anklänge an die Realvertragstheorie erkennen, vgl. vor allem W M 1965, 496 unter I 1; die Entscheidung BGH WM 1975, 160, 161 gehört dagegen nicht in diesen Zusammenhang, da der B G H dort lediglich die Auslegung des Berufungsgerichts
zugrunde gelegt hat, es handele sich um einen bloßen Vorvertrag. 5 Vgl. wiederum besonders eingehend Larenz aaO (Fn. 2) § 51 II; ferner z. B. Esser/Weyer, Palandt/ Putzo und H. P. Westermann aaO (wie Fn. 2); Schönte § 10 I 1 m. w. Nachw. ' Vgl. schon SiberJherJb. 70 (1921), 249 f; vgl. ferner z. B. RGR-Komm-Ballhaus12 Vorbem. vor § 607 Rdn. 4 a. E.; K. Schmidt JuS 1976, 710. 7 Vgl. dazu z. B. Neumann-Duesherg N J W 1970, 1403 ff; K. Schmidt J Z 1976, 756 ff.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten muß 8 . Aufsichtsrechtlich ist die Problematik durch den Wortlaut von § 1 I 2 Ziff. 2 KWG gegenstandslos geworden, weil danach ein Bankgeschäft nicht schon in der Zusage, sondern erst in der „Gewährung" von Gelddarlehen liegt, was die h. L. mit Recht wörtlich nimmt und demgemäß im Sinne der Darlehenshingabe versteht 9 .
II. Die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages 1. Die wichtigsten Unwirksamkeitsgründe a) Verstöße gegen das KWG 1286
Das Betreiben von Kreditgeschäften ohne die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis fällt trotz der in § 54 KWG enthaltenen Strafdrohung nicht unter § 134 BGB und führt demgemäß nicht zur Nichtigkeit des Darlehens 10 . Der BGH begründet das damit, daß „der Kreditvertrag selbst objektiv nicht gegen das Gesetz verstößt, sondern, wenn überhaupt, nur die ohne Erlaubnis zum Betrieb von derartigen Geschäften erfolgte Vornahme des Geschäfts"; das soll sich insbesondere daraus ergeben, „daß sich das Verbot nur gegen eine Partei richtet und dementsprechend die . . . Strafbarkeit nur auf Seiten einer Partei des Rechtsgeschäfts bestimmt ist" (WM 1966 1102). Diese Argumentation erschöpft indessen die Problematik nicht und kann daher, wie sich vor allem bei der entsprechenden Frage beim Einlagengeschäft zeigt (vgl. dazu oben Rdn. 1174), zu gefährlichen Fehlschlüssen führen. Entscheidend ist vielmehr, daß der Schutzzweck von § 32 KWG nicht die Anwendung von § 134 BGB fordert. Das gilt wohl schon deshalb, weil die Erlaubnispflichtigkeit von Kreditgeschäften nicht den einzelnen Kreditnehmer, sondern lediglich die Funktionsfähigkeit des Bankwesens und den Kreditverkehr als Institution schützen soll. Es folgt ferner daraus, daß die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB für den Kreditnehmer ein zweischneidiges Schwert wäre. So verlöre er dadurch z. B. seine Ansprüche auf Gewährung eines zugesagten, aber noch nicht ausgezahlten Kredits. Allerdings wirkt sich die Gültigkeit des Kreditvertrags für ihn insofern ungünstig aus, als er zur Zahlung der Gegenleistung, also z. B. der Avalprovision oder der vereinbarten Zinsen verpflichtet bleibt. In der Tat ist es unerfreulich, daß etwa eine nicht genehmigte Teilzahlungsbank von ihren Kreditnehmern überhöhte (jedoch nicht sittenwidrige) Zinsen fordern kann. Die Kreditnehmer davor zu bewahren, ist jedoch nicht Schutzzweck des gesetzlichen Erlaubnisvorbehalts, zumal das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen im Rahmen aufsichtsrechtlicher Einzelmaßnahmen ohnehin nicht auf die (rechtmäßigen) Vertragskonditionen Einfluß nehmen kann. Es bleibt daher dabei, daß der Schutzzweck von § 32 KWG nicht die Anwendung von § 134 BGB rechtfertigt. Das gilt wohl auch dann, wenn nicht nur der Kreditgeber, sondern auch der Kreditnehmer Kenntnis von dem Verstoß gegen das KWG hat, doch kann dann u . U . die Anwendung von § 138 BGB in Betracht kommen".
1287
Ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB stellt dagegen das in § 3 Ziff. 3 KWG ausgesprochene Verbot von Kreditgeschäften dar, bei denen ein Ausschluß oder eine « Vgl. a u c h B G H W M 1975, 160, 161, w o es allerd i n g s n a c h d e r A u s l e g u n g des B e r u f u n g s g e r i c h t s um einen e c h t e n V o r v e r t r a g u n d a l s o n i c h t u n m i t t e l b a r u m den T h e o r i e n s t r e i t g i n g ; vgl. z u d e r E n t s c h e i d u n g e i n g e h e n d K. Schmidt J u S 1976, 709 ff. 9 Vgl. z. B. Szagunn/Neumann/Wohlschieß Komm, z u m K W G 3 , 5 1 R d n . 19; Zimmerer/Schön le
K o m m , z u m K W G , 1962, § 1 R d n . 26 u n d 2 7 ; Schönle § 9 I ; Lünterbusch S. 51. 10 Vgl. B G H W M 1966, 1101, 1102; 1972, 8 5 3 ; 1980, 374, 3 7 7 ; Dempetvolf N J W 1964, 2 5 3 ; Lünterbusch S. 82 f f ; Kömer 2 H R 131, 132 f f ; Prost N J W 1977, 2 3 0 ; M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann § 607 R d n . 9 ; e b e n s o f e r n e r B G H W M 1978, 1268, 1269 z u r G a r a n t i e . 11
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Vgl. d a z u n ä h e r Lünterbusch
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
S. 84 ff.
I I . D i e U n w i r k s a m k e i t des D a r l e h e n s v e r t r a g e s
Erschwerung von Barabhebungen vorliegt. Das ist oben Rdn. 1176 für das entsprechende Problem beim Einlagengeschäft näher dargelegt worden und gilt hier genauso. Für das Verbot von Großkrediten gemäß § 13 K W G stellt das Gesetz durch den 1 2 8 8 Zusatz „unbeschadet der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts" ausdrücklich klar, daß es sich nicht um ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 B G B handelt 1 2 . Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Darlehensvertrages ergeben sich daher nur, wenn die Voraussetzungen eines Mißbrauchs der Vertretungsmacht vorliegen (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 170) oder wenn § 134 und/oder § 138 B G B wegen vorsätzlicher Beteiligung an einem Verstoß des Bankvertreters gegen § 266 S t G B zum Zuge k o m m e n 1 2 3 . Entsprechendes gilt i. d. R. für landesrechtliche Begrenzungen der Zulässigkeit von Kreditgewährungen durch Sparkassen oder Landesbanken, die i. d. R . ebenfalls nicht unter s 134 B G B fallen (vgl. auch B G H W M 1978 785, 787). Schärferen privatrechtlichen Sanktionen unterliegen Verstöße gegen das Verbot 1 2 8 9 von Organkrediten gemäß § 15 KWG, da diese nach Abs. 5 — ebenso wie nach der verwandten Regelung von §§ 89 V , 115 I V AktG — „sofort zurückzuzahlen" sind. W i e dies dogmatisch einzuordnen ist, muß freilich bisher als weitgehend ungeklärt bezeichnet werden 1 3 . In § 15 K W G ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 B G B zu sehen 1 4 , überzeugt nicht, weil der Verstoß durch die nachträgliche Zustimmung sämtlicher Geschäftsleiter und des Aufsichtsorgans geheilt werden kann und daher nicht wie im Falle von § 134 B G B zu Nichtigkeit, sondern allenfalls zu schwebender Unwirksamkeit führt. Näher liegt es daher, eine gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht gegenüber dem Organ anzunehmen, wobei insbesondere an eine Parallele zum Verbot des Selbstkontrahierens gemäß § 181 B G B zu denken ist. Dafür spricht außer der Genehmigungsfähigkeit auch die ratio legis von § 15 K W G , da die Vorschrift die vertretene Bank ähnlich wie § 181 B G B vor Nachteilen wegen eines möglichen Interessenkonflikts schützen soll. Nicht vollständig beantwortet ist damit freilich die Frage nach den Rechtsfolgen. Auszugehen ist insoweit davon, daß die Regelung des § 15 V K W G , wonach der Kredit „ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzuzahlen ist", die Bank offensichtlich besser stellen soll als nach dem — allein als Alternative in Betracht kommenden — Bereicherungsrecht; denn wenn es bei dessen Folgen sein Bewenden haben sollte, wäre § 15 V K W G nicht nur überflüssig, sondern auch mehr als mißverständlich formuliert. Man wird daher anzunehmen haben, daß das Gesetz der Bank die Vorteile aus dem Geschäft — wie die vereinbarten Provisions- und Zinsansprüche sowie etwaige Sicherheiten — erhalten, sie aber vor den Gefahren durch die Anordnung sofortiger Fälligkeit des Kredits bewahren will. Daraus folgt jedoch nicht, daß Verstöße gegen § 15 K W G die Wirksamkeit des Geschäfts unberührt lassen 1 5 . Vielmehr tritt Teilunwirksamkeit bei Restgültigkeit und gleichzeitiger Ersetzung des unwirksamen Teils durch die Anordnung sofortiger Fälligkeit ein: die Verpflichtung der Bank zur Belassung des Kredits bis zum vereinbarten Fälligkeitstermin ist unwirksam, das Geschäft im übrigen aber wirksam, so daß die Bank den vertraglichen R ü c k zahlungs-, Revalierungs- oder Freistellungsanspruch sofort geltend machen kann und
Vgl. auch B G H W M 1978, 785, 7 8 7 ; Lünterbusch S. 229, 233 ff m. w. Nachw. 12a Vgl. zur Untreue durch Vergabe von Großkrediten Nack N J W 1980, 1599 ff; vgl. ferner zum Erfordernis der einstimmigen Beschlußfassung sämtlicher Geschäftsleiter Brückner W M 1978, 1118 ff. 12
13
14 15
Vgl. im einzelnen den Überblick bei Lünterbusch S. 272 ff. So Lünterbusch S. 296 ff. So aber z. B. Schork Komm, zum K W G 2 , § 15 Rdn. 37.
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12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten
kraft der Sonderregelung des § 15 V K W G auch nicht an die Einhaltung gesetzlicher Fälligkeits- oder Kündigungsfristen wie z. B. § 609 BGB gebunden ist. § 15 K W G gilt nur im Verhältnis zum Kreditnehmer. Die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften mit Dritten, also z. B. einer Garantie oder einer Bürgschaft gegenüber einem Gläubiger des Kreditnehmers, wird demgemäß von § 15 K W G grundsätzlich nicht beeinträchtigt 1 6 . Die Bank kann in einem solchen Falle lediglich von dem Kreditnehmer sofortige Freistellung verlangen. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann sie dem Dritten allerdings den Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegensetzen, was sich vom hier vertretenen Standpunkt aus schon aus den Regeln über den Mißbrauch der Vertretungsmacht ergibt (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 170) und bei einer abweichenden dogmatischen Einordnung von § 15 K W G aus dem allgemeinen Verbot des Rechtsmißbrauchs gemäß § 242 BGB folgt. b) Verstöße gegen das RBerG Einen Verstoß gegen § 1 RBerG nimmt der B G H in st. Rspr. an, wenn eine Bank geschäftsmäßig die Vorfinanzierung von Schadensersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen übernimmt und das Kreditgeschäft wirtschaftliches Teilstück eines Verfahrens zur Entlastung des Geschädigten von der Schadensabwicklung einschließlich der Besorgung damit verbundener rechtlicher Angelegenheiten ist 17 . Hierbei wirken üblicherweise die Bank, ein Reparaturunternehmen und ein Rechtsanwalt in einem sogenannten Unfallhelferring zusammen. Nach Ansicht des B G H ist § 1 RBerG in einem solchen Fall auch dann verletzt, wenn der Bank die Schadensersatzforderung zur Sicherheit abgetreten wird, und der Rechtsanwalt namens und auftrags des Geschädigten tätig wird, die Bank jedoch i. d. R. denselben Anwalt vorschlägt, die Darlehensgewährung von dessen Beauftragung abhängig macht und eine Beteiligung des Geschädigten bei der rechtlichen Abwicklung des Unfalls nach der Anlage des Verfahrens von vornherein nicht vorgesehen ist 18 ; darüber hinaus soll die Anwendung von § 1 RBerG nicht einmal dann entfallen, wenn die Bank dem Geschädigten die Auswahl unter mehreren von ihr vorgeschlagenen Anwälten überläßt, ja wenn sie das Darlehen sogar bei Beauftragung eines anderen Anwalts gewährt hätte, der Geschädigte aber einen der vorgeschlagenen Anwälte ausgewählt hat 1 9 . Die Gesetzeswidrigkeit soll sich dabei nicht auf den Erwerb und die Einziehung der Schadensersatzforderung beschränken, sondern auch den Darlehensvertrag ergreifen — und zwar unmittelbar nach § 134 BGB und nicht nur über § 139 BGB, so daß die Abdingung der letzteren Vorschrift die Gesamtnichtigkeit nicht zu verhindern vermag 2 0 ; das soll auch dann gelten, wenn die Bank sich die Schadensersatzforderung gar nicht hat abtreten lassen, der Geschädigte jedoch den Anwalt anweist, den Gegenwert zur Rückführung des Kredits zu verwenden 2 1 . Die Rechtsprechung des B G H ist abzulehnen 2 2 . Gegen sie spricht durchschlagend, daß Mandant des Rechtsanwalts der Geschädigte ist und daß jener daher diesem gegenüber zivil-, standes- und strafrechtlich zur ordnungsgemäßen Geltendmachung der Forderung verpflichtet ist. Nicht die Bank, sondern der Rechtsanwalt besorgt mithin fremde Rechtsangelegenheiten. Daß er dabei wegen seiner gleichzeitigen Zusam16
Vgl. auch Lünterbusch S. 311 f m. w. N a c h w . 17 Vgl. B G H Z 61, 316, 319 ff; B G H W M 1974, 190; 1976, 100; 1977, 72; 1977, 140; 1978, 1062. 18 So lag es in der Leitentscheidung B G H Z 61, 316. " So die besonders rigorose Entscheidung B G H W M 1978, 1062, 1063 Sp. 2. 20 Vgl. B G H W M 1976, 100, 102; 1977, 72; 1978,
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1062, 1063; a. A. offenbar M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann § 6 0 7 Rdn. 10 und 14 a. E., jedoch ohne Auseinandersetzung mit der entgegengesetzten Rspr. des B G H . 21 Vgl. B G H W M 1977, 140, 142. 22 Vgl. zum folgenden näher Canaris ZIP 1980, 709 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D i e U n w i r k s a m k e i t des Darlehensvertrages
menarbeit mit der Bank leicht in einen Interessenkonflikt geraten kann, was der B G H letztlich als ausschlaggebend ansieht, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, weil § 1 RBerG nicht den Schutz vor untreuen Rechtsanwälten (!) zum Zweck hat, wie sich insbesondere aus § 3 Ziff. 3 RBerG unmißverständlich ergibt. Forderungsabtretung und Kreditvertrag können demnach allenfalls unter den Voraussetzungen von § 138 BGB nichtig sein. Diese können in den einschlägigen Fällen je nach deren Gestaltung in der Tat erfüllt sein. Der Interessenkonflikt des Anwalts wird freilich in aller Regel nicht für die Anwendung von § 138 BGB ausreichen, doch können andere Umstände hinzukommen wie die Personalunion zwischen Anwalt und Inhaber eines mitwirkenden Finanzierungsinstituts 2 3 , die Ausnutzung der durch den Unfall entstandenen Zwangslage des Geschädigten oder vielleicht gar der psychologischen Ausnahmesituation unmittelbar nach dem Unfall sowie die unseriöse Erweckung falscher Erwartungen bezüglich der H ö h e des Ersatzanspruchs (z. B. durch einen Kredit in H ö h e von 100 % der nur nach der Sachverhaltsschilderung des Geschädigten und ohne Berücksichtigung mitwirkender Betriebsgefahren errechneten Schadenssumme). Auch die inhaltliche Gestaltung der geschlossenen Verträge ist maßgeblich mitzuberücksichtigen. Auf die Vorfinanzierung von Steuererstattungsansprüchen ist § 1 RBerG i. d. R. 1291 jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn die Berechnung der Anspruchshöhe und die sonstige Beratung bei der Abfassung des Erstattungsantrags nicht in den Händen der Bank liegt, sondern z. B. von einem im Auftrag des Steuerpflichtigen tätigen Steuerberater vorgenommen wird 2 4 . Das gilt auch dann, wenn man die Unfallhelferringrechtsprechung des B G H für richtig hält. Für den Kreditnehmer steht hier nämlich anders als in den Unfallhelferringfällen und ebenso wie beim Factoring, für das die Unanwendbarkeit von § 1 RBerG anerkannt ist 25 , nicht die Entlastung von den Mühen, die mit der Geltendmachung seines Anspruchs gegenüber dem Finanzamt verbunden sind, sondern vielmehr der Wunsch nach sofortiger Erlangung von Bargeld im Vordergrund. Denn die Anspruchsdurchsetzung ist meist in rechtlicher Hinsicht unproblematisch, da die einschlägigen Rechtsfragen einfach sind und die Beweislage keine Schwierigkeiten bereitet und mit einer korrekten und kompetenten Behandlung des Antrags durch die Finanzbehörden gerechnet werden kann. Entscheidend ist daher aus der Sicht des Steuerpflichtigen die zeitweilige Vorenthaltung eines Teils seines Nettoeinkommens, so daß es für ihn in der Tat in erster Linie um die Erlangung von Liquidität, also um Kredit geht. Allerdings muß vertraglich vorgesehen werden, daß bei einem Uberschuß des vom Finanzamt an die Bank bezahlten Betrages über die Kreditschuld die Differenz an den Kreditnehmer ausgekehrt wird, da die Forderungsabtretung sonst wegen Verstoßes gegen das Verbot des Erwerbs von Steuererstattungsansprüchen zum Zweck der Einziehung auf eigene Rechnung gemäß § 46 A O nichtig ist. c) Verstöße gegen das Verbot des Abschlusses und der Vermittlung von Darlehensgeschäften im Reisegewerbe gemäß § 56 I Ziff. 6 GewO In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des B G H 2 6 ist § 56 I Ziff. 6 G e w O als 1 2 9 2 gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB anzusehen 2 7 . Dieses ergreift auch den Darle23
Vgl. den Sachverhalt der Entscheidung B G H WM 1976, 100. 24 Vgl. zum folgenden näher Canaris ZIP 1980, 712 f. " Vgl. B G H Z 58, 364 zum unechten Factoring; B G H Z 76, 119 zum echten Factoring.
" Vgl. B G H Z 71, 358, 360 ff; B G H W M 1978, 1154; 1979,429,430; 1979, 550, 551; 1979, 1035, 1036; 1979, 1 180, 1183; 1980, 620; 1980, 860, 862. 27 Vgl. zum folgenden näher Canaris Z I P 1980, 712; a. A. z. B. Ungerbieler N J W 1980, 568 f.
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12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten
hensvertrag, da nicht nur die Vermittlung, sondern auch der Abschluß von Darlehensgeschäften im Reisegewerbe durch § 56 I Ziff. 6 GewO verboten wird. Daß das Verbot sich nur an eine Partei — nämlich den Kreditgeber — richtet und daß das Rechtsgeschäft nicht wegen seines Inhalts, sondern nur wegen der Art seines Zustandekommens untersagt ist, steht der Anwendung von § 134 BGB nicht entgegen; denn auf diese Gesichtspunkte kann es nicht ankommen, wenn das Verbot wie hier nicht Interessen der Allgemeinheit oder Dritter, sondern des anderen Teils schützen soll. Aus dem gleichen Grunde besteht auch kein Anlaß, für die Anwendung von § 134 BGB besondere subjektive Voraussetzungen aufzustellen; der Darlehensvertrag ist daher auch dann nichtig, wenn die Bank die Umstände, die zu dem Verstoß gegen § 56 I Ziff. 6 GewO geführt haben, weder kannte noch kennen konnte 2 8 . 1293
Als „Abschluß" des Darlehensgeschäfts i. S. von § 56 I Ziff. 6 GewO ist entsprechend dem Schutzzweck der Vorschrift schon die Abgabe des Angebots durch den Kreditnehmer zu sehen. W o dieses angenommen wird, ist daher gleichgültig. Unerheblich ist ferner, ob der Kreditgeber selbst das Angebot im Reisegewerbe eingeholt hat oder ob dies durch einen Vermittler geschehen ist; denn anderenfalls wäre Umgehungen Tür und T o r geöffnet. Es muß aber das Angebot selbst außerhalb der Geschäftsräume des Vermittlers oder der Bank eingeholt worden sein. Bloße Vorbereitungshandlungen genügen also entgegen der Rechtsprechung des BGH für die Anwendung von § 134 BGB nicht 29 . Das folgt schon aus dem allgemeinen Grundsatz, daß Vorbereitunghandlungen der Tatbestandsverwirklichung nicht gleichstehen — ein Prinzip, welches nicht nur für die strafrechtliche Handhabung von § 56 I Ziff. 6 i. V. m. § 148 I Ziff. 7 GewO und demgemäß auch für die Anwendung der Vorschrift als Schutzgesetz gemäß § 823 II BGB unmittelbar einschlägig ist, sondern das zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch auf § 134 BGB übertragen werden muß. Außerdem weist auch der Schutzzweck von § 5 6 I Ziff. 6 G e w O in diese Richtung, da die besondere psychologische Zwangsoder Verführungslage bei „Haustürgeschäften", „Kaffeefahrten" und dgl., vor der das Gesetz den Kreditnehmer schützen will, nicht gegeben ist, wenn dieser sich für die Abgabe seines Angebots erst noch in die Räume des Vermittlers oder der Bank begeben muß. Aus dem gleichen Grund ist § 56 I Ziff. 6 GewO unanwendbar, wenn die Tätigkeit des Vermittlers oder Kreditgebers außerhalb seiner Geschäftsräume auf Wunsch oder Initiative des Kreditnehmers erfolgt ist 30 .
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§ 56 I Ziff. 6 G e w O macht eine Ausnahme für Darlehensgeschäfte, die im Zusammenhang mit einem Warenverkauf oder mit dem Abschluß eines Bausparvertrages stehen. Der BGH legt diese Bestimmung eng aus und wendet sie demgemäß nur bei reinen Warenkäufen, nicht aber bei mit anderen Verträgen verbundenen Kaufverträgen an 31 . Dem wird man zustimmen können, wenn der zweite Vertrag zu dem Kreditbedarf beigetragen hat wie bei Verbindungen von Kauf- und entgeltlichen Schulungsverträgen 32 . Dagegen ist eine derartige enge Auslegung der Ausnahmeregelung wohl kaum zu « Vgl. B G H W M 1979, 1035, 1036 unter I 2 c und dazu Canaris Z I P 1980, 712. " V g l . näher Canaris Z I P 1980, 712 f; a. A. der B G H in st.Rspr., vgl. B G H Z 71, 358, 362 f; W M 1979, 1035, 1036; 1979, 1180, 1183; 1980, 620, 621; wohl auch 1980, 860, 862. 3° Vgl. B G H W M 1979, 429, 430 unter 1 c m. N a c h w . ; 1980, 860, 862.
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31 Vgl. B G H Z 71, 358, 363 f; B G H W M 1154; 1979, 429, 430; 1979, 550, 551; 1979, 1036; 1979, 1180, 1183; 1980, 620, 621; 860, 862. 32 So in den Fällen B G H Z 71, 358 und W M 1035; wohl auch W M 1980, 620, 621.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
1978, 1035, 1980, 1979,
II. Die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages
rechtfertigen, wenn der zusätzliche Vertrag den Kreditnehmer nichts kostet, sondern ihm im Gegenteil sogar eine Einnahmequelle verschaffen soll wie z. B. bei der Verbindung von Kauf- und Produktionsverträgen mit Abnahmeverpflichtung des Herstellers 33 ; daß die Kaufsache ihren wahren Wert und ihre Tauglichkeit nur bei Durchführung des Zusatzvertrages erweisen kann, dürfte für eine Restriktion kaum ausreichen. Im übrigen erscheint aber eine einschränkende Auslegung der Ausnahmeregelung in dem Sinne geboten, daß sie nur eingreift, wenn Kaufvertrag und Darlehen eine Einheit im Sinne der Regeln über das finanzierte Abzahlungsgeschäft bilden. Denn nur dann ist der Käufer durch das Widerrufsrecht gemäß § 1 b AbzG hinreichend vor Übereilung geschützt, so daß der Schutz durch § 56 I Ziff. 6 G e w O i. V. mit § 134 BGB entfallen kann. Daß § 1 b AbzG erst nach § 56 I Ziff. 6 G e w O geschaffen worden ist, steht einer objektiv-teleologischen, am heutigen Rechtszustand orientierten Abstimmung der beiden Vorschriften nicht entgegen, zumal bei der Novelle von 1960 die Problematik des Widerrufsrechts im Zusammenhang mit § 56 I Ziff. 6 G e w O durchaus gesehen und f ü r eine etwaige spätere Lösung zurückgestellt wurde 3 4 . Allerdings ist eine lückenlose Harmonisierung nicht möglich. § 1 b AbzG greift nämlich nur bei Teilzahlungskrediten ein (vgl. unten Rdn. 1406), während die Ausnahme zum Verbot des § 56 I Ziff. 6 G e w O ihrem unmißverständlichen Wortlaut nach auch Kredite, die in einer Summe zurückzuzahlen sind, erfaßt. Das im Wege einer teleologischen Reduktion zu korrigieren, dürfte schwerlich möglich sein, da die Ausnahmevorschrift die Problematik des finanzierten Kaufs nun einmal generell offenhält und der Gesetzgeber diese Schutzlücke eben nur partiell geschlossen hat; das gilt umso mehr, als der Schutz des Kreditnehmers ja auch nach dem — dem Gesetzgeber bekannten — Modell eines unmittelbar auf Haustürgeschäfte, Kaffeefahrten und dgl. bezogenen (und begrenzten) Widerrufsrechts hätte verwirklicht werden können und dann sinnvollerweise nicht auf Ratenkredite beschränkt gewesen wäre, wohingegen die statt dessen entstandene Regelung nicht an Haustürgeschäfte usw. anknüpft, dafür aber nur Ratenkredite erfaßt 3 4 3 . Ihre Anwendung setzt folglich zwar eine „Einheit" von Darlehens- und Kaufvertrag im Sinne der Lehre vom finanzierten Abzahlungsgeschäft, nicht aber eine Teilzahlungsabrede voraus. d) Kreditwucher und verwandte Tatbestände Der Kreditwucher knüpft gemäß § 138 II BGB an ein auffälliges Mißverhältnis zwi- 1 2 9 5 sehen Leistung und Gegenleistung an. Dieses ist in erster Linie durch einen Vergleich mit den marktüblichen Konditionen festzustellen 35 . Das steht in Einklang mit dem in der Rechtsprechung zu § 138 BGB wiederholt zu Tage getretenen Grundgedanken, daß der Maßstab für die Bewertung des Äquivalenzverhältnisses grundsätzlich die verkehrsübliche Gegenleistung ist 36 . Die Rechtfertigung hierfür liegt letztlich darin, daß die geltende Rechts- und Wirtschaftsordnung grundsätzlich keine autoritäre Festsetzung des „richtigen" Aquivalenzverhältnisses kennt, sondern diese im wesentlichen dem Spiel der Marktkräfte überläßt. Besonders gut geeignet für die Beurteilung des Aquivalenzverhältnisses ist ein Konditionenvergleich bei typisierten Massenkrediten, doch spielt auch bei anderen Darlehen das allgemeine Zinsniveau eine wesentliche
35 So in den Fällen BGH WM 1978, 1154; 1979, 429, 430; 1979, 550, 551. Vgl. BT-Drucksache 3. Wahlperiode Nr. 318 S. 27.
34a Vgl. zur Entstehungsgeschichte von § 1 b AbzG z. B. Löwe NJW 1974, 2257 f. 35 Seit BGH WM 1975, 889, 890 st. Rspr. 36 Vgl. z. B. BGH WM 1961, 1221, 1223; 1967, 321, 323.
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12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten
Rolle, da selbstverständlich in einer ausgesprochenen Hochzinsphase großzügigere Maßstäbe für § 138 BGB gelten als in einer Niedrigzinsphase 3 7 . 1296
Andererseits darf die Leistungsfähigkeit eines Konditionenvergleichs auch nicht überschätzt werden. So ist dessen Aussagekraft von vornherein stark vermindert, wenn es marktübliche Konditionen für ein Geschäft der betreffenden Art überhaupt nicht gibt. Auch unterliegen die Marktkonditionen ihrerseits der Prüfung am Maßstab von § 138 BGB, so daß ein überhöhtes Marktniveau u. U. keinen brauchbaren Anhaltspunkt darstellt. Umgekehrt kann der Rückgriff auf die Marktkonditionen auch deshalb der Aussagekraft entbehren, weil diese durch scharfen Wettbewerb oder aus anderen Gründen nach unten verzerrt sind, ja vielleicht sogar zeitweise unter den Kosten liegen.
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Beträchtliche Schwierigkeiten kann die Abgrenzung des relevanten Marktes bereiten. Diese ist in erster Linie unter rechtlichen und nicht unter ökonomischen Gesichtspunkten vorzunehmen, da der Marktvergleich der Anwendung von § 138 BGB dient und da es somit um einen Rechtsbegriff geht. In diesen müssen demgemäß die Momente eingehen, die für das Urteil der Sittenwidrigkeit maßgeblich sind, also vor allem Risiken, Kosten und Gewinne. Daher ist von einem eigenen Markt der Teilzahlungsbanken auszugehen 3 8 ; zumindest sind die Besonderheiten der Risiko- und Kostenstruktur des von den Teilzahlungsbanken betriebenen Geschäfts bei der Gesamtwürdigung mit großem Gewicht zu berücksichtigen 3 8 a . Auch die Sicherung durch ein Grundpfandrecht reicht wegen ihres tiefgreifenden Einflusses auf das Kreditrisiko i. d. R. aus, um einen eigenen Markt anzunehmen. Gleiches dürfte grundsätzlich für die Art der Rückzahlung gelten, soweit diese sich wesentlich auf die Kosten des Kredits für den Kunden u n d / o d e r den Gewinn für die Bank auswirken kann; daher können z. B. (revolvierende) Kontokorrentkredite und Ratenkredite grundsätzlich nicht miteinander verglichen werden, während dies im Verhältnis von Ratenkrediten und in einer Summe zurückzuzahlenden Krediten (mit fester Laufzeit) keineswegs ausgeschlossen ist. Die Laufzeit als solche wird man dagegen f ü r sich allein schwerlich als Grundlage eines eigenen Marktes ansehen können, wenngleich selbstverständlich im Rahmen von § 138 BGB zu berücksichtigen ist, daß kurzfristige Kredite i. d. R. aus gutem Grund teuerer sind als langfristige (vgl. auch unten Rdn. 1299). Auch der Zweck des Kredites trägt für sich allein wohl noch nicht die Annahme eines eigenen Marktes, so daß man nicht ohne weiteres von verschiedenen Märkten für Konsumentenkredite und gewerbliche Kredite ausgehen kann; vielmehr sind die Unterschiede, die hier bestehen können — z. B. hinsichtlich der Geschäftserfahrung des Kunden, aber auch hinsichtlich der Sicherheiten — zweckmäßigerweise außerhalb des eigentlichen Marktvergleichs in die Gesamtabwägung einzubringen (vgl. auch unten Rdn. 1303 a. E.). Im übrigen spielt f ü r die Frage nach der Eigenständigkeit eines Marktes außer rechtlichen Gesichtspunkten auch die Verkehrsanschauung eine wesentliche Rolle. In einer vom Gedanken der Marktwirtschaft geprägten Rechts- und Wirtschaftsordnung muß es nämlich folgerichtig weitgehend den Marktteilnehmern selbst überlassen blei37 Vgl. auch RG J W 1936, 2129; B G H W M 1976, 422, 423; O L G Köln N J W 1979, 554. 38 Vgl. eingehend Canaris Z I P 1980, 715 f; ebenso i. E. KG W M 1980, 72, 73 f; O L G M ü n c h e n / Augsburg BB 1980, 1825; Scholz W M 1979, 1247 ff; Klein N J W 1980, 2062 f; Löwe N J W 1980, 2080; Zwanzig BB 1980, 1282 f f ; a. A. B G H W M 1979, 966, 968; 1980, 860, 861; 1980, 892, 894; 1981, 353, 355; O L G Stuttgart N J W 1979, 2409, 2411.
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Einen gewissen Ansatzpunkt in dieser Hinsicht läßt jetzt B G H W M 1981, 353, 355 erkennen, w o zwar ein Sondermarkt der Teilzahlungsbanken nach wie vor abgelehnt, aber immerhin ausdrücklich anerkannt wird, daß zu den „ f ü r die Sittenwidrigkeit relevanten Umständen auch wesentliche preisbildende Faktoren f ü r den gesamten Kapital- und Geldmarkt, aber auch für die Gruppe der Teilzahlungsbanken im besonderen" gehören ( H e r v o r h e b u n g hinzugefügt).
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages ben, ob diese eine bestimmte Art von Leistungen als so spezifisch oder so eigenständig ansehen, daß von einem eigenen Markt gesprochen werden kann. Die kritische Zinshöhe läßt sich kaum präzisieren. Das Doppelte des marktüblichen 1298 Zinses mag zwar ein Indiz für ein „auffälliges" Mißverhältnis i. S. von § 138 II BGB und daher Anlaß für eine Wucherprüfung sein 39 , ersetzt aber keinesfalls die übrigen Wuchermerkmale oder die Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles 40 ; denn die Verfasser des BGB haben die Übernahme des Gedankens der laesio enormis bewußt abgelehnt, und auch abgesehen davon paßt diese wegen ihrer Starrheit und ihres preisregulierenden Charakters nicht in das System des geltenden Rechts und zum heutigen Verständnis der Privatautonomie. Ebenso wenig hat die Rechtsprechung eine Kompetenz zur Festlegung fester absoluter Zahlenwerte. Es ist daher bedenklich, daß in der Rechtsprechung bei einem effektiven Jahreszins ab 40 % eine unverkennbare Tendenz zur Bejahung der Sittenwidrigkeit ohne Prüfung und Berücksichtigung der Umstände und Besonderheiten des jeweiligen Falles zu erkennen ist 41 — und das sogar bei gewerblichen Krediten 413 . Immerhin werden aber in ungewöhnlichen Ausnahmefällen, vor allem bei außerordentlichen Risiken, mitunter auch über 40 % liegende Zinssätze toleriert 42 , doch wird dann häufig nicht ein Darlehen, sondern eine stille Gesellschaft anzunehmen sein, so daß für den Vorwurf des Kreditwuchers ohnehin von vornherein kein Raum ist. Was das Ausmaß des Kreditrisikos angeht, so bestimmt sich dieses vor allem nach der persönlichen Bonität des Kreditnehmers und nach den gestellten Sicherheiten 43 , doch können auch andere Gesichtspunkte wie z. B. die Erfolgsaussichten des mit dem Kredit zu finanzierenden Projekts eine Rolle spielen. — Eine untere Grenze, unterhalb derer der Zinssatz jedenfalls unbedenklich ist, läßt sich bisher in der Rechtsprechung nicht mit hinreichender Klarheit erkennen, was angesichts der Schwankungen des Marktzinses und der gebotenen Einbeziehung sonstiger Konditionen und Umstände (vgl. unten Rdn. 1301 f) auch nicht verwunderlich ist 44 . Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit sind nicht nur die Zinsen, als welche auch 1 2 9 9 die sogenannten Kreditgebühren bei Teilzahlungskrediten anzusehen sind (vgl. unten Rdn. 1324), heranzuziehen, sondern auch Bearbeitungsgebühren und ähnliche einmalige Leistungen, die an die Bank für die Kapitalüberlassung zu entrichten sind. Zwar stellen sie mangels Laufzeitabhängigkeit keine Zinsen im Rechtssinne dar (vgl. unten Rdn. 1324), doch bilden sie gleichwohl einen Teil der Gegenleistung für das Darlehen, 39
Vgl. allgemein MünchKomm.-M2' Vgl. näher Canaris Z I P 1980, 720. >30 Ebenso i. E. B G H W M 1977, 834 unter 4, w o freilich nicht explizit auf die Bedeutung der hypothekarischen Sicherung abgestellt wird; vgl. fer-
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ner eingehend Terpitz Festschr. f ü r Bärmann, 1975, S. 958 f f ; zweifelnd M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann § 608 Rdn. 8 a. E. Ebenso i. E., jedoch mit zu weitreichender Formulierung, B G H W M 1977, 834, 835 unter 5 c.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Der Inhalt des Darlehensvertrages chen Sparkassenkunden 1 3 2 oder bei starker Abhängigkeit eines Unternehmens von seiner „Hausbank". Als hinreichender Anlaß für eine Anderungskündigung ist vor allem eine unvorhersehbare Steigerung des allgemeinen Zinsniveaus anzusehen 1 3 3 — woraus zugleich deutlich wird, daß auch eine scharfe Inhaltskontrolle dem Recht zur ordentlichen Kündigung durchaus noch eine eigenständige Funktion gegenüber dem Recht zur außerordentlichen Kündigung beläßt. Sinken die Zinsen wieder, so kann die Bank nach §§ 157, 242 BGB verpflichtet sein, dem von der Anderungskündigung betroffenen Kreditnehmer nunmehr wieder einen niedrigeren Zinssatz einzuräumen 1 3 4 ; daß dieser auch seinerseits von der Möglichkeit einer Anderungskündigung Gebrauch machen könnte, reicht angesichts des Hemmnisses, das im Verlust laufzeitunabhängiger Vergütungen liegt, nicht aus, um das im Rahmen von AGB-Regelungen erforderliche gerechte Gleichgewicht zu gewährleisten. Beträchtliche rechtliche Schwierigkeiten wirft die Abschnittsfinanzierung bei Amor- 1 3 2 9 a tisationsdarlehen privater Hypothekenbanken auf, durch die trotz Vereinbarung einer einheitlichen Laufzeit und eines einheitlichen Tilgungsplans f ü r das Gesamtdarlehen nach Ablauf eines „Abschnitts" eine Anpassung der Zinsen an die Marktgegebenheiten erreicht werden soll. W e n n man darin nicht sogar eine Umgehung des Ausschlusses eines Rechts zur ordentlichen Kündigung durch die Bank gemäß § 19 S. 1 HypBankG sieht und § 134 BGB anwendet 1 3 5 , so sind die von der Bank angebotenen geänderten Konditionen doch wenigstens am Maßstab von § 315 BGB zu kontrollieren. b) Die Pflicht zur Zurückzahlung des Darlehens Die Pflicht zur Rückzahlung der Valuta setzt außer deren Auszahlung (vgl. dazu 1 3 3 0 oben Rdn. 1319 f) die Fälligkeit des Darlehens voraus. Diese kann die Bank nach Ziff. 17 S. 1 AGB grundsätzlich jederzeit herbeiführen, doch wird dem häufig das Vorliegen einer „abweichenden Vereinbarung" entgegenstehen (vgl. näher oben Rdn. 1238 f). Dann kommt es darauf an, ob einer der sonstigen Beendigungsgründe gegeben ist (vgl. dazu eingehend oben Rdn. 1232 ff und unten Rdn. 1337 ff und 1341 f). Uber die Anrechnung von Zahlungen auf die Darlehensschuld entscheidet nach 1331 §§ 366 I, 396 I 1 BGB in erster Linie der Kreditnehmer. Das gilt nach richtiger, wenngleich nicht herrschender Ansicht auch bei Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses 136 . Fällige Zins- und Kostenschulden sind allerdings nach §§ 367, 396 II BGB vor der Darlehensschuld zu tilgen, widrigenfalls die Bank die Zahlung zurückweisen kann. Auch von Dritten eingehende oder von der Bank selbst beigetriebene Zahlungen sind auf die Darlehensschuld anzurechnen, wenn dies den Vereinbarungen zwischen der Bank und dem Kreditnehmer entspricht. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn sie auf einem besonderen Konto — z. B. einem Sicherheitenerlöskonto — verbucht werden; denn die Einrichtung eines solchen Kontos dient i. d. R. nur organisatorischen Zwecken, so daß Eingänge rechtlich gesehen sofort mit der Darlehensschuld zu kompensieren sind, auch wenn das nicht ausdrücklich vereinbart ist 137 . O b ein von der 132
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Um einen solchen Kreditnehmer ging es im Falle B G H W M 1977, 834. Vgl. eingehend B G H W M 1977, 835 unter 6. In diesem Sinne sind o f f e n b a r auch die Ausführungen in B G H W M 1977, 835 unter 5 e zu verstehen. Vgl. dazu Pleyer/Müller-Wüsten Festschr. f ü r
Möhring, 1975, S. 406 ff, die die Frage jedoch letztlich ebenfalls offenlassen. 136 Vgl. dazu eingehend Canaris G r o ß k o m m , zum H G B 3 , § 355 Anm. 74 ff m. N a c h w . '57 Vgl. freilich auch O L G Karlsruhe W M 1979, 981, 987 f ü r den Sonderfall, daß noch mit der Geltendmachung von verlängerten Eigentumsvorbehalten zu rechnen ist.
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12. Abschnitt. D a s G e l d d a r l e h e n und seine bankrechtlichen B e s o n d e r h e i t e n
Bank gewährter neuer Kredit von dieser einseitig zur Abdeckung einer schon bestehenden Schuld herangezogen werden darf, hängt von den Parteiabreden ab, doch ist im Zweifel eine derartige Aufrechnungsvalutierung nicht als zulässig anzusehen (vgl. oben Rdn. 1220). Dagegen steht einer Aufrechnung von Seiten des Kreditnehmers grundsätzlich nichts im Wege (vgl. auch R G J W 1929 2705). 1332
Besondere Schwierigkeiten kann das Verhältnis von Kapital- und Zinstilgung bei Ratenkrediten bereiten. Praktische Bedeutung erlangt diese Frage vor allem im Verzugsfalle, weil gemäß §§ 248, 289 B G B Verzugszinsen nur von dem in der Rate enthaltenen Kapitalanteil und nicht auch von dem Zinsanteil gefordert werden können (vgl. dazu auch unten Rdn. 1335). Entscheidend ist insoweit die von den Parteien gewählte Gestaltungsform. Vereinbaren sie einen Jahreszinssatz, wie das z. B. beim Hypothekarkredit üblich ist, so hat der Kreditnehmer die für den jeweiligen Kapitalreii zu entrichtenden Zinsen zu bezahlen, so daß der in den Ratenzahlungen enthaltene Zinsanteil am Anfang sehr hoch ist und mit zunehmender Rückzahlung immer geringer wird, während der Kapitalanteil genau umgekehrt anfangs verhältnismäßig niedrig ist und zunehmend größer wird (vgl. auch B G H W M 1975 889, 890). Vereinbaren die Parteien dagegen einen gleichbleibenden, i. d. R. pro Monat berechneten Prozentsatz vom ursprünglichen Kapitalbetrag, was meist nicht als Zins, sondern als Kreditgebühr bezeichnet wird, so bleiben der in der Rate enthaltene Zinsanteil und der Kapitalanteil stets gleich. Ist also z. B. eine Kreditgebühr von monatlich 1 % vereinbart, so enthält jede Monatsrate Zinsen in H ö h e von 1 % des nominellen Darlehensbetrags, während mit dem Rest die Kapitalschuld abgetragen wird (vgl. auch unten Rdn. 1344). Grundsätzlich nicht einschlägig ist im vorliegenden Zusammenhang die Regelung des § 367 B G B 1 3 8 . Denn diese setzt voraus, daß der Schuldner weniger leistet, als er schuldet, während er bei ordnungsgemäßer Ratenzahlung genau das leistet, was er schuldet. Es geht hier vielmehr um die ganz andere Frage, in welcher H ö h e die Kapitalschuld und in welcher H ö h e die Zinsschuld jeweils fällig ist; über die Fälligkeit sagt aber § 367 B G B überhaupt nichts aus. Zahlt freilich der Kreditnehmer eine Rate nicht in voller Höhe, so greift § 367 B G B ein mit der Folge, daß die Zahlung zuerst auf den Zinsanteil und nur mit dem Rest auf den Kapitalanteil anzurechnen ist. Dagegen bietet § 367 B G B nicht die Möglichkeit, beim Ausbleiben einer oder mehrerer Raten nunmehr einfach die früheren Zahlungen auf die jetzt rückständigen Zinsen anzurechnen 1 3 9 ; denn durch die früheren Zahlungen ist die Kapitalschuld in entsprechender H ö h e getilgt worden, und diese Erfüllungswirkung entfällt nicht rückwirkend, wenn der Kreditnehmer mit weiteren Ratenzahlungen in Verzug gerät. Daran läßt sich wohl auch durch eine für den Verzugsfall getroffene Vertragsabrede nichts ändern, da diese als Umgehung des Zinseszinsverbots anzusehen sein dürfte 1 3 9 .
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Die Unterscheidung zwischen Kapital- und Zinsanteilen kann praktische Bedeutung auch für die Frage der Verjährung erlangen. Der Anspruch auf Rückzahlung der Valuta verjährt nämlich grundsätzlich nach § 195 B G B in dreißig Jahren, während für die Zinsansprüche die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 B G B gilt. Diese ist indessen auch auf die „als Zuschlag zu den Zinsen zum Zwecke allmählicher Tilgung des Kapitals zu entrichtenden Beträge" anzuwenden. Folglich unterliegen die Ansprüche auf die Rückzahlungsraten, was mitunter übersehen w i r d 1 3 9 a , grundsätzlich einheitlich der vierjährigen Verjährungsfrist des § 197 B G B , weil (und sofern) in ihnen auch Zinsanteile enthalten sind. O b der Zins- oder der Rückzahlungsanteil höher ist, spielt trotz A . A . O L G Hamm N J W 1974, 1951, 1952; Scholten N J W 1968, 386.
13» A. A. Schölten NJW 1968, 386 Sp. 2. 686
' " » S o z. B. in B G H Z 60, 108 und Erstbearbeitung Anm. 696.
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1981
III. Der Inhalt des Darlehensvertrages des n i c h t g a n z u n m i ß v e r s t ä n d l i c h e n G e s e t z e s w o r t l a u t s a n e r k a n n t e r m a ß e n k e i n e R o l l e 1 3 9 b ; a n d e r e n f a l l s k ä m e m a n zu d e m völlig w i d e r s i n n i g e n E r g e b n i s , d a ß bei B e r e c h n u n g d e r Z i n s e n v o m jeweiligen D a r l e h e n s r e s t u n d g l e i c h b l e i b e n d e n R a t e n am A n f a n g , w o d e r Zinsanteil w e i t a u s g r ö ß e r als d e r K a p i t a l r ü c k z a h l u n g s a n t e i l z u sein p f l e g t , § 197 B G B hinsichtlich d e r g e s a m t e n R a t e e i n g r e i f t , w ä h r e n d s p ä t e r (von w a n n an?) f ü r d e n d a r i n e n t h a l t e n e n T i l g u n g s a n t e i l § 195 B G B a n z u w e n d e n w ä r e . D e r k u r z e n V e r j ä h r u n g n a c h § 197 B G B k a n n d e r D a r l e h e n s g e b e r n u r e n t g e h e n , i n d e m er d e n Zins- u n d d e n K a p i t a l r ü c k z a h l u n g s a n t e i l g e s o n d e r t a b r e c h n e t 1 3 9 0 . Folglich ist die V o r s c h r i f t a u c h bei V e r e i n b a r u n g g l e i c h b l e i b e n d e r m o n a t l i c h e r „ K r e d i t g e b ü h r e n " a n z u w e n d e n , o b w o h l hier d e r jeweilige Zinsanteil leicht h e r a u s z u r e c h n e n ist; das l e u c h t e t a u c h v o m E r g e b n i s h e r ein, weil eine v e r j ä h r u n g s r e c h t l i c h e P r i v i l e g i e r u n g d e r V e r e i n b a r u n g v o n „ K r e d i t g e b ü h r e n " sachlich nicht zu r e c h t f e r t i g e n w ä r e . D e s w e i t e r e n ist § 197 B G B f o l g e r i c h t i g a u c h d a n n a n z u w e n d e n , w e n n d e r g e s a m t e D a r l e h e n s r e s t v o r zeitig fällig gestellt w o r d e n ist — z. B. w e g e n V e r z u g e s ; d e n n a u c h d a r i n sind „ R ü c k s t ä n d e v o n Z i n s e n " i. S. v o n § 197 B G B e n t h a l t e n . Ist bei e i n e r R e s t s c h u l d v e r s i c h e r u n g die B a n k V e r s i c h e r u n g s n e h m e r u n d d e r K r e d i t - 1 3 3 3 n e h m e r V e r s i c h e r t e r , so ist die R e c h t s l a g e bei E i n t r i t t des V e r s i c h e r u n g s f a l l e s ä h n l i c h wie in a n d e r e n Fällen, in d e n e n d e r S c h u l d n e r d e m G l ä u b i g e r einen z u s ä t z l i c h e n Z a h l u n g s a n s p r u c h v e r s c h a f f t h a t , also z. B. ähnlich wie bei H i n g a b e eines W e c h s e l s . D i e B a n k m u ß d e m g e m ä ß n a c h Sinn u n d Z w e c k d e r A b r e d e ü b e r d e n A b s c h l u ß d e r V e r s i c h e r u n g z u n ä c h s t B e f r i e d i g u n g aus dieser suchen (vgl. B G H W M 1979 298, 299). D a s gilt allerdings n u r , w e n n d e r B a n k die R e c h t s v e r f o l g u n g g e g e n die V e r s i c h e r u n g z u m u t b a r ist. Sie k a n n d a h e r g r u n d s ä t z l i c h w i e d e r u n m i t t e l b a r g e g e n d e n K r e d i t n e h m e r ( o d e r dessen E r b e n ) v o r g e h e n , w e n n die V e r s i c h e r u n g die L e i s t u n g a b l e h n t , weil d e r V e r s i c h e r t e g e f a h r e r h e b l i c h e U m s t ä n d e v e r s c h w i e g e n h a t (vgl. B G H a a O ) . V o r a u s s e t z u n g d a f ü r ist allerdings, d a ß sie d e m D a r l e h e n s s c h u l d n e r e r m ö g l i c h t , seinerseits g e g e n die V e r s i c h e r u n g v o r z u g e h e n , d. h. ihm i n s b e s o n d e r e d e n A n s p r u c h g e g e n diese abtritt (vgl. B G H a a O ) . H a t sie z u r e c h e n b a r dessen U n t e r g a n g o d e r eine w e s e n t l i c h e E r s c h w e r u n g d e r D u r c h s e t z u n g h e r b e i g e f ü h r t , k a n n sie a n a l o g § 351 B G B nicht m e h r auf i h r e n D a r l e h e n s a n s p r u c h z u r ü c k g r e i f e n (ähnlich i. E . B G H a a O ) . Diese G r u n d s ä t z e gelten a u c h , w e n n die B a n k nicht d e n v e r t r a g l i c h e n RückZahlungsanspruch aus § 607 B G B , s o n d e r n e i n e n b e r e i c h e r u n g s r e c h t l i c h e n RückZahlungsanspruch g e l t e n d m a c h t (vgl. B G H W M 1980 860, 862 u n t e r V I I I ) .
c) Die Rechtslage bei Verzug und Abnahmeverweigerung des Darlehensnehmers G e r ä t d e r D a r l e h e n s n e h m e r mit d e r E r f ü l l u n g seiner Z a h l u n g s p f l i c h t in V e r z u g , so 1 3 3 4 h a t er g e m ä ß § 288 B G B g r u n d s ä t z l i c h Verzugszinsen zu z a h l e n . D e r in § 288 B G B e n t h a l t e n e Z i n s s a t z v o n 4 % ist j e d o c h d u r c h die E n t w i c k l u n g ü b e r h o l t u n d m u ß v o m G e s e t z g e b e r an das h e u t i g e Z i n s n i v e a u a n g e p a ß t w e r d e n 1 4 0 . A u c h o h n e eine e n t s p r e c h e n d e A b r e d e h a t die B a n k a b e r n a c h d e m R e c h t s g e d a n k e n v o n §§ 301, 557 I B G B i m m e r h i n einen A n s p r u c h auf F o r t z a h l u n g d e r v e r t r a g l i c h v e r e i n b a r t e n Z i n s e n a u c h ü b e r das e t w a i g e V e r t r a g s e n d e hinaus (vgl. o b e n R d n . 1327); das ergibt sich z u s ä t z l i c h w o h l a u c h aus § 288 I 2 B G B , w o n a c h aus einem a n d e r e n R e c h t s g r u n d e g e s c h u l d e t e h ö h e r e Z i n s e n fort z u e n t r i c h t e n sind. Bei R a t e n k r e d i t e n ist also die r ü c k s t ä n d i g e R a t e e r n e u t z u v e r z i n s e n , s o d a ß insoweit d o p p e l t e Z i n s e n z u b e z a h l e n s i n d ; d a s ist d u r c h a u s l39b
V g l . statt aller Staudinger/Dilcber12
l39c
V g l . Staudinge r/Dilcher a a O ; SoergeUAugustin 11 § 197 Rdn. 8. Vgl. näher Canaris Z I P 1980, 718 f; vgl. ferner
140
§ 197 Rdn. 4.
Gelkaar
NJW
1980, 1372 und
1981, 859, der
schon de lege lata Verzugszinsen i n H ö h e von 2 % über dem Diskontsatz b e f ü r w o r t e t ; gegen ihn Bartsch N J W 1980, 2564 und 1981, 859.
Claus-Wilhelm Canaris
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12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten gerecht, weil der Darlehensnehmer hinsichtlich des rückständigen Betrages ja erneut Kredit in Anspruch nimmt 1 4 1 . „Kreditgebühren" sind zur Ermittlung der analog §§ 301, 557 I BGB geschuldeten Zinsen in den effektiven Jahreszins umzurechnen 1 4 2 , wobei laufzeitunabhängige Vergütungen außer Betracht bleiben (vgl. auch unten Rdn. 1345). Eine Erhöhung des vertraglichen Zinssatzes für den Verzugsfall kann grundsätzlich, d. h. vorbehaltlich des Wucherverbotes 1 4 3 , vereinbart werden, doch liegt darin i. d. R. ein Vertragsstrafenversprechen 1 4 4 , so daß eine solche Abrede wegen § 11 Nr. 6 AGBG in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur mit Kaufleuten und der öffentlichen H a n d wirksam getroffen werden kann.
1334a
Schwierigkeiten bereitet die Frage einer abstrakten Schadensberechnung. Nach Ansicht des B G H soll die Bank, wenn sie im wesentlichen nur Aktivgeschäfte einer Art betreibt, bei der Berechnung ihres Schadens nach § 252 BGB die für diese Geschäftsart in der fraglichen Zeitspanne banküblichen Sollzinsen zugrunde legen können, und wenn sie ihr Geld zu verschiedenen Zinssätzen anzulegen pflegt — also z. B. sowohl in hochverzinslichen Kontokorrentkrediten als auch in niedriger verzinslichen Hypothekarkrediten —, immerhin von dem ihrer Geschäftsstruktur entsprechenden Durchschnittsgewinn ausgehen dürfen 1 4 5 . Das ist wenig überzeugend. Denn man kann schwerlich annehmen, daß das Volumen der ausgeliehenen Gelder durch zurückfließende Außenstände nennenswert beeinflußt wird. Wesentlich näher liegt es vielmehr, daß die Bank jedes Kreditgeschäft macht, das ihr der Markt und ihr aufsichtsrechtliches Kreditkontingent erlauben, und daß sie sich dafür mangels freier Liquidität anderwärts refinanziert. Die abstrakte Schadensberechnung dürfte daher richtigerweise nicht am zu erzielenden Gewinn der Bank, sondern nur an den einzusparenden Refinanzierungskosten auszurichten sein.
1335
Eingeschränkt ist die Möglichkeit der Bank zur Geltendmachung von Verzugszinsen durch das Zinseszinsverbot des § 289 BGB, es sei denn, der Kredit wird kontokorrentrechtlich abgerechnet, so daß das Zinseszinsverbot gemäß § 355 I H G B nicht eingreift. Folglich müssen aus dem Rückstand grundsätzlich die darin enthaltenen Zinsen nach den oben Rdn. 1332 entwickelten Regeln herausgerechnet werden — und zwar auch bei Kreditgebühren (vgl. dazu näher unter Rdn. 1344). Eine Vereinbarung, wonach im Verzugsfalle alle bisher erfolgten Zahlungen zunächst auf die Zinsschuld und erst danach auf die Hauptforderung anzurechnen sind, ist wegen Umgehung des Zinseszinsverbots unwirksam 1 4 6 . Allerdings ist zu beachten, daß als Zinsen im Rechtssinne nur laufzeitabhängige Vergütungen anzusehen sind (vgl. oben Rdn. 1323); auf rückständige Bereitstellungsprovisionen, Bearbeitungsgebühren und dgl. ist daher das Zinseszinsverbot nicht anwendbar 1 4 7 . Im übrigen bleibt es der Bank nach § 289 S. 2 BGB unbenommen, auch bezüglich der Zinsschuld einen Verzugsschaden nachzuweisen; die Möglichkeit einer abstrakten Schadensberechnung nach den Grundsätzen von B G H Z 62 103 mit dem bloßen Hinweis, sie pflege alle Gelder gewinnbringend anzule141
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144
Zutreffend daher insoweit Scholz BB 1977, 1427, der mit Recht darauf hinweist, daß der Verzugszins „für eine neue und zusätzliche Kreditgewährung" berechnet wird. A. A. o f f e n b a r Bachmann N J W 1978, 867. Vgl. dazu im vorliegenden Zusammenhang z. B. O L G F r a n k f u r t W M 1978, 1216, 1217. Vgl. B G H W M 1979, 225, 227 unter 2 b cc; Belke BB 1968, 1220 m. N a c h w . ; Canaris N J W 1978, 1894; Hadding S. 271; grundsätzlich auch, wenngleich etwas enger Gomiak N J W 1969, 2124 ff; vgl. ferner O L G Köln DB 1981, 688, das eine
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Schadensersatzpauschale i. S. von § 1 1 N r . 5a AGBG annimmt. Vgl. B G H Z 62, 103, 106 ff; a. A. vor allem Belke J Z 1969, 594, jedoch aus anderen G r ü n d e n als im obigen Text. Vgl. Canaris N J W 1978, 1897; ebenso Hadding S. 270; a. A. Schölten N J W 1968, 386. Vgl. B G H W M 1978, 422, 423 unter 4 (zur Bereitstellungsprovision); Canaris N J W 1978, 1893 unter 2 b mit näherer Begründung; M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann § 608 Rdn. 5 bei Fn. 13.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Der Inhalt des Darlehensvertrages gen, wird m a n ihr hier j e d o c h anders als im R a h m e n von § 288 II B G B absprechen m ü s s e n 1 4 8 , weil sie im praktischen Ergebnis auf eine generelle V e r z i n s u n g von Zinsrückständen und damit auf eine A u s h ö h l u n g des Zinseszinsverbots g e m ä ß § 2 8 9 S. 1 B G B hinausliefe. M a h n g e b ü h r e n sind grundsätzlich nicht als S c h a d e n s e r s a t z p a u s c h a l i e r u n g e n i. S . 1 3 3 6 von § 11 N r . 5 A G B G , sondern als A u f w a n d s e n t s c h ä d i g u n g e n a n z u s e h e n 1 4 9 , zumal die M a h n u n g der D u r c h s e t z u n g von Erfüllungsansprüchen dient und mit S c h a d e n s e r s a t z ansprüchen der B a n k nicht z u s a m m e n h ä n g t . Ihre Festlegung in A G B ist daher bei angemessener H ö h e auch dann grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn man den mit der D u r c h s e t z u n g v o n Ansprüchen verbundenen Arbeits- und Z e i t a u f w a n d im Einklang mit der ständigen, wenngleich sehr f r a g w ü r d i g e n Rechtsprechung des B G H nicht als e r s a t z f ä h i g e n S c h a d e n ansieht. O b der Z a h l u n g s v e r z u g des Darlehensnehmers der B a n k ein R e c h t zur K ü n d i g u n g 1 3 3 7 aus wichtigem G r u n d gibt, hängt von den U m s t ä n d e n des Falles ab (vgl. d a z u im übrigen auch oben R d n . 1234 f). Bei einem in Raten z u r ü c k z u z a h l e n d e n Darlehen wird m a n sich grundsätzlich an der W e r t u n g der §§ 554 I 1 B G B , 4 II A b z G orientieren und d e m g e m ä ß i. d. R . ein K ü n d i g u n g s r e c h t annehmen können, wenn der K r e d i t n e h m e r mit zwei a u f e i n a n d e r f o l g e n d e n Raten in H ö h e von mindestens 10 % der D a r l e h e n s schuld im V e r z u g ist. A b e r auch andere Fälle wie z. B. der mehrfache V e r z u g mit nicht unmittelbar a u f e i n a n d e r f o l g e n d e n Raten können ein K ü n d i g u n g s r e c h t begründen. D a b e i bedarf es allerdings g e m ä ß oder a n a l o g § 326 I 1 B G B sowie auf G r u n d des f ü r die außerordentliche K ü n d i g u n g geltenden strengen Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. d a z u oben R d n . 1269) meist einer vorherigen A n d r o h u n g der K ü n d i g u n g unter Einräum u n g einer letzten Zahlungsfrist. K ü n d i g t die B a n k w e g e n des V e r z u g e s , so kann sie von dem D a r l e h e n s n e h m e r 1 3 3 8 grundsätzlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, weil dieser schuldhaft ( § 2 8 5 B G B ! ) die A u f l ö s u n g des V e r t r a g s herbeigeführt hat. D a s ergibt sich aus einer A n a l o g i e zu § 628 II B G B 1 5 0 , läßt sich aber auch mit H i l f e von § 326 I 2 B G B b e g r ü n d e n ; daß hier K ü n d i g u n g und S c h a d e n s e r s a t z miteinander verbunden werden, verstößt nicht g e g e n das in § 326 I 2 B G B vorgesehene Alternativitätsverhältnis zwischen R ü c k tritt und S c h a d e n s e r s a t z w e g e n Nichterfüllung, weil letzterer bei Geldleistungen im praktischen Ergebnis grundsätzlich zugleich die V e r t r a g s b e e n d i g u n g einschließt. D i e B a n k kann also grundsätzlich die vereinbarten Vertragszinsen bis z u m E n d e der v o r g e sehenen Laufzeit des D a r l e h e n s verlangen. D i e praktische B e d e u t u n g dieses Anspruchs darf freilich nicht überschätzt werden. Bis z u r tatsächlichen R ü c k z a h l u n g des Kredits stehen der B a n k nämlich ohnehin die V e r t r a g s z i n s e n zu — und z w a r s o g a r u n a b h ä n g i g von einem V e r s c h u l d e n des Kreditnehmers — (vgl. oben R d n . 1327), und nach diesem Zeitpunkt muß sich die B a n k auf ihren S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h nach dem Rechtsgedanken von § 324 I 2 B G B etwa ersparte R e f i n a n z i e r u n g s k o s t e n sowie bei A u s s c h ö p f u n g ihres aufsichtsrechtlichen Kreditkontingents s o g a r die durch anderweitige Ausleihung des G e l d e s verdienten bzw. zu verdienenden Zinsen anrechnen lassen. Vertragliche Verfallklauseln, w o n a c h der Darlehensrest bei V e r z u g des Kreditneh- 1 3 3 9 mers ipso iure z u r R ü c k z a h l u n g fällig wird oder u n a b h ä n g i g v o m V o r l i e g e n eines wichtigen G r u n d e s v o m K r e d i t g e b e r fällig gestellt w e r d e n k a n n 1 5 1 , stellen entgegen 148
A. A. Scholz BB 1977, 1427, der auch insoweit die Grundsätze von B G H Z 62, 103 anwenden will. >«» Vgl. Canaris Z I P 1980, 718; a. A. K G WM 1980, 72, 75.
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Vgl. Canaris N J W 1978, 1897 m. Nachw.; ebenso seither z. B. Hadding S. 277; Palandt/Heinrichs § 2 4 6 Anm. 2 b. S o lag es offenbar im Falle B G H WM 1959, 626, 629.
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12. Abschnitt. D a s G e l d d a r l e h e n und seine bankrechtlichen B e s o n d e r h e i t e n
der h. L. keine Vertragsstrafenregelung, sondern eine Modifikation des Rückzahlungsund Schadensersatzanspruchs dar 1 5 2 . Sie fallen daher nicht unter § 11 Nr. 6 A G B G und verstoßen auch nicht ohne weiteres gegen § 9 A G B G , sofern sie ihrer äußeren Aufmachung und sprachlichen Gestaltung nach auch einem rechtsunerfahrenen Kreditnehmer die Folgen des Zahlungsverzugs deutlich genug vor Augen stellen. Sie können jedoch in A G B nach dem Rechtsgedanken von §§ 554 I B G B , 4 II AbzG, der zur Konkretisierung von § 9 A G B G heranzuziehen ist, mit dem nicht unter § 8 A b z G oder wohl besser § 24 A G B G fallenden Personenkreis wirksam nur für den Fall vereinbart werden, daß sich der Darlehensnehmer mit zwei aufeinander folgenden Raten in H ö h e von mindestens 10 % des Darlehens in Verzug befindet. Außerdem kann die Bank nach den Umständen des Falles gehalten sein, den Kreditnehmer besonders auf die Verfallklausel hinzuweisen oder ihm trotz bereits eingetretenen Verzuges eine Nachfrist für die Zahlung einzuräumen, widrigenfalls sie sich auf die Verfallklausel nicht berufen kann; denn diese tritt im wesentlichen an die Stelle einer Kündigung aus wichtigem Grund, und daher müssen die Verhaltensobliegenheiten, die die Bank vor einer solchen hätte (vgl. dazu oben Rdn. 1269), hier weitgehend durch unmittelbaren Rückgriff auf § 242 B G B gewährleistet werden. Daß nicht nur die Darlehensvaluta, sondern auch die auf die restliche Laufzeit entfallenden Zinsen verfallen sein sollen, ist entgegen einer verbreiteten Ansicht 1 5 3 grundsätzlich nicht zu beanstanden, da darin lediglich die Pauschalierung des Anspruchs auf die restlichen Vertragszinsen (vgl. soeben Rdn. 1338) zu sehen ist und die Klausel nicht ohne weiteres gegen § 10 Nr. 5 A G B G verstößt; freilich ist sie dahingehend zu reduzieren, daß die Bank dem Kunden vom Augenblick der tatsächlichen Darlehensrückzahlung an die Erstattung ersparter Refinanzierungskosten schuldet (vgl. dazu näher die vorige Rdn. a. E.). Die gleichzeitige Geltendmachung von Verzugszinsen ist allerdings nur bezüglich der bei Verfall rückständigen Raten sowie derjenigen weiteren Raten, die nach dem Abzahlungsplan bis Vertragsende fällig geworden wären, vom Zeitpunkt ihrer (nunmehr hypothetischen) Fälligkeit an unbedenklich 1 5 4 . Eine Kombination von Verfall und Vereinbarung von Verzugszinsen für den gesamten verfallenen Betrag ab Verfall läuft dagegen auf eine Vertragsstrafe hinaus, die im Anwendungsbereich von § 11 Nr. 6 A G B G ausgeschlossen ist und die auch gegenüber Kaufleuten i. d. R. gegen § 9 A G B G verstoßen dürfte 1 5 5 . 1340
Ähnliche Probleme wie im Verzugsfalle ergeben sich bei einer Abstandnahme des Kreditnehmers vom Vertrag vor Auszahlung des Darlehens. Ein solches Verhalten läßt den Zinsanspruch der Bank grundsätzlich unberührt. Zwar hängt dieser an sich von der Auszahlung der Valuta ab (vgl. oben Rdn. 1327), doch kann sich der Kreditnehmer bei einer ernstlichen und endgültigen Abnahmeverweigerung gemäß oder analog § 324 I 1 B G B oder nach dem Rechtsgedanken von § 162 B G B auf deren Unterbleiben nicht berufen, da er dieses in vertragswidriger Weise selbst herbeigeführt hat. Allerdings muß die Bank sich nach dem Rechtsgedanken von § 324 I 2 B G B anrechnen lassen, was sie durch anderweitige Ausleihung des Geldes erwirbt oder zu erwerben böswillig unter152 Vgl. näher Canaris ZIP 1980, 717; a. A. h. L., vgl. statt aller Hadding S. 272 m. w. Nachw. in Fn. 63. 153 Vgl. z. B. O L G Frankfurt N J W 1978, 1927, 1928; Staudinger/Schlosseri2 § 11 Nr. 6 Rdn. 8, obwohl dort grundsätzlich ebenso wie hier das Vorliegen einer Vertragsstrafe abgelehnt wird; zu eng auch noch Canaris N J W 1978, 1897 unter 2 b; wie im Text demgegenüber i. E. O L G Düsseldorf MDR 1976, 663, 664; O L G Celle WM 1978, 939, 940.
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154 Vgl. näher Canaris ZIP 1980, 719. 155 Vgl. auch O L G Düsseldorf WM 1976, 825, 827, das derartige Regelungen schon vor Inkrafttreten des AGBG für unwirksam hielt; zur Anwendung von % 9 AGBG auf Vertragsstrafenvereinbarungen mit Kaufleuten vgl. im übrigen Capelle/Canaris Handelsrecht 1 9 , § 15 I 1 a m. Nachw.
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1981
IV. Die Beendigung des Darlehensvertrages
läßt. Statt des primären Zinsanspruchs kann die Bank auch einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB geltend machen 1 5 6 , wobei es angesichts der Abnahmeverweigerung des Kreditnehmers einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung grundsätzlich nicht bedarf. Vereinbart die Bank für derartige Fälle eine bestimmte Zinspauschale, so liegt darin grundsätzlich weder eine Vertragsstrafenregelung noch eine Schadenspauschalierung 1 5 7 , sondern die Pauschalierung ihres Erfüllungsanspruchs abzüglich der analog § 324 I 2 BGB anzurechnenden Posten. Folglich ist nicht § 11 Nr. 5 oder 6, sondern nur § 9 AGBG einschlägig.
IV. Die Beendigung des Darlehensvertrages 1. Die wichtigsten Beendigungsgründe Die Gründe für eine Beendigung des Darlehensvertrages vor Auszahlung der Valuta 1341 entsprechen den Gründen für die Beendigung des Krediteröffnungsvertrages, so daß insoweit auf die Ausführungen oben Rdn. 1232 ff verwiesen werden kann. Teilweise ist dabei auch bereits die Rechtslage nach Auszahlung der Valuta mitbehandelt worden. Das gilt insbesondere f ü r die Folgen einer Aufhebung der Geschäftsverbindung oder des Darlehensvertrags nach Ziff. 17 und 18 AGB (vgl. dazu oben Rdn. 1238 ff). Auch bezüglich der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund, die gemäß den allgemein f ü r Dauerschuldverhälntisse geltenden Regeln auch beim Darlehen möglich ist 158 , kann im wesentlichen auf die Ausführungen oben Rdn. 1246 ff verwiesen werden. Bereits behandelt ist ferner die Beendigung des Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs des Kreditnehmers (vgl. soeben Rdn. 1337 ff). Zu erörtern bleibt somit im vorliegenden Zusammenhang nur noch das Kündigungs- 1 3 4 2 recht nach § 247 BGB. Dessen Rechtsgrund lag ursprünglich in erster Linie in einem Schutz des Kreditnehmers vor überhöhten Zinsen, doch ist dieser Zweck durch die grundlegende Veränderung des Zinsniveaus gegenstandslos geworden 1 5 9 . Das führt zwar nicht zur Ungültigkeit der Vorschrift, hat aber zur Folge, daß heute nur noch der weitere Zweck, dem Kreditnehmer die Möglichkeit zur Reaktion auf ein Sinken des Marktzinses zu geben, als ratio legis anzusehen ist. Das wirkt sich auf den tatbestandlichen Anwendungsbereich der Vorschrift immerhin insofern aus, als diese auf Grund einer teleologischen Reduktion nicht mehr für Vollkaufleute und die öffentliche H a n d gilt; das erscheint zwingend, wenn der Kreditgeber auch seinerseits keine Möglichkeit zu einer Anpassung des Vertrages an eine für ihn ungünstige Veränderung des Zinsniveaus hat, dürfte aber nach dem Rechtsgedanken von §§ 348 HGB, 8 AbzG, 38 I Z P O , 24 Ziff. 1 AGBG auch unabhängig von dieser Voraussetzung zutreffen 1 6 0 .
156 Vgl. a u c h M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann § 607 R d n . 35, w o n a c h die B a n k „ a u c h n a c h 5 326 B G B v o r g e h e n k a n n " ; d e r F o r t b e s t a n d des Z i n s z a h l u n g s a n s p r u c h s w i r d also o f f e n b a r als selbstverständlich v o r a u s g e s e t z t . 157
S o a b e r B G H W M 1978, 422, 423 u n t e r 4 ; Ulmer/ Brandner/Hensen K o m m , z u m A G B G 3 , § 11 N r . 5 R d n . 25 (3 % v o m D a r l e h e n s n e n n b e t r a g seien unbedenklich). 158 Vgl. z . B . B G H W M 1978, 234, 2 3 5 ; M ü n c h K o m m . -H. P. Westermann V o r b e m . v o r § 607 R d n . 8 u n d § 6 1 0 R d n . 13 m . w . N a c h w . ; a. A . Gernhuber J Z 1959, 314 u n d ihm f o l g e n d Larenz S c h u l d r e c h t II 1 1 § 5 1 III a. E. = S. 231 Fn. 2 mit
d e r B e g r ü n d u n g , das D a r l e h e n setze keine p e r sönliche Z u s a m m e n a r b e i t der Parteien voraus und sein A b l a u f sei v o n einem g u t e n E i n v e r n e h men d e r P a r t e i e n u n a b h ä n g i g , w a s indessen n i c h t ü b e r z e u g t , weil a u c h das D a r l e h e n ein V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s e r f o r d e r t u n d d a r i n das ents c h e i d e n d e K r i t e r i u m liegt. i " Vgl. Canaris W M 1978, 6 8 6 f f ; vgl. z u r E n t s t e hungsgeschichte von § 247 B G B ferner eingehend Landau F e s t s c h r i f t f ü r H e r m a n n C o n r a d , 1979, S. 385 ff. 160 Vgl. n ä h e r Canaris W M 1978, 695 f f ; a. A., j e d o c h o h n e jede a r g u m e n t a t i v e V e r t i e f u n g , h. L., vgl. statt aller Palandt/Heinrichs § 247 A n m . 1.
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12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten
Was die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen von § 247 BGB angeht, so sind bei der Ermittlung der Zinshöhe von 6 % laufzeitunabhängige Vergütungen wie Bearbeitungs- und Abrechnungsgebühren oder Disagio bzw. Damnum grundsätzlich nicht mitzuberücksichtigen 1 6 1 Kreditgebühren sind in den effektiven Jahreszins umzurechnen. Die Sechsmonatsfrist, nach deren Ablauf das Kündigungsrecht entsteht, beginnt nicht schon mit Abschluß des Darlehensvertrages, sondern erst mit Auszahlung der Valuta 1 6 2 ; denn nach Ansicht der Gesetzesverfasser, die noch der Realvertragstheorie anhingen, kam erst in diesem Augenblick überhaupt ein Darlehensvertrag zustande, und außerdem beginnt grundsätzlich auch die Zinszahlungspflicht erst jetzt (vgl. oben Rdn. 1327). Nach Abs. 2 S. 1 der Vorschrift entfällt das Kündigungsrecht bei Inhaberund Orderschuldverschreibungen, da deren Emittenten eines gesetzlichen Schutzes gegenüber Schwankungen des Marktzinses nicht bedürfen. Nach Abs. 2 S. 2 kann das Kündigungsrecht ferner bei Darlehen, die zu einer auf Grund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Deckungsmasse 1 6 3 für Schuldverschreibungen gehören oder gehören sollen 164 , durch ausdrückliche Vereinbarung für die Zeit der Zugehörigkeit zu der Deckungsmasse ausgeschlossen werden; das soll wohl dem Anlegerschutz dienen, ist aber höchst fragwürdig, weil es zu einer Ungleichbehandlung sowohl im Verhältnis von Anlegern untereinander als auch im Verhältnis von Kreditgebern untereinander führt. Zur Abrechnung bei Ausübung des Kündigungsrechts und zur Behandlung von Vorfälligkeitsentschädigungen vgl. unten Rdn. 1343 ff bzw. Rdn. 1346 a. E. 2. Die Rechtsfolgen einer vorzeitigen Vertragsbeendigung a) Der Einfluß auf die vertraglichen Zins- und Vergütungsansprüche 1343
Im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung erlöschen grundsätzlich die vertraglichen Ansprüche mit Wirkung ex nunc. Im voraus entrichtete Zinsen für die Restlaufzeit können daher nach § 812 BGB zurückgefordert werden, Ansprüche auf weitere Vertragszinsen entstehen nicht mehr. Allerdings kann der Kreditgeber nach dem Rechtsgedanken von §§ 301, 557 1 BGB grundsätzlich die Vertragszinsen bis zur effektiven Rückzahlung des Darlehens als Mindestnutzungsentschädigung verlangen 1 6 5 (vgl. oben Rdn. 1327). Daher ist die Zinsabrechnung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der effektiven Darlehensrückzahlung vorzunehmen. Liegt der Marktzins über dem Vertragszins, kann die Bank grundsätzlich jenen verlangen, wie sich sowohl aus einer Analogie zu § 557 I 1 Halbs. 2 als auch aus § 818 I und III BGB ergibt (vgl. im übrigen auch oben Rdn. 1314).
1344
Kreditgebühren, d. h. gleichbleibende Monatssätze vom ursprünglichen Darlehensbetrag sind im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung in den effektiven Jahreszins umzurechnen 1 6 6 , da dieser Zahlungsmodus erkennbar nur auf die vereinbarte Laufzeit bezogen ist und daher bei deren Verkürzung nicht paßt. Fehlt es an einer entsprechenden '61 Vgl. LG H a m b u r g W M 1979, 323; Canaris N J W 1978, 1896; Oestereich W M 1979, 822 ff; a. A. vor allem Belke BB 1968, 1225. '"Vgl. Monßen WM 1978, 1394 f; a. A. Münch Korn m.-i>on Maydell § 247 Rdn. 10, wonach auf den „Abschluß der Zinsvereinbarung" abzustellen sein soll. 163 Vgl. zur Reichweite dieser Voraussetzung einerseits / V e j e r N J W 1978, 2128 ff, andererseits Hadding N J W 1979, 405 ff.
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1« Vgl. dazu O L G Düsseldorf W M 1980, 94, 95. Eine analoge Anwendung der V o r s c h r i f t auf D a r lehen, die nicht zu einer Deckungsmasse f ü r Schuldverschreibungen gehören oder gehören sollen, lehnt der B G H ab, vgl. W M 1981, 222, 224. 165 Das ist zu Unrecht noch nicht berücksichtigt bei Canaris N J W 1978, 1896. ' « V g l . B G H W M 1979, 52, 53; Scholz BB 1977, 1428 f; Canaris N J W 1978, 1897; a. A. z . B . Ihmels BB 1975, 1513; Büß N J W 1977, 1520 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die Beendigung des Darlehensvertrages
Abrede, so hat die Bank gleichwohl nach § 157 BGB einen Anspruch auf Nachzahlung der Zinsen, die nach der Effektivzinsmethode auf die tatsächliche Laufzeit entfallen. Laufzeitunabhängige Vergütungen sind bei der Berechnung des Effektivzinses außer Betracht zu lassen, da sie der Bank ohnehin in voller Höhe zustehen (vgl. die folgende Rdn.); gegenteilige Bestimmungen in AGB sind zumindest im Anwendungsbereich von § 11 Ziff. 6 AGBG, darüber hinaus aber wohl auch nach § 9 AGBG unwirksam und verstoßen bei einer Kündigung des Kreditnehmers gemäß § 247 BGB grundsätzlich auch gegen das Verbot von Kündigungsbeschränkungen nach Abs. 1 S. 2 der Vorschrift. An der Verteilung der bisherigen Leistungen auf die Kapital- und die Zinsschuld ändert sich durch die vorzeitige Vertragsbeendigung nichts, so daß die Zinsen nur in Höhe des in den einzelnen Raten enthaltenen Pro-Monat-Satzes getilgt sind (vgl. oben Rdn. 1332). Das ist für die Bank im Hinblick auf das Zinseszinsverbot ungünstig, weil dadurch der in der Restschuld enthaltene Anteil der Zinsesschuld überproportional hoch ist, doch besteht insoweit kein Anlaß, ihr die nachteiligen Folgen des von ihr selbst gewählten Abrechnungsmodus abzunehmen und unter Rückgängigmachung der bereits eingetretenen (Teil)erfüllung die bisherigen Leistungen nach der Effektivzinsmethode umzurechnen. Sind also z. B. von einem Darlehen im Nominalbetrag von DM 10 000,— bei Verfall 5 Raten zu DM 500,— bezahlt und beträgt die Kreditgebühr 1 % , so ist die Zinsschuld in Höhe von 5 x DM 100,— und die übrige Schuld in Höhe der Restzahlung erloschen. Für irgendeine verhältnismäßige Aufteilung oder Umrechnung ist weder Raum noch Bedürfnis 167 . Laufzeitunabhängige Vergütungen wie die Bearbeitungsgebühr und das Disagio sind 1 3 4 5 verbraucht, so daß der Kreditnehmer keinen Anspruch auf ihre anteilige Erstattung hat 1 6 8 . Das ist dogmatisch folgerichtig, weil die vorzeitige Vertragsbeendigung lediglich die Laufzeit mit ex-nunc-Wirkung verkürzt und daher laufzeitunabhängige Leistungen von vornherein nicht berührt, und das entspricht auch der Interessenlage, weil (und sofern) die entsprechenden Gegenleistungen der Bank laufzeitunabhängig sind und daher durch die Vertragsbeendigung nicht entfallen. Allerdings sind verschleierte Zinsvereinbarungen auch hier nicht hinzunehmen, so daß bei ihnen trotz formeller Laufzeitunabhängigkeit ein anteiliger Erstattungsanspruch zu bejahen ist 169 . Außerdem muß die laufzeitunabhängige Vergütung als solche im Vertrag ausgewiesen worden sein. Sind also z. B. in den Zinsen auch Kosten für eine von der Bank an einen Vermittler zu entrichtende Gebühr enthalten, so hat die Bank diese dem Kreditnehmer grundsätzlich auch dann anteilig zu erstatten, wenn die vorzeitige Vertragsbeendigung nicht zu einer Minderung ihrer Schuld gegenüber dem Kreditvermittler führt. Anders ist freilich zu entscheiden, soweit die Bank trotz der vorzeitigen Vertragsbeendigung den Zinsanspruch gegen den Kreditnehmer behält, also wenn dieser die Beendigung zu vertreten hat (vgl. dazu oben Rdn. 1338). Verfallklauseln und Vorfälligkeitsentschädigungen sind unbedenklich, soweit sie der 1 3 4 6 ohnehin gegebenen Rechtslage entsprechen wie z. B. bezüglich der laufzeitunabhängigen Vergütungen (vgl. die vorige Rdn.) oder soweit mit ihnen gesetzliche Ansprüche der Bank in zulässiger Weise konkretisiert bzw. pauschaliert werden wie im Falle des Verzugs (vgl. dazu oben Rdn. 1339 Abs. 2). Anderenfalls kann es sich um Vertragsstrai' 7 Nicht überzeugend daher insoweit O L G H a m m N J W 1974, 1951, 1952; LG Hagen W M 1978, 1140. 16« Vgl. näher
Canaris
NJW
1978, 1896; ebenso
169
O L G F r a n k f u r t Z I P 1981, 379, 380; a. A. vor allem Belke BB 1968, 1225. Vgl. auch B G H W M 1963, 378, 380 ( - LM N r . 2 zu § 247) sowie im übrigen näher Canaris 1978, 1896 f.
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NJW
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12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten
fen handen, die im Anwendungsbereich von § 11 Nr. 6 AGBG unwirksam sind, doch gilt dies nicht, soweit sie mit einem Lösungsrecht verbunden sind, das dem Kreditnehmer von Gesetzes wegen an sich nicht zusteht 1 7 0 . Gänzlich unwirksam sind Verfallklauseln und Vorfälligkeitsentschädigungen für den Fall einer Kündigung nach § 247 BGB 1 7 1 , da sie Beschränkungen des Kündigungsrechts darstellen und daher nach Abs. 1 S. 2 der Vorschrift verboten sind. b) Gesetzliche Zins- und Schadensersatzansprüche 1347
Als gesetzlicher Anspruch kommt im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung vor allem der Anspruch auf Verzugszinsen in Betracht (vgl. dazu näher oben Rdn. 1334). Auch den Anspruch auf Fortentrichtung der Vertragszinsen analog §§ 301, 557 I BGB (vgl. oben Rdn. 1327) wird man dogmatisch als gesetzlichen Anspruch einzuordnen haben. Ferner gehört in diesen Zusammenhang der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Herbeiführung der Vertragsbeendigung analog § 628 II BGB, mit dessen Hilfe die Bank grundsätzlich auch nach Rückzahlung der Valuta den Gewinn aus dem vorzeitig beendeten Vertrag liquidieren kann (vgl. näher oben Rdn. 1338).
V. Besondere Erscheinungsformen des Gelddarlehens 1. Der Kontokorrentkredit a) Technik und Funktion des Kontokorrentkredits 1348
Der Kontokorrentkredit stellt eine besondere Form des Zahlungskredits und damit des Gelddarlehens dar. Dem Kreditnehmer wird dabei entweder gestattet, Verfügungen über sein laufendes Konto bis zu der vereinbarten Debetgrenze vorzunehmen, oder es wird ihm die eingeräumte Kreditsumme auf dem laufenden Konto als Aktivum gutgeschrieben und gleichzeitig auf einem Darlehenssonderkonto als Passivum belastet. Im ersten Fall, der praktsich wesentlich häufiger ist, spricht man von der „Einkonten-Methode", im zweiten Fall von der „Zweikonten-Methode" 172 . Charakteristisch ist im übrigen, daß der Kunde jederzeit Rückzahlungen vornehmen bzw. Außenstände auf sein Konto überweisen lassen und so das Debet mindern kann, bei erneutem Kreditbedarf aber während der Laufzeit des Kontokorrentkredits diesen immer wieder bis zu dem vereinbarten Limit in Anspruch nehmen darf 1 7 3 . Durch diese seine Flexibilität ist der Kontokorrentkredit für den Kreditnehmer besonders günstig, weil er sich dessen jeweiliger Finanzlage optimal anpaßt. Er eignet sich dementsprechend besonders gut für Zwecke des Zahlungsverkehrs. Denn mit seiner Hilfe ist es leicht möglich, kurzfristige Divergenzen zwischen der Erfüllung eigener Zahlungsverpflichtungen und dem Eingang von Außenständen auszugleichen, ohne für einen festen Zeitraum ein Darlehen aufnehmen und für dessen ganze Laufzeit Sollzinsen zahlen zu müssen; vielmehr mindern die Eingänge jeweils sofort das Debet und führen zu einer entsprechenden Zinsersparnis.
1349
Der Kontokorrentkredit ist in dieser Hinsicht auch wesentlich günstiger als der Uberziehungskredit, der terminologisch und rechtlich von ihm zu unterscheiden ist. Letzterer wird nämlich anders als der Kontokorrentkredit ohne vorherige Zusage der 170
Vgl. näher Canaris Z I P 198 0, 7 1 9. 1 7 ' Vgl. B G H W M 1981, 222, 223; PleyerNJW 1978, 2128; Canaris N J W 1978, 1896 m. w. N a c h w . in Fn. 54; MünchKomm.-^on Maydell 5 247 Rdn. 14; Palandt/Heinrichs § 2 4 7 Anm. 2; a. A. ohne nähere Begründung Scholz BB 1979, 189.
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172
173
Vgl. dazu eingehend Erman Gedächtnisschrift f ü r Rudolf Schmidt, S. 261 ff und S. 273 ff; ferner z. B. Liesecke W M 1975, 229 Sp. 1 und 318 f; Schönle §11 II; Bärmann/Brink/Ochmann Rdn. 158. Vgl. statt aller Herold S. 111 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Besondere Erscheinungsformen des Gelddarlehens Bank bzw. über deren Rahmen hinaus in Anspruch genommen — z. B. durch die Ziehung eines ungedeckten Schecks oder die Erteilung eines ungedeckten Uberweisungsauftrags — und ist deshalb gemäß Ziff. 14 III AGB in aller Regel wesentlich teuerer als der Kontokorrentkredit. b) Rechtsnatur und rechtliche Besonderheiten des Kontokorrentkredits Da beim Kontokorrentkredit dem Kunden bis zu einer bestimmten Grenze Kredit 1 3 5 0 eingeräumt wird, dieser aber zu dessen Ausnutzung nicht verpflichtet ist, stellt das Kontokorrentkreditgeschäft einen Unterfall des Krediteröffnungsvertrags dar 1 7 4 . Dabei handelt es sich um einen revolvierenden Kredit (vgl. zum Begriff oben Rdn. 1218), weil der Kunde den Kredit immer wieder bis zu der vereinbarten H ö h e in Anspruch nehmen darf 1 7 5 . Durch die Notwendigkeit, laufend Aktiva und Passiva miteinander zu verrechnen, 1351 liegt es nahe, das Kontokorrentkreditgeschäft den Vorschriften der §§ 355 ff H G B zu unterstellen. Es ist denn auch in der Praxis, wie schon sein Name sagt, durchweg als Kontokorrentverhältnis ausgestaltet 176 . Dessen Regeln treten ergänzend neben die des Krediteröffnungsvertrags; dieser stellt aber entgegen einer mitunter vertretenen Ansicht 1 7 7 nicht etwa den kontokorrentrechtlichen „Geschäftsvertrag" dar, der vielmehr eine eigenständige, spezifisch kontokorrentrechtliche Bedeutung hat 1 7 8 . Weil und sofern das Kontokorrentkreditgeschäft als Grundlage des Zahlungsver- 1 3 5 2 kehrs verwendet wird, ist es noch mit einem weiteren Rechtsgeschäft, einem Girovertrag, verbunden. Auch dessen Regeln sind selbständig neben denen des Krediteröffnungsvertrags und des Kontokorrentverhältnisses anzuwenden. Entsprechend der Rechtsnatur des Kontokorrentkreditgeschäfts bestimmt sich das 1 3 5 3 Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Kreditnehmer aus der Kombination der Regeln über den Krediteröffnungsvertrag, das Kontokorrentverhältnis und den Girovertrag. Da diese bereits oben eingehend kommentiert sind, erübrigt sich an dieser Stelle eine erneute ausführliche Behandlung. Gewisse Schwierigkeiten können sich allerdings ergeben, wenn die Regeln über die 1 3 5 4 drei einschlägigen Rechtsinstitute nicht bruchlos zusammenpassen. So dürfte z. B. das kontokorrentrechtliche Abtretungsverbot 179 für die Anwendung der Grundsätze, die oben Rdn. 1222 ff für die Abtretung des Anspruchs aus dem Krediteröffnungsvertrag entwickelt wurden, keinen Raum lassen 180 . Umgekehrt gehen die Beschränkungen der Pfändung, die für den Anspruch aus dem Krediteröffnungsvertrag gelten (vgl. oben Rdn. 1225), der von § 357 H G B eröffneten kontokorrentrechtlichen Pfändungsmöglichkeit vor, da § 357 H G B auf die spezifischen Probleme eines Darlehensanspruchs nicht bezogen ist und da überdies gegen seine uneingeschränkte Anwendung dieselben Gründe sprechen wie gegen die Anwendung von §851 II Z P O (vgl. dazu oben Rdn. 1225).
174
175
Vgl. a u c h A.Koch K r e d i t im R e c h t S. 116 f f ; Schoen S. 95 f f ; Stauder S. 166 f f ; K. Schmidt J Z 1976, 762 f ; Schönle § 1 1 1 1 . A b w e i c h e n d Stauder S. 171, weil beim revolvier e n d e n K r e d i t sich stets e r n e u e r n d e F o r d e r u n g e n vorlägen, beim Kontokorrentkredit dagegen b l o ß e R e c h n u n g s p o s t e n ; d a s ist indessen eine d o g m a t i s c h e F e h l v o r s t e l l u n g , vgl. G r o ß K o m m . Canaris3 § 3 5 5 A n m . 53.
176 Vgl. A. Koch K r e d i t im R e c h t S. 116 f f ; Schoen S. 95 f f ; Stauder S. 168 f f ; K. Schmidt J Z 1976, 762 f ; Herold S. 113 f f ; Schönte § 11 I I . 177 R e p r ä s e n t a t i v etwa Stauder S. 167. 178 Vgl. n ä h e r Canaris a a O ( F n . 175) A n m . 10. 179 Vgl. z u diesem Canaris a a O A n m . 60 f. 180 E b e n s o i. E. w o h l a u c h Stauder S. 172; Schönle § 11 I 2 c.
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12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten 1355
Für die B e e n d i g u n g des K o n t o k o r r e n t k r e d i t g e s c h ä f t s und insbesondere f ü r dessen K ü n d i g u n g sind die oben R d n . 1232 ff herausgearbeiteten G r u n d s ä t z e maßgeblich; sie gehen den R e g e l n über die B e e n d i g u n g des Kontokorrentverhältnisses wie z. B. der V o r s c h r i f t des § 355 III H G B vor, weil sie besser auf den C h a r a k t e r des G e s c h ä f t s als Kreditvertrag zugeschnitten sind. H a n d e l t es sich d a g e g e n nicht um einen K o n t o k o r rent-, sondern u m einen Uberziehungskredit, so kann die B a n k auch ohne V o r l i e g e n eines besonderen B e e n d i g u n g s g r u n d e s jederzeit R ü c k z a h l u n g verlangen — und z w a r auch während des L a u f s einer kontokorrentrechtlichen P e r i o d e 1 8 1 .
1356
Für die B e h a n d l u n g von Sicherheiten ist § 356 H G B zu beachten, d o c h tritt dessen B e d e u t u n g im Hinblick auf Ziff. 19 I V A G B weitgehend hintern den — von § 356 H G B z u unterscheidenden — R e g e l n über die „ K o n t o k o r r e n t s i c h e r h e i t e n " z u r ü c k 1 8 2 .
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D i e Auszahlung des K o n t o k o r r e n t k r e d i t s kann ebenso wie bei anderen Krediten unmittelbar durch U b e r w e i s u n g an einen Dritten erfolgen (vgl. d a z u allgemein oben R d n . 1320). D i e R e g e l bildet allerdings die K r e d i t g e w ä h r u n g durch Gutschrift auf d e m K o n t o des Kreditnehmers. W a s freilich die Gutschrift im R a h m e n der (seltenen) Zweik o n t e n m e t h o d e angeht, so wird m a n diese i. d. R . noch nicht als A u s z a h l u n g im Rechtssinne ansehen k ö n n e n , weil der Unterschied g e g e n ü b e r der E i n k o n t e n - M e t h o d e lediglich verwaltungs- und buchungstechnischer N a t u r ist und m a n daher wohl k a u m annehmen kann, d a ß die Parteien durch die andere H a n d h a b u n g bereits die weitreichenden Folgen d e r A u s z a h l u n g (vgl. zu diesen oben R d n . 1318) herbeiführen wollen.
2. Das Lombardkreditgeschäft a) Technik und Funktion des Lombardkredits 1358
Als L o m b a r d k r e d i t bezeichnet man ein Gelddarlehen, d a s durch die V e r p f ä n d u n g von beweglichen S a c h e n o d e r Rechten gesichert i s t 1 8 3 . E s handelt sich also nicht um einen „ P e r s o n a l k r e d i t " , sondern um einen „ R e a l k r e d i t " . Charakteristisch ist dabei die besondere Art der Sicherheitsleistung: als S i c h e r u n g s o b j e k t k o m m e n nur bewegliche S a c h e n und Rechte, nicht aber Immobilien in Betracht, und als S i c h e r u n g s f o r m wird die V e r p f ä n d u n g gewählt. Allerdings tritt an deren Stelle mehr und mehr die Vollrechtsübertragung in F o r m der Sicherungszession und der S i c h e r u n g s ü b e r e i g n u n g ; man spricht dann von einem L o m b a r d g e s c h ä f t „im weiteren S i n n " 1 8 4 .
1359
D i e H ö h e des K r e d i t s hängt v o m Wert des Sicherungsgutes ab. In j e d e m Falle liegt sie unter dem W e r t , wobei man die D i f f e r e n z zwischen diesem und dem K r e d i t b e t r a g als „ M a r g e " o d e r „ U b e r d e c k u n g " bezeichnet. Für die L o m b a r d k r e d i t e der Deutschen B u n d e s b a n k legt § 19 I Ziff. 3 B B a n k G bestimmte P r o z e n t s ä t z e fest, bis zu denen die B u n d e s b a n k die betreffenden Sicherungsobjekte maximal beleihen darf.
' 1360
Hinsichtlich der A r t des Kredits besteht das C h a r a k t e r i s t i k u m des L o m b a r d k r e d i t s darin, d a ß es sich um ein Gelddarlehen handelt. Beim „ e c h t e n " L o m b a r d k r e d i t wird dem K r e d i t n e h m e r der K r e d i t grundsätzlich in einer S u m m e f ü r eine bestimmte L a u f zeit z u r V e r f ü g u n g gestellt, wobei die R ü c k z a h l u n g entweder ebenfalls in einer S u m m e oder in im vorhinein bestimmten Teilbeträgen erfolgt. D i e s e Art der K r e d i t g e w ä h r u n g ist j e d o c h w e g e n ihrer Starrheit wenig praktikabel, und d a h e r wird der L o m b a r d k r e d i t 181 V g l . B G H Z 73, 207, 208 f ; Canaris a a O Anm. 4 m. w. N a c h w . 1 8 2 V g l . zu diesen Canaris a a O § 356 A n m . 32 ff. 183 V g l . z. B. Brand Wesen und E i g n u n g des E f f e k t e n l o m b a r d s als eine F o r m passiven und aktiven
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Bankkredits, 1968, S . 4 5 ; Scbönle § 11 II 1; Bärmann/Brinck/Ochmann Rdn. 160; MünchKomm.H. P. Westermann § 607 R d n . 53. 18" V g l . Schönle § 11 II 2 c (2).
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Besondere Erscheinungsformen des Gelddarlehens heute ganz überwiegend in der Form des Kontokorrentkredits gewährt; man spricht dann von „unechtem" Lombardkredit 1 8 5 . Praktische Bedeutung hat der Lombardkredit heute vorwiegend als Effektenlom- 1361 bard. Dieser spielt eine Rolle sowohl als Grundlage von Kreditgeschäften zwischen den Banken und ihren Kunden als auch im Rahmen der Geldmarktgeschäfte der Banken untereinander als auch schließlich für die Refinanzierung der Banken bei der Deutschen Bundesbank, für die § 19 I Ziff. 3 und § 24 I BBankG insoweit besondere V o r schriften enthält. Daneben ist von größerer Bedeutung das Lombardgeschäft „im weiteren Sinne", insbesondere in der Form des Zessionskredits und der Kreditgewährung gegen Sicherungsübereignung von Warenlagern. b) Rechtsnatur und rechtliche Besonderheiten des Lombardkredits Für die Rechtsnatur des Lombardkreditgeschäfts gelten keine Besonderheiten. Sie 1 3 6 2 ergibt sich ohne weiteres aus der jeweils gewählten Form der Kreditgewährung und der Sicherheitsleistung. Es handelt sich also um einen gewöhnlichen Darlehensvertrag bzw. bei Vereinbarung eines Kontokorrentkredits um einen Krediteröffnungsvertrag in Verbindung mit einem Kontokorrentverhältnis (vgl. insoweit oben 1350 f) sowie um ein Sach- oder Rechtspfand bzw. beim Lombardgeschäft „im weiteren Sinne" um eine Sicherungszession oder Sicherungsübereignung. Die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen der Bank und dem Kreditneh- 1 3 6 3 mer folgt aus der Rechtsnatur des Lombardkreditgeschäfts. Demnach sind die V o r schriften des Darlehensrechts gemäß §§ 607 ff BGB bzw. die Regeln über das Kontokorrentkreditgeschäft (vgl. zu diesen soeben Rdn. 1353 ff) anzuwenden. Daneben gelten die Normen und Grundsätze des Kreditsicherungsrechts, das nicht Gegenstand dieser Kommentierung ist. Von den Bestimmungen der AGB kommt den Ziffern 19—22 hier besondere Bedeutung zu. Ein Sonderproblem ergibt sich für den Effektenlombard, sofern der Kredit zum 1 3 6 4 Zwecke des Effektenkaufs gewährt wird und die anzuschaffenden Effekten als Sicherheit dienen sollen. Ein solches Verfahren ist nämlich in mancherlei Hinsicht nicht unbedenklich und vor allem deswegen sehr gefährlich, weil es bei Kursverlusten zu einer Untersicherung und dadurch zu einer „Exekution" des Kredits kommen kann, die dann ihrerseits durch den Zwang zum Verkauf der Effekten zu neuen Kursverlusten und dementsprechend zu neuen Kreditexekutionen und schließlich zu einer „Kettenreaktion" führen kann 1 8 6 . Trotz dieser Gefahren und trotz des Makels unseriöser Spekulation, der weitgehend mit derartigen Börsenkrediten verbunden wird 1 8 7 , sind die Bedenken jedoch keinesfalls so stark, daß sie ausreichen würden, um den Vorwurf der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB zu rechtfertigen 1 8 8 . Fraglich ist dagegen, ob bei dieser Form des Lombardkreditgeschäfts nicht ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB vorliegt. Die Gewährung von Krediten zum Ankauf von Wertpapieren war nämlich durch Erlaß des Reichswirtschaftsministers vom 2 5 . 9 . 1 9 4 1 (RWMB1. 1941 S. 320) auf Grund des § 30 I K W G 1939 verboten worden, und nach § 62 I 1 K W G 1961 bleiben die auf dem Gebiet des Kreditwesens bestehenden früheren Rechtsvorschriften sowie die auf deren Grundlage erlassenen Anordnungen grundsätzlich weiter in Kraft. Der Zentralbankrat der Bank deutscher Länder und der Bundesminister f ü r Wirtschaft haben indessen im Jahre 1955 die Fortgeltung des Verbots ver185
Vgl. Brand a a O (Fn. 183) S. 22 f. 186 Vgl. eingehend Brand a a O S. 103 ff. 187 Vgl. dazu Brand a a O S. 43 m. N a c h w . in Fn. 94.
188
Vgl. auch die letztlich positive Gesamtwürdigung dieser Geschäfte durch Brand a a O S. 118.
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neint (vgl. W M 1955 427). Auch wenn sie dafür eine juristische Begründung nicht gegeben haben und auch wenn man in ihren Erklärungen nur Stellungnahmen zu der nach ihrer Ansicht bestehenden Rechtslage, nicht aber eine förmliche Aufhebung des Verbots sehen kann, so wird man doch zumindest von einer gewohnheitsrechtlichen Derogierung des Verbots ausgehen dürfen, da die Zulässigkeit von Börsenkrediten heute in den beteiligten Verkehrskreisen ganz überwiegend als eine Selbstverständlichkeit angesehen wird 1 8 9 . 3. Schuldscheindarlehen und Revolvingkreditvermittlungsgeschäft Literatur Bitschnau Das Revolvingsystem in der Industriefinanzierung, 1959; Büschgen Industrielle Fremdfinanzierung durch Schuldscheindarlehen, DB 1966, 553 ff und 592 ff; Frank Schuldscheindarlehen als Mittel der langfristigen Industriefinanzierung, 1966; Kleinschmidt Die Banken und die Schuldscheindarlehen, ZKW 1963, 950 ff; Koch Peter, Das Schuldscheindarlehen als Kapitalanlage der Versicherungsunternehmen unter besonderer Berücksichtigung der sogenannten kleinen VAG-Novelle, Festschr. für Sieg, 1976, S. 283 ff; Köllhofer Das Schuldscheingeschäft der Kreditinstitute, Bank-Betr. 1962, 160 ff; Könneker Revolving-Kredite in der deutschen Geld- und Kreditordnung, ZKW 1959, 1029 ff; Reinboth Schuldscheindarlehen als Mittel der Unternehmensfinanzierung, 1965; Scholze Das Konsortialgeschäft der deutschen Banken, 1973, S. 165 ff; Staehle Das Schuldscheindarlehen, 1965; Witte Das Schuldscheindarlehen in rechtlicher und rechtsvergleichender Sicht, Diss. Münster 1967.
a) Die Technik der beiden Geschäfte und deren Zusammenspiel 1365
Dem allgemeinen wie dem juristischen Sprachsinn nach ist ein Schuldscheindarlehen nichts anderes als ein gewöhnliches Darlehen, über das ein Schuldschein ausgestellt worden ist. Im Wirtschaftsleben hat dieser Begriff jedoch eine engere Bedeutung. Charakteristisch ist dabei zunächst, daß das Schuldscheindarlehen in aller Regel nur zur Finanzierung eines außerordentlich hohen Kapitalbedarfs verwendet wird, der überdies meist langfristig ist. Insoweit liegt eine deutliche Verwandtschaft mit der Obligationsanleihe vor. Anders als bei dieser wendet sich der Kreditnehmer jedoch nicht an den offenen Kapitalmarkt, sondern lediglich an einen bestimmten Kreis besonders finanzkräftiger Geldgeber wie z. B. Versicherungen und andere „Kapitalsammelstellen". Man kann das Schuldscheindarlehen daher definieren als einen anleiheähnlichen Kredit, der bei Kapitalsammelstellen aufgenommen wird 190 . Als weiteres typisches, wenn auch nicht begriffsnotwendiges Merkmal kommt dabei hinzu, daß die Sicherung der Darlehensrückzahlungsforderung i. d. R. durch eine Grundschuld erfolgt.
1366
Da der Kreditsuchende meist keinen unmittelbaren Kontakt mit der erforderlichen Zahl potentieller Geldgeber hat, bedarf es der Zwischenschaltung eines Vermittlers. Dieser kann dabei entweder als bloßer Makler tätig werden, so daß das Kreditgeschäft unmittelbar zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber zustande kommt („direktes System"), oder er kann den Darlehensvertrag im eigenen Namen abschließen, so daß er zunächst selbst dessen Partei wird, und sich dann seinerseits um eine Refinanzierung bemühen („indirektes System"). Eine Zwischenform liegt vor, wenn der Vermittler zwar das Darlehensversprechen im eigenen Namen abgibt, dann jedoch die Rechte aus 189
Unklar Schönte § 11 II 2 a, der meint, „formalrechtlich" bestünden „Bedenken gegen die faktische Nichtbeachtung des Verbots von 1941", sich aber über die juristischen Konsequenzen aus diesen Bedenken ausschweigt.
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190 Vgl. auch Reinboth S. 27; Witte S. 9 ; Scholze S. 165 f; M ü n c h K o m m . - / / . P. Westermann 5 607 Rdn. 55.
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V. Besondere Erscheinungsformen des Gelddarlehens dem Vertrag vor Auszahlung der Valuta an einen Dritten abtritt und dies dem Kreditnehmer offenlegt (was u. U . steuerliche Vorteile hat, weil der Vermittler dann keine Maklercourtage erhält, sondern einen Gewinn aus einem Forderungsverkauf erzielt). In diesem Falle erfolgt die Hingabe des Kredits durch den Dritten grundsätzlich im eigenen Namen. Daher sind allenfalls in seiner Person, nicht aber in der Person des Vermittlers die Voraussetzungen eines Kreditgeschäfts gemäß § 1 I 2 Ziff. 2 K W G erfüllt, da die „Gewährung" von Gelddarlehen i. S. dieser Vorschrift nur in der Hingabe und nicht schon in der Zusage des Darlehens zu sehen ist (vgl. oben Rdn. 1285 a. E.). Besondere Schwierigkeiten in rechtlicher und praktischer Hinsicht kann eine etwa 1 3 6 7 erforderliche Refinanzierung aufwerfen. Um diese zu erleichtern, teilt der Vermittler häufig das Darlehen und überträgt die RückZahlungsforderung gemäß der jeweiligen Stückelung gegen Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags an die einzelnen Kapitalsammelstellen. Ubernehmen diese ihren Darlehensanteil für die gesamte Laufzeit des Kredits, so ergeben sich keine weiteren Probleme; man spricht dann von „kongruenter Refinanzierung" oder „laufzeitkonformer Plazierung" 1 9 1 . Schwieriger ist die Lage dagegen, wenn die Kapitalsammelstellen nur zu einer zwischenzeitlichen, u. U. sogar nur sehr kurzfristigen Refinanzierung bereit sind, so daß diese „inkongruent" und die Plazierung „laufzeitinkonform" ist. Denn dann entsteht die Notwendigkeit, nach Ablauf der jeweiligen Ubernahmezeiträume den bisherigen Geldgeber durch einen neuen zu ersetzen. In diesem Fall greift das Revolvingsystem ein. Bei diesem geht es also nicht etwa 1 3 6 8 darum, daß der Kredit selbst revolvierend ist wie z. B. beim Kontokorrentkredit oder bei anderen Formen des Krediteröffnungsvertrags, bei denen der Kreditnehmer den Kredit je nach seinen finanziellen Bedürfnissen zwischenzeitlich ganz oder teilweise zurückzahlen und dann jeweils wieder bis zum Limit in Anspruch nehmen kann (vgl. dazu oben Rdn. 1218 und 1350). Revolvierend ist vielmehr der Kreis der Kreditgeber, da immer neue an die Stelle der bisherigen treten. Dabei kann das Revolvingsystem sowohl mit dem „direkten" als auch mit dem „indirekten" System der Kreditgewährung (vgl. Rdn. 1366) verbunden werden 1 9 2 . Im ersten Fall vermittelt der Makler dem Kreditnehmer lediglich jeweils neue Kreditgeber, so daß das Risiko der termingerechten Anschlußfinanzierung und des Schwankens der Zinssätze voll beim Kreditnehmer liegt. Im zweiten Fall gewährt dagegen der Vermittler selbst oder ein zwischengeschalteter Dritter das Darlehen im eigenen Namen, nimmt dann Refinanzierungen bei Kapitalsammelstellen vor; hier trägt also grundsätzlich der Vermittler bzw. der zwischengeschaltete Dritte das „Terminrisiko" und das „Zinsrisiko", doch können sie beide vertraglich auf den Kreditnehmer abwälzen, indem sie diesen für den Fall des Mißlingens einer Anschlußfinanzierung zur vorzeitigen Rückzahlung des entsprechenden Darlehensbetrags verpflichten und den von ihm für das Darlehen zu zahlenden Zins in irgendeiner Weise mit der H ö h e der jeweils bei der Refinanzierung aufzubringenden Zinsen koppeln. Eine besondere Form des Revolvingsystems ist das — von dem Finanzmakler 1 3 6 9 Münemann entwickelte — sogenannte 7-M-System. Dabei wird das Darlehen dem Kreditnehmer von einem Kreditinstitut zu einem für die gesamte Laufzeit gleichbleibenden Zinssatz gewährt. D a s Kreditinstitut fungiert jedoch nur als Durchgangsstelle und tritt den Darlehensrückzahlungsanspruch alsbald gegen Zahlung eines entspre" I Vgl. z . B . Staehle 592.
S. 33 f f ; Büschgen
D B 1966,
192
Vgl. z . B . Staehte S. 49 f f ; Büschgen D B 1966, 593; Witte S. 32 f; Schönte § 25 II 1 und 2.
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chenden Geldbetrags an den Makler ab. Dieser nimmt dann seinerseits eine Refinanzierung durch revolvierende Abtretung von Teilbeträgen der Darlehensforderung vor. Er verpflichtet sich dabei gegenüber den Zessionaren, die Forderungen nach einer im voraus vereinbarten kurzen Frist zum Nennwert zurückzunehmen, sofern diese eine Prolongierung ihres Engagements ablehnen. Zugleich zahlt der Makler den Zessionaren einen Zins, der von dem für das Darlehen festgelegten Zinssatz unabhängig ist und sich nach der jeweiligen Marktlage richtet. Das Risiko der Anschlußfinanzierung und des Schwankens der Zinssätze trägt hier also weder der Kreditnehmer noch das als erster Kreditgeber fungierende Kreditinstitut, sondern allein der Finanzmakler. D a f ü r profitiert dieser dann aber auch von einem etwaigen positiven Differenzbetrag zwischen dem Darlehenszins, der wegen der Langfristigkeit der Kreditgewährung verhältnismäßig hoch ist, und den jeweils an die refinanzierenden Kapitalsammelstellen zu zahlenden Zinsen, die wegen der Kurzfristigkeit dieses Engagements grundsätzlich niedriger als die Zinsen für langfristige Kredite sind und daher je nach Marktlage erheblich unter dem Darlehenszins liegen können. Mit der dadurch entstehenden „Zinsreserve" soll u. a. die erneute Plazierung zurückgenommener Teilforderungen bei einem starken Ansteigen der Geldmarktzinsen ermöglicht werden 1 9 3 . 1370
Zusätzliche Probleme ergeben sich, soweit für das Schuldscheindarlehen eine Sicherheit wie z. B. eine Grundschuld bestellt wird. Bei der Teilung der Darlehenforderung ist dann nämlich auch deren Schicksal zu regeln. Das erfolgt grundsätzlich durch die Bestellung eines Treuhänders. Dieser ist dann für die Verwaltung der Sicherheit zuständig und wird im übrigen meist auch mit anderen Aufgaben wie z. B. dem Einzug der Zinsen betraut. Die refinanzierenden Zessionare treten beim Erwerb der Darlehensteilforderung zugleich in die entsprechende Rechtsstellung gegenüber dem Treuhänder ein. Dieses Verfahren hat u. a. den Vorteil, daß dadurch die Teilung und Aufsplitterung der Grundschuld mit den sich daraus ergebenden praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten vermieden werden kann und zugleich eine einheitliche Verwaltung gewährleistet wird. Als Treuhänder wird meist eine Bank gewählt 1 9 4 . b) Die Funktionen von Schuldscheindarlehen und Revolvingkreditvermittlungsgeschäft
1371
Das Schuldscheindarlehen hat vom Kreditnehmer aus gesehen die Funktion einer langfristigen Kreditaufnahme in großer Höhe. Dabei bietet es erhebliche Vorteile gegenüber einer Anleihe 195 . So kann es unabhängig von der Emissionsfähigkeit des Kreditnehmers aufgenommen werden und unterfällt nicht der Genehmigungspflicht gemäß §§ 795, 808 a BGB und der Mitwirkung des Zentralen Kapitalmarktausschusses. Auch läßt es sich wesentlich flexibler ausgestalten und u. U. sogar nachträglich an die geänderten Bedürfnisse des Kreditnehmers anpassen. Schließlich entfallen auch die mit der Börseneinführung verbundenen besonderen Publizitätspflichten. Dem stehen als Nachteile seine geringere Verkehrsfähigkeit und die dadurch entstehenden Plazierungsschwierigkeiten gegenüber. Für den Kreditgeber erfüllt das Schuldscheindarlehen die Funktion der Kapitalanlage, wobei diese sowohl langfristig als auch — bei revolvierender Kreditvermittlung 193
194
Vgl. im übrigen zum 7-M-System auch Staehle S. 55 ff; Büschgen DB 1966, 593 f ; Witte S. 34 f f ; Scholze S. 179 f f ; Schönte § 25 II 3. Vgl. im übrigen auch Witte S. 102 f f ; Coing Die T r e u h a n d k r a f t privaten Rechtsgeschäfts, 1973, S. 68.
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195
Vgl. näher Reinboth S. 125 ff; Staehle S. 68 ff; Büschgen DB 1966, 552 f; Witte S. 9 ff und S. 41 ff; Scholze S. 177.
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V. Besondere Erscheinungsformen des Gelddarlehens — kurzfristig sein kann. Als Kreditgeber kommen in erster Linie „Kapitalsammelstellen" wie Versicherungen und Banken in Betracht 1 9 6 . Die Funktion des Revolvingkreditvermittlungsgeschäfts liegt zunächst einmal in der 1 3 7 2 „Vermittlung", d. h. in der Uberwindung der für das Schuldscheindarlehen bestehenden Plazierungsschwierigkeiten. Zugleich dient es, weil und soweit es revolvierend ist, der Transformation kurzfristigen Kapitals in langfristigen Kredit. Das hat den Vorzug, daß einerseits der Kreditnehmer die Vorteile einer langfristigen Kreditaufnahme ausnützen kann, andererseits aber die Geldgeber nicht mit deren Nachteilen belastet werden, sondern die Vorzüge des kurzfristigen Kredits genießen. So hat der Kreditnehmer z. B. eine langfristige und sichere Dispositions- und Kalkulationsgrundlage — zumal, wenn wie nach dem 7-M-System der Zinssatz konstant bleibt —, wohingegen die Geldgeber rasch wieder Liquidität zurückerlangen können, steigende Geldmarktzinsen ausnützen können usw.; auch profitiert der Kreditnehmer wegen der Langfristigkeit des Darlehens von der Kaufkraftentwertung, wohingegen die Geldgeber von dieser wegen der Kurzfristigkeit ihres Engagements so gut wie überhaupt nicht betroffen werden. Darüber hinaus kann der Kreditnehmer die H ö h e des Darlehens seinem wechselnden Kapitalbedarf anpassen, indem er zwischenzeitlich selbst Teilforderungen erwirbt; dadurch kann er die Kreditkosten senken und erlangt u. U. eine ähnlich vorteilhafte Stellung wie bei einem Kontokorrentkredit. Dem stehen auf der anderen Seite die Gefahren und Nachteile gegenüber, die die Refinanzierung langfristige Kredite mit Hilfe kurzfristigen Geldes stets mit sich bringt, und dementsprechend ist insbesondere das 7-M-System von Anfang an heftig umstritten gewesen 1 9 7 . Vor allem kann die Verpflichtung zur Rücknahme der Teilforderungen erhebliche Liquiditätsprobleme heraufbeschwören, wenn es aus irgendwelchen Gründen einmal plötzlich zu einer Massierung von Rücknahmeverlangen kommt, eine sofortige erneute Unterbringung aber mißlingt. Es kann daher zweifelhaft sein, ob die Kapitalkraft des Kreditvermittlers zur Überbrückung derartiger Liquiditätsengpässe immer ausreicht. Wegen dieser und anderer Gefahren ist das Revolvingkreditvermittlungsgeschäft mit Rückerwerbsverpflichtung in § 1 I Ziff. 7 K W G zum Bankgeschäft erklärt und so den Vorschriften des K W G unterstellt worden.
c) Die Rechtsnatur von Schuldscheindarlehen und Revolvingkreditvermittlungsgeschäft Die Rechtsnatur des Schuldscheindarlehens läßt sich ohne besondere Schwierigkei- 1 3 7 3 ten ermitteln: es handelt sich um ein gewöhnliches Darlehen i. S. der §§ 607 ff BGB. Wenn darüber ein Schuldschein ausgestellt wird, was freilich nur noch selten geschieht, so ist das für seine Rechtsnatur ohne Belang, da jener eine bloße Beweisurkunde darstellt. Es liegt also nicht etwa ein Wertpapier vor. Insbesondere ist das Schuldscheindarlehen nicht als Anleihe i. S. der §§ 793 ff, 808 a BGB anzusehen, da es weder als Inhaber- noch als Orderpapier ausgestaltet ist 198 . Was die Rechtsnatur des Revolvingkreditvermittlungsgeschäfts angeht, so ist dieses 1 3 7 4 als reines Maklergeschäft i. S. der §§ 93 ff H G B anzusehen, sofern sich der Vermittler auf eine bloße Vermittlung beschränkt und nicht selbst die Darlehensforderung erwirbt. Ist dagegen letzteres der Fall wie vor allem beim 7-M-System, so kommt ein Vgl. näher Reinboth S. 71 ff; Büschgen DB 1966, 549 f f ; Witte S. 43 ff. Vgl. zu dessen Würdigung etwa Konnecker Z K W
1959, 1029 f f ; Büschgen D B 1966, 593 f; Witte S. 38 f; Scholze S. 179 f f ; Schönle § 26 III. 198 Vgl. auch Büschgen DB 1966, 553; Witte S. 13 f.
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Maklervertrag nicht in Betracht, weil die Forderungen nicht unmittelbar von Geldgeber zu Geldgeber gehandelt werden und weil auch die Rücknahmeverpflichtung mit Begriff und Wesen eines bloßen Maklervertrags nicht zu vereinbaren ist. Statt dessen ist an einen Kaufvertrag zu denken. Ein solcher liegt sicher im Verhältnis zwischen dem Vermittler und dem zwischengeschalteten Kreditinstitut beim 7-M-System vor, weil das Kreditinstitut hier die Forderung endgültig veräußert und aus ihr keinerlei Vorteile mehr zieht. Gleiches gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Vermittler die Rechte, die er gegenüber dem Kreditnehmer hat, vor Auszahlung der Darlehensvaluta entgeltlich an einen Dritten überträgt — sei es, daß er eine Forderung aus einem Darlehensvorvertrag bzw. aus einem Darlehensversprechensvertrag abtritt (vgl. dazu auch oben Rdn. 1366), oder sei es, daß er sich von dem Kreditnehmer ein Angebot machen läßt und die daraus erlangte Rechtsposition veräußert (was rechtlich grundsätzlich möglich ist). 1375
Sehr zweifelhaft ist dagegen, ob die Kaufvertragskonstruktion auch dann paßt, wenn die Übertragung der Darlehensrückzahlungsforderung nicht endgültig ist wie z. B. beim 7-M-System im Verhältnis zwischen dem Vermittler und den Refinanziers. Die h. L. sieht darin einen Kaufvertrag mit Rückkaufsverpflichtung 199 . Sachgerechter erscheint indessen i. d. R. die Annahme eines Darlehens unter Sicherungszession der Schuldscheinforderung — ähnlich wie in vielen anderen Fällen, die im Grenzbereich zwischen Kaufrecht und Darlehensrecht liegen (vgl. z. B. unten Rdn. 1532 zum Diskontgeschäft, Rdn. 1595 zum Wechselpensionsgeschäft und Rdn. 1655 zum Factoring). Für diese Konstruktion spricht vor allem die wirtschaftliche Funktion dieses Geschäfts, das auf eine zeitlich begrenzte Kapitalüberlassung gerichtet ist. Der vorübergehende Charakter der Vermögensbewegung ist nämlich charakteristisch für das Darlehen und bildet ein wesentliches Merkmal für dessen Abgrenzung vom Kaufvertrag, bei dem typischerweise eine endgültige Vermögensverschiebung gewollt ist. Selbst beim Wiederkauf i. S. der §§ 497 ff BGB besteht lediglich ein Recht des Verkäufers zum Rückkauf, während hier eine Verpflichtung zur Rücknahme begründet wird, also eine Art Wiederverkaufsrecht; auch steht nach den Vorstellungen der Parteien beim Wiederkaufsrecht — und dementsprechend auch bei einem analogen Wiederverkaufsrecht — grundsätzlich nicht von vornherein fest, ob das Recht ausgeübt und der Kauf folglich rückgängig gemacht werden wird, wohingegen das Geschäft hier geradezu auf die Rücknahme der Forderung durch den Makler angelegt ist, da die Geldgeber sich ja nur kurzfristig engagieren wollen und ihr Kreis daher revolvieren soll. Entscheidend kommt hinzu, daß die Zessionare mit dem Finanzmakler einen besonderen Zinssatz vereinbaren, der von dem des Darlehens unabhängig ist und grundsätzlich — wegen der Kurzfristigkeit des Engagements — sogar unter diesem liegen soll (vgl. oben Rdn. 1369 a. E.). Die Annahme eines Forderungskaufs für einen begrenzten Zeitraum ist nämlich allenfalls dann sinnvoll, wenn der Käufer f ü r diese Spanne in den Genuß der Früchte des Rechts kommt. Genau das aber ist beim 7-M-System nicht der Fall, da die Zinsforderungen zwar mitabgetreten werden, der Geldgeber sie aber nicht behalten darf, sondern seinen Verdienst lediglich aus der Zinsforderung gegen den Finanzmakler — und nicht aus der gegen den Darlehensnehmer — zieht. Diese beiden Umstände zusammengenommen — der von vornherein als vorübergehend geplante und auf Rückübertragung angelegte Forderungserwerb und der Verzicht auf die Nutzung des erworbenen Rechts — sprechen entscheidend gegen einen Kaufvertrag und für ein Vgl. z. B. Schönte § 26 III 3; Pröhl Komm, zum K W G 2 , § 1 Anm. 3 g; unklar Scbork Komm, zum KWG2, § 1 R d n . 98.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . B e s o n d e r e E r s c h e i n u n g s f o r m e n des G e l d d a r l e h e n s
Darlehen. D e n n so atypisch diese M e r k m a l e f ü r jenen sind, so charakteristisch sind sie f ü r dieses: D a s D a r l e h e n ist dadurch gekennzeichnet, daß die Ü b e r l a s s u n g des Kapitals nicht endgültig sein soll und daß der G e l d g e b e r es nach Ablauf bestimmter Fristen wieder an sich ziehen k a n n ; und beim Darlehen erlangt der K r e d i t g e b e r seinen N u t z e n nur aus dem f ü r dieses vereinbarten Zinssatz, der v o n dem Zinssatz einer etwa z u r Sicherheit abgetretenen F o r d e r u n g u n a b h ä n g i g ist. G e g e n diese Sichtweise läßt sich nicht einwenden, daß es „allen E r f a h r u n g e n widerspräche, wenn bedeutende K a p i t a l sammelstellen einer kleinen Firma Darlehen gewährten, die in Einzelfällen das V i e l f a che des Eigenkapitals des Kreditvermittlers b e t r a g e n " 2 0 0 . Diese B e h a u p t u n g stimmt einfach nicht mit den T a t s a c h e n überein. Wirtschaftlich gesehen ist es nämlich g a r nicht zu leugnen, daß eine K r e d i t g e w ä h r u n g der Kapitalsammelstellen an den Finanzmakler vorliegt (vgl. z u m Begriff des Kredits näher oben R d n . 1195); denn d a die G e l d g e b e r auf die D a r l e h e n s f o r d e r u n g wegen der Langfristigkeit des Darlehens nicht z u r ü c k g r e i f e n k ö n n e n , falls der Finanzmakler seiner R ü c k n a h m e p f l i c h t nicht nachk o m m t , dient die Abtretung der D a r l e h e n s f o r d e r u n g in der T a t nur der Sicherheit und sind die G e l d g e b e r w e g e n ihres RückZahlungsanspruchs grundsätzlich in erster Linie auf die K a p i t a l k r a f t des Finanzmaklers bzw. auf das Funktionieren des 7 - M - S y s t e m s angewiesen. W e n n aber wirtschaftlich gesehen eine K r e d i t g e w ä h r u n g g e g e b e n ist, steht nichts im W e g e , dem auch juristisch durch die A n n a h m e eines Darlehensvertrags R e c h nung zu tragen. Selbstverständlich steht es den Parteien grundsätzlich frei, sich statt auf ein D a r l e - 1 3 7 6 hen auf einen K a u f v e r t r a g mit Rückkaufsverpflichtung zu einigen. D i e bloße Bezeichnung im V e r t r a g s t e x t ist d a f ü r allerdings nicht mehr als ein Indiz, d a über die Q u a l i f i kation eines V e r t r a g s grundsätzlich nicht die Parteierklärung, sondern dessen Inhalt und Z w e c k entscheidet. Im übrigen k o m m e n auch noch andere Vertragstypen o d e r T y p e n k o m b i n a t i o n e n in Betracht. S o ist z. B. vorstellbar, daß der Vermittler d e m Z e s sionar nicht den R ü c k e r w e r b der Schuldscheindarlehensforderung z u s a g t , sondern statt dessen verspricht, z u m vereinbarten T e r m i n einen neuen Z e s s i o n a r beizubringen und f ü r einen etwaigen Mindererlös aus der Weiterveräußerung selbst a u f z u k o m m e n . D a n n liegt der Abtretung v o m Vermittler an den Z e s s i o n a r ein K a u f v e r t r a g verbunden mit einem G a r a n t i e v e r t r a g z u g r u n d e (der möglicherweise nicht vom K W G erfaßt wird, vgl. unten R d n . 1378 Abs. 2 ) ; das gleiche wird i. d. R . im Verhältnis zwischen dem V e r mittler und d e m zweiten Z e s s i o n a r anzunehmen sein, während zwischen diesem und seinem V o r m a n n ein reiner K a u f v e r t r a g g e g e b e n ist. Bei Pensionsgeschäften über Schuldscheindarlehensforderungen dürfte d a g e g e n i. d. R . der D a r l e h e n s v e r t r a g s k o n struktion i. V . m. einer Sicherungszession der S c h u l d s c h e i n f o r d e r u n g der V o r z u g zu geben sein; die A u s f ü h r u n g e n unten R d n . 1595 z u m W e c h s e l p e n s i o n s g e s c h ä f t gelten hier e n t s p r e c h e n d 2 0 1 . O b die verschiedenen K o n s t r u k t i o n e n privatrechtlich zu abweichenden Ergebnissen 1 3 7 7 führen können, ist zweifelhaft. Sicher ist das nicht der Fall bezüglich des Risikos einer W e r t m i n d e r u n g der Schuldscheindarlehensforderung — sei es w e g e n verschlechterter Bonität des K r e d i t n e h m e r s o d e r sei es wegen geänderter Zinskonditionen am K a p i t a l markt. D e n n dieses R i s i k o trägt der Vermittler bis z u r endgültigen P l a z i e r u n g des Schuldscheindarlehens nicht nur bei einer bloßen Sicherungszession o d e r einem G a r a n t i e v e r t r a g , sondern auch bei einer R ü c k k a u f s v e r p f l i c h t u n g , d a auch bei dieser die betreffenden Risiken nach d e m typischen Sinn des G e s c h ä f t s dem Vermittler z u r L a s t So Schönte § 26 III 3 e. 201 Vgl. im übrigen zum Schuldscheindarlehenpensionsgeschäft näher Staehle S. 236 ff, bei dem 200
freilich die bankwissenschaftliche Seite im Vordergrund steht.
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12. Abschnitt. Das Gelddarlehen und seine bankrechtlichen Besonderheiten
fallen sollen und da dieser sich daher bei deren Verwirklichung nicht etwa nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage von seiner Rückkaufsverpflichtung lösen kann 2 0 2 . Problematisch ist die Rechtslage dagegen bezüglich des Schicksals der Schuldscheindarlehensforderung bei Konkurs des Zessionars oder bei Zwangsvollstreckung in dessen Vermögen. Bei Annahme einer bloßen Sicherungszession hat hier der Vermittler i. d. R. ein Aussonderungrecht bzw. die Drittwiderspruchsklage (nach der Rechtsprechung freilich wegen des „Unmittelbarkeitsprinzips" nur, wenn die Forderung von ihm selbst unmittelbar auf den betreffenden Zessionar übergegangen ist, also u. U. nur bei der ersten Zession). Bei Annahme einer Rückkaufsverpflichtung könnte man dagegen zum selben Ergebnis nur dann kommen, wenn man auch hier nicht von einer gewöhnlichen Abtretung, sondern von einer Treuhandzession ausginge — was dogmatisch ein wesentliches Zugeständnis an die Sicherungszessionskonstruktion, ja wohl geradezu ein innerer Bruch wäre. 1378
Auch aufsichtsrechtliche Konsequenzen des Theorienstreits sind nicht auszuschließen. Auf die Aufnahme eines Kredits durch den Vermittler unter Sicherungszession der Schuldscheindarlehensforderung paßt nämlich § 1 I 2 Ziff. 7 K W G nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Denn der Vermittler übernimmt dann keine „Verpflichtung, D a r lehensforderungen vor Fälligkeit zu erwerben", sondern lediglich die Verpflichtung, ein erhaltenes Darlehen zurückzuzahlen; bezüglich der Schuldscheindarlehensforderung geht nicht er, sondern allenfalls der Zessionar eine Verpflichtung ein, sofern die Forderung nicht sogar auf Grund einer Befristung oder einer auflösenden Bedingung ipso iure zurückfällt. Der Tatbestand von § 1 I 2 Ziff. 7 K W G ist daher bei dieser Konstruktion insoweit nicht erfüllt 2 0 3 . Beim 7-M-System ist das allerdings unschädlich, weil hier der Kreditvermittler gegenüber dem zwischengeschalteten darlehensauszahlenden Kreditinstitut eine echte Verpflichtung zum Erwerb der Schuldscheindarlehensforderung eingegangen ist (vgl. auch oben Rdn. 1374) und daher schon aus diesem Grund unter § 1 I 2 Ziff. 7 K W G fällt. Verzichtet der Vermittler auf die Zwischenschaltung eines Kreditinstituts zum Zwecke der Darlehensgewährung, muß er diese selbst vornehmen und entgeht dann zwar nach der Sicherungszessionskonstruktion der Vorschrift von § 1 I 2 Ziff. 7 K W G , fällt aber in aller Regel statt dessen unter § 1 I 2 Ziff. 2 K W G , weil dann die „Gewährung von Gelddarlehen" i. S. dieser Vorschrift durch ihn selbst erfolgt. Eine Schutzlücke entsteht allerdings möglicherweise, wenn die Gewährung des Schuldscheindarlehens durch einen Dritten, insbesondere ein Kreditinstitut, erfolgt und der Vermittler sich diesem sowie etwaigen Zessionaren nicht zum Erwerb der Schuldscheindarlehensforderung, sondern nur zur Deckung eines etwaigen bei der Weiterveräußerung entstehenden Verlusts verpflichtet. Zwar liegt darin privatrechtlich ein Garantievertrag (vgl. oben Rdn. 1376), doch dürfte es aufsichtsrechtlich an der Übernahme einer Garantie „für andere" i. S. von § 1 I 2 Ziff. 8 K W G fehlen, da der Vermittler hier nicht für einen Dritten, sondern nur f ü r das Gelingen seiner eigenen Bemühungen um eine Anschlußfinanzierung einzustehen verspricht. Auch § 1 I 2 Ziff. 7 K W G ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht einschlägig, da der Vermittler bei dieser Fallgestaltung nun einmal keine Verpflichtung zum Erwerb (!) der Schuldscheindarlehensforderung eingeht. Daß die Vorschrift ihrem Schutzzweck nach auch 2°2 Zu Unrecht zweifelnd Schork a a O (Fn. 199) § 1 Rdn. 98.
704
203 So offenbar auch Schönie § 2 6 Schork a a O § 1 Rdn. 98 a. E.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III 3 e
a. E.;
V . Besondere Erscheinungsformen des Gelddarlehens
hier paßt, reicht für ihre Anwendung nicht aus, weil im Bereich von § 1 K W G ein Analogieverbot besteht 204 . d) Die Rechtsverhältnisse zwischen den verschiedenen Beteiligten Das Rechtsverhältnis zwischen dem Nehmer des Schuldscheindarlehens und dem 1 3 7 9 ersten Darlehensgeber bestimmt sich in erster Linie nach dem geschlossenen Vertrag und im übrigen nach allgemeinem Darlehensrecht (vgl. auch oben Rdn. 1373). Wesentliche Besonderheiten bestehen hier, soweit ersichtlich, nicht 205 . Die Laufzeit ist meist verhältnismäßig lang, überschreitet jedoch selten 15 Jahre. Die Tilgung erfolgt häufig in Raten. Ein Recht zur ordentlichen Kündigung steht dem Gläubiger entsprechend der Funktion des Darlehens nicht zu. Mitunter wird auch dem Darlehensnehmer ein solches Recht versagt, doch hat dieser nach h. L. die Möglichkeit der Kündigung gemäß § 247 BGB (vgl. oben Rdn. 1342) und kann außerdem durch zwischenzeitlichen oder endgültigen Erwerb von Teilforderungen i. E. weitgehend dieselbe Wirkung erreichen. Der Zinssatz ist bei Schuldscheindarlehen, die nach dem 7-M-System plaziert werden, für die gesamte Laufzeit fest und gleichbleibend; auch bei nach anderen Systemen gewährten Darlehen wird meist ein fester Zinssatz vereinbart, doch kommt hier auch eine Abwälzung des Risikos wechselnder Zinssätze auf den Kreditnehmer in Betracht. Die Ausstellung des Schuldscheins hat kaum praktische Bedeutung. Insbesondere zieht sie nicht etwa eine Genehmigungspflicht gemäß oder analog §§ 795, 808 a B G B nach sich, da das Schuldscheindarlehen keine Anleihe ist (vgl. oben Rdn. 1373) und für eine Analogie weder Raum noch Bedürfnis besteht; denn Schuldscheindarlehen besitzen im Gegensatz zu den von §§ 795 und 808 a B G B erfaßten Inhaber- und Orderschuldverschreibungen keine Umlauffähigkeit und werden überdies typischerweise an einen Anlegerkreis ausgegeben, der mit wirtschaftlichen Fragen vertraut ist und eines besonderen Schutzes vor unseriösen Unternehmen nicht bedarf. Im Verhältnis zwischen dem Darlehensnehmer und den Zessionaren gilt grundsätz- 1 3 8 0 lieh dasselbe wie im Verhältnis zwischen jenem und dem ersten Darlehensgeber, da die Zessionare gemäß §§ 398 ff BGB in dessen Stellung einrücken. Insbesondere findet grundsätzlich kein Einwendungsausschluß statt, wie sich aus § 404 BGB ergibt; eine Ausnahme gilt insoweit wegen der Ausstellung des Schuldscheins allerdings, sofern § 405 BGB unmittelbar oder analog anwendbar ist 206 . Das Rechtsverhältnis zwischen dem Kreditvermittler und den übrigen Beteiligten 1 3 8 1 richtet sich nach dem Recht des Maklervertrags gemäß §§ 93 ff H G B , sofern der Kreditvermittler nicht selbst Partei des Darlehensvertrags wird (vgl. auch oben Rdn. 1374). Beim 7-M-System ist dagegen im Verhältnis zwischen der das Darlehen zunächst ausreichenden Bank und dem Vermittler grundsätzlich Kaufrecht anwendbar (vgl. oben Rdn. 1374). Im Verhältnis zwischen dem Kreditvermittler und den Zessionaren gilt dagegen grundsätzlich nicht Kaufrecht, sondern — soweit nicht besondere Vertragsabreden bestehen — Darlehensrecht (vgl. oben Rdn. 1375). Die Darlehen sind dabei grundsätzlich als befristet anzusehen, so daß sie ipso iure zur Rückzahlung fällig werden, sofern nicht eine Prolongation erfolgt. Auch eine Kombination von Kaufvertrag und Garantie ist vorstellbar (vgl. oben Rdn. 1376).
204 Vgl. dazu näher Canaris BB 197 8 , 22 8 . 205 Vgl. auch die ausführliche Darstellung der üblichen Vertragsgestaltung bei Witte S. 72 ff.
206
Vgl. dazu eingehend Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 94 ff m. Nachw.
Claus-Wilhelm Canaris
705
12. Abschnitt. D a s G e l d d a r l e h e n und seine bankrechtlichen B e s o n d e r h e i t e n
e) Besonderheiten bei Einschaltung eines Treuhänders 1382
Zur Verwaltung der Sicherheit und zum Zwecke einer einheitlichen Ausübung der Rechte aus dem Darlehen wird häufig ein Treuhänder bestellt (vgl. oben Rdn. 1370). Was die Rechtsnatur der Treuhand angeht, so ist hier grundsätzlich nicht eine bloße Ermächtigungstreuhand i. S. von § 185 BGB, sondern eine uneigennützige Vollrechtstreuhand anzunehmen 2 0 7 ; denn nur so läßt sich die Aufspaltung der Sicherheit vermeiden und eine einheitliche Verwaltung völlig sicherstellen. Die Bestellung eines Grundbuchvertreters i. S. von § 1189 B G B ist demgegenüber keine brauchbare Alternative, da nach herkömmlicher Ansicht die Vorschriften der §§ 1187 ff B G B auf das Schuldscheindarlehen nicht analog angewandt werden können 2 0 8 (vgl. freilich auch die folgende Rdn.).
1383
Hinsichtlich der Begründung des Treuhandverhältnisses können sich gewisse Schwierigkeiten aus dem von der Rechtsprechung aufgestellten „Unmittelbarkeitserfordernis" ergeben. Danach könnte man nämlich der Ansicht sein, die Sicherheit müsse jeweils von den Zessionaren als den Treugebern auf den Treuhänder übertragen werden, um die konkurs- und zwangsvollstreckungsrechtlichen Privilegien des Treuhandrechts sicherzustellen. Das wäre schon bei der erstmaligen Plazierung des Darlehens höchst unpraktikabel, weil als Treuhänder meist die darlehensausreichende Bank fungiert und weil diese daher schon Inhaber der Sicherheit ist, so daß sie diese zunächst auf die Zessionare übertragen und dann von ihnen zurückerwerben müßte; vollends unsinnig wäre das Erfordernis einer ständigen Hin- und Rückübertragung, sobald der Kreis der Geldgeber zu revolvieren beginnt, also immer neue Zessionare an die Stelle der bisherigen Forderungsinhaber treten. Man wird hier indessen auf das Unmittelbarkeitserfordernis verzichten können 2 0 9 , sofern man nicht sogar eine ganz andere Lösung wählt und entgegen der Rspr. und der h. L. in Fällen wie dem vorliegenden mit der — hinsichtlich der Treuhandprivilegien dann freilich konstitutiven, d. h. nicht nur hinreichenden, sondern auch erforderlichen — Eintragung eines Treuhandvermerks in das Grundbuch arbeitet 2 1 0 . Denn abgesehen davon, daß das Unmittelbarkeitserfordernis moderner dogmatischer Kritik ohnehin nicht standhält 2 1 1 , paßt es jedenfalls für die vorliegende Problematik nicht, da die Treuhänderbank bei Schuldscheindarlehen erkennbar nur eine Vermittlungsfunktion wahrnimmt und durch diese für jedermann erkennbare Besonderheit der Rechtsbeziehungen die Abgrenzung erreicht und die Publizität gewährleistet wird, die die Rechtsprechung der Sache nach mit dem Unmittelbarkeitsprinzip anstrebt. Die praktische Konsequenz hieraus ist, daß auch hier die für die uneigennützige Vollrechtstreuhand entwickelten Sonderregeln bezüglich Zwangsvollstreckung und Konkurs zum Zuge kommen; insoweit kann auf die Ausführungen oben Rdn. 278 ff verwiesen werden, die hier entsprechend gelten. Auch hinsichtlich der Aufrechnung, des Zurückbehaltungsrechts und des rechtsgeschäftlichen Pfandrechts ist ebenso zu entscheiden wie in den sonstigen Fällen der uneigennützigen Vollrechtstreuhand (vgl. dazu näher oben Rdn. 284 ff).
1384
Zu den Pflichten des Treuhänders gehört vor allem die ordnungsgemäße Verwaltung der Sicherheit sowie die Überwachung des Zins- und Tilgungsdienstes. Hinzu kommen Sorgfalts- und Schutzpflichten wie z. B. die Pflicht zur Kontrolle und Beob207 Vgl. auch Witte S. 109 ff. 208 Vgl. Witte S. 111 f. 2• So aber Stauder S. 86 f; Schönte § 29 I 2 a a. E.
15
So auch Zähmt N J W 1972, 1080. " So Zähmt N J W 1972, 1079 f.
II. Das Factoring Systematische 1.
2.
Rdn. Begriff und Wesen des Factoringgeschäfts a) Technik und Funktionen . . . . 1652 b) Die Rechtsnatur des Factoringgeschäfts 1655 Oas Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und seinem Kunden a) Die wichtigsten Unwirksamkeitsgründe b) Die Abtretung der Forderungen c) Das Zustandekommen der jeweiligen Kausalgeschäfte und die Bevorschussung der abgetretenen Forderungen d) Die Haftung des Kunden für den Bestand der Forderung und die Verteilung des Risikos der Zahlungswilligkeil und -fähigkeit e) Die Sicherung des Factoringinstituts f) Der Konkurs des Factoringkunden
Übersicht Rdn. g)
3.
1659 1661
1665
1669 1672 1675
4.
Der Konkurs des Factoringinstituts Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und anderen Forderungsprätendenten a) Kollisionen mit Vorausabtretungen im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts . . . b) Kollisionen mit Sicherungszessionen zugunsten anderer Geldkreditgeber c) Kollisionen mit anderen Formen des Forderungseinzugs durch Banken Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und dem Drittschuldner a) Der Einfluß der Vorauszession auf die Rechtsstellung des Drittschuldners b) Die Folgen eines Abtretungsverbots c) Die Problematik des Einwendungsverzichts
Claus-Wilhelm Canaris
1680
1685
1692
1696
1700 1703 1708
847
15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring Alphabetische Abtretungsverbot 1700, 1702 ff A u f r e c h n u n g 1702 Bereicherungsansprüche des Factoringinstituts 1678, 1696 f der Konkursmasse des Kunden 1679 des wahren Gläubigers 1691 Bevorschussung 1666 ff, 1676, 1685, 1687, 1692 Bürgschaft 1703
Übersicht K o n k u r s a n f e c h t u n g 1676, 1684 K o n k u r s a u f r e c h n u n g 1677 Kontokorrentkredit, revolvierender 1668 Krediteröffnungsvertrag 1657 Kreditierungsfunktion 1653, 1655 Kreditwesengesetz, Bankgeschäft 1658 Lastschriftverfahren 1697 Mantelzession 1661
Diskont 1699 Drittschuldner Zahlung an Factoringkunden 1674, 1696, 1701 Zahlungsfähigkeit 1670 f, 1677, 1687 Zahlungswilligkeit 1670, 1687
Positive Forderungsverletzung des Factoringinstituts 1666 Provision 1670 f Publikums-KG 1660
Eigentumsvorbehalt, verlängerter 1685 ff Einwendungen 1669 f Einwendungsdurchgriff 1709 Einwendungsverzicht 1708 f
Rahmenvertrag 1657, 1666, 1671, 1675 Beendigung 1680 Rechtsberatungsgesetz 1659, 1670 Rückbelastung 1670 ff, 1677, 1683, 1686 f
Forderung Ankauf 1665 f, 1685 nichtangekaufte 1662 f Forderungsabtretung 1661 ff Kausalverträge 1665 ff, 1676 Gläubigergefährdung 1660 Globalzession, antizipierte 1661 f, 1679
Selbsteintrittsklausel 1671 Sicherheiten f ü r abgetretene F o r d e r u n g 1673 des Factoringinstituts 1672, 1674 Sicherungsabtretung 1192 ff Sittenwidrige Schädigung 1697 Sittenwidrigkeit 1660, 1685 ff, 1693 ff, 1704 Sperrkonto 1676, 1683, 1687
Inkasso 1698
T r e u h a n d k o n t o 1671
Kommissionsklausel 1703 Konkurs des Factoringinstituts 1680 ff, 1688 des Factoringkunden 1675 ff, 1686, 1688, 1690, 1709
Unfallhelferring 1660 Vermögensübertragung 1665 Vertragsstrafe 1672 Vertrauenshaftung des Factoringinstituts 1666
Literatur Bärmann Europäisches Geld-, Bank- und Börsenrecht Bd. I, 1974, Rdn 212 ff; Bette Factoring in der neueren Rechtsprechung, DB 1971 Beilage Nr. 11, S. 11; derselbe Rechtsprobleme des Factoring, insbesondere des notifizierten Verfahrens, DB 1972, 1760; derselbe Das FactoringGeschäft, 1973 (zit.: Bette); Bette/Marwede Die Ermächtigung zur deckungsgleichen Verfügung, Lösungsprinzip der Kollisionsproblematik bei Mehrfachabtretungen, BB 1979, 121 ff; Blaurock Die Factoring-Zession, 2 H R 142 (1978), 325 ff; Capeller Factoring als Sparkassengeschäft, SparK 1964, 99 Ehling Zivilrechtliche Probleme der vertraglichen Ausgestaltung des Inland-Factoring-Geschäfts in Deutschland, 1977; Finter Die Forfaitierung, ihre Erscheinungsformen in der Praxis und ihre rechtliche Behandlung, BB 1969, 765 ff; Fischoeder Factoring in Deutschland, Diss. Köln 1963; Glomb Finanzierung durch Factoring, 1969; Heidland Insolvenzrechtliche Probleme beim Factoring, KTS 1970, 165 ff; von Karger Verzicht auf Abtretungsrecht? DB 1970 Beilage Nr. 7; derselbe Konflikte zwischen Vorbehaltslieferant und Factor, DB 1970 Beilage Nr. 7 S. 10; Kersting, Umgehung von Abtretungsverboten — ein Problem des Factoring, ZfKrW 1970, 95 ff; Klaas Die Risikoverteilung bei neueren Finanzierungsmethoden, NJW 1968, 1502 ff; Knopik Factoring — ein neuer Weg der Absatzfinanzierung und Kreditsicherung, 1960; KriebelDas Factoring-Geschäft, SparK 1963, 215; Kunth Zur (echten) Globalzession im unechten Factoring, BB 1981, 334 ff; Löffler Begriff und Arten des Factoring, BB 1967, 1304 ff; Messer Verlängerter Eigentumsvorbehalt und Forderungsabtretung an die Factoring-Bank, NJW 1976, 925 ff; Mon848
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
1. Begriff und Wesen des Factoringgeschäfts tenbruck Das Verhältnis des Factoringgeschäfts zum Kreditwesengesetz, zum Rechtsberatungsgesetz und zur Gewerbeordnung, M D R 1971, 541 ff; Rimmelspacher Kreditsicherungsrecht, 1980, S. 93 ff; Rödel Rechtsfragen des Factoring-Vertrages, BB 1967/1301 ff; Roth Das Factoring, Jura 1979, 297 ff; Schmidt, Karsten Factoring-Globalzession und verlängerter Eigentumsvorbehalt, DB 1977, 65 ff; Schmitt, Robert Maria Das Factoring-Geschäft, 1968; derselbe Factoring sucht einen Platz im deutschen Bankgeschäft, ZfKrW 1966, 1043; derselbe Der Factor und die Geschäftsbanken, ZfKrW 1968, 910 ff; Schönle Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, S S 13 I 3 b und 15 III; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd. IV, $ 52: Kollisionen zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und Factoring-Globalzession; derselbe Rechtsprobleme des FactoringGeschäftes, BB 1976, 425 ff; derselbe Neuere Entwicklungen beim Factoring-Geschäft, BB 1979, 845 ff; Graf von Westphalen Rechtsprobleme des Factoring und des Forfait von Exportforderungen, R I W / A W D 1977, 80 ff; Wißkirchen Factoring in Deutschland, Köln 1965; Wolf, Eckhard Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Factoring, WM 1979, 1374 ff.
1. Begriff und Wesen des Factoringgeschäfts a) Technik und Funktionen Beim Factoringgeschäft überträgt der Gläubiger einer Forderung diese auf einen 1652 anderen, den „Factor" oder das „Factoringinstitut" — meist eine Bank —, der statt seiner die Forderung einzieht und die Debitorenbuchhaltung sowie die sonstigen mit der Einziehung verbundenen Tätigkeiten übernimmt. Dabei bevorschußt das Factoringinstitut die Forderung sofort bis zu einem verhältnismäßig hohen Prozentsatz, so daß der Kunde schon vor dem Einzug der Forderung Geld erhält. Beim „echten" Factoring übernimmt das Factoringinstitut darüber hinaus das Risiko der Einbringlichkeit der Forderung, also der Zahlungsfähigkeit des Schuldners, während beim „unechten" Factoring dieses Risiko beim Kunden verbleibt, so daß das Factoringinstitut uneinbringliche Forderungen zurückbelasten kann. Das Factoring hat demnach mehrere Funktionen 17 . Wegen der Übernahme der 1653 Debitorenbuchhaltung, des Mahnwesens usw. hat es zunächst Dienstleistungsfunktion. Wegen der Bevorschussung der erworbenen Forderungen hat es weiterhin Finanzierungs- und Kreditierungsfunktion. Schließlich hat das echte Factoring wegen der Risikoübernahme auch noch Delkrederefunktion. Funktionell gesehen hat das Factoring somit eine deutliche Verwandtschaft mit dem 1654 Diskontgeschäft, was auch darin zum Ausdruck kommt, daß man es nicht selten als „wechselloses Wechselgeschäft" bezeichnet 18 . Dabei entspricht das unechte Factoring wegen der Möglichkeit der Rückbelastung dem gewöhnlichen Diskontgeschäft, während das echte Factoring im Diskont ä forfait, bei dem die Bank auf den Rückgriff gegen den Einreicher verzichtet (vgl. oben Rdn. 1583), seine Parallele findet. Diskontgeschäft i. S. von § 1 I 1 Ziff. 3 KWG ist das Factoring allerdings nicht, weil es nicht den Erwerb von Wechseln oder Schecks, sondern von schuldrechtlichen Forderungen zum Gegenstand hat. b) Die Rechtsnatur des Factoringgeschäfts Die Rechtsnatur des der jeweiligen Forderungsabtretung zugrunde liegenden Kau- 1 6 5 5 salvertrags zwischen dem Factoringinstitut und seinem Kunden ist umstritten. Von einer verbreiteten Ansicht wird er als Kaufvertrag bzw. als gemischttypischer Vertrag 17 Vgl. dazu z . B . Rödel BB 1967, 1301; Finger BB 1969, 766 f; Glomb S. 18 ff ; Ehling S. 25 ff.
'8 Vgl. z . B . von Karger DB 1970 Beilage N r . 7 S. 10; Bette DB 1971 Beilage N r . 11 S. 11.
Claus-Wilhelm Canaris
849
15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring
mit kaufrechtlichen Elementen angesehen 19 . Das entspricht zwar dem üblichen Sprachgebrauch der Vertragsparteien, wird jedoch den wirtschaftlichen Gegebenheiten und insbesondere der Kreditierungsfunktion des Factoring — die häufig für den Kunden das wichtigste am Factoring ist — nicht gerecht. Es gelten insoweit vielmehr im wesentlichen die gleichen Einwände wie beim Diskontgeschäft (vgl. oben Rdn. 1532). Insbesondere trifft auch hier zu — und zwar nicht nur für das unechte, sondern auch für das echte Factoring —, daß das Interesse des Zessionars nicht auf den Erwerb der Forderung als solcher gerichtet ist und daß er seinen Verdienst nicht aus dieser bzw. ihren Früchten erlangen soll wie z. B. beim Kauf einer Anleihe, sondern daß die Forderungsübertragung lediglich die Grundlage der Bevorschussung und des Inkassos bildet und das Factoringinstitut hierfür sein Entgelt erhält. Dem steht nicht entgegen, daß der Kunde den Vorschuß üblicherweise nur und erst verzinsen muß, wenn er über die entsprechende Gutschrift auf seinem Konto verfügt (vor Eingang des Gegenwerts für die Forderung); denn das ist in keiner Weise an die Kaufvertragskonstruktion gebunden, sondern entspricht der Lage beim Kontokorrentkredit und erklärt sich ohne weiteres daraus, daß der Kunde — im Gegensatz zur üblichen Gestaltung beim Wechseldiskont — den Zeitpunkt der Forderungsübertragung nicht variabel nach seinem jeweiligen Kreditbedürfnis bestimmen kann, sondern die Forderungen grundsätzlich alsbald nach ihrer Entstehung dem Factor anbieten muß. Insgesamt ist somit auch hier in Einklang mit der wirtschaftlichen Funktion des Factoring der Darlehenstheorie der Vorzug zu geben 20 . Beim unechten Factoring wird dabei die Forderung erfüllungshalber zediert 2 1 ; das entspricht der Ähnlichkeit des unechten Factoring mit dem Diskontgeschäft (vgl. oben Rdn. 1651), bei dem die Rechtsübertragung i. d. R. ebenfalls erfüllungshalber erfolgt (vgl. oben Rdn. 1531 f). Auch beim echten Factoring können Elemente einer Leistung erfüllungshalber vorliegen, weil und sofern der Kunde das Risiko einer Zahlungsverweigerung des Drittschuldners trägt (vgl. dazu im übrigen unten Rdn. 1670). Im übrigen handelt es sich um ein Darlehen mit einer atypischen Rückzahlungsvereinbarung22, auf die $ 365 BGB analog anzuwenden ist und die daher grundsätzlich — i. E. mit der h. L. übereinstimmend — den Regeln über den Forderungskauf unterliegt. Eine Leistung an Erfüllungs Statt i. e. S. ist entgegen der in der Erstbearbeitung Anm. 593 vertretenen Ansicht nicht gegeben, weil nicht erst Rückzahlung in Geld geschuldet und diese Pflicht dann durch
" Vgl. z. B. Rödel BB 1967, 1301; Heidland K T S 1970, 169; Glomb S. 78 ff und 82 f f ; Bette S. 51 f f ; Schönte § 1 5 III 3; Bärmann/Ehling Rdn. 216 ff. 20 Diese Ansicht dringt f ü r das unechte Factoring immer mehr vor, vgl. z. B. Glomb S. 53 ff und S. 63 f f ; Serick Bd IV § 52 II 2 d ; von Westphalen R I W / A W D 1977, 81 f; Roth J u r a 1979, 298 und M ü n c h K o m m . 1979, § 398 Rdn. 115; Rimmelspacher Rdn. 464; M ü n c h K o m m . - H . P. Westermann Vorbem. vor § 433 Rdn. 33; Staudinger/Köhler12 Vorbem. vor § 433 Rdn. 23; a. A. z . B . Bette S. 56 f f ; Bärmann/Ehling R d n . 218; Blaurock Z H R 142 (1978), 340 und 143 (1979), 71. 21 Vgl. auch B G H Z 58, 364, 366 f unter III 1; im übrigen bezeichnet der B G H das unechte Factoring a a O sybillinisch als „Kreditgeschäft", was zu einer heftigen Kontroverse zwischen Blaurock a a O (wie vorige Fn.) und Serick Z H R 143 (1979),
850
22
69 f über die Frage geführt hat, o b auch der B G H der Darlehenstheorie anhängt. Demgegenüber sieht die h. L. das echte Factoring als Forderungskauf oder als gemischttypischen Vertrag mit kaufrechtlichen Elementen an, so nicht nur die in Fn. 19, sondern auch alle in Fn. 20 zitierten Autoren. Von einem Forderungskauf geht auch der B G H in den Urteilen B G H Z 69, 254, 257 f und 76, 119, 125 f aus, betont aber in letzterem gleichzeitig stark die kreditorische Funktion, in der er geradezu den „entscheidenden Vorteil" f ü r den Kunden sieht, und spricht in diesem Zusammenhang im Anschluß an Serick von einem „kreditorischen Nebengeschäft, das einen Kaufvertrag als Hauptgeschäft voraussetzt"; es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern rechtlich für die Annahme eines solchen „Nebengeschäfts" Raum und Bedürfnis bestehen soll und was darunter dogmatisch überhaupt zu verstehen ist.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
1. Begriff und Wesen des Factoringgeschäfts
die Forderungsabtretung ersetzt wird, sondern von vornherein nur letztere vorgesehen und geschuldet ist 23 , doch handelt es sich gewissermaßen um das „anfängliche" Gegenstück zur „nachträglichen" Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs Statt, weshalb sich die Analogie zu § 365 BGB anbietet. Deswegen die Darlehenstheorie für das echte Factoring zur Gänze zugunsten der Kaufvertragstheorie aufzugeben, besteht kein Anlaß, weil die kreditorische Funktion auch beim echten Factoring außer Frage steht und die oben Rdn. 1532 vorgetragenen Gründe im wesentlichen auch hier passen. Daß die von den Parteien gewählte Nomenklatur insoweit nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, bedarf heute keiner näheren Darlegung mehr (vgl. im übrigen auch oben Rdn. 1626 Abs. 2). Unabhängig von dem Gegensatz zwischen Kauf- und Darlehenstheorie wird die der 1 6 5 6 Forderungsabtretung zugrunde liegende Kausalabrede meist als gemischttypischer Vertrag bezeichnet, bei dem auch noch Elemente einer Geschäftsbesorgung i. S. von § 675 i. V. m. §§ 611 ff und/oder §§ 631 ff BGB vorliegen 24 . Das dürfte freilich für das echte Factoring nicht zutreffen, weil die Einziehung und Durchsetzung der Forderung hier sowohl bei Annahme eines Kaufs als auch bei Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt eine eigene Angelegenheit des Factors und mithin kein fremdes Geschäft i. S. von § 675 BGB ist; auch die Delkrederefunktion ist unselbständiger Bestandteil des Kaufs bzw. der Annahme an Erfüllungs Statt und macht das Factoring folglich nicht zu einem gemischttypischen, etwa auch versicherungsrechdiche Elemente enthaltenden Vertrag. Dagegen weist das unechte Factoring in der Tat auch Züge eines Geschäftsbesorgungsvertrages auf, da die vom Factor üblicherweise geschuldeten Tätigkeiten beträchtlich über die Obliegenheiten hinausgehen, die mit der Entgegennahme einer Forderung als Leistung erfüllungshalber typischerweise verbunden sind; das gilt insbesondere für die Pflicht zur Führung der Debitorenbuchhaltung und die Übernahme des Mahnwesens. Was das Verhältnis zwischen den verschiedenen Bestandteilen angeht, so ist es nicht nach der Absorbtionstheorie, sondern nach der Kombinationstheorie zu beurteilen, da keine der Funktionen des unechten Factoring über die andere in „absorbierender" Weise dominiert. Es kommen also jeweils die für den betreffenden Vertragstypus geltenden Regeln zur Anwendung, d. h. teils Geschäftsbesorgungs- und teils Darlehensrecht. Bei Unwirksamkeit eines Vertragsbestandteils ist gemäß § 139 BGB im Zweifel der gesamte Factoringvertrag unwirksam 25 ; denn der bloße Forderungseinzug ist ohne gleichzeitige Übernahme der damit verbundenen Dienstleistungen wie der Debitorenbuchführung, des Mahnungswesens usw. für den Kunden i. d. R. ebensowenig von Interesse, wie er umgekehrt diese Dienstleistungen nicht dem Factoringinstitut übertragen würde, wenn er nicht in den Genuß der Finanzierungs- und Kreditierungsfunktion des Factoring käme. Der Erwerb der einzelnen Forderungen ist in einen Rahmenvertrag eingebettet, der 1657 fast immer sowohl ein echtes als auch ein unechtes Factoring erlaubt. Es handelt sich dabei um einen Krediteröffnungsvertrag, so daß die Ausführungen oben Rdn. 1195 ff grundsätzlich auch hier einschlägig sind; das gilt auch dann, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht nicht der Darlehens-, sondern der Kaufvertragstheorie folgt (vgl. insoweit näher oben Rdn. 1640). Demgemäß sind z. B. bei einer Beendigung des 23 Diesen Hinweis verdanke ich H e r r n Dr. Leenen. « Vgl. z. B. Rödel BB 1967, 1301; Glomb S. 78 ff und S. 82 ff; Heidland K T S 1970, 169; Schönte $ 15 III 1 und 3; a. A. vor allem Ehling S. 200 ff, der das echte Factoring als reinen Kauf, das unechte als reinen Geschäftsbesorgungsvertrag
25
i. S. von § 675 BGB und den Rahmenvertrag o f f e n b a r auch als reinen Geschäftsbesorgungsvertrag ansieht. Vgl. auch Schönte § 15 III 3; a. A. Rödel BB 1967, 1302.
Claus-Wilhelm Canaris
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring Rahmenvertrags durch Zeitablauf oder Kündigung die oben Rdn. 1232 ff entwickelten Regeln anzuwenden. Weil (und soweit) der Rahmenvertrag auch die Grundlage eines unechten Factoring bildet, enthält er auch geschäftsbesorgungsrechtliche Elemente. Mit dem Rahmenvertrag ist regelmäßig eine Kontokorrentabrede verbunden, die auch konkludent getroffen werden oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB anzunehmen sein kann. 1658
Auch vom Boden der Darlehensvertragstheorie aus ist das Factoring entgegen der in der Erstbearbeitung Anm. 595 vertretenen Ansicht kein Bankgeschäft i. S. des KWG 26 . Das folgt daraus, daß nach § 1 I Ziff. 3 KWG nur der Diskont von Wechseln und Schecks, nicht aber auch der Diskont sonstiger Forderungen unter das KWG fällt und man die darin liegende aufsichtsrechtliche Abgrenzung gegenüber dem in § 1 I Ziff. 2 KWG geregelten Gelddarlehen nicht durch die Übertragung einer neuartigen privatrechtlichen Qualifikation in das Aufsichtsrecht unterlaufen darf (vgl. näher oben Rdn. 1627). Außerdem spricht auch der Umkehrschluß aus § 19 KWG gegen die Anwendbarkeit von § 1 K W G ; denn während dort durch die Novelle von 1976 ausdrücklich „entgeltlich erworbene Geldforderungen" in den Kreditbegriff aufgenommen worden sind, hat der Gesetzgeber § 1 KWG nicht im gleichen Sinne ergänzt, obwohl ihm die Problematik des Factoring bekannt war. Beim unechten Factoring kommt hinzu, daß es keinesfalls einen reinen Darlehensvertrag darstellt, sondern auch Elemente eines Geschäftsbesorgungsvertrags enthält und daher auch wegen dieser Doppelnatur nicht unter § 1 KWG subsumiert werden darf, weil anderenfalls gegen das hier geltende Analogieverbot 27 verstoßen würde. 2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und seinem Kunden a) Die wichtigsten Unwirksamkeitsgründe
1659
Nach der Rspr. des BGH stellt das Betreiben des Factoring keinen Verstoß gegen das RBerG dar — und zwar weder beim unechten Factoring (vgl. B G H Z 58 364, 366 ff) noch beim echten Factoring (vgl. BGHZ 76 119, 125 f). Das hat der BGH beim unechten Factoring vor allem damit begründet, daß „die Frage der Gewährung eines Kredits und dessen Sicherung im Vordergrund steht und . . . der Gesichtspunkt des werbewirksamen Kundendienstes durch Beitreibung der ursprünglich dem Zedenten zustehenden Forderung zurücktritt" (aaO S. 367), und beim echten Factoring damit, daß dieses wirtschaftlich gesehen ebenfalls Kreditierungsfunktion und überdies Versicherungsfunktion habe und sich dadurch wesentlich von einem reinen Inkassogeschäft der von § 1 RBerG und § 1 der 5. AVO erfaßten Art unterscheide (vgl. aaO S. 377). Das trifft zu, zumal die genannten Vorschriften im Hinblick auf Art. 12 GG grundsätzlich einer engen Auslegung bedürfen. Freilich bleibt der Gegensatz zu der außerordentlich rigorosen Handhabung des RBerG durch den B G H in den Unfallhelferringfällen (vgl. dazu oben Rdn. 1290) trotz aller Abgrenzungsbemühungen des BGH unübersehbar; die Sorge vor Mißständen bei letzteren auf der einen Seite und das Bemühen, dem Factoring in Deutschland nicht generell den Boden zu entziehen, auf der anderen Seite dürften hier die Auslegung des Gesetzes wesentlich beeinflußt haben.
1660
Das Factoring verstößt auch nicht generell gegen die guten Sitten. Die Möglichkeit von Kollisionen mit Forderungsabtretungen zugunsten anderer Gläubiger genügt dafür weder beim unechten noch beim echten Factoring, sondern bedarf einer differenzie26
Das entspricht i. E. der h. L., vgl. z . B . Bahre/ Schneider K W G - K o m m . 2 , § 1 Anm. 5; Schork Komm, zum K W G 2 , § 1 Rdn. 31; Schönte § 13
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27
I 3 b ; a. A. f ü r das unechte Factoring Glomb S. 93 und Montenbruck M D R 1971, 541 ff. Vgl. zu diesem näher Canaris BB 1978, 228.
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2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und seinem Kunden
renden fallgruppenbezogenen Lösung (vgl. dazu näher unten Rdn. 1685 ff). Freilich kann im Einzelfall z. B. unter dem Gesichtspunkt der Gläubigergefährdung ein Verstoß gegen § 138 BGB zu bejahen sein (vgl. auch BGH W M 1972 683, 684 f; insoweit in BGHZ 58 364 nicht abgedruckt). Auch kann § 138 BGB unter dem Gesichtspunkt einer übermäßigen Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Kunden verletzt sein wie z. B., wenn sich das Factoringinstitut alle Forderungen einer neu gegründeten PublikumsKG gegen ihre Kommanditisten abtreten läßt und dadurch deren gesamtes gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen an sich bringt (vgl. B G H W M 1978 1400, 1401 f; 1979 1258); auch ein Verstoß gegen § 310 BGB kommt in einem solchen Fall in Betracht, weil (und sofern) die Forderungen nicht je einzeln, sondern global abgetreten werden. b) Die Abtretung der Forderungen Die im Factoringvertrag vorgesehene Abtretung der Forderungen des Kunden an 1661 das Factoringinstitut kann auf verschiedene Weise und zu verschiedenen Zeitpunkten vorgenommen werden. I. d. R. handelt es sich dabei um eine antizipierte Globalzession der zukünftigen Forderungen. Dem Erfordernis der Bestimmbarkeit ist grundsätzlich Genüge getan, weil der Kreis der Schuldner und der Rechtsgrund der Forderungen selbst dann hinreichend umrissen sind, wenn das Factoring sich auf alle Forderungen aus der Geschäftsbeziehung zu allen geschäftlichen Schuldnern des Kunden erstreckt. Die Konstruktion einer Vielzahl von Einzelabtretungen, die jeweils im Augenblick der Rechnungsübersendung oder der Gutschrift erfolgen, dürfte demgegenüber der Interessenlage meist nicht gerecht werden. Denn dadurch hätte es der Kunde des Factoringinstituts in der Hand, noch nachträglich einzelne Forderungen von der Zession auszunehmen oder gar nur zweifelhafte Forderungen abzutreten. Eine bloße Verpflichtung zur Abtretung aller Forderungen — mitunter mißverständlich als Mantelzession bezeichnet — genügt zum Schutze des Factoringinstituts nicht, da sie nicht dinglich wirkt und folglich abweichende Verfügungen des Kunden nicht verhindern kann. Im Zweifel ist daher nach dem mutmaßlichen Parteiwillen eine antizipierte Globalzession anzunehmen, wenn der Vertrag nicht deutliche Indizien dafür enthält, daß die Abtretung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen soll. Nicht selten steht die Globalzession ausdrücklich unter der aufschiebenden oder 1 6 6 2 auflösenden Bedingung des „Ankaufs" bzw. Nichtankaufs der betreffenden Einzelforderung durch das Factoringinstitut 28 . Fehlt es an einer entsprechenden Bestimmung 29 , so ist eine solche grundsätzlich im Wege der ergänzenden Auslegung gemäß § 157 BGB in den Vertrag hineinzuinterpretieren, es sei denn, dieser enthält eine andere Regelung über das Schicksal nicht angekaufter Forderungen. Denn weil (und sofern) diese von der Globalzession erfaßt werden, bedarf es einer Regelung für den Fall ihres Nichtankaufs, so daß es nahe liegt, in deren Fehlen eine zur ergänzenden Auslegung berechtigende Lücke zu sehen. Dabei ist nach Treu und Glauben im Interesse des Zedenten wie auch im Interesse etwa konkurrierender anderer Zessionare grundsätzlich davon auszugehen, daß das Factoringinstitut eine solche Forderung mit dinglicher Wirkung freigibt und nicht nur nach § 812 BGB zu ihrer Rückübertragung verpflichtet sein will, sofern es sie nicht unmißverständlich an sich zieht — z. B. zur Sicherung eines etwaigen Debet des Factoringkunden. Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht im übrigen auch der Praktikabilitätsgesichtspunkt, daß bei Annahme einer bloßen 28
Vgl. dazu auch Serick Bd IV § 52 II 2 a; Ehling S. 59 f, 63, 116.
29
Die bei Ehling veröffentlichten Factoringverträge enthalten keineswegs alle eine klare Lösung der Abtretungsproblematik!
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15. Abschnitt. S o n d e r f o r m e n des Kreditgeschäfts. II. D a s Factoring
Rückübertragungspflicht nicht angekaufte Forderungen jeweils gesondert zurückübertragen werden müßten. Das wird kaum jemals der Praxis und damit dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen; im Zweifel kann man also aus dem Unterbleiben von Rückübertragungen schließen, daß nach dem mutmaßlichen Parteiwillen nicht angekaufte Forderungen ipso iure zurückfallen bzw. bei ihrem bisherigen Gläubiger bleiben sollen. Dabei ist grundsätzlich eine auflösende und nicht nur eine aufschiebende Bedingung anzunehmen, weil dadurch die Zuständigkeitsprobleme für die Zeit bis zum „Ankauf" der Forderung vermieden werden (vgl. näher unten Rdn. 1701) und diese Lösung daher dem mutmaßlichen Parteiwillen besser gerecht wird. 1663
Wird dem Factoringinstitut auch der Einzug nicht angekaufter Forderungen übertragen, ist im Zweifel von einer bloßen Einzugsermächtigung und nicht von einer Inkassozession auszugehen. Denn da die Rechtsprechung nur für die Prozeßführungsbefugnis ein eigenes Interesse des Ermächtigten verlangt und die Klageerhebung meist gerade nicht in der Hand des Factoringinstituts, sondern weiterhin in der des Kunden liegt, genügt grundsätzlich eine Ermächtigung, so daß sie im Zweifel als die weniger weitreichende — insbesondere auch etwaige Drittinteressen weniger stark bedrohende — Gestaltungsform anzunehmen ist (vgl. im übrigen auch unten Rdn. 1688).
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Die Factoringglobalzession ist keine geeignete Grundlage für die Anwendung von § 419 BGB. Das gilt nicht nur für das unechte Factoring mit aufschiebend bedingter Zession, für das der BGH die Anwendung von § 419 BGB bereits abgelehnt hat (vgl. B G H Z 71 306, 307 f), sondern allgemein, also auch beim echten Factoring und bei auflösend bedingter oder unbedingter Zession. Entscheidend ist dabei, daß die Gegenleistung des Factoringinstituts den Gläubigern des Kunden keine geringere, sondern meist sogar eine höhere Sicherheit bietet, weil sie nur die Ansprüche gegen das Institut und nicht eine Vielzahl von Ansprüchen gegen die einzelnen Drittschuldner zu pfänden brauchen. Der B G H hat bisher zwar offengelassen, ob § 419 BGB unanwendbar ist, wenn die Gegenleistung die gleiche Sicherheit und Befriedigungsmöglichkeit bietet wie das übernommene Vermögen (vgl. BGHZ 33 123, 126), doch ist die Frage nach richtiger Ansicht zu bejahen, weil die Anwendung von § 419 BGB sonst durch den die Vorschrift tragenden Gedanken des Gläubigerschutzes nicht mehr gedeckt wäre 2 9 a .
c) Das Zustandekommen der jeweiligen Kausalgeschäfte und die Bevorschussung der abgetretenen Forderungen 1665
Was das Zustandekommen der jeweiligen Kausalgeschäfte, also der einzelnen Kauf- bzw. Darlehensverträge angeht, so erfolgt es meist im Wege konkludenten Verhaltens. Das Angebot des Kunden ist dabei grundsätzlich in der Ubersendung der betreffenden Rechnungen zu sehen. Zu seiner Abgabe besteht anders als im Normalfall des Krediteröffnungsvertrags, in dem der Kreditnehmer zu einem Abruf des Kredits, also z. B. zur Einreichung von Diskontwechseln, nach richtiger Ansicht nicht verpflichtet ist (vgl. oben Rdn. 1230 f), üblicherweise eine ausdrückliche Vertragspflicht, doch werden die Folgen dieser Regelung meist dadurch abgemildert, daß der Kunde Zinsen für die Bevorschussung der Forderung erst dann bezahlen muß, wenn er über die entsprechende Gutschrift verfügt, und daß er u. U. sogar Habenzinsen erhält, wenn er trotz Bezahlung der Forderung durch den Drittschuldner das Guthaben noch stehen läßt. 29a Vgl. zur Kritik an der zu weiten Ausdehnung von §419 BGB durch die Rspr. z . B . Schricker JZ
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1970, 272; Larenz Schuldrecht I 1 2 §35 11 = S. 496 f m. w. Nachw.
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2. D a s Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und seinem Kunden
Auch die Annahme durch die Bank erfolgt i. d. R. konkludent und ist überdies 1 6 6 6 gemäß § 151 B G B grundsätzlich nicht zugangsbedürftig. Die maßgebliche Handlung liegt regelmäßig in der Erteilung der Gutschrift, was mitunter sogar ausdrücklich im Vertrag steht, aber auch sonst dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht; erfolgt die Bevorschussung durch Uberweisung oder Scheckzahlung, dürfte auf die Vornahme des Uberweisungsauftrags bzw. Absendung des Schecks abzustellen sein. Auch die Bank hat auf Grund des Rahmenvertrags grundsätzlich eine Pflicht zum Vertragsschluß, doch steht diese praktisch immer unter bestimmten Einschränkungen wie z. B. der Festlegung eines Höchstbetrages für die einzelnen Drittschuldner („Debitoren") und/oder des Ausschlusses bestimmter Forderungen von der Pflicht zum „Ankauf". Verzögert das Factoringinstitut die Entscheidung über den „Ankauf" in pflichtwidriger Weise, so kann es aus Schutzpflichtverletzung („positiver Forderungsverletzung") zum Schadensersatz verpflichtet sein und unter besonderen Voraussetzungen auch nach den Regeln über die „Vertrauenshaftung kraft widersprüchlichen Verhaltens" 3 0 auf Erfüllung haften. Dagegen kann das Schweigen des Factoringinstituts grundsätzlich nicht nach § 362 H G B als Annahme angesehen werden, da das Factoring keinen reinen Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. dieser Vorschrift darstellt 31 , doch kann sich auch unabhängig von § 362 H G B ein Handelsbrauch bilden oder schon gebildet haben, auf Grund dessen das Schweigen des Factoringinstituts als Annahme anzusehen ist. Die Annahme des Factoringantrags fällt, wie dargelegt, regelmäßig mit der Bevor- 1 6 6 7 schussung der abgetretenen Forderung zusammen. Das ist evident, wenn die konkludente Annahme in der Vornahme einer Giroüberweisung oder in der Übersendung eines Schecks liegt, gilt aber grundsätzlich auch, wenn sie durch Gutschrift auf einem bei dem Factoringinstitut selbst geführten Konto erfolgt, sofern der Kunde über den Gegenwert sofort frei verfügen kann. Darüber hinaus ist der Vorschuß grundsätzlich schon vor Vornahme der Gutschrift als erteilt anzusehen, wenn das Factoringinstitut den Antrag durch irgendeine andere Handlung angenommen hat; denn die Forderung „auf" die Gutschrift steht hier wirtschaftlich und rechtlich der Forderung „aus" der Gutschrift gleich, weil ein Einwendungsausschluß durch Gutschrifterteilung hier nicht in Betracht kommt und eine Unterscheidung zwischen dem Anspruch auf und aus Gutschrift daher in diesem Zusammenhang sinnwidrig wäre. Von der Frage nach dem Zeitpunkt der Vorschußerteilung, der sich nur nach der 1 6 6 8 Möglichkeit einer Verfügung über den betreffenden Betrag richtet, strikt zu unterscheiden ist die Problematik der Verzinsung. Diese erfolgt regelmäßig und zweckmäßigerweise auf der Grundlage der jeweiligen Ein- und Ausgänge. Leistungen der Drittschuldner werden dem Kunden also im Zeitpunkt ihres Eingangs gutgebracht, Abhebungen werden ihm belastet. Befindet er sich bei dieser Berechnungsweise im Debet, hat er Sollzinsen zu zahlen, ergibt sich für ihn ein Guthaben, erhält er Habenzinsen. Es handelt sich also der Sache nach um einen revolvierenden Kontokorrentkredit (vgl. zu diesem im übrigen oben Rdn. 1347 ff). Eine Besonderheit besteht dabei darin, daß es kein festes Kreditlimit gibt, sondern daß dieses von der Summe der jeweiligen Bevorschussungen abhängt. Der für die Verzinsung maßgebliche Kontostand ist also nicht identisch mit dem für die Verfügungsmöglichkeit maßgeblichen. Erst recht spiegeln beide grundsätzlich nicht den wirklichen Wert des Guthabens aus den Factoringgeschäften wider.
30
Vgl. dazu allgemein Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 266 ff, 287 ff.
31
Vgl. zur Beschränkung von § 362 H G B auf Geschäftsbesorgungsverträge näher Großkomm.Canaris' $ 362 Anm. 7.
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring
d) Die Haftung des Kunden für den Bestand der Forderung und die Verteilung des Risikos der Zahlungswilligkeit und -fähigkeit 1669
Der Kunde haftet dem Factoringinstitut sowohl beim unechten als auch beim echten Factoring für den Bestand sowie die Einwendungs- und Einredefreiheit der bevorschußten Forderung. Wenn das nicht ausdrücklich im Vertrag steht, ergibt es sich jedenfalls aus § 437 oder § 365 i. V. m. § 437 BGB bzw. aus den Regeln über die Leistung erfüllungshalber (vgl. dazu oben Rdn. 1655 Abs. 2). Auch für die Freiheit von nachträglichen Einwendungen — z. B. solchen auf Grund einer Aufrechnung oder einer einverständlichen Vertragsaufhebung, die nach §§ 406 f BGB gegenüber dem Factoringinstitut Wirkung haben können — hat der Kunde grundsätzlich bei beiden Formen des Factoring einzustehen, da es nicht dessen Sinn ist, ihm dieses Risiko abzunehmen. Das gilt auch und erst recht für eine Zerstörung oder Herabsetzung der zedierten Forderung im Wege der Wandelung bzw. Minderung, ohne daß es darauf ankommt, ob man dieser ex-tunc- oder nur ex-nunc-Wirkung zuspricht; denn derartige Risiken soll das Factoring dem Kunden keinesfalls abnehmen.
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Eine gewisse Mittelstellung nimmt die Problematik der Zahlungswilligkeit des Drittschuldners ein. Dieses Risiko trägt beim unechten Factoring grundsätzlich der Kunde, da das Factoringinstitut hier die Forderung nur erfüllungshalber hereinnimmt und daher beim Scheitern des Einzugs wieder auf seine Kausalforderung gegen jenen zurückgreifen darf, doch ist es möglich, daß es die Pflicht zur klageweisen Durchsetzung übernimmt — was allerdings im Hinblick auf § 1 RBerG nicht ganz bedenkenfrei wäre. Beim echten Factoring liegt dagegen das Risiko der Zahlungswilligkeit an sich beim Factoringinstitut, da dieses die Forderung hier ja gekauft oder an Erfüllungs Statt angenommen hat, doch finden sich ebenso wie beim EUROCARD-Verfahren (vgl. dazu insoweit oben Rdn. 1642) Regelungen, wonach das Factoringinstitut trotz Übernahme des Bonitätsrisikos die Gutschrift zurückbelasten darf, wenn der Drittschuldner den Bestand der Forderung bestreitet oder Einreden gegen diese erhebt bzw. wenn der Kunde in einem solchen Fall nicht den Bestand der Forderung dem Factoringinstitut nachweist. Das ist sinnvoll, weil es dabei nicht um das Bonitätsrisiko geht, dessen Übernahme der eigentliche Sinn des echten Factoring ist, sondern vielmehr um die Austragung des Streits über die Berechtigung der vom Drittschuldner erhobenen Einwände, der vom Factoringkunden als dem Vertragspartner des Drittschuldners weit sachgerechter geführt werden kann als von dem Factoringinstitut als außenstehendem Dritten und dessen Ausgang wegen der Veritätshaftung letztlich ohnehin allein den Kunden betrifft. Im Zweifel, d. h. mangels einer entsprechenden vertraglichen Regelung, folgt aber das Risiko der Zahlungswilligkeit dem Risiko der Zahlungsfähigkeit und ist also beim echten Factoring vom Factoringinstitut und beim unechten vom Kunden zu tragen. Dogmatisch dürfte das Rückbelastungsrecht sich am besten mit Hilfe eines vertraglichen Rücktrittsrechts erklären lassen, das dem Factoringinstitut in Erweiterung von §§ 437, 440, 325 BGB eingeräumt wird. Demgemäß führt seine Ausübung gemäß § 346 BGB zu einem Anspruch des Factoringinstituts auf Rückzahlung des gutgeschriebenen Gegenwerts, der grundsätzlich durch Verrechnung im Kontokorrent getilgt wird. Das Factoringinstitut hat seinerseits gemäß § 346 BGB die Delkredereprovision und mangels besonderer Abrede auch eine etwaige zusätzliche Factoringgebühr zurückzuzahlen und demgemäß Gutschriften in entsprechender Höhe im Kontokorrent vorzunehmen. Außerdem ist es zur Rückübertragung der Forderung verpflichtet, die mangels besonderer Vereinbarung einer auflösenden Bedingung nicht ipso iure zurückfällt. Eine solche an Stelle des Rücktrittsrechts bezüglich des „Ankaufs" und/oder der Zes856
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und seinem Kunden
sion anzunehmen, dürfte anders als beim Rückbelastungsvorbehalt des Lastschriftverfahrens (vgl. oben Rdn. 577) nicht sachgerecht sein; denn das Vorliegen einer Zahlungsverweigerung des Drittschuldners und das Mißlingen des dem Kunden meist anheimgestellten „Nachweises", daß diese unberechtigt ist, unterliegen häufig erheblichen Urteilsspielräumen, so daß die Abgabe einer Gestaltungserklärung durch das Kreditinstitut aus Gründen der Rechtsklarheit und -Sicherheit zweckmäßig erscheint. Da der Rahmenvertrag sich i. d. R. gleichermaßen auf echtes wie unechtes Facto- 1671 ring bezieht, kann auch die Frage Schwierigkeiten bereiten, wem das Risiko der Zahlungsfähigkeit des Drittschuldners zuzuordnen ist. Auszugehen ist dabei in erster Linie von der vertraglichen Gestaltung. Ist z. ß. generell vorgesehen, daß der Kunde für die Einbringlichkeit der Forderungen einzustehen hat, oder ist bestimmt, daß das Factoringinstitut das Delkredere nur auf besonderen Wunsch des Kunden oder durch besondere Vereinbarung übernimmt, so liegt grundsätzlich unechtes Factoring vor. Heißt es andererseits im Vertrag, daß der Kunde die Haftung für die Zahlungsfähigkeit des Drittschuldners durch eine besondere Abrede selbst übernehmen kann und/oder daß bei einem Unterbleiben der Zahlung nach Ablauf einer bestimmten Frist — z. B. 90 Tage nach Fälligkeit der abgetretenen Forderung — ein „Selbsteintritt" des Factoringinstituts erfolgt, so handelt es sich grundsätzlich um echtes Factoring; im übrigen hat die Selbsteintrittsklausel die Bedeutung, daß bis zu dem betreffenden Tag die auf die Forderung entfallende Gutschrift als Vorschuß anzusehen und zinsmäßig entsprechend zu behandeln ist. Es kommt auch vor, daß das Factoringinstitut nur für einen Teil der Forderung — z. B. 60 % — das Delkredere übernimmt; dann sind grundsätzlich auf den einen Teil die Regeln über das echte und auf den anderen die Regeln über das unechte Factoring anzuwenden. Fehlt es an einer hinreichend aussagefähigen vertraglichen Regelung, wird man nach § 262 BGB im Zweifel anzunehmen haben, daß das Factoringinstitut zwischen echtem und unechtem Factoring wählen kann; denn es schuldet dann nach dem Rahmenvertrag den Erwerb der Forderung entweder im Wege des echten oder des unechten Factoring, so daß die Voraussetzungen einer Wahlschuld i. S. von § 262 B G B gegeben sind. Die Ausübung des Wahlrechts kann durch eine konkludente nicht zugangsbedürftige Handlung gemäß § 151 BGB erfolgen, also z. B. dadurch, daß das Factoringinstitut den Kunden mit der Delkredereprovision belastet, was nur beim echten Factoring in Betracht kommt, oder daß es ihm den Gegenwert auf einem besonderen „Treuhandkonto" gutschreibt, was in aller Regel für unechtes Factoring spricht. e) Die Sicherung des Factoringinstituts Die Sicherung des Factoringinstituts erfolgt in erster Linie durch einen Einbehalt 1 6 7 2 auf einem Sperrkonto in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des vom Kunden in Anspruch genommenen Vorschusses. Dieser dient als Sicherheit für etwaige Rückbelastungen. Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ist das Guthaben dem Kunden auszuzahlen, sobald und soweit feststeht, daß Rückbelastungen nicht mehr in Betracht kommen; entgegenstehende Regelungen stellen grundsätzlich ein Vertragsstrafeversprechen dar und sind daher an §§ 343 BGB, 9 AGBG sowie im Verkehr mit einem Nichtkaufmann u. U. auch an § 11 Nr. 6 AGBG zu messen. Für die abgetretene Forderung bestellte Sicherheiten gehen meist nach § 401 BGB 1673 ipso iure auf das Factoringinstitut über. Darüber hinaus pflegt dieses sich bezüglich solcher Rechte, die nicht unter §401 BGB fallen, durch Sicherungsübertragungen im Wege einer antizipierten Einigung und eines antizipierten Besitzkonstituts zu schützen. Claus-Wilhelm Canaris
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring
Gleiches geschieht üblicher- und zweckmäßigerweise für Wechsel und Schecks, die der Drittschuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit hingibt, was er dem Factoringinstitut nach § 407 BGB in weitem Umfang entgegenhalten kann (vgl. zu § 407 BGB näher oben Rdn. 774); dieses erwirbt das Papier im Wege einer antizipierten Einigung „und eines antizipierten Besitzkonstituts gemäß § 930 BGB, da dieser Weg auch bei Wertpapieren gangbar ist (vgl. z. B. BGH WM 1957 674, 675; 1958 70 f)1674
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Gegenüber Giroüberweisungen des Drittschuldners an den Altgläubiger (und Factoringkunden) gibt es dagegen bei Anwendbarkeit von § 407 BGB, also vor allem beim verdeckten Factoring, keinen sicheren Schutz des Factoringinstituts; denn die verbreiteten Klauseln, wonach das durch die Uberweisung entstandene Guthaben des Kunden bei der Bank an das Factoringinstitut zediert ist, sind wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem kontokorrentrechtlichen Abtretungsverbot unwirksam (vgl. oben Rdn. 182) und könnten im übrigen selbst bei grundsätzlicher Bejahung ihrer Wirksamkeit keinesfalls Schutz gegenüber der Verrechnung des eingehenden Betrags mit einem Debet des Kunden bei der Bank bieten (vgl. oben Rdn. 457). Als Ausweg bleibt allenfalls die — freilich wohl wenig praxisgerechte — Möglichkeit, daß der Factoringkunde die dem Factoring unterliegenden Außenstände über ein offenes Treuhandkonto einzieht und seinen Schuldnern nur die Uberweisung auf dieses gestattet. Im übrigen kann das Factoringinstitut sich eine gewisse Sicherheit durch die — rechtlich unproblematische — Vorausabtretung des Schlußsaldos aus dem Kontokorrent verschaffen, die nach der — freilich unzutreffenden — Ansicht des BGH sogar konkursbeständig ist 32 ; allerdings wird sich im Falle des Konkurses wohl kaum jemals ein Guthaben auf dem betreffenden Bankkonto befinden. Aussichtsreicher ist dagegen die Vorausabtretung des Schlußsaldos aus einem etwaigen Kontokorrent zwischen dem Factoringkunden und den Drittschuldnern, weil sich hier nicht selten ein aktiver Saldo zugunsten des ersteren ergeben wird. {) Der Konkurs des Factoringkunden Der Konkurs des Factoringkunden führt ipso iure zum Erlöschen des Factoringrahmenvertrages 33 . Das folgt für das geschäftsbesorgungsrechtliche Element unmittelbar aus § 23 K O und für das kreditrechtliche Element aus den Ausführungen oben Rdn. 1258. Bei Auszahlung eines Guthabens an den Gemeinschuldner richtet sich die Wirksamkeit gegenüber der Masse nach § 8 KO. Ob dem Factoringinstitut auch ein Vertrauensschutz nach § 23 I 2 KO i. V. m. § 674 BGB zugute kommt — z. B. bei Vornahme neuer Factoringgeschäfte nach Konkurseröffnung —, ist zweifelhaft, weil das echte Factoring überhaupt kein Geschäftsbesorgungsvertrag ist (vgl. oben Rdn. 1656) und auch das unechte jedenfalls keinen reinen Vertrag dieses Typs darstellt. Man wird die Regelung jedoch analog anwenden können, da ihr Essentiale nicht in dem geschäftsbesorgungsrechtlichen Charakter der Tätigkeit liegen dürfte, sondern vielmehr in der vorherigen Übernahme einer Pflicht zu einem Tätigwerden für den Gemeinschuldner, und dieses Merkmal auch bei einem Rahmenvertrag wie dem vorliegenden gegeben ist — und zwar (in einem freilich ziemlich weiten Sinne) auch beim echten Factoring. Strikt vom Schicksal des Rahmenvertrags zu unterscheiden ist nach dem Trennungsgrundsatz (vgl. oben Rdn. 1201) das Schicksal der einzelnen Factoringgeschäfte. 52
Vgl. B G H Z 70, 86, 94 f; i. E. zustimmend Serick BB 1978, 878 und 880; Jaeger/Henckel K o n k u r s Ordnung', § 1 5 Rdn. 97; a. A. mit eingehender Begründung Capelle/Canaris H a n d e l s r e c h t " , § 16 VI 2 c.
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Ebenso i. E. Glomb S. 85 und 89; Heidland K T S 1970, 172; Jaeger/Henckel a a O (vorige Fn.) § 17 Rdn. 17.
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2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und seinem Kunden
Dieses ist nur dann unproblematisch, wenn sie vor Konkurseröffnung bereits vollständig abgewickelt sind, d. h. wenn der Gegenwert für die zedierte Forderung vom Factoringinstitut bereits eingezogen worden ist. Im übrigen bedarf es verschiedener Differenzierungen. Was zunächst die vor Konkurseröffnung im Wege des echten Factoring „angekauften" und noch nicht eingezogenen Forderungen betrifft, so hat der Konkurs keine Auswirkungen. Ein Wahlrecht des Konkursverwalters nach § 17 K O kommt nicht in Betracht, da zumindest das Factoringinstitut seine Leistung durch die Bevorschussung der Forderung, die regelmäßig mit dem Abschluß des kausalen Factoringgeschäfts zusammenfällt (vgl. oben Rdn. 1667) vollständig erbracht hat. Ebensowenig ist die abgetretene Forderung konkursbefangen; denn das Factoringinstitut hat sie zu vollem Recht und zum Einzug auf eigene Rechnung erworben und kann daher einem etwaigen Zugriff des Konkursverwalters sein Aussonderungsrecht entgegensetzen. Ein solches besteht auch an für die Forderung hingegebenen Wechseln und Schecks, sofern diese an das Factoringinstitut übertragen worden sind (vgl. dazu oben Rdn. 1673), ja wohl sogar auch dann, wenn dies nicht der Fall war, da der Factoringkunde sie dann treuhänderisch für das Factoringinstitut hält, so daß diesem — jedenfalls bei Ablehnung von „Unmittelbarkeitsprinzip" und „Surrogationsverbot" 34 — das Aussonderungsrecht des Treugebers zusteht. Sind für die Forderung bestellte Sicherheiten wie z. B. das Vorbehaltseigentum auf das Factoringsinstitut übertragen worden (vgl. oben Rdn. 1673), steht diesem daran nur ein Absonderungsrecht zu, da eine solche Übertragung nur Sicherungscharakter hat. Den Forderungserwerb im Wege der Konkursanfechtung gemäß § 30 KO anzugreifen, erscheint vom Boden der h. L. aus grundsätzlich nicht möglich 343 , da das echte Factoring ein „Bargeschäft" darstellt und § 30 K O für ein solches nach h. L. nicht gilt 35 . Allerdings dürfte es sich empfehlen, die — aus dem Gesetzeswortlaut ja nicht zu entnehmende — Privilegierung der „Bargeschäfte" auf solche Fälle zu beschränken, in denen entweder die Gegenleistung noch in der Masse vorhanden ist oder aber die Vornahme des Geschäfts ex ante betrachtet trotz des Krisenausbruchs ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft war — etwa als Teilstück eines erfolgversprechenden Sanierungsversuchs oder zur Bewahrung des Unternehmens vor dem vollständigen Zusammenbruch mit seiner i. d. R. katastrophalen Entwertung der Masse. Folgt man dem, ist auch das Factoring nach Krisenausbruch nicht ohne weiteres konkursfest. Darüber hinaus kommt eine Konkursanfechtung jedenfalls insoweit in Betracht, als der Gegenwert für die Forderung dem Factoringkunden nicht voll gutgebracht, sondern im Wege des Einbehalts dem „Sperrkonto" zugeführt wird 3 6 ; eine etwaige Verrechnung mit einem bereits bei „Ankauf" der betreffenden Forderung bestehenden Debet scheitert dann zwar nicht an den Aufrechnungsverboten des § 55 KO, unterliegt aber grundsätzlich der Konkursanfechtung nach § 30 K O (vgl. dazu oben Rdn. 499 zu einem verwandten Problem bei der Giroüberweisung). Ahnlich, wenngleich etwas komplexer ist die Rechtslage bei vor Konkurseröffnung 1677 im Wege des unechten Factoring hereingenommenen und noch nicht eingezogenen Forderungen. Auch hier ist ein Wahlrecht des Konkursverwalters grundsätzlich abzulehnen. Zwar ist die Leistung des Factoringinstituts noch nicht voll erbracht, weil der geschäftsbesorgungsrechtliche Anteil zumindest noch teilweise aussteht (außer bei 34
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Vgl. dazu näher Canaris Festschr. f ü r Flume, 1978, S. 411 ff m. umf. N a c h w . So in der T a t O L G Bremen Z I P 1980, 539, 543 unter I 3.
35 Vgl. z. B. R G Z 100, 62, 64; B G H LM N r . 2 zu § 30 K O ; B G H W M 1977, 255; 1980, 779; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck Konkursordnung9, § 30 Rdn. 23 m. w. N a c h w . Vgl. auch Heidland K T S 1970, 174.
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bereits rückbelasteten Forderungen), doch hat der Kunde seine Leistung i. d. R. bereits vollständig erbracht, weil diese vereinbarungsgemäß durch einen sofortigen Abzug von dem Vorschuß auf die Forderung, die an sich zum Nennbetrag hereinzunehmen wäre, erfolgt. Auf der anderen Seite kann aber das Factoringinstitut gemäß § 65 K O seinen Anspruch auf Rückzahlung des Vorschusses sofort geltend machen, da die Abrede über die Annahme der abgetretenen Forderung als Leistung erfüllungshalber einer Stundung gleichsteht, so daß es sich wohl in der Tat um einen betagten Anspruch i. S. von § 65 K O handelt und nicht um einen aufschiebend bedingten, der nach § 67 K O nur zu einer Sicherung berechtigt. An der abgetretenen Forderung hat das Factoringinstitut nicht wie beim echten Factoring ein Aussonderungsrecht, sondern ähnlich wie bei der Sicherungszession folgerichtig nur ein Absonderungsrecht, doch dürfte die daraus folgende Anwendbarkeit von § 64 K O regelmäßig keine praktische Bedeutung erlangen, weil das Factoringinstitut sich nur bei Zahlungsunfähigkeit des Drittschuldners an die Masse halten wird und dann durch § 64 K O nicht an der vollen Geltendmachung seines Anspruchs gehindert ist. Darüber hinaus hat es in restriktiver Auslegung von § 55 Ziff. 2 und 3 K O das Recht zur Konkursaufrechnung gegen ein etwaiges Guthaben des Kunden — z. B. auf dem Sperrkonto —, weil (und sofern) der Grund für sein Rückbelastungsrecht schon vor Konkurseröffnung gelegt war. Für die Konkursanfechtung gelten die Ausführungen in Abs. 2 der vorigen Rdn. entsprechend. 1678
Die in den beiden vorigen Rdn. entwickelten Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn die Forderung vor Konkurseröffnung hereingenommen worden, aber ihre Valutierung erst nach Konkurseröffnung durch eine entsprechende Leistung des Konkursverwalters an den Dritten erfolgt ist. Denn mit Abschluß des Vertrags mit diesem ist der — durch die Erbringung der Gegenleistung aufschiebend bedingte bzw. mit der Einrede des § 320 BGB behaftete — Zahlungsanspruch auf das Factoringinstitut übergegangen, und daher hat dieses insoweit eine konkursfeste Position erlangt, da das bedingte Recht dem Vollrecht konkursrechtlich grundsätzlich gleichsteht. Der Konkursverwalter tut also gut daran, gegenüber dem Dritten die Erfüllung abzulehnen, sofern ihm § 17 K O die Möglichkeit dazu gibt. In einem solchen Falle kann es für das Factoringinstitut u. U. zweckmäßig sein, gemäß § 267 BGB selbst die Leistung an den Dritten zu erbringen wie z. B., wenn deren Wert unter dem des vom Factoringinstitut erworbenen Kaufpreisanspruchs liegt; gegenüber der Masse kann es dann einen Bereicherungsanspruch in H ö h e des dem Dritten u. U. gegen diese zustehenden Schadensersatzanspruchs haben, wobei ersterer folgerichtig nur denselben Rang wie letzterer hat.
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Nicht konkursfest ist die Rechtsstellung des Factoringinstituts dagegen bei „Ankauf" der Forderung nach Konkurseröffnung, mag auch der Vertrag mit dem Drittschuldner vor Konkurseröffnung geschlossen und sogar noch die Gegenleistung an diesen erbracht worden sein. Die antizipierte Globalzession nützt dem Factoringinstitut hier nichts, obwohl es durch sie die Forderung vor Konkurseröffnung erworben hat. Denn dieser Erwerb steht grundsätzlich unter der Bedingung, daß die Forderung dem Factoringinstitut zum Factoring angeboten und von diesem hereingenommen wird (vgl. oben Rdn. 1662) — und die Entscheidung hierüber liegt nach Konkurseröffnung nicht mehr beim Gemeinschuldner, sondern beim Konkursverwalter. Schließt also das Institut das Factoringkausalgeschäft nach Konkurseröffnung mit dem Gemeinschuldner ab, so ist nicht § 161 12 BGB anzuwenden, da diese Vorschrift auf eine Bedingung, die in der Vornahme eines Rechtsgeschäfts zwischen dem bedingt Verfügenden und dem bedingt Berechtigten besteht, nicht paßt, sondern es hat sein Bewenden bei § 15 860
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2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und seinem Kunden K O oder wohl besser sogar bei § 7 KO. Bei Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung bedeutet das, daß diese nicht eingetreten ist und ohne Mitwirkung des Konkursverwalters nicht eintreten kann; mithin ist die Forderung in der Masse geblieben. Bei der auflösenden Bedingung bedeutet es, daß diese zwangsläufig eintreten muß, weil der Rahmenvertrag mit Konkurseröffnung erloschen und dadurch die Verpflichtung zum Angebot der Forderung entfallen ist; folgerichtig ist die auflösende Bedingung mit Konkurseröffnung als eingetreten anzusehen, so daß die Forderung an die Masse zurückgefallen ist. Zumindest aber ist das Factoringinstitut aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 8 1 2 BGB zur Rückübertragung der Forderung an die Masse verpflichtet, weil das kausale Factoringgeschäft dieser gegenüber ohne Mitwirkung des Konkursverwalters nicht wirkt und es daher an einem Rechtsgrund für den Erwerb der Forderung fehlt (vgl. auch oben Rdn. 504 zu einem verwandten Problem im Girovertragsrecht). Bei einer aufschiebenden Bedingung handelt es sich dabei um eine Eingriffskondiktion; denn das Factoringinstitut ist durch den Abschluß des Factoringgeschäfts mit dem Gemeinschuldner auf Kosten der Masse um die ursprünglich in dieser befindliche Forderung bereichert, sofern die Bedingung — wie hier zu unterstellen — gegenüber der Masse als eingetreten anzusehen ist. Bei einer auflösenden Bedingung ist dagegen eine Leistungskondiktion gegeben, weil die Forderung hier noch vor Konkurseröffnung dem Factoringinstitut durch eine Leistung des Factoringkunden übertragen worden ist und mit Konkurseröffnung feststeht, daß der Rechtsgrund hierfür nicht mehr mit Wirkung gegen die Masse zur Entstehung gelangen kann (sofern der Konkursverwalter die Vornahme des Factoringgeschäfts ablehnt). Den etwa an den Gemeinschuldner ausbezahlten Gegenwert kann das Factoringinstitut nicht nach § 818 III BGB oder nach der Saldotheorie absetzen, wie auch in anderen ähnlichen Fällen — z. B. im Rahmen von § 8 1 6 BGB — anerkannt ist. Vertrauensschutz erlangt es vielmehr allenfalls in Analogie zu § 23 I 2 K O i. V. m. § 674 BGB (vgl. dazu oben Rdn. 1675); bejaht man diese, bringt sie nicht nur einen Bereicherungsanspruch zu Fall, sondern beseitigt auch die Einwände bezüglich des Bedingungseintritts. g) Der Konkurs des Factoringinstituts Der Konkurs des Factoringinstituts führt nicht zur Beendigung des Factoringrah- 1 6 8 0 menvertrags, da insoweit § 23 K O nicht gilt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verbindung mit einem Kontokorrent, da der Konkurs nach richtiger Ansicht nur zum Erlöschen der antizipierten Kontokorrentabrede, nicht aber des Geschäftsvertrages führt 3 7 . Vielmehr hat der Konkursverwalter das Wahlrecht gemäß § 17 KO 3 8 , da das Factoring einen zweiseitigen Vertrag i. S. dieser Vorschrift darstellt und das Geschäft entsprechend seinem Charakter als Dauerschuldverhältnis noch nicht vollständig durchgeführt ist. Man wird dem Kunden jedoch ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund geben müssen, da ihm die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem in Konkurs gefallenen Factoringinstitut auch dann nicht zuzumuten ist, wenn der Konkursverwalter Erfüllung wählt 3 9 . 37
Vgl. eingehend Großkomm.-Canaris §355 Anm. 114; zustimmend Jaeger/Henckel §17 Rdn. 25. 38 Vgl. auch Heidland K T S 1970, 171; Jaeger/ Henckel% 17 Rdn. 17; differenzierend Glomb, der zwar auf das echte Factoring § 17 K O anwendet (vgl. S. 87 f), beim unechten dagegen bezüglich
des kreditrechtlichen Teils ein Erlöschen des Vertrags annimmt und nur den geschäftsbesorgungsrechtlichen Teil dem Wahlrecht nach § 17 K O unterstellt (vgl. S. 92 f). " Ebenso Glomb S. 88; Jaeger/Henckel §17 Rdn. 17.
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Bezüglich noch nicht eingezogener Forderungen hat der Kunde beim echten Factoring kein Aus- oder Absonderungsrecht, weil die Forderungen vom Factoringinstitut für eigene Rechnung erworben worden sind. Folgerichtig stellt das entsprechende Guthaben des Kunden nur eine gewöhnliche Konkursforderung dar 4C , sofern nicht ausnahmsweise besondere Sicherungen getroffen worden sind. 1682 Beim unechten Factoring handelt das Institut dagegen für Rechnung des Kunden, so daß diesem das Aussonderungsrecht des Treugebers (vgl. oben Rdn. 279) zusteht. Der Erlös unterliegt der Ersatzaussonderung nach § 46 KO, sofern die Forderung nach Ausbruch der Krise vom Factoringinstitut oder nach Eröffnung des Verfahrens vom Konkursverwalter eingezogen worden ist. Allerdings erlischt anders als bei einer bloßen Einzugsermächtigung i. S. von § 185 BGB, die gemäß § 157 BGB (oder wohl besser analog § 168 S. 1 BGB) mit Ausbruch der Krise hinfällig wird 4 1 , die auf einer Vollrechtsübertragung beruhende Einzugsbefugnis des Factoringinstituts nicht mit dinglicher Wirkung. Es wäre nämlich eine reine Fiktion und eine — übrigens wohl auch mit § 137 S. 1 BGB unvereinbare — Überdehnung der Möglichkeiten ergänzender Vertragsauslegung, wollte man annehmen, daß alle treuhänderischen Rechtsübertragungen durch den Ausbruch der Krise auflösend bedingt sind. Das Factoringinstitut überschreitet aber jedenfalls seine aus Treu und Glauben folgenden obligatorischen Bindungen, wenn es nach Ausbruch der Krise Forderungen, die ihm im Rahmen eines unechten Factoring übertragen worden sind, einzieht, und entsprechendes gilt für einen Einzug durch den Konkursverwalter ohne vorherige Rücksprache mit dem Factoringkunden. Auf derartige Fälle sollte man § 46 K O anwenden, zumal die Vorschrift die Begrenzung auf „unberechtigte" Veräußerungen, die die h. L. grundsätzlich mit Recht in sie hineininterpretiert 42 , nicht ausdrücklich enthält. Das bedeutet nicht, daß § 46 K O nun auf alle Fälle einer Mißachtung rein obligatorischer Bindung auszudehnen wäre, sondern nur, daß spezifisch treuhänderische Bindungen auch hier zu respektieren sind. Darin liegt eine folgerichtige Weiterentwicklung der konkursrechtlichen Privilegierung und der teilweisen Verdinglichung, die die — an sich rein obligatorische — Rechtsstellung des Treugebers bei der Vollrechtstreuhand erfahren hat; denn da diese ein Aussonderungsrecht gewährt, muß sie auch als Grundlage der Ersatzaussonderung ausreichen. Bei einem Forderungseinzug vor Ausbruch der Krise kann ebenfalls ein Aussonderungsrecht am Erlös gegeben sein, sofern dieser noch unterscheidbar vorhanden ist — sich also z. B. noch auf einem Bankkonto des Factoringinstituts befindet. Das gilt freilich nur dann, wenn man sowohl das „Unmittelbarkeitsprinzip" als auch das „Surrogationsverbot" ablehnt und statt dessen mit den Prinzipien der Bestimmbarkeit und Publizität arbeitet 43 . Die erforderliche Publizität wird bei einem Factoringinstitut i. d. R. schon durch dessen Berufsstellung gewährleistet 44 . 1683 Bezüglich der konkursrechtlichen Behandlung des Einbehalts auf dem „Sperrkonto" ist zu differenzieren. Wenn dieses lediglich bei dem Factoringinstitut geführt wird und also nur buchmäßig existiert, begründet es für den Kunden nur eine gewöhnliche Konkursforderung. Handelt es sich dagegen um ein echtes Sonderkonto bei einer anderen Bank, so hat der Kunde daran grundsätzlich wiederum das Aussonderungsrecht des Ebenso i. E. Glomb S. 88; Heidland K T S 1970, 172; Jaeger/Henckel § 17 Rdn. 17. "1 Vgl. z . B . B G H N J W 1953, 217, 218 f; Serick Bd I § 8 II 5 = S. 163 f m. w. N a c h w . « Vgl. z. B. B G H N J W 1953, 217; Mentzel/Kubn/ Uhlenbruch § 46 Rdn. 10 m. w. N a c h w .
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43 44
Vgl. dazu Canaris a a O (wie Fn. 34). Vgl. näher Canaris a a O (Fn. 34) S. 416 f, w o es allerdings auf G r u n d eines Druckfehlers in These 2 „Gewerbe oder Beruf des Treugebers" heißt statt richtig des T r e u h ä n d e r s .
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3. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und anderen Forderungsprätendenten Treugebers, weil zwar das Factoringinstitut formal Vollrechtsinhaber des Kontos ist, dieses jedoch nur zu Sicherungszwecken innehat; freilich setzt auch das voraus, daß man das „Unmittelbarkeitsprinzip" und das „Surrogationsverbot" ablehnt 4 3 . D a die Konkurseröffnung an der dinglichen Zuordnung des Treuguts grundsätzlich nichts ändert (vgl. auch die vorige Rdn.), ist der Konkursverwalter zur Geltendmachung der Forderung gegen die kontoführende Bank zuständig. Dabei ist zu beachten, daß deren etwaige Gegenrechte nur bei einem „offenen" Treuhandkonto zurückzutreten haben (vgl. oben Rdn. 284). Der Konkursverwalter hat sodann dem Kunden den Erlös herauszugeben, sofern Rückbelastungen nicht mehr in Betracht kommen oder dieser dafür Sicherheit leistet. Befinden sich die Sperrguthaben mehrerer oder aller Kunden auf einem gemeinsamen Sonderkonto und reicht dieses nicht zur Befriedigung aller aus, so ist es pro rata ihrer Guthaben zwischen ihnen aufzuteilen. Wird die Eröffnung des Konkurses mangels Masse abgelehnt, bleibt das Factoringinstitut zur Geltendmachung der Treuhandforderung befugt und hat den Gegenwert in der geschilderten Weise auf die Kunden zu verteilen. Höchst zweifelhaft ist freilich, ob das Factoringinstitut auch ohne besondere vertragliche Vereinbarung zur Einrichtung eines treuhänderischen Sonderkontos bei einem Dritten verpflichtet ist. D a f ü r spricht, daß die Formulierung der Verträge häufig den Eindruck erweckt, das Sperrguthaben des Kunden existiere wirklich und werde vom Factoringinstitut treuhänderisch verwaltet. Dagegen läßt sich anführen, daß beim derzeitigen Stand der Rspr. der praktische Nutzen eines derartigen Kontos für den Kunden ziemlich fragwürdig ist, weil der B G H sich trotz massiver Vorstöße des Schrifttums noch immer nicht deutlich vom „Unmittelbarkeitsprinzip" und vom „Surrogationsverbot" abgewandt hat. Nimmt der Factoringkunde nach Ausbruch der Krise Verfügungen über sein Gut- 1 6 8 4 haben vor, so fragt es sich, ob diese als „Bargeschäfte" anzusehen und daher grundsätzlich von der Möglichkeit der Konkursanfechtung nach § 30 K O ausgenommen sind. Die Rspr. beurteilt dies in erster Linie nach dem verhältnismäßig engen Kriterium, ob eine Zug-um-Zug-Leistung vorliegt 4 5 , d. h. hier also, ob Z u g um Zug gegen Hereinnahme der Forderung über den Gegenwert verfügt worden ist. Besser dürfte sein, die bloße Vereinbarung einer umgehenden Verfügungsmöglichkeit genügen zu lassen 4 6 ; denn schon darin kommt zum Ausdruck, daß der Partner des nachmaligen Gemeinschuldners diesem keinen Kredit gewähren will — und das sollte für die Hintansetzung von § 30 K O i. d. R. genügen. Folgt man dem, sind Verfügungen des Factoringkunden grundsätzlich unanfechtbar, was der Funktion des Factoring als eines Verfahrens zur Bevorschussung von Außenständen durchaus entsprechen dürfte. 3. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und anderen Forderungsprätendenten a) Kollisionen mit Vorausabtretungen im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts Kollisionen zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und globaler Sicherungs- 1 6 8 5 Zession zugunsten von Geldkreditgebern lösen Rspr. und h. L. bekanntlich durch die Verbindung von Prioritätsprinzip und Vertragsbruchtheorie (vgl. grundlegend B G H Z 30 149). O b diese Lösung sich auf Kollisionen von verlängertem Eigentumsvorbehalt
45 46
Vgl. die N a c h w . oben Fn. 35. Vgl. a u c h z u einem ähnlichen P r o b l e m Canaris
Festschr. z u m 100-jährigen Bestehen der k u r s o r d n u n g , 1977, S. 83.
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Kon-
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und Factoring übertragen läßt, ist streitig. Nach einer früher verbreiteten Ansicht soll auch hier auf Grund der Vertragsbruchtheorie der verlängerte Eigentumsvorbehalt immer, also auch dann, wenn er der Factoringglobalzession zeitlich nachfolgte, den Vorrang haben 47 . Andere verneinen dagegen generell die Brauchbarkeit der Vertragsbruchtheorie für die vorliegende Problematik 48 . Die richtige Lösung liegt in der Mitte. Den Gegnern einer Anwendung von § 138 BGB ist zuzugeben, daß die Vertragsbruchtheorie für die Kollision zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und Sicherung eines Zessionskredits entwickelt worden ist und daß die Lage beim Factoring mit der beim Zessionskredit nicht ohne weiteres gleichgestellt werden kann. In der Tat liegt es hier insofern wesentlich anders als dort, als das Factoring ja nur eine besondere Form der Einziehung der Forderungen ist und der Factoringkunde (und Vorbehaltskäufer) demnach in ganz ähnlicher Weise Barzahlung für die Ware erhält, wie wenn er selbst unmittelbar von seinem Schuldner das Geld erhielte; vor dessen abredewidriger Verwendung aber kann und soll der verlängerte Eigentumsvorbehalt den Vorbehaltsverkäufer ohnehin nicht schützen 49 , und daher kann dessen Rechtsstellung nicht gut nur deshalb günstiger sein, weil der Vorbehaltskäufer das Inkasso seiner Forderungen nicht selbst vornimmt, sondern statt dessen ein Factoringgeschäft abschließt. Andererseits folgt aus dieser Argumentation aber auch eine Einschränkung der Wirksamkeit der antizipierten Factoringzession. Die Übertragbarkeit der Vertragsbruchtheorie ist nämlich nur dann zu verneinen, wenn der Factoringkunde für seine Forderung auch wirklich das Geld erhält, und folglich ist der Vorrang des Factoringinstituts gegenüber dem Vorbehaltsverkäufer nur dann zu bejahen, wenn jenes die Forderung bevorschußt hat. Insoweit stellt sein Zugriff auf die Forderungen im Wege der Vorausabtretung keine sittenwidrige Mißachtung für ihn erkennbarer Fremdinteressen dar. Wollte das Factoringinstitut dagegen auch Forderungen, die zwar schon entstanden, aber von ihm noch nicht an den Kunden bezahlt worden sind, für sich beanspruchen, so wäre die Globalzession insoweit ebenso wie im Falle des Zessionskredits sittenwidrig und nichtig, doch kommt es in aller Regel nicht zur Anwendung von § 138 BGB, weil die Factoringzession üblicherweise nur die „angekauften" Forderungen erfaßt und in den übrigen Fällen im Wege ergänzender Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB entsprechend einzuschränken ist 50 (vgl. näher oben Rdn. 1662 sowie im übrigen auch unten Rdn. 1688); auch erfolgen „Ankauf" und Bevorschussung regelmäßig durch denselben Akt (vgl. oben Rdn. 1667). Insgesamt ist also festzuhalten, daß die Vertragsbruchtheorie durch die Barvorschußtheorie, die sich auch bei anderen Kollisionsfällen bewährt (vgl. z. B. oben Rdn. 602 b, 1537), ergänzt und korrigiert wird. Dieser Konzeption, die bereits in der Erstbearbeitung Anm. 605 vertreten worden ist, folgt der Sache nach inzwischen auch der BGH 5 1 — allerdings bisher nur für das echte Factoring.
» Vgl. Heidland K T S 1970, 177 ff; Fikentscher Schuldrecht 6 § 57 V 2 b ; Schönle § 15 III 2; Bärmann/Ehling Rdn. 225. « So LG Mainz BB 1966, 1038 f; LG F r a n k f u r t BB 1967, 1309; Rödel BB 1967, 1303; von Karger DB 1970 Beilage N r . 7 S. 10; Bette D B 1971 Beilage N r . 11 S. 11 und DB 1972, 1761 f; Michels D B 1976, 326 f. 49 Das übersieht Fikentscher a a O (Fn. 47) bei seiner Kritik des hier vertretenen Standpunkts; vgl. dazu
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sowie auch z u r Kritik von Karsten Schmidt DB 1977, 66 näher Canaris N J W 1981, 250. 50 Schon aus diesem G r u n d geht die Kritik von Messer N J W 1976, 928 an dem hier vertretenen Standpunkt weitgehend ins Leere. 51 Vgl. B G H Z 69, 254, 258 f im Anschluß an Serick Bd IV § 52 IV 3 c. Inzwischen hat Serick seine Position dahingehend präzisiert, daß „allein die Rechtsnatur des jeweiligen Verpflichtungsgeschäfts ausschlaggebend ist", vgl. N J W 1981, 795 und dazu Canaris N J W 1981, 1347 ff.
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3. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und anderen Forderungsprätendenten Indessen kann für das unechte Factoring entgegen einer im Schrifttum verbreiteten 1 6 8 6 Ansicht 52 grundsätzlich nicht anders entschieden werden als für das echte 53 . Gegen eine solche Differenzierung spricht schon, daß zur Zeit der Globalzession normalerweise noch gar nicht feststeht, ob der Einzug der betreffenden Forderung im Wege des echten oder des unechten Factoring erfolgen wird; denn der Rahmenvertrag eröffnet regelmäßig beide Möglichkeiten. Außerdem ist nicht verständlich, welche Auswirkungen das Rückbelastungsrecht für den Fall mangelnder Bonität des Drittschuldners, das den einzigen sachlichen Unterschied zwischen unechtem und echtem Factoring darstellt, für die vorliegende Problematik haben soll. Denn es ändert ja nichts daran, daß das Factoringinstitut die Forderung bevorschußt hat — und wenn dieses sie nun, nachdem sich ihre Uneinbringlichkeit herausgestellt hat, als Sicherheit für den Anspruch auf Rückzahlung des Vorschusses heranzieht, so ist das nur gerecht und billig. Daß dadurch die Konkursmasse mit einer weiteren RückZahlungsforderung belastet wird und dem Lieferanten ein Konkurrent entsteht, ist schon deshalb belanglos, weil es in aller Regel nicht zutrifft und der verlängerte Eigentumsvorbehalt überdies nicht zum Schutz vor einer Vermehrung der Konkursgläubiger zu dienen bestimmt ist 54 . Außerdem und vor allem aber kann selbst bei Bejahung eines potentiellen Nachteils für den Lieferanten im Konkurs des Vorbehaltskäufers (und Factoringkunden) aus diesem Sonderproblem, das sich nur in den Fällen der Rückbelastung ergibt, nicht generell auf die Sittenwidrigkeit des unechten Factoring geschlossen und dem Lieferanten der Vorrang auch für diejenigen Fälle zuerkannt werden, in denen es nicht zu einer Rückbelastung kommt und die Bevorschussung der Forderung daher endgültig ist. Demgemäß liegt das eigentliche Problem nicht in der bloßen Möglichkeit einer 1 6 8 7 Rückbelastung, sondern in der Behandlung der Forderung bei Vornahme der Rückbelastung. Es stellt sich nicht nur bei mangelnder Bonität des Drittschuldners, sondern auch bei dessen Zahlungsverweigerung — also u. U. auch beim echten Factoring (vgl. oben Rdn. 1670) — und hat im letzteren Falle sogar besonderes Gewicht, weil die Forderung ja entgegen der Behauptung des Drittschuldners bestandskräftig sein kann und dann den vollen Sicherungswert hat. Fehlt es — wie meist — im Factoringvertrag an einer Bestimmung, wonach eine rückbelastete Forderung ipso iure zurückfällt, so ist grundsätzlich nur ein obligatorischer Rückübertragungsanspruch gegeben. Diesen braucht die Bank nur zu erfüllen, sofern sie wegen ihrer konnexen Ansprüche, also insbesondere wegen des Anspruchs auf Rückzahlung des Vorschusses, Befriedigung erlangt hat — z. B. durch Verrechnung mit dem Einbehalt auf dem Sperrkonto. Soll die Forderung auch zur Sicherung inkonnexer Ansprüche dienen, so verstößt das bei Kollision mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt grundsätzlich gegen § 138 BGB, da insoweit der Barvorschußgedanke nicht korrigierend eingreifen kann. Bei Erfüllung der Rückübertragungspflicht geht die Forderung gemäß § 185 II 1 Fall 2 BGB ipso iure auf den Lieferanten über — und zwar auch dann, wenn zwischenzeitlich über das Ver-
" Vgl. vor allem Serick a a O § 52 IV 5 a und BB 1979, 849 f; ebenso, wenngleich mit vorsichtigen Formulierungen Mentzel/Kuhn/Uhlenhruck Konk u r s o r d n u n g 9 , § 4 3 Rdn. 41 a. E.; Staudinger/ Schlosser12 § 9 AGBG Rdn. 123; Kühler Z I P 1980, 546 ff; z.T. auch Graf Lambsdorff Z I P 1980, 543 ff; i. E. übereinstimmend, jedoch mit wesentlich anderer Begründung ferner Roth J u r a 1979, 302 ff und in MünchKomm., 1979, § 3 9 8 Rdn. 118 f.
53
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Vgl. zum folgenden eingehend Canaris N J W 1981, 250 ff; i. E. übereinstimmend O L G Bremen Z I P 1980, 539, 541; Blaurock Z H R 142 (1978), 340 f; Schmitz N J W 1978, 202; Bette/Marwede BB 1979, 128;Staudinger/Honselfl 2 § 455 Rdn. 78 a. E.; Rimmelspacher Rdn. 479 a. E. unter der Voraussetzung, daß die F o r d e r u n g bei K o n k u r s des Factoringkunden dem Lieferanten zusteht (vgl. dazu sogleich unten R d n . 1687). Vgl. näher Canaris N J W 1981, 251 gegen Serick a a O (wie Fn. 52).
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring mögen des Vorbehaltskäufers (und Factoringkunden) der Konkurs eröffnet worden ist 55 . Folgt man dem nicht, sollte man den Factoringvertrag im Wege einer sittenkonformen ergänzenden Auslegung gemäß § 157 BGB dahin interpretieren, daß die Forderung auf Grund einer auflösenden Bedingung der Zession nach Befriedigung des Factoringinstituts für seine konnexen Ansprüche ohne weiteres auf den Lieferanten übergeht. 1688
Ahnliche Probleme können sich bezüglich des Schicksals der nicht bevorschußten Forderungen ergeben. Allerdings kommt es insoweit nur in seltenen Ausnahmefällen zu Kollisionen mit den Interessen der Lieferanten, weil die nicht bevorschußten Forderungen im Wege der Bedingung aus dem Vermögen der Bank herausfallen und ein etwaiger Einzug im Zweifel auf der Grundlage einer bloßen Ermächtigung erfolgt (vgl. oben Rdn. 1663). Sind derartige Forderungen indessen dem Factoringinstitut zu vollem Recht übertragen und sollen sie diesem als Sicherheit für inkonnexe Ansprüche gegen den Kunden dienen, so greift zugunsten der Lieferanten grundsätzlich § 138 BGB ein, es sei denn, man hält auch in einem solchen — doch schon recht massiven — Fall noch eine einschränkende Auslegung für möglich 56 . Sind die Forderungen dagegen ohne eine solche Sicherungsabrede dem Factoringinstitut zu vollem Recht übertragen und besteht dafür ein vernünftiger Anlaß wie z. B. das Bestreben, diesem die Prozeßführung zu ermöglichen, so ist § 138 BGB unanwendbar. Denn entweder gelingt dem Factoringinstitut die Beitreibung der Forderung, dann liegt es wiederum nicht wesentlich anders als bei einer unmittelbaren Zahlung des Drittschuldners an den Vorbehaltskäufer; oder die Beitreibung mißlingt — dann erlangt der Vorbehaltslieferant im Augenblick der Rückübertragung selbst bei zwischenzeitlichem Konkurs des Vorbehaltskäufers ebenso wie in dem in der vorigen Rdn. behandelten Fall nach § 185 II BGB die Gläubigerstellung oder kann doch zumindest sein Absonderungsrecht geltend machen, da ein vorrangiges Absonderungsrecht des Factoringinstituts nicht besteht. Treibt der Konkursverwalter die Forderung bei, greift § 46 K O ein, da die Vorschrift anerkanntermaßen auf die Vereitelung von Absonderungsrechten entsprechend anzuwenden ist. Fällt das Factoringinstitut seinerseits in Konkurs, hat der Factoringkunde das Aussonderungsrecht des fiduziarischen Sicherungsgebers, was sich über § 185 II BGB oder im Wege der Absonderung reflexartig zugunsten des Vorbehaltslieferanten auswirkt. Dieser ist also nach jeder Richtung ausreichend geschützt.
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Die bisherigen Ausführungen beziehen sich nur auf den Fall, daß die Factoringzession früher vorgenommen wurde als der verlängerte Eigentumsvorbehalt. Darüber hinaus verdient entgegen dem in der Erstbearbeitung vertretenen Standpunkt die Factoringzession auch im umgekehrten Fall, also bei früherer Vereinbarung des verlängerten Eigentumsvorbehalts grundsätzlich Vorrang 5 7 . Denkt man nämlich den Gesichtspunkt, daß der Vorbehaltskäufer und mit ihm zugleich der Lieferant beim Factoring nicht wesentlich anders steht als beim Einzug der Forderung durch ersteren, folgerichtig zu Ende, so ist die Einzugsermächtigung auf Grund einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB grundsätzlich auch auf das Factoring zu erstrecken. Das gilt entsprechend der in Rdn. 1686 entwickelten Ansicht folgerichtig auch für das unechte Factoring. Verbietet der Lieferant dem Vorbehaltskäufer ausdrücklich die Forderungsübertragung im Rahmen des Factoring, so liegt darin i. d. R. ein Verstoß gegen § 9 AGBG und 55
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Vgl. dazu sowie auch zum folgenden Canaris N J W 1981, 252. So O L G Bremen Z I P 1980, 539, 542.
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näher
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Vgl. B G H Z 72, 15, 20 f; Serick Bd IV § 52 V 2 b = S. 589 f; Blaurock Z H R 142 (1978), 338 f; Bette/Marwede BB 1979, 128; Rimmelspacher Rdn. 480.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
3. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und anderen Forderungsprätendenten wohl s o g a r g e g e n § 138 B G B 5 8 . D e n n dadurch bringt der Lieferant den V o r b e h a l t s k ä u fer in die Z w a n g s l a g e , entweder unter H i n t a n s e t z u n g seiner wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit auf die Möglichkeit des Factoring z u verzichten o d e r g e g e n ü b e r dem Factoringinstitut einen V e r t r a g s b r u c h bzw. s o g a r eine S t r a f t a t zu b e g e h e n , o h n e daß eine solche V e r t r a g s g e s t a l t u n g durch gewichtige s c h u t z w ü r d i g e B e l a n g e des L i e f e r a n ten g e f o r d e r t wird. Anders ist grundsätzlich nach Ausbruch der Krise i. S. v o n § 30 K O , also nach Z a h - 1 6 9 0 lungseinstellung o d e r Stellung des A n t r a g s auf E r ö f f n u n g des K o n k u r s v e r f a h r e n s z u entscheiden 5 9 . J e t z t erlischt nämlich g e m ä ß § 157 B G B anerkanntermaßen die E i n z u g s e r m ä c h t i g u n g des V o r b e h a l t s k ä u f e r s 6 0 und damit auch die E r m ä c h t i g u n g z u m F o r d e r u n g s e i n z u g im W e g e des Factoring. Folglich hat ein zeitlich v o r a u s g e h e n d e r verlängerter E i g e n t u m s v o r b e h a l t nach dem Prioritätsprinzip V o r r a n g v o r der F a c t o r i n g z e s sion. D a s Factoringinstitut wird allerdings a n a l o g § § 1 7 0 , 171 II, 172 II, 173 B G B in seinem guten G l a u b e n an den Fortbestand der E r m ä c h t i g u n g g e s c h ü t z t 6 1 , s o f e r n es v o m A u s b r u c h der K r i s e nichts wußte und dieser auch nicht f ü r es evident war. Entsprechendes gilt übrigens folgerichtig f ü r andere interne E r l ö s c h e n s g r ü n d e wie z. B. einen Widerruf d e r E r m ä c h t i g u n g sowie auch für nach außen nicht erkennbare a n f ä n g liche Einschränkungen der E r m ä c h t i g u n g . G i n g die F a c t o r i n g z e s s i o n dem verlängerten Eigentumsvorbehalt zeitlich v o r a u s , so ist nach A u s b r u c h der K r i s e grundsätzlich die V e r t r a g s b r u c h t h e o r i e a n z u w e n d e n . D a b e i wird m a n als sittenwidrig wohl nicht die G l o b a l z e s s i o n selbst, sondern lediglich den „ A n k a u f " der b e t r e f f e n d e n F o r d e r u n g , also das F a c t o r i n g k a u s a l g e s c h ä f t a n z u s e hen h a b e n 6 2 ; das führt indessen grundsätzlich z u m selben Ergebnis, weil dann die aufschiebende B e d i n g u n g nicht eintreten kann bzw. die a u f l ö s e n d e als eingetreten a n z u s e hen ist. W i e d e r u m ist d a s Factoringinstitut in seinem guten G l a u b e n zu schützen, weil der A u s b r u c h der K r i s e zu den die Sittenwidrigkeit b e g r ü n d e n d e n T a t u m s t ä n d e n gehört und diese nach allgemeinen G r u n d s ä t z e n der b e t r e f f e n d e n Partei bekannt sein o d e r sich ihr g e r a d e z u a u f d r ä n g e n müssen. In den wenigen Fällen, in denen demnach überhaupt R a u m f ü r ein H a n d e l n des 1 6 9 1 Factoringinstituts als Nichtberechtigter bleibt, ist dieses einem Anspruch des wahren G l ä u b i g e r s aus § 816 II B G B auf H e r a u s g a b e des Erlöses ausgesetzt, sofern der Drittschuldner g e m ä ß § 408 B G B mit befreiender W i r k u n g an d a s Factoringinstitut gezahlt hat. D a s gilt nicht nur beim o f f e n e n , also dem Drittschuldner angezeigten F a c t o r i n g , bei dem das Factoringinstitut i. d. R. unzweifelhaft L e i s t u n g s e m p f ä n g e r i. S. v o n § 816 II B G B ist, sondern im W e g e der A n a l o g i e grundsätzlich auch beim verdeckten F a c t o ring; denn es handelt sich hier nicht um den mehr o d e r weniger zufälligen E i n g a n g einzelner, v o m Factoringinstitut nicht unmittelbar veranlaßter Z a h l u n g e n , sondern u m eine generelle V e r p f l i c h t u n g des Factoringkunden z u m E i n z u g seiner F o r d e r u n g e n auf diesem Z a h l u n g s w e g , so d a ß man dem Factoringinstitut nicht die B e r u f u n g auf seine Funktion als bloßer Zahlstelle gestatten kann, weil anderenfalls U m g e h u n g e n von § 816 II B G B T ü r und T o r g e ö f f n e t w ä r e 6 3 . 58 Vgl. O L G F r a n k f u r t N J W 1977, 906, 907 f ; Glomb S. 125 f ; Serick Bd I V 5 52 I V 3 c = S. 575 f ; Blaurock Z H R 142 ( 1 9 7 8 ) , 3 3 8 ; Bette/ Marwede B B 1979, 125; Canaris N J W 1981, 253 f mit eingehender B e g r ü n d u n g a u c h bezüglich des unechten F a c t o r i n g ; vgl. ferner B G H Z 72, 15, 22 f, w o mit einer einschränkenden A u s l e g u n g geholfen wird. 5 ' S o mit R e c h t Serick B B 1979, 851 f.
Vgl. g r u n d l e g e n d B G H N J W 1953, 217, 218 f. V g l . hierzu und z u m f o l g e n d e n näher Canaris N J W 1981, 253 unter 1 e und 254 f unter b. « V g l . näher Canaris N J W 1981, 253 unter 1 e ; a. A. ersichtlich Serick, der von einer (teilweisen?) Nichtigkeit der G l o b a l z e s s i o n ausgeht, vgl. B B 1979, 852, i n s b e s o n d e r e S p . 2 v o r b. 6 3 V g l . näher Canaris N J W 1981, 258 unter 1 c in 60
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F o r t f ü h r u n g von B G H Z 72, 316, 322.
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring
Den Vorschuß, den das Factoringinstitut an den Kunden geleistet hat, kann es ebensowenig als bereicherungsmindernden Posten nach § 818 III BGB abziehen wie z. B. einen an einen Dritten geleisteten Kaufpreis in anderen Fällen der Eingriffskondiktion 6 4 . Das gilt nicht nur dann, wenn der Vorrang des Lieferanten mit Hilfe von § 138 BGB hergestellt wird, sondern auch dann, wenn er sich aus dem Prioritätsprinzip ergibt 6 5 . b) Kollisionen mit Sicherungszessionen zugunsten anderer Geldkreditgeber 1692
Anders als im Falle des verlängerten Eigentumsvorbehalts soll bei einer Vorausabtretung zugunsten eines Geldkreditgebers die dem Vorbehaltskäufer eingeräumte Einzugsermächtigung nach Ansicht des B G H und der h. L. grundsätzlich nicht die Befugnis zum Forderungseinzug im Wege des echten Factoring umfassen, so daß es sein Bewenden beim Prioritätsprinzip hat 6 6 . Das entspricht zwar dem in der Erstbearbeitung Anm. 604 vertretenen Standpunkt, überzeugt aber gleichwohl nicht. Unbefriedigend ist vor allem, daß ohne wirklich zwingenden Grund mit dem Prioritätsprinzip gearbeitet wird, obwohl dieses bei Problemen der vorliegenden Art nur ein armseliger Notbehelf ist und daher tunlichst durch sachhaltigere Lösungen ersetzt werden sollte. Während nämlich bei kollidierenden Verfügungen über bereits bestehende Rechte die grundsätzliche Geltung des Prioritätsprinzips im Hinblick auf den Grundsatz „nemo plus iuris . . ." geradezu ein Gebot der Rechtslogik ist und wegen der Schutzwürdigkeit des früheren Zugriffs auf die Haftungsobjekte des Schuldners auch einen überzeugungskräftigen Gerechtigkeitsgehalt aufweist, führt seine Anwendung bei kollidierenden Verfügungen über zukünftige Rechte jedenfalls bei globalen Verfügungen zu einer weitgehenden Auslieferung rechtlicher Entscheidungen an das blinde Spiel des Zufalls, der schon durch den Wechsel einer Geschäftsverbindung — z. B. von einer Bank zur anderen, von einem Factoringinstitut zum anderen usw. — das Ergebnis in sein Gegenteil verkehren kann. Als sachhaltige Entscheidungskriterien stehen aber auch im vorliegenden Zusammenhang sowohl der Respekt vor der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Kreditnehmers, dem der Kreditgeber nicht einfach die Zweckmäßigkeit seiner Betriebsorganisation vorschreiben kann, als auch der Gesichtspunkt der Bevorschussung zur Verfügung. Keinesfalls sollte man die Ansicht des B G H daher auf das unechte Factoring ausdehnen. Denn da bei diesem ein Abzug von der Forderung nur für eine etwaige vorzeitige Inanspruchnahme des Gegenwerts sowie für die mit dem Einzug verbundene Tätigkeit erfolgt und der Kreditnehmer und Factoringkunde dafür die Vorteile der Liquiditätserhöhung und der Entlastung seines Betriebs von den Aufwendungen für das Inkasso erlangt, kann keine Rede davon sein, daß die Stellung des Kreditgebers durch das Factoring in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise gegenüber der Lage beim Forderungseinzug durch den Kreditnehmer selbst verschlechtert wird. Bei einer Auslegung der Einzugsermächtigung nach § 157 BGB kommt man daher jedenfalls zur Zulässigkeit des unechten Factoring, weil dieses in den Grenzen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs liegt. Beim echten Factoring belastet freilich die Delkredereprovision das Vermögen des Kreditnehmers stärker, doch steht dem als Vorteil die Entlastung vom Bonitätsrisiko des Drittschuldners gegenüber. Das kommt auch dem Kreditgeber mittelbar zugute, da dieser ja keinerlei Gewißheit hat, mit Hilfe welcher AußenM So mit Recht Messer N J W 1976, 927. 65 Vgl. näher Canaris N J W 1981, 258 f. " Vgl. B G H Z 75, 391, 394 ff; ebenso i. E. schon Fikentscher aaO (Fn. 47); Erstbearbeitung
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Anm. 604; Serick Bd IV § 52 V 4 ; dem B G H ausdrücklich folgend Rimmelspacher Rdn. 483; a. A., jedoch ohne nähere Begründung, Blaurock Z H R 142 (1978), 341; Bette/Marwede BB 1979, 128.
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3. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und anderen Forderungsprätendenten
stände der Kreditnehmer den Kredit zurückzahlen wird 6 7 und daher von der Bezahlung einer an sich uneinbringlichen Forderung durch das Factoringinstitut im Ergebnis ebenso profitieren kann wie von einer Leistung des Drittschuldners. Soweit eine Auslegung der Einzugsermächtigung nach § 157 BGB in Frage steht, wird man daher dem Kreditgeber grundsätzlich nicht den Willen zu einem Verbot des echten Factoring unterstellen können. Entgegenstehende ausdrückliche Abreden sind grundsätzlich ebenso wie beim ver- 1 6 9 3 längerten Eigentumsvorbehalt (vgl. oben Rdn. 1689 Abs. 2) über § 9 AGBG und/oder §138 BGB zu kassieren. Eine Ausnahme mag beim echten Factoring bezüglich des auf die Delkredereprovision entfallenden Teils der Forderung gelten. In der Tat ist nämlich die Interessenlage insoweit hier nicht vollständig dieselbe wie beim verlängerten Eigentumsvorbehalt, weil bei diesem, worauf der BGH mit Recht hingewiesen hat, die Delkredereprovision regelmäßig durch den Mehrwert der Forderung gegenüber dem (legitimen) Sicherungsinteresse des Lieferanten gedeckt wird, während bei der Globalzession zugunsten eines Geldkreditgebers dessen Rückzahlungsforderung nicht jeweils aus bestimmten Eingängen bezahlt werden soll, so daß eine ähnlich klare Zuordnung von eingezogener Forderung und gesichertem Interesse nicht möglich ist. Man wird es daher grundsätzlich wohl nicht als unangemessene Benachteiligung des Kreditnehmers oder als sittenwidrige Schädigung des Factoringinstituts ansehen können, wenn der Kreditgeber sich gegen den Verlust des auf die Delkredereprovision fallenden Forderungsanteils schützt. Im Ergebnis kommt man also zu einer Teilung der zedierten Forderung, der hier weder praktische noch dogmatische Bedenken entgegenstehen dürften. Eine andere Frage ist, ob die Teilung nur vom Kreditgeber selbst durch eine entsprechende Einschränkung seines Einziehungsverbots vorgenommen werden kann oder auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bzw. der Teilnichtigkeit zu erreichen ist; den Vorzug dürfte i. E. die letztere Lösung verdienen, doch verbergen sich dahinter schwierige Grundsatzprobleme, die hier nicht vertieft werden können. Anders ist zu entscheiden, wenn das Factoring nicht in den Grenzen eines ordnungs- 1 6 9 4 gemäßen Geschäftsbetriebs liegt — z. B. weil es unsinnig teuer ist oder weil an der Bonität des Drittschuldners keinerlei Zweifel bestanden, gleichwohl aber das Factoringinstitut das Delkredere übernommen hat. Dieses Kriterium, das bekanntlich auch sonst die Reichweite der Einzugsermächtigung bestimmt und das vom BGH im vorliegenden Zusammenhang merkwürdigerweise mit keinem Wort erwähnt wird, wahrt sowohl das Interesse des Kreditnehmers an einer selbständigen Entscheidung über seine Betriebsorganisation als auch z. T. das Interesse des Factoringinstituts. Folgerichtig gilt es übrigens auch bei Kollisionen von Factoring und verlängertem Eigentumsvorbehalt. Ist die Factoringzession früher vorgenommen worden als die Vorauszession an den 1 6 9 5 anderen Geldkreditgeber, so ist der sich daraus nach dem Prioritätsprinzip ergebende Vorrang des Factoringinstituts grundsätzlich ebensowenig mit Hilfe der Vertragsbruchtheorie zu korrigieren wie bei Kollisionen mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt. Denn das Factoringinstitut braucht, wie sich a fortiori aus den Ausführungen in Rdn. 1692 ergibt, nicht davon auszugehen, daß ein späterer Geldkreditgeber den For67
Anders wäre u. U. zu entscheiden, wenn man mit Blaurock Z H R 143 (1979), 73 f ü r ausschlaggebend hält, daß der Kunde beim Factoring eine Zahlung erhält, „die er in gleicher Weise z u r Begleichung der Verbindlichkeit gegenüber dem Vorbehaltsverkäufer verwenden soll wie eine im
Rahmen der Einziehungsermächtigung empfangene Barzahlung des Abnehmers", doch kommt es in Wahrheit hierauf nicht entscheidend a n ; Blaurock vertritt denn auch i. E. dieselbe Ansicht wie hier, vgl. Z H R 142, 341.
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring
derungszeinzug im Wege des Factoring verbieten wird, und verleitet daher den Factoringkunden grundsätzlich nicht zum Vertragsbruch. Selbst wenn man das anders sieht, ist aber grundsätzlich kein Verstoß gegen die guten Sitten gegeben, weil von dem Factoringinstitut angesichts der vereinbarten Bevorschussung der Forderung grundsätzlich keine Hintanstellung seiner eigenen Interessen hinter denen späterer Geldkreditgeber zu verlangen ist. Auch hier setzt sich somit die Barvorschußtheorie grundsätzlich gegen die Vertragsbruchtheorie durch. Anders dürfte folgerichtig wiederum zu entscheiden sein, wenn der Forderungseinzug im Wege des Factoring nicht in den Grenzen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs liegt und dies dem Factoringinstitut bekannt oder für es evident ist — also z. B., wenn von vornherein bindend der Weg des echten Factoring vorgeschrieben und dem Factoringkunden keine Möglichkeit zu einer Wahl des unechten Factoring bei besonders seriösen Drittschuldnern und dgl. gelassen wird. Wenn lediglich eine konkrete Entscheidung des Factoringkunden für das echte Factoring ordnungswidrig ist, so kann dadurch zwar die antizipierte Globalzession nicht rückwirkend nichtig werden, doch verstößt dann der „Ankauf" der betreffenden Forderung grundsätzlich gegen § 138 BGB, so daß die aufschiebende Bedingung für den Forderungserwerb nicht eingetreten ist bzw. die auflösende Bedingung als eingetreten gilt. c) Kollisionen mit anderen Formen des Forderungseinzugs durch Banken 1696
Tilgt der Drittschuldner die dem Factoringinstitut abgetretene Forderung durch Giroüberweisung auf ein Konto des Factoringkunden bei einer anderen Bank und wird er dadurch gemäß § 407 BGB frei, so kann sich das Factoringinstitut grundsätzlich nicht nach § 816 II BGB an die andere Bank halten, weil diese lediglich Zahlstelle und nicht Zahlungsempfängerin ist. Anders ist freilich zu entscheiden, soweit die Überweisungsbank ihren Kunden in ihrem Interesse dazu veranlaßt hat, seine Außenstände über das bei ihr geführte Konto zu leiten 68 . Auch Ansprüche aus § 826 BGB gegen die Uberweisungsbank kommen in aller Regel nicht in Betracht, weil und soweit die Uberweisung bei dieser ohne deren Zutun eingeht. Dem Factoringinstitut bleibt somit meist nur der Schutz einer Vorausabtretung des Schlußsaldos auf dem Girokonto sowie allenfalls die Möglichkeit, den Factoringkunden dazu zu bewegen, daß er bei seiner Girobank ein besonderes Treuhandkonto einrichtet und seinen Drittschuldnern nur dieses angibt (vgl. auch oben Rdn. 1674).
1697
Auch im Lastschriftverfahren scheitern Ansprüche des Factoringinstituts aus § 816 II BGB daran, daß die Inkassobank lediglich als Zahlstelle ihres Kunden auftritt, es sei denn, sie geht über diese Funktion soweit hinaus, daß eine analoge Anwendung von § 816 II BGB geboten erscheint (vgl. dazu oben Rdn. 1691 und 602 b). Etwas günstiger als bei der Giroüberweisung ist die Stellung des Factoringinstituts dagegen im Rahmen von § 826 BGB, weil die Inkassobank hier ja immerhin durch positives Tun an dem Forderungseinzug mitwirkt. Sie wird daher meist aus § 826 BGB haften, wenn sie weiß oder mit dolus eventualis in Kauf nimmt, daß die im Wege des Lastschriftverfahrens eingezogene Forderung dem Factoring unterliegt und von dem Factoringinstitut bevorschußt worden ist; denn dann nutzt sie nicht lediglich einen Vertragsbruch ihres Kunden aus, was für die Anwendung von § 826 BGB grundsätzlich nicht ausreicht, sondern beteiligt sich an einem Treubruch, der eine besonders grobe Vertragsverletzung des
« Vgl. auch B G H Z 72, 316, 322 sowie näher ris NJTW 1981, 258.
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4. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und dem Drittschuldner
Kunden gegenüber dem Factoringinstitut, ja u. U. geradezu eine Straftat darstellt, so daß auch § 823 II i. V. m. § 830 BGB eingreifen kann. Gegenüber den Gefahren des Scheck- und Wechselinkassos kann das Factoringinsti- 1 6 9 8 tut sich schützen, indem es sich alle Schecks, die zur Erfüllung von dem Factoring unterliegenden Forderungen gegeben werden, im voraus übertragen läßt (vgl. auch oben Rdn. 1673). Die Inkassobank haftet dem Factoringinstitut dann grundsätzlich aus § 990 BGB, sofern sie bösgläubig hinsichtlich der Befugnis des Kunden zur Einreichung des Schecks war. Eine Ermächtigung des Kunden durch das Factoringinstitut zum Inkasso des Schecks kommt nicht in Betracht, weil die Bevorschussung ja durch das Factoringinstitut erfolgen soll und damit der Einzug des Schecks über eine andere Bank grundsätzlich unvereinbar ist. Die Inkassobank wird folglich nur in den Grenzen von § 990 BGB bzw. Art. 21 ScheckG geschützt. Ansprüche aus § 816 II BGB hat das Factoringinstitut dagegen wiederum nicht, weil (und sofern) die Inkassobank lediglich Zahlungsmittlerin ist. Hat eine Vorausübertragung der Schecks nicht stattgefunden, so ist das Factoringinstitut gegenüber der Inkassobank grundsätzlich auf Ansprüche aus § 826 BGB beschränkt, die freilich wegen der Mitwirkung der Inkassobank bei dem Einzug immerhin unter denselben Voraussetzungen wie beim Lastschriftverfahren zu bejahen sind (vgl. dazu die vorige Rdn. a. E.). Dagegen scheidet hier ein Anspruch aus § 816 II BGB von vornherein aus, da der Untergang oder die Undurchsetzbarkeit der — dem Inkassoinstitut abgetretenen — Kausalforderung dafür nicht ausreicht (vgl. oben Rdn. 1566). Für den Diskont gilt grundsätzlich dasselbe wie für das Inkasso. Insbesondere kann 1699 trotz des diskontrechtlichen Barzahlungsgebots und Verrechnungsverbots auch hier keine Rede von einer Ermächtigung zum Diskont sein, weil die Bevorschussung der Forderung eben dem Factoringinstitut vorbehalten ist. Im übrigen ist die Stellung des Factoringinstituts insofern etwas günstiger, als die diskontierende Bank grundsätzlich nicht als Zahlungsmittlerin, sondern als Zahlungsempfängerin anzusehen ist, so daß insoweit einer Haftung aus §816 II BGB kein Hindernis entgegensteht (vgl. oben Rdn. 1566). 4. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und dem Drittschuldner a) Der Einfluß der Vorauszession auf die Rechtsstellung des Drittschuldners Die Vorauszession hat vor Abschluß des Vertrages zwischen dem Factoringkunden 1700 und dem Drittschuldner, durch den die dem Factoringinstitut abgetretene Forderung begründet wird, auch dann keinen Einfluß auf die Rechtsstellung des letzteren, wenn sei ihm bekannt war. Denn die Vorauszession kann in keiner Weise die Fähigkeit der Parteien beeinträchtigen, den Inhalt der Forderung bei ihrer Begründung frei zu bestimmen. Demgemäß geht z. B. ein dabei vereinbartes Abtretungsverbot, sofern es wirksam ist (vgl. dazu unten Rdn. 1704), der Vorauszession mit Selbstverständlichkeit vor 6 9 , mag der Drittschuldner sie nun gekannt haben oder nicht. Diese Lage ändert sich nach dem Abschluß des Vertrages, durch den die Forderung 1701 begründet wird. Diese geht nämlich (eine „logische Sekunde" danach oder nach ande69
Vgl. statt aller B G H Z 30, 176, 179; a. A. unrichtig Serick Bd IV § 51 III 2, der lediglich § 407 BGB anwenden will und dabei o f f e n b a r verkennt, daß die Begründung einer F o r d e r u n g unbestrittenermaßen keine V e r f ü g u n g ist und daß demgemäß auch die Vereinbarung eines Abtretungsverbots
bei ihrer Begründung — anders als dessen nachträgliche H i n z u f ü g u n g — keine V e r f ü g u n g , sond e m lediglich eine Ausgestaltung des Inhalts darstellt, mit dem die F o r d e r u n g von vornherein z u r Entstehung gelangt,
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring
rer Ansicht sogar ohne Durchgangserwerb) auf Grund der Vorauszession auf das Factoringinstitut über, so daß Verfügungen über sie und Leistungen auf sie nur noch nach Maßgabe von § 407 BGB wirksam werden können, d. h. nur bei Unkenntnis des Drittschuldners von der Vorauszession. Das steht außer Zweifel, wenn die Vorauszession auflösend bedingt ist, gilt aber auch, wenn nur eine aufschiebende Bedingung vereinbart ist. Denn auch im letzteren Falle sind bedingungswidrige Verfügungen des Factoringkunden, zu denen auch die Entgegennahme der Leistung sowie sonstige Rechtsgeschäfte über die Forderung zwischen ihm und dem Drittschuldner gehören, gemäß § 161 I 1 BGB bei Eintritt der Bedingung, also bei Hereinnahme der Forderung durch das Factoringinstitut diesem gegenüber unwirksam 70 . Zwischen Kenntniserlangung und Bedingungseintritt kann der Drittschuldner somit an keinen der beiden in Betracht kommenden Gläubiger in der Gewißheit zahlen, befreit zu werden; er muß also entweder an beide gemeinsam leisten, wobei diese untereinander analog § 1285 BGB zur Mitwirkung bei der Entgegennahme verpflichtet sind, oder sich nach § 372 S. 2 BGB durch Hinterlegung befreien. Im Grunde bedarf es also bei einer aufschiebenden Bedingung außer der Zessionsanzeige noch einer zusätzlichen Anzeige des „Ankaufs" oder der „Hereinnahme" der Forderung, da erst dadurch der Drittschuldner die Gewißheit erlangt, daß das Factoringinstitut für den Forderungseinzug allein zuständig ist. Hier zeigt sich somit, daß eine auflösende Bedingung wesentliche Vorteile hat — und zwar nicht nur für das Factoringinstitut, sondern auch für den Drittschuldner sowie wegen der Vermeidung von Komplikationen letztlich wohl sogar für den Factoringkunden. Dagegen ist es anders als im Falle des Konkurses (vgl. dazu oben Rdn. 1678) sowohl bei einer auflösenden als auch bei einer aufschiebenden Bedingung ohne Belang, daß die Herbeiführung des Bedingungseintritts auf einem Rechtsgeschäft zwischen dem bedingt Verfügenden und dem bedingt Berechtigten beruht; denn das ändert nichts daran, daß jener seine Verfügungsmacht über die Forderung durch die Vorauszession „verbraucht" hat und also nicht mehr abweichend verfügen kann. Unerheblich ist auch, ob die Forderung zur Zeit der fraglichen Verfügung schon durch Erbringung der Gegenleistung valutiert war. Auch wenn das nicht der Fall war, wird der Drittschuldner nur nach Maßgabe von § 407 BGB geschützt, weil auch eine mit der Einrede des § 320 BGB behaftete oder aufschiebend bedingte Forderung voll von der Vorausabtretung an das Factoringinstitut erfaßt wird. 1702
Sehr zweifelhaft ist, ob die gleiche Grenzziehung auch bei einer Aufrechnung durch den Drittschuldner maßgeblich ist, d. h. ob diesem die Aufrechnungsmöglichkeit entsprechend dem in Rdn. 1700 entwickelten Grundsatz bei Begründung seiner Forderung vor Entstehung der Gegenforderung auch dann erhalten bleibt, wenn er die Vorauszession kannte, oder ob er insoweit nur bei Unkenntnis von dieser geschützt wird. Der Wortlaut von § 406 BGB gibt für die Lösung der Frage nichts her, da man unter „Abtretung" sowohl den Akt und also schon die Vorauszession als auch den Eintritt der Wirkung und also erst den Ubergang der Forderung verstehen kann. Auch der Rückgriff auf den Schutzzweck von § 406 BGB führt schwerlich zu einer klaren Antwort. Denn einerseits enthält die Vorschrift keineswegs nur einen der Regelung des § 407 BGB entsprechenden Tatbestand des Vertrauensschutzes, sondern auch eine von diesem Gedanken unabhängige Erweiterung von § 404 BGB, andererseits paßt die Parallele zu § 404 BGB doch nicht so recht, weil die unter diese Vorschrift fallenden 70
So mit Recht z. B. Flume Allg. Teil des Bürg. Rechts Bd II 3 , § 3 9 , 3 a m. N a c h w . ; a. A. z . B . Ehling S. 66 ff m. w. Nachw., der dann jedoch
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seltsamerweise offenbar gleichwohl § 407 BGB anwenden will.
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4. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und dem Drittschuldner
Einwendungen typischerweise in irgendeiner Weise mit der Forderung zusammenhängen und diese daher von vornherein inhaltlich bestimmen, während die Aufrechnung „von außen" hinzutritt. Dieser letztere Gesichtspunkt dürfte den Ausschlag geben. Weiß nämlich der Schuldner, daß sein Vertragspartner die Forderung aus dem abzuschließenden Geschäft bereits an einen Dritten abgetreten hat, so darf man von ihm erwarten, daß er vor oder bei dem Geschäftsschluß mit seiner Aufrechnungsabsicht hervortritt und diese durch einen vertraglichen Aufrechnungsvorbehalt oder ein Abtretungsverbot absichert oder aber von dem Vertragsschluß Abstand nimmt, wenn er sich mit seinem Wunsch nicht durchsetzen kann. Kenntnis von der Vorauszession schließt daher die Aufrechnung durch den Schuldner auch dann aus, wenn dessen Forderung schon vor Abschluß des Geschäfts bestand, durch das seine Schuld begründet worden ist. Das entspricht i. E. der Ansicht des BGH 7 1 . b) Die Folgen eines Abtretungsverbots Das Factoring wird durch die weit verbreiteten Abtretungsverbote stark beeinträch- 1 7 0 3 tigt, zumal diese sogar einer älteren Globalzession vorgehen (vgl. oben Rdn. 1700 a. E.). Es hat daher nicht an Versuchen gefehlt, sie durch eine besonders „geschickte" Ausgestaltung der Factoringbedingungen auszuschalten. Das ist jedoch bisher nicht gelungen. So führt z. B. die Übernahme einer Bürgschaft für die einzuziehende Forderung durch das Factoringinstitut 72 schlicht und einfach deshalb nicht zum angestrebten Ziel, weil sich das Abtretungsverbot gemäß §§412, 399 BGB auch gegenüber der Legalzession nach § 774 BGB durchsetzt. Auch mit Hilfe von Kommissionsklauseln ist es nicht aus den Angeln zu heben 73 . Daher stellt sich gerade im Zusammenhang mit dem Factoring dringlich die Frage 1 7 0 4 nach der Wirksamkeit von Abtretungsverboten. Diese in Weiterbildung der Regeln, die zur Kollision von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt entwickelt worden sind, als sittenwidrig anzusehen, lehnt der B G H bekanntlich ab (vgl. grundlegend BGHZ 51 113, 116 ff). Auch wenn man dem folgt, bleibt die Möglichkeit, sie an § 9 AGBG scheitern zu lassen, weil sie den Gläubiger unbillig an der Verwendung der Forderung als Kreditunterlage, ja an der Refinanzierung des dem Schuldner durch deren Stundung gewährten Kredits hindern 74 . Das mag im Einzelfall in der Tat zutreffen, würde aber als generelle Lösung beträchtlich über das Ziel hinausschießen. Denn das Abtretungsverbot dient grundsätzlich legitimen Interessen des Schuldners. Diese liegen in erster Linie in einer Verstärkung des Schutzes von § 407 BGB, der angesichts der modernen Arbeitsteilung und des Einsatzes von Computern den Schuldner keineswegs immer voll deckt (vgl. nur B G H W M 1977 51 f und dazu oben Rdn. 774 a. E.), doch spielt daneben auch die Erhaltung von Aufrechnungsmöglichkeiten eine Rolle, wie insbesondere die Ausführungen oben Rdn. 1702 zeigen. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß das Abtretungsverbot i. d. R. weit über das 1 7 0 5 Schutzbedürfnis des Schuldners hinausgehende Wirkungen entfaltet und die betreffende Forderung z. B. im Konkurs des Zedenten der Masse zuordnet, obwohl das durch die Interessen des Schuldners keineswegs gefordert wird. Der Ausweg liegt indessen nicht in einer grundsätzlichen Unwirksamkeit des Abtretungsverbots, sondern ?! Vgl. B G H Z 66, 384, 386 f (freilich nicht zum Factoring); zustimmend z. B. MünchKomm.-ÄofA 1979, § 406 R d n . 21 ; a. A. z. B. Denck DB 1977, 1493 ff m. w. N a c h w . 72 Vgl. etwa den Regelungsvorschlag bei Schmitt S. 109 f, insbesondere Ziff. 35.
" Vgl. näher Serick Bd IV § 55 I V ; vgl. z u r Problematik ferner z. B. Bette S. 95 f ; Bärmann/Ehling Rdn. 222. 74 Vgl., speziell im Zusammenhang mit dem Factoring, Blaurock Z H R 142 (1978), 333 f.
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. II. Das Factoring in der Rückkehr zu der früher verbreiteten, von der heutigen h. L. aus rein doktrinären Gründen abgelehnten Ansicht 75 , daß ein Verstoß gegen das Abtretungsverbot lediglich zu relativer Unwirksamkeit gegenüber dem Drittschuldner, nicht aber zu absoluter Unwirksamkeit mit Reflexwirkung zugunsten der Vollstreckungsgläubiger (§851 II ZPO!) und der Konkursmasse führt. Denn im Verhältnis der konkurrierenden Gläubiger des Zedenten ist der Vorrang der Vollstreckungs- und Konkursgläubiger gegenüber dem Zessionar durch nichts zu rechtfertigen, weil der Zedent nun einmal zu dessen Gunsten über die Forderung verfügt hat und das Abtretungsverbot nicht zur Lösung dieses Konflikts bzw. zur Korrektur dieser Entscheidung des Zedenten, sondern allein zum Schutze des Drittschuldners dient, dem mit der Annahme von relativer Unwirksamkeit voll Genüge getan ist. Solange sich freilich diese Ansicht nicht durchgesetzt hat, sollte man wenigstens mit einer aus § 242 BGB folgenden einzelfallbezogenen Pflicht des Drittschuldners gegenüber seinem Gläubiger zur Mitwirkung bei einer Aufhebung des Verbots bzw. zur Genehmigung der Abtretung helfen. Eine solche Pflicht wird z. B. regelmäßig anzunehmen sein, wenn der (potentielle) Zessionar dem Schuldner verbindlich verspricht, ihn bei einer versehentlichen Leistung an den Altgläubiger nicht in Anspruch zu nehmen — eine Möglichkeit, die offenbar gerade von Factoringinstituten nicht selten wahrgenommen wird —, und ein Interesse des Schuldners an der Erhaltung von Aufrechnungsmöglichkeiten nicht besteht, weil weitere Geschäfte zwischen ihm und dem Altgläubiger nicht abzusehen sind oder der Neugläubiger auch eine etwaige Aufrechnung im voraus als ihm gegenüber wirksam anerkennt. Gegenüber diesem kann die Mitwirkungs- oder Genehmigungsverweigerung u. U. einen Verstoß gegen § 826 BGB bedeuten, doch ist das nicht ohne weiteres, sondern nur bei Vorliegen besonderer Umstände anzunehmen. Pflichten aus § 242 BGB bestehen dagegen zwischen Schuldner und (potentiellem) Neugläubiger wohl nicht, da ein rechtsgeschäftlicher Kontakt zwischen ihnen nicht gegeben ist und der Schuldner durch die Vereinbarung des Abtretungsverbots gezeigt hat, daß er auch die Aufnahme eines solchen Kontakts grundsätzlich ablehnt. 1706
Aus diesem Grunde kann auch eine Pflicht des Schuldners zur Mitteilung des Abtretungsverbots an das Factoringinstitut — z. B. als Reaktion auf die Offenlegung der Globalzession — nicht generell nach § 242 BGB, sondern nur auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nach § 826 BGB angenommen werden.
1707
Auch das — besonders weitreichende und daher für den Zessionar sehr gefährliche — Abtretungsverbot auf Grund eines Kontokorrents geht der Factoringglobalzession selbst dann vor, wenn es erst nach dieser vereinbart worden ist 75a . Es ist grundsätzlich ebenfalls nicht sittenwidrig, weil und sofern es durch ein legitimes Interesse des Schuldners wie z. B. das Bestehen einer laufenden Verbindung mit einer Vielzahl von Geschäftsvorfällen gedeckt ist (vgl. BGHZ 73 259, 263 f). Einen gewissen Schutz bietet dem Factoringinstitut die Vorausabtretung der Schlußsaldoforderung (vgl. oben Rdn. 1674). c) Die Problematik des Einwendungsverzichts
1708
Der Gläubiger könnte die Möglichkeiten zur Verwertung seiner Forderung im Wege des Factoring beträchtlich verbessern und zugleich die Gefahr einer Rückbela75
Vgl. statt aller R G Z 148, 110, 113; vgl. demgegenüber zur heutigen h. L. z. B. Palandt/Heinrichs § 399 Anm. 6 m. w. N a c h w .
874
75a
Vgl. näher Anm. 61.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Großkomm.-Canaris*
§355
HGB
4. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Factoringinstitut und dem Drittschuldner
stung wegen eines Rechtsmangels ausschalten, wenn er mit seinem Schuldner einen Einwendungsverzicht vereinbaren würde. Gelingt ihm das in einer Individualvereinbarung, so ist diese zwar gegenüber einem Nichtkaufmann nach § 780 BGB formbedürftig, im übrigen jedoch grundsätzlich unbedenklich. Eine AGB-Klausel dürfte dagegen meist wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam sein, auch wenn der Einwendungsverzicht nur im Verhältnis zwischen dem Drittschuldner und dem Factoringinstitut wirken soll. Zwar sind die §§ 404, 406 BGB dispositiv, doch weisen sie als Ausdruck des zessionsrechtlichen Schuldnerschutzprinzips einen besonders hohen Gerechtigkeitsgehalt auf, der nicht ohne weiteres hintangesetzt werden darf. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Drittschuldner kein besonderes Eigeninteresse an einer Erleichterung des Factoring hat. Liegt dieses dagegen auch in seinem Interesse wie z. B., wenn der Einwendungsverzicht im Zusammenhang mit der Einräumung eines Zahlungsziels steht bzw. in der AGB-Klausel hierauf beschränkt ist, wird § 9 AGBG i. d. R. nicht eingreifen. Allerdings kann sich das Factoringinstitut auch in einem solchen Fall nach dem Vor- 1 7 0 9 bild der zum Finanzierungsdarlehen entwickelten Grundsätze über den Einwendungsdurchgriff (vgl. oben Rdn. 1429) auf den zu seinen Gunsten vereinbarten Einwendungsverzicht nicht berufen, wenn der Rückforderungsanspruch des Drittschuldners gegen den Altgläubiger und Factoringkunden wegen dessen Konkurses oder aus einem ähnlichen Grund undurchsetzbar ist; denn anderenfalls würde die Klausel zur Rechtlosstellung des Drittschuldners führen. Gleiches wird, wiederum in Anlehnung an die Rechtslage beim Finanzierungsdarlehen (vgl. insoweit oben Rdn. 1432), bei „schweren" Mängeln wie einer sittenwidrigen Übervorteilung des Drittschuldners, einem gegen ihn gerichteten Betrug und dgl. gelten müssen.
III. Das Finanzierungsleasing Systematische
Übersicht
Rdn. 1. Begriff und Wesen des Finanzierungsleasing a) Technik und G r u n d s t r u k t u r b) Begriffliche Abgrenzung c) Die Funktionen des Finanzierungsleasing d) Die Rechtsnatur des Finanzierungsleasing 2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer a) D e r Abschluß des Leasingvertrages und die Problematik der analogen Anwendung des AbzG b) Die Pflichten der Parteien c) Die Auswirkungen von Störungen aus dem Bereich des Geschäfts mit dem Dritten beim reinen Finanzierungsleasing d) Die Problematik des sogenannten „Einwendungsdurchgriffs" sowie die Risikoverteilung beim absatzför-
1710 1712 1714 1718
1728 1733
1741
Rdn. dernden und beim zwischenhändlerischen Finanzierungsleasing . . . . e) Zerstörung und Beschädigung des Leasinggutes nach Überlassung an den Leasingnehmer f) Die Kündigung des Leasingvertrages durch den Leasinggeber aus in der Person des Leasingnehmers liegenden G r ü n d e n g) Drittverweisungs- bzw. H a f t u n g s ausschlußklauseln und A G B G . . . . h) Entgeltsklauseln und A G B G i) Verfallklauseln und A G B G k) Die Zwangsvollstreckung in das Leasinggut I) D e r K o n k u r s des Leasingnehmers . m) D e r K o n k u r s des Leasinggebers. . . 3. Besonderheiten des Rechtsverhältnisses zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten a) Einwendungen aus oder in der Per-
Claus-Wilhelm Canaris
1749
1754
1760 1764 1768 1771 1775 1782 1786
1789
875
15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
son des Leasingnehmers Die Problematik der Drittschadensliquidation c) Der Einfluß von Mängeln des Leasingvertrages auf den Vertrag mit dem Dritten 4. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Leasingnehmer und dem Dritten a) Vertragliche und vertragsähnliche Ansprüche
Rdn.
Rdn.
1790
b) Rückabwicklungsansprüche 1799 5. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Leasingnehmer und einem außenstehenden Vierten a) Die Rechts- und Anspruchsgrundlagen 1802 b) Die Problematik der Schadensberechnung bei Zerstörung des Leasinggutes und die Z u o r d n u n g des Ersatzanspruchs 1804
b)
1794
1796
1797
Alphabetische Übersicht A b z G , Anwendbarkeit 1723 f, 1727 ff, 1750 f, 1800 Abzinsung 1772 Ausschluß 1771 f AGBG, Anwendbarkeit 1721, 1753, 1764 ff Arglistige T ä u s c h u n g durch Dritten 1746, 1752 durch Leasingnehmer 1793 Aufklärungspflichten des Leasinggebers 1752 Aufwendungsersatz des Finanzierungsinstituts 1741 ff, 1744 Auftragsstrenge, formale 1735, 1742
reines 1718 f, 1725, 1729, 1734 f, 1741 ff, 1751, 1764, 1766, 1768, 1794 zwischenhändlerisches 1723, 1725, 1731, 1733, 1739, 1752 f, 1767 f, 1795 Formbedürftigkeit 1728 Full-pay-out-leasing 1710
Bereicherungsansprüche mangelhaftes Drittgeschäft 1799 Besitzschutz des Leasingnehmers 1801 ff Besitzverschaffungspflicht 1736
Händlerleasing 1713 Haftungsausschlußklausel 1766 H a n d e l n f ü r fremde Rechnung 1718, 1746, 1766, 1789 ff Herstellerleasing 1713
culpa in contrahendo Leasingnehmer und Dritter 1798
Immobilienleasing 1716, 1776, 1780, 1786
Drittgeschäft 1741 ff, 1789 ff Auslegung 1791 K o n k u r s des Leasinggebers 1787 und Mängel des Leasingvertrages 1796 Nichterfüllung 1741 Sachmängel 1791 Störungen, Zusammenfassung 1748 V e r z u g 1741 Willensmängel 1746, 1752, 1790 Drittschadensliquidation 1718, 1741, 1794 f Drittverweisungsklausel 1753, 1764 ff, 1787, 1797 Drittwiderspruchsklage des Leasinggebers 1775 f des Leasingnehmers 1780 Einwendungsdurchgriff 1749 ff Entgelt 1737 f, 1743, 1748 Auszahlung an Dritten 1742 f Erinnerung 1780 Erwerbsoption 1778 Erwerbstheorie 1728 ff, 1750 Finanzierungsleasing absatzförderndes 1713, 1724 f, 1730, 1739, 1752 f, 1765 f, 1768
876
Gemischttypischer Vertrag 1719, 1724 Gewährleistungsausschluß 1716, 1722 Grundmietzeit 1710, 1712, 1716 ff, 1730 Grundtypen 1725
Kaufrechtliche Konstruktion 1722 ff Konkurs des Dritten 1743, 1750, 1752 f, 1765 des Leasinggebers 1765, 1786 ff, 1799 des Leasingnehmers 1781 ff Kostentheorie 1728 ff Kreditwesengesetz Bankgeschäft 1726 Kreditbegriff 1726 Leasinggut Beschädigung 1754, 1759 Erlös 1763, 1773 Sachmängel 1744 ff, 1753 Surrogate 1756 Untergang 1743, 1754 ff, 1804 ff vertragswidriger Gebrauch 1761 Leasingvertrag 1727 ff fristlose Kündigung 1743 f, 1755, 1759 ff, 1784 Kündigung im K o n k u r s 1783 Pflichten des Leasinggebers 1733 ff Pflichten des Leasingnehmers 1737 ff V e r z u g des Leasingnehmers 1760 Wahlrecht des Konkursverwalters 1783, 1785, 1788
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
1. Begriff und Wesen des Finanzierungsleasing U n k ü n d b a r k e i t 1710, 1716
Mietkauf 1712 Mietkonstruktion 1719 ff Non-full-pay-out-leasing 1710 Preisangabe 1732 Preiserhöhungsklausel 1768 Preisreduzierung 1769 Provision 1737, 1741 f, 1744, 1748 Rechenschaftspflicht des Leasinggebers 1734 Reparaturklausel 1759 Restverwertungsabrede 1718 Restwert 1717, 1732, 1745, 1754, 1756, 1805 Sale-and-lease-back-Verfahren 1711, 1796 a Schadensersatzansprüche Berechnung 1804 ff gegen Dritte 1757 ff des Leasinggebers 1754 Schadensteilung 1808 f Sittenwidrigkeit 1747 Teilamortisationsvertrag 1710, 1737, 1776 Treuhänderische Bindung 1719
Verfallklausel 1771 ff V e r j ä h r u n g 1738 a Verlängerungsoption 1779 Vermögensverfall des Leasingnehmers 1762 Vertrag zugunsten Dritter 1797 Vertragsbeendigung vorzeitige 1716, 1720, 1722 Vollamortisationsvertrag 1710, 1730, 1776 W u c h e r 1738, 1747 Zinsanpassungsklausel 1770 Zinsen 1737, 1744, 1748 Zwangsvollstreckung in Erwerbsoption 1778 f Gläubiger des Leasinggebers 1780 f Gläubiger des Leasingnehmers 1775 ff in Nutzungsrecht 1776 in Restwert 1777 f in Verlängerungsoption 1779
Literatur Bärmann Europäisches Geld-, Bank- und Börsenrecht, 1974, Rdn. 226 ff; Blomeyer, Jürgen Das Finanzierungsleasing unter dem Blickwinkel der Sachmängelhaftung und des Abzahlungsgesetzes, N J W 1978, 973 ff; Borggräfe Die Zwangsvollstreckung in bewegliches Leasinggut, 1976; Coester-Waltjen Die Grundstruktur des Leasingvertrages, Jura 1980, 123 ff; dieselbe Leasingvertrag und moderne Rechtsschutzgesetzgebung, Jura 1980, 186 f f ; Dömer Schadensersatzprobleme beim Kraftfahrzeugleasing, VersR 1978, 884 f f ; Ebenroth D e r Finanzierungsleasingvertrag als Rechtsgeschäft zwischen Miete und Kauf — B G H , Betr. 1977, 395, JuS 1978, 588 ff; derselbe Inhaltliche Schranken in Leasingformularverträgen auf Grund des AGB-Gesetzes, D B 1978, 2109 f f ; Fikentscher Schuldrecht, 6. Aufl. 1976, § 71 V 7; Flume Das Rechtsverhältnis des Leasing in zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Sicht, DB 1972, 1 ff, 53 ff, 105 ff und 152 ff; Frank, Franz Finanzierte Verträge zwischen Miete und Kauf, Diss. Münster 1970; Fuchs, Volker Die Gewährleistungsregeln bei Leasingvenrägen unter besonderer Berücksichtigung des AGBG, Diss. Regensburg 1979; Giger N e u e Aspekte im Recht des Finanzierungsleasingvertrags, Festgabe f ü r Henri Deschenaux, 1977, S. 343 f f ; Hagenmüller (Herausgeber), Leasing-Handbuch, 3. Aufl. 1973; Hiddemann Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Leasingvertrag, W M 1978, 834 ff; Kaempf, Karsten Eine rechtsvergleichende Untersuchung über das Finanzleasing beweglicher Anlagegüter nach deutschem und französischem Zivilrecht, Diss. Münster 1975; Klaas Die Risikoverteilung bei neueren Finanzierungsmethoden, N J W 1968, 1502 f f ; Koch und Haag Die Rechtsnatur des Leasingvertrages, BB 1968, 93 ff; Krause, Hans Leasing, N J W 1973, 691 ff; Kunkel Neue Tendenzen im Mobilienleasing, D B 1975, 1379 f; Larenz Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II, 11. Aufl. 1977, § 6 3 III; Lienhard Finanzierungsleasing als Bankgeschäft, 1976; Lwowski Erwerbsersatz durch Nutzungsverträge, Diss. Hamburg 1967; Meilicke Leasing, BB 1964, 691 f f ; Mosel Leasing kontra Abzahlungsgesetz, N J W 1974, 1454 ff; Plathe, Peter Die rechtliche Beurteilung des Leasinggeschäfts, Diss. München 1969; derselbe Zur rechtlichen Beurteilung des Leasinggeschäfts, BB 1970, 601 f f ; Quittnat Unwirksamkeit von Verfallklauseln in Leasingformularverträgen, BB 1979, 1530 f f ; Reich Leasing, in: Gitter u. a. Vertragsschuldverhältnisse, Bd. 3, 1974, S. 50 ff; Runge/Bremser/Zöller Leasing, 1978; Schmidt-Salzer Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2. Aufl. 1977, Rdn. F. 176 f f ; Schönle Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, § 9 III; Schreiner Stornierungskosten des Herstellers oder des Lieferanten beim Finanzierungsleasing, BB 1980, 294 f; Seeger, Sigbert Zivilrechtliche und steuerrechtliche Behandlung von Finanzierungsleasingverträgen über bewegliche Sachen, Diss. Berlin 1972; derselbe Die konkursrechtliche Behandlung von Finanzierungsleasingverträgen über bewegliche Sachen, K T S 1974, 6 ff; van Hove, Hermann Claus-Wilhelm Canaris
877
15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing Die Rechtsnatur der Leasingverträge und ihre Abwicklung in der Zwangsvollstreckung, Diss. Freiburg 1976; Westphalen, Graf von Der Leasingvertrag, 1979 (zit.: von Westphalen); derselbe Leasing als Umgehungsgeschäft gemäß § 6 AbzG? M D R 1980, 441 ff; derselbe Das Insolvenzrisiko des Lieferanten beim Finanzierungsleasing, W M 1980, 942 ff.
1. Begriff und Wesen des Finanzierungsleasing a) Technik und Grundstruktur 1710
Der BFH hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 26. 1. 1970 (BStBl. 1970 II 264) die Wesensmerkmale des Leasing folgendermaßen umschrieben: „a) Der Leasing-Vertrag wird über eine bestimmte, mehrjährige Zeit abgeschlossen (sog. Grundmietzeit), meist zwischen drei und sechs Jahren, die in der Regel kürzer ist als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des überlassenen Wirtschaftsguts. b) Der Vertrag kann während dieser Zeit vom Leasing-Nehmer nicht gekündigt werden. Auch der Leasing-Geber ist gebunden, solange der Leasing-Nehmer den Vertrag einhält. c) Die Leasing-Raten sind so bemessen, daß nach Ablauf der Grundmietzeit die dem Leasing-Geber entstandenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nebst Nebenkosten voll abgedeckt sind und daneben dem Leasing-Geber eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals und ein Gewinnzuschlag verbleibt. . . . Im Zusammenhang mit der Unkündbarkeit des Vertrages durch den Leasing-Nehmer wird bewirkt, daß auf den Leasing-Nehmer fast alle Risiken übergehen. Der Leasing-Geber trägt nur noch das Risiko der ,Leasingfähigkeit' des Leasing-Nehmers. Denn d) auch die Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung der Sache wird in aller Regel auf den Leasing-Nehmer überwälzt, der daher auch meistens zum Versicherungsschutz verpflichtet wird. e) Im Falle des Zahlungsverzugs oder des Konkurses des Leasing-Nehmers werden in der Regel sämtliche Leasing-Raten fällig unbeschadet des Rechts des Leasing-Gebers, den Gegenstand in Besitz zu nehmen." Was der BFH hier beschreibt, ist das Leasing auf der Grundlage eines sogenannten Voüamortisationsvertrages — auch Full-pay-out-leasing genannt, das vor allem für die „erste Generation" der Leasingverträge charakteristisch war. Heute rückt demgegenüber in der Praxis mehr und mehr der Teilamortisationsvertrag — Non-full-pay-outleasing — in den Vordergrund 7 6 , bei dem die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach Ablauf der Grundmietzeit zwar zum größten Teil, aber nicht in voller Höhe abgedeckt sind.
1711
Ein Merkmal des Finanzierungslezsing kommt freilich in der Umschreibung des BFH nicht zum Ausdruck: die Übernahme der Finanzierungsfunktion durch ein besonderes Rechtssubjekt. Das führt typischerweise dazu, daß das Finanzierungsleasing sich in einem Dreiecksverhältnis abspielt 77 , an dem außer dem finanzierenden Leasinggeber und dem den Leasinggegenstand nutzenden Leasingnehmer noch der Hersteller oder Händler beteiligt ist, bei dem der Leasinggeber den Leasinggegenstand erwirbt. Das muß allerdings nicht unbedingt so sein, wie das sogenannte sale-and-lease-back-Verfahren zeigt. Bei diesem verkauft der Leasingnehmer einen ihm gehörenden Gegenstand an den Leasinggeber und läßt sich dann dessen Nutzung im Wege des Leasing zurück7
Vgl. dazu z. B. Kunkel DB 1975, 1379 f; Runge/ Bremser/Zöller S. 299 ff.
878
77
Vgl. z. B. B G H Z 71, 196, 198; B G H W M 1975, 1203, 1204; 1977, 390, 391; 1979, 1040, 1042; von Westphalen S. 17 m. w. N a c h w .
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
1. Begriff und Wesen des Finanzierungsleasing
übertragen. H a t er selbst ihn erst unmittelbar zuvor gekauft und ist dieser Vertrag vielleicht noch nicht einmal voll erfüllt, so mag man zwar auch hier noch von einem „Dreieck" sprechen, doch kann das sale-and-lease-back-Verfahren auch auf bereits länger im Eigentum des Leasingnehmers stehende Güter angewendet werden wie z. B. auf Betriebsgrundstücke oder den Maschinenpark, so daß von einem „Dreieck" — das ja ohnehin nur ein Bild und kein Rechtsbegriff ist — nicht gut die Rede sein kann. Sprachlich steht an sich nichts entgegen, gleichwohl auch das sale-and-lease-back-Verfahren noch als Finanzierungsleasing zu bezeichnen, doch zieht das Vorliegen eines Dreiecksverhältnisses so viele rechtliche Besonderheiten nach sich, daß sich auch terminologisch eine Trennung empfehlen dürfte. Die folgende Darstellung geht jedenfalls vom Finanzierungsleasing als einem Dreiecksverhältnis aus und ist demgemäß insoweit nicht auf das sale-and-lease-back-Verfahren zugeschnitten, mögen sich auch im Hinblick auf die kreditorische Komponente sehr weitgehende Ubereinstimmungen ergeben. b) Begriffliche Abgrenzung Für das Leasing ist begriffsprägend zunächst das Auseinanderfallen von Eigentum 1 7 1 2 und Nutzungsmöglichkeit: ersteres liegt beim Leasinggeber, letztere während der „Grundmietzeit" beim Leasingnehmer. Das trifft indessen z. B. auch auf die Sicherungsübereignung zu. V o n ihr unterscheidet sich das Leasing durch das Schicksal des Leasinggegenstandes nach Ende der „Grundmietzeit": dieser steht dem Leasingnehmer nicht unentgeltlich zu und kann von ihm, anders als beim Mietkauf, auch nicht vorzeitig erworben werden. Darüber hinaus empfiehlt sich im deutschen Recht die Aufnahme noch eines weiteren Begriffsmerkmals, um das Leasing von der (gewöhnlichen) Miete abzugrenzen und nicht z. B. auch die Wohnungsmiete zum Leasing werden zu lassen. Man kann es entweder in dem Bezug des Leasingpreises auf die Herstellungs- oder Anschaffungskosten oder in der Risikozuordnung an den Leasingnehmer oder sogar in der Verbindung dieser beiden Merkmale sehen. Da es an dieser Stelle nur um den Begriff und nicht um den Typus des Leasing geht, sollte man sich auf das erstere Merkmal beschränken, weil es grundsätzlich leicht feststellbar ist und nicht je nach Vertragsgestaltung schwankt; die spezifische Risikoverteilung kann dagegen unterschiedlich ausgeprägt sein und eignet sich daher nur als typusprägendes Charakteristikum, nicht aber als Bestandteil der Definition. Wie weit der Bezug des Leasingpreises auf die H e r stellungs- oder Anschaffungskosten geht, ob diese also voll oder nur teilweise amortisiert werden sollen, ist für die Begriffsabgrenzung ohne Belang. Der Bezug darf allerdings nicht lediglich ein unbeachtliches Motiv des Leasinggebers geblieben sein, sondern muß irgendwie vertragsrelevant geworden sein, wenngleich er natürlich nicht notwendigerweise in der Form einer ausdrücklichen Hervorhebung erfolgen muß, sondern z. B. schon in dem Gebrauch des Wortes Leasing zum Ausdruck kommen kann; auch wird man auf ihn meist aus der vertraglichen Risikogestaltung, also aus der vollständigen oder nahezu vollständigen Abwälzung der mit dem Leasinggut zusammenhängenden Risiken auf den Leasingnehmer zurückschließen können, so daß das zweite der oben erwähnten Kriterien doch noch mittelbar Bedeutung für die Begriffsbestimmung erlangt. Weitere Merkmale sollte man nicht in den Begriff des Leasing aufnehmen. O b das Entgelt z. B. in Raten oder in einer einzigen Zahlung erbracht wird oder ob die Kündigung während eines längeren Zeitraums ausgeschlossen ist, mag zwar f ü r den Normaltypus des Leasing wesentlich sein, doch besteht kein Grund, den Begriff von vornherein in diesem Sinne einzuengen. Demgemäß läßt sich folgende Definition geben: Das Leasing ist ein Vertrag, auf Grund dessen die eine Partei der anderen die Nutzung, nicht aber das Eigentum eines Claus-Wilhelm Canaris
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing Gegenstandes gegen ein Entgelt, dessen H ö h e vertragsgemäß durch die Anschaffungso d e r Herstellungskosten wesentlich mitbestimmt wird, auf Zeit überläßt, o h n e daß das Eigentum dem Nutzungsberechtigten nach Ablauf der vereinbarten Zeit unentgeltlich (oder f ü r ein nur symbolisches „Entgelt") zustehen soll und ohne daß er es vorzeitig erwerben kann. 1713
Einen solchen V e r t r a g kann der Leasingnehmer nun freilich auch mit dem P r o d u zenten des betreffenden Gegenstandes schließen, doch w ü r d e niemand auf den G e d a n ken k o m m e n , diesen im R a h m e n des Bankrechts zu behandeln. D a z u f ü h r t vielmehr erst die oben beschriebene Übernahme der Finanzierungsfunktion durch ein besonderes Rechtssubjekt. Diese wird im folgenden als Begriffsmerkmal des Finanzierungslezsing und als dessen differentia specifica gegenüber dem Händler- oder HerstelleAezsmg angesehen. Dagegen erscheint es entgegen manchen Stimmen im Schrifttum nicht zweckmäßig, schon bei der Begriffsbestimmung darauf abzustellen, ob f ü r den Leasinggeber das Absatz- oder das Finanzierungsinteresse im V o r d e r g r u n d steht, und nur im letzteren Falle von Finanzierungsleasing zu sprechen 7 8 . Zwar beeinflußt das Vorliegen eines besonderen Absatzinteresses die rechtliche Behandlung in einigen P u n k t e n beträchtlich (vgl. z. B. unten Rdn. 1730 und Rdn. 1752), doch sind die U n t e r schiede nicht so tiefgreifend, daß man beide Spielarten des Leasing von vornherein mit verschiedenen begrifflichen Kategorien erfassen und ein einigermaßen einheitliches und überdies durch fließende U b e r g ä n g e verbundenes Lebensphänomen schon terminologisch auseinanderreißen müßte 7 9 . D e m g e m ä ß werden im folgenden das absatzfördernde Finanzierungsleasing, bei dem Hersteller bzw. H ä n d l e r und Leasinggeber mehr oder weniger eng zusammenarbeiten und letzterer den Absatz des ersteren zu f ö r d e r n sucht, und das reine Finanzierungsleasing, bei dem der Leasinggeber kein Interesse am Absatz des Herstellers bzw. H ä n d l e r s hat und dieser häufig sogar allein vom Leasingnehmer ausgesucht und bestimmt wird, gleichermaßen als Erscheinungsformen des einheitlichen Oberbegriffs Finanzierungsleasing bezeichnet. Das entspricht dem V o r g e h e n bei der Bestimmung des Begriffs Finanzierungsdarlehen, w o ebenfalls nicht f ü r die Definition, sondern nur f ü r die Bestimmung der Rechtsfolgen auf die Art und Weise des Zusammenhangs zwichen dem Darlehen und dem zu finanzierenden Geschäft bzw. auf das Vorliegen einer Zusammenarbeit zwischen Finanzierungsinstitut und H ä n d l e r abgestellt w u r d e (vgl. oben R d n . 1386). c) Die Funktionen des Finanzierungsleasing
1714
Die A u s f ü h r u n g e n in der vorigen Rdn. haben bereits deutlich gemacht, daß das Finanzierungsleasing z w a r auch als Mittel der Absatzförderung zugunsten des Herstellers oder H ä n d l e r s eingesetzt w e r d e n kann, in erster Linie aber ein Finanzierungsin78
So vor allem von Westphalen S. 7 ff, dem es dabei freilich darum geht, „typologisch-begrifflich das Wesensmerkmal des Finanzierungsleasing herauszuarbeiten"; demgegenüber wird hier scharf zwischen dem Begriff und dem Typus des Finanzierungsleasing unterschieden (vgl. auch unten Rdn. 1727 a. E.). Auch Flame D B 1972, 2 will offenbar bei Vorliegen einer A b s a t z f ö r d e r u n g die Problematik dem Hersteller- und nicht dem Finanzierungsleasing z u o r d n e n , spricht aber andererseits auch vom selbständigen Finanzierungsleasing, so daß sich f ü r die Fälle der A b s a t z f ö r d e r u n g der
880
Gegenbegriff des unselbständigen Finanzierungsleasing aufdrängt. n Vgl. auch B G H Z 68, 118, 120, w o das Finanzierungsleasing in einem — freilich viel zu weitgehenden — obiter dictum geradezu als „besondere Form der Absatzfinanzierung" bezeichnet und als solche in Parallele zum finanzierten Abzahlungskauf gestellt wird; dagegen wird in B G H W M 1979, 1040, 1042 die „Beschränkung des Leasinggebers auf die reine Finanzierungsfunktion" hervorgehoben.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
1. Begriff und Wesen des Finanzierungsleasing
strument für den Leasingnehmer ist. Seine Vorteile gegenüber anderen Finanzierungsformen liegen ganz überwiegend auf steuerlichem Gebiet und gehören daher nicht zum Gegenstand dieses Buches. Daneben wird als ein beträchtlicher Vorteil des Leasing angesehen, daß es eine 100 %ige Fremdfinanzierung des geleasten Gegenstandes bzw. seiner N u t z u n g erlaubt, während die Banken bei Hereinnahme des zu finanzierenden Gutes als (gewöhnlicher) Kreditsicherheit in aller Regel erhebliche Risikoabschläge vornehmen, die an dem — besonders niedrigen! — „Zerschlagungswert" bei einer Zwangsverwertung orientiert sind. D a ß die Ausgestaltung der Leasingverträge in erster Linie mit Rücksicht auf die 1 7 1 5 steuerrechtlichen Vorteile erfolgt, beeinflußt die Interessenlage und damit auch die zivilrechtliche Bewertung tiefgreifend. Das führt nämlich zu dem Dilemma, daß der Leasinggeber — häufig eine Bank — einerseits nur an der Finanzierung und dem dabei zu erzielenden Gewinn, nicht jedoch an dem Leasinggegenstand als solchem interessiert ist, sich aber andererseits aus steuerlichen Gründen keinesfalls auf die Position eines bloßen Darlehensgebers und Sicherungsnehmers zurückziehen darf. Dennoch kommt es auch beim Finanzierungsleasing in aller Regel zu einer Funktionsteilung bezüglich des Leasinggegenstandes, die derjenigen bei der Sicherungsübereignung weitgehend ähnelt: dem Leasinggeber sind das Eigentum und die Sicherungsfunktion zugeordnet, während beim Leasingnehmer typischerweise nicht nur die Nutzungsfunktion, sondern auch der ganz überwiegende Teil der Investitionsfunktion liegt. Die h. L. umschreibt das dahin, daß charakteristisch für das Finanzierungsleasing „die Trennung von Vermögenssphäre und unternehmerischer Sphäre hinsichtlich der von einem Unternehmen genutzten Anlagegüter" sei 80 . Diese Formulierung weist indessen insofern einen — möglicherweise durch steuerrechtliche Rücksichten oder Begriffe beeinflußten — Mangel auf, als von Vermögens- statt von Eigentumssphäre die Rede ist. Richtig ist demgegenüber, daß privatrechtlich gesehen eine klare Zuweisung des Leasinggegenstandes an den Leasinggeber nur in eigentumsrechtUcher Hinsicht erfolgt, während er vermögensmißig ganz überwiegend der Rechtssphäre des Leasingnehmers zugehört; ja man kann geradezu sagen, daß die scharfe Abtrennung der „unternehmerischen Sphäre" überhaupt nur deshalb möglich ist, weil sie nahezu völlig mit der „Vermögenssphäre" zusammenfällt und diese ihrerseits eben nicht mit der „Eigentumssphäre" identisch ist, sondern zu ihr in Gegensatz treten kann. Charakteristisch für das Finanzierungsleasing ist demgemäß in genauer Umkehrung der von der h. L. gebrauchten Formulierung, daß das Schicksal des Leasinggegenstandes sich vermögensmäßig ganz überwiegend in der Sphäre des Leasingnehmers und nicht des Leasinggebers auswirkt. Die Grundlagen dieser Funktionsteilung sind vielfältig. Wesentlich ist insoweit 1 7 1 6 zunächst schon der Umstand, daß der Leasinggeber die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zur Gänze oder zumindest zum größten Teil auf den Leasingnehmer abwälzt. Verstärkt wird die Funktionsteilung durch die grundsätzliche Unkündbarkeit des Vertrages während der „Grundmietzeit" und die Unveränderlichkeit des Preises, weil dadurch insoweit die mit dem Gegenstand verbundenen Chancen und Risiken dem Leasingnehmer zugewiesen werden: ob der geleaste Gegenstand rasch veraltet oder sich überdurchschnittlich abnutzt, ob der Leasingnehmer weiterhin Verwendung für ihn hat, wie sich die Preise für derartige Gegenstände entwickeln usw. — alles das sind Fragen, die während der „Grundmietzeit" nicht den Leasinggeber, sondern nur den 80
So grundlegend Flume D B 1972, 1; ebenso, wenngleich o h n e ausdrückliche Bezugnahme auf
Flume z . B . Ebenroth J u S 1978, 589; Waltjen J u r a 1980, 126 f.
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Leasingnehmer als den Träger der Investitionsfunktion berühren; daran ändert sich auch dann nichts 'wesentliches, wenn der Vertrag Preisanpassungsmöglichkeiten enthält wie z. B. u. U. beim langfristigen Immobilienleasing, weil und sofern diese sich nicht auf Wertänderungen des Leasinggegenstandes, sondern auf Schwankungen des Zinsniveaus beziehen. Des weiteren kommt die Übernahme der Investitionsfunktion durch den Leasingnehmer in dem üblichen Ausschluß jeglicher Gewährleistungsansprüche und in der Abwälzung der Folgen von Leistungsstörungen aus dem Geschäft mit dem Hersteller oder Händler zum Ausdruck (vgl. dazu näher unten Rdn. 1741 ff). Schließlich findet sie ihren Niederschlag auch in der typischen und interessengerechten Regelung einer vorzeitigen Vertragsbeendigung, bei der der Leasingnehmer keineswegs von der Pflicht zur weiteren Entrichtung der Leasingraten frei wird, sondern allenfalls deren Abzinsung und die Anrechnung (eines Teils) des Erlöses aus der Verwertung des Leasinggegenstandes verlangen kann (vgl. dazu näher unten Rdn. 1760 ff). 1717
Die beschriebene Funktionsteilung greift i. d. R. sogar auf die Phase nach Ablauf der „Grundmietzeit" und auf die Verteilung des Restwerts des Leasinggegenstandes mehr oder weniger weitgehend über. Ist dem Leasingnehmer z. B. eine Option auf den Erwerb des Gegenstandes oder auf eine Verlängerung der Nutzungsmöglichkeit zu einem im voraus bestimmten Preis eingeräumt, so liegen die mit der Investition verbundenen Chancen weiterhin bei ihm, während die Risiken insoweit den Leasinggeber treffen. Kann umgekehrt dieser den Erwerb des Gutes durch den Leasingnehmer verlangen, so sind die Investitionsrisiken auch jetzt voll von letzterem zu tragen, während die Chancen von ersterem genutzt werden können. Ist vereinbart, daß der Leasinggegenstand veräußert werden soll und daß der Erlös prozentual aufzuteilen ist — z. B. 90 % für den Leasingnehmer und 10 % für den Leasinggeber —, so teilen sich beide Parteien entsprechend der Höhe ihres Anteils Chancen und Risiken. Man darf aber nicht aus dem Auge verlieren, daß die Investitionsfunktion während dieser Phase anders als während der „Grundmietzeit" ihrerseits aufgespalten ist und nur teilweise beim Leasingnehmer, im übrigen aber beim Leasinggeber als dem Eigentümer liegt. Hier schlagen die steuerrechtlichen Notwendigkeiten auf die zivilrechtliche Vertragsgestaltung durch.
d) Die Rechtsnatur des Finanzierungsleasing 1718
Die genaue Funktionsanalyse trägt Früchte bei der dogmatischen Einordnung des Finanzierungsleasing. Aus ihr ergibt sich nämlich unschwer, daß beim Finanzierungsleasing die Kategorie des Handelns für fremde Rechnung heranzuziehen ist. Denn während der „Grundmietzeit", also während der eigentlichen Vertragsdauer und wirtschaftlich wichtigsten Phase des Leasing, hält der Leasinggeber das Eigentum für Rechnung des Leasingnehmers, da Chancen und Risiken, wie dargelegt, grundsätzlich diesem zugewiesen sind. Umgekehrt nutzt der Leasingnehmer den Gegenstand zwar nicht als Eigenbesitzer, wohl aber auf eigene Rechnung. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine rein wirtschaftliche Funktionsbeschreibung ohne rechtliche Auswirkungen. Vielmehr stellt das Handeln für fremde Rechnung eine spezifisch juristische Kategorie von fundamentaler dogmatischer Bedeutung dar. Das zeigt sich nicht nur daran, daß ihm ein eigener schuldrechtlicher Vertragstypus — nämlich die Geschäftsbesorgung in ihren verschiedenen Spielarten — zugeordnet ist, sondern tritt auch auf der dinglichen Ebene dadurch in Erscheinung, daß es Ausgangspunkt und Grundlage für die bekannten konkurs- und zwangsvollstreckungsrechtlichen Besonderheiten bei der Kommission und der Treuhand ist, die richtigerweise auf alle Arten des Handelns für 882
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1. Begriff und Wesen des Finanzierungsleasing fremde Rechnung übertragen werden können 8 1 . Auch schadensersatzrechtlich nimmt das Handeln für fremde Rechnung eine Sonderstellung ein, weil bei ihm, was gewiß kein Zufall ist, die Drittschadensliquidation in besonders weitem Umfang zugelassen wird (vgl. dazu im übrigen auch unten Rdn. 1794 f). Das BGB hat zwar die rechtliche Verselbständigung der Investitions- oder Kapitalherrschaftsfunktion des subjektiven Rechts — d. h. der Möglichkeit, mit einem Gegenstand zu „wirtschaften", ihn also in bestimmter Weise einzusetzen und sich insbesondere ein etwaiges Steigen seines Wertes zunutze zu machen — nicht in der Form eines beschränkt dinglichen Rechts zugelassen, doch ist das durch die Sonderstellung des Handelns für fremde Rechnung teilweise kompensiert worden 8 2 , mag sich diese Tendenz bisher auch nur bei einigen Rechtsinstituten wie vor allem beim Sicherungseigentum und z. T. auch bei den übrigen Fällen der Treuhand in der Praxis voll durchgesetzt haben. Letztlich kann eine moderne Privatrechtsordnung eben nicht auf Dauer den Umstand negieren, daß die Investitionsfunktion einen essentiellen Bestandteil eines jeden Vermögenswerten Rechtsguts bildet, der nicht weniger einer rechtlichen Verselbständigung, also einer rechtlich sanktionierten Trennung von der Innehabung des Vollrechts (insbesondere der Eigentümerstellung) zustrebt als die — traditionell für Gesetzgebung und Dogmatik im Vordergrund stehenden — Funktionen der Nutzung und der Sicherung. Macht man mit der Umsetzung der funktionellen Analyse in die Kategorien des Pri- 1 7 1 9 vatrechts Ernst, so ergibt sich daraus eine neuartige typologische Einordnung des Finanzierungsleasing. Beim Erwerb des Leasinggegenstandes wird der Leasinggeber dann nämlich ähnlich wie ein Einkaufskommissionär tätig 83 , da er den Leasinggegenstand ganz oder überwiegend für fremde Rechnung erwirbt. Seine Weiterleitungspflicht ist — insofern handelt es sich um eine atypische Kommission — auf den Besitz beschränkt, während das Eigentum vereinbarungsgemäß bei ihm verbleibt — vorwiegend zu Sicherungszwecken, aber auch im Hinblick auf das Schicksal des Gegenstandes nach Ablauf des Leasingvertrages. Einer Sicherung bedarf der Leasinggeber, weil sein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen nicht Zug um Zug gegen Übergabe des Gutes bezahlt, sondern gestundet oder, wie man im Einklang mit der Finanzierungsund Kreditierungsfunktion des Finanzierungsleasing wohl besser sagen sollte, in ein Vereinbarungsdarlehen i. S. von § 607 II BGB verwandelt wird, wobei es sich selbstverständlich um ein Geld- und nicht um ein Sachdarlehen handelt 84 . Bezüglich des Leasinggegenstandes handelt der Leasingnehmer als Verwahrer — ähnlich wie bei der 81
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Vgl. näher Canaris Festschr. f ü r Flume, 1978 S. 406 f und S. 423 f. D e r Zusammenhang zwischen der rechtlichen Sonderstellung des Handelns f ü r fremde Rechnung und der Verselbständigung der Kapitalherrschafts- oder Investitionsfunktion des subjektiven Rechts ist noch nicht gesehen bei Canaris a a O (Fn. 81), erhöht jedoch die Überzeugungskraft der d o r t vorgetragenen Grundthese von der dogmanschen Eigenständigkeit des Handelns f ü r fremde Rechnung erheblich. Vgl. auch Koch/Haag BB 1968, 95 f, die einen Geschäftsbesorgungsvertrag annehmen, jedoch den gemischt-typischen C h a r a k t e r des Finanzierungsleasing verkennen; gegen die Annahme eines Geschäftsbesorgungsvertrags z. B. Wagner BB 1969, 109 und Ebenroth JuS 1978, 591 (m. w. Nachw.) mit der petitio principii, der
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Abschluß des Vertrags mit dem Dritten sei ein eigenes Geschäft des Leasinggebers. Ansätze zu einer Qualifikation des Finanzierungsleasing als Sachdarlehen haben sich mit Recht nicht durchgesetzt; vgl. z u r Kritik statt aller Borggrife S. 71. Dieser qualifiziert seinerseits das Finanzierungsleasing als einen „durch die besondere Art des Kreditgeschäfts ( = GebrauchsÜberlassung) bestimmten Kreditvertrag" (S. 72 f), übersieht dabei jedoch das kommissionsrechtliche Element und findet auch für die kreditrechtliche Komponente keine klare und überzeugungskräftige Konstruktion, weil das geltende Recht aus gutem G r u n d nun einmal nicht den „Kreditvertrag" kennt, sondern nur das Darlehen (oder die Ratenzahlungsabrede beim Kauf, die sich indessen von einem Vereinbarungsdarlehen nur in Randfragen wie z. B. der der V e r j ä h r u n g unter-
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing Sicherungsübereignung. Das Eigentum des Leasinggebers ist während der Dauer des Leasingvertrages treuhänderisch oder treuhandähnlich gebunden, stellt aber kein bloßes Sicherungseigentum dar, weil (und sofern) für die Zeit nach Ablauf des Leasingvertrages zumindest ein Teil der Investitionsfunktion beim Leasinggeber liegt und dieser also nicht auf die Stellung eines reinen Sicherungsnehmers beschränkt ist (vgl. oben Rdn. 1717). Die Abreden über die Restverwertung sind wiederum gesondert zu qualifizieren und demgemäß z. B. als Optionsvertrag anzusehen oder als Verkaufskommission, wenn der Leasinggeber den Gegenstand veräußern und der Leasingnehmer den überwiegenden Teil des Erlöses erhalten soll. Insgesamt liegt folglich ein gemischttypischer Vertrag mit kommissions-, darlehens-, verwahrungs-, treuhand- und gegebenenfalls optionsrechtlichen Elementen vor. Er stellt zwar einen einheitlichen Vertrag i. S. von § 139 BGB dar, so daß die Nichtigkeit eines Bestandteils im Zweifel zur Gesamtnichtigkeit führt, ist jedoch grundsätzlich nicht nach der Absorbtions-, sondern nach der Kombinationstheorie zu behandeln, so daß auf jedes der Elemente die Regeln des betreffenden Vertragstypus anzuwenden sind — also z. B. Kommissions- und Geschäftsbesorgungsrecht, Darlehensrecht usw. Daß die Parteien den Vertrag üblicherweise als „Miete" zu bezeichnen pflegen, steht der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen, weil die bloße Nomenklatur anerkanntermaßen nicht ausschlaggebend ist und die vereinbarten Rechtsfolgen gerade nicht mietrechtlicher Natur sind (vgl. auch die folgende Rdn.). Auch im Hinblick auf etwaige steuerrechtliche Auswirkungen sind keine Einwände ersichtlich. Das gilt schon deshalb, weil das Steuerrecht nach dem Prinzip der „Relativität der Rechtsbegriffe" oder mit Hilfe der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise" seine eigenen Wege geht. Wenn es nach dieser z. B. bisher richtig war, die Leasingraten nicht in einen der AfA unterliegenden und einen als Zins zu behandelnden Anteil aufzuspalten, kann das sich nicht plötzlich nur deshalb ändern, weil das Privatrecht insoweit anders verfährt und die Leasingraten teils als Aufwendungen im Sinne des Geschäftsbesorgungsrechts und teils als Zinsen im Sinne des Darlehensrechts behandelt. Das gilt um so mehr, als sich die hier vorgeschlagene Qualifikation vorwiegend bei Fragen auswirkt, die mit Sicherheit steuerrechtlich neutral sind wie z. B. die Anwendung des AGBG, wohingegen für die steuerrechtlich besonders wichtige Phase nach Ablauf der „Grundmietzeit" auch hier der traditionellen Einordnung gefolgt und insbesondere das Eigentum des Leasinggebers nicht zum bloßen Sicherungseigentum degradiert wird. Sollte sich indessen wirklich einmal aus der vorgenommenen Qualifikation eine steuerschädliche Privatrechtsfolge ergeben, müßte diese grundsätzlich über § 157 BGB im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung korrigiert werden. 1720
Im Gegensatz zum hier vertretenen Standpunkt sehen die h. L. und der BGH im Finanzierungsleasing einen atypischen Mietvertrag oder doch jedenfalls einen Vertrag mit überwiegend mietrechtlichen Elementen 85 . Das überzeugt indessen schon deshalb scheidet). Die Folgen zeigen sich Uberdeutlich bei Schmidt-Salzer, der sich zwar Borggräfe anschließt (vgl. Rdn. F. 178 a. E.), dann aber in dem Bemühen um eine Abhebung des Finanzierungsleasing gegenüber dem Anschaffungsdarlehen weitgehend falsch entscheidet (vgl. Rdn. F. 182, F. 183 und F. 186). Aus der Rspr. verdient im vorliegenden Zusammenhang vor allem die Entscheidung B G H W M 1979, 1040, 1042 f H e r vorhebung, die ganz von einer kreditrechtlichen Sichtweise geprägt ist, o h n e daraus freilich dogmatische oder gar typologische Konsequenzen zu
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ziehen (was f ü r die Lösung des z u g r u n d e liegenden Falles auch nicht erforderlich war), Grundlegend Flume DB 1972, 3 ff; vgl. ferner B G H Z 68, 118, 123; 71, 189, 192 f f ; B G H W M 1975, 1203, 1204; 1977, 473, 474 f; O L G Frankfurt N J W 1977, 200; O L G N ü r n b e r g N J W 1977, 152, 153; O L G H a m m W M 1980, 474, 476; Reich S. 68; Hiddemann W M 1978, 836; J. Blomeyer N J W 1978, 973 f; von Westphalen S. 41 f f ; Coester-Waltjen J u r a 1980, 126 f ; Palandt/Putzo Einf. vor § 535 Anm. 4 b ; Schönte § 9 III 2; Bärmann/ Ehling Rdn. 231.
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nicht, weil das Entgelt in seinem ganz überwiegenden Teil nicht laufzeitabhängig, sondern aufwendungsabhängig ist und daher keinen Mietzins im Rechtssinne darstellt 86 ; es wird also nicht für den zeitweiligen Gebrauch, sondern für die Sache selbst — d. h. nicht pro usu rei, sondern pro re 87 — gezahlt. Laufzeitabhängig ist vielmehr nur der in den Leasingraten enthaltene Anteil für die Finanzierungskosten — was mit der hier insoweit vorgeschlagenen darlehensrechtlichen Einordnung adäquat erfaßt wird. Es kommt hinzu, daß der Vermieter den Mietgegenstand in scharfem Gegensatz zum Finanzierungsleasing grundsätzlich für eigene und nicht für Rechnung des Mieters hält; darauf ist die gesamte Ausgestaltung des Mietrechts, insbesondere die Gefahrtragungsregelung in einem solchen Maße zugeschnitten, daß von diesem typusprägenden Merkmal allenfalls aus schlechthin zwingenden Gründen, wie sie beim Leasing gewiß nicht gegeben sind, abgesehen werden sollte. Auch die übliche Regelung bei einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages ist für die Miete geradezu widernatürlich; denn während dabei die Pflicht zur Zahlung des Mietzinses für die Zukunft endet und der Vermieter die Sache zu eigenem Risiko zurückerhält, muß der Leasingnehmer meist — und völlig zu Recht! — die restlichen Leasingraten (abgezinst) weiterbezahlen und zugleich das Risiko der Verwertung des Leasinggegenstandes tragen — eine typisch darlehensrechtliche Gestaltung. So nimmt es denn auch nicht wunder, daß die h. L. so gut wie keine der offenen Fragen des Finanzierungsleasing durch die Heranziehung mietrechtlicher Vorschriften sachgerecht lösen kann, sondern dadurch im Gegenteil eine Vielzahl neuer Probleme künstlich heraufbeschwört und in einem ständigen Kampf gegen die Anwendung des Mietrechts liegt 88 (vgl. z.B. unten Rdn. 1764 ff). Demgegenüber führt die hier vorgeschlagene Qualifikation zu einer nahezu völligen Harmonie zwischen den einschlägigen Rechtsnormen einerseits und der typischen Vertragsgestaltung sowie der Interessenlage andererseits (vgl. z. B. unten Rdn. 1764 ff und 1771 ff) und öffnet darüber hinaus den Blick für wesentliche Aspekte bei Sonderproblemen wie z. B. der Frage nach der analogen Anwendung des AbzG oder der Möglichkeit eines Einwendungsdurchgriffs (vgl. unten Rdn. 1729 f bzw. Rdn. 1751 f). Eine Einschränkung ist allerdings zu machen. Es kann nämlich vorkommen, daß 1721 der Leasingvertrag einem Kunden gewissermaßen untergeschoben wird, der in Wahrheit gar kein echtes Finanzierungsleasing will. Zu denken ist vor allem an geschäftsunerfaburene Kunden ohne Interesse an den steuerrechtlichen Vorteilen des Leasing bzw. ohne Kenntnis von diesen. Dann ist das Etikett der Miete zum Schutze des betreffenden Kunden grundsätzlich beim Wort zu nehmen und die vertragliche Gefahrtragungsregelung demgemäß sowohl auf ihren Überraschungscharakter gemäß § 3 AGBG zu prüfen 8 9 als auch u. U. nach § 9 AGBG am „Leitbild" der gesetzlichen Mietregelung zu messen. Das besagt jedoch nichts zugunsten der h. L., weil hier ein wirkliches Finanzierungsleasing eben in Wahrheit nicht vereinbart ist. Die wichtigste bisherige Gegenposition zur h. L. wird von den Anhängern einer 1 7 2 2 kaufrechtlichen oder vorwiegend kaufrechtlichen Einordnung des Finanzierungsleasing vertreten, wobei teils allgemein die Ähnlichkeit mit einem Kauf in den Vordergrund 86
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Die Laufzeitabhängigkeit der Leasingraten beteuert aus gutem G r u n d Flume a a O , doch entspricht sie nicht den Realitäten. So die Terminologie von Flume a a O . Charakteristisch schon Flume D B 1972, 54 ff, der mit glänzendem Judiz in nahezu allen relevanten Fragen die richtige und also dem Mietrecht widersprechende Lösung vorschlägt (freilich vielfach nur in der Form von Anregungen f ü r die Ausge-
staltung der AGB); bezeichnend ferner das aufwendige — und nicht einmal immer erfolgreiche — Bemühen von Westphalens S. 63 —116, den Konsequenzen seines mietrechtlichen Ausgangspunktes f ü r das AGBG zu entgehen. 8 ' V g l . dazu auch B G H W M 1975, 1203, 1205 f sowie auch den Fall B G H Z 62, 42 = W M 1974, 96 und dazu Hiddemann W M 1978, 837.
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gestellt 90 und teils spezieller ein Rechtskauf angenommen wird 91 - Diese Ansicht ist jedoch vom hier vertretenen Standpunkt aus ähnlichen Einwänden ausgesetzt wie die h. L. Denn zum einen berücksichtigt auch sie nicht, daß der Leasinggeber bezüglich des Leasinggegenstandes grundsätzlich für Rechnung des Leasingnehmers handelt, wodurch sie z. B. hinsichtlich des vollständigen Gewährleistungsausschlusses in Schwierigkeiten kommt; und zum anderen bringt auch sie das darlehensrechtliche Element nicht zum Tragen, was u. a. bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zu falschen Maßstäben führen und bezüglich der Anwendung des AbzG in die Irre leiten kann. 1723
Anders ist freilich zu entscheiden, wenn der Leasinggeber die Leasingraten nicht auf der Basis der effektiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu berechnen hat, sondern vereinbarungsgemäß einen anderen, d. h. i. d. R. höheren Preis zugrunde legen darf. Dann handelt er nicht wie ein normaler Einkaufskommissionär, sondern wie beim Selbsteintritt oder gar beim Eigenhandel. Da er in einem solchen Fall mit seinem Abnehmer einen Kaufvertrag schlösse, richtet sich seine Stellung bei einem derartigen zwischenhändlerischen oder unechten Finanzierungsleasing folgerichtig grundsätzlich in erster Linie nach Kaufrecht. Das entspricht der Interessenlage. Denn wenn der Leasinggeber an dem Vertrieb des Leasingguts als solchem verdienen und also insoweit nicht nur eine tätigkeitsbezogene Provision in Rechnung stellen will, muß er grundsätzlich auch die Pflichten eines auf eigene Rechnung handelnden Zwischenhändlers auf sich nehmen. Andererseits liegt auch hier keine Miete vor, weil das Entgelt zum überwiegenden Teil nicht laufzeitabhängig ist und auch nicht eine miet-, sondern eine kaufrechtliche Risikoverteilung gewollt ist.
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Eine andere Frage ist, wie die Rechtsnatur des absatzfördernden Finanzierungsleasing (vgl. oben Rdn. 1713 Abs. 2) zu beurteilen ist. Es geht dabei um ähnliche Probleme wie bei der Einordnung des finanzierten Abzahlungsgeschäfts. Demgemäß ist auch hier die von den Parteien getroffene Rechtsformenwahl im Ausgangspunkt zu respektieren, weil sie nicht gegen zwingendes Recht verstößt und daher durch das Prinzip der Privatautonomie gedeckt wird. Das bedeutet zum ersten, daß auch hier die Trennungstheorie gilt, d. h., daß zwei unterschiedliche Verträge zwischen dem Leasinggeber und dem Leasingnehmer auf der einen Seite und zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten (Hersteller, Händler usw.) auf der anderen Seite anzunehmen sind. Es bedeutet zum zweiten, daß auch die typologische Wahl der Parteien grundsätzlich anzuerkennen ist und daß der Leasingvertrag demgemäß ebenso zu qualifizieren ist wie ohne das absatzfördernde Element; folglich liegt auch hier ein gemischttypischer Vertrag mit überwiegend kommissions- und darlehensrechtlichen Elementen vor, es sei denn, der Leasinggeber verdient auch noch an dem Leasinggut als solchem, so 90
Besonders pointiert Ebenroth J u S 1978, 592 f, der das Finanzierungsleasing „unter die Ratenkaufverträge einordnen" will; ihm folgend MünchKomm.- Voelskow vor § 535 Rdn. 52; ähnlich auch Staudinger/Emmerich V o r b e m . zu §§ 535 f Rdn. 50; vgl. ferner z . B . Leenen Typus und Rechtsfindung, 1971, S. 155, der das Finanzierungsleasing „in näherer Verwandtschaft zum Kauf als z u r Miete" sieht, während es nach Larenz Schuldrecht II 5 63 III = S. 412 „typologisch zwischen Miete und Kauf", jedoch „der Miete etwas näher steht". 91 So Lwowiki S. 97; Plathc Leasmg Gesc:hah S. 157 und BB 1970, 605; ähnlich fikentscher Schuldrecht § 7 1 V 7 , der von „ N u t z k a u f "
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spricht. O b man Rechts- oder Sachkauf annimmt, dürfte keine wesentliche praktische Rolle spielen, da das Recht hier zum Besitz der Sache berechtigen würde, so daß der Vertrag nach dem in den §§ 433 1 2, 441, 451 BGB zum Ausdruck kommenden Prinzip grundsätzlich den Regeln über den Sachkauf unterläge — und z w a r auch bezüglich der Sachmängelhaftung (vgl. dazu z. B. Larenz a a O § 45 I = S. 126); im übrigen wäre als Gegenstand eines Rechtskaufs hier wohl ohnehin das dogmatisch bereits klar konturierte „Recht zum Besitz" und nicht irgendeine dogmatisch ziemlich diffuse „Nutzungsmöglichkeit" anzusehen.
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2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
daß er nach den Ausführungen in der vorigen Rdn. grundsätzlich wie ein Zwischenhändler nach Kaufrecht zu behandeln ist. Und es bedeutet, wie sich zeigen wird, zum dritten, daß auch die für das finanzierte Abzahlungsgeschäft entwickelten Schutzinstrumente, also vor allem die analoge Anwendung des AbzG und die Lehre vom Einwendungsdurchgriff zu übertragen sind (vgl. näher unten Rdn. 1730 bzw. 1752). Insgesamt ergeben sich also drei Grundtypen des Finanzierungsleasing: erstens das 1 7 2 5 reine Finanzierungsleasing, bei dem der Leasinggeber lediglich eine Finanzierungsfunktion zugunsten des Leasingnehmers, nicht aber die Aufgabe der Absatzförderung zugunsten des Dritten übernimmt und die Leasingraten auf der Grundlage seiner effektiven Anschaffungskosten berechnet; dabei handelt es sich um einen gemischttypischen Vertrag, bei dem Elemente der Einkaufskommission und des Darlehens überwiegen. Zweitens das zwischenhändlerische oder unechte Finanzierungsleasing, bei dem der Leasinggeber nach der vertraglichen Gestaltung am Vertrieb des Leasingguts als solchem verdienen darf; es ist als atypischer Kaufvertrag mit Ratenzahlungsabrede einzuordnen. Drittens das absatzfördernde echte Finanzierungsleasing, bei dem der Leasinggeber mit dem Dritten zur Förderung von dessen Absatz zusammenwirkt, jedoch selbst nicht an dem Leasinggut als solchem verdient; es ist zwar typologisch grundsätzlich ebenso zu qualifizieren wie das reine Finanzierungsleasing, erfährt jedoch einige Korrekturen nach dem Modell des finanzierten Abzahlungsgeschäfts. Als vierte Form kommt ein zwischenhändlerisches absatzförderndes Finanzierungsleasing in Betracht, doch dürfte dieses keine eigenständigen rechtlichen Probleme aufwerfen, weil schon das zwischenhändlerische Moment so weitreichende Rechtsfolgen auslöst, daß sich die absatzfördernde Komponente nicht mehr auswirkt (vgl. unten Rdn. 1753). Keine der erörterten Gestaltungsformen stellt ein Bankgeschäft i. S. von § 1 KWG 1726 dar. Das gilt auch für das reine Finanzierungsleasing — und zwar auch bei der hier vorgeschlagenen darlehensrechtlichen Qualifikation, da es sich auch danach nicht um ein reines Gelddarlehen, sondern um einen gemischttypischen Vertrag handelt und § 1 KWG auf einen solchen wegen des in seinem Geltungsbereich herrschenden Analogieverbots 92 nicht anzuwenden ist. Unter den Kreditbegriff des § 19 I KWG, der nicht analogiefeindlich ist, dürfte das Finanzierungsleasing dagegen fallen — sei es unter Ziff. 1, die sich auf „Gelddarlehen aller (!) Art" bezieht, oder sei es unter Ziff. 3, die „die Stundung aus nicht bankmäßigen Handelsgeschäften von Kreditinstituten über die handelsübliche Frist hinaus" erfaßt. 2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer Angesichts der Fülle vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten und -formen kann das 1727 Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer im folgenden nur in seinen Grundzügen erörtert werden. Dabei geht es zum einen um einige allgemeine Probleme wie die Frage nach der Anwendbarkeit des AbzG, zum anderen aber um nichts Geringeres als die Entwicklung eines ungeschriebenen „Leitbilds" für das Finanzierungsleasing, mit dessen Hilfe sich lückenhafte Verträge ergänzen lassen und das außerdem der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG zugrunde zu legen ist. Denn das Finanzierungsleasing ist heute trotz der Vielfalt seiner Erscheinungsformen in seinem Kern so fest umrissen, daß man nicht mehr nur einzelne Verträge nach § 157 BGB ergänzend auslegt, sondern in Wahrheit zwangsläufig Sätze des objektiven (dispositiven) Rechts im Wege der Rechtsfortbildung praeter legem aufstellt, wenn man sagt, daß Finanzierungsleasingverträge „im Zweifel" in bestimmter Weise zu verstehen bzw. zu ergänzen '2 Vgl. zu diesem n ä h e r Canaris
BB 1978, 228.
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15. A b s c h n i t t . S o n d e r f o r m e n d e s K r e d i t g e s c h ä f t s . III. D a s F i n a n z i e r u n g s l e a s i n g
seien oder daß für sie eine bestimmte Regelung angemessen sei gilt also, die oben Rdn. 1712 f gegebene verhältnismäßig karge schuldrechtlichen Typus zu verdichten. Dabei wird vom reinen ausgegangen; inwieweit sich für das absatzfördernde und das oder unechte Finanzierungsleasing Abweichungen ergeben, ist prüfen.
bzw. sich gehöre. Es Definition zu einem Finanzierungsleasing zwischenhändlerische jeweils gesondert zu
a) Der Abschluß des Leasingvertrages und die Problematik der analogen Anwendung des AbzG 1728 Für das Stadium des Vertragsschlusses ist die praktisch und dogmatisch wichtigste Frage, ob auf das Finanzierungsleasing das AbzG anzuwenden ist und ob demgemäß die Formvorschrift des § 1 a AbzG und das Widerrufsrecht des § 1 b AbzG gelten. Der BGH macht nach der sogenannten Erwerbstheorie die Anwendung des AbzG davon abhängig, ob dem Leasingnehmer das Recht eingeräumt ist, die Sache nach Vertragsende zu erwerben; bei einer Verpflichtung zum Erwerb oder bei der Vereinbarung, daß die Sache nach Vertragsende verkauft werden und der Erlös überwiegend dem Leasinggeber gebühren soll, will der BGH dagegen das AbzG nicht a n w e n d e n 9 ^ . Demgegenüber soll es nach der sogenannten Kostentheorie darauf ankommen, ob der Leasingnehmer während der Grundmietzeit im wesentlichen den Gegenwert für die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten aufbringen muß 9 4 . 1729
Beide Theorien sind schon im Ansatz insofern verfehlt, als sie den Einstieg in die Problematik falsch wählen. Dagegen öffnet die hier vertretene darlehensrechtliche Sichtweise (vgl. oben Rdn. 1719) sofort den Blick für das entscheidende Kriterium. Dieses liegt in der Parallele zum Finanzierungsdarlehen: ebenso wie dort ist, wenn man die Formulierung der Rspr. zugrunde legt, grundsätzlich zu fragen, ob Verkäufer bzw. Hersteller und Leasinggeber dem Leasingnehmer als eine „wirtschaftliche Einheit" gegenübertreten bzw. ob beide Geschäfte sich zu einer „wirtschaftlichen Einheit" ergänzen würden, wenn der Leasingnehmer die Sache vom Hersteller oder Händler gekauft und dieses Geschäft beim Leasinggeber refinanziert hätte (vgl. oben Rdn. 1477 ff). Dann aber ist es evident, daß man nur zur generellen Unanwendbarkeit dies AbzG beim reinen Finanzierungsleasing kommen kann. In der Tat erscheint es schon vom Ergebnis her widersinnig, z. B. eine Anwaltskanzlei oder ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen, das sich einen Computer ausgesucht hat und dessen Anschaffung im Wege des Leasing finanzieren will, mit Hilfe von §§ 1 a, 1 b AbzG vor Übereilung und Übertölpelung zu schützen. Das wird nicht besser, sondern im Gegenteil noch schlimmer, wenn man diesen Schutz auf den — für den Leasingnehmer doch günstigeren! — Fall beschränkt, daß er ein Erwerbsrecht, nicht aber eine Erwerbspflicht nach Ablauf der „Grundmietzeit" hat. Mit dem Hinweis darauf, daß § 8 AbzG nun einmal für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und dgl. die Geltung des AbzG unausweichlich mache, sollte man sich hier nicht beruhigen, weil dessen Schutz beim reinen Finanzierungsleasing ganz überwiegend oder gar fast ausschließlich diesem Personenkreis zugute kommt und es daher anders als z. B. beim finanzierten Abzahlungskauf nicht lediglich um einen Rand-, sondern um den Zentralbereich der Anwendung des AbzG geht. «5 Vgl. B G H Z 62, 42, 45; 68, 118, 121; 71, 196, 200 f; B G H W M 1975, 1203, 1205; 1979, 1385, 1386; O L G H a m m W M 1980, 474, 476 und Z I P 1980, 989, 990; LG Duisburg D B 1980, 1934; ebenso oder ähnlich im Schrifttum z . B . Reich N J W 1973, 1616 und J u S 1973, 483; Mosel N J W 888
1974, 1454; von Westphalen S. 193 f; CoesterWaltjen J u r a 1980, 192 f. Vgl. z. B. O L G Köln N J W 1973, 1615 sowie die N a c h w . zum älteren Schrifttum in B G H Z 68, 118, 120.
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
Was die dogmatischen Grundlagen angeht, so kann man zu dem hier vertretenen Ergebnis auch dann ohne besondere Schwierigkeiten kommen, wenn man das Finanzierungsleasing anders qualifiziert. Denn es geht ja ohnehin nur um eine analoge Anwendung des AbzG. In deren Rahmen aber kann man unschwer den Gedanken berücksichtigen, daß der Leasinggeber, soweit es um seine — hier von jedem Standpunkt aus maßgebliche — Funktion als Kreditgeber geht, beim reinen Finanzierungsleasing die Stellung eines bloßen Geld- und nicht eines Warenkreditgebers hat. Das aber reicht für die Anwendung des AbzG nun einmal nicht aus, wie seit der Diskussion um den „finanzierten Abzahlungskauf" endgültig klar sein sollte. Oder anders gesprochen: ob der Leasingnehmer zur Finanzierung seiner Investition „auf eigene Faust" ein Darlehen aufnimmt (vgl. dazu oben Rdn. 1480) oder ob er sich „auf eigene Faust" einen Leasinggeber aussucht, kann für die Anwendung des AbzG keinen Unterschied machen. Die Kehrseite dieser Argumentation zeigt sich beim absatzfördernden Finanzie- 1 7 3 0 rungsleasing (vgl. zum Begriff oben Rdn. 1713). Folgerichtig muß man nämlich bei diesem sagen, es könne keinen Unterschied machen, ob der Händler dem Kunden ein Darlehen bei einer Bank oder statt dessen die Finanzierung durch einen Leasinggeber vermitteltes bzw. ob Händler und Finanzierungsinstitut auf der Basis eines Finanzierungsdarlehens oder eines Finanzierungsleasing zusammenarbeiten. Hier besteht auch ein unbestreitbares rechtspolitisches Bedürfnis für eine Anwendung des AbzG, da anderenfalls die für das Finanzierungsdarlehen entwickelten Schranken ziemlich mühelos durch das Ausweichen auf das Finanzierungsleasing unterlaufen werden könnten 9 6 . Tatbestandlich wird man dabei im wesentlichen dieselben Abgrenzungskriterien verwenden können wie beim Finanzierungsdarlehen; vom Standpunkt der Rspr. aus sollte man also auch beim absatzfördernden Finanzierungsleasing mit der Formel von der wirtschaftlichen Einheit arbeiten, während vom hier vertretenen Standpunkt aus grundsätzlich die Merkmale der Vermittlung und der Bindung den Ausschlag geben (vgl. oben Rdn. 1480). Gleichzeitig ermöglicht dieser Lösungsvorschlag, auch beim absatzfördernden Finanzierungsleasing die Erwerbstheorie aufzugeben. Wenn nämlich in ihr überhaupt ein richtiger Kern steckt, dann liegt er in dem Bemühen, die Anwendung des AbzG nicht ausufern zu lassen — was indessen nur beim reinen Finanzierungsleasing berechtigt ist. Beim absatzfördernden Finanzierungsleasing sollte man dagegen rigoros sein und seine Augen nicht davor verschließen, daß der Vertrag für den Leasingnehmer privatrechtlich gesehen im wesentlichen die Funktionen eines Kaufs erfüllt und ihn insbesondere bezüglich der Risikotragung wie bei einem solchen (oder noch schlechter) stellt. Nimmt man hinzu, daß der Leasingnehmer beim Vollamortisationsvertrag den gesamten Kaufpreis zu übernehmen und auch noch Zinsen für die Kreditierung zu zahlen hat, so erscheint die Anwendung von § 6 AbzG geradezu unausweichlich. Das gilt nicht nur dann, wenn der Leasingnehmer eine Erwerbsoption hat, sondern auch 95
Eine solche Vermittlung lag offenbar im Fall B G H Z 68, 118 vor, wo der Leasingnehmer bei dem Hersteller oder Händler das Formular über den Leasingvertrag unterzeichnete und wo der BGH überdies das Finanzierungsleasing wohl nicht zufällig kurzerhand als „besondere Form der Absatzfinanzierung" bezeichnet hat; ob freilich wirklich die Voraussetzungen, unter denen beim Finanzierungsdarlehen die Anwendbarkeit des AbzG zu bejahen ist, erfüllt waren, läßt sich
dem mitgeteilten Tatbestand nicht mit Sicherheit entnehmen. Um ein reines Finanzierungsleasing dürfte es sich dagegen im Fall B G H Z 71, 196 gehandelt haben. " V g l . auch Bender N J W 1980, 1135 f, dessen Besorgnis insoweit durchaus berechtigt ist; auch von Westphalen sieht inzwischen die Gefahren klar, scheint eine Abhilfe aber nur de lege ferenda für möglich zu halten, vgl. M D R 1980, 444 ff.
Claus-Wilhelm Canaris
889
15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
und erst recht dann, wenn der Leasinggeber ein Andienungsrecht hat; denn diese Vertragsgestaltung ist f ü r den Leasingnehmer noch gefährlicher, da er bei ihr die vollen Risiken eines Käufers ohne Ausgleich durch die vollen Chancen zu tragen hat. Ebensowenig darf die Anwendung des AbzG daran scheitern, daß der Leasingnehmer am Verkaufserlös beteiligt ist; das zeigt doch nur, in welchem Maße ihm die Sache vermögensmäßig und wirtschaftlich zugewiesen ist und betont daher die Kaufähnlichkeit eher als daß es sie abmildert. Im übrigen ist das Schicksal der Sache nach Ablauf der „Grundmietzeit" sowohl psychologisch für die Parteien als auch typologisch f ü r die Privatrechtsordnung von ganz untergeordneter Bedeutung, so daß es auch aus diesem Grunde geradezu paradox ist, ausgerechnet von der vertraglichen Gestaltung dieser Nebenfrage die Anwendbarkeit des AbzG abhängig zu machen. Auch wird dabei der Schutzzweck des AbzG zu einseitig gesehen, liegt dieser doch seit Einführung der §§ 1 a und 1 b keineswegs mehr allein oder auch nur vorwiegend in der Verhinderung des gleichzeitigen Verlusts von W a r e und Raten^ 7 — die überdies z. T. auch mit anderen Mitteln wie S 9 AGBG oder analoger Anwendung von S 1229 BGB zu erreichen ist (vgl. unten Rdn. 1773) —, sondern mindestens ebensosehr in der Bewahrung vor Ubereilung und Übervorteilung. Allerdings darf es aus Gründen der Rechtssicherheit in der T a t nicht zu der vom B G H befürchteten Rechnerei kommen, wie sie nach seiner Meinung die Kostentheorie zur Folge hat^B. Das wäre indessen nur der Fall, wenn die effektiven Kosten des Leasinggebers im Einzelfall u n d / o d e r die Relation zwischen den Leasingraten und den Kosten eines entsprechenden Ratenkaufs maßgeblich wären. Davon kann jedoch keine Rede sein. Vielmehr gehört es, w o f ü r freilich die Miettheorie den Blick verstellt, von vornherein zu Begriff und Typus des (echten) Finanzierungsleasing, daß der Leasingnehmer die Anschaffungskosten zu tragen hat — mögen diese ausgewiesen werden oder nicht (vgl. oben Rdn. 1712 und unten Rdn. 1737). Ebenso wie nach der Erwerbstheorie ist also auch vom hier vertretenen Standpunkt aus der Inhalt des Vertrages maßgeblich, wobei man sich häufig schon an der Verwendung des Wortes Leasing, zumindest aber an der für dieses charakteristischen Risikoabwälzung auf den Leasingnehmer orientieren kann. Daß ein gewisses Maß von einzelfallbezogener Unsicherheit bleiben mag, ist wie bei jedem Umgehungsproblem unvermeidlich und wird z. B. auch beim finanzierten Abzahlungsgeschäft ohne weiteres in Kauf genommen. Die Anwendbarkeit des AbzG sollte man dabei grundsätzlich auch auf Teilamortisationsverträge erstrecken, weil und sofern der Leasingnehmer wie üblich den überwiegenden Teil der Anschaffungskosten zu tragen hat. D a ß der Rest grundsätzlich vom Leasinggeber aufzubringen ist, ist nach der Absorbtionstheorie unerheblich, zumal der Leasingnehmer ja auch seinerseits weniger erhält als bei einem Vollamortisationsvertrag oder gar bei einem echten Kauf und häufig einem Andienungsrecht des Leasinggebers ausgesetzt ist. 1731
Erst recht muß das zwischenhändlerische Finanzierungsleasing (vgl. oben Rdn. 1723) als verdecktes Abzahlungsgeschäft i. S. von S 6 AbzG angesehen werden — und zwar ohne daß es hier auf ein Zusammenwirken zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten ankommt. Denn wenn der Leasinggeber an dem Absatz des Gutes selbst verdienen kann, hat er die Funktion eines Verkäufers und U^arewkreditgebers, so daß insoweit "
Zu eng daher B G H Z 68, 118, 121: „Durch das Abzahlungsgesetz — und das gilt auch f ü r Umgehungsgeschäfte im Sinne des § 6 AbzG — soll der Teilzahlungskäufer in erster Linie gegen die naheliegende G e f a h r geschützt werden, daß er bei Leistungsstörungen die Sache ohne Rückgewähr seiner bereits erbrachten Leistungen endgültig
890
zurückgeben muß und damit gleichzeitig Besitz, Anwartschaftsrecht und gezahlte Kaufpreisraten verliert". '8 Vgl. B G H Z 71, 196, 200, w o das Berufungsgericht sogar einen Bankfachmann als Zeugen angehört hatte.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer keine Bedenken gegen die Anwendung des AbzG bestehen. Daß der Vertrag nicht ohne weiteres auf den endgültigen Eigentumserwerb des Leasingnehmers gerichtet ist, ist aus den in der vorigen Rdn. genannten Gründen unerheblich. Gewisse Schwierigkeiten kann die genaue Bestimmung der von § 1 a AbzG vorge- 1732 schriebenen Preisangaben bereiten, doch sind sie nicht u n ü b e r w i n d l i c h ^ . Als „Barzahlungspreis" im Sinne dieser Vorschrift ist der Anschaffungspreis anzusehen. Diesen müßte der Leasingnehmer nämlich aufbringen, wenn er die Sache nicht im Wege des Finanzierungsleasing, sondern durch ein Bargeschäft erwürbe. In den „Teilzahlungspreis" sind nicht nur die Leasingraten und eine etwaige Anzahlung, die auch beim Finanzierungsleasing vorkommt, einzurechnen, sondern auch der Optionspreis, den der Leasingnehmer für eine Verlängerung des Leasing oder für den Erwerb des Leasinggutes gegebenenfalls zahlen muß — gleichgültig, ob er ein Optionsrecht oder der Leasinggeber ein Andienungsrecht hat. Denn das gehört zu dem Preis, den ihn die S.ache insgesamt kosten kann, und ist daher für den Vergleich mit dem Barpreis heranzuziehen. Ist ein Optionspreis nicht von vornherein festgelegt, muß ihn der Leasinggeber in realistischer Schätzung angeben und die von § 1 a AbzG geforderte Berechnung auf dieser hypothetischen Grundlage vornehmen (und als hypothetisch kennzeichnen). Soll das Leasinggut nach Ende des Leasingvertrags veräußert werden, ist der mutmaßliche Erlös vorauszuschätzen und der auf den Leasinggeber entfallende Anteil in den „Teilzahlungspreis" als hypothetische Größe einzubeziehen. Ist gar keine Regelung über das Schicksal der Sache nach Ende der „Grundmietzeit" getroffen und kann der Leasinggeber diese somit kraft seines Eigentums voll für sich beanspruchen, ist der volle geschätzte Restwert einzusetzen. Sofern der Vertrag ohnehin eine Restwertbestimmung enthält, kann von dieser ausgegangen werden, es sei denn, sie ist offenkundig unrealistisch. Sieht man das Erfordernis von Schätzungen de lege lata als zu kühn an, ist es immer noch besser, den Teilzahlungspreis allein auf der Grundlage der feststehenden Posten zu berechnen als § 1 a AbzG völlig außer Anwendung zu lassen. b) Die Pflichten der Parteien Der Leasinggeber hat in erster Linie die Pflicht zum Abschluß des Vertrags mit dem 1733 Dritten und zur Auszahlung des Entgelts an diesen. Dabei hat er analog § 384 I H G B beim reinen Finanzierungsleasing grundsätzlich das Interesse des Leasingnehmers zu wahren und sich strikt an dessen Weisungen zu halten, weil er im wesentlichen für dessen Rechnung tätig wird (vgl. oben Rdn. 1718). Das gilt grundsätzlich auch beim Teilamortisationsvertrag; zwar handelt der Leasinggeber hier u. U. zu einem kleinen Teil auch für eigene Rechnung, doch ist das zumal bei Vereinbarung eines Andienungsrechts von so untergeordneter Bedeutung, daß insoweit die Absorbtionstheorie anzuwenden und die Rechtsfolge allein im Hinblick auf die Fremdgeschäftsführung zu bestimmen ist. Gelingt dem Leasinggeber ein Geschäftsabschluß zu einem niedrigeren Preis als mit dem Leasingnehmer besprochen, hat er diesen analog § 387 H G B grundsätzlich der Berechnung der Leasingraten zugrunde zu legen, es sei denn, es war ein zwischenhändlerisches Finanzierungsleasing vereinbart (vgl. dazu oben Rdn. 1723). Auf der anderen Seite darf der Leasinggeber etwaige nachträgliche Preiserhöhungen auch ohne besonderen vertraglichen Vorbehalt an den Leasingnehmer weitergeben,
99
A. A. o f f e n b a r Reich J Z 1975, 554 und w o h l von Westpbalen M D R 1980, 447 f ; dagegen in B G H Z 62, 42 f ü r einen „ M i e t k a u f " , w o insoweit ähnliche Schwierigkeiten wie
auch wird sich beim
Finanzierungsleasing ergeben k ö n n e n , mit Selbstverständlichkeit von der A n w e n d b a r k e i t des § 1 a AbzG ausgegangen.
Claus-Wilhelm Canaris
891
15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
weil dies der Kommissionsähnlichkeit und damit dem Typus des reinen Finanzierungsleasing entspricht. 1734
Analog § 384 II H G B hat der Leasinggeber weiterhin die Pflicht zur Rechenschaftslegung über das mit dem Dritten abgeschlossene Geschäft. Dabei dürfte es sich um eine Kardinalpflicht handeln, die nach § 9 II AGBG in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich nicht abbedungen werden kann, doch kann in einem ausdrücklichen Ausschluß dieser Pflicht ein Indiz dafür liegen, daß in Wahrheit kein reines, sondern ein zwischenhändlerisches Finanzierungsleasing gewollt ist.
1735
Folgerichtig wird man grundsätzlich auch das Prinzip der formalen Auftragsstrenge, das die Geschäftsbesorgungstätigkeit der Kreditinstitute beherrscht (vgl. z. B. oben Rdn. 327 zur Giroüberweisung und unten Rdn. 1936 zur Effektenkommission), auf das reine Finanzierungsleasing übertragen können. Der Leasinggeber hat demgemäß mangels abweichender vertraglicher Bestimmung einerseits genau die Weisungen des Leasingnehmers zu befolgen, sofern dieser ihm nicht etwas Rechtswidriges wie z. B. einen Verstoß gegen den Vertrag mit dem Dritten befiehlt, ist aber andererseits, seiner Rolle als bloßem Finanzier entsprechend, i. d. R. auch nicht verpflichtet, sich Gedanken über die Zweckmäßigkeit des vom Leasingnehmer vorgeschriebenen Vorgehens zu machen (vgl. dazu auch unten Rdn. 1742).
1736
Eine Pflicht zur Verschaffung des Besitzes am Leasinggegenstand hat der Leasinggeber vom hier vertretenen Standpunkt aus, wonach seine Rechtsstellung hinsichtlich der Beschaffung des Leasinggegenstandes im wesentlichen am Leitbild des Einkaufskommissionärs auszurichten ist (vgl. oben Rdn. 1719), im Gegensatz zur herrschenden Miettheorie wie auch zur Kauftheorie grundsätzlich nicht. Vielmehr ist er analog § 384 II H G B nur zur Abtretung des Anspruchs auf den Besitz sowie etwaiger Sekundäransprüche bzw. zur Weitergabe des etwa von ihm erlangten Besitzes verpflichtet. Eine Pflicht zur Weiterleitung des Eigentums, wie sie bei der typischen Einkaufskommission gegeben ist, besteht dagegen nicht, weil sie den steuerrechtlichen Zwecken des Finanzierungsleasing sowie dem Sicherungsinteresse des Leasinggebers widerspräche, so daß insoweit eine atypische Lage gegenüber dem Normalfall der Einkaufskommission vorliegt (vgl. auch schon oben Rdn. 1719).
1737
Der Leasingnehmer hat die Pflicht zur Zahlung des vereinbarten Entgelts. Dieses stellt entgegen der Miettheorie und der Kauftheorie nicht in voller H ö h e eine echte synallagmatische Gegenleistung dar, sondern setzt sich grundsätzlich im wesentlichen aus drei unterschiedlichen Bestandteilen zusammen: dem an den Dritten zu entrichtenden Entgelt bzw. beim Teilamortisationsvertrag (vgl. oben Rdn. 1710 a. E.) einem Teil desselben, bei dessen Abwälzung auf den Leasingnehmer es sich vom hier vertretenen Standpunkt aus zunächst um vom Leasingnehmer gemäß oder analog §§ 675, 670 BGB zu ersetzende Aufwendungen und sodann um ein Vereinbarungsdarlehen handelt (vgl. oben Rdn. 1719); der Provision f ü r die Tätigkeit des Leasinggebers, die echte Gegenleistung ist und die man erforderlichenfalls in eine Provision für den Abschluß und die Durchführung des Geschäfts mit dem Dritten sowie eine Provision f ü r die mit der Finanzierung verbundene Tätigkeit (nach Art der bekannten „Bearbeitungsgebühr" beim Darlehen) aufspalten kann und muß; und schließlich dem Zinsanteil, der die Gegenleistung für die Kapitalüberlassung darstellt. Daß diese Bestandteile im Leasingvertrag nicht gesondert ausgewiesen und aufgeschlüsselt werden, ändert privatrechtlich nichts daran, daß sie juristisch gesehen in dem vom Leasingnehmer zu entrichtenden Gesamtentgelt enthalten sind. Das zeigt sich vor allem bei einem Fehlschlagen des Leasingvertrages und bei dessen vorzeitiger Beendigung, w o man zu sachgerechten 892
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
Ergebnissen nur bei einer klaren Trennung zwischen den einzelnen Entgeltsteilen kommt (vgl. eingehend unten Rdn. 1741 ff, 1755, 1771 ff). Andererseits darf man selbstverständlich auch nicht außer Betracht lassen, daß der 1 7 3 8 Leasinggeber eine einheitliche Leistung erbringt und dafür nach der Vertragsgestaltung einheitlich honoriert wird. So wäre es z. B. völlig abwegig, für die Problematik des Wuchers den Zinsanteil herauszurechnen und ihn mit dem marktüblichen Zins für Finanzierungsdarlehen zu vergleichen. Dem steht schon entgegen, daß das Finanzierungsleasing wesentlich durch seine steuerlichen Zwecke und Vorteile geprägt ist und daher eine eigenständige Leistung darstellt, für die man einen eigenen Markt auch dann anerkennen muß, wenn man grundsätzlich in diesem Punkt sehr zurückhaltend ist (vgl. dazu oben Rdn. 1297); auch ist das Risiko beim Finanzierungsleasing besonders hoch, weil auf zusätzliche Sicherheiten i. d. R. verzichtet wird. Für die Verjährung des Anspruchs auf die Leasingraten gilt vom Boden der hier ver- 1 7 3 8 a tretenen darlehensrechtlichen Sichtweise aus grundsätzlich die vierjährige Frist des § 197 BGB, weil in den Raten sowohl Zinsen als auch Kapitalanteile enthalten sind und daher § 197 B G B als lex specialis die dreißigjährige Frist des § 195 B G B verdrängt (vgl. oben Rdn. 1332a). Miet- und Kauftheorie führen dagegen zu einer zweijährigen Frist nach § 196 I Nr. 6 bzw. Nr. 1 BGB. Daß das sachgerechter ist als die Anwendung von § 1 9 7 B G B , kann man angesichts der Finanzierungs- und Investitionsfunktion des Leasing keinesfalls sagen, doch ist die Verjährungsproblematik im Hinblick auf die zahlreichen Zufälligkeiten der gesetzlichen Regelung i. d. R. ohnehin kein sonderlich geeigneter Prüfstein für die Richtigkeit einer typologischen Einordnung. Von dem gleichen Pflichteninhalt wie beim reinen Finanzierungsleasing ist grund- 1 7 3 9 sätzlich auch beim absatzfördernden oder unechten Finanzierungsleasing auszugehen, weil die Parteien sich dabei an das Modell des reinen Finanzierungsleasing anlehnen und diese Rechtsformenwahl im Prinzip zu respektieren ist (vgl. oben Rdn. 1724). Korrekturen erfolgen hier jedoch durch analoge Anwendung des AbzG (vgl. oben Rdn. 1730) und durch Zulassung des Einwendungsdurchgriffs (vgl. unten Rdn. 1752). Grundlegend anders ist die Rechtsstellung des Leasinggebers demgegenüber beim 1 7 4 0 zwischenhändlerischen Finanzierungsleasing (vgl. zum Begriff oben Rdn. 1723). Denn wer als Zwischenhändler und damit wie ein Verkäufer tätig wird, ist einerseits weder weisungsgebunden noch rechenschaftspflichtig, hat aber andererseits die Pflicht, seinem Abnehmer die Sache zu verschaffen und ihm nicht lediglich die Ansprüche gegen seinen Vormann abzutreten. Hat freilich der Leasingnehmer den Dritten ausgewählt, so ist das u. U. bei der Konkretisierung der Rechtsfolgen zu berücksichtigen; beispielsweise wird man den Dritten in einem solchen Falle grundsätzlich nicht als Erfüllungsgehilfen des Leasinggebers ansehen können (vgl. im übrigen auch unten Rdn. 1753). c) Die Auswirkungen von Störungen aus dem Bereich des Geschäfts mit dem Dritten beim reinen Finanzierungsleasing Erhält der Leasingnehmer den Leasinggegenstand nicht, so kommt es in erster Linie 1 7 4 1 darauf an, welche Aufwendungen dem Leasinggeber aus dem Geschäft mit dem Dritten erwachsen sind. Scheitert dessen Ausführung z. B. wegen einer Nichterfüllung durch den Dritten, wegen einer von diesem zu vertretenden Unmöglichkeit oder wegen seines Verzugs, so hat der Leasinggeber grundsätzlich keine Pflicht zur Zahlung des Entgelts an ihn. Ist dessen Auszahlung bisher unterblieben, so sind dem Leasinggeber demgemäß noch keine Aufwendungen für das Leasinggut entstanden, so daß insoweit ein Ersatzanspruch nach §§ 675, 670 B G B nicht in Betracht kommt und somit auch für Claus-Wilhelm Canaris
893
15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
dessen Umwandlung in ein Vereinbarungsdarlehen (vgl. oben Rdn. 1719) weder Raum noch Bedürfnis besteht. Der Leasinggeber hat also keinen Anspruch auf Zahlung der Leasingraten 100 . Wohl aber kann er eine Provision für seine bisherige Tätigkeit verlangen. § 396 I 1 HGB, wonach der Provisionsanspruch grundsätzlich von der „Ausführung" des Geschäfts, also dessen ordnungsgemäßer Erfüllung durch den Dritten 1 0 1 abhängt, steht nicht entgegen. Beim reinen Finanzierungsleasing liegt es nämlich insofern atypisch gegenüber dem Normalfall der Kommission, als die Auswahl des Dritten hier grundsätzlich Sache des Leasingnehmers, also des „Kommittenten" ist. Daher paßt die ratio von § 396 I 1 HGB, daß die Auswahl eines zur „Ausführung" des Geschäfts willigen und fähigen Dritten grundsätzlich in die Risikosphäre des Kommissionärs fällt 102 , beim echten Finanzierungsleasing nicht. Vielmehr ist § 396 I 2 Halbs. 2 HGB, wonach der Kommissionär Provision verlangen kann, wenn die Ausführung des Geschäfts aus einem in der Person des Kommittenten liegenden Grund unterblieben ist, analog anzuwenden, wofür sich unterstützend auch die Regel des § 354 H G B anführen läßt. Zusätzlich kann der Leasingnehmer konkrete, gerade für dieses Geschäft gemachte Aufwendungen gemäß §§ 675, 670 BGB in Rechnung stellen, während die Generalunkosten durch die Provision mitabgedeckt werden 1 0 3 . Etwa schon angefallene Aufwendungen für die Refinanzierung kann der Leasinggeber dagegen grundsätzlich nicht ersetzt verlangen 104 , da er insoweit nicht wie ein Kommissionär, sondern wie ein Darlehensgeber tätig wird und dieser bei einem Scheitern des geplanten Darlehens seine Kosten grundsätzlich, d. h. mangels besonderer Absprache nicht ersetzt erhält. Der Leasingnehmer seinerseits hat gegen den Leasinggeber einen Anspruch auf Abtretung etwaiger Ansprüche gegen den Dritten; dabei sind grundsätzlich die Regeln über die Drittschadensliquidation anzuwenden (vgl. näher unten Rdn. 1794). 1742
Ebenso ist grundsätzlich bei einer pflicht- oder weisungswidrigen Auszahlung des Entgelts an den Dritten durch den Leasinggeber zu entscheiden. Der Leasinggeber hat also auch hier keinen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, es sei denn, ihn trifft kein Verschulden; denn es fehlt an dem Erfordernis von § 670 BGB, daß er die Aufwendung „den Umständen nach für erforderlich halten darf". Andererseits ist es dann folgerichtig und entspricht insbesondere dem Rechtsgedanken von §§684, 812 BGB, daß er in diesem Fall dem Leasingnehmer seinen RückZahlungsanspruch gegen den Dritten entgegen dem Grundsatz von §§ 667 BGB, 384 II H G B nicht abzutreten braucht. Wann und wie gezahlt wird, entscheidet beim reinen Finanzierungsleasing grundsätzlich der Leasingnehmer, weil ihm insoweit das Weisungsrecht zusteht (vgl. oben Rdn. 1733). Die besonderen Schutz- und Fürsorgepflichten, wie sie die Rspr. der Bank bei der Auszahlung der Darlehensvaluta an den Verkäufer im Rahmen des finanzierten Abzahlungsgeschäfts auferlegt (vgl. oben Rdn. 1440 Abs. 2), lassen sich auf das reine Finanzierungsleasing — anders als auf das absatzfördernde Finanzierungsleasing — nicht übertragen, weil sie mit der Interessenlage und dem Grundsatz der formalen Auftragsstrenge (vgl. oben Rdn. 1735) nicht vereinbar sind. Dagegen dürfte es zu weit gehen, dem Leasinggeber wegen des Verstoßes auch noch den Provisionsanspruch abzusprechen. Vielmehr gelten insoweit die Ausführungen in der vorigen Rdn. entsprechend. § 385 I HGB, wonach der Kommittent bei wei100 Ebenso i. E. Flume DB 1972, 55 f. >01 Vgl. statt aller Koller G r o ß k o m m , zum 5 396 Anm. 9 m. N a c h w . 102 Vgl. Koller a a O Anm. 8.
894
HGB3
'03 Vgl. Koller a a O Anm. 29. 104 Vgl auch, wenngleich in etwas anderem Zusammenhang, von Westphalen S. 56.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
sungswidrigem Handeln des Kommissionärs „das Geschäft nicht für seine Rechnung gelten zu lassen braucht", steht nicht entgegen, da die h. L. diese Vorschrift mit Recht nur auf Verstöße beim Abschluß des Geschäfts mit dem Dritten, nicht aber auch bei dessen Ausführung bezieht 1 0 5 . Ist dem Leasinggeber durch den Weisungsverstoß ein Schaden entstanden, kann er ihn aus positiver Forderungsverletzung ersetzt verlangen und gegen den Provisionsanspruch aufrechnen. Die Rechtslage ändert sich grundlegend bei einer pflichtgemäßen Auszahlung des 1 7 4 3 Entgelts an den Dritten. Hier hat das Finanzierungsinstitut nämlich trotz der Leistungsstörung außer dem Provisionsanspruch (vgl. oben Rdn. 1741 Abs. 2) folgerichtig auch einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 675, 670 BGB und ist lediglich analog § 384 II H G B zur Abtretung seines etwaigen RückZahlungsanspruchs gegen den Dritten verpflichtet. Das bedeutet insbesondere, daß das Risiko einer Insolvenz des Dritten beim reinen Finanzierungsleasing grundsätzlich den Leasingnehmer und nicht den Leasinggeber trifft 1 0 6 . Desgleichen hat der Leasinggeber den Aufwendungsersatz- und den Provisionsanspruch, wenn der Entgeltsanspruch des Dritten trotz Untergangs der Sache fortbesteht wie z. B. in den Fällen der §§ 446 f BGB 1 0 7 . Die Regeln über die Geschäftsgrundlage ändern daran nichts. Das ergibt sich vom hier vertretenen Standpunkt aus schon daraus, daß sie grundsätzlich nicht zum Untergang eines Aufwendungsersatzanspruchs führen können, weil ein Vertrag über eine Geschäftsbesorgung nach deren Durchführung nicht mehr mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden kann. Zum gleichen Ergebnis kommt man insoweit aber auch dann, wenn man der hier vorgeschlagenen dogmatischen Einordnung des Finanzierungsleasing nicht folgt. Denn das Schicksal des Leasinggutes soll beim reinen Finanzierungsleasing, das durch das mangelnde Interesse des Leasinggebers an dem Gut charakterisiert ist, nach der Interessenlage und der typischen Vertragsgestaltung allein den Leasingnehmer berühren und liegt daher ausschließlich in seiner Risikosphäre, was anerkanntermaßen die Anwendung von Geschäftsgrundlagenregeln ausschließt 108 . Auch vom Boden der h. L. aus ist also insoweit zwischen dem auf die Beschaffung des Leasinggutes entfallenden Bestandteil des Leasingentgelts und dem auf die Finanzierung entfallenden Bestandteil zu differenzieren 1 0 9 ; allenfalls bezüglich des letzteren kann man den Leasinggeber mit Hilfe der Lehre von der Geschäftsgrundlage um das Entgelt bringen. Indessen gebührt in Wahrheit grundsätzlich auch der in dem Leasingentgelt enthaltene Zinsanteil dem Leasinggeber, weil das Entgelt an den Dritten ausgezahlt worden ist bzw. sobald das geschehen ist. Denn dadurch hat der Leasingnehmer den Kredit in Anspruch genommen, so daß er zinspflichtig ist (vgl. allgemein oben Rdn. 1327 am Anfang). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man annimmt, daß der Leasingvertrag hinfällig wird — z. B. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Das folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, daß für einen Kredit auch bei vorzeitiger Vertragsbeendigung 105
Vgl. z. B. Schlegelberger/Hefermehl, Handelsgesetzbuch 5 § 385 Rdn. 5 m. w. N a c h w . ; a. A. Koller aO % 385 Anm. 4, der indessen zu verkennen scheint, daß man zu den von ihm angestrebten Ergebnissen schon mit Hilfe des in 5 670 BGB enthaltenen Erforderlichkeitsmerkmals kommen kann. •06 Ebenso i. E. Flame DB 1972, 56; Hagenmüller/ Stoppok S. 297; Reich S. 77 f; vgl. im übrigen zu dieser Problematik eingehend von Westpbalen W M 1980, 942 ff. 107 Dieses Ergebnis billigen o f f e n b a r auch Anhänger der Miettheorie, doch unterscheiden sie meist
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nicht klar zwischen dem Fortbestand der Zahlungspflicht des Leasinggebers gegenüber dem Dritten gemäß §§ 446 f BGB und der — damit nur z.T. zusammenhängenden und viel allgemeineren — Problematik der Risikoverteilung bei Zerstörung des Leasinggutes nach Übergabe an den Leasingnehmer (vgl. dazu unten Rdn. 1754 f f ) ; vgl. z. B. O L G F r a n k f u r t N J W 1977, 200, 201; Reich S. 75; von Westphalen S. 45. Vgl. statt aller Palandt/Heinrichs § 242 Anm. 6 B d m. N a c h w . aus der Rspr. Das verkennt von Westphalen S. 48 ff.
Claus-Wilhelm Canaris
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
die vertraglich vereinbarten Zinsen bis zur effektiven Rückzahlung fortzuentrichten sind (vgl. oben Rdn. 1327 a. E.). Daß der Leasingnehmer den Gegenstand nicht wie erwartet nutzen kann, steht nicht entgegen, weil das, wie gesagt, beim reinen Finanzierungsleasing grundsätzlich in seinen Risikobereich fällt. Da der Kredit freilich zur Finanzierung einer ganz bestimmten Investition gewährt worden und diese fehlgeschlagen ist, kann sich der Leasingnehmer durch sofortige Rückzahlung der restlichen Leasingraten von der Pflicht zur Zahlung der Zinsen, deren Höhe der Leasinggeber jetzt offenzulegen hat, für die Zukunft befreien. Auf der anderen Seite muß auch der Leasinggeber die sofortige Rückzahlung des Kredits verlangen können, weil er die erwartete Sicherheit nicht erhält. Insgesamt kommt man somit zu dem Ergebnis, daß der Leasinggeber nach pflichtgemäßer Zahlung an den Dritten grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung der Leasingraten hat, weil ihm alle darin enthaltenen Bestandteile gebühren, daß jedoch beide Parteien den Vertrag durch eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund beenden können und der Leasingnehmer dann eine Pflicht zur sofortigen Rückzahlung des abgezinsten Restbetrages hat. Selbstverständlich kann dieses Ergebnis durch eine Vertragsanpassung korrigiert werden, sofern eine der Parteien ein akzeptables Angebot zu einer solchen macht — wie vor allem, wenn der Leasingnehmer sich bereit erklärt, auf seine Kosten einen neuen Leasinggegenstand zu besorgen; daß der andere Teil zur Annahme eines solchen Angebots verpflichtet ist, folgt entweder aus den Regeln über die Geschäftsgrundlage oder unmittelbar aus § 242 BGB. 1744
Entsprechendes gilt auch bei Sachmängeln des Leasinggutes. Vom hier vertretenen Standpunkt aus ist es eine typusbedingte Selbstverständlichkeit, daß der Leasinggeber für diese beim reinen Finanzierungsleasing auf Grund seiner einem Einkaufskommissionär ähnlichen Stellung nicht selbst einzustehen hat, sondern sich analog § 384 II H G B auf eine Abtretung seiner Ansprüche gegen den Dritten beschränken kann. Dogmatische Bedenken gegen die Abtretbarkeit der Ansprüche auf Wandelung oder Minderung bestehen schon deshalb nicht, weil es sich um Ansprüche und nicht um ein Gestaltungsrecht handelt; wer sie dennoch hat, kann und muß helfen, indem er eine Geltendmachung der Ansprüche durch den Leasingnehmer gemäß § 185 BGB zuläßt 1 1 0 . Der Aufwendungsersatz- und der Provisionsanspruch und demgemäß der ihnen entsprechende Teil des Leasingentgelts werden, wie sich a fortiori aus den in der vorigen Rdn. entwickelten Grundsätzen ergibt, durch den Sachmangel und eine etwaige Wandelung grundsätzlich nicht berührt 1 1 1 — es sei denn, der Mangel beruht auf einem weisungs- oder pflichtwidrigen Verhalten des Leasinggebers beim Abschluß des Vertrags mit dem Dritten. Ebenso gebührt der Zinsanteil auch hier nach dem oben Rdn. 1327 aufgestellten Grundsatz dem Leasinggeber, weil und solange der Leasingnehmer den Kredit in Anspruch nimmt. Es bleibt also, wenn eine Anpassung nicht zustande kommt, wiederum nur das Recht zur fristlosen Kündigung durch eine der Parteien. Dieses ent" 0 So mit Recht auch B G H Z 68, 118, 125. 111 A. A. von Westphalen S. 48 ff auf G r u n d seiner schon in Fn. 109 kritisierten unzureichenden Unterscheidung der einschlägigen Risiken; vgl. ferner z. B. Schmidt-Salzer Rdn. F. 182, nach dessen Ansicht u . U . der Leasinggeber (!) einen Ersatzgegenstand zu beschaffen hat und die Vornahme einer Abzinsung nicht genügen soll; Staudinger/Emmerich Vorbem. zu §§ 535 f Rdn. 48 b, w o n a c h f ü r die Z u k u n f t und die Vergangenheit
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der Anspruch auf die Leasingraten entfällt. Wenn im übrigen in diesem Zusammenhang die Entscheidung B G H Z 68, 118, 126 bemüht wird, so sollte man nicht nur bedenken, daß es sich dort lediglich um obiter dicta handelt, sondern vor allem auch, daß die Entscheidung möglicherweise ein absatzförderndes Finanzierungsleasing betrifft (vgl. oben Fn. 95) und daß f ü r dieses in der T a t eine andere Risikoverteilung gilt (vgl. unten Rdn. 1752).
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer steht spätestens mit Vollzug der Wandelung; denn dann steht zum einen f ü r den Leasingnehmer fest, daß sein Investitionsvorhaben endgültig fehlgeschlagen ist, und dann verliert zum anderen der Leasinggeber das Eigentum am Leasinggut, weil dieses nun auf den Dritten zurückzuübertragen ist. Man sollte aber noch einen Schritt weitergehen und das Kündigungsrecht schon von dem Augenblick an gewähren, in dem der Leasinggeber dem Leasingnehmer den Wandelungsanspruch abtritt bzw. ihm die Ermächtigung zu dessen Geltendmachung erteilt. Dadurch zeigen nämlich beide, daß es nach ihrem gemeinsamen Willen zur Wandelung kommen soll bzw. daß sie vom Vorliegen eines Mangels ausgehen; für den Leasinggeber ist das ein Kündigungsgrund, weil durch den Mangel ja sein Eigentum und damit die Kreditsicherheit berührt ist, und für den Leasingnehmer ist es ein solcher, weil seine Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigt ist. Verweigert der Leasinggeber die Abtretung oder ist diese im voraus vorsorglich (global) erfolgt, so sollte man das Kündigungsrecht schon auf Grund des bloßen Abtretungs- bzw. Wandelungsbegehrens gewähren, wenn dieses nicht offensichtlich unbegründet und rechtsmißbräuchlich ist. Denn der Streit darüber, ob wirklich ein Sachmangel vorliegt oder nicht, ist sinnvollerweise grundsätzlich zwischen dem Leasingnehmer und dem Dritten und nicht zwischen dem Leasingnehmer und dem Leasinggeber auszufechten; außerdem gibt der Leasingnehmer schon durch sein Verlangen zu erkennen, daß jedenfalls nach seiner Ansicht das Investitionsvorhaben gescheitert ist. Wählt der Leasingnehmer Minderung, so berührt das den Bestand des Leasingver- 1 7 4 5 trags und die Pflicht zur Zahlung der Leasingraten grundsätzlich ebensowenig wie im Falle der Wandelung 1 1 2 ; denn die Minderung ändert nichts daran, daß dem Leasinggeber die Aufwendungen für die Beschaffung des Leasinggutes entstanden sind und daß der Leasingnehmer nach wie vor Kredit in Anspruch nimmt. Anders als im Falle der Wandelung hat dieser hier grundsätzlich auch kein Recht zur Kündigung des Leasingvertrages, weil er durch die Wahl der Minderung selbst zeigt, daß er trotz des Mangels von der Gebrauchstauglichkeit des Leasinggutes ausgeht. Der Leasingnehmer kann somit vom Leasinggeber allenfalls die Abtretung des Minderungsanspruchs bzw. die Herausgabe des etwa von dem Dritten gezahlten Betrags analog § 384 II H G B verlangen, doch kann selbst das zweifelhaft sein. Begnügt sich nämlich der Leasingnehmer mit Minderung, so wird das häufig zeigen, daß durch den Mangel weniger die Gebrauchstauglichkeit als vielmehr der objektive Wert des Leasinggutes berührt ist — und dieser ist grundsätzlich dem Leasinggeber als dem Eigentümer und Sicherungsnehmer zugeordnet. Zumindest aber kann der Leasinggeber ein Recht zur fristlosen Kündigung des Leasingvertrages wegen Verringerung seiner Sicherheit haben, das der Leasingnehmer freilich i. d. R. zunichte machen kann, indem er ihm den Minderungserlös überläßt. Führt der Mangel zu einer Verringerung des Restwerts, so hat die Partei, die den Minderungserlös erhalten hat, der anderen gegebenenfalls nach den Grundsätzen über die ergänzende Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB eine anteilige Ausgleichszahlung zu leisten. Soweit der Minderungserlös dem Leasinggeber zufließt, ist das als vorzeitige Kreditrückzahlung zu behandeln, so daß eine Abzinsung vorzunehmen ist und die restlichen Leasingraten entsprechend herabzusetzen sind; soweit der Erlös dagegen dem Leasingnehmer gebührt, hat dieser wegen Änderung der Geschäftsgrundlage das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung dieses Betrags mit der Folge von Abzinsung und Herabsetzung der Leasingraten, weil sein Kreditbedarf 112
A. A. z. B. von Westphalen S. 60 f und Staudinger/Emmerkh Vorbem. zu §§ 535 f Rdn. 48 c, die eine verhältnismäßige H e r a b s e t z u n g der Leasingraten f o r d e r n , was von ihrem miet- bzw. kauf-
rechtlichen Ausgangspunkt aus zwar konsequent sein mag, jedoch der Interessenlage widerspricht; ebenso aber auch Schmidt-Salzer Rdn. F. 183, trotz seines kreditrechtlichen Ausgangspunktes.
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15. Abschnitt. S o n d e r f o r m e n des Kreditgeschäfts. III. D a s Finanzierungsleasing
wegen der Minderung geringer ist als ursprünglich angenommen. Hier schlägt also wieder der Gedanke durch, daß der Leasinggeber von Risiken aus dem Geschäft mit dem Dritten insoweit mitbetroffen wird, als es um seinen Zinsgewinn geht. 1746
H a t der Dritte gegenüber dem Leasingnehmer eine arglistige Täuschung begangen, so kann dieser den Leasingvertrag gemäß § 123 II 1 BGB nur anfechten, wenn der Leasinggeber die Täuschung kannte oder kennen mußte; denn der Dritte ist beim reinen Finanzierungsleasing anders als beim absatzfördernden Finanzierungsleasing für den Leasinggeber wirklich „Dritter", so daß nicht etwa § 123 I, sondern in der Tat § 123 II 1 BGB einschlägig ist (vgl. auch OLG Frankfurt N J W 1977 200, 201). Andererseits sollte man das Geschäft zwischen dem Dritten und dem Leasinggeber auch dann als anfechtbar ansehen, wenn letzterem gegenüber gar keine Täuschungshandlung vorgenommen worden ist. Als positivrechtliche Begründung kann man den Rechtsgedanken von § 166 II BGB heranziehen; diese Vorschrift, die auf eine von dem Dritten gegenüber dem Vertretenen begangene arglistige Täuschung analog anzuwenden ist 113 , paßt nicht nur bei der unmittelbaren Stellvertretung, sondern auch bei anderen Akten der Geschäftsführung, deren Wirkung den Geschäftsherrn als Hintermann treffen, also insbesondere beim Handeln für fremde Rechnung. Im übrigen gelten die Ausführungen zur Wandelung entsprechend. Der Leasinggeber hat also das Anfechtungsrecht an den Leasingnehmer abzutreten oder diesem die Ausübung zu überlassen oder selbst die Anfechtungserklärung abzugeben. Der Leasingvertrag wird dadurch nach Auszahlung des Entgelts an den Dritten nur insofern betroffen, als beiden Seiten ein Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund zusteht und bei Rückzahlung der noch ausstehenden Leasingraten eine entsprechende Abzinsung vorzunehmen ist. Lehnt man die Analogie zu § 166 II BGB ab, so kann man gleichwohl über § 249 BGB zu ähnlichen Ergebnissen kommen, wenn man dem Leasingnehmer in Weiterbildung der Lehre von der culpa in contrahendo einen Anspruch aus Schutzpflichtverletzung gegen den Dritten gibt (vgl. dazu unten Rdn. 1798). Folgt man auch dem nicht, bleiben u. U. immerhin wenigstens Ansprüche aus § 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB und § 826 BGB.
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Auch bei anderen Verstößen kann § 166 II BGB analog anzuwenden sein. Zu denken ist vor allem an eine sittenwidrige Ubervorteilung des Leasingnehmers durch den Dritten, wenn zwar in der Person des ersteren, nicht aber in der des Leasinggebers bestimmte Tatbestandsmerkmale des § 138 BGB wie z. B. die besonderen Wuchermerkmale, also eine Zwangslage, Unerfahrenheit usw. gegeben sind. Auf den Leasingvertrag schlägt das — i. E. mit § 123 II 1 BGB übereinstimmend — wiederum nur durch, wenn der Leasinggeber die Sittenwidrigkeit kannte oder erkennen mußte. Denn dann war der Abschluß des Geschäfts mit dem Dritten trotz der Weisung des Leasingnehmers kein pflichtgemäßer Akt der Geschäftsführung, so daß letzterer es analog § 385 I Halbs. 2 H G B nicht gegen sich gelten zu lassen braucht.
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Insgesamt ergibt sich somit bei Störungen aus dem Bereich des Geschäfts mit dem Dritten ein verhältnismäßig einfaches, im wesentlichen auf zwei Kriterien beruhendes Lösungsmodell für das reine Finanzierungsleasing: Es kommt zum einen darauf an, ob der Leasinggeber pflicht- und weisungsgemäß gehandelt hat, und zum anderen darauf, ob das Entgelt bereits an den Dritten ausgezahlt ist bzw. trotz der Leistungsstörung ausgezahlt werden muß. War schon der Abschluß des Vertrags weisungs- oder pflicht113
So mit Recht B G H Z 51, 141, 147; zustimmend die heutige h. L., vgl. z. B. MünchKomm.-7*Aie/e 5 166 Rdn. 45 m. w. Nachw.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
widrig, hat der Leasinggeber grundsätzlich gar keine Vertragsansprüche gegen den Leasingnehmer (vgl. z. B. die vorige Rdn.); war nur die Auszahlung an den Dritten weisungs- oder pflichtwidrig, so kann er zwar die auf den Geschäftsabschluß entfallende Provision, nicht aber das sonstige Leasingentgelt verlangen (vgl. oben Rdn. 1742). Im übrigen bildet die Invollzugsetzung des Leasingvertrages durch Auszahlung des Entgelts an den Dritten oder durch Entstehung eines von der Leistungsstörung unberührten Auszahlungsanspruchs den Angelpunkt 1 1 4 . Ist diese noch nicht erfolgt, kann der Leasinggeber nur eine Tätigkeitsprovision verlangen (vgl. oben Rdn. 1741), ist sie dagegen erfolgt, so steht ihm grundsätzlich der Anspruch auf das volle Leasingentgelt zu, doch können beide Seiten den Vertrag fristlos kündigen mit der Folge, daß die restlichen Raten sofort zur Rückzahlung fällig werden, aber abzuzinsen sind. Diese Lösung entspricht uneingeschränkt der Interessenlage. Denn sie verwirklicht den Gedanken, daß das Sachinteresse bezüglich des Leasinggutes und demgemäß auch das entsprechende Risiko beim Leasingnehmer liegt, während der Leasinggeber beim reinen Finanzierungsleasing lediglich die Interessen eines Finanziers verfolgt; demgemäß trifft letzteren nur die Gefahr, daß ihm der Finanzierungsgewinn entgeht, d. h. im wesentlichen, daß er die Zinsen nicht verdient und seine Refinanzierungskosten u. U. selbst tragen muß. Da sich die entwickelte Lösung mit großer Folgerichtigkeit aus der hier vorgeschlagenen Einordnung des Finanzierungsleasing als gemischttypischem Vertrag aus Elementen der Einkaufskommission und des Gelddarlehens ergibt, bildet ihre Interessengerechtigkeit zugleich einen wesentlichen Beleg für die Richtigkeit dieses dogmatischen Ansatzes. d) Die Problematik des sogenannten „Einwendungsdurchgriffs'' sowie die Risikoverteilung beim absatzfördernden und beim zwischenhändlerischen Finanzierungsleasing Auch beim Finanzierungsleasing wird in Rspr. und Literatur der aus dem Recht des 1 7 4 9 Finanzierungsdarlehens bekannte Begriff des Einwendungsdurchgriffs verwendet 1 1 5 . Das ist insofern eine höchst ungenaue Terminologie, als der Leasingnehmer gar keinen Vertrag mit dem Dritten hat und also auch keine Einwendungen gegen diesen besitzt, die auf das Rechtsverhältnis mit dem Leasinggeber „durchgreifen" können; beim finanzierten Abzahlungsgeschäft ist die Rechtslage in dieser Hinsicht völlig anders, weil dabei zwischen dem Käufer/Darlehensnehmer und dem Dritten ein Kaufvertrag besteht, aus dem in der Tat Einwendungen für ersteren erwachsen können. Dennoch steckt in dieser Redeweise ein richtiger Kern. Gemeint ist nämlich im Grunde, daß das Rechtsgeschäft mit dem Dritten auch vom Leasingnehmer selbst abgeschlossen sein könnte und „materiell" diesen angeht und daß daher u. U. so zu entscheiden sein kann, als ob der Leasingnehmer selbst einen Vertrag mit dem Dritten hätte und als ob er seine Einwendungen daraus dem Leasinggeber nach dem Modell des finanzierten Abzahlungskaufs entgegensetzen könnte. Vom hier vertretenen Standpunkt aus, wonach das Finanzierungsleasing geradezu ein (atypisches) Finanzierungsdarlehen in sich schließt (vgl. oben Rdn. 1719), ist eine solche Argumentation sogar besonders naheliegend. Daß
114
Das Kriterium der „irreversiblen Disposition" erweist hier also einmal mehr seine Durchsetz u n g s k r a f t ; vgl. dazu in anderem Zusammenhang Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 510 ff und 531.
" 5 Vgl. z. B. B G H Z 68, 118, 120; B G H W M 1978, 459, 460; O L G Düsseldorf N J W 1973, 1612; O L G N ü r n b e r g N J W 1977, 152, 153; Hiddemann W M 1978, 840; Schreiner BB 1980, 294 f; Coester- Waltjen Jura 1980, 193; Hadding Gutachten zum 53. Deutschen Juristentag, 1980, S. 323 ff.
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing auch die h. L. trotz ihres mietrechtlichen Ausgangspunktes auf sie verfallen ist, bestätigt daher mittelbar einmal mehr die Richtigkeit der hier vorgeschlagenen Sichtweise, wonach es insoweit in erster Linie um eine darlehensrechtliche Problematik geht. 1750
Was die tatbestandlichen Voraussetzungen angeht, so hat der BGH eine Verknüpfung mit der Frage nach der Anwendbarkeit des AbzG v o r g e n o m m e n " 6 mit der Folge, daß die „Erwerbstheorie" (vgl. oben Rdn. 1728) nun auch für den Einwendungsdurchgriff Bedeutung erlangt. Sie ist indessen für die Lösung dieser Frage schlechterdings ungeeignet, weil es dabei in erster Linie um die richtige Verteilung des Risikos einer Insolvenz des Dritten geht und dafür das Vorliegen einer Erwerbsoption des Leasingnehmers ohne jeden Belang ist. Außerdem ist der Ausgangspunkt des B G H auch insofern von vornherein verfehlt, als inzwischen im Recht des Finanzierungsdarlehens klar ist, daß der Einwendungsdurchgriff auch auf solche Vertragstypen Anwendung finden kann, für die das AbzG nicht gilt (vgl. oben Rdn. 1483 Abs. 2). Es ist daher nicht ersichtlich, warum beim Finanzierungsleasing die Zulassung des Einwendungsdurchgriffs davon abhängen soll, daß es sich typologisch um einen Vertrag handelt, der im Sinne von § 6 AbzG auf die Erreichung der Zwecke eines Abzahlungsgeschäfts in einer anderen Rechtsform abzielt.
1751
Auf der anderen Seite ist es ebenso unverständlich, daß der BGH nicht auf die Art des Zusammenwirkens zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten abhebt und die Zulässigkeit des Einwendungsdurchgriffs nicht wie beim Finanzierungsdarlehen nach dem Kriterium der „wirtschaftlichen Einheit" beurteilt (vgl. dazu oben Rdn. 1477 ff). Irgendein Grund, in dieser Hinsicht beim Finanzierungsleasing einen anderen Maßstab anzulegen als beim Finanzierungsdarlehen, ist nicht ersichtlich. Folglich sollte man hier genauso entscheiden wie dort. Das bedeutet, daß es grundsätzlich von vornherein keinen Einwendungsdurchgriff beim reinen oder echten Finanzierungsleasing geben kann. Denn dieses ist ja gerade dadurch gekennzeichnet, daß der Leasinggeber sich auf die Finanzierungsfunktion zugunsten des Leasingnehmers beschränkt und keine Absatzförderung zugunsten des Dritten betreibt, ja daß der Leasingnehmer häufig sogar von sich aus an den Dritten herantritt und „seinen" Leasinggeber dann an diesen verweist.
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Entgegengesetzt ist folgerichtig beim absatzfördernden oder unechten Finanzierungsleasing zu entscheiden 117 . Liegen dabei also die Voraussetzungen der „wirtschaftlichen Einheit" vor bzw. sind die Merkmale der Vermittlung und der Bindung erfüllt (vgl. oben Rdn. 1480), so ist grundsätzlich der Weg frei für den Einwendungsdurchgriff, ohne daß es zusätzlich auf die Anwendbarkeit von § 6 AbzG ankommt. Freilich ist folgerichtig auch das Subsidiaritätsdogma (vgl. oben Rdn. 1428 f) zu übernehmen 1 1 8 . Der Leasingnehmer kann seine Leistungen an den Leasinggeber daher nur dann einstellen, wenn eine Geltendmachung der (ihm abgetretenen) Ansprüche gegen den Dritten wegen dessen Konkurses, Unauffindbarkeit oder dgl. aussichtslos oder unzumutbar erschwert ist. Ist dies der Fall, so verstößt es beim Finanzierungsleasing nicht anders als beim Finanzierungsdarlehen gegen Treu und Glauben, wenn der Leasinggeber sich darauf beruft, daß er dem Leasingnehmer nach den dem Vertrag zugrunde liegenden AGB lediglich die (wertlosen) Ansprüche gegen den Dritten abzu" 6 Vgl. B G H Z 68, 118, 120 f f ; ebenso auch schon O L G Düsseldorf N J W 1973, 1612, 1613; dem B G H folgend Coester-Waltjen J u r a 1980, 193. 117 Ein solcher Fall lag möglicherweise der Entscheidung B G H Z 68, 118 zugrunde, vgl. näher oben Fn. 95; dagegen handelte es sich im Fall O L G Düsseldorf N J W 1973, 1612 zweifelsfrei um rei-
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nes Finanzierungsleasing, weshalb hier der Einwendungsdurchgriff mit Recht abgelehnt worden ist. 118 Davon geht unmißverständlich auch der B G H aus, vgl. B G H Z 68, 118, 122; ebenso auch O L G N ü r n b e r g N J W 1977, 152, 153 unter 3 c.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
treten brauche bzw. daß der Typus eines Finanzierungsleasing und nicht eines Kaufs gewählt worden sei. Dogmatisch fungiert der Topos des „Einwendungsdurchgriffs" hier somit als Mittel der Inhaltskontrolle und -korrektur und dient zur Konkretisierung der dabei anzulegenden Maßstäbe (vgl. auch unten Rdn. 1765). Die Problematik der „schweren Mängel", für die das Subsidiaritätsdogma grundsätzlich nicht gilt (vgl. oben Rdn. 1432), wird hier noch seltener als beim finanzierten Abzahlungsgeschäft praktisch werden, weil dann meist schon der Leasingvertrag selbst von dem Mangel erfaßt wird. So ist beim absatzfördernden Finanzierungsleasing z. B. eine arglistige Täuschung des Leasingnehmers durch den Dritten dem Leasinggeber i. d. R. ebenso wie beim finanzierten Abzahlungsgeschäft (vgl. dazu oben Rdn. 1433) als eigene zuzurechnen, so daß nicht § 123 II 1, sondern § 123 I BGB einschlägig ist und sich die oben Rdn. 1746 für das reine Finanzierungsleasing erörterte Problemtaik gar nicht erst stellt. Außerdem ist zu beachten, daß der Leasinggeber beim absatzfördernden Finanzierungsleasing grundsätzlich ähnliche Schutz- und Aufklärungspflichten wie beim finanzierten Abzahlungsgeschäft hat. Ahnlich wie bei diesem (vgl. oben Rdn. 1440) muß er daher z. B. grundsätzlich sicherstellen, daß der Dritte nicht vor Erbringung seiner Leistung über das Entgelt verfügen kann. Der Einwendungsdurchgriff ist ein Mittel, um das Finanzierungsinstitut an den 1 7 5 3 Risiken des finanzierten Geschäfts zu beteiligen, obwohl es sich juristisch auf die Position des reinen Geldkreditgebers beschränkt und aus der Position des Warenkreditgebers herausgehalten hat. Demgemäß besteht für einen Einwendungsdurchgriff von vornherein weder Raum noch Bedürfnis, wenn das Finanzierungsinstitut die Rolle des Warenkreditgebers selbst übernimmt wie beim zwischenhändlerischen Finanzierungsleasing (vgl. zum Begriff oben Rdn. 1723). Denn dabei werden die Funktionen von Warenabsatz und Kreditgewährung wieder in einer Person vereinigt, so daß das Finanzierungsinstitut schon nach der normalen juristischen Konstruktion — sei sie kaufrechtlicher oder mietrechtlicher Art — mit den Risiken des Warengeschäfts belastet ist. Demgemäß hat der Leasinggeber hier die Pflicht zur Besitzverschaffung und muß folglich für Leistungsstörungen aus dem Bereich des Dritten als seines Vormannes grundsätzlich nach § 278 BGB einstehen, es sei denn, dieser ist trotz der zwischenhändlerischen Funktion des Leasinggebers von dem Leasingnehmer ausgewählt worden (vgl. auch oben Rdn. 1740). Auch für Sach- und Rechtsmängel haftet der Leasinggeber hier wie ein normaler Verkäufer, so daß Drittverweisungsklauseln grundsätzlich uneingeschränkt der Kontrolle nach dem AGBG unterworfen sind (vgl. näher unten Rdn. 1767). Demgemäß liegt das Risiko einer Insolvenz des Dritten hier anders als beim reinen Finanzierungsleasing grundsätzlich beim Leasinggeber. Lediglich bezüglich des Transportrisikos entspricht die Gefahrverteilung im wesentlichen der des reinen Finanzierungsleasing, weil i. d. R. nicht nur im Verhältnis zwischen dem Dritten und dem Leasinggeber, sondern auch im Verhältnis zwischen diesem und dem Leasingnehmer $ 447 BGB eingreifen wird, wenn das Leasinggut auf dem Transport zerstört oder beschädigt wird. e) Zerstörung und Beschädigung des Leasinggutes nach Überlassung an den Leasingnehmer Wird das Leasinggut durch Verschulden des Leasingnehmers zerstört oder beschä- 1 7 5 4 digt, so haftet dieser dem Leasinggeber sowohl aus positiver Forderungsverletzung als auch aus unerlaubter Handlung. Im Rahmen der positiven Forderungsverletzung wird das Verschulden des Leasingnehmers nach der Sphärentheorie vermutet; für ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen hat er nach § 278 BGB einzustehen. Was die Claus-Wilhelm Canaris
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing R e c h t s f o l g e n anbetrifft, so k a n n der L e a s i n g g e b e r g e m ä ß § 2 4 9 B G B v e r l a n g e n , so gestellt zu w e r d e n wie o h n e das Schadensereignis. E r hat also u n a b h ä n g i g v o n der d o g matischen Q u a l i f i k a t i o n des Finanzierungsleasing jedenfalls weiterhin den A n s p r u c h auf die L e a s i n g r a t e n einschließlich des darin enthaltenen Zinsanteils. A u ß e r d e m k a n n e r g e m ä ß § 2 4 9 S. 1 B G B den Ersatz bzw. die R e p a r a t u r des Leasinggutes f o r d e r n . W ä h l t er statt dessen G e l d e r s a t z g e m ä ß § 2 4 9 S . 2 B G B , so k a n n er z w a r die L e a s i n g r a ten s o f o r t fällig stellen, weil er keine S i c h e r h e i t m e h r in H ä n d e n hat und darin ein w i c h t i g e r G r u n d z u r K ü n d i g u n g liegt, d o c h m u ß e r sich dann nach den R e g e l n ü b e r die V o r t e i l s a u s g l e i c h u n g o d e r nach dem R e c h t s g e d a n k e n von § 3 2 4 I 2 B G B a n r e c h n e n lassen, was er durch die v o r z e i t i g e K a p i t a l r ü c k z a h l u n g erspart o d e r anderweitig verdient bzw. zu verdienen z u r e c h e n b a r unterläßt. G e b ü h r t ihm der R e s t w e r t g a n z o d e r anteilig, k a n n er G e l d e r s a t z h i e r f ü r grundsätzlich erst am E n d e der „ G r u n d m i e t z e i t " v e r l a n g e n ; denn es handelt sich insoweit um einen zukünftigen S c h a d e n , der z w a r dem G r u n d e nach feststeht, dessen H ö h e aber v o n der weiteren E n t w i c k l u n g der M a r k t v e r hältnisse a b h ä n g t , so d a ß w e g e n der M a ß g e b l i c h k e i t des Z e i t p u n k t s der letzten mündlic h e n V e r h a n d l u n g n o c h keine Leistungs-, s o n d e r n allenfalls eine Feststellungsklage möglich ist119.
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Bei Zerstörung des Gutes durch Zufall oder Verschulden eines Dritten hat der L e a s i n g n e h m e r grundsätzlich keine Pflicht zu dessen N e u b e s c h a f f u n g , da eine solche sich bei k e i n e r d e n k b a r e n Q u a l i f i k a t i o n des F i n a n z i e r u n g s l e a s i n g aus dem einschlägigen T y p u s ergibt. E i n e derartige Pflicht w ä r e auch nicht s a c h g e r e c h t , weil sie de f a c t o die E n t s c h e i d u n g ü b e r die E r n e u e r u n g des Leasing v o r w e g n e h m e n und dadurch den u n t e r n e h m e r i s c h e n Entscheidungsspielraum des L e a s i n g n e h m e r s ungebührlich einengen würde. W o h l a b e r h a b e n beide Seiten grundsätzlich ein R e c h t zur fristlosen Kündigung des L e a s i n g v e r t r a g e s — der L e a s i n g n e h m e r , weil ihm die N u t z u n g e n t z o gen ist und darin eine vertragsrelevante S e k u n d ä r z w e c k s t ö r u n g liegt, und der L e a s i n g g e b e r , weil e r seine S i c h e r h e i t verloren hat und ihm d a h e r die w e i t e r e G e w ä h r u n g des K r e d i t s nicht z u z u m u t e n ist. M a c h t eine der P a r t e i e n einen akzeptablen Anpassungsv o r s c h l a g , so ist der V e r t r a g zu den g e ä n d e r t e n B e d i n g u n g e n a u f r e c h t z u e r h a l t e n . D a b e i ist j e d o c h zu b e a c h t e n , d a ß der L e a s i n g n e h m e r das L e a s i n g g u t grundsätzlich auf eigene R e c h n u n g hält und d a h e r eine Pflicht zur Zahlung d e r restlichen L e a s i n g r a t e n hat. V o m hier v e r t r e t e n e n S t a n d p u n k t aus ergibt sich das mit Selbstverständlichkeit daraus, daß es sich um die R ü c k z a h l u n g eines G e l d d a r l e h e n s handelt (vgl. o b e n R d n . 1 7 1 9 ) , d o c h entspricht diese R e c h t s f o l g e a u c h u n a b h ä n g i g von einer solchen Q u a l i f i k a t i o n dem T y p u s des F i n a n z i e r u n g s l e a s i n g 1 2 0 . D a der L e a s i n g g e b e r das K a p i tal vorzeitig z u r ü c k e r h ä l t , ist für die R e s t l a u f z e i t grundsätzlich eine Abzinsung v o r z u n e h m e n 1 2 1 (vgl. d a z u n ä h e r unten R d n . 1 7 7 2 ) .
Vgl. zur Einklagbarkeit zukünftiger Schäden z. B. B G H F a m R Z 1976, 144; Baumbach/Lauterbach/Hartmann Zivilprozeßordnung 3 9 § 256 Anm. 2 D. 120 Sie wird demgemäß auch von den meisten Anhängern der Miettheorie gebilligt; vgl. z. B. Flume D B 1972, 57 f; von Westphalen S. 45, 67 ff, 106; Staudinger/Schlosser % 9 A G B G Rdn. 137; Dörner V e r s R 1978, 887 f, der zwar eine ausdrückliche typologische Festlegung vermeidet, in seinen Grundvorstellungen aber offensichtlich ebenfalls der Miettheorie folgt; a. A. z. B. Blomeyer NJW 1978, 976, der in doktrinärer Durchführung der
Miettheorie den „Ausschluß" der Haftung bei Spätmängeln als Verstoß gegen § 9 A G B G ansieht, sowie auch Schmidt-Salzer Rdn. F. 186, der trotz seines kreditrechtlichen Ausgangspunktes die „Umfunktionierung zu einem Anschaffungsdarlehen" glaubt bekämpfen zu müssen und dabei die Gefolgschaft des L G Hanau M D R 1979, 315 findet.
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Das entspricht i. E. ungefähr der Ansicht von Flume DB 1972, 58, wonach „der Geschäftsgewinn dem Leasinggeber bei zufälligem Untergang des Leasinggegenstandes zu Lasten des Leasingnehmers nur pro rata temporis der bereits abge-
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
Schwierigkeiten kann die Verteilung eines etwaigen Ersatzes für das Leasinggut, 1 7 5 6 also vor allem einer Versicherungsleistung bereiten. Unabhängig davon, wer im Außenverhältnis für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs zuständig ist (vgl. dazu unten Rdn. 1758), ist im internen Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer von dem Gedanken auszugehen, daß es sich um ein Surrogat für das Leasinggut handelt und daß die Ersatzleistung daher im selben Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer aufzuteilen ist, in dem ihnen jenes gebührte 1 2 2 . Hatte also der Leasingnehmer z. B. das Recht zu einem Erwerb des Gutes oder zu einer Verlängerung der Nutzung bis zur praktischen Wertlosigkeit des Gutes zu einem im voraus festgelegten Betrag, so steht ihm gegen Entrichtung dieser Summe der volle Ersatz für das Gut zu; der Leasinggeber, der ohnehin die restlichen Leasingraten (abgezinst) verlangen kann, erhält dabei, was ihm gebührt — wobei er zusätzlich u. U. den Zinsverlust als entgangenen Gewinn von dem Schädiger liquidieren kann (vgl. dazu unten Rdn. 1807). Soll dagegen der Restwert ganz oder teilweise dem Leasinggeber zufallen, so steht diesem zusätzlich zu den (abgezinsten) Leasingraten ein entsprechender Anteil an dem Ersatz zu. Richtet sich die Höhe des Ersatzes nach dem Zeitwert und hat dieser sich anders entwickelt als im Vertrag zugrunde gelegt — sei es nach unten durch stärkere Nutzung, sei es nach oben durch geringere Nutzung —, so ist gemäß § 157 BGB ein entsprechender Ausgleich vorzunehmen 1 2 3 . Bezüglich eines etwaigen Schadensersatzanspruches gegen einen Dritten ergeben 1 7 5 7 sich derartige Verteilungsprobleme grundsätzlich nicht, da Leasingnehmer und Leasinggeber von jenem den Ersatz ihres jeweiligen Eigenschadens verlangen können (vgl. näher unten Rdn. 1804 ff) und damit auch der Maßstab für die interne Verteilung feststeht. Soweit die Ersatzforderung in der Person des Leasingnehmers entsteht, hat der 1758 Leasinggeber vor Rückzahlung der restlichen Leasingraten einen Anspruch auf Abtretung gegen jenen; denn die Forderung stellt das Surrogat für sein Eigentum und seine Sicherheit dar. Eine entsprechende Vorausabtretung in den AGB des Leasinggebers ist daher zweckmäßig und unbedenklich, kann aber wohl nicht einfach im Wege ergänzender Vertragsauslegung bzw. auf Grund ungeschriebenen objektiven Rechts angenommen werden, da es sich um einen Vorgang auf der dinglichen Ebene handelt und das geltende Recht der dinglichen Surrogation grundsätzlich sehr zurückhaltend gegenübersteht. Nach Rückzahlung der restlichen Leasingraten kann der Leasinggeber nur noch die Abtretung des etwa auf ihn entfallenden Forderungsanteils bzw. der Leasingnehmer die Rückübertragung des ihm gebührenden Anteils verlangen, doch wird sich eine solche Aufspaltung wegen der Komplizierung des Außenverhältnisses i. d. R. nicht empfehlen, so daß zweckmäßigerweise eine der beiden Parteien die volle Eintreibung übernimmt und dann intern den der anderen Partei gebührenden Anteil abführt. Bei einer bloßen Beschädigung des Leasinggutes ist ein etwaiger Ersatz grundsätz- 1 7 5 9 lieh für dessen Reparatur zu verwenden. Eine Pflicht, diese auf eigene Kosten vorzulaufenen Zeit des Leasingvertrags gebührt". Dagegen wollen Bärmann/Ebling Rdn. 238, Ebenroth DB 1978, 2112 und Dömer VersR 1978, 888 dem Leasinggeber den vollen Gewinn zubilligen, verkennen dabei aber den C h a r a k t e r des Finanzierungsleasing als Dauerschuldverhältnis mit kreditorischer Komponente.
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Anders offenbar Flume DB 1972, 58, nach dessen Ansicht die Versicherungsssumme in erster Linie zur Erneuerung des Leasinggutes eingesetzt werden sollte und im übrigen offenbar vorwiegend dem Leasinggeber „als dem Vermögensträger verbleibt". Vgl. auch D ö m e r VersR 1978, 888 ff, wenngleich nicht im Hinblick auf die Versicherungssumme, sondern auf den Schadensersatzanspruch.
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
nehmen, hat der Leasingnehmer mangels besonderer Vereinbarung nicht, doch verstößt eine entsprechende Klausel in den AGB des Leasinggebers grundsätzlich nicht gegen § 9 AGBG, da der Leasinggegenstand sich in der Sphäre des Leasingnehmers befindet und die Verpflichtung zur Vornahme von Reparaturen nicht zu stark in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingreift, es sei denn, sie erstreckt sich auch auf wirtschaftlich unsinnige Reparaturen. Fehlt es an einer Reparaturklausel, kommt für beide Seiten wiederum ein Recht zur fristlosen Kündigung in Betracht, sofern der Leasingnehmer wegen des Schadens das Gut nicht mehr zweckentsprechend nutzen kann bzw. der Leasinggeber keine hinreichende Sicherheit mehr hat. f) Die Kündigung des Leasingvertrages durch den Leasinggeber aus in der Person des Leasingnehmers liegenden Gründen 1760
Kommt der Leasingnehmer in Verzug mit der Entrichtung der Leasingraten, gelten grundsätzlich die Ausführungen oben Rdn. 1337—1339 entsprechend. Der Leasinggeber hat also ein Recht zur fristlosen Kündigung, wenn ihm wegen des Verzuges das Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist; das ist nach dem Rechtsgedanken von §§ 554 BGB, 4 II AbzG grundsätzlich jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Leasingnehmer mit zwei aufeinanderfolgenden Raten in Höhe von mindestens 10 % des Kredits im Rückstand ist und trotz Androhung der Kündigung nicht zahlt. Durch die Kündigung werden die restlichen Raten zur sofortigen Rückzahlung fällig. Das gilt grundsätzlich auch für den darin enthaltenen Zinsanteil, da dieser bis zur effektiven Rückzahlung ohnehin dem Leasinggeber gebührt und nach dem Rechtsgedanken von § 628 II BGB sogar darüber hinaus bis Vertragsende als Schadensersatz geschuldet wird, doch hat sich der Leasingnehmer nach der Wertung von § 324 I 2 BGB etwa ersparte Refinanzierungskosten und dgl. anrechnen lassen (vgl. näher oben Rdn. 1338). Das alles sollte man auch dann akzeptieren, wenn man der hier vertretenen dogmatischen Einordnung des Finanzierungsleasing nicht folgt 1 2 4 ; denn es handelt sich um allgemeine kreditrechtliche Grundsätze, deren Einschlägigkeit angesichts der unbezweifelbaren kreditorischen Komponente des Finanzierungsleasing nicht von der genauen typologischen Einordnung abhängen darf.
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Des weiteren ist i. d. R. ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gegeben, wenn der Leasingnehmer trotz Abmahnung einen vertragswidrigen Gebrauch von dem Leasinggut macht und dadurch die Sicherheit des Leasinggebers und/oder seine Aussicht auf die Verwirklichung des Restwerts gefährdet. Auch hier gebühren dem Leasinggeber nicht nur die abgezinsten restlichen Raten, sondern grundsätzlich auch die darin enthaltenen Zinsanteile, weil die Kündigung durch Verschulden des Leasingnehmers ausgelöst worden ist und daher der Rechtsgedanke von § 628 II BGB eingreift.
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Zweifelhaft ist, ob der Eintritt einer wesentlichen Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Leasingnehmers den Leasinggeber zur fristlosen Kündigung berechtigt. Mit einer Analogie zu § 321 und/oder § 610 B G B kann man das nicht ohne weiteres begründen, weil diese Vorschriften nur einen versprochenen Kredit betreffen, während es hier um die vorzeitige Rückforderung eines bereits gewährten Kredits geht 1 2 5 . Dabei sind grundsätzlich strengere Anforderungen zu stellen, als wenn der 124
In der T a t kommt Flume D B 1972, 59 weitgehend zu denselben Ergebnissen; dagegen äußert von Westphalen S. 175 f gegen die sofortige Fälligkeit der Leasingraten in doktrinärer Durchführung der Miettheorie „durchgreifende dogmatisch-systematische Bedenken", gelangt dann aber
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S. 176 f mit Hilfe eines Schadensersatzanspruchs ebenfalls zu ähnlichen Ergebnissen wie hier. Das wird nicht genügend berücksichtigt von O L G Frankfurt N J W 1977, 200, 201 und ihm folgend von Wesphalen
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S. 165 f.
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
Kreditgeber sich lediglich von einer Vorleistungspflicht befreien will. Selbstverständlich kann aber auch hier die Vermögensverschlechterung bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände einen berechtigten Anlaß für eine fristlose Kündigung darstellen. Insbesondere darf man aus der Tatsache, daß der Leasinggeber sich regelmäßig keine besondere Sicherheit ausbedingt, nicht schließen, er habe sich ein für allemal mit der in seinem Eigentum am Leasinggut liegenden Sicherheit zufrieden gegeben. Solange freilich der Wert, der bei dessen Veräußerung mutmaßlich zu erzielen sein wird, die noch ausstehenden Leasingraten und den dem Leasinggeber etwa zustehenden Anteil am Restwert deckt, stellt die Vermögensverschlechterung keinen wichtigen Grund für eine Kündigung dar, weil sie dann nicht zu einer hinreichenden Gefährdung des Leasinggebers führt. Ist ein Kündigungsgrund gegeben, so gebühren dem Leasinggeber wiederum grundsätzlich die vollen Leasingraten, doch könnten diese hier anders als in den zuvor behandelten Fällen vom Zeitpunkt der Rückzahlung an abzuzinsen sein, weil die Kündigung nicht durch „vertragswidriges Verhalten" des Leasingnehmers veranlaßt ist und § 628 II BGB daher seinem Wortlaut nach nicht paßt. Indessen liegt es nahe, in dieser Hinsicht über den Wortlaut von § 628 II BGB hinauszugehen und dem Kreditgeber den Schadensersatzanspruch allgemein bei einer vom Kreditnehmer zu vertretenden Kündigung zuzuerkennen, worunter nach dem Rechtsgedanken von § 279 BGB auch eine Kündigung wegen Vermögensverschlechterung fällt. Während es bisher im wesentlichen um die Übertragung allgemeiner kreditrechtli- 1763 eher Grundsätze auf das Finanzierungsleasing ging, ist mit diesen nicht mehr ohne weiteres auszukommen, soweit die Verteilung des Erlöses für das Leasinggut in Frage steht. Dieser kann nämlich nicht einfach in voller Höhe auf die Restschuld des Leasingnehmers angerechnet werden wie beim (bloßen) Sicherungseigentum. Vielmehr ist insoweit grundsätzlich die Regelung zu beachten, die für das Schicksal des Leasinggutes nach Ablauf der „Grundmietzeit" getroffen ist. Steht danach z. B. dem Leasingnehmer eine Erwerbsoption zu, so kann nur derjenige Teil des Erlöses auf die Restschuld angerechnet werden, der den — festgelegten oder zu schätzenden — Optionspreis übersteigt. Soll der Restwert ganz dem Leasinggeber zugute kommen, muß die Anrechnung auf den Teil beschränkt werden, um den der Erlös sich bei realistischer Schätzung durch die Vorzeitigkeit der Verwertung erhöht hat. Entsprechendes gilt, wenn der Erlös zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer aufgeteilt werden sollte; auf die Restschuld anzurechnen ist also der Mehrerlös voll und die übrige Summe insoweit, als sie dem Leasingnehmer zusteht. g) Drittverweisungs- bzw. Haftungsausschlußklauseln und AGBG Beträchtliche dogmatische Schwierigkeiten bereitet der h. L. bei der Anwendung 1 7 6 4 des AGBG die Beurteilung der Drittverweisungsklauseln, wonach der Leasinggeber bei Leistungsstörungen aus dem Bereich des Dritten sowie bei Sach- und Rechtsmängeln dem Leasingnehmer nicht selbst einzustehen hat, sondern sich auf die Abtretung seiner Ansprüche gegen den Dritten beschränken darf. Qualifiziert man nämlich das Finanzierungsleasing als Miete, so liegt es nahe, zum Schutze von Nichtkaufleuten § 11 Nr. 7—10 AGBG anzuwenden und auch im Verkehr mit Kaufleuten eine allzu weite Abweichung vom gesetzlichen „Leitbild" der Miete u. U. am Maßstab von § 9 II AGBG zu korrigieren. Vom hier vertretenen Standpunkt aus sind derartige Klauseln dagegen beim reinen Finanzierungsleasing von vornherein unbedenklich, weil sie im wesentlichen lediglich deklaratorisch festschreiben, was ohnehin dem Typus entspricht (vgl. oben Rdn. 1736 und 1741 ff). Claus-Wilhelm Canaris
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
Zum selben Ergebnis sollte man aber auch vom Boden der h. L. aus kommen 1 2 6 , obwohl es zahlreiche Gegenstimmen gibt 127 . Das reine Finanzierungsleasing entfernt sich nämlich auf Grund der Besonderheiten der Interessenlage, die die h. L. mit dem Stichwort von der Trennung zwischen Vermögenssphäre und unternehmerischer Sphäre umschreibt (vgl. oben Rdn. 1715), so weit vom Normaltypus der Miete und hat sich inzwischen so sehr zu einem eigenständigen Realtypus des Wirtschafts- und Rechtslebens entwickelt, daß ein Vergleich mit dem „Leitbild" der gesetzlichen Mietregelung von vornherein verfehlt ist und darüber hinaus sogar eine Außerkraftsetzung der Klauselverbote von § 11 Nr. 7—10 AGBG im Wege der teleologischen Reduktion geboten erscheint, wenn man diese entgegen der hier vertretenen Ansicht f ü r dem Wortlaut nach einschlägig hält. Die Tatsache, daß man das Finanzierungsleasing typologisch in einer Weise deuten kann, bei der die fraglichen Klauseln im wesentlichen nur noch deklaratorischer N a t u r sind, sollte jedenfalls auch dann, wenn man sich der hier vertretenen Einordnung nicht anschließt, den Blick für die Eigenständigkeit dieses Vertragstyps und seine Unvergleichbarkeit mit der Miete des BGB öffnen. Auch besitzt der Topos große Uberzeugungskraft, daß der Leasingnehmer, der beim reinen Finanzierungsleasing i. d. R. den Dritten ausgesucht und mit ihm verhandelt hat, nicht besser zu stehen braucht als bei einem unmittelbaren Vertragsschluß mit diesem. Bei einem solchen aber könnte er sich im Falle von Leistungsstörungen aus dessen Bereich oder von Sach- und Rechtsmängeln grundsätzlich ebenfalls nur an diesen halten, so daß die Drittverweisungsklausel seine Rechtsstellung nicht ungebührlich verschlechtert, zumal er die Ansprüche gegen den Dritten bei Konkurs des Leasinggebers analog § 392 II H G B oder auf Grund vertraglicher Vorauszession aussondern kann (vgl. dazu unten Rdn. 1787). 1765
Gleiches gilt im Ausgangspunkt für Drittverweisungsklauseln beim absatzfördernden Finanzierungsleasing, da dieses grundsätzlich die Rechtsnatur und den Pflichteninhalt des reinen Finanzierungsleasing teilt (vgl. oben Rdn. 1724 und Rdn. 1739). Das entspricht der Interessenlage. Auch hier gilt nämlich, daß der Leasingnehmer nicht besser zu stehen braucht, als hätte er selbst den Kaufvertrag mit dem Dritten geschlossen und diesen durch die Aufnahme eines Darlehens bei dem Leasinggeber refinanziert. Auf der anderen Seite darf er folgerichtig aber auch nicht schlechter stehen als bei einem finanzierten Kauf. Demgemäß ist der Drittverweisungsklausel, wie bereits bei der Erörterung des „Einwendungsdurchgriffs" eingehend dargelegt worden ist (vgl. oben Rdn. 1752), die Anerkennung für den Fall zu versagen, daß eine Geltendmachung der Ansprüche gegen den Dritten wegen dessen Konkurses und dgl. aussichtslos oder unzumutbar erschwert ist. Der Leasingnehmer kann dann nach dem „Leitbild" der (ungeschriebenen) Regelung des finanzierten Kaufs die Zahlung der Leasingraten Vgl. g r u n d l e g e n d Flume D B 1972, 54 ff f ü r die Zeit v o r I n k r a f t t r e t e n des A G B G ; e b e n s o f ü r den heutigen Rechtszustand Coester-Waltjen Jura 1980, 186 f f ; M U n c h K o m m . - / i ö i z § 1 A G B G R d n . 85. D e r B G H h a t die D r i t t v e r w e i s u n g s k l a u sel f ü r d e n Fall eines S a c h m a n g e l s s e i n e r z e i t nicht beanstandet, jedoch offengelassen, ob das auch n a c h I n k r a f t t r e t e n des A G B G n o c h gilt, vgl. B G H Z 68, 118, 124 f f ; b e j a h e n d O L G H a m m W M 1980, 474, 477, d a s j e d o c h a n d e r e r s e i t s die „ F r e i z e i c h n u n g " v o n d e r L i e f e r v e r p f l i c h t u n g als u n w i r k s a m n a c h § 11 N r . 8 A G B G a n s i e h t . 127
E i n e in A G B n i c h t a b d i n g b a r e E i g e n h a f t u n g des L e a s i n g g e b e r s s o w o h l bei v e r s p ä t e t e r L i e f e r u n g
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des L e a s i n g g u t e s als a u c h bei S a c h m ä n g e l n , die g r u n d s ä t z l i c h a u c h im k a u f m ä n n i s c h e n Bereich gelten soll, n e h m e n z . B. an Löwe/von Westphalen/Trinkner K o m m , z u m A G B G , § 9 R d n . 51 u n d 102; Staudinger/Schlosser § 9 A G B G R d n . 135 f ; Ebenroth D B 1978, 2112 f f , d e s s e n K a u f t h e o r i e in diesen F r a g e n e b e n s o in die I r r e f ü h r t wie die r i g o r o s d u r c h g e f ü h r t e M i e t t h e o r i e . E i n e flexiblere L ö s u n g z u m i n d e s t f ü r den k a u f m ä n n i s c h e n Bereich v e r t r e t e n d a g e g e n z. B. Blomeyer NJW 1978, 975 f ; von Westphalen S. 71 ff, 7 9 ff (vgl. a b e r a u c h S. 106 ff b e z ü g l i c h d e r N i c h t k a u f l e u t e ) ; Staadinger/Emmerich Vorbem. z u §§ 535 f R d n . 48 a ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. D a s Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
gemäß § 242 BGB verweigern. Das kann allerdings nach der von der Rspr. und der h. L. zum finanzierten Kauf vertretenen, freilich nicht überzeugenden Ansicht folgerichtig nicht bei eingetragenen Kaufleuten i. S. von § 8 AbzG gelten (vgl. dazu oben Rdn. 1447 und 1483 a. E.). Noch eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem hier vorgeschlagenen Ansatz 1766 für das absatzfördernde Finanzierungsleasing. Orientiert man sich nämlich wirklich konsequent am Leitbild des finanzierten Kaufs, so kommt man zu dem Ergebnis, daß im Vertrag zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten keine Klauseln enthalten sein dürfen, die bei einem unmittelbaren Abschluß zwischen dem Leasingnehmer und dem Dritten gegen das AGBG verstießen. Das ist von großer praktischer Bedeutung vor allem dann, wenn der Leasingnehmer kein Kaufmann i. S. von § 24 AGBG ist. Wie ist also z. B. ein nach § 11 Ziff. 7 AGBG unzulässiger Haftungsausschluß oder eine nach §11 Ziff. 10 AGBG unzulässige Einschränkung der Gewährleistungsrechte im Vertrag zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten zu behandeln? Es gibt im wesentlichen zwei Lösungsmöglichkeiten. Man kann zum ersten dem Leasinggeber im Verhältnis zum Leasingnehmer die Berufung auf die Drittverweisungsklausel im Leasingvertrag verwehren bzw. vom hier vertretenen Standpunkt aus — dogmatisch präziser — wegen eines Verstoßes des Leasinggebers gegen die Pflicht zur Interessenwahrung beim Abschluß des Geschäfts mit dem Dritten dem Leasingnehmer ein Zurückweisungsrecht analog § 385 HGB oder einen Anspruch darauf geben, ihn so zu stellen, wie er stünde, wenn der Leasinggeber sich auf die mit dem AGBG unvereinbare Klausel nicht eingelassen hätte; das müßte angesichts des zwingenden Charakters des AGBG und des allgemeinen Umgehungsverbots auch dann gelten, wenn der Leasingnehmer dem Leasinggeber ausdrücklich eine mit dem AGBG unvereinbare Vertragsgestaltung erlaubt hätte. Eleganter und der Interessenlage besser entsprechend erscheint indessen eine andere Lösung: da der Dritte angesichts seiner Zusammenarbeit mit dem Leasinggeber genau weiß, daß die Wirkungen des Vertrags i. E. den Leasingnehmer treffen, kann er sich nicht darauf berufen, daß der Leasinggeber Kaufmann ist — z. B. eine GmbH —, sondern muß sich so behandeln lassen, als hätte er den Vertrag unmittelbar mit dem Leasingnehmer abgeschlossen. Das entspricht dem Grundsatz, daß Gesetzesumgehungen durch analoge Anwendung der umgehungsbedrohten Norm zu bekämpfen sind, und das stellt auch eine folgerichtige Weiterentwicklung der Regeln über das Handeln für fremde Rechnung dar, da sich bei diesem auch sonst u. U. die Wirksamkeit des Geschäfts nicht nach der Person des (formellen) Vertragspartners, sondern nach der des (materiellen) Geschäftsherrn beurteilt (vgl. oben Rdn. 1746 und unten Rdn. 1790 ff). Folgt man dieser Lösung, so bedeutet das für das Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer, daß die Drittverweisungsklausel insoweit grundsätzlich zum Zuge kommt, weil der Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegen den Dritten nichts im Wege steht. Das gilt jedenfalls nach einer höchstrichterlichen Klärung des Problems; bis zu einer solchen kann man dagegen dem Leasingnehmer wohl ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 BGB geben und den Leasinggeber auf den Prozeß mit dem Dritten verweisen, weil er sich auf eine Vertragsgestaltung eingelassen hat, die jedenfalls dem äußeren Erscheinungsbild nach mit den Interessen des Leasingnehmers unvereinbar ist. Man wird sogar noch einen Schritt weitergehen und für das reine Finanzierungsleasing ebenso entscheiden müssen. Denn auch bei diesem kann das AGBG umgangen werden, wenn man dessen Anwendung nur nach der Person des Leasinggebers beurteilt, und auch bei diesem muß man sagen, die Beurteilung von Wirksamkeitsvoraussetzungen aus der Person des Geschäftsherrn statt aus der des Vertragspartners liege in Claus-Wilhelm Canaris
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing der Konsequenz des Handelns für fremde Rechnung. Auch hier darf also der Leasingnehmer bezüglich des AGBG nicht schlechter stehen, als hätte er selbst den Vertrag unmittelbar mit dem Dritten geschlossen. 1767
Völlig anders sieht die Beurteilung von Drittverweisungsklauseln beim zwischenhändlerischen Finanzierungsleasing aus. Da dieses im Verhältnis zum Leasingnehmer in erster Linie nach Kaufrecht zu beurteilen ist (vgl. oben Rdn. 1723), sind hier grundsätzlich die Klauselverbote von § 11 Nr. 7—10 AGBG anzuwenden und ist auch sonst das Leitbild des Kaufs heranzuziehen. Das entspricht auch der Interessenlage. Denn ein Leasinggeber, der zusätzlich an dem Absatz des Leasingguts als solchem zu verdienen sucht, kann grundsätzlich nicht erwarten, an anderen Maßstäben als ein Verkäufer gemessen zu werden. H a t freilich der Leasingnehmer den Dritten ausgesucht oder gar die Vertragsverhandlungen mit diesem bis zur Abschlußreife geführt, so liegt darin eine für den Kauf atypische Besonderheit, die Abweichungen vom „Leitbild" der kaufrechtlichen Normalregelung sowie u. U. sogar eine teleologische Reduktion einzelner Klauselverbote rechtfertigen kann.
1768
Ähnlich wie bei den Drittverweisungsklauseln ist die Rechtslage bei Preiserhöhungsklauseln, mit deren Hilfe der Leasinggeber Erhöhungen, die sich zwischen dem Abschluß des Leasingvertrages und dem Abschluß des Vertrages mit dem Dritten bezüglich des Leasinggutes ergeben, auf den Leasingnehmer abwälzt. Diese sind beim reinen und auch beim absatzfördernden Finanzierungsleasing grundsätzlich unbedenklich, weil typuskonform und nur deklaratorisch (vgl. oben Rdn. 1733 a. E.). Beim zwischenhändlerischen Finanzierungsleasing sind sie dagegen grundsätzlich am AGBG zu messen. Dabei ist vom hier vertretenen Standpunkt aus § 11 Nr. 1 AGBG anwendbar, da die in der Klausel enthaltene Einschränkung für Dauerschuldverhältnisse nicht einschlägig ist; denn ein Dauerschuldverhältnis liegt nur bezüglich der Kreditgewährung, nicht jedoch bezüglich der Besitzverschaffung vor, da diese nicht im Wege der Miete, sondern des Kaufs erfolgt und das Entgelt insoweit also für die Sache und nicht für deren Gebrauch entrichtet wird (vgl. oben Rdn. 1723). Ob dem auch die h. L. folgen würde, ist unklar, weil noch nicht abzusehen ist, ob sie die mietrechtliche Qualifikation auch auf das zwischenhändlerische Finanzierungsleasing übertragen wird. Ist die Preiserhöhungsklausel nicht im Vertrag mit dem Leasingnehmer, sondern in dem mit dem Dritten enthalten, so gelten die Ausführungen oben Rdn. 1766 entsprechend.
1769
Klauseln, die die Weitergabe von Verminderungen des Einstandspreises für das Leasinggut ausschließen, sind beim reinen und auch beim absatzfördernden Finanzierungsleasing grundsätzlich nach § 9 II AGBG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken von § 387 H G B unwirksam (vgl. auch oben Rdn. 1733). Man denke etwa daran, daß der Leasinggeber das Gut beim absatzfördernden Finanzierungsleasing zu einem günstigeren Preis erhält, als er dem Leasingnehmer von dem Dritten genannt worden ist und bei unmittelbarem Vertragsschluß zugestanden würde. Freilich liegt in einer solchen Klausel ein Indiz dafür, daß in Wahrheit ein zwischenhändlerisches Finanzierungsleasing gewollt ist, bei dem eine solche Klausel natürlich unbedenklich, weil rein deklaratorisch ist, bei dem der Leasinggeber dafür aber, wie dargelegt, eine Fülle sonstiger Nachteile in Kauf nehmen muß.
1770
Zinsanpassungsklauseln, mit denen nicht Veränderungen der Einstandskosten für das Leasinggut, sondern der Refinanzierungskosten bzw. des Kapitalmarktzinses weitergegeben werden, entsprechen nicht der gesetzlichen Typologie und sind demgemäß
h) Entgeltsklauseln und AGBG
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer am AGBG zu messen. Sie sind nur wirksam, wenn der Leasinggeber gleichzeitig eine korrespondierende Pflicht zu einer eventuellen Herabsetzung übernimmt; die Ausführungen oben Rdn. 1328 gelten hier entsprechend. § 11 Nr. 1 AGBG ist freilich nicht einschlägig, weil die Ausnahme für Dauerschuldverhältnisse eingreift. i) Verfallklauseln und AGBG Verfallklauseln, durch die bei vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrages dem 1771 Leasinggeber ein Anspruch auf die restlichen Leasingraten zuerkannt wird, sind an dem oben Rdn. 1760 ff entwickelten Modell zu messen. Danach haben derartige Klauseln i. d. R. nur deklaratorische Wirkung, so daß sie unbedenklich sind. Das gilt bei einer Vertragsbeendigung auf Grund eines vertragswidrigen Verhaltens des Leasingnehmers auch dann, wenn sie eine Abzinsung ausschließen (vgl. oben Rdn. 1760); die Einschränkung, daß der Leasinggeber sich die Einsparung von Kosten oder anderweitig erzielte Gewinne, die er auf Grund der vorzeitigen Kapitalrückzahlung erzielt, nach dem Rechtsgedanken von § 324 I 2 BGB anrechnen lassen muß, läßt sich in aller Regel im Wege der einschränkenden Auslegung oder der Reduktion in den Vertrag hineininterpretieren (vgl. auch oben Rdn. 1339 Abs. 2). Beruht die vorzeitige Vertragsbeendigung dagegen auf einem vom Leasingnehmer 1 7 7 2 nicht zu vertretenden Umstand (vgl. z. B. oben Rdn. 1755), hat grundsätzlich vom Zeitpunkt der effektiven Rückzahlung an eine Abzinsung stattzufinden, da von diesem Augenblick an kein Kredit mehr in Anspruch genommen und demgemäß für diesen keine Vergütung mehr geschuldet wird (vgl. oben Rdn. 1343). Klauseln, die eine solche Abzinsung zur Gänze ausschließen, sind grundsätzlich als Vertragsstrafversprechen anzusehen oder einem solchen im Wege der Analogie gleichzustellen, so daß sie gegenüber Nichtkaufleuten unter § 11 Nr. 6 AGBG fallen und auch gegenüber Kaufleuten allenfalls in seltenen Ausnahmefällen einer Kontrolle am Maßstab von § 9 AGBG standhalten. Soll die Abzinsung zu einem niedrigeren Satz erfolgen, als er der Berechnung der Leasingraten zugrunde gelegt wurde, handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Vertragsstrafe, sondern um eine Pauschalierung der Refinanzierungsaufwendungen, so daß nicht § 11 Nr. 6, sondern § 10 Nr. 7 Buchst, b AGBG einschlägig ist und gegenüber Kaufleuten bei einem einigermaßen realistischen Abschlag i. d. R. keine Bedenken aus § 9 AGBG herzuleiten sind. Zu anderen Ergebnissen kommt man in diesen Fällen, in denen der Weg über eine analoge Anwendung von § 628 II BGB nicht gangbar ist, u. U. vom Boden der Miettheorie aus, da nach dieser der Leasingnehmer eigentlich in voller Höhe von der Pflicht zur Entrichtung der weiteren Leasingraten befreit sein müßte. Da dieses Ergebnis evident unrichtig wäre, sollte man helfen, indem man die Verfallklausel z. T. als Anspruch auf Ersatz der für die Beschaffung des Leasinggutes gemachten Aufwendungen interpretiert und dem „Vermieter" einen solchen Aufwendungsersatz wegen der Atypizität der Interessenlage, die die h. L. mit der Formel von der Trennung zwischen Vermögenssphäre und unternehmerischer Sphäre kennzeichnet (vgl. oben 1715), ausnahmsweise gestattet 128 . Verfallklauseln, die eine Anrechnung des bei der Verwertung des Leasinggutes 1773 erzielten Erlöses entgegen den oben Rdn. 1763 entwickelten Grundsätzen ausschließen oder reduzieren, sind als Vertragsstrafeversprechen zu behandeln und daher i. d. R. als >28 Dieser Ausweg wird o f f e n b a r übersehen in B G H Z 71, 196, 204 ff und bei von Weslpbalen S. 175 f; im Ansatz zutreffend dagegen insoweit
O L G Düsseldorf N J W 1973, 1612 im Anschluß an Flume D B 1972, 56; ähnlich ferner Quittnat BB 1979, 1531 f.
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing unwirksam anzusehen — sei es nach § 11 Nr. 6 oder sei es nach § 9 A G B G . In diesem Sinne, aber auch nur in diesem Sinne ist es richtig, daß die „Kumulierung von Rücktritt und Anspruch auf alle — zudem sofort fällig werdenden — Restmieten" in A G B nicht wirksam vereinbart werden kann 1 2 9 . Darüber hinaus dürften derartige Klauseln analog § 1229 B G B sogar in Individualvereinbarungen nichtig sein. 1774
W a s schließlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des „Verfalls" angeht, so ist die Klausel daraufhin zu überprüfen, ob sie dem „Leitbild" eines wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung entspricht. Daher kann z. B. das Erfordernis vorheriger Abmahnung i. d. R. nicht wirksam abbedungen werden 1 3 0 (vgl. auch oben Rdn. 1339). Auch eine Klausel, wonach der Verfall schon bei Verzug mit einer einzigen Monatsrate eintritt, wird gegenüber einem Nichtkaufmann i. d. R. nach dem Rechtsgedanken von §§ 554 I B G B , 4 II A b z G unwirksam sein 1 3 1 (vgl. auch oben a a O ) . Soll der Verfall ipso iure, also ohne entsprechende Gestaltungserklärung des Leasinggebers eintreten, so sind zwar nicht die Grundsätze über die Vertragsstrafe anzuwenden 1 3 2 , doch entfällt dadurch i. d. R . nicht das Erfordernis einer besonderen Abmahnung und u. U. auch eines Hinweises auf die drohende Folge eines Verfalls (vgl. näher oben a a O ) . k ) Die Zwangsvollstreckung in das Leasinggut
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Bei einer Zwangsvollstreckung von Gläubigern des Leasingnehmers in das Leasinggut steht dem Leasinggeber die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 Z P O zu. Denn da diese nach h. L. bekanntlich sogar auf bloßes Sicherungseigentum gestützt werden kann, muß sie erst recht beim Finanzierungsleasing gegeben sein, da das Eigentum des Leasinggebers nicht lediglich Sicherungseigentum ist (vgl. oben Rdn. 1719).
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Ist den Gläubigern des Leasingnehmers somit der Zugriff auf das Eigentum grundsätzlich verwehrt, drängt sich als Ausweg eine Vollstreckung in das Nutzungsrecht des Leasingnehmers auf. Eine solche kann vor allem gegen Ende der „Grundmietzeit" oder nach Ausübung einer etwaigen Verlängerungsoption wirtschaftlich sinnvoll sein, da jetzt nur noch wenige oder gar keine Ratenzahlungen mehr ausstehen, andererseits aber das Nutzungsrecht durchaus noch einen beträchtlichen wirtschaftlichen W e r t darstellen kann. Es liegt daher nahe, grundsätzlich dessen Pfändung als „Vermögensrecht" i. S. von § 857 Z P O zuzulassen 1 3 3 . Indessen ist das Nutzungsrecht dogmatisch gesehen in Wahrheit gar kein selbständiges Recht, sondern Teil des „Rechts zum Besitz". Dieses ist zwar seiner Grundstruktur nach obligatorischer Natur, hat jedoch eine so weitgehende Verdinglichung erfahren, daß es in nahezu jeder Hinsicht einem dinglichen Recht gleichsteht 1 3 4 . Insbesondere erfolgen seine Begründung und Übertragung nicht wie bei einem gewöhnlichen obligatorischen Recht durch bloße Einigung, sondern setzen wie bei einem Mobiliarsachenrecht zusätzlich die Übergabe oder ein Übergabesurrogat voraus 1 3 5 . Dann aber liegt es nahe, auch seine Pfändung den Vorschriften über 12» So B G H Z 71, 196, 204 f, wo die Formulierung jedoch ersichtlich nicht in diesem engen Sinne gemeint ist; unrichtig daher auch O L G Hamm W M 1980, 474, 478 unter e bb und D B 1981, 885 f. >30 Vgl. O L G Frankfurt W M 1976, 1318, 1320; Flume D B 1972, 59; Reich S. 7 8 ; Quittnat BB 1979, 1531; Coester- Waltjen Jura 1980, 190. 131 Richtig daher i. E. B G H Z 71, 196, wo der Verfall schon bei einem länger als 10 Tage dauernden Verzug mit der Zahlung einer Monatsmiete ein-
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treten sollte und der Leasingnehmer ein Steuerberater, also kein Kaufmann war. A . A . , speziell zum Leasing, z . B . Ebenroth DB 1978, 2114 und wohl auch Quittnat BB 1979, 1532 f. So in der T a t Lwoviski S. 126 f; Borggräfe S. 97 ff; Stöber Forderungspfändung 5 Rdn. 2 6 7 ; a. A. Krause N J W 1973, 692, weil § 549 B G B entgegenstehe. Vgl. eingehend Canaris Festschr. für Flume, 1978, S. 392 ff m. Nachw. Vgl. näher Canaris aaO S. 401 f m. Nachw.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
bewegliche Sachen zu unterwerfen und demgemäß grundsätzlich die §§ 808 ff Z P O (analog) anzuwenden, um den rechtstechnischen Gleichlauf mit den Regeln über die Übertragung zu wahren. Ebenso wie auf die Übertragung des Rechts zum Besitz statt des Auffangtatbestandes von §413 BGB die spezielleren Vorschriften der §§ 929 ff BGB analog anzuwenden sind, muß also auch bei der Pfändung der Auffangtatbestand des § 857 Z P O , der die vollstreckungsrechtliche Parallele zu § 413 BGB bildet, durch die Analogie zu §§ 808 ff Z P O ersetzt werden; denn die in § 413 BGB ausdrücklich enthaltene Einschränkung „soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt" muß folgerichtig auch für den ähnlichen Auffangtatbestand des § 857 Z P O gelten. Für diese Lösung sprechen im übrigen auch praktische Gründe. Es ist nämlich schwer ersichtlich, auf welche Weise der Pfandgläubiger bei einer „Überweisung" des Rechts zum Besitz oder des Nutzungsrechts nach §§ 857, 835 Z P O in den Besitz der Sache gelangen soll, da dieses Recht ja keinen Herausgabeanspruch gegen den Besitzberechtigten und Vollstreckungsschuldner umschließt und seine Überweisung demgemäß dem Vollstrekkungsgläubiger einen solchen nicht verschaffen kann; § 857 IV Z P O ist jedenfalls nicht einschlägig, da es insoweit nicht um die Problematik der Unveräußerlichkeit geht. Diese Schwierigkeiten entfallen, wenn die Pfändung analog § 808 Z P O durch Inbesitznahme des Gerichtsvollziehers bewirkt wird. Dabei wird, anders als u. U. bei Anwendung der §§ 808 ff Z P O auf die Pfändung des Anwartschaftsrechts eines Eigentumsvorbehaltskäufers, nicht etwa die Sache eines Dritten — nämlich des Leasinggebers — gepfändet, sondern vielmehr lediglich das Besitz- und Nutzungsrecht des Leasingnehmers den Vorschriften über die Sachpfändung unterworfen — wie überhaupt beträchtliche Zurückhaltung gegenüber einem Vergleich mit der Pfändung des Anwartschaftsrechts geboten ist, weil es hier um den Zugriff auf den (gegenwärtigen) Nutzungswert und nicht wie dort auf das (zukünftige) Eigentum des Vollstreckungsschuldners geht. Wendet man demgemäß die §§ 808 ff Z P O analog an, so gilt das auch beim Immobilienleasing; denn zum einen bildet das Recht zum Besitz keine „Berechtigung, f ü r welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten", so daß es nach § 864 Z P O nicht den Regeln über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt, und zum anderen ist auch bei Immobilien die Übergabe konstitutiv für das Recht zum Besitz 136 , so daß auch hier der Auffangtatbestand des § 857 Z P O durch die Analogie zu §§ 808 ff Z P O verdrängt wird. Voraussetzung für eine Vollstreckung in das Recht zum Besitz ist freilich, daß es übertragbar ist oder daß zumindest seine Ausübung einem Dritten überlassen werden kann. Das ergibt sich bei seiner Behandlung als „Vermögensrecht" ohne weiteres aus § 857 III Z P O und bei Anwendung der §§ 808 ff Z P O aus § 771 Z P O i. V. mit dem Rechtsgedanken von § 986 I 2 BGB, da der Leasinggeber bei Unzulässigkeit der Übertragung oder Ausübungsüberlassung die Inbesitznahme durch den Pfandgläubiger bzw. den Gerichtsvollzieher nicht zu dulden braucht und sich folglich mit der Drittwiderspruchsklage zur W e h r setzen kann 1 3 7 . Eine solche Unzulässigkeit könnte man vom Boden der h. L. aus auf § 549 BGB und vom hier vertretenen Standpunkt aus (vgl. oben Rdn. 1719) auf § 691 BGB stützen. Dabei dürfte es in der Tat für den Teilamortisationsvertrag (vgl. oben Rdn. 1710 a. E.) sein Bewenden haben; denn da der Leasinggeber dabei seine Anschaffungskosten nicht in voller H ö h e vom Leasingnehmer erhält, hat er ein beträchtliches Interesse an der Erhaltung des Restwerts und seiner H ö h e , so 136 137
Vgl. näher Canaris a a O S. 401 mit Fn. 137. Vgl. zum Zusammenhang zwischen der Drittwiderspruchsklage und den Ansprüchen aus § 1004 BGB überzeugend Blomeyer Zivilprozeßrecht und
Vollstreckungsverfahren, 1975, § 3 5 113; mit § 986 I 2 BGB besteht folgerichtig ein entsprechender Zusammenhang.
Claus-Wilhelm Canaris
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
daß die Gebrauchsüberlassung mit einem besonderen Vertrauenselement verbunden ist und die ratio legis von §§ 549, 691 BGB mithin paßt. Anders dürfte dagegen beim Vollamortisationsvertrag zu entscheiden sein, weil das Interesse des Leasinggebers an der Sache sich bei diesem i. d. R. weitgehend auf die darin liegende Sicherheit beschränkt und das Risiko einer Verschlechterung des Gutes insoweit typischerweise durch eine vom Leasingnehmer zu bezahlende Versicherung abgedeckt ist. Man wird sogar noch einen Schritt weitergehen und ein in den AGB des Leasinggebers enthaltenes Übertragungs- oder Überlassungsverbot zwar nicht nach § 137 BGB 1 3 8 , wohl aber nach § 9 AGBG wegen übermäßiger Beeinträchtigung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des Leasingnehmers als unwirksam ansehen müssen 139 . Damit ist hier grundsätzlich der Weg für eine Pfändung frei. Die Verwertung des Nutzungsrechts kann durch dessen Veräußerung erfolgen, doch werden regelmäßig andere Maßnahmen analog § 825 bzw. § 857 IV Z P O wie vor allem die entgeltliche Ausübungsüberlassung an einen Dritten oder den Pfandgläubiger den Vorzug verdienen 140 . 1777
Ob und wie ein Zugriff der Gläubiger des Leasingnehmers auf den Restwert möglich ist, hängt in erster Linie von der vertraglichen Gestaltung seines Schicksals ab. Ist z. B. vereinbart, daß das Leasinggut nach Ablauf der „Grundmietzeit" durch den Leasinggeber veräußert und der Leasingnehmer am Erlös beteiligt werden soll, so unterliegt dessen Anspruch gegen den Leasinggeber auf Auskehrung des Erlösanteils der Pfändung, da grundsätzlich auch zukünftige Forderungen gepfändet werden können und es an der erforderlichen Bestimmbarkeit nicht fehlt. Freilich geht eine etwaige Abrede zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer, wonach der Erlös ins Kontokorrent einzustellen oder mit den Ansprüchen des Leasinggebers aus einem neuen Leasingvertrag zu verrechnen ist, analog § 404 BGB dem Pfändungspfandrecht vor.
1778
Komplexer ist die Lage, wenn dem Leasingnehmer eine Erwerbsoption eingeräumt worden ist. Hier können dessen Gläubiger zunächst den — unter einer Potestativbedingung stehenden oder nach anderer Konstruktion zukünftigen — Anspruch auf Übereignung des Leasinggutes gemäß §§ 846 ff Z P O pfänden. Das kann auch ohne gleichzeitige Pfändung des Optionsrechts sinnvoll sein, weil der Leasingnehmer häufig trotz der Pfändung von diesem Gebrauch machen wird, um von seiner Schuld befreit zu werden und einen etwaigen Mehrerlös an sich zu ziehen. Darüber hinaus kann grundsätzlich das Optionsrecht selbst nach § 857 Z P O gepfändet werden 1 4 0 a mit der Folge, daß es vom Pfandgläubiger ausgeübt werden kann. Zwar könnte man dagegen einwenden, dadurch werde der Pfandschuldner mit der Pflicht zur Bezahlung des Entgelts belastet und daher müsse die Entscheidung über die Ausübung ihm allein vorbehalten bleiben, doch schlägt dieses Bedenken letztlich nicht durch. Denn zum einen haftet der Gläubiger dem Schuldner bei einer wirtschaftlich unvernünftigen Ausübung des Optionsrechts — die beim Leasing ohnehin kaum in Betracht kommen wird — aus positiver Forderungsverletzung, und zum anderen läßt die h. L. auch die Pfändung von Wiederkaufs- und (übertragbaren) Vorkaufsrechten zu 1 4 1 , bei denen sich die gleiche 138
139
140
Vgl. auch Borggräfe S. 112 ff gegen Lwowski S. 127; die teilweise Verdinglichung des Rechts zum Besitz f ü h r t nicht z u r A n w e n d u n g von § 137 BGB, weil die Übertragbarkeit eine Frage der inhaltlichen Ausgestaltung ist und f ü r diese nicht der sachenrechtliche T y p e n z w a n g , sondern die schuldrechtliche Inhaltsfreiheit gilt. So mit Recht Borggräfe S. 130 ff. Vgl. dazu eingehend Borggräfe S. 134 ff.
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i « » A . A . LG Berlin M D R 1976, 409, 410, wonach das Optionsrecht „kein Anwartschaftsrecht und auch kein sonstiges pfändbares Vermögensrecht ist, (sondern) nur eine nicht zum Vermögen gehörende künftige Erwerbsmöglichkeit, von der der Schuldner nicht Gebrauch machen muß", 141 Vgl. z. B. Blomeyer a a O (Fn. 137) § 62 II; Stein/ Jonas/Münzberg§ 857 Anm. 117; Stöber a a O (Fn. 133) Rdn. 1782 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer Problematik ergibt. Die Interessen des Leasinggebers sind nicht beeinträchtigt, da er nur Zug um Zug gegen Zahlung des Optionspreises — zu der der Pfandgläubiger angesichts der typischen Wertverhältnisse beim Leasing häufig bereit sein wird — zu leisten braucht und auch sonst analog § 404 BGB alle Einwendungen behält, die er etwa gegen den Leasingnehmer hat. Unübertragbar ist das Optionsrecht nicht. Gerade durch seine Einräumung zeigt der Leasinggeber nämlich, daß er kein eigenes sachbezogenes Interesse am Leasinggut hat, und daher ist hier für eine analoge Anwendung des in § 514 BGB für das Vorkaufsrecht ausgesprochenen Übertragungsverbots auch dann kein Raum, wenn man diese bei anderen Optionsrechten befürwortet. Erst recht ist es ohne Belang, daß das Optionsrecht ein Gestaltungsrecht darstellt; denn abgesehen davon, daß ein solches keineswegs generell unübertragbar ist 141a , würde dies nach dem Rechtsgedanken von § 851 II und/oder § 857 III Z P O seiner Pfändung nicht entgegenstehen. Entsprechendes dürfte für ein vertragliches Übertragungsverbot gelten; darüber hinaus würde ein solches i. d. R. wohl sogar gegen § 9 AGBG verstoßen, weil es ohne hinreichendes Interesse des Leasinggebers die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Leasingnehmers ungebührlich beschneidet. Steht das Optionsrecht freilich unter der Bedingung, daß der Leasingnehmer einen neuen Leasingvertrag abschließt und enthält es demgemäß eine Art Treueprämie, so kann dieser Einwand analog § 404 BGB auch dem Pfandgläubiger entgegengesetzt werden, ohne daß letzterer den Leasingnehmer zum Abschluß des neuen Vertrages zwingen kann. Die Pfändung des Optionsrechts allein nützt dem Gläubiger freilich wenig, weil der durch seine Ausübung ausgelöste Anspruch in der Person des Pfandschuldners entsteht. Es empfiehlt sich daher, ja ist wohl sogar geradezu aus Rechtsgründen erforderlich, im Wege einer Doppelpfändung auch auf diesen zuzugreifen. Umgekehrt ist eine solche auch deshalb zweckmäßig, weil das Optionsrecht von einer Anspruchspfändung wohl nicht ohne weiteres miterfaßt wird; denn da seine Ausübung den Anspruch überhaupt erst zur Entstehung bringt, kann man es nicht als unselbständiges Nebenrecht desselben ansehen, so daß es gesondert gepfändet werden muß. Läßt man die Pfändung der Erwerbsoption zu, muß gleiches grundsätzlich auch für 1 7 7 9 die Pfändung der Verlängerungsoption gelten 142 . Natürlich nützt diese nur etwas, wenn zugleich das Nutzungsrecht gepfändet wird. Im Zusammenwirken damit kann die Pfändung aber zu einer Verbesserung der Befriedigungsmöglichkeiten des Pfandgläubigers führen. Man sollte ihre Zulässigkeit daher nicht daran scheitern lassen, daß die Verlängerungsoption als solche nicht selbständig verwertbar ist 143 . Kann die Option nur für einen bestimmten Zeitraum — z. B. jeweils für ein Jahr — ausgeübt werden und steht das dafür zu entrichtende Entgelt außer Verhältnis zur Forderung des Pfandgläubigers, so wird der Pfändungsantrag regelmäßig wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot rechtsmißbräuchlich sein. Einer Zwangsvollstreckung in das Leasinggut durch Gläubiger des Leasinggebers 1 7 8 0 steht bei beweglichen Sachen schon der Gewahrsam des Leasingnehmers entgegen, dessen Verletzung im Wege der Erinnerung nach § 766 Z P O gerügt werden kann, sowie außerdem auch sein Recht zum Besitz, das zur Drittwiderspruchsklage nach l41a
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42
Vgl. dazu statt aller Palandt/Heinrkhs §413 Anm. 1 c. Ebenso i. E. Lwowski S. 127; a. A. Borggräfe S. 144 ff, der statt dessen mit der Gläubigeranfechtung helfen will.
143
Darin liegt das wesentliche Bedenken von Borggräfe a a O ; ähnlich auch schon Döllerer BB 1971, 537.
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15. Abschnitt. S o n d e r f o r m e n des Kreditgeschäfts. III. D a s Finanzierungsleasing
§ 771 Z P O berechtigt 144 . Beim Immobilienleasing wird der Leasingnehmer gemäß und im Rahmen von §§ 57 f ZVG i. V. m. § 571 BGB geschützt; das gilt auch bei Ablehnung der Miettheorie, da § 571 BGB dann analog anzuwenden ist (vgl. dazu unten Rdn. 1801). 1781
Eine Pfändung des Herausgabeanspruchs des Leasinggebers gegen den Leasingnehmer ist nach §§ 846 ff Z P O möglich. Der Leasingnehmer kann dem Pfandgläubiger jedoch analog § 404 BGB sowohl sein Recht zum Besitz aus dem Leasingvertrag als auch die durch Ausübung etwaiger Optionen entstehenden Rechte entgegensetzen, da auch für letztere der „Grund" bereits vor der Pfändung gelegt war und somit die Voraussetzungen von § 404 BGB erfüllt sind. 1) Der Konkurs des Leasingnehmers
1782
Im Konkurs des Leasingnehmers hat der Leasinggeber nicht lediglich ein Absonderungsrecht wie ein bloßer Sicherungseigentümer, sondern ein Aussonderungsrecht 145 . Denn er ist nicht nur beim Teil-, sondern auch beim Vollamortisationsvertrag grundsätzlich Volleigentümer (vgl. oben Rdn. 1719 i. V. m. Rdn. 1717) und trägt gerade im Konkurs das damit verbundene Risiko bezüglich des Restwerts, da ein etwaiges Andienungsrecht nicht konkursbeständig ist (vgl. unten Rdn. 1785).
1783
Was das Schicksal des Leasingvertrages angeht, so haben nach der Miettheorie beide Seiten das Kündigungsrecht gemäß § 19 KO 1 4 6 , das jedoch nicht fristlos wirkt, sondern an die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungfrist gebunden ist. Bis zum Wirksamwerden der Kündigung stellen die fällig werdenden Leasingraten Masseschulden nach § 59 Nr. 2 K O dar 1 4 7 . Nach diesem Zeitpunkt hat der Leasinggeber keinen Anspruch auf die Leasingraten mehr, jedoch bei Kündigung durch den Konkursverwalter immerhin den Schadensersatzanspruch gemäß § 19 S. 3 K O , während bei eigener Kündigung ein solcher Anspruch grundsätzlich nicht besteht 148 . Vom hier vertretenen Standpunkt aus (vgl. oben Rdn. 1719) sind dagegen entsprechend der kreditorischen Funktion des Finanzierungsleasing grundsätzlich darlehensrechtliche Regeln anzuwenden. Ein Kündigungsrecht nach § 19 K O kommt somit nicht in Betracht. Vielmehr ist grundsätzlich vom Wahlrecht des Konkursverwalters gemäß § 17 KO auszugehen, doch entfällt dieses von dem Augenblick an, in dem der Leasingvertrag durch Auszahlung des Entgelts an den Dritten oder durch Eingehung einer nicht mehr rückgängig zu machenden Pflicht hierzu in Vollzug gesetzt worden ist; denn dadurch hat der Leasinggeber dem Leasingnehmer den Kredit eingeräumt und folglich seine Leistung im Sinne von § 17 K O vollständig erbracht (vgl. auch oben Rdn. 1260). Im übrigen führt der Konkurs gemäß § 65 K O zur sofortigen Fälligkeit der restlichen Leasingraten 148a und zu ihrer Einstufung als gewöhnliche Konkursforderung 144
Vgl. näher Canaris a a O (Fn. 134) S. 396 f m. Nachw.; a. A. bezüglich des Leasing Reich S. 72, der jedoch das Recht zum Besitz übersieht. 4 > * Ebenso Klaas N J W 1968, 1507; Flume DB 1972, 153; Krause N J W 1973, 692; Hagenmüller/Stoppok S. 298; Reich S. 71; a. A. Seeger KTS 1974, 11 f (vgl. dazu unten Rdn. 1784 a. E.). > 4 ' Vgl. B G H Z 71, 189, 190 ff; O L G Frankfurt BB 1979, 2125; Meilicke BB 1964, 691; Klaas N J W 1968, 1507; Döllerer BB 1971, 537; Flume DB 1972, 59; Reich S. 72; Hiddemann WM 1978, 836; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck Konkursord-
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nung 9 , § 19 Rdn. 3; einschränkend Seeger KTS 1974, 11 f. 147 Darum ging es im Fall B G H Z 71, 189. 148 Demgemäß empfiehlt Flume DB 1972, 59 f im Anschluß an R G Z 115, 273 dessen vertragliche Vereinbarung, während Reich S. 71 eine solche für unzulässig hält. 148a Auch in diesem Punkt entspricht die hier vertretene Theorie offenbar der Formularpraxis, da diese für den Konkursfall Fälligkeitsklauseln vorzusehen pflegt, vgl. z. B. Hagenmiiller/Stoppok S. 298 sowie auch die oben Rdn. 1710 wiedergegebene Beschreibung des BFH unter Buchstabe e.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2. Das Rechtsverhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer
— nicht anders als in sonstigen Fällen der Kreditgewährung (vgl. dazu oben Rdn. 1259). Im Gegensatz zur Miettheorie hat der Leasinggeber also einerseits den Anspruch auf die gesamten restlichen Raten (wobei je nach Auslegung von § 65 K O eine Abzinsung vorzunehmen ist, der freilich der Rechtsgedanke von § 279 BGB entgegenstehen könnte), andererseits aber keine Masseforderung nach § 59 KO 1 4 9 . Ein weiterer praktischer Unterschied dürfte sich ergeben, wenn der Leasinggeber das Geschäft mit dem Dritten erst nach Konkurseröffnung vorgenommen hat. Dann wird er nämlich vom hier vertretenen Standpunkt aus analog § 23 I 2 K O i. V. m. § 674 BGB in seinem guten Glauben geschützt, während er nach der Miettheorie nur das Rücktrittsrecht gemäß § 20 K O hat, weil (und sofern) die Sache dem Leasingnehmer noch nicht überlassen war. Somit bestätigt sich die bekannte Einsicht, daß Unterschiede der dogmatischen Einordnung zumindest in Randfragen zu Unterschieden der praktischen Ergebnisse auch dann führen können, wenn man sich um größte Zurückhaltung gegenüber der Ableitung von Rechtsfolgen aus Theorien bemüht. Vom Boden beider Theorien aus stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen 1784 dem Leasingvertrag und dem Aussonderungsrecht des Leasinggebers. Nach der Miettheorie verliert der Leasingnehmer sein Recht zum Besitz folgerichtig erst mit Wirksamwerden der Kündigung, so daß der Leasinggeber erst von diesem Zeitpunkt an das Leasinggut kraft seines Eigentums an sich nehmen kann. Nach der hier vertretenen Ansicht bestehen zwar der Leasingvertrag und das daraus folgende Recht zum Besitz ebenfalls fort, da die vorzeitige Fälligkeit nach § 65 K O die Wirksamkeit des Vertrags unberührt läßt, ja geradezu voraussetzt, doch hat der Leasinggeber ein Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund, sofern — aber auch nur sofern! — der Zerschlagungswert des Leasinggutes bei Ablauf der Grundmietzeit den Anspruch auf die restlichen Raten voraussichtlich nicht deckt (vgl. oben Rdn. 1762). Bietet freilich der Konkursverwalter dem Leasinggeber die Zahlung der restlichen Leasingraten an und reicht die Masse zur Befriedigung einer derartigen Masseschuld evidentermaßen aus, so entfällt der Grund zur fristlosen Kündigung bzw. wird die Kündigung nach § 19 K O wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip rechtsmißbräuchlich 150 . Kommt es dagegen zur Verwertung des Leasinggutes, so ist der Erlös grundsätzlich auf die Restschuld des Leasingnehmers anzurechnen, wobei freilich die oben Rdn. 1763 entwickelten Einschränkungen entsprechend gelten. Das wird der Masse allerdings kaum jemals zugute kommen, da der Leasinggeber ein Aussonderungsrecht hat (vgl. oben Rdn. 1782) und daher seine Forderung anders als nach § 64 K O in voller Höhe geltend machen kann. Darin liegt keine Unbilligkeit 151 , wenn man dem obigen Vorschlag entsprechend dem Konkursverwalter die Möglichkeit gibt, die Kündigung des Leasingvertrages durch das Angebot zur Zahlung der restlichen Leasingraten zu verhindern. Die Phase nach Ende der Grundmietzeit dürfte konkursrechtlich als eigenständiger 1 7 8 5 Abschnitt zu behandeln sein, so daß insoweit der Konkursverwalter grundsätzlich das Wahlrecht nach § 17 K O hat. War ein etwaiges Optionsrecht bereits vor Konkurseröffnung ausgeübt worden, so gilt ebenfalls § 17 K O ; es kommt also darauf an, ob eine der Parteien die ihr durch die Ausübung der Option erwachsenen Pflichten bereits voll erfüllt hatte oder nicht. 149
150
Der Fall B G H Z 71, 189 wäre somit vom Boden der hier vertretenen Ansicht aus entgegengesetzt zu entscheiden gewesen. Entgegen Flume DB 1972, 59 bedarf es daher nicht der vertraglichen Festlegung eines
Anspruchs des Konkursverwalters auf Neuabschluß des Leasingvertrages. >51 A . A . Seeger K T S 1974, 13 f, der deshalb nur ein Absonderungsrecht gewähren will.
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing m) Der Konkurs des Leasinggebers 1786
Im Konkurs des Leasinggebers führt die Miettheorie gemäß § 21 K O grundsätzlich zur Wirksamkeit des Leasingvertrages gegenüber der Masse 132 . Zum gleichen Ergebnis kommt man auch vom hier vertretenen Standpunkt, weil das Eigentum des Leasinggebers bis zum Ablauf der Grundmietzeit treuhänderisch oder treuhandähnlich gebunden ist (vgl. oben Rdn. 1719) und der Leasingnehmer daher so lange das Aussonderungsrecht des Treugebers hat 1 5 3 . Daß dieses befristet ist, kann nicht verwundern, wenn man bedenkt, daß es nur auf obligatorischer Grundlage beruht. Es ist auch beim Immobilienleasing gegeben; denn es geht um ein obligatorisches Nutzungsrecht, dessen Verlautbarung auch bei Grundstücken durch den Besitz erfolgt 1 5 4 , so daß es sich nicht etwa um ein „heimliches" Aussonderungsrecht an einem Grundstück handelt. Allerdings sollte man § 21 IV K O i. V. m. §§ 57 f ZVG auch bei Ablehnung der Miettheorie entsprechend anwenden, da bei Immobilien niemand mit einem durchsetzungskräftigeren obligatorischen Besitzrecht als dem des Mieters zu rechnen braucht.
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Auch vom Ergebnis her relevant werden kann der Gegensatz der Theorien dagegen bezüglich der obligatorischen Forderungen aus dem Geschäft zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten, also z. B. bezüglich eines Anspruchs auf Wandelung oder Minderung. Während diese nämlich vom hier vertretenen Standpunkt aus analog § 392 II H G B vom Leasingnehmer ausgesondert werden können, führt für die Miettheorie wohl kein Weg daran vorbei, daß sie grundsätzlich in die Masse fallen. Da das i. d. R. nicht der Interessenlage entspricht und andere Lösungen nicht ersichtlich sind (vgl. auch unten Rdn. 1797), sollte die Kautelarjurisprudenz eine vorsorgliche Vorausabtretung in Erwägung ziehen, zumal anderenfalls die Drittverweisungsklauseln im Leasingvertrag — die bei Zugrundelegung der Miettheorie ja besonderer Rechtfertigung bedürfen — einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG möglicherweise nicht standhalten.
1788
Die Phase nach Ablauf der Grundmietzeit hat wiederum ihr eigenes Schicksal, da der Miet- bzw. Treuhandschutz jetzt nicht mehr gegeben ist. Folglich hat der Konkursverwalter grundsätzlich das Wahlrecht nach § 17 KO. Davor kann der Leasingnehmer sich bei Einräumung einer Erwerbsoption allenfalls durch eine bedingte Vorausübereignung des Leasinggutes schützen, doch müßte vor Vereinbarung einer solchen sorgfältig geprüft werden, ob der Leasingnehmer dadurch nicht steuerrechtlich zu sehr in die Nähe eines Vorbehaltskäufers gerät.
3. Besonderheiten des Rechtsverhältnisses zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten 1789
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten richtet sich grundsätzlich nach den Regeln des einschlägigen Vertragstyps, also z. B. nach Kaufrecht, und ist insoweit hier nicht darzustellen. Daß der Leasinggeber den Vertrag mit dem Dritten zum Zwecke des Leasing schließt, hat jedoch einige Besonderheiten zur Folge, die näherer Erörterung bedürfen. Dabei spielt wiederum der Gesichtspunkt des Handelns für fremde Rechnung eine zentrale Rolle.
152 Vgl. Döllerer BB 1971, 534 f; Seeger K T S 1974, 13; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck %2\ Rdn. 18; a . A . unrichtig Klaas N J W 1968, 1507 f, der trotz mietrechtlichen Ansatzes § 17 K O anwenden will und offenbar 5 21 K O übersehen hat.
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153
Das ist noch verkannt bei Canaris Festschr. f ü r Flume, 1978, S. 397. 154 Vgl. näher Canaris a a O S. 401.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
3. Besonderheiten des Rechtsverhältnisses zwischen dem Leasinggeber und dem Dritten
a) Einwendungen aus oder in der Person des Leasingnehmers Daß der Vertrag mit dem Dritten vom Leasinggeber für Rechnung des Leasingneh- 1790 mers geschlossen wird, hat zunächst zur Folge, daß die Relevanz von Willensmängeln analog § 166 II BGB u. U. aus der Person des Leasingnehmers als des weisunggebenden Geschäftsherrn zu beurteilen ist. Das ist oben Rdn. 1746 für den Fall näher dargelegt worden, daß der Dritte den Leasingnehmer arglistig getäuscht hat. Gleiches muß folgerichtig z. B. für die widerrechtliche Drohung und den Eigenschaftsirrtum nach § 119 II BGB gelten, da auch sie nicht die Erklärung als solche, sondern die Motivationslage betreffen. Von den Willensmängeln ist es nur ein kleiner Schritt zur Auslegung. In der Tat ist 1791 auch für sie analog § 166 II BGB grundsätzlich die Person des Leasingnehmers maßgeblich, soweit der Vertrag von diesem mit dem Dritten ausgehandelt und vom Leasinggeber lediglich weisungsgemäß „vollzogen" worden ist. Hat der Leasingnehmer z. B. bei diesen Verhandlungen deutlich gemacht, daß er das Leasinggut zu einem bestimmten Zweck verwenden will und erweist es sich als dazu nicht tauglich, so ist darin grundsätzlich auch dann ein Sachmangel i. S. von § 459 I BGB zu sehen, wenn die Zweckbestimmung bei dem Vertragsschluß zwischen dem Dritten und dem Leasinggeber nicht noch einmal zur Sprache gekommen ist. Andererseits ist es freilich grundsätzlich Sache des Leasingnehmers, durch entsprechende Information des Leasinggebers dafür zu sorgen, daß die wesentlichen Punkte in den Vertrag mit dem Dritten aufgenommen werden. So wird man z. B. eine stillschweigende Eigenschaftszusicherung i. S. von §§ 459 II, 463 BGB i. d. R. nur annehmen können, wenn über ihr Vorliegen zwischen dem Leasingnehmer und dem Dritten unmißverständliche Klarheit geschaffen worden war und keine Anhaltspunkte für einen Sinneswandel des Dritten in der Zeit bis zum Vertragsschluß gegeben sind. Daß schließlich sogar im Rahmen der Inhaltskontrolle auf die Person des Leasing- 1 7 9 2 nehmers abzustellen sein kann, ist oben Rdn. 1747 für die Sittenwidrigkeit und Rdn. 1766 für die Anwendung des AGBG dargelegt worden. Entsprechendes gilt folgerichtig auch zum Nachteil des Leasingnehmers. Hat dieser 1 7 9 3 also z. B. den Dritten arglistig getäuscht, so kann letzterer analog § 166 II BGB den Vertrag mit dem Leasinggeber gemäß § 123 I BGB anfechten; der Leasingnehmer ist hier also nicht etwa „Dritter" i. S. von § 123 II 1 BGB. Ebenso kann der Dritte sich darauf berufen, daß der Vertrag mit dem Leasinggeber auf Grund der Verhandlungen mit dem Leasingnehmer in einem bestimmten Sinne ausgelegt werden müsse, mag das auch für den Leasinggeber nicht erkennbar sein. Dieser muß sich also im Verhältnis zu dem Dritten das Verhalten und die Verständnismöglichkeit des Leasingnehmers als eigene zurechnen lassen, soweit er nach dessen Weisungen gehandelt hat. Das ist sachgerecht, weil (und soweit) der Leasinggeber zum einen beim Vertragsschluß nur als „verlängerter Arm" des Leasingnehmers tätig geworden ist und zum anderen die Wirkungen des Vertrags mit dem Dritten nach dem Typus des Leasing bzw. auf Grund der Drittverweisungsklauseln den Leasingnehmer als den „Hintermann" oder „materiellen Herrn" des Geschäfts treffen. Vom hier vertretenen Standpunkt aus geht es dabei dogmatisch gesehen darum, den Rechtsgedanken des § 166 BGB von der unmittelbaren auf die mittelbare Stellvertretung bzw. das Handeln für fremde Rechnung zu übertragen. b) Die Problematik der Drittschadensliquidation Vom Boden der Miettheorie aus ist es höchst zweifelhaft, ob der Leasinggeber bei 1794 Leistungsstörungen des Dritten den Schaden des Leasingnehmers liquidieren kann oder Claus-Wilhelm Canaris
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15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
ob diese Möglichkeit nicht ebenso wie z. B. bei einer Verkäuferkette zu verneinen ist 155 . Vom hier vertretenen Standpunkt aus bestehen dagegen grundsätzlich keine derartigen Bedenken gegen die Zulassung der Drittschadensliquidation beim echten Finanzierungsleasing. Denn da dieses danach als Handeln für fremde Rechnung zu qualifizieren ist (vgl. oben Rdn. 1718), geht es lediglich um die folgerichtige Weiterbildung einer anerkannten Fallgruppe der Drittschadensliquidation, die bekanntlich bei der Kommission, der Treuhand und sonstigen Tatbeständen der mittelbaren Stellvertretung bzw. des Handelns für fremde Rechnung ein geradezu klassisches Anwendungsfeld hat. In der Tat ist die Interessenlage beim Finanzierungleasing nicht wesentlich anders als bei den erwähnten Beispielen. Daß der Leasinggeber u. U. von dem Dritten Ersatz seines eigenen Schadens, also vor allem des verlorenen Zinsgewinns (vgl. oben Rdn. 1741) fordern und es somit zu einer gewissen Schadenskumulierung kommen kann, steht nicht entgegen. Zum einen ist dies nämlich keine Besonderheit des Finanzierungsleasing, sondern kann auch bei anderen Beispielen dieser Fallgruppe vorkommen wie z. B. bei der Kommission, bei der der Entgeltsanspruch des Kommissionärs gegen den Kommittenten nach § 396 H G B grundsätzlich von der ordnungsgemäßen Ausführung des Geschäfts mit dem Dritten abhängt; und zum anderen wird man dem Leasingnehmer wohl ohnehin die ersparten Kosten des gescheiterten Leasingvertrages im Wege der Vorteilsausgleichung auf seinen Schaden anrechnen müssen, so daß es in Wahrheit doch nicht zu einer Schadenskumulierung kommt. Die Zulassung der Drittschadensliquidation steht auch nicht in Widerspruch zu dem Bestreben, sie zugunsten des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte zurückzudrängen (vgl. dazu vor allem oben Rdn. 26). Denn dieses Instrument taugt nur bei Verletzungen von Schutzpflichten, während es hier um die Verletzung von Leistungspflichten — und zwar i. d. R. von /fdMpileistungspflichten geht. 1795
In scharfem Gegensatz zur Rechtslage beim echten Finanzierungsleasing ist grundsätzlich von der Unzulässigkeit der Drittschadensliquidation beim zwischenhändlerischen oder unechten Finanzierungsleasing auszugehen (vgl. zum Begriff oben Rdn. 1723). Denn wenn der Leasinggeber (auch) die Funktionen eines Zwischenhändlers wahrnimmt, liegt es nicht wesentlich anders als bei einer Verkäuferkette, so daß ebenso wie bei einer solchen die Drittschadensliquidation abzulehnen ist (vgl. dazu B G H Z 40 91, 99 ff). c) Der Einfluß von Mängeln des Leasingvertrages auf den Vertrag mit dem Dritten
1796
Der Vertrag mit dem Dritten wird von vornherein im Einverständnis beider Parteien mit dem Zweck abgeschlossen, das Gut im Wege des Leasing an den Leasingnehmer weiterzugeben. Man könnte daher bei Mängeln dieses Vertrages an eine vertragsrelevante Sekundärzweckstörung denken und ein Recht des Leasinggebers zum Rücktritt von dem Vertrag mit dem Dritten wegen Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Erwägung ziehen. Indessen liegt ein Mangel des Leasingvertrages grundsätzlich allein im Risikobereich des Leasinggebers, weil (und sofern) er nicht von dem Dritten veranlaßt worden ist, sondern lediglich die Sphäre des Leasinggebers berührt. Auch muß sich der Dritte grundsätzlich auf den Standpunkt stellen können, daß ihn die Finanzierung des Geschäfts durch den Leasingnehmer nichts angeht. Man sollte dem Leasinggeber daher grundsätzlich kein Rücktrittsrecht zuerkennen. Das gilt jedenfalls f ü r das reine Finanzierungsleasing, während beim absatzfördernden Finanzierungs155
D e m g e m ä ß r e c h n e t Flume D B 1972, 55 im H i n blick auf die E n t s c h e i d u n g B G H Z 40, 91 d a m i t , d a ß die R s p r . b e i m F i n a n z i e r u n g s l e a s i n g die
918
Drittschadensliquidation ebensowenig w i r d w i e bei e i n e r V e r k ä u f e r k e t t e .
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
zulassen
4. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Leasingnehmer und dem Dritten
leasing (vgl. zum Begriff oben Rdn. 1713) angesichts der Zusammenarbeit des Dritten mit dem Leasinggeber u. U. anders zu entscheiden sein mag. 4. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Leasingnehmer und dem Dritten a) Vertragliche und vertragsähnliche Ansprüche Für das Finanzierungsleasing ist charakteristisch, daß zwischen dem Leasingnehmer 1 7 9 6 a und dem Dritten i. d. R. kein Vertrag geschlossen wird. Anders liegt es freilich beim sale-and-lease-back-Verfahren (vgl. oben Rdn. 1711) und bei ähnlichen Gestaltungsformen (vgl. z. B. BGH W M 1980 79). Außerdem kommt es auch beim typischen Finanzierungsleasing vor, daß zusätzlich zu dem Vertrag zwischen dem Dritten und dem Leasinggeber ein solcher zwischen dem Dritten und dem Leasingnehmer geschlossen wird. Man denke etwa daran, daß bei Anschaffung eines Computers die Hardware zwar an den Leasinggeber verkauft, die zugehörige Software aber unmittelbar dem Leasingnehmer versprochen wird. Dann ist das Zustandekommen und die Bestandskraft des Vertrags mit letzterem grundsätzlich als Geschäftsgrundlage des Vertrags mit ersterem anzusehen. Der Leasinggeber kann also i. d. R. von dem Vertrag mit dem Dritten zurücktreten, wenn dieser seine (zusätzlichen) Pflichten gegenüber dem Leasingnehmer nicht ordnungsgemäß erfüllt und es daraufhin zur Rückgängigmachung dieses Vertrages kommt (z. B. nach § 326 oder § 459 BGB). Entsprechendes gilt bei dessen Nichtigkeit oder Anfechtung. Auch wenn ein derartiger zusätzlicher Vertrag nicht geschlossen worden ist, besteht 1 7 9 7 hier doch insofern eine Besonderheit gegenüber anderen Fällen des Handelns für fremde Rechnung, als der Dritte die Fremdbezogenheit seines Vertrags mit dem Leasinggeber typischerweise kennt — was z. B. bei einer Kommission oder Treuhand nicht der Fall zu sein braucht — und häufig sogar mit dem Leasingnehmer über den Vertrag und seinen Inhalt verhandelt hat. Man kann daher daran denken, letzterem mit Hilfe eines Vertrags zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB eigene Vertragsansprüche gegen jenen zu geben. Indessen dürfte dieser Weg grundsätzlich nicht gangbar sein 156 , es sei denn, es liegen besondere Anhaltspunkte für einen entsprechenden Parteiwillen vor. Denn zum ersten haben die Parteien nun einmal den Weg „übers Dreieck" gewählt, was folgerichtig auch bei Sekundäransprüchen wie solchen auf Schadensersatz oder Wandelung respektiert werden sollte; zweitens zeigt die typische Ausgestaltung der Drittverweisungsklauseln, daß der Leasinggeber nicht von einem eigenen Anspruch des Leasingnehmers gegen den Dritten, sondern von der Notwendigkeit einer Abtretung ausgeht; und drittens kann der Leasinggeber durchaus ein Interesse daran haben, daß nur ihm der Anspruch gegen den Dritten zusteht, weil er Eigentümer des Leasinggutes ist und daher u. U. über die Abtretung an den Leasingnehmer einzelfallbezogen unter Berücksichtigung seiner eigenen Sicherungs- und Restwertinteressen entscheiden oder diese von der Zahlung etwa rückständiger Leasingraten abhängig machen will. Aus diesem Grunde kann man auch nicht eine „stillschweigende" Zession der Ansprüche gegen den Dritten in den Leasingvertrag hineininterpretieren — ganz abgesehen davon, daß es sich um einen Vorgang auf der dinglichen Ebene handelt und auf dieser insoweit erhöhte Zurückhaltung geboten ist. Dagegen wird man die Verhandlungen oder den sonstigen Kontakt zwischen dem 1 7 9 8 Leasingnehmer und dem Dritten als ausreichend für die Bejahung eines gesetzlichen ' S ' E b e n s o i. E. B G H W M 1977, 390, 391; Reich S. 70; ablehnend z. B. PaUndt/Putzo Einf. vor § 535 Anm. 4 c.
Claus-Wilhelm Canaris
919
15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
Schufdverhältnisses nach Art der culpa in contrahendo ansehen können, da auch hier ein spezifisch „rechtsgeschäftlicher" Kontakt vorliegt und der Vertragsschluß nicht unbedingt zwischen den Parteien dieses Schutzpflichtverhältnisses geplant sein muß, wie die Haftung von Stellvertretern und sonstigen Mittelsmännern aus culpa in contrahendo und die Einbeziehung Dritter in deren Schutzbereich zeigen. Folglich kommt insoweit nicht nur eine Haftung aus Delikt, sondern auch eine solche nach vertragsrechtlichen Grundsätzen in Betracht, so daß insbesondere § 278 BGB anwendbar ist. Das gilt jedoch lediglich für Schutzpflichtverletzungen und mit der Folge, daß das negative Interesse zu ersetzen ist. Bei Verletzung von Leistungspflichten hilft diese Konstruktion dagegen nicht weiter, sondern nur die Lehre von der Drittschadensliquidation (vgl. oben Rdn. 1794 f) oder die Annahme eines echten Vertrags zugunsten Dritter. b) Rückabwicklungsansprüche 1799
Wird ein Bereicherungsausgleich erforderlich, so führt das Fehlen eines Vertrages zwischen dem Leasingnehmer und dem Dritten dazu, daß zwischen ihnen grundsätzlich keine Leistungskondiktion in Betracht kommt. Mängel des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Leasinggeber begründen also nur gegenüber letzterem die Leistungskondiktion des Dritten. Daran ändert grundsätzlich auch die Tatsache nichts, daß der Leasinggeber beim Abschluß des Vertrags mit dem Dritten für Rechnung des Leasingnehmers handelt. Denn die darin liegende Wahl einer Dreiecksbeziehung ist auch bereicherungsrechtlich zu respektieren, weil die Zurechenbarkeit der damit verbundenen Risikoverteilung durch bloße Mängel des Kausalverhältnisses zwischen dem Dritten und dem Leasinggeber nicht berührt wird. Das entspricht der Interessenlage. H a t der Dritte z. B. dem Leasinggeber die Sache auf Kredit überlassen und fällt dieser in Konkurs, so muß sich der Leasingnehmer trotz des Handelns für seine Rechnung grundsätzlich darauf verlassen können, daß er nicht einem Durchgriff des Dritten ausgesetzt ist, sondern es nur mit dem Leasinggeber zu tun hat. H a t er den Mangel des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Leasinggeber verschuldet, so haftet er jenem ohnehin auf Schadensersatz (vgl. die vorige Rdn.). Beschränkt sich der Mangel nicht auf das Kausalverhältnis, sondern ergreift er auch die Übereignung, ist zwar an sich der Weg frei für eine Durchgriffskondiktion des Dritten gegen den Leasingnehmer, doch wird es dann auf diese regelmäßig nicht ankommen, weil der Dritte schon die Ansprüche aus §§ 985 ff BGB gegen den Leasingnehmer hat. Insgesamt ist der Dritte also hinreichend geschützt, so daß eine Durchbrechung der Regel, wonach die Leistungskondiktion nur zwischen den Parteien des Leistungsverhältnisses bzw. des fehlerhaften Kausalverhältnisses stattfindet, nicht angezeigt ist.
1800
Macht der Leasingnehmer von seinem Widerrufsrecht nach § 1 b AbzG Gebrauch — was nur beim absatzfördernden und beim zwischenhändlerischen, nicht aber beim reinen Finanzierungsleasing in Betracht kommt (vgl. oben Rdn. 1729 ff) —, so entsteht das Rückgewährschuldverhältnis aus § 1 d AbzG grundsätzlich nicht mit dem Dritten, sondern mit dem Leasinggeber, weil und sofern nur mit diesem ein Vertrag geschlossen wurde. Ist freilich ein solcher ausnahmsweise auch zwischen Leasingnehmer und Drittem zustande gekommen, wird folgerichtig auch dieser Vertrag von dem Widerruf erfaßt, so daß der Dritte z. B. nicht entgegen § 1 d AbzG einen vertraglichen Anspruch auf Aufwendungsersatz, Stornierungskosten oder dgl. geltend machen kann 1 5 6 a . Das hat mit dem Gegensatz zwischen Einheits- und Trennungstheorie nichts zu tun, son156a A . A . Schreiner BB 1980, 294 f.
920
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
5. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Leasingnehmer und einem außenstehenden Vierten dem folgt aus dem Schutzzweck von §§ 1 b, 1 d AbzG; die Ausführungen oben Rdn. 1411 f gelten hier entsprechend. 5. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Leasingnehmer und einem außenstehenden Vierten a) Die Rechts- und Anspruchsgrundlagen Im Verhältnis zu außenstehenden Vierten wird der Leasingnehmer in erster Linie 1801 durch sein Recht zum Besitz geschützt. Dieses gewährt ihm insbesondere einen Sukzessionsschutz nach § 986 II BGB, sofern der Leasinggeber über das Leasinggut zugunsten eines Dritten verfügt. Beim Immobilienleasing besteht auch bei Ablehnung der Miettheorie der Schutz des § 571 BGB, da diese Vorschrift grundsätzlich auf andere Tatbestände der Gebrauchsüberlassung als Miete und Pacht analog anzuwenden ist 157 . Bei Besitzverlust hat der Leasingnehmer gegen den Besitzer grundsätzlich den Her- 1 8 0 2 ausgabeanspruch aus § 1007 BGB und die Folgeansprüche aus § 1007 III 2 i. V. m. §§ 987 ff BGB. Das gilt bei Abhandenkommen des Leasinggutes oder bösem Glauben des Erwerbers entgegen der h. L. auch dann, wenn dieser den Besitz vom Leasinggeber erhalten hat 1 5 8 . Das Recht zum Besitz ist auch Grundlage von Deliktsansprüchen des Leasingneh- 1803 mers — sei es aus § 1007 III 2 i. V. m. § 992 BGB oder sei es unmittelbar aus § 823 BGB 159 wie vor allem bei Zerstörung oder Beschädigung des Leasinggutes durch einen nichtbesitzenden Schädiger. Denn anerkanntermaßen fällt das Recht zum Besitz grundsätzlich unter § 823 I BGB. b) Die Problematik der Schadensberechnung bei Zerstörung des Leasinggutes und die Zuordnung des Ersatzanspruchs Bei Zerstörung des Leasinggutes kann die Schadensberechnung Schwierigkeiten 1804 bereiten. Auszugehen ist von dem Grundsatz, daß der Schädiger dem Leasingnehmer den Gebrauchswert zu ersetzen und ihn daher gemäß § 249 BGB grundsätzlich so zu stellen hat, wie er bei Fortdauer der Nutzungsmöglichkeit stünde. Der Leasingnehmer kann folglich die Kosten für das Leasing eines anderen Gegenstandes bis zum Ablauf der Grundmietzeit des alten Vertrags verlangen 160 . Dabei ist in erster Linie von einem gleich alten, also gebrauchten Gegenstand auszugehen. Gibt es bezüglich eines solchen nicht die Möglichkeit des Leasing oder läßt sich eine gleichartige Vertragsgestaltung nicht erreichen, muß der Schädiger grundsätzlich die Raten für das Leasing eines neuwertigen Gegenstandes bis zum Ende der „Grundmietzeit" des alten Vertrages bezahlen. Ein Abzug „neu für alt" dürfte i. d. R. nicht in Betracht kommen, weil (und sofern) die Nutzung eines neuwertigen Gegenstandes keinen meßbaren Vermögensvorteil gegenüber der Nutzung eines alten einbringt 161 . Vom Ende der „Grundmietzeit" des ersten Vertrages an hat der Leasingnehmer die Raten für den zweiten Vertrag selbst zu tragen. Im übrigen kann er gemäß § 249 S. 2 BGB auch vom Abschluß eines neuen Leasingvertrages absehen und statt dessen den Geldbetrag verlangen, der sich aus den 157 Vgl. dazu näher Canaris Festschr. f ü r Flume, 1978, S. 394 f. >58 Vgl. Canaris a a O S. 399 f. 159 Vgl. dazu statt aller, speziell zum Leasing, B G H W M 1976, 1133, 1134 unter I; a. A. unrichtig Reich S. 72, der außerdem auch noch Ansprüche aus S§ 985, 1004 BGB ablehnt und dabei § 1007 BGB übersieht.
161
Vgl. auch Dörner VersR 1978, 893. Anders, wenn der Leasingnehmer aus freiem EntSchluß einen besseren und daher teuereren Gegenstand least: dann hat er f ü r die Mehrkosten selbst a u f z u k o m m e n ; insoweit zutreffend B G H VersR 1977, 227, 228 unter 2 a.
Claus-Wilhelm Canaris
921
15. Abschnitt. Sonderformen des Kreditgeschäfts. III. Das Finanzierungsleasing
vorstehenden G r u n d s ä t z e n ergibt; dabei ist bei sofortiger Zahlung der Gesamtsumme eine entsprechende Abzinsung vorzunehmen. D a ß der Anspruch des Leasingnehmers der H ö h e nach durch den Zeitwert des Leasinggutes begrenzt ist, wie der B G H ohne nähere Begründung a n n i m m t 1 6 2 , trifft nicht z u ; denn die Schadensminderungspflicht aus § 254 II BGB geht grundsätzlich nicht so weit, daß der Leasingnehmer auf die steuerrechtlichen und sonstigen Vorteile des Leasing verzichten und sich entgegen seiner bisherigen unternehmerischen Entscheidung von Leasing auf Kauf (eines gebrauchten Gegenstandes) umstellen müßte. 1805
Einen Anspruch auf Ersatz des Restwerts oder seines Anteils daran hat der Leasingnehmer grundsätzlich nicht. Entweder schließt er nämlich einen neuen Leasingvertrag gleichen Inhalts ab — dann erhält er den Restwert des neuen Leasinggegenstandes; oder er läßt sich statt dessen gemäß § 249 S. 2 BGB die Leasingraten selbst ausbezahlen — dann ist in ihnen auch der Gegenwert f ü r den Restwert enthalten. Auch einen Zinsausgleich d a f ü r , daß er bei Abschluß eines Leasingvertrages über eine neuwertige Sache den Restwert erst später realisieren kann, wird man dem Leasingnehmer regelmäßig nicht zuerkennen k ö n n e n ; denn wegen des allgemeinen Steigens der Preise wird der Restwert aus dem zweiten Leasingvertrag meist so weit über dem aus dem ersten V e r trag liegen, daß der Leasingnehmer einen Zinsverlust nicht nachweisen kann, doch kann das selbstverständlich im Einzelfall auch anders liegen.
1806
Auch in der Pflicht zur Fortzahlung der Leasingraten aus dem alten Vertrag liegt, soweit sie überhaupt besteht (vgl. dazu oben Rdn. 1754 f), grundsätzlich kein ersatzfähiger Schaden. Das folgt daraus, daß diese Pflicht schon vor und unabhängig von dem Schadensereignis bestand und also nicht durch dieses verursacht w o r d e n ist 1 6 3 . Z w a r stellen die Ratenzahlungen jetzt „nutzlos gewordene A u f w e n d u n g e n " dar, doch rechtfertigt das nicht ihre Gleichstellung mit einem Schaden 1 6 4 . Abgesehen von der g r u n d sätzlichen Fragwürdigkeit einer solchen K o n s t r u k t i o n 1 6 5 erhält der Leasingnehmer nämlich insoweit schon einen vollen Ausgleich durch den Anspruch auf Zahlung der Raten f ü r einen neuen Leasingvertrag, so daß die zusätzliche A n e r k e n n u n g der Ersatzfähigkeit von Kosten des alten Vertrags gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot verstoßen würde. Eine andere Frage ist, ob der Leasingnehmer statt der Raten f ü r einen neuen V e r t r a g die Raten f ü r den alten als Mindestschaden verlangen kann. Das mag zwar u. U. aus Praktikabilitätsgründen naheliegen, weil dadurch die Schadensberechnung erleichtert werden kann, doch w ä r e es nicht gerecht, weil der Leasingnehmer d a d u r c h u. U . sein spezifisches Vertragsrisiko entgegen den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts (§ 249 BGB!) auf den Schädiger abwälzen k ö n n t e wie z. B., wenn er einen besonders teueren V e r t r a g abgeschlossen hatte oder inzwischen die Preise f ü r einen Vertrag dieser Art gesunken sind.
1807
Man muß sogar noch einen Schritt weitergehen und die teilweise Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der Raten aus dem alten Leasingvertrag, die grundsätzlich zumindest hinsichtlich des Zinsanteils eintritt (vgl. oben Rdn. 1755 a. E.), auf den Schadensersatzanspruch im W e g e der Vorteilsausgleichung anrechnen. D e n n anderenfalls stünde zum einen der Leasingnehmer entgegen Z w e c k und Funktion des SchadenserVgl. B G H W M 1976, 1133, 1135 vor II 2; VersR 1977, 227, 228 unter 2 b bb; ebenso Hiddemann W M 1978, 840; a. A. mit Recht Dömer VersR 1978, 893 sowie auch schon Königen A c P 177 (1977) 21, der jedoch anders als hier den Schaden in den Aufwendungen f ü r den alten Vertrag sieht (vgl. dazu unten Rdn. 1806).
922
i « So auch B G H W M 1976, 1133, 1135 unter II 2 a; VersR 1977, 227, 228 unter 2 b bb; DörnerVersR 1978, 892. IM A. A. Köndgen A c P 177 (1977) 21f. 165 Vgl. dazu z. B. Lange Schadensersatz, 1979, § 6 IV; Larenz Schuldrecht I 1 2 § 29 II c a. E.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
5. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Leasingnehmer und einem außenstehenden Vierten
satzrechts besser als ohne das Schadensereignis und müßte zum anderen der Schädiger die Zinsen doppelt bezahlen, weil von ihm ja schon die Zinsen für den neuen Leasingvertrag (während der Restlaufzeit des alten) zu tragen sind und er außerdem dem Leasinggeber den bei diesem eingetretenen Zinsverlust als adäquat-kausale Folge der Verletzung von dessen Eigentum zu ersetzen hat. Richtig kann somit nur sein, den Schadensersatzanspruch des Leasingnehmers um den Betrag zu kürzen, den dieser wegen der Zerstörung der Sache gegenüber dem Leasinggeber einspart und den folglich letzterer grundsätzlich als eigenen Schaden von dem Schädiger verlangen kann. Damit ist bereits die Schadensteilung zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber in 1 8 0 8 den Blick gekommen, die die folgerichtige Entsprechung der Funktionsteilung (vgl. oben Rdn. 1715) bildet. Sie kann zwar die Abwicklung des Schadensfalles komplizieren und für den Schädiger lästig sein, doch rechtfertigt das nicht die Konstruktion einer gemeinschaftlichen Zuständigkeit beider für die Schadensersatzforderung, wie sie analog §432 u n d / o d e r § 1281 BGB beim verlängerten Eigentumsvorbehalt verbreiteter Ansicht entspricht 1 6 6 . Denn anders als bei diesem ist hier nicht die Substanz des Eigentums beiden Geschädigten mehr oder weniger ununterscheidbar zugeordnet, sondern es hat vielmehr eine klare Teilung stattgefunden, die sich schadensersatzrechtlich sauber nachvollziehen läßt: dem Leasingnehmer gebührt grundsätzlich ein Ersatz für den Nutzungsentgang nach den oben Rdn. 1804 entwickelten Regeln, dem Leasinggeber dagegen gebührt der Ersatz etwaiger Verluste aus dem Leasingvertrag (die gleichzeitig dem Leasingnehmer im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen sind) sowie der Ersatz des ihm etwa zustehenden Restwerts 1 6 7 , wobei es sich insoweit übrigens lediglich um einen zukünftigen und daher grundsätzlich erst nach Ende der Grundmietzeit ersatzfähigen Schaden handelt (vgl. näher oben Rdn. 1754 a. E.). Die Problematik spielt übrigens in der Praxis offenbar kaum eine Rolle, da der Schadensersatzanspruch des Leasingnehmers üblicher- und zweckmäßigerweise im voraus an den Leasinggeber abgetreten wird (vgl. oben Rdn. 1758), so daß i. d. R. eine einheitliche Geltendmachung der Ansprüche gewährleistet ist. Trifft den Leasingnehmer eine eigene Schadensersatzpflicht gegenüber dem 1 8 0 9 Leasinggeber — z. B. wegen Mitverschuldens bei der Zerstörung der Sache —, so besteht zwischen ihm und dem Drittschädiger grundsätzlich ein Gesamtschuldverhältnis i. S. der §§421 ff BGB. Dieses dürfte freilich grundsätzlich nur hinsichtlich des Restwerts in Betracht kommen, weil der Leasingnehmer in den fraglichen Fällen aus dem Leasingvertrag weiterhin in voller H ö h e verpflichtet bleibt (vgl. oben Rdn. 1754) und der Leasinggeber daher insoweit keinen Schaden und mithin auch keinen Schadensersatzanspruch hat. Der Leasinggeber kann sich also nicht etwa wegen der restlichen Raten ohne weiteres an den Drittschädiger halten, wenn der Leasingnehmer in Konkurs fällt; vielmehr kann er von diesem Ersatz nur insoweit verlangen, als er wegen der Zerstörung oder Beschädigung des Leasinggutes sein Aussonderungsrecht verliert, d. h. in H ö h e des mutmaßlichen Verwertungserlöses.
166 Vgl. d a z u statt aller Baur S a c h e n r e c h t " , § 59 V 5 a a. E. m . N a c h w . ; vgl. in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g f e r n e r z. B. Medicus A c P 165, 144 f f ; Köhler J u S 1977, 654. " 7 A n d e r s Börner V e r s R 1978, 885 f, d e r d e m Leasinggeber „den Zeitwert . . . nebst dem durch die D i f f e r e n z v o n a u s s t e h e n d e n L e s a i n g r a t e n u n d
kalkuliertem Restnutzungswert ausgedrückten e n t g a n g e n e n Gewinn 1 * z u s p r i c h t , dabei j e d o c h verkennt, daß der Leasinggeber grundsätzlich w e i t e r h i n d e n A n s p r u c h auf die L e a s i n g r a t e n hat (vgl. o b e n R d n . 1755) u n d d a h e r i n s o w e i t (bei Z u g r u n d e l e g u n g der Differenztheorie) gar keinen S c h a d e n erleidet.
Claus-Wilhelm Canaris
923
Viertes Kapitel
DAS EFFEKTENWESEN 16. Abschnitt Das Effektengeschäft Systematische
Übersicht Rdn.
Rdn. I. Begriff und Wesen des Effektengeschäfts 1. Begriff und Arten der Effekten a) Die Effekten als vertretbare Wertpapiere b) Die Effekten als Kapitalmarktpapiere c) Die Einordnung der verschiedenen Wertpapiere d) Die Bedeutung der Wertpapiereigenschaft f ü r den Effektenbegriff und die Entstehung eines „stückelosen" Effektenverkehrs . 2. Die Funktionen des Effektengeschäfts 3. Die Rechtsnatur des Effektengeschäfts a) Die in Betracht kommenden Konstruktionen und Vertragstypen b) Die Abgrenzung zwischen Kommissionsund Eigengeschäft II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts 1. Das Zustandekommen des Vertrages a) Die Rechtslage beim Kommissionsgeschäft b) Die Rechtslage beim Eigengeschäft 2. Die Geltung der allgemeinen Rechtssätze über die Nichtigkeit und Anfechtung von Rechtsgeschäften 3. Die wichtigsten Umwirksamkeitsgründe a) D e r Irrtum über den Börsenkurs eines Papiers b) Der Irrtum über kursbeeinflussende Tatsachen c) Die arglistige T ä u s c h u n g der Bank oder eines sonstigen Zwischenhändlers
d)
1810 1811 1812
4.
1815 1820
1821
5. 6.
1825
1838 1841
1845
1848 1853
1857
Die Folgen der Ausnutzung von Insiderinformationen durch den Kunden f ü r die Wirksamkeit des Effektengeschäfts e) Der Einwand des Börsentermingeschäfts und des Differenzgeschäfts Die Beratungs- und Aufklärungspflichten der Bank beim Abschluß der Effektenkommission a) Die f ü r Bestehen und Inhalt der Beratungspflicht maßgeblichen Kriterien b) Die Bedeutung von Eigeninteressen der Bank c) Die Bedeutung von Insiderinformationen im Rahmen der Beratungspflicht Die Beratungspflichten beim Eigenoder Propergeschäft Die Bedeutung von Rechts- und Sachmängeln
III. Die Ausführung des Effektengeschäfts, insbesondere der Selbsteintritt der Bank 1. Ausführungsgeschäft und Dekkungsgeschäft a) Die Ausführungspflicht und die Pflicht zum Selbsteintritt bzw. zum Abschluß eines Eigengeschäfts b) Die Pflicht z u r V o r n a h m e des Deckungsgeschäfts 2. Die V o r n a h m e des Selbsteintritts der Bank gemäß Ziff. 29 A G B a) Die rechtliche Konstruktion des Selbsteintritts b) Die Rechtsnatur des Selbsteintrittsrechts gemäß Ziff. 29 A G B und die Voraussetzungen des Selbsteintritts c) Das Wirksamwerden des Selbst-
Claus-Wilhelm Canaris
1864
1868
1880
1881 1888
1892 1896 1897
1899 1904
1908
1910
925
16. Abschnitt. Das Effektengeschäft Rdn.
Rdn.
3.
eintritts und der W i d e r r u f des Kommissionsauftrags Preisbestimmung und N e b e n p f l i c h ten der B a n k beim K o m m i s s i o n s g e schäft a)
D i e gesetzlichen Bestimmungen über das V e r b o t des Kursschnitts
b)
D e r maßgebliche K u r s bei A u f trägen über E f f e k t e n mit variablen N o t i e r u n g e n
c) d) e)
f)
g)
h)
4.
Die W a h l des Ausführungsplatzes D i e W a h l des Ausführungszeitpunktes
1913
3.
1915
4.
1926
D i e R e c h t s f o l g e n von Fehlern bei der Abrechnung oder D u r c h f ü h r u n g des G e s c h ä f t s . .
1930
1. 2.
3.
c)
D i e Frist für die Ü b e r s e n d u n g des Stückeverzeichnisses . . . . A u s n a h m e n von der Pflicht zur Übersendung des Stückeverzeichnisses
1957
D i e Folgen einer V e r l e t z u n g der Pflicht zur Ü b e r s e n d u n g des Stückeverzeichnisses
1963
1949
. . . .
DieEigentumsübertragungdurch 1998
b)
Die
c)
Verkaufsgeschäft Die Gutschrift durch die B a n k
Bedeutung
der
Fremdver2001
des
Erlöses 2004
Die T e c h n i k des E f f e k t e n g i r o v e r kehrs 2007 Die rechtlichen Grundlagen des Effektengiroverkehrs 2009 a)
Die girovertraglichen B e z i e h u n gen und die R e c h t s n a t u r der W e r t p a p i e r s c h e c k s und der Lieferlisten 2010
b)
Die Ü b e r t r a g u n g der Miteigentumsanteile in dinglicher H i n sicht 2016
c)
Der gutgläubige Erwerb Effektengiroverkehr
d)
Die V e r p f ä n d u n g der Miteigentumsanteile 2031
e)
Die T r e u h a n d s t e l l u n g der W e r t papiersammelbank
Der Giroverkehr Rechten
1955 4.
2026
2036
unverbrieften
D i e allgemeinen G r u n d l a g e n des G i r o v e r k e h r s in unverbrieften R e c h t e n und die „ W e r t r e c h t s lehre"
b)
Der Schuldbuchgiroverkehr
2040
. . 2052
c) D e r J u n g s c h e i n g i r o v e r k e h r . . . 2 0 5 8 D i e allgemeinen G e s c h ä f t s b e d i n g u n gen der W e r t p a p i e r s a m m e l b a n k e n . 2066
VI. D e r Einfluß des Konkurses auf das Effektengeschäft 1. • 2.
1969
in
im
a)
1953
M ö g l i c h k e i t e n der Ü b e r e i g n u n g an den K u n d e n v o r A b s e n d u n g
B a n k e n an den E f f e k t e n und die
926
1948
Übersen-
des S t ü c k e v e r z e i c h n i s s e s
1993
Veräußerungs-
mutung des § 4 D e p G für das
Die T r e u p f l i c h t der B a n k und die P r o b l e m a t i k von Interessenkollisionen bei der A u s f ü h r u n g
D i e R e c h t e zwischengeschalteter
D i e E r f ü l l u n g beim
Erscheinungen
D e r Inhalt des S t ü c k e v e r z e i c h nisses
h)
. . . .
D i e Ü b e r t r a g u n g des Miteigen-
V. D e r Effektengiroverkehr und verwandte
b)
g)
1991
a)
1922
D e r A n s p r u c h der B a n k auf Provision und A u f w e n d u n g s e r satz
D i e F o l g e n der Ü b e r s e n d u n g des Stückeverzeichnisses g e m ä ß § 1 8 III DepG
Bank gemäß § 24 I D e p G
den K u n d e n
Sinn und Z w e c k der dungspflicht
f)
1988
geschäft 1920
a)
e)
Sinn und Z w e c k des § 2 4 D e p G Die Ersetzungsbefugnis der
tumsanteils auf den K u n d e n . . . 1918
der E f f e k t e n k o m m i s s i o n . . . . 1936 Preisbestimmung und N e b e n p f l i c h ten der B a n k beim E i g e n g e s c h ä f t . , 1943
d)
a) b) c)
Der maßgebliche Kurs bei . bezahlt-Geldund bezahltB r i e f - K u r s e n und die Zuweisung besonders günstiger D e k kungsgeschäfte 1924
D e r T e x t der §§ 18 ff D e p G Die Erfüllung durch Ü b e r e i g n u n g bestimmter E f f e k t e n und die Pflicht zur Ü b e r s e n d u n g des S t ü c k e v e r zeichnisses
1983
1916
IV. Die Erfüllung des Effektengeschäfts 1. 2.
Fremdvermutung des § 3 0 D e p G Die „ s t ü c k e l o s e " E r f ü l l u n g durch Ü b e r t r a g u n g von Miteigentum an einem Sammelbestand g e m ä ß § 2 4 DepG
D e r K o n k u r s des K u n d e n
2067
D e r K o n k u r s der B a n k a) D e r E i n f l u ß des K o n k u r s e s auf b)
das K a u s a l g e s c h ä f t Das Aussonderungsrecht Kunden
c)
Das
1977
Konkursvorrecht
§ 32 D e p G
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2071 des 2072 gemäß 2074
16. Abschnitt. Das Effektengeschäft Alphabetische
Übersicht
Aktie 1814 Allgemeine Geschäftsbedingungen Ausführungsgeschäft 1932 ff Ausführungsplatz 1920 Börsenabwicklung 1905 f Eigengeschäft 1946 Kuxhandel 1813
unverbriefte 2040 ff Effektenfernscheck 2018 Effektengiroverkehr 1895 ff, 1988 ff internationaler 2050 Übereignung 2 0 1 6 ff Eigenanzeige 1987, 2003 Eigenbestände 1904
Selbsteintritt 1822, 1826, 1832, 1899 ff, 1908 ff Anfechtung 1845 ff Angebot, freibleibendes 1842 Anleihe, öffentliche 1814 Arglistige Täuschung 1857 ff, 1866, 1906, 1944 Auftragsstrenge, formale 1936 Aufwendungsersatz 1929, 1946 Ausführungsgeschäft 1899 ff
Eigengeschäft 1823, 1825 ff, 1899 ff, 1943 ff Beratungspflicht 1896, 1943 ff Erfüllung 1900 Vertragsschluß 1841 ff Eigenhändlerklausel 1829 Eigeninteressen der Bank 1888 ff
unwirksames 1934 f Ausführungsplatz 1920 f Ausführungszeitpunkt 1922 f Auslandsgeschäft 1961, 1976 Aussetzung 1958 f
Feiertage 1923 Ferngiroverkehr 2007, 2 0 1 8 , 2023 f Fremdvermutung 1983 ff, 2001 ff
Bankgeheimnis 1893, 1940 Beratungspflicht 1857 ff der Bank 1880 ff, 1927 des Kunden 1866 Bereicherungsansprüche 1847 Bestens-Auftrag 1830, 1834, 1850, 1945 Bezahlt-Brief-Kurs 1924 f Bezahlt-Geld-Kurs 1924 f Börsenabwicklung 1905 f Börseneinführung 1836 Börsenkurs Änderung 1846, 1937 amtlicher 1910 als Geschäftsgrundlage 1850 Irrtum 1848 ff, 1886 Manipulation 1938 f variabler 1918 f Börsenschließung 1835
Geldkurs 1911, 1924 Genußschein 1814 Geschäft für den, den es angeht 1979 ff, 2025, 2037, 2073 Grundschuldbriefe 1813 Gutgläubiger Erwerb 1972, 1975 Effektengiroverkehr 2 0 2 6 ff, 2041 f Hypothekenbriefe 1813 Innota-nahme 1841 In-sich-Erledigung 1906 Industrieobligation 1814 Inhabergrundschuldbrief 1813 Inhaberpapier 1814
Börsentermingeschäft s. Optionsgeschäft Börsentrend 1860, 1885 Bonifikation 1891 Bonität des Schuldners 1854 Briefkurs 1911, 1924 Bucheffekten 2 0 4 5 Bundesschatzbrief 2 0 5 2 Datenverarbeitung, elektronische 2008 Deckungsgeschäft 1899 ff, 1913 f Bemühungspflicht der Bank 1903 Depotsucheintragung 1978 Differenzeinwand 1868 ff Dividende, H ö h e 1855 Dividendenscheine 1814 Effekten Auslieferung 1957 Begriff 1810 ff börsenzugelassene 1827 nicht notierte 1833
Aufdeckungspflicht 1890 Emissionsgeschäft 2058 ff Erneuerungsschein 1814 Ersetzungsbefugnis der Bank 1991 f Ertragslage der A G 1854, 1887
hinkendes 1813 Inhaberschuldverschreibung 1814 Insider-Kenntnisse 1857, 1859, 1861, 1892 ff, 1940 arglistige Täuschung 1866 des Kunden 1864 ff Mitteilungspflicht 1893 ff Sittenverstoß 1865 Interimsschein 1814 Investmentanteil 1814, 1821 Jungschein 1814 Jungscheingiroverkehr 2058 ff Kapitalmarktpapier 1811, 1814 Kommissionsgeschäft 1821 f, 1825 ff, 1850, 1899 Erfüllung 1900 Vertragsschluß 1838 ff Kompensation 1904 Konjunktursituation 1860, 1885 Konkurs der Bank 2071 ff des Effektenkunden 2067 ff des Unternehmens 1854
Claus-Wilhelm Canaris
927
16. Abschnitt. D a s E f f e k t e n g e s c h ä f t Konkursvorrecht 2074 ff Kontrahierungszwang 1840, 1843 Kursaussetzung 1886, 1912 Kursschnitt 1916 ff, 1943 Kux 1813, 1833, 1976 Lieferliste 2008, 2014 Limitierung 1830, 1925, 1931, 1942, 1945 Namensaktie, vinkulierte 1976 Nichtigkeit 1845 ff Nostrogeschäft 1889, 1937, 1980 Obligation 1814 Zinsfuß 1855 Optionsgeschäft 1819, 1837, 1868 ff arglistige Täuschung 1863, 1944 im Ausland 1878 culpa in contrahendo 1863 Differenzeinwand 1868 ff inoffizielles 1877 Rechtsmißbrauch 1879 Termingeschäftsfähigkeit 1874 ff verbotenes 1873
Scheck 1814 Schuldbuchforderung 1818, 2042, 2052 ff Schuldbuchgiroverkehr 2052 ff Schuldscheindarlehen 1812 Selbsteintritt 1812, 1816, 1899 ff, 1908 ff gesetzlicher 1910 f rechtsgeschäftlicher 1910 f Wirksamwerden 1913 f Sparprämie 1884 Spekulation 1883, 1906 Stammaktien 1856 Stammnummerngeschäft 2008 Steuerfragen 1884 Streifbanddepot 1978 Stückverzeichnis 1949 ff Inhalt 1953 f, 1975 mehrere Empfänger 1975 Übersendungsfrist 1955 f, 1963 ff Übersendungspflicht 1949 ff Stützungskauf 1942 Taxkurs 1911, 1924 Termingeschäft 1868 ff Übereignung 1949 ff vor Übersendung d. Stückverzeichnisses 1977 ff
Pakethandel 1830, 1898 Pfandbrief 1814 Pfandrecht 1962, 1984 f, 2001 gesetzliches 2068 am Wertpapierscheck 2031 ff Platzgiroverkehr 2007, 2018 Preisberechnung 1930, 1943 ff Provision 1926 ff, 1946
Veräußerungsgeschäft 1998 ff Verwahrungsbruch 2027 f Vorzugsaktie 1856
Rechenschaftspflichten der Bank 1915 ff Rechtsmängelhaftung 1897 Rechtsnatur 1821 Rektapapier 1813 Rentenbrief 1813 Sachmängelhaftung 1898 Sammelurkunde 1817, 2042, 2051 Sammelverwaltung 1988 ff Übereignung 1993 ff Schadensersatzansprüche 1847, 1906 Börsentermingeschäft 1876 Irrtum über Börsenkurs 1852 Verletzung d. Übersendungspflicht 1963 ff
Wechsel 1814 Wertpapierbegriff 1810 f Wertpapiersammelbanken 1988, 2007 ff Allgemeine Geschäftsbedingungen 2066 Treuhandstellung 2036 ff, 2056, 2063 Wertpapierscheck 2008, 2013 f, 2059 grüner 2031 ff Wertrecht 1818 f Wertrechtslehre 2043 ff Zurückbehaltungsrecht der Bank 1962 Dritter 1984 f des Kunden 2001 Zurückweisungsrecht 1963 ff
Literatur Bärmann ( H e r a u s g . ) Europäisches G e l d - , Bank- und Börsenrecht Bd. I, 1974, § 2 2 ; Baumbach/ Duden H a n d e l s g e s e t z b u c h , 24. Aufl. 1980, A n h a n g V nach § 4 0 6 H G B . ; Claus Becker D a s P r o blem des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr, 1981; Beyer-Fehling D i e n e u e n InsiderR e g e l n , Z K W 1970, 1112 f; Bing Ü b e r den E f f e k t e n - G i r o - V e r k e h r z u m u r k u n d e l o s e n A k t i e n recht, Z H B 1930, 2 6 2 ff; Breit D a s K u n d e n e f f e k t e n g e s c h ä f t , LZ 1907, 799 ff und 858 ff; Bremer G r u n d z ü g e des d e u t s c h e n und ausländischen Börsenrechts, 1969; derselbe D i e Insider-Regeln, D i e A G 1971, 55 f; derselbe D i e Ä n d e r u n g des D e p o t g e s e t z e s , D i e A G 1972, 3 6 3 ff; Brink R e c h t s b e z i e h u n g und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen E f f e k t e n g i r o v e r k e h r , 1976; Bruns E i n f ü h r u n g in das E f f e k t e n w e s e n , 2. Aufl. 1965; Bruns/Rodrian Wertpapier und Börse, 1971; Büchner D i e treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, 1956; Canaris
928
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
16. Abschnitt. Das Effektengeschäft Aktuelle insolvenzrechtliche Probleme des Zahlungsverkehrs und des Effektenwesens, Festschr. zum 100-jährigen Bestehen der Konkursordnung, 1977, S. 73 ff; Going Rechtsformen der privaten Vermögensverwaltung, insbesondere durch Banken in USA und Deutschland, AcP 167, 99 ff; Dalwigk zu Lichtenfels Freiherr von, Das Effektenkommissionsgeschäft, 1975; Degner Optionshandel — Glücksspiel oder Kunstspiel, Die AG 1970, 253 ff; Delorme Die Wertpapiersammelbanken, 1970; derselbe Die Automation im Effektengiroverkehr, BankBetr. 1970, 9 ff; derselbe Die Rechtsübertragung im Effektengiroverkehr, Die Bank 1979, 446 f f ; D i e s e l b e vertragliche Sperre von Bankkonten und -depots, BankArch. 1937/38, 673 ff; Dorner Vermögensverwaltung durch Kreditinstitute, 1970; Drobnig Vergleichende und kollisionsrechtliche Probleme der Girosammeiverwahrung von Wertpapieren im Verhältnis Deutschland—Frankreich, Festschr. für Zweigert, 1981, S. 72 f f ; Düringer Gewährleistung beim Verkauf von Wertpapieren, D J Z 1905 Sp. 374 ff; Fabricius Zur Theorie des stückelosen Effektengiroverkehrs mit Wertrechten aus Staatsanleihen, AcP 162, 456 ff; Franke Börsentermingeschäfte und Short Sales, A W D 1972, 508 ff; Gerstner Treugiroverkehr, 1937; Goudefroy Sperrdepots zu Pfandzwecken, BankArch. 1937/38, 401 ff; Grathwohl Die eigentumsrechtliche Organisation der Girosammeiverwahrung im deutschen, französischen und schweizerischen Recht, 1976; Hahn Erlaubte und verbotene Termingeschäfte, DB 1960, 971 ff; Hansen Die Rechtsnatur von Gemeinschaftskonto und -depot, 1967; Heinsius Der deutsche Auslandskassenverein, Z K W 1971, 21 ff; Heinsius/Horn/Than Depotgesetz, 1975; Hinz Bankverträge zugunsten Dritter auf den Todesfall, JuS 1965, 299 ff; Holschbach Haftungsprobleme im Bereich der Insider-Wertpapiergeschäfte, N J W 1973, 2006 ff; Hopt Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; derselbe Zur Reichweite der besonderen Konkursvorrechte nach § 32 DepotG, § 35 HypBankG und § 77 VAG unter besonderer Berücksichtigung von Zinsen, Dividenden und Bezugsrechten, BB 1975, 397 ff; derselbe Rechtsprobleme der Kostentragung und Verteilung bei den besonderen Konkursvorrechten nach § 32 DepotG, § 35 HypBankG und § 77 VAG, DB 1975, 1061 ff; HoptiWillEuropäisches Insiderrecht, 1973; Arno Horn Das Börsentermingeschäft in Wertpapieren mit dem Ausland, 1974; Norbert Hom Wertpapiergeschäfte von Innenseitern als Regelungsproblem, Z H R 136, 369 ff; Janberg Die rechtliche Bedeutung des Sperrvermerks bei Konten und Depots zugunsten Dritter, BankArch. 1937/38, 102 ff; Keßler Vom Jungschein zur Globalurkunde, Z K W 1964, 830 ff; Klein Grundzüge des Wertpapiergeschäfts der Banken, Bankrecht und Bankpraxis, 1979, Rdn. 7 / 1 ff; Kömer Die Entstückung des Effektenwesens nach dem Rechtsmodell der Sammelschuldbuchforderung, Diss. Köln 1972; Koller Der gutgläubige Erwerb von Sammeldepotanteilen an Wertpapieren im Effektengiroverkehr, D B 1972, 1857 ff und 1905 ff; derselbe Interessenkonflikte im Kommissionsverhältnis, BB 1978, 1733 ff; Kumpel Depotgeschäft, Bankrecht und Bankpraxis, 1979, Rdn. 8 / 1 ff; derselbe Neuregelungen für ausländische Wertpapiergeschäfte, Z K W 1973, 170 ff und 213 ff; derselbe Die Internationalisierung der deutschen Girosammeiverwahrung, W M 1975, 942 ff; derselbe Zur Unzulässigkeit einer Verlustmeldung (Opposition) bei Wertpapieren nach deren Einlieferung in die Girosammelverwahrung, W M 1978, 1194 ff; derselbe Zur Einführung eines Effektengiroverkehrs an der Londoner Stock Exchange, W M 1980, 2 ff; derselbe Der Bestimmtheitsgrundsatz bei V e r f ü gungen über Sammeldepotguthaben — zur Theorie des Bruchteilseigentums sui generis, W M 1980, 422 ff; derselbe Die Kapitalherabsetzung im Börsenrecht und Depotgeschäft, W M 1980, 694 ff; Kuhn Das Arbitragegeschäft der Aktienbanken in eigenen Aktien, N J W 1973, 833 ff; Lütticke Elektronische Verbriefung von Effektenrechten? o. J. (1980); Meyer/Bremer Börsengesetz, 4. Aufl. 1957; Modest Über den Selbsteintritt des Bankkommissionärs, N J W 1950, 52 ff; MüllerSchwerin/P. Ulmer Abwicklungsusancen im deutschen Wertpapier-Optionshandel, Z K W 1978, 364 ff; Neumann-Duesberg Gewährleistung f ü r Unternehmensmängel beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen, W M 1968, 494 f f ; Nußbaum Die Börsengeschäfte, Ehrenbergs Handbuch IV 2, 1918, S. 541 ff; derselbe Kursschnitt und Kursregulierung beim Selbsteintritt, J W 1914, 15 ff; Opitz Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, Sammelband, 1954; derselbe Depotgesetz, 2. Aufl. 1955; Pelkmann Gewährleistungsanspruch wegen Sachmangels bei einem Kaufe wertloser Aktien, LZ 1917 Sp. 1119 ff; Peters Wertpapierfreies Effektensystem, 1978; derselbe Die Verwahrung und Verwaltung von Effekten JuS 1976, 424 ff; Philipp Rechtsfragen zur Ersetzung des Jungscheins durch eine Globalurkunde, W M 1965, 214 ff; Pleyer/Schleiffer Neue Entwicklungen im Depotrecht, D B 1972, 77 ff; Pook Fragen des Effekten-Termingeschäftes in Theorie und Praxis, BankBetr. 1967, 140 ff; Prellberg Der Selbsteintritt der Banken, Diss. Göttingen 1962; Quassowski/ Claus-Wilhelm Canaris
929
16. Abschnitt. Das Effektengeschäft Schröder Bankdepotgesetz, 1937; Rameken Optionsgeschäfte im Effektenterminhandel, Die AG 1967, 230 ff; Ratz Großkommentar zum H G B , 2. Aufl. 1960, Anhang II nach § 424 H G B ; Rümker Zur Auslegung der Insiderhandels-Richtlinien, BB 1972, 1208 ff; Rössner/Weber Warenterminoptionen: Erlaubter Betrug? BB 1979, 1049 ff; Schemer Zuwendungstreuhand im Depotrecht, BB 1969, 816 ff; Schindelwick Der Erwerb des Eigentums an Wertpapieren, W M 1960, Sonderbeil. Nr. 10; Schinnerer/Avancini Bankverträge Bd. III, 1976; Schlegelberger/HefermeWKomm. zum H G B , 5. Aufl. 1977, Anh. zu § 406; Schlicht Börsenterminhandel in Wertpapieren, 1972; Schmidt-Rimpler Das Kommissionsgeschäft, Ehrenbergs Handbuch V 1, 1928, S. 477 f f ; Schneiders Anlegerschutz im Recht der Effektenkommission, 1977; Schönle Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, §§ 16 ff; Schwark Börsengesetz, 1976; derselbe Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979; derselbe Insider-Geschäft auf dem Wertpapiermarkt, DB 1971, 645 ff; Scholtz Die Verwahrung von Globalurkunden, Diss. Hamburg 1967; Stauder/Comes Pfand- und Zurückbehaltungsrecht im Effektengeschäft, W M 1969, 610 ff; von Stebut Gesetzliche Vorschriften gegen den Mißbrauch von Insiderinformationen, DB 1974, 613 ff; Stüdemann Die Globalaktie, 1960; derselbe D e r Effektenbestand in West-Deutschland als materielle Grundlage der allgemeinen Einführung von Bucheffekten, 1966; Tegethoff Das Treuhandgeschäft der westdeutschen und amerikanischen Banken, 1963; Tepe Die H a f t u n g des Bankiers f ü r die Erteilung von Rat, Empfehlung und Auskunft unter besonderer Berücksichtigung der H a f t u n g f ü r die Empfehlung von Wertpapieren, Diss. Göttingen 1931; Vötter Der Effektenhandel durch Vermittlung der Privatbanken, Diss. München 1962; Wackerhagen H a f t u n g der Banken aus Kundenberatung im Wertpapiergeschäft, 1974; Werdermann Der Eigentumsübergang bei der Effektenkommission, Diss. H a m b u r g 1962; Wessel Ein Beitrag zum Problem des gekauften, jedoch nicht erworbenen Wertpapiers, W M 1954, 75 f f ; Wessely Der Bundesschatzbrief als Sammelschuldbuchforderung und seine Emission, W M 1969, 1094 ff; Will Anlegerschutz durch Insiderhandels-Richtlinien, N J W 1973, 645 ff; Wohlfahrt/Bley Grundlagen und Praxis des Wertpapiergeschäfts, 2. Aufl. 1971; Wolter Effektenkommission und Eigentumserwerb, 1979; Ziganke Notwendige Modernisierungen des Wertpapierrechts, W M 1971, 983 ff; Zöllner Die Zurückdrängung des Verkörperungselements bei den Wertpapieren, Festschr. f ü r Raiser, 1974, S. 249 ff.
I. Begriff und Wesen des Effektengeschäfts 1. Begriff u n d A r t e n der E f f e k t e n a) D i e E f f e k t e n als vertretbare Wertpapiere 1810
N a c h § 1 I 2 Z i f f . 4 K W G ist als E f f e k t e n g e s c h ä f t „ d i e A n s c h a f f u n g u n d die V e r ä u ß e r u n g v o n W e r t p a p i e r e n f ü r a n d e r e " a n z u s e h e n . H i e r u n t e r fällt i n d e s s e n t r o t z des w e i t e n W o r t l a u t s d i e s e r L e g a l d e f i n i t i o n n i c h t j e d e s W e r t p a p i e r im S i n n e des W e r t p a p i e r r e c h t s , a l s o n i c h t j e d e s P a p i e r , d e s s e n I n n e h a b u n g z u r A u s ü b u n g d e s in i h m v e r b r i e f t e n R e c h t s e r f o r d e r l i c h ist. D e r bankrechtliche Werpapierbegriff ist v i e l m e h r e n g e r als d e r wertpapierrechtliche. D a s e r g i b t sich z u n ä c h s t s c h o n d a r a u s , d a ß d a s E f f e k t e n g e s c h ä f t die A n s c h a f f u n g u n d die V e r ä u ß e r u n g v o n W e r t p a p i e r e n z u m G e g e n s t a n d h a t u n d d a ß es sich f o l g l i c h u m P a p i e r e h a n d e l n m u ß , d i e e i n e r s o l c h e n A n s c h a f f u n g u n d V e r ä u ß e r u n g ü b e r h a u p t z u g ä n g l i c h sind. Als E f f e k t e n sind d a h e r n u r W e r t p a p i e r e a n z u s e h e n , die eines U m s a t z g e s c h ä f t e s fähig sind, u n d das b e d e u t e t praktisch, d a ß g r u n d s ä t z l i c h n u r s o l c h e P a p i e r e in B e t r a c h t k o m m e n , d i e v e r t r e t b a r e S a c h e n i. S. v o n § 91 B G B sind, d. h., die im V e r k e h r b e i m A b s c h l u ß d e s b e t r e f f e n d e n K a u s a l g e s c h ä f t s nur nach Art und Zahl der Stücke bestimmt zu w e r d e n pflegen1. D a s stimmt auch mit d e r V o r s c h r i f t des § 1 D e p G ü b e r e i n , d e r z w a r k e i n e L e g a l d e f i n i t i o n d e r E f f e k t e n e n t hält, aber eine Reihe v o n Papieren ausdrücklich a u f z ä h l t und „andere W e r t p a p i e r e , w e n n diese v e r t r e t b a r s i n d " gleichstellt; § 1 D e p G k o m m t im v o r l i e g e n d e n Z u s a m m e n I Vgl. auch Bruns Schönle S 16 I 1.
930
S. 15;
Wohlfahrt/Bley
S. 1 f;
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und Wesen des Effektengeschäfts
hang insofern besondere Bedeutung zu, als das Depotgesetz in den §§ 18 ff eine Teilregelung des Effektengeschäfts enthält.
b) Die Effekten als Kapitalmarktpapiere Auch die danach verbleibenden vertretbaren Wertpapiere sind nicht ausnahmslos als 1 8 1 1 Effekten anzusehen. Für das Effektengeschäft ist es nämlich charakteristisch, daß es der Kapitalanlage dient (vgl. auch unten Rdn. 1820). Folglich fallen diejenigen Papiere, die nicht zu diesem Zweck bestimmt sind, auch dann nicht unter den Begriff der E f f e k ten, wenn es sich um vertretbare Wertpapiere handelt. Effekten sind also nur Kapitalmarktpapiere 2 . Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum handelsrechtlichen Wertpapierbegriff des § 1 II Ziff. 1 H G B , wonach die Anschaffung und Weiterveräußerung von Wertpapieren ohne Rücksicht auf den Charakter des Papiers als Kapitalmarktpapier als Grundhandelsgewerbe anzusehen ist. D e r bankrechtliche Effektenbegriff ist also weder mit dem wertpapierrechtlichen noch mit dem handelsrechtlichen Wertpapierbegriff identisch.
c) Die Einordnung der verschiedenen Wertpapiere Mit Hilfe der im Vorstehenden ermittelten Kriterien läßt sich nunmehr klären, wel- 1 8 1 2 che der in Betracht kommenden Papiere im einzelnen dem Begriff der Effekten unterfallen und welche nicht. Nicht zu den Effekten gehören danach zunächst die Schuldscheindarlehen (vgl. zum Begriff näher oben Rdn. 1365); denn der Schuldschein stellt lediglich eine Beweisurkunde dar (vgl. oben Rdn. 1373) und fällt folglich nicht einmal unter den wertpapierrechtlichen Wertpapierbegriff und somit erst recht nicht unter den Effektenbegriff. Keine Effekten sind weiterhin die meisten Rektapapiere, weil sie im Verkehr nicht 1 8 1 3 nach Art und Zahl der Stücke bestimmt zu werden pflegen und daher nicht vertretbare Sachen i. S. von § 91 B G B sind. Daher gehören in diesen Zusammenhang nicht Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenbriefe mit Ausnahme der Inhabergrundschuldbriefe. Aus demselben Grund sind auch die hinkenden Inhaberpapiere oder qualifizierten Legitimationspapiere i. S. von § 808 B G B wie z. B. das Sparbuch keine Effekten. D a g e g e n sind bergrechtliche K u x e trotz ihres Charakters als Rektapapiere als Effekten anzusehen, weil es nicht auf die wertpapierrechtliche Qualifikation als solche, sondern auf die Vertretbarkeit der Papiere ankommt und dieses Merkmal hier erfüllt ist 3 ; für diese Einordnung sprechen im übrigen auch die Vorschrift des § 1 D e p G , wo der K u x ausdrücklich als Wertpapier i. S. des Depotgesetzes qualifiziert wird, die Bestimmung der Ziff. 29 II A G B , wo der Handel mit Kuxen im Zusammenhang des Effektengeschäfts geregelt ist, und die Verkehrsanschauung, nach der Geschäfte über K u x e ebenfalls als Effektengeschäfte anzusehen sind. Inhaber- und Orderpapiere sind zwar grundsätzlich vertretbare Wertpapiere, doch 1 8 1 4 nicht notwendig zugleich auch Kapitalmarktpapiere. Wegen Fehlens dieser Eigenschaft unterfallen z. B. Schecks und Wechsel nicht dem Effektenbegriff. Im übrigen gehören die meisten Inhaber- und Orderpapiere jedoch zu den Effekten. D a s wichtigste Beispiel sind die Aktien. Auch Interims- und Jungscheine sowie Dividenden-, Erneuerungs- und Genußscheine erfüllen grundsätzlich die Voraussetzungen des Effektenbegriffs 4 . D e r 2
3
V g l . auch Bruns S. 15; Wohlfahrt/Bley S . 1; Schüttle % 16 I 2. E b e n s o i.E. Bruns S. 16; Schönle § 16 I 1 c ; Klein BuB 7/18.
4
E b e n s o Schönle § 1 6 1 1 d und e ; a. A. hinsichtlich der Interims- und der E r n e u e r u n g s s c h e i n e Bruns S. 15 b z w . S . 16.
Claus-Wilhelm Canaris
931
16. Abschnitt. Das Effektengeschäft zweite Prototyp der Effekten neben den Aktien sind die Obligationen, d. h. Inhaberund Orderschuldverschreibungen wie z. B. öffentliche Anleihen des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Bundesbahn oder der Bundespost, Industrieobligationen und Pfandbriefe öffentlich-rechtlicher Realkreditinstitute oder privat-rechtlicher Hypothekenbanken. Schließlich sind in diesem Zusammenhang auch noch die Investmentzertifikate zu nennen.
d) Die Bedeutung der Wertpapiereigenschaft für den Effektenbegriff und die Entstehung eines „stUckelosen" Effektenverkehrs 1815
Die vorstehenden Erörterungen haben den Effektenbegriff in Anlehnung an die §§ 1 I 2 Ziff. 4 KWG und 1 I DepG sowie in Übereinstimmung mit der h. L. auf Wertpapiere beschränkt. Das heutige Effektenwesen zeigt jedoch in zunehmendem Maße die Tendenz zu einem „stückelosen" Verkehr (vgl. dazu näher unten Rdn. 2007 ff und 2040 ff). Es fragt sich daher, ob dieser Erscheinung mit dem herkömmlichen Effektenbegriff noch gerecht zu werden ist oder ob dieser einer Erweiterung bedarf. Dabei ergeben sich mehrere Problemkreise.
1816
Auszukommen ist mit der traditionellen Definition wohl noch, sofern nur die Ubertragung der Effekten „stückelos" erfolgt. Denn dabei handelt es sich um die Ubereignung von Miteigentumsanteilen an beweglichen Sachen (vgl. näher unten Rdn. 2016 ff), und folglich liegen hier noch Wertpapiere vor. Immerhin sollte man nicht übersehen, daß der Miteigentumsanteil als solcher keine Sache und folglich auch kein Wertpapier, sondern lediglich ein Recht ist. Wenn nun der Kunde nur einen solchen Miteigentumsanteil erwirbt, wie das nach § 24 DepG regelmäßig der Fall ist (vgl. unten Rdn. 1988 ff), und man hier gleichwohl von einem „Effektengeschäft" und dem Kauf, Verkauf und Erwerb von „Effekten" spricht, so wendet man dabei bereits den Effektenbegriff auf bloße Rechte an; denn nicht der Miteigentumsanteil als solcher, sondern nur das betreffende Recht — die Aktie, die Inhaberschuldverschreibung usw. — ist ja in einem Wertpapier verkörpert. Immerhin mag man diesen Sprachgebrauch noch als möglich ansehen, da das Miteigentum rechtlich dem Alleineigentum gleichgestellt ist und man daher auch in terminologischer Hinsicht nicht unbedingt einen scharfen Unterschied zu machen braucht.
1817
Größere Schwierigkeiten ergeben sich bei Vorliegen einer Sammelurkunde i. S. von § 9 a DepG. Zwar ist diese selbst eine Sache und ein Wertpapier, doch ist sie nicht Gegenstand eines Handels nach Nennwert oder Stückzahl und daher nicht vertretbar i. S. von § 91 BGB (vgl. Pleyer/Schleiffer DB 1972 79). Es hilft auch nicht weiter, darauf hinzuweisen, daß die Globalurkunde ihrem Wesen nach durch Einzelurkunden und damit durch vertretbare Sachen ausgetauscht werden solle (vgl. aber Philipp W M 1965 216); denn zum einen soll ein solcher Austausch im Regelfall gerade nicht stattfinden, sondern eine seltene Ausnahme bleiben, und zum anderen kann das Recht auf einen Austausch auch ausgeschlossen werden (vgl. unten Rdn. 2133), und dann ist mit dieser Argumentation keinesfalls mehr weiterzukommen. Der richtige Lösungsansatz liegt vielmehr in der Erkenntnis, daß die Globalurkunde die einzelnen Rechte verkörpert und daß diese „vertretbar" sind, weil sie im Verkehr lediglich nach ihrer Zahl bestimmt zu werden pflegen. Daraus ist allerdings nicht zu folgern, daß dadurch die Globalurkunde selbst zu einer vertretbaren Sache wird (so aber offenbar Scholtz S. 36). Der Ausweg besteht vielmehr darin, daß man die engen Grenzen des traditionellen Effektenbegriffs überschreitet und als Effekten im weiteren Sinne auch vertretbare Rechte anerkennt. § 9 1 BGB steht dem nicht entgegen (a. A. Pleyer/Schleiffer DB 1972 79); 932
2. Bearbeitung. Stand 1.5. 1981
I. Begriff und Wesen des Effektengeschäfts denn er bestimmt lediglich, wann Sachen vertretbar sind, und sagt in keiner Weise, daß nicht auch Rechte unter den gleichen Voraussetzungen als „vertretbar" bezeichnet werden können. Diese Erweiterung des Effektenbegriffs empfiehlt sich im übrigen auch deshalb, 1 8 1 8 weil sonst Schuldbuchforderungen und andere „Wertrechte" nicht als Effekten angesehen werden könnten (vgl. zu diesen näher unten Rdn. 2040 ff und 2052 ff). Das aber wäre wenig sinnvoll, weil sie sowohl nach der Verkehrsanschauung als auch nach ihrer wirtschaftlichen Funktion den Effekten i. e. S. gleichstehen und weil sie außerdem z. T. auch rechtlich genauso behandelt werden (vgl. hinsichtlich der Schuldbuchforderungen unten Rdn. 2052 ff und hinsichtlich der sonstigen Wertrechte unten Rdn. 2047 ff). Man sollte daher Rechte, die dieselbe Funktion wahrnehmen wie verbriefte Effekten, ebenfalls als Effekten bezeichnen 5 . Man kann sie dabei mit dem Terminus Bucheffekten gegenüber den Effekten im herkömmlichen Sinne abheben und letztere als Briefeffekten bezeichnen (vgl. auch unten Rdn. 2045). Auch bei der Einbeziehung der Wertrechte in den Effektenbegriff braucht man 1 8 1 9 nicht stehen zu bleiben, sondern kann darüber hinaus z. B. auch Optionsrechte zum Abschluß von Effekten- oder Warentermingeschäften unabhängig von ihrer Verbriefung zu den Effekten rechnen 6 . Zum Effektengeschäft i. S. von § 1 I 2 Ziff. 4 KWG wird der Handel mit unverbrieften Optionen dadurch freilich nicht, da die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur Wertpapiere erfaßt und wegen des hier geltenden Analogieverbots 7 auf unverbriefte Rechte nicht entsprechend angewendet werden kann. 2. Die Funktionen des Effektengeschäfts Für den Erwerber von Effekten dient das Effektengeschäft der mittel- oder langfri- 1 8 2 0 stigen Kapitalanlage, für das emittierende Unternehmen der Deckung des Kapitalbedarfs. Auf dem Kapitalmarkt, insbesondere an der Börse, treffen Angebot und Nachfrage zusammen und führen zur Festlegung der Konditionen. Das Effektengeschäft stellt damit einen Grundpfeiler einer marktwirtschaftlich verfaßten Wirtschaftsordnung dar, weil es im grundsätzlich freien Spiel der Kräfte den Ausgleich zwischen den Interessen der Kapitalanbieter und der Kapitalnachfrager ermöglicht. Deshalb gehört das Effektengeschäft zugleich auch zu den wichtigsten Grundlagen der Privatautonomie, wenn diese lebens- und funktionsfähig bleiben soll. 3. Die Rechtsnatur des Effektengeschäfts a) Die in Betracht kommenden Konstruktionen und Vertragstypen Wenn § 1 I 2 Ziff. 4 KWG als Effektengeschäft „die Anschaffung und die Veräuße- 1821 rung von Wertpapieren für andere" bezeichnet, so können sich privatrechtlich hinter dieser Formulierung die unterschiedlichsten Konstruktionen und Vertragstypen verbergen. Denkbar wäre zunächst ein Geschäftsabschluß im Wege der direkten Stellvertretung auf der Grundlage eines entsprechenden Geschäftsbesorgungsvertrags, doch spielt diese Möglichkeit in der Praxis allenfalls für Investmentanteile eine Rolle (vgl. dazu unten Rdn. 2362) und soll daher hier nicht näher erörtert werden. Als zweites kommt ein einfaches Kommissionsgeschäft i. S. der §§ 383 ff HGB in Betracht, bei dem die Bank das Ausführungsgeschäft im eigenen Namen, aber für Rechnung des Kunden abschließt, also als indirekte Stellvertreterin tätig wird. Auch dieser Vertragstyp kommt 5 Vgl. auch Büchner S. 226; Stüdemann S. 58 ff; Kömer S. 32 f.
S. 13 und
' Vgl. auch Rössner/Weber BB 1979, 1051. ? Vgl. dazu näher Canaris BB 1978, 228.
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16. A b s c h n i t t . D a s E f f e k t e n g e s c h ä f t
nur verhältnismäßig selten vor, ist jedoch praktisch nicht gänzlich ohne Bedeutung, da er im Zweifel anzunehmen ist, wenn die betreffenden Effekten nicht an der Börse des Ausführungsortes, aber an einer anderen deutschen Börse zur amtlichen Notierung zugelassen sind (vgl. näher unten Rdn. 1826); außerdem kann er auch im Investmentgeschäft vorkommen (vgl. unten Rdn. 2365 a. E.). 1822
Der Regelfall ist demgegenüber gemäß Ziff. 29 I AGB das Kommissionsgeschäft mit Selbsteintritt der Bank i. S. der §§ 400 ff HGB. Dabei kommt grundsätzlich Kommissionsrecht zur Anwendung, doch wird dieses nach Vollzug des Selbsteintritts teilweise durch Kaufrecht überlagert (vgl. auch unten Rdn. 1908 f). Subsidiär gelten die §§ 675, 611 ff BGB, da das Effektenkommissionsgeschäft ein auf eine Dienstleistung gerichteter Geschäftsbesorgungsvertrag ist. Das gilt nicht nur bei einer längeren Geschäftsbeziehung, sondern auch bei einem Einzelauftrag, da die Bank auch in diesem Fall nicht etwa den Abschluß eines Kaufvertrags schlechthin verspricht, sondern lediglich eine sorgfältige Tätigkeit zur Herbeiführung eines solchen schuldet und da somit auch hier nicht eine Werkleistung, sondern eine Dienstleistung Vertragsgegenstand ist. Sondervorschriften gelten für die £i»£d«/skommission : hier sind vorrangig die §§ 18 ff DepG anzuwenden. Für die Vertaw/ikommission bestehen vergleichbare Normen nicht, da es hier an einem entsprechenden Schutzbedürfnis fehlt. Eine rechtliche Besonderheit liegt dagegen hier insofern vor, als die Verkaufskommission regelmäßig mit einer Verfügungsermächtigung gemäß § 185 BGB verbunden ist (vgl. näher unten Rdn. 1998 f).
1823
Statt eines Kommissionsgeschäfts kommt auch ein Eigen- oder Propergeschäft der Bank in Betracht — sei es unter gleichzeitiger Vornahme eines entsprechenden Dekkungsgeschäfts, sei es ohne eine solche. In diesem Falle gilt weder Kommissions- noch Geschäftsbesorgungsrecht, sondern grundsätzlich nur Kaufrecht. Auch hier sind jedoch gemäß § 31 DepG die Sondervorschriften der §§ 18 ff DepG vorrangig anzuwenden. Darüber hinaus gelten auch sonst weitgehend die gleichen oder ähnliche Regeln wie bei der Kommission (vgl. unten Rdn. 1896 und Rdn. 1947 a. E.). Dagegen geht es zu weit und ist insbesondere mit dem Unterschied von Ziff. 29 II AGB gegenüber Ziff. 29 I AGB unvereinbar, den kaufrechtlichen Charakter des Eigengeschäfts gänzlich zu leugnen und dieses als Kommissionsvertrag zu qualifizieren 8 .
1824
Ahnliche Einordnungsfragen ergeben sich bei der Emission neuer Effekten, doch sind sie nicht im vorliegenden Zusammenhang, sondern erst unten Rdn. 2245 ff zu behandeln. b) Die Abgrenzung zwischen Kommissions- und Eigengeschäft und die Regelung von Ziff. 29 A G B
1825
Die Abgrenzung zwischen Kommissions- und Eigengeschäft ist trotz der teilweisen Gleichstellung durch § 31 DepG von erheblicher praktischer Bedeutung. Denn vor ihr hängt nach dem soeben Gesagten ab, ob nur Kaufrecht oder auch Kommissions- und Geschäftsbesorgungsrecht gilt; letzteres kann einerseits für den Kunden vorteilhafter sein, weil ihm dann die besonderen Schutzvorschriften des Kommissionsrechts zugute
8
So aber Schneiders S. 103 ff, der sich indessen zur Begründung lediglich auf eine diffuse „wirtschaftliche Betrachtungsweise" beruft und juristisch alle wesentlichen Fragen im Dunkeln läßt: handelt es sich bei Ziff. 29 II A G B um eine falsa demonstratio, ein Scheingeschäft, eine nach § 9 A G B G unwirksame Klausel (vgl. dazu unten Rdn. 1833)
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oder gar um eine nach § 5 A G B G zu Lasten der Bank zu berichtigende bloße Unklarheit? Für den Kaufcharakter des Eigengeschäfts demgegenüber z. B. R G Z 94, 65, 66; 114, 9, 10 f; B G H Z 8, 222, 226; Vötter S. 9 7 ; Schwark Anlegerschutz S. l l O f ; Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 406 Rdn. 113; Bärmann/Brink Rdn. 294.
2 . B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
I. Begriff und Wesen des Effektengeschäfts kommen, andererseits aber u. U. auch ungünstiger, weil die Bank ihm hier im Gegensatz zum Propergeschäft Provision und Aufwendungen in Rechnung stellen und nach dem amtlichen Börsenkurs abrechnen darf, auch wenn sie versehentlich zunächst einen niedrigeren angegeben hatte (vgl. dazu auch unten Rdn. 1915 ff). I. d. R. wird die Abgrenzung keine besonderen Schwierigkeiten bereiten, weil die 1826 Vorschrift der Ziff. 29 AGB insoweit eine klare Regelung enthält. Danach ist ein Kommissionsgeschäft mit Selbsteintritt der Bank anzunehmen, wenn die betreffenden Wertpapiere an der Börse des Ausführungsplatzes zum amtlichen Handel zugelassen sind. Dagegen liegt grundsätzlich ein Eigengeschäft vor, wenn es sich um Geschäfte in Kuxen und nicht zum amtlichen Handel zugelassenen Werten handelt. Der Tatbestand eines einfachen Kommissionsgeschäfts i. S. der §§ 383 ff HGB, d. h. eines solchen ohne rechtsgeschäftliches Selbsteintrittsrecht ist zwar in Ziff. 29 AGB nicht ausdrücklich vorgesehen, doch ergibt sich per exclusionem, daß dafür nur der Fall von Wertpapieren übrig bleibt, die zwar zum amtlichen Handel an der Börse zugelassen sind, nicht aber an der Börse des Ausführungsplatzes, sondern nur an einer oder mehreren anderen 9 . Wenngleich somit Ziff. 29 AGB eine klare Regelung des Abgrenzungsproblems ent- 1827 hält, wird doch die Frage nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen Kommissionsgeschäft und Eigengeschäft nicht überflüssig. Denn zum ersten können die AGB ja im Einzelfall auch einmal unanwendbar sein, zum zweiten kann die Regelung der Ziff. 29 AGB abbedungen werden — was insbesondere auch konkludent möglich ist —, und zum dritten ist Ziff. 29 AGB im Lichte der allgemeinen Abgrenzungskriterien auszulegen und gegebenenfalls an deren Leitbild zu messen. Bei an der Börse zugelassenen Papieren ist im allgemeinen, also auch unabhängig 1828 von Ziff. 29 I AGB, von dem Grundsatz auszugehen, daß im Zweifel ein Kommissionsgeschäft und nicht ein Eigengeschäft vereinbart ist 10 . Diese Vermutung zugunsten des Kommissionsgeschäfts ergibt sich schon daraus, daß der Kunde in dem Bankier seinen Vertrauensmann sieht und dementsprechend von diesem eine optimale Interessenwahrnehmung erwartet und erwarten darf (vgl. RGZ 43 111; 114 11); das aber ist mit der Annahme eines Eigengeschäfts unvereinbar, da die Bank bei diesem grundsätzlich ihre eigenen Interessen verfolgen darf (vgl. BGH WM 1959 999, 1001). Gegenüber dieser typischen Interessenlage hat i. d. R. auch eine Eigenhändlerklau- 1829 sei zurückzutreten, der von der Rechtsprechung dementsprechend i. d. R. nur die Bedeutung einer Selbsteintrittsvereinbarung zuerkannt wird 1 1 . Das kann freilich sinnvollerweise wohl nur für stereotypisierte oder generell zugrunde gelegte Klauseln gelten. Denn daß die Vereinbarung eines Eigengeschäfts grundsätzlich auch bei solchen Geschäften rechtlich zulässig und gültig ist, bei denen sie unüblich ist, läßt sich angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit nicht bezweifeln 1 2 ; ist also im Einzelfall unmißverständlich und durch besondere Abrede ein Eigengeschäft vereinbart worden, so ist die Vermutung zugunsten des Kommissionsgeschäfts dadurch i. d. R. widerlegt. Richtig ist allerdings, daß niemals die vertragliche Formulierung für sich allein, sondern nur der wirkliche Charakter des Geschäfts ausschlaggebend ist (vgl. RGZ 94 66; 114 10).
» Ebenso i. E. Schönte 5 16 III und § 17 II 2. '0 Vgl. R G Z 43, 108, 111; 96, 4, 6; 114, 9, 11; B G H Z 8, 222, 227; Düringer!Hachenburg/Lehmann § 383 Anm. 20; Votier S. 97; Schlegelherger/ Hefermehl § 383 Rdn. 26 und Anh. nach § 406 Rdn. 100.
" Vgl. R G Z 114, 13 f und 15 a. E.; R G LZ 1928, 625; Schmidt-Rimpler, Ehrenbergs H a n d b u c h Bd. 5 I 1, S. 513 f m. w. N a c h w . 12 Vgl. auch Schlegelherger/Hefermehl § 383 Rdn. 26.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft 1830
Dieser spricht insbesondere bei einem Bestens-Auftrag, also dann, wenn kein fester oder wenigstens objektiv bestimmbarer Preis vereinbart worden ist, sondern das Papier zu dem für den Kunden günstigsten Preis erworben bzw. veräußert werden soll, für einen Kommissions- und gegen einen Kaufvertrag 1 3 . In einem solchen Fall ist also selbst eine individuelle Abrede über das Vorliegen eines Eigengeschäfts bei einer objektiven Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unbeachtlich, sofern ihr nicht ausnahmsweise auf Grund der besonderen Umstände ein Sinn gegeben werden kann, der mit der Erteilung des Bestens-Auftrags nicht in Widerspruch steht (vgl. auch unten Rdn. 1834 a. E.). Dabei ist zu beachten, daß die bloße Nennung eines bestimmten Preises durch den Kunden in aller Regel nicht sein vorbehaltloses Einverständnis mit einem Abschluß zu diesem Preis bedeutet, sondern im Zweifel nur den Charakter einer Limitierung seines Auftrags hat 14 . Selbstverständlich kann sich aber aus den Umständen des Einzelfalles etwas anderes ergeben wie z. B. beim Pakethandel.
1831
Auch eine Verkehrssitte, wonach bei an der Börse gehandelten Papieren die Bank grundsätzlich als Eigenhändler anzusehen sein soll, kann die Vermutung zugunsten des Kommissionsgeschäfts nicht außer Kraft setzen (vgl. RGZ 114 13 f). Sie wäre nämlich unbeachtlich, weil dadurch generell die zwingenden Schutzvorschriften des Kommissionsrechts, insbesondere das Verbot des Kursschnitts gemäß §§ 400 f H G B unterlaufen würde.
1832
Einer Inhaltskontrolle am Maßstab von § 9 AGBG hält die Selbsteintrittsklausel stand, da sie weitgehend dem gesetzlichen Leitbild von § 400 I H G B entspricht. Allerdings ist dem Kommittenten die in § 400 I HGB offengehaltene Möglichkeit, „ein anderes zu bestimmen" und der Bank den Selbsteintritt zu untersagen, durch Ziff. 29 I AGB genommen. Die Klausel ist jedoch auch insoweit unbedenklich und wirksam 1 5 ; denn die eigentlichen Gefahren drohen dem Kunden nicht durch die Abdingung dieses Untersagungsrechts, das er häufig kaum sachgerecht zu handhaben wissen dürfte 1 6 und von dem er erfahrungsgemäß allenfalls in seltenen Ausnahmefällen Gebrauch machen würde, sondern vielmehr durch die Zulassung des Selbsteintritts als solche und die damit verbundene Reduzierung der Rechenschaftspflicht, die zwar dringend der Reform bedürfen 1 7 , bis zu einer solchen aber nun einmal als lex lata zu respektieren sind.
1833
Anders ist die Rechtslage beim Handel mit Kuxen und amtlich nicht notierten Werten. Hier spricht die Vermutung zugunsten eines Eigengeschäfts 18 . Damit stimmt die Regelung der Ziff. 29 II 1 AGB überein. Gegen ihre Gültigkeit bestehen daher keine durchgreifenden Bedenken 19 . Ziff. 29 II 1 gibt nämlich nur wieder, was im Zweifel 13 Vgl. R G Z 44, 66; 114, 11; kritisch Nußbaum J W 1919, 302 und ihm folgend Schmidt-Rimpler aaO S. 514. 14 Vgl. R G Z 114, 11 ; vgl. freilich auch R G Z 97, 138, 139, w o jedoch insofern eine Besonderheit gegeben war, als die fraglichen Papiere keinen amtlichen Börsenkurs hatten. 15 Ebenso i. E. Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 406 Rdn. 51 a. E.; a. A. von Dalwigk zu Lichtenfels S. 103 ff, insbesondere S. 116 f. 16 Vgl. auch Schneiders S. 24. 7 1 Vgl. dazu z. B. — mit unterschiedlichen Akzentsetzungen — von Dalwigk zu Lichtenfels S. 133 f; Schneiders S. 79 f f ; Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 4 0 6 Rdn. 94; Koller G r o ß k o m m , zum 3 H G B § 400 Anm. l O m . w . N a c h w . ; sehr zurück-
936
haltend demgegenüber Schwark Anlegerschutz S. 116 f trotz der Kritik S. 107 ff. 18 Vgl. RG BankArch. 26, 184; vgl. auch R G Z 106, 301; aus dem Schrifttum z. B. Düringer/Hachenburg/Lehmann § 383 Anm. 33; VötterS. 97 f m. w. N a c h w . ; einschränkend Schmidt-Rimpler aaO. S. 512 f, der eine V e r m u t u n g zugunsten des Eigengeschäfts nur gegenüber solchen Kunden annehmen will, denen „man Kenntnis des Effektenhandels zumuten kann". 1 9 Vgl. auch Vötter S. 96 f m. w. N a c h w . zum älteren Schrifttum; Hopt Kapitalanlegerschutz S. 482 f; Schwark Anlegerschutz S. 111; i. E. auch B G H W M 1959, 999, 1001, w o der B G H ersichtlich o h n e weiteres die Wirksamkeit von Ziff. 29 II 1 AGB voraussetzt; a. A. von Dalwigk
2. Bearbeitung. Stand 1.5. 1981
I. Begriff und Wesen des Effektengeschäfts ohnehin gelten w ü r d e , und kann d a h e r nicht unwirksam sein, weil die K o n t r o l l e von A G B grundsätzlich am Leitbild des dispositiven R e c h t s zu e r f o l g e n hat und die Klausel diesem j a entspricht. A u c h b e r u h t sie auf vernünftigen S a c h g r ü n d e n , weil die B a n k in den hier g e r e g e l t e n Fällen, insbesondere bei Fehlen e i n e r amtlichen B ö r s e n n o t i z , bei A b s c h l u ß eines K o m m i s s i o n s v e r t r a g s häufig in heikle I n t e r e s s e n k o n f l i k t e g e r a t e n k ö n n t e und das „ A u s w e i c h e n " in das E i g e n g e s c h ä f t d a h e r nicht zu b e a n s t a n d e n ist. A u ß e r d e m k a n n den G e f a h r e n für den K u n d e n durch Aufklärungspflichten und mit H i l f e von § 3 1 5 B G B h i n r e i c h e n d b e g e g n e t w e r d e n (vgl. dazu n ä h e r unten R d n . 1 8 9 6 und 1 9 4 4 f). Im übrigen d a r f man dessen S c h u t z w ü r d i g k e i t beim E i g e n g e s c h ä f t o h n e hin nicht ü b e r s c h ä t z e n ; denn w e r E f f e k t e n erwirbt, die nicht zum amtlichen H a n d e l zugelassen sind, m u ß wissen, d a ß er sich auf ein u n g e w ö h n l i c h e s G e s c h ä f t einläßt und d a ß für den K a u f p r e i s kein ähnlich verläßlicher M a ß s t a b besteht wie bei b ö r s e n g ä n g i gen P a p i e r e n . Ist allerdings ein B e s t e n s - A u f t r a g erteilt w o r d e n , so ist die V e r m u t u n g zugunsten 1 8 3 4 des E i g e n g e s c h ä f t s grundsätzlich als widerlegt a n z u s e h e n und auch hier ein K o m m i s sionsgeschäft a n z u n e h m e n 2 0 . Folgerichtig wird m a n in einem solchen Fall Ziff. 2 9 II 1 A G B als k o n k l u d e n t a b b e d u n g e n anzusehen o d e r § 4 A G B G a n z u w e n d e n h a b e n ; d e n k b a r ist allerdings a u c h , d a ß die gleichzeitige V e r e i n b a r u n g eines E i g e n g e s c h ä f t s und einer B e s t e n s - O r d e r lediglich den Sinn hat, die B a n k von der V e r p f l i c h t u n g z u r A b r e c h n u n g auf der G r u n d l a g e des tatsächlich erzielten K u r s e s zu befreien und statt dessen den D u r c h s c h n i t t s k u r s des betreffenden B ö r s e n t a g s für m a ß g e b l i c h zu e r k l ä r e n , d o c h gilt das nicht a l l g e m e i n 2 1 , sondern h ä n g t von den U m s t ä n d e n des Einzelfalles und den sich aus ihnen e r g e b e n d e n Auslegungskriterien ab (vgl. auch unten R d n . 1 9 4 5 ) .
Das Unterbleiben einer amtlichen Notierung wegen einer vorübergehenden Schlie- 1 8 3 5 ßung der B ö r s e n soll n a c h Ansicht des B G H die V e r m u t u n g zugunsten des K o m m i s sionsgeschäfts bei P a p i e r e n , die an sich an der B ö r s e g e h a n d e l t w e r d e n , nicht widerlegen (vgl. B G H Z 8 2 2 2 , 2 2 7 ; vgl. d e m g e g e n ü b e r a b e r auch R G Z 97 1 3 8 , 1 3 9 ) . D a s erscheint w e n i g ü b e r z e u g e n d , da in einem solchen Fall w e g e n des F e h l e n s einer amtlichen K u r s f e s t s e t z u n g und der E r s c h w e r u n g des U m s a t z e s ähnliche G r ü n d e für ein E i g e n g e s c h ä f t und g e g e n ein K o m m i s s i o n s g e s c h ä f t s p r e c h e n wie beim H a n d e l mit a m t lich nicht notierten W e r t e n ; insbesondere ist auch h i e r die B a n k im wesentlichen auf ihre speziellen, dem K u n d e n nicht in gleicher W e i s e z u r V e r f ü g u n g stehenden G e s c h ä f t s b e z i e h u n g e n a n g e w i e s e n , um das G e s c h ä f t ü b e r h a u p t abwickeln zu k ö n n e n , und das spricht dafür, d a ß sie zu einem V e r t r a g s s c h l u ß grundsätzlich nur zu den f ü r sie i. d. R . v o r t e i l h a f t e r e n B e d i n g u n g e n des E i g e n g e s c h ä f t s bereit ist 2 2 . D a s gleiche gilt mutatis mutandis für z w a r zum amtlichen H a n d e l zugelassene, aber 1 8 3 6 n o c h nicht an der B ö r s e eingeführte Papiere. D e n n auch bei diesen e r f o l g t eine amtlic h e Feststellung des Börsenpreises nicht, und daher spricht auch hier die V e r m u t u n g für das V o r l i e g e n eines E i g e n g e s c h ä f t s 2 3 .
21 22
zu Lichtenfels S. 117 ff, insbesondere S. 129 ff, und wohl auch Schlegelberger/Hefermebl Anh. nach § 4 0 6 Rdn. 116. Vgl. R G BankArch. 26, 3 0 4 ; z. T . enger, z. T . aber auch noch weitergehend Schmidt-Rimpler aaO S. 514. So aber offenbar Schönle § 18 II 3 c. A. A. Votier S. 98, der verkennt, daß die Frage nicht unbedingt durch eine Auslegung von
Ziff. 29 A G B gelöst werden muß, sondern in erster Linie durch einen Rückgriff auf den mutmaßlichen Parteiwillen und die für dessen Ermittlung maßgebliche Interessenlage sowie auf etwaige tatsächliche Gepflogenheiten und daraus sich ergebende Gebräuche. 23
A. A. Vötter S. 98, der sogar nur ein einfaches Kommissionsgeschäft ohne Selbsteintrittsrecht annimmt.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
1837
Ebenso ist schließlich grundsätzlich auch für den Handel mit Optionsrechten zum Abschluß von Effekten- oder Warentermingeschäften zu entscheiden. Schließt also der Optionsberechtigte nicht unmittelbar mit dem „Stillhalter" den Optionsvertrag — was auch im Wege der Stellvertretung durch den „Vermittler" geschehen kann 2 4 —, so kommt mit dem „Vermittler" im Zweifel kein Kommissions-, sondern ein Eigengeschäft zustande 2 5 , also ein Rechtskauf i. S. von § 433 I 2 BGB oder ein kaufähnlicher Vertrag i. S. von § 445 BGB. Allerdings gelten z. T. ähnliche Regeln wie bei einem Kommissionsgeschäft (vgl. näher unten Rdn. 1863 a. E.). Die Übertragung des Optionsrechts erfolgt gemäß §§413 i. V. m. §§ 398 ff BGB oder, wenn man das Optionsrecht als Anspruch qualifiziert, unmittelbar nach §§ 398 ff BGB. II. Abschluß u n d Wirksamkeit des Effektengeschäfts 1. Das Zustandekommen des Vertrages a) Die Rechtslage beim Kommissionsgeschäft
1838
Für den Abschluß des Effektenkommissionsgeschäfts gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln. Der Vertrag kommt also wie sonst auch durch Angebot und Annahme zustande. Die Annahme wird nicht selten durch schlüssiges Verhalten erfolgen wie z. B. durch den Beginn der Durchführung auf Grund eines schriftlichen oder telegraphischen Angebots; der Zugang der Annahmeerklärung wird in einem solchen Fall i. d. R. gemäß § 151 BGB überflüssig sein, da der Kunde auf ihn angesichts der Eilbedürftigkeit des Geschäfts konkludent verzichtet haben dürfte und da überdies wohl auch eine entsprechende Verkehrssitte besteht.
1839
Außerdem kann das Kommissionsgeschäft durch Schweigen der Bank gemäß § 362 H G B zustande kommen, sofern diese gegenüber einem Kunden, mit dem sie in Geschäftsverbindung steht, nicht unverzüglich ablehnt. Bei Börsengeschäften wird man eine Ablehnung i. d. R. nur dann als unverzüglich ansehen können, wenn sie telephonisch oder telegraphisch erfolgt 2 6 ; denn sonst wird dem Kunden die Möglichkeit genommen, noch während der Börsenzeit eine andere Bank mit der Durchführung zu beauftragen.
1840
Im übrigen ist die Bank auch nicht ohne weiteres berechtigt, einen Kommissionsauftrag eines Kunden, mit dem sie in Geschäftsverbindung steht, abzulehnen. Vielmehr kann sie sich durch eine Ablehnung, für die sie keinen sachlichen Grund hat, u. U. schadensersatzpflichtig machen. Zwar hat die Bank keine allgemeine Rechtspflicht zur Durchführung beliebiger Geschäfte für den Kunden (vgl. oben Rdn. 7), doch darf sie dessen Anträge andererseits auch nicht willkürlich zurückweisen, weil das mit dem durch die Geschäftsverbindung begründeten Vertrauensverhältnis sowie auch mit der Regelung des Abschnitts I Sätze 1 — 3 vor Ziff. 1 AGB unvereinbar wäre. Insoweit besteht also ein gewisser Kontrahierungszwang aus §§ 157, 242 BGB. Eine unbegründete Ablehnung eines Kundenauftrags bringt zwar nicht ipso iure das entsprechende Geschäft zustande, doch kommt man auf dem Umweg über den aus der Ablehnung folgenden Schadensersatzanspruch unter Anwendung des § 249 BGB im wesentlichen zu demselben Ergebnis. " Vgl. als Beispiele die Fälle O L G Düsseldorf N J W 1980, 403 und W M 1980, 1300; im ersten Fall lag im Verhältnis zum Vermittler o f f e n b a r überhaupt kein Vertrag vor, im zweiten dagegen ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB. Vgl. im übrigen auch Rössner/Weber BB 1979, 1051 f.
938
" Vgl. auch Rössner/Weber BB 1979, 1053, die ebenfalls zu dem Ergebnis kommen, daß meist Eigenhandel vorliegt, 26 Vgl. auch Prellberg S. 31.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts
b) Die Rechtslage beim Eigengeschäft Die für das Zustandekommen des Effektenkommissionsgeschäfts geltenden Regeln 1 8 4 1 können nicht ohne weiteres auf den Abschluß eines Eigengeschäfts übertragen werden. Anders als durch jenes wird die Bank durch dieses nämlich keineswegs nur zu Bemühungen um einen entsprechenden Effektenkauf oder -verkauf verpflichtet, sondern unmittelbar zur Erfüllung des Kaufvertrags selbst (vgl. auch unten Rdn. 1900) und es ist daher erhöhte Zurückhaltung hinsichtlich einer Vertragsannahme durch die Bank geboten; denn diese kann ja die Möglichkeit eines Deckungsgeschäfts nicht von vornherein übersehen, und es ist nicht anzunehmen, daß sie das sich daraus ergebende Risiko, das ja bei den unter Ziff. 29 II AGB fallenden Werten besonders hoch ist, ohne weiteres übernehmen will. Dementsprechend stellt z. B. die sogenannte Innota-nahme einer Offerte des Kunden durch die Bank lediglich eine Empfangsbestätigung und nicht eine Annahme des Angebots dar 2 7 . Auch eine Annahme durch Schweigen gemäß § 362 H G B kommt hier nicht in 1 8 4 2 Betracht; denn beim Eigengeschäft ist das Angebot des Kunden unmittelbar auf Abschluß eines Kaufvertrags und auf sonst nichts gerichtet (vgl. auch oben Rdn. 1823), und folglich liegt keine Geschäftsbesorgung i. S. des § 362 H G B vor, wie weit man diesen Begriff auch immer fassen mag. Auch das Schweigen auf ein „freibleibend" gemachtes „Angebot" der Bank, das in einer Liste aller von dieser gehandelter Freiverkehrswerte enthalten ist und das rechtlich lediglich eine invitatio ad offerendum darstellt 28 , kann hier grundsätzlich nicht als Annahme gewertet werden. Zwar gilt in einem solchen Falle Schweigen im allgemeinen als Annahme 2 9 , doch kann diese Wertung dann nicht eingreifen, wenn nach den Umständen des Falles oder auf Grund der Interessenlage dem Schweigen erkennbar nicht die Bedeutung der Zustimmung zukommen kann; das aber ist hier im Hinblick auf die Unsicherheit über die Möglichkeit zur Vornahme eines entsprechenden Deckungsgeschäfts zu bejahen. Auch beim Eigengeschäft ist die Bank freilich nicht völlig frei in der Frage, ob sie 1 8 4 3 den Vertragsschluß mit einem Kunden, mit dem sie in Geschäftsverbindung steht, ablehnen soll oder nicht. Ähnlich wie beim Kommissionsgeschäft und aus denselben Gründen wie bei diesem (vgl. oben Rdn. 1840) unterliegt die Bank vielmehr einem gewissen Kontrahierungszwang gemäß § 242 BGB. Allerdings genügt es zur Vertragsablehnung ohne weiteres, wenn die Bank vorbringt, sie habe kein passendes Deckungsgeschäft tätigen können; da sie darüber nach der besonderen Natur und dem Zweck des Eigengeschäfts einer Rechenschaftspflicht nicht unterliegt (vgl. unten Rdn. 1943), wird sie auf diesem Wege unerwünschte Vertragsschlüsse in aller Regel risikolos zurückweisen können, so daß ihrer Abschlußpflicht anders als hinsichtlich des Kommissionsgeschäfts praktische Bedeutung kaum zukommen dürfte. Keinesfalls hat die Bank hier eine Bemühungspflicht (vgl. näher unten Rdn. 1903). Allerdings kann sie u. U. zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn sie dem Kunden von einer geplanten Vertragsablehnung nicht unverzüglich Mitteilung macht; denn eine solche Benachrichtigungspflicht folgt gemäß § 242 BGB aus der Geschäftsverbindung. Ein Widerruf des Angebots durch den Kunden wird noch über die §§ 145 ff BGB 1 8 4 4 hinausgehend durch die Freiverkehrsusancen, die der Kunde gemäß Ziff. 30 II 2 AGB gegen sich gelten lassen muß, eingeschränkt 30 .
Vgl. Votier S. 99. Vgl. auch Völler S. 99 f. " Vgl. z. B. Schlegelberger/Hefermehl 28
§ 346 Rdn. 74;
30
Canaris Großkomm, zum HGB 3 , Anh. nach § 362 Anm. 19 m. Nachw. aus der Rspr. Vgl. näher Völler S. 100.
Claus-Wilhelm Canaris
939
16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
2. Die Geltung der allgemeinen Rechtssätze über die Nichtigkeit und Anfechtung von Rechtsgeschäften 1845
Die allgemeinen Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe finden auf das Effektengeschäft grundsätzlich ohne weiteres Anwendung. Das gilt auch für Börsengeschäfte, d. h. für solche Geschäfte, die von der Bank über die Börse abgewickelt werden, was nach Ziff. 29 I 2 AGB bei zum amtlichen Handel zugelassenen Aktien i. d. R. der Fall ist. Dagegen könnte man freilich einwenden, derartige Geschäfte wiesen wegen der Massenhaftigkeit ihres Vorkommens so starke Besonderheiten auf, daß die Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe bzw. deren Wirkungen einer Einschränkung bedürften, da es anderenfalls zu schweren Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit kommen könne. Näherer Prüfung hält dieser Einwand indessen nicht stand. Zwar ist es richtig, daß die Nichtigkeits- und Anfechtungsregeln u. U. gewissen Einschränkungen unterliegen, wenn die Verkehrssicherheit dies gebietet wie z. B. im Recht der Umlaufpapiere oder im Gesellschaftsrecht, und richtig ist auch, daß hierfür der Gesichtspunkt der Massenhaftigkeit der betreffenden Geschäfte eine wesentliche Rolle spielen kann, doch liegt es hier gleichwohl in den entscheidenden Punkten anders als bei den erwähnten Beispielen. Ausschlaggebend ist bei diesen nämlich, daß die fraglichen Rechtsgeschäfte dort die Grundlage einer unbestimmten Vielzahl weiterer auf ihnen aufbauender Geschäfte bilden und diese alle mit in die Folgen der Unwirksamkeit hineingezogen würden 3 1 . Demgegenüber beschränken sich bei Börsengeschäften die Folgen von Mängeln auf das mangelhafte Geschäft selbst und lassen die Wirksamkeit anderer Geschäfte völlig unberührt; denn die von der Bank vorgenommenen Deckungsgeschäfte werden von Mängeln des Kommissions- oder Kaufvertrags nicht ergriffen, da sie diesen gegenüber rechtlich völlig selbständig sind. Die Beeinträchtigung der Interessen Dritter und eine wesentliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist daher hier nicht zu besorgen.
1846
Ebensowenig lassen sich durchgreifende Bedenken aus der Tatsache herleiten, daß bis zum Zeitpunkt der Entdeckung oder Geltendmachung des Mangels eine wesentliche Änderung des Börsenkurses eingetreten sein kann. Dem läßt sich nämlich bei der Rückabwicklung durchaus sachgerecht Rechnung tragen, wobei insbesondere den §§818 III und 819 BGB wesentliche Bedeutung zukommt. Auch die Gefahr, daß ein Teil durch die verspätete Geltendmachung des Mangels zu Lasten des anderen Teils spekuliert, besteht nicht bzw. läßt sich bannen. Sie besteht überhaupt nicht bei Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes und eines Anfechtungsgrundes i. S. von § 119 BGB, da ersterer jederzeit von beiden Teilen vorgebracht werden kann und letzterer gemäß § 121 BGB unverzüglich geltend zu machen ist; sie ist dagegen nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen in Fällen wie denen der §§ 123 und 177 BGB, wo die Entscheidung über die Geltung oder Nichtgeltung des fehlerhaften Rechtsgeschäfts in der Tat u. U. längere Zeit hinausgezögert werden könnte, doch läßt sich dem durch das Institut der Verwirkung ohne Schwierigkeiten Rechnung tragen: der Gestaltungsberechtigte hat hier wegen der sonst bestehenden „Spekulationsgefahr" sein Recht unverzüglich auszuüben, widrigenfalls er es verliert. Das gleiche gilt grundsätzlich für die Geltendmachung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs auf Grund eines nichtigen oder angefochtenen Geschäfts. Der Kunde darf also auch hier nicht einfach die Kursentwicklung abwarten und dann zu einem ihm günstig erscheinenden Zeitpunkt mit seinem Anspruch hervortreten, sondern muß die Bank unverzüglich auf die Gefahr eines 31
Vgl. n ä h e r Canaris D i e V e r t r a u e n s h a f t u n g im d e u t s c h e n P r i v a t r e c h t , 1971, S. 125, 132 f, 234, 484 f.
940
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts
Regresses aufmerksam machen, damit diese gegebenenfalls ein entsprechendes Dekkungsgeschäft vornehmen kann. Darüber hinaus kommt auch eine Heilung des Mangels auf Grund einer Genehmigungsfiktion gemäß Ziff. 32 AGB in Betracht (vgl. näher unten Rdn. 1934). Auch für die Rechtsfolgen der Nichtigkeit oder der Anfechtung gelten die allgemei- 1847 nen Regeln. Es findet also grundsätzlich eine Abwicklung nach Bereicherungsrecht statt. Daneben können Schadensersatzansprüche gegeben sein, wobei als Anspruchsgrundlage vor allem die §§ 122, 823 II, 826 BGB und die Regeln über die culpa in contrahendo in Betracht kommen dürften. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Vornahme eines Deckungsgeschäfts durch die Bank zu (vgl. zum Begriff des Deckungsgeschäfts näher unten Rdn. 1899). Die (etwaigen) Verluste, die die Bank durch das Deckungsgeschäft erleidet, stellen nämlich eine adäquat kausale Folge des (nichtigen oder angefochtenen) Effektengeschäfts mit dem Kunden dar und sind daher von diesem grundsätzlich nach Schadensersatzrecht, insbesondere nach den Regeln über die culpa in contrahendo zu ersetzen, soweit ihn ein Verschulden trifft; auch kann die Bank derartige Verluste grundsätzlich im Rahmen des § 818 III BGB bereicherungsmindernd in Rechnung stellen, sofern nicht die Unwirksamkeit des Effektengeschäfts oder die Vornahme des Deckungsgeschäfts allein ihrer Risikosphäre zuzurechnen ist 32 . 3. Die wichtigsten Unwirksamkeitsgründe a) Der Irrtum über den Börsenkurs eines Papiers Unterläuft einer Partei beim Abschluß des Effektengeschäfts ein Irrtum über den 1 8 4 8 Börsenkurs des fraglichen Papiers, so könnte darin zunächst ein Eigenschaftsirrtum i. S. von § 119 II BGB liegen. Indessen kann der Wert oder der Preis einer Sache und dementsprechend auch der Börsenkurs eines Papiers grundsätzlich nicht als Eigenschaft i. S. des § 119 II BGB angesehen werden 33 . Denn zum einen muß in einer Wirtschaftsordnung, in der sich die Preisbildung grundsätzlich im freien Spiel von Angebot und Nachfrage vollzieht, jedermann das Risiko eines Irrtums über den Wert des Kaufgegenstandes selbst tragen, und zum anderen müßte die Möglichkeit einer Anfechtung wegen eines solchen Irrtums zu schwerer Rechtsunsicherheit führen; was speziell den Irrtum über den Börsenkurs betrifft, so ist es je nach der Größenordnung des Auftrags sogar möglich, daß das auf Grund des Irrtums getätigte Geschäft seinerseits die Kursentwicklung beeinflußt hat. Wesentlich anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn der Irrtum über den Börsen- 1849 kurs nicht nur einer Partei unterlaufen ist, sondern beide gemeinsam von einem falschen Kurs ausgegangen sind. Das RG hat in derartigen Fällen einen Inhaltsirrtum i. S. von § 119 I BGB angenommen 3 4 . Das ist indessen schon deshalb nicht überzeugend, weil es voraussetzen würde, daß der Abschluß zu dem wirklichen Börsenkurs zum Vertragsinhalt geworden ist; da nun aber gleichzeitig typischerweise der irrtümlich angenommene Kurs seinen Niederschlag im Vertrag — nämlich in der Festlegung des Preises — gefunden hat und beide Kurse miteinander unvereinbar sind, müßte der Vertrag 32
Vgl. auch — jeweils hinsichtlich des Termingeschäftseinwands — Nußbaum Ehrenbergs H a n d buch IV 2 S. 607 f; Scbmidt-Rimpler a a O . S. 978; Düringer/Hachen burg/Lebmann § 383 Anm. 8 unter ee; Schlegelherger/Hefermehl § 400 Rdn. 29.
« Vgl. z. B. R G Z 64, 266, 269; 116, 15, 17; B G H Z 16, 54, 57; Larenz Allg. Teil des Bürg. Rechts 5 S 20 II b = S. 349; Brüggemann G r o ß k o m m , zum H G B 3 § 381 Anm. 85. 3t Vgl. R G Z 64, 268; 85, 323; 94, 67; 97, 138; 101, 51; 105, 406; 116, 15.
Claus-Wilhelm Canaris
941
16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
folgerichtig wegen Dissenses oder Widersprüchlichkeit nichtig sein, so daß für eine Anfechtung wegen Inhaltsirrtums weder Raum noch Bedürfnis wäre. 1850
In Wahrheit ist denn auch der wirkliche Börsenkurs nicht Inhalt, sondern lediglich Grundlage des Vertrages 3 5 . Folgerichtig kommen die Regeln über das Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage wegen eines beiderseitigen Motivirrtums zur Anwendung. Danach wird man dem auf Grund des Irrtums benachteiligten Partner gemäß § 242 BGB das Recht geben müssen, von dem Vertrag zurückzutreten, es sei denn, der andere Teil erklärt sich zur Erfüllung zu den für ihn ungünstigeren Bedingungen bereit 36 . Das gilt unabhängig davon, ob über den Börsenkurs überhaupt gesprochen worden ist; denn es ist selbstverständlich, daß Effekten, die einen Börsenkurs haben, auf der Grundlage dieses Kurses gehandelt werden, sofern nichts anderes vereinbart wird. Unerheblich ist weiterhin, ob es sich um ein Kommissionsgeschäft oder um ein Propergeschäft handelt 37 . Auch bei einem Kommissionsgeschäft erscheint es nämlich gerecht, das Risiko eines beiderseitigen Irrtums auch von beiden Teilen tragen zu lassen und nicht allein auf den Kommittenten abzuwälzen; das gilt zumindest dann, wenn es sich wie im Falle der Ziff. 29 I AGB um ein Kommissionsgeschäft handelt, das grundsätzlich durch Selbsteintritt durchgeführt wird und das daher einem Kaufvertrag typologisch sehr nahe steht. Folgerichtig kommen die Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage auch dann zur Anwendung, wenn ein Bestens-Auftrag auf der Grundlage eines — beiderseitigen — Irrtums über den Kurs erteilt worden ist; denn auch hier handelt es sich um einen beiderseitigen Motivirrtum i. S. der Lehre von der subjektiven Geschäftsgrundlage.
1851
Der einseitige Irrtum über den Kurs ist dagegen unbeachtlich. Das gilt auch dann, wenn er erkennbar war. Eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums gemäß § 119 II BGB kommt aus den oben Rdn. 1848 genannten Gründen nicht in Betracht, und auch die Lehre von der Geschäftsgrundlage darf hier nicht herangezogen werden; denn die Erkennbarkeit eines Motivirrtums vermag diesem nach der Regelung des BGB grundsätzlich keine Relevanz zu verleihen, und diese Schranke des Anfechtungsrechts darf nicht auf dem Umwege über die Lehre von der Geschäftsgrundlage unterlaufen werden.
1852
Dagegen kommen in einem solchen Falle Schadensersatzansprüche wegen Schutzpflichtverletzung (culpa in contrahendo oder positive Forderungsverletzung) in Betracht, da es zu den Rechtspflichten beim Vertragsschluß gehören kann, den anderen Teil vor einem erkennbaren und vermeidbaren Irrtum zu bewahren, und die Bank in dieser Hinsicht nicht rücksichtslos ihre eigenen Interessen verfolgen darf, sondern auf Grund ihrer Stellung und des zu dem Kunden bestehenden Vertrauensverhältnisses eine besondere Treuepflicht hat. Das gilt auch für das Propergeschäft, da dieses hinsichtlich der bei Vertragschluß bestehenden Schutz- und Aufklärungspflichten dem Kommissionsgeschäft grundsätzlich gleichzustellen ist (vgl. unten Rdn. 1896).
35
36
Vgl. z. B. Larenz a a O § 20 II a = S. 341; z. T . anders aber z. B. Flume Allg. Teil des Bürg. Rechts II 3 5 26, 4 b. Ähnlich i. E. Flume a a O trotz Ablehnung der Lehre von der Geschäftsgrundlage, die indessen allein die H a n d h a b e f ü r eine solche, auf eine Vertragsanpassung hinauslaufende Lösung bieten dürfte.
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37
Ebenso i. E. R G Z 94, 65; 116, 15; Larenz Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, 3. Aufl. 1963, S. 27 ff; a. A. Flume a a O S. 503, der meint, bei einem Kommissionsgeschäft sei es „selbstverständlich, daß der Auftraggeber die Folgen seines Irrtums selbst tragen muß" und der in einem solchen Fall dem Kunden daher allenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Bank geben will.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts
b) Der Irrtum über kursbeeinflussende Tatsachen Von dem Irrtum über den Börsenkurs eines Papiers zu unterscheiden ist der Irrtum 1 8 5 3 über Tatsachen, die diesen Kurs beeinflussen können. Anders als dort läßt sich hier die Möglichkeit eines Eigenschaftsirrtums gemäß § 119 II BGB nicht ohne weiteres von der Hand weisen; denn die kursbeeinflussenden Tatsachen können zu den wertbildenden Faktoren gehören, und diese sind — im Gegensatz zum Wert als solchem — grundsätzlich als Eigenschaften i. S. des § 119 II B G B anzusehen. Das heißt aber andererseits nicht, daß darum alle kursbeeinflussenden Tatsachen ohne weiteres gemäß § 1 1 9 II BGB relevant wären. Eine solche weite Anwendung des § 119 II B G B wäre vielmehr mit dem spekulativen Charakter, der den meisten Effektengeschäften in mehr oder weniger starkem Maße innewohnt, unvereinbar und müßte überdies zu schwerer Rechtsunsicherheit führen. Daher ist hier das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Beziehung zwischen dem fraglichen Merkmal und dem betreffenden Gegenstand besonders streng zu handhaben 38 . Danach sind vor allem solche Tatsachen, die nicht das in dem Papier verbriefte 1 8 5 4 Recht selbst, sondern lediglich das emittierende Unternehmen betreffen, nicht als Eigenschaften i. S. des § 119 II BGB anzuerkennen, weil es an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang fehlt. Folglich stellt z. B. die Ertragslage einer AG ebensowenig eine Eigenschaft der Aktien dar wie die Bonität des Schuldners eine Eigenschaft der von diesem emittierten Obligationen ist (vgl. auch R G SeuffArch. 85 Nr. 120 S. 227); wollte man anders entscheiden, würde man über § 119 II B G B das Risiko des Effektenerwerbers entgegen dem vertragstypischen Sinn des Effektengeschäfts auf den Veräußerer verlagern und zu einer fundamentalen Störung des Effektenmarktes kommen. An dieser Entscheidung ist auch dann festzuhalten, wenn sich die Ertragslage bzw. die Bonität durch ein ganz bestimmtes Ereignis wie z. B. durch einen Wassereinbruch in einem Bergwerk plötzlich verschlechtert hat (vgl. R G GruchBeitr. 48 100, 102). Das gleiche sollte auch dann gelten, wenn durch das fragliche Ereignis die Verkehrsfähigkeit des betreffenden Papiers beeinträchtigt oder beseitigt wird wie z. B. bei Konkurs des Unternehmens (offengelassen vom R G aaO); denn auch in diesem Falle geht es nur um die Bonität des Papiers, und für dieses wird grundsätzlich weder nach Kommissions- noch nach Kaufrecht gehaftet, wie sich insbesondere aus § 438 BGB ergibt (vgl. dazu auch unten Rdn. 1897). Ausnahmsweise können allerdings auch hier ebenso wie beim Irrtum über den Börsenkurs die Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage zur Anwendung kommen, sofern die fragliche Eigenschaft von beiden Teilen vorausgesetzt wurde und somit ein beiderseitiger Motivirrtum vorlag (vgl. auch R G SeuffArch. 85 Nr. 120 S. 227, das freilich § 119 I BGB anwenden will). Dagegen liegt grundsätzlich ein Eigenschaftsirrtum vor, wenn es um ein Merkmal 1 8 5 5 des betreffenden Papiers selbst geht. Das ist z. B. bei einem Irrtum über die Höhe der Dividende einer Aktie oder über den Zinsfuß einer Obligation anzunehmen. Denn ein derartiger Irrtum bezieht sich anders als ein Irrtum über den Börsenkurs nicht lediglich auf den Wert des Papiers als solchen, sondern auf wertbildende Faktoren, und auch das Merkmal der „Unmittelbarkeit" ist erfüllt. Allerdings wird sich ein solcher Irrtum praktisch nur sehr selten nachweisen lassen, wobei zu beachten ist, daß die Beweislast insoweit beim Anfechtenden liegt. Im übrigen verdient noch Hervorhebung, daß der Irrtum sich grundsätzlich auf gegenwärtige Eigenschaften beziehen muß; daher kann 38
Vgl. zum Unmittelbarkeitserfordernis z. B. B G H Z 16, 54, 5 7 ; Soergel/Hefermehl" § 1 1 9 Rdn. 57 m. w. Nachw.
Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
z. B. ein Irrtum über die zukünftige Dividende bzw. über eine (noch nicht erfolgte) Dividendenänderung niemals ein Eigenschaftsirrtum i. S. von § 119 II BGB sein. 1856
In besonders gelagerten Fällen kann u. U. sogar ein Dissens gegeben sein. Das ist z. B. i. d. R. anzunehmen, wenn es von einer Aktie Stamm- und Vorzugsaktien gibt, eine Klarstellung bei der Auftragserteilung insoweit aber unterblieben ist und der eine Teil Stammaktien, der andere dagegen Vorzugsaktien gemeint hat (vgl. OLG Köln W M 1970 892, 893); denn dann fehlt es sowohl an einer eindeutigen objektiven Bestimmung des Geschäftsgegenstandes als auch an der subjektiven Übereinstimmung der Parteiabsichten, und daher liegt ein Dissens vor. Eine etwaige Verkehrssitte, nach der sich der Auftrag im Zweifel auf Stammaktien beziehen soll, wäre zumindest im Verkehr mit Nichtbankier-Kunden rechtsmißbräuchlich und daher unbeachtlich; denn auf diese Weise würde man ohne hinreichenden sachlichen Grund die der Bank obliegende Beratungs- und Aufklärungspflicht unterlaufen (vgl. zu dieser näher unten Rdn. 1880 ff). c) Die arglistige Täuschung der Bank oder eines sonstigen Zwischenhändlers
1857
Statt oder neben einer Anfechtung gemäß § 119 II BGB kommt bei einem Irrtum über kursbeeinflussende Tatsachen grundsätzlich auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB in Betracht 38a . Dabei ist in mehrfacher Hinsicht zu differenzieren. Wichtig ist zunächst die Unterscheidung zwischen einer arglistigen Täuschung durch positives Tun und einer solchen durch Unterlassen. Erstere berechtigt grundsätzlich ohne weiteres zur Anfechtung, letztere dagegen nur dann, wenn den anderen Teil eine Rechtspflicht zur Aufklärung traf. Daß einer Bank eine Täuschung durch positives Tun nachzuweisen ist, wird praktisch freilich nur selten vorkommen. Denkbar ist aber immerhin, daß die Bank von bestimmten kursbeeinflussenden Tatsachen eher als der betreffende Kunde Kenntnis erlangt und nun versucht, diesen zu einem für ihn ungünstigen Geschäft zu veranlassen — sei es, daß sie ihm zum Kauf von Papieren rät, deren Kurs auf Grund der ihr bereits bekannten Tatsachen aller Voraussicht nach sinken wird, sei es, daß sie ihm den Verkauf von Papieren empfiehlt, bei denen eine besondere Kurssteigerung zu erwarten ist. In solchen Fällen, in denen die Bank von sich aus den betreffenden Ratschlag erteilt und nicht etwa nur einen von dem Kunden ausgehenden Auftrag unter Außerachtlassung ihrer Aufklärungspflicht durchführt, dürfte nicht lediglich eine Täuschung durch Unterlassen, sondern eine solche durch positives Tun gegeben sein; denn der Kunde darf einen Ratschlag der Bank auf Grund der dieser obliegenden besonderen Beratungs- und Treuepflicht sowie im Hinblick auf das — u. a. unter I S. 1 der AGB ausdrücklich betonte — Vertrauensverhältnis grundsätzlich dahin auffassen, daß er nach bestem Wissen und Gewissen gegeben wird, und daher ist ein Ratschlag, der in Wahrheit nicht den Interessen des Kunden, sondern nur denen der Bank zu dienen bestimmt ist, eine konkludente Täuschungshandlung. Das gilt vor allem dann, wenn die Bank ihren Rat unter Ausnutzung von Insider-Kenntnissen erteilt hat, die ihrem Kunden noch nicht zugänglich waren 3 9 (vgl. dazu im übrigen auch unten Rdn. 1892 ff). Das gleiche ist grundsätzlich aber auch bei sonstigen sich auf das betreffende Papier beziehenden Informationen anzunehmen, also dann, wenn die Bank ihr Wissen nicht gerade als Insider, sondern aus jedermann zur Verfügung stehenden Quellen wie z. B. aus der Zeitung entnommen hat 4 0 . Ging 58» Vgl. dazu auch von Ungern-Sternberg Z g S t r W 8 8 (1976), 653, 670 ff aus strafrechtlicher Sicht. 39 Vgl. auch Horn Z H R 136, 387 nach Fn. 69; Hopt/Will Europäisches Insiderrecht, 1973, S. 115 Fn. 94.
944
Vgl. R G J W 1904, 167; vgl. auch den ganz ähnlieh gelagerten Fall R G GruchBeitr. 48, 100, w o jedoch die Ausführungen bezüglich der arglistigen T ä u s c h u n g leider nicht abgedruckt sind.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts die B a n k allerdings davon aus, der K u n d e kenne die fragliche T a t s a c h e bereits, so fehlt es am V o r s a t z und damit an der erforderlichen Arglist, so daß eine A n f e c h t u n g g e m ä ß S 123 B G B ausscheidet (vgl. auch R G J W 1904 167, 168) und allenfalls eine H a f t u n g aus culpa in c o n t r a h e n d o in Betracht k o m m t (vgl. d a z u näher unten R d n . 1880 f f ) . U m die P r o b l e m a t i k der T ä u s c h u n g durch Unterlassen geht es d e m g e g e n ü b e r 1 8 5 8 i. d. R., wenn die B a n k nicht von sich aus dem K u n d e n ein bestimmtes G e s c h ä f t empfohlen, sondern es lediglich versäumt hat, diesen v o n einem f ü r ihn ungünstigen K a u f o d e r V e r k a u f abzuhalten. D i e Anwendbarkeit des § 123 B G B setzt dann das Bestehen einer Rechtspflicht zur A u f k l ä r u n g voraus. Diese ist ohne weiteres zu bejahen, wenn es sich um eine allgemein zugängliche, speziell das fragliche Papier b e t r e f f e n d e T a t s a c h e handelte und die B a n k (bzw. ihr nach 5 166 I B G B maßgeblicher Vertreter) erkannt hat, daß die T a t s a c h e dem K u n d e n unbekannt w a r (vgl. auch R G J W 1904 167). Bei nicht allgemein zugänglichen T a t s a c h e n , die die B a n k nur auf G r u n d einer Insi- 1 8 5 9 derinformation kannte, scheidet d a g e g e n die A n w e n d u n g des § 123 B G B in aller R e g e l aus, da m a n der B a n k grundsätzlich keine Rechtspflicht z u r W e i t e r g a b e von Insiderinf o r m a t i o n e n an ihre K u n d e n auferlegen kann (vgl. insoweit näher unten R d n . 1893); auch soweit m a n e n t g e g e n der hier vertretenen Ansicht eine solche Rechtspflicht bejaht, wird m a n der B a n k j e d o c h — zumindest bis z u m E r g e h e n einer klärenden höchstrichterlichen E n t s c h e i d u n g — einen vorsatzausschließenden Verbotsirrtum zubilligen müssen, wenn sie v o m Nichtbestehen einer A u f k l ä r u n g s p f l i c h t a u s g e g a n g e n ist«. Hinsichtlich allgemein zugänglicher T a t s a c h e n , die sich nicht speziell auf das 1 8 6 0 b e t r e f f e n d e Papier beziehen wie z. B. hinsichtlich des Börsentrends, d e r allgemeinen Konjunktursituation o d e r d e r politischen L a g e , hat das R G eine A u f k l ä r u n g s p f l i c h t grundsätzlich verneint, d o c h wies der entschiedene Fall insofern eine wesentliche Besonderheit auf, als es nicht um ein G e s c h ä f t mit einer B a n k ging (vgl. R G Z 111 233, 235). Bei einer B a n k wird m a n nun z w a r insoweit grundsätzlich schärfere A n f o r d e r u n gen stellen müssen, weil diese eine besondere A u f k l ä r u n g s - und T r e u e p f l i c h t g e g e n ü b e r dem K u n d e n hat (vgl. näher unten R d n . 1880 f f ) , d o c h wird gleichwohl nur sehr selten der T a t b e s t a n d des § 123 B G B erfüllt sein, weil die B a n k meist davon ausgehen wird, daß der K u n d e die fraglichen Faktoren kennt, und weil ihr dann der f ü r eine arglistige T ä u s c h u n g erforderliche V o r s a t z fehlt; erkennt die B a n k freilich, daß der K u n d e den Börsentrend o d e r die allgemeine wirtschaftliche und politische L a g e falsch einschätzt, so k o m m t in der T a t eine arglistige T ä u s c h u n g durch Unterlassen einer gebotenen A u f klärung in Betracht. Beim E r w e r b ausländischer Investmentanteile braucht die B a n k den K u n d e n über die rechtliche K o n s t r u k t i o n der Beteiligung a m F o n d s v e r m ö g e n grundsätzlich nicht a u f z u k l ä r e n , wenn diese kein besonderes Sicherheitsrisiko in sich birgt und auch sonst nicht ersichtlich ist, daß ihre g e n a u e Kenntnis den Erwerbsentschluß hinfällig machen könnte (vgl. B G H W M 1973 98, 99). S o w e i t die B a n k eine Pflicht z u r A u f k l ä r u n g hat, gilt das grundsätzlich nicht nur beim K o m m i s s i o n s g e s c h ä f t , sondern auch beim E i g e n g e s c h ä f t (vgl. näher unten R d n . 1896).
41
Vgl. zur vorsatzausschließenden Wirkung des Verbotsirrtums im Zivilrecht allgemein Larenz Schuldrecht I 1 2 , § 2 0 II m. Nachw. Für §123 B G B dürfte schon deshalb der „Vorsatztheorie" der Vorzug gegenüber der „Schuldtheorie" zu geben sein, weil das Merkmal der „Arglist" den
Vorwurf eines unlauteren Verhaltens einschließt (vgl. z. B. Palandt/Heinricbs § 123 Anm. 2 a) und dieser Vorwurf bei einem Verbotsirrtum jedenfalls dann entfällt, wenn er nicht auf Leichtfertigkeit beruhte.
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16. Abschnitt. D a s Effektengeschäft
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Die für das Vorliegen der Arglist maßgebliche Person ist gemäß § 166 I BGB grundsätzlich der mit dem Kunden in Kontakt stehende und mit ihm den Vertrag schließende Angestellte. Ist dieser gutgläubig, handelt er jedoch auf Grund bestimmter Weisungen oder Empfehlungen anderer Angestellter, so muß die Bank sich deren Arglist gemäß oder analog § 166 II BGB zurechnen lassen; das gilt z. B., wenn ein leitender Angestellter ihm zugängliche Insiderinformationen zwar nicht an die Effektenabteilung weitergibt, aber deren Angestellten bestimmte Hinweise für ihr Verhalten gegenüber den Kunden erteilt und so — gewissermaßen in mittelbarer Täterschaft mittels eines nichtdolosen Werkzeugs — den Abschluß von für die Kunden ungünstigen Verträgen herbeiführt.
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Die Jahresfrist des § 124 I B G B darf der Getäuschte hier ausnahmsweise nicht ausnutzen. Er muß vielmehr unverzüglich anfechten, weil er anderenfalls die weitere Kursentwicklung abwarten und so auf Kosten der Bank spekulieren könnte (vgl. oben Rdn. 1846). Generelle Bedenken gegen die Zulassung der Anfechtung bestehen dagegen nicht 42 .
1863
Wesentlich größere praktische Bedeutung als beim klassischen Effektengeschäft hat die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung beim Handel mit Optionsrechten zum Abschluß von Effekten- oder Warentermingeschäften. Hier kann der Tatbestand des § 123 I BGB vor allem dadurch erfüllt sein, daß die vom Veräußerer berechnete Optionsprämie exorbitant hoch ist und z. B. das doppelte oder dreifache des von diesem zu entrichtenden Einstandspreises beträgt 43 ; darin liegt regelmäßig eine arglistige Täuschung durch positives Tun, weil der Veräußerer dem Erwerber der Option schon allein durch den Vertragsschluß konkludent eine Gewinnchance vorspiegelt, eine solche aber in Wahrheit praktisch nicht oder nicht in dem vernünftigerweise zu erwartenden Umfang besteht, da der Erwerber wegen der überhöhten Prämie allenfalls bei einer völlig aus dem Rahmen fallenden Kursentwicklung in die Gewinnzone gelangen kann (vgl. ferner unten Rdn. 1944). Die Rspr. neigt dazu, die Frage der Arglist zu umgehen, indem sie Ansprüche aus culpa in contrahendo bejaht (vgl. B G H W M 1981 374 f; 1981 552, 553; O L G München W M 1980 535, 536 f; OLG Frankfurt W M 1981 499, 501). Eine arglistige Täuschung durch Unterlassen der gebotenen Aufklärung kann vorliegen, wenn der Veräußerer oder Vermittler dem Optionskäufer Umstände verschweigt, die gegen die Seriosität des „Stillhalters" sprechen und deren Kenntnis den Erwerber voraussichtlich von dem Geschäft abgehalten hätte 4 4 ; denn da dieser für die Realisierung eines etwaigen Gewinnes auf die Zahlungsfähigkeit des „Stillhalters" angewiesen ist, hat dessen Seriosität schlechthin essentielle Bedeutung für das Geschäft. Demgemäß hat der Veräußerer oder Vermittler den Optionskäufer z. B. grundsätzlich auch darüber aufzuklären, ob ein englischer „Stillhalter" an der Londoner Börse als Broker zugelassen ist oder ob es sich um eine bloße „Privatoption" handelt. Im übrigen kann in derartigen Fällen auch ein Irrtum über Eigenschaften der Person i. S. von § 119 II BGB vorliegen, doch wird es insoweit nicht selten an der für einen Irrtum erforderlichen konkreten Fehlvorstellung fehlen; auch darf die Anwendung von
A. A. Hopt/Will aaO. S. 167; vgl. demgegenüber aber oben Rdn. 1845 f. « Vgl. dazu auch BGH WM 1981, 374 f und OLG München WM 1980, 535, 536 f (unter dem Aspekt der c.i.c.); KG NJW 1980, 2314, 2315 gegen KG NJW 1980, 1471, 1472 (zu § 123 BGB); Rössneri Weber BB 1979, 1053 f; MünchKomm.-Pecher § 764 Rdn. 22; vgl. ferner zur Frage der Strafbar42
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keit wegen Betrugs OLG München NJW 1980, 794 f (bejahend); OLG Hamburg NJW 1980, 2593 f und dazu Seelmann N J W 1980, 2545 ff (verneinend); Koch J Z 1980, 704 ff. ** Vgl. dazu auch OLG Düsseldorf N J W 1980, 403, 404 (bezüglich der Haftung eines Stellvertreters des „Stillhalters" aus c. i. c.).
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. A b s c h l u ß und Wirksamkeit des E f f e k t e n g e s c h ä f t s
§ 119 II BGB nicht zu einer verschleierten Bonitätshaftung und damit zu einem Unterlaufen der durch die §§ 437 f BGB vorgenommenen Risikoabgrenzung führen. Teilt der Optionsverkäufer dem Käufer die Person des „Stillhalters" nicht bei Vertragsschluß oder unverzüglich nach Vornahme des Geschäfts mit diesem mit, so haftet er grundsätzlich analog §§ 95 III, 384 III H G B selbst auf Erfüllung des durch Ausübung der Option zustande kommenden Vertrages; denn diese Vorschriften sind keine singulären Sondervorschriften, sondern Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, wonach derjenige, der die Risiken des Geschäfts trägt, vor auf seinem Rücken erfolgenden Spekulationen der Mittelsperson geschützt werden muß 4 4 a . Allerdings kann der Erfüllungsanspruch u. U. am Einwand des Termin- oder Differenzgeschäfts scheitern (vgl. dazu unten Rdn. 1868 ff), da dieser grundsätzlich auch vom Verkäufer erhoben werden kann (vgl. unten Rdn. 1879 Abs. 1 a. E.). d) Die Folgen der Ausnutzung von Insiderinformationen durch den Kunden für die Wirksamkeit des Effektengeschäfts Die Ausnutzung von Insiderinformationen durch den Kunden selbst läßt die Wirk- 1 8 6 4 samkeit des mit der Bank geschlossenen Effektengeschäfts in aller Regel unberührt. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB liegt auch dann nicht vor, wenn man in den §§ 168 I 2 und 404 II 2 AktG Verwertungsverbote zur Verhinderung der Ausnutzung von Insiderwissen sieht, wie das im Schrifttum verschiedentlich befürwortet wird 4 5 . Denn das Verbot richtet sich nur an den Kunden und nicht an die Bank, mißbilligt nicht den Inhalt des Rechtsgeschäfts als solchen, sondern nur die Art seines Zustandekommens und dient nicht dem Schutz des anderen Teils, also der Bank, sondern eines Dritten — nämlich der AG —, so daß keines der für die Anwendung von §134 maßgeblichen Kriterien einschlägig ist. Aus ähnlichen Gründen scheidet grundsätzlich auch ein Verstoß gegen die guten 1 8 6 5 Sitten gemäß § 138 BGB aus. Da sich das Verhalten des Insiders nämlich nicht gerade gegen den anderen Teil, also die Bank richtet — er will ja nicht diese schädigen, sondern geht davon aus, daß sie ein entsprechendes Deckungsgeschäft vornimmt —, würde die Anwendung des § 138 BGB grundsätzlich einen beiderseitigen Sittenverstoß voraussetzen, und daran wird es i. d. R. schon deshalb fehlen, weil die Bank von der Ausnutzung der Insiderinformationen durch ihren Kunden nichts weiß; auch ist es angesichts der inhaltlichen Neutralität des Insidergeschäfts zumindest zweifelhaft, ob der bloße Umstand der Ausnutzung von Insiderwissen überhaupt ausreichen könnte, um den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu tragen. Im übrigen erscheint auch die Rechtsfolge der Nichtigkeit kaum als angemessene Sanktion, um zu einer generellen Lösung des Insiderproblems zu kommen 4 6 . In einzelnen Fällen dürften allerdings in der Tat die Voraussetzungen des § 138 BGB gegeben sein wie z. B., wenn die Bank einen Insider in voller Kenntnis der Sachlage bei einem Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 404 II 2 AktG unterstützt und dadurch an einer strafbaren Handlung teilnimmt. Es bleibt somit allenfalls die Möglichkeit einer Anfechtung der Bank wegen arglisti- 1866 ger Täuschung gemäß § 123 BGB. Eine Täuschung durch positives Tun liegt indessen nicht vor, da der Kunde nicht etwa konkludent erklärt, bei der Auftragserteilung nicht auf Grund von Insiderinformationen zu handeln. Es kommt daher darauf an, ob der 44a
Vgl. dazu die sorgfältige Analyse der ratio legis von 5 384 III H G B durch Koller aaO §384 Anm. 69 Abs. 2, die schlagend belegt, daß der Rechtsgedanke der Vorschrift auch im vorliegenden Zusammenhang paßt.
45
Vgl. z. B. Clausen Kölner Komm, zum AktG, 1971, § 168 Rdn. 7; von Stebut Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht im Aktienrecht, 1972, S. 76 ff und DB 1974, 613 ff. « Vgl. näher Hopt/WM S. 67.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
Kunde eine Aufklärungspflicht gegenüber der Bank hat. Die Rechtslage ist insoweit wesentlich anders, als wenn umgekehrt die Bank Insiderinformationen ausnutzt; denn anders als diese hat der Kunde keine besonderen Treue- und Beratungspflichten. Andererseits ist nicht zu leugnen, daß die Bank ein schutzwürdiges Interesse an der Verhinderung von Insidergeschäften hat; daran muß ihr nämlich sowohl deshalb gelegen sein, um etwaige Schädigungen ihrer übrigen Kunden zu verhindern, als auch deshalb, um die Chancengleichheit im Bereich des Effektenverkehrs und das Vertrauen auf dessen „Sauberkeit" zu erhalten. Auch hat ein starkes soziales Unwerturteil hinsichtlich der Ausnutzung von Insiderinformationen in den Insiderrichtlinien der Börsensachverständigenkommission 47 seinen Ausdruck gefunden. Gleichwohl ist zweifelhaft, ob diese Gesichtspunkte beim derzeitigen Stand der Rechtsentwicklung und des Rechtsbewußtseins für die Annahme einer Aufklärungspflicht des Insiders gegenüber der Bank — nicht zu verwechseln mit der Pflicht zur Unterlassung des Insidergeschäfts gegenüber dem betreffenden Unternehmen! — ausreichen 48 . Im übrigen ist auch zu beachten, daß sich der Insider gegenüber dem Vorwurf einer arglistigen Täuschung u. U. auf einen vorsatzausschließenden Verbotsirrtum berufen könnte (vgl. oben Rdn. 1859). 1867
Ob den Insider eine Haftung gegenüber Dritten wie z. B. gegenüber dem betreffenden Unternehmen oder dessen Aktionären trifft, stellt kein spezifisch bankrechtliches Problem dar und kann daher hier nicht erörtert werden 4 9 . e) Der Einwand des Börsentermingeschäfts und des Differenzgeschäfts
1868
Seit dem 1.7. 1970 ist an den deutschen Wertpapierbörsen der Terminhandel in Form des Optionsgeschäfts wieder aufgenommen worden 5 0 , zu dem allerdings nur die Aktien bestimmter Gesellschaften zugelassen sind 51 . Dabei gibt es Kauf- und Verkaufsoptionen 52 . Bei ersteren erwirbt der Optionskäufer gegen Zahlung einer Prämie das Recht, innerhalb einer bestimmten Frist jederzeit vom Verkäufer („Stillhalter") bestimmte Aktien zu einem im voraus vereinbarten Preis — i. d. R. dem Kurs am Tage des Optionsgeschäfts — zu kaufen; bei letzterer erwirbt der Käufer gegen Zahlung einer Prämie das Recht, innerhalb der Optionsfrist jederzeit von dem anderen Teil die Abnahme der Aktien zu dem im voraus bestimmten Preis zu verlangen. Derartige Geschäfte unterliegen grundsätzlich den Vorschriften über das Börsentermingeschäft nach §§ 50 ff BörsG. Gleiches gilt gemäß § 61 BörsG auch für Termingeschäfte im Ausland.
1869
Der Text der §§ 50 ff BörsG lautet: $ 50 (Zulassung) (1) Die Zulassung von Waren oder Wertpapieren zum Börsenterrainhandel erfolgt durch den Börsenvorstand nach näherer Bestimmung der Börsenordnung. Der Börsenvorstand ist befugt, die Zulassung zurückzunehmen. (2) V o r der Zulassung sind die Geschäftsbedingungen f ü r den Börsenterminhandel in den zuzulassenden W a r e n oder Wertpapieren festzusetzen.
47
Abgedruckt bei Schwark Komm. zum BorsenG, 1976, Anh. II. « Vgl. auch Horn Z H R 136, 388 und 390. 49 Vgl. dazu z. B. Horn Z H R 136, 387 und 389 f f ; Schwark DB 1971, 1606 f; Rumker BB 1972, 1210 f; Will N J W 1973, 645 f f ; Holichbach N J W 1973, 2006 ff; von Stebut DB 1974, 613 ff; Coing Die AG 1975, 122; Schwark a a O Anh. II Insiderhandels-Richtlinien § 4 Rdn. 7 f.
948
50
51 52
Vgl. dazu näher Schlicht Börsentermingeschäfte in Wertpapieren, 1972, S. 38 f , 73 f f ; Schwark a a O (Fn. 43 a. E.) Einl. vor § 1 BörsG Rdn. 25 und Einl. vor §§ 50 ff BörsG Rdn. 10, 19 ff. Vgl. die Liste bei Schwark a a O § 63 Anm. V. Vgl. im einzelnen die Darstellung bei Samm Börsenrecht, 1978, S. 120 f f ; vgl. ferner zu den einschlägigen Abwicklungsusancen Müller-Schwerin/ P. Ulmer Z K W 1978, 364 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts (3) Der Börsenvorstand hat vor der Zulassung von Waren zum Börsenterminhandel in jedem einzelnen Falle Vertreter der beteiligten Erwerbskreise gutachtlich zu hören und das Ergebnis dem Reichskanzler mitzuteilen. Die Zulassung darf erst erfolgen, nachdem der Reichskanzler erklärt hat, daß er zu weiteren Ermittlungen keinen Anlaß finde. (4) Die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenterminhandel darf nur erfolgen, wenn die Gesamtsumme der Stücke, in denen der Börsenterminhandel stattfinden soll, sich nach ihrem Nennwerte mindestens auf zehn Millionen Deutsche Mark beläuft. (5) Anteile einer inländischen Erwerbsgesellschaft dürfen nur mit Zustimmung der Gesellschaft zum Börsenterminhandel zugelassen werden. Eine erfolgte Zulassung ist auf Verlangen der Gesellschaft spätestens nach Ablauf eines Jahres von dem Tage an gerechnet, an welchem das Verlangen dem Börsenvorstand gegenüber erklärt worden ist, zurückzunehmen. (6) Der Bundesrat kann weitere Bestimmungen über die Voraussetzungen der Zulassung treffen. $ 51 (Ausschluß des Börsentenninhandels) (1) Soweit Börsentermingeschäfte in bestimmten Waren oder Wertpapieren verboten sind oder die Zulassung zum Börsenterminhandel endgültig verweigert oder zurückgenommen worden ist, ist der Börsenterminhandel von der Benutzung der Börseneinrichtungen und der Vermittlung durch die Kursmakler ausgeschlossen. Findet an einer Börse ein Börsenterminhandel nach Geschäftsbedingungen statt, die von den festgesetzten Geschäftsbedingungen (§ 50 Abs. 2) abweichen, oder findet ein Börsenterminhandel in solchen Waren oder Wertpapieren statt, die zum Börsenterminhandel nicht zugelassen sind, so ist er durch Anordnung des Börsenvorstandes von der Benutzung der Börseneinrichtungen und der Vermittlung durch die Kursmakler auszuschließen. Der Börsenvorstand kann den Erlaß der Anordnung aussetzen, wenn Verhandlungen wegen Zulassung der Waren oder Wertpapiere zum Börsenterminhandel schweben. Die Aussetzung darf höchstens auf ein Jahr erfolgen. (2) Soweit der Börsenterminhandel auf Grund des Absatzes 1 von der Benutzung der Börseneinrichtungen und der Vermittlung durch die Kursmakler ausgeschlossen ist, dürfen für Börsentermingeschäfte, sofern sie im Inland abgeschlossen sind, Preislisten (Kurszettel) nicht veröffentlicht oder in mechanisch hergestellter Vervielfältigung verbreitet werden. $ 52 (Erlaubte Termingeschäfte) Ein Börsentermingeschäft, das nicht gegen ein durch dieses Gesetz oder den Bundesrat erlassenes Verbot verstößt, ist nur nach Maßgabe der §§ 53 bis 56 wirksam. $ 53 (Termingeschäftsfähigkeit) (1) Das Geschäft ist verbindlich, wenn auf beiden Seiten als Vertragschließende Kaufleute, die in das Handelsregister eingetragen sind oder deren Eintragung nach § 36 des Handelsgesetzbuchs nicht erforderlich ist, oder eingetragene Genossenschaften beteiligt sind. Personen, deren Gewerbebetrieb über den Umfang des Kleingewerbes nicht hinausgeht, gehören, auch wenn sie in das Handelsregister eingetragen sind, nicht zu den Kaufleuten im Sinne dieser Vorschrift. (2) Den in Absatz 1 bezeichneten Kaufleuten stehen gleich: 1. Personen, die zur Zeit des Geschäftsabschlusses oder früher berufsmäßig Börsentermingeschäfte oder Bankiergeschäfte betrieben haben oder zum Besuch einer dem Handel mit Waren der bei dem Geschäft in Frage kommenden Art oder einer dem Handel mit Wertpapieren dienenden Börse mit der Befugnis zur Teilnahme am Börsenhandel dauernd zugelassen waren; 2. Personen, die im Inlande zur Zeit des Geschäftsabschlusses weder einen Wohnsitz noch eine gewerbliche Niederlassung haben. $ 54 (Sicherheitsleistung) (1) Betrifft das Geschäft Wertpapiere und gehört der eine Teil nicht zu den Personen, die nach § 53 Börsentermingeschäfte abschließen können, ist aber der andere Teil ein Kaufmann oder Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft eine Genossenschaft der in § 53 Abs. 1 bezeichneten Art und hat sich dieser Teil für die Erfüllung des Geschäfts eine Sicherheit bestellen lassen, so ist er befugt, aus der Sicherheit Befriedigung zu suchen; auch ist das Geschäft für ihn verbindlich. (2) Die Sicherheitsleistung hat die in Absatz 1 bezeichneten Wirkungen nur, wenn die Sicherheit aus Geld oder Wertpapieren, die einen Kurswert haben, besteht und der Besteller dem anderen Teile gegenüber schriftlich und ausdrücklich erklärt, daß die Sicherheit zur Deckung von Verlusten aus Börsentermingeschäften dienen soll. (3) Das Schriftstück, in dem die Erklärung abgegeben wird, darf andere Erklärungen des Bestellers der Sicherheit nicht enthalten. (4) Besteht die Sicherheit aus Wertpapieren, so müssen sie in der Erklärung nach Gattung und nach Zahl oder Nennwert bezeichnet sein. (5) Eine Erklärung, die diesen Vorschriften nicht entspricht, ist nichtig. (6) Zur Wahrung der schriftlichen Form genügt die telegraphische Übermittlung. Wird diese Form gewählt, so kann nachträglich die Abgabe einer schriftlichen Erklärung verlangt werden. (7) Eine Erklärung, durch die eine Änderung der bestellten Sicherheit bewirkt wird, ist insoweit nicht stempelpflichtig, als der bisherige Gesamtnennwert der Sicherheit nicht überschritten wird. § 55 (Kein Rückforderungsanspruch) Das auf Grund des Geschäfts Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil für den Leistenden nach §§ 52 bis 54 eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. § 56 (Aufrechnung) Gegen Forderungen aus Börsentermingeschäften ist eine Aufrechnung auf Grund anderer Börsentermingeschäfte auch dann zulässig, wenn diese Geschäfte nach den §§ 52 bis 54 für den Aufrechnenden eine Forderung nicht begründen. § 57 (Verbindlichkeit bei Leistungsbereitschaft und Leistungsbewirkung) Ein nicht verbotenes Börsentermingeschäft gilt als von Anfang an verbindlich, wenn der eine Teil bei oder nach dem Eintritte der Fälligkeit sich dem anderen Teile gegenüber mit der Bewirkung der vereinbarten Leistung einverstanden erklärt und der andere Teil diese Leistung an ihn bewirkt hat. $ 58 (Differenz- und Spieleinwand) Gegen Ansprüche aus Börsentermingeschäften in Waren oder Wertpapieren, die zum Börsenterminhandel zugelassen sind (§ 50), kann von demjenigen, für welchen das Geschäft nach den Vorschriften der §§ 53, 54 und 57 verbindlich ist, ein Einwand aus den §§ 762 und 764 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht erhoben werden. Soweit gegen die bezeichneten Ansprüche ein solcher Einwand zulässig bleibt, finden die Vorschriften der §§ 54 und 56 über die Befriedigung aus der Sicherheit und die Zulässigkeit der Aufrechnung entsprechende Anwendung. $ 59 (Schuldanerkenntnis) Die Vorschriften der §§ 52 bis 58 gelten auch für eine Vereinbarung, durch die der eine Teil zum Zwecke der Erfüllung einer Schuld aus einem nicht verbotenen Börsentermingeschäfte dem anderen Teile gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntnis. § 60 (Erteilung und Übernahme von Aufträgen — Abschlußvereinigungen) Die Vorschriften der §§ 52 bis 59 finden auch Anwendung auf die Erteilung und Übernahme von Aufträgen sowie auf die Vereinigung zum Zwecke des Abschlusses von nicht verbotenen Börsentermingeschäften.
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II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts $ 61 (Auslandsgeschäfte) Die Vorschriften der §§ 52 bis 60 finden auch Anwendung, wenn das Geschäft im Ausland geschlossen oder zu erfüllen ist. $ 62 (Verzug bei einem Warenbörsentermingeschäft) (1) Bei einem Börsentermingeschäft in Waren kommt der Verkäufer, der nach erfolgter Kündigung eine nicht vertragsmäßige Ware liefert, in Verzug, auch wenn die Lieferungsfrist noch nicht abgelaufen ist. (2) Eine entgegenstehende Vereinbarung ist nichtig. § 63 (Verbotene Börsentermingeschäfte) (1) Börsentermingeschäfte in Aktien sind nur statthaft, soweit sie durch Rechtsverordnung nach Satz 2 zugelassen werden. Der Bundesminister der Finanzen kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Termingeschäfte in bestimmten Aktien oder Aktiengruppen zulassen, soweit eine Gefährdung des Publikums nicht zu besorgen ist; er kann dabei die Zulassung auf bestimmte Börsengeschäfte beschränken, soweit dies zum Schutz des Publikums geboten ist. (2) Börsentermingeschäfte in anderen Wertpapieren oder in Waren kann der Bundesminister der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates verbieten oder beschränken oder die Zulässigkeit von Bedingungen abhängig machen, soweit dies zum Schutz des Publikums geboten ist. $ 64 (Unwirksamkeit verbotener Börsentermingeschäfte) (1) Durch ein nach § 63 verbotenes Börsentermingeschäft wird eine Verbindlichkeit nicht begründet. Die Unwirksamkeit erstreckt sich auch auf die Bestellung einer Sicherheit. (2) Das auf Grund des Geschäfts Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil nach Absatz 1 Satz 1 eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. $$ 6 5 - 6 8 sind hier nicht abgedruckt, weil sie Börsentermingeschäfte in Getreide oder Erzeugnissen der Getreidemüllerei betreffen. $ 69 (Schuldanerkenntnis über Schulden aus verbotenen Börsentermingeschäften) Die Vorschriften der §§ 64, 66 und 68 gelten auch für eine Vereinbarung, durch die der eine Teil zum Zwecke der Erfüllung einer Schuld aus einem verbotenen Börsentermingeschäft oder einem Geschäft der in $ 68 bezeichneten Art dem anderen Teil gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntnis. $ 70 (Aufträge und Vereinigungen wegen verbotener Börsentermingeschäfte) Die Vorschriften der §§ 64, 66, 68 und 69 finden auch Anwendung auf die Erteilung und Übernahme von Aufträgen sowie auf die Vereinigung zum Zwecke des Abschlusses von verbotenen Börsentermingeschäften oder von Geschäften der in § 68 bezeichneten Art. D i e Rechtsfolge eines Verstoßes g e g e n die §§ 50 ff B ö r s G ist n i c h t die d e r N i c h t i g - 1 8 7 0 keit im s t r e n g e n S i n n e , s o n d e r n lediglich die d e r Unklagbarkeit. D i e b e t r e f f e n d e F o r d e r u n g stellt also n u r eine N a t u r a l o b l i g a t i o n d a r . D a s m a c h t im p r a k t i s c h e n E r g e b n i s i n s o f e r n e i n e n U n t e r s c h i e d aus, als das auf G r u n d e i n e r s o l c h e n V e r b i n d l i c h k e i t G e l e i stete g e m ä ß §§ 55, 64 II B ö r s G , 762 I 2 B G B nicht z u r ü c k g e f o r d e r t w e r d e n k a n n . A u c h läßt die U n k l a g b a r k e i t e i n e n A n s p r u c h aus § 667 B G B o d e r 812 B G B auf R ü c k z a h l u n g Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
eines nicht oder nicht weisungsgemäß verwendeten Einsatzes ebenso unberührt 52 ® wie Ansprüche wegen Schutzpflichtverletzung 52b . Hinsichtlich der Durchsetzbarkeit der Forderung steht die Unklagbarkeit dagegen der Nichtigkeit in der Wirkung grundsätzlich gleich. Insbesondere ist auch die Unklagbarkeit wegen ihres Schutzzwecks, der sich nicht auf die betreffende Partei beschränkt, sondern auch das Interesse der Allgemeinheit an dem Unterbleiben gefährlicher und wirtschaftlich nicht förderungswürdiger Geschäfte umfaßt, von Amts wegen und nicht nur auf Einrede des Beklagten zu beachten 53 . Der Einwand der Unklagbarkeit kann nach den §§ 59 BörsG, 762 II BGB auch nicht durch die Eingehung einer zusätzlichen Verbindlichkeit wie z. B. durch Abgabe eines abstrakten Schuldanerkenntnisses ausgeräumt werden; dementsprechend ist er bei Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses auch nach einer Saldoanerkennung zu beachten 54 . 1871
Die Anwendbarkeit der §§ 50 ff BörsG auf das Effektengeschäft steht grundsätzlich außer Frage 55 . Sie ergibt sich für das reine Kommissionsgeschäft aus der ausdrücklichen Regelung der §§ 60, 70 BörsG. Für das Kommissionsgeschäft mit Selbsteintritt bedarf es des Rückgriffs auf diese Vorschriften nicht einmal, da das durch den Selbsteintritt zustande kommende kaufrechtliche Verhältnis hier selbst ein Börsentermingeschäft darstellt. Das gleiche gilt erst recht für das Eigengeschäft. Demgemäß unterfällt der Vertrag zwischen der Bank und dem Kunden bei den heute in Deutschland üblichen Optionsgeschäften (vgl. oben Rdn. 1868), die die Bank nach Ziff. 2 der einschlägigen Sonderbedingungen 5 6 stets als Eigenhändler durchführt, grundsätzlich den §§ 50 ff BörsG 57 .
1872
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 50 ff BörsG ist demnach grundsätzlich nur, daß der Begriff des Börsentermingeschäfts erfüllt ist. Dieser wird im wesentlichen durch drei Kriterien bestimmt. Erforderlich ist zunächst das Vorliegen einer Terminierung des Geschäfts, d. h. die Hinausschiebung der Erfüllungspflicht für beide Teile auf einen bestimmten Zeitpunkt. Daß es sich dabei um ein Fixgeschäft i. S. der §§ 361 BGB, 376 H G B handelt, mag zwar praktisch die Regel sein, stellt aber kein zwingendes Begriffsmerkmal dar 5 8 ; denn die spezifischen Gefahren des Termingeschäfts, die zur Regelung der §§ 50 ff BörsG geführt haben und die daher für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften wesentlich sind, bestehen nicht nur beim Fixgeschäft, sondern auch dann, wenn statt der strengen Rücktrittsregelung der §§ 361 BGB, 376 H G B die an zusätzliche Voraussetzungen geknüpfte Regelung von § 326 BGB zur Anwendung kommt. 52a
52b
53
5* 55
Vgl. z. B. O L G Düsseldorf W M 198 0, 1300, 1301; Rössner/Weber BB 1979, 1055; MünchKomm,-Pecher § 762 Rdn. 28 a. E. m. w. N a c h w . Vgl. z. B. B G H W M 1981, 374, 375 (zur c.i.c.); O L G München N J W 1980, 786, 788; O L G Düsseldorf N J W 1980, 403, 404 (bezüglich der H a f tung eines Stellvertreters aus c. i. c.). Vgl. R G Z 91, 44; 129, 207; R G SeuffArch. 73 N r . 72; RG BankArch. 1928, 343; a. A. Düringer/ Hachenburg/Breit Anh. I zu § 382 Anm. 20. Vgl. z. B. B G H W M 1979, 1381, 1383; Canaris G r o ß k o m m , zum H G B 3 , § 355 Anm. 7 8 - 8 6 . Vgl. z. B. Nußbaum Ehrenbergs H a n d b u c h IV 2 S. 682; Schmidt-Rimpler Ehrenbergs H a n d b u c h V 1 S. 657; Düringer/Hachenburg/Breit Anh. I zu § 382 Anm. 188; Meyer/Bremer § 6 0 BörsG Anm. 3.
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56
Abgedruckt bei Scbwark Einl. vor §§ 50 ff BörsG Rdn. 21 und Bruns/Rodrian Wertpapier und Börse, 1971 ff N r . 493. 57 Vgl. Franke A W D des BB 1972, 511; Kumpel DB 1973, 757 f; Scbwark Einl. vor ö 50 ff BörsG Rdn. 19; Samm Börsenrecht, 1978, S. 111 f f ; Hadding/Häuser^iA 1980, 1279 Fn. 10; MünchKomm .-Pecher § 7 6 4 Rdn. 21; vgl. auch B G H W M 1980, 768, 769 zum Warenoptionsgeschäft; z . T . a. A. Rössner/Weber BB 1979, 1054 zum Warentermingeschäft. 58 Vgl. Hahn DB 1960, 971; Düringer/Hachenburg/ Breit Anh. II zu § 382 Anm. 8; Meyer/Bremer § 50 BörsG Anm. 3; MünchKomm.-Pecher §764 Rdn. 8; wohl auch R G Z 101, 361, 363 f; ». A. Bremer G r u n d z ü g e des Börsenrechts, 1969, S. 118; Schönte § 4 7 I 2 c; Schwark Einl. vor § 50 ff BörsG Rdn. 2.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Abschluß und Wirksamkeit des E f f e k t e n g e s c h ä f t s
Weiter setzt der Begriff des Börsentermingeschäfts das Bestehen eines Terminmarkts voraus, auf dem jederzeit ein völlig gleiches Gegengeschäft abgeschlossen werden kann 5 9 . Dabei braucht es sich nicht um eine Börse im Rechtssinne zu handeln, ja nicht einmal um einen legalen Markt, da die mit dem Börsentermingeschäft verbundenen Gefahren lediglich die Möglichkeit zum jederzeitigen Abschluß eines deckungsgleichen Gegengeschäfts voraussetzen und diese auch bei einem nicht-börsenmäßigen bzw. illegalen Markt gegeben sein kann. Schließlich ist eine Schabionisierung des Geschäfts erforderlich 6 0 , da anderenfalls i. d. R. die Möglichkeit zum jederzeitigen Abschluß eines deckungsgleichen Gegengeschäfts entfällt. Ein Vertrag über konkrete, nummernmäßig bestimmte Wertpapiere wäre daher grundsätzlich kein Börsentermingeschäft, doch kommt bei verbotenen Geschäften insoweit eine Umgehung und damit eine analoge Anwendung der §§ 50 ff BörsG in Betracht. Daß das Geschäft über die für den Börsenterminhandel vorgeschriebenen Mindestmengen abgeschlossen wird, ist keine Begriffsvoraussetzung 61 . Denn bei Geschäften über kleinere Mengen besteht die Möglichkeit, durch Zusammenfassung mehrerer Geschäfte ein Gegengeschäft auf einem Terminmarkt abzuschließen; dabei wird man die abstrakte Möglichkeit einer solchen Zusammenfassung als ausreichend ansehen müssen und im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht darauf abstellen können, ob sie im konkreten Fall wirklich vorgenommen wurde. Für die Frage der Rechtswirksamkeit von Börsentermingeschäften ist zwischen ver- 1873 botenen, erlaubten offiziellen und erlaubten inoffiziellen Geschäften zu unterscheiden. Was zunächst die verbotenen Börsentermingeschäfte betrifft, so führt deren Abschluß nicht zur Nichtigkeit des betreffenden Vertrags, sondern auf Grund der Sondervorschrift des § 64 BörsG lediglich zur Unklagbarkeit. Das bedeutet, daß das auf Grund des Geschäfts Geleistete nach Abs. 2 nicht zurückgefordert werden kann, daß jedoch eine aktive Durchsetzung der Forderung aus dem Termingeschäft rechtlich unmöglich ist, und zwar nach Abs. 1 Satz 2 auch dann, wenn eine Sicherheit bestellt worden war. Die Voraussetzungen eines Verbots von Börsentermingeschäften in Effekten bestimmen sich nach § 63 BörsG. Danach ist zu unterscheiden zwischen grundsätzlich verbotenen Geschäften mit Genehmigungsvorbehalt gemäß Abs. 1, unter den alle Aktien fallen, und grundsätzlich erlaubten Geschäften mit Verbotsvorbehalt gemäß Abs. 2, der alle übrigen Wertpapiere (sowie die Waren) erfaßt. Der Terminhandel in Aktien ist derzeit in der Form der Optionsgeschäfte über die Papiere bestimmter Gesellschaften zugelassen (vgl. oben Rdn. 1868). Termingeschäfte in anderer Form oder über andere Aktien sind in der Bundesrepublik demgemäß nach § 63 I 1 BörsG verboten. Wesentlich anders und sehr komplex ist die Rechtslage bei erlaubten offiziellen Ter- 1874 mingeschäften, d. h. bei Verträgen, die Gegenstand des amtlichen Terminhandels gemäß § 50 BörsG sind wie derzeit die erlaubten Optionsgeschäfte. Das maßgebliche Kriterium ist hierbei das Vorliegen der Termingeschäftsfähigkeit, deren Voraussetzungen in § 53 BörsG eingehend geregelt sind. Danach ist zu differenzieren. Sind beide Parteien termingeschäftsfähig, so ist das Geschäft nach § 53 I BörsG voll verbindlich; 5» Vgl. R G Z 47, 104, 112 f; B G H WM 1965, 766; 1979, 1381, 1382; Hahn DB 1960, 971 f; Düringer/Hachenburg/Breit Anh. II nach § 382 Anm. 14; Meyer/Bremer § 5 0 BörsG Anm. 3; Bremer a a O (Fn. 51) S. 119; Schönle§47 I 2 b.
60
So der Ausdruck von Schwark a a O Rdn. 2 unter b; der Sache nach ebenso oder ähnlich z. B. B G H WM 1979, 1381, 1383; Hahn DB 1960, 971; Schönle § 47 I 2 a; MünchKomm.-Pecher § 764 Rdn. 8. ' i Vgl. Hahn DB 1960, 972; Schönle ^47 I 2 a; a. A. Meyer/Bremer § 67 Anm. 2.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
gemäß § 58 BörsG ist auch der Einwand des Differenzgeschäfts i. S. der §§ 764, 762 BGB ausgeschlossen. Ist keine von beiden Parteien termingeschäftsfähig, so entsteht gemäß §§ 52, 55 BörsG lediglich eine Naturalobligation; daneben ist der Einwand des Differenzgeschäfts möglich, wie der Umkehrschluß aus § 58 BörsG ergibt. Allerdings ist nach § 57 BörsG eine Heilung mit ex-tunc-Wirkung möglich, wenn der eine Teil bei oder nach dem Eintritt der Fälligkeit sich dem anderen Teil gegenüber mit der Bewirkung der vereinbarten Leistung einverstanden erklärt und der andere Teil diese Leistung bewirkt hat. Darin liegt gegenüber dem Ausschluß der Rückforderungsmöglichkeit gemäß § 55 BörsG insofern ein wesentlicher Unterschied, als hier auch der Anspruch auf die Gegenleistung voll verbindlich wird. Der Grund für diese Heilungsmöglichkeit ist darin zu sehen, daß die Parteien durch die einverständliche Vollziehung einer Leistung unmißverständlich ihre Absicht bekunden, das Geschäft nicht nur zu Spekulationszwecken vorzunehmen, sondern es effektiv — zu Verwendungs- oder Anlagezwecken — durchzuführen. Wann eine „Bewirkung der vereinbarten Leistung" vorliegt, bestimmt sich grundsätzlich nach den Parteiabreden. Die Gutschrift auf dem Effektenkonto wird dabei i. d. R. nur ausreichen, wenn das Eigentum an den Effekten schon vor der Absendung des Stückeverzeichnisses auf den Kunden übergegangen ist wie z. B. bei Vereinbarung eines antizipierten Besitzkonstituts 62 . Ist nur eine von beiden Parteien termingeschäftsfähig, so tritt ebenso wie bei beiderseitiger Termingeschäftsfähigkeit nach §§ 52, 55 BörsG grundsätzlich Unklagbarkeit ein. Eine praktisch sehr wichtige Ausnahme besteht hier jedoch gemäß § 54 BörsG für den Fall der Sicherheitsbestellung 63 ; das Geschäft ist dann f ü r die termingeschäftsfähige Partei voll verbindlich, und die nicht termingeschäftsfähige Partei muß bei Erfüllung der Voraussetzungen von § 54 II—IV BörsG dulden, daß der andere Teil Befriedigung aus der Sicherheit sucht; hinsichtlich der persönlichen Forderung hat es freilich beim Bestehen einer bloßen Naturalobligation sein Bewenden (vgl. R G Z 79 381, 382). Außerdem ist gemäß § 56 BörsG eine Aufrechnung mit einer unklagbaren Forderung möglich, sofern die Gegenforderung ebenfalls aus einem offiziellen 63 ® Börsentermingeschäft stammt — gleichgültig, ob diese auch ihrerseits lediglich eine Naturalobligation begründet oder voll verbindlich ist. Soweit ein Geschäft nach § 54 BörsG wegen Bestellung einer Sicherheit verbindlich ist oder sofern eine Aufrechnung nach § 56 BörsG zulässig ist, wird der Einwand des Differenzgeschäfts durch § 58 S. 2 BörsG ausgeschlossen. 1875
Die Termingeschäftsfähigkeit hängt nach dem Wortlaut von § 53 BörsG grundsätzlich davon ab, ob die Parteien als Kaufleute in das Handelsregister eingetragen sind. Nichteingetragene Vollkaufleute sind jedoch in Analogie zu §§ 24 AGBG, 348 ff HGB, 1027 II Z P O entgegen der h. L. gleichzustellen 64 ; daß nur die Eintragung hinreichende Rechtssicherheit verbürge, ist kein relevanter Einwand, da wesentliche Unterschiede « Vgl. auch R G Z 91, 377; 129, 206; Meyer/Bremer § 57 BörsG Anm. 4; Schwark § 57 Rdn. 2; a. A. Düringer/Hachenburg/Breit Anh. II zu § 3^2 Anm. 159, wonach schon der „effektive Ankauf der Stücke" und die dadurch gegebene bloße Möglichkeit einer jederzeitigen Übereignung genügen soll. " Vgl. dazu eingehend Kumpel DB 1973, 755 ff, freilich unter Beschränkung auf Optionsgeschäfte mit Auslandsberührung; derselbe W M 1980, 428 z u r V e r p f ä n d u n g von Girosammelanteilen.
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« » V g l . B G H W M 1981,711. 64 Vgl. näher Capelle/Canaris Handelsrecht 1 9 , § 1 5 1 2; a. A. z. B. Schwark § 53 Rdn. 3; Hadding/Häuser W M 1980, 1281 f, die sich z u r Begründung lediglich auf die (angebliche) Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers berufen und weder das Postulat der „Einheit der Rechtsordnung" noch das — auch verfassungsrechtlich abgesicherte — Verbot willkürlicher Differenzierungen eines Wortes würdigen.
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II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts
gegenüber den genannten Vorschriften insoweit nicht ersichtlich sind und der Gesetzgeber außerdem sogar in § 53 I 2 BörsG bezüglich der eingetragenen Minderkaufleute nicht auf die Eintragung, sondern auf das tatsächliche Vorliegen der Kaufmannseigenschaft abstellt. Auf der anderen Seite ist § 53 BörsG an die genannten Bestimmungen folgerichtig auch insofern anzugleichen, als im Wege der teleologischen Reduktion das Erfordernis eines Handelsgeschäfts hineinzuinterpretieren ist 65 , dessen Vorliegen freilich nach § 344 H G B vermutet wird. Dafür spricht hier zusätzlich auch der Umstand, daß das H G B nun einmal grundsätzlich nicht auf Privatgeschäfte von Kaufleuten Anwendung findet und daß der handelsrechtliche Kaufmannsbegriff demgemäß nicht auf diese zugeschnitten ist; daher ist es methodisch verfehlt, z. B. aus der Kaufmannseigenschaft von OHG-Gesellschaftern, deren Bejahung bei Handelsgeschäften wie z. B. gesellschaftsvertraglichen Schiedsklauseln sinnvoll sein mag, kurzerhand auf die Termingeschäftsfähigkeit für Privatgeschäfte zu schließen 66 . Wenig geklärt ist die Problematik des Vertrauensschutzes gegenüber dem Fehlen 1876 der Termingeschäftsfähigkeit. Sind also z. B. die Geschäfte eines Termingeschäftsunfähigen, der sich zu Unrecht als termingeschäftsfähig ausgegeben hat, als verbindlich zu behandeln oder hat der andere Teil hier wenigstens Schadensersatzansprüche? Entscheidend für die Lösung dieser Problematik ist das Rangverhältnis zwischen dem Vertrauensprinzip einerseits und dem den §§ 52 ff zugrunde liegenden Schutzgedanken andererseits. Dabei dürfte zu differenzieren sein. Eine positivrechtliche Teillösung und zugleich einen verallgemeinerungsfähigen Wertungsgesichtspunkt enthält § 53 I 2 BörsG, wo die Termingeschäftsfähigkeit von Minderkaufleuten auch für den Fall ihrer Eintragung ins Handelsregister ausdrücklich ausgeschlossen wird. Darin liegt eine eindeutige Abweichung von dem Prinzip der Kaufmannschaft kraft Eintragung gemäß § 5 HGB und zugleich eine Höherbewertung des Schutzprinzips der §§ 52 ff BörsG gegenüber dem in § 5 H G B zum Ausdruck kommenden Gedanken des Verkehrsschutzes. Nach dem Wortlaut des § 53 I 2 BörsG bliebe § 5 H G B allerdings in dem Fall anwendbar, daß das eingetragene Gewerbe zwar über ein Ä7ei»gewerbe hinausgeht, aber kein Handelsgew erbt ist, doch erscheint das Schutzbedürfnis des zu Unrecht Eingetragenen im letzteren Falle nicht geringer als im ersteren, und daher ist hier § 53 I 2 BörsG analog anzuwenden 6 7 . — Folgerichtig wird man auf Grund des dem § 53 I 2 BörsG zugrunde liegenden Rechtsgedankens entgegen der h. L. 68 auch die Rechtsscheinhaftung gemäß § 15 HGB auszuschließen haben. Ein früherer Kaufmann, der noch im Handelsregister eingetragen ist, darf also nicht nach § 1 5 1 H G B i. V. m. § 53 I 1 BörsG als termingeschäftsfähig behandelt werden (doch kann er gegebenenfalls nach §53 II Ziff. 1 BörsG noch termingeschäftsfähig sein!); erst recht muß im Falle einer zu Unrecht erfolgten Bekanntmachung der Kaufmannseigenschaft § 15 III H G B zurücktreten, da es sich dabei der Sache nach um eine mit der Problematik des § 5 H G B eng verwandte Frage handelt und folglich § 53 I 2 BörsG bzw. die in diesem zum Ausdruck kommende Wertung Vorrang hat. — Aus denselben Gründen sind schließlich auch die Regeln über den Scheinkaufmann unanwendbar 6 9 . Denn diese führen keineswegs ohne weiteres zu einer vollen Gleichstellung des Scheinkaufmanns mit dem Kaufmann, sondern treten hinter höherwertigen Schutzprinzipien 65
66
Vgl. Capelle/Canaris a a O ; a. A. auch hier die h. L., vgl. Schwark §53 Rdn. 4; Hadding/Häuser WM 1980, 1282. So aber Hadding/Häuser W M 1980, 1284 f, die diese rein formale Subsumtion auch noch als „zweckentsprechende Auslegung" von § 53 BörsG ausgeben.
' 7 A. A. Düringer/Hachenburg/Breit Anh. II zu § 382 Anm. 58; Meyer/Bremer § 53 BörsG Anm. 3. Vgl. OLG Celle J W 1929,2165; Nußbaum Ehrenbergs Handbuch IV 2 S. 645; Düringer/Hachenburg/Breit Anh. II zu 5 382 Anm. 58; Meyer/Bremer^ 53 Anm. 3; Schwark § 53 Rdn. 5. v 69 Ebenso i. E. Schwark 5 53 Rdn. 5 a. E.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
zurück 7 0 ; der Rechtsgedanke der §§ 52 ff BörsG muß aber als höherwertig angesehen werden, da der Gesetzgeber ihn in § 53 I 2 BörsG sogar über § 5 H G B gestellt hat. Es bleibt somit allenfalls der Einwand des Rechtsmißbrauchs (vgl. zu diesem näher unten Rdn. 1879). Greift auch dieser nicht durch, ist der andere Teil auf Schadensersatzansprüche angewiesen. Als Anspruchsgrundlage kommen dabei neben den deliktsrechtlichen Vorschriften der §§ 823 II, 826 BGB vor allem die Regeln über die culpa in contrahendo in Betracht. Diese werden nicht etwa durch den Schutzzweck der §§ 52 ff BörsG verdrängt, da sie — anders als die Regeln über die Rechtsscheinhaftung und die Arglisteinrede — grundsätzlich nicht zu Erfüllungsansprüchen, sondern nur zu einer H a f t u n g auf das negative Interesse führen und da folglich eine Kollision mit den Rechtsfolgen der §§ 52 ff BörsG von vornherein ausscheidet. In der Beschränkung auf das negative Interesse, die nicht nur f ü r die Ansprüche aus culpa in contrahendo, sondern auch f ü r die übrigen Schadensersatzansprüche gilt (vgl. auch B G H W M 1965 766 f), liegt freilich eine gewisse Schwäche dieser Lösung. Vor allem kann der andere Teil nicht etwa die Unklagbarkeit seiner Ansprüche aus dem Termingeschäft als Schaden geltend machen, da es dabei um das positive Interesse geht (vgl. B G H aaO); wohl aber stellen Verluste aus Deckungsgeschäften grundsätzlich einen ersatzfähigen Schaden dar (vgl. auch oben Rdn. 1847 a. E.). Selbstverständliche Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs ist freilich ein Verschulden des in Anspruch Genommenen. Dieses liegt nicht schon in der bloßen Erfüllungsverweigerung oder in der Erhebung des — ohnehin von Amts wegen zu berücksichtigenden — Einwands der Unklagbarkeit, wohl aber z. B. in der vorsätzlich oder fahrlässig unrichtigen Behauptung der Termingeschäftsfähigkeit. 1877
Von den offiziellen Börsentermingeschäften sind die erlaubten inoffiziellen Börsentermingeschäfte zu unterscheiden, also Verträge, die zwar nicht verboten sind, die aber andererseits auch nicht über eine amtliche Börse i. S. von § 50 BörsG abgeschlossen werden und daher nicht an den besonderen Schutzvorkehrungen des offiziellen Börsenterminhandels teilhaben. Die Rechtslage ist bei den inoffiziellen Börsentermingeschäften hinsichtlich der Anwendung der §§ 52 ff BörsG zwar grundsätzlich die gleiche wie bei den offiziellen Börsentermingeschäften, doch besteht insofern ein entscheidender Unterschied, als hier der Einwand des Differenzgeschäfts gemäß §§ 762, 764 BGB grundsätzlich zulässig ist, wie der Umkehrschluß aus § 58 S. 1 BörsG ergibt. Auch bei voller Termingeschäftsfähigkeit beider Parteien begründet daher ein inoffizielles Börsentermingeschäft keine klagbare Forderung, sofern gleichzeitig die Voraussetzungen der §§ 762, 764 BGB gegeben sind. Auch die Privilegierungen der §§ 54, 56 und 57 BörsG bezüglich der Bestellung einer Sicherheit, der Aufrechnung und der Heilung durch einverständliche Leistungsbewirkung gelten gegenüber dem Differenzeinwand hier nicht 7 1 , da § 58 S. 2 BörsG sich nur auf das offizielle Börsentermingeschäft bezieht und da somit hinsichtlich des inoffiziellen Börsentermingeschäfts ein Umkehrschluß am Platz ist. Das inoffizielle Börsentermingeschäft steht also in den Wirkungen einem verbotenen Börsentermingeschäft weitgehend gleich; es unterscheidet sich von diesem insoweit lediglich dadurch, daß es nicht ausnahmslos zu einer bloßen Naturalobligation führt, sondern nur dann, wenn im konkreten Fall wirklich die Voraussetzungen der §§ 762, 764 BGB erfüllt waren oder den Parteien bzw. einer von ihnen die Termingeschäftsfähigkeit fehlte. 70
Vgl. näher Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 181 m. N a c h w . 71 Vgl. R G Z 79, 381, 385 f; Düringer/Hachenburg/ Breit Anh. II zu 5 382 Anm. 166; Meyer/Bremer § 5 8 BörsG Anm. 1, 4 und 5; Schwark §58
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Rdn. 6; a. A. o h n e Begründung und o h n e Auseinandersetzung mit der abweichenden h. L. Schönle $ 4 7 III 3 b (2) = S. 478 bezüglich der Aufrechnung.
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II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts
Die Voraussetzungen des Differenzgeschäfts werden bei Börsentermingeschäften über Effekten in aller Regel erfüllt sein. Daß es sich dabei entgegen dem Wortlaut des § 764 BGB nicht nur um einen Vertrag, sondern um zwei Verträge handelt, steht einer (analogen) Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen 7 2 . Auch der Nachweis der Differenzabsicht wird meist gelingen, zumal sie nach § 764 S. 2 BGB nur bei einem Teil vorzuliegen braucht, sofern sie für die andere Partei erkennbar ist. Allerdings liegt kein Differenzgeschäft vor, wenn der Vertrag wirtschaftlich berechtigt war und z. B. nur zum Zwecke der Sicherung gegen die Schwankungen der Marktlage geschlossen wurde, doch wird ein solcher Sicherungscharakter bei Termingeschäften über Effekten nur äußerst selten gegeben sein. Im übrigen hängt die Bejahung der Differenzabsicht im wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei die Rechtsprechung eine Reihe von Indizien entwickelt hat 7 3 . Auf Termingeschäfte an ausländischen Börsen finden die §§ 52 ff BörsG auf Grund 1 8 7 8 der ausdrücklichen Bestimmung des § 6 1 BörsG, die von der Rspr. als (zwingende) Kollisionsnorm verstanden wird 7 4 , ebenfalls Anwendung. Sie sind zwar nicht nach § 63 BörsG verboten, da diese Vorschrift auf Grund einer restriktiven Auslegung nur für Inlandsgeschäfte gilt 75 , werden jedoch von der Rspr. ausnahmslos als inoffizielle und nicht als offizielle Börsentermingeschäfte behandelt, so daß sowohl der Termineinwand bei mangelnder Termingeschäftsfähigkeit als auch der Einwand des Differenzgeschäfts grundsätzlich möglich bleibt 76 . Dafür wird nicht nur die Verweisung auf den lediglich für deutsche Börsen geltenden § 50 BörsG in § 58 S. 1 BörsG angeführt, sondern vor allem auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit. Wollte man nämlich anders entscheiden, so müßte man darauf abstellen, ob die betreffende ausländische Börse ähnlichen Schutz bietet wie die deutschen Börsen, und das wäre wegen der Unterschiedlichkeit der Organisationsformen schwer zu beurteilen und von den Beteiligten im voraus kaum zu überschauen, so daß eine erhebliche Unsicherheit entstände. Die Rspr. geht sogar noch einen Schritt weiter und rechnet den Termineinwand und den Differenzeinwand bei nicht termingeschäftsfähigen Personen zum ordre public 77 . Wie bei allen Mängeln eines Rechtsgeschäfts kann auch beim Termin- oder Diffe- 1 8 7 9 renzeinwand die „Berufung" auf die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts u. U. gegen das Verbot des Rechtsmißbrauchs verstoßen. Das ist z. B. anzunehmen, wenn der verlierende Teil arglistig seine Termingeschäftsfähigkeit vorgespiegelt 78 oder ein Deutscher einen Ausländer vorsätzlich darüber getäuscht hat, daß Termingeschäfte an ausVgl. B G H Z 58, 1, 2; Soergei/Mohrmann1° §764 Rdn. 2; Erman/Wagner5 §764 Rdn. 1; zweifelnd Schönte § 47 III 3 b (2). 73 Vgl. z. B. die Zusammenstellungen bei Soergel/ Mohrmann § 764 Rdn. 4; MünchKomm.-Pecher §764 Rdn. 15. 7t Vgl. B G H W M 1975, 676, 677; 1978, 1203, 1204; ebenso z. B. Hadding/Wagner W M 1976, 315; Kumpel WM 1978, 863; a. A. Jayme Kollisionsrecht und Bankgeschäfte mit Auslandsberührung, 1977, S. 22 ff. 75 Das war früher ganz h. L. und trifft wohl auch auf die heutige Fassung z u ; vgl. Franke W M 1976, 731 f; Steuer Die Bank 1979, 556; Scbwark aaO §61 Rdn. 5; a. A. Hadding/Wagner W M 1976, 318.
™ Vgl. RGZ 76, 371, 373; 79, 381, 386; B G H Z 58, 1, 4 ff; B G H W M 1975, 676, 677; 1980, 768, 769; 1981, 711 f; zustimmend z. B. Soergei/Mohrmann § 764 Rdn. 5 a. E.; Palandt/Thomas § 764 Anm. 5 a. E.; MünchKomm.-Pecher § 764 Rdn. 24f; a. A. z. B. Düringer/Hachenburg/Brett Anh. II zu § 382 Anm. 172 und 192; A. Horn Das Börsentermingeschäft in Wertpapieren mit dem Ausland, 1974, S. 157 ff und S. 189 f; Schwark DB 1975, 2261 ff und aaO Einl. vor §§ 50 ff BörsG Rdn. 34; Kümf f / W M 1978, 870 f. 77 Vgl. B G H W M 1978, 1203, 1204 f; kritisch Luer J Z 1979, 174 f; Wengler JZ 1979, 176 f; vgl. zur Problematik ferner Hadding/Wagner W M 1976, 315; Kumpel WM 1978, 862 ff. 7
« Vgl. auch RG J W 1937, 2455, 2456; O L G H a m burg MDR 1970, 423, 424 (obiter).
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
ländischen Börsen nach deutschem Recht unverbindlich sind; der andere Teil hat dann einen Erfüllungsanspruch nach den Grundsätzen über die „Vertrauenshaftung kraft dolosen Verhaltens" 7 9 . Darüber hinaus kommt auch ohne echten dolus praeteritus eine Erfüllungspflicht nach den Grundsätzen über die „Vertrauenshaftung kraft widersprüchlichen Verhaltens" 8 0 in Betracht 803 . Das wird i. d. R. z. B. anzunehmen sein, wenn der Kunde erkennbar von der Wirksamkeit des Geschäfts ausgegangen ist, die Bank oder der professionelle Vermittler ihn über die wahre Rechtslage nicht aufgeklärt und bei früherer Gelegenheit ein derartiges Geschäft zu eigenen Gunsten als wirksam behandelt hat; unterstützend ist auf die Wertung von § 54 I Halbs. 2 BörsG hinzuweisen, wonach das Geschäft für den Empfänger einer Sicherheit grundsätzlich verbindlich ist. Erst recht verstößt es i. d. R. gegen § 242 BGB, wenn der Verkäufer einer Option den Termin- oder den Differenzeinwand erhebt, obwohl er den vollen Optionspreis erhalten und damit die Erfüllung der ihm gebührenden Leistung angenommen hat 8 1 ; wenn hier nicht schon § 57 BörsG eingreift, drängt sich doch jedenfalls eine Analogie zu § 54 I Halbs. 2 BörsG oder sogar ein argumentum a fortiori aus dieser Vorschrift, zumindest aber der Einwand des Rechtsmißbrauchs auf. Dagegen ginge es wohl zu weit, dem Termingeschäftsfähigen ganz allgemein, d. h. unabhängig vom Hinzutreten besonderer Umstände, die Berufung auf die mangelnde Termingeschäftsfähigkeit des anderen Teils und die daraus folgende Unverbindlichkeit des Vertrags zu verwehren. Größere Zurückhaltung als in Fällen, in denen der gewinnende Teil in schutzwürdiger Weise auf die Wirksamkeit des Geschäfts vertraut hat, ist gegenüber der Anerkennung des Rechtsmißbrauchseinwandes angezeigt, wenn jener um die wahre Rechtslage wußte oder der andere Teil ihn doch zumindest nicht über sie irregeführt bzw. eine gebotene Aufklärung unterlassen hat. Denn dann geht es lediglich um das Vertrauen in die freiwillige Erfüllung eines unwirksamen Geschäfts, das nur unter sehr engen Voraussetzungen schutzwürdig ist 82 . Daher genügt es nicht für die Erhebung des Rechtsmißbrauchseinwandes, daß der verlierende Teil von Anfang an die Absicht hatte, sich bei einem ungünstigen Ausgang des Geschäfts auf dessen Unverbindlichkeit zu berufen 8 3 oder daß er bei früherer Gelegenheit Gewinne eingestrichen hat 8 4 . Wohl aber greift der Einwand i. d. R. durch, wenn der verlierende Teil eine besondere Autoritätsoder Vertrauensstellung inne hatte und das Geschäft nur im Hinblick auf diese mit ihm zustande gekommen ist 85 — worin eine deutliche Parallele zur Behandlung anderer Mängel in ähnlichen Fällen wie z. B. dem des „königlichen Kaufmanns" liegt 86 . 79
Vgl. d a z u n ä h e r Canaris D i e V e r t r a u e n s h a f t u n g im d e u t s c h e n P r i v a t r e c h t , 1971, S. 273 ff, 280 ff. V g l . z u dieser n ä h e r Canaris a a O S. 2 8 7 f f ; speziell z u m D i f f e r e n z - u n d z u m T e r m i n g e s c h ä f t S. 334 u n d 356 f. 80» E b e n s o i. E. n e u s t e n s O L G F r a n k f u r t W M 1981, 499, 500 f. «1 S e h r b e d e n k l i c h d a h e r B G H W M 1980, 768, 770, w o freilich i n s o f e r n eine B e s o n d e r h e i t v o r l a g , als die Beklagte d a s E n t g e l t f ü r die O p t i o n s v e r m i t t l u n g n i c h t selbst v e r e i n n a h m t h a t t e , s o n d e r n lediglich in d e n V e r t r a g e i n g e t r e t e n w a r . 82 Vgl. e i n g e h e n d Canaris a a O S. 352 ff. 83 Vgl. R G Z 146, 190, 194; R G S e u f f A r c h . 85 N r . 5 S. 11; O L G H a m b u r g S e u f f A r c h . 73 N r . 72 S. 119. 84 Vgl. R G Z 79, 381, 3 8 7 ; R G S e u f f A r c h . 92 N r . 11 S. 27 = J W 1937, 2 6 5 9 ; vgl. d a z u a u c h Canaris 80
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a a O S. 357. E r s t r e c h t g e n ü g t die Z a h l u n g eines V e r l u s t s nicht, vgl. B G H Z 58, 1, 7. «5 Vgl. R G Z 144, 242, 244 ( R e c h t s a n w a l t , d e r die B a n k h ä u f i g beriet u n d b e s o n d e r s g u t e B e z i e h u n gen z u m V o r s t a n d h a t t e ) ; 148, 357, 360 f ( A u f sichtsratsmitglied d e r B a n k ; es ging hier allerd i n g s n u r u m einen Schadensersatzanspruch gegen d i e s e n ) ; R G J W 1938, 237, 238 ( O b e r b ü r g e r m e i s t e r ) . In allen drei Fällen w a r d e r a n d e r e Teil b e z e i c h n e n d e r w e i s e eine G e n o s s e n s c h a f t s bank. 86 Vgl. B G H Z 48, 396, w o d e r B G H d e m E i n w a n d des R e c h t s m i ß b r a u c h s gegen die B e r u f u n g auf einen F o r m m a n g e l s t a t t g e g e b e n h a t , o b w o h l dieser d e n P a r t e i e n b e k a n n t g e w e s e n w a r ; i. E. z u s t i m m e n d Canaris a a O S. 353 f f ; a. A. z. B. Reinicke N J W 1968, 39 f f ; Median Bürgerliches R e c h t 1 0 § 9 I I I ; Palandt/Heinricbs § 1 2 5 Anm. 6 C b.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts
4. Die Beratungs- und Aufklärungspflichten der Bank beim Abschluß der Effektenkommission Die Bank hat vor und bei dem Abschluß von Effektengeschäften die Pflicht zu einer 1 8 8 0 umfassenden und sachgemäßen Beratung des Kunden. Die Bank haftet dem Kunden daher grundsätzlich für die schuldhafte Erteilung eines falschen Rats oder einer falschen Empfehlung auf Schadensersatz (vgl. näher oben Rdn. 100 ff) — es sei denn, sie hat sich wirksam freigezeichnet (vgl. dazu unten die Kommentierung von Ziff. 10 AGB). Darin erschöpfen sich die Pflichten der Bank beim Vertragsschluß jedoch nicht. Es ist ihr nämlich nicht nur verboten, von sich aus dem Kunden einen falschen Rat zu geben, sondern sie hat darüber hinaus grundsätzlich auch eine Warn- und Aufklärungspflicht, wenn der Kunde erkennbar eine falsche oder übermäßig gefährliche Maßnahme plant 87 . Als Anspruchsgrundlage ist dabei das zwischen der Bank und dem Kunden auf Grund des rechtsgeschäftlichen Kontakts oder der Geschäftsbeziehung bestehende gesetzliche Schuldverhältnis gemäß § 242 BGB anzusehen 8 8 (vgl. allgemein oben Rdn. 12 ff, 77 f, 100). Entsprechendes gilt für die Prospekt- und Initiatorenhaftung der Bank bei der Emission von Effekten (vgl. dazu näher unten Rdn. 2274 ff). a) Die für Bestehen und Inhalt der Beratungspflicht maßgeblichen Kriterien Bestehen und Inhalt der Beratungs- und Warnpflichten hängen im wesentlichen von 1881 den Umständen des Einzelfalles ab. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang zunächst die Person des Kunden und dessen Geschäftserfahrung. So muß die Bank z. B. einen offensichtlich unerfahrenen Kunden wie einen Schneidermeister über die Gefahren des Börsentermingeschäfts aufklären und ihn gegebenenfalls von diesem sogar abzuhalten suchen (vgl. RG WarnRspr. 1916 Nr. 277 S. 456), während gegenüber einem börsenerfahrenen Kaufmann eine solche Pflicht nicht besteht (vgl. RG BankArch. 29 454, 455; vgl. aber auch oben Rdn. 1863). Auch kann die Bank bei einem Kaufmann grundsätzlich eher als bei einem Nichtkaufmann davon ausgehen, daß eine vorsichtig formulierte Prognose über die voraussichtliche Entwicklung des betreffenden Unternehmens richtig verstanden wird, doch entfällt auch gegenüber einem Kaufmann keineswegs die grundsätzliche Pflicht der Bank zu sorgfältiger und korrekter Fassung ihrer Empfehlungen 8 9 . Eine Pflicht, ihren Rat auch dann aufzudrängen, wenn der Kunde ihn gar nicht wünscht, hat die Bank nicht (vgl. RG J W 1905 502 Nr. 35). Von wesentlicher Bedeutung ist weiterhin der mit dem Effektengeschäft verfolgte 1 8 8 2 Zweck. Erstrebt der Kunde z. B. erkennbar eine solide Kapitalanlage und schlägt er der Bank zu diesem Zweck den Erwerb bestimmter Papiere vor, die mündelsicher sind, so darf ihn die Bank grundsätzlich nicht zum Kauf anderer Papiere, die diese Eigenschaft nicht haben, veranlassen, zumal wenn sie selbst finanziell besonders am Umsatz der letzteren Papiere interessiert ist (vgl. RG BankArch. 6 93, 94). Sucht der Kunde nur »~> Vgl. auch R G W a r n R s p r . 1908 N r . 463; 1916 N r . 277; R G Das Recht 1909 N r . 1867; B G H Z 8, 222, 235; B G H W M 1972, 19, 21 ; 1976, 630, 631. 88 Ebenso Koller G r o ß k o m m , zum H G B 3 , § 384 Anm. 4 m. w. N a c h w . ; ähnlich ferner z. B. Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 4 0 6 Rdn. 27; a. A. vor allem Hopt Kapitalanlegerschutz, S. 391 ff, der zwar ebenfalls der Geschäftsverbindung und dem damit verbundenen gesetzlichen Schuldverhältnis maßgebliche Bedeutung zuerkennt (vgl. S. 408), aber primär mit der Lehre vom „allgemeinen Bankvertrag" (vgl. dazu oben R d n . 2 ff) und dem
von ihm entwickelten „Anlegerschutzprinzip" arbeitet (vgl. S. 393 ff). Vgl. auch R G Das Recht 1909 N r . 1867; a. A. Hopt a a O S. 417 f, der sich an 5 8 AbzG anlehnt und dabei von seinem „Anlegerschutzprinzip" in die Irre geführt wird, weil dieses ihm den Blick d a f ü r verstellt, daß es nicht um Sonderprobleme eines speziellen Sozialschutzes, sondern — ähnlich wie z. B. bei § 24 AGBG — um eine Konkretisierung der allgemeinen G r u n d s ä t z e von Treu und Glauben geht.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
eine verhältnismäßig kurzfristige Anlage und ist er ersichtlich möglicherweise schon bald wieder zum Verkauf der Papiere gezwungen, so muß ihn die Bank grundsätzlich auf die Gefahr von Kursverlusten hinweisen und ihm z. B. raten, dieses Risiko etwa durch den Erwerb von „Kurzläufern" mit einer geringen Restlaufzeit möglichst gering zu halten oder es durch ein Ausweichen auf Papiere ohne Kursrisiko, wie z. B. Bundesschatzbriefe, sogar ganz auszuschalten — mag auch die Rendite dabei geringer sein. 1883
Dient andererseits ein Effektenerwerb offenkundig primär nicht Anlage-, sondern Spekulationszwecken, so sind an die Beratungspflicht der Bank grundsätzlich geringere Anforderungen zu stellen 90 , damit nicht das mit Spekulationen nun einmal verbundene Risiko vom Spekulanten auf die Bank verlagert wird. Allerdings darf man dabei nicht außer acht lassen, daß die Unterscheidung zwischen Anlage- und Spekulationszwecken äußerst fließend ist und überdies zunehmend fragwürdiger wird, weil bei der heutigen Börsen- und Wirtschaftslage ein langfristiges „Liegenlassen" der Papiere keineswegs mehr besonders zweckmäßig ist und häufige Umschichtungen des Depots dementsprechend durchaus nicht Ausdruck spekulativer Absichten sein müssen, sondern zu einem Gebot wirtschaftlicher Vernunft werden können; allzu große Bedeutung kann daher dem Gegensatz zwischen Anlage- und Spekulationszweck heute nicht mehr zuerkannt werden. Im übrigen entbindet der Spekulationscharakter eines Geschäfts die Bank selbstverständlich nicht von der Pflicht zur Aufklärung über solche Risiken, die sich nicht auf das Spekulationselement beziehen oder dieses auf ein ungewöhnliches, vom Kunden vermutlich nicht erkanntes Ausmaß steigern (vgl. RG WarnRspr. 1919 Nr. 35 S. 53 f sowie im übrigen auch oben Rdn. 1863).
1884
Auch auf die mit der gewählten Anlageform u . U . verbundenen Steuervor- oder -nachteile sowie auf sonstige mögliche Vergünstigungen, wie z. B. die einer staatlichen Sparprämie muß die Bank den Kunden gegebenenfalls hinweisen, sofern sie nicht davon ausgehen kann, dieser besitze insoweit selbst die notwendige Sachkenntnis. So hat die Bank den Kunden z. B. zu warnen, wenn er durch eine geplante Disposition der von ihm erkennbar angestrebten Steuervorteile wieder verlustig zu gehen droht (vgl. B G H Z 28 368, 373 f; B G H W M 1964 609; OLG Celle N J W 1954 1810). Auch wird man von ihr gegenüber einem Kunden mit verhältnismäßig hohem Einkommen, das einer entsprechend starken Steuerprogression unterliegt, u. U. den Ratschlag erwarten können, lieber Papiere mit einer niedrigeren nominellen Verzinsung zu einem niedrigeren Kurs als hochverzinsliche Papiere zu einem entsprechend höheren Kurs zu kaufen, weil der (spätestens) bei der Rückzahlung zu realisierende Kursgewinn steuerfrei ist und der Kunde sich daher bei dieser Anlageform im Hinblick auf die hohe Steuerprogression möglicherweise besser steht; freilich wird die Bank gerade bei Kunden der hier in Betracht kommenden Einkommensstufen häufig annehmen dürfen, diese wüßten über die entsprechenden Steuerfragen selbst Bescheid.
1885
Von Bedeutung ist weiterhin die Art der entscheidungserheblichen Tatsache, hinsichtlich derer eine Aufklärung des Kunden in Betracht kommt. Bei allgemein bekannten oder erkennbaren Tatsachen wird man eine Beratungspflicht der Bank grundsätzlich abzulehnen haben, weil (und sofern) sie davon ausgehen darf, daß der Kunde sich insoweit selbst informiert hat. Das gilt insbesondere für Umstände wie die allgemeine Wirtschaftslage oder den Börsentrend (vgl. auch RG BankArch. 29 454, 455 sowie RGZ 111 233, 235, wo der Verkäufer freilich keine Bank war). Selbstverständlich darf 90 Vgl. auch R G BankArch. 11, 232, 233; W a r n R s p r . 1919 N r . 35 S. 53; ferner R G Z 111, 233, 236; a. A. o f f e n b a r Köndgen J Z 1978, 392.
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II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts die B a n k aber dem K u n d e n hierüber keine falsche A u s k u n f t geben, wenn dieser d a n a c h fragt. D a r ü b e r hinaus hat die B a n k s o g a r eine A u f k l ä r u n g s p f l i c h t , wenn der K u n d e diese U m s t ä n d e erkennbar falsch einschätzt oder außer Betracht läßt. S o muß die B a n k z. B. einen K u n d e n , der nach einer längeren starken H a u s s e o d e r zu Beginn einer von den Fachleuten prophezeiten Baisse Gelder in nicht-spekulativer Absicht anlegen will, u. U . auf die in der augenblicklichen L a g e besonders hohen G e f a h r e n hinweisen und ihm gegebenenfalls zu einer zwischenzeitlichen A n l a g e ohne K u r s r i s i k o , wie z. B. in der F o r m des T e r m i n g e l d s o d e r in Bundesschatzbriefen, raten. A u c h kann eine W a r nung g e b o t e n sein, wenn die L a g e besonders unübersichtlich ist, wie z. B. vor einer möglichen W ä h r u n g s r e f o r m , und der K u n d e sich ohne besonderes Liquiditätsbedürfnis sich von seinen E f f e k t e n trennen will (vgl. B G H W M 1972 19, 21 = 1972 281, 282). Ahnliches gilt f ü r den K u r s des Papiers, das der K u n d e z u k a u f e n o d e r z u v e r k a u f e n 1 8 8 6 wünscht. A u c h hier darf die B a n k also jedenfalls dann d a v o n ausgehen, daß der K u n d e ihn kennt, wenn dieser v o n sich aus das betroffenen G e s c h ä f t v o r z u n e h m e n wünscht. H a t die B a n k allerdings Anlaß zu der A n n a h m e , der K u n d e befinde sich in einem Irrtum über den K u r s s t a n d , muß sie ihn aufklären. A u c h wird sie den K u n d e n i. d. R . d a r auf hinweisen müssen, wenn das Papier v o r k u r z e m eine stark aus d e m R a h m e n fallende Entwicklung d u r c h g e m a c h t hat, also besonders gestiegen o d e r besonders gefallen ist, und wenn d a h e r ein K a u f o d e r V e r k a u f g e r a d e z u diesem Zeitpunkt u n z w e c k m ä ß i g erscheint; auch hier k o m m t es freilich wesentlich auf die P e r s o n des K u n d e n an, und die B a n k hat d a h e r keine Hinweispflicht, wenn sie annehmen d a r f , der K u n d e habe die Entwicklung des Papiers selbst verfolgt. Entsprechendes gilt, wenn k u r z e Zeit v o r dem A u f t r a g des K u n d e n eine Aussetzung des Kurses stattgefunden hatte (vgl. auch O L G S a a r b r ü c k e n W M 1980 9 0 9 , 911). In extrem gelagerten A u s n a h m e f ä l l e n hat die B a n k s o g a r eine R ü c k f r a g e - und Aufklärungspflicht w e g e n einer starken K u r s v e r ä n d e r u n g nach Auftragserteilung (vgl. R G BankArch. 26 303, 304 z u einem w ä h r e n d der Inflation spielenden Fall). D a s folgt schon aus ihrer Benachrichtigungspflicht g e m ä ß § 384 II H S 1 H G B und §§ 675, 666 H S 1 B G B . Allerdings sollte m a n diese Pflicht nur bei extremen und unvorhersehbaren K u r s s c h w a n k u n g e n annehmen, d a der K u n d e sich insoweit an sich durch eine Limitierung ausreichend schützen k a n n ; auch ist w i e d e r u m von B e d e u t u n g , o b die B a n k nicht erwarten durfte, daß der K u n d e die K u r s e n t w i c k lung auch nach der Auftragserteilung noch selbst v e r f o l g e n und gegebenenfalls einen Widerruf aussprechen w ü r d e . Strengere Maßstäbe gelten grundsätzlich für T a t s a c h e n , die nur der B a n k bekannt o d e r die f ü r sie wesentlich besser als für den K u n d e n zu beurteilen sind (vgl. freilich auch unten R d n . 1893). D a s kann z. B. hinsichtlich der V e r k e h r s f ä h i g k e i t des fraglichen Wertpapiers und der damit z u s a m m e n h ä n g e n d e n R e c h t s f r a g e n der Fall sein (vgl. B G H Z 8 222, 235). B e s o n d e r e Bedeutung k o m m t diesem Gesichtspunkt im übrigen
hinsichtlich der Solidität und der Ertragslage des emittierenden Unternehmens zu, die
die B a n k h ä u f i g weit besser überblicken kann als der K u n d e 9 1 . S o w e i t sich die B a n k dabei allerdings lediglich auf A u s k ü n f t e der Unternehmensleitung verläßt und dies dem K u n d e n g e g e n ü b e r deutlich macht, wird m a n ihr ein V e r s c h u l d e n des A u s k u n f t g e b e n den nicht über § 278 B G B zurechnen können (a. A. R G S e u f f A r c h . 85 N r . 120 S. 266). Ahnlich wie bei der E m i s s i o n liegt es in Fällen, in denen die B a n k v o n sich aus die Initiative ergreift und d e m K u n d e n gezielt bestimmte E f f e k t e n empfiehlt (vgl. auch R G W a r n R s p r . 1908 N r . 463 S. 3 5 5 ) ; auch dabei hat sie also grundsätzlich eine Pflicht z u r 91
Vgl. auch RGZ 27, 118, 124 f; 42, 125, 132; RG JW 1903, 151, 153; Das Recht 1909 Nr. 1867; SeuffArch. 85 Nr. 120.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
Überprüfung der Solidität und der Ertragsaussichten des Unternehmens und muß u. U. auch der Richtigkeit von Angaben seiner Organe nachgehen 9 l a , sofern sie diese nicht lediglich als solche weitergibt und das Fehlen einer eigenen Nachprüfung kenntlich macht. Dagegen braucht die Bank im Rahmen allgemeiner Anlageempfehlungen — also dann, wenn sie den Kunden auf dessen Initiative berät und ihm dabei eine Reihe von Effekten alternativ empfiehlt — grundsätzlich keine besonderen Nachforschungen über die Lage des Unternehmens anzustellen, sondern muß allenfalls besonderen Verdachtsmomenten nachgehen oder den Kunden auf diese hinweisen. Ein anderer Umstand, der verstärkte Hinweis- und u. U. auch Nachforschungspflichten begründen kann, liegt darin, daß es sich um ein ausländisches Papier handelt; so hat der BGH z. B. die Pflicht (einer Anlagevermittlungsgesellschaft) bejaht, den Erwerber von zum Kauf empfohlenen ausländischen Investmentanteilen darüber aufzuklären, daß Grundstücke des Fondsvermögens mit 75 % und damit wesentlich höher, als in Deutschland nach § 37 III 2 KAGG erlaubt ist, belastet waren (vgl. W M 1978 611, 612). 1887
Neben der Person des Kunden, dem Anlagezweck und der Art der entscheidungserheblichen Tatsache spielt schließlich auch der Inhalt der fraglichen Rechtspflicht eine erhebliche Rolle 9 l b . Grundlegend ist dabei die Wahrheitspflicht, also die Pflicht, dem Kunden nur sachlich richtige Informationen zu geben. Sie wird ergänzt durch die Vollständigkeitspflicht, d. h. die Pflicht zur Mitteilung aller für den Kunden vernünftigerweise relevanten Umstände, und die Pflicht zur Seriosität bei Prognosen und Werturteilen (vgl. dazu auch oben Rdn. 101). Für die Verletzung dieser Pflichten haftet die Bank grundsätzlich, wenn die fraglichen Umstände dem beratenden Bankangestellten bekannt oder für ihn ohne weiteres erkennbar waren. Enger ist der Anwendungsbereich der Erkundigungs- und Nachforschungspflichten. Diese sind zwar hinsichtlich der allgemeinen Marktdaten wie Kursentwicklung, Kapitalmarktpolitik der Deutschen Bundesbank usw. grundsätzlich zu bejahen, hinsichtlich individueller Daten einzelner Papiere dagegen nur bei Vorliegen besonderer Umstände anzunehmen wie z. B., wenn die Bank an der Emission des betreffenden Papiers teilnimmt oder eine spezielle Empfehlung zu seinem Kauf ausspricht. So braucht die Bank z. B. keine Nachforschungen über die Qualität einer ausländischen Aktie anzustellen, wenn der Kunde diese aus eigener Initiative zu kaufen sucht, wohl aber, wenn die Bank ihm von sich aus gezielt hierzu rät. Ist der Bank dagegen ein Umstand, der den Kunden vernünftigerweise vom Kauf abhalten könnte, wie z. B. eine vor kurzem erfolgte Kursaussetzung positiv bekannt oder für sie evident, so muß sie diesen grundsätzlich auch dann mitteilen, wenn der Kaufwunsch von dem Kunden ausgegangen ist; denn zum einen „kostet" ein solcher Hinweis die Bank im Gegensatz zu einer Nachforschung nichts, und zum anderen ist es grundsätzlich Sache des Kunden zu entscheiden, ob er auf Grund der Information seinen Entschluß ändern will. Eine dritte Gruppe wird von den Organisationspflichten gebildet. Zu diesen gehört, daß die Bank den Einsatz von ungeschultem Personal bei der Effektenberatung verhindert. Ferner muß sie die erforderlichen Vorkehrungen treffen, damit ihre Effektenberater rechtzeitig die relevanten Informationen erhalten (vgl. dazu auch oben Rdn. 126). Schließlich muß die Bank alles vermeiden, wodurch ihre Effektenberater zu einem 9la
Vgl. auch B G H Z 70, 356, 362 f z u r entsprechenden Problematik bezüglich der H a f t u n g eines Börsendienstes; zustimmend Hopt Festschr. f ü r Fischer, 1979, S. 243 f; a. A. /. Schröder N J W 1980, 2285, der die Ansicht des B G H als „unrealistisch und lebensfremd" zurückweist.
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Vgl. zum folgenden eingehend Hopt Kapitalanlegerschutz S. 430 ff, dessen Einteilung der Pflichten hier im wesentlichen übernommen wird.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts Verhalten verleitet werden könnten, das sich nicht primär am Kundeninteresse orientiert; höchst bedenklich sind daher Praktiken, bei denen die interne Beurteilung oder gar das Fortkommen der Effektenberater durch die H ö h e der — ausschließlich Umsatz- und nicht erfolgsabhängigen — Provisionen der Bank beeinflußt wird (vgl. dazu auch unten Rdn. 1888 a. E.). b) Die Bedeutung von Eigeninteressen der Bank Bei einem Interessenkonflikt zwischen der Bank und ihrem Kunden gilt grundsätz- 1 8 8 8 lieh das Prinzip vom Vorrang des Kundeninteresses 92 . Dementsprechend muß die Bank den zum Zwecke der Schuldentilgung erforderlichen Verkauf eines größeren Pakets von Aktien eines bestimmten Unternehmens auch dann empfehlen, wenn sie selbst ebenfalls Aktien dieses Unternehmens besitzt und daher durch den Verkauf wegen des dadurch wahrscheinlich eintretenden Kursverfalls Vermögensnachteile zu gewärtigen hat (vgl. R G BankArch. 35 490, 491, wo die Bank allerdings möglicherweise zusätzliche Beratungs- und Verwaltungspflichten vertraglich übernommen hatte). Folgerichtig muß die Bank auch ihr Eigeninteresse an der Wahl bestimmter Anlageformen hinter den Belangen des Kunden zurückstellen. Auch wenn sie z. B. ein Interesse an einem möglichst hohen Anteil der i. d. R. verhältnismäßig niedrig verzinslichen und daher für die Bank kostengünstigen Einlagen auf Sparbüchern hat, muß sie doch ihren Kunden u. U. darauf aufmerksam machen, daß er auf seinem Sparkonto einen über eine sinnvolle Liquiditätsreserve erheblich hinausgehenden Betrag unterhält, und ihn fragen, ob er nicht einen Teil desselben zinsgünstiger anlegen will; allerdings muß sie sich dabei davor hüten, einen „kleinen Sparer" vorschnell in Kapitalanlagen mit erheblichem Kursrisiko zu treiben. Vollends unzulässig wäre es, wenn die Bank ihrem Interesse an einem möglichst hohen Umsatz Einfluß auf ihre Anlageberatung einräumen würde, um die dabei anfallenden Provisionen zu verdienen. So darf sie z. B. den Kunden nicht zu einer allzu häufigen und dementsprechend kostenaufwendigen Umschichtung seines Depots („Rein- und Rausschicken") veranlassen, wenn diese nicht durch besondere Umstände ausnahmsweise geboten erscheint (vgl. auch oben Rdn. 1887 a. E.). Nicht so einfach zu lösen ist ein Konflikt zwischen den Interessen der Bank und 1 8 8 9 denen des Kunden allerdings dann, wenn er sich im Zusammenhang mit Nostrogeschäften der Bank ergibt (vgl. dazu im übrigen auch unten Rdn. 1937 ff). Sicher ist allerdings, daß auch hier das Kundeninteresse insofern Vorrang hat, als die Bank nicht von sich aus eine für den Kunden nachteilige Empfehlung geben darf; der Effektenberater darf also z. B. nicht einem Kunden den Kauf eines Papiers empfehlen, wenn er weiß, daß die Bank einen größeren Posten desselben zu veräußern beabsichtigt und dadurch voraussichtlich ein Sinken des Kurses herbeiführen wird. Andererseits kann man aber nicht soweit gehen, der Bank eine Aufklärungspflicht hinsichtlich geplanter Nostrogeschäfte aufzuerlegen. Denn dadurch würde man die Bank zwingen, ihre Chancen in unzumutbarer Weise zu verschlechtern, und nicht selten sogar die Durchführung des Geschäfts wirtschaftlich unmöglich machen; auch kann der Kunde angesichts der Zulässigkeit und Üblichkeit von Nostrogeschäften gar nicht erwarten, daß die Bank auch insoweit ihre eigenen Interessen hintansetzt und ihn über ihre Pläne aufklärt bzw. ihn vor gegenläufigen Geschäften warnt — zumal eine solche Information dann alsbald auch noch weiter bekannt werden könnte (vgl. auch unten Rdn. 1937). 92
Vgl. allgemein f ü r das Kommissionsrecht z . B . RG J W 1901, 408 N r . 30; Schmidt-Rimpler aaO Düringer/Hachenburg/LehS. 622 und S. 720;
mann 5 384 Anm. 25; Schlegelberger/Hefermehl § 384 Rdn. 14; Koller a a O 5 384 Anm. 7.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft Schlägt also der Kunde von sich aus den Kauf oder Verkauf eines bestimmten Papiers vor, so braucht die Bank ihn nicht allein deshalb davon abzuhalten, weil sie ein entgegengesetztes Nostrogeschäft plant. Noch weniger besteht eine Rechtspflicht der Bank, alle ihre Effektenberater über beabsichtigte Nostrogeschäfte zu informieren. 1890
Scharf von der Pflicht der Bank zur Zurückstellung ihrer eigenen Interessen zu unterscheiden ist die Frage, ob die Bank eine Pflicht zur Aufdeckung von Eigeninteressen hat. Das ist ebenso wie bei der Erteilung von Auskünften (vgl. dazu oben Rdn. 80 m. Nachw.) grundsätzlich zu verneinen 9 3 . Der Kunde ist nämlich i. d. R. ausreichend dadurch geschützt, daß die Bank ihre Interessen hintansetzen muß, und daher kann von ihr nicht zusätzlich verlangt werden, daß sie diese dem Kunden auch noch aufdeckt und ihm so ohne zwingenden Grund Einblick in ihre Interna gewährt. Ein Rat oder eine Empfehlung der Bank sind daher nicht schon allein deshalb falsch, weil die Bank an dem betreffenden Geschäft oder seinem Unterbleiben ein besonderes Eigeninteresse hat.
1891
Dementsprechend braucht es die Bank dem Kunden z. B. grundsätzlich nicht mitzuteilen, wenn sie für die Veräußerung eines bestimmten Papiers eine besondere Bonifikation des Emittenten erhält 9 4 . Allerdings kann die ungewöhnliche H ö h e einer solchen Bonifikation ein Indiz für eine mangelnde Solidität des Unternehmens sein, und der Rat der Bank, dessen Papiere zu erwerben, kann daher unseriös und unrichtig sein, wenn sie den sich aus der H ö h e der Bonifikation ergebenden Verdachtsmomenten nicht nachgeht oder wenn sie diese nicht auszuräumen vermag, das Papier aber gleichwohl ihren Kunden empfiehlt (vgl. den Fall RG BankArch. 4 73 sowie auch R G BankArch. 5 201).
1892
Besonderheiten gelten für die Verwertung von Insiderinformationen, also solcher Kenntnisse über ein bestimmtes Unternehmen, die die Bank nicht auf Grund einer allgemeinen Analyse, sondern auf Grund ihrer besonderen Beziehungen zu diesem besitzt (vgl. im übrigen auch oben Rdn. 1889 zur Bedeutung der Kenntnisse von geplanten Nostrogeschäften der Bank, die man bei einer weiteren Begriffsfassung auch zu den Insiderinformationen rechnen könnte). Außer Frage steht insoweit allerdings, daß die Ausnutzung des Wissensvorsprungs zum Nachteil des Kunden schlechterdings unzulässig ist. Die Bank darf diesen also nicht zu für ihn ungünstigen Dispositionen über die Papiere des betreffenden Unternehmens verleiten. T u t sie es dennoch, so kann der Kunde nach § 123 BGB anfechten (vgl. oben Rdn. 1857) oder Schadensersatz wegen Erteilung eines falschen Rats und der darin liegenden Schutzpflichtverletzung verlangen.
1893
Sehr zweifelhaft ist dagegen, ob die Bank darüber hinaus eine Rechtspflicht zur Mitteilung von Insiderinformationen an ihren Kunden hat und ob sie dementsprechend diesen vor geplanten nachteiligen Dispositionen warnen bzw. ihm zu vorteilhaften Geschäften raten muß. Das wird im Schrifttum teils uneingeschränkt bejaht 9 5 , teils in
c) Die Bedeutung von Insiderinformationen im Rahmen der Beratungspflicht
93
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Ebenso z. B. Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 4 0 6 Rdn. 36; a. A. Schwark DB 1971, 1607 unter unzutreffender Berufung auf R G J W 1901, 408; differenzierend Koller a a O § 384 Anm. 14 Abs. 2. Vgl. auch R G BankArch. 6, 93; Düringer/ Hachenburg/Lehmann § 384 Anm. 9; Schmidt-
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Rimpler a a O S. III f; a. A. R G BankArch. 4, 73; Koller BB 1978, 1738 f. Besonders weitgehend Schwark DB 1971, 1607; vgl. ferner z. B. Renner Der Schutz des Kapitalanlegers gegen die Ausnützung von Informationsvorteilen im Aktienhandel, Diss. Mannheim 1976 S. 137 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Abschluß und Wirksamkeit des Effektengeschäfts
Anlehnung an § 131 III Ziff. 1 AktG zumindest insoweit befürwortet, als dem betroffenen Unternehmen dadurch kein erheblicher Nachteil droht 9 6 . Die besseren Gründe dürften indessen für eine grundsätzliche Verneinung der Frage sprechen 97 . Gegen die Annahme einer Rechtspflicht der Bank zur Weitergabe der Insiderinformation spricht zunächst schon, daß deren Ausnutzung wegen der dadurch hervorgerufenen Verzerrung der Chancengleichheit am Wertpapiermarkt, rechts- und sozialpolitisch sehr bedenklich ist, was u. a. in den Insiderrichtlinien der Börsensachverständigenkommission 98 zum Ausdruck gekommen ist. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, die Bank müsse die Information allen ihren Kunden gleichermaßen weitergeben; denn auch dann bleibt eine Beeinträchtigung gegenüber den Kunden anderer Banken, und diese ist um so gravierender, als sie den Großbanken wegen ihrer besonders starken Verflechtung mit den Wirtschaftsunternehmen und der daraus resultierenden Fülle von Insiderinformationen einen ungerechtfertigten Vorsprung gegenüber kleineren Instituten im Wettbewerb um die Effektenkunden gäbe, würden sich diese doch tunlichst zu den bestinformierten Banken drängen. Es kommt hinzu, daß die Bank bei der Weitergabe von Insiderinformationen regelmäßig in Gefahr ist, Rechtspflichten gegenüber Dritten zu verletzen. Das ist evident, wenn die Bank ihre Information im Rahmen ihrer Geschäftsverbindung zu dem betreffenden Unternehmen, dessen „Hausbank" sie vielleicht ist, erhalten hat. Der Weitergabe der fraglichen Tatsache steht dann nämlich das Bankgeheimnis entgegen, und das gilt auch dann, wenn dem Unternehmen durch die Aufdeckung ein erheblicher Nachteil nicht droht, da die Geheimhaltungspflicht — ganz abgesehen von der Unsicherheit des Kriteriums eines „nicht unerheblichen Nachteils" — auch dann besteht, wenn der betreffende Kunde an der Geheimhaltung der fraglichen Tatsache kein vernünftiges Interesse hat (vgl. oben Rdn. 48). Die zweite wichtige Fallgruppe der Insiderinformationen ist dadurch gekennzeichnet, daß die Bank die betreffenden Kenntnisse deshalb besitzt, weil einer ihrer Angestellten zugleich in einem Organ des fraglichen Unternehmens, insbesondere in dessen Aufsichtsrat, tätig ist. Dann hat zwar die Bank i. d. R. keine eigene Geheimhaltungspflicht gegenüber dem Unternehmen, doch ist ihr Angestellter diesem auf Grund seiner Stellung und Tätigkeit zur Verschwiegenheit verpflichtet, und die Bank würde sich daher durch eine Weitergabe der Information einer Beteiligung am Bruch der Verschwiegenheitspflicht durch ihren Angestellten schuldig machen; eine derartige Mitwirkung bei einem Vertragsbruch bzw. dessen Ausnützung ist der Bank aber selbst dann nicht zuzumuten, wenn ein solches Handeln nicht sittenwidrig oder gar strafbar sein sollte. In bestimmten Ausnahmefällen kann allerdings gleichwohl eine Pflicht zur Weiter- 1 8 9 4 gäbe der Insiderinformation bestehen. Das ist etwa dann anzunehmen, wenn das betreffende Unternehmen im Schutz der Geheimhaltung betrügerisch die Kurse manipuliert, wie z. B. durch irreführende, auf Täuschung der Aktionäre abzielende Mitteilungen 99 . Denn dann ist die Bank unter dem Gesichtspunkt der Nothilfe gemäß §§ 53 StGB, 227 BGB zum Bruch der Geheimhaltungspflicht berechtigt und folglich gegenüber ihren Effektenkunden gemäß § 242 BGB auch verpflichtet (vgl. allgemein oben Rdn. 62 f). 96
97
S o Hopt K a p i t a l a n l e g e r s c h u t z S. 460 f f ; ihm im w e s e n t l i c h e n f o l g e n d Koller a a O § 384 A n m . 13; u n k l a r Wojtek I n s i d e r T r a d i n g im d e u t s c h e n u n d a m e r i k a n i s c h e n R e c h t , 1978, S. 2 7 bei F n . 56 einerseits u n d bei Fn. 57 a n d e r e r s e i t s . Wie
hier im w e s e n t l i c h e n
Sc hiegelbe rge r/Hefe r-
mehl A n h . n a c h § 4 0 6 R d n . 3 4 ; d e lege f e r e n d a a u c h Arbeitskreis Gesellschaftsrecht V e r b o t des I n s i d e r h a n d e l s , 1976, S. 37 f. 98
99
A b g e d r u c k t bei Schwark Komm, zum 1976, A n h . II. Vgl. d a z u n ä h e r Hopt a a O S. 471.
Claus-Wilhelm Canaris
BörsenG,
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
1895
Dagegen läßt sich aus der Tatsache, daß die Bank die Insiderinformation an einzelne E f f e k t e n k u n d e n weitergegeben hat, nicht schließen, daß sie nun auch gegenüber allen übrigen eine entsprechende Rechtspflicht hat 1 0 0 . Selbst w e n n sich nämlich g r u n d sätzlich eine Pflicht zur Gleichbehandlung der Effektenkunden begründen ließe — was mehr als zweifelhaft ist (vgl. oben Rdn. 121) —, so könnte diese doch nicht dazu f ü h ren, daß die Bank zu einem T u n verpflichtet wird, das Dritten gegenüber rechtswidrig oder doch zumindest rechtsethisch äußerst fragwürdig ist — wie sich ja z. B. aus dem Gleichheitssatz auch keine Pflicht zur V o r n a h m e fehlerhafter Verwaltungsakte herleiten läßt. Allerdings kann sich die Bank ihren übrigen K u n d e n durch die Weitergabe der Information an einzelne bevorzugte Kunden u. U. wegen positiver Forderungsverletzung ersatzpflichtig machen, sofern jene dadurch einen Schaden erleiden; sie haftet dann aber nur auf das negative und nicht auf das positive Interesse, d. h., sie muß die nicht informierten K u n d e n so stellen, als hätte sie die Information an niemand weitergegeben, nicht aber so, als hätte sie sie an alle weitergegeben. 5. Die Beratungspflichten beim Eigen- oder Propergeschäft
1896
Die im Vorstehenden entwickelten Regeln über die Beratungs- und Aufklärungspflichten der Bank gelten grundsätzlich nicht nur f ü r das Kommissionsgeschäft, sondern auch f ü r das Eigen- oder Propergeschäft. Z w a r könnte man dagegen einwenden, bei letzterem dürfte die Bank grundsätzlich ihre eigenen Interessen uneingeschränkt w a h r n e h m e n (vgl. B G H W M 1959 999, 1001), doch kann dieser Satz sinnvollerweise allenfalls f ü r die Preisgestaltung und die D u r c h f ü h r u n g des Geschäfts, nicht aber auch f ü r die Schutzpflichten bei dessen Abschluß gelten. Z u m einen sind diese nämlich nicht in erster Linie durch den besonderen C h a r a k t e r gerade des Kommissionsgeschäfts geprägt, sondern stellen einen Ausfluß des allgemeinen Vertrauensverhältnisses zwischen der Bank und dem Kunden dar und finden ihre Grundlage dementsprechend in dem daraus entspringenden gesetzlichen Schuldverhältnis gemäß § 242 BGB (vgl. allgemein oben Rdn. 12 f f ) ; und z u m anderen ist der dem Eigengeschäft z u g r u n d e liegende Kaufvertrag typologisch nicht ein normaler Kaufvertrag, sondern wesentlich durch seine bankrechtliche K o m p o n e n t e beeinflußt, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt der besondere Vertrauenscharakter des Geschäfts maßgebliche Berücksichtigung verdient 1 0 1 . Überdies entscheidet es sich nicht selten erst im Verlauf oder am Ende der Beratung, ob das Geschäft im W e g e der Kommission o d e r des Eigenhandels durchgef ü h r t wird. Ferner ist in diesem Zusammenhang auf die W e r t u n g der §§ 31, 32 II D e p G hinzuweisen, die unmißverständlich deutlich macht, daß der Gesetzgeber sogar noch im Stadium nach Vertragsschluß die Schutzbedürftigkeit und -Würdigkeit des K u n d e n beim Eigenhandel nicht anders als bei der Kommission beurteilt. D a h e r ist es i. E. z u t r e f f e n d , wenn Rechtsprechung und h. L. das Eigengeschäft hinsichtlich der Beratungs- und Aufklärungspflichten dem Kommissionsgeschäft gleichstellen 1 0 2 (vgl. im übrigen auch unten Rdn. 1944). 100
A. A., von seinem Standpunkt aus folgerichtig, Hopt a a O S. 471 ff. 101 Vgl. auch B G H Z 70, 356, 360 f z u r H a f t u n g der Herausgeber eines Börsendienstes, w o betont wird, daß eine „rein kaufrechtliche Würdigung der in dem einzelnen Börsenbrief enthaltenen Information . . . den Besonderheiten dieses Abonnementsvertrages nicht gerecht werden würde", und wo daher ein gemischttypischer Vertrag mit beratungsrechtlichen Elementen angenommen wird; zustimmend Königen J Z 1978, 391; Hopt
966
Festschr. f ü r Fischer, 1979, S. 240 f; kritisch Jan Schröder N J W 1980, 2279 ff. '02 Vgl. R G Z 42, 125, 131; R G Das Recht 1909 N r . 1867; B G H W M 1981, 374; Breit LZ 1907, 866 f; Düringer/Hachenburg/Lehmann §384 Anm. 11; Schlegelberger/Hefermebl Anh. nach § 406 Rdn. 109; Prellberg S. 3 m. w. N a c h w . zum älteren Schrifttum; Scbönle § 17 II 4; Hopt Kapitalanlegerschutz S. 248 und S. 427 f f ; Wackerhagen S. 46 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D i e A u s f ü h r u n g d e s E f f e k t e n g e s c h ä f t s , i n s b e s o n d e r e d e r S e l b s t e i n t r i t t d e r B a n k
6. Die Bedeutung von Rechts- und Sachmängeln Rechts- und Sachmängel spielen beim Effektengeschäft nur eine sehr untergeord- 1 8 9 7 nete Rolle. Dies beruht vor allem darauf, daß die Rechtsmängelhaftung des Verkäufers durch § 437 BGB grundsätzlich auf den Bestand des veräußerten Rechts beschränkt wird und sich nicht auf die Bonität erstreckt. Zwar kann auch f ü r letztere nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und nach der in § 438 BGB zum Ausdruck kommenden Wertung eine Einstandspflicht übernommen werden, doch ist das im Effektengeschäft eine äußerst seltene Ausnahme; denn eine solche Bonitätshaftung ist mit der typischen Risikoverteilung beim Effektengeschäft, die ihren Grund sowohl in dessen spekulativem Einschlag als auch in der Anonymität des Geschäfts und der fehlenden unmittelbaren Beziehung der Parteien zum Aussteller der Effekten hat, grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Auch eine Sachmängelhaftung i. S. von § 459 BGB wird meist nicht in Betracht 1 8 9 8 kommen. Allerdings ist es selbstverständlich, daß § 459 BGB anwendbar ist, wenn dem Papier ein Sachmangel anhaftet, doch wird das praktisch kaum vorkommen. Ein den Wert des Papiers mindernder Mangel des Unternehmens, das das Papier ausgestellt hat, kann dagegen grundsätzlich nicht als Sachmangel anerkannt werden 1 0 3 . O b man das wie das RG mit dem Fehlen einer unmittelbaren Beziehung zwischen dem fraglichen Umstand und der Kaufsache begründen kann, mag zwar zweifelhaft sein, doch ist jedenfalls das Argument aus § 437 BGB durchschlagend: wollte man in derartigen Fällen die Sachmängelvorschriften anwenden, so käme man beim Rechtskauf entgegen der unmißverständlichen Wertung des § 437 BGB im praktischen Ergebnis doch grundsätzlich zu einer Bonitätshaftung des Verkäufers. Anders liegt es insoweit nur, wenn sich der Kauf der Effekten in Wahrheit als Unternehmenskauf und damit als Sachkauf darstellt, was vor allem beim Kauf aller Anteile regelmäßig der Fall sein wird, aber auch beim Erwerb eines größeren „Pakets" denkbar ist 104 . Dabei kommt es in erster Linie darauf an, ob der Kauf sich nach dem beiderseitigen durch objektive Auslegung zu ermittelnden Willen auf das Unternehmen selbst bezieht und nicht lediglich die Anteilsrechte zum Gegenstand hat; ein wesentliches Indiz wird dabei die Preisberechnung sein. Soweit dagegen wie im Regelfall ein bloßer Rechtskauf vorliegt, bleiben die §§ 459 ff BGB insoweit außer Anwendung. Auch wer grundsätzlich die analoge Anwendung der Sachmängelvorschriften auf den Rechtskauf für möglich hält, muß diese Analogie doch wenigstens für börsengängige Papiere ablehnen 1 0 5 .
III. Die Ausführung des Effektengeschäfts, insbesondere der Selbsteintritt der Bank 1. Ausführungsgeschäft und Deckungsgeschäft a) Die Ausführungspflicht und die Pflicht zum Selbsteintritt bzw. zum Abschluß eines Eigengeschäfts Beim gewöhnlichen Kommissionsgeschäft hat die Bank gemäß § 384 I H G B eine 1 8 9 9 Pflicht zur Ausführung des übernommenen Geschäfts, die sie durch den Abschluß eines 103
104
Vgl. z. B. R G Z 59, 240, 2 4 3 ; Düringer D]Z 1905, 3 7 5 ; Wiedermann F e s t s c h r . f ü r N i p p e r d e y , 1965, S. 829 f f ; Neumann-Duesberg W M 1968, 497 ff m . u m f . N a c h w . ; a. A. v o r allem Pelkmann LZ 1917, 119 f f ; z . T . a u c h Prölss Z I P 1981, 3 3 7 ff. Vgl. d a z u z. B. R G Z 98, 2 8 9 ; 120, 2 8 4 ; 124, 164; 150, 3 9 7 ; B G H Z 65, 2 4 6 ; B G H W M 1980, 1006;
105
Brüggemann Großkomm, zum HGB3 §381 A n m . 3 8 ; Wiedemann a a O S. 834 f f ; NeumannDuesberg a a O S. 501 m. w . N a c h w . in Fn. 5 0 ; Hommelhoff S a c h m ä n g e l h a f t u n g beim Untern e h m e n s k a u f , 1975. Vgl. v o r allem Flume E i g e n s c h a f t s i r r t u m u n d K a u f , 1948, 189 f.
Claus-Wilhelm Canaris
967
16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
entsprechenden Ausführungsgeschäfts mit einem Dritten erfüllt. N u n ist aber das gewöhnliche Kommissionsgeschäft praktisch äußerst selten (vgl. oben Rdn. 1821). Die Regel bilden gemäß Ziff. 29 AGB vielmehr das Kommissionsgeschäft mit Selbsteintritt und das Eigengeschäft. Bei diesen tritt an die Stelle des Ausführungsgeschäfts i. d. R. das Deckungsgeschäft. Dieses hat mit jenem gemeinsam, daß es zum Zwecke der Durchführung des Geschäfts mit dem Kunden vorgenommen wird, unterscheidet sich von ihm aber sehr wesentlich dadurch, daß es nicht für fremde Rechnung, d. h. f ü r Rechnung des Kunden, sondern für eigene Rechnung, d. h. für Rechnung der Bank geschlossen wird. 1900
Rechtlich folgt daraus zunächst, daß der Abschluß des Deckungsgeschäfts anders als der Abschluß des Ausführungsgeschäfts nicht als Erfüllung des Kommissionsgeschäfts bzw. des Eigengeschäfts anzusehen ist; die Erfüllung des Kommissionsgeschäfts erfolgt hier vielmehr durch den Selbsteintritt der Bank, der dann seinerseits neue Rechtspflichten zwischen dieser und dem Kunden zur Entstehung bringt, und zwar Pflichten kaufrechtlicher Art (vgl. auch unten Rdn. 1908 f). Beim Eigengeschäft erscheint die Frage, ob der Abschluß des Deckungsgeschäfts Erfüllungscharakter hat, sogar geradezu widersinnig; denn während beim Kommissionsgeschäft (ob mit oder ohne Selbsteintritt) grundsätzlich ein zweistufiger Vorgang vorliegt — nämlich der Abschluß des Kommissionsvertrags zum ersten und dessen Erfüllung durch den Abschluß des Ausführungsgeschäfts bzw. durch den Selbsteintritt zum zweiten —, ist das Eigengeschäft nur einstufig: es erschöpft sich im Abschluß des Kaufvertrags, so daß sich die Frage nach dem Erfüllungscharakter des Deckungsgeschäfts gar nicht stellen kann.
1901
Auch im übrigen ist das Deckungsgeschäft — anders als das Ausführungsgeschäft — dem Kommissionsgeschäft bzw. dem Eigengeschäft rechtlich nicht zugeordnet. Das zeigt sich insbesondere an der Unanwendbarkeit des § 392 II H G B auf Forderungen aus dem Deckungsgeschäft 1 0 6 . Das hat z. B. für die Verkaufskommission erhebliche praktische Bedeutung (vgl. unten Rdn. 2005).
1902
Andererseits ist das Deckungsgeschäft bzw. die Möglichkeit zu seiner Vornahme keineswegs rechtlich gänzlich bedeutungslos. Das zeigt sich zunächst in der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Bank eine Pflicht zum Selbsteintritt hat. Zwar ist in Ziff. 29 I AGB bestimmt, daß die Bank alle Aufträge zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren, die an der Börse des Ausführungsplatzes zum amtlichen Handel zugelassen sind, als Kommissionär durch Selbsteintritt durchführt, doch kann das sinnvollerweise nicht bedeuten, daß die Bank sich ohne weiteres zum Selbsteintritt verpflichten will. Selbstverständliche Voraussetzung für das Entstehen einer solchen Pflicht ist vielmehr die Möglichkeit eines entsprechenden Deckungsgeschäfts 1 0 7 (vgl. ferner unten Rdn. 1913). Besteht diese, so ist die Bank zum Selbsteintritt verpflichtet; unterläßt sie gleichwohl dessen Vornahme, so entsteht zwar nicht etwa ipso iure eine entsprechende (kaufrechtliche) Erfüllungspflicht, doch haftet die Bank dann ihrem Kunden auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kommissionsvertrags, was auf dem Umweg über § 249 BGB in aller Regel zum selben Ergebnis führen dürfte.
1903
Ähnliches gilt grundsätzlich für die Pflicht zum Abschluß des Eigengeschäfts. Auch diese ist also i. d. R. zu bejahen, sofern die Bank die Möglichkeit zum Abschluß eines entsprechenden Deckungsgeschäfts hatte. Allerdings folgt diese Pflicht hier anders als 106 Vgl. z. B. Nußbaum Ehrenbergs H a n d b u c h IV 2, S. 607; Düringer/Hachenburg/Lehmann § 383 Anm. 8; Schlegelberger/Hefermehl § 3 9 2 Rdn. 5 und § 400 R d n . 57; Koller a a O § 400 Anm. 59.
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107 Vgl. z. B. Düringer/Hachenburg/Lehmann § 383 Anm. 8; Schlegelberger/Hefermehl § 400 Rdn. 30.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Die Ausführung des Effektengeschäfts, insbesondere der Selbsteintritt der Bank
beim Kommissionsgeschäft nicht aus einem zuvor abgeschlossenen besonderen Vertrag, sondern lediglich aus der Geschäftsverbindung und aus § 242 B G B (vgl. oben Rdn. 1843); auch ist diese Pflicht eher von theoretischer als von praktischer Bedeutung, weil die Bank über die Unmöglichkeit, ein Deckungsgeschäft abzuschließen, keine Rechenschaft schuldet (vgl. unten Rdn. 1943) und der Kunde ihr von sich aus das Bestehen einer solchen Möglichkeit kaum jemals wird nachweisen können. — Sinnwidrig und mit der rechtlichen Konstruktion des Eigengeschäfts unvereinbar ist es demgegenüber, der Bank eine besondere Bemühungspflicht hinsichtlich des Abschlusses des Deckungsgeschäfts aufzuerlegen 1 0 8 . Diese ist vielmehr nur für das „einfache" Kommissionsgeschäft charakteristisch und besteht nicht einmal beim vereinbarten Selbsteintritt ohne weiteres. Entscheidend ist insoweit vielmehr allein die Möglichkeit zur Vornahme eines Deckungsgeschäfts, die dann wie dargelegt — grundsätzlich die Pflicht zum Abschluß des Eigengeschäfts zur Folge hat; für eine zusätzliche Bemühungspflicht ist daneben weder Raum noch Bedürfnis. b) Die Pflicht zur Vornahme des Deckungsgeschäfts Von der Pflicht zum Selbsteintritt bzw. zum Abschluß des Eigengeschäfts streng zu 1 9 0 4 unterscheiden ist die Pflicht zur Vornahme des Deckungsgeschäfts. Auch wenn erstere besteht, braucht letztere keineswegs gegeben zu sein. Die Bank hat nämlich auch ohne Vornahme eines Deckungsgeschäfts verschiedene Möglichkeiten, ihre Pflichten aus dem Selbsteintritt bzw. aus dem Eigengeschäft zu erfüllen. Insbesondere kann sie dies durch den Rückgriff auf ihre Eigenbestände an Wertpapieren oder durch die Kompensation mit gegenläufigen Aufträgen anderer Kunden tun. Allerdings ist ein solches Vorgehen nicht ohne Einschränkungen zulässig. Eine erste 1 9 0 5 wichtige Grenze zieht insoweit die Pflicht zur Abwicklung über die Börse gemäß Ziff. 29 I 2 AGB. Diese gilt grundsätzlich für alle zum amtlichen Handel zugelassenen Aktien, sofern der Kunde nicht ausdrücklich eine andere Weisung erteilt. Letzteres wird er vor allem dann tun, wenn er befürchten muß, daß sein Auftrag den Börsenkurs zu seinen Ungunsten beeinflußt, wie z. B. beim Kauf oder Verkauf eines größeren Pakets; ob und zu welchen Bedingungen sich freilich die Bank hierauf einläßt, ist ihre Sache, da man ihr nicht etwa eine Pflicht zur Erfüllung aus ihren eigenen Beständen auferlegen kann, zumal der Kurs des betreffenden Börsentages wegen der Nichtweiterleitung des fraglichen Auftrags nicht ohne weiteres repräsentativ, sondern im Zweifel für den Kunden zu günstig und für die Bank zu ungünstig ist 1 0 9 . Im übrigen aber dient Ziff. 29 I 2 A G B in erster Linie nicht dem Schutz der Bank, sondern dem Schutz des Kunden. Die Bestimmung soll nämlich gewährleisten, daß die Börsenkurse wirklich repräsentativ für den Geschäftsverlauf sind, und sie verbietet daher für zum amtlichen Handel zugelassene Aktien grundsätzlich sowohl die Erfüllung aus dem eigenen Bestand ohne Abschluß eines Deckungsgeschäfts als auch die Kompensation. Sie verhindert dadurch u. a., daß die Bank den Kurs einer Aktie durch einige wenige an der Börse getätigte Geschäfte zu ihren Gunsten beeinflußt und im übrigen die große Masse der Aufträge ohne Einschaltung der Börse, aber zu dem an dieser ermittelten — und nicht unbedingt repräsentativen! — Kurs abwickelt, ja sie soll überhaupt die Abrechnung zu einem auf minimalen Umsätzen beruhenden Zufallskurs verhindern 1 1 0 . Ent108
S o aber z. B. Vötter Schrifttum. 109 V g l . auch Nußbaum
S . 9 9 m. N a c h w . zum älteren
110
V g l . etwa den von Breit L Z 1 9 0 7 , 8 5 9 f mitgeteilten Fall. Im übrigen ist es freilich zweifelhaft, o b
a a O S. 6 1 7 f.
durch eine gesetzliche R e g e l u n g ersetzt werden sollte; vgl. dazu z. B. Rasmus S. 144 f f ; Schneiders S . 138 f f ; von Dalwigk zu Lichtenfels S . 101 f ; Schlegelberger/HefermehlAnh. und 5 5 ; Becker S. 55 ff.
n a c h § 4 0 6 R d n . 53
die Klausel ausreichend ist o d e r nicht vielmehr
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16. A b s c h n i t t . D a s E f f e k t e n g e s c h ä f t
sprechend diesem Schutzzweck der Bestimmung wird man aus Ziff. 29 I 2 AGB eine echte Rechtspflicht der Bank zur Vornahme eines Deckungsgeschäfts an der Börse ableiten müssen. Verstößt die Bank dagegen, so kann der Kunde analog § 385 I H G B das Geschäft zurückweisen oder Schadensersatz fordern; im letzteren Falle kann er gemäß § 249 BGB verlangen, so gestellt zu werden, als hätte die Bank seinen Auftrag und alle übrigen unter Ziff. 29 I 2 AGB fallenden Aufträge über die Börse geleitet, d. h., er kann Abrechnung zu dem sich bei korrekter Einhaltung von Ziff. 29 I 2 AGB voraussichtlich ergebenden Kurs verlangen. Allerdings wird der Kunde seine Rechte wegen einer Verletzung von Ziff. 29 I 2 AGB i. d. R. kaum durchsetzen können, weil er die Beweislast f ü r das Unterbleiben des Deckungsgeschäfts trägt (vgl. unten Rdn. 1917). 1906
Auch soweit Ziff. 29 I 2 AGB nicht eingreift, kann in dem Unterlassen eines Dekkungsgeschäfts ein rechtswidriges Verhalten der Bank liegen. Zwar ist es nicht in jedem Falle schlechthin zu mißbilligen, wenn die Bank das Geschäft durch eine sogenannte In-sich-Erledigung durchführt, doch kann darin u. U. sowohl eine zur Anfechtung gemäß § 123 BGB berechtigende arglistige Täuschung als auch eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung und eine unerlaubte Handlung gemäß §§ 823 II, 826 BGB liegen 111 . Das ist zu bejahen, wenn die Bank finanziell von vornherein nicht in der Lage ist, das mit der In-sich-Erledigung verbundene Kursrisiko zu tragen, oder wenn die Bank planmäßig ihre Kunden in der Absicht, Deckungsgeschäfte zu unterlassen, zu Spekulationsgeschäften verleitet („bücket shops") oder wenn die Bank dem Kunden besonders zu dem betreffenden Geschäft geraten hat, obwohl sie selbst dieses ja als ungünstig betrachtet, wie sich aus dem Unterlassen des Deckungsgeschäfts ergibt.
1907
Das Deckungsgeschäft ist noch für eine Reihe weiterer Fragen von rechtlicher Bedeutung. Hinzuweisen ist vor allem auf den Bereicherungs- und Schadensersatzausgleich bei nichtigen Verträgen (vgl. oben Rdn. 1847), auf die Problematik der Vornahme des Selbsteintritts und der Widerrufsmöglichkeit des Kunden (vgl. unten Rdn. 1913 f) sowie schließlich auf die Festlegung des Preises beim Selbsteintritt (vgl. unten Rdn. 1916 ff). 2. Die Vornahme des Selbsteintritts der Bank gemäß Ziff. 29 AGB a) Die rechtliche Konstruktion des Selbsteintritts
1908
Gemäß Ziff. 29 I 1 AGB führt die Bank alle Aufträge zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren, die an der Börse des Ausführungsplatzes zum amtlichen Handel zugelassen sind, durch Selbsteintritt aus, ohne daß es einer ausdrücklichen Anzeige gemäß § 405 H G B bedarf. Die rechtliche Konstruktion dieses Selbsteintritts wirft in mehrfacher Hinsicht Probleme auf. Was zunächst die Rechtsfolgen des Selbsteintritts betrifft, so ist mit der ganz h. L. davon auszugehen, daß durch die wirksame Vornahme des Selbsteintritts zwischen der Bank und dem Kunden ein den Regeln des Kaufrechts unterliegendes Rechtsverhältnis zustande kommt und daß dieses ergänzend neben die kommissionsrechtliche Beziehung und nicht etwa an deren Stelle tritt 1 1 2 . Die kommissionsrechtlichen Rechte und Pflichten der Parteien bleiben also bestehen, soweit sie nicht mit dem einschlägigen Kaufrecht unvereinbar sind, und der Kunde erlangt folglich eine Doppelstellung, die teils von Kommissionsrecht und teils von Kaufrecht " ' V g l . R G B a n k A r c h . 35, 5 4 1 ; Nußbaum aaO S. 604 f ; Schmidt-Rimpler a a O S. 1030 f ; Düringer/Hachenburg/Lehmann § 400 A n m . 63 f ; Vötter S. 50 f ; Scblegelberger/Hefermehl § 400 R d n . 26.
970
12
Vgl. z. B. allgemein z u m K o m m i s s i o n s g e s c h ä f t Schlegelberger/Hefermehl § 4 0 0 R d n . 32 u n d speziell z u r E f f e k t e n k o m m i s s i o n z. B. Schönle § 16 III.
2 . B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
III. D i e A u s f ü h r u n g des E f f e k t e n g e s c h ä f t s , insbesondere der Selbsteintritt der Bank
beherrscht wird (vgl. z. B. BGHZ 8 222, 228). Dabei nimmt die kaufrechtliche Beziehung den Platz ein, der sonst dem Ausführungsgeschäft zukommt; denn der Selbsteintritt stellt lediglich eine spezielle Form der Ausführung der Kommission dar. Wie das Zustandekommen der kaufrechtlichen Beziehung konstruktiv zu erklären 1 9 0 9 ist, ist sowohl für das Kommissionsgeschäft im allgemeinen als auch für das Effektengeschäft im besonderen umstritten. Es stehen sich im wesentlichen zwei Theorien gegenüber. Nach der ersten, die man als Vertrags- oder Angebotstheorie bezeichnen kann, gibt der Kunde zugleich mit dem Angebot über das Kommissionsgeschäft konkludent noch ein zweites Angebot über den Abschluß eines Kaufvertrags ab, das die Bank dann mit der Selbsteintrittserklärung annimmt 1 1 3 . Dieser Theorie wird indessen von ihren Kritikern mit Recht entgegengehalten, sie sei rein fiktiv und unterstelle dem Kunden eine Willenserklärung, an deren Abgabe dieser in aller Regel überhaupt nicht denke 1 1 4 . Kommt somit eine Mitwirkung des Kommittenten bei der Entstehung des kaufrechtlichen Rechtsverhältnisses nicht in Betracht, so bleibt folgerichtig nur die Möglichkeit, in der Vornahme des Selbsteintritts ein einseitiges Rechtsgeschäft zu sehen, das seine Grundlage in einem entsprechenden Gestaltungsrecht der Bank findet 1 1 4 . Diese Konstruktion wird nicht nur den Lebenstatsachen gerecht, sondern ist auch dogmatisch befriedigend, da sie das Selbsteintrittsrecht zwanglos und ohne Zuflucht bei Fiktionen in bekannte systematische Kategorien einordnet. b) Die Rechtsnatur des Selbsteintrittsrechts gemäß Ziff. 29 AGB und die Voraussetzungen des Selbsteintritts Zweifelhaft und streitig ist weiterhin, ob es sich bei dem Recht gemäß Ziff. 29 I 1910 AGB um eine besondere Ausformung des gesetzlichen Selbsteintrittsrechts nach § 400 I HGB oder um ein rechtsgeschäftliches Selbsteintrittsrecht handelt. Die h. L. nimmt ersichtlich letzteres an 1 1 5 , doch lassen sich auch für die Gegenansicht gute Gründe anführen 1 1 6 . Man könnte nämlich sagen, Ziff. 29 I AGB vermittle bei unbefangener Lektüre den Eindruck, als solle nicht eine selbständige, vom Gesetz unabhängige Rechtsgrundlage für das Selbsteintrittsrecht geschaffen werden wie bei dessen rechtsgeschäftlicher Vereinbarung, sondern als werde hier das gesetzliche Selbsteintrittsrecht des § 400 I H G B grundsätzlich vorausgesetzt und lediglich diese Form der Kommissionsausführung ein für allemal im voraus gewählt (vgl. auch O G H Z 2 81, 86 f; 4 209, 213), im übrigen aber nur die Ausübung des Rechts in gewisser Hinsicht, insbesondere bezüglich der Ausführungsanzeige modifiziert. Indessen ergibt eine genaue Lektüre der Ziff. 29 I 1 AGB doch, daß sie in ihrer Fassung einen wesentlichen Unterschied gegenüber § 400 I H G B aufweist. Während dort nämlich erforderlich ist, daß ein Börsenpreis „amtlich festgestellt wird", genügt nach Ziff. 29 I 1 AGB, daß die betreffenden Effekten „zum amtlichen Handel zugelassen sind". Darin liegt insofern ein nicht unerheblicher Unterschied, als die amtliche Kursfeststellung gemäß § 400 I HGB an dem betreffenden Börsentag auch tatsächlich vorgenommen worden sein muß 1 1 7 , wohingegen es nach dem Wortlaut von Ziff. 29 I 1 AGB ausreichen soll, daß das Papier über-
" Î Vgl. O G H Z 4, 209, 213 f; A/OÎ/CJÎNJW 1950, 53; HS Vgl. KG LZ 1911, 234; Prellberg S. 6 f und S. 12 f; Schlegelberger/Hefermehl § 400 Rdn. 23; Baumbach/Duden Anh. II § 406 H G B Anm. zu Scbönle § 17 II 3 a und c 2. Ziff. 29 AGB. 4 i ' Vgl. z. B. Prellberg S. 13; Rasmus S. 92 ff und 116 Vgl. vor allem Votier S. 39; wohl auch von Dalwigk zu Lichtenfels S. 100. S. 108; Schlegelberger/Hefermehl % 400 Rdn. 32; 117 Vgl. statt aller Schlegelberger/Hefermehl §400 Koller a a O §400 Anm. 19. Rdn. 16. C l a u s - W i l h e l m Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
haupt zum amtlichen Handel zugelassen ist. Daß darin eine Abweichung von den Voraussetzungen des § 400 I H G B liegt, läßt sich schwerlich bestreiten. Diese ist auch nicht etwa unzulässig und unwirksam, da §400 I H G B dispositiv ist 118 , wie der Umkehrschluß aus § 402 H G B ergibt; auch aus § 400 V HGB, der nach § 402 H G B zwingend ist, dürfte sich nicht ableiten lassen, daß tatsächlich eine amtliche Kursfeststellung stattgefunden haben muß, weil anderenfalls die von § 402 H G B unmißverständlich zugelassene Abdingbarkeit des § 400 I HGB im praktischen Ergebnis weitgehend wieder zurückgenommen würde 1 1 9 . Somit ist der h. L. im Ergebnis zu folgen und Ziff. 29 I AGB als rechtsgeschäftliche Vereinbarung eines tatbestandlich über § 400 I H G B hinausgehenden Selbsteintrittsrechts zu verstehen. Das hat zwar keine Bedeutung für die Rechtsfolgen, da diese beim rechtsgeschäftlichen Selbsteintrittsrecht dieselben sind wie beim gesetzlichen und da insbesondere auch die Schutzvorschriften der §§ 400 II—V, 401 f entsprechende Anwendung finden 1 2 0 , doch ist es, wie gesagt, u. U. für die Voraussetzungen des Selbsteintrittsrechts von einer gewissen Wichtigkeit. 1911
Im einzelnen bestimmen sich die Voraussetzungen des Selbsteintrittsrechts somit grundsätzlich nicht nach § 400 HGB, sondern nach Ziff. 29 I AGB. Danach ist dieses z. B. auch bei einem bloßen Geld-, Brief- oder Taxkurs grundsätzlich gegeben 121 . Das steht zwar im Gegensatz zu § 400 I HGB 1 2 2 , ergibt sich jedoch aus dem Wortlaut der Ziff. 29 I 1 AGB, die eben lediglich die Zulassung zum amtlichen Handel und nicht die Feststellung eines bestimmten Kurses zu dem maßgeblichen Zeitpunkt verlangt. Allerdings wird die Bank in derartigen Fällen kein Deckungsgeschäft an der Börse vornehmen können; folgerichtig hat sie trotz des weiten Wortlauts von Ziff. 29 I 1 auch kein Selbsteintrittsrecht, soweit sie zum Abschluß eines börsenmäßigen Deckungsgeschäfts verpflichtet ist, wie z. B. bei zum amtlichen Handel zugelassenen Aktien gemäß Ziff. 29 I 2 AGB (vgl. zu dieser Rechtspflicht im übrigen oben Rdn. 1905). Dem Selbsteintrittsrecht dürfte daher bei bloßen Geld-, Brief- oder Taxkursen kaum praktische Bedeutung zukommen. Eine Pflicht zum Selbsteintritt hat die Bank in diesen Fällen ohnehin nicht (vgl. oben Rdn. 1902).
1912
Wenn der Kurs gestrichen ist, greift zwar an sich Ziff. 29 I 1 AGB nach dem Wortlaut der Klausel ebenfalls ein, doch ist hier ein Selbsteintrittsrecht auf Grund einer restriktiven Auslegung gleichwohl grundsätzlich zu verneinen, weil es an einem Preismaßstab fehlt 1 2 3 . Außerdem dürfte hier auch § 400 V H G B — der gemäß § 402 H G B zwingend ist! — dem Selbsteintrittsrecht entgegenstehen 124 . — Bei einer Aussetzung der Notiz kommt nach Ziff. 29 II 2 nur ein Eigengeschäft in Betracht, so daß sich die Frage des Selbsteintrittsrechts von vornherein nicht stellt. Das gleiche gilt bei einer vorübergehenden Schließung der Börsen und bei noch nicht an der Börse eingeführten Papieren (vgl. oben Rdn. 1835 f m. Nachw. zur Gegenmeinung).
118
A. A. von Dalwigk zu Lichtenfels S. 110 ff. §400 Vgl. freilich a u c h Schlegelberger/Hefermehl R d n . 70 m. N a c h w . 12 ° Vgl. z. B. Schlegelberger/Hefermehl § 400 R d n . 23 a. E . u n d 72. 121 Vgl. Prellberg S. 6 ; a. A., v o n seinem S t a n d p u n k t hinsichtlich d e r R e c h t s n a t u r des Selbsteintrittsr e c h t s f o l g e r i c h t i g , Vötter S. 3 7 ; von Dalwigk zu Lichtenfels S. 100 f ; vgl. f e r n e r die bei Schütz Bankgeschäftliches Formularbuch, Anm. 2 zu 119
972
Z i f f . 29 A G B mitgeteilte a b l e h n e n d e Stellungn a h m e des B W M . 122 Vgl. d a z u z. B. R G Z 34, 117, 121 f ; Nußbaum J W 1914, 18 f ; Schlegelberger/Hefermehl §400 R d n . 10 m . w. N a c h w . 123 Vgl. Prellberg S. 7 ; i. E. a u c h Nußbaum aaO S. 6 1 1 ; Schütz a a O A n m . 7. 4 '2 Vgl. a u c h Düringer/Hachenburg/Lehmann § 400 A n m . 5 6 ; Schlegelberger/Hefermehl § 400 R d n . 70.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Die Ausführung des Effektengeschäfts, insbesondere der Selbsteintritt der Bank
c) Das 'Wirksamwerden des Selbsteintritts und der Widerruf des Kommissionsauftrags Der Zeitpunkt, zu dem der Selbsteintritt der Bank wirksam wird, ist zweifelhaft und 1913 umstritten. Sicher ist allerdings auf Grund der unmißverständlichen Formulierung von Ziff. 29 I 1 AGB, daß es einer ausdrücklichen Anzeige i. S. von § 405 I HGB nicht bedarf. Die Wirksamkeit dieser Regelung ist nicht zu bezweifeln; § 405 I H G B ist dispositiv, wie der Umkehrschluß aus § 405 II HGB ergibt, und überdies besteht auch von der Sache her insoweit kein Schutzbedürfnis, weil auf Grund von Ziff. 29 I 1 AGB ja von vornherein feststeht, daß die Bank die Kommission im Wege des Selbsteintritts durchführen wird. Gleichwohl nimmt die h. L. an, daß der Selbsteintritt grundsätzlich erst mit dem Zugang einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Kunden wirksam wird, wobei diese Erklärung i. d. R. in der Ausführungsanzeige liegen soll 125 . Das scheint auf den ersten Blick in Widerspruch zur Regelung der Ziff. 29 I 1 AGB zu stehen. Man kann indessen diese Klausel auch so lesen, daß sie lediglich das — nach § 405 I HGB an sich bestehende — Erfordernis der Ausdrücklichkeit abdingt und die Wahl zwischen Ausführung für fremde Rechnung und Selbsteintritt ein für allemal im voraus trifft, nicht aber auch die Abgabe der Ausführungsanzeige überflüssig macht. Für eine solche Interpretation spricht nicht zuletzt auch Ziff. 29 IV AGB, wonach die „Fassung der Ausführungsanzeige in allen Fällen ohne Bedeutung" ist; hier wird doch offenbar vorausgesetzt, daß eine Ausführungsanzeige erfolgen soll. Nimmt man die „Unklarheitenregel" bzw. den Grundsatz der „Auslegung gegen den Aufsteller" hinzu, so wird man sagen müssen, daß Ziff. 29 I 1 AGB der Lösung der h. L. nicht entgegensteht. Insbesondere enthält nicht etwa schon Ziff. 29 I AGB selbst die Erklärung des Selbsteintritts, so daß dieser schon mit dem Abschluß des Kommissionsvertrags vollzogen wäre 1 2 6 ; denn das wäre mit dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen der Bank unvereinbar, da diese Gelegenheit haben muß, zunächst die Möglichkeit eines entsprechenden Deckungsgeschäfts zu klären. Andererseits folgt aber aus Ziff. 29 I AGB auch nicht, daß die h. L. unbedingt richtig sein muß. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich vielmehr lediglich, daß Ziff. 29 AGB eine Regelung hinsichtlich des Zeitpunkts des Selbsteintritts nicht enthält. Dieser richtet sich folglich nach den allgemeinen Grundsätzen. Danach aber wird eine Willenserklärung gemäß § 130 BGB grundsätzlich erst mit dem Zugang wirksam; das gilt unabhängig davon, ob man hinsichtlich des Zustandekommens des Selbsteintritts der Vertragstheorie oder der Theorie der einseitigen Gestaltungserklärung folgt (vgl. dazu oben Rdn. 1909). Auf den Zugang kommt es allerdings dann nicht an, wenn die Voraussetzungen des § 151 BGB erfüllt sind. Das hat der O G H in der Tat bejaht und daraus den Schluß gezogen, daß die Vornahme des Selbsteintritts auch schon vor dem Zugang der Ausführungsanzeige liegen und insbesondere in dem Abschluß eines Deckungsgeschäfts oder in einem Buchungsvorgang gesehen werden könne 1 2 7 . Dem ist jedenfalls hinsichtlich der Vornahme des Deckungsgeschäfts grundsätzlich zuzustimmen. Abgesehen von den sonst entstehenden Unbilligkeiten in der Frage des Widerrufsrechts (vgl. dazu unten Rdn. 1914) erscheint nämlich allein diese Lösung lebensgerecht. Denn kein Kunde kann vernünftigerweise erwarten, daß die kaufvertragliche Verpflichtung der Bank erst mit dem Zugang der Ausführungsanzeige zustande kommt '25 Vgl. Modest N J W 1950, 54; Vötter S. 40 ff; Rasmus S. 105 und 114 ff; Schlegelberger/Hefermehl § 405 Rdn. 19; Schönle § 17 II 3 c 2. Allgemeine Ansicht; vgl. z. B. O G H Z 4, 216; Schlegelberger/Hefermehl § 405 Rdn. 19.
127
Vgl. O G H Z 4, 214 f; ebenso i. E. Prellberg S. 49 ff; a. A. von Dalwigk zu Lichtenfels S. 99; Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 4 0 6 Rdn. 65.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
und daß die Bank dementsprechend die sich aus dem zwischenzeitlich getätigten Dekkungsgeschäft ergebenden Risiken so lange selbst trägt. Der Kunde wird denn auch in aller Regel den Empfang der Anzeige nicht als eine erst jetzt erfolgende Willenserklärung über den Geschäftsabschluß verstehen, sondern als das, als was die Anzeige in der Tat in aller Regel formuliert ist: eine rein deklaratorische Mitteilung über einen bereits vorher erfolgten und bereits vorher für beide Seiten verbindlichen Geschäftsschluß. Das gilt um so mehr, als der Kunde sich normalerweise über die Besonderheiten der Durchführung im Wege des Selbsteintritts gar keine Gedanken machen, sondern davon ausgehen wird, daß die Bank „seinen" Auftrag an der Börse erledigt. Da aber andererseits die Banken ihrerseits das Effektengeschäft unzweifelhaft spätestens mit der Vornahme des Deckungsgeschäfts als getätigt und verbindlich ansehen, besteht kein Anlaß, an der Feststellung des O G H zu zweifeln, daß ein Zugang der Selbsteintrittserklärung hier nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist. Das gleiche wird man allerdings nicht hinsichtlich einer internen Buchung der Bank (ohne zugehöriges Deckungsgeschäft) sagen können, da zum einen insoweit eine Verkehrssitte wesentlich schwerer festzustellen sein dürfte und da zum anderen hierbei für die Bank auch Manipulationsmöglichkeiten entstehen könnten. 1914
Praktische Bedeutung hat die Frage, wann der Selbsteintritt der Bank wirksam wird, vor allem f ü r die Problematik des Widerrufs durch den Kunden. Nach Ziff. 3 1 1 AGB gelten briefliche Aufträge ohne zeitliche Beschränkung grundsätzlich bis auf Widerruf, längstens aber bis zum letzten Börsentag des betreffenden Monats. Ist bis zu diesem Tag ein Widerruf nicht erfolgt, so kann und muß die Bank nach der hier vertretenen Auffassung den Auftrag auch dann noch ausführen, wenn die Ausführungsanzeige erst später zugeht oder sogar erst später abgesandt wird. Das entspricht auch der Praxis der Banken und dem mutmaßlichen Parteiwillen. Die h. L. müßte in einem derartigen Falle den Auftrag dagegen als erloschen ansehen, weil nach ihrer Konstruktion der Selbsteintritt erst nach dem Monatsultimo wirksam wird — ein wenig sachgerechtes Ergebnis, mit dem vermutlich weder die Bank noch der Kunde rechnen werden. Zu noch unbilligeren Ergebnissen kommt die h. L. bei einem Widerruf nach Ausführung des Deckungsgeschäfts. Allerdings ist nicht zu bezweifeln, daß dem Kunden grundsätzlich ein Widerrufsrecht zusteht. Das ergibt sich aus §§ 675, 627 BGB bzw., wenn man das Effektenkommissionsgeschäft entgegen der hier vertretenen Ansicht (vgl. oben Rdn. 1822) als auf eine Werkleistung gerichteten Geschäftsbesorgungsvertrag ansieht, aus §§ 675, 649 BGB. Außerdem hat der Kunde gemäß § 405 III H G B das Recht, zwar nicht den Kommissionsauftrag als solchen, wohl aber das Recht des Kommissionärs zum Selbsteintritt so lange zu widerrufen, als dieser nicht die Ausführungsanzeige zur Absendung gegeben hat. Danach scheint es so, als könnte der Kunde in der Zeit zwischen der Vornahme des Deckungsgeschäfts und der Absendung der Ausführungsanzeige noch wirksam widerrufen. Das ist in der Tat die Ansicht der h. L. 128 . Diese Theorie, die zu den Vorstellungen und Erfordernissen der Bankpraxis in krassem Widerspruch steht, kann schon deshalb nicht richtig sein, weil sie zu untragbaren Ergebnissen führt. Da nämlich die Bank aus technischen und organisatorischen Gründen die Ausführungsanzeige unmöglich immer sofort nach der Vornahme des Dekkungsgeschäfts absenden kann, ergäbe sich bei Zugrundelegung der h. L. für den Kunden die Möglichkeit, zu Lasten der Bank zu spekulieren: er könnte die Kursentwick128 Vgl. Vötter S. 52 f; Rasmus S. 117 Fn. 1; von Dalwigk zu Lichtenfels S. 91; Schlegelherger/ Hefermehl § 405 Rdn. 25 f; Schönle § 17 II 3 c 2 a. E., der zwar § 405 III H G B „restriktiv interpre-
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tieren" will, jedoch gleichwohl den Widerruf bis zum „Zugehen der empfangsbedürftigen Eintrittserklärung" zuläßt.
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III. D i e A u s f ü h r u n g d e s E f f e k t e n g e s c h ä f t s , i n s b e s o n d e r e d e r S e l b s t e i n t r i t t d e r B a n k
lung an dem betreffenden Börsentag abwarten und dann bei einem seinen Erwartungen nicht entsprechenden Ergebnis unmittelbar nach Feststellung des Kurses telephonisch seinen Auftrag gegenüber der Bank widerrufen. Anders als bei einem sonstigen Kommissionsgeschäft könnte die Bank dieser Gefahr beim Effektengeschäft nicht dadurch entgegenwirken, daß sie nunmehr einfach das Deckungsgeschäft zum Ausführungsgeschäft deklariert mit der Folge, daß es als für Rechnung des Kunden abgeschlossen anzusehen ist und daß dieser somit der Bank die gemachten Aufwendungen ersetzen muß 1 2 9 ; denn gemäß Ziff. 29 I AGB steht hier ja von vornherein fest, daß die Bank die Kommission durch Selbsteintritt erledigen will und daß somit ein von ihr aus diesem Anlaß vorgenommenes Geschäft stets für eigene Rechnung und nicht für Rechnung des Kunden erfolgt und mithin kein Ausführungsgeschäft sein kann. Man könnte daher allenfalls mit einer Arglisteinrede gemäß § 242 BGB helfen, doch ist dieser Ausweg wenig befriedigend, weil er dogmatisch gesehen eine Verlegenheitslösung darstellt und weil er überdies auch praktisch gesehen zumindest dann nicht gangbar erscheint, wenn der Kunde nicht von vornherein auf Kosten der Bank spekulieren wollte, sondern erst nachträglich — aus welchen Gründen auch immer — auf den Gedanken des Widerrufs verfallen ist. Man kann es aber auch nicht einfach bei dem Ergebnis der h. L. bewenden lassen und dieses mit der Erwägung zu rechtfertigen suchen, wenn die Bank die Vorteile des Selbsteintritts in Anspruch nehme, müsse sie auch die damit verbundenen Nachteile tragen 1 3 0 ; dann der hier in Frage stehende Nachteil einer Widerrufsmöglichkeit nach Vornahme des Deckungsgeschäfts stellt nicht etwa die folgerichtige „Kehrseite" der Vorteile des Selbsteintritts — wie z. B. der verminderten Rechenschaftspflicht — dar, sondern steht mit diesen außer jedem Zusammenhang. Daher ist der Widerruf nach Vornahme des Deckungsgeschäfts generell als unzulässig anzusehen 1 3 1 . Konstruktiv läßt sich dieses Ergebnis zwar nicht mit einer Auslegung von Ziff. 29 AGB begründen, da diese Klausel eine Abdingung von § 405 III H G B nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen läßt, wohl aber mit einer entsprechenden Auslegung von § 405 III HGB. Nach allgemeinen Grundsätzen ist nämlich der Widerruf eines Auftrags nach dessen Durchführung nicht mehr möglich (vgl. auch oben Rdn. 353). Die Durchführung erfolgt hier aber im Wege des Selbsteintritts, und dieser ist, wie in der vorhergehenden Anmerkung dargelegt, bereits mit der Vornahme des Deckungsgeschäfts wirksam vollzogen. § 405 III H G B ist daher nicht anwendbar, da die Vorschrift einschränkend dahin zu interpretieren ist, daß sie nur dann eingreift, wenn das Selbsteintrittsrecht im Augenblick des Widerrufs noch bestand, nicht aber auch dann, wenn es bereits durch seine Ausübung erloschen war. D a f ü r spricht sowohl die Wortlautinterpretation, da § 405 III H G B sagt, das Selbsteintrittsrecht stehe dem Kommissionär nach dem Widerruf „nicht mehr" zu, und damit offenbar voraussetzt, daß es bis zu dem Widerruf noch bestand, als auch die teleologisch-systematische Auslegung, da nicht einzusehen ist, aus welchem Grund § 405 III H G B den oben erwähnten allgemeinen Grundsatz über die zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts so kraß zum Nachteil des Kommissionärs mißachten sollte. Der Ansicht, wonach ein bereits erklärter Selbsteintritt seine Wirkung verliert, wenn vor der Absendung der Ausführungsanzeige dem Kommissionär ein Widerruf des Kommittenten zugeht 1 3 2 , ist daher zumindest für den Fall nicht zu folgen, daß das Kommissionsgeschäft von vornherein nur im Wege des Selbsteintritts durchgeführt werden sollte. Denn hier scheidet, wie dargelegt, die 29
G e g e n diese M ö g l i c h k e i t in d e r T a t f o l g e r i c h t i g Schlegelberger/Hefermehl § 405 R d n . 26 a. E . ; vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g f e r n e r Koller aaO § 405 A n m . 18.
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Vgl. a b e r Rasmus S. 115. Vgl. a u c h O G H Z 4, 209, 217; Prellberg S. 50 f f ; Schinnerer/Avancini I I I S. 279 f. Vgl. Schlegelberger/Hefermehl § 405 R d n . 23.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
Möglichkeit, den Auftrag noch als einfaches Kommissionsgeschäft abzuwickeln und so die Kosten des Deckungsgeschäfts von dem Kunden zu liquidieren, aus, und daher würde sich der Widerruf in einem solchen Falle nicht allein auf die Möglichkeit des Selbsteintritts beschränken, wie das § 405 III H G B offensichtlich und sinnvollerweise voraussetzt, sondern zugleich das Kommissionsgeschäft als ganzes hinfällig machen; das aber wäre nicht nur im Ergebnis grob unbillig, sondern, wie gesagt, auch mit den sonst allgemein anerkannten Grenzen der Widerrufsmöglichkeit bei Geschäftsbesorgungsaufträgen unvereinbar. Die Beweislast für die Vornahme des Deckungsgeschäfts hat die Bank. Denn wenn sie gegenüber einem Widerruf des Kunden geltend macht, sie habe bereits ein Dekkungsgeschäft abgeschlossen, so stellt das der Sache nach eine (rechtsvernichtende) Einwendung gegen das Widerrufsrecht dar, und deren Voraussetzungen muß nach allgemeinen Beweislastregeln die Bank dartun und im Bestreitensfalle beweisen. Die (abweichenden) Grundsätze über die Beweislast im Rahmen der Rechenschaftspflicht (vgl. dazu unten Rdn. 1917) lassen sich daher auf den vorliegenden Zusammenhang nicht übertragen. 3. Preisbestimmung und Nebenpflichten der Bank beim Kommissionsgeschäft 1915
Der wichtigste Grund für die Bank, vom einfachen Kommissionsgeschäft auf das Kommissionsgeschäft mit Selbsteintritt bzw. auf das Eigengeschäft überzugehen, liegt in der dadurch erreichten Verminderung der Rechenschaftspflichten 133 . Während den Kommissionär nämlich beim einfachen Kommissionsgeschäft gemäß § 384 II H G B eine umfassende Rechenschaftspflicht trifft, beschränkt sich diese beim Selbsteintritt nach der Vorschrift des § 400 II H G B auf den Nachweis, daß bei dem berechneten Preise der zur Zeit der Ausführung der Kommission bestehende Börsenpreis eingehalten worden ist; dadurch läßt sich insbesondere die Notwendigkeit vermeiden, über das vorgenommene Ausführungs- bzw. Deckungsgeschäft abzurechnen. Als Zeit der Ausführung gilt nach § 400 II 2 grundsätzlich der Zeitpunkt der Absendung der Ausführungsanzeige. Liegt die Vornahme des Deckungsgeschäfts und damit das Wirksamwerden des Selbsteintritts (vgl. oben Rdn. 1913) wesentlich früher und läßt sich für den Augenblick der Absendung kein Börsenkurs ermitteln, so ist der letzte noch einigermaßen im Rahmen liegende Kurs aus der Zeit vor der Absendung der Ausführungsanzeige als maßgeblicher Kurs i. S. des § 400 II H G B anzusehen 1 3 4 . a) Die gesetzlichen Bestimmungen über das Verbot des Kursschnitts
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Die Verminderung der Rechenschaftspflichten bringt die Gefahr mit sich, daß die Bank das Deckungsgeschäft zu einem für sie günstigeren Kurs als dem amtlichen Börsenkurs vornimmt, mit dem Kunden aber gleichwohl nach dem letzteren abrechnet. Einen solchen Kursschnitt sucht das Gesetz durch die Vorschriften der §§ 400 III—V, 401 f H G B zu verhindern. Die Anwendbarkeit des § 400 III HGB ist allerdings zweifelhaft. Nach dieser Vorschrift dürfte der von der Bank berechnete Preis für den Kunden nicht ungünstiger sein als der Schlußkurs, wenn die Bank die Ausführungsanzeige erst nach Börsenschluß abgesandt hat. Nun senden aber die Banken die Ausführungsanzeigen in aller Regel erst nach Börsenschluß ab und können aus technischen und organisatorischen Gründen, zumal an Tagen mit hohen Umsätzen, auch kaum anders 133 Vgl. auch Nußbaum a a O S. 602 und S. 609; noch weitergehend von Dalwigk zu Lichtenfels S. 101, der darin sogar den einzigen G r u n d sieht.
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" « Vgl. O G H Z 2, 81, 89; 4, 209, 218.
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III. D i e Ausführung des Effektengeschäfts, insbesondere der Selbsteintritt der B a n k
verfahren. Die Anwendung des § 400 III H G B würde daher für die Banken zu erheblichen Nachteilen führen, da sie einerseits dem Kunden stets den günstigeren Schlußkurs in Rechnung stellen müßten, andererseits aber nicht etwa auch ihrerseits ohne weiteres zu diesem abrechnen dürfen, sondern den Auftrag schnellstens und bestens ausführen und also das Deckungsgeschäft schon zum ersten Kurs oder zum Einheitskurs vornehmen müssen; die Banken trügen also das Risiko einer für sie ungünstigen Entwicklung des Schlußkurses uneingeschränkt und müßten daher notwendig Verluste machen, da sie ja die Vorteile eines für sie günstigeren Schlußkurses nicht in Anspruch nehmen können. Dementsprechend lassen die Banken § 400 III H G B bei ihrer Abrechnung außer Betracht. Im Schrifttum wird diese Praxis ganz überwiegend gebilligt 135 . Dem ist zuzustimmen. Allerdings wird man wohl kaum eine gewohnheitsrechtliche Derogierung des § 400 III H G B annehmen können 1 3 6 , weil zum einen die Möglichkeit gesetzwidrigen Gewohnheitsrechts in einer parlamentarischen Demokratie rechtsquellentheoretisch und verfassungsrechtlich äußerst zweifelhaft ist und weil zum anderen zumindest auf Seiten der Kunden auch gar nicht der erforderliche Derogierungswille, sondern schlichte Unkenntnis der Regelung des § 400 III H G B vorliegt. Die Unanwendbarkeit des § 400 III H G B läßt sich jedoch mit Hilfe einer „Restriktion" oder „teleologischen Reduktion" begründen. Der Sinn dieser Vorschrift kann nämlich vernünftigerweise nur darin liegen, den Kommittenten davor zu schützen, daß der Kommissionär die Absendung der Ausführungsanzeige bis zur Feststellung des Schlußkurses hinauszögert und so zu Lasten des Kommittenten spekuliert. Diese Gefahr besteht hier aber gar nicht, weil die Bank keinen Spielraum für eine Verzögerung der Absendung hat und diese in aller Regel überhaupt nicht eher vornehmen kann. Paßt somit aber die ratio legis des § 400 III hier nicht, so hat die Vorschrift außer Anwendung zu bleiben, zumal sie ohnehin rechtspolitisch sehr fragwürdig und daher eng auszulegen ist. Außer Frage steht demgegenüber die Anwendbarkeit des § 401 HGB. Danach hat 1917 die Bank die Pflicht zur Berechnung eines günstigeren Preises, sofern sie einen solchen erzielen konnte oder bei der Vornahme des Deckungsgeschäfts tatsächlich erzielt hat. Die praktische Bedeutung dieser Regelung ist allerdings insofern verhältnismäßig gering, als die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 401 den Kunden trifft 1 3 7 . Das ergibt sich schon daraus, daß anderenfalls die Beschränkung der Rechenschaftspflicht gemäß § 400 II HGB hinfällig würde. Es ist aber darüber hinaus auch nach allgemeinen Beweislastregeln folgerichtig. Zwar ist zuzugeben, daß der Kunde den ihm obliegenden Beweis häufig nicht wird führen können, weil er keinen hinreichenden Einblick in die Interna der Geschäftsabwicklung bei der Bank hat, doch kann man gleichwohl nicht die Beweislast unter Hinweis auf den „Sphärengedanken" einfach zu Lasten der Bank umkehren; denn eine solche Beweislastumkehr unter Sphärengesichtspunkten kommt zwar hinsichtlich der Verschuldensfrage oder der Kausalität, nicht aber auch hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragsverletzung in Betracht, und allein um letztere geht es, wenn der Kunde geltend macht, die Bank hätte einen günstigeren Preis erzielen können oder tatsächlich erzielt. Daß diese 135
Vgl. Nußbaum aaO S. 614 f; Schmidt-Rimpler aaO S. 1041; Prellberg S. 21 ff; Scblegelberger/ Hefermebl § 400 Rdn. 68 und Anh. nach § 406 Rdn. 78; von Dalwigk zu Lichtenfels S. 83 f; Koller a a O § 400 Anm. 23 und 28, der jedoch die Außerachtlassung von § 400 III H G B auf das unerläßliche Minimum zu beschränken sucht; anders noch KG LZ 1911, 234, 235, das mit § 400 III H G B ernst zu machen versucht.
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So auch Koller aaO § 400 Anm. 28; a. A. Prellberg S. 23 f. Vgl. R G Z 96, 4, 7; Nußbaum aaO S. 617; Schmidt-Rimpler a a O S. 1038; Düringer/Hachenburg/Lehmann §401 Anm. 15; Scblegelberger/ Hefermehl §401 Rdn. 16 und Anh. nach §406 Rdn. 93; Prellberg S. 38; von Dalwigk zu Lichtenfels S. 88 ff; Koller a a O § 401 Anm. 6.
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16. Abschnitt. D a s E f f e k t e n g e s c h ä f t
Beweislastverteilung f ü r den Kunden unbefriedigend ist und daß daraus insbesondere die Gefahr von Kursschnitten entstehen kann, läßt sich nicht leugnen, ist aber de lege lata mit den Mitteln des Privatrechts nicht zu verhindern. Im übrigen sollte man diese Gefahren auch nicht überschätzen 1 3 8 . Vor allem ist zu bedenken, daß bei allen Werten, die nur zum Einheitskurs gehandelt werden, ein Kursschnitt von vornherein grundsätzlich nicht in Betracht kommt. b) Der maßgebliche Kurs bei Aufträgen über Effekten mit variablen Notierungen 1918
Anders liegt es insoweit allerdings bei Effekten, die zu variablen Notierungen zugelassen sind. Hier eröffnet sich für die Bank in der Tat u. U. die Möglichkeit des Kursschnitts, zumal i. d. R. die Uhrzeiten für die verschiedenen Kurse nicht festgehalten werden. Die Gefahren vermindern sich allerdings dadurch, daß die Bank grundsätzlich verpflichtet sein dürfte, alle zu Börsenbeginn vorliegenden Aufträge — und das ist die große Mehrzahl — zum ersten Kurs abzuwickeln' 3 9 . Denn im Zweifel ist ein Auftrag „schnellstens" durchzuführen, und da der erste Kurs dem Kunden eine ähnliche Sicherheit bietet wie der Einheitskurs, wird dessen Interesse i. d. R. auf eine Durchführung zum ersten Kurs gerichtet sein. Dieser ist also bei Aufträgen, die ihrer Größenordnung nach im variablen Verkehr abgewickelt werden können und die der Bank rechtzeitig erteilt worden sind, als der „zur Zeit der Ausführung bestehende Börsenpreis" i. S. der Rechenschaftspflicht gemäß § 400 II H G B anzusehen, und folglich liegt die Darlegungs- und Beweislast bei der Bank, wenn sie zu einem späteren Kurs abrechnen will; sie muß dann also dartun, daß sie das Deckungsgeschäft erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen hat und warum sie dazu bei sachgerechter Interessenwahrnehmung berechtigt war — z. B. wegen der begründeten H o f f n u n g auf eine für den Kunden günstige Kursentwicklung. Der Kunde ist also bei einer Auftragserteilung vor Börsenbeginn gegenüber einem Kursschnitt verhältnismäßig gut geschützt. Etwas geringere Sicherheit besteht insoweit allerdings bei Aufträgen, die erst während der Börsenzeit erteilt werden und denen nicht die Ausführung zu einem bestimmten Kurs, wie z. B. dem Einheitskurs oder dem Schlußkurs vorgeschrieben ist, doch sind auch hier den Möglichkeiten eines Kursschnitts insofern sehr enge Grenzen gesetzt, als die Bank derartige Aufträge grundsätzlich schnellstens, also zum nächstmöglichen festgestellten Kurs ausführen muß 1 4 0 .
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Weitere Schwierigkeiten ergeben sich allerdings aus der Tatsache, daß nur Aufträge einer bestimmten Größenordnung und eines Mehrfachen davon, also z. B. Aufträge in der H ö h e von nominell D M 3000,— (bzw. D M 6000, — , 9000,—, 12 000,— usw.), im variablen Handel abgewickelt werden können. Kleinere Aufträge sowie die „Spitzen" der größeren Aufträge (also z. B. von einem Auftrag über nominell 11 000,— D M eine „Spitze" von 2000,— D M , wenn im variablen Handel nur Aufträge von jeweils 3000,— D M gehandelt werden können) werden daher grundsätzlich nach dem Einheitskurs abgerechnet. N u n hat die Bank aber die Möglichkeit, mehrere kleine Aufträge u n d / o d e r Spitzen zusammenzufassen und auf diese Weise auch für solche Aufträge, die an sich nicht im variablen Verkehr abgewickelt werden könnten, Deckungsgeschäfte im variablen Verkehr vorzunehmen. H a t sie das getan und hat sie dabei einen günstigeren Kurs als den Einheitskurs erzielt, so ist sie nach § 401 II H G B verpflichtet, diesen Vorteil an den Kunden weiterzugeben. Überdies liegt es nahe, noch weiterzuge1 38 Vgl. dazu auch Rasmus S. 125 ff. 139 Vgl. auch Rasmus S. 128 f; Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 406 Rdn. 90.
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Vgl. auch Rasmus S. 129 f.
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III. D i e A u s f ü h r u n g d e s E f f e k t e n g e s c h ä f t s , i n s b e s o n d e r e d e r S e l b s t e i n t r i t t d e r B a n k
hen und der Bank gemäß § 401 I H G B sogar grundsätzlich die Rechtspflicht aufzuerlegen, soweit wie möglich kleinere Posten zusammenzufassen und zu versuchen, im variablen Verkehr günstigere Bedingungen zu erzielen. Hier ergibt sich nun freilich für den Kunden das Beweisproblem. Denn ob die Bank Aufträge zusammenfassen konnte bzw. zusammengefaßt hat, läßt sich ohne Einblick in ihren Geschäftsbetrieb nicht mit Sicherheit sagen, und dem Kunden einen solchen Einblick zu gewähren, ist die Bank auf Grund von § 400 II H G B eben gerade nicht verpflichtet. Immerhin wird man in manchen Fällen mit dem prima-facie-Beweis helfen können wie z. B., wenn einer Großbank für einen T a g mit lebhaften Umsätzen ein Auftrag über einen vielgehandelten Standardwert erteilt worden ist. Außerdem wird man grundsätzlich ein hinreichendes Indiz für ein rechts- und pflichtwidriges Verhalten der Bank darin sehen können, daß diese Kleinaufträge nur dann zum Einheitskurs abwickelt, wenn dieser für den Kunden ungünstiger ist als der sonst in Betracht kommende Kurs (also insbesondere der erste Kurs), im übrigen aber auch Kleinaufträge zu variablen Notierungen abrechnet mit der Begründung, sie habe mehrere Aufträge zusammengefaßt. Legt die Bank aber bei allen Kleinaufträgen ausnahmslos den Einheitskurs zugrunde, unabhängig davon, ob der Kurs des Deckungsgeschäfts für sie günstiger oder ungünstiger war, so ist das zwar im Hinblick auf § 401 H G B nicht unbedenklich, doch besteht bei einer solchen Praxis wenigstens nicht die Gefahr des Kursschnitts, da die Bank dann selbst ein echtes Kursrisiko trägt; aus diesem Grunde erscheint es sogar erwägenswert, bei einem derartigen Verfahren der Bank die Vorschrift des § 401 HGB, deren primäres Ziel ja die Verhinderung von Kursschnitten ist, auf Grund einer „Restriktion" oder „teleologischen Reduktion" außer Anwendung zu lassen 141 — ähnlich wie § 4 0 1 unanwendbar ist, wenn die Bank das Deckungsgeschäft erst nach Absendung der Ausführungsanzeige vornimmt 1 4 2 oder wenn die Bank bei einer festen Weisung des Kunden gemäß § 400 IV das Deckungsgeschäft zu einem anderen Kurs vorgenommen hat 1 4 3 . c) Die Wahl des Ausführungsplatzes Die Gefahr von Kursschnitten droht auch im Zusammenhang mit der Wahl des 1 9 2 0 Ausführungsplatzes. T r o t z der Möglichkeit von Arbitragegeschäften, die sehr wesentlich zu einer raschen Ausgleichung von Kursdifferenzen an den verschiedenen Börsenplätzen beitragen 1 4 4 , kommen nämlich nicht selten unterschiedliche Notierungen an den einzelnen Orten zustande, und daher könnte die Bank dem Kunden u. U. einen ungünstigeren Kurs als den in Wahrheit erzielten in Rechnung stellen mit der Begründung, sie habe das Deckungsgeschäft aus irgendwelchen Gründen an einer anderen Börse vorgenommen und dort nur zu einem schlechteren Kurs abschließen können. Eine derartige Praxis ist für den Kunden wegen der Beweisschwierigkeiten kaum aufzudecken. Um so wichtiger ist es, die Bank bei der Wahl des Ausführungsplatzes an gewisse Regeln zubinden. Die Klausel der Ziff. 30 I AGB, wonach die Bank „mangels anderweitiger Weisung die Wahl des Ausführungsplatzes trifft", ist daher einschränkend dahin zu interpretieren, daß die Bank die Wahl nach pflichtgemäßem Ermessen — und nicht etwa nach freiem Belieben — vorzunehmen hat 1 4 5 ; das ergibt sich insbe141
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A b l e h n e n d Schlegelberger/Hefermehl Anh. nach § 406 R d n . 91. Vgl. z . B . Prellberg S. 3 2 ; Schlegelberger/Hefermehl § 401 R d n . 9 ; Koller a a O § 4 0 1 A n m . 8. Vgl. d a z u a u c h Rasmus S. 129 Fn. 2, d e r allerdings einen „ e i n d e u t i g e n W i d e r s p r u c h " z w i s c h e n § 400 I V u n d § 401 II b e h a u p t e t u n d dabei ü b e r sieht, d a ß dieser W i d e r s p r u c h n u r s c h e i n b a r b e s t e h t u n d d a ß in W a h r h e i t § 4 0 0 I V als lex spe-
Cialis d e m 5 401 II v o r g e h t ; w i e hier i. E. a u c h von Dalwigk zu Lichtenfels S. 87 f ; a. A . Schlegelberger/Hefermehl A n h . n a c h § 406 R d n . 92. >44 Vgl. d a z u a u c h Kuhn N J W 1973, 833 ff. l
B. Delorme
Die W e r t p a p i e r s a m m e l b a n k e n ,
1970, S. 57 f f ; Pleyer/Schleiffer D B 1972, 80. 2 " Vgl. z. B. Opitz §§ 6 - 8 A n m . 2 3 ; Zöllner in K ö l n e r K o m m , z u m A k t G , 1973, § 123 R d n . 25 f m. w. N a c h w .
264 Vgl. d a z u a u c h Zöllner F e s t s c h r . f ü r R a i s e r , 1974, S. 249 f f ; Brink S. 67 ff u n d S. 77 f f ; Hueck/ Canaris R e c h t d e r W e r t p a p i e r e " § 1 I I I ; Peters S. 125 f f ; LüttickeS. 130 ff.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
sich nichts näher, als durch einen Verzicht auf die Verkörperung des Rechts auch juristisch die Konsequenzen aus der eingetretenen Entwicklung zu ziehen und so den Rationalisierungsbestrebungen der Banken vollends entgegenzukommen. Dem steht allerdings de lege lata die rechtliche Ausgestaltung des deutschen Effektenwesens entgegen, da dieses auf dem System des Wertpapierrechts aufgebaut und da dementsprechend sowohl die — für den Effektenverkehr unerläßliche — Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs als auch die Anwendung des Depotgesetzes grundsätzlich auf Wertpapiere beschränkt ist.
2042
Um gleichwohl den angestrebten Rationalisierungseffekt zu erreichen, ist man auf den Ausweg verfallen, die Vielzahl von Effekten kleinster Stückelung durch eine Sammelurkunde zu ersetzen und diese zum Gegenstand der Verwahrung zu machen; dadurch kann man einerseits am Sachcharakter der verbrieften Rechte festhalten und sich andererseits die Kosten für den Druck und die Verwahrung riesiger Mengen von Urkunden gleichwohl sparen. Diese Lösung hat nun zwar durch § 9 a DepG eine gesetzliche Anerkennung gefunden (vgl. näher unten Rdn. 2126), doch stellt sie dogmatisch gesehen zweifellos einen „faulen Kompromiß" mit der Tradition und eine Verschleierung des in Wahrheit angestrebten Rechtszustandes dar. Eine solche Urkunde hat nämlich keine vernünftige Funktion mehr und könnte ebensogut durch eine entsprechende Eintragung in den Büchern der Bank, also durch einen reinen Buchungsakt ersetzt werden. Insbesondere ist die Urkunde nicht etwa zur Wahrung des Publizitätsprinzips und als Grundlage des gutgläubigen Erwerbs erforderlich. Denn da sie in aller Regel für immer im Tresor der Bank verschwindet und den Effektenerwerbern niemals zu Gesicht kommt, gewährleistet sie in keiner Weise eine Steigerung der Verkehrssicherheit; die Gefahr, daß eine Bank zu Unrecht das Bestehen eines Guthabens behauptet und entsprechende Verfügungen vornimmt, wird jedenfalls durch das Vorhandensein der Urkunde nicht nennenswert herabgesetzt, da diese keine wesentlich bessere Kontrollmöglichkeit bietet als die Buchungsunterlagen. Auch für die D o k u mentation der Rechtsentstehung ist die Sammelurkunde überflüssig, da auch hierfür die Buchungen in Verbindung mit den erforderlichen staatlichen Hoheitsakten wie z. B. der Eintragung ins Handelsregister bei der Ausgabe von Aktien oder der Genehmigung gemäß § 795 BGB bei der Emission von Anleihen voll ausreichen. Nimmt man schließlich noch hinzu, daß das Recht auf Auslieferung einzelner Stücke in den Emissionsbedingungen abbedungen werden kann (vgl. unten Rdn. 2133), so handelt es sich im Grunde um eine verdeckte Anerkennung von unverbrieften Effekten 2 6 5 und deren gleichzeitige — einer Fiktion nahekommende — Unterstellung unter die Normen für Sachen. Es wäre daher nur folgerichtig, wenn man noch einen Schritt weiterginge und auf das Erfordernis einer Verkörperung der Effekten gänzlich verzichtete. Das hat der Gesetzgeber jedoch bisher nur hinsichtlich der Schuldbuchforderungen getan (vgl. dazu unten Rdn. 2052 ff), und es fragt sich daher, ob diese Lösung über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus verallgemeinerungsfähig ist.
2043
Das wird in der T a t von Opitz bejaht und mit der von ihm entwickelten sogenannten Wertrechtslehre begründet (vgl. § 42 Anm. 12 mit umf. Hinweisen auf seine früheren einschlägigen Arbeiten S. 448 f). Als „Wertrechte" bezeichnet Opitz „unverbrieft gebliebene Anteils- oder Gläubigerrechte, die einem Sammelverwahrer im Sinne des Depotrechts zur Sammelverwahrung (Sammelverwaltung) anvertraut sind" (vgl. a a O S. 446). Diesen Rechten spricht Opitz „sachenrechtlichen Charakter" oder „quasidinglichen Charakter" zu (vgl. a a O S. 448 bzw. S. 452) und folgert daraus, daß sowohl das Z u s t i m m e n d Schlegelberger/Hefermehl a. E . ; ä h n l i c h f e r n e r z . B . Zöllner
1032
R d n . 299 Festschr. f ü r
R a i s e r , 1974, S. 2 5 8 ; a b l e h n e n d Schönte v o r a.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
§ 21 II 6
V. D e r Effektengiroverkehr und verwandte
Erscheinungen
Depotgesetz als auch die §§ 929 ff BGB grundsätzlich auf sie anwendbar sind; das soll nicht nur dann gelten, wenn es wie im Falle der Schuldbuchforderungen gesetzlich besonders bestimmt ist, sondern auch für den „freien Wertrechtsverkehr", worunter Opitz den „stückelosen Effektengiroverkehr" versteht, „der ohne eine entsprechende depotrechtliche Sonderregel von der Praxis gehandhabt wird" (vgl. aaO S. 450). Den Kern seiner Begründung bildet dabei der Hinweis auf den Treuhandcharakter der Rechtsstellung des Verwahrers; vor allem in der Gewährung der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 Z P O und des Aussonderungsrechts gemäß § 43 K O zugunsten des Treugebers werde der „quasidingliche Charakter" des Wertrechts deutlich (vgl. z. B. aaO Anm. 9 = S. 443 und BankArch. 41 38; 42 199; Z K W 1950 105 und 368; 1953 322). Die Wertrechtslehre wird im Schrifttum einmütig abgelehnt 266 . Bei ihrer Würdi- 2 0 4 4 gung ist zunächst festzustellen, daß der Begriff des Wertrechts eine sinnvolle Bereicherung der juristischen Terminologie darstellt. Denn er bezeichnet ein Phänomen, das in der Tat eine besondere rechtliche Stellung einnimmt, und das daher einer eigenständigen Kennzeichnung bedarf, und er bezeichnet dieses Phänomen in einigermaßen prägnanter Weise, da in dem Wort „Wertrecht" sowohl die Verwandtschaft mit dem Wertpapier (durch den Wortteil „Wert") als auch der in der Unverbrieftheit liegende wesentliche Unterschied zu diesem (durch den Gegensatz von -recht zu -papier) anklingt. Im übrigen hat sich der Terminus auch bereits so sehr eingebürgert, daß er auch aus diesem Grund beibehalten werden sollte 267 . Dabei sollte allerdings entgegen der Meinung von Opitz das Merkmal, daß das fragliche Recht „einem Sammelverwahrer im Sinne des Depotrechts zur Sammelverwahrung (Sammelverwaltung) anvertraut" ist (vgl. die in der vorigen Rdn. wiedergegebenen Definition), nicht schon in den Begriff des Wertrechts aufgenommen werden. Denn charakteristisch ist allein die Tatsache, daß es sich um ein unverbrieftes Recht handelt, das dieselbe Funktion wie Effekten (i. e. S.) erfüllt (vgl. auch oben Rdn. 1815 ff). Es wäre daher z. B. zumindest theoretisch denkbar, daß der Inhaber einer großen Zahl von Wertrechten derselben Art diese nicht in Sammel-, sondern in Sonderverwaltung gibt, d. h. z. B. auf einem eigenen Konto buchen und nur über dieses abrechnen läßt. Außerdem beruht die Verknüpfung des Wertrechtsbegriffs mit der Sammelverwahrung bei Opitz auf seiner Ableitung des Wertrechts aus dem Treuhandverhältnis — und gerade diese ist verfehlt, wie noch zu zeigen sein wird. Statt des Begriffs Wertrecht kann man auch den Begriff Bucheffekten verwen- 2 0 4 5 den 2 6 8 . Es handelt sich dabei um eine sinnvolle Parallelbildung zu dem aus dem bargeldlosen Zahlungsverkehr bekannten Begriff des Buchgeldes. Ebenso wie dieser bringt auch der Begriff der Bucheffekten die essentielle Bedeutung der Bankbuchung zum Ausdruck und macht dadurch zugleich deutlich, daß nur diese und nicht eine Sache — sei es Papiergeld, sei es ein Wertpapier — insoweit die faktisch entscheidende Grundlage des Rechtsverkehrs bildet. Der Begriff ist dabei ebenso wie der des Wertrechts allein durch die Merkmale der fehlenden Verbriefung und der Funktionsgleichheit mit den Effekten i. e. S. zu bestimmen; daß die Rechte durch eine Wertpapiersammelbank verwaltet werden müssen, gehört nicht in die Definition, zumal der darin liegende AusVgl. BüchnerS. 171 f f ; Fabricws A c P 162, 464 f f ; WesselyWU 1969, 1095; Körner S. 97 ff ; Pleyer/ Schleiffer D B 1972, 7 9 ; Schönle § 2 1 II 6 v o r a ; Heinsius/Hom/Than § 42 R d n . 2 8 ; Brink S. 73 f ; Peters S. 103 f ; Lütticke S. 202 ff.
267
Vgl. a u c h Büchner S. 194 f Fn. 114 m. u m f . N a c h w . ; seither z . B . Fabricius A c P 162, 462 f ; Tegethoff S. 124; Pleyer/Schleiffer D B 1972, 7 9 ; Koller D B 1972, 1906; Körner S. 9 7 ff. 268 Vgl. v o r allem Stüdemann B u c h e f f e k t e n S. 13 u n d S. 58 ff.
Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
Schluß einer Verwaltungsmöglichkeit durch andere Banken rechtlich jedenfalls unzweckmäßig, wenn nicht sogar unhaltbar ist. Als Gegenbegriff zu den Bucheffekten kann man den Terminus Briefeffekten bilden, um die Effekten im herkömmlichen Sinne des Wortes zu bezeichnen. 2046
Die (modifizierte) Übernahme der Terminologie von Opitz bedeutet keineswegs, daß ihm auch hinsichtlich der Rechtsnatur der Wertrechte zu folgen ist. Deren Qualifizierung als Sachenrechte oder „quasidingliche" Rechte ist vielmehr geradezu abwegig. Verfehlt ist zunächst schon der Hinweis von Opitz auf die Treuhandstellung der verwaltenden Bank. Denn es steht außer jeder Frage, daß auch eine Forderung Gegenstand eines Treuhandverhältnisses, also „Treugut" sein kann, und es steht ebenso außer Frage, daß auch hinsichtlich einer Forderung die Drittwiderspruchsklage und das Aussonderungsrecht gegeben sein können. Es ist daher völlig unverständlich, warum aus dem treuhänderischen Charakter der Rechtsstellung der Bank die Verwandlung eines obligatorischen in ein dingliches Recht folgen soll; die Rechtsnatur des Treugutes bleibt vielmehr durch das Bestehen des Treuhandverhältnisses völlig unberührt — wie ja denn auch noch niemand auf den Gedanken gekommen ist, dem Treuhandkonto die Rechtsnatur einer Forderung abzusprechen und es statt dessen als dingliches Recht anzusehen. Unerheblich ist es dabei folgerichtig, ob man — wie Opitz — eine Vollrechtstreuhand oder — wie die h. L. — lediglich eine Ermächtigungstreuhand annimmt 269 . Die Treuhandkonstruktion ist vielmehr als solche für die Bestimmung der Rechtsnatur der Wertrechte unbrauchbar. Es kommt hinzu, daß die Qualifizierung der Wertrechte als Sachenrechte oder „quasidingliche Rechte" zu unerträglichen Wertungswidersprüchen führt. Opitz hat nämlich völlig übersehen, daß nicht einmal die Wertpapiere notwendigerweise dingliche Rechte verkörpern. So ändert sich z. B. dadurch, daß eine Forderung in einer Inhaberschuldverschreibung verbrieft wird, nicht das geringste an deren schuldrechtlichem Charakter, und ebensowenig verkörpert etwa ein Wechsel oder ein Scheck ein dingliches oder ein „quasidingliches" Recht. Wenn aber das in einer Inhaberschuldverschreibung verbriefte Recht nicht dinglicher Natur ist, dann kann es das entsprechende „Wertrecht", das sich von jenem ja nur durch das Fehlen der Verkörperung in einer Urkunde unterscheidet, erst recht nicht sein. Folglich liegen auch alle Versuche, die Problematik des Effektenverkehrs in unverbrieften Rechten durch eine Relativierung oder Modifizierung des Begriffs des dinglichen Rechts zu lösen 270 , von vornherein neben der Sache.
2047
Die Beispiele der Inhaberschuldverschreibung und des Schecks machen nun freilich zugleich klar, daß es in Wahrheit gar nicht um die Dinglichkeit der Wertrechte, sondern um die Anwendbarkeit sachenrechtlicher Vorschriften geht und daß das zwei durchaus verschiedene Fragen sind 270a ; denn obwohl die Wertpapiere z. T. rein obligatorische Rechte verbriefen, unterstehen sie doch weitgehend, insbesondere was ihre Übertragung und die Rechtszuständigkeit angeht, sachenrechtlichen Regeln, und das gilt nicht nur für das Papier selbst, sondern auch für das darin verkörperte Recht: das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier. Es ist also nach geltendem Recht durchaus möglich, daß ein obligatorisches Recht den Vorschriften des Sachenrechts 269
U n r i c h t i g d a h e r i n s o w e i t die K r i t i k v o n Büchner S. 175, d e r die eigentlichen M ä n g e l d e r A n s i c h t v o n Opitz g a r n i c h t in den Blick b e k o m m t ; ihm w e i t g e h e n d f o l g e n d a b e r Heinsius/Horn/Than § 42 R d n . 2 8 ; ä h n l i c h a u c h Peters S. 102 f, a u c h w e n n er O p i t z a n d e r s i n t e r p r e t i e r t als B ü c h n e r .
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270
270a
Vgl. v o r allem Fahricius A c P 162, 456, 467 f f ; ihm f o l g e n d Körner S. 105 f f ; a. A. d e lege lata Schönte § 21 II 6 v o r a. Z u s t i m m e n d Brink S. 7 4 ; Peters S. 104.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Der Effektengiroverkehr und verwandte Erscheinungen unterliegt. D a z u ist es nicht einmal erforderlich, daß dieses R e c h t verkörpert und d a d u r c h mit einer S a c h e verbunden ist; das zeigt z. B. die V o r s c h r i f t des § 1154 III B G B , w o n a c h die Ü b e r t r a g u n g einer F o r d e r u n g , die durch eine B u c h h y p o t h e k gesichert ist, durch E i n i g u n g und E i n t r a g u n g nach § 873 B G B erfolgt. D i e in der vorigen R d n . geübte Kritik an d e m dogmatischen F u n d a m e n t der Wertrechtslehre bedeutet also nicht notwendig, daß auch deren Ergebnisse zu verwerfen sind. Vielmehr bedarf es insoweit einer erneuten unvoreingenommenen P r ü f u n g , die nicht mehr von der — hier inadäquaten — systematischen K a t e g o r i e der Dinglichkeit a u s z u g e h e n hat, sondern nach den maßgeblichen teleologischen Kriterien f ü r die Unterstellung obligatorischer Rechte unter V o r s c h r i f t e n des Sachenrechts f r a g e n muß. Insoweit könnte m a n nun g e g e n die Wertrechtslehre zunächst einwenden, die A n w e n d u n g der sachenrechtlichen Übertragungsvorschriften und insbesondere die hier v o r allem b e d e u t s a m e Möglichkeit des gutgläubigen E r w e r b s setzten d a s V o r l i e g e n eines entsprechenden Publizitätstatbestandes v o r a u s und d a r a n fehle es bei den „Wertrechten", weil sie nicht verkörpert sind. N ä h e r e r Ü b e r p r ü f u n g hält dieser E i n w a n d indessen nicht stand. E s hat sich nämlich erwiesen, daß die Publizität s o g a r bei den Briefeffekten keineswegs durch den Besitz an der U r k u n d e , sondern in Wahrheit durch die B u c h u n g s a k t e der B a n k e n gewährleistet wird (vgl. oben R d n . 2 0 2 2 und 2 0 2 7 ) , und in dieser Hinsicht bestehen bezüglich der B u c h e f f e k t e n keinerlei Unterschiede, da j a auch bei ihnen die maßgeblichen R e c h t s v o r g ä n g e durch eine B u c h u n g dokumentiert werden. Allerdings haben die publizitätsbegründenden A k t e wie die Ü b e r g a b e und die E i n t r a g u n g in den gesetzlich geregelten Fällen grundsätzlich konstitutive W i r k u n g in dem Sinne, daß sie unerläßliche V o r a u s s e t z u n g des R e c h t s ü b e r g a n g s sind, und d a s kann m a n hinsichtlich der B u c h u n g e n nicht s a g e n 2 7 1 . D e n n die B u c h u n g e n sind nur eines unter mehreren möglichen Mitteln, um den R e c h t s ü b e r g a n g zu verlautbaren. S o w ä r e die Ü b e r t r a g u n g eines Miteigentumsanteils zweifellos auch dann wirksam, wenn die W e r t p a p i e r s a m m e l b a n k auf einen entsprechenden A u f t r a g hin dem Ü b e r w e i s e n d e n und d e m Begünstigten mitteilt, der Anteil stünde jetzt d e m letzteren zu. D e n n dann ist ihr Wille z u r V o r n a h m e der E i n i g u n g und zur U m s t e l l u n g des Besitzmittlungsverhältnisses hinreichend in Erscheinung getreten und der R e c h t s ü b e r g a n g d a h e r eingetreten; die Ä n d e r u n g der K o n t e n und des D e p o t b u c h s hätten dann nur berichtigenden C h a rakter. Ein gewisser d o g m a t i s c h e r Unterschied zwischen der Gutschrift einerseits und den sachenrechtlichen Akten der E i n t r a g u n g b z w . d e r Ü b e r g a b e andererseits ist also nicht zu leugnen: jene ist nur eines unter mehreren rechtstechnischen Mitteln z u r V e r lautbarung der R e c h t s ä n d e r u n g , dem nur aus praktischen G r ü n d e n und nicht von G e s e t z e s w e g e n eine Sonderstellung z u k o m m t , w o h i n g e g e n diese durch die R e c h t s o r d nung zu konstitutiven V o r a u s s e t z u n g e n des R e c h t s ü b e r g a n g s erhoben w o r d e n sind. D e m entspricht es, d a ß die E i n t r a g u n g und der Besitz nach §§ 891, 1006 B G B die gesetzliche V e r m u t u n g der Rechtsinhaberschaft nach sich ziehen, w ä h r e n d dies f ü r die B u c h u n g als solche nicht gilt. Indessen ist äußerst zweifelhaft, ob ein solcher verhältnismäßig g e r i n g f ü g i g e r U n t e r s c h i e d , der z u d e m mehr konstruktiver als teleologischer N a t u r ist und sich in der praktischen Wirklichkeit des Rechtslebens k a u m auswirken dürfte, f ü r sich allein ausreicht, um die von der Wertrechtslehre v o r g e s c h l a g e n e Rechtsfortbildung zu verhindern. Weitaus gravierender ist d a g e g e n der Hinweis auf die S c h r a n k e n der Privatautonomie. D a s Sachenrecht ist nämlich grundsätzlich z w i n g e n d e r N a t u r , und d a h e r unter271 Vgl. auch Koller D B 1972, 1907; anders Fabricius A c P 162, 483 und wohl a u c h Opitz S a m m e l b a n d S. 520 f sowie Körner S . 116, die von einer „ k o n -
stitutiven" bzw. „ g e s t a l t e n d e n " W i r k u n g der B u c h u n g sprechen, o h n e j e d o c h diesen vieldeutigen Begriff näher zu definieren.
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16. Abschnitt. D a s E f f e k t e n g e s c h ä f t
liegt es nicht der freien Bestimmung der Parteien und des Privatrechtsverkehrs, ob sachenrechtliche Normen Anwendung finden oder nicht; so ist es z. B. nicht möglich, die Übertragung eines Rechts durch bloße Parteivereinbarung an die Eintragung ins Grundbuch zu knüpfen. Folgerichtig gilt für diejenigen Wertpapiere, die sachenrechtlichen Regeln unterliegen, also für die sogenannten „Wertpapiere öffentlichen Glaubens", das Prinzip des numerus clausus: ihr Kreis kann nicht durch privatautonome Rechtsschöpfung erweitert werden. Diese Begrenzung aber würde in eindeutig gesetzeswidriger Weise unterlaufen, wenn man hinsichtlich der „Wertrechte" anders entschiede. Folglich können diese jedenfalls dann nicht nach Sachenrecht behandelt werden, wenn das auch im Falle ihrer Verbriefung nicht möglich wäre. Das hat z. B., was Opitz nicht hinreichend berücksichtigt, wesentliche Bedeutung für die Frage, ob der Jungscheingiroverkehr nach sachenrechtlichen Normen abgewickelt werden kann oder nicht (vgl. näher unten Rdn. 2064 f). 2048
Damit ist der Wertrechtslehre jedoch nicht nur eine unübersteigbare Schranke gezogen, sondern zugleich auch ein weiter Anwendungsbereich eröffnet 2 7 l a . Die soeben herausgearbeitete Begrenzung hat nämlich auch ihre Kehrseite: sofern das fragliche Recht im Falle seiner Verbriefung sachenrechtlichen Grundsätzen unterliegt, bestehen gegen eine Unterstellung der entsprechenden „Wertrechte" unter die Regeln des Sachenrechts keine grundlegenden teleologischen Einwände. Es bleibt allenfalls das systematische Argument, daß die Buchung nicht im selben Sinne konstitutiv ist wie die Eintragung bzw. die Ubergabe, doch wiegt dieses Bedenken, wie schon gesagt, nicht schwer, weil die Buchung heute faktisch die Funktion des Besitzes übernommen hat und man den Unterschied zwischen der faktischen und der gesetzlichen Funktionszuweisung bei einer Rechtsfortbildung, um die es hier ja geht, vernachlässigen kann. Nicht stichhaltig ist ferner der rechtsquellentheoretische Einwand, daß es für die Anwendung sachenrechtlicher Vorschriften einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe 2 7 2 . Sofern damit die Möglichkeit einer Rechtsfortbildung im Bereich des Sachenrechts überhaupt geleugnet werden soll, wäre eine solche Ansicht spätestens seit der Diskussion um das Anwartschaftsrecht überholt; soweit damit die Zulässigkeit einer Unterstellung von obligatorischen Rechten unter die Regeln des Sachenrechts als de lege lata systemwidrig abgelehnt werden soll, sind derartige Bedenken bereits oben Rdn. 2047 widerlegt worden; und soweit damit schließlich vor einem Verstoß gegen Grundprinzipien des Sachenrechts wie das Publizitätsprinzip oder das numerus-clausus-Prinzip gewarnt werden soll, ist auch dazu bereits das Notwendigste gesagt worden. Methodisch ist dabei so vorzugehen, daß diejenigen Vorschriften, die für die betreffenden Wertpapiere die Geltung des Sachenrechts anordnen, analog auf die entsprechenden Wertrechte angewendet werden mit der Begründung, daß die Verbriefung insoweit ihren ursprünglichen Sinn verloren hat und durch die Buchung funktionell ersetzt worden ist.
2049
Mit der gleichen Überlegung läßt sich auch die analoge Anwendung des Depotgesetzes begründen. Dabei gilt freilich dieselbe Einschränkung wie hinsichtlich der Geltung sachenrechtlicher Regeln: nur wenn das betreffende Recht im Falle seiner Verbriefung dem Depotgesetz unterfiele, kommt eine Analogie zu dessen Vorschriften in Betracht. Denn anderenfalls würde man auf dem Umweg über die Wertrechtslehre die Anwendung des Depotgesetzes in Fällen „erschleichen", auf die es seiner klaren Fassung nach nicht anwendbar ist. Im übrigen kann man auch nur mit Hilfe dieser Einschränkung Zustimmend Brink S. 80.
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m Vgl. z. B. Pleyer/Schleifter DB 1972, 79; Schönle § 21 II 6 vor a; Lütticke S. 210; wohl auch Peters S. 135 f. 2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Der Effektengiroverkehr und verwandte
Erscheinungen
dem — sonst wohl kaum zu widerlegenden — argumentum e contrario aus § 42 DepG entgehen. Indem nämlich der Gesetzgeber dort die Anwendbarkeit des Depotgesetzes auf andere „Wertpapiere, Beteiligungen oder Gläubigerrechte" von einer besonderen Verordnung abhängig macht, gibt er zu erkennen, daß er eine schrankenlose Gleichstellung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung keinesfalls will. Man muß daher § 42 DepG einen eigenständigen Anwendungsbereich belassen, will man sich nicht dem Vorwurf des contra-legem-Judizierens aussetzen. Eine zusammenfassende Würdigung der „Wertrechtslehre" ergibt ein sehr zwiespäl- 2 0 5 0 tiges Bild. Auf der einen Seite hat sich ihr dogmatisches Fundament als völlig unhaltbar erwiesen (vgl. oben Rdn. 2046). Auf der anderen Seite bleibt es das Verdienst der „Wertrechtslehre", die Entwicklung vom Briefeffektenverkehr zum Bucheffektenverkehr und den damit verbundenen Funktionsverlust des Wertpapiers richtig erkannt zu haben (vgl. oben Rdn. 2040) und sich um die Überwindung des so entstandenen Bruchs zwischen den rechtstatsächlichen Gegebenheiten und der dogmatischen Konstruktion bemüht zu haben. Was die Ergebnisse anbetrifft, so geht die „Wertrechtslehre" in ihrer bisherigen Formulierung insofern zu weit, als sie die Anwendung der Vorschriften des Sachenrechts und des Depotgesetzes nicht ausschließt, wenn diesen nicht einmal das entsprechende Papier unterfiele (vgl. oben Rdn. 2046 Abs. 2). Im übrigen, d. h. für diejenigen Rechte, für die im Falle ihrer Verbriefung das Sachenrecht und das Depotgesetz anwendbar sind, läßt sich dagegen entgegen der h. L. wegen der Funktionsgleichheit von Verbriefung und Buchung eine analoge Anwendung der Sachen- und depotrechtlichen Normen auf die entsprechenden Wertrechte befürworten. Ob freilich heute noch ein starkes praktisches Bedürfnis für die Wertrechtslehre 2051 besteht, erscheint nach der Anerkennung der Sammelurkunde durch § 9 a DepG zweifelhaft, da den Rationalisierungsinteressen bereits dadurch weitgehend Rechnung getragen ist 273 . Gewißheit darüber kann aber nur die Zukunft bringen. Insbesondere bleibt zu bedenken, daß die vollständige „Entstückung" des Effektenwesens, wie sie mit der „Wertrechtslehre" verbunden ist, den internationalen Effektengiroverkehr u. U. wesentlich erleichtern könnte 2 7 4 . b) Der Schuldbuchgiroverkehr Die Rechtsgrundlagen des Schuldbuchgiroverkehrs gehen auf mehrere Verordnun- 2 0 5 2 gen aus der Zeit des zweiten Weltkriegs zurück. Zunächst führte das Reich mit der VO vom 5. 1. 1940 (RGBl. I S. 30) die Möglichkeit der Sammelverwaltung von Schuldbuchforderungen ein, um den Verwaltungsaufwand für die Reichsschuldbuchforderungen zu verringern; diese konnte das Reich statt Inhaberschuldverschreibungen auf Grund des Reichsschuldbuchgesetzes vom 31. 10. 1910 (RGBl. I S. 840) und der VO über die Änderung des RSchuldBG vom 17.11. 1939 (RGBl. I S. 2298) als Anleihen begeben. Es erwies sich aber bald, daß dies nur eine halbe Lösung war. Zum einen war nämlich störend, daß Schuldbuchforderungen und Inhaberschuldverschreibungen des Reichs nicht ohne weiteres in einem gemeinsamen Sammeldepot verwaltet werden 273 Vgl. a u c h Büchner S. 228 f f ; Mayer F e s t s c h r . f ü r K ä s t n e r , 1972, S. 2 9 8 ; Pleyer/Scbleiffer D B 1972, 80. 274
Vgl. Opitz § 42 A n m . 11 a. E . ; Ziganke WM 1971, 983 f f ; Pleyer/Schleiffer D B 1972, 80 Fn. 3 1 ; vgl. im ü b r i g e n z u r P r o b l e m a t i k des g r e n z ü b e r schreitenden Effektenverkehrs Ziganke WM 1961, 226 f f ; Kabel Z f K 1969, 816 f f ; Heinsius
Z f K 1971, 21 f f ; Bremer D i e A G 1972, 3 6 5 ; Kumpel Z K W 1973, 170 ff u n d 213 f f , W M 1976, 942 ff u n d 1980, 2 ff sowie BuB 8 / 1 2 4 f f ; Brink S. 107 f f ; Grathwohl S. 62 f f ; Horn D a s R e c h t d e r i n t e r n a t i o n a l e n A n l e i h e n , 1972, S. 242 ff, insb e s o n d e r e S. 245 f ; Coing W M 1977, 4 6 6 f f ; Drobnig F e s t s c h r . f ü r Z w e i g e r t , 1981, S. 71 ff.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft konnten, und zum anderen war die Stellung der Gläubiger von Schuldbuchforderungen trotz der Sammelverwaltung insofern wesentlich schlechter als die der Gläubiger von Inhaberschuldverschreibungen, als jene im Gegensatz zu diesen nach den Regeln des Zessionsrechts übertragen wurden mit der Folge, daß es die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs nicht gab. Angesichts der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der beiden Anleiheformen schien daher auch eine rechtliche Gleichstellung geboten. Diese erfolgte durch die Verordnungen vom 31. 12. 1940 (RGBl. I 1941 S. 21) und vom 1 8 . 4 . 1 9 4 2 (RGBl. I S. 183). Der Gesetzgeber bediente sich dabei in § 2 der beiden Verordnungen des Mittels der Fiktion und ordnete einfach an, daß zu einem Sammelbestand gehörende Schuldbuchforderungen bzw. Anteile an solchen den Inhaberschuldverschreibungen bzw. den Anteilen an diesen „gleichstehen". Diese Regelungen gelten gemäß $ 1 I des Anleihegesetzes vom 29. 3. 1951 (BGBl. I S. 218) sinngemäß für Schuldbuchforderungen gegen den Bund und gemäß Art. 2 des Änderungsgesetzes zum Depotgesetz vom 24. 5. 1972 (BGBl. I S. 802) auch für Schuldverschreibungen auf Grund von Anleihen der Länder und für in die Schuldbücher der Länder eingetragene Anleiheforderungen. Sie sind auch auf die Schatzanweisungen der Bundesbahn und der Bundespost anzuwenden (vgl. Bek. vom 8. 7. 1963, BGBl. I S. 462). Die drei Verordnungen des Reiches haben daher auch heute noch aktuelle Bedeutung. Eine besonders wichtige Spielart der Bundesschuldbuchforderungen sind dabei die Bundesschatzbriefe 2 7 5 . 2053
Die rechtliche Bedeutung der Gleichstellungsfiktion sieht die h. L. darin, daß die Schuldbuchforderungen „zur beweglichen Sache geworden" sein sollen (vgl. B G H Z 5 27, 31 und 35); sie seien daher „verdinglicht", es bestehe an ihnen ein „fiktives Miteigentum" und sie seien durch Einigung und Übertragung des „fiktiven Mitbesitzes" zu veräußern 2 7 6 . Solche Vorstellungen sind indessen ein methodologischer Anachronismus, da sie das Wesen einer Fiktion verkennen. Mit dieser soll nämlich nicht etwa eine Gleichheit von Gesetzes wegen herbeigeführt werden, die in Wirklichkeit gar nicht besteht, sondern nur eine Rechtsfolgeanordnung getroffen werden: es handelt sich um nicht mehr als um eine verdeckte Verweisung auf einen bestimmten Normenkomplex bzw. um die Anordnung der analogen Anwendung dieser Vorschriften 2 7 7 . Diese Erkenntnis ist auch im vorliegenden Zusammenhang fruchtbar zu machen. Die Schuldbuchforderungen sind daher mitnichten „zur beweglichen Sache geworden". Vielmehr sind lediglich die Rechtssätze über bewegliche Sachen auf sie anzuwenden — und auch das nicht unmittelbar, sondern nur sinngemäß.
2054
Das hat dogmatische Folgen vor allem für die Rechtsnatur der Schuldbuchforderungen. Diese sind nämlich keineswegs als Sachenrechte anzusehen 2 7 8 und werden auch nicht „verdinglicht" 2 7 9 , sondern behalten ihren Charakter als schuldrechtliche Forderungen. Das ergibt sich im übrigen auch schon allein daraus, daß ja sogar die Verkörperung in einer Inhaberschuldverschreibung nichts am schuldrechtlichen Charakter des verbrieften Rechts ändert (vgl. auch oben Rdn. 2046 Abs. 2).
2055
Im übrigen bestimmen sich die Rechtsfolgen im wesentlichen durch eine sinngemäße Anwendung der Sachen- und depotrechtlichen Vorschriften. Das bedeutet z. B., 275 V g l . Mite, der B u n d e s b a n k vom 27. 11. 68, BAnz. N r . 224 sowie im übrigen näher Wessely W M 1969, 1094 f f ; Schönte § 2 1 II 6 a. 276 V g l . z. B. Opitz § 42 Anm. 12 B = S. 448, w o vom „sachenrechtlichen C h a r a k t e r des W e r t r e c h t s " die R e d e ist; vgl. ferner Büchner S. 97, 201 und ö f t e r ; Wessely W M 1969, 1097; Körner S . 121 f f ; Schönle
1038
Vgl. z. B. Esser'Wert und B e d e u t u n g der Rechtsfiktionen, 1940, S . 26 f f ; Larenz Methodenlehre der R e c h t s w i s s e n s c h a f t , 4. Aufl. 1979, S . 245 ff. " 8 S o aber z. B. Opitz a a O . 2 7 9 S o aber Schönle a a O , der die widersinnige V o r Stellung einer „ V e r d i n g l i c h u n g d u r c h ( ! ) S a m m e l Verwahrung" vertritt. 277
§ 21 II 6 a ; Peters S . 117 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Der Effektengiroverkehr und verwandte Erscheinungen daß die Übertragung der sammelverwalteten Schuldbuchforderungen bzw. des Anteils an dieser weder nach § 398 bzw. § 413 B G B durch schlichte Einigung noch nach § 9 2 9 B G B durch Einigung und Übertragung des „fiktiven mittelbaren Mitbesitzes" erfolgt 2 8 0 , sondern analog § 929 B G B durch Einigung und Buchung; denn die Buchung hat hier die Funktion übernommen, die bei Sachen dem Besitz zukommt, und gewährleistet insbesondere die Publizität 2 8 1 . Die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs ist analog 932 ff B G B gegeben 2 8 2 . Zum einen lag nämlich hierin das eigentliche Ziel der Gleichstellungsfiktion (vgl. oben Rdn. 2052), und zum anderen ist durch die Buchung auch eine hinreichende Publizitätsgrundlage und ein entsprechender Scheintatbestand gegeben. Auch die Vorschriften des Depotgesetzes sind analog anzuwenden. S o besteht z. B. 2 0 5 6 die Möglichkeit eines gesetzlichen Erwerbs durch Eintragung im Verwahrungsbuch gemäß § 24 II D e p G . D e r Miteigentümergemeinschaft nach § 6 D e p G entspricht eine Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger an der Schuldbuchforderung. Diese sind in Übernahme der Terminologie der V O vom 5. 1. 1940 als „Anteilsgläubiger" zu bezeichnen. Die Wertpapiersammelbank ist folglich grundsätzlich nicht Inhaberin der von ihr verwalteten Schuldbuchforderung, da diese gemäß oder analog § 6 I 1 D e p G bzw. auf Grund entsprechender rechtsgeschäftlicher Übertragungsakte den einzelnen Anteilsgläubigern zusteht 2 8 3 . Demgemäß beruht die Treuhandstellung der Wertpapiersammelbank auch hier nicht auf einer Vollrechtstreuhand, sondern lediglich auf einer Ermächtigungstreuhand, weil als materielle Inhaber der Schuldbuchforderung die einzelnen „Anteilsgläubiger" anzusehen sind und die Wertpapiersammelbank daher nur „Buchgläubigerin" und „Einziehungsermächtigte" ist 2 8 4 . Im übrigen ist die Reichweite der Gleichstellungsfiktion jeweils im Hinblick auf die 2 0 5 7 fragliche Norm gesondert zu prüfen und zu bestimmen. Im Zweifel ist dabei aber die Anwendbarkeit der Vorschriften über Sachen zu bejahen 2 8 5 . Die Gleichstellung hat nämlich den Zweck, Schuldbuchforderungen ebenso „sicher" und ebenso „wertvoll" wie Inhaberschuldverschreibungen zu machen, und dem wird man nur gerecht, wenn man den Schutzbereich grundsätzlich ebenso weit zieht wie bei letzteren, d. h. wie bei Sachen. Demgemäß ist z. B. die analoge Anwendung des § 823 I B G B zu b e j a h e n 2 8 6 ; denn der Inhaber eines Miteigentumsanteils an Briefeffekten genießt — ebenso wie ein Alleineigentümer — den Schutz des § 823 I B G B (vgl. auch unten Rdn. 2 1 6 1 ) , und daher darf der Anteilsgläubiger einer Schuldbuchforderung folgerichtig nicht schlechter stehen.
c) Der Jungscheingiroverkehr D e r Jungscheingiroverkehr findet im Zusammenhang mit der Emission von W e r t - 2 0 5 8 papieren, insbesondere von Aktien und Obligationen statt. E r hat dabei im wesentlichen die Funktion, schon vor dem D r u c k und der Ausgabe der Urkunden, die häufig S. 122 f ; So aber z. B. Büchner S. 2 0 1 ; Kömer Peters S. 117. 2 8 1 Vgl. auch Fabricius A c P 162, 481 f. 282 Vgl. auch Opitz Sammelband S. 520 f ; Büchner S. 2 0 1 ; Fabricius a a O S. 4 8 2 ; Kömer S. 117; Koller D B 1972, 1906 f ; Heinsius/Hom/Than §42 Rdn. 32 m. w. N a c h w . ; Peters S. 118; Kumpel BuB 8/116. 2 8 3 Vgl. auch Büchner S. 159 ff; Heinsius/Hom/Than § 4 2 Rdn. 3 1 ; i . A . Tegethoff a a O (Fn. 258) S. 122. 280
284 Das ist heute h. L., vgl. z. B. Büchner S. 159 ff und S. 168 f ; Schönle § 21 II 6 a ; Heinsius/Hom/Than § 42 Rdn. 23 und 25 m. w. N a c h w . ; Peters S. 72 f, und 104 f und 119 f; Kumpel BuB 8/113. « 5 Vgl. auch Büchners. 196 f f ; Kümpel B u B 8/115; zurückhaltend B G H Z 5, 27, 31, wo es heißt, die Fiktion gelte „mindestens soweit es sich um die verwahrungsrechtliche Behandlung handelt". 2 8 ' Vgl. auch Büchner S. 2 0 2 ; Fabricius A c P 162, 482 Fn. 8 3 ; Körner S. 130.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft erst eine verhältnismäßig lange Zeit nach der Zeichnung und der Bezahlung des Bezugspreises erfolgt, die eingesetzten Kapitalien wirtschaftlich nutzbar und „mobil" zu machen. D a dieses Ziel auch durch Ausstellung einer Sammelurkunde zu erreichen sein dürfte, ist es zweifelhaft, ob der Jungscheingiroverkehr nach Erlaß des § 9 a D e p G noch seine frühere praktische Bedeutung behalten wird. 2059
Die Technik des Jungscheingiroverkehrs baut ebenso wie der Effektengiroverkehr und der Schuldbuchgiroverkehr auf der Institution der Kassenvereine auf. Sie ist dementsprechend grundsätzlich ebenso ausgestaltet und beruht insbesondere auch auf dem System der Wertpapierschecks und sonstigen Anweisungspapiere (vgl. oben Rdn. 2008); das kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß § 37 II A G B der Kassenvereine (abgedruckt unten Rdn. 2066) auf die Bedingungen für Verfügungen über Sammelbestandteile verweist. Als Besonderheit tritt der sogenannte Jungschein hinzu. Dieser stellt ein Schreiben des Emittenten dar, in dem dieser sich dem Kassenverein gegenüber unwiderruflich verpflichtet, die Wertpapiere oder einen Teil von ihnen nach ihrem Erscheinen unmittelbar an die Wertpapiersammelbank zu liefern. Sobald die Emissionsbank bzw. das führende Institut des Emissionskonsortiums den Jungschein und einen Nachweis über die beschlossene und genehmigte Ausgabe der Wertpapiere bei dem Kassenverein einreicht, eröffnet dieser gemäß § 33 A G B ein entsprechendes Konto, und der Jungscheingiroverkehr kann beginnen.
2060
Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten sind unterschiedlicher Natur. Was zunächst das Rechtsverhältnis zwischen der Wertpapiersammelbank und dem Emittenten betrifft, so liegt ihm in aller Regel kein Kausalvertrag zugrunde. Das ist von Bedeutung für die Rechtsnatur des Jungscheins. Folgerichtig wird man nämlich das in diesem enthaltene Versprechen, die Urkunden unmittelbar an die Wertpapiersammelbank zu liefern, nur als abstraktes Schuldversprechen i. S. von § 780 B G B ansehen können 2 8 7 . Der Jungschein stellt folglich kein Wertpapier dar — und zwar weder i. S. des Wertpapierrechts noch i. S. von § 1 D e p G . Das Zustandekommen des Schuldversprechens dürfte am sachgerechtesten so zu konstruieren sein, daß die Emissionsbank das Angebot des Emittenten als dessen Botin der Wertpapiersammelbank überbringt und daß diese es durch die Eröffnung des Jungscheingirokontos konkludent gemäß § 151 B G B annimmt.
2061
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Emittenten und der Emissionsbank wird durch den Emissionsvertrag bestimmt (vgl. dazu allgemein unten Rdn. 2243 f und Rdn. 2249 ff). Dieser enthält die Verpflichtung gegenüber der Emissionsbank, den Jungschein auszustellen und gegenüber der Wertpapiersammelbank ein entsprechendes Schuldversprechen abzugeben; ein Vertrag zugunsten der letzteren i. S. von § 328 B G B ist darin grundsätzlich nicht zu sehen 2 8 8 . Außerdem hat die Emissionsbank gegen den Emittenten einen Anspruch auf die Begebung der Effekten. Dieser wird durch den entsprechenden Anspruch der Wertpapiersammelbank aus dem Schuldversprechen (vgl. oben Rdn. 2060) nicht verdrängt, sondern steht selbständig neben diesem; er ist jedoch inhaltlich nicht auf Lieferung an die Emissionsbank, sondern auf Lieferung an die Wertpapiersammelbank gerichtet.
2062
Sofern die Emission durch ein Konsortium von mehreren Banken vorgenommen wird, wie das die Regel ist, stehen sowohl der Anspruch auf Ausstellung des Jungscheins und Abgabe des Schuldversprechens als auch der Anspruch auf die Begebung 287 Vgl. GerstnerTreugiroverkehr, 1937, S. 74; Opitz Z K W 1954, 559 Sp. 2; Büchner S. 209; Heinsius/ Hom/Than § 42 Rdn. 39 m. w. Nachw.
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Vgl. Büchner S. 208 f.
2. Bearbeitung. Stand 1.5. 1981
V . Der Effektengiroverkehr und verwandte Erscheinungen
der Effekten den Konsorten zur gesamten Hand zu. Geltend gemacht werden diese Ansprüche allerdings allein durch die Konsortialführerin, die insoweit als Vertreterin der übrigen Konsorten handelt (vgl. näher unten Rdn. 2318 ff). Im Verhältnis zwischen der Wertpapiersammelbank und der Emissionsbank kommt 2 0 6 3 durch die Einrichtung des Jungscheingirokontos ein Effektengirovertrag zustande, für den die Ausführungen oben Rdn. 2010 ff entsprechend gelten. Daneben steht ein Treuhandverhältnis. Zweifelhaft ist dabei, ob es sich um eine Vollrechtstreuhand oder um eine bloße Ermächtigungstreuhand handelt. Betrachtet man als wesentlichen Gegenstand des Jungscheingiroverkehrs den in dem Jungschein verbrieften Anspruch bzw. Teile desselben (vgl. dazu unten Rdn. 2064), so kommt man — jedenfalls im Ausgangspunkt — nicht um die Annahme einer Vollrechtstreuhand herum 2 8 9 ; denn dieser Anspruch wird ja erst durch den Vertragsschluß zwischen dem Emittenten und der Wertpapiersammelbank begründet, so daß an der materiellen Rechtsträgerschaft der letzteren nicht gezweifelt werden kann. Dadurch können freilich insofern gewisse Schwierigkeiten für die Treugeber entstehen, als hier das „Unmittelbarkeitserfordernis" nicht erfüllt ist, doch lassen sich diese Probleme i. E. befriedigend lösen — sei es, daß man allgemein das „Unmittelbarkeitserfordernis" durch das „Offenkundigkeitsprinzip" ersetzt (vgl. dazu oben Rdn. 280), sei es, daß man die Zweckbindung und den besonderen Inhalt des Jungscheinanspruchs in diesem Zusammenhang fruchtbar macht 2 9 0 . — Sieht man dagegen als Gegenstand des Jungscheingiroverkehrs die zu emittierenden Rechte selbst und nicht den Jungscheinanspruch an und wendet man dementsprechend die Sachen- und depotrechtlichen Regeln analog an (vgl. dazu unten Rdn. 2064), so ist folgerichtig ebenso wie beim Giroverkehr in Miteigentumsanteilen und aus denselben Gründen wie dort (vgl. dazu oben Rdn. 2036) lediglich eine Ermächtigungstreuhand anzunehmen. Im übrigen hängt die rechtliche Beurteilung der Vorgänge und Rechtsverhältnisse 2 0 6 4 im Jungscheingiroverkehr weitgehend von der Frage nach der Anwendbarkeit der Sachen- und depotrechtlichen Regeln ab. Diese stellt einen Unterfall der allgemeinen Problematik der „Wertrechtslehre" dar und wird dementsprechend von Opitz generell bejaht 2 9 1 , von der h. L. dagegen folgerichtig generell verneint 2 9 2 . Vom hier vertretenen differenzierenden Standpunkt aus ist zu fragen, ob das fragliche Recht im Falle seiner Verbriefung den Vorschriften des Sachenrechts und des Depotgesetzes unterfiele oder nicht (vgl. oben Rdn. 2048 f)Es kommt also darauf an, was Gegenstand des Jungscheingiroverkehrs ist. Nach der 2 0 6 5 h. L. sind das „die Rechte der Emissionsbank gegenüber der Wertpapiersammelbank und gegenüber der emittierenden Gesellschaft" 293 bzw. das „Recht auf Lieferung der Wertpapiere nach Erscheinen" 2 9 4 . Folgt man dem, so ist die Anwendung der Vorschriften des Sachenrechts und des Depotgesetzes auch bei grundsätzlicher Anerkennung der Wertrechtslehre zu verneinen. Derartige Ansprüche unterfielen nämlich auch 289
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291
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S o in d e r T a t Büchner S. 2 1 0 ; Heinsius/Horn/ Thun § 42 R d n . 40. Im e r s t e r e n Sinne Heinsius/Hom/Than § 42 R d n . 40, im letzteren Büchner S. 211 ff. Vgl. Opitz § 42 A n m . 10 = S. 444 und A n m . 12 C = S. 450 f. Vgl. Büchner S. 209 F n . 9 u n d S. 210 Fn. 16; Schönle § 21 II 6 b ; vgl. a b e r a u c h Heinsius/Horn/ Than § 42 R d n . 42 a. E., w o n a c h es „ d e r B e r u f s a u f f a s s u n g im K r e d i t g e w e r b e e n t s p r i c h t " , d a ß auf
d e n J u n g s c h e i n g i r o v e r k e h r die § § 3 , 4, 6 — 8, 12 u n d 14 D e p G e n t s p r e c h e n d a n w e n d b a r sind. 29 > Vgl. Schönle a a O ; z. T . ä h n l i c h Büchner S. 217 f ; vgl. f e r n e r Heinsius/Hom/Than § 42 R d n . 42, w o n a c h G e g e n s t a n d des J u n g s c h e i n g i r o v e r k e h r s „die A n s p r ü c h e d e r K r e d i t i n s t i t u t e aus d e n T r e u handverhältnissen gegenüber der Wertpapiersamm e l b a n k " sind, bei A k t i e n e m i s s i o n e n z u g l e i c h a b e r „ d a r ü b e r h i n a u s die u n v e r b r i e f t e n Mitgliedschaftsrechte". Vgl. Opitz
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§ 42 A n m . 12 C = S. 451.
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
im Falle ihrer Verbriefung nicht dem Sachenrecht und dem Depotgesetz, und daher kann für die entsprechenden „Wertrechte" nichts anderes gelten (vgl. oben Rdn. 2046 Abs. 2 und 2048). Das gilt insbesondere, sofern man den Jungscheinanspruch selbst bzw. Teile desselben als Gegenstand des Giroverkehrs ansieht; denn dieser stellt, wie dargelegt, kein Wertpapier i. S. des Wertpapierrechts oder des § 1 I DepG dar (vgl. oben Rdn. 2060). Folglich können bei dieser Betrachtungsweise nur die §§ 398 ff, 413 BGB und die allgemeinen Vorschriften über die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren (i. V. m. §§ 34 ff AGB der Kassenvereine), nicht aber die §§ 929 ff BGB und die Vorschriften des Depotgesetzes zur Anwendung kommen. Es fragt sich indessen, ob damit der Gegenstand des Jungscheingiroverkehrs wirklich zutreffend erfaßt ist. Es dürfte nämlich näher liegen, als solchen nicht die Ansprüche gegen die Wertpapiersammelbank und den Emittenten, sondern die zu emittierenden Rechte selbst anzusehen. Daß insbesondere das Mitgliedschaftsrecht in einer AG bereits vor seiner Verbriefung existent und übertragbar ist, sofern die erforderliche Eintragung im Handelsregister stattgefunden hat, dürfte unstreitig sein 295 . Es ist daher durchaus möglich, dieses unverbriefte Mitgliedschaftsrecht zum Gegenstand des Jungscheingiroverkehrs zu machen 2 9 6 ; der Anspruch auf Aushändigung der Urkunden (an die Wertpapiersammelbank) wäre dabei nicht selbständiger Gegenstand der Übertragung, sondern würde ohne weiteres aus der Innehabung der unverbrieften Mitgliedschaft folgen, da diese eine Forderung auf Verbriefung in sich schließt 297 . Etwas größere Schwierigkeiten stehen dieser Betrachtungsweise allerdings bei der Emission von Schuldverschreibungen entgegen; denn da es sich hier anders als bei der Aktie nicht um ein deklaratorisches, sondern um ein konstitutives Wertpapier handelt, entsteht der Anspruch an sich erst mit der Verbriefung bzw. mit der Begebung des Papiers. Indessen können heute auch zukünftige Forderungen Gegenstand des Rechtsverkehrs sein, sofern sie hinreichend bestimmbar sind; letzteres ist hier aber zu bejahen, und zwar wohl schon dann, wenn die Emission nach 5 795 BGB genehmigt worden ist, spätestens aber dann, wenn die Wertpapiersammelbank das entsprechende Jungscheingirokonto eröffnet hat. Folglich ist auch hier eine Betrachtungsweise, die als Gegenstand des Jungscheingiroverkehrs das zu emittierende Recht ansieht, rechtlich möglich. Da aber diese Rechte — anders als der Jungscheinanspruch oder die Ansprüche gegen die Wertpapiersammelbank — bei ihrer Verbriefung dem Sachenrecht und dem Depotgesetz unterfallen, gilt das Gleiche nach dem oben Rdn. 2048 f Gesagten folgerichtig auch für die entsprechenden „Wertrechte". Die rechtliche Konstruktion des Jungscheingiroverkehrs ist dann folglich in Analogie zu den Regeln über den Giroverkehr in Miteigentumsanteilen vorzunehmen (vgl. dazu oben Rdn. 2009 ff). 4. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Wertpapiersammelbanken
2066
(Fassung von 1976) A.
Allgemeines
§ 1. Kontoinhaber Kontoinhaber bei einem Kassenverein kann nur sein, wer der gesetzlichen Depotprüfung unterliegt oder sich einer Prüfung gleicher Art dem Kassenverein gegenüber freiwillig unterworfen hat. 295
Vgl. z . B . R G Z 86, 154, 155; Kraft in K ö l n e r K o m m , z u m A k t G § 10 R d n . 4 m . w. N a c h w . 296 Vgl. a u c h s c h o n Gerstner S. 7 9 ff s o w i e Büchner S. 217 f, d e r freilich d a n e b e n u n d o f f e n b a r in e r s t e r Linie die A n s p r ü c h e gegen die W e r t p a p i e r -
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297
s a m m e l b a n k als G e g e n s t a n d des G i r o v e r k e h r s ansieht; ähnlich Heinsius/Horn/Tban § 42 R d n . 42. Vgl. statt aller Kraft a a O R d n . 13 m. umf. Nachw.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Der Effektengiroverkehr und verwandte Erscheinungen § 2. Kontoeröffnung, Kontokündigung (1) Anträge auf Eröffnung von Konten und Spezialkonten sind schriftlich zu stellen. (2) Die Konten können beiderseits zu jeder Zeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. $ 3. Geschäftsbedingungen (1) Die Vorstände der Kassenvereine können die Geschäftsbedingungen im Benehmen mit den Aufsichtsräten ändern. Änderungen werden den Kontoinhabern schriftlich mitgeteilt; die Änderungen sind verbindlich, ohne daß es einer Empfangsbestätigung oder Anerkennung bedarf. (2) Die einzelnen Kassenvereine können in Ergänzung dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen Angelegenheiten, die nur ihren Geschäftsbereich betreffen, im Benehmen mit ihren Aufsichtsräten durch Sonderbestimmungen regeln. § 4. Unterschriften Der Kontoinhaber hat dem Kassenverein alle für den Geschäftsverkehr erforderlichen Angaben über seine Rechts- und Vertretungsverhältnisse schriftlich mitzuteilen. Das gleiche gilt für jede Änderung der Zeichnungsberechtigung oder der Anschrift des Kontoinhabers. § 5. Formvorschriften Aufträge an den Kassenverein müssen in der in den Geschäftsbedingungen vorgesehenen Form erteilt werden. Führt der Kassenverein einen in anderer Form erteilten Auftrag gleichwohl aus, so geschieht dies auf Gefahr des Kontoinhabers. $ 6. Mitteilungen und Auskünfte (1) Schriftliche Mitteilungen gelten als dem Kontoinhaber zugegangen, wenn sie an die letzte dem Kassenverein bekanntgewordene Anschrift abgesandt sind. (2) Als schriftliche Mitteilung gelten auch Bekanntmachungen im Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft deutscher Kassenvereine. (3) Mündliche und fernmündliche Auskünfte sind unverbindlich. $ 7. Wertsendungen Die Gefahr für Wertsendungen trägt der Auftraggeber. Falls keine Weisung erfolgt, bestimmt der Kassenverein die Art der Versendung; er wird in solchen Fällen die Sendung auf Kosten des Auftraggebers versichern. $ 8. Haftung (1) Der Kassenverein haftet nicht für Schäden, die in seinem Betrieb oder in dem seines Erfüllungsgehilfen durch weder von ihm noch seinem Erfüllungsgehilfen zu vertretende Störungen oder durch Verfügung von hoher Hand im In- und Ausland veranlaßt sind. Das gleiche gilt, wenn der Kassenverein oder sein Erfüllungsgehilfe aus wichtigen von ihnen nicht zu vertretenden Gründen seinen Geschäftsbetrieb an bestimmten Tagen oder für bestimmte Zeit ganz oder teilweise schließt oder einschränkt. (2) Für ein Verschulden anderer Kassenvereine, denen er Wertpapiere zur Sammelverwahrung anvertraut hat, steht er wie für eigenes Verschulden ein. (3) Der Kontoinhaber trägt den Schaden, der daraus entstehen sollte, daß er die ihm nach $ 4 obliegende Verpflichtung nicht erfüllt. Das gleiche gilt, wenn der Kassenverein von einem nach Eröffnung des Kontos eintretenden Mangel in der Geschäftsfähigkeit des Kontoinhabers oder seines Vertreters unverschuldet keine Kenntnis erlangt. $ 9. Gebühren Gebühren und Umlagen setzt der Vorstand im Benehmen mit dem Aufsichtsrat fest. § 10. Erfüllungsort und Gerichtsstand Die Geschäftsräume des Kassenvereins sind für beide Teile Erfüllungsort. Der Kassenverein kann nur am Gerichtsstand des Erfüllungsortes verklagt werden. Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft B. Sammelverwabrung.
Einlieferung der Wertpapiere
$ 11. Zulassung zur Sammelverwahrung Die zur Sammelverwahrung zugelassenen Wertpapierarten werden listenmäßig erfaßt und bekanntgegeben. Wertpapierarten, deren Ausstattung nicht den von den deutschen Wertpapierbörsen erlassenen „Richtlinien für den Druck von Wertpapieren" entspricht, und die auch keinen adäquaten Fälschungsschutz besitzen (nicht hinreichend fälschungssichere Wertpapiere), werden als solche besonders gekennzeichnet. §12. Art der Einlieferung Die Wertpapiere sind nach Arten getrennt unter Verwendung der hierfür vorgesehenen Vordrucke einzuliefern. Mäntel und Bogen sind gesondert zu bändern und jeweils nach der Stückelung und innerhalb der Stückelung nach der Nummernfolge zu ordnen. Auf den Streifenbändern sind ihr Inhalt und der Name des Einlieferers anzugeben. § 13. Empfangsbescheinigung und Gutschriftanzeige Bei Einlieferung der Wertpapiere gibt der Kassenverein dem Einlieferer einen Durchschlag des Einlieferungsbelegs oder eine Zwischenbescheinigung, jeweils mit dem Firmenstempel des Kassenvereins versehen, zurück. Dies gilt als vorläufige Quittung vorbehaltlich der näheren Nachprüfung. Nach Prüfung der Stücke auf Richtigkeit, Vollzähligkeit und Lieferbarkeit erteilt der Kassenverein Gutschrift. Verwahrung der Wertpapiere § 14. Miteigentum am Sammelbestand Der Kassenverein verwahrt die eingelieferten Wertpapiere ungetrennt von den Beständen anderer Kontoinhaber und von etwaigen eigenen Beständen derselben Art (Sammelbestand). Der Miteigentumsanteil am Sammelbestand (Sammelbestandanteil) ergibt sich aus § 6 des Depotgesetzes. $ 15. Drittverwahrung bei anderen Kassenvereinen Der Kassenverein ist berechtigt, die Wertpapiere unter seinem Namen einem anderen Kassenverein zur Sammelverwahrung anzuvertrauen. An den Sammelbestandanteilen des Kassenvereins bei anderen Kassenvereinen sind die Miteigentümer zu gleichen Bruchteilen beteiligt wie an dem beim Kassenverein vorhandenen Sammelbestand. § 16. Verlustumlage (1) Verluste am Sammelbestand, die der Kassenverein nicht zu vertreten hat, sind von den Miteigentümern am Sammelbestand gemeinsam zu tragen, und zwar im Verhältnis der Sammelbestandanteile zur Zeit des Eintritts des Verlustes und, wenn dieser Zeitpunkt nicht festgestellt werden kann, am Vorabend des Tages, an dem der Verlust entdeckt wird. Die insoweit vom Vorstand im Benehmen mit dem Aufsichtsrat getroffene Feststellung der Verlustanteile ist für die Kontoinhaber bindend. (2) Der Kassenverein legt die Verlustanteile in der Weise um, daß er nach seinem Ermessen entweder die Sammelbestandanteile entsprechend herabsetzt oder die in Verlust geratenen Stücke anschafft und die beteiligten Kontoinhaber anteilmäßig belastet. (3) Auch nach Auflösung des Kontos, bleibt die Haftung des Kontoinhabers für Verluste bestehen, die während seiner Beteiligung am Sammelbestand entstanden sind. (4) Kann ein Kontoinhaber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ganz oder zum Teil nicht zur Verlustumlage herangezogen werden, so wird der auf ihn entfallende Anteil auf die übrigen Kontoinhaber entsprechend den Absätzen 1 bis 3 umgelegt. Die herangezogenen Kontoinhaber können die anteilige Abtretung etwaiger Ansprüche des Kassenvereins gegen den unvermögenden Kontoinhaber verlangen. Verwaltung der Wertpapiere § 1 7 . Umfang der Verwaltung (1) Die Kontoinhaber sorgen grundsätzlich selbst für die Wahrung ihrer Rechte aus den sammelverwahrten Wertpapieren. Der Kassenverein übernimmt die Verwaltung nur insoweit, als er 1044
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Der Effektengiroverkehr und verwandte Erscheinungen sich in den Geschäftsbedingungen oder durch besondere Vereinbarungen verpflichtet hat. (2) Der Kassenverein ist, soweit er dies für die Verwaltung für erforderlich hält, berechtigt, Dritten gegenüber alle Rechte eines Eigentümers der verwahrten Wertpapiere geltend zu machen. Bevor der Kassenverein Maßnahmen der Rechtsverfolgung einleitet, haben die Kontoinhaber anteilig die notwendigen Vorschüsse bereitzustellen und sich zu verpflichten, alle entstehenden Kosten zu übernehmen; § 16 gilt sinngemäß. (3) Bei Verlust sammelverwahrter Wertpapiere veranlaßt der Kassenverein die Ausstellung von Ersatzurkunden. § 18. Lieferbarkeit (1) Der Kassenverein prüft die eingelieferten Wertpapiere auf Vollständigkeit, Richtigkeit und Lieferbarkeit nach Maßgabe der Börsenbedingungen. Für amtlich nicht notierte Wertpapiere bestimmt sich die Lieferbarkeit nach den durch den zuständigen Ausschuß festgesetzten Bedingungen. (2) Nicht lieferbare Stücke hat der Einlieferer jederzeit zurückzunehmen; dies gilt auch dann, wenn Wertpapiere während der Verwahrung durch den Kassenverein unlieferbar werden. Die Rücknahmepflicht des Einlieferers entfällt, wenn die Stücke durch vom Kassenverein zu vertretende Umstände oder durch Beschädigung aufgrund höherer Gewalt unlieferbar geworden sind. Ist die Rücknahme mangels eines ausreichenden Guthabens des Einlieferers nicht möglich, so hat der Einlieferer den Verlust am Sammelbestand in anderer Weise auszugleichen. Ist er auch hierzu nicht in der Lage, findet in entsprechender Anwendung des § 16 eine Verlustumlage statt. (3) Für ausgelieferte Wertpapiere haftet der Kassenverein nach Maßgabe der in Absatz 1 genannten, am Auslieferungstage geltenden Börsenbedingungen; Beanstandungen einzelner Stücke sind nur unter Vorlegung der beanstandeten Stücke mit dem vom Kassenverein bei der Auslieferung übergebenen Nummernverzeichnis zulässig. § 1 9 . Trennung der Ertragscheine und Einzug von Fälligkeiten (1) D e r Kassenverein trennt bei den von ihm verwahrten Wertpapieren die fälligen scheine, und zwar: a) Gewinnanteilscheine am Abend des T a g e s der Hauptversammlung oder, wenn ein Fälligkeitstag festgesetzt ist, am Vorabend des Fälligkeitstages. b) Zinsscheine bei Fälligkeiten vom 3. bis 16. des Monats am Abend des letzten T a g e s des gehenden Monats, bei Fälligkeiten vom 17. des laufenden Monats bis zum 2. T a g des den Monats am Abend des 15. des laufenden Monats.
Ertraganderer vorherfolgen-
Ist der T a g , an dem nach Buchstaben a) und b) getrennt werden soll, kein Bankarbeitstag, so wird die Trennung am Abend des vorausgehenden Bankarbeitstages vorgenommen. (2) Verfügungen über Sammelbestandanteile verstehen sich von dem T a g e nach der Trennung der Ertragscheine. (3) Für Sammelschuldbucheintragungen und in Sammelurkunden verbriefte Rechte gilt Absatz 2 sinngemäß. (4) Der Kassenverein zieht fällige Erträge und Kapitalrückzahlungen ein und schreibt sie den Kontoinhabern gut. § 20. Besorgung neuer Bogen Der Kassenverein übernimmt ohne besonderen Auftrag die Besorgung neuer Ertragscheinbogen. § 2 1 . Sperrbescheinigungen, Stimmkarten, Hinterlegungen (1) D e r Kontoinhaber kann beim Kassenverein die Sperre von Sammelbestandanteilen bis zur Beendigung einer Hauptversammlung beantragen. Der Kassenverein erteilt über die vorgemerkte Sperre eine Bescheinigung. V o r Ende der Hauptversammlung kann über einen gesperrten Sammelbestandanteil nur verfügt werden, wenn die Sperrbescheinigung zurückgegeben wird. (2) Ermächtigt eine Gesellschaft den Kassenverein, Stimmkarten auszustellen, so erhält der Kontoinhaber an Stelle der Sperrbescheinigung eine Stimmkarte. Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft (3) Werden nach § 123 Abs. 3 des Aktiengesetzes beim Kassenverein Aktien hinterlegt, so nimmt er diese Aktien bis zur Beendigung der Hauptversammlung in gesperrte Sonderverwahrung. Der Einreicher erhält vom Kassenverein eine Bescheinigung über die erfolgte Hinterlegung oder, wenn die Gesellschaft den Kassenverein zur Ausstellung von Stimmkarten ermächtigt hat, eine Stimmkarte. V o r Beendigung der Hauptversammlung werden die hinterlegten Aktien nur herausgegeben, wenn gleichzeitig die Hinterlegungsbescheinigung oder die Stimmkarte zurückgegeben wird. S 22. Bezugsrechte (1) Wird auf sammelverwahrte Aktien ein Bezugsrecht gewährt, so richtet der Kassenverein am Abend des der ersten Notierung des Bezugsrechts vorausgehenden Bankarbeitstages neben den Sammelbestandskonten Bezugsrechtskonten ein. Bei nicht amtlich notierten Aktien bestimmt der Kassenverein im Einvernehmen mit dem Emissionshaus, an welchem T a g e die Bezugsrechtskonten eingerichtet werden. (2) Über Guthaben auf Bezugsrechtskonten ist in der üblichen Weise zu verfügen. (3) Einlieferungen von Bezugsrechten sind mit den üblichen Einlieferungsbelegen vorzunehmen. § 23. Berichtigungsaktien (1) Wird bei sammelverwahrten Aktien eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vorgenommen, so schreibt der Kassenverein am Abend des dem ersten Ausgabetag vorausgehenden Bankarbeitstages die Berichtigungsaktien auf Teilrechtekonto oder Sammeldepotkonto gut. (2) Uber Guthaben auf Teilrechtekonten ist in der üblichen Weise zu verfügen; Ein- und Auslieferungen von Teilrechten sind nicht möglich. (3) Sind die Berechtigungsaktien sofort gleich den alten Aktien lieferbar, so sind die Vollrechte und zu Vollrechten zusammengeführten Teilrechte in der Regel innerhalb einer Frist von zehn Monaten auf das Sammeldepotkonto „alte Aktien" zu übertragen. Sind die Berechtigungsaktien sofort lieferbar, jedoch mit einer anderen Gewinnberechtigung als die alten Aktien ausgestattet, so haben die Überträge nach Satz 1 auf ein Sammeldepotkonto „junge Aktien" zu erfolgen. (4) Sind die Berechtigungsaktien auf Jungscheinkonto gutgeschrieben, können Überträge nach Absatz 3 erst nach Erscheinen der Stücke vorgenommen werden. (5) D e r Kassenverein wird die nach Ablauf der in Absatz 3 bestimmten Frist auf Teilrechtekonten noch verbliebenen Guthaben nach vorheriger Mitteilung an die Kontoinhaber für Rechnung der betreffenden Kontoinhaber auf die Hauptausgabestelle übertragen. § 24. Auslosbare Wertpapiere (1) Zur Sammelverwahrung zugelassene Wertpapiere, die durch Auslosung getilgt werden, scheiden vor Beginn der Auslosung aus der Sammelverwahrung aus; sie sind rechtzeitig abzuheben. (2) Der Kassenverein kann festlegen, daß unter bestimmten Voraussetzungen nach Gruppen oder Serien auslosbare Wertpapiere in der Sammelverwahrung verbleiben. Die Aufteilung in Gruppen- oder Serieneinzelkonten nimmt der Kassenverein ohne Mitwirkung der Kontoinhaber vor. § 2 5 . Abstimmung (1) Soweit nicht eine andere Art der Abstimmung vereinbart ist, erhalten die Kontoinhaber vom Kassenverein einmal im J a h r ein Verzeichnis der Bestände auf ihren Depotkonten mit einem Durchschlag zur Abstimmung. Stimmen die aufgegebenen Bestände mit den in den Büchern der Kontoinhaber verzeichneten überein, so ist dem Kassenverein der Durchschlag des Verzeichnisses mit Bestätigungsvermerk zurückzugeben. Ergeben sich Unstimmigkeiten, so ist unverzüglich für eine Klärung zu sorgen. (2) Der Kontoinhaber und der Kassenverein können im übrigen jederzeit eine Abstimmung verlangen. 1046
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Der Effektengiroverkehr und verwandte Erscheinungen Verfügungen über
Sammelbestandanteile
§ 26. Anweisungen (1) Uber Sammelbestandanteile kann nur mit Anweisungen verfügt werden, deren Form von den Kassenvereinen verbindlich vorgeschrieben wird. (2) Als Anweisungen gelten a) weiße Wertpapierschecks (§ 27), b) mittels eines elektronischen Datenverarbeitungsverfahrens erstellte Lieferlisten und Rechnungen über Stammnummerngeschäfte im Platzverkehr (§ 28), c) Wertpapierplatzschecks (5 28), d) grüne Wertpapierschecks (§ 29), e) mittels eines elektronischen Datenverarbeitungsverfahrens erstellte Lieferlisten und Rechnungen über Stammnummerngeschäfte im Fernverkehr (§ 30) und f) Wertpapierfernschecks (§ 30). § 27. Weiße Wertpapierschecks (1) Weiße Wertpapierschecks sind zu verwenden, wenn die Auslieferung von Wertpapieren aus dem Sammelbestand verlangt wird. (2) Der Kassenverein ist befugt, aber nicht verpflichtet, die Berechtigung des Überbringers des Schecks zu prüfen. Durch die Leistung an den Überbringer wird der Kassenverein befreit. Das gleiche gilt, wenn bei Einreichen des weißen Schecks dem Überbringer zunächst eine Zwischenbescheinigung ausgehändigt wird, für den Überbringer dieser Zwischenbescheinigung. (3) Die Wertpapiere werden am Schalter des Kassenvereins ausgeliefert. Eine Versendung kann vom Kassenverein nur verlangt werden, wenn der Aussteller des weißen Schecks am O r t des Kassenvereins keinen Sitz oder keine Niederlassung hat. $ 28. Lieferlisten im Platzverkehr, Wertpapierplatzschecks (1) Für Übertragung des Mitbesitzes an den Wertpapieren des Sammelbestandes auf andere Kontoinhaber des Kassenvereins sind Lieferlisten, Rechnungen über Stammnummerngeschäfte und Wertpapierplatzschecks zu verwenden. Der Kassenverein belastet mit dem Betrag, der in der Lieferliste, in der nach Einzelserien gekennzeichneten Rechnung über Stammnummerngeschäfte oder in dem Wertpapierplatzscheck angegeben ist, das Konto des Lieferpflichtigen und erkennt das Konto des Begünstigten; dieser erhält vom Kassenverein einen Depottagesauszug. Der Mitbesitz geht mit der Absendung oder Aushändigung des Depottagesauszuges auf den Begünstigten über, spätestens jedoch mit Ablauf des Tages, der dem in dem vorerwähnten Depottagesauszug vermerkten Buchungsdatum entspricht. (2) Wertpapierplatzschecks sind nicht übertragbar. § 29. Grüne Wertpapierschecks (1) Grüne Wertpapierschecks können nur zur Verpfändung von Sammelbestandanteilen verwandt werden. Der Kassenverein belastet mit dem Scheckbetrag das Konto des Ausstellers und erkennt ein Pfandkonto des Pfandgläubigers; dieser erhält vom Kassenverein einen Depottagesauszug und eine grüne Gutschriftanzeige. Für den Übergang des Mitbesitzes vom Verpfänder auf den Pfandgläubiger (§ 1205 Abs. 2 BGB), gilt § 28 Absatz 1 Satz 3 entsprechend. (2) Der Verpfänder trägt auch während der Dauer der Verpfändung die Gefahr eines Verlustes nach Maßgabe des §16. Dem Verpfänder verbleibt das Recht zur Erhebung fälliger Ertragscheine oder der auf sie entfallenden Gegenwerte. Zur Vertretung in Hauptversammlungen und zur Ausübung oder Verwertung von Bezugsrechten und Teilrechten ist der Verpfänder nur mit Zustimmung des Pfandgläubigers befugt. Das gleiche gilt, wenn verpfändete Wertpapiere umzutauschen oder einzulösen sind. (3) Die Freigabe des verpfändeten Sammelbestandanteils geschieht in der Weise, daß der Pfandgläubiger die grüne Gutschriftanzeige an der vorhergesehenen Stelle mit seiner Unterschrift versieht und sie so an den Kassenverein zurückreicht. Der Kassenverein bucht sodann den Sammelbestandanteil auf das Konto des Verpfänders zurück und erteilt diesem Anzeige. (4) Der Pfandgläubiger kann jederzeit die Auslieferung von Wertpapieren aus dem Sammelbestand verlangen, soweit dieses Recht nicht nach % 9 a des Depotgesetzes eingeschränkt ist. Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft Dabei hat er dem Kassenverein die grüne Gutschriftanzeige mit einem weißen Wertpapierscheck einzureichen und den Empfang der Wertpapiere auf der grünen Gutschriftanzeige an der vorgesehenen Stelle zu quittieren. Will der Pfandgläubiger über den ihm verpfändeten Sammelbestandanteil durch Uberweisung verfügen, so hat er den Auftrag zur Übertragung des Sammelbestandanteils auf sein Sammeldepotkonto auf der grünen Gutschriftanzeige an der dafür vorgesehenen Stelle zu erteilen und die Gutschriftanzeige mit einem Wertpapierplatzscheck dem Kassenverein einzureichen. In beiden Fällen erteilt der Kassenverein dem Verpfänder Anzeige. (5) Der Kassenverein ist weder berechtigt noch verpflichtet, zu prüfen, ob der Pfandgläubiger dem Verpfänder gegenüber zur Verfügung über den verpfändeten Sammelbestandanteil berechtigt ist. (6) Grüne Wertpapierschecks sind nicht übertragbar. § 30. Lieferlisten im Fernverkehr, Wertpapierfernschecks (1) Für Übertragung des Mitbesitzes an den Wertpapieren des Sammelbestandes auf Kontoinhaber eines anderen Kassenvereins sind Lieferlisten, Rechnungen über Stammnummerngeschäfte und Wertpapierfernschecks zu verwenden. Der Kassenverein belastet mit dem Betrag, der in der Lieferliste, in der nach Einzelserien gekennzeichneten Rechnung über Stammnummerngeschäfte oder in dem Wertpapierfernscheck angegeben ist, das Konto des Lieferpflichtigen und erkennt das Konto des beteiligten auswärtigen Kassenvereins. Dieser schreibt den Betrag seinem begünstigten Kontoinhaber gut und erteilt ihm hierüber einen Depottagesauszug. Für den Übergang des Mitbesitzes auf den begünstigten Kontoinhaber gilt $ 28 Abs. 1 Satz 3 entsprechend. (2) Wertpapierfernschecks sind nicht übertragbar. § 31. Wertpapierscheckbedingungen Für den Wertpapierscheckverkehr und sonstigen Übertragungsverkehr gelten folgende Bedingungen: a) Der Kassenverein händigt den Kontoinhabern Vordrucke für Wertpapierschecks gegen Empfangsbescheinigung aus. b) Die Scheckvordrucke sind sorgfältig aufzubewahren. Nichtbenutzte Vordrucke sind dem Kassenverein auf sein Verlangen jederzeit, bei Beendigung der Geschäftsverbindung unaufgefordert, zurückzugeben. c) Die Vordrucke sind deutlich, sorgfältig und vollständig auszufüllen; die Angabe der Wertpapier-Kenn-Nummern und der Kontonummern ist unerläßlich. Der Betrag ist in Ziffern so einzurücken, daß nichts hinzugeschrieben werden kann. Vorgenommene Änderungen müssen bescheinigt werden; Vermerke auf der Rückseite gelten als nicht geschrieben. d) Jeder Wertpapierscheck darf grundsätzlich die Verfügung über nur eine Wertpapierart enthalten. e) Wertpapierschecks dürfen ohne entsprechende Guthaben nicht ausgestellt werden. f) Verfügungen mit Wertpapierschecks werden unabhängig vom Tage der Ausstellung ausgeführt. g) Alle Folgen und Nachteile des Abhandenkommens, der mißbräuchlichen Verwendung, der Fälschung und Verfälschung von Anweisungen (§ 26) trägt der Kontoinhaber. Der Kassenverein haftet nur für nachgewiesenes Verschulden und nur in dem Maße, als er im Verhältnis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat. h) Werden Scheckaufträge von einem Kontoinhaber telefonisch, telegrafisch, drahtlos oder im Fernschreibverkehr vorweg erteilt oder auf seinen Wunsch in solcher Weise weitergegeben, so trägt der Kontoinhaber die Gefahr unrichtiger Übermittlung. i) Der Kassenverein ist befugt, aber nicht verpflichtet, die Berechtigung der Einreicher von Scheck und Scheckquittungen zu prüfen. Die Nummern der eingereichten Schecks werden nicht geprüft. Sammelverwahrung
inländischer
Namensaktien
§ 32. Inländische Namensaktien (1) Vollgezahlte inländische Namensaktien, die an einer deutschen Wertpapierbörse gehandelt und amtlich notiert werden und deren Übertragung nicht an die Zustimmung der Gesellschaft 1048
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Der Effektengiroverkehr und verwandte Erscheinungen gebunden ist, können in Sammelverwahrung genommen werden, wenn die Aktien mit Blankoindossament versehen sind. Das gleiche gilt für solche Namensaktien, die in den geregelten Freiverkehr einbezogen sind, wenn der Aussteller die gleichen Bedingungen übernommen hat, die für die Zulassung zum amtlichen Handel an einer Börse gelten. (2) Die Einlieferung der Aktien gilt als Bestätigung des Kontoinhabers gegenüber dem Kassenverein, daß der Berechtigte den Kontoinhaber ermächtigt hat, sich selbst oder einen Kassenverein im Aktienbuch der Gesellschaft als Aktionär eintragen zu lassen. (3) Der Kassenverein wird eine Umschreibung im Aktienbuch grundsätzlich nur veranlassen, soweit die Umschreibung erforderlich ist, um die Eintragung im Aktienbuch mit dem Sammelbestand in Übereinstimmung zu bringen. (4) Der Kassenverein wird das ihm auf Grund seiner Eintragung im Aktienbuch zustehende Stimmrecht nicht selbst ausüben; er wird für jede Hauptversammlung den Kontoinhabern, ihrer Anforderung entsprechend, schriftliche Vollmachten zur Ausübung des Stimmrechts zur Verfügung stellen. Bei Aktien ohne Ertragsscheinbogen wird der Kassenverein Erträge, die ihm auf Grund seiner Eintragung im Aktienbuch zugehen, an die Kontoinhaber weiterleiten. (5) Der Kassenverein ist berechtigt, vor einer Auslieferung aus der Sammelverwahrung die Stücke auf den Kontoinhaber oder auf Antrag des Kontoinhabers auf den Namen eines Dritten im Aktienbuch oder entsprechenden Register der Gesellschaft umschreiben zu lassen. Die mit der Umschreibung verbundenen Kosten, Steuern und Auslagen trägt der Kontoinhaber. (6) Im übrigen finden die Bestimmungen der §§ 11 bis 31 Anwendung.
C.
Jungscheingiroverkehr
§ 33. Einrichtung eines Jungscheinkontos (1) Bei Neuemissionen von Wertpapieren richtet der Kassenverein auf Antrag dem führenden Emissionshaus ein Jungscheinkonto ein, wenn sich der Aussteller des Wertpapiers in einem von dem führenden Emissionshaus einzureichenden Schreiben (Jungschein) dem Kassenverein gegenüber unwiderruflich verpflichtet, die Wertpapiere oder einen Teil von ihnen nach Erscheinen für Rechnung des führenden Emissionshauses unmittelbar an den Kassenverein zu liefern. (2) Dem Antrag auf Einrichtung eines Jungscheinkontos ist außer dem Jungschein der Nachweis über die beschlossene und genehmigte Ausgabe der Wertpapiere beizufügen. (3) Der Kassenverein kann nach seinem Ermessen auch einen von dem führenden Emissionshaus namens und im Auftrage der Gesellschaft ausgestellten Jungschein hereinnehmen. § 34. Der Kassenverein als Treuhänder Mit Einrichtung des Jungscheinkontos wird der Kassenverein hinsichtlich der Ansprüche aus dem Jungschein Treuhänder des führenden Emissionshauses. Er wird auch Treuhänder der Kontoinhaber, die Gutschriften erhalten. § 35. Guthaben bei anderen Kassenvereinen (1) Der Kassenverein ist berechtigt, Jungscheinguthaben unter seinem Namen bei einem anderen Kassenverein für einen Kontoinhaber als Treuhänder zu unterhalten. (2) Für ein Verschulden anderer Kassenvereine, bei denen der Kassenverein Jungscheinguthaben unterhält, steht er wie für eigenes Verschulden ein. § 36. Ausübung von Aktionärsrechten Bezieht sich der Jungschein auf junge Aktien, so wird der Kassenverein auf Anfordern den Kontoinhabern die zur Ausübung von Aktionärsrechten nötigen Bestätigungen ausstellen. § 37. Verfügungen (1) Die Kontoinhaber können über ihr Jungscheinguthaben mit Lieferfristen und Wertpapierschecks verfügen. Bei Verfügungen mit Wertpapierschecks ist in diesen an deutlich sichtbarer Stelle der Vermerk „Jungscheinkonto" anzubringen. (2) Für den Jungscheingiroverkehr gelten die Bedingungen für Verfügungen über Sammelbestandanteile (§§ 26 bis 31) entsprechend. Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft § 38. Erträge Der Kassenverein zieht fällige Erträge ein und schreibt sie den Kontoinhabern gut. § 39. Abstimmung Für die Abstimmung der Konten gelten die Bedingungen für die Sammelverwahrung (§ 25) entsprechend. § 40. Umschreibung der Konten bei Lieferung der Stücke Nach Lieferung der Stücke werden die Jungscheinkonten auf Sammeldepotkonten umgebucht. D.
Sonderverwahrung
$ 41. Einrichtung von Sonderdepots Der Kassenverein kann für Kontoinhaber auf Antrag Wertpapiere auch in Sonderverwahrung (§ 2 des Depotgesetzes) nehmen. Für diese Sonderdepots gelten die Bestimmungen für die Sammelverwahrung insoweit, als sie nicht durch die Natur der Sonderverwahrung ausgeschlossen sind. Ein Giroverkehr in Wertpapieren des Sonderdepots findet nicht statt. E. Geldverkehr § 42. Geldkonten (1) Der Kassenverein kann seinen Kontoinhabern für den Geldverkehr aus laufender Geschäftsverbindung Geldkonten einrichten. (2) Uber diese Geldkonten kann der Kassenverein auch den geldlichen Ausgleich im Abrechnungsverkehr in Wertpapieren vornehmen. F. Sammelverwahrung
ausländischer
Namensaktien
§ 43. Ausländische Namensaktien Vollbezahlte ausländische Namensaktien, die an einer deutschen Wertpapierbörse gehandelt und amtlich notiert werden und deren Übertragung nicht an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist, können in Sammelverwahrung genommen werden, wenn die Aktien auf einen Kassenverein, den Deutschen Auslandskassenverein AG oder eine deutsche Depotbank lauten, mit deren Blankoindossament versehen sind und für diese im Aktienbuch oder in einem entsprechenden Register eingetragen sind. $ 44. Aktien auf den Namen des Kassenvereins Lauten die in § 43 genannten Namensaktien auf einen Kassenverein, gelten die Bestimmungen der §§ 32 Absatz 5, 45 bis 47 und 49. $ 45. Stimmrechtsausübung Der Kassenverein wird das ihm aufgrund seiner Eintragung im Aktienbuch zustehende Stimmrecht nicht selbst ausüben; er wird den Kontoinhabern nach Maßgabe ihrer Guthaben an dem von ihm jeweils festgesetzten Stichtag auf rechtzeitiges Verlangen die Ausübung der Stimmrechte ermöglichen, soweit dies nach den maßgeblichen ausländischen Rechtsvorschriften und Gesellschaftsstatuten zulässig ist. § 46. Erträge Bei Aktien ohne Ertragscheinbogen wird der Kassenverein Erträge, die ihm aufgrund seiner Eintragung im Aktienbuch zugehen, in der Währung des Eingangs an die Kontoinhaber weiterleiten. § 47. Bezugsrechte, Teilrechte und ähnliche Rechte (1) Der Kassenverein wird den Kontoinhabern auf Verlangen Bezugsrechte, Teilrechte und ähnliche Rechte im Ausland zur Verfügung stellen. Die damit verbundenen Kosten, Steuern und Auslagen trägt der Kontoinhaber. (2) Erteilt der Kontoinhaber nicht rechtzeitig eine besondere Weisung, so darf für Rechnung des Kontoinhabers nach bestem Ermessen gehandelt, insbesondere dürfen Bezugsrechte und ähn-
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VI. Der Einfluß des Konkurses auf das Effektengeschäft liehe Rechte verkauft werden. Der Kassenverein haftet stets nur für eigenes Verschulden und auch nur, wenn ihm eine besondere Weisung des Kontoinhabers so rechtzeitig zugegangen ist, daß diese im gewöhnlichen Geschäftsgang noch berücksichtigt werden konnte. $ 48 Aktien auf den Namen des AKV oder einer Depotbank Lauten die in § 43 genannten Namensaktien auf den Deutschen Auslandskassenverein AG oder eine deutsche Depotbank, gelten die jeweiligen Treuhandbedingungen sowie § 49. § 49. Hinweise Im übrigen gelten unter Berücksichtigung der Rechtsnatur der ausländischen Aktien die Bestimmungen der §§8, 11 bis 14, 16 bis 18, 19 Absatz 1 a) und Absatz 2, 20, 21 Absatz 1 und 2, 22 sowie 25 bis 31. G. Schalterschließung eines Kontoinhabers; Zahlungseinstellung eines Emittenten § 50. Schalterschließung des Kontoinhabers (1) Erhält der Kassenverein Kenntnis von der Schalterschließung eines Kontoinhabers, so wird er a) Kapitalrückzahlungen, Erträgnisse und ähnliche Geldzahlungen, welche auf die Sammelbestandanteile des Kontoinhabers entfallen, diesem nicht mehr gutschreiben, sondern auf einem Sonderkonto zugunsten der unbekannten Gläubiger verbuchen; b) vor Schalterschließung ausgefertigte Anweisungen des Kontoinhabers zur Auslieferung oder Übertragung von Sammelbestandanteilen (§§ 27 bis 30) nicht mehr ausführen; c) Anweisungen anderer Kontoinhaber zugunsten des Kontoinhabers, der seine Schalter geschlossen hat, nicht mehr ausführen, es sei denn, daß der anweisende Kontoinhaber dies ausdrücklich wünscht. (2) Nicht erfüllte Börsengeschäfte werden vom dritten Börsentage nach der Schalterschließung an in den Liefer- und Restantenlisten nicht mehr aufgeführt. $ 51. Zahlungseinstellung des Emittenten Stellt ein Aussteller in Sammelverwahrung festverzinslicher Wertpapiere seine Zahlungen ein, so kann der Kassenverein bei Vorliegen besonderer Umstände das Ausscheiden dieser Wertpapiere aus der Sammelverwahrung veranlassen, soweit diese Wertpapiere nicht in Sammelurkunden (§ 9 a des Depotgesetzes) verbrieft sind, die vom Aussteller nicht durch Einzelurkunden ersetzt werden. $ 52. Zahlungseinstellung des Emittenten/Kontoinhabers Stellt ein Aussteller in Sammelverwahrung befindlicher festverzinslicher Wertpapiere seine Zahlungen ein und ist dieser zugleich Kontoinhaber, so wird der Kassenverein für die Gläubiger dieser Wertpapiere an den Eigenbeständen oder Geldguthaben des Ausstellers keine Pfand- oder Zurückbehaltüngsrechte geltend machen und auch nicht aufrechnen.
VI. Der Einfluß des Konkurses auf das Effektengeschäft 1. Der Konkurs des Kunden V o r Durchführung des Kommissionsauftrags führt der Konkurs des Kunden g e m ä ß 2 0 6 7 § 23 II K O grundsätzlich ipso iure zur Beendigung des Vertragsverhältnisses. D e n n das Kommissionsgeschäft stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. v o n § 675 B G B dar (vgl. o b e n Rdn. 1822) und fällt daher unter § 23 II K O . Ein Wahlrecht nach % 17 K O besteht also nicht 2 9 8 . D i e Bank hat jedoch nach § 2 3 I 2 K O i. V . m. § 6 7 2 S. 2 BGB die Pflicht zur Ausführung des Auftrags, w e n n mit d e m Aufschub Gefahr verbunden ist; das kann vor allem bei einer sehr stürmischen o d e r außergewöhnlich unübersichtlichen Kursentwicklung zu bejahen sein. In einem solchen Falle der N o t g e s c h ä f t s f ü h r u n g sind "8 Vgl. auch Schlegelberger/Hefermebl § 383 Rdn. 68 m. umf. N a c h w .
Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. D a s E f f e k t e n g e s c h ä f t
die Ansprüche der Bank gemäß § 27 K O als Masseansprüche i. S. von § 59 Ziff. 2 K O anzusehen. Der Kommissionsauftrag gilt ferner aus Gründen des Vertrauensschutzes zugunsten der Bank gemäß § 23 I 2 K O i. V. m. § 674 BGB so lange als fortbestehend, bis die Bank Kenntnis von dem Eintritt des Konkurses erlangt hat oder erlangt haben müßte. Forderungen aus der Durchführung des Geschäfts stellen in diesem Falle freilich gemäß § 27 K O nur gewöhnliche Konkursforderungen dar; allerdings wird man der Bank darüber hinaus gemäß oder analog 5 54 I K O ein Recht zur Aufrechnung mit einem etwaigen Guthaben des Gemeinschuldners geben müssen, da der Grund für ihren Anspruch bereits durch den Kommissionsauftrag gelegt worden ist und da somit das Aufrechnungsverbot des § 55 Ziff. 2 K O hier seinem Sinne nach nicht paßt. 2068
Nach Durchführung des Kommissionsauftrags findet 5 23 K O keine Anwendung mehr 2 9 9 . Die Wirksamkeit des Vertragsverhältnisses wird folglich durch die Konkurseröffnung nicht berührt. Beim einfachen Kommissionsgeschäft, das freilich nur sehr selten vorkommt, hat die Bank daher die Pflicht zur Herausgabe dessen, was sie aus dem Ausführungsgeschäft erlangt hat, d. h. sie hat die Pflicht zur Übereignung der für den Gemeinschuldner gekauften Effekten. Für ihre eigenen Ansprüche, die grundsätzlich nur gewöhnliche Konkursforderungen darstellen, ist sie dabei auch unabhängig von dem Pfandrecht gemäß Ziff. 19 AGB durch das gesetzliche Pfandrecht der §§ 397—399 H G B und das Zurückbehaltungsrecht gemäß 369 H G B geschützt, die beide nach § 49 Ziff. 2 bzw. Ziff. 4 K O ein Absonderungsrecht gewähren.
2069
Auch wenn die Bank den Kommissionsauftrag durch Selbsteintritt durchgeführt hat, greift § 23 II K O nicht ein, da der Selbsteintritt auch insoweit folgerichtig als Ausführung des Kommissionsgeschäfts anzusehen ist. Ob der Selbsteintritt vor Konkurseröffnung bereits wirksam geworden war und ob daher das Geschäft wirklich bereits durchgeführt ist, entscheidet sich dabei nach den oben Rdn. 1913 entwickelten Grundsätzen. W a r das durch den Selbsteintritt entstandene kaufrechtliche Verhältnis bei Konkurseröffnung noch von keinem Teil vollständig erfüllt, so hat der Konkursverwalter das Wahlrecht gemäß § 17 KO. Wählt der Konkursverwalter Erfüllung, so entsteht hinsichtlich der Forderung auf Zahlung des Kaufpreises eine Masseschuld gemäß § 59 Ziff. 2 K O ; der Anspruch auf Provisionszahlung ist dagegen als gewöhnliche Konkursforderung anzusehen, da dieser Anspruch nicht aus dem kaufrechtlichen Verhältnis, sondern aus dem Kommissionsvertrag entspringt und da nur hinsichtlich des ersteren § 17 K O und dementsprechend § 59 K O gilt 300 . Lehnt der Konkursverwalter die Erfüllung ab, so hat die Bank einen Schadensersatzanspruch aus § 26 K O und außerdem den Provisionsanspruch gemäß § 403 HGB, die freilich beide nur gewöhnliche Konkursforderungen darstellen; bei der Berechnung der Schadenshöhe ist zu berücksichtigen, daß die Bank die Effekten nicht zu liefern bzw. zu übernehmen braucht.
2070
Beim Eigengeschäft ist anders als beim Kommissionsgeschäft § 23 II K O von vornherein unanwendbar. Denn das Eigengeschäft ist rechtlich als Kaufvertrag zu qualifizieren (vgl. oben Rdn. 1823) und fällt daher nicht unter § 23 II KO. Es besteht auch kein Anlaß, es insoweit dem Kommissionsgeschäft im Wege der Analogie gleichzustellen; die §§ 31, 32 II D e p G können hier weder unmittelbar noch entsprechend herangezogen werden, da sie einen völlig anderen Schutzzweck haben als § 23 II KO. Folglich gelten die allgemeinen Grundsätze über die Behandlung von Kaufverträgen im Kon299
Vgl. auch Scblegelberger/Hefermehl§
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383 Rdn. 70.
300
Vgl. Schmidt-Rimpler Ehrenbergs H a n d b u c h V 1 S. 1065; a. A. Scblegelberger/Hefermehl §383 Rdn. 74 m. w. Nachw.
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V I . D e r E i n f l u ß des Konkurses auf das E f f e k t e n g e s c h ä f t
kurs. Das bedeutet insbesondere, daß der Konkursverwalter das Wahlrecht gemäß § 17 K O hat, sofern das Eigengeschäft von beiden Teilen noch nicht vollständig erfüllt ist. 2. Der Konkurs der Bank a) Der Einfluß des Konkurses auf das Kausalgeschäft Der Konkurs der Bank läßt die Wirksamkeit des Kommissionsgeschäfts bzw. des 2071 Eigengeschäfts grundsätzlich unberührt. Denn § 23 II K O gilt nur bei Konkurs des Kommittenten, nicht aber bei Konkurs des Kommissionärs, und auf das Eigengeschäft ist § 23 II K O ohnehin nicht anwendbar (vgl. die vorige Rdn.) Folglich hat der Konkursverwalter grundsätzlich das Wahlrecht des § 17 KO, sofern der Kommissionsvertrag bzw. das durch den Selbsteintritt der Bank entstandene kaufrechtliche Verhältnis bzw. der Kaufvertrag bei Konkurseröffnung von beiden Teilen noch nicht vollständig erfüllt war; das gilt allerdings nicht gegenüber Kunden, die in den Schutzbereich von § 32 DepG fallen (vgl. unten Rdn. 2079). b) Das Aussonderungsrecht des Kunden Ob der Kunde im Konkurs der Bank ein Aussonderungsrecht hat oder nicht, hängt 2 0 7 2 zum einen davon ab, mit welcher rechtlichen Konstruktion man die dinglichen Übertragungsvorgänge im Rahmen des Effektengeschäfts erfaßt, und zum anderen davon, in welchem Stadium sich die Durchführung des Effektengeschäfts bei Konkurseintritt befand. Was insoweit zunächst den Verkaufsauftrag anbetrifft, so steht dem Kunden ein Aussonderungsrecht grundsätzlich so lange zu, bis die Bank seine Effekten weiterveräußert hat — sei es an einen Dritten, sei es an sich selbst. Das gilt auch beim Selbsteintritt und beim Eigengeschäft. Denn es findet grundsätzlich kein Zwischenerwerb der Bank statt, da der Kunde i. d. R. nur eine Ermächtigung zur Veräußerung i. S. von § 185 BGB gibt, nicht aber der Bank die Effekten zu Eigentum überträgt (vgl. oben Rdn. 1998 f), und da er folglich zunächst sein Eigentum und damit auch das Aussonderungsrecht behält 301 . Zu beachten ist weiterhin, daß die Ermächtigung durch die Gutschrift des Erlöses aufschiebend bedingt ist (vgl. oben Rdn. 2000). Der Kunde behält daher sein Aussonderungsrecht, wenn die Bank die Effekten ohne gleichzeitige Gutschrift des Gegenwerts auf sich selbst überträgt, und erwirbt zumindest ein Konkursvorrecht gemäß § 32 I Ziff. 2 DepG, wenn die Bank an einen Dritten übereignet und dieser gutgläubig erwirbt 302 . Eine zusätzliche Sicherung liegt für den Kunden darin, daß die von ihm erteilte Ermächtigung mit Ausbruch der Krise, also mit Zahlungseinstellung oder Stellung des Konkursantrags, gemäß § 157 BGB erlischt; das ist in anderen Fällen der Veräußerungsermächtigung anerkannt 3 0 3 und muß folgerichtig auch hier gelten. Er hat folglich gegebenenfalls ein Ersatzaussonderungsrecht nach § 46 K O an der Forderung gegen den (gutgläubigen) Erwerber der Effekten oder gar weiterhin das Eigentum an diesen. Auch beim Einkaufsgeschäft hängt das Aussonderungsrecht des Kunden in erster 2 0 7 3 Linie davon ab, ob und in welchem Umfang man einen Zwischenerwerb der Bank bejaht. Ist man verhältnismäßig großzügig mit der Anwendung der Grundsätze über 501
A. A., von seinem Standpunkt aus folgerichtig, Schönle § 18 III 2 a. 302 Vgl. näher Canaris Festschr. zum 100jährigen Bestehen der K O , 1977, S. 103 ff; a. A. h. L., nach der der Veräußerer grundsätzlich auf die Kon-
kursquote beschränkt sein soll, vgl. z. B. Heinsius/ Hom/Than §32 Rdn. 7; Schwark Anlegerschutz S. 114. M3 Grundlegend B G H N J W 1953, 217, 218 f.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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16. Abschnitt. D a s E f f e k t e n g e s c h ä f t
das Geschäft für den, den es angeht (vgl. oben Rdn. 1979 ff, 2025), so wird ein Zwischenerwerb der Bank meist zu verneinen und dementsprechend ein Aussonderungsrecht des Kunden zu bejahen sein. Lehnt man diese Konstruktion dagegen ab, so ist ein Zwischenerwerb der Bank unumgänglich, und es kommt daher darauf an, ob die Bank das Eigentum noch vor der Konkurseröffnung auf den Kunden weiterübertragen hatte — sei es mit Hilfe der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Möglichkeiten wie dem Insichgeschäft und dem antezipierten Besitzkonstitut (vgl. dazu oben Rdn. 1977 f, 1995) oder sei es nach den Sondervorschriften der §§ 18 III und 24 II DepG (vgl. dazu oben Rdn. 1969 ff und 1993 ff). Daneben kommt u. U. ein Aussonderungsrecht gemäß § 392 II HGB an den Forderungen der Bank auf Lieferung bereits gekaufter Effekten in Betracht, doch dürfte dieser Möglichkeit kaum praktische Bedeutung zukommen, da § 392 II H G B nur für das Ausführungsgeschäft bei der „einfachen" Einkaufskommission, nicht aber für das Dekkungsgeschäft beim Selbsteintritt oder gar beim Eigengeschäft gilt (vgl. oben Rdn. 1901). e) Das Konkursvorrecht gemäß § 32 DepG 2074
H a t der Kunde kein Aussonderungsrecht, so erhält er gleichwohl einen besonderen Schutz durch das Konkursvorrecht gemäß § 32 DepG, sofern er seine eigene Leistung bereits ganz oder zu wenigstens 90 % erbracht hat — und zwar gemäß Abs. 2 unabhängig davon, ob es sich um eine einfache Einkaufskommission, eine Kommission mit Selbsteintritt der Bank oder ein Eigengeschäft handelt. Die Verwirklichung dieses Vorrechts erfolgt gemäß Abs. 3 durch Bildung einer Sondermasse, in die alle vorhandenen Wertpapiere der fraglichen Art, die Ansprüche auf Lieferung solcher Papiere sowie grundsätzlich auch die zugehörigen Zins- und Dividendenansprüche und Bezugsrechte einzubeziehen sind 304 . Die Forderungen der bevorrechtigten Kunden sind dabei gemäß Abs. 3 Satz 2 so weit wie möglich durch Lieferung in Natur, im übrigen anteilsmäßig in Geld aus dem beim Verkauf der massezugehörigen Papiere erzielten Erlös zu befriedigen. Sie haben gemäß Abs. 3 Satz 1 den Vorrang gegenüber allen anderen Konkursgläubigern; sowohl aus dem Wortlaut („allen") als auch aus dem besonderen Schutzzweck des Gesetzes ergibt sich, daß dieser Vorrang auch gegenüber den allgemeinen Massegläubigern i. S. von 57 ff K O gilt 305 . Das Wahlrecht gemäß § 17 K O hat der Konkursverwalter im Anwendungsbereich des § 32 DepG nicht, da dieser insoweit als lex specialis vorgeht 3 0 6 ; befriedigt der Konkursverwalter einzelne Gläubiger — bevorrechtigte oder sogar nicht bevorrechtigte — aus der Sondermasse, so macht er sich nach § 82 K O haftbar.
2075
Soweit die Sondermasse nicht zur Befriedigung aller bevorrechtigten Gläubiger ausreicht, sind diese nur gewöhnliche Konkursgläubiger und stehen den nach § 61 K O bevorrechtigten Gläubigern im Range nach 307 . Sie können dabei auf Grund eines argumentum a fortiori aus § 64 K O und in Analogie zu § 33 V DepG ihre Forderung nicht in der ursprünglichen Höhe, sondern nur mit dem Teil, mit welchem sie bei der Befriedigung aus der Sondermasse ausgefallen sind, geltend machen.
2076
Zum Kreis der bevorrechtigten Gläubiger gehören nach Abs. 1 Ziff. 1 die Einkaufskommittenten, die bei Eröffnung des Konkursverfahrens das Eigentum oder Miteigen30" Vgl. dazu näher Hopt BB 1975, 402 ff. 505 Vgl. Opitz § 32 Anm. 3; Ratz Anh. II nach § 424 Anm. 198; Heinsius/Hom/Tban $ 32 Rdn. 39 m. w. Nachw.
1054
306
307
Vgl. Opitz § 32 Anm. 10; Ratz a a O Anm. 198; Heinsius/Horn/Than § 32 Rdn. 36 m. w. Nachw. Vgl. Opitz § 32 Anm. 3; Schönle § 18 V I ; Hein¡iui/Horn/Thati § 32 Rdn. 58.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VI. Der Einfluß des Konkurses auf das Effektengeschäft tum noch nicht erlangt haben, und nach Abs. 1 Ziff. 2 die Hinterleger, Verpfänder und Kommittenten, deren Eigentum oder Miteigentum durch eine rechtswidrige Verfügung der Bank oder ihrer Leute verletzt worden ist. Ziff. 2 kommt nicht nur Einkaufs-, sondern auch Verkaufskommittenten zugute, da letztere zumindest unter den Begriff des „Hinterlegers" fallen, sofern man das Wort „Kommittent" einschränkend i. S. von Einkaufskommittent auslegt (vgl. oben Rdn. 2072 i. V. m. Rdn. 2000). Die durch Ziff. 2 geschützten Ansprüche sind vor allem Schadensersatz- und 2 0 7 7 Bereicherungsansprüche. Ihre Begründetheit wird in § 32 I Ziff. 2 vorausgesetzt, da die Vorschrift nur ein Konkursvorrecht gewährt und nicht etwa eine eigene Anspruchsgrundlage darstellt. Es kommt also im Einzelfall darauf an, ob die materiellen Anspruchsvoraussetzungen wirklich gegeben waren oder nicht. Für einen Schadensersatzanspruch ist also z. B. ein Verschulden der Bank erforderlich, das allerdings nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen, insbesondere nach § 282 BGB, vermutet wird; fehlt es, so wird in aller Regel zumindest § 816 BGB eingreifen. Ist die Verfügung der Bank unwirksam und die Rechtsstellung des Kunden deshalb nicht beeinträchtigt, hat er nicht das Konkursvorrecht des § 32 DepG, sondern die allgemeinen Rechtsbehelfe wie insbesondere ein Aussonderungsrecht gemäß § 43 KO. Voraussetzung für das Bestehen des Konkursvorrechts ist im übrigen in jedem Falle, 2 0 7 8 daß der Kunde seine Verpflichtung aus dem betreffenden Geschäft ganz oder zu 90 % erfüllt hatte. Bei Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses ist dabei zwischen den einzelnen Geschäften zu unterscheiden und nach § 366 BGB zu bestimmen, welches von ihnen als erfüllt anzusehen ist und welches nicht. Die h. L., die die Anwendung des § 366 BGB im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses ablehnt, kommt hier in Schwierigkeiten und beschwört die Gefahr herauf, daß der Kunde für kein Geschäft das Vorrecht des § 32 K O erhält, obwohl er seine Verpflichtungen aus einem oder mehreren Geschäften erfüllt hat; denn nach der Theorie von der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung muß die h. L. die erbrachten Leistungen pro rata auf alle Forderungen der Bank anrechnen 3 0 8 , und dabei wird es häufig so sein, daß die erforderliche Quote von 90 % für keine Forderung erreicht wird. Die h. L. sucht dem durch die Anwendung von § 19 IV DepG zu entgehen 309 . Das dürfte meistens, wenn auch nicht immer 3 1 0 , zu denselben Ergebnissen wie die Anwendung des § 366 BGB führen, zumal § 19 IV DepG ohnehin nicht starr angewendet werden darf, sondern für die Berücksichtigung des — auch bei § 366 BGB ausschlaggebenden — wirklichen oder mutmaßlichen Parteiwillens Raum läßt (vgl. oben Rdn. 1959). Das Wahlrecht aus § 17 KO tritt nach herrschender und richtiger Ansicht hinter der 2 0 7 9 Regelung des § 32 DepG zurück 3 1 1 , weil deren Schutz anderenfalls dem Effektenkunden durch eine freie Entscheidung des Konkursverwalters vorenthalten werden könnte. Dagegen bleibt die Möglichkeit der Konkursanfechtung nach § 30 KO grundsätzlich unberührt. Daß das Konkursvorrecht des § 32 DepG einem Absonderungsrecht ähnelt und die Konkursanfechtung gegenüber Absonderungsberechtigten normalerweise nicht durchgreift, stellt keinen Einwand dar. Hier liegt nämlich insofern eine wesentliche Besonderheit vor, als das Vorzugsrecht nicht einzelnen Gläubigern hinsichtlich bestimmter Gegenstände, sondern einer Gruppe von Gläubigern hinsichtlich einer Gesamtheit von Gegenständen zusteht. Die Vermehrung der (Sonder)-Masse durch 308 Vgl. dazu näher Canaris G r o ß k o m m , zum H G B 3 § 355 Anm. 68 ff. 309 Vgl. Opitz § 3 2 Anm. 5; Ratz a a O Anm. 194; Heinsius/Horn/Than § 32 Rdn. 18.
310
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Vgl. näher Heinsius/Horn/Than § 32 Rdn. 18 und Canaris a a O (Fn. 302) S. 101 f mit Fn. 83. Vgl. z . B . Opitz § 3 2 Anm. 10; Ratz Anm. 194; Heinsius/Horn/Than § 32 Rdn. 36 m. w. N a c h w .
Claus-Wilhelm Canaris
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16. Abschnitt. Das Effektengeschäft
den Konkursverwalter und die darin liegende Begünstigung einer Mehrheit von Gläubigern zu Lasten einzelner Gläubiger ist daher sinnvoll und entspricht dem Schutzzweck von § 30 K O . Allerdings kann die Konkursanfechtung am Vorliegen eines „Bargeschäfts" scheitern, doch ist das nur dann der Fall, wenn der Kunde die Mittel eigens für den Erwerb der Effekten angeschafft hatte, nicht aber auch dann, wenn er diese aus einem ohnehin vorhandenen Guthaben bezahlt hatte; denn dann hat er lediglich eine Geldforderung gegen die Bank in Effekten umgewandelt, so daß er der Konkursanfechtung grundsätzlich ebenso ausgesetzt sein muß wie z. B. bei einer Barabhebung seines Guthabens. Wendet man freilich zugunsten des Effektenerwerbers die Regeln über das „Geschäft f ü r den, den es angeht" an, so kommt eine Konkursanfechtung grundsätzlich nicht in Betracht, weil die Effekten dann niemals in das Vermögen der Bank gelangt sind; das zeigt indessen einmal mehr, daß die Lehre vom „Geschäft für den, den es angeht" zur Umgehung zwingender Vorschriften des geschriebenen Rechts führt und daher aufgegeben werden sollte (vgl. dazu im übrigen oben Rdn. 1981).
1056
2. Bearbeitung. Stand 1.5. 1981
17. Abschnitt Das Depotgeschäft Systematische Übersicht Rdn. I. Der Text von §§ 1 - 1 7 Depotgesetz . . . II. Begriff und Wesen des Depotgeschäfts 1. Der Gegenstand des Depotgeschäfts 2. Die Technik des Depotgeschäfts . . 3. Die Funktionen des Depotgeschäfts. 4. Die Rechtsnatur des Depotgeschäfts III. Depotinhaberschaft und Verfügungsbefugnis 1. Die Besonderheiten bei einem Depot für einen Dritten a) Die Konstruktionsmöglichkeiten b) Die Zuwendung des Depots auf den Todesfall durch Rechtsgeschäft unter Lebenden 2. Rechtsgeschäftliche Sondergestaltungen des Depots IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung 1. Die Sonderverwahrung i. S. von § 2 DepG 2. Die Sammelverwahrung i. S. von § § 5 - 8 DepG a) Das Erfordernis der Ermächtigung b) Die Entstehung von Miteigentum gemäß § 6 I DepG c) Die Übertragung eines Miteigentumsanteils gemäß § 5 II DepG d) Handbestand und Vorgirodepot e) Die Rechtsnatur der Miteigentümergemeinschaft f) Die Größe der Miteigentumsanteile und der Ausgleich von Verlusten am Sammelbestand . . . . g) Die Auslieferungsansprüche gemäß § § 7 I und 8 DepG . . . . h) Verfügungen über den Miteigentumsanteil und Herausgabeklage 3. Die Verwahrung mit Hilfe einer Sammelurkunde gemäß § 9a DepG a) Begriff und Wesen der Sammelurkunde b) Das Ermächtigungserfordernis . c) Die verschiedenen Formen der Verwahrung mit Hilfe einer
2080 2081 2084 2087 2089
4.
2090
2091
2094 2095 5. 2101
2102 2104
2108 2111 2115
2117 2119
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2126 2128
Sammelurkunde d) Die Abdingbarkeit der Ansprüche auf Auslieferung von Einzelstücken Sonderarten der Verwahrung auf der Grundlage von Sonderermächtigungen a) Die Tauschverwahrung i. S. von §§ 10 f DepG b) Die unregelmäßige Verwahrung i. S. von § 15 DepG c) Die Verwahrung mit Verfügungsermächtigung gemäß § 13 DepG d) Die Verwahrung mit Verpfändungsermächtigung gemäß § 12 DepG Die Drittverwahrung a) Begriff und Wesen der Drittverwahrung b) Die Besonderheiten des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kunden und seiner Bank bei der Drittverwahrung c) Das Rechtsverhältnis zwischen dem Zwischenverwahrer und dem Drittverwahrer d) Das Rechtsverhältnis zwischen dem Ersthinterleger bzw. dem Eigentümer und dem Drittverwahrer e) Die Bedeutung der Fremdvermutung des § 4 DepG für die Drittverwahrung f) Der gutgläubige Pfandrechtserwerb des Drittverwahrers . . . .
V. Die Pflichten der Bank 1. Die Verwahrungs- und Obhutspflichten 2. Die Verwaltungspflichten a) Uberwachungs- und Benachrichtigungspflichten b) Die Pflicht zum Einzug von Forderungen für den Kunden . . c) Die Pflichten der Bank hinsichtlich der Ausübung des „Depotstimmrechts"
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Rdn. 2129
2133
2136 2139
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
Die Pflicht z u r Führung des Verwahrungsbuchs gemäß § 14 D e p G . VI. Der Einfluß des Konkurses auf das Depotgeschäft 1. Der K o n k u r s des Kunden 2. Der K o n k u r s der Bank a) Der Einfluß des Konkurses auf das Kausalgeschäft b) Das Aussonderungsrecht des Hinterlegers c) Die Konkursvorrechte gemäß §§ 32 und 33 DepG d) Der Einfluß des Konkurses auf
Rdn.
Rdn.
2198
obligatorische Forderungen, insbesondere auf Zins- und Dividendenansprüche 2216
3.
2203
2205 2208 2211
Alphabetische Aberdepot 2092, 2142 Abfindungsangebot 2183 Aktie 2134 Allgemeine Geschäftsbedingungen Benachrichtigungspflicht 2182 ff Forderungseinzug 2184 ff Freizeichnung 2181 Pfandrecht 2228 Überwachungspflicht 2182 ff Verwahrungspflicht 2180 f Anderdepot 2100 Aufgebot 2182 Auslandsgeschäft 2155 Auslieferungsansprüche 2119 ff, 2130 Abdingbarkeit 2133 ff
Bereicherungsansprüche 2162 Bezugsrecht 2183, 2221
2231 2234
Freizeichnung 2153 ff, 2181, 2226 Fremdanzeige 2173 f Fremddepot 2096 Fremdvermutung 2167 ff Fusion 2183 Gemeinschaftsdepot 2095 Gewinnanteilscheine 2184 Girosammeiverwahrung 2085 f, 2088, 2102 f, 2150 f Globalurkunde s. Sammelurkunde Gutgläubiger Erwerb 2125, 2130, 2146, 2168, 2175 Handbestand 2111 ff, 2130 Hausverwahrung 2085, 2102, 2111, 2131
Miteigentümergemeinschaft 2115 ff N u m m e r n z w a n g 2201 f
Effektengiroverkehr 2085, 2088, 2129, 2131 Eigenanzeige 2169, 2172
2227
EinZahlungsaufforderung 2183 Einziehungsbefugnis der Bank 2184 ff, 2219 f
Konkurs des Kunden 2203 f des Verwahrers 2180, 2205 ff Konkursvorrecht 2211 ff Konvertierung 2183 Kündigung 2182
Bestimmung 2090 D e p o t p r ü f u n g 2086, 2114 Richtlinien 2222 Depotstimmrecht 2087, 2187 ff Depotumlegung 2179 Dividende 2087, 2089, 2216 ff Drittschadensliquidation 2166 Drittverwahrung 2085, 2149 ff, 2180, 2202
2224 2225
Übersicht
Inhaberschuldverschreibung 2134
Depot f ü r Dritte 2092 f, 2096 offenes 2083, 2089 Übertragung 2091 verschlossenes 2083, 2089 Depot A 2086, 2178 D e p o t B 2086 D e p o t C 2086, 2177 Depot D 2086, 2176 Depotgeschäft 2081 ff Depotinhaber
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VII. Die Richtlinien für die Depotprüfung . . 2222 VIII. Der Safevertrag 1. Die Rechtsnatur des Safevertrags . . 2. Die Pflichten aus dem Safevertrag . 3. Die Rechtsverhältnisse bezüglich des Safeinhalts 4. Die Zwangsvollstreckung in den Safeinhalt 5. Der T o d des Safeinhabers
O d e r d e p o t 2095 Opposition 2105 a, 2182 Pfandklausel 2171 Pfandrecht 2170 ff gutgläubiger Erwerb 2175 Safevertrag 2229 ff Pfandverwahrung 2148 Positive Forderungsverletzung 2164 f Safevertrag 2224 ff Sammelurkunde 2126 Sammelverwahrung 2084, 2102 ff, 2158 f
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Der Text von §§ 1 — 17 Depotgesetz E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g 2108 ff V e r w a h r u n g s b u c h 2201 S a n i e r u n g s f ä l l e 2183 Schadensersatzansprüche Obhutspflichten 2181 bei Verlust 2118 S e p a r a t d e p o t 2097 S o n d e r v e r w a h r u n g 2084, 2101, 2 1 3 2 , 2158 f S p e r r d e p o t 2098 S t r e i f b a n d d e p o t s. S o n d e r v e r w a h r u n g T a u s c h v e r w a h r u n g 2 1 3 6 ff T e s t a m e n t 2235 Treuhanddepot 2099 Ü b e r n a h m e a n g e b o t 2183 U m t a u s c h a n g e b o t 2183 U n d - D e p o t 2095 U n e r l a u b t e H a n d l u n g 2161 Verlosung 2182 Verlustmeldung 2105 a V e r p f ä n d u n g 2 0 9 8 , 2145 ff
V e r t r a g z u g u n s t e n Dritter 2 0 9 2 ff auf den T o d e s f a l l 2094, 2234 Verwahrung mit V e r f ü g u n g s e r m ä c h t i g u n g 2143 f, 2210 mit V e r p f ä n d u n g s e r m ä c h t i g u n g 2 1 4 5 ff unregelmäßige 2139 ff, 2209 Verwahrungsbruch E i n t r a g u n g 2084, 2086, 2108, 2 1 2 5 Pflichten der B a n k 2198 ff V e r w a h r u n g s p f l i c h t 2180 f V o r g i r o d e p o t 2111 ff Wertpapierbegriff 2081 f W e r t p a p i e r r e c h n u n g 2 1 4 2 s. a u c h A b e r d p o t W e r t p a p i e r s a m m e l b a n k e n 2085, 2131 s. im übrigen Girosammeiverwahrung Wertrecht 2 0 8 2 , 2126 Z a h l u n g s s p e r r e 2182 Zinsen 2087, 2 0 8 9 , 2184, 2216 ff Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t 2170 ff, 2 2 3 0 Z w i s c h e n v e r w a h r e r 2152, 2158 ff
Literatur: Vgl. die Angaben zum Effektengeschäft vor Rdn. 1810.
I. Der Text der §§ 1 — 17 Depotgesetz § 1 Allgemeine Vorschriften (1) Wertpapiere im Sinne dieses Gesetzes sind Aktien, K u x e , Zwischenscheine, Reichsbankanteilscheine, Zins-, Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine, auf den Inhaber lautende oder durch Indossament übertragbare Schuldverschreibungen, ferner andere Wertpapiere, wenn diese vertretbar sind, mit Ausnahme von Banknoten und Papiergeld. (2) Verwahrer im Sinne dieses Gesetzes ist ein Kaufmann, dem im Betriebe seines Handelsgewerbes Wertpapiere unverschlossen zur Verwahrung anvertraut werden. (3) Wertpapiersammelbanken sind Banken, die vom Reichsminister der Justiz im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister durch Bekanntmachung im Reichsgesetzblatt als solche bezeichnet sind. Der Reichsminister der Justiz kann im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister die Bezeichnung einer Bank als Wertpapiersammelbank von der Erfüllung von Auflagen abhängig machen, ferner den als Wertpapiersammelbank bezeichneten Banken Auflagen machen und ihnen, wenn sie die Auflagen nicht erfüllen, die Bezeichnung Wertpapiersammelbank entziehen. Erster Abschnitt Verwahrung § 2 Sonderverwahrung Der Verwahrer ist verpflichtet, die Wertpapiere unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von seinen eigenen Beständen und von denen Dritter aufzubewahren. Etwaige Rechte und Pflichten des Verwahrers, für den Hinterleger Verfügungen oder Verwaltungshandlungen vorzunehmen, werden dadurch nicht berührt. § 3 Drittverwahrung (1) Der Verwahrer ist berechtigt, die Wertpapiere unter seinem Namen einem anderen Verwahrer zur Verwahrung anzuvertrauen. Zweigstellen eines Verwahrers gelten sowohl untereinander als auch in ihrem Verhältnis zur Hauptstelle als verschiedene Verwahrer im Sinne dieser Vorschrift. Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. D a s Depotgeschäft (2) Der Verwahrer, der Wertpapiere von einem anderen Verwahrer verwahren läßt (Zwischenverwahrer), haftet für ein Verschulden des Drittverwahrers wie für eigenes Verschulden. Für die Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt bei der Auswahl des Drittverwahrers bleibt er auch dann verantwortlich, wenn ihm die Haftung für ein Verschulden des Drittverwahrers durch Vertrag erlassen worden ist, es sei denn, daß die Papiere auf ausdrückliche Weisung des Hinterlegers bei einem bestimmten Drittverwahrer verwahrt werden. $ 4 Beschränkte Geltendmachung von Pfand- und Zurückbehaltüngsrechten (1) Vertraut der Verwahrer die Wertpapiere einem Dritten an, so gilt als dem Dritten bekannt, daß die Wertpapiere dem Verwahrer nicht gehören. Der Dritte kann an den Wertpapieren ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht nur wegen solcher Forderungen geltend machen, die mit Bezug auf diese Wertpapiere entstanden sind oder für die diese Wertpapiere nach dem einzelnen über sie zwischen dem Verwahrer und dem Dritten vorgenommenen Geschäft haften sollen. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwahrer dem Dritten für das einzelne Geschäft ausdrücklich und schriftlich mitteilt, daß er Eigentümer der Wertpapiere sei. (3) Vertraut ein Verwahrer, der nicht Bank- oder Sparkassengeschäfte betreibt, Wertpapiere einem Dritten an, so gilt Absatz 1 nicht. Ist er nicht Eigentümer der Wertpapiere, so hat er dies dem Dritten mitzuteilen; in diesem Falle gilt Absatz 1 S a t z 2. § 5 Sammelverwahrung (1) Vertretbare Wertpapiere einer und derselben Art darf der Verwahrer ungetrennt von seinen eigenen Beständen derselben Art oder von solchen Dritter aufbewahren oder einem Dritten zur Sammelverwahrung anvertrauen, wenn der Hinterleger ihn dazu ermächtigt hat. Die Ermächtigung muß ausdrücklich und schriftlich erteilt werden; sie darf weder in Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen. Die Ermächtigung muß für jedes Verwahrungsgeschäft besonders erteilt werden, es sei denn, daß die Wertpapiere zur Sammelverwahrung Wertpapiersammelbanken übergeben werden sollen. (2) Wer zur Sammelverwahrung ermächtigt ist, kann, anstatt das eingelieferte Stück in Sammelverwahrung zu nehmen, dem Hinterleger einen entsprechenden Sammelbestandanteil übertragen. (3) Auf die Sammelverwahrung bei einem Dritten ist § 3 anzuwenden. (4) . . . (erloschene Ermächtigung) § 6 Miteigentum am Sammelbestand. Verwaltungsbefugnis des Verwahrers bei der Sammelverwahrung (1) Werden Wertpapiere in Sammelverwahrung genommen, so entsteht mit dem Zeitpunkt des Eingangs beim Sammelverwahrer für die bisherigen Eigentümer Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand des Verwahreres gehörenden Wertpapieren derselben Art. Für die Bestimmung des Bruchteils ist der Wertpapiernennbetrag maßgebend, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag die Stückzahl. (2) Der Sammelverwahrer kann aus dem Sammelbestand einem jeden der Hinterleger die diesem gebührende Menge ausliefern oder die ihm selbst gebührende Menge entnehmen, ohne daß er hierzu der Zustimmung der übrigen Beteiligten bedarf. In anderer Weise darf der Sammelverwahrer den Sammelbestand nicht verringern. Diese Vorschriften sind im Falle der Drittverwahrung auf Zwischenverwahrer sinngemäß anzuwenden. $ 7 Auslieferungsansprüche des Hinterlegers bei der Sammelverwahrung (1) Der Hinterleger kann im Falle der Sammelverwahrung verlangen, daß ihm aus dem Sammelbestand Wertpapiere in H ö h e des Nennbetrages, bei Wertpapieren ohne Nennbetrag in H ö h e der Stückzahl der für ihn in Verwahrung genommenen Wertpapiere ausgeliefert werden; die von ihm eingelieferten Stücke kann er nicht zurückfordern.
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I. Der Text von §§ 1 — 17 Depotgesetz (2) Der Sammelverwahrer kann die Auslieferung insoweit verweigern, als sich infolge eines Verlustes am Sammelbestand die dem Hinterleger nach § 6 gebührende Menge verringert hat. Er haftet dem Hinterleger für den Ausfall, es sei denn, daß der Verlust am Sammelbestand auf Umständen beruht, die er nicht zu vertreten hat. § 8 Ansprüche der Miteigentümer und sonstiger dinglich Berechtigter bei der Sammelverwahrung Die für Ansprüche des Hinterlegers geltenden Vorschriften der § 6 Abs. 2 Satz 1, § 7 sind sinngemäß auf Ansprüche eines jeden Miteigentümers oder sonst dinglich Berechtigten anzuwenden. § 9 Beschränkte Geltendmachung von Pfand- und Zurückbehaltüngsrechten bei der Sammelverwahrung § 4 gilt sinngemäß auch für die Geltendmachung von Pfandrechten und Zurückbehaltüngsrechten an Sammelbestandanteilen. § 9 a Sammelurkunde (1) Der Verwahrer darf ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten (Sammelurkunde), einer Wertpapiersammelbank zur Verwahrung übergeben, wenn der Hinterleger der Sammelurkunde eine Ermächtigung nach § 5 erteilt hat. Der Aussteller kann jederzeit und ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten 1. eine von der Wertpapiersammelbank in Verwahrung genommene Sammelurkunde ganz oder teilweise durch einzelne in Sammelverwahrung zu nehmende Wertpapiere oder 2. einzelne Wertpapiere eines Sammelbestandes einer Wertpapiersammelbank durch eine Sammelurkunde ersetzen. (2) Verwahrt eine Wertpapiersammelbank eine Sammelurkunde allein oder zusammen mit einzelnen Wertpapieren, die über Rechte der in der Sammelurkunde verbrieften Art ausgestellt sind, gelten die §§ 6 bis 9 sowie die sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes über Sammelverwahrung und Sammelbestandanteile sinngemäß, soweit nicht in Absatz 3 etwas anderes bestimmt ist. (3) Wird auf Grund der §§ 7 und 8 die Auslieferung von einzelnen Wertpapieren verlangt, so hat der Aussteller die Sammelurkunde insoweit durch einzelne Wertpapiere zu ersetzen, als dies für die Auslieferung erforderlich ist; während des zur Herstellung der einzelnen Wertpapiere erforderlichen Zeitraumes darf die Wertpapiersammelbank die Auslieferung verweigern. Ist der Aussteller nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nicht verpflichtet, an die Inhaber der in der Sammelurkunde verbrieften Rechte einzelne Wertpapiere auszugeben, kann auch von der Wertpapiersammelbank die Auslieferung von einzelnen Wertpapieren nicht verlangt werden. § 10 Tauschverwahrung (1) Eine Erklärung, durch die der Hinterleger den Verwahrer ermächtigt, an Stelle ihm zur Verwahrung anvertrauter Wertpapiere Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, muß für das einzelne Verwahrungsgeschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben werden. Sie darf weder in Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen. (2) Derselben Form bedarf eine Erklärung, durch die der Hinterleger den Verwahrer ermächtigt, hinterlegte Wertpapiere durch Wertpapiere derselben Art zu ersetzen. (3) . . . (erloschene Ermächtigung) $ 11 Umfang der Ermächtigung zur Tauschverwahrung Eine Erklärung, durch die der Hinterleger den Verwahrer ermächtigt, an Stelle ihm zur Verwahrung anvertrauter Wertpapiere Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, umfaßt, wenn dies nicht in der Erklärung ausdrücklich ausgeschlossen ist, die Ermächtigung, die Wertpapiere Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft schon vor der Rückgewähr durch Wertpapiere derselben Art zu ersetzen. Sie umfaßt nicht die Ermächtigung zu Maßnahmen anderer Art und bedeutet nicht, daß schon durch ihre Entgegennahme das Eigentum an den Wertpapieren auf den Verwahrer übergeben soll. § 12 Ermächtigungen zur Verpfändung (1) D e r Verwahrer darf die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile nur auf Grund einer Ermächtigung und nur im Zusammenhang mit einer Krediteinräumung f ü r den Hinterleger und nur an einen Verwahrer verpfänden. Die Ermächtigung muß f ü r das einzelne Verwahrungsgeschäft ausdrücklich und schriftlich erteilt werden; sie darf weder in Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen. (2) Der Verwahrer darf auf die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile Rückkredit nur bis zur Gesamtsumme der Kredite nehmen, die er f ü r die Hinterleger eingeräumt hat. Die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile dürfen nur mit Pfandrechten zur Sicherung dieses Rückkredits belastet werden. Der W e r t der verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile soll die H ö h e des f ü r den Hinterleger eingeräumten Kredits mindestens erreichen, soll diese jedoch nicht unangemessen übersteigen. (3) Ermächtigt der Hinterleger den Verwahrer nur, die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile bis zur H ö h e des Kredits zu verpfänden, den der Verwahrer f ü r diesen Hinterleger eingeräumt hat (beschränkte Verpfändung), so bedarf die Ermächtigung nicht der Form des Absatzes 1 Satz 2. Absatz 2 Satz 3 bleibt unberührt. (4) Ermächtigt der Hinterleger den Verwahrer, die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile f ü r alle Verbindlichkeiten des Verwahrers und ohne Rücksicht auf die H ö h e des f ü r den Hinterleger eingeräumten Kredits zu verpfänden (unbeschränkte Verpfändung), so muß in der Ermächtigung zum Ausdruck kommen, daß der Verwahrer das Pfandrecht unbeschränkt, also f ü r alle seine Verbindlichkeiten und ohne Rücksicht auf die H ö h e des f ü r den Hinterleger eingeräumten Kredits bestellen kann. Dies gilt sinngemäß, wenn der Hinterleger den Verwahrer von der Innehaltung einzelner Beschränkungen des Absatzes 2 befreit. (5) Der Verwahrer, der zur Verpfändung von Wertpapieren oder Sammelbestandanteilen ermächtigt ist, darf die Ermächtigung so, wie sie ihm gegeben ist, weitergeben. § 13 Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum (1) Eine Erklärung, durch die der Verwahrer ermächtigt wird, sich die anvertrauen Wertpapiere anzueignen oder das Eigentum an ihnen auf einen Dritten zu übertragen, und alsdann nur verpflichtet sein soll, Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, muß für das einzelne Verwahrungsgeschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben werden. In der Erklärung muß zum Ausdruck kommen, daß mit der Ausübung der Ermächtigung das Eigentum auf den Verwahrer oder einen Dritten übergehen soll und mithin f ü r den Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere entsteht. Die Erklärung darf weder auf andere U r k u n d e n verweisen noch mit anderen Erklärungen des Hinterlegers verbunden sein. (2) Eignet sich der Verwahrer die Wertpapiere an oder überträgt er das Eigentum an ihnen auf einen Dritten, so sind von diesem Zeitpunkt an die Vorschriften dieses Abschnitts auf ein solches Verwahrungsgeschäft nicht mehr anzuwenden. § 14 Verwahrungsbuch (1) Der Verwahrer ist verpflichtet, ein Handbuch zu führen, in das jeder Hinterleger und Art, Nennbetrag oder Stückzahl, N u m m e r n oder sonstige Bezeichnungsmerkmale der f ü r ihn verwahrten Wertpapiere einzutragen sind. Wenn sich die N u m m e r n oder sonstigen Bezeichnungsmerkmale aus Verzeichnissen ergeben, die neben dem Verwahrungsbuch geführt werden, genügt insoweit die Bezugnahme auf diese Verzeichnisse. (2) Die Eintragung eines Wertpapiers kann unterbleiben, wenn seine Verwahrung beendet ist, bevor die Eintragung bei ordnungsmäßigem Geschäftsgang erfolgen konnte.
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II. Begriff und Wesen des Depotgeschäfts (3) Die Vorschriften über die Führung eines Verwahrungsbuchs gelten sinngemäß auch für die Sammelverwahrung. (4) Vertraut der Verwahrer die Wertpapiere einem Dritten an, so hat er den Ort der Niederlassung des Dritten im Verwahrungsbuch anzugeben. Ergibt sich der Name des Dritten nicht aus der sonstigen Buchführung, aus Verzeichnissen, die neben dem Verwahrungsbuch geführt werden, oder aus dem Schriftwechsel, so ist auch der Name des Dritten im Verwahrungsbuch anzugeben. Ist der Verwahrer zur Sammelverwahrung, zur Tauschverwahrung, zur Verpfändung oder zur Verfügung über das Eigentum ermächtigt, so hat er auch dies in dem Verwahrungsbuch ersichtlich zu machen. (5) Teilt ein Verwahrer dem Drittverwahrer mit, daß er nicht Eigentümer der von ihm dem Drittverwahrer anvertrauten Wertpapiere ist (§ 4 Abs. 3), so hat der Drittverwahrer dies bei der Eintragung im Verwahrungsbuch kenntlich zu machen. (6) Der Reichsminister der Justiz kann im Einvernehmen mit dem Reichswirtscbaftsminister tere Bestimmungen über das Verwahrungsbuch erlassen.
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§ 15 Unregelmäßige Verwahrung. Wertpapierdarlehen (1) Wird die Verwahrung von Wertpapieren in der Art vereinbart, daß das Eigentum sofort auf den Verwahrer oder einen Dritten übergeht und der Verwahrer nur verpflichtet ist, Wertpapiere derselben Art zurückzugewähren, so sind die Vorschriften dieses Abschnitts auf ein solches Verwahrungsgeschäft nicht anzuwenden. (2) Eine Vereinbarung der in Absatz 1 bezeichneten Art ist nur gültig, wenn die Erklärung des Hinterlegers für das einzelne Geschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben wird. In der Erklärung muß zum Ausdruck kommen, daß das Eigentum sofort auf den Verwahrer oder einen Dritten übergehen soll und daß mithin für den Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere entsteht. Die Erklärung darf weder auf andere Urkunden verweisen noch mit anderen Erklärungen des Hinterlegers verbunden sein. (3) Diese Vorschriften gelten sinngemäß, wenn Wertpapiere einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes als Darlehen gewährt werden. $ 16 Befreiung von Formvorschriften Die Formvorschriften der §§ 5, 10, 12, 13, 15 Abs. 2, 3 sind nicht anzuwenden, wenn der Hinterleger gewerbsmäßig Bank- oder Sparkassengeschäfte betreibt. § 17 Pfandverwahrung Werden einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes Wertpapiere unverschlossen als Pfand anvertraut, so hat der Pfandgläubiger die Pflichten und Befugnisse eines Verwahrers.
II. Begriff und Wesen des Depotgeschäfts 1. D e r Gegenstand des Depotgeschäfts Als D e p o t g e s c h ä f t w i r d in § 1 I Z i f f . 5 K W G die „ V e r w a h r u n g u n d V e r w a l t u n g v o n 2 0 8 1 W e r t p a p i e r e n f ü r a n d e r e " b e z e i c h n e t . E b e n s o w i e bei d e r D e f i n i t i o n des E f f e k t e n g e s c h ä f t s b a u t das K W G also a u c h hier auf d e m Wertpapierbegriff a u f , u n d e b e n s o w i e d o r t ist d a b e i nicht v o n d e m w e i t e n Begriff des W e r t p a p i e r r e c h t s , s o n d e r n v o n d e m e n g e r e n des B a n k r e c h t s a u s z u g e h e n (vgl. o b e n R d n . 1810). D a s s t i m m t a u c h mit § 1 I D e p G ü b e r e i n , w o als W e r t p a p i e r e i. S. des D e p o t g e s e t z e s g e n a n n t w e r d e n : A k t i e n , Kuxe, Zwischenscheine, Reichsbankanteilscheine, Zins-, Gewinnanteil- und Erneuer u n g s s c h e i n e , auf d e n I n h a b e r l a u t e n d e o d e r d u r c h I n d o s s a m e n t ü b e r t r a g b a r e S c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n sowie sonstige W e r t p a p i e r e , s o f e r n sie v e r t r e t b a r s i n d ; l e t z t e r e s t r i f f t a u c h f ü r m a n c h e R e k t a p a p i e r e z u wie z. B. die auf d e n N a m e n des B e r e c h t i g t e n u m g e Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
schriebene Inhaberschuldverschreibung (§ 806 BGB) oder den Sparbrief 1 . Keine Wertpapiere i. S. von § 1 I DepG sind mangels Vertretbarkeit z. B. Wechsel, Schecks, kaufmännische Anweisungen, Konnossemente, Ladescheine, Lagerscheine, Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenbriefe mit Ausnahme der Inhabergrundschuldbriefe, GmbHAnteilsscheine und hinkende Inhaberpapiere oder qualifizierte Legitimationspapiere i. S. von § 808 BGB (vgl. auch oben Rdn. 1813). 2082
Wie die Definition des § 1 Ziff. 5 KWG einerseits zu weit ist, indem sie sich auf Wertpapiere aller Art zu beziehen scheint, so ist sie andererseits heute zu eng, indem sie am Erfordernis der Verkörperung in einer Urkunde festhält und dadurch die Wertrechte, also die den Wertpapieren entsprechenden unverbrieften Rechte ausschließt. Ebenso wie beim Effektengeschäft und aus denselben Gründen wie bei diesem (vgl. oben Rdn. 1815 ff) ist daher der Begriff des Depotgeschäfts in dem Sinne zu erweitern, daß es außer Wertpapieren auch die entsprechenden Wertrechte zum Gegenstand haben kann. Diese können zwar nicht „verwahrt", wohl aber „verwaltet" werden, und das genügt für ihre Einbeziehung in den Begriff des Depotgeschäfts, da sie die gleiche wirtschaftliche Funktion wie die Wertpapiere wahrnehmen. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um eine terminologische Gleichstellung; ob dem eine rechtliche Gleichstellung entspricht und ob insbesondere das Depotgesetz analoge Anwendung findet, ist eine andere Frage, die — auch wenn sie grundsätzlich zu bejahen ist (vgl. oben Rdn. 2049) — mit der Problematik der Begriffsbildung und den dafür maßgeblichen terminologischen Überlegungen nicht identifiziert werden darf.
2083
Die Art der Verwahrung ist für den Begriff des Depotgeschäfts grundsätzlich unerheblich. Auch das sogenannte verschlossene Depot, bei dem der Kunde der Bank ein versiegeltes Paket mit Wertpapieren in Verwahrung gibt, fällt also unter den Begriff des Depotgeschäfts. Das Depotgesetz ist in diesem Falle allerdings nicht anwendbar; denn es setzt nach § 1 II voraus, daß die Wertpapiere „unverschlossen zur Verwahrung anvertraut werden", und erfaßt daher nur das offene Depot. 2. Die Technik des Depotgeschäfts
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Was die technische Durchführung des Depotgeschäfts angeht, so ist insoweit zunächst zwischen Sonderverwahrung und Sammelverwahrung zu unterscheiden. Bei der ersteren werden die Wertpapiere getrennt von denen anderer Kunden in einem Sonderdepot, das meist auch als Streifbanddepot bezeichnet wird, verwahrt; das Effektenpaket wird mit einem Streifen versehen, Name und Anschrift des Kunden sowie Art und Nennwert der verwahrten Papiere werden vermerkt, und im Verwahrungsbuch werden die Effekten für den Hinterleger individuell gekennzeichnet. Außerdem werden üblicherweise die Stammurkunden und die Nebenurkunden wie Zins- oder Dividendenscheine usw. getrennt voneinander verwahrt. Bei der Sammelverwahrung werden dagegen die Wertpapiere verschiedener Eigentümer nicht gesondert für jeden einzelnen verwahrt, sondern nach Wertpapierarten zusammengelegt und gemeinsam verwahrt.
2085
Die Technik des Depotgeschäfts wird weiterhin maßgeblich durch die Unterscheidung von Hausverwahrung und Drittverwahrung bestimmt. Angesichts der riesigen Masse der Wertpapiere ist es nämlich den einzelnen Banken immer weniger möglich, alle Effekten ihrer Kunden in ihren eigenen Räumen zu verwahren. Sie bedienen sich
1 Vgl. auch Heinsim/Hom/Than Kumpel BuB 8/5.
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§ 1 Rdn. 14, 20;
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II. Begriff und Wesen des Depotgeschäfts daher der Möglichkeit der Verwahrung durch einen Dritten. Dabei haben die Wertpapiersammelbanken, die nach § 1 III DepG besonderen Vorschriften unterliegen und daher eine erhöhte Sicherheitsgewähr bieten, eine herausragende Stellung; es sind dies die Bayerischer Kassenverein AG in München, die Berliner Kassenverein AG, die Frankfurter Kassenverein AG, die Niedersächsischer Kassenverein AG in Hannover, die Norddeutscher Kassenverein AG in Hamburg, die Wertpapiersammelbank Nordrhein-Westfalen AG in Düsseldorf und die Stuttgarter Kassenverein AG. Von höchster praktischer Bedeutung ist dabei die Verbindung der Sammelverwahrung mit der Drittverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank: dadurch entsteht die Girosammelverwahrung, die nicht nur die bei weitem häufigste und billigste Verwahrungsart ist, sondern zugleich auch die Grundlage des Effektengiroverkehrs darstellt (vgl. dazu oben Rdn. 2007 ff). Da Gegenstand des Depotgeschäfts fremde Effekten sind, kommt der Kenntlichma- 2 0 8 6 chung und Verlautbarung der wahren Eigentumsverhältnisse zentrale Bedeutung zu. Sie wird in erster Linie durch Eintragungen im Verwahrungsbuch gewährleistet, zu dessen Anlage und Führung die Kreditinstitute gemäß § 14 DepG verpflichtet sind (vgl. näher unten Rdn. 2198 ff). Ergänzend kommt bei der Drittverwahrung die Bildung unterschiedlicher Depots für eigene Effekten der hinterlegenden Bank (Depot A), unverpfändete fremde Effekten (Depot B), an den Drittverwahrer für einen Rückkredit verpfändete Effekten (Depot C) und auf Grund einer Ermächtigung nach § 12 III DepG verpfändete Effekten (Depot D) hinzu (vgl. näher unten Rdn. 2147 und 2175 ff). Die Einrichtung dieser verschiedenen Depots wird gefordert durch Nr. 12 VII der „Hinweise über die Prüfungserfordernisse" zu den Richtlinien über die Depotprüfung, die das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen am 16. 12. 1970 erlassen hat (vgl. näher unten Rdn. 2222 f). In dieser Depotprüfung die das Bundesaufsichtsamt bzw. die Deutsche Bundesbank gemäß § 30 KWG einmal im Jahr bei den Kreditinstituten vorzunehmen hat, tritt die öffentlichrechtliche Ergänzung des depotrechtlichen Kundenschutzes in Erscheinung. 3. Die Funktionen des Depotgeschäfts Funktionell gesehen dient das Depotgeschäft in erster Linie Verwahrungszwecken: 2 0 8 7 der Kunde will die Schwierigkeiten und vor allem die Gefahren einer eigenen Verwahrung seiner Wertpapiere abwälzen bzw. vermindern und vertraut diese daher seiner Bank an. Daneben spielt die Verwaltungsfunktion eine wesentliche Rolle. Es ist nämlich für den Kunden meist sehr lästig und schwierig, alle Rechte aus seinen Effekten selbst wahrzunehmen. Er überläßt es daher der Bank, dies zu tun und z. B. für den Einzug von Zinsen oder Dividenden zu sorgen, die Auslosung festverzinslicher Papiere zu überwachen, Bezugsrechte auszuüben usw. Besondere praktische Bedeutung kommt dabei der Ausübung des Stimmrechts bei Aktien zu, die den Banken in Form des sogenannten Depotstimmrechts einen erheblichen Machtzuwachs bringt, ohne daß dafür eigenes Kapital aufgewandt werden müßte (vgl. im übrigen näher unten Rdn. 2187 ff). Zu den ursprünglichen Funktionen des Depotgeschäfts ist im Laufe der Entwick- 2 0 8 8 lung noch die Erleichterung des Effektenverkehrs getreten. Ohne die Konzentration der Papiere bei den Banken, die das Depotgeschäft zur Folge hat, wäre nämlich ein rascher und billiger Massenumsatz in Effekten kaum vorstellbar, da dann stets die einzelnen Stücke „bewegt" werden müßten, um den Übertragungsvoraussetzungen des § 929 BGB Genüge zu tun. Insbesondere die Giroversammelverwahrung bei den Wertpapiersammelbanken ist daher zum Fundament eines „stückelosen", d. h. auf die „Bewegung" von Papieren verzichtenden und damit äußerst praktikablen EffektenverClaus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
kehrs nach dem Vorbild des bargeldlosen Girozahlungsverkehrs geworden (vgl. oben Rdn. 2007 ff). 4. Die Rechtsnatur des Depotgeschäfts
2089
Beim verschlossenen Depot (vgl. oben Rdn. 2083) handelt es sich um einen reinen Verwahrungsvertrag !. S. der §§ 688 ff BGB 2 . Beim offenen Depot, das gemäß § 1 II DepG allein Gegenstand des Depotgesetzes ist, liegt dagegen ein gemischttypischer Vertrag vor. Neben die verwahrungsrechtlichen Elemente, die auch hier selbstverständlich regelmäßig gegeben sind, treten nämlich wegen der Verwaltungsfunktion des Depotgeschäfts grundsätzlich noch die Merkmale eines Geschäftsbesorgungsvertrags i. S. der §§ 675, 611 ff BGB 3 . Die Verwaltungspflichten lediglich als unselbständige Nebenpflichten anzusehen und dementsprechend auch beim offenen Depot einen reinen Verwahrungsvertrag anzunehmen, würde dem eigenständigen Gewicht dieser Pflichten nicht gerecht. Im übrigen kann die Verwahrungsfunktion sogar völlig hinter der Verwaltungsfunktion zurücktreten, wie das Beispiel der Wertrechte zeigt. Schließlich enthält das Depotgeschäft wegen der damit regelmäßig verbundenen Befugnis zur Geltendmachung von Rechten des Kunden, insbesondere zur Einziehung von Zinsoder Dividendenansprüchen (vgl. unten Rdn. 2184 ff), auch noch die Elemente einer Ermächtigungstreuhand. Allerdings stellt der Treuhandvertrag ebenfalls einen Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. der §§675, 611 ff BGB dar 4 , so daß das treuhandrechtliche Element nicht etwa noch einen dritten Vertragstypus ins Spiel bringt.
III. Depotinhaberschaft und Verfügungsbefugnis 2090
W e r Inhaber eines Wertpapierdepots ist und wer über dieses verfügen kann, bestimmt sich grundsätzlich nach denselben Regeln wie bei einem Einlagenkonto. Es kann daher im wesentlichen auf die ausführlichen Darlegungen oben Rdn. 144 ff verwiesen werden. Das gilt insbesondere hinsichtlich der maßgeblichen Kriterien für die Bestimmung des Kontoinhabers (vgl. oben Rdn. 151 ff), hinsichtlich der Vertretungsund Verfügungsmacht über das Depot (vgl. oben Rdn. 164 ff) und hinsichtlich der Rechtsfolgen, die beim Tod des Depotinhabers eintreten (vgl. oben Rdn. 204 ff). Im folgenden sind daher lediglich einige Besonderheiten darzustellen, die f ü r das Depot spezifisch sind. 1. Die Besonderheiten bei einem Depot für einen Dritten a) Die Konstruktionsmöglichkeiten
2091
Besonderheiten ergeben sich, wenn das Depot zugunsten eines Dritten begründet oder auf diesen übertragen werden soll. Diese sind darauf zurückzuführen, daß das Depot rechtlich gesehen nicht lediglich eine schuldrechtliche Forderung gegen die Bank darstellt wie das Einlagenkonto, sondern daß ihm in aller Regel dingliche Rechte in Form von Allein- oder Miteigentum an den Wertpapieren zugrunde liegen. Es sind daher die Grundsätze über die Begründung bzw. Übertragung dinglicher Rechte zu berücksichtigen. Das bereitet keine besonderen Schwierigkeiten bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Depots auf einen Dritten. Ein Unterschied zu der Abtretungskonstruktion beim Einlagenkonto (vgl. dazu oben Rdn. 149 f und 218 ff) besteht näm2
3
Vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl § 406 Rdn. 211; Schönte § 20 II 2 a. Vgl. auch Schönle § 20 III 1.
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Anh. nach
4
Vgl. statt aller Coing Die T r e u h a n d kraft privaten Rechtsgeschäfts, 1973, S. 92.
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III. D e p o t i n h a b e r s c h a f t und V e r f ü g u n g s b e f u g n i s
lieh nur insofern, als nicht wie nach § 398 BGB die schlichte Einigung genügt, sondern der Tatbestand der §§ 929 ff BGB erfüllt sein muß. Das ist leicht zu erreichen, indem der Veräußerer dem Erwerber seinen Herausgabeanspruch nach §931 BGB abtritt (vgl. auch BGH W M 1975 450 sowie unten Rdn. 2125). Ein Verwahrungs- und Verwaltungsvertrag mit der Bank kommt dadurch allerdings nicht ohne weiteres zustande, da dieser auch Pflichten für den Kunden wie z. B. die Pflicht zur Zahlung der Depotgebühren begründet und da es folglich insoweit einer Mitwirkung der Bank in Form einer Schuldübernahme gemäß §§ 414 f, einer Vertragsübernahme oder eines Neuabschlusses des Depotvertrags bedarf (vgl. auch oben Rdn. 149). Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß der Veräußerer die Bank zu einer Umschreibung des Depots anweist (vgl. auch BGH W M 1975 1259, 1261) und dadurch eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB durch Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses herbeiführt (vgl. dazu auch oben Rdn. 2021 und unten Rdn. 2125). Kommt die Bank dem nach, so dürfte darin i. d. R. zugleich die konkludente Erklärung des Einverständnisses mit dem Ubergang des Depotvertrags liegen. Wesentlich größere Schwierigkeiten entstehen, sofern die Berechtigung des Dritten mit Hilfe eines Vertrags zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB herbeigeführt werden soll. Während dieser Weg nämlich beim Einlagenkonto verhältnismäßig leicht gangbar ist (vgl. oben Rdn. 148 und 210 ff), ergibt sich beim Depot die Schwierigkeit, daß die Rechtsprechung Verträge zugunsten Dritter mit dinglicher Wirkung nicht zuläßt und daß der Dritte demnach auf diesem Wege nicht ohne weiteres Eigentum an den Effekten erlangen kann 5 . Das würde z. B. für den praktisch besonders wichtigen Fall, daß der Inhaber eines Depots dieses im Wege eines mit der Bank geschlossenen Vertrags gemäß § 328 BGB einem Dritten auf den Todesfall zuwenden wollte, folgerichtig bedeuten, daß das Depot in den Nachlaß fällt. Das widerspricht aber gerade dem Willen des Erblassers, und es ist nicht recht einzusehen, warum er diesen zwar bei einem Einlagenkonto soll durchsetzen können, nicht aber bei einem Wertpapierdepot; der darin liegende Wertungswiderspruch wäre um so schwerer erträglich, als der Erblasser die Rechte aus einem „Aberdepot" i. S. von § 15 DepG dem Dritten ohne weiteres nach § 328 BGB zuwenden kann, weil er hier nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewährung von Wertpapieren derselben Art hat und weil daher die (angebliche) Unzulässigkeit von dinglichen Verträgen zugunsten Dritter insoweit nicht entgegensteht. Es muß folglich ein Ausweg gefunden werden. Dabei hat für die Bankpraxis die Möglichkeit eines dinglichen Vertrags zugunsten Dritter realistischerweise einstweilen außer Betracht zu bleiben, da die Rechtsprechung trotz der überzeugenden Gegengründe des Schrifttums 6 bisher keinen Ansatz für einen Meinungswandel erkennen läßt.
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Einen wichtigen Hinweis auf eine andere Lösung hat jedoch der BGH selbst gegeben, indem er die Möglichkeit eines schuldrechtlichen Vertrags zugunsten des Dritten und eine daraus entspringende Pflicht zur Ubereignung des Depots anerkannt hat 7 . Allerdings bedarf diese Konstruktion der Ergänzung nach der dinglichen Seite. Denn sonst erlangt der Dritte doch nicht, was er erlangen soll; überdies gerät die Bank in eine unhaltbare Situation, weil ihr die Erfüllung der Ubereignungspflicht subjektiv unmöglich ist und weil sie daher Ansprüchen des Dritten wegen anfänglichen Unvermögens ausgesetzt ist, die nach h. L. bekanntlich unabhängig von Verschulden auf das positive Interesse gerichtet sind. Der mutmaßliche Wille der Bank wird deshalb nur
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5 Vgl. speziell zur vorliegenden Problematik R G Z 98, 279, 282; B G H Z 41, 95, 96. 6 Vgl. statt aller Weitermann Sachenrecht 5 , § 3 II 4.
7
Vgl. B G H Z 41, 95, 96; anders insoweit R G Z 98, 279, 283.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
dann auf Abschluß eines schuldrechtlichen Vertrags zugunsten eines Dritten gerichtet sein, wenn ihr der Kunde zugleich die Möglichkeit zu dessen dinglicher Erfüllung verschafft, und auch der mutmaßliche Wille des Kunden wird die Einräumung einer entsprechenden Position einschließen, da er nur so seine Absichten voll verwirklichen kann. Als Konstruktionsmöglichkeit kommt dabei in erster Linie die Uberbringung des Einigungsangebots durch die Bank als Botin des Zuwendenden, die Erteilung einer (u. U. postmortalen) Vollmacht zur Übereignung der Effekten auf den begünstigten Dritten oder die Erteilung einer entsprechenden Ermächtigung gemäß § 185 BGB in Betracht 8 . Außerdem kann man an die Begründung einer Vollrechtstreuhand zugunsten der Bank denken 9 , die dieser die dingliche Möglichkeit zur Ubereignung an den Dritten eröffnet, andererseits aber dem Kunden bis zum geplanten Zuwendungszeitpunkt — meist seinem T o d — noch Verfügungen über das Depot erlaubt — sei es, weil die Treuhand aufschiebend befristet u n d / o d e r bedingt ist, oder sei es, weil die Bank als Treuhänderin zur Befolgung von Weisungen des Kunden obligatorisch verpflichtet ist. Im Zweifel ist dabei allerdings der erstgenannten Lösung der Vorzug zu geben 1 0 . Die Begründung eines Treuhandverhältnisses ist in diesem Zusammenhang nämlich derzeit noch wenig gebräuchlich und jedenfalls nicht verkehrsüblich i. S. von §157 BGB; außerdem bringt die Treuhand u. U. für die Bank zusätzliche Sorgfaltspflichten mit sich wie z. B. die Pflicht zur Suche nach dem Begünstigten und zu seiner Benachrichtigung, und solche Pflichten wird die Bank im Zweifel nicht ohne eine entsprechend klare Abrede übernehmen wollen. b) Die Zuwendung des Depots auf den Todesfall durch Rechtsgeschäft unter Lebenden
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Eine andere Frage ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die geschilderten Möglichkeiten auch zu Zuwendungen des Depots auf den Todesfall durch Rechtsgeschäft unter Lebenden genützt werden können. Insoweit ist die Rechtlage grundsätzlich dieselbe wie beim Konto. Die Rechtsprechung eröffnet daher auch hier die Wege über eine durch den Tod des Zuwendenden aufschiebend befristete und/oder durch sein Vorversterben bedingte Abtretung (des Herausgabeanspruchs gemäß § 9 3 1 BGB) und eines Vertrags zugunsten Dritten gemäß § 331 BGB, ohne ein „lebzeitiges Vermögensopfer" des Zuwendenden, also den Verzicht auf weitere Verfügungen über das Depot zu fordern 1 1 . Vom hier vertretenen Standpunkt aus ist das abzulehnen (vgl. oben Rdn. 218 f bzw. Rdn. 210). Folgt man demgegenüber der Rechtsprechung, so stellt sich auch beim Depot die weitere Frage, ob der Zuwendung ein formwirksames Kausalverhältnis zugrunde liegt und ob das Schenkungsangebot des Erblassers durch den Erben widerrufen werden kann; dafür gelten grundsätzlich die Ausführungen oben Rdn. 213 ff, doch ist hinzuzufügen, daß die Widerrufsmöglichkeit bei der Treuhandkonstruktion (vgl. die vorige Rdn.) i. d. R. wohl von vornherein nicht in Betracht kommt, weil sie mit dem Tode des Erblassers und Treugebers ipso iure — und nicht nur auf Grund eines besonders zu vereinbarenden rechtsgeschäftlichen Ausschlusses — entfällt 1 2 . 8 Vgl. auch Hinz J u S 1965, 304 f; Scherner BB 1969, 819; Dammu JurA 1970, 728 Fn. 60; Ratz Anh. II nach § 424 Anm. 36 a. E. ' Vgl. Hinz JuS 1965, 305; Schemer BB 1969, 819; KümpelWU 1977, 1188 f und BuB 8/232.
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1° Vgl. Scherner BB 1969, 819 f; a. A. wohl Hinz JuS 1965, 305 bei Fn. 72. 11 Vgl. R G Recht 1925, 147 N r . 444; B G H Z 41, 95, 97; B G H W M 1974, 450, 451. 12 Vgl. näher Kumpel W M 1977, 1195 und BuB 8/241.
2. Bearbeitung. Stand 1 . 5 . 1981
III. D e p o t i n h a b e r s c h a f t und V e r f ü g u n g s b e f u g n i s
2. Rechtsgeschäftliche Sondergestaltungen des Depots Auch die Regeln über die besonderen Gestakungsmöglichkeiten bei Einlagenkonten 2 0 9 5 (vgl. oben Rdn. 224 ff) gelten für Wertpapierdepots grundsätzlich entsprechend. So gibt es z. B. das Gemeinschaftsdepot, das ebenso wie das entsprechende Konto als Oder-Depot oder als Und-Depot angelegt werden kann. Im ersten Fall steht die Verfügungsbefugnis grundsätzlich jedem Kontoinhaber einzeln zu 1 3 ; dementsprechend wird man hier ebenso wie beim Oder-Konto hinsichtlich der Ansprüche aus dem Depotvertrag eine Gesamtgläubigerschaft i. S. von § 428 BGB anzunehmen haben 14 . Beim UndDepot steht die Verfügungsbefugnis dagegen regelmäßig, wenn auch nicht notwendig, den Kontoinhabern nur gemeinsam zu 15 . Ob im Einzelfall ein Oder-Depot oder ein Und-Depot vorliegt, richtet sich nach den mit der Bank getroffenen Abreden; Ziff. 2 III AGB kann nicht angewendet werden, da die Klausel sich nach ihrem klaren Wortlaut nur auf das Gemeinschaftskonto und nicht auch auf das Gemeinschaftsdepot bezieht und da einer analogen Anwendung die für die Auslegung von AGB geltende „Unklarheitenregel" entgegenstehen dürfte. Über die Eigentumsverhältnisse besagt die Anlage eines Gemeinschaftsdepots grundsätzlich nichts 16 . Denn sie dient häufig lediglich dem Zweck, eine besondere Regelung der Verfügungsmacht herbeizuführen, und erlaubt daher nicht den Schluß, daß die Depotinhaber dadurch auch die Eigentumslage beeinflussen wollen. Diese richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen. Werden also schon früher angeschaffte Effekten in ein Gemeinschaftsdepot eingebracht, so bleibt es grundsätzlich bei der bisherigen Rechtslage — und zwar unabhängig davon, ob dies der Bank überhaupt bekannt ist oder nicht; es besteht also wie bisher z. B. Alleineigentum eines Depotinhabers, Miteigentum nach Bruchteilen oder Gesamthandseigentum, sofern die Parteien nicht anläßlich der Einrichtung des Gemeinschaftsdepots die Rechtslage durch ein entsprechendes Rechtsgeschäft ändern. Werden die Effekten dagegen erst nach der Anlegung des Gemeinschaftsdepots angeschafft, so fallen sie nach § 929 BGB regelmäßig in das Alleineigentum des Anschaffenden, es sei denn, dieser hat ausdrücklich oder konkludent bekundet, daß er beim Erwerb auch oder sogar nur für den anderen Depotinhaber handeln und diesen gemäß § 164 BGB vertreten wolle; aus der bloßen Existenz eines Gemeinschaftskontos allein kann man aber nicht auf die konkludente Äußerung des Willens zum Handeln mit Fremdwirkung schließen. Da somit das Bestehen eines Gemeinschaftsdepots auf Grund seiner besonderen Funktion nicht auf eine bestimmte Eigentumslage schließen läßt, kann auch die Vermutung des § 1006 BGB, die an sich für Miteigentum der Depotinhaber spräche, grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen (vgl. BGHZ 4 295, 297 f). Auch ein Fremddepot ist entsprechend den Ausführungen oben Rdn. 235 ff grund- 2 0 9 6 sätzlich möglich. Für dieses ist charakteristisch, daß das Eigentum an den Effekten nicht demjenigen, der den Depotvertrag abschließt, sondern einem Dritten zusteht. Hinsichtlich der Begründung des Fremddepots ist zu berücksichtigen, daß hier anders als hinsichtlich des Fremdkontos die Konstruktion eines Vertrags zugunsten eines Dritten i. S. von § 328 BGB nicht in Betracht kommt, weil die Rechtsprechung diesem keine dingliche Wirkung zuerkennt (vgl. oben Rdn. 2092). Die Verfügungsbefugnis wird auf 13 Vgl. B G H Z 4, 295, 297; KG W M O L G München WM 1951, 731, 594, 596; Opitz § 2 Anm. 3 b. 14 Vgl. Hansen Die Rechtsnatur von konto und -depot, 1967, S. 83 f. 15 Vgl. B G H Z 4, 295, 297; O L G
1951, 867, 868; 733 und 1953, GemeinschaftsMünchen WM
1951, 731, 733 und 1953, 594, 596. 16 Vgl. B G H Z 4, 295, 297; KG W M 1951, 867, 868; O L G München WM 1951, 731, 733 und 1953, 594, 596; Hansen a a O (Fn. 14) S. 85 ff und S. 137 ff; wohl auch MünchKomm. — Karsten Schmidt § 741 Rdn. 45.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft G r u n d einer entsprechenden A b r e d e regelmäßig derjenige haben, der den D e p o t v e r trag abgeschlossen hat. O b sie daneben auch dem wahren D e p o t i n h a b e r zusteht, richtet sich nach den oben R d n . 240 entwickelten G r u n d s ä t z e n ; ein Ausschluß dieser V e r f ü g u n g s m a c h t mit dinglicher W i r k u n g ist hier allerdings anders als beim F r e m d k o n t o keinesfalls möglich, da § 399 B G B für das F r e m d d e p o t nicht gilt und da folglich die z w i n g e n d e V o r s c h r i f t des § 137 S. 1 B G B z u r A n w e n d u n g k o m m t . 2097
Als S e p a r a t d e p o t ist ein D e p o t anzusehen, das besonderen Z w e c k e n dient. E s kann entweder ein E i g e n d e p o t des Errichtenden o d e r ein F r e m d d e p o t f ü r einen Dritten sein (vgl. auch K G W M 1964 1038, 1 0 3 9 ) ; f ü r die A b g r e n z u n g gelten die oben R d n . 243 ff entwickelten Regeln. Eine besondere Pflicht der B a n k z u r Ü b e r w a c h u n g des V e r f ü gungsberechtigten wird durch die Einrichtung eines S o n d e r d e p o t s grundsätzlich auch dann nicht begründet, wenn es ausdrücklich als solches gekennzeichnet wird (vgl. oben R d n . 249).
2098
Für die A n l a g e eines S p e r r d e p o t s bietet sich in erster Linie die Möglichkeit einer obligatorischen V e r f ü g u n g s b e s c h r ä n k u n g g e m ä ß § 137 S. 2 B G B (vgl. näher oben R d n . 255). Sie g e w ä h r t d e m durch die Sperre Begünstigten allerdings keinen dinglichen S c h u t z g e g e n vertragswidrige V e r f ü g u n g e n des D e p o t i n h a b e r s , da eine dingliche B e s c h r ä n k u n g der V e r f ü g u n g s m a c h t hier anders als beim S p e r r k o n t o (vgl. d a z u insoweit oben R d n . 2 6 0 ) g e m ä ß § 137 S. 1 B G B ausgeschlossen ist. Außerdem versagt diese K o n s t r u k t i o n w e g e n ihres rein schuldrechtlichen C h a r a k t e r s bei einer Zwangsvollstrekk u n g in das D e p o t und im K o n k u r s des D e p o t i n h a b e r s (vgl. auch oben R d n . 258) G r ö ß e r e Sicherheit bietet daher die Möglichkeit, die S p e r r u n g durch eine V e r p f ä n dung des D e p o t s v o r z u n e h m e n und so dem Begünstigten die Sicherheiten eines dinglichen Rechts zu v e r s c h a f f e n 1 7 . D a z u müssen die besonderen V o r a u s s e t z u n g e n f ü r die V e r p f ä n d u n g von E f f e k t e n bzw. von Miteigentumsanteilen an diesen erfüllt sein (vgl. d a z u näher oben R d n . 2031 f f ) . Im übrigen gelten die A u s f ü h r u n g e n z u m entsprechenden Problem beim S p e r r k o n t o oben R d n . 256 a n a l o g .
2099
E b e n s o wie dem T r e u h a n d k o n t o k o m m t dem T r e u h a n d d e p o t besondere praktische B e d e u t u n g z u 1 8 . D a es rechtlich keinen Unterschied macht, ob d a s T r e u g u t in einer F o r d e r u n g oder in Wertpapieren bzw. Miteigentumsanteilen an solchen besteht, kann insoweit uneingeschränkt auf die A u s f ü h r u n g e n über das T r e u h a n d k o n t o oben R d n . 263 ff verwiesen werden.
2100
Eine U n t e r a r t des T r e u h a n d d e p o t s ist das A n d e r d e p o t (vgl. d a z u auch K G W M 1953 316). A u c h f ü r dieses gelten die oben R d n . 288 ff entwickelten G r u n d s ä t z e über das A n d e r k o n t o entsprechend. D a ß die besonderen G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n der B a n k e n f ü r die A n d e r k o n t e n von Rechtsanwälten, N o t a r e n und A n g e h ö r i g e n der öffentlich bestellten wirtschaftsprüfenden und wirtschafts- und steuerberatenden B e r u f e (abgedruckt oben R d n . 296 f f ) auch auf A n d e r d e p o t s A n w e n d u n g finden, ist in diesen G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n ausdrücklich festgelegt.
IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung 1. Die Sonderverwahrung i. S. von § 2 DepG 2101
D i e S o n d e r v e r w a h r u n g stellt nach § 2 D e p G die gesetzliche G r u n d f o r m der V e r w a h r u n g von E f f e k t e n dar. Ihr Charakteristikum besteht darin, daß durch die H i n t e r legung keine Ä n d e r u n g der Eigentumslage eintritt; w a r der Hinterleger Alleineigentü17 Vgl. auch Janberg BankArch. 1937/38, 102 ff; Goudefroy BankArch. 1937/38, 401 ff; Diese! BankArch. 1937/38, 673 f f ; Rümpel BuB 8/211.
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'8 Vgl. z. B. B G H WM 1957, 28; 1958, 1044; 1964, 1038; 1972, 588; 1974, 591.
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IV. D i e verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
mer so bleibt er es also auch weiterhin, war ein Dritter Alleineigentümer, so bleibt der Dritte Alleineigentümer, war der Hinterleger zusammen mit einem Dritten Miteigentümer oder Gesamthandseigentümer, so bleibt das Miteigentum bzw. das Gesamthandseigentum bestehen. Nicht richtig wäre dagegen die Formulierung, der Hinterleger sei bei der Sonderverwahrung stets oder grundsätzlich Alleineigentümer der Effekten; das trifft zwar für den Normalfall zu, muß aber nicht so sein und geht vor allem am eigentlichen Charakteristikum der Sonderverwahrung vorbei, das lediglich im Fortbestand der bisherigen Eigentumslage zu sehen ist. Rechtlich wird diese Wirkung durch die Pflicht der Bank gewährleistet, die anvertrauten Effekten unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung des Hinterlegers gesondert von ihren eigenen Beständen und den Papieren Dritter zu verwahren; technisch bedient man sich dazu der Einrichtung des Streifbanddepots (vgl. insoweit näher oben Rdn. 2084). Die Hinterlegung auf einen falschen oder erdichteten Namen ist nach § 154 II A O grundsätzlich verboten 1 9 ; die Bank hat insoweit also eine Pflicht zur Identitätsprüfung (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 124). Die Zulässigkeit von Fremd- oder Treuhanddepots wird durch § 163 A O jedoch nicht berührt. 2. Die Sammelverwahrung i. S. von § § 5 — 8 DepG a) Das Erfordernis der Ermächtigung Die Sammelverwahrung stellt nach dem Depotgesetz insofern einen Ausnahmetat- 2 1 0 2 bestand dar, als sie nach § 5 I 2 DepG eine besondere Ermächtigung voraussetzt, die schriftlich und ausdrücklich erteilt werden muß und weder in den Geschäftsbedingungen der Bank enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen darf. Dieses Erfordernis gilt nicht nur für die Haussammeiverwahrung, sondern auch für die Girosammeiverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank 2 0 ; für letztere gewährt das Gesetz in § 5 1 3 DepG nur insofern eine gewisse Erleichterung, als die Ermächtigung hier anders als bei der Haussammeiverwahrung nicht für jedes Verwahrungsgeschäft besonders erteilt zu werden braucht. Der Zweck der strengen formalen Anforderungen, die das Gesetz an die Ermächtigung stellt, ist in einer Warnfunktion zu sehen: der Hinterleger soll nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß er eine besondere Verwahrungsform wählt und daß diese nach Ansicht des Gesetzgebers im Hinblick auf den Verlust des Sondereigentums und dessen Ersetzung durch Miteigentum gewisse Gefahren im Gefolge hat. Zweifellos ist diese Vorsicht des Gesetzgebers stark übertrieben und heute nicht 2 1 0 3 mehr zeitgerecht, soweit es sich um die Girosammeiverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank handelt; denn man kann angesichts der Solidität dieser Banken und der besonderen Anforderungen, denen sie nach § 1 III DepG unterliegen, nicht sagen, daß diese Form der Verwahrung für den Kunden wesentlich größere Risiken mit sich bringt als die Sonderverwahrung. Außerdem entsteht durch die Einbeziehung der Girosammeiverwahrung in das Ermächtigungserfordernis des § 5 I DepG ein krasser Wertungswiderspruch zu § 24 I DepG, wonach die Bank dem Kunden bei der Einkaufskommission ohne besondere Ermächtigung statt des Alleineigentums an bestimmten Effekten einen entsprechenden Anteil am Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank übertragen darf. In diesem Wertungswiderspruch einen Verstoß gegen Art. 3 G G zu sehen und daraus die Ungültigkeit des Erfordernisses einer besonderen Ermächtigung nach § 5 I 2 DepG abzuleiten 21 , dürfte indessen gleichwohl zu weit gehen; denn der Hinter19
Vgl. a u c h Opitz § 2 A n m . 3 a ; Schlegelberger/ Hefermehl R d n . 236. 20 Vgl. a u c h Opitz § 5 A n m . 7 a. E . ; Ratz A n m . 78.
21
Vgl. d a z u allgemein Canaris S y s t e m d e n k e n u n d S y s t e m b e g r i f f in d e r J u r i s p r u d e n z , 1969, S. 125 ff.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
leger verliert anders als der Käufer sein bisheriges Alleineigentum, und daher besteht immerhin ein gewisser rechtlicher Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen, der ihre gegensätzliche Behandlung wohl nicht als „geradezu willkürlich" im Sinne der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 G G erscheinen läßt, doch ist dieser Unterschied so geringfügig, daß der Wertungswiderspruch zwischen § 5 I 2 und § 24 I DepG jedenfalls bedenklich bleibt und vom Gesetzgeber möglichst bald beseitigt werden sollte. b) Die Entstehung von Miteigentum gemäß § 6 I DepG 2104
Rechtlich liegt das entscheidende Charakteristikum der Sammelverwahrung, die technisch vor allem mit Hilfe der Wertpapiersammelbanken erfolgt (vgl. näher oben Rdn. 2085), in der Entstehung von Miteigentum. Anders als die Sonderverwahrung führt also die Sammelverwahrung zu einer Veränderung der Rechtslage: der bisherige Eigentümer verliert seine Rechtsstellung — sei es Alleineigentum, sei es Miteigentum oder Gesamthandseigentum an den hinterlegten Wertpapieren — und erwirbt statt dessen gemäß § 6 I D e p G einen entsprechenden Miteigentumsanteil an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art. Dabei handelt es sich weder um Miteigentumserwerb kraft Vermischung noch um Miteigentumserwerb kraft Vertrags, sondern um einen Erwerbstatbestand sui generis 22 . D a ß kein Fall der Vermischung vorliegen kann, folgt ohne weiteres daraus, daß nach dem unmißverständlichen Wortlaut des Gesetzes das Miteigentum schon „mit dem Zeitpunkt des Eingangs" der Effekten beim Sammelverwahrer und nicht erst bei deren Vermischung mit dem vorhandenen Bestand entsteht, sowie auch daraus, daß es auf eine Untrennbarkeit i. S. von § 948 BGB nicht ankommt (vgl. B G H W M 1957 676); und daß eine vertragliche Einigung über das Entstehen von Miteigentum unerheblich ist, ergibt sich ebenfalls unmißverständlich aus dem Gesetz, das eben kein Rechtsgeschäft fordert, sondern an den bloßen Realakt des Eingangs der Papiere anknüpft. Der Gesetzgeber hat hier also den vor Erlaß des § 6 DepG bestehenden Streit zwischen der „Vermischungstheorie" und der „Vertragstheorie" zugunsten einer dritten Lösung entschieden, die zwar dogmatisch gesehen eine Irregularität darstellt, die aber dafür den Vorzug der Praktikabilität und der Rechtsklarheit hat (und insoweit mit manchen anderen Regelungen des Depotgesetzes wie z. B. den §§18 III und 24 II verwandt ist).
2105
Die dogmatische Verselbständigung des § 6 I DepG gegenüber der Vermischungstheorie und gegenüber der Vertragstheorie hat erhebliche praktische Bedeutung f ü r die Voraussetzungen der Entstehung von Miteigentum. Diese bestimmen sich nämlich folgerichtig allein nach § 6 I i. V. m. § 5 I DepG. Zu fordern ist also lediglich, daß es sich um „vertretbare Wertpapiere einer und derselben Art" i. S. von § 5 I 1 DepG handelt und daß diese i. S. von § 6 I 1 DepG beim Sammelverwahrer „eingegangen" sind. Unerheblich ist dagegen, ob eine Vermischung wirklich stattgefunden hat oder ob die Voraussetzungen der vertraglichen Begründung von Miteigentum vorlagen. Es kommt also insbesondere nicht darauf an, ob der Hinterleger Verfügungsmacht hatte, ob eine Ermächtigung i. S. von § 5 I 2 DepG gegeben war oder ob der Depotvertrag wirksam ist 23 . Denn die Entstehung des Miteigentums tritt ex lege ein und hängt allein von den in § 6 I DepG genannten Voraussetzungen ab. Allein diese Lösung ist im übrigen auch mit dem das ganze Depotrecht und insbesondere die Regelung des § 6 DepG beherr12
Vgl. Opitz §5 6 — 8 Anm. 6; Schlegelberger/HefermehlKän. 281 ; Ratz Anm. 84; Schönle § 20 II 2 b 2; Heinsius/Horn/Than § 6 Rdn. 3.
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" Vgl. Opitz § § 6 — 8 Anm. 6; Schlegelberger/Hefermebl R d n . 2 8 1 ; Schönle § 2 0 II 2 b 2; Heinsius/ Hom/Than § 6 Rdn. 3.
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IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
sehenden Streben nach Rechtsklarheit und -Sicherheit vereinbar. Sie führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen, da Rechte Dritter wegen des in § 6 I DepG enthaltenen Prinzips der Rechtserhaltung allenfalls umstrukturiert, aber nicht zerstört werden (vgl. unten Rdn. 2106). Aus der Unerheblichkeit der Verfügungsmacht ergibt sich u. a., daß nach der Einlieferung von Effekten in die Girosammeiverwahrung grundsätzlich keine Verlustmeldung oder Opposition mehr möglich ist (vgl. Kümpel'WM 1978 1194 ff). Denn diese ist sinnlos, da sie lediglich der Verhinderung gutgläubigen Erwerbes dient und ein solcher angesichts der gesetzlichen Entstehung von Miteigentum bezüglich der betreffenden Papiere gar nicht mehr in Betracht kommt, sondern sich höchstens auf den — mit diesen in keiner Weise identischen — Miteigentumsanteil beziehen kann (vgl. dazu auch oben Rdn. 2030 Abs. 1 a. E.).
2105a
Die Person des neuen Miteigentümers wird ebenfalls durch § 6 I 1 DepG unmißver- 2 1 0 6 ständlich festgelegt: nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift ist es der bisherige Eigentümer. O b dieser zugleich Hinterleger ist, spielt dabei keine Rolle (unstreitig, vgl. statt aller B G H W M 1957 676). Es erwirbt also keineswegs der Hinterleger als solcher das Miteigentum, sondern der wahre Berechtigte. H a t der Hinterleger Effekten eines Dritten in Verwahrung gegeben — sei es auf Grund einer entsprechenden Ermächtigung, sei es ohne eine solche —, so wird folglich der Dritte und nicht der Hinterleger Miteigentümer. Standen die Effekten bisher im Miteigentum oder im Gesamthandseigentum mehrerer, so erwerben diese entsprechend ihren bisherigen Anteilen nunmehr Miteigentum am Sammelbestand. Dem § 6 I DepG liegt also ebenso wie den §§ 947 ff BGB das Prinzip der Rechtserhaltung zugrunde: der bisherige Berechtigte soll durch die Einbringung seiner Sache in den Sammelbestand nicht stärker beeinträchtigt werden als nötig und daher sein Recht — wenn auch in veränderter Struktur — grundsätzlich nicht verlieren (vgl. auch B G H W M 1957 676). Diese Verwandtschaft mit den Tatbeständen der §§ 947 ff BGB rechtfertigt es, auf 2 1 0 7 beschränkte dingliche Rechte an Effekten, die in einen Sammelbestand eingebracht worden sind, § 949 BGB analog anzuwenden. Das Recht erlischt also analog § 949 S. 1 BGB mit dem Zeitpunkt des Eingangs der Effekten beim Sammelverwahrer und entsteht analog § 949 S. 2 BGB im selben Augenblick statt dessen auf Grund einer dinglichen Surrogation an dem Miteigentumsanteil 24 . c) Die Übertragung eines Miteigentumsanteils gemäß § 5 II DepG Die Entstehung des Miteigentums braucht nicht unbedingt durch Einlieferung beim 2 1 0 8 Sammelverwahrer zu geschehen, sondern kann auch durch Übertragung eines Anteils am Sammelbestand gemäß § 5 II DepG erfolgen. Die Bank hat insoweit also eine Ersetzungsbefugnis oder facultas alternativa, da sie ohne eine entsprechende Ermächtigung des Kunden ihre Pflichten aus dem Depotvertrag statt durch die Sammelverwahrung des eingelieferten Stücks durch Übertragung eines Miteigentumsanteils erfüllen kann. Die Übertragung kann grundsätzich nach den allgemeinen Regeln, also insbesondere gemäß § 929 BGB durch Einigung und Übertragung des mittelbaren Mitbesitzes vorgenommen und von der Bank im Wege des Selbstkontrahierens durchgeführt werden, da § 5 II DepG bei sinngemäßer Auslegung eine Befreiung vom Verbot des § 181 BGB umfaßt 2 5 . Daneben wird man in analoger Anwendung des § 24 II DepG auch eine
24
Vgl. auch Quassowski/Schröäer § 6 Anm. 2 II; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 281 a. E.
25
Vgl. auch Heinsius/Horn/Than pel BuB 8/62
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§ 5 Rdn. 60;
Küm-
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
Übertragung durch Eintragung eines Vermerks im Verwahrungsbuch der Bank zulassen können 26 , doch dürfte der Frage keine große praktische Bedeutung zukommen, weil in der Eintragung zugleich die Manifestation einer Ubereignung nach § 929 BGB im Wege des Selbstkontrahierens liegt 27 . 2109
Das Eigentum am eingelieferten Stück geht im Augenblick der Übertragung des Miteigentumsanteils ipso iure auf die Bank über 2 8 . Zwar steht davon nichts im Gesetz, doch handelt es sich dabei zweifellos um eine Lücke, da das Eigentum an dem eingelieferten Stück nicht dem bisherigen Eigentümer, der statt dessen ja den Miteigentumsanteil erhalten hat, verbleiben kann, sondern der Bank, die den Miteigentumsanteil verloren hat, zufallen muß; hierfür einen Aneignungsakt der Bank zu fordern 2 9 , ist nicht nur ein überflüssiger Umweg, sondern läßt auch im Dunkeln, wie und warum das eingelieferte Stück zuvor eigentumslos geworden sein soll.
2110
Das Gesetz spricht in § 5 II davon, daß der Sammelbestandanteil „dem Hinterleger übertragen" werde. Es fragt sich daher, ob diesem das Miteigentum auch dann zufällt, wenn ein Dritter Eigentümer des eingelieferten Stückes war. D a f ü r spricht, daß es sich bei der „Übertragung" i. S. von § 5 II DepG zweifellos um eine Form rechtsgeschäftlichen Erwerbs handelt und daß bei diesem grundsätzlich der Vertragspartner, hier also der Hinterleger Berechtigter wird, sofern er nicht als Stellvertreter eines anderen gehandelt hat. Dagegen spricht jedoch, daß dann ein schwerer Wertungswiderspruch gegenüber der Regelung des § 6 I DepG entstünde; denn nach dieser Vorschrift erwirbt nicht der Hinterleger als solcher, sondern der bisherige Eigentümer das Miteigentum (vgl. oben Rdn. 2106). Da aber die Übertragung von Miteigentum nach § 5 II DepG ersichtlich eine der Sammelverwahrung nach §§ 5 I, 6 I DepG funktionsgleiche Möglichkeit darstellen soll, muß man im Wege der Lückenfüllung und der Rechtsfortbildung auch zu einer Harmonisierung der Rechtsfolgen kommen (vgl. auch das verwandte Problem unten Rdn. 2123). Folglich ist in Analogie zu § 6 I 1 DepG auch im Falle des § 5 II DepG anzunehmen, daß das Miteigentum nicht dem Hinterleger als solchem, sondern dem Eigentümer des eingelieferten Stückes zufällt. Daß ein solcher Erwerb eines verdeckten und u. U. sogar unbekannten Dritten auch bei rechtsgeschäftlichem Eigentumsübergang keine dogmatische Unmöglichkeit ist, beweist insbesondere das Beispiel des „Rückerwerbs des Nichtberechtigten". d) Handbestand und Vorgirodepot
2111
Schwierigkeiten bereitet die Eigentumslage während des Zeitraums zwischen der Einlieferung der Stücke bei einem Zwischenverwahrer und ihrem Eingang bei dem Sammelverwahrer i. S. von § 6 I 1 DepG. Die Bank nimmt sie hier häufig in ihren Handbestand, den man auch als Vorgirodepot bezeichnet; dieses unterhält sie nicht nur f ü r den Durchlauf von Stücken, die zur Drittverwahrung bestimmt sind, sondern auch zur Erleichterung und Beschleunigung der Auslieferung von Stücken sowie zur Erhöhung ihrer Flexibilität bei Einkaufs- und Verkaufsaufträgen. Die rechtliche Zuordnung des Vorgirodepots ist umstritten. Im Schrifttum wird mitunter angenommen, es sei als Teil des Sammelbestandes der Wertpapiersammelbank " 27
28
29
A. A. Heimius/Horn/Than § 5 R d n . 59 a. E. Vgl. a u c h Schlegelberger/Hefermehl R d n . 284 a. E . ; Heimius/Horn/Than § 5 R d n . 6 0 ; Kumpel BuB 8/62. E b e n s o Schlegelberger/Hefermeh! R d n . 2 8 4 ; Kumpel BuB 8 / 6 3 . S o die h. L., vgl. z. B. Quassowski/Schröder 5 5
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A n m . 7 II I ; Ratz A n m . 8 0 ; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 2 8 4 ; Heimius/Horn/Than § 5 Rdn. 61; d e r A n e i g n u n g s a k t w i r d freilich h ä u f i g in d e r Eint r a g u n g im V e r w a h r u n g s b u c h g e s e h e n , so Sch/egelberger/Hefermehl und Heimius/Horn/Than aaO.
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IV. D i e v e r s c h i e d e n e n F o r m e n der E f f e k t e n v e r w a h r u n g
anzusehen und der Kunde sei daher sowohl am Sammelbestand der Wertpapiersammelbank als auch am Vorgirodepot seiner Bank beteiligt 30 . Das würde bedeuten, daß der Kunde das Risiko von Verlusten an diesem Vorgirodepot gemäß § 7 II 1 DepG mitträgt — und zwar folgerichtig nicht nur während des Durchlaufs seiner Papiere durch das Vorgirodepot, sondern auf Dauer, da das Vorgirodepot ja Teil des Sammelbestandes sein soll. Folglich müßten alle Sammelgirokunden stets das Risiko von Verlusten am Vorgirodepot tragen. Man müßte u. U. sogar noch weiter gehen und sie auch an Verlusten an den Vorgirodepots aller anderen Banken, die bei derselben Wertpapiersammelbank ihr Konto haben, beteiligen; denn diese Vorgirodepots sind zwangsläufig ebenfalls Teil des Sammelbestandes und müßten daher folgerichtig auch im Miteigentum aller Girodepotkunden, die Effekten derselben Art haben, stehen 3 1 . Mag sich das letztere Ergebnis vielleicht auch durch eine restriktive Auslegung des § 7 II 1 DepG vermeiden lassen (vgl. dazu auch unten Rdn. 2118), so bleibt es doch bedenklich genug, daß der Kunde zumindest das Risiko von Verlusten am Vorgirodepot seiner eigenen Bank trägt. Dadurch befindet er sich nämlich partiell in derselben Lage wie bei der Haussammeiverwahrung, und das ist ihm nicht zuzumuten, weil (und sofern) er hierfür nicht eine besondere Ermächtigung gegeben hat; denn nicht nur nach der Verkehrsanschauung, sondern auch nach dem Gesetz ist die Haussammeiverwahrung eine andere und f ü r den Kunden u. U. gefährlichere Verwahrungsform als die Girosammeiverwahrung, wie insbesondere § 5 I 3 DepG, aber auch § 24 I H S 2 DepG zeigt. Die Ansicht, daß das Vorgirodepot ein Teil des Sammelbestandes der Wertpapiersammelbank sei, ist folglich abzulehnen 3 2 . Es fragt sich daher, wie das rechtliche Schicksal neu eingelieferter Stücke, die zur 2 1 1 2 Girosammeiverwahrung bestimmt sind, stau dessen zu beurteilen ist. Am zweckmäßigsten dürfte es sein, wenn das Vorgirodepot im Alleineigentum der Bank bleibt und die Bank den Einlieferer jeweils sogleich durch die Übertragung eines Miteigentumsanteils nach § 5 II DepG befriedigt. Dann hat einerseits der Kunde sofort die angestrebte Form der Girosammeiverwahrung und andererseits die Bank die uneingeschränkte Verfügungsmacht über ihren Handbestand, das alleinige Eigentum an diesem und das alleinige Verlustrisiko; denn mit der Übertragung des Miteigentumsanteils fällt das eingelieferte Stück ipso iure in das Alleineigentum der Bank (vgl. oben Rdn. 2109), und die Bank kann es daher ohne weiteres ihrem Handbestand einverleiben. Dieser W e g ist auch nicht besonders umständlich, da die Publikumsbanken ohnehin einen eigenen Bestand bei den Wertpapiersammelbanken zu unterhalten pflegen und diesen nach seiner Verminderung durch die Übertragung des Miteigentumsanteils durch die Einlieferung der durch den Handbestand gelaufenen Stücke wieder entsprechend auffüllen. Wählt die Bank diesen Weg nicht, so behält der Kunde zunächst grundsätzlich Son- 2 1 1 3 dereigentum an den eingelieferten Stücken 33 . Denn § 6 I 1 DepG, wonach schon mit der Einlieferung der Effekten Miteigentum entstünde, ist bei Vereinbarung von Girosammelverwahrung anders als bei Vereinbarung von Haussammeiverwahrung nicht anwendbar, weil „Sammelverwahrer" i. S. dieser Vorschrift dann eben nicht die Kundenbank, sondern nur die Wertpapiersammelbank ist; nur diese Auslegung entspricht im übrigen dem Sicherheitsinteresse des Kunden, und daher kommt auch eine analoge Anwendung des § 6 1 1 DepG von vornherein nicht in Betracht. 30
31
Vgl. Opitz § 5 Anm. 14, insbesondere S. 141; Ratz Anm. 84. A. A. ausdrücklich, jedoch ohne Begründung Opitz a a O S. 141.
32
33
Vgl. auch Scblegelberger/Hefermebl Rdn. 296; Schönte § 21 I 2; Heinsius/Horn/Tban 5 5 Rdn. 56; Kumpel BuB 8/55. Ebenso Heinsius/Horn/Tban § 5 Rdn. 58; Kumpel BuB 8/55 a. E.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft Es bleibt allerdings die Möglichkeit, daß der Kunde sein Sondereigentum gemäß § 948 B G B durch Vermischung verliert, wenn die Bank die Effekten in ihren Handbestand einfügt. Indessen werden die Voraussetzungen des § 948 B G B regelmäßig nicht gegeben sein. Denn die Papiere bleiben trotz der Vermischung grundsätzlich auf Grund der aufgedruckten Nummern unterscheidbar, und daher fehlt es an dem Erfordernis der Untrennbarkeit i. S. von § 948 I B G B (vgl. auch B G H W M 1957 676). Denkbar wäre allenfalls, daß auf Grund eines Organisationsmangels nicht mehr feststellbar ist, welche Nummern von welchem Kunden eingeliefert worden sind, und daß aus diesem Grund ausnahmsweise § 948 I B G B zur Anwendung kommt; außerdem kann der Kunde sein Sondereigentum u. U. nach § 948 II B G B verlieren, sofern die Aussonderung der Effekten aus dem Handbestand im Einzelfall mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Er erwirbt dann gemäß § 948 i. V . m. § 947 I B G B Miteigentum am Handbestand; § 947 II B G B kann keinesfalls zum Zuge kommen, da die V o r schrift für die Vermischung vertretbarer Sachen nicht paßt. 2114
Daraus beantwortet sich zugleich die Frage, ob die Bank eine Befugnis zur Einverleibung eingelieferter Stücke in den Handbestand hat. Das wird im Schrifttum z. T . generell bejaht, wobei man sich auf eine analoge Anwendung des § 2 S. 2 D e p G stützt 3 4 , z. T . aber auch generell verneint 3 5 . In Wahrheit ist zu differenzieren. Eine Befugnis zu einer Einverleibung in der Art, daß die Effekten nicht mehr unterscheidbar sind, ist der Bank jedenfalls abzusprechen, wenn sie nicht den W e g über § 5 II D e p G wählt (vgl. dazu oben Rdn. 2112). Das ergibt sich schon daraus, daß dann nicht mehr festgestellt werden kann, wann wessen Papiere aus dem Handbestand an die Wertpapiersammelbank weitergegeben worden sind und wann dementsprechend für wen Miteigentum nach § 6 I 1 D e p G entstanden ist; das Sicherheitsinteresse des Kunden spricht insoweit eindeutig gegen die Zulässigkeit einer Vermischung. Andererseits muß die Bank die Effekten für die Zwischenzeit auch nicht ohne weiteres in Sonderverwahrung i. S. von § 2 D e p G nehmen, da diese Verwahrungsart ja gerade nicht vereinbart ist und die Bank die Papiere nur an den Drittverwahrer weiterzuleiten hat, wofür ein „Durchlauf" durch den Handbestand sehr wohl sinnvoll sein kann. Die Bank braucht daher die Voraussetzungen des § 2 S. 1 D e p G grundsätzlich nicht zu erfüllen, doch muß sie dann durch andere organisatorische Maßnahmen wie vor allem die nummernmäßige Eintragung im Verwahrungsbuch sicherstellen, daß das rechtliche Schicksal der eingelieferten Effekten, insbesondere ihre Weiterleitung an die Wertpapiersammelbank jederzeit feststellbar ist (vgl. auch unten Rdn. 2202 a. E.). Darüber hinaus hat die Bank gemäß Ziff. 2 Abs. 5 S. 3 der „Hinweise über die materiellen Prüfungserfordernisse" bei der Depotprüfung (abgedruckt unten Rdn. 2 2 2 3 ) die Vorschriften über die Sonderverwahrung jedenfalls dann einzuhalten, wenn die Zeit bis zur Uberführung der eingelieferten Effekten in das Girosammeidepot mehr als fünf T a g e beträgt 3 6 .
e) Die Rechtsnatur der Miteigentümergemeinschaft 2115
Die Gemeinschaft der Miteigentümer am Sammelbestand wird vom Gesetz ausdrücklich als Bruchteilsgemeinschaft gekennzeichnet. Die Vorschriften der §§ 1008 ff B G B sind aber gleichwohl unanwendbar, da sie auf die Depotgemeinschaft nicht passen und durch die Sondervorschriften der §§ 6 ff D e p G verdrängt werden 3 7 . Die Vor-
Vgl. Opitz § 5 Anm. 14 = S. 139; Ratz Anm. 79. 35 Vgl. Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 296. 3 6 Kritisch zu dieser zeitlichen Begrenzung Heirtsius/Horn/Than $ 5 Rdn. 57; Kumpel BuB 8/56. 34
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37
Vgl. auch Schönle § 2 0 II 2 b 2; Kumpel WM 1980, 432; anders offenbar Opitz §§ 6 — 8 Anm. 1 und 12; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 280.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
Schriften der §§ 741 ff BGB sind zwar grundsätzlich anwendbar, müssen jedoch ebenfalls weitgehend hinter der Sonderregelung der §§ 6 ff DepG zurücktreten 3 8 . So ist z. B. die Vermutung des § 742 BGB, wonach die Miteigentümer im Zweifel gleiche Anteile haben, durch § 6 I 2 DepG widerlegt. Auch die Anwendung der §§ 744—746 und 749 ff BGB wird durch die Sondervorschriften des Depotgesetzes ausgeschlossen. Unanwendbar ist schließlich auch § 747 BGB. Die Verfügung über die Anteile an den einzelnen Wertpapieren gemäß § 747 S. 1 BGB ist nämlich mit Wesen und Zweck der Depotgemeinschaft schlechterdings unvereinbar, da sie zu einer heillosen Zersplitterung und einer unerträglichen Rechtsunsicherheit führen würde, und die Verfügung über die Papiere im Ganzen gemäß § 747 S. 2 BGB steht nicht der Depotgemeinschaft, sondern im Rahmen des § 6 II DepG nur dem Sammelverwahrer zu. Die Miteigentümer können also weder über ihre Anteile an den einzelnen Papieren 2 1 1 6 noch über diese selbst, sondern nur über ihren Anteil an dem gesamten Sammelbestand verfügen. Das aber ist eine Rechtslage, die weit eher für eine Gesamthandsgemeinschaft als für eine Bruchteilsgemeinschaft charakteristisch ist. Daher liegt es nahe, die Depotgemeinschaft dogmatisch als Gesamthandsgemeinschaft zu qualifizieren (so in der Tat Schulze-Osterloh Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 147 ff). Damit setzt man sich indessen in Widerspruch zum unmißverständlichen Wortlaut des § 6 I 1 DepG, der nun einmal vom „Miteigentum nach Bruchteilen" spricht. Darin dürfte auch nicht lediglich eine unverbindliche „Vorstellung (des Gesetzgebers) über die juristische Konstruktion, die dem Gesetz zugrunde liegt" zu sehen sein (so Schulze-Osterloh a a O S. 149), sondern eine bindende Rechtsfolgenverweisung. Zwar ist diese weitgehend gegenstandslos, weil die Sonderregelung der §§ 6 ff DepG, wie gezeigt, die wichtigsten Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft verdrängt, doch ändert das nichts daran, daß etwa noch verbleibende Lücken nach dem Willen des Gesetzes mit Hilfe der Normen über das Bruchteilseigentum und nicht mit Hilfe des Rechts der Gesamthandsgemeinschaften zu füllen sind. Außerdem läßt sich die Anwendung sachenrechtlicher Vorschriften auf Verfügungen über den Anteil an der Depotgemeinschaft, die vor allem für die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs von Bedeutung ist (vgl. oben Rdn. 2016 ff), weit besser durch die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft als durch die Konstruktion einer Gesamthandsgemeinschaft erklären; denn daß der Anteil an der letzteren durch Einigung und Ubergabe übertragen und verpfändet wird, mag zwar dogmatisch nicht schlechthin ausgeschlossen sein (vgl. auch Schulze-Osterloh aaO S. 215, wenngleich in anderem Zusammenhang), ist jedoch gewiß eine befremdliche Vorstellung, wenn nicht sogar eine Systemwidrigkeit, wohingegen es für das Bruchteilseigentum eine dogmatische Selbstverständlichkeit ist. f) Die Größe der Miteigentumsanteile und der Ausgleich von Verlusten am Sammelbestand Die Größe der Miteigentumsanteile bestimmt sich gemäß § 6 I 2 DepG grundsätz- 2 1 1 7 lieh nach dem Nennbetrag der eingelieferten Papiere, bei Effekten ohne Nennbetrag nach der Stückzahl. Die Feststellung von bestimmten Bruchteilen oder Prozentsätzen ist also grundsätzlich nicht erforderlich. Dabei geht es um die Größe der Anteile am Gesamtbestand. Anteile an den einzelnen Papieren bestehen zwar entsprechend dem Wesen einer Bruchteilsgemeinschaft durchaus, doch wechselt ihre Größe im Wege der 38 Vgl. Opitz § § 6 - 8 Anm. 11; Ratz Anm. 83; Schönle § 2 0 II 2 b 2; Heinsius/Hom/Than §6 Rdn. 16 f f ; Kumpeln/U 1980, 432.
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17. Abschnitt. D a s D e p o t g e s c h ä f t
An- und Abwachsung bei jeder Veränderung des Gesamtbestandes (vgl. Schulze-Osterloh a a O S. 150), und ihre Berechnung ist daher praktisch nicht möglich; sie ist auch nicht erforderlich, da über die Anteile an den einzelnen Papieren nicht verfügt werden kann (vgl. oben Rdn. 2115) und da diese auch sonst keine eigenständige rechtliche Rolle spielen. 2118
Mit der Berechnung der Anteile nach Nennbetrag oder Stückzahl ist ausnahmsweise nicht auszukommen, wenn ein Verlust am Sammelbestand eingetreten ist. Denn dieser kann auf die einzelnen Miteigentümer nur nach dem Verhältnis ihrer Anteile umgelegt werden, und daher bleibt hier nichts anderes übrig, als dieses in Bruchzahlen oder Prozentsätzen auszurechnen. Der Verlust trifft also nicht denjenigen allein, der die verlorenen Papiere eingebracht hat; das wäre weder gerecht noch praktisch durchführbar. Es ist vielmehr grundsätzlich auf alle Miteigentümer des betreffenden Sammelbestandes entsprechend dem Verhältnis ihrer Anteile zu verteilen: dazu hat der Sammelverwahrer nicht nur ein Recht, wie der Wortlaut des § 7 II 1 DepG vermuten lassen könnte, sondern auch eine Pflicht, da die verhältnismäßige Umlegung des Verlusts grundsätzlich allein sachgerecht ist 39 . Führt die Verteilung des Verlusts dazu, daß eine unteilbare „Spitze" übrig bleibt, so ist diese nach § 753 BGB zu verkaufen und der Erlös zu verteilen. Ausnahmsweise sind an dem Verlust nur bestimmte Miteigentümer zu beteiligen, wenn die Ursache für den Verlust nur ihrer Sphäre zuzurechnen ist wie z. B. bei rechtswidrigen Verfügungen einer Girobank (vgl. oben Rdn. 2030); das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, folgt aber aus einer zweckentsprechenden Anwendung und Modifizierung des dem § 7 II 1 DepG zugrundeliegenden Prinzips der Risikoverteilung. Die Beweislast für den Eintritt eines Verlusts trägt nach der Formulierung des § 7 II 1 DepG der Sammelverwahrer. Außerdem trifft diesen gegenüber dem Hinterleger gemäß § 7 II 2 DepG eine Schadensersatzhaftung für den Ausfall, sofern er den Verlust zu vertreten hat; letzteres wird wiederum vermutet, wie sich aus der Fassung des Gesetzes ergibt. Die Haftung ist gemäß § 249 BGB grundsätzlich auf Beschaffung entsprechender Papiere und nur unter den Voraussetzungen der §§ 250 f BGB auf Wertersatz in Geld gerichtet. Im Konkurs des Sammelverwahrers haben die Miteigentümer wegen des Ausfalls i. d. R. ein Konkursvorrecht gemäß § 32 I Ziff. 2 DepG (vgl. dazu oben Rdn. 2074 ff). g) Die Auslieferungsansprüche gemäß §§ 7 I und 8 DepG
2119
Mit Zweck und Funktion der Sammelverwahrung wäre es unvereinbar, wenn der Hinterleger die Auslieferung genau derselben Stücke, die er eingeliefert hat, verlangen könnte; das Gesetz schließt daher einen solchen Anspruch — wie er an sich nach § 695 BGB gegeben wäre — in § 7 I HS. 2 ausdrücklich aus. An seine Stelle tritt der Auslieferungsanspruch des Hinterlegers gemäß § 7 I HS. 1 DepG, der lediglich auf Leistung von Papieren der gleichen Art wie der eingelieferten gerichtet ist. Dogmatisch handelt es sich dabei um einen schuldrechtlichen Anspruch aus dem Depotvertrag, der an die Stelle des Anspruchs auf Aufhebung der Gemeinschaft gemäß §§ 749 ff BGB tritt und eine Abwandlung des Anspruchs auf Herausgabe der hinterlegten Sache gemäß § 695 BGB für die Sammelverwahrung darstellt 40 . Dementsprechend setzt der Anspruch die Wirksamkeit des Depotvertrages voraus 4 1 , da er ja auf diesem beruht. Er steht folge39
40
Vgl. auch Opitz § § 6 - 8 Anm. 37; Ratz Anm. 93; Heinsim/Hom/Than § 7 Rdn. 19. H . L., vgl. z. B. Opitz §§ 6 - 8 Anm. 25; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 289.
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"1 H . L., vgl. z.B. Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 289; Heinsius/Horn/Than § 7 Rdn. 3 m. w. Nachw.
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IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung richtig dem Hinterleger als solchem unabhängig von der Eigentumslage zu, weil der Hinterleger Partei des Depotvertrags und damit Inhaber des aus diesem folgenden Herausgabeanspruchs ist. Als Anspruchsgegener ist grundsätzlich der Vertragspartner, also der Verwahrer anzusehen, da es sich ja wie gesagt um einen Anspruch aus dem Depotvertrag handelt; daneben ist aber in Analogie zu §§ 556 III, 604 IV BGB auch ein Anspruch gegen den Drittverwahrer gegeben, da § 7 I DepG dogmatisch gesehen ein Gegenstück zu § 695 BGB darstellt und auf diesen die §§ 556 III, 604 BGB entsprechend Anwendung finden 4 2 (vgl. im übrigen auch unten Rdn. 2163). Neben dem Auslieferungsanspruch des Hinterlegers aus § 7 I DepG steht der Aus- 2 1 2 0 lieferungsanspruch des Eigentümers und sonstiger dinglich Berechtigter gemäß § 8 DepG. Auch hier handelt es sich um einen Ersatz f ü r den ausgeschlossenen Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft nach §§ 749 ff BGB; im übrigen ist der Anspruch als sachgemäße Abwandlung des dinglichen Herausgabeanspruchs gemäß § 985 BGB für den Fall der Sammelverwahrung anzusehen 4 3 . Bei einem Auseinanderfallen von Hinterleger und Eigentümer, das ohne weiteres vorkommen kann (vgl. oben Rdn. 2106 und 2110), stehen der Anspruch des ersteren aus § 7 1 DepG und der Anspruch des letzteren aus § 8 D e p G selbständig nebeneinander. Der Sammelverwahrer kann nach freier Wahl an einen von beiden leisten und wird dann gegenüber dem anderen gemäß § 428 BGB frei, weil zwar sowohl der Hinterleger als auch der Eigentümer die ganze Leistung fordern können, der Verwahrer sie aber nur einmal zu bewirken verpflichtet ist 44 . Mit der Auslieferung tritt eine Veränderung der dinglichen Rechtslage ein: das bis- 2 1 2 1 herige Miteigentum verwandelt sich in Alleineigentum. Der darin liegende Eingriff in die Rechtsstellung der übrigen Miteigentümer, die ihren Anteil an dem ausgelieferten Papier verlieren, bedarf auf Grund der ausdrücklichen Sonderregelung des § 6 II 1 DepG nicht der Zustimmung der Betroffenen. § 6 II 1 DepG enthält also insoweit eine gesetzliche Ermächtigung. Damit ist allerdings die dogmatische Struktur des Auslieferungsvorgangs noch nicht 2 1 2 2 vollständig aufgeklärt. Die Annahme einer gesetzlichen Ermächtigung erklärt nämlich nur die Zulässigkeit und die Wirksamkeit des Eingriffs in die Rechtsposition der verbleibenden Miteigentümer, nicht aber den Erwerb des Alleineigentums an dem ausgelieferten Stück durch den Ausscheidenden. Insoweit liegt es nun auf den ersten Blick vielleicht nahe, die Auslieferung als bloßen Realakt zu qualifizieren und den Rechtserwerb auf den Gedanken der dinglichen Surrogation zurückzuführen. Diese Konstruktion stellt indessen nach geltendem Recht einen seltenen Ausnahmetatbestand dar, der einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedürfte; daß § 6 II 1 DepG eine solche darstellt, geht aus der Vorschrift jedoch nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor. Außerdem wäre eine derartige Interpretation des § 6 II 1 DepG auch systemwidrig. Rechtsänderungen, die ihren Grund in Handlungen der beteiligten Parteien haben, erfolgen nämlich nach geltendem Recht grundsätzlich durch Rechtsgeschäft. Dementsprechend muß auch der Erwerb des Alleineigentums an dem ausgelieferten Stück ent-
« Vgl. Opitz § § 6 - 8 Anm. 25 = S. 166 f; a. A. Ratz Anm. 90. « A. A. offenbar Kumpel WM 1980, 430 und BuB 8/ 49, der die Anspruchsgrundlage in § 985 BGB sieht, was indessen mit der Verweisung auf § 7 I 1 Hs. 2 DepG schwerlich zu vereinbaren ist und
44
zur dogmatisch fragwürdigen Kategorie der „gelockerten Identität" führt. Ebenso i. E. Schtegelberger/Hefermehl Rdn. 285 a. E. und Rdn. 293; Kumpel BuB 8/16, der jedoch nur ein „gesamtgläubigerähnliches Verhältnis" annimmt.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
gegen der h. L. 45 mit Hilfe einer rechtsgeschäftlichen Übertragung gemäß § 929 BGB erklärt werden. Dabei verfügt der Verwahrer auf Grund der Ermächtigung des § 6 II 1 DepG im eigenen N a m e n wirksam über fremdes Eigentum. Daß er „keine Willensrichtung hinsichtlich des Eigentumsübergangs hat" 4 6 , trifft nicht zu; denn da er nur an den Berechtigten ausliefern darf, wird er den Empfänger des Papiers in aller Regel als solchen ansehen und daher an ihn übereignen wollen (vgl. dazu auch die folgende Rdn.). Auch den korrespondierenden Verlust des Miteigentums wird man auf einen rechtsgeschäftlichen Akt des die Auslieferung Verlangenden zurückzuführen haben, doch ist dabei wohl nicht mit der — allzu gekünstelten — Konstruktion einer Übertragung des Anteils auf alle übrigen Miteigentümer unter Vertretung durch den Verwahrer zu arbeiten 4 7 , sondern eher mit der Vorstellung eines rechtsgeschäftlichen Austritts aus der Depotgemeinschaft unter entsprechender Abwachsung und Anwachsung 48 . Die rechtsgeschäftliche Qualifikation verdient im übrigen auch vom Ergebnis her den Vorzug vor der Annahme einer kraft Gesetzes eintretenden dinglichen Surrogation, weil nur sie die zwanglose Anwendung der rechtsgeschäftlichen Schutzvorschriften wie der §§ 104 ff, 116 ff, 164 ff BGB erlaubt. 2123
Gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist die Person des neuen Alleineigentümers. Die h. L. nimmt an, daß dies stets der bisherige Miteigentümer und nicht der Empfänger des ausgelieferten Stückes als solcher ist 49 . Das steht nun allerdings in einem gewissen Gegensatz zu der soeben entwickelten Ansicht, bei der Auslieferung erfolge eine Übereignung nach § 929 BGB; denn danach müßte sich die Person des Eigentümers der ausgelieferten Stücke eigentlich nach dem Willen der Parteien richten 5 0 , und diese werden in aller Regel den Empfänger der Papiere auch zu deren Eigentümer machen wollen. Gleichwohl ist der h. L. im Ergebnis zu folgen, da die §§ 7 f DepG insoweit eine Lücke enthalten und der Ergänzung im Wege der Rechtsfortbildung bedürfen. Die Auslieferung bildet nämlich gewissermaßen den actus contrarius zur Einlieferung, und so wie bei dieser das Miteigentum nach der unmißverständlichen Bestimmung des § 6 1 DepG nicht für den Hinterleger als solchen, sondern für den wahren Berechtigten entsteht (vgl. oben Rdn. 2106), muß hier das Alleineigentum ebenfalls dem wahren Berechtigten und das heißt dem bisherigen Miteigentümer zufallen; nur so läßt sich dem in § 6 I DepG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, daß der wahre Berechtigte durch die Besonderheiten der Sammelverwahrung möglichst keinen Rechtsnachteil erleiden soll, angemessen Rechnung tragen. Konstruktiv kann man dieses Ergebnis durch die Parallele zum Rückerwerb des Nichtberechtigten abstützen (vgl. auch oben Rdn. 2110 a. E.).
2124
Die Ansprüche aus den §§7 und 8 DepG sind abdingbar (vgl. unten Rdn. 2133). Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so hat der Miteigentümer folgerichtig keinen Mitbesitz an den Effekten; denn ein Besitzmittlungsverhältnis setzt anerkanntermaßen einen Herausgabeanspruch voraus (vgl. z . B . B G H Z 10 81, 87). Das hat praktische Konsequenzen für die Möglichkeit von Verfügungen über den Miteigentumsanteil (vgl. die folgende Rdn.). 45
46 47 48
Vgl. Schönte § 2 1 II 2; Heinsius/Horn/Than §6 Rdn. 65; Grathwohl S. 91; Brink S. 51 Fn. 10; Kumpel BuB 8 / 6 5 ; a. A., d. h. i. E. wie hier Büchner S. 114. So z. B. Kumpel a a O m. w. N a c h w . So offenbar Schönte a a O . Vgl. auch Schulze-Osterloh Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 150; im
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übrigen kann ihm freilich nicht gefolgt werden, vgl. oben Rdn. 2116. • " V g l . Opitz § § 6 - 8 A n m . 2 5 ; Ratz Anm. 90; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 286; Schönte § 2 1 II 2; Heinsius/Hom/Than § 6 Rdn. 65; Kumpel BuB 8/65. 50 So in der T a t Quassowiki/Schröder § 6 Anm. 4 III.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
h) Verfügungen Uber den Miteigentumsanteil und Herausgabeklage Für Verfügungen über Miteigentumsanteile an einem Sammelbestand gelten grund- 2 1 2 5 sätzlich die Vorschriften des Sachenrechts, d. h. insbesondere die §§ 929 ff und 1204 ff BGB (vgl. oben Rdn. 2061 ff). Auch sie können also z. B. nach § 929 S. 1 BGB durch Einigung und Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses oder nach § 931 BGB durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs übertragen werden (vgl. näher oben Rdn. 2021 und 2091). Als Herausgabeanspruch i. S. von §931 BGB ist dabei der Anspruch aus § 7 I bzw. § 8 DepG anzusehen, da er, wie dargelegt, an die Stelle des Anspruchs aus § 695 bzw. § 985 BGB getreten ist (vgl. oben Rdn. 2119 f). Die Gleichstellung von Sacheigentum und Miteigentum ist somit auch in dieser Hinsicht folgerichtig durchzuführen, so daß auch hier eine „Herausgabe" im Rechtssinne möglich ist, obwohl sich der Anspruch nicht auf bestimmte Stücke richtet (a. A., jedoch nicht überzeugend BGH WM 1975 1259, 1261). Demgemäß kann ein Depotprätendent gegen den Depotinhaber keineswegs nur auf Anweisung zur Umschreibung, sondern auch auf „Herausgabe" klagen (a. A. BGH aaO, wo freilich unsinnigerweise geradezu auf „Aushändigung" geklagt war); das ist i. d. R. als Klage auf Übertragung des mittelbaren Mitbesitzes und also nach § 870 BGB auf Abtretung des entsprechenden Herausgabeanspruchs auszulegen. Sind freilich die Ansprüche aus §§ 7 f DepG abbedungen worden, was mögich ist (vgl. unten Rdn. 2133), so kommt eine Herausgabe nicht in Betracht. In einem solchen Fall ist eine Übereignung durch schlichte Einigung möglich; denn deren Zulässigkeit ist bei besitzlosen Sachen nach richtiger Ansicht für das Alleineigentum grundsätzlich zu bejahen 5 0 a , und daher kann für das Miteigentum, das in diesem Falle gleichfalls als besitzlos anzusehen ist (vgl. die vorige Rdn.), wegen seiner Gleichstellung mit dem Alleineigentum nicht anders entschieden werden. Ein gutgläubiger Erwerb ist allerdings erst möglich, wenn die Bank die Umschreibung im Verwahrungsbuch vornimmt (vgl. oben Rdn. 2028). 3. Die Verwahrung mit Hilfe einer Sammelurkunde gemäß § 9 a DepG a) Begriff und Wesen der Sammelurkunde Die Rechtsentwicklung hat dazu geführt, daß immer mehr Effekten von der Emis- 2126 sion bis zum Erlöschen des verbrieften Rechts ununterbrochen in den Tresoren der Sammelbanken bleiben. In derartigen Fällen hat die Verkörperung des Rechts in einer Urkunde ihre ursprüngliche Funktion, der Ausübung und Übertragung des Rechts zu dienen, verloren (vgl. oben Rdn. 2040). Auf sie völlig zu verzichten, hat man gleichwohl Bedenken, weil dann die Vorschriften des Sachenrechts — die vor allem die unverzichtbare Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs gewährleisten — u. U. nicht mehr anwendbar sein könnten. Daher ist man auf den Ausweg verfallen, die Vielzahl von Einzelurkunden in einer Sammelurkunde zusammenzufassen, und der Gesetzgeber hat diese Praktiken in § 9 a DepG legalisiert. Die Funktion der Sammelurkunde liegt demnach darin, einerseits eine wesentliche Rationalisierung und Vereinfachung der Emission und der Verwahrung zu erzielen, andererseits aber die rechtliche Gleichstellung der in der Urkunde zusammengefaßten Einzelrechte mit Sachen auch weiterhin sicherzustellen. Dogmatisch gesehen ist das freilich eine wenig befriedigende Lösung, weil der in Wahrheit angestrebte Rechtszustand auf diese Weise eher verschleiert als voll geklärt wird und die Entwicklung zum reinen „Wertrecht", die allein folgerichtig ist, gewissermaßen auf halbem Wege abgebrochen wird (vgl. oben Rdn. 2042). 50a Vgl. Statt aller Westermann
Sachenrecht 5 , § 4 1 II
3 m. N a c h w .
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
2127
§ 9 a DepG definiert den Begriff der Sammelurkunde. Danach ist diese ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten. Die Sammelurkunde muß also ein Wertpapier sein; daß es sich dabei um ein solches i. S. von § 1 I DepG handelt und daß insbesondere das Merkmal der Vertretbarkeit erfüllt ist (vgl. dazu oben Rdn. 1813), ist nicht erforderlich, da das Gesetz die Anwendbarkeit des Depotgesetzes in § 9 a z. T. ausdrücklich anordnet und im übrigen offenbar als selbstverständlich voraussetzt. Die Sammelurkunde muß weiterhin Rechte verbriefen, die ihrerseits in Wertpapieren verbrieft sein könnten. Diese Wertpapiere müßten — anders als die Sammelurkunde selbst — im Falle ihrer Existenz vertretbar i. S. von § 91 BGB und von derselben Art sein; damit knüpft das Gesetz ersichtlich an die Tatbestandsmerkmale des § 5 I 1 DepG über die Sammelverwahrung an, und das ist auch durchaus folgerichtig, weil der wesentliche Zweck des § 9 a DepG die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Sammelverwahrung ist. b) Das Ermächtigungserfordernis
2128
Dem entspricht es, daß das Gesetz in § 9 a I die Möglichkeit, die Sammelurkunde einer Wertpapiersammelbank zur Verwahrung zu übergeben, von einer Ermächtigung nach § 5 DepG abhängig macht. Besondere praktische Bedeutung dürfte dieser Vorschrift freilich nicht zukommen; denn sie paßt nur für die börsenmäßig lieferbaren Sammelurkunden, weil nur diese einem Verwahrer zur Weitergabe an eine Wertpapiersammelbank übergeben werden können, wohingegen die praktisch weitaus wichtigeren sogenannten technischen Globalurkunden in aller Regel von vornherein bei einer Wertpapiersammelbank hinterlegt werden (vgl. Pleyer/Schleiffer DB 1972, 78 f). c) Die verschiedenen Formen der Verwahrung mit Hilfe einer Sammelurkunde
2129
Nach § 9 a II DepG gelten die Vorschriften über die Sammelverwahrung, insbesondere die §§6—9 DepG sinngemäß, wenn eine Wertpapiersammelbank eine Sammelurkunde verwahrt. Damit ist die vor Erlaß des § 9 a DepG heftig umstrittene Frage, ob eine Sammelurkunde überhaupt Gegenstand der Sammelverwahrung sein kann, insoweit im bejahenden Sinne entschieden. Das Gesetz stellt dabei ausdrücklich klar, daß dies auch dann gilt, wenn die Sammelurkunde allein verwahrt wird und daß es dementsprechend gleichgültig ist, ob die Sammelurkunde zusammen mit einzelnen Wertpapieren, die über Rechte der in der Sammelurkunde verbrieften Art ausgestellt sind, aufbewahrt wird. Die wichtigste praktische Konsequenz aus der Unterstellung der Sammelurkunde unter die Regeln über die Sammelverwahrung ist die Tatsache, daß die in ihr verbrieften Einzelrechte als Miteigentumsanteile i. S. von § 6 DepG anzusehen sind und daß dementsprechend über sie im Wege des Effektengiroverkehrs verfügt werden kann (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 2007 ff).
2130
Der Gleichbehandlung von Sammelurkunde und Sammelbestand entspricht es, daß das Gesetz in § 9 a I 2 dem Aussteller ein Recht zum Wechsel zwischen den beiden Verwahrungsarten ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten zuspricht. Eine Sammelurkunde kann also jederzeit ganz oder teilweise durch entsprechende Einzelstücke und ein Sammelbestand ganz oder teilweise durch eine Sammelurkunde ersetzt werden. Das Gesetz geht dabei ersichtlich von der Vorstellung aus, daß durch die Umwandlung die Rechte der Hinterleger bzw. der Miteigentümer nicht betroffen werden 5 1 . Das 51
Vgl.
1082
auch
Heinsius/Horn/Than
§ 9a
Rdn. 46
Abs. 2; Schlegelberger/Hefermehl pel BuB 8/90.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Rdn. 307;
Rüm-
IV. D i e v e r s c h i e d e n e n Formen der E f f e k t e n v e r w a h r u n g
trifft grundsätzlich auch bei der Ersetzung eines Sammelbestandes durch eine Sammelurkunde zu, da dabei die Ansprüche des Hinterlegers und des Miteigentümers auf Auslieferung von Einzelurkunden gemäß § 9 a III DepG grundsätzlich unberührt bleiben. Allerdings wird man der Wertpapiersammelbank die Einrede des § 9 a III 1 HS. 2 DepG, wonach sie die Auslieferung während des zur Herstellung der Stücke erforderlichen Zeitraums verweigern darf, auf Grund einer Restriktion oder teleologischen Reduktion der Vorschrift versagen müssen, wenn der Hinterleger bzw. der Miteigentümer ursprünglich Anteile an Einzelstücken hatte und diese nur durch eine Umwandlung in eine Sammelurkunde gemäß § 9 a I 2 DepG verloren hat; denn anderenfalls würde sich seine Rechtsposition ohne seine Mitwirkung verschlechtern, und das ist nach einem fundamentalen Grundprinzip unseres Privatrechts, das u. a. in dem Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter zum Ausdruck kommt, grundsätzlich nicht zulässig. Bei der nachträglichen Umwandlung eines Sammelbestandes in eine Sammelurkunde muß die Wertpapiersammelbank also immer einen gewissen Handbestand an Einzelstücken halten, um einem etwaigen Auslieferungsverlangen sofort und nicht erst nach Ablauf der Frist des § 9 a III 1 HS. 2 nachkommen zu können 5 2 . Allerdings sollte dieser grundsätzlich nicht aus den alten Stücken, sondern aus nicht unterzeichneten Blanketten bestehen 53 , um die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs hintanzuhalten. Diese folgt bei Inhaberschuldverschreibungen ohne weiteres aus § 794 I BGB und ist nach richtiger, wenngleich nicht herrschender Ansicht auch bei Aktien zu bejahen 5 4 ; daß in der Globalurkunde ein zweiter „Rechtsscheinträger" vorhanden ist, steht nicht entgegen, weil der gutgläubige Erwerber von deren Existenz nichts zu wissen braucht. Der Vorstand einer AG ist daher grundsätzlich verpflichtet, die alten Einzelstücke vernichten zu lassen, wenn er sie durch eine Globalurkunde ersetzt 55 . § 9 a II DepG macht die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Sammelverwah- 2131 rung davon abhängig, daß diese bei einer Wertpapiersammelbank erfolgt. Daraus wird man im Wege des Umkehrschlusses entnehmen müssen, daß eine Haussammelverwahrung der Globalurkunde oder eine Sammelverwahrung bei einem anderen Drittverwahrer als einer Wertpapiersammelbank nicht möglich ist 56 . Das entspricht der Privilegierung, die den Wertpapiersammelbanken auch in anderen Vorschriften wie z. B. den SS 5 I 3, 24 I HS. 1 DepG zuteil wird, und dürfte seinen tieferen Grund nicht zuletzt in dem Ziel des Gesetzgebers haben, einen Effektengiroverkehr — der ja nur über die Wertpapiersammelbanken stattfindet — für die in Globalurkunden verbrieften Rechte zu ermöglichen. Die Beschränkung des § 9 a II DepG auf die Wertpapiersammelbanken ist also weder systemwidrig noch sachlich unangemessen, und daher erscheint hinsichtlich der gesetzlich nicht erfaßten Fälle das argumentum e contrario in der Tat unausweichlich. Es ist angesichts dieser neuen Gesetzeslage auch nicht zulässig, insoweit einfach auf den Diskussionsstand vor Erlaß des § 9 a DepG zurückzugreifen und mit den früher vorgetragenen Argumenten die Sammelverwahrungsfähigkeit von Globalurkunden generell zu bejahen 5 7 . Vielmehr ist davon auszugehen, daß § 9 a II DepG abschließend über die Sammelverwahrungsfähigkeit von Globalurkunden entschieden und diese auf den Fall der Verwahrung bei einer Wertpapiersammelbank beschränkt 52
Zustimmend Pleyer WM 1979, 852 bei Fn. 17. 53 A. A. Pleyer W M 1979, 851 f. 54 Vgl. näher Hueck/Canaris Recht der Wertpap i e r e " , § 2 8 III 2 b m. Nachw. zur Gegenmeinung. 55 Vgl. auch Lutter Kölner Komm, zum AktG, 1970, § 74 Rdn. 5 a. E. zum entsprechenden Problem bei der Ersetzung beschädigter Aktien; a. A.
56
57
Pleyer a a O (wie Fn. 53). Vgl. auch Bremer Die AG 1972, 364; Heinsius/ Horn/Than § 9 a Rdn. 18; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 303; Kumpel BuB 8/102. Vgl. etwa Philipp WM 1965, 214 ff; Schöltz Die Verwahrung von Globalurkunden, Diss. H a m burg 1967, S. 3 4 - 3 7 ; ablehnend z. B. Keßler Z K W 1964, 832.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
hat. Im übrigen sprechen für diese Ansicht auch deshalb die besseren Gründe, weil die Globalurkunde nach richtiger Ansicht nicht „vertretbar" i. S. von § 91 BGB ist (vgl. oben Rdn. 1813) und weil daher die Voraussetzungen der Sammelverwahrung, die nach § 5 I 1 DepG nur bei vertretbaren Wertpapieren möglich ist, außerhalb des Anwendungsbereichs von § 9 a II DepG nicht erfüllt sind. 2132
Wird die Globalurkunde nicht bei einer Wertpapiersammelbank verwahrt, bleibt somit nur die Möglichkeit der Sonderverwahrung. Diese wird durch § 9 a DepG, der darüber überhaupt nichts aussagt, nicht ausgeschlossen 58 . Sie scheitert auch nicht daran, daß die Voraussetzungen des § 2 S. 1 DepG bei Globalurkunden nicht erfüllt werden könnten 5 9 . Die erkennbare Bezeichnung aller Hinterleger, also aller Inhaber der verbrieften Einzelrechte, mag zwar praktisch schwierig sein, sie ist aber rechtlich nicht unmöglich, weil (und sofern) die einzelnen Anteile durch Ordnungsnummern gekennzeichnet sind und daher die buchmäßige Zuordnung eines bestimmten Anteils an einen bestimmten Hinterleger vorgenommen werden kann 6 0 . Auch eine Übereignung nach § 18 III DepG ist auf diese Weise möglich, da die Ubersendung des N u m mernverzeichnisses der Ubersendung des Stückeverzeichnisses i. S. dieser Vorschrift gleichsteht 61 . Was das Verhältnis der einzelnen Rechtsinhaber zueinander bei der Sonderverwahrung einer Sammelurkunde angeht, so ist dieses als Miteigentum nach Bruchteilen i. S. von § 1008 BGB anzusehen. Dieses Miteigentum entsteht allerdings nicht gemäß § 6 1 DepG kraft Gesetzes, sondern beruht auf einem entsprechenden Rechtsgeschäft. D a ß ein Sonderdepot mehreren Personen zusteht und daß diese eine Miteigentümergemeinschaft bilden, ist rechtlich ohne weiteres möglich und kommt z. B. beim Gemeinschaftsdepot nicht selten vor (vgl. oben Rdn. 2095 Abs. 2). d) Die Abdingbarkeit der Ansprüche auf Auslieferung von Einzelstücken
2133
Eine wichtige Streitfrage, die § 9 a DepG geklärt hat, ist die nach der Abdingbarkeit der Auslieferungsansprüche gemäß §§ 7 f DepG. Diese Möglichkeit wird nämlich durch Abs. 3 S. 2 der Vorschrift vorausgesetzt 6 2 ; denn danach kann die Wertpapiersammelbank die Auslieferung einzelner Wertpapiere ablehnen, sofern der Aussteller „nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis", d. h. nach den Emissionsbedingungen, nicht verpflichtet ist, an die Inhaber der in der Sammelurkunde verbrieften Rechte einzelne Wertpapiere auszugeben. Der Gesetzgeber hat also im Wege einer authentischen Interpretation festgelegt, daß die §§ 7 f. DepG abdingbar sind. Soweit von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht worden ist, bleiben die Ansprüche auf Auslieferung von Einzelstücken selbstverständlich unberührt. Die Wertpapiersammelbank hat allerdings während des Zeitraums, der zur Herstellung der Stücke erforderlich ist, gemäß § 9 a III 1 HS. 2 DepG eine dilatorische Einrede (vgl. aber auch Rdn. 2130 Abs. 2).
2134
Von der Abdingbarkeit der spezifisch depotrechtlichen Auslieferungsansprüche gemäß 7 f DepG streng zu unterscheiden ist die Frage nach der Abdingbarkeit sonstiger Ansprüche auf Ausstellung von Einzelurkunden. Letztere beruhen auf einem anderen Rechtsgrund und richten sich nicht gegen den Verwahrer, sondern gegen den
58 Vgl. auch Heinsius/Horn/Than § 9a Rdn. 18; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 304. 59 Vgl. KeßlerZKW 1964, 832; Scholtz a a O S. 44 f f ; a. A. Philipp W M 1965, 223. « Vgl. näher Scholtz a a O S. 47 f.
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" Vgl. Scholtz a a O S. 46. Unstreitig, vgl. z. B. Pleyer/Schleiffer D B 1972, 78 m. N a c h w . zum früheren Diskussionsstand in Fn. 15; Heinsius/Hom/Than § 9a Rdn. 55; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 309.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
Emittenten. Ob sie bestehen, hängt von dem Rechtsverhältnis zu diesem ab und ist f ü r die verschiedenen Wertpapiere unterschiedlich zu beurteilen. So wird man einen besonderen wertpapierrechtlichen Anspruch auf Ausstellung von Einzelurkunden bei Inhaberschuldverschreibungen jedenfalls dann abzulehnen haben, wenn die Emission im Wege einer Globalurkunde erfolgt und die Ansprüche auf Auslieferung von Einzelurkunden in den Emissionsbedingungen ausgeschlossen worden sind. Zwar ist die Ausstellung der Urkunde hier für die Entstehung des Rechts konstitutiv, doch genügt den Erfordernissen des § 793 BGB auch die Ausstellung einer Globalurkunde 6 3 . Bei Aktien besteht dagegen grundsätzlich ein Anspruch auf Ausstellung von Urkun- 2 1 3 5 den über die einzelnen Mitgliedschaftsrechte 64 . Dieser beruht auf dem Mitgliedschaftsverhältnis und ist grundsätzlich unverzichtbar; er soll nach h. L. nicht einmal durch die Satzung ausgeschlossen werden können 6 5 . Daraus müßte sich folgerichtig ergeben, daß die Ersetzung der Einzelaktien durch eine Globalaktie der Zustimmung aller Aktionäre bedarf und daß diese ihre Zustimmung jederzeit widerrufen und ihr unentziehbares Recht auf Ausstellung von einzelnen Stücken geltend machen können 6 6 . Dem kann indessen nicht zugestimmt werden. Allerdings wird man die h. L. wohl kaum allein durch den Hinweis auf § 9 a III 2 DepG widerlegen können; denn es dürfte sich nicht dartun lassen, daß in dieser Vorschrift nicht nur eine authentische Interpretation des Depotgesetzes, sondern auch eine solche des Aktiengesetzes liegt. Die h. L., deren Anhänger für ihre Ansicht keine substantiierten Gründe vorbringen, ist aber in sich selbst nicht überzeugend. Denn es besteht kein hinreichender Anlaß, die Satzungsautonomie der Aktiengesellschaft durch einen ungeschriebenen — und daher an den Kriterien für eine Rechtsfortbildung praeter legem zu messenden — Satz über die Unentziehbarkeit des Anspruchs auf die Aushändigung von Einzelstücken einzuschränken 6 7 . Das Interesse der Aktionäre an der Verkehrsfähigkeit ihrer Mitgliedschaftsrechte, das allenfalls zugunsten der h. L. angeführt werden könnte, wird spätestens seit dem Erlaß von 5 9 a DepG durch die Ausstellung der Globalurkunde und den korrespondierenden Ausschluß des Anspruchs auf Einzelstücke nicht mehr nennenswert beeinträchtigt, da die Rechte nunmehr voll umlauffähig sind und insbesondere Gegenstand des Effektengiroverkehrs und des gutgläubigen Erwerbs sein können. Man wird daher bei einer Abwägung zwischen den Interessen des Aktionärs einerseits und den Interessen der Gesellschaft und des Verwahrers an einer Vereinfachung und Rationalisierung des Effektenwesens andererseits zu dem Ergebnis kommen müssen, daß ein überzeugender Grund für die von der h. L. angenommene Einschränkung der Satzungsautonomie nicht gegeben ist und daß daher im Interesse einer Harmonisierung mit § 9 a III 2 DepG der mitgliedschaftsrechtliche Anspruch auf Ausstellung von Einzelstücken durch die Satzung ausgeschlossen und durch einen Anspruch auf Schaffung einer Globalurkunde ersetzt werden kann.
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Vgl. auch Scholtz a a O S. 49; Schlegelbergerl Hefermehl Rdn. 309. Vgl. statt aller Kraft Kölner Komm, zum AktG, 1970, § 10 Rdn. 13 m. N a c h w . Vgl. z. B. Schmidt/Meyer-Landrut Großkomm, zum A k t G 2 § 1 0 Anm. 2 a. E.; Godin/Wilhelmi 3 Aktiengesetz § 1 0 Anm. 2; Baumbach/Hueck Aktiengesetz 1 3 § 10 Anm. 1; Würdinger Aktienund K o n z e r n r e c h t 3 § 10 VII 1; anders Kraft a a O m. w. N a c h w .
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So in der T a t z. B. Stüdemann Die Globalaktie, 1960, S. 47 vor b und S. 66 f m. w. N a c h w . in Fn. 27; Bremer Die AG 1972, 365; unklar Scholtz a a O S. 49. Zustimmend Peters S. 127 f und wohl auch Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 309 a. E.; in die gleiche Richtung tendierend ferner Heinsius/Hom/Than § 9a Rdn. 60.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
4. Sonderarten der Verwahrung auf der Grundlage von Sonderermächtigungen a) Die Tauschverwahrung i. S. von §§ 10 f DepG 2136
Tauschverwahrung i. S. von §§ 10 f DepG liegt vor, wenn der Verwahrer ermächtigt ist, an Stelle der hinterlegten Papiere solche derselben Art zurückzugewähren oder die hinterlegten Papiere durch solche derselben Art zu ersetzen. Nach § 11 S. 2 DepG bedeutet eine solche Ermächtigung nicht, daß das Eigentum an den hinterlegten Papieren schon mit der Entgegennahme durch den Verwahrer auf diesen übergeht. Außerdem hat der Hinterleger, wie sich ebenfalls aus § 11 S. 2 DepG sowie aus dem Umkehrschluß aus § 13 DepG ergibt, auch kein Recht zur Aneignung der Papiere, es sei denn, er überträgt als Ausgleich dafür zugleich Eigentum an anderen Papieren derselben Art 6 8 . Der Kunde ist also stets durch das Eigentum an den Effekten dinglich gesichert. Daraus wird deutlich, daß die Tauschverwahrung einen Unterfall der Sonderverwahrung i. S. von § 2 DepG darstellt 69 .
2137
Obwohl die Tauschverwahrung somit für den Kunden nicht sonderlich gefährlich ist, setzt sie eine besondere Ermächtigung voraus. Diese muß nach § 10 I DepG für jedes einzelne Verwahrungsgeschäft gesondert ausdrücklich und schriftlich abgegeben werden und darf weder in Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen. Das Fehlen einer formgerechten Ermächtigung macht den Umtausch und den beabsichtigten Eigentumsübergang unwirksam 7 0 .
2138
Das Fehlen des Eigentums oder der Verfügungsmacht auf Seiten des Hinterlegers macht zwar nicht die Ermächtigung i. S. von § 10 DepG als solche unwirksam, verhindert aber u. U. den Eigentumsübergang auf die Bank. Denn es handelt sich bei § 10 DepG um einen Erwerb kraft Rechtsgeschäfts, und daher müssen dessen Voraussetzungen, zu denen grundsätzlich die Verfügungsmacht des Veräußerers gehört, erfüllt sein. Der Verwahrer kann jedoch unter den Voraussetzungen der §§ 932 ff BGB, 366 H G B gutgläubig das Eigentum an den hinterlegten Stücken erwerben. Das Eigentum an den Ersatzstücken geht dann nicht auf den Hinterleger, sondern auf den Eigentümer der hinterlegten Stücke über; das gilt nicht nur dann, wenn die Bank kraft guten Glaubens erwirbt, sondern auch dann, wenn sie gemäß § 185 BGB auf Grund einer entsprechenden Verfügungsmacht des Hinterlegers Eigentum erlangt. Zur Begründung ist der in § 6 I DepG enthaltene Grundsatz des Eigentümerschutzes heranzuziehen, der auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 6 I DepG Anwendung findet (vgl. oben Rdn. 2110) und der daher der Verallgemeinerung auch für den vorliegenden Fall zugänglich ist; außerdem ist auch hier wieder auf die Parallele zu den Grundsätzen über den „Rückerwerb des Nichtberechtigten" zu verweisen. b) Die unregelmäßige Verwahrung i. S. von § 15 DepG
2139
Begriff und Wesen der unregelmäßigen Verwahrung sind dadurch gekennzeichnet, daß der Hinterleger das Eigentum an seinen Effekten verlieren und dafür lediglich einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch erlangen soll. Es liegt daher gar keine Verwahrung im eigentlichen Sinne vor, sondern nur der Tatbestand des § 700 I 1 BGB, der auf die Vorschriften über das Darlehen verweist. Folgerichtig bestimmt § 1 5 1 DepG ausdrücklich die Unanwendbarkeit des Depotgesetzes. Allerdings spricht das Gesetz ausdrücklich nur von den „Vorschriften dieses Abschnitts", doch gilt für die
68
69
Vgl. Opitz §§ 10 f A n m . 3 a. E . ; Schlegelberger/ Hefermehl R d n . 340. Vgl. a u c h Opitz §§ 10 f A n m . 6 ; Schlegelberger/
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70
Hefermebl R d n . 335 u n d 340. Vgl. a u c h Schlegelberger/Hefermehl
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
R d n . 341.
IV. D i e v e r s c h i e d e n e n F o r m e n der E f f e k t e n v e r w a h r u n g
übrigen Bestimmungen des Depotgesetzes nichts anderes 7 1 ; so kommt der Kunde bei der unregelmäßigen Verwahrung z. B. nicht in den Genuß des Konkursvorrechts gemäß § 32 DepG, weil er weder Kommittent noch Hinterleger i. S. dieser Vorschrift ist". Die unregelmäßige Verwahrung bringt somit große Gefahren für den Kunden mit 2 1 4 0 sich. Denn zum einen verliert er die dingliche Sicherheit, die ihm das Eigentum oder das Miteigentum an den Effekten bietet, und erlangt dafür lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch, der z. B. im Konkurs der Bank nahezu wertlos sein kann; und zum anderen kommt er auch nicht in den Genuß der besonderen Schutzvorschriften des Depotgesetzes. Aus diesem Grunde knüpft das Gesetz die Vereinbarung der unregelmäßigen Verwahrung an strenge Formvorschriften. Es müssen nicht nur dieselben Voraussetzungen erfüllt sein wie bei der Ermächtigung zur Tauschverwahrung (vgl. oben Rdn. 2137), sondern es ist gemäß § 15 II 2 DepG außerdem erforderlich, den Kunden in der Vereinbarung darauf hinzuweisen, daß das Eigentum sofort auf den Verwahrer oder einen Dritten übergehen soll und daß mithin für den Hinterleger nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung nach Art und Zahl bestimmter Wertpapiere entsteht. Der Eigentumsübergang auf den Verwahrer oder einen Dritten folgt den allgemei- 2141 nen Regeln. Er tritt also nicht etwa ipso iure auf Grund der Vereinbarung über die unregelmäßige Verwahrung ein, sondern richtet sich nach den Voraussetzungen der §§ 929 ff BGB und gegebenenfalls der §§ 932 ff BGB, 366 HGB 7 3 . Eines Zugangs der Annahmeerklärung seitens der Bank bedarf es nach § 151 BGB nicht. Der Anspruch auf Rückgewähr gleichartiger Effekten bei der unregelmäßigen Ver- 2 1 4 2 Währung ist scharf zu unterscheiden von dem Anspruch aus einer Einkaufskommission bzw. aus einem Effektenkaufvertrag mit der Bank. Zwar handelt es sich in beiden Fällen um schuldrechtliche Ansprüche auf Lieferung von Effekten einer bestimmten Art, doch haben diese Ansprüche im übrigen nichts miteinander gemein. Das zeigt sich vor allem daran, daß für den Anspruch aus dem Kommissionsgeschäft die §§ 18 ff und 32 DepG gelten, für den Anspruch aus der unregelmäßigen Verwahrung dagegen nicht. Aus diesem Grunde ist auch die vertragliche Umwandlung eines Anspruchs aus einer Effektenkommission in einen solchen aus unregelmäßiger Verwahrung unzulässig und unwirksam; denn darin läge eine Umgehung der Vorschriften der §§ 18 ff DepG, die nach § 28 DepG unabdingbar sind. Man sollte daher auch terminologisch einen klaren Unterschied machen; in der Praxis hat sich nicht der von Opitz vorgeschlagene Ausdruck Aberdepot durchgesetzt, sondern die in den Depotrichtlinien enthaltene Bezeichnung Wertpapierrechnung nach § 15 DepG 74 . c) Die Verwahrung mit Verfügungsermächtigung gemäß § 13 DepG Mit der unregelmäßigen Verwahrung auf das engste verwandt ist die Verwahrung 2 1 4 3 mit der Ermächtigung zu einer Verfügung über das Eigentum und der gleichzeitigen Abrede, es solle nur ein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch bestehen. § 13 DepG stellt demgemäß die gleichen Formerfordernisse wie für die unregelmäßige Verwahrung auf und bestimmt außerdem in Abs. 2, daß ebenso wie bei dieser die Vorschriften des Depotgesetzes unanwendbar sind, sobald der Verwahrer von seiner Verfügungsmög7
' Vgl. Opitz § 15 Anm. 2 Vgl. Opitz § 15 Anm. 11. Vgl. auch Opitz § 1 5 Anm. 6;
72
Schlegelberger/
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Hefermehl Rdn. 352; Heinsiui/Hom/Than §15 Rdn. 10. Vgl. Opitz § 15 Anm. 7 = S. 246 und Anm. 8 und dazu Heinsius/Horn/Than § 15 Rdn. 16.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
lichkeit Gebrauch gemacht hat. Auch im übrigen gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie bei der unregelmäßigen Verwahrung. Ein wesentlicher Unterschied besteht nur insofern, als das Eigentum grundsätzlich nicht sogleich übertragen werden soll, sondern eine erst später erfolgende Aneignungs- bzw. Ubereignungshandlung des Verwahrers voraussetzt; diese muß nach allgemeinen Grundsätzen irgendwie nach außen in Erscheinung treten, braucht aber dem Hinterleger gemäß § 151 BGB nicht zuzugehen. Die Einigungserklärung des Hinterlegers ist antizipiert und wird konkludent zugleich mit der Erteilung der Verfügungsermächtigung abgegeben 7 5 . 2144
Die Ermächtigung selbst ist grundsätzlich frei widerruflich; das ergibt sich aus § 183 BGB, soweit es sich um eine echte Ermächtigung zur Ubereignung an einen Dritten handelt, und aus der Widerruflichkeit der Einigung, soweit die Ermächtigung nichts anderes darstellt als eine antizipierte Übereignungserklärung zugunsten des Verwahrers. Die Widerrufsmögichkeit kann jedoch durch eine entsprechende Abrede ausgeschlossen werden, wie in § 183 BGB ausdrücklich bestimmt ist 76 ; daß dem der Gedanke des „Depotschutzes" entgegensteht, ist nicht zutreffend 7 6 , da das Gesetz ja auch die unregelmäßige Verwahrung zuläßt und diese dieselbe einschneidende Wirkung hat wie eine unwiderrufliche Verfügungsermächtigung. Die Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum umfaßt grundsätzlich die Ermächtigung zu anderen Verfügungen, die weniger stark in die Rechtsstellung des Hinterlegers eingreifen; das gilt vor allem für die Tauschverwahrung gemäß § 10 und die Verpfändung gemäß § 12 DepG 7 7 . Das ergibt sich aus einem argumentum a fortiori: wer sogar zur Ubereignung berechtigt ist, muß erst recht zum Tausch und zur Verpfändung der Effekten ermächtigt sein, weil der Hinterleger dadurch weniger beeinträchtigt wird. d) Die Verwahrung mit Verpfändungsermächtigung gemäß § 12 DepG
2145
Einen Sonderfall der Verwahrung mit Verfügungsermächtigung stellt die Verwahrung mit Verpfändungsermächtigung gemäß § 12 DepG dar. Es geht hier also nicht darum, daß der Hinterleger dem Verwahrer ein Pfandrecht an den Effekten einräumt (vgl. dazu unten Rdn. 2148), sondern darum, daß der Verwahrer die Papiere an einen Dritten verpfändet. Dazu bedarf er gemäß § 12 I 1 DepG einer besonderen Ermächtigung, die nach Abs. 1 Satz 2 bestimmten Formvoraussetzungen genügen muß. Als Pfandgläubiger kommt nach Abs. 1 Satz 1 nur ein Verwahrer in Betracht. Schließlich wird vom Gesetz noch verlangt, daß die Verpfändung im Zusammenhang mit einer Krediteinräumung f ü r den Hinterleger steht. Die Verpfändung verwahrter Effekten an einen Dritten ist also vom Gesetz nicht verboten, sie ist jedoch wegen der mit ihr verbundenen Gefahren und der Möglichkeit des Mißbrauchs an sehr enge Voraussetzungen geknüpft und auf die Fälle beschränkt, in denen sie wirtschaftlich sinnvoll erscheint.
2146
Die Vorschrift des § 12 DepG betrifft allerdings grundsätzlich nur das Verhältnis zwischen dem Verwahrer und dem Hinterleger. Der Erwerb des Dritten wird dadurch jedoch insofern berührt, als bei einem Verstoß gegen die zwingenden Voraussetzungen des § 12 DepG eine wirksame Ermächtigung zur Verpfändung nicht vorliegt. Es bleibt daher nur die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs. Soweit der Dritte dabei auf das Eigentum des Verwahrers vertraut, wird sein Erwerb regelmäßig an der Fremdvermu75
76
Vgl. auch Opitz 5 13 Anm. 9; Heinsius/Horn/ Than § 13 Rdn. 21. A . A . Opitz § 13 Anm. 7; ihm folgend Heinsius/ Hom/Than i 13 Rdn. 17.
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Vgl. Opitz § 12 Anm. 10; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 369; Heinsius/Horn/Than § 13 Rdn. 7; a. A. Quassowski/Schröder § 1 3 Anm. 4; Ratz Anm. 115.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
tung des § 4 DepG scheitern (vgl. dazu unten Rdn. 2167 ff). Soweit er dagegen lediglich auf die Verfügungsmacht des Verwahrers vertraut, gilt zwar grundsätzlich § 366 HGB, doch kann es am guten Glauben des Erwerbers fehlen (vgl. näher unten Rdn. 2175 ff). Im übrigen unterscheidet § 12 DepG nach dem Umfang, in dem der Verwahrer von 2 1 4 7 der Ermächtigung Gebrauch machen darf, drei Arten der Verpfändung. Bei der regelmäßigen Verpfändung nach Abs. 2 darf der Verwahrer auf die Effekten einen Rückkredit nur bis zur Gesamtsumme der Kredite nehmen, die er allen Hinterlegern, die ihm eine solche Verpfändungsermächtigung erteilt haben, gewährt hat; dabei darf das Pfandrecht nur zur Sicherung dieses Rückkredits dienen. Der auf diese Weise entstandenen Risikogemeinschaft zwischen den Hinterlegern trägt das Gesetz dadurch Rechnung, daß es ihnen in § 33 ein Konkursvorrecht an einer allein ihnen zustehenden Sondermasse zubilligt (vgl. dazu näher unten Rdn. 2212 ff). — Bei der beschränkten Verpfändung gemäß Abs. 3 ermächtigt der Hinterleger den Verwahrer nur, die Effekten bis zur Höhe des Kredits zu verpfänden, den er diesem einzelnen Hinterleger gewährt hat; das darf nur zur Sicherung eines wegen der Kreditgewährung an diesen Hinterleger aufgenommenen Rückkredits geschehen, was sich zwar nicht aus Abs. 2 Satz 2 ergibt — der in Abs. 3 Satz 2 gerade nicht in Bezug genommen wird —, wohl aber aus einer sinngemäßen Anwendung des Abs. 1 Satz 1. Da diese Art der Ermächtigung für den Hinterleger verhältnismäßig ungefährlich ist, stellt das Gesetz sie vom Formerfordernis des Abs. 1 Satz 2 frei. Eine Risikogemeinschaft mit den übrigen Hinterlegern entsteht hier naturgemäß nicht, und daher gilt auch § 33 DepG nicht. — Bei der unbeschränkten Verpfändung nach Abs. 2 ermächtigt der Hinterleger den Verwahrer, das Pfandrecht für alle seine Verbindlichkeiten und ohne Rücksicht auf die Höhe des dem Hinterleger eingeräumten Kredits zu bestellen. Das muß in der Ermächtigung zum Ausdruck kommen, weil darin eine besondere Gefahr für den Hinterleger liegt. Strikt von der Verwahrung mit Verpfändungsermächtigung gemäß § 12 DepG zu 2 1 4 8 unterscheiden ist die Pfandverwahrung i. S. von § 17 DepG. Nach dieser Vorschrift hat ein Kaufmann, dem im Betriebe seines Handelsgewerbes Effekten unverschlossen als Pfand anvertraut werden, die Rechte und Pflichten eines Verwahrers i. S. des Depotgesetzes. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist gering, da die Effekten sich im Zeitpunkt ihrer Verpfändung meist schon in Verwahrung bei dem Pfandgläubiger befinden werden und da dann ohnehin das Depotgesetz gilt. Soweit das ausnahmsweise nicht der Fall ist, ordnet § 17 DepG wegen der Gleichartigkeit des Schutzbedürfnisses die rechtliche Gleichstellung an. Es gelten also die allgemeinen Regeln über die Verwahrung. Soweit diese keine Sondervorschriften enthalten, sind daneben die Normen über die Verpfändung anzuwenden (vgl. dazu auch oben Rdn. 2031 ff).
5. Die Drittverwahrung a) Begriff und Wesen der Drittverwahrung Die Drittverwahrung steht mit den bisher behandelten Verwahrungsformen begriff- 2 1 4 9 lieh nicht auf einer Stufe. Während nämlich für diese das maßgebliche Unterscheidungskriterium in der Ausgestaltung der Eigentumsverhältnisse an den Effekten liegt, besteht die entscheidende Besonderheit der Drittverwahrung gegenüber der sogenannten Hausverwahrung in der Person des Verwahrers: nach § 3 DepG ist die Drittverwahrung dadurch gekennzeichnet, daß der Verwahrer die Wertpapiere unter seinem Namen einem anderen Verwahrer anvertraut. Die beiden Einteilungsmöglichkeiten können folglich miteinander verbunden werden. Dementsprechend kann die DrittverClaus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
Währung z. B. als Sonderverwahrung, als Sammelverwahrung oder als Verwahrung mit Hilfe einer Globalurkunde ausgestaltet sein, wie auch die Verweisungen in § 5 III und § 9 DepG deutlich machen. 2150
Ihrer Funktion nach dient die Drittverwahrung der Entlastung der Kundenbanken und der Rationalisierung und Vereinfachung des Effektengeschäfts. Durch ihre Verbindung mit der Sammelverwahrung und die Einschaltung von Wertpapiersammelbanken i. S. von § 1 III D e p G bildet die Drittverwahrung zugleich die Grundlage des Effektengiroverkehrs (vgl. dazu oben Rdn. 2007 ff). Demgemäß hat sich in der Praxis als besondere und äußerst wichtige Verwahrungsart die sogenannte Girosammelverwahrung herausgebildet; es handelt sich dabei um Drittverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank in der Rechtsform der Sammelverwahrung. b) Die Besonderheiten des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kunden und seiner Bank bei der Drittverwahrung
2151
Nach §691 BGB hätte die Bank an sich nicht die Berechtigung zur Drittverwahrung. § 3 I 1 DepG kehrt diese Auslegungsregel jedoch um und gestattet der Bank grundsätzlich die Drittverwahrung. Selbstverständlich handelt es sich dabei aber nicht um eine zwingende N o r m , so daß die Abdingung des § 3 I DepG und die Vereinbarung eines Verbotes der Drittverwahrung ohne weiteres möglich ist. Im übrigen ist die Drittverwahrung auch nicht unbeschränkt zulässig, sondern setzt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes voraus, daß der Drittverwahrer auch seinerseits Verwahrer i. S. von § 1 II DepG ist. Der Hinterleger ist dadurch davor geschützt, daß der Verwahrer die Effekten einem beliebigen Dritten übergibt. Sollen die Papiere bei einem Dritten verwahrt werden, der nicht Verwahrer i. S. von $ 1 II DepG ist, so gilt § 691 BGB, und die Bank bedarf daher der Zustimmung des Hinterlegers. Etwas anderes dürfte sich auch nicht aus Ziff. 36 I 2 AGB ergeben. Dort heißt es zwar, die Bank dürfe die Effekten „bei Dritten aufbewahren", doch wird man das einschränkend dahin auslegen müssen, daß als „Dritter" ebenso wie nach § 3 I 1 DepG grundsätzlich nur ein Verwahrer i. S. von § 1 II DepG in Betracht kommt. Denn eine Verwahrung bei einem anderen Drittverwahrer wäre so ungewöhnlich und so gefährlich f ü r den Kunden, daß eine Klausel, die das ohne besondere Zustimmung erlaubt, völlig unmißverständlich sein müßte; auch dann wäre sie nur gültig, wenn sich triftige sachliche Gründe für die darin liegende Abweichung vom gesetzlichen „Leitbild" des § 3 I DepG anführen ließen — und das dürfte kaum möglich sein, da § 3 I DepG den praktischen Bedürfnissen ausreichend Rechnung trägt. Die grundsätzliche Ermächtigung zur Drittverwahrung gilt nach § 5 III DepG auch für die Sammelverwahrung. Ist die Bank also nach § 5 I DepG zur Sammelverwahrung ermächtigt, so bedarf sie nicht noch einer zusätzlichen Ermächtigung zur Drittverwahrung. Die Formvoraussetzungen für die Ermächtigung zur Sammelverwahrung sind im Gegenteil durch § 5 I 3 DepG abgemildert, wenn eine Girosammeiverwahrung vorgesehen ist.
2152
Die Rechtspflichten der Bank gegenüber dem Kunden werden durch die Drittverwahrung grundsätzlich nicht berührt. Denn die Bank bleibt ja Partei des Depotvertrags und hat dementsprechend gegenüber dem Hinterleger weiterhin die Rechtsstellung des Verwahrers. Allerdings bringt die Drittverwahrung insoweit doch gewisse Besonderheiten mit sich. Terminologisch kommt das darin zum Ausdruck, daß man die Bank, die die Effekten nicht selbst verwahrt, als „Zwischenverwahrer" bezeichnet. Rechtlich wird dem Zwischenverwahrer zwar durch § 3 II 1 DepG die Haftung für ein Verschulden des Drittverwahrers auferlegt, doch kann er sich davon nach § 3 II 2 DepG grundsätzlich freizeichnen. N u r f ü r ein Verschulden bei der Auswahl des Drittverwahrers 1090
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D i e verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
kann dem Zwischenverwahrer die Haftung nicht erlassen werden, es sei denn, daß die Papiere auf ausdrückliche Weisung des Hinterlegers bei einem bestimmten Drittverwahrer verwahrt werden. Von der Möglichkeit eines Haftungsausschlusses haben die Banken durch die Frei- 2 1 5 3 zeichnungsklausel der Ziff. 36 I 3 AGB Gebrauch gemacht. Für den praktisch besonders wichtigen Fall der Girosammeiverwahrung wird davon jedoch in Abs. 2 eine Ausnahme gemacht, da die Bank dem Kunden nach dieser Bestimmung „für die Erfüllung der Verwahrer- und Verwaltungspflichten der Wertpapiersammelbank einsteht". Das wird man allerdings trotz des sehr weiten Wortlauts nicht im Sinne einer unbedingten Einstandspflicht, sondern nur im Sinne einer Rückkehr zur Regel des § 3 II 1 DepG und somit einer H a f t u n g f ü r ein Verschulden der Wertpapiersammelbank verstehen dürfen; denn sonst würde die Bank strenger haften als bei der Haussammelverwahrung, und den Willen zu einer solch ungewöhnlichen Haftungsübernahme, die einem Garantievertrag gleichkäme, wird man — auch bei Berücksichtigung der f ü r die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden „Unklarheitenregel" — aus Ziff. 36 II AGB nicht herauslesen können. Die Wirksamkeit der Freizeichnungsklausel ist grundsätzlich zu bejahen 7 8 . Denn 2 1 5 4 nach § 691 S. 2 BGB hat der Verwahrer ohnehin nur ein Auswahlverschulden zu vertreten, wenn ihm die Hinterlegung bei einem Dritten gestattet ist. Letzteres aber ist hier der Fall — und zwar nicht lediglich auf Grund einer AGB-Klausel, sondern schon nach der gesetzlichen Regel von § 3 I 1 DepG, so daß insoweit eine Inhaltskontrolle von vornherein nicht in Betracht kommt. Da somit § 278 BGB tatbestandlich gar nicht einschlägig ist, kann auch kein Verstoß gegen § 11 Nr. 7 AGBG und keine Umgehung dieser Vorschrift vorliegen. Abbedungen ist vielmehr nur § 3 II 1 DepG. Diese Bestimmung stellt nicht etwa eine deklaratorische Wiederholung von § 278 BGB dar, sondern begründet eine eigenständige H a f t u n g für das Verschulden von Substituten, die sich aus der nur für Erfüllungsgehilfen geltenden Vorschrift des § 278 BGB nicht ergäbe (und deren ratio legis in einem Ausgleich für die an sich regelwidrige gesetzliche Zulassung der Substitution zu sehen sein dürfte). Demgemäß ist die Abdingung von § 3 II 1 DepG nicht an § 11 N r . 7 AGBG zu messen, sondern lediglich an der Generalklausel von § 9 AGBG. Gegen diese aber ist nicht verstoßen, weil der Kunde i. d. R. durch Ansprüche gegen den Drittverwahrer hinreichend geschützt ist (vgl. zu diesen näher unten Rdn. 2160 ff) und bei deren Undurchsetzbarkeit wegen Konkurses und dgl. meist ein Auswahlverschulden vorliegen wird. Bejaht man entgegen der hier vertretenen Ansicht einen Verstoß gegen § 11 Nr. 7 2 1 5 5 AGBG (gegebenenfalls i. V. m. § 7 AGBG) oder gegen § 9 AGBG, so sollte man doch zumindest für das Auslandsgeschäft anerkennen, daß die H a f t u n g der Bank grundsätzlich auf ein Auswahlverschulden beschränkt ist. Denn bei der Verwahrung und Verwaltung ausländischer Wertpapiere kann der Kunde grundsätzlich, d. h. mangels abweichender Abrede, von vornherein nicht erwarten, daß seine Bank die fraglichen Pflichten selbst übernimmt, und daher ist die ausländische Bank schon auf Grund sinngemäßer Auslegung des Vertrags zwischen dem Kunden und seiner Bank nicht als deren Erfüllungsgehilfe anzusehen, weil sie nicht deren Pflichten erfüllt. § 11 Nr. 7 AGBG ist daher nicht berührt. Auch § 9 AGBG kommt nicht in Frage, weil die Abdingung von § 3 II i D e p G bei einer ausländischen Bank keinesfalls als unbillig angesehen werden kann.
"
E b e n s o i. E. Kümpel^fU
1977, 699 ff u n d BuB 8 / 4 4 .
Claus-Wilhelm Canaris
1091
17. A b s c h n i t t . D a s D e p o t g e s c h ä f t
2156
Die Einstandspflicht der Bank nach § 3 II 1 DepG gilt grundsätzlich auch für die Erfüllung der Verwaltungspflichten. Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes, das die H a f t u n g keineswegs auf eine Verletzung der Verwahrungspflichten beschränkt, als auch aus dem Wesen des Depotvertrags, der einen gemischttypischen Vertrag darstellt und neben den Verwahrungspflichten in sehr wesentlichem Umfang auch Verwaltungspflichten umschließt (vgl. oben Rdn. 2089 und unten Rdn. 2182 ff). Teilweise stellt sich die Frage einer Einstandspflicht für das Verhalten des Drittverwahrers dabei allerdings schon deshalb nicht, weil die Bank trotz der Drittverwahrung für die Erfüllung der Verwaltungspflichten nach wie vor selbst zu sorgen hat, so daß eine Pflichtverletzung ein Eigenverschulden darstellt; das ist z. B. hinsichtlich der mit der Ausübung des Stimmrechts bei inländischen Aktien verbundenen Pflichten anzunehmen (vgl. dazu im übrigen unten Rdn. 2187 ff). Ansonsten gilt auch für die Verwaltungspflichten die Freizeichnungsklausel gemäß Ziff. 36 I 3 AGB, da der vorhergehende Satz in der heutigen Fassung ausdrücklich die Verwaltung einbezieht und die bei der früheren Fassung bestehenden Bedenken (vgl. Erstbearbeitung Anm. 990) daher gegenstandslos geworden sind.
2157
In der Zeit bis zur Einlieferung der Effekten beim Drittverwahrer haftet die Bank ihrem Kunden grundsätzlich unbeschränkt. Die Effekten bleiben dabei i. d. R. auch dann Alleineigentum des Kunden, wenn sie bei dem Drittverwahrer in Sammelverwahrung genommen und demgemäß in Miteigentum überführt werden sollen (vgl. oben Rdn. 2111 ff). Die Bank hat die Papiere so aufzubewahren, daß ihre Individualisierung und die Feststellung ihres rechtlichen Schicksals jederzeit möglich ist (vgl. oben Rdn. 2114). Dazu hat sie sie insbesondere unter Angabe der Nummer für den Hinterleger in das Verwahrungsbuch einzutragen (vgl. unten Rdn. 2202). c) Das Rechtsverhältnis zwischen dem Zwischenverwahrer und dem Drittverwahrer
2158
Nach § 3 I 1 DepG besteht das Wesen der Drittverwahrung darin, daß der Zwischenverwahrer die Papiere „unter seinem Namen" dem Dritten anvertraut. Der Zwischenverwahrer schließt also mit dem Drittverwahrer seinerseits einen Depotvertrag ab und wird, da er dabei im eigenen Namen handelt, selbst dessen Partei. Der Zwischenverwahrer hat also im Verhältnis zum Drittverwahrer die Rechtsstellung eines Hinterlegers. Die Kunden des Zwischenverwahrers, die diesem gegenüber in der Position des Hinterlegers sind, treten also gegenüber dem Drittverwahrer gar nicht in Erscheinung. Folgerichtig darf der Drittverwahrer bei der Sonderverwahrung alle Papiere des Zwischenverwahrers in ein gemeinsames Streifbanddepot nehmen und muß nicht etwa lauter einzelne Depots f ü r die Kunden des Zwischenverwahrers einrichten 7 9 ; entsprechend braucht der Drittverwahrer bei der Sammelverwahrung ein Konto nur für den Zwischenverwahrer und nicht für dessen Kunden zu führen. D a ß er gleichwohl den Namen des Kunden kenntlich macht, wird durch § 3 I 1 DepG nicht ausgeschlossen 80 .
2159
Diese Grundsätze haben allerdings nur Bedeutung f ü r die schuldrechtliche Stellung der Beteiligten und besagen nicht mehr, als daß Partei des mit dem Drittverwahrer geschlossenen Depotvertrags allein der Zwischenverwahrer ist. Rückschlüsse auf die dingliche Rechtslage dürfen daraus nicht gezogen werden. Diese wird vielmehr durch die Drittverwahrung grundsätzlich nicht verändert. Bei der Sonderverwahrung folgt das ohne weiteres daraus, daß die Weiterleitung der Effekten an den Dritten in keiner Weise mit einer Verfügung über das Eigentum verbunden ist; auch eine Vermischung 79
Vgl. a u c h Opitz § 2 A n m . 6a u n d § 3 A n m . 3; Schlegelberger/Hefermehl R d n . 242 f.
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80
Vgl. Heinsius/Horn/Than BuB 8 / 1 2 .
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
§3
R d n . 13;
Kumpel
IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
1. S. von § 948 BGB findet grundsätzlich selbst bei Zusammenlegung aller vom Zwischenverwahrer hinterlegten Effekten in einem einzigen Streifbanddepot nicht statt, weil die Papiere durch ihre Nummern individualisierbar sind und es daher an der „Untrennbarkeit" i. S. von § 948 I BGB fehlt (vgl. auch B G H W M 1957 676). Die bisherigen Alleineigentümer bleiben also auch weiterhin Alleineigentümer. Bei der Sammelverwahrung tritt zwar gemäß § 6 I DepG mit dem Zeitpunkt des Eingangs bei dem Drittverwahrer — aber nicht schon vorher (vgl. oben Rdn. 2111 ff) — eine Umwandlung von Alleineigentum in Miteigentum ein, doch handelt es sich dabei nur um eine Umstrukturierung der Eigentumsform und nicht um einen Verlust der materiellen Rechtsträgerschaft, weil das Miteigentum gemäß § 6 I DepG nicht dem Hinterleger als solchem, sondern dem bisherigen Eigentümer zufällt (vgl. oben Rdn. 2106). Auch hier erwirbt also nicht etwa der Zwischenverwahrer das Eigentum, sondern der bisherige Eigentümer behält es — wenn auch in der veränderten Form des Miteigentums. d) Das Rechtsverhältnis zwischen dem Ersthinterleger bzw. dem Eigentümer und dem Drittverwahrer Zwischen dem Ersthinterleger und dem Drittverwahrer besteht grundsätzlich kein 2 1 6 0 Vertrag. Der Zwischenverwahrer tritt nämlich nicht im Namen des Ersthinterlegers auf, sondern handelt gemäß § 3 I DepG unter seinem eigenen Namen und wird daher selbst Partei des Vertrags mit dem Drittverwahrer (vgl. oben Rdn. 2158). Das gilt insbesondere auch im Verhältnis zu den Wertpapiersammelbanken, bei denen nach § 1 AGB der Kassenvereine nur die Girobanken und nicht die Privatkunden, ja i. d. R. nicht einmal die Lokalbanken ein Konto unterhalten können (vgl. näher oben Rdn. 2037). Schaltet eine Lokalbank eine Zentralbank zwischen, so besteht demnach ein Vertrag nur zwischen der letzteren und der Wertpapiersammelbank, nicht aber zwischen dieser und der Lokalbank oder gar dem Kunden. Auch im Verhältnis zwischen der Zentralbank und dem Kunden der Lokalbank ist kein Vertrag gegeben (vgl. auch R G Z 116 198, 206); denn wiederum gilt, daß die Lokalbank gegenüber der Zentralbank gemäß § 3 I DepG im eigenen Namen auftritt und demgemäß selbst Partei des Depotvertrags wird. Aus dem Fehlen eines Vertrags kann nun freilich nicht geschlossen werden, daß 2161 zwischen dem Ersthinterleger und dem Drittverwahrer überhaupt keine rechtlichen Beziehungen vorlägen (zu weitgehend daher die Formulierung in R G Z 116 206). Allerdings lassen sich diese grundsätzlich nicht auf die Vorschriften über das EigentümerBesitzer-Verhältnis gemäß §§ 985, 987 ff BGB stützen; denn diese sind anerkanntermaßen nur auf den nichtberechtigten Besitzer anzuwenden, und als solcher wird der Drittverwahrer regelmäßig nicht anzusehen sein, weil (und sofern) er gemäß § 986 I 1 2. Alt. BGB zum Besitz berechtigt ist. Wohl aber kommt ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 BGB in Betracht. Allerdings setzt dieser voraus, daß der Drittverwahrer entweder das Eigentum des Kunden verletzt oder ein Schutzgesetz i. S. von Abs. 2 übertreten hat. In vielen praktisch besonders wichtigen Fällen wie z. B. bei nachlässiger und unsachgemäßer Verwaltung der Effekten wird diese Anspruchsgrundlage daher versagen, weil nur ein allgemeiner Vermögensschaden entstanden ist, so daß § 823 I BGB nicht eingreift, und es auch an einer Schutzgesetzverletzung fehlt, so daß auch über § 823 II BGB nicht zum Ziel zu kommen ist. Hervorhebung verdient ferner der Anspruch aus Eingriffskondiktion gemäß § 816 I 2 1 6 2 1 BGB bei unberechtigten Verfügungen des Drittverwahrers über die Effekten sowie f ü r denselben Fall der Anspruch aus unechter Geschäftsführung gemäß § 687 II BGB. Beide Ansprüche stehen allerdings — ebenso wie die Ansprüche aus § 823 BGB — nicht dem Ersthinterleger als solchem, sondern nur dem Eigentümer der Effekten zu. Claus-Wilhelm Canaris
1093
17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
2163
Außerdem können aber auch echte Vertragsansprüche des Ersthinterlegers gegen den Drittverwahrer gegeben sein. Zu denken ist hier zunächst an einen drittgerichteten Herausgabeanspruch aus dem Verwahrungsvertrag; denn die §§ 556 III, 604 IV BGB, die obligatorischen Herausgabeansprüchen eine gewisse Drittwirkung verleihen, sind auf den Verwahrungsvertrag analog anzuwenden 8 1 . Der Anspruch ist bei der Drittion¿erverwahrung auf Herausgabe der Effekten gerichtet und wird bei der Drittsammelverwahrung durch den Auslieferungsanspruch des § 7 DepG, der folglich auch gegen den Drittverwahrer durchgreift, ersetzt (vgl. oben Rdn. 2119 a. E.). Im Gegensatz zu den in den vorigen Rdn. behandelten Ansprüchen steht dieser Anspruch nicht dem Eigentümer, sondern als echter Vertragsanspruch dem Ersthinterleger zu. Kann der Drittverwahrer ihn nicht erfüllen, so tritt an seine Stelle gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 282 BGB.
2164
Die Analogie zu den §§ 556 III, 604 IV BGB erschöpft sich nun allerdings in der Gewährung des Herausgabeanspruchs und führt nicht etwa zur Begründung eines echten Vertragsverhältnisses zwischen dem Hinterleger und dem Drittverwahrer mit der Folge, daß daraus auch sämtliche vertraglichen Nebenpflichten und entsprechende Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung abgeleitet werden könnten. Das Problem der H a f t u n g für allgemeine Vermögensschäden — z. B. wegen nachlässiger Verwaltung der Effekten — läßt sich also auf diesem Wege nicht lösen. Insoweit dürfte jedoch mit dem Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zum Ziele zu kommen sein (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 21 ff). Für den Drittverwahrer ist es nämlich offenkundig, daß durch etwaige Vertragsverletzungen nicht nur und meist nicht einmal in erster Linie die Interessen des Zwischenverwahrers, sondern regelmäßig auch oder nur die Interessen von dessen Kunden betroffen werden. Auch das von der Rechtsprechung geforderte Merkmal, daß der Vertragspartner gegenüber dem zu schützenden Dritten gesteigerte Obhuts- oder Fürsorgepflichten haben müsse, wird man angesichts der besonderen Vertrauensposition der Bank und ihrer Rechtsstellung als Zwischenverwahrer ohne weiteres bejahen können. Im übrigen wird der Drittverwahrer durch einen unmittelbaren Anspruch des Ersthinterlegers auch nicht unbillig betroffen, weil es ihm letztlich gleichgültig sein kann, ob er dem Zwischenverwahrer oder dem wirklich geschädigten Kunden ersatzpflichtig ist. Etwaige Haftungsbeschränkungen im Verhältnis zwischen dem Drittverwahrer und dem Zwischenverwahrer müssen auch dessen Kunden gegen sich gelten lassen, soweit sie einen Anspruch aus „Schutzwirkung für Dritte" geltend machen (vgl. oben Rdn. 32).
2165
Weiterhin kann der Ersthinterleger sich u. U. auch mittelbar auf dem Umweg über seine Bank an den Drittverwahrer halten. Das ist zunächst dann möglich, wenn eine Einstandspflicht des Zwischenverwahrers für ein Verschulden des Drittverwahrers besteht (vgl. dazu oben Rdn. 2152 ff). Der Anspruch des Kunden gegen den Zwischenverwahrer stellt dann nämlich für diesen einen Vermögensschaden dar, wegen dessen er bei dem Drittverwahrer aus positiver Forderungsverletzung Freistellung verlangen bzw. Regreß nehmen kann. Den Freistellungsanspruch kann der Kunde pfänden und sich überweisen lassen, wobei er sich in einen Zahlungsanspruch verwandelt; das Bestehen eines Kontokorrentverhältnisses hindert diese Pfändung nicht, da der Freistellungsanspruch nicht auf Geld gerichtet und daher im Zweifel nicht kontokorrentzugehörig ist 82 , so daß das kontokorrentrechtliche Pfändungsverbot nicht eingreift.
2166
H a f t e t der Zwischenverwahrer dem Kunden nicht f ü r das Verschulden des Drittverwahrers und hat er dementsprechend keinen eigenen Schaden erlitten, so ist dem 81 Vgl. stau aller Palandt/Thomas § 691 Anm. 1.
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«2 Vgl. Großkomm.-Ca«am3 5 355 Anm. 38 a. E.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
Kunden mit den Regeln über die Drittschadensliquidation zu helfen 8 3 , wenn man entgegen der soeben Rdn. 2164 vertretenen Ansicht Ansprüche aus Schutzwirkung zugunsten Dritter ablehnt (vgl. allgemein oben Rdn. 26). Denn dann liegt eine echte Verlagerung des Schadens vom Anspruchsberechtigten auf einen Dritten vor, und daher sind die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation — die auf dem Unterschied zwischen Schadensausweitung und bloßer Schadensverlagerung aufbaut — gegeben. Der Zwischenverwahrer kann dann also den Schaden seines Kunden als Drittschaden aus positiver Forderungsverletzung geltend machen und muß diesen Anspruch analog § 281 BGB an den Kunden abtreten bzw. ihm den Erlös auskehren. Auch auf diesem Weg kann der Ersthinterleger also mittelbar gegen den Drittverwahrer vorgehen. e) Die Bedetung der Fremdvermutung des § 4 DepG für die Drittverwahrung Die Drittverwahrung bringt für den Eigentümer der Effekten insofern besondere 2 1 6 7 Gefahren mit sich, als der Dritte u. U. Rechte an den Papieren erwerben kann. Um dem zu begegnen, stellt § 4 I 1 DepG eine sogenannte Fremdvermutung auf: dem Dritten gilt als bekannt, daß die ihm vom Verwahrer anvertrauten Papiere diesem nicht gehören. Das gilt nicht nur für die Verwahrung i. e. S., sondern mutatis mutandis auch für das Einkaufs- und das Verkaufsgeschäft unter Zwischenschaltung eines Dritten (vgl. insoweit oben Rdn. 1983 ff bzw. 2001 ff). Die Funktion der Vermutung liegt im Ausschluß des guten Glaubens an das Eigen- 2 1 6 8 tum des Verwahrers. Das ergibt sich schon aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes, da danach nicht mehr und nicht weniger vermutet wird als die Kenntnis des Dritten davon, daß die Effekten nicht Eigentum des Verwahrers sind; es folgt auch aus dem Zweck des Gesetzes, da dieser in der Berücksichtigung der typischen Fallgestaltung zu sehen ist, daß Verwahrer nun einmal in erster Linie Kundenwerte und nicht eigene Effekten handeln bzw. in Verwahrung geben. Nicht ausgeschlossen wird demnach durch § 4 I 1 DepG der Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsmacht: nur auf die §§ 932 ff, 1207 f BGB kann sich die Bank nicht berufen, wohl aber u. U. auf § 366 HGB 8 4 . Denn wenn die Kenntnis des Dritten hinsichtlich des mangelnden Eigentums des Verwahrers unterstellt wird, so folgt daraus doch noch nicht, daß er auch Kenntnis von der mangelnden Verfügungsmacht haben müßte; allerdings sind insoweit u. U. an den guten Glauben besonders strenge Anforderungen zu stellen (vgl. näher unten Rdn. 2175 ff). Weiterhin bedeutet die Fremdvermutung des § 4 I 1 DepG nach dem Wortlaut und 2 1 6 9 dem Sinn des Gesetzes keine fiktive Änderung der wahren Rechtslage. Wenn also der Verwahrer wirklich Eigentümer der Papiere ist, d. h. wenn es sich um echte Nostrobestände handelt, ist für die Fremdvermutung des § 4 DepG kein Raum 8 5 . Die Vermutung des § 4 I 1 DepG bezieht sich nämlich eindeutig nur auf die Kenntnis des Dritten, also auf ein subjektives Element, und nicht auf die Fremdheit der Effekten, also auf die materielle Rechtslage. Zu einer so weitgehenden Fiktion bestünde unter dem Gesichtspunkt des Kundenschutzes auch gar kein Anlaß, weil damit den Kunden Werte zugeordnet würden, die ihnen wirtschaftlich überhaupt nicht gebühren, und weil sie damit z. B. im Konkurs des Verwahrers u. U. Vorteile gegenüber Dritten erlangen könnten, die ihnen nicht zustehen. Folglich ist es nicht gerechtfertigt, vom Wortlaut des Geset-
» Vgl. auch Heinsius/Hom/Than § 3 Rdn. 16. 84 H . L., vgl. z. B. Opitz § 4 Anm. 13; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 253; Heinsius/Horn/Than §4 Rdn. 19; Kumpel BuB 8/27.
»5 Vgl. auch Quassowski/Schröder$4 gelberger/Hefermehl Rdn. 251; Tban § 4 Rdn. 4 und 25; Kumpel Opitz § 4 Anm. 3.
Claus-Wilhelm Canaris
Anm. 2; SchleHeiniius/Horn/ BuB 8/20 a. A.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
zes abzuweichen und dieses so zu lesen, als lautete es: „. . . so wird unwiderleglich vermutet, daß die Papiere dem Verwahrer nicht gehören und daß dies dem Dritten bekannt ist". Die Vermutung des § 4 I 1 DepG braucht also bei Nostrobeständen nicht durch eine Eigenanzeige widerlegt zu werden, um unbeschränkte Verfügungen des Verwahrers — der hier ja als Berechtigter (!) handelt — zu ermöglichen. Allerdings ist § 4 I 1 DepG seinem Schutzzweck entsprechend analog anzuwenden, wenn es sich nicht um echte Eigenwerte des Verwahrers handelt, sondern dieser lediglich Durchgangseigentum an den Effekten hat (vgl. oben Rdn. 2002). 2170
Die wichtigste praktische Folge der Fremdvermutung ist die Beschränkung von Pfand- und Zurückbehaltüngsrechten des Dritten. Diese können nach § 4 I 2 DepG nur in zwei Fällen geltend gemacht werden. Der erste Tatbestand ist der, daß die zu sichernde Forderung mit Bezug auf diese Wertpapiere entstanden ist. In Betracht kommen hier z. B. Forderungen aus dem Verwahrungsgeschäft. Sehr zweifelhaft ist dabei, ob § 4 I 2 DepG selbst eine Rechtsgrundlage für ein solches Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht darstellt oder ob deren Tatbestandsmerkmale zusätzlich zu denen des § 4 I 2 DepG erfüllt sein müssen, ob diese Vorschrift also das grundsätzliche Bestehen eines Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrechts selbst anordnet oder voraussetzt. Die Frage dürfte im letzteren Sinne zu entscheiden sein. Dafür spricht zunächst schon die undifferenzierte Nebeneinanderstellung von Pfandrechten und Zurückbehaltüngsrechten in § 4 I 2 DepG; denn man kann doch wohl kaum davon ausgehen, daß die Vorschrift sowohl ein Pfandrecht als auch ein Zurückbehaltungsrecht für die mit Bezug auf diese Wertpapiere entstandenen Forderungen gewähren will, und muß daher zu dem Schluß kommen, daß sie die Entscheidung über deren Bestehen demnach offenbar nicht selbst trifft, sondern den einschlägigen sonstigen Normen überläßt. In dieselbe Richtung weist, daß bei der 2. Alternative des § 4 I 2 DepG unstreitig das grundsätzliche Bestehen eines Pfandrechts vorausgesetzt wird (vgl. sogleich unten); dann kann man aber nicht gut annehmen, daß das für die 1. Alternative anders sein soll. Auch trägt § 4 I DepG sowohl seinem Wortlaut als auch seinem Schutzzweck nach nicht den Charakter einer rechtsbegründenden, sondern den einer rechtsbeschränkenden Norm, geht es doch eindeutig um eine Begrenzung der Möglichkeit zur Geltendmachung von Pfand- und Zurückbehaltüngsrechten. Auch bei der ersten Alternative von § 4 I 2 DepG kommt es also darauf an, ob ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht mit Wirkung gegenüber dem Eigentümer bzw. dem Hinterleger begründet worden ist. Als Grundlagen kommen dabei die gesetzlichen Pfandrechte der §§ 397, 421 HGB, das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 369 II HGB sowie ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht in Betracht, wobei letzteres hier anders als nach der zweiten Alternative auch auf einer AGB-Klausel beruhen kann. Soweit es für die Begründung dieser Rechte nach den allgemeinen Vorschriften auf den guten Glauben des Drittverwahrers ankommt, gilt § 366 HGB.
2171
Der zweite Fall, in dem ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann, ist der, daß die Wertpapiere nach dem einzelnen über sie zwischen dem Verwahrer und dem Dritten vorgenommenen Geschäft haften sollen. Hier ist es unstreitig, daß § 4 I 2 DepG nicht selbst die Grundlage für das Entstehen der betreffenden Rechte darstellt, sondern daß deren Tatbestandsvoraussetzungen zusätzlich zu denen des § 4 I 2 DepG erfüllt sein müssen. Es muß also eine wirksame Bestellung des Pfandrechts oder des Zurückbehaltungsrechts durch den Zwischenverwahrer erfolgt sein. Dafür genügt nach h. L. 86 eine Pfandklausel in den AGB des Drittverwahrers 86
Vgl. Quassowski/Schröder § 4 Anm. B II 2 c; Ratz Anm. 69; Heinsius/Hom/Than § 4 Rdn. 17.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
grundsätzlich nicht, weil das Gesetz ein „einzelnes" über diese Wertpapiere abgeschlossenes Geschäft, also eine besondere Verpfändungsabrede voraussetzt. Liegt eine solche vor, so kommt es des weiteren darauf an, ob der Zwischenverwahrer eine entsprechende Verfügungsmacht hatte — die ihn je nach der Parteiabrede auch zur Bestellung eines Zurückbehaltungsrechts mit Wirkung gegen den Inhaber der Effekten befähigen kann — oder ob die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs vorlagen, soweit ein solcher wie z. B. beim Pfandrecht möglich ist. Dabei gilt für die Ermächtigung zur Verpfändung § 12 DepG (vgl. dazu näher oben Rdn. 2145 ff). Hinsichtlich eines etwaigen gutgläubigen Erwerbs ist zu beachten, daß auf Grund der Fremdvermutung des § 4 I 1 DepG nicht der gute Glaube an das Eigentum, sondern nur der gute Glaube an die Verfügungsmacht des Zwischenverwahrers gemäß § 366 H G B geschützt wird (vgl. im übrigen näher unten Rdn. 2175 ff). Die Fremdvermutung und die Beschränkung der Pfand- und Zurückbehaltungs- 2 1 7 2 rechte nach § 4 I DepG kann gemäß Abs. 2 durch eine Eigenanzeige außer Kraft gesetzt werden. War die Eigenanzeige unrichtig, so besteht ihre Funktion demnach in der Wiederherstellung der unbeschränkten Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs: anders als im Falle des Abs. 1 wird jetzt nicht mehr nur der gute Glaube an die Verfügungsmacht, sondern auch der gute Glaube an das Eigentum geschützt. War die Eigenanzeige dagegen richtig, so ist sie grundsätzlich ohne rechtliche Relevanz; denn für die Nostrobestände des Verwahrers gilt § 4 I DepG ohnehin nicht (vgl. oben Rdn. 2169). Bedeutung hat die Eigenanzeige allerdings in den Fällen des Durchgangserwerbs, da hier § 4 1 DepG analog anzuwenden ist (vgl. oben Rdn. 2169 a. E. i. V. m. Rdn. 2002). Daher muß eine Eigenanzeige auch hier zur Folge haben, daß die Beschränkungen des Abs. 1 entfallen. Daraus darf man nun freilich nicht schließen, daß der Verwahrer auf Grund seines Zwischeneigentums unbeschränkt über die Effekten verfügen könnte. Vielmehr ist die Eigenanzeige als unrichtig zu behandeln — was sie bei wirtschaftlicher Betrachtung ja auch ist, da es sich wirtschaftlich gesehen nicht um echte Nostrobestände, sondern um Kundenwerte handelt. Bei einer unrichtigen Eigenanzeige hängt der Erwerb des Drittverwahrers aber, wie eingangs gezeigt, von dessen guten Glauben ab, und daher müssen hier in folgerichtiger Durchführung der Analogie die §§ 932 ff, 1207 f BGB, 366 H G B entsprechend angewandt werden. Es kommt also darauf an, ob der Dritte die fraglichen Effekten ohne grobe Fahrlässigkeit für echte Nostrobestände und nicht für „durchlaufende" Kundenwerte gehalten hat (vgl. auch oben Rdn. 1987 zu dem entsprechenden Problem im Rahmen des § 30 DepG beim Einkaufsgeschäft). Die Eigenanzeige ist entgegen der h. L. 87 keine Willenserklärung. Denn die mit ihr verknüpften Rechtsfolgen gelten nicht deshalb, weil der Parteiwille auf sie gerichtet ist, sondern treten unabhängig von diesem kraft Gesetzes ein; § 4 II DepG bringt das zutreffend dadurch zum Ausdruck, daß er von einer „Mitteilung" über die Eigentumslage und nicht von einer Willenserklärung spricht. Man kann die Eigenanzeige aber als eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung qualifizieren, da die Rechtsfolgen immerhin an ein willensgetragenes Verhalten anknüpfen, auch wenn sie ex lege eintreten. Folglich sind die Vorschriften über Willenserklärungen weitgehend analog anzuwenden. Das gilt z. B. für die Regeln über den Zugang gemäß §§ 130 ff BGB. Auch eine Anfechtung der Eigenanzeige ist möglich mit der Folge, daß die Beschränkungen des § 4 I DepG mit ex-tunc-Wirkung wieder in Kraft gesetzt werden, doch dürfte dann § 932 i. V. m. § 142 II BGB anzuwenden sein. Im übrigen hat der Verwahrer jederzeit die Möglich87
Vgl. Opitz § 4 A n m . 3 ; Heinsius/Hom/Than §4 Rdn. 23; wohl auch Schlegelberger/Hefermehl R d n . 258 ( „ W i l l e n s m i t t e i l u n g " ) .
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
keit zu einem Widerruf der Anzeige mit ex-nunc-Wirkung, sofern sie noch nicht für einen Geschäftsabschluß des Dritten kausal geworden ist. 2173
Betreibt der Verwahrer keine Bank- oder Sparkassengeschäfte, so gilt § 4 I DepG nach Abs. 3 nicht. Der Schutz des guten Glaubens an das Eigentum und die Möglichkeit des Erwerbs von Pfand- und Zurückbehaltüngsrechten unterliegen hier also grundsätzlich keiner Einschränkung. Eine solche wird jedoch nach § 4 III 2 DepG herbeigeführt, wenn der Verwahrer dem Dritten gegenüber eine Fremdanzeige erstattet. Das System des Gesetzes ist hier also gewissermaßen umgekehrt: während beim Erwerb von einem Bankier grundsätzlich die Beschränkungen des Abs. 1 eingreifen und nur ausnahmsweise durch eine Eigenanzeige außer Kraft gesetzt werden können, bestehen für den Erwerb von einem Nichtbankier grundsätzlich keine Beschränkungen und können nur ausnahmsweise durch eine Fremdanzeige in Geltung gesetzt werden. Der Grund f ü r diese unterschiedliche Regelung liegt darin, daß man im Rechtsverkehr mit einem Nichtbankier anders als gegenüber einem Bankier nicht von vornherein damit rechnen muß, daß die Effekten in fremdem Eigentum stehen. — Der Nichtbankier hat dabei gemäß § 4 III 2 DepG eine Pflicht zur Erteilung der Fremdanzeige, wenn er nicht Eigentümer der Wertpapiere ist. Das gleiche gilt in Analogie zu § 4 III 2 DepG entsprechend dem oben Rdn. 2169 a. E. und Rdn. 2002 Ausgeführten, wenn es sich bei den Effekten nicht um echte Nostrobestände handelt, sondern um Fremdwerte, die lediglich im Durchgangseigentum des Verwahrers stehen.
2174
Geriert sich ein Bankier als Nichtbankier und ist der Dritte insoweit nicht bösgläubig, so wird man ihn nach Rechtsscheingrundsätzen zu schützen haben 8 8 . Das bedeutet, daß zugunsten des Dritten nicht § 4 I DepG, sondern der für ihn wesentlich günstigere Abs. 3 anzuwenden ist. Zwar drängt sich dagegen der Einwand auf, die Regeln über die Rechtsscheinhaftung müßten hinter der zwingenden Schutzvorschrift des § 4 I DepG zurücktreten, zumal es dabei um die Interessen eines Dritten — nämlich des Ersthinterlegers bzw. des Eigentümers — gehe, doch dürfte diese Überlegung näherer Prüfung nicht standhalten. Das Gesetz ermöglicht nämlich durch die Eigenanzeige nach Abs. 2 ebenfalls die Außerkraftsetzung des Schutzes von Abs. 1 auf Grund einer bloßen Erklärung des Verwahrers in Verbindung mit dem guten Glauben des Erwerbers, und daher kann man nicht von einem generellen Vorrang des 5 4 I DepG gegenüber den Grundsätzen des Gutglaubensschutzes ausgehen — zumal ja sogar innerhalb des Anwendungsbereichs von § 4 I DepG die Gutglaubensregel des § 366 H G B unberührt bleibt. Der Hinweis auf § 366 H G B widerlegt dabei zugleich den weiteren Einwand, daß allenfalls eine in bestimmter Hinsicht formalisierte Erklärung wie im Falle des § 4 II DepG den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb Vorrang verschaffen könne. f) Der gutgläubige Pfandrechtserwerb des Drittverwahrers
2175
Die Fremdvermutung des § 4 DepG führt, wie dargelegt, grundsätzlich dazu, daß der Drittverwahrer ein Pfandrecht an Effekten, die dem Zwischenverwahrer nicht gehören, nicht kraft guten Glaubens an das Eigentum, sondern allenfalls kraft guten Glaubens an die Verfügungsmacht erwerben kann (vgl. oben Rdn. 2168). Dieser wird in den einschlägigen Fällen grundsätzlich geschützt — sei es schon nach den Vorschriften des Wertpapierrechts, die den Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsmacht einschließen 89 , oder sei es doch zumindest nach § 366 I HGB. Lebhaft umstritten war
88 A. A. Ratz Rdn. 7.
1098
Anm. 68;
Heinsim/Horn/Than
§4
89
Vgl. näher Hueck/Canaris piere 1 1 , § 27 III 1.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Recht der
Wertpa-
IV. Die verschiedenen Formen der Effektenverwahrung
indessen früher und ist z. T. auch heute noch, welche Anforderungen an den guten Glauben des Drittverwahrers zu stellen sind 90 . Dabei ist nach richtiger Ansicht danach zu differenzieren, in welches Depot der verpfändende Hinterleger die Effekten einliefert und welchen Umfang seiner Verfügungsmacht er damit (konkludent) behauptet. Bei einer Einlieferung in das Sonderpfanddepot D, in dem Wertpapiere zu verwah- 2 1 7 6 ren sind, bezüglich derer der Verpfänder lediglich eine Ermächtigung zur beschränkten Verpfändung gemäß § 12 III DepG hat, reicht der Gutglaubensschutz am weitesten. Denn daß eine Bank Papiere eines Kunden zur Refinanzierung eines Kredits verpfänden darf, den sie diesem selbst gewährt hat, ist in aller Regel eine Selbstverständlichkeit, und daher hat der Pfandnehmer hier grundsätzlich keinen Anlaß zu Mißtrauen oder zu irgendwelchen Nachforschungen oder Rückfragen; das gilt um so mehr, als eine solche Ermächtigung gemäß § 12 III DepG nicht einmal formbedürftig ist, wodurch das Gesetz zum einen die Unbedenklichkeit einer entsprechenden Ermächtigung zum Ausdruck bringt und zum anderen ein wichtiges Kontrollmittel für das Bestehen der Verfügungsmacht hinfällig macht. Es müssen daher hier schon sehr massive Verdachtsmomente gegeben sein, damit dem Pfandnehmer der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gemacht werden kann. Auch bei einer Einlieferung in das Pfanddepot C, in dem Wertpapiere zu verwahren 2 1 7 7 sind, bezüglich derer der Verpfänder eine Ermächtigung zur regelmäßigen Verpfändung gemäß § 12 II DepG hat, sind grundsätzlich keine besonderen Anforderungen an den guten Glauben zu stellen. Auch eine solche Ermächtigung ist nämlich, wie u. a. aus der Bezeichnung als „regelmäßige" oder „übliche" Verpfändung hervorgeht, nichts Ungewöhnliches und Bedenkliches, mag sie auch für den Kunden mit gewissen Gefahren verbunden und daher vom Gesetz einem Formerfordernis unterworfen sein. Insbesondere ist im Regelfall nicht zu verlangen, daß der Verpfänder dem Pfandnehmer die schriftliche Ermächtigung des Eigentümers vorweist (anders wohl RGZ 82 32, 34; offengelassen in RGZ 164 292, 303). Denn ein solches Ansinnen wäre gegenüber einem normalen, d. h. seriösen Bankier ein ungebührlicher Ausdruck des Mißtrauens. Liegen freilich besondere Verdachtsmomente vor, so muß der Pfandnehmer diesen grundsätzlich nachgehen (vgl. auch RGZ 164 292, 299 ff). Wesentlich anders stellt sich dagegen die Rechtslage bei einer Einlieferung in das 2 1 7 8 Eigendepot A dar, in dem diejenigen Wertpapiere zu verwahren sind, die dem Depotinhaber selbst gehören oder für die ihm eine Ermächtigung zur unbeschränkten Verpfändung gemäß § 12 IV DepG erteilt worden ist. Hier wird zwar der gute Glaube an das Eigentum des Einlieferers unter den Voraussetzungen von §§ 4 II DepG, 932 ff BGB grundsätzlich geschützt, ohne daß es auf das Vorliegen besonderer Umstände ankommt, doch ist bezüglich des guten Glaubens an die Verfügungsmacht wesentlich größere Zurückhaltung geboten. Denn warum sollte wohl ein Kunde seiner Bank gestatten, seine Effekten für alle ihre Verbindlichkeiten und ohne Rücksicht auf die Höhe eines ihm gewährten Kredits zu verpfänden?! Wenn daher die Bank bezüglich des Eigentums bösgläubig ist, so ist bezüglich der Verfügungsmacht dem Grundsatz Rechnung zu tragen, daß Verfügungen mit Sicherungscharaker i. d. R. nicht dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des wahren Berechtigten entsprechen und daher meist nicht in den Schutzbereich von § 366 H G B fallen 91 . Der Pfandnehmer
' « V g l . dazu Schröder DJ 1940, 837 ff; Opitz § 4 Anm. 12 und 13; Schlegelberger/Hefermehl §366 Rdn. 50 ff sowie Anh. nach § 406 Rdn. 256 und
91
355; Heinsius/Hom/Than § 4 Rdn. 19 f f ; Kumpel BuB 8/30. Vgl. dazu näher Großkomm.-Canaris^ § 3 6 6 Anm. 55.
Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft k a n n sich hier d a h e r g r u n d s ä t z l i c h nicht auf die B e h a u p t u n g b e s c h r ä n k e n , er h a b e angesichts d e r W e i s u n g „ S t ü c k e f ü r D e p o t A " g e g l a u b t , d e r E i n l i e f e r e r sei E i g e n t ü m e r , mindestens aber zur unbeschränkten V e r p f ä n d u n g der Wertpapiere befugt gewesen92. Ist er hinsichtlich des E i g e n t u m s b ö s g l ä u b i g , m u ß er v i e l m e h r b e s o n d e r e U m s t ä n d e v o r t r a g e n , die seinen g u t e n G l a u b e n b e z ü g l i c h d e r V e r f ü g u n g s m a c h t s t ü t z e n . Insbes o n d e r e ist es k e i n e U b e r s p a n n u n g d e r S o r g f a l t s p f l i c h t , v o n i h m z u e r w a r t e n , d a ß er sich hier die V e r p f ä n d u n g s e r m ä c h t i g u n g — die d e r F o r m v o r s c h r i f t v o n § 12 I V D e p G strikt e n t s p r e c h e n m u ß u n d bei d e r e n V e r l e t z u n g n i c h t in eine E r m ä c h t i g u n g n a c h § 12 III D e p G u m g e d e u t e t w e r d e n k a n n 9 3 — v o r l e g e n o d e r sich d o c h z u m i n d e s t d e r e n E r t e i l u n g g l a u b h a f t m a c h e n läßt (vgl. a u c h R G Z 68 130, 135; R G B a n k A r c h . 33 391, 392). D e n n d a ß eine B a n k f r e m d e P a p i e r e unbeschränkt v e r p f ä n d e n d a r f , w i d e r s p r i c h t d e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t u n d ist d a h e r n a c h d e n G r u n d s ä t z e n ü b e r d e n p r i m a - f a c i e Beweis im R e g e l f a l l n i c h t a n z u n e h m e n . D a s gilt u m so m e h r , als V e r p f ä n d u n g v o n K u n d e n p a p i e r e n h e u t e in d e r P r a x i s v e r h ä l t n i s m ä ß i g selten s i n d 9 4 . Es z e u g t d a h e r v o n e i n e m g u t e n J u d i z , d a ß das R G z w a r f ü r die b e s c h r ä n k t e V e r p f ä n d u n g v o r b e h a l t l o s a n d e r V e r m u t u n g des g u t e n G l a u b e n s f e s t g e h a l t e n h a t (vgl. R G Z 133 187, 188 f = J W 1931 3114), f ü r die u n b e s c h r ä n k t e V e r p f ä n d u n g a b e r die Beweislast u m g e k e h r t h a t (vgl. R G Z 71 337, 3 4 1 ; 87 329, 3 3 2 ; 117 93, 96). D a s w a r z w a r d o g m a t i s c h u n r i c h t i g , weil a u c h im R a h m e n v o n § 366 H G B d e r g u t e G l a u b e v e r m u t e t w i r d , d o c h läßt sich mit e i n e r S t e i g e r u n g d e r a n d e n g u t e n G l a u b e n z u stellenden A n f o r d e r u n g e n , auf die das R G in d e r T a t m i t u n t e r a u s g e w i c h e n ist (vgl. R G B a n k A r c h . 33 391, 392), im p r a k tischen E r g e b n i s ä h n l i c h e s e r r e i c h e n . A u c h eine gewisse „ S t r a p a z i e r u n g " des A n s c h e i n s b e w e i s e s ist in diesem Z u s a m m e n h a n g n i c h t u n z u l ä s s i g , d a dieser k e i n e s w e g s ausschließlich auf b l o ß e n W a h r s c h e i n l i c h k e i t s r e g e l n a u f b a u t , s o n d e r n z. T . a u c h z u r Verwirklichung materieller W e r t u n g e n dient95. 2179
Bei d e r U m l e g u n g v o n Wertpapieren v o n einem D e p o t in ein anderes b e s t e h t g r u n d sätzlich a u c h d a n n kein g e s t e i g e r t e r A n l a ß z u M i ß t r a u e n , w e n n d a d u r c h die P f a n d h a f t u n g v e r s c h ä r f t w i r d . D e n n w a r u m soll d e r H i n t e r l e g e r n i c h t z. B. seinem K u n d e n i n z w i s c h e n e i n e n K r e d i t g e g e b e n h a b e n u n d d e s h a l b b e r e c h t i g t sein, dessen P a p i e r e aus d e m F r e m d d e p o t B in die P f a n d d e p o t s C o d e r D legen z u lassen? O d e r w a r u m soll d e r H i n t e r l e g e r n i c h t i n z w i s c h e n E i g e n t u m an P a p i e r e n seines K u n d e n e r w o r b e n h a b e n , so d a ß diese n u n m e h r in D e p o t A g e h ö r e n ? D i e U m l e g u n g als solche ist folglich g r u n d sätzlich nicht als V e r d a c h t s m o m e n t a n z u s e h e n , u n d d a h e r ist d e r V e r w a h r e r allenfalls d a n n b ö s g l ä u b i g , w e n n die U m l e g u n g v o n i r g e n d w e l c h e n v e r d ä c h t i g e n U m s t ä n d e n begleitet ist o d e r w e n n sich a u f f ä l l i g viele U m l e g u n g e n h ä u f e n 9 6 . G e h t es freilich bei einer U m l e g u n g in D e p o t A nicht u m d e n g u t e n G l a u b e n an das E i g e n t u m g e m ä ß §§ 4 II D e p G , 932 ff B G B , s o n d e r n lediglich u m d e n g u t e n G l a u b e n an die V e r f ü g u n g s m a c h t g e m ä ß § 366 H G B , so gelten die A u s f ü h r u n g e n des v o r h e r g e h e n d e n A b s a t z e s e n t s p r e c h e n d , so d a ß d e n P f a n d n e h m e r die o b e n e n t w i c k e l t e n g e s t e i g e r t e n S o r g f a l t s pflichten treffen.
V. Die Pflichten der Bank 1. Die Verwahrungs- und Obhutspflichten 2180
U n t e r d e n P f l i c h t e n d e r B a n k steht e n t s p r e c h e n d d e m Z w e c k des D e p o t g e s c h ä f t s n a t u r g e m ä ß die P f l i c h t z u r V e r w a h r u n g d e r E f f e k t e n u n d die d a m i t v e r b u n d e n e 92
So aber Heinsius/Horn/Than % 4 Rdn. 29 a. E. " Vgl. R G Z 164, 292, 298 f; überholt R G Z 93, 230, 233. »• Vgl. auch Heinsius/Horn/Tban § 4 Rdn. 22.
1100
95 Vgl. dazu z. B. Diederichsen Z Z P 81, 45 ff. ^ H . L., vgl. z. B. Opitz § 4 Anm. 9c; Heinsius/ Horn/Than § 4 Rdn. 44; Kumpel BuB 8/30; a. A. Ratz Anm. 71 im Anschluß an R G Z 41, 32, 36.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . D i e Pflichten der Bank
Obhutspflicht dogmatisch gesehen im Vordergrund, während sie praktisch von weitaus geringerer Bedeutung ist und häufig gegenüber den Verwaltungspflichten stark zurücktritt. Die praktische Bedeutung der Verwahrungspflicht zeigt sich nämlich i. d. R. nur in Extremfällen wie z. B. im Konkurs der verwahrenden Bank: dann kann das Aussonderungsrecht des Kunden entscheidend von einer korrekten Erfüllung der Verwahrungspflichten abhängen. Der Inhalt der Verwahrungspflicht wird durch Ziff. 36 I 1 AGB dahin bestimmt, daß die Bank dem Kunden die sichere und getreue Aufbewahrung der ihr anvertrauten Papiere schuldet. Im übrigen hängen ihre Pflichten insoweit im wesentlichen von der gewählten Form der Verwahrung ab und sind andere je nachdem, ob es sich um Sonderverwahrung, Sammelverwahrung, Tauschverwahrung, unregelmäßige Verwahrung oder Verwahrung mit Verfügungsermächtigung handelt; es ist daher insoweit auf die Ausführungen oben Rdn. 2101 ff zu verweisen. Eine wesentliche Änderung erfährt die Verwahrungspflicht, wenn die Bank die Effekten einer anderen Bank zur Drittverwahrung anvertraut: sie hat dann grundsätzlich nur für deren sorgfältige Auswahl einzustehen und haftet für deren Verschulden nur dann wie für eigenes, wenn es sich um eine Wertpapiersammelbank handelt (vgl. näher oben Rdn. 2152 ff). Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung oder Obhutspflicht oder wegen 2181 Unmöglichkeit der Herausgabe der Effekten unterliegen nach den allgemeinen Regeln der Verwirkung und können auch nach Ziff. 16 AGB ausgeschlossen sein (vgl. auch LG Hof W M 1971 882). Außerdem trägt entgegen § 282 BGB nicht die Bank, sondern der Kunde die Beweislast für ein Verschulden der Bank, wenn letzterer erst nach unverhältnismäßig langer Zeit behauptet, die Bank habe unrechtmäßige Verfügungen über das Depot vorgenommen (vgl. BGH WM 1972 19, 20 unter II); das gilt jedenfalls dann, wenn die Aufbewahrungspflicht für die Unterlagen der Bank gemäß § 44 H G B bereits abgelaufen war. 2. Die Verwaltungspflichten a) Überwachung*- und Benachrichtigungspflichten Die Verwaltungspflichten der Bank ergeben sich grundsätzlich aus §§675, 611 ff 2 1 8 2 BGB, da der Depotvertrag diesen Vorschriften unterfällt (vgl. oben Rdn. 2089), doch enthalten Ziff. 37 — 39 AGB eine Sonderregelung, die weitgehend den Rückgriff auf das Gesetz ausschließt oder überflüssig macht. Die Pflicht der Bank zur Überwachung von Verlosungen und Kündigungen wird durch Ziff. 37 II dahin beschränkt oder wohl besser konkretisiert, daß sie sich nur auf Bekanntmachungen in den „Wertpapier-Mitteilungen" bezieht; das dürfte im Hinblick auf § 9 AGBG nicht zu beanstanden sein, weil und soweit eine zumutbare anderweitige Überwachungsgrundlage nicht zur Verfügung steht und die Bank keinen besonderen Hinweis auf eine bevorstehende Verlosung oder Kündigung erhalten hat (vgl. auch AG München WM 1978 829, 830). Heikler ist die Begrenzung der Überwachung auf solche Papiere, „die die Bank verwahrt", also offenbar auf die Fälle der Hausverwahrung, doch wird diese Einschränkung weitgehend entschärft durch Ziff. 36 II, wonach die Bank dem Kunden bei der Sammelverwahrung „auch für die Erfüllung der . . . Verwalterpflichten der Wertpapiersammelbank einsteht". Auch ob Wertpapiere von Oppositionen, Aufgeboten, Zahlungssperren und dgl. betroffen sind, prüft die Bank gemäß Ziff. 38 nur an Hand der „WertpapierMitteilungen"; daß sie demgemäß nicht die Veröffentlichungen im Bundesanzeiger zu überwachen braucht, ist nicht zu beanstanden, da die Kontrolle an Hand der „Weitpapier-Mitteilungen" effizienter und sachgerechter ist (vgl. dazu näher Groß komm.-Canaris1 § 367 Anm. 12 und 16). Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft 2183
A u c h bei Konvertierungen, Ausübung oder Verwertung v o n Bezugsrechten, A u f f o r derungen zu Einzahlungen, Fusionen, Sanierungen, Zusammenlegungen und Umstellung e n s o w i e bei Umtausch-, Abfindungs- und U b e r n a h m e a n g e b o t e n b e s c h r ä n k t sich die B e n a c h r i c h t i g u n g s p f l i c h t d e r B a n k n a c h Ziff. 39 A G B g r u n d s ä t z l i c h auf die Fälle e i n e r B e k a n n t m a c h u n g in d e n „ W e r t p a p i e r - M i t t e i l u n g e n " . I m ü b r i g e n e r w a r t e t die B a n k eine b e s o n d e r e W e i s u n g des K u n d e n . T r i f f t diese n i c h t r e c h t z e i t i g ein, so h a t die B a n k „ n a c h i h r e m b e s t e m E r m e s s e n " z u v e r f a h r e n , „ s o f e r n d a m i t n i c h t eine A n l a g e e n t s c h e i d u n g f ü r d e n K u n d e n v e r b u n d e n ist". Sie k a n n d a n a c h z. B. bei K a p i t a l h e r a b s e t z u n g e n die v o n ihr v e r w a h r t e n K u n d e n b e s t ä n d e d e r E m i t t e n t i n z u m Z w e c k e d e r Z u s a m m e n l e g u n g z u r V e r f ü g u n g stellen u n d v e r b l e i b e n d e S p i t z e n f ü r R e c h n u n g des D e p o t k u n d e n selbst v e r w e r t e n o d e r a u c h d e r f e d e r f ü h r e n d e n K o n s o r t i a l b a n k z u e i n e r i n t e r e s s e w a h r e n d e n V e r w e r t u n g ü b e r l a s s e n (vgl. Kumpel W M 1980 707 f). B e z u g s r e c h t e sind n a c h Z i f f . 39 I 3 A G B g r u n d s ä t z l i c h bestens z u v e r k a u f e n , s o f e r n d e r K u n d e bis z u d e m d e r letzten Bezugsrechtsnotiz vorhergehenden Börsentag keine anderweitige Weisung erteilt h a t , d o c h p a ß t das u n e i n g e s c h r ä n k t n u r , w e n n es sich u m B e z u g s r e c h t e aus s c h o n bisher v o m K u n d e n g e h a l t e n e n E f f e k t e n h a n d e l t . H a t dieser d a g e g e n die B e z u g s r e c h t e g e k a u f t , so w i r d d a r i n meist die k o n k l u d e n t e W e i s u n g liegen, sie a u c h a u s z u ü b e n ; a n d e r s m a g z u e n t s c h e i d e n sein, w e n n die B a n k auf G r u n d b e s o n d e r e r U m s t ä n d e wie z. B. w e g e n eines h o h e n D e b e t s A n l a ß z u d e r V e r m u t u n g h a t , d e r K u n d e k ö n n e o d e r w o l l e d e n f ü r die B e z u g s r e c h t s a u s ü b u n g e r f o r d e r l i c h e n B e t r a g n i c h t a u f b r i n g e n , s o n d e r n h a b e lediglich auf ein S t e i g e n des B e z u g s r e c h t s k u r s e s s p e k u liert, d o c h ist a u c h in e i n e m s o l c h e n Falle v o r e i n e m V e r k a u f g r u n d s ä t z l i c h d e r V e r s u c h e i n e r ( t e l e p h o n i s c h e n ) R ü c k f r a g e bei d e m K u n d e n e r f o r d e r l i c h (vgl. d a z u a u c h O L G F r a n k f u r t W M 1977 984, 986).
b) D i e Pflicht zum Einzug v o n Forderungen für den Kunden 2184
Besondere praktische Bedeutung k o m m t der Pflicht der Bank zum Einzug von Ford e r u n g e n f ü r d e n K u n d e n z u . G e m ä ß Ziff. 37 1 1 A G B s o r g t die B a n k g r u n d s ä t z l i c h f ü r die T r e n n u n g d e r fälligen Zins- und Gewinnanteilsscheine u n d z i e h t d e r e n G e g e n w e r t ein o d e r v e r w e r t e t sie. A u c h u m die Einlösung v o n Pfandbriefen und Schuldverschreibungen h a t die B a n k sich g e m ä ß Ziff. 37 II 2 A G B v o n sich aus z u k ü m m e r n . D a b e i e n t h ä l t Z i f f . 37 A G B n i c h t n u r eine P f l i c h t d e r B a n k z u m E i n z u g , s o n d e r n a u c h eine e n t s p r e c h e n d e B e f u g n i s . D i e s e besteht allerdings n u r , s o f e r n die b e t r e f f e n d e F o r d e r u n g bereits fällig w a r ; v o r h e r h a t die B a n k kein R e c h t z u r A n n a h m e d e r L e i s t u n g mit E r f ü l l u n g s w i r k u n g u n d selbstverständlich erst r e c h t k e i n e B e f u g n i s z u r V e r ä u ß e r u n g d e r F o r d e r u n g (vgl. K G W M 1953 153, 155; O L G D ü s s e l d o r f W M 1954 241, 243).
2185
D o g m a t i s c h k a n n m a n die Einziehungsbefugnis der Bank s o w o h l als E r m ä c h t i g u n g i. S. v o n § 185 B G B als a u c h als V o l l m a c h t i. S. v o n § 167 B G B a n s e h e n . Z w e c k m ä ß i g e r w e i s e w i r d m a n Z i f f . 37 A G B d e s h a l b d a h i n a u s l e g e n m ü s s e n , d a ß die B a n k s o w o h l eine E r m ä c h t i g u n g als a u c h eine V o l l m a c h t z u m E i n z u g h a t u n d d a ß es ihr d e m e n t s p r e c h e n d frei gestellt ist, o b sie im e i g e n e n o d e r im f r e m d e n N a m e n a u f t r e t e n will. I m ü b r i g e n h ä n g t es v o n d e m V e r h a l t e n d e r B a n k g e g e n ü b e r d e m S c h u l d n e r ab, o b ein H a n d e l n im e i g e n e n o d e r im f r e m d e n N a m e n vorliegt. F ü r e r s t e r e s spricht v o r allem die T a t s a c h e , d a ß es f ü r d e n S c h u l d n e r meist nicht e r k e n n b a r ist, o b die B a n k A n s p r ü c h e aus N o s t r o b e s t ä n d e n o d e r aus K u n d e n d e p o t s g e l t e n d m a c h t , f ü r l e t z t e r e s ist d a g e g e n d e r U m s t a n d a n z u f ü h r e n , d a ß jedenfalls d e r g a n z ü b e r w i e g e n d e T e i l d e r F o r d e r u n g e n ü b l i c h e r w e i s e nicht d e r B a n k selbst, s o n d e r n i h r e n K u n d e n z u s t e h t . M a n w i r d d a h e r hinsichtlich d e r N o s t r o b e s t ä n d e ein H a n d e l n im e i g e n e n N a m e n , im ü b r i g e n 1102
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V . D i e Pflichten der B a n k
aber ein konkludentes Handeln für den, den es angeht, annehmen dürfen, zumal die Abgrenzung zwischend dem Einzug im eigenen und im fremden Namen dem Schuldner gleichgültig sein kann, so daß es einer klaren Trennung nicht bedarf. Die Rechtsprechung geht jedenfalls grundsätzlich ohne nähere Prüfung von einem Handeln im fremden Namen und vom Vorliegen einer Vollmacht aus 9 7 . Die Vornahme der Zahlung erfolgt üblicherweise im Wege der Giroüberweisung, 2 1 8 6 sofern der Schuldner sich dazu einer anderen Bank als der Depotbank bedient (vgl. auch B G H Z 26 167, 170 f). Fungiert letztere dagegen zugleich als Zahlstelle des Schuldners, so liegt in dem Einzug und der entsprechenden Last- bzw. Gutschrift keine Giroüberweisung (so mit Recht B G H Z 26 171). Vielmehr ist dann ein Insichgeschäft der Bank gegeben (vgl. R G Z 109 32; 111 349; B G H Z 26 171 f; K G W M 1956 807); dessen Wirksamkeit scheitert grundsätzlich nicht etwa an § 181 B G B , weil (und soweit) es sich lediglich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners handelt (vgl. die soeben zitierten Entscheidungen). c) Die Pflichten der Bank hinsichtlich der Ausübung des „Depotstimmrechts" Besondere Pflichten hat die Bank hinsichtlich der Ausübung des Depotstimmrechts 2 1 8 7 bei Aktien. Zunächst hat sie hier gemäß § 128 I AktG die Pflicht zur Weitergabe von Mitteilungen des Vorstandes nach § 125 AktG, also der Mitteilungen über die Einberufung der Hauptversammlung, die Bekanntgabe der Tagesordnung und etwaige Anträge und Wahlvorschläge von Aktionären. Die Pflicht hat ihren Rechtsgrund im Depotvertrag, den § 1 2 8 AktG insoweit konkretisiert, so daß bei einer Pflichtverletzung § 278 B G B anwendbar ist; daneben kann man in § 128 AktG zugleich ein Schutzgesetz i. S. von § 823 II B G B sehen und dementsprechend eine konkurrierende Deliktshaftung bejahen (vgl. Zöllner in Kölner Komm, zum AktG, 1973, § 128 Rdn. 36). Der Anspruch ist grundsätzlich zwingender Natur und unverzichtbar; der Kunde kann allerdings der Bank die Weisung erteilen, ihm keine Mitteilung zugehen zu lassen, doch ist eine solche Weisung wegen der Unverzichtbarkeit des Anspruchs jederzeit frei widerruflich (vgl. statt aller Zöllner a a O Rdn. 8 m. umf. Nachw. zum Diskussionsstand). Beabsichtigt die Bank, in der Hauptversammlung das Stimmrecht für Aktionäre 2 1 8 8 auszuüben oder ausüben zu lassen, so hat sie gemäß § 128 II AktG weiterhin die Pflicht zur Mitteilung eigener Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts und die Pflicht zur Bitte um Weisungen des Kunden. Diese Pflicht besteht nicht gegenüber allen Depotkunden, sondern nur gegenüber denjenigen, die die Bank in der Hauptversammlung vertreten will 9 8 ; denn nur soweit die Bank einen Kunden vertreten will, ist es sinnvoll, ihn um Weisungen zu bitten, und außerdem würde bei Zugrundelegung der Gegenansicht der Anspruch des Kunden aus § 135 X AktG weitgehend überflüssig. An ihre Vorschläge ist die Bank gemäß § 135 V AktG grundsätzlich gebunden. Das Gleiche gilt selbstverständlich für Weisungen des Kunden. Allerdings hat dieser ein Weisungsrecht, wie der Wortlaut des § 128 II 3 und auch des § 135 X AktG deutlich macht, nur hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts; der Kunde kann also zwar die Weisung erteilen, einen besonderen Antrag zu stellen, soweit dieser eine unerläßliche Voraussetzung für eine bestimmte Ausübung des Stimmrechts ist, er kann aber nicht ver-
Vgl. R G Z 109, 30, 32; 111, 345, 349; RG Seuff Arch. 84 Nr. 167; B G H Z 26, 167, 171 f und 174; K G WM 1953, 153, 155; 1953, 511, 512; 1956, 805, 807; kritisch Winden/Seipp WM 1956, 979.
'8 Vgl. Schmidt BB §128 Anm. 12; Eckardt DB 1967, Godin/Wilbelmi §
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1967, 820; Baumbach/Hueck Zöllner aaO Rdn. 21; a. A. 195; Johannson BB 1967, 1316; 128 Anm. 3 und 4.
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langen, daß die Bank für ihn Begründungen verliest, Auskunftsbegehren stellt usw. (vgl. Zöllner a a O Rdn. 32 und 33 m. w. Nachw.). 2189
Bei der Abfassung ihrer Vorschläge kann die Bank sich auch den Vorschlägen der Verwaltung anschließen, doch hat sie sich gemäß Abs. 2 Satz 2 in jedem Fall von dem Interesse ihres Kunden leiten zu lassen. Das bedeutet nicht, daß die Bank nicht in erster Linie das Gesellschaftsinteresse zu berücksichtigen hätte, sondern muß wohl dahin verstanden werden, daß die Bank neben dem Gesellschaftsinteresse und dem aus diesem folgenden — freilich häufig zugleich auch im richtig verstandenen Aktionärsinteresse liegenden — Bestreben nach Gewinnthesaurierung zugleich den Ausschüttungs- und Kursinteressen des Durchschnittsaktionärs Rechnung tragen muß (vgl. Zöllner a a O Rdn. 15 und 16).
2190
Ihre eigenen Interessen darf die Bank selbstverständlich keinesfalls auf Kosten der Aktionärsinteressen bevorzugen. Eine Pflicht zur Mitteilung von Interessenkollisionen hat die Bank jedoch grundsätzlich nicht (a. A. Zöllner a a O Rdn. 28). Denn zum einen muß der Kunde mit der Möglichkeit einer Interessenkollision rechnen, da den Banken nach geltendem Recht die Unterhaltung eines eigenen Aktienbestandes nun einmal erlaubt ist, und zum anderen kann schon der bloße Hinweis auf eine eventuelle Interessenkollision zu gefährlichen Spekulationen über die Absichten der Bank oder gar zu deren mittelbarer Aufdeckung führen, so daß die Bank sich durch die Mitteilung in unzumutbarer Weise selbst gefährden oder gar schädigen würde; man sollte es daher grundsätzlich dabei bewenden lassen, daß der Kunde nur durch die Pflicht der Bank zur Hintansetzung ihrer Eigeninteressen geschützt wird (vgl. auch oben Rdn. 1890 und 1937 ff) und allenfalls in extremen Ausnahmefällen, in denen vernünftigerweise mit einer allein vom Kundeninteresse bestimmten Ausübung des Depotstimmrechts schlechterdings nicht gerechnet werden kann, zusätzlich eine Pflicht zu einem Hinweis auf den Interessenkonflikt annehmen.
2191
Dem entspricht es, daß das Gesetz in diesem Punkt keine Regelung enthält und in Abs. 2 Satz 5 nur die Pflicht zur Mitteilung personeller Verflechtungen zwischen der Bank und der Gesellschaft begründet, und das auch nur, sofern ein Vorstandsmitglied der Bank dem Aufsichtsrat der Gesellschaft oder ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft dem Aufsichtsrat der Bank angehört. Das Gesetz knüpft also die Mitteilungspflicht nur an zwei ganz präzise bestimmte und tatbestandlich klar abgrenzbare Fälle möglicher Interessenkollisionen bzw. Befangenheiten. Man darf diese klare Regelung nicht mit Hilfe des diffusen allgemeinen Begriffs der Interessenkollision unterlaufen und dadurch die Mitteilungspflicht vom fest umrissenen Ausnahmetatbestand zur generalklauselartigen Regel machen; vielmehr ist insoweit ein argumentum e contrario aus Abs. 2 Satz 5 zu ziehen.
2192
Gemäß § 135 X AktG hat die Bank die Pflicht zur Ausübung des Stimmrechts für den Depotkunden, sofern sie sich gegenüber anderen Aktionären zur Stimmrechtsausübung erboten hat. Das Gesetz spricht allerdings nur von einer Pflicht zur „Annahme" eines entsprechenden „Auftrags" des Kunden, doch wäre es ein unsinniger Umweg, dem Kunden nur einen Anspruch auf Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrags zu geben, und daher ist davon auszugehen, daß sich der Anspruch aus § 135 X AktG unmittelbar auf Ausübung des Stimmrechts richtet (vgl. auch Zöllner a a O Rdn. 101).
2193
Tatbestandlich ist der Anspruch nicht ohne weiteres gegeben, sondern davon abhängig, daß sich die Bank gegenüber anderen Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts „erboten" hat. Es handelt sich also wohl um eine gesetzliche Ausprägung des 1104
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Gleichbehandlungsgrundsatzes". Dieser gilt zwar im allgemeinen im Verhältnis zwischen der Bank und ihren Kunden nicht (vgl. oben Rdn. 121), dient hier jedoch als spe-
zielles Schutzinstrument gegenüber den Gefahren des Depotstimmrechts. Insbesondere
soll er gewährleisten, daß die Bank nicht nur solche Kunden vertritt, die ihr keine Weisungen oder nur mit ihren eigenen Absichten übereinstimmende Weisungen erteilt haben, sondern daß auch diejenigen Kunden von der — für sie „bequemen" — M ö g lichkeit des Depotstimmrechts Gebrauch machen können, die in Opposition zu den Vorschlägen der Bank stehen (vgl. auch Geßler BB 1965 679; Combruch Z f K 1965 1155); § 135 X A k t G steht also in einem gewissen inneren Zusammenhang mit § 128 II 3 A k t G und erfüllt diesem gegenüber eine Ergänzungsfunktion (a. A. offenbar Schmidt BB 1967 821, der eine „absolute T r e n n u n g " beider Vorschriften annimmt). Allerdings geht die von § 135 X A k t G statuierte Gleichbehandlungspflicht nicht so weit, daß die Bank solchen Aktionären, die sie nicht vertreten will, von sich aus mitteilen müßte, daß sie andere Aktionäre vertreten wird (vgl. auch oben Rdn. 2188), oder daß sie g a r den übrigen Aktionären ein Angebot zur Übernahme der Vertretung machen muß (vgl. Schmidt BB 1965 821 m. w. Nachw.). Vielmehr ist es Sache der übergangenen Aktionäre, ihren Anspruch aus § 135 X A k t G geltend zu machen und dessen Voraussetzungen festzustellen; behauptet die Bank zu Unrecht, sie habe sich keinem anderen K u n den gegenüber „erboten" und die Voraussetzungen des § 135 X A k t G lägen daher nicht vor, so ist sie sowohl wegen Vertragsverletzung als auch gemäß § 823 II B G B schadensersatzpflichtig. Im übrigen ergeben sich aus dem Bezug des § 135 X A k t G auf den Gleichbehand- 2 1 9 4 lungsgrundsatz auch Einschränkungen der Vertretungspflicht der Bank. S o kann diese, wenn sie sich den anderen Aktionären gegenüber nur unter bestimmten Vorbehalten zur Ausübung des Stimmrechts erboten hat, dieselben Einschränkungen auch gegenüber dem Anspruch aus § 135 X A k t G geltend machen (vgl. auch Schmidt B B 1967 822; Zöllner a a O Rdn. 101); allerdings darf es sich dabei nicht um Vorbehalte handeln, die der Bank die Mißachtung mißliebiger Weisungen ermöglichen, da das dem Schutzzweck des § 135 X A k t G und dessen Zusammenhang mit § 128 II 3 A k t G widerspräche (anders wohl Schmidt und Zöllner a a O ) . Weiterhin darf die Bank die Übernahme eines Auftrags zur Ausübung des Stimmrechts ausnahmsweise völlig ablehnen, wenn sie dafür triftige Gründe gegenüber dem betreffenden Kunden hat (a. A. Zöllner a a O Rdn. 101, der lediglich eine Kündigung des Depotvertrags zuläßt und nur unter dieser Voraussetzung den Anspruch aus § 135 X A k t G als hinfällig ansieht); denn dann liegt in der Zurückweisung des Auftrags zur Stimmrechtsausübung kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, und daher bleibt § 135 X A k t G auf Grund einer Restriktion außer Anwendung. Schließlich gilt auch hinsichtlich des U m f a n g s der Vertretung, daß der Anspruch aus § 135 X A k t G lediglich zu einer Gleichstellung mit den übrigen Aktionären führt und keine weiterreichenden Rechte gewährt. D e r Kunde kann daher ebensowenig wie nach § 128 II 3 A k t G eine unbegrenzte Vertretung durch die Bank verlangen, sondern nur eine Vertretung hinsichtlich der Stimmrechtsausübung (vgl. näher oben Rdn. 2188 a. E . ) ; das ergibt sich übrigens auch schon aus dem Wortlaut von § 135 X AktG. Entscheidend für den Anspruch aus § 135 X A k t G ist, ob ein Erbieten gegenüber 2 1 9 5 anderen Aktionären vorliegt. Dabei genügt es schon, daß dieses gegenüber einem einzigen Aktionär erfolgt ist. Als Erbieten ist dabei nicht nur eine besondere Anfrage bei
99
Vgl. auch Schmidt BB 1967, 821 f; Johannson 1967, 1316; Zöllner aaO § 128 Rdn. 23.
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einem Aktionär über die Stimmrechtsvertretung, sondern auch die Unterbreitung von Vorschlägen und/oder die Bitte um Weisungen gemäß § 128 II AktG anzusehen 1 0 0 . Das gleiche gilt für die Einholung einer Spezialvollmacht hinsichtlich einer bestimmten Hauptversammlung sowie auch hinsichtlich der Einholung einer 15-Monate-Vollmacht, es sei denn, die Bank bringt dabei ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck, daß sie damit nicht zugleich eine Verpflichtung zur Ausübung des Stimmrechts übernehmen will (vgl. statt aller Zöllner aaO Rdn. 95 und 96 m. umf. Nachw.). Eine allgemeine Depotvollmacht stellt dagegen kein Erbieten dar, weil sie sich auf Aktien einer Vielzahl von Gesellschaften zu beziehen pflegt — die wegen der Mobilität des Depots überdies bei Vollmachtserteilung noch nicht einmal sicher feststehen — und weil daher eine Verpflichtung der Bank, von der Vollmacht auch Gebrauch zu machen, nicht angenommen werden kann. Daß die Bank den Auftrag auf Grund eigener Initiative übernommen hat, ist nicht erforderlich 1 0 1 ; denn dann könnte die Bank abwarten, welche Kunden ihr Aufträge erteilen und ob die darin enthaltenen Weisungen ihren Absichten entsprechen, und so entgegen dem Schutzzweck des § 135 X AktG eine mißliebige Opposition um die Vorteile des Depotstimmrechts bringen. Hat die Bank eine Vertretung übernommen, nachdem sie zuvor schon einen anderen Auftrag abgelehnt hat, so wird man ihr aus dem Depotvertrag i. V. mit dem Gedanken des vorangegangenen Tuns eine Rechtspflicht zur Information des (zunächst) abgewiesenen Kunden auferlegen müssen (a. A. Bundesverband des privaten Bankgewerbes W M 1965 1097); anderenfalls würden sich auch hier wieder Manipulationsmöglichkeiten eröffnen, die mit dem Schutzzweck des § 135 X AktG unvereinbar sind. 2196
Die Wirksamkeit der Stimmrechtsausübung durch die Bank, insbesondere die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung, für die § 135 AktG in den Absätzen 1—4 sowie 6 und 7 eine eingehende Sonderregelung enthält, betrifft allein die aktienrechtliche Seite der Problematik und nicht das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden. Da es sich dabei folglich nicht um ein spezifisches Problem des Bankrechts, sondern allein um ein solches des Aktienrechts handelt, muß insoweit auf die einschlägige aktienrechtliche Literatur verwiesen werden.
2197
Selbstverständlich ist auch eine Stimmrechtsausübung durch den Depotkunden selbst möglich. Das gilt auch im Falle der Sammelverwahrung. § 69 I AktG, wonach die Rechte aus einer Aktie nur durch einen Vertreter ausgeübt werden können, sofern diese „mehreren Berechtigten zusteht", ändert daran nichts (vgl. auch Lutter in Kölner Komm, zum AktG, 1970, § 69 Rdn. 11; Schönle § 21 I 3). Die Vorschrift kann nämlich, wie sich insbesondere auch aus der gesamtschuldnerischen Haftung der Mitberechtigten gemäß Abs. 2 ergibt, sinnvollerweise nur dann angewendet werden, wenn das Mitgliedschaftsrecht mehreren Personen gemeinsam zusteht, nicht aber auch dann, wenn das nur für die Urkunde gilt; der Begriff „Aktie", der bekanntlich mehrdeutig ist, muß also im Falle des § 69 AktG einschränkend als Mitgliedschaft und nicht als Papier verstanden werden. Zu der Annahme aber, daß auf Grund der Sammelverwahrung auch die Mitgliedschaftsrechte und nicht nur die Papiere den Depotinhabern in Bruchteilsgemeinschaft zustehen, besteht weder unter depotrechtlichen noch unter aktienrechtlichen Gesichtspunkten ein zwingender Anlaß. Insbesondere steht nicht entgegen, daß das Mitgliedschaftsrecht und das Eigentum an den Aktienurkunden dann rechtlich unterschiedlich strukturiert sind; denn die Aktie ist ein rein deklaratorisches Papier,
100 Vgl. z. B. von Falkenhausen Die AG 1966, 75; Godin/Wilhelmi § 1 3 5 Anm. 11; Zöllner a a O § 135 Rdn. 94 m. w. N a c h w .
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l Vgl. Schmidt BB 1967, 822; a. A. von Falkenhausen Die AG 1966, 75; Zöllner a a O § 135 Rdn. 98 m. w. N a c h w .
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und das Mitgliedschaftsrecht kann daher sogar ohne Ausstellung einer Urkunde bestehen und muß folglich auch nicht unbedingt in jeder Hinsicht derselben Zuständigkeitsform unterliegen wie diese; der Satz, daß das Recht aus dem Papier nach dessen Ausstellung dem Recht am Papier folgt, bedarf also insoweit einer gewissen Einschränkung, da er für den besonderen Fall der Sammelverwahrung nicht paßt. Folglich ist § 69 AktG auf Grund einer einschränkenden Auslegung hier unanwendbar. Statt dessen mit der Annahme eines derogierenden Gewohnheitsrechts zu arbeiten (so Scbönle 5 21 I 3), ist daher überflüssig und überdies gegenüber einem 1965 erlassenen Gesetz selbst dann unhaltbar, wenn man die — höchst fragwürdige! — Möglichkeit derogierenden Gewohnheitsrechts grundsätzlich bejaht. 3. Die Pflicht zur Führung des Verwahrungsbuchs gemäß § 14 DepG Nach § 14 DepG hat die Bank die Pflicht zur Führung eines Verwahrungsbuches. 2 1 9 8 Dieses wird vom Gesetz ausdrücklich als Handelsbuch bezeichnet und muß daher den Vorschriften der §§ 38, 43 ff HGB genügen (vgl. auch Opitz § 14 Anm. 3). Gemäß Abs. I Satz 1 baut das Buch auf der Person der Hinterleger auf und ist daher ein sogenanntes persönliches Verwahrungsbuch; üblich, aber rechtlich nicht vorgeschrieben ist daneben ein sogenanntes sachliches Verwahrungsbuch, das nach den einzelnen Wertpapierarten geordnet ist. Die Bezeichnung des Hinterlegers hat durch die Eintragung seines Namens und sei- 2 1 9 9 ner Anschrift zu erfolgen und muß so bestimmt sein, daß die betreffende Person jederzeit individualisierbar ist; die Vorschriften des § 154 II AO sind zu beachten, so daß z. B. kein falscher oder erdichteter Name eingetragen werden darf. Hinterleger ist dabei der jeweilige Depotkunde, bei der Wertpapiersammelbank also nur die mit dieser in Verbindung stehende Zentralbank, bei der Zentralbank die Lokalbank und erst bei dieser der Privatkunde (vgl. Opitz § 14 Anm. 6); die Person des Inhabers der Effekten ist hier also nur aus den Büchern der Lokalbank unmittelbar zu entnehmen, während von der Wertpapiersammelbank aus gesehen die „Kette" bis zur Lokalbank aufgerollt werden müßte, um über den Letztberechtigten Klarheit zu gewinnen. Außer der Person des Hinterlegers sind die für ihn verwahrten Wertpapiere einzu- 2 2 0 0 tragen. Sie sind dabei nach Art, Nennbetrag oder Stückzahl, Nummern oder sonstigen Bezeichnungsmerkmalen zu kennzeichnen. Es besteht also grundsätzlich ein Nummernzwang. Damit das Depotbuch nicht unübersichtlich wird, gestattet das Gesetz allerdings, daß die Nummern lediglich in ein besonderes Verzeichnis eingetragen werden und in dem Verwahrungsbuch auf dieses Bezug genommen wird. Die Vorschriften des § 14 I DepG beziehen sich unmittelbar nur auf die Sonderver- 2201 wahrung. Sie sind jedoch gemäß Abs. 3 auf die Sammelverwahrung „sinngemäß" anzuwenden. Das bedeutet, daß sie nicht uneingeschränkt übernommen werden dürfen, sondern nur insoweit gelten, als ihnen nicht die Besonderheiten der Sammelverwahrung entgegenstehen. Das ist vor allem für den Nummernzwang von Bedeutung. Dieser kommt nämlich für die Sammelverwahrung nicht in Betracht, weil hier jeder Depotkunde an jedem Stück des Sammelbestandes anteilsmäßig beteiligt ist und ihm demgemäß nicht ein bestimmtes Papier zugeordnet werden kann. Die Ermächtigung zur Sammelverwahrung braucht entgegen Abs. IV S. 3 nicht besonders im Verwahrungsbuch eingetragen zu werden, sofern die Papiere sich in Sammelverwahrung befinden; denn dann ergibt sie sich konkludent schon aus der Sammeldepotbuchung und damit aus dem Inhalt der Eintragung 1 0 2 . 102
Vgl. Opitz § 14 Anm. 9; Schlegelberger/Hefermehl Rdn. 382 a. E.; Heinsius/Hom/Than § 14 Rdn. 24.
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Bei der Drittverwahrung obliegen die Buchführungs- und Eintragungspflichten grundsätzlich beiden Banken, also sowohl dem Drittverwahrer als auch dem Zwischenverwahrer. Ersterer braucht dabei aber nur letzteren in sein Verwahrungsbuch einzutragen, da dieser ihm gegenüber als Hinterleger anzusehen ist (vgl. oben Rdn. 2158). Nach Abs. 5 muß er außerdem den Erhalt einer Fremdanzeige gemäß § 4 III DepG eintragen. Der Zwischenverwahrer hat gemäß Abs. 4 Satz 1 den O r t der Niederlassung des Drittverwahrers im Verwahrungsbuch anzugeben; dessen Namen braucht er dagegen nach Abs. 4 Satz 2 nur dann einzutragen, wenn dieser sich nicht aus der sonstigen Buchführung, aus neben dem Verwahrungsbuch geführten Verzeichnissen oder aus dem Schriftwechsel ergibt. Auch bei der Drittverwahrung besteht grundsätzlich f ü r den Zwischenverwahrer ein Nummernzwang, da das Gesetz von diesem Erfordernis insoweit keine Ausnahme macht. Das gilt entgegen einer offenbar verbreiteten Praxis auch bei der Weiterleitung von Stücken zur Sammelverwahrung, sofern die Bank nicht von ihrer Befugnis zur Übertragung eines Miteigentumsanteils gemäß § 5 II D e p G Gebrauch macht. Denn die Papiere stehen dann bis zum Eingang bei dem Sammelverwahrer grundsätzlich noch im Alleineigentum des Kunden (vgl. oben Rdn. 2113), und außerdem muß jederzeit feststellbar sein, wann die Effekten an einen Sammelverwahrer weitergegeben worden sind und wann der Kunde daher bei diesem einen Miteigentumsanteil erlangt hat (vgl. oben Rdn. 2114). Das Sicherheitsinteresse des Kunden gebietet daher, hier eine nummernmäßige Individualisierung im Verwahrungsbuch vorzunehmen.
VI. Der Einfluß des Konkurses auf das Depotgeschäft 1. Der Konkurs des Kunden
2203
Welche Rechtsfolgen der Konkurs des Kunden für den Depotvertrag hat, ist insofern nicht leicht zu beurteilen, als es sich hier um einen gemischttypischen Vertrag handelt, der sich aus verwahrungsrechtlichen und geschäftsbesorgungsrechtlichen Elementen zusammensetzt (vgl. oben Rdn. 2089). N u r f ü r die letzteren gilt aber § 23 II K O , wonach der Konkurs ipso iure zur Vertragsbeendigung führt, wohingegen ein Verwahrungsvertrag durch den Konkurseintritt grundsätzlich nicht seine Gültigkeit verliert, sondern dem Wahlrecht des Konkursverwalters gemäß § 17 K O unterfällt. Hier eine einheitliche Lösung zu erzwingen und auf den ganzen Vertrag entweder nur § 23 II K O oder nur § 17 K O anzuwenden, dürfte jedenfalls bei der Sonderverwahrung nicht sachgerecht sein. Vielmehr erscheint eine Trennung der beiden Elemente des Vertrages hier durchaus möglich und sinnvoll 103 . Daher ist grundsätzlich vom Fortbestand der verwahrungsrechtlichen Elemente auszugehen, so daß die Bank berechtigte Besitzerin der Effekten bleibt und die Entscheidung über die Fortsetzung des Vertrages dem Wahlrecht des Konkursverwalters gemäß § 17 KO unterliegt. Dem steht gemäß § 23 II K O das Erlöschen der geschäftsbesorgungsrechtlichen Elemente gegenüber. Die Rechtslage ist insoweit die gleiche wie beim Effektenkommissionsgeschäft vor dessen Durchführung; wegen der Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich der Notgeschäftsführung und des Vertrauensschutzes kann daher auf die Ausführungen oben Rdn. 2067 verwiesen werden.
103
Z u s t i m m e n d Jaeger/Henckel § 17 R d n . 22.
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Konkursordnung9,
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VI. Der Einfluß des Konkurses auf das Depotgeschäft Bei der Sammelverwahrung ist der Weg einer solchen „Trennungslösung" dagegen 2 2 0 4 nicht gangbar. Denn da gemäß oder analog § 168 S. 1 B G B mit der Geschäftsführungsbefugnis zugleich die entsprechenden Rechte im Außenverhältnis, also insbesondere die Befugnis zur Einziehung von Dividenden und Zinsen, erlöschen, müßte der Kunde diese Rechte jetzt selbst ausüben. Das kann er aber grundsätzlich nicht, solange er nicht die entsprechenden Papiere in Händen hat. Außerdem ist es für die Bank und insbesondere für einen Kassenverein auch unzumutbar und undurchführbar, etwa von der Einziehung des auf den Gemeinschuldner entfallenden Anteils an den Zinsen oder Dividenden abzusehen. Hier ist daher nur die „Einheitslösung" sachgerecht. Dabei aber muß vom Vorrang der geschäftsbesorgungsrechtlichen Elemente und folglich vom Erlöschen des Depotvertrages gemäß § 23 II K O ausgegangen werden 1 0 3 . Denn bei der Sammelverwahrung stellen die Verwaltungspflichten das dominierende und die Verwahrungspflichten das untergeordnete Element dar, und außerdem entspricht eine Fortdauer der Verwaltungspflichten und -befugnisse weder den Interessen der Bank noch denen des Kunden. 2. Der Konkurs der Bank a) Der Einfluß des Konkurses auf das Kausalgeschäft Im Konkurs der Bank ist § 23 II K O weder unmittelbar noch analog anwendbar, da 2 2 0 5 die Vorschrift nur für den Konkurs des Auftraggebers und nicht für den des Beauftragten gilt. Die Wirksamkeit des Depotvertrags wird folglich durch den Konkurs grundsätzlich nicht berührt. Auch ein außerordentliches Kündigungsrecht des Kunden besteht nicht ohne weite- 2 2 0 6 res; denn wie u. a. die §§ 19 und 22 K O zeigen, stellt der Konkurs einer Partei bei einem Dauerschuldverhältnis keineswegs ohne weiteres einen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Der Kunde bedarf dessen allerdings i. d. R. auch nicht, da er bei der Sonderverwahrung jederzeit die Rückgabe seiner Effekten nach § 695 B G B und bei der Sammelverwahrung die Auslieferung von Einzelstücken nach § 7 D e p G verlangen kann. Sind diese Ansprüche ausnahmsweise ausgeschlossen, so hängt es von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von den für die Abdingung der Ansprüche maßgeblichen Gründen ab, ob der Konkurs einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt; im Zweifel wird das zu bejahen sein, da das zu der Bank bestehende Vertrauensverhältnis durch deren Konkurs zerstört wird. Ist der Anspruch auf Aushändigung von Einzelstücken in den Emissionsbedingungen ausgeschlossen, wie das § 9 a III 2 D e p G als zulässig voraussetzt, so muß man dem Kunden doch analog § 695 B G B das Recht zugestehen, die treuhänderische Verwaltung seines Miteigentumsanteils jederzeit auf eine andere Bank zu übertragen. Der Konkursverwalter der Bank hat das Wahlrecht gemäß § 17 K O 1 0 3 . Denn da der 2 2 0 7 Depotvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist, bei dem die beiderseitigen Leistungen — Verwahrung und Verwaltung von Seiten der Bank, Zahlung der Depotgebühren von Seiten des Kunden — teilweise erst in der Zukunft zu erbringen sind, ist der Vertrag von beiden Teilen noch nicht voll erfüllt. b) Das Aussonderungsrecht des Hinterlegers In dinglicher Hinsicht ist der Kunde grundsätzlich durch ein Aussonderungsrecht 2 2 0 8 gemäß § 43 K O gesichert, da er Eigentümer der in Sonderverwahrung befindlichen Effekten bzw. Miteigentümer des Sammelbestandes ist. D a s Aussonderungsrecht kann allerdings durch die wirksame Begründung eines Pfandrechts an den Effekten zugunsten eines Dritten wie z. B. einer Zentralbank vereitelt werden (vgl. R G BankArch. Claus-Wilhelm Canaris
1109
17. Abschnitt. Das Depotgeschäft 1937/38 460, 462); in diesem Fall hat der Kunde nur eine gewöhnliche Konkursforderung bzw. allenfalls ein Ersatzaussonderungsrecht nach § 46 KO. 2209
Kein Aussonderungsrecht besteht selbstverständlich bei der unregelmäßigen Verwahrung i. S. von § 15 DepG. Denn hier geht das Eigentum an den Effekten auf die Bank über und der Kunde hat nur einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch (vgl. oben Rdn. 2139).
2210
Besonderheiten gelten ferner bei der Verwahrung mit Verfügungsermächtigung i. S. von § 13 DepG (vgl. dazu oben Rdn. 2143 f). Hier kommt es darauf an, ob die Bank vor Konkurseröffnung bereits von der Ermächtigung Gebrauch gemacht hatte oder nicht. War das der Fall, hat der Kunde nur einen obligatorischen Anspruch, der eine gewöhnliche Konkursforderung darstellt, war es dagegen nicht der Fall, ist er noch Eigentümer der Effekten und hat demgemäß auch ein Aussonderungsrecht. Daß der Konkursverwalter von einer noch nicht ausgenützten Ermächtigung noch Gebrauch macht, wird man nicht als zulässig ansehen können. Vielmehr erlischt die Ermächtigung auf Grund einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB trotz Fortbestands des Kausalverhältnisses ipso iure mit dem Konkurseintritt, da es völlig unsinnig wäre, wollte der Kunde sie auch für diesen Fall bestehen lassen (vgl. auch zu einem verwandten Probelm B G H NJW 1953 217, 218). Das steht allerdings in einem gewissen Widerspruch zur h. L. hinsichtlich der Behandlung der Vollmacht im Konkurs des Bevollmächtigten, der die Behandlung der Ermächtigung zu entsprechen hat; denn nach der h. L. läßt der Konkurs den Bestand der Vollmacht grundsätzlich unberührt (vgl. z. B. Jaeger/Lent § 23 K O Anm. 9). Diese Ansicht ist indessen schon in sich selbst fragwürdig (vgl. z. B. Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts Bd II 3 , § 51, 8) und wird den Besonderheiten der vorliegenden Problematik, wo die Fortdauer der Ermächtigung die Zerstörung eines Aussonderungsrechts nach Konkurseröffnung ermöglichen würde, jedenfalls nicht gerecht. c) Die Konkursvorrechte gemäß §§ 32 und 33 DepG
2211
Hat die Bank das Eigentum bzw. das Miteigentum des Kunden durch eine rechtswidrige Verfügung verletzt und so dessen Aussonderungsrecht zerstört, so hat dieser das Konkursvorrecht des § 32 I Ziff. 2 DepG. Wegen der Einzelheiten kann auf die Kommentierung im Rahmen des Effektengeschäfts oben Rdn. 2074 ff verwiesen werden.
2212
Daneben steht als spezifisches Institut des Depotrechts das Konkursvorrecht des § 33 DepG zugunsten der Verpfänder von Wertpapieren i. S. von § 12 II DepG. Der Rechtsgrund der Vorschrift liegt in der zwischen den Verpfändern bestehenden Risikogemeinschaft. Die Bank kann nämlich alle Papiere bis zur Gesamtsumme des den Hinterlegern gewährten Kredits verpfänden, und jedes verpfändete Papier haftet daher für den gesamten Rückkredit. Es ist folglich dem Zufall bzw. dem Belieben der Berechtigten überlassen, welches Papier verpfändet bzw. verwertet wird und welches nicht. Es wäre aber sehr unbillig, es hiervon abhängig zu machen, ob ein Hinterleger im Konkurs des Verwahrers ein Aussonderungsrecht an seinen Effekten hat oder ob er auf eine bloße Konkursforderung beschränkt ist, weil gerade seine Papiere verpfändet und verwertet wurden.
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Zum Kreis der Bevorrechtigten gehören nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes zunächst diejenigen, die eine Ermächtigung zur „regelmäßigen Verpfändung" i. S. von § 12 II DepG erteilt haben und deren Effekten auf Grund dessen ganz oder teilweise verwertet worden sind. Diesen wird man solche Hinterleger gleichstellen müssen, die 1110
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VI. Der Einfluß des Konkurses auf das Depotgeschäft eine Ermächtigung zu einer „unbeschränkten Verpfändung" i. S. von § 12 III DepG oder eine Verfügungsermächtigung i. S. von § 13 DepG erteilt haben (vgl. auch Opitz § 33 Anm. 3 c); denn zum einen schließen diese Formen der Ermächtigung die des § 12 II DepG als ein bloßes „minus" in sich ein (vgl. oben Rdn. 2144), und zum anderen paßt auch hier die Überlegung, daß es von Zufall und Belieben abhängt, welcher Kunde noch ein Aussonderungsrecht hat und welcher nicht, und daß daher zwischen den Betroffenen eine Risikogemeinschaft besteht. Dagegen fallen Hinterleger, die keine Ermächtigung erteilt hatten, deren Effekten aber gleichwohl verpfändet worden sind, nicht unter § 33 DepG. Hier geht es nämlich nicht um die Verwirklichung eines Risikos, das sich auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt, sondern um die Folgen einer unberechtigten Verfügung der Bank, die jeden beliebigen Hinterleger treffen können und daher ist nicht § 33, sondern § 32 I Ziff. 2 DepG die einschlägige Norm. Der Kunde hat dabei auch nicht die Möglichkeit, sich durch eine Genehmigung nach § 185 II BGB nachträglich das Vorrecht des § 33 DepG zu verschaffen (vgl. auch Opitz § 3 3 Anm. 3 c); denn dadurch wird er nicht rückwirkend zum Mitglied der Risikogemeinschaft, und außerdem darf man nicht zulassen, daß ein Konkursbeteiligter sich nach freier Wahl und je nach der Größe der zur Verfügung stehenden Sondermasse das eine oder das andere Konkursvorrecht aussuchen kann. Hinterleger, deren Wertpapiere zwar ordnungsgemäß verpfändet worden waren, die der Verwahrer aber trotz Beendigung der Krediteinräumung pflichtwidrig nicht pfandfrei gestellt hat, gehören dagegen zum Kreis der Bevorrechtigten gemäß § 33 DepG (vgl. auch Opitz § 33 Anm. 3 c a. E.). Zum einen sind sie nämlich nach wie vor in die Gefahrengemeinschaft eingegliedert, da die Pflichtwidrigkeit des Verwahrers daran nichts ändert, und zum anderen kommt für sie auch nicht das Konkursvorrecht des § 32 I Ziff. 2 DepG in Betracht, weil das bloße Unterlassen der Beseitigung des Pfandrechts keine Verfügung über die Effekten darstellt, sondern eine rein schuldrechtliche Pflichtverletzung ist. Die Zusammensetzung der Sondermasse, aus der die Bevorrechtigten zu befriedigen 2 2 1 4 sind, richtet sich nach § 33 Abs. 2. Danach gehören zu dieser zunächst diejenigen Effekten, die zwar verpfändet, aber nicht verwertet worden sind; darin äußert sich besonders deutlich der Gedanke der Risikogemeinschaft und das Bestreben des Gesetzes, die Rechtsstellung des Verpfänders im Konkurs von dem Zufall der Verwertung unabhängig zu machen. Weiterhin fällt in die Sondermasse der Erlös aus einer Verwertung, soweit er dem Pfandgläubiger nicht gebührt; denn hier handelt es sich wirtschaftlich gesehen um den Gegenwert der verwerteten Effekten, und es ist daher sachgerecht, diese im Wege einer Art Surrogation der Sondermasse zuzuführen. Schließlich sind deren Bestandteil auch die Forderungen aus den Kreditgeschäften mit den am Ausgleichsverfahren Beteiligten, da es sich auch hierbei wirtschaftlich gesehen um die Gegenwerte der verpfändeten Effekten handelt und da es daher unbillig wäre, diese Forderungen der allgemeinen Konkursmasse zuzusprechen. Die Verteilung der Sondermasse erfolgt nach Abs. 3 entsprechend dem Wertverhält- 2 2 1 5 nis der verpfändeten Effekten. Dabei erhalten diejenigen Hinterleger, deren Papiere bzw. Sammelbestandanteile noch vorhanden sind, diese nach Abs. 4 grundsätzlich zurück, während den übrigen eine entsprechende Geldforderung gegen die Sondermasse zusteht. Reicht diese zur vollen Befriedigung nicht aus, so haben diejenigen Kunden, die ihre Effekten zurückerhalten, nach Abs. 4 S. 2 eine Einzahlungspflicht in H ö h e der Differenz zwischen dem Schätzwert ihrer Effekten am Tage der Konkurseröffnung und dem ihnen aus der Sondermasse gebührenden Betrag; für diese Forderung Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
haften ihre Effekten kraft Gesetzes als Pfand. Im übrigen können die Hinterleger ihre Forderung nach Abs. 5 zur Konkursmasse geltend machen, soweit sie mit ihr bei der Befriedigung aus der Sondermasse ausgefallen sind. d) Der Einfluß des Konkurses auf obligatorische Ansprüche, insbesondere auf Zinsund Dividendenansprüche 2216
Die Zins- und Dividendenansprüche stehen grundsätzlich dem Kunden unmittelbar bzw. bei der Sammelverwahrung der Gemeinschaft der Hinterleger nach Bruchteilen zu und gehören daher bei einem Konkurs der Bank nicht zur Masse, sondern zu den aussonderungsfähigen Rechten bzw. gegebenenfalls zur Sondermasse nach §§ 32 III, 33 II DepG 1 0 4 . Gleichwohl ist der Schutz des Kunden in dieser Hinsicht nicht ohne weiteres gewährleistet. Eine Leistung des Zins- oder Dividendenschuldners vor Konkurseröffnung hat nämlich für diesen wegen der Einziehungsbefugnis der Bank (vgl. dazu oben Rdn. 2184 ff) unzweifelhaft befreiende Wirkung, und daher besteht die Gefahr, daß das Geleistete in die Masse fällt und der Kunde dafür nur eine gewöhnliche Konkursforderung erhält. Das ist allerdings dann unbedenklich, wenn die Zinsen oder die Dividende dem Kunden noch vor Konkurseröffnung gutgeschrieben worden sind; denn dann konnte er über das Geld verfügen und verdient daher insoweit keine bessere Stellung als hinsichtlich anderer Guthaben bei der Bank.
2217
H a t die Leistung des Schuldners dagegen nicht mehr zu einer Gutschrift für den Kunden geführt, erscheint es unbillig, ihm das Konkursrisiko aufzuerlegen, da er hier vor Konkurseröffnung keinen realisierbaren Anspruch gegen die Bank erlangt hat und man ihm daher den Gegenwert für seine Zins- oder Dividendenforderung — die, wie gesagt, nicht zum Vermögen der Bank und damit nicht zur Konkursmasse gehört — nicht einfach nehmen darf. Konstruktiv ist das allerdings schwer zu erreichen. Rein formal gesehen fällt nämlich das auf den Zins- oder Dividendenanspruch Geleistete im Gegensatz zu dem Anspruch selbst in die Masse — sei es, daß die Kundenbank eine Forderung aus einer bereits erfolgten Gutschrift gegen eine andere Bank wie z. B. eine Wertpapiersammelbank hat, sei es, daß sie einen Anspruch auf die Gutschrift hat, weil der Schuldner das Geld an eine andere Bank, insbesondere eine Wertpapiersammelbank bezahlt hat, oder sei es schließlich, daß sie durch Verrechnung von einer Schuld befreit worden ist. Auch aus der Tatsache, daß die Bank insoweit Treuhänderin des Kunden ist (vgl. oben Rdn. 2089 a. E.), ergibt sich nicht ohne weiteres etwas anderes, da die Bank das Geld nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Kunden, sondern aus dem eines Dritten erlangt hat und da einem Aussonderungsrecht daher nach der Rechtsprechung das „Unmittelbarkeitsprinzip" entgegensteht. Hier dürfte indessen der Ansatzpunkt f ü r eine sachgerechte Lösung liegen. Denn am „Unmittelbarkeitsprinzip" läßt sich nicht länger festhalten 1 0 5 . Insbesondere für den Fall von Einzahlungen auf das Konto eines Treuhänders erscheint es nicht sachgerecht (vgl. oben Rdn. 280). Auch die Tatsache, daß die Zins- und Dividendenzahlungen sich regelmäßig auf denselben Konten befinden wie nicht aussonderungsfähige Gelder, steht nicht entgegen. Das O f f e n -
104 Vgl. d a z u n ä h e r Hopt BB 1975, 402 f f ; u n k l a r Schwark A n l e g e r s c h u t z S. 114 f, d e r n i c h t k l a r g e n u g z w i s c h e n Z i n s a n s p r ü c h e n aus E f f e k t e n , die in die S o n d e r m a s s e f a l l e n , u n d Z i n s a n s p r ü c h e n aus E f f e k t e n , an d e n e n ein A u s s o n d e r u n g s r e c h t besteht, u n t e r s c h e i d e t u n d d a h e r w e d e r die S c h u t z p r o b l e m e richtig sieht n o c h mit seiner K r i tik an d e n — n u r die e r s t g e n a n n t e P r o b l e m a t i k
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b e t r e f f e n d e n — A u s f ü h r u n g e n Hopts ü b e r z e u g e n kann. Vgl. z. B. Coing D i e T r e u h a n d k r a f t p r i v a t e n R e c h t s g e s c h ä f t s , 1973, S. 177 f f ; G. Walter D a s U n m i t t e l b a r k e i t s p r i n z i p bei d e r f i d u z i a r i s c h e n T r e u h a n d , 1974, S. 113 f f ; Canaris F e s t s c h r . f ü r F l u m e , 1978, S. 411 ff m. w. N a c h w .
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VI. D e r E i n f l u ß des Konkurses auf das D e p o t g e s c h ä f t
kundigkeitsprinzip und der Gedanke des Gläubigerschutzes sind nämlich nicht verletzt, da jedermann mit der Treuhandstellung der Banken hinsichtlich der Einziehung von Zins- und Dividendenforderungen rechnen muß und da sich eine Trennung dieser Beträge von den übrigen Geldern ohne weiteres auf Grund der Buchungsunterlagen vornehmen läßt. Es bleibt daher allenfalls der Einwand, das treuhandrechtliche „Surrogationsverbot" verhindere ein Aussonderungsrecht, doch hält auch dieses Bedenken näherer Prüfung nicht stand; denn erstens ist das „Surrogationsverbot" in Wahrheit gar nicht einschlägig, weil der Schuldner der Zins- oder Dividendenforderung die Bank nur als Zahlstelle betrachtet und folglich nicht an sie, sondern an den Gläubiger leisten will, zweitens ist das „Surrogationsverbot" nur für die „Vollrechtstreuhand" entwickelt worden und kann daher nicht einfach auf eine bloße „Ermächtigungstreuhand", um die es hier allein geht, übertragen werden, und drittens ist die Geltung des „Surrogationsverbots" inzwischen sogar für dessen unmittelbaren Anwendungsbereich zumindest stark erschüttert, wenn nicht widerlegt worden 1 0 6 . Man sollte daher in Fortentwicklung des Treuhandrechts dem Kunden ein Aussonderungsrecht wegen der vor Konkurseröffnung für ihn eingezogenen, ihm aber nicht mehr gutgeschriebenen Zins- und Dividendenzahlungen geben 1 0 7 . Glaubt man diesen Weg nicht gehen zu können, so bleiben andere Lösungen zu 2 2 1 8 erwägen. Dabei könnte man vor allem an die Gewährung eines Konkursvorrechts in Analogie zu den §§ 32 f DepG denken. Hier zeigt nämlich das Gesetz, daß es den spezifisch depotrechtlichen Schutz auch auf rein obligatorische Ansprüche ausdehnen will, soweit diese den Ersatz für aussonderungsfähige Rechte darstellen. Dagegen ließe sich zwar einwenden, die §§ 32 f DepG beträfen nur solche obligatorischen Ansprüche, die sich auf das Eigentum an den Effekten beziehen, doch wiegt dieses Bedenken nicht schwer, da der Gesetzgeber das Problem des Schutzes der Zins- und Dividendenforderungen offenkundig übersehen hat und da daher eine Lücke vorliegen dürfte, für deren Ausfüllung sich die §§ 32 f DepG als sachnächste Lösung anbieten. Weniger gefährdet ist die Rechtsstellung des Kunden bei einer Leistung des Zins- 2 2 1 9 oder Dividendenschuldners nach Konkurseröffnung. Die Konkurseröffnung führt nämlich ipso iure zu einem Erlöschen der Einziehungsbefugnis der Bank. Soweit der Einzug durch einen Dritten wie z. B. eine Wertpapiersammelbank erfolgt, ergibt sich das schon aus § 23 II K O in Verbindung mit unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 168 S. 1 BGB; denn die Kundenbank hat hier die Stellung des Hinterlegers (vgl. oben Rdn. 2158), und der Konkurs des Hinterlegers hat nach § 23 II K O die Beendigung des Depotvertrags oder zumindest der in diesem enthaltenen geschäftsbesorgungsrechtlichen Elemente und damit gemäß oder analog § 168 S. 1 BGB auch das Erlöschen der Einziehungsbefugnis zur Folge (vgl. oben Rdn. 2203 f). Das gleiche muß aber auch bei einer Einziehung durch die Kundenbank selbst gelten. Zwar ist in diesem Falle nicht § 23 II K O anwendbar, weil es jetzt nicht um den Konkurs des Hinterlegers, sondern um den des Verwahrers geht und für diesen § 23 II K O nicht gilt (vgl. oben Rdn. 2205), doch erlischt die Einziehungsbefugnis gleichwohl, weil ihr Fortbestand der Interessenlage und dem mutmaßlichen Parteiwillen kraß widerspricht und daher gemäß §§ 157, 242 BGB als ausgeschlossen anzusehen ist 108 . Der Konkursver106 Vgl. Strauch Mehrheitlicher Rechtsersatz, 1972, S. 204 ff und S. 223 f; i. E. ähnlich auch Coing aaO S. 118 nach Fn. 38. 107 Vgl. auch Canaris Festschr. zum 100-jährigen Bestehen der Konkursordnung, 1977, S. 106 f;
vgl. ferner zu einem ähnlichen Problem bei der Verwahrung ausländischer Effekten Paul WM 1975, 2 ff; unklar Schwark aaO (oben Fn. 104). 108 Vgl. auch in verwandtem Zusammenhang B G H 2 54, 5; B G H N J W 1953, 217.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
walter bzw. der Drittverwahrer hat also bei Konkurs der Kundenbank kein Recht zur Einziehung der Zins- und Dividendenansprüche. Freilich ist es denkbar, daß es gleichwohl zu einem Einzug der Ansprüche kommt. Der Schutz des Kunden gegenüber einer unbefugten Forderungseinziehung läßt sich jedoch verhältnismäßig weitgehend gewährleisten. Allerdings wird der Zins- oder Dividendenschuldner durch die Leistung an die Bank frei, sofern er nicht bösgläubig ist; denn die Bank wird i. d. R. nach wie vor im Besitz der Zins- oder Dividendenscheine sein, und daher kann an sie gemäß oder analog § 793 I 2 BGB mit befreiender Wirkung geleistet werden — sei es, daß die Kundenbank selbst die Effekten verwahrt und der Konkursverwalter die Ansprüche einzieht, sei es, daß die Papiere bei einer Wertpapiersammelbank liegen und die Forderungen von dieser eingezogen werden. Der Kunde ist dann jedoch zumindest durch einen Bereicherungsanspruch gemäß § 816 II BGB geschützt. Dieser richtet sich bei einem Einzug durch die Wertpapiersammelbank unmittelbar gegen diese und bei einem Einzug durch den Konkursverwalter gegen die Masse; im letzteren Fall entsteht eine Masseschuld gemäß § 59 Ziff. 3 K O — sofern man nicht ohnehin auf Grund der in der vorigen Anmerkung entwickelten Überlegungen ein Aussonderungsrecht oder ein Konkursvorrecht gewährt. Bejaht man entgegen der hier vertretenen Ansicht grundsätzlich den Fortbestand der Einziehungsbefugnis, so hat der Kunde doch jedenfalls die Möglichkeit zu einer fristlosen Beendigung des Depotvertrags und damit zu einer Beendigung der Einziehungsbefugnis (vgl. oben Rdn. 2206); außerdem dürfte die Einziehungsbefugnis auch als solche nach § 168 S. 2 bzw. § 183 BGB jederzeit widerruflich sein. H a t der Konkursverwalter schon vorher die Forderung eingezogen, entsteht eine Masseschuld nach § 59 Ziff. 1 KO. H a t ein Drittverwahrer, insbesondere eine Wertpapiersammelbank den Einzug vorgenommen, so darf das Geld nach § 242 BGB nicht an die in Konkurs gefallene Kundenbank weitergeleitet werden, sondern muß den Zins- oder Dividendengläubigern auf einem Sonderkonto zur Verfügung gehalten werden; anderenfalls können diese Schadensersatzansprüche gegen den Drittverwahrer haben (vgl. zur Anspruchsgrundlage oben Rdn. 2163 ff). 2220
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Die im Vorstehenden entwickelten Regeln gelten grundsätzlich entsprechend für die Einziehung anderer Forderungen aus Wertpapieren, insbesondere f ü r die Geltendmachung der RückZahlungsforderung aus einer Anleihe. Auch hier ist also zu differenzieren zwischen einer Gutschrift vor Konkurseröffnung, die dem Kunden nur eine gewöhnliche Konkursforderung gewährt, einer Einziehung vor Konkurseröffnung ohne Erteilung einer Gutschrift für den Kunden, bei der diesem nach dem oben Rdn. 2217 f Gesagten ein Aussonderungsrecht oder zumindest ein Konkursvorrecht analog § 32 DepG zu gewähren ist, und einer Einziehung nach Konkurseröffnung, bei der die in Rdn. 2219 dargestellten Ansprüche gegeben sind. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang besonders zu beachten, daß vor Fälligkeit der betreffenden Forderung grundsätzlich keine Einziehungsbefugnis der Bank besteht (vgl. oben Rdn. 2184 a. E.). Zur Ausübung von Bezugsrechten vgl. unten Rdn. 2270.
VII. Richtlinien für die Depotprüfung Literatur: Spietb/Krumb 2222
Die Depotprüfung, 1975
Der Bankkunde hat i. d. R. nicht den geringsten Einblick in die Interna der Geschäftsführung und er kann daher praktisch kaum überprüfen, ob die Bank allen ihren Pflichten ihm gegenüber wie z. B. der Pflicht zur Unterlassung unzulässiger Verfügungen über die Effekten oder der Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung des Ver1114
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VII. Die Richtlinien für die Depotprüfung wahrungsbuchs nachkommt. D e r privatrechtliche Schutz des Effekten- und D e p o t k u n den, den das D e p o t g e s e t z geschaffen hat, wird daher durch öffentlich-rechtliche Schutzmaßnahmen ergänzt. D e r e n wichtigste ist die durch § 30 K W G vorgeschriebene Depotprüfung. Sie hat einmal jährlich zu erfolgen und wird durch besondere D e p o t prüfer v o r g e n o m m e n , die das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen o d e r auf Grund einer entsprechenden Übertragung des Bestellungsrechts die Deutsche Bundesbank einsetzt. D i e D e p o t p r ü f u n g hat sich nach § 30 I 1 K W G grundsätzlich auf alle Effektenund D e p o t g e s c h ä f t e zu erstrecken und muß sich nach Satz 2 auch auf die Einhaltung der Pflichten g e m ä ß §§ 128 und 135 A k t G beziehen. D e r Kreis der z u überprüfenden Kreditinstitute umfaßt nach § 30 I 1 K W G alle, die das Effektengeschäft o d e r das D e p o t g e s c h ä f t betreiben. D a z u gehören auch die Wertpapiersammelbanken (vgl. auch Schönle § 41 II 4 c). Ü b e r Art, U m f a n g und Zeitpunkt der D e p o t p r ü f u n g hat das Bundesaufsichtsamt durch die Bekanntmachung v o m 16. 12. 1970 (Bundesanzeiger N r . 239 v o m 23. 12. 1970) auf Grund der §§ 6 I, 30 II 1 K W G Richtlinien für die D e p o t p r ü f u n g erlassen, deren T e x t im f o l g e n d e n abgedruckt ist.
Bekanntmachung über Art, U m f a n g und Zeitpunkt der D e p o t p r ü f u n g (Richtlinien für die Depotprüfung) des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 16. Dezember 1970 (Bundesanzeiger Nr. 239 vom 23. Dezember 1970)
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Inhaltsübersicht 1. Prüfungspflicht 2. Negativerklärung 3. Befreiung von der Depotprüfung 4. Eignung zum Depotprüfer 5. Bestellung zum Depotprüfer 6. Rechte und Pflichten des Depotprüfers 7. Zeitpunkt der Prüfung und Prüfungszeitraum 8. Gegenstand und Umfang der Depotprüfung 9. Prüfungsbericht 10. Feststellung von Mängeln 11. Schlußbestimmungen Auf Grund des § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 30 Abs. 2 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 (Bundesgesetzblatt I S. 881) — KWG — wird folgendes bestimmt: 1. Prüfungspflicht (1) Der Depotprüfung unterliegen sämtliche Kreditinstitute, die Wertpapiere im Wege des Kommissionsgeschäfts, des Kommissionsgeschäfts mit Selbsteintritt und des Eigenhandels für andere anschaffen und veräußern (Effektengeschäft) oder für andere verwahren oder verwalten (Depotgeschäft). Zweigstellen eines Kreditinstituts werden in die Depotprüfung einbezogen, wenn sie Effekten- oder Depotgeschäfte betreiben. (2) Wertpapiere im Sinne dieser Richtlinien sind außer den in § 1 DepG bezeichneten die Anteile an sammelverwahrten Schuldbuchforderungen an den Bund oder an ein Sondervermögen des Bundes, die a- und c-Ansprüche (vgl. § 14 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Wertpapierbereinigungsgesetzes vom 12. Juli 1951 — Gesetz und Verordnungsblatt für Berlin S. 530) sowie Rechte aus schwebenden Anmeldungen und die in Wertpapierrechnung verbuchten Rechte einschließlich der Forderungen. Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft (3) Die Prüfungspflicht besteht unabhängig davon, ob das Effekten- oder Depotgeschäft für Kreditinstitute oder die sonstige Kundschaft, einschließlich der Angehörigen oder Verwandten des Inhabers oder des Geschäftsleiters des Kreditinstituts, entgeltlich oder unentgeltlich betrieben wird. Auf die Prüfungspflicht ist es ferner ohne Einfluß, ob das Kreditinstitut Wertpapiere der Kundschaft selbst verwahrt oder verwaltet oder unter seinem Namen bei einem anderen Kreditinstitut verwahren oder verwalten läßt, ob bei Ankaufsgeschäften die Wertpapiere sofort nach Anschaffung an den Kunden ausgeliefert (Tafelgeschäft) oder von dem ankaufenden Kreditinstitut bei sich selbst oder bei einem anderen Kreditinstitut verwahrt oder verwaltet werden und zu welchem Zweck Wertpapiere verwahrt oder verwaltet werden (Pfand- oder Sicherheitsdepot). Die Prüfungspflicht besteht auch bei der unregelmäßigen Verwahrung von Wertpapieren im Sinne von § 15 DepG. (4) Das Effektengeschäft wird nicht mehr betrieben, wenn sämtliche An- und Verkaufsgeschäfte im Sinne der Nummer 1 Abs. 1 ordnungsgemäß abgewickelt worden sind. Das Depotgeschäft wird nicht mehr betrieben, wenn sämtliche Depotverhältnisse beendet sind, d. h. insbesondere die Wertpapiere an die Kundschaft zurückgegeben, im Auftrag der Kundschaft an andere ausgeliefert oder die Depotverhältnisse mit Zustimmung der Kunden auf ein anderes Kreditinstitut übertragen worden sind. Sofern nur noch Aufgaben im Wertpapierbereinigungsverfahren zu erfüllen sind, endet die Prüfungspflicht mit Übertragung der noch zu erfüllenden Aufgaben auf ein anderes Kreditinstitut.
2. Negativerklärung Kreditinstitute, die weder Effekten- noch Depotgeschäfte im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 K W G betrieben haben, obwohl sie die hierzu erforderliche Erlaubnis besitzen, haben am 1. April eines jeden Jahres gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (Bundesaufsichtsamt) unter Übersendung einer Durchschrift an die zuständige Landeszentralbank folgende Erklärung abzugeben: „Das unterzeichnende Kreditinstitut versichert, daß es nach Erlaubniserteilung — nach Abschluß der Depotprüfung vom — nach Abgabe der Erklärung vom — (nicht Zutreffendes streichen) weder Effekten- noch Depotgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 K W G betrieben hat. Es verpflichtet sich, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen unverzüglich von jeder Tätigkeit zu unterrichten, die eine Prüfungspflicht begründen könnte. , den Stempel und Unterschrift" Sparkassen und Kreditgenossenschaften haben die Erklärung dem Bundesaufsichtsamt und der zuständigen Landeszentralbank über ihren Verband einzureichen. 3. Befreiung von der jährlichen Depotprüfung (1) Kreditinstitute, die gemäß § 30 Abs. 1 KWG in der Regel jährlich der Depotprüfung unterliegen, können wegen des geringen Umfanges der von ihnen betriebenen Effekten- oder Depotgeschäfte auf schriftlichen Antrag durch das Bundesaufsichtsamt gemäß § 31 Abs. 2 K W G von der jährlichen Depotprüfung widerruflich freigestellt werden. Anträge von Sparkassen und Kreditgenossenschaften sind dem Bundesaufsichtsamt über ihren Verband einzureichen. Der Antrag ist mit einer Stellungnahme des Verbandes zu versehen, die insbesondere erkennen läßt, ob das Kreditinstitut das Effekten- und Depotgeschäft nach dem Ergebnis der Depotprüfungen der letzten drei Jahre ordnungsgemäß betrieben hat oder welche Beanstandungen zu verzeichnen waren. Eine Durchschrift des Antrages auf Freistellung ist der zuständigen Landeszentralbank zu übersenden. (2) Der Freistellungsantrag muß Angaben enthalten über a) die Anzahl der Depots,
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VII. Die Richtlinien für die Depotprüfung b) den Nennbetrag oder, soweit Wertpapiere keinen Nennwert haben oder usancegemäß nach der Stückzahl gehandelt werden, die Stückzahl der für fremde Rechnung verwahrten oder verwalteten Wertpapiere im Sinne der Nummer 1 Abs. 2 und c) die Anzahl und den Rechnungsbetrag der während der letzten 12 Monate für andere ausgeführten Effektengeschäfte. 4. Eignung zum Depotprüfer Zu Depotprüfern können Wirtschaftsprüfer, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die Prüfungsstellen der Sparkassen- und Giroverbände und die genossenschaftlichen Prüfungsverbände bestellt werden. 5. Bestellung zum Depotprüfer Die Depotprüfer werden von dem Bundesaufsichtsamt bestellt, sofern dieses nicht die Bestellung in Einzelfällen der Deutschen Bundesbank übertragen hat. 6. Rechte und Pflichten des Depotpriifers (1) Die Depotprüfer haben das Recht, im Rahmen ihres Auftrages Einsicht in sämtliche Bücher und Schriften des Kreditinstituts zu nehmen und von diesem und den Mitgliedern seiner Organe Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu verlangen, die für eine ordnungsgemäße Depotprüfung erforderlich sind. Die Depotprüfer sind auch berechtigt, zum Zwecke der Depotprüfung auf die außerhalb des eigentlichen Effekten- und Depotgeschäfts liegenden Geschäftsvorgänge zurückzugreifen, Einsicht in die internen Revisionsberichte zu nehmen und erforderlichenfalls das Kreditinstitut zu veranlassen, von dritten Personen Auskünfte und Erklärungen einzuholen. (2) Die Depotprüfer und die bei der Durchführung der Depotprüfung mitwirkenden Personen dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Kreditinstituts oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten. (3) Weigert sich das Kreditinstitut, die Prüfung vornehmen zu lassen oder wird der Prüfer in anderer Weise an der Wahrnehmung seiner Rechte behindert, so hat er darüber dem Bundesaufsichtsamt und der zuständigen Landeszentralbank unverzüglich zu berichten. 7. Zeitpunkt der Prüfung und Prüfungszeitraum (1) Die Depotprüfung findet in der Regel einmal im Kalenderjahr statt. Der Zeitpunkt der Prüfung ist von dem Depotprüfer unregelmäßig zu bestimmen. Hierbei ist darauf zu achten, daß die Prüfungen möglichst nicht überwiegend in der zweiten Hälfte eines Kalenderjahres angesetzt werden. (2) Die Depotprüfung muß unangemeldet durchgeführt werden. Trägt das zu prüfende Kreditinstitut dem Depotprüfer Gründe vor, die eine Verlegung der Prüfung gerechtfertigt erscheinen lassen, so ist dem Bundesaufsichtsamt und der zuständigen Landeszentralbank unverzüglich zu berichten. (3) Prüfungszeitraum ist der Zeitraum zwischen der Aufnahme der Effekten- oder Depotgeschäfte bzw. der letzten Depotprüfung (Beginn oder Stichtag) und dem Zeitpunkt der folgenden Depotprüfung (Beginn oder Stichtag). 8. Gegenstand und Umfang der Depotprüfung (1) Die Prüfung hat sich auf alle Teilgebiete des Effekten- und Depotgeschäfts sowie auf die Einhaltung der Bestimmungen der §§ 128 und 135 AktG zu erstrecken. Der Depotprüfer kann sich nach pflichtgemäßem Ermessen auf Stichproben beschränken, sofern nicht in Einzelfällen eine lückenlose Prüfung erforderlich ist. Die Stichproben sollen möglichst bei allen Zweigen des Wertpapiergeschäfts und bei jeder Prüfung verschiedenartig vorgenommen werden. Sie müssen Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft den gesamten Prüfungszeitraum erfassen und in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der jeweiligen Geschäfte stehen. (2) Ergeben sich bei einer stichprobenweise durchgeführten Prüfung Mängel oder sonstige Zweifel hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Depothandhabung, so ist die Prüfung über die Stichproben hinaus auszudehnen, bis der Prüfer die Uberzeugung gewonnen hat, daß es sich nur um vereinzelte und unwesentliche Mängel handelt. Andernfalls hat er eine Gesamtprüfung vorzunehmen. Ergeben sich Zweifel darüber, ob es sich um vereinzelte oder unwesentliche Mängel handelt, so ist mit dem Bundesaufsichtsamt unverzüglich Fühlung aufzunehmen und die zuständige Landeszentralbank zu unterrichten. (3) Bei Kreditinstituten mit mehr als zehn das Effekten- oder Depotgeschäft betreibenden Zweigstellen kann der Depotprüfer nach pflichtgemäßem Ermessen bei einzelnen Zweigstellen von einer jährlichen Prüfung absehen, wenn das Effekten- und Depotgeschäft dieser Zweigstellen unbedeutend ist und ihm nachgewiesen wird, daß bei sämtlichen Zweigstellen des betreffenden Kreditinstituts regelmäßig interne Revisionen stattfinden und sich hierbei wesentliche Beanstandungen nicht ergeben haben. Auch diese Zweigstellen sind jedoch mindestens alle vier Jahre in die Depotprüfung einzubeziehen.
9. Prüfungsbericht (1) Der Prüfungsbericht ist alsbald nach Abschluß der Depotprüfung zu erstatten und in je einem Exemplar dem Bundesaufsichtsamt und der zuständigen Landeszentralbank zuzuleiten, sofern nicht auf seine Einreichung verzichtet wird. Aus dem Prüfungsbericht muß ersichtlich sein, wer die Depotprüfung an Ort und Stelle geleitet hat. (2) Der Depotprüfer hat über den Umfang der von ihm durchgeführten Prüfungshandlungen zu berichten. Er kann in seinem Prüfungsbericht auf frühere Prüfungsberichte, die nicht länger als drei Jahre zurückliegen, verweisen, wenn sich keine Veränderungen ergeben haben. Der Prüfungsbericht muß jedoch in jedem Falle darüber Aufschluß geben, ob das Effekten- und Depotgeschäft des geprüften Kreditinstituts ordnungsgemäß betrieben worden ist, insbesondere den gesetzlichen Vorschriften und den in der Anlage bekanntgegebenen Hinweisen des Bundesaufsichtsamtes über die materiellen Prüfungserfordernisse entsprochen hat. Er muß Angaben zu den folgenden Teilgebieten des Effekten- und Depotgeschäfts und zu den insoweit vorgenommenen Prüfungshandlungen sowie zu der innerbetrieblichen Organisation des geprüften Kreditinstituts enthalten: a) Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren im Sinne der Nummer 1 Abs. 2 für andere (Sonder- und Sammelverwahrung, Drittverwahrung, Drittverwahrung bei ausländischen Kreditinstituten); b) Verfügungen über Kundenwertpapiere und Ermächtigungen im Sinne der §§ 10 bis 13 und 15 DepG; c) Kommissionsgeschäfte, Kommissionsgeschäfte mit Selbsteintritt, Eigenhandel auf Grund von Kundenaufträgen einschließlich der sich aus §$400, 401 H G B ergebenden Pflichten und der vertraglichen Verpflichtung, Kundenaufträge in zum amtlichen Handel zugelassenen Aktien über die Börse zu leiten; d) Übertragung des Eigentums gemäß §5 18, 24 und 26 DepG unter Berücksichtigung der fristgemäßen Erfüllung der Deckungsgeschäfte, insbesondere im Hinblick auf die usancegemäße Auflösung der Aufgabe- oder Folgtscheine von Maklern; e) Aussetzung der Übersendung des Stückeverzeichnisses gemäß §§ 19 bis 21 DepG; f) Depotbuchführung; die Buchungsverfahren sind besonders darzustellen und zu beurteilen, wenn sie von den Grundsätzen der in der Anlage unter Nummer 12 Abs. 4 und Abs. 5 aufgeführten Buchungssysteme abweichen; g) Depotabstimmung; h) Angaben über den Umfang des Effekten- und Depotgeschäfts (Anzahl der Kundendepots, Nennbetrag oder Stückzahl der Kundenwertpapiere — vgl. Nummer 3 Abs. 2 b — und Umsatz des Effektengeschäfts in runder Summe);
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VII. Die Richtlinien f ü r die D e p o t p r ü f u n g i)
Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formularwesen;
k) Angabe der Prüfungskosten, soweit sie dem Bundesaufsichtsamt nicht gesondert mitgeteilt werden. (3) Der Prüfungsbericht muß Angaben darüber enthalten, ob und wie das Kreditinstitut seine Verpflichtungen nach den §§ 128 und 135 AktG erfüllt hat. Dabei ist auch auf folgende Punkte einzugehen: a) Unverzügliche und vollständige Weiterleitung der Mitteilungen (§§ 125 Abs. 1, 128 Abs. 1 AktG), Führung der Kontrollnachweise zu § 128 Abs. 1 und 2 AktG (vgl. Nr. 14 Abs. 5 der Anlage) mit Angabe der Zeiträume, die zwischen der Hauptversammlung und den Zeitpunkten liegen, von denen ab die Nachweise nicht mehr ergänzt werden. Sind Mitteilungen ausnahmsweise nicht weitergeleitet worden, ist anzugeben, welche Gründe hierfür maßgebend waren; b) Schriftliche Unterlagen des Kreditinstituts über die Gründe, die zu seinen Stimmrechtsausübungsvorschlägen (§ 128 Abs. 2 AktG) geführt haben. (4) Ist ein Kreditinstitut als Depotbank im Sinne des § 12 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 1970 (Bundesgesetzblatt I S. 127) oder im Sinne des § 2 Nr. 2 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen vom 28. Juli 1969 (Bundesgesetzblatt I S. 986) tätig, so ist im Prüfungsbericht über diese Tätigkeit in einem besonderen Abschnitt zu berichten. Er muß Angaben zu folgenden Punkten enthalten: a) Feststellungen über die Verwahrung von Wertpapieren eines Sondervermögens nach § 12 Abs. 3 K A G G sowie die Bezeichnung des Sperrdepots im Verwahrungsbuch und auf den die Wertpapiere umschließenden Hüllen; b) P r ü f u n g der Zusammensetzung des Sondervermögens unter den Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1, 2 und 6 K A G G zu einem Stichtag während der Depotprüfung; c) Feststellung etwaiger Belastung (§ 9 Abs. 2 KAGG); d) lückenlose P r ü f u n g der letzten Bestätigung der Anzeige nach § 25 Abs. 2 KAGG, soweit sie das Wertpapiervermögen betrifft. (5) In dem Prüfungsbericht ist anzugeben, welche Zweigstellen geprüft worden sind und aus welchen Gründen von der P r ü f u n g einer Zweigstelle abgesehen worden ist. Soweit Zweigstellen keine Effekten- oder Depotgeschäfte betreiben, ist dies besonders zu vermerken. (6) In einer Schlußbemerkung ist zusammenfassend zu den Tätigkeiten im Effekten- und Depotgeschäft sowie zur Einhaltung der aktienrechtlichen Vorschriften über die Mitteilungen gemäß § 128 AktG und die Ausübung des Stimmrechts gemäß § 135 AktG Stellung zu nehmen und zu beurteilen, ob das Kreditinstitut das Wertpapiergeschäft ordnungsgemäß betrieben und insbesondere den gesetzlichen Vorschriften und den Hinweisen des Bundesaufsichtsamtes über die materiellen Prüfungserfordernisse entsprochen hat. Der Depotprüfer hat den Prüfungsbericht mit Angabe von Ort und T a g zu unterzeichnen. (7) Der Prüfungsbericht ist dem geprüften Kreditinstitut vom Depotprüfer auszuhändigen, wenn die Depotprüfung zu wesentlichen Beanstandungen keinen Anlaß gegeben hat. Haben sich dagegen wesentliche Beanstandungen ergeben oder besteht der Verdacht strafbarer Handlungen im Geschäftsbereich des Kreditinstituts, so ist der Prüfungsbericht dem geprüften Kreditinstitut nicht zu übergeben, sondern in doppelter Ausfertigung dem Bundesaufsichtsamt einzureichen. D e r zuständigen Landeszentralbank ist gleichfalls ein Bericht zuzuleiten. (8) Der Depotprüfer ist berechtigt, sich über die Prüfung Aufzeichnungen zu machen und diese Prüfungsunterlagen, soweit sie zur Berichterstattung notwendig sind, an sich zu nehmen. Geschäftsunterlagen des geprüften Kreditinstituts darf der Prüfer nur mit dessen ausdrücklicher Zustimmung an sich nehmen. Die wesentlichen Prüfungsaufzeichnungen sind von dem Depotprüfer versiegelt dem geprüften Kreditinstitut zu übergeben. Wird die Depotprüfung von einer Prüfungsstelle eines Sparkassen- und Giroverbandes oder von einem genossenschaftlichen Prüfungs-
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft verband durchgeführt, so können die Prüfungsaufzeichnungen auch bei diesen Prüfungseinrichtungen aufbewahrt werden. Die Unterlagen sind mindestens sieben Jahre aufzubewahren. 10. Feststellung von Mängeln (1) Stellt der Prüfer Mängel in der Handhabung des Effekten- oder Depotgeschäfts fest, die nicht während der laufenden P r ü f u n g beseitigt werden können, so hat er den Abschluß der Prüfung so lange auszusetzen, bis er sich von der Abstellung der Mängel überzeugt hat. Bei unwesentlichen Mängeln, die nicht zu einer Schädigung von Kunden führen können, hat der Depotprüfer dem Kreditinstitut zu ihrer Beseitigung eine Frist, die vier Wochen nicht überschreiten darf, zu gewähren. Bei wesentlichen Mängeln, insbesondere solchen Mängeln, die zu einer Schädigung führen können, bei Verdacht strafbarer Handlungen und bei unwesentlichen Mängeln, die nicht innerhalb von vier Wochen beseitigt werden können oder nicht innerhalb der gesetzten Frist beseitigt worden sind, hat der Depotprüfer sofort das Bundesaufsichtsamt und die zuständige Landeszentralbank zu unterrichten. O b die Prüfung zu unterbrechen oder abzuschließen ist, entscheidet das Bundesaufsichtsamt. (2) Ist dem Kreditinstitut von dem Depotprüfer oder dem Bundesaufsichtsamt eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt worden, so hat der Depotprüfer im Prüfungsbericht unter Darstellung der Mängel anzugeben, daß er sich von deren Beseitigung überzeugt hat. Bei organisatorisch bedingten Mängeln ist im Prüfungsbericht darzulegen, welche organisatorischen Maßnahmen von dem Kreditinstitut getroffen worden sind, um derartige Mängel in der Z u k u n f t zu vermeiden. 11. Schlußbestimmungen (1) Die nach § 35 Abs. 2 des Reichsgesetzes über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934 (Reichsgesetzblatt I S. 1203) und nach § 33 Abs. 2 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 25. September 1939 (Reichsgesetzblatt I S. 1955) ergangenen Anordnungen und Erlasse der früheren Bankaufsichtsbehörden werden aufgehoben. (2) Diese Bekanntmachung gilt ab 1. Januar 1971.
Hinweise über die materiellen Prüfungserfordernisse Inhaltsübersicht 1. Sonderverwahrung 2. Sammelverwahrung 3. Drittverwahrung 4. Unregelmäßige Verwahrung 5. Verwaltung der Kundenwertpapiere 6. Verpfändung 7. Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum 8. Effektengeschäft 9. Übersendung des Stückeverzeichnisses 10. Aussetzung der Ubersendung des Stückeverzeichnisses 11. Erfüllung durch Übertragung von Miteigentum am Sammelbestand 12. Buchführung 13. Depotabstimmung 14. Mitteilungspflicht nach § 128 AktG 15. Ausübung des Stimmrechts 1. Sonderverwahrung (1) Der Verwahrer ist verpflichtet, die Wertpapiere des Hinterlegers gesondert von seinen eigenen Beständen und von denen Dritter in Streifbändern, Mappen, Umschlägen oder anderen geeigneten Hüllen aufzubewahren. Auf der Hülle ist der N a m e des Hinterlegers oder die Depot-
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VII. Die Richtlinien für die Depotprüfung nummer, und, wenn der Hinterleger Kreditinstitut ist, auch die Depotart anzugeben. Die von der Hülle umschlossenen Wertpapiere sollen auf ihr vermerkt werden. Werden für die Umhüllung keine Streifbänder verwendet, so kann statt der Inhaltsangaben auf der Hülle ein Inhaltsverzeichnis beigefügt werden. Die Bezeichnung des Hinterlegers auf dem Wertpapier selbst ist nicht statthaft. (2) Ohne ausdrücklichen Auftrag oder Ermächtigung des Depotinhabers ist das Kreditinstitut nicht befugt, über die im Eigentum des Kunden stehenden Wertpapiere zu verfügen. Dies gilt auch für Wertpapiere von Angehörigen oder Verwandten des Inhabers oder des Geschäftsleiters des Kreditinstituts. (3) Verloste oder gekündigte Wertpapiere sind von den nicht fälligen Wertpapieren derselben Art zu trennen und für jeden Hinterleger nach Maßgabe des Abs. 1 gesondert zu verwahren. (4) Mäntel und Bögen sind grundsätzlich nach Maßgabe des Abs. 1 getrennt aufzubewahren. Mit der Verwahrung der Mäntel und Bögen ist je ein Sachbearbeiter zu beauftragen. Die Sachbearbeiter dürfen sich nicht gegenseitig vertreten und auch nicht das Depotbuch führen. Wird ein Wertpapier in der Form einer einzigen Urkunde verwahrt, so ist dieses Wertpapier von zwei Sachbearbeitern unter Doppelverschluß zu nehmen. 2. Sammelverwahrung (1) Zu einem Sammelbestand dürfen nur vertretbare Wertpapiere derselben Art vereinigt werden. Bei fn Gruppen auslosbaren Wertpapieren ist jede Gruppe als eine Wertpapierart zu behandeln, sobald den einzelnen Gruppen besondere Wertpapier-Kenn-Nummern zugeteilt worden sind. Einzelne auslosbare Wertpapiere sind girosammelverwahrfähig, solange von der Auslosung kein Gebrauch gemacht wird und sichergestellt ist, daß die beabsichtigte Auslosung rechtzeitig bekanntgemacht wird, damit die betreffenden Wertpapiere vor der Verlosung aus der Sammelverwahrung herausgenommen werden können. Vinkulierte und nicht voll eingezahlte Namensaktien dürfen nicht in Sammelverwahrung genommen werden. Schuldbuchforderungen, die im Bundesschuldbuch oder dem Schuldbuch eines Sondervermögens des Bundes auf den Namen einer Wertpapiersammelbank eingetragen sind, gelten gemäß § 2 der Verordnung über die Behandlung von Anleihen des Deutschen Reiches im Bank- und Börsenverkehr vom 31. Dezember 1940 (Reichsgesetzbl. 1941 I S. 21) als Teil des Sammelbestandes der Wertpapiersammelbank. Auf sie finden die Grundsätze der Sammelverwahrung Anwendung. (2) Die effektiv eingelieferten oder bereits in Sonderverwahrung befindlichen Kundenwertpapiere dürfen von dem Verwahrer nur auf Grund einer ausdrücklichen und schriftlichen Ermächtigung des Hinterlegers in die Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank gegeben oder in die Haussammeiverwahrung bei sich oder einem Dritten genommen werden. Die Ermächtigung darf weder in Geschäftsbedingungen des Verwahrers enthalten sein noch auf andere Urkunden verweisen. Einer Ermächtigung zur Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank bedarf es nicht, wenn dem Verwahrer im Wege des stückelosen Girosammeiverkehrs zugunsten des Hinterlegers Sammelbestandanteile gutgeschrieben werden oder wenn der Verwahrer dem Hinterleger gemäß § 24 Abs. 2 DepG Miteigentum an den zum Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank gehörenden Wertpapieren und Schuldbuchforderungen verschafft. (3) Die Ermächtigung zur Haussammeiverwahrung muß für jedes Verwahrungsgeschäft besonders erteilt werden und sowohl den Nennbetrag bzw. die Stückzahl als auch die Nummern der für die Sammelverwahrung bestimmten Wertpapiere enthalten. Eine Ermächtigung zur Haussammelverwahrung ist auch dann erforderlich, wenn zu den bereits in Haussammeiverwahrung befindlichen Wertpapieren Stücke derselben Art hinzugefügt werden sollen. Die Ermächtigung sollte folgenden Wortlaut haben: „Datum Ich — wir — ermächtige(n) Sie, die nachstehend verzeichneten Wertpapiere ungetrennt von Ihren eigenen Beständen und den Beständen Dritter bei sich selbst oder durch einen Dritten in Sammelverwahrung aufzubewahren. Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft Nennbetrag oder Stückzahl
Wertpapier
Stückenummern
Unterschrift" (4) Die Ermächtigung zur Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank braucht nicht für jedes Verwahrungsgeschäft besonders erteilt zu werden, sondern ist auch für alle zukünftigen Verwahrungsgeschäfte zulässig. Sie sollte folgenden Wortlaut haben: „Datum Ich — wir — ermächtige(n) Sie, alle Ihnen von mir — uns — anvertrauten oder künftig noch anzuvertrauenden Wertpapiere, soweit geeignet, einer Wertpapiersammelbank zur Sammelverwahrung anzuvertrauen. Unterschrift" (5) Wertpapiere, die bei einem Kreditinstitut mit der Bestimmung zur Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank eingeliefert werden, müssen auch sobald als möglich der Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank zugeführt werden. Eine vorläufige Verwahrung bei dem Kreditinstitut bis zur endgültigen Überführung in das Girosammeidepot darf einen für die technische Durchführung der Einlieferung gebotenen Zeitraum, der nicht mehr als fünf Tage betragen darf, nicht überschreiten. Eine etwaige längere vorläufige Verwahrung ist nach den Vorschriften über die Sonderverwahrung durchzuführen. Hat das Kreditinstitut auf Grund eines Auslieferungsverlangens des Kunden Wertpapiere aus dem Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank sich ausliefern lassen, so sind die ausgelieferten Wertpapiere sobald als möglich an den Kunden weiterzugeben. Werden sie nicht binnen fünf Tagen seit Eingang weitergegeben, so sind sie für den Kunden in Sonderverwahrung zu nehmen. (6) Will der Verwahrer gemäß § 5 Abs. 2 DepG dem Hinterleger — anstatt das eingelieferte Stück in Sammelverwahrung zu geben — einen entsprechenden Sammelbestandanteil übertragen, so muß dies so bald als möglich geschehen. Solange ein solcher Sammelbestandanteil nicht übertragen worden ist, muß das von dem Hinterleger eingelieferte Stück in Sonderverwahrung gehalten werden. (7) Haussammeldepotbestände sowie Vor- und Nachgirobestände sind im Tresor getrennt voneinander aufzubewahren und als solche zu kennzeichnen. (8) Nummer 1 Abs. 2 gilt sinngemäß. 3. Drittverwahrung (1) Die einem Kreditinstitut zur Verwahrung übergebenen Kundenwertpapiere können einem anderen Kreditinstitut zur Sonder- oder Sammelverwahrung anvertraut werden. Zweigstellen eines Kreditinstituts gelten untereinander und in ihrem Verhältnis zur Hauptstelle auch dann als verschiedene Verwahrer, wenn die Zweigstellen und die Hauptstelle an demselben O r t tätig sind und die Kundenwertpapiere unter der Bezeichnung der Zweigstelle oder deren Kennziffer verwahrt werden. (2) Der Zwischenverwahrer darf dem Drittverwahrer Ermächtigungen gemäß $ 5 DepG zur Sammelverwahrung, gemäß § 12 DepG zur Verpfändung und gemäß § 13 DepG zur Verfügung über das Eigentum nur dann erteilen, wenn er selbst vom Hinterleger die entsprechenden Ermächtigungen erhalten hat. (3) Werden Wertpapiere von einem Kreditinstitut einem anderen Kreditinstitut zur Verwahrung anvertraut, so sind die Wertpapiere dem Depot B (Fremddepot) zuzuführen. Hat das Kreditinstitut sein Eigentum an den Wertpapieren nach § 4 Abs. 2 DepG angezeigt, so sind die Wertpapiere in das Depot A (Eigendepot) aufzunehmen. (4) Einem im Ausland ansässigen Dritten dürfen Kundenwertpapiere nur anvertraut werden, wenn sichergestellt ist, daß der Dritte ein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht an den Wert-
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VII. Die Richtlinien für die Depotprüfung papieren nur wegen solcher Forderungen geltend machen kann, die mit Bezug auf diese Wertpapiere entstanden sind oder für die diese Wertpapiere nach dem einzelnen über sie mit Ermächtigung des Hinterlegers zwischen dem Verwahrer und dem Dritten vorgenommenen Geschäft haften sollen. Wird das Recht des Hinterlegers im Ausland durch Pfändungen oder andere Eingriffe beeinträchtigt, so hat der Verwahrer den Hinterleger hierüber unbeschadet etwaiger weiterer Verpflichtungen unverzüglich zu benachrichtigen.
4. Unregelmäßige Verwahrung Eine Vereinbarung des Inhalts, daß die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile sofort in das Eigentum des verwahrenden Kreditinstituts oder eines Dritten übergehen und das Kreditinstitut nur verpflichtet ist, Wertpapiere oder Sammelbestandanteile derselben Art zurückzugewähren, muß ausdrücklich und schriftlich und für jedes einzelne Geschäft getroffen werden. Das gleiche gilt, wenn Wertpapiere oder Sammelbestandanteile einem Kreditinstitut als Darlehen gewährt werden. Die Erklärung darf weder auf andere Urkunden verweisen noch mit anderen Erklärungen des Hinterlegers verbunden sein. Sie sollte folgenden Wortlaut haben: „Datum Ich bin — wir sind — damit einverstanden, daß das Eigentum an den nachstehenden — in der Anlage aufgeführten — Wertpapieren — Sammelbestandanteilen— sofort auf Sie oder einen Dritten übergeht und daß für mich — uns — nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung von Wertpapieren — Sammelbestandanteilen — derselben Art und desselben Nennbetrages — derselben Stückzahl — entsteht. Diese Wertpapiere — Sammelbestandanteile — sollen Sie als Darlehen schulden!. Nennbetrag Stückzahl
Wertpapier
Stückenummern oder Sammelbestandanteile
Unterschrift"
5. Verwaltung der Kundenwertpapiere Zur Verwaltung der Kundenwertpapiere gehört es, auch ohne besonderen Einzelauftrag, folgende Maßnahmen durchzuführen: a) Rechtzeitiger Einzug von Zins- und Gewinnanteilscheinen sowie von verlosten und gekündigten Wertpapieren und unverzügliche Gutschrift oder Bereitstellung der Gegenwerte; ferner Erhebung neuer Bögen nach Ablauf der Zins- und Gewinnanteilscheine. b) Überwachung oder Auftrag zur Überwachung beim Drittverwahrer von Verlosungen und Kündigungen von Wertpapieren an Hand der Wertpapier-Mitteilungen oder der Bekanntmachungen der Emittenten sowie die unverzügliche Unterrichtung der Hinterleger über die Verlosung oder Kündigung eines Wertpapiers. c) Prüfung der Wertpapiere zumindest bei Einlieferung darauf hin, ob sie von Aufgeboten, Zahlungssperren u. dergl. betroffen sind; ferner laufende Überwachung oder Auftrag zur Überwachung beim Drittverwahrer zur Feststellung, ob Bezugsrechte, Umtauschangebote oder Aufforderungen zu Einzahlungen bestehen und Konvertierungen, Zusammenlegungen, Fusionen, Umstellungen usw. bekanntgegeben werden; rechtzeitige Unterrichtung der Hinterleger über die vorgenannten Feststellungen. Will der Verwahrer sich nicht verpflichten, eine dieser Maßnahmen durchzuführen, so hat er den Hinterleger bei Abschluß des Depotvertrages darauf hinzuweisen. 1 Dieser Satz ist, falls er nicht zutrifft, zu streichen. Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft 6. Verpfändung (1) Der Verwahrer darf die ihm anvertrauten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile nur auf Grund einer Ermächtigung und nur in Zusammenhang mit einer Kreditzusage für den Hinterleger und nur an einen anderen Verwahrer verpfänden. Die Kreditzusage muß aus den Kreditunterlagen ersichtlich sein. Eine Inanspruchnahme des Kredits ist nicht erforderlich. (2) Mit Ausnahme der beschränkten Verpfändungen nach § 12 Abs. 3 DepG muß die Ermächtigung ausdrücklich und schriftlich und für jedes einzelne Verwahrungsgeschäft erteilt werden. Sie darf nicht in Geschäftsbedingungen enthalten sein oder auf andere Urkunden verweisen. In der Ermächtigung oder in einer ihr beizufügenden Anlage, auf die in der Ermächtigung Bezug zu nehmen ist, sind die zur Weiterverpfändung bereitgestellten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile mit dem Nennbetrag oder der Stückzahl und gegebenenfalls den Stückenummern aufzuführen. Die Anlage muß von dem Ermächtigenden unterschrieben sein und den Tag ihrer Errichtung erkennen lassen. Ist das Verwahrungsverhältnis beendet worden, ohne daß der Verwahrer von der Ermächtigung Gebrauch gemacht hat, so erlischt insoweit die Ermächtigung. Der Zeitpunkt des Erlöschens der Ermächtigung ist auf der Ermächtigungsurkunde zu vermerken. Werden dieselben Wertpapiere erneut oder andere Wertpapiere derselben Art demselben Verwahrer in Verwahrung gegeben, so bedarf es zur Verpfändung einer neuen ausdrücklichen und schriftlichen Ermächtigung des Hinterlegers. Entsprechendes gilt für Sammelbestandanteile. Eine spätere Ergänzung der erteilten Ermächtigung ist unzulässig. (3) Kreditinstitute, denen Wertpapiere gemäß § 12 DepG verpfändet werden, haben von dem verpfändenden Kreditinstitut eine schriftliche Erklärung über den Umfang der Ermächtigung zur Verpfändung einzuholen. (4) Ist der Verwahrer zur Verpfändung nach § 12 Abs. 2 DepG ermächtigt worden, so darf er auf die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile Rückkredit nur bis zur Gesamtsumme der den Hinterlegern eingeräumten Kredite nehmen. Der Wert der verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile eines Hinterlegers soll die Höhe des für diesen Hinterleger eingeräumten Kredits mindestens erreichen, jedoch nicht unangemessen übersteigen. Eine unangemessene Überschreitung liegt nicht vor, wenn diese im Rahmen der im Kreditgewerbe üblichen Beleihungsquoten liegt. Erreicht der Wert der verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile eines Hinterlegers nicht die Höhe des für diesen Hinterleger eingeräumten Kredits, so soll der Verwahrer, falls der Hinterleger nicht weitere Wertpapiere oder Sammelbestandanteile zur Verfügung stellt, aus eigenen Beständen für eine ausreichende Deckung sorgen oder den für den Hinterleger eingeräumten Kredit um den nicht gedeckten Betrag zurückführen. Der Verwahrer darf Kredite, soweit sie nicht durch nach § 12 Abs. 2 DepG verpfändete Wertpapiere oder Sammelbestandanteile gedeckt sind, nicht zu der Gesamtsumme aller Kredite, bis zu der die Aufnahme eines Rückkredits nach $ 12 Abs. 2 Satz 1 DepG zulässig ist, hinzurechnen. Übersteigt der Wert der verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile eines Hinterlegers die Höhe des für diesen Hinterleger eingeräumten Kredits unangemessen, so ist der Verwahrer verpflichtet, einen entsprechenden Teil der verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile zurückzufordern oder auf das Depot B umlegen zu lassen. (5) Ist der Verwahrer zur Verpfändung nach § 12 Abs. 3 DepG ermächtigt worden, so darf er die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile des Hinterlegers nur bis zur H ö h e des für diesen Hinterleger eingeräumten Kredits verpfänden. Die Höhe des Rückkredits und des dem Hinterleger eingeräumten Kredits sowie der Wert der verpfändeten Wertpapiere müssen auch bei einer Verpfändung nach § 12 Abs. 3 DepG in einem angemessenen Wertverhältnis zueinander stehen. Absatz 4 gilt insoweit entsprechend. (6) Die verpfändeten Wertpapiere sind bei einer Verpfändung nach § 12 Abs. 2 DepG dem Pfanddepot C und bei einer Verpfändung nach § 12 Abs. 3 DepG dem Sonderpfanddepot D zuzuführen. Der Verwahrer hat dem Pfandnehmer mitzuteilen, für welches Depot die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile bestimmt sind oder in welchem Umfang er zur Verpfändung ermächtigt worden ist. Bei der Verpfändung nach § 12 Abs. 3 DepG hat der Verwahrer dem Pfandnehmer die Kundennummer des Hinterlegers bekanntzugeben. (7) Die Ermächtigung zur Verpfändung nach § 12 Abs. 2 DepG sollte folgenden Wortlaut haben:
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VII. Die Richtlinien für die Depotprüfung „Datum Ich — wir — ermächtige(n) Sie, die nachstehend verzeichneten Wertpapiere — Sammelbestandanteile — zu verpfänden. Nennbetrag oder Stückzahl
Wertpapier
Stückenummern oder Sammelbestandanteile
Unterschrift" (8) Die Ermächtigung zur Verpfändung nach § 12 Abs. 3 DepG sollte folgenden Wortlaut haben: „Datum Ich — wir — ermächtige(n) Sie, alle Ihnen anvertrauten oder künftig anzuvertrauenden Wertpapiere oder Sammelbestandanteile zu verpfänden, jedoch nur bis zur Höhe des mir — uns — eingeräumten Kredits. Unterschrift"
(9) Die aufgrund einer Ermächtigung nach § 12 Abs. 4 DepG unbeschränkt verpfändeten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile sind dem Depot A zuzuführen. Der Verwahrer hat dem Pfandnehmer mitzuteilen, für welches Depot die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile bestimmt sind und daß er zur unbeschränkten Verpfändung nach § 12 Abs. 4 DepG ermächtigt ist. Die Ermächtigung sollte folgenden Wortlaut haben: „Datum Ich — wir — ermächtige(n) Sie, die nachstehend verzeichneten, Ihnen anvertrauten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile unbeschränkt, also für alle Ihre Verbindlichkeiten und ohne Rücksicht auf die Höhe des mir — uns — von Ihnen jeweils eingeräumten Kredits zu verpfänden. Nennbetrag oder Stückzahl
Wertpapier
Stückenummern oder Sammelbestandanteile
Unterschrift"
7. Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum (1) Eine Erklärung, durch die der Verwahrer ermächtigt wird, sich die anvertrauten Wertpapiere oder Sammelbestandanteile anzueignen oder das Eigentum an ihnen auf einen Dritten zu übertragen, und alsdann nur verpflichtet sein soll, Wertpapiere oder Sammelbestandanteile derselben Art zurückzugewähren, muß für jedes einzelne Verwahrungsgeschäft ausdrücklich und schriftlich abgegeben werden. Die Erklärung darf weder auf andere Urkunden verweisen noch mit anderen Erklärungen des Hinterlegers verbunden sein. Sie sollte folgenden Wortlaut haben: „Datum Ich — wir — ermächtige(n) Sie, das Eigentum an den nachstehend verzeichneten, Ihnen anvertrauten Wertpapieren oder Sammelbestandanteilen auf sich oder einen Dritten zu übertragen. Mit der Ausübung dieser Ermächtigung soll das Eigentum auf Sie oder den Dritten übergehen, so daß für mich — uns — nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Lieferung von Wertpapieren oder Sammelbestandanteilen derselben Art und desselben Nennbetrages — derselben Stückzahl — entsteht. Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft Nennbetrag oder Stückzahl
Wertpapier
Stückenummern oder Sammelbestandanteile
Unterschrift" (2) Eine Ermächtigung des Verwahrers zur Aneignung der Wertpapiere oder Sammelbestandanteile berechtigt zur unbeschränkten Verfügung. Sie schließt die Ermächtigung zur Verpfändung nach § 12 Abs. 2 bis 4 DepG ein. Die Verpfändung ist auch ohne eine Krediteinräumung für den Hinterleger zulässig. Den Zeitpunkt, an dem der Verwahrer sich die Wertpapiere oder Sammelbestandanteile des Hinterlegers aneignen will, bestimmt er nach eigenem Ermessen. (3) Endet die Verwahrung der in der Ermächtigung genannten Wertpapiere durch Aneignung oder Übertragung des Eigentums auf einen Dritten oder in anderer Weise, so ist dies auf der Ermächtigungsurkunde zu vermerken. Der Hinterleger ist hiervon zu unterrichten. Wird für dieselben Wertpapiere oder andere Wertpapiere derselben Art bei demselben Verwahrer ein neues Verwahrungsverhältnis begründet, so bedarf es zur Verfügung über das Eigentum einer neuen ausdrücklichen und schriftlichen Erklärung des Hinterlegers. Entsprechendes gilt für Sammelbestandanteile. 8. Effektengeschäft (1) Kreditinstitute sollen Aufträge zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren, die mündlich, telefonisch, telegraphisch oder im Fernschreibverkehr erteilt werden, schriftlich bestätigen lassen oder spätestens am folgenden Tage selbst bestätigen, wenn sie nicht spätestens am folgenden Tage ausgeführt und abgerechnet werden. Mündlich und telefonisch eingehende Aufträge sind außerdem von dem annehmenden Sachbearbeiter des Kreditinstituts zum einwandfreien Nachweis schriftlich unter Angabe der Uhrzeit festzuhalten. Soll von der nach Geschäftsbedingungen vorgesehenen Ausführungsart (z. B. Eigenhandel statt Kommissionsgeschäft) abgewichen werden, so müssen hierüber ausdrückliche Abmachungen getroffen werden, die schriftlich zu bestätigen sind. Das gleiche gilt, wenn Kundenaufträge in zum amtlichen Handel zugelassenen Aktien nicht über die Börse geleitet werden sollen. (2) Kreditinstitute sind verpflichtet, die übernommenen Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszuführen. Sie haben hierbei das Interesse des Kommittenten wahrzunehmen. Bei der Einkaufskommission muß der Kommissionär die Wertpapiere für den Kommittenten durch ein Deckungsgeschäft anschaffen oder aus eigenen Beständen zur Verfügung stellen. Können die Wertpapiere nur durch ein Deckungsgeschäft angeschafft werden, so muß dieses unverzüglich abgeschlossen werden. Hat ein Kreditinstitut gegen ein anderes Kreditinstitut einen Anspruch auf Lieferung von Wertpapieren der gleichen Art aus einem Eigengeschäft, die als Dekkung für die Wertpapierlieferungsansprüche der Kunden dienen können, so braucht es insoweit kein Deckungsgeschäft abzuschließen. Sofern es vertraglich vorgesehen ist, einen Kundenauftrag in zum amtlichen Handel zugelassenen Aktien über die Börse zu leiten, hat dies auch dann zu geschehen, wenn ein Deckungsgeschäft nicht abgeschlossen wird. (3) Will ein Kreditinstitut seiner Lieferungsverpflichtung aus einem Verkaufsgeschäft durch Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank nachkommen, so darf es nur auf solche Anteile zurückgreifen, die ihm selbst oder dem Hinterleger, für den es den Verkauf ausführt, gehören. Soll in effektiven Stücken geliefert werden, so darf das Kreditinstitut dem Sammelbestand nur die Wertpapiere bis zur H ö h e des Anteils entnehmen, der ihm selbst oder dem Hinterleger, für den es den Verkauf ausführt, zusteht. Anteile und Stücke anderer Eigentümer dürfen auch dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn es sich um Anteile oder Stücke von Angehörigen oder Verwandten des Inhabers oder des Geschäftsleiters des Kreditinstituts handelt oder wenn das Kreditinstitut gegen ein anderes Kreditinstitut einen Anspruch auf Lieferung von Wertpapieren der gleichen Art und Menge hat. (4) Der Kommissionär hat unverzüglich nach der Erstattung der Ausführungsanzeige bzw. der Abrechnung des Dritten dafür Sorge zu tragen, daß er die Wertpapiere bzw. das Stückeverzeichnis von dem Dritten innerhalb einer angemessenen Frist, die für die Übersendung der Wert1126
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VII. Die Richtlinien für die Depotprüfung papiere bzw. für die Übersendung des Stückeverzeichnisses bei ordnungsmäßigem Geschäftsgang erforderlich und ausreichend ist, erhält, und gegebenenfalls von seinem Recht der Zwangsregelung Gebrauch zu machen. Wird dem Kreditinstitut an Stelle einer Schlußnote ein Aufgabe- oder Folgtschein übermittelt, so muß es den Makler entsprechend den Börsenusancen auffordern, den Vertragspartner zu benennen. (5) Werden Kundenaufträge von Kreditinstituten lediglich an andere Kreditinstitute weitergeleitet, so ist klarzustellen, daß und für wen das weiterleitende Kreditinstitut tätig wird. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß das Effektengeschäft von dem anderen Kreditinstitut abgewickelt wird und dessen Geschäftsbedingungen zugrunde gelegt werden. Die Börsenaufträge sind unmittelbar an das Kommissionsinstitut zu richten. Das weiterleitende Kreditinstitut hat die Ordnungsmäßigkeit der Unterschrift und die Verfügungsberechtigung des Auftraggebers zu prüfen. Die Verpflichtung, dem Kommittenten das Eigentum gemäß §§ 18 oder 24 DepG zu übertragen, obliegt dem Kommissionsinstitut. Das weiterleitende Kreditinstitut hat dem Kunden über jede Veränderung seines Depotbestandes zusätzlich Aufgaben zu erteilen. (6) Die Absätze 1 bis 5 gelten entsprechend für den Eigenhandel. 9. Übersendung des Stückeverzeichnisses (1) Werden die für den Kommittenten erworbenen oder aus eigenen Beständen zur Verfügung gestellten Wertpapiere diesem nicht ausgeliefert und hat sich der Kommissionär von seiner Verpflichtung zur Verschaffung des Eigentums an bestimmten Stücken nicht gemäß § 24 DepG durch Übertragung von Sammelbestandsanteilen oder in sonstiger Weise befreit, so hat der Kommissionär dem Kommittenten unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche, das Eigentum an den für ihn erworbenen Wertpapieren durch Übersendung eines Stückeverzeichnisses zu verschaffen. Die Frist zur Übersendung des Stückeverzeichnisses beginnt, falls der Kommissionär bei der Anzeige über die Ausführung des Auftrages einen Dritten als Verkäufer namhaft gemacht hat, mit dem Erwerb der Stücke, anderenfalls beginnt sie mit dem Ablauf des Zeitraums, innerhalb dessen der Kommissionär nach der Erstattung der Ausführungsanzeige die Stücke bei ordnungsmäßigem Geschäftsgang ohne schuldhafte Verzögerung beziehen oder das Stückeverzeichnis von einer zur Verwahrung der Stücke bestimmten dritten Stelle erhalten konnte. Ein Verzicht des Kunden auf die Übersendung des Stückeverzeichnisses ist, soweit es sich nicht um ein Kreditinstitut handelt, unbeachtlich. (2) Führt ein Kreditinstitut Aufträge zum Kauf von Wertpapieren oder Zeichnungsaufträge bei Neuemissionen aus, die noch nicht ausgedruckt sind, so ist dem Kommittenten nach Eingang der Stücke beim Kreditinstitut das Eigentum nach Abs. 1 zu übertragen. 10. Aussetzung der Übersendung des Stückeverzeichnisses (1) Nach § 1 9 DepG darf der Kommissionär die Übersendung des Stückeverzeichnisses aussetzen, wenn er wegen der Forderung, die ihm aus der Ausführung des Auftrags zusteht, nicht befriedigt ist und er dem Kunden auch keine Stundung des Kaufpreises bewilligt hat. Eine Stundung in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn der Kommissionär dem Kommittenten einen Kredit für den Ankauf der Wertpapiere eingeräumt hat. Dem Kommittenten ist die Aussetzung des Stückeverzeichnisses ausdrücklich und schriftlich für das einzelne Geschäft gesondert anzuzeigen. Die Mitteilung muß den Grund für die Aussetzung und ihre Dauer enthalten. Sie ist binnen einer Woche nach der Abrechnung oder der Ausführungsanzeige abzusenden. Das Stückeverzeichnis muß dem Kommittenten unter Wahrung der Fristen des § 18 Abs. 1 und 2 DepG übersandt werden, wenn die Forderung des Kommissionärs aus dem Anschaffungsgeschäft befriedigt ist. Der Kommissionär hat bei teilweiser Befriedigung seiner Forderung dem Kommittenten in entsprechendem Umfang Eigentum an den Wertpapieren zu verschaffen und ihm das für den Teilbetrag gültige Stückeverzeichnis zu übersenden. Zum gleichen Zeitpunkt ist dem Kommittenten zu Lasten der Wertpapierrechnung der Wertpapierbetrag auf seinem Depotkonto im Verwahrungsbuch gutzuschreiben und sind die Stücke für ihn in Sonderverwahrung zu nehmen. (2) Hat ein Kreditinstitut einem Kunden zur Anschaffung von Wertpapieren Kredit zugesagt und steht es mit ihm im Kontokorrentverkehr, so kann es sich gemäß § 20 DepG vorbehalten, die Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft Stückeverzeichnisse erst auf Verlangen des Kunden zu übersenden. Will der Kommissionär von seinem Vorbehalt Gebrauch machen, so muß er dies dem Kommittenten bei der Erstattung der Ausführungsanzeige schriftlich mitteilen. Stellt der Kommittent das Verlangen, ihm das Stückeverzeichnis zu übersenden, so muß der Kommissionär von dem Zeitpunkt, an dem ihm die Nachricht zugeht, den Bestimmungen über die Führung des Verwahrungsbuches und die Eigentumsübertragung nachkommen. (3) Will der Kommissionär die Übersendung des Stückeverzeichnisses sowohl deshalb aussetzen, weil er wegen seiner Forderungen nicht befriedigt ist (§19 DepG), als auch deshalb, weil er sich die Aussetzung mit Rücksicht auf die Besonderheit des Kontokorrentverkehrs mit dem Kommittenten vorbehalten hat (§ 20 DepG), so hat er dem Kommittenten bei Erstattung der Ausführungsanzeige schriftlich mitzuteilen, daß er die Übersendung des Stückeverzeichnisses und damit die Übertragung des Eigentums an den Papieren erst auf Verlangen des Kommittenten, frühestens jedoch nach Befriedigung wegen seiner Forderungen aus der Ausführung des Auftrags ausführen werde. (4) Hat der Kommissionär die Übersendung des Stückeverzeichnisses in zulässiger Weise ausgesetzt, so kann er die angeschafften Wertpapiere auch ohne eine Ermächtigung gemäß § 12 Abs. 1 DepG für die Zeit der Aussetzung der Übersendung des Stückeverzeichnisses zur Beschaffung eines den Debetsaldo des betreffenden Kunden nicht übersteigenden Kredits verpfänden. Nr. 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 gelten entsprechend. Sind die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Übersendung des Stückeverzeichnisses nicht mehr gegeben, so muß der Kommissionär die verpfändeten Wertpapiere auslösen und dem Kommittenten entweder Sondereigentum unter Übersendung eines Stückeverzeichnisses oder Miteigentum bei einer Wertpapiersammelbank übertragen. Zu anderen Verfügungen, insbesondere zur Veräußerung der Wertpapiere, ist der Kommissionär nicht befugt. (5) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für den Eigenhandel. X1. Erfüllung durch Übertragung von Miteigentum am Sammelbestand (1) Der Kommissionär kann sich dadurch von seiner Verpflichtung, dem Kommittenten Eigentum an bestimmten Stücken zu verschaffen, befreien, daß er ihm das Miteigentum an den zum Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank gehörenden Wertpapieren verschafft. Das Miteigentum muß unverzüglich verschafft werden; dies soll auf jeden Fall spätestens innerhalb einer Woche stattfinden. Durch Verschaffung von Miteigentum an den zum Sammelbestand eines anderen Verwahrers als einer Wertpapiersammelbank gehörenden Wertpapieren (Haussammelbestand) kann er sich nur befreien, wenn der Kommittent im einzelnen Falle ausdrücklich und schriftlich zustimmt. Das Miteigentum wird dem Kommittenten durch die Gutschrift des Sammeldepotanteils im Verwahrungsbuch übertragen und durch die Anzeige der Gutschrift in der Kommissionsabrechnung zur Kenntnis gebracht. (2) Erwirbt der Kommissionär für einen Kommittenten Anleihen des Bundes oder eines Sondervermögens, die im Bundesschuldbuch oder im Schuldbuch eines Sondervermögens auf den Namen einer Wertpapiersammelbank eingetragen sind, so hat er dem Kommittenten unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Erstattung der Ausführungsanzeige, einen entsprechenden Anteil an der Schuldbuchforderung einer Wertpapiersammelbank zu verschaffen. Nr. 10 ist sinngemäß anzuwenden. Der Kommissionär hat dem Kommittenten die Verschaffung des Anteils unverzüglich mitzuteilen. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für den Eigenhandel. 12. Buchführung (1) Nach 5 14 DepG ist jedes Kreditinstitut, das Wertpapiere verwahrt oder nach § 3 Abs. 2 DepG von einem anderen Verwahrer verwahren läßt, verpflichtet, als Handelsbuch ein nach Hinterlegern geordnetes Verwahrungsbuch (persönliches Depotbuch) zu führen. Neben diesem persönlichen Depotbuch soll bei umfangreichem Wertpapiergeschäft ein nach Wertpapierarten aufgegliedertes Depotbuch (sachliches Depotbuch) geführt werden. In diesem Falle genügt es, wenn eines der beiden als Handelsbuch geführt wird. Bei einer Buchführung in Kartei- oder Loseblatt-
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VII. Die Richtlinien f ü r die D e p o t p r ü f u n g form muß sowohl ein persönliches als auch ein sachliches Depotbuch geführt werden. Wird nur eines dieser Bücher in Kartei- oder Loseblattform geführt, so soll es sich um das sachliche Depotbuch handeln. (2) Das als Handelsbuch ausgestaltete Depotbuch darf nicht von dem f ü r die Verwahrung der Wertpapiere verantwortlichen oder im Falle der Drittverwahrung nicht von dem über die Wertpapiere verfügungsberechtigten Sachbearbeiter geführt werden. Depotbücher in Kartei- oder Loseblattform müssen von verschiedenen Sachbearbeitern geführt werden, die sich gegenseitig nicht vertreten dürfen. (3) Die Depotbücher sind nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu führen und ständig auf dem laufenden zu halten, so daß sie stets die Depotvertragsverhältnisse einwandfrei ausweisen. Bei der Verbuchung der Geschäftsvorfälle sollen neben dem Buchungsdatum auch das Datum des Geschäftstages und gegebenenfalls die Belegnummer im Verwahrungsbuch eingetragen werden. Die Eintragungen dürfen nicht entfernt oder in anderer Weise unleserlich gemacht werden. Jede ursprüngliche Eintragung muß zweifelsfrei erkennbar bleiben. (4) Bei der Depotbuchführung in Kartei- oder Loseblattform müssen die notwendigen organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, um eine mißbräuchliche Verwendung oder unbefugte Entfernung der den Depotbüchern beigefügten oder der unbenutzten bzw. erledigten Vordrucke auszuschließen. Die von dem Kreditinstitut getroffenen organisatorischen Maßnahmen sind in einer Arbeitsanweisung über die Depotbuchführung niederzulegen, die dem Depotprüfer anläßlich der Depotprüfung vorzulegen ist. Insbesondere ist grundsätzlich folgendes zu beachten: a) Die einzelnen Karten bzw. Blätter sind fortlaufend, nach Möglichkeit nicht handschriftlich, zu numerieren und in einem gebundenen Verwendungsnachweis einzutragen. Dies gilt auch f ü r die noch nicht benutzten Vordrucke. b) Jede Karte oder jedes Blatt ist anläßlich der ersten Verwendung an H a n d des Buchungsbeleges oder bei Uberträgen an H a n d des vorangehenden, abgeschlossenen Vordruckes auf die richtige Ausfertigung hin von einem nicht mit der Führung eines der beiden Depotbücher beauftragten Mitarbeiter zu überprüfen und mit seinem Handzeichen zu versehen. c) Die erste Verwendung und die Schließung der Karte oder des Blattes ist im Verwendungsnachweis einzutragen. Aus dem Verwendungsnachweis muß sich ergeben, f ü r welches Kundendepot bzw. f ü r welche Wertpapierart der Vordruck benutzt worden ist. d) Die noch nicht benutzten und die erledigten Vordrucke müssen so aufbewahrt werden, daß ihre unberechtigte Verwendung ausgeschlossen ist. Mit ihrer Aufbewahrung ist der f ü r die Kontrolle der Neuausfertigung bzw. Schließung von Karten oder Blättern verantwortliche Mitarbeiter oder eine neutrale Person zu beauftragen. e) Den Depotbuchhaltern darf ein Bestand an Blanko-Vordrucken nach Buchungsschluß nicht überlassen werden. f) Die erledigten Karten oder Blätter sind von Zeit zu Zeit fest einzubinden. Abweichungen von diesen Grundsätzen sind nur zulässig, wenn die Depotbuchhaltung in anderer Weise wirksame Kontroll- und Sicherheitsvorkehrungen aufweist, durch die eine unbefugte Entfernung und mißbräuchliche Verwendung sowohl der in Gebrauch befindlichen Karten wie der unbenutzten Vordrucke ausgeschlossen wird. Die jeweilige Einrichtung der Loseblattbuchführung und deren praktische Handhabung muß eine ausreichende Gewähr gegen jeden Mißbrauch bieten und den Grundsätzen ordnungsmäßiger kaufmännischer Buchführung entsprechen. (5) Bei einer maschinellen Depotbuchführung im Wege eines elektronischen Datenverarbeitungsverfahrens sind ebenfalls die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung zu beachten. Die Depotbuchungen müssen laufend vorgenommen werden und dürfen nicht verzögert werden. Absatz 4 gilt entsprechend, soweit sich nicht aus der technischen Besonderheit des Verfahrens etwas anderes ergibt. Grundsätzlich ist folgendes zu beachten: a) Der Buchungsablauf und die Führung des Verwahrungsbuches (einschließlich der Behandlung erledigter Kontoblätter) sind durch Arbeitsanweisungen zu regeln, aus denen die vom Kreditinstitut getroffenen Sicherheits- und Kontrollvorkehrungen ersichtlich sein müssen. Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft b) Durch die Arbeitsanweisung muß eine personelle Funktionstrennung gewährleistet sein, so daß kein Sachbearbeiter einen Geschäftsvorgang von der Ausfertigung des Buchungsbeleges bis zur Datenausgabe und der Einordnung des von der Maschinenanlage ausgedruckten Depotbuchblattes in das Verwahrungsbuch allein bearbeitet. Insbesondere darf der f ü r das persönliche Depotbuch verantwortliche Sachbearbeiter weder bei der Ausfertigung des Buchungsbeleges noch bei seiner maschinellen Verbuchung mitwirken. c) Die zu einem Programm gehörenden Folgen von Abrechnungsvorgängen und Aufzeichnungen einschließlich der vorgesehenen automatischen Kontrollen der selbständig arbeitenden Geräte sind in der Arbeitsanweisung schriftlich darzustellen und in einem Ablaufdiagramm zusammenzufassen. Die den Maschinen einzugebenden Programme sind in der Weise aufzubewahren, daß sie nicht von Unbefugten willkürlich verändert werden können. Ein Doppel des Programms ist von einer neutralen Stelle getrennt aufzubewahren. d) Für das persönliche Depotbuch sind Blätter auszudrucken, es sei denn, der Stand der Depotvertragsverhältnisse und ihre Entwicklung können sofort lesbar abgerufen werden. Die Depotbuchblätter sind unverzüglich in das Verwahrungsbuch einzuordnen und das durch ein neu ausgedrucktes Blatt erledigte Vorblatt vom Depotbuchhalter als nicht mehr gültig zu kennzeichnen. Irrtümlich als ungültig bezeichnete Depotbuchblätter sind ausschließlich von hierfür zuständigen, nicht an der Depotbuchführung beteiligten Personen wieder in Kraft zu setzen. Sie haben sich anhand des betreffenden Buchungsbeleges und des Grundbuchungsbogens von der Gültigkeit des Depotbuchblattes zu überzeugen und dies handschriftlich zu bestätigen. e) Auf den Ausdruck von Blättern für das sachliche Depotbuch kann verzichtet werden, wenn die Daten der Depotvertragsverhältnisse gespeichert oder durch Bestandslochkarten nachgewiesen werden und ihr listenmäßiger Ausdruck jederzeit von dem das persönliche Depotbuch führenden Kreditinstitut herbeigeführt werden kann. f) U m jederzeit den Stand der Depotvertragsverhältnisse soweit wie möglich kenntlich zu machen, sollte bei Depotveränderungen in das persönliche Depotbuch eine Durchschrift oder Kopie des Buchungsbeleges bis zum Ausdruck des neuen Depotblattes eingeordnet werden. Anhand dieses Beleges ist der fristgerechte Buchungsablauf zu überwachen. Der Depotbuchhalter sollte sich mit Hilfe des sogenannten Erwartungsbeleges von der Richtigkeit der Buchungen überzeugen. Ergeben sich bei dieser Kontrolle Differenzen, so müssen diese maschinell berichtigt werden. Abweichungen von diesen Grundsätzen sind nur zulässig, wenn auf andere Weise die Vollständigkeit, die Richtigkeit und die Aussagefähigkeit der Depotbuchführung gewährleistet sind. (6) In das als Handelsbuch ausgestaltete Depotbuch sind der N a m e und die Anschrift jedes Hinterlegers sowie Art, Nennbetrag oder Stückzahl, Nummern oder sonstige Bezeichnungsmerkmale der f ü r ihn verwahrten Wertpapiere einzutragen. Das Kreditinstitut hat sich über die Person des Hinterlegers und seiner Vertretungsberechtigten zu vergewissern und Unterschriftenproben von beiden zu den Unterlagen zu nehmen. Die Errichtung von Depots auf einen falschen oder fingierten N a m e n ist unzulässig. W e r d e n anstelle des Namens des Hinterlegers Kennzeichen oder Kundennummern im Verwahrungsbuch eingetragen, so müssen der N a m e des Hinterlegers und die f ü r ihn gewählten Kennzeichen oder Nummern aus einem neben dem Verwahrungsbuch geführten Verzeichnis eindeutig hervorgehen. In dem Verwahrungsbuch ist auf das Verzeichnis Bezug zu nehmen. Aus der Bezeichnung der Wertpapiere muß eindeutig zu erkennen sein, um welche Emission eines Ausstellers es sich handelt. Die K e n n - N u m m e r der Wertpapierart soll angegeben werden. Werden die N u m m e r n oder sonstigen Bezeichnungsmerkmale der Wertpapiere in einem neben dem Verwahrungsbuch geführten Verzeichnis festgehalten, so ist in dem Verwahrungsbuch auf dieses Verzeichnis Bezug zu nehmen. Beträgt der Nennbetrag einer in Stück notierten Aktie mehr als D M 50,—, so ist der Nennbetrag, auf den sich die Stückzahl bezieht, auf dem Depotkonto anzugeben. Werden Wertpapiere in Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank oder in Haussammeiverwahrung verwahrt, so ist die Verwahrungsart in das Verwahrungsbuch einzutragen. Die in Haussammeiverwahrung befindlichen Wertpapiere sind gegenüber den in Girosammeiverwahrung befindlichen Wertpapieren besonders zu kennzeichnen. Eine Ermächtigung zur Sammelverwahrung ist einzutragen, wenn der Verwahrer von
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VII. Die Richtlinien für die Depotprüfung ihr noch keinen Gebrauch gemacht hat und die Wertpapiere auch weiterhin in Sonderverwahrung hält. Bei Sonderverwahrung soll die Verwahrungsart dann eingetragen werden, wenn die Stücknummern der Wertpapiere nicht im Verwahrungsbuch, sondern in dem gesondert geführten Verzeichnis ausgewiesen werden. In dem Verwahrungsbuch ist ferner jede Ermächtigung zur Tauschverwahrung, zur Verfügung über das Eigentum und zur Verpfändung anzugeben, ohne Rücksicht darauf, ob der Verwahrer von einer derartigen Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. Es muß erkennbar sein, auf welche Wertpapiere sich die Ermächtigung bezieht und in welchem Umfang von ihr Gebrauch gemacht worden ist. Bei der Ermächtigung zur Verpfändung ist auch die Art der Ermächtigung anzugeben. Verloste oder gekündigte Wertpapiere sind im Verwahrungsbuch als solche zu kennzeichnen oder getrennt von den nicht fälligen Wertpapieren auszuweisen. Der Ort der Niederlassung des Dritten — bei Verwahrung im Ausland auch der Ort der Lagerstelle — ist im Verwahrungsbuch einzutragen, wenn der Verwahrer Kundenwertpapiere unter seinem Namen einem anderen Verwahrer zur Verwahrung anvertraut. Ergibt sich der Name des Dritten nicht aus der sonstigen Buchführung, aus Verzeichnissen, die neben dem Verwahrungsbuch geführt werden, oder aus dem Schriftwechsel, so ist auch der Name des Dritten im Verwahrungsbuch anzugeben. Unterliegt die Verfügungsgewalt über die Wertpapiere einer Einschränkung (z. B. nach dem Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen [s. Muster], nach dem Sparprämiengesetz oder nach devisenrechtlichen Vorschriften), so ist im Verwahrungsbuch ein diesbezüglicher Vermerk einzutragen. (7) Im Interesse einer einheitlichen Depothandhabung im Verkehr zwischen Kreditinstituten untereinander sind folgende Bezeichnungen für die verschiedenen Depots, die nach dem Depotgesetz geführt werden müssen, zu verwenden: a) Fremddepot: Depot B: In dieses Depot gelangen sämtliche Wertpapiere, die von einem Bankierkunden eingeliefert werden oder die für ihn angeschafft und unbelastet für den Kunden des Lokalbankiers beim Zentralbankier aufbewahrt werden. b) Eigendepot: Depot A: Das Depot A dient der Aufnahme der eigenen Wertpapiere des hinterlegenden Bankiers sowie derjenigen Wertpapiere seiner Kunden, die für alle Forderungen des Drittverwahrers gegen ihn unbeschränkt als Pfand haften (§12 Abs. 4 und § 13 DepG) und der Wertpapiere, die nach §§ 19 bis 21 DepG im Eigentum des Zwischenverwahrers stehen. c) Pfanddepot: Depot C : Diesem Depot sind diejenigen Wertpapiere beizufügen, die der Zwischenverwahrer entsprechend einer Ermächtigung zur Verpfändung nach § 12 Abs. 2 DepG dem Drittverwahrer verpfändet hat. h) Sonderpfanddepot: Depot D : Der Drittverwahrer hat in diesem Depot die Wertpapiere zu verwahren, die ihm von einem Zwischenverwahrer nach § 12 Abs. 3 DepG unter Angabe der betreffenden Kundennummer verpfändet worden sind. Für jeden einzelnen dieser Kunden ist ein besonderes Depot D zu führen. (8) Für die Anlage des neben dem Depotbuch geführten Nummernverzeichnisses genügt es, wenn die Durchschriften, Kopien usw. der den Hinterlegern übersandten Nummernaufgaben systematisch entweder nach dem Namen der Hinterleger bzw. der Depotnummer oder in sachlicher Ordnung nach der Wertpapierart zusammengefaßt werden. Aus dem Verzeichnis muß ohne Zuhilfenahme anderer Unterlagen das für den einzelnen Hinterleger verwahrte Wertpapier ersichtlich sein. Die erledigten Nummern sind nicht zu durchstreichen, sondern durch Röten, Absetzen oder in sonstiger Weise kenntlich zu machen. Absatz 3 gilt entsprechend. Werden Kundenwertpapiere einem Drittverwahrer anvertraut, so sind die vom Drittverwahrer erteilten Stükkeverzeichnisse nach den gleichen Grundsätzen zu führen. Sie sind bei internen Abstimmungen und der Depotprüfung heranzuziehen. (9) Hat der Kommissionär die Übersendung des Stückeverzeichnisses ausgesetzt, so sind die Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft Lieferungsansprüche für die einzelnen Kommittenten auf Konto „Wertpapierrechnung" möglichst mit dem Zusatz „aus Kommissionsgeschäft" zu verbuchen. Bei Lieferungsansprüchen gegen ausländische Verwahrer ist der Ort der ausländischen Lagerstelle anzugeben. Werden Wertpapiere nach § 15 DepG in Verwahrung gegeben, so ist die Verpflichtung zur Lieferung von Wertpapieren derselben Art auf einem unter der Bezeichnung „Wertpapierrechnung nach § 15 D e p G " einzurichtenden Konto zu verbuchen. Soweit es sich nicht aus den Geschäftsunterlagen ergibt, gegenüber welchen Kunden und in welchem Umfang Lieferungsverpflichtungen aus unregelmäßiger Verwahrung bzw. Wertpapierdarlehen bestehen, ist dieser Sachverhalt auf dem Konto zu vermerken. Hat sich der Verwahrer die ihm anvertrauten Wertpapiere auf Grund einer Ermächtigung nach § 13 Abs. 1 DepG angeeignet oder das Eigentum an ihnen auf einen Dritten übertragen, so muß er die Wertpapiere auf ein besonderes Konto „Wertpapierrechnung nach § 13 D e p G " umbuchen. Führt ein Kreditinstitut Aufträge zum Kauf von Wertpapieren oder Zeichnungsaufträge bei Neuemissionen aus, die noch nicht ausgedruckt sind, so sind die Lieferungsansprüche für die einzelnen Kommittenten mit dem Zusatz „per Erscheinen" oder mit einem anderen kennzeichnenden Zusatz zu verbuchen. Wird für nicht erschienene Wertpapiere ein Jungscheingiroverkehr eingerichtet, so sind die Lieferungsansprüche auf Jungscheinkonto zu verbuchen. Werden auf Jungscheinkonten verbuchte Lieferungsansprüche durch Scheck übertragen, so sind auf den Konten der Kreditinstitute und der Wertpapiersammelbanken sowie auf den Schecks entsprechende Vermerke anzubringen, um jeden Zweifel auszuschließen, daß es sich um Lieferungsansprüche und nicht um Miteigentumsanteile am Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank handelt. Für die Angabe der Verwahrungsart ist für die in den Jungscheingiroverkehr einbezogenen Lieferungsansprüche eine andere Kennziffer als für Girosammelanteile zu wählen, wenn bei der Verbuchung Schlüsselzahlen verwendet werden. (10) Sind Wertpapiere nach § 12 Abs. 2 oder 3 DepG verpfändet, so sind neben dem Pfanddepot C und dem Sonderpfanddepot D entsprechende Geldkonten zu führen, aus denen sich die Höhe des von dem Verwahrer in Anspruch genommenen Rückkredits ergeben muß. Auf diesen Konten sind neben den Schuldzinsen und Kontospesen die Kapitalerlöse zu verbuchen, während Erträge aus Wertpapieren, die auf dem Pfanddepot C oder dem Sonderpfanddepot D verbucht sind, der laufenden Rechnung gutzuschreiben sind. Der Zwischenverwahrer hat Kreditakten zu führen, aus denen die Höhe des für jeden einzelnen Hinterleger eingeräumten Kredits und der Wert der verpfändeten Wertpapiere ersichtlich sein müssen. 13. Depotabstimmung (1) Die Depots sind mindestens einmal jährlich mit den Depotkunden durch Übersendung von Depotauszügen abzustimmen. Dies gilt auch für Kreditinstitute, die ihren Kunden Depotscheine für die in Verwahrung genommenen Wertpapiere ausgestellt haben. Depots, die unverändert seit dem letzten Abstimmungstag aufbewahrt werden und deren Kurswert sich auf höchstens D M 1000,— am Abstimmungstag beläuft, können mit den Hinterlegern in längstens dreijährigen Zeitabständen abgestimmt werden. Depotauszüge, die nicht versandt werden konnten bzw. deren Versendung im Interesse der Depotinhaber unterlassen worden ist, können, sofern der Depotbestand unverändert geblieben ist, bei der folgenden Depotabstimmung durch einen entsprechenden Vermerk als für diesen Abstimmungstag ebenfalls gültig ergänzt werden. Die Ausfertigung neuer Depotauszüge ist in diesem Falle nicht erforderlich. (2) Aus den Depotauszügen muß der Bestand des Depots zum Abstimmungstag einwandfrei zu entnehmen sein. In den Depotauszügen sind die dem Kreditinstitut anvertrauten Wertpapiere einzeln mit ihrem Nennbetrag oder der Stückzahl, der genauen Bezeichnung der Wertpapierart einschließlich der Angabe ihrer Merkmale (Serie, Gruppe, Reihe usw.) und der Verwahrungsart aufzuführen. Bei der Sammelverwahrung ist nach Haussammeidepot und Girosammeidepot zu unterscheiden. Aus der Angabe der Verwahrungsart im Depotauszug muß für den Hinterleger eindeutig erkennbar sein, in welcher Weise er Eigentum an den Wertpapieren besitzt. Schuldrechtliche Ansprüche auf Lieferung von Wertpapieren, die im Verwahrungsbuch des Kreditinstituts verbucht sind, müssen in den Depotauszügen aufgeführt und als solche gekennzeichnet werden. Aus den Depotauszügen müssen alle wesentlichen Einzelheiten über die Art der Stücke, wie z. B. nur Mäntel, nur Bögen, Namensaktien mit prozentualer Einzahlung und plus bzw. minus 1132
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VII. Die Richtlinien für die Depotprüfung Zession, verloste Stücke usw. ersichtlich sein. Rechte aus schwebenden Anmeldungen, a- und cAnsprüche aus in einem Bereinigungsverfahren anerkannten RM-Schuldverschreibungen, Pfandbriefen usw. sind in den Depotauszügen entsprechend zu bezeichnen. Unterliegen die Wertpapiere besonderen Sperren, z. B. nach dem Sparprämiengesetz, nach devisenrechtlichen oder anderen Vorschriften, so muß dies ebenfalls aus den Depotauszügen ersichtlich sein. In den Depotauszügen des Drittverwahrers ist ferner anzugeben, ob die Wertpapiere im Eigendepot A, im Fremddepot B, im Pfanddepot C oder dem mit der betreffenden Kundennummer näher zu bezeichnenden Sonderpfanddepot D ruhen. Sind die Wertpapiere inländischen Kreditinstituten zur Drittverwahrung anvertraut, so ist die Angabe des Lagerortes nur dann erforderlich, wenn die Wertpapiere auf Weisung des Hinterlegers einem bestimmten dritten Kreditinstitut übergeben worden sind. Im Ausland angeschaffte und dort verwahrte Wertpapiere sind in den Depotauszügen wie in den Verwahrungsbüchern als Posten der Wertpapierrechnung unter Angabe des Ortes der ausländischen Lagerstelle auszuweisen. (3) Von den Hinterlegern sind grundsätzlich Depotanerkenntnisse einzufordern. Von den Kreditinstituten ist an Hand der Unterschriftenproben zu prüfen, ob die Anerkenntnisse von den hierzu berechtigten Personen abgegeben worden sind. Fehlende Depotanerkenntnisse sind zumindest einmal schriftlich anzumahnen. (4) Bei der Depotabstimmung kann auf ein Depotanerkenntnis nur unter den folgenden Voraussetzungen verzichtet werden: Die Verwahrung und Verwaltung der Wertpapiere, die Depotbuchhaltung und die Abwicklung von Aufträgen zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren müssen personell getrennt sein. Es muß ferner sichergestellt sein, daß das Effekten- und Depotgeschäft sowie die Depotbuchhaltung unbeschadet der sich aus dem Arbeitsablauf ergebenden Kontrollen noch zusätzlich internen Kontrollen durch Personen unterzogen wird, die nicht für das Effekten- oder Depotgeschäft verantwortlich sind. Die Kontrolltätigkeit, die bei der Einlösung von Zins- oder Gewinnanteilscheinen oder bei sonstigen Verwaltungshandlungen durch die Gegenüberstellung der Soll- und Istbestände ausgeübt werden muß, reicht nicht aus. Aus den Unterlagen müssen Art und Umfang der Revisionshandlungen ersichtlich sein. Die Depotauszüge sind durch die Innenrevision oder andere Mitarbeiter, die nicht für das Effekten- oder Depotgeschäft verantwortlich sind, anhand der persönlichen Depotkonten auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu prüfen. Auf dem Depotauszug sowie auf der beim Kreditinstitut verbleibenden Durchschrift ist die Prüfung durch das Handzeichen des Kontrolleurs zu bescheinigen. Werden die Depotauszüge mittels elektronischer Datenverarbeitungsanlagen erstellt, so muß durch Kontrollmaßnahmen gewährleistet sein, daß für sämtliche Depots Depotauszüge ausgefertigt werden und daß in ihnen die Depotbestände vollzählig und richtig angegeben sind. Die Depotauszüge sind von Mitarbeitern, die nicht für das Effekten- oder Depotgeschäft verantwortlich sind, grundsätzlich durch die Post versenden zu lassen. Werden in Ausnahmefällen Depotauszüge dem Hinterleger oder dessen zum Empfang Bevollmächtigten in anderer Weise übermittelt, so muß die ordnungsgemäße Zustellung durch besonders strenge Maßnahmen gewährleistet sein. Die Zustellung der Depotauszüge ist prüfbar nachzuweisen. Es muß sichergestellt sein, daß diese Durchschriften der Depotauszüge nur den mit der Kontrolle und dem Versand bzw. der Aushändigung der Depotauszüge beauftragten Personen zugänglich sind. Nicht zustellbare Depotauszüge und Depotauszüge, die im Interesse des Depotinhabers wegen des damit verbundenen Risikos tunlichst nicht zu versenden sind, müssen unter besonderem Verschluß gehalten werden. Schriftliche Reklamationen der Depotinhaber und als unzustellbar zurückkommende Depotauszüge müssen den für ihre Kontrolle und Aufbewahrung verantwortlichen Mitarbeitern unmittelbar nach Eingang übergeben werden. Die zur Benachrichtigung der Depotinhaber bestimmten Vordrucke sollen einen Hinweis enthalten, an wen (neutrale Kontrollstelle) schriftliche Reklamationen zu richten sind.
14. Mitteilungspflicht nach $ 128 A k t G (1) Aktien Grund hängig
Die Mitteilungen einer Gesellschaft sind den Depotkunden eines Kreditinstituts, für die es dieser Gesellschaft verwahrt, unverzüglich zuzuleiten, wenn sie dem Kreditinstitut auf von § 125 Abs. 1 AktG übersandt worden sind. Diese Pflicht zur Weitergabe besteht unabdavon, ob die Mitteilungen dem Kreditinstitut unmittelbar durch die Gesellschaft oder Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft durch ein anderes Kreditinstitut übersandt worden sind. Gehen die Mitteilungen dem Kreditinstitut erst nach Ablauf der in § 125 Abs. 1 AktG vorgeschriebenen Frist von zwölf Tagen zu, so sind sie den Depotkunden zuzuleiten, wenn dies im Hinblick auf ihre rechtzeitige Unterrichtung mit Rücksicht auf den bevorstehenden Termin der Hauptversammlung noch sinnvoll erscheint. (2) Die in der letzten Hauptversammlung das Stimmrecht ausübenden Kreditinstitute müssen dafür Sorge tragen, daß sie die Mitteilungen von der Gesellschaft erhalten, und zwar auch für die Kreditinstitute, deren Depotkunden sie auf Grund übertragener Vollmachten gemäß § 135 Abs. 3 AktG vertreten haben. Dies gilt auch für den Fall, daß das bevollmächtigte und das Stimmrecht ausübende Kreditinstitut nicht durch Drittverwahrung verbunden sind. (3) Beabsichtigt das Kreditinstitut, das Stimmrecht für seine Depotkunden in der Hauptversammlung auszuüben oder ausüben zu lassen, so hat es sämtlichen Depotkunden, für die Aktien der Gesellschaft verwahrt werden, zusätzlich zu den Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 AktG eigene Vorschläge für die Ausübung des Stimmrechts zu den einzelnen Punkten der Tagesordnung mitzuteilen. Das Kreditinstitut hat die Aktionäre ferner um die Erteilung von Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts zu bitten und ein Formblatt beizufügen, durch dessen Ausfüllung die Aktionäre Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilen können. Bei der Einholung von Weisungen ist der Aktionär darauf hinzuweisen, daß seinen Weisungen nur dann entsprochen werden kann, wenn sie dem Kreditinstitut bis zu einem bestimmten Termin zugehen, andernfalls das Stimmrecht gemäß den übermittelten Vorschlägen ausgeübt werde. Gehört ein Vorstandsmitglied des Kreditinstituts dem Aufsichtsrat der Gesellschaft oder ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft dem Aufsichtsrat des Kreditinstituts an, so sind die Aktionäre hiervon zu unterrichten. Die Kreditinstitute haben über diese personelle Verflechtung mit den Gesellschaften eine Liste zu führen, die den Depotprüfern vorzulegen ist. Bezüglich der Weiterleitung der Mitteilungen ist Absatz 1 Satz 3 sinngemäß anzuwenden. (4) Bei der Ausarbeitung von Vorschlägen gemäß § 128 Abs. 2 AktG hat sich das Kreditinstitut von den Interessen der Aktionäre leiten zu lassen. Es hat alle für eine sachgerechte Beurteilung und Meinungsbildung erforderlichen Unterlagen, insbesondere den Geschäftsbericht, heranzuziehen und die Erwägungen, die zu den den Aktionären unterbreiteten Vorschlägen geführt haben, aktenkundig zu machen. H a t ein Aktionär nach der Einberufung der Hauptversammlung dem Kreditinstitut zu sämtlichen Punkten der Tagesordnung bereits eindeutige Weisungen für die Ausübung des Stimmrechts erteilt, so ist das Kreditinstitut nicht verpflichtet, Vorschläge zu unterbreiten und um Weisungen zu bitten. Sind dem Kreditinstitut lediglich zu einzelnen Gegenständen der Tagesordnung Weisungen vom Aktionär zugegangen, so muß es für die weiteren Tagesordnungspunkte Vorschläge unterbreiten und hierzu Weisungen erbitten, wenn es im übrigen beabsichtigt, in der Hauptversammlung das Stimmrecht für Aktionäre auszuüben oder ausüben zu lassen. (5) Die Kreditinstitute haben die ihnen nach § 125 Abs. 1 AktG zugegangenen Mitteilungen auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen. Zur Kontrolle der Einhaltung ihrer sich aus § 128 AktG ergebenden Pflichten haben die Kreditinstitute je ein Exemplar von allen Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 AktG und Vorschlägen oder sonstigen den Aktionären nach § 128 Abs. 2 AktG zu übersendenden Unterlagen zu den Geschäftsakten zu nehmen sowie prüfbare Nachweise zu führen, aus denen folgendes ersichtlich sein muß: a) Name oder Depotnummer der Aktionäre der betreffenden Gesellschaft unter Angabe der für sie jeweils verwahrten Bestände. b) Daten über den Eingang der Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 AktG und über die fristgerechte Weiterleitung der Mitteilungen bzw. der Vorschläge und der sonstigen Unterlagen nach § 128 Abs. 2 AktG an die Aktionäre. Die Nachweise sind laufend bis zu dem Tage, an dem im Einzelfalle eine Unterrichtung des betreffenden Aktionärs noch sinnvoll erscheint, zu ergänzen. 15. Ausübung des Stimmrechts (1) Das Stimmrecht für Inhaberaktien, die dem Kreditinstitut nicht gehören, darf ein Kreditinstitut nur ausüben oder ausüben lassen, wenn es von dem Aktionär hierzu schriftlich bevoll1134
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VII. Die Richtlinien f ü r die D e p o t p r ü f u n g mächtigt worden ist. In der eigenen Hauptversammlung darf das bevollmächtigte Kreditinstitut das Stimmrecht auf Grund der Vollmacht nur ausüben, soweit der Aktionär eine ausdrückliche Weisung zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung erteilt hat. Mit der Stimmrechtsvertretung darf nur ein bestimmtes Kreditinstitut bevollmächtigt werden. Die Vollmacht kann von dem Aktionär f ü r die Vertretung in einer bestimmten Hauptversammlung oder spätestens vom Tage ihrer Ausstellung generell f ü r längstens fünfzehn Monate erteilt werden. Sie ist jederzeit widerruflich. Die Vollmachtsurkunde muß bei der Erteilung von Vollmacht vollständig ausgefüllt sein und soll das Datum ihrer Ausstellung enthalten. Aus ihr muß sich ergeben, welchem Kreditinstitut die Vollmacht erteilt wird. Die Vollmacht darf keine anderen als die gesetzlich zulässigen Erklärungen enthalten. Die Vollmachten sind zu den Depotakten oder zu den f ü r die betreffende Hauptversammlung geführten Akten zu nehmen, soweit sie nicht in der Hauptversammlung zu übergeben sind. (2) Das bevollmächtigte Kreditinstitut darf Personen, die nicht seine Angestellten sind, nur unterbevollmächtigen, wenn die Vollmacht eine Unterbevollmächtigung ausdrücklich gestattet und das bevollmächtigte Kreditinstitut am O r t der Hauptversammlung keine Niederlassung hat. Gleiches gilt f ü r eine Übertragung der Vollmacht durch das bevollmächtigte Kreditinstitut. Die Unterbevollmächtigung bzw. die Übertragung der Vollmacht muß aus den Depotakten des vom Aktionär bevollmächtigten Kreditinstituts ersichtlich sein. (3) Übt das Kreditinstitut das Stimmrecht unter Benennung des Aktionärs in dessen N a m e n aus, so ist die Vollmachtsurkunde der Gesellschaft zu übergeben. In diesem Falle ist es erforderlich, f ü r jede Hauptversammlung eine neue Vollmacht vom Aktionär einzuholen. Übt es das Stimmrecht, sofern es die Vollmacht bestimmt, im Namen dessen, den es angeht, aus, so genügt zum Nachweis seiner Stimmberechtigung gegenüber der Gesellschaft die Erfüllung der in der Satzung f ü r die Ausübung des Stimmrechts vorgesehenen Erfordernisse; enthält die Satzung hierüber keine Bestimmungen, genügt die Vorlegung der Aktien oder eine Bescheinigung über die Hinterlegung der Aktien bei einem N o t a r oder einer Wertpapiersammelbank. (4) Das Stimmrecht f ü r Namensaktien eines Depotinhabers, die auf den N a m e n des Kreditinstituts im Aktienbuch der Gesellschaft eingetragen sind, kann nur auf Grund einer schriftlichen Ermächtigung des Depotinhabers ausgeübt werden. Sind die Aktien im Aktienbuch auf den Namen des Depotinhabers eingetragen, so bedarf es zur Ausübung des Stimmrechts einer schriftlichen Vollmacht des Depotinhabers, die unter Bekanntgabe seines Namens der Gesellschaft zu übergeben ist. (5) Die Kreditinstitute sind im Rahmen des § 135 AktG verpflichtet, das Stimmrecht f ü r sämtliche in Verwahrung befindlichen Aktien des Vollmachtgebers und den ihnen erteilten Weisungen bzw. bei fehlenden Weisungen den eigenen Vorschlägen entsprechend auszuüben, es sei denn, daß das Kreditinstitut den Umständen nach annehmen darf, daß der Aktionär bei Kenntnis der Sachlage die von den eigenen Vorschlägen abweichende Ausübung des Stimmrechts billigen würde. Wird Personen, die nicht Angestellte des bevollmächtigten Kreditinstituts sind, Vollmacht übertragen oder Untervollmacht erteilt, so müssen diese unterrichtet werden, in welcher Weise das Stimmrecht auszuüben ist. Weicht das an der Hauptversammlung teilnehmende Kreditinstitut von den dem Aktionär unterbreiteten Vorschlägen ab, weil es annehmen darf, daß der Aktionär bei Kenntnis der Sachlage die abweichende Ausübung des Stimmrechts billigen würde, oder weicht das Kreditinstitut von ihm erteilten Weisungen ab, so ist dem Aktionär hiervon unter Angabe der Gründe Kenntnis zu geben. (6) Werden die Aktien nach § 123 Abs. 2 AktG hinterlegt, so ist die Sperre in den Depotbüchern kenntlich zu machen. In jedem Falle sind Vorkehrungen dafür zu treffen, daß das Stimmrecht f ü r den bisherigen Aktionär nicht ausgeübt wird, falls er seine Aktien bis zur Hauptversammlung veräußert hat. (7) Auf den Depotkonten der Aktionäre ist das Vorliegen von 15-Monats-Vollmachten und ihre Gültigkeitsdauer einzutragen. Die Kreditinstitute haben die Dauer der Vollmacht zu überwachen. (8) Die Kreditinstitute haben durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß sämtliche von den Aktionären f ü r die Ausübung des Stimmrechts eingehenden Weisungen zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung bei der Stimmrechtsausübung beachtet werden. Nach Claus-Wilhelm Canaris
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft Ablauf des von den Kreditinstituten festgelegten Termins, bis zu dem eingehenden Weisungen entsprochen werden kann, ist an Hand einer Ubersicht zusammenzustellen, mit welchen Nennbeträgen oder — wenn die Satzung dies vorschreibt — mit welcher Stückzahl der zu vertretenden Aktien das Stimmrecht im Sinne der Vorschläge der Verwaltung, im Sinne der Gegenanträge bzw. Wahlvorschläge der Opponenten oder sonstigen Weisungen gemäß auszuüben und zu welchen Punkten der Tagesordnung gegen die Verwaltungsvorschläge zu stimmen oder Stimmenthaltung zu üben ist. Die Zusammenstellung ist von der internen Revision oder einem neutralen Mitarbeiter auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen und abzuzeichnen. Die Kreditinstitute haben schriftlich festzuhalten, daß das Stimmrecht für sämtliche in Verwahrung befindlichen Aktien der Vollmachtgeber ausgeübt und den Pflichten bei der Ausübung des Stimmrechts entsprochen worden ist. Sofern unter besonderen Umständen bei der Ausübung des Stimmrechts von der Weisung des Aktionärs oder, wenn dieser keine Weisung erteilt hat, von den eigenen Vorschlägen abgewichen worden ist, ist dies ausdrücklich unter Angabe der Gründe, die hierfür maßgebend waren, zu erwähnen. Die Durchschläge der Mitteilungen nach § 135 Abs. 8 AktG sind mit einem Versendungsvermerk zu versehen und geordnet abzulegen.
VIII. D e r Safevertrag 1. Die Rechtsnatur des Safevertrags
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Eine gewisse Verwandtschaft mit dem Depotgeschäft hat das Safegeschäft. Dieses besteht darin, daß die Bank dem Kunden ein numeriertes, durch besondere Sicherheitsvorkehrungen gegen Diebstahl und Feuer gesichertes Fach in ihrem Tresor zur Verfügung stellt, das i. d. R. nur durch den Kunden und die Bank gemeinsam mit Hilfe zweier verschiedener Schlüssel geöffnet werden kann. Die Rechtsnatur des Safevertrags ist umstritten. Außer Frage steht allerdings von vornherein, daß er keinen echten Depotvertrag darstellt; denn die für diesen charakteristische Verwaltungsfunktion und die daraus entspringenden besonderen Pflichten sind dem Safevertrag jedenfalls fremd. Nach richtiger Ansicht kommt dem Safevertrag außerdem auch keine Verwahrungsfunktion zu, da sein Zweck nicht in der Begründung besonderer Obhutspflichten, sondern lediglich in der Überlassung von Raum besteht. Der Safevertrag ist daher kein Verwahrungsvertrag, sondern ein Mietvertrag 109 .
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Demgemäß beurteilen sich die Pflichten aus dem Safevertrag grundsätzlich nach den §§ 580, 535 ff BGB. Danach ist die Bank verpflichtet, dem Kunden das Schrankfach zu überlassen und ihm den Zugang zu diesem zu den geschäftsüblichen Zeiten zu ermöglichen, und der Kunde ist verpflichtet, dafür das vereinbarte Entgelt zu zahlen. Außerdem hat die Bank die sich aus dem spezifischen Zweck des Safevertrags ergebenden Nebenpflichten zu erfüllen. So muß sie z. B. den in ihrem Besitz verbleibenden Schlüssel sorgfältig aufbewahren. Außerdem hat sie die Pflicht zur Sicherung des Tresors in einwandfreier Weise und nach den neuesten technischen Möglichkeiten, soweit diese verkehrsüblich sind 110 . Sie hat grundsätzlich die Zutrittsmöglichkeiten sorgsam zu überwachen. Eine besondere Prüfung der Legitimation des Schlüsselinhabers wird man auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Abrede zu fordern haben, sofern der
2. Die Pflichten aus dem Safevertrag
10« Vgl. R G Z 141, 99, 101 f ; Opitz Anh. nach § 1 DepG unter B Anm. 3 m. umf. N a c h w . zum alteren Schrifttum; Schönle § 22 II; Werner JuS 1980,
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176 m. w. N a c h w . ' 1 0 Vgl. auch Baumbach/Duden Anh. V nach 5 406 Anm. 2 B zu § 1 D e p G ; Schönle § 22 II.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
VIII. D e r Safevertrag
Schlüsselinhaber dem betreffenden Bankangestellten nicht persönlich als berechtigter Mieter des Safes bekannt ist. Das gilt zumindest dann, wenn der Safe nur mit Hilfe eines zweiten im Besitz der Bank befindlichen Schlüssels geöffnet werden kann; denn diese Vorsichtsmaßnahme würde sinnlos, wenn die Bank jedem beliebigen Inhaber des (anderen) Schlüssels ohne weiteres die Öffnung des Safes gestattete. Droht dem Safeinhalt Gefahr wie z. B. beim Ausbruch eines Feuers, so hat die Bank nach § 242 BGB trotz des Fehlens einer verwahrungsrechtlichen Obhutspflicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu versuchen, die im Safe liegenden Sachen zu retten. Bei einer Verletzung ihrer Pflichten haftet die Bank grundsätzlich auf Schadenser- 2 2 2 6 satz. In den besonderen AGB, die dem Safevertrag zugrunde gelegt zu werden pflegen, sind allerdings in aller Regel Freizeichnungsklauseln enthalten, die die Haftung der Bank höhenmäßig begrenzen und meist insbesondere in bestimmter Weise mit der Höhe der Miete verknüpfen. Derartige Bestimmungen sind unwirksam, soweit sie gegen § 11 Nr. 7 AGBG verstoßen, halten aber im übrigen einer Inhaltskontrolle am Maßstab von § 9 AGBG grundsätzlich stand. Die Bank erlangt nämlich grundsätzlich keine Kenntnis vom Inhalt des Schrankfaches und kann daher dessen Wert nicht überschauen, so daß die Höhe des eingegangenen Risikos für sie nicht zu beeinflussen, ja sogar i. d. R. nicht einmal abzuschätzen ist. Auch kann die Miethöhe außer jedem Verhältnis zum Wert des Safeinhalts und damit zum Risiko der Bank stehen. Schließlich ist auch zu bedenken, daß die Bank wegen ihrer mangelnden Kenntnis vom Schrankinhalt praktisch keine Möglichkeit hat, einen etwaigen Beweis des Kunden über den Wert des (angeblichen) Schrankinhalts durch einen Gegenbeweis zu entkräften. Eine Begrenzung ihrer Haftung ist daher sachlich gerechtfertigt. Allerdings darf diese nicht so weit gehen, daß dadurch die Sicherungsfunktion des Safes im praktischen Ergebnis unterlaufen wird. Auch wird man bei der Beurteilung der Frage, ob die Höhe der Haftung angemessen festgelegt worden ist, die Möglichkeit und die Wirtschaftlichkeit einer Versicherung des Haftungsrisikos zu berücksichtigen haben. Schließlich wird man grundsätzlich verlangen müssen, daß die Bank dem Kunden die Möglichkeit eröffnet, gegen eine entsprechende höhere Zahlung auch eine höhere Haftungsgrenze zu vereinbaren — wobei diese freilich auch hier durch eine feste Zahl bestimmt werden darf; denn nur so wird die erforderliche Flexibilität erreicht, damit einerseits die Kunden ihre u. U. sehr unterschiedlichen Interessen an einer mehr oder weniger hohen Haftungssumme verwirklichen können, und damit andererseits die Bank eine Übersicht über die Höhe ihres Risikos und eine angemessene Gegenleistung für dieses erhält. Im übrigen gelten die Einschränkungen, die die Rechtsprechung für die Freizeichnungsklausel gemäß Ziff. 10 AGB entwickelt hat (vgl. dazu unten Rdn. 2603 ff), hier entsprechend. Denn auch im Falle von Ziff. 10 AGB kann die Bank das von ihr eingegangene Risiko weder beeinflussen noch auch nur überschauen, und da die Bank dort sogar unentgeltlich handelt, kann sie beim Safevertrag, der ja immerhin ein entgeltlicher Vertrag ist, nicht besser stehen. 3. Die Rechtsverhältnisse bezüglich des Safeinhalts Unmittelbaren Besitz am Safeinhalt hat grundsätzlich nur der Kunde und nicht die 2 2 2 7 Bank 111 . Das gilt auch dann, wenn die Bank einen zweiten Schlüssel zu dem Safe hat und dieser nur mit beiden Schlüsseln zusammen geöffnet werden kann; denn der
" ' V g l . Opitz a a O Anm. 4 m. umf. Nachw. zum älteren Schrifttum; Schönle § 22 II; a. A. Werner
JuS 1980, 175 f, der Milbesitz annimmt,
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
Zweck einer solchen Maßnahme ist nach dem typischen Parteiwillen nicht, der Bank die Mitherrschaft über den Safeinhalt einzuräumen, sondern lediglich, eine zusätzliche Sicherung gegen eine unbefugte Öffnung des Schrankfachs zu schaffen. Im übrigen spricht für diese Ansicht auch die Qualifikation des Safevertrags als Mietvertrag (vgl. oben Rdn. 2224). Der Vermieter hat nämlich typischerweise keinen unmittelbaren Besitz an den Sachen des Mieters und soll diesen nach dem Sinn des Mietvertrags auch nicht haben; denn seine Pflicht besteht ja nur in der Zurverfügungstellung des Raumes und gerade nicht in der Obhut über die darin befindlichen Sachen, und folglich gehen ihn diese grundsätzlich nichts an. Dementsprechend hat er nach der — für die Bestimmung des Besitzes ausschlaggebenden — sozialen Anschauung grundsätzlich weder die tatsächliche Herrschaft über die in dem vermieteten Raum befindlichen Sachen noch den erforderlichen Besitzwillen. 2228
Aus der Ablehnung eines unmittelbaren Besitzes der Bank folgt u. a., daß ihr das Vertragspfandrecht gemäß Ziff. 19 II AGB bezüglich des Safeinhalts grundsätzlich nicht zusteht 1 1 2 . Das ergibt sich im übrigen auch aus dem typischen Zweck des Safevertrags, weil der Kunde nach diesem den Safeinhalt grundsätzlich zu seiner freien Verfügung haben soll.
2229
Gegen das gesetzliche Pfandrecht gemäß § 559 BGB bestehen dagegen keine Einwände. Denn dabei handelt es sich anerkanntermaßen um ein besitzloses Pfandrecht, und auch der Zweck des Safevertrags steht nicht entgegen, da dieses Pfandrecht nur für die Forderungen aus dem Mietverhältnis geltend gemacht werden kann und der Safeinhaber ohne weiteres mit Beschränkungen seiner Verfügungsmöglichkeiten über den Safeinhalt rechnen muß, sofern er seinen Pflichten aus der Miete des Schrankfachs noch nicht voll nachgekommen ist.
2230
Das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 369 HGB scheitert ebenso wie ein Vertragspfandrecht daran, daß die Bank keinen Besitz am Safeinhalt hat. Gegenüber dem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB und dem vertraglichen Zurückbehaltungsrecht gemäß Ziff. 19 V AGB greift dieser Einwand dagegen nicht durch. Zumindest das letztere, das nicht einmal Konnexität der Forderungen im weitesten Sinne voraussetzt, ist jedoch mit dem typischen Sinn des Safevertrags, wonach dem Kunden grundsätzlich die freie Verfügung über den Safeinhalt erhalten bleiben soll, nicht zu vereinbaren und daher als konkludent abbedungen anzusehen 113 . Hinsichtlich des Zurückbehaltungsrechts aus § 273 BGB kann man das allerdings nicht sagen, und daher steht dieses der Bank grundsätzlich zu. Dabei ist freilich das Erfordernis, daß die Ansprüche auf „demselben rechtlichen Verhältnis" beruhen müssen, so auszulegen, daß die Forderung der Bank eine Beziehung gerade zu dem Safevertrag haben muß und nicht auf einem Geschäft beruhen darf, das zu diesem außer jedem Zusammenhang steht. Als „rechtliches Verhältnis" i. S. von § 273 BGB kann hier also keinesfalls schon die Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und dem Kunden als solche angesehen werden; denn das würde doch wieder zu dem mit dem Sinn des Safevertrags unvereinbaren Ergebnis führen, daß der Kunde wegen jedes beliebigen sonstigen Geschäfts mit der Bank seine Möglichkeit zur freien Verfügung über den Safeinhalt verlöre. Soweit die Bank danach ein Zurückbehaltungsrecht hat, kann sie dieses dadurch ausüben, daß sie dem Kunden
112
Vgl. auch Opitz a a O Anm. 12; Baumbach/Duden a a O Anm. 2 B zu § 1 D e p G ; Schönte § 22 III 3 a; Baur Lb. des S a c h e n r e c h t s " § 55 B II 3 b dd; Haupt Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
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der deutschen Banken, 1937, S. 165 f f ; W M 1969, 548. A. A. Opitz a a O Anm. 14 a. E.
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Liesecke
VIII. D e r Safevertrag
den Zugang zu dem Safe verweigert; denn in dessen Gestattung liegt insoweit ihre „Leistung". 4. Die Zwangsvollstreckung in den Safeinhalt Die Zwangsvollstreckung in den Safeinhalt hat grundsätzlich nach den Vorschriften 2231 über die Pfändung beweglicher Sachen gemäß §§ 808 ff ZPO zu erfolgen. Das ist unproblematisch, wenn der Safeinhaber mit der Pfändung einverstanden ist; denn dann kann ohne weiteres nach § 808 Z P O vorgegangen werden, wobei die Bank auf ein entsprechendes Ersuchen ihres Kunden zur Öffnung des Safes verpflichtet ist. Widersetzt sich der Safeinhaber dagegen der Pfändung, so ist die Lage Verhältnismäßig verwickelt. Zunächst muß der Gerichtsvollzieher in den Besitz des bei dem Kunden befindlichen Schlüssels gelangen und dazu gemäß § 758 Z P O gegebenenfalls mit Gewalt vorgehen. Außerdem muß der Vollstreckungsgläubiger aber sicherstellen, daß die Bank dem Gerichtsvollzieher Zugang zu dem Safe gewähren und diesen öffnen muß. Das kann er nur erreichen, indem er den Anspruch des Kunden gegen die Bank auf Mitwirkung bei der Safeöffnung gemäß §§ 857, 846 f, 829, 835 Z P O pfändet und sich zur Einziehung überweisen läßt 114 .
2232
Dieses Weges bedarf es allerdings nicht, wenn die Bank auch ohne einen solchen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zur Öffnung des Safes bereit ist. In einem solchen Fall kann nämlich nach § 809 Z P O vorgegangen werden, da die Bank dann ein „herausgabebereiter Dritter" i. S. dieser Vorschrift ist. Eine andere Frage ist, ob die Bank im Verhältnis zu ihrem Kunden berechtigt ist, gegen dessen Willen den Safe ohne Pfändung und Uberweisung des Mitwirkungsanspruchs zu öffnen. Das ist grundsätzlich zu verneinen 1 1 5 ; denn die Bank kann nicht wissen, ob der Titel gegen ihren Kunden zu Recht besteht und ob aus diesem gerade in den Safeinhalt vollstreckt werden darf, und außerdem kann der Gläubiger ja ohne weiteres den Weg über § 857 Z P O beschreiten und ist folglich hinreichend geschützt. Die Bank verletzt daher ihre Pflichten gegenüber ihrem Kunden und wird diesem demgemäß gegebenenfalls schadensersatzpflichtig, wenn sie ohne sein Einverständnis und ohne Pfändung und Überweisung des Mitwirkungsanspruchs die Zwangsvollstreckung in den Safeinhalt ermöglicht.
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5. Der Tod des Safeinhabers Beim Tod des Safeinhabers gehen die Rechte aus dem Safevertrag nach dem Grundsatz der Universalsukzession i. d. R. auf dessen Erben über. Die Ansprüche können jedoch u. U. auch einem Dritten zustehen. Insoweit gelten die Ausführungen oben Rdn. 210 ff entsprechend. Allerdings ist dabei zu bedenken, daß die Konstruktion eines Vertrags zugunsten Dritter 116 von der Rechtsprechung nicht für dingliche Geschäfte zugelassen wird (vgl. z. B. BGHZ 41 95, 96) und daß dementsprechend der Inhalt des Safes auf diesem Wege nicht mit unmittelbarer Wirkung auf den Dritten übereignet werden kann, doch geht es hinsichtlich des Anspruchs aus dem Safevertrag und der daraus entspringenden Berechtigung zur Öffnung des Safes ja nicht um ein sachenrechtliches, sondern um ein rein schuldrechtliches Problem, so daß § 328 BGB insoweit ohne weiteres Anwendung findet und die Bank dem Dritten gegenüber zur Ö f f n u n g
114
Vgl. auch Opitz aaO Anm. 20; Schönle §22 III 3 b. " 5 Vgl. auch Opitz a a O Anm. 20.
116
Vgl. dazu, speziell bezüglich der Zuwendung des Safeinhalts auf den Todesfall, O L G Oldenburg N J W 1977, 1780 mit i. E. zustimmender Anm. von Werner JuS 1980, 175 ff.
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17. Abschnitt. Das Depotgeschäft
des Safes verpflichtet und berechtigt ist; ob dieser im Verhältnis zu den Erben den Safeinhalt behalten darf, ist eine andere Frage und nach den allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden, die zur Lösung dieser Problematik entwickelt worden sind (vgl. dazu näher oben Rdn. 213 ff). Im übrigen kann auch mit Hilfe einer postmortalen Vollmacht die Öffnung des Safes erreicht werden (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 208 f und 222 f). 2235
Schwierigkeiten besonderer Art ergeben sich, wenn ein Testament im Safe vermutet wird und eine postmortale Vollmacht nicht vorhanden ist. Die Erbschaftsprätendenten müßten dann nämlich einerseits den Safe erst öffnen, um ihre Stellung als Erben nachweisen zu können, sich aber andererseits eigentlich schon zuvor als Erben legitimieren, um überhaupt die Berechtigung zur Safeöffnung darzutun. Zur Lösung dieses Widerspruchs wird man die Bank als berechtigt und verpflichtet ansehen müssen, den Safe in Gegenwart einer Vertrauensperson wie z. B. eines Notars zu öffnen — gegebenenfalls auch gewaltsam — und ein etwa vorgefundenes Testament dem oder den darin als Erben eingesetzten Personen auszuhändigen oder es gemäß § 2259 BGB beim Nachlaßgericht abzuliefern 117 . Lehnt man diese Möglichkeit ab, bleibt nur die Bestellung eines Nachlaßpflegers gemäß oder analog § 1960 I 2 BGB.
117
Vgl. auch Schütz Bankgeschäftliches Formularbuch, 18. Aufl. 1969, S. 134; Scbönle$ 22 III 4.
1140
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
18. Abschnitt Das Emissionsgeschäft Systematische
Übersicht Rdn.
Rdn. I. Begriff und Wesen des Emissionsgeschäfts 1. Der Begriff der Emission 2. Die Technik des Emissionsgeschäfts 3. Die Rechtsnatur des Emissionsgeschäfts a) Die Rechtsnatur des Vertrags zwischen dem Emittenten und der Emissionsbank bzw. dem Emissionskonsortium b) Die Rechtsnatur des Vertrags zwischen der Bank und ihren Effektenkunden c) Die Rechtsnatur des Emissionskonsortiums II. Das Rechtsverhältnis zwischen den Banken und dem Emittenten 1. Die Pflichten der Banken gegenüber dem Emittenten a) Die Beratungspflicht b) Die Pflicht zur Übernahme der Emission c) Die Pflicht zur Unterbringung der Emission d) Sonstige Pflichten der Emissionsbanken 2. Die Rechte der Banken gegenüber dem Emittenten 3. Die Bedeutung des Konsortiums für das Rechtsverhältnis zwischen den Banken und dem Emittenten
2236 2238
2243
2245 2248
2249 2250 2255 2257 2259
2263
Alphabetische Aktienemission 2244, 2254 Anleiheemission 2243, 2255 Genehmigungspflicht 2251 Bankgeheimnis 2279 Beratungspflicht der Bank gegenüber Anlegern 2271 ff gegenüber Emittenten 2249 bei Publikums-KG 2296 Bezugsrecht 2240, 2244, 2256, 2270, 2323 f
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und den Anlegern 1. Der Anspruch des Kunden auf Zuteilung der Effekten 2. Die Rechte des Kunden aus dem Kaufvertrag 3. Der Anspruch aus Prospekthaftung gemäß §§ 45 ff BörsG a) Der Text der §§ 45 ff BörsG . . b) Die dogmatische Einordnung der Prospekthaftung c) Die Tatbestandsvoraussetzungen der Prospekthaftung . . . . d) Die Rechtsfolgen der Prospekthaftung e) Das Verhältnis zu sonstigen Anspruchsgrundlagen 4. Die Prospekt- und Initiatorenhaftung bei Kapitalanlagen außerhalb des Börsenhandels a) Die Anspruchsgrundlagen . . . b) Die Tatbestandsvoraussetzungen c) Die Verjährung d) Die Rechtsfolgen IV. Das Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern eines Emissionskonsortiums 1. Die Pflichten der Konsortiumsmitglieder untereinander 2. Geschäftsführung und Vertragsänderung 3. Vermögenszuständigkeit und Verfügungsmacht 4. Das Ende des Konsortiums
2267 2271
2275 2276 2279 2285 2288
2292 2295 2299 2302
2305 2310 2316 2322
Ubersicht Börsenzulassung 2257, 2283, 2322 Emissionsgeschäft 2236 ff Emissionsvergütung 2259 ff Ersetzungsbefugnis 2286 Fremdemission 2236, 2239 Girosammeiverwahrung 2283 Jungscheingiroverkehr 2241, 2319 f
Claus-Wilhelm Canaris
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft K o n k u r s d e r B a n k 2270 K o n s o r t i u m 2238, 2 2 4 5 f f , 2263 ff G e s c h ä f t s f ü h r u n g 2310 ff I n n e n v e r h ä l t n i s 2304 ff V e r f ü g u n g s b e f u g n i s 2 3 1 6 ff P r o s p e k t h a f t u n g 2274 ff a u ß e r h a l b des B ö r s e n h a n d e l s 2291 ff u n d c u l p a in c o n t r a h e n d o 2289 ff u n d D e i i k t s r e c h t 2290 P u b l i k u m s - K G 2291 ff Q u o t e n ü b e r n a h m e 2305 ff
R i s i k o k l a u s e l 2252 ff, 2315 Selbstemission 2 2 3 6 S a m m e l u r k u n d e 2241 T e n d e r v e r f a h r e n 2240 Ü b e r n a h m e , feste 2239, 2243 ff, 2 3 0 8 Ü b e r n a h m e p f l i c h t 2250 ff Überzeichnung 2269 U n t e r b r i n g u n g s p f l i c h t 2 2 5 5 f, 2 3 0 8 V e r j ä h r u n g 2 2 9 9 ff V e r w e r t u n g s a k t i e n 2244, 2256
Literatur Bettermann Verfassungswidriger Emissionsstop, BB 1969, 699 ff; Böse Der Einfluß des zwingenden Rechts auf internationale Anleihen, 1963; Bremer Grundzüge des deutschen und ausländischen Börsenrechts, 1969, S. 114 ff; Bruns Einführung in das Effektenwesen, 2. Aufl. 1965, S. 37 ff; Delorme/Hoessrich Konsortial- und Emissionsgeschäft, 2. Aufl. 1971; Ehricke Zur zivilrechtlichen Prospekthaftung der Emissionsbanken gegenüber dem Wertpapieranleger, DB 1980, 2429 ff; Erman Z u r Prospekthaftung aus § 45 Börsen-Gesetz, Die AG 1964, 327 ff; Frohne Prospektpflicht und Prospekthaftung in Deutschland, Frankreich und den USA, Diss. München 1974; Göppert Stückeloser Effektenverkehr, Zulassungsverfahren und Prospekthaftung, BankArch. 1931/32, 199 ff; Herold Das Kreditgeschäft der Banken, 15. Aufl. 1964, S. 201 ff; Norbert Horn Das Recht der internationalen Anleihen, 1972; Karger Emission von Aktien und Anleihen, 1928; Keim Die Rechtsstellung des Emissionshauses bei der Einführung von Aktien in den Verkehr, 1909; Krell Die zivilrechtliche Prospekthaftung der Emissionsbanken gegenüber dem Wertpapieranleger, Diss. Freiburg 1973; Lutter Verwertungsaktien, Die AG 1970, 184 ff; Meyer/Bremer Börsengesetz, 4. Aufl. 1957; Möschel Das Konsortialgeschäft der Kreditinstitute im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen. Emissionskonsortien als marktbeherrschende Unternehmen, Z H R 136 (1972), 273 ff; Pabst Prospektzwang und Prospekthaftung in den sechs Gründerstaaten der E W G und in der Schweiz, Diss. Mainz 1972; Rolf Der Börsenprospekt, Diss. Zürich 1969; Schönle Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976, § 19 II; Scholze Das Konsortialgeschäft der deutschen Banken, 1973; Schwark Kommentar zum Börsengesetz, 1976; Szantyr Effektenkonsortialgeschäft und Emissionsgeschäft, Bankrecht und Bankpraxis, 1979, Rdn. 10/1 ff (zit. BuB); Thiel Die Aktienemission als handelsrechtliches, kapitalverkehrssteuerliches und körperschaftssteuerliches Problem, Die A G 1966, 388 f f ; Ungnade Die Zulässigkeit der staatlichen Einflußnahme auf den primären Rentenmarkt, speziell im Hinblick auf § 795 BGB, 1972; Wessely D e r Bundesschatzbrief als Sammelschuldbuchforderung und seine Emission, W M 1969, 1094 ff; Harm Peter Westermann Das Emissionskonsortium als Beispiel der gesellschaftsrechtlichen Typendehnung, Die A G 1967, 285 ff; Wiedemann Ausgabekurs und Bezugskurs beim mittelbaren Bezugsrecht, W M 1979, 990 ff. Vgl. ferner die Nachw. unten Fn. 74.
I. B e g r i f f u n d W e s e n d e s E m i s s i o n s g e s c h ä f t s 1. D e r Begriff der Emission
2236
D a s E m i s s i o n s g e s c h ä f t g e h ö r t n i c h t z u d e n in § 1 I 2 K W G a u f g e z ä h l t e n B a n k g e s c h ä f t e n . G l e i c h w o h l ist es als B a n k g e s c h ä f t a n z u s e h e n — w e n n a u c h n i c h t im S i n n e d e s K r e d i t w e s e n g e s e t z e s , so d o c h im S i n n e des B a n k p r i v a t r e c h t s . D a f ü r s p r i c h t z u m e i n e n d i e e n g e r e c h t l i c h e u n d w i r t s c h a f t l i c h e N ä h e des E m i s s i o n s g e s c h ä f t s z u m E f f e k t e n g e s c h ä f t u n d z u m a n d e r e n die T a t s a c h e , d a ß E m i s s i o n e n h e u t e n a h e z u a u s n a h m s l o s u n t e r E i n s c h a l t u n g e i n e r B a n k b z w . eines B a n k e n k o n s o r t i u m s e r f o l g e n ; d e n n die „Fremdemission" m i t H i l f e d e r B a n k e n bildet h e u t e in d e r P r a x i s die R e g e l , w ä h r e n d 1142
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. B e g r i f f u n d W e s e n d e s E m i s s i o n s g e s c h ä f t s
die „Selbstemission" durch den Aussteller eine verhältnismäßig seltene Ausnahme darstellt 1 . Als Emission ist die erste Ausgabe einer großen Zahl von Effekten, insbesondere 2 2 3 7 von Schuldverschreibungen und Aktien anzusehen 2 . Die Bank fungiert hier gewissermaßen als Schalt- und Vermittlungsstelle zwischen dem Emittenten und den Erwerbern. Als Emission im Rechtssinne ist daher zweckmäßigerweise die Gesamtheit der Vorgänge zu bezeichnen, die zur erstmaligen Ausreichung von Effekten erforderlich sind 3 . Demgemäß besteht die Emission juristisch nicht aus einem einheitlichen Akt, sondern aus einer Mehrzahl von Rechtsgeschäften (vgl. näher unten Rdn. 2242 ff). 2. Die Technik des Emissionsgeschäfts Der Komplexität des Emissionsvorgangs entsprechend vollzieht sich dessen 2 2 3 8 Abwicklung in einer Reihe von Stufen 4 . Zunächst wendet sich der Emittent, dem in aller Regel der erforderliche organisatorische Apparat für eine Plazierung der Emission fehlt und der häufig auch nicht über die nötigen Markt- und Sachkenntnisse verfügt, mit dem Wunsche nach einer Fremdemission an eine Bank. Diese zieht meist andere Banken hinzu, und es bildet sich daher ein Konsortium, das die Emission gemeinsam durchführt. Zum einen ist nämlich ein einzelnes Kreditinstitut bei größeren Emissionen regelmäßig weder bereit noch in der Lage, das Risiko der Plazierung allein zu tragen, und zum anderen wird die Unterbringung einer Emission selbstverständlich erleichert, wenn auch der Organisationsapparat anderer Banken verwendet und deren Kundenkreis unmittelbar angesprochen werden kann. Dieses Konsortium kann nun entweder die Emission zunächst selbst übernehmen 2 2 3 9 und sie dann im eigenen Namen und für eigene Rechnung beim Publikum unterzubringen suchen oder es kann die Emission für den Emittenten plazieren — sei es, daß es dabei zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung des Emittenten handelt, sei es, daß es sogar im Namen des Emittenten auftritt. Im ersten Fall, den man als feste Übernahme bezeichnen kann, tragen die Banken das Risiko, ob und in welchem Umfang die Emission untergebracht werden kann; denn sie haben hier dem Emittenten sofort den gesamten Betrag der Emission zur Verfügung zu stellen und müssen dann versuchen, die übernommenen Effekten weiterzuvertreiben. Im zweiten Fall dagegen trägt der Emittent das Risiko des Plazierungserfolgs, da die Banken hier ja für seine Rechnung oder sogar in seinem Namen handeln; es liegt daher auf der Hand, daß diese Form der Emission für den Emittenten äußerst ungünstig ist und ihm einen wesentlichen Vorteil der Fremdemission nimmt, da eine unrichtige Einschätzung des Marktes und der Unterbringungschancen dann letztlich doch wieder ihm zur Last fällt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß die erstgenannte Fallgestaltung, also die „feste Übernahme" heute in der Praxis die gebräuchlichste Form der Fremdemission ist5. Für die Unterbringung der Emission beim Publikum stehen mehrere Wege zur Ver- 2 2 4 0 fügung. Bei weitem am häufigsten ist dabei der freihändige Verkauf, während der Auflegung zur öffentlichen Zeichnung heute in der Praxis keine Bedeutung mehr zukommt 6 . Für die Emission von Aktien auf Grund einer Kapitalerhöhung gibt es 1
Vgl. z. B. Delorme/Hoessrich S. 5 3 ; S. 287. S. 4 9 ; Horn 2 Vgl. a u c h Delorme/Hoessrich Scbolze S. 2 8 5 ; Schönle § 19 II 1. 3 Vgl. a u c h Delorme/Hoessrich S. 5 1 ; S. 286.
Scbolze S. 8 9 ; Scholze
4
Vgl. d a z u e i n g e h e n d Horn S. 89 f f ; Scholze S. 284 f f , 304 ff, 472 ff. 5 Vgl. z. B. Scholze S. 2 9 1 ; Schönle 5 19 II 2 a. 6 Vgl. im ü b r i g e n n ä h e r Scholze S. 294 f f ; vgl. f e r n e r Schönle § 19 II 2 b.
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft
sodann den Weg einer Aufforderung an die Aktionäre zur Ausübung ihres (mittelbaren) Bezugsrechts (vgl. dazu näher unten Rdn. 2270). Hervorhebung verdient schließlich das sogenannte Tenderverfahren. Dabei bietet die Deutsche Bundesbank im Auftrage und für Rechnung des Bundesministers der Finanzen eine Emission von Kassenobligationen der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Bundespost oder der Deutschen Bundesbahn im Wege der öffentlichen Ausschreibung jedermann zum Kauf an. Die abzugebenden Angebote müssen durch bestimmte Nennbeträge teilbar sein und sollen den Kurs angeben, zu dem der Bieter zur Übernahme bereit ist; über dem festgesetzen Verkaufskurs liegende Gebote werden dann zuerst berücksichtigt 7 . 2241
Die Verbriefung des Rechts ist für die Unterbringung der Emission nicht erforderlich. Denn die Effekten können schon vorher im Wege des Jungscheingiroverkehrs gehandelt werden (vgl. dazu oben Rdn. 2058 ff). Außerdem kann die Emission durch die Ausstellung einer Globalurkunde vereinfacht und beschleunigt werden (vgl. dazu oben Rdn. 2126 ff).
2242
Da das Emissionsgeschäft, wie dargelegt, in mehrere Vorgänge zwischen verschiedenen Parteien zerfällt, hat es keine einheitliche Rechtsnatur. Vielmehr kann sinnvollerweise nur nach der Rechtsnatur der Beziehungen zwischen den einzelnen Beteiligten gefragt werden. Auch diese muß dabei nicht unbedingt einheitlich sein, sondern kann von der Natur der emittierten Effekten abhängen und demgemäß z. B. bei der Emission von Inhaberschuldverschreibungen eine andere sein als bei der Emission von Aktien.
3. Die Rechtsnatur des Emissionsgeschäfts
a) Die Rechtsnatur des Vertrags zwischen dem Emittenten und der Emissionsbank bzw. dem Emissionskonsortium
2243
Der Vertrag zwischen dem Emittenten und der Emissionsbank bzw. dem Konsortium soll bei der Emission einer Anleihe im Falle der festen Übernahme nach der Rechtsprechung des RG und nach der h. L. ein Kaufvertrag oder ein kaufähnlicher Vertrag sein 8 . Vereinzelt wird demgegenüber auch die Meinung vertretendes handele sich um einen Darlehensvertrag 9 oder um einen Vertrag eigener Art mit kauf-, darlehens- und geschäftsbesorgungsrechtlichen Elementen 10 . Der entscheidende Ansatzpunkt für die Kritik an der Kaufvertragskonstruktion liegt darin, daß sich der Erwerbswille sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich gesehen nicht primär auf das Papier, sondern auf die darin verkörperte Forderung bezieht und daß diese im Augenblick des Vertragsschlusses zwischen dem Emittenten und der Bank noch gar nicht besteht und sich überdies gegen den Emittenten selbst richten soll. Die h. L. muß also folgerichtig den Kauf einer zukünftigen gegen den Schuldner selbst gerichteten Forderung, die mit der Begebung des Papiers zur Entstehung gelangt, annehmen. Störend daran ist vor allem, daß sich die Forderung gegen den Emittenten selbst richtet; denn daß jemand eine Forderung soll verkaufen können, deren Schuldner (!) er selbst ist, muß als einigermaßen lebensfremd, wenn nicht sogar als juristisch unmöglich angesehen werden. Daher ist der Darlehenstheorie grundsätzlich der Vorzug zu geben. Für sie spricht nicht zuletzt, daß sie in Einklang mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten steht; denn 7
Vgl. im übrigen näher Delorme/Hoessrich S. 66 f. » Vgl. R G Z 28, 29, 30; 104, 119, 120; R G J W 1927, 1375; Düringer/Hachenburg/Lehmann §383 Anm. 33 a; Horn S. 137 ff m. w. N a c h w . ; Schönle § 19 II 2 a (1).
1144
9
Vgl. Arwed Koch Banken und Bankgeschäfte, 1931, S. 206 f. 1° Vgl. M ü n c h K o m m . - / ' . Ulmer, 1980, Vorbem. vor § 705 Rdn. 28 a (vgl. dazu auch unten Rdn. 2244, 2255, 2260).
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und W e s e n des Emissionsgeschäfts
die Bank gibt dem Emittenten bei der festen Übernahme der Emission zweifellos Kredit 1 1 , und dafür ist grundsätzlich der Darlehensvertrag die sachgerechte dogmatische Kategorie. Allerdings ist zu beachten, daß die Forderung auf Rückzahlung des Darlehens nach dem Parteiwillen nicht neben der (abstrakten) Forderung aus der Inhaberschuldverschreibung stehen, sondern durch diese ersetzt werden soll. Man wird daher annehmen müssen, daß die Begründung der Forderung aus der Schuldverschreibung an Erfüllungs Statt erfolgt und daß daher die Darlehensforderung mit Begründung der Forderung aus der Schuldverschreibung gemäß § 364 I BGB erlischt. Die Darlehenstheorie führt also ebensowenig zu einer Konkurrenz von kausaler und abstrakter Forderung wie die Kaufvertragstheorie. Auch sonst kommt sie im wesentlichen zu denselben Ergebnissen wie diese, da § 365 BGB auf das Kaufrecht verweist. H a t die Bank bzw. das Konsortium die Emission nicht fest übernommen, so kommt weder ein Kaufvertrag noch ein Darlehen in Betracht. Hier wird vielmehr regelmäßig ein Kommissionsvertrag gegeben sein 12 . Anders ist die Rechtslage bei der Emission von Aktien. Die feste Übernahme einer Emission schließt hier nämlich notwendig die Verpflichtung zum Erwerb der Aktien und das heißt die Verpflichtung zum Erwerb der Mitgliedschaft ein. Da diese Verpflichtung nicht wie beim Zweit- oder Dritterwerb gegenüber dem bisherigen Inhaber des Mitgliedschaftsrechts, sondern gegenüber der Aktiengesellschaft selbst eingegangen wird, handelt es sich nicht um einen Kaufvertrag und noch weniger um einen Darlehensvertrag, sondern um einen Verpflichtungsvertrag 1 3 zum Abschluß eines korporationsrechtlichen Beitrittsvertrags 14 . Durch die Übernahmeerklärung entsteht dabei ein unverbrieftes zukünftiges Mitgliedschaftsrecht, das durch die Eintragung der Kapitalerhöhung bzw. — sofern eine Bank sich an einer Neugründung beteiligt — der Aktiengesellschaft aufschiebend bedingt ist 15 . Dieser Beitrittsvertrag wird nun regelmäßig durch Elemente eines Geschäftsbesorgungsvertrags i. S. der §§ 675, 611 ff BGB ergänzt und ist dann ein gemischttypischer Vertrag. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Banken sich gegenüber dem Emittenten verpflichtet haben, die Aktien den Altaktionären zum Kauf anzubieten und diesen dadurch die Möglichkeit zur Ausübung ihres (mittelbaren) Bezugsrechts zu geben; denn darin liegt die Besorgung eines Geschäfts f ü r die Aktiengesellschaft durch die Bank. Zugleich ist hier ein Vertrag zugunsten Dritter i. S. von § 328 BGB gegeben, wobei als berechtigte Dritte die bezugsberechtigten Altaktionäre anzusehen sind (vgl. näher unten Rdn. 2270). Ebenso finden die Regeln über den Geschäftsbesorgungsvertrag Anwendung, wenn die Banken sich wie bei den sogenannten Verwertungsaktien verpflichtet haben, die Emission zu einem günstigen Zeitpunkt optimal unterzubringen und den erzielten Gewinn dem Emittenten gutzubringen 1 6 . H a t die Bank die Emission nicht fest übernommen, so liegt auch hier ebenso wie im Falle der Anleihe regelmäßig ein Kommissionsvertrag vor 1 7 .
" Vgl. auch Herold Das Kreditgeschäft der Banken 15 S. 202 f. 12 Vgl. auch Scholze S. 290; Schönle § 19 II 2 a (2). '5 Die Unterscheidung zwischen der Verpflichtung und dem korporationsrechtlichen Zeichnungsvertrag betont mit Recht Ulmer a a O (Fn. 10) Rdn. 28; ungenau insoweit die Formulierung in Erstbearbeitung Anm. 1043, mit der aber sachlich nichts Gegenteiliges gemeint war.
14
Vgl. auch Schönle 5 19 II 3 a (1) sowie allgemein zur Rechtsnatur des „Zeichnungsvertrags" z. B. Lutter Kölner Komm, zum AktG, 1971, § 185 Rdn. 5 und 19 m. w. Nachw. 15 Vgl. H. P. Westermann Die AG 1967, 286. 16 Vgl. dazu näher Lütter Die AG 1970, 185 ff, insbesondere S. 186 und 188. ' 7 So auch Schönle § 19 II 3 a (2).
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1145
2244
18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft b) Die Rechtsnatur des Vertrags zwischen der Bank und ihren Effektenkunden 2245
Veräußert die Bank Effekten aus einer fest übernommenen Emission an das Publikum, also an ihre Kundschaft, so handelt es sich dabei um einen Kaufvertrag 1 8 . Hier geht es nämlich um den Zweiterwerb eines schon bestehenden Rechts, und daher greifen insoweit weder für Schuldverschreibungen noch für Aktien die Einwände durch, die beim Ersterwerb der Kaufvertragskonstruktion entgegenstehen. H a t die Bank die Emission nicht fest übernommen, tritt sie aber bei der Unterbringung im eigenen Namen auf, so ist ebenfalls ein Kaufvertrag gegeben; denn daß die Bank im Innenverhältnis gegenüber dem Emittenten nicht für eigene, sondern für fremde Rechnung handelt, ändert an der Rechtsnatur des Außenverhältnisses zu den Effektenkunden nichts. Führt die Bank die Emission ausnahmsweise als Stellvertreter des Emittenten durch, so entsteht zwischen ihr und dem Effektenerwerber insoweit überhaupt kein Vertrag und die Frage nach dessen Rechtsnatur kann sich daher gar nicht stellen.
2246
Der Unterschied zum gewöhnlichen Effektengeschäft, bei dem im Zweifel gerade kein Kaufvertrag, sondern ein Kommissionsvertrag anzunehmen ist (vgl. oben Rdn. 1821 ff), mag zwar auf den ersten Blick überraschen, darf aber nicht überschätzt werden. Vor allem stellt sich das wichtigste Problem, das beim Effektengeschäft ausschlaggebend für die Kommissionskonstruktion ist, nämlich die Frage nach dem „richtigen" Kurs und die Gefahr eines Kursschnitts, beim Erwerb einer Emission von vornherein nicht, da der Kurs hier im voraus festgelegt ist. Im übrigen aber muß man sich davor hüten, aus der Kaufvertragskonstruktion vorschnell praktische Konsequenzen zu ziehen; insbesondere darf man deshalb nicht die Anforderungen an die Beratungs- und Warnpflichten der Bank herabsetzen (vgl. näher unten Rdn. 2272) — ebensowenig wie übrigens beim Eigengeschäft (vgl. oben Rdn. 1896).
2247
Von der Unterbringung einer Anleihe durch die Konsorten scharf zu unterscheiden ist der Erwerb von einer nicht zum Emissionskonsortium gehörenden Bank. Dogmatisch und interessenmäßig liegt es dann nicht wesentlich anders als bei einem gewöhnlichen Effektengeschäft. Dementsprechend ist grundsätzlich kein Kaufvertrag, sondern nach den oben Rdn. 1821 ff entwickelten Regeln im Zweifel ein Kommissionsgeschäft anzunehmen (vgl. RGZ 96 4, 6 f). c) Die Rechtsnatur des Emissionskonsortiums
2248
Die Konsorten schließen zur Durchführung der Emission auch untereinander einen Vertrag ab. Da dieser die Verpflichtung zum Inhalt hat, die „Erreichung eines gemeinsamen Zweckes" — nämlich die Emission — zu fördern, liegt nach heute wohl unbestrittener Ansicht eine BGB-Gesellschaft vor 1 9 . Dabei handelt es sich um eine sogenannte Gelegenheitsgesellschaft, da die Konsorten sich nicht auf Dauer, sondern nur zur Durchführung dieser einen Aktion — der Emission — zusammenschließen. Auch auf eine solche Gesellschaft sind die §§ 705 ff BGB grundsätzlich anwendbar. Allerdings werden diese Vorschriften in der Praxis meist ausdrücklich oder konkludent in so weitem Maße abbedungen, daß man nicht zu Unrecht von einer „gesellschaftsrechtlichen Typendehnung" gesprochen hat 2 0 (vgl. im übrigen näher unten Rdn. 2304 ff).
18 Vgl. z. B. R G Z 56, 297, 299; Düringer/Hachenburg/Lehmann § 383 Anm. 33 a; Lutter aaO (Fn. 14) Rdn. 81 zu § 186 A k t G ; Horn S. 139. " Vgl. z. B. R G Z 67, 394, 395; H. P. Westermann Die AG 1967, 285 m. umfassenden N a c h w . zum
1146
älteren Schrifttum in Fn. S. 209 f f ; Scholze S. 5 ff; Ulmer aaO (Fn. 10) BuB 10/19. 20 So H. P. Westermann Die
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
5; Horn S. 180 ff und Schönle § 19 II 4 b ; R d n . 22 ff; Szantyr AG 1967, 285.
II. Das Rechtsverhältnis zwischen den Banken und dem Emittenten
II. Das Rechtsverhältnis zwischen den Banken und dem Emittenten 1. Die Pflichten der Banken gegenüber dem Emittenten a) Die Beratungspflicht Die Einschaltung von Banken in den Emissionsvorgang hat, wie dargelegt (vgl. 2249 oben Rdn. 2238), nicht zuletzt den Grund, daß der Emittent sich die besonderen Sachund Marktkenntnisse der Banken zunutze machen will. Die Banken bzw. die Konsortialführerin haben den Emittenten daher über alle einschlägigen Fragen wie z. B. die Wahl des Emissionszeitpunkts, die Höhe des festzulegenden Kurses und die Ausgestaltung der sonstigen Emissionsbedingungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu beraten. Verletzen sie diese Pflicht schuldhaft, so haften sie dem Emittenten nach den Grundsätzen über die culpa in contrahendo auf Schadensersatz. Sie haben ihn dann nach § 249 BGB so zu stellen, als hätten sie ihn richtig beraten. Allerdings wird der Emittent im Falle einer festen Übernahme der Emission durch die Banken meist keinen Schaden haben, weil hier die Banken das Unterbringungsrisiko selbst tragen (vgl. oben Rdn. 2239). Handelten die Banken dagegen bei der Plazierung der Anleihe für Rechnung des Emittenten, so kann dieser durch einen falschen Rat durchaus einen Schaden erleiden. Allerdings trägt grundsätzlich der Emittent die Beweislast für die Kausalität zwischen dem falschen Rat und dem Schaden. Er muß also z. B. dartun, daß die Emission zu einem anderen Zeitpunkt oder bei einer anderen Ausgestaltung der Bedingungen einen größeren Erfolg gehabt hätte. N u r hinsichtlich der Frage, ob der Emittent einen richtigen Rat auch befolgt hätte, ist die Beweislast zu Lasten der Banken umzukehren (vgl. auch oben Rdn. 30). b) Die Pflicht zur Übernahme der Emission Die Pflicht zur Übernahme der Emission stellt die Hauptpflicht des Vertrages zwi- 2250 sehen den Banken und dem Emittenten dar, sofern — was der Regelfall ist — eine „feste Übernahme" vereinbart wurde (vgl. auch oben Rdn. 2239). Unabhängig von der Rechtsnatur dieses Vertrages (vgl. dazu oben Rdn. 2242 ff) besteht der wesentliche Inhalt dieser Pflicht in der Zahlung des Übernahmepreises. Dieser ist um eine gewisse Spanne niedriger als der Verkaufspreis, zu dem die Banken die Effekten an das Publikum weiterveräußern sollen; die sich daraus ergebende Differenz zugunsten der Banken stellt die Emissionsvergütung dar 2 1 . Die Pflicht zur Übernahme der Emission kann ausnahmsweise nachträglich wieder entfallen wie z. B. durch Anfechtung oder Rücktritt. Die Voraussetzungen dafür richten sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln. Einige für das Emissionsgeschäft charakteristische Besonderheiten verdienen jedoch Hervorhebung. So ist z. B. ein Vertrag über die Übernahme einer Anleihe wegen Verstoßes gegen 2251 ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB in Verbindung mit dem Umkehrschluß aus §§ 309, 308 BGB nichtig, wenn die staatliche Genehmigung nach §§ 795, 808 a BGB nicht erteilt wird. Diese ist allerdings für Anleihen des Bundes und der Länder nach § 4 des Ausführungsgesetzes vom 26. 6. 1954 (BGBl. I S. 147) nicht erforderlich. Im übrigen wird die Verfassungsmäßigkeit des Genehmigungsvorbehalts im Schrifttum mit guten Gründen verneint, wobei vor allem auf die mangelnde tatbestandliche Bestimmtheit der Vorschrift hingewiesen, darüber hinaus aber auch ihre „Erforderlichkeit" (i. S. des verfassungsrechtlichen „Übermaßverbots") bezweifelt wird 22 . Jedenfalls sollten die §§ 795, 808 a BGB aus ihrer ratio legis heraus einschränkend ausgelegt werden, um so 21 Vgl. a u c h Delorme/Hoessrich
S. 67 f ; Horn S. 113.
^ Vgl. e i n g e h e n d Bettermann
Claus-Wilhelm Canaris
BB 1969, 699 ff.
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft den Versuch einer verfassungskonformen Konkretisierung zu machen 23 . Als Zweck der Vorschriften ist dabei zum einen der Schutz der Anleger vor unsoliden Schuldnern und damit eine staatliche Bonitätskontrolle anzusehen und zum anderen die Sicherung des Vorrangs staatlicher Anleihen gegenüber den Geldbedürfnissen privater Kreditnehmer (vgl. Motive in Mugdan Band II S. 401 und Protokolle Band II S. 1067); das zuletzt genannte Ziel erscheint freilich für eine gegenwartsbezogene objektive Auslegung höchst fragwürdig und ist überdies möglicherweise wegen der darin liegenden Privilegierung der öffentlichen Hand heute verfassungswidrig 24 . Außerdem wird man bei objektiver Auslegung als Zweck der §§ 795, 808 a BGB auch den Schutz des staatlichen Monopols der Geldschöpfung ansehen können; denn Inhaberschuldverschreibungen haben wegen ihrer Abstraktheit und der Massenhaftigkeit ihrer Ausgabe eine unverkennbare Ähnlichkeit mit Geld, und daher können unkontrollierte Emissionen u. U. mittelbar in die staatliche Geldpolitik eingreifen. Daß dies auch auf andere Weise wie vor allem durch die Schaffung von „Buchgeld" durch Kredite der Banken möglich ist, stellt keinen durchschlagenden Einwand gegen diese Interpretation der §§ 795, 808 a BGB dar; denn daraus ergibt sich allenfalls, daß die Absicherung des Geldschöpfungsmonopols unvollständig ist, nicht aber, daß sie darum nicht gleichwohl (auch) Zweck der §§ 795, 808 a BGB sein könnte. Legt man aber den Genehmigungsvorbehalt (auch) in diesem Sinne aus, dann ist seine Verwendung als Mittel der Kapitalmarktlenkung und Konjunkturbeeinflussung keineswegs ohne weiteres als unzulässiger Mißbrauch anzusehen 25 .
2252
Außer auf Grund gesetzlicher Hindernisse kann die Pflicht zur Übernahme einer Emission auch auf Grund vertraglicher Vorbehalte entfallen. Zu denken ist dabei vor allem an die sogenannten Risiko- oder Krisenklauseln (vgl. dazu auch unten Rdn. 2315). Diese geben den Banken in bestimmten Fällen ein Rücktrittsrecht, wobei vor allem außergewöhnliche Ereignisse wirtschaftlicher oder politischer Art, grundlegende Änderungen der Kapitalmarktverhältnisse sowie u. U. auch eine tiefgreifende Verschlechterung der Bonität des Emittenten in Betracht kommen 2 6 . Diese Klauseln sind häufig zugunsten der Banken sehr weit gefaßt und lassen insbesondere der subjektiven Interpretation der Verhältnisse durch die Banken breiten Raum. Sie allein deshalb ohne weiteres eng auszulegen, geht indessen nicht an 27 . Vielmehr gelten auch hier die allgemeinen Auslegungsgrundsätze, weil (und soweit) es nicht etwa um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sondern um Individualvereinbarungen zwischen prinzipiell gleich starken Partnern geht. Nur dann, wenn z. B. die Banken die Risikoklausel einseitig und ohne die Möglichkeit eines Aushandelns in den Vertrag eingeführt haben oder wenn es sich gar um formularmäßig vorfixierte Regelungen handelt, kommt daher der Grundsatz der engen Auslegung „gegen den Aufsteller" („contra stipulatorem") zur Anwendung; denn wer einseitig und allein eine bestimmte Vertragsklausel formuliert, trägt gerechterweise auch das Risiko für deren Unklarheit und muß sich daher im Zweifel eine einschränkende, für ihn ungünstigere Auslegung gefallen lassen — bei Individualverträgen nicht anders als bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 5 AGBG. Daraus ergibt sich jedoch zugleich, daß für eine einschränkende
"
Vgl. n ä h e r Ungnade S. 91 ff, 129 f f ; ablehnend freilich Bettermann BB 1969, 700 f. Vgl. n ä h e r Ungnade S. 111 ff. 25 Vgl. a u c h Ungnade S. 114 f f ; a. A . Bettermann BB 1969, 701, d e r j e d o c h in m e t h o d i s c h h ö c h s t a n g r e i f b a r e r W e i s e allein eine s u b j e k t i v - h i s t o r i s c h e I n t e r p r e t a t i o n z u g r u n d e legt, vgl. i n s b e s o n -
26
24
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17
d e r e S. 699 Fn. 4. Vgl. auch Delorme/Hoessrich S. 55 f ; Horn S. 127 f f ; Scholze S. 398 f. A. A. Horn S. 129, d e r ein R ü c k t r i t t s r e c h t d e r B a n k e n n u r auf G r u n d eines „ n a c h s a c h l i c h e n und angebbaren Kriterien a u s z u ü b e n d e n Ermess e n s " a n n e h m e n will.
2. Bearbeitung. Stand 1 . 5 . 1981
II. Das Rechtsverhältnis zwischen den Banken und dem Emittenten Auslegung „ g e g e n den A u f s t e l l e r " überhaupt nur insoweit R a u m sein k a n n , als der V e r t r a g U n k l a r h e i t e n aufweist. Ist er hinreichend eindeutig a b g e f a ß t , so bleibt allenfalls die M ö g l i c h k e i t e i n e r Inhaltskontrolle nach den allgemeinen R e g e l n wie z. B . § 138 B G B o d e r § 9 A G B G . Ist eine v e r t r a g l i c h e Risikoklausel nicht vereinbart o d e r e r f a ß t sie das e i n g e t r e t e n e 2 2 5 3 Ereignis nicht, so gelten die allgemeinen G r u n d s ä t z e über das F e h l e n o d e r den W e g f a l l der G e s c h ä f t s g r u n d l a g e . D e r e n V o r a u s s e t z u n g e n sind allerdings meist wesentlich e n g e r als die üblichen v e r t r a g l i c h e n Risikoklauseln. A u c h w e n n m a n in diesen eine b e s o n d e r e r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e Ausgestaltung der L e h r e von der clausula rebus sie stantibus sehen k a n n 2 8 , so geht es d a h e r d o c h entschieden zu weit, die in ihnen enthaltenen allgemeinen G r u n d s ä t z e o h n e weiteres auch auf j e n e V e r t r ä g e zu ü b e r t r a g e n , die keine e n t sprechende K l a u s e l a u f w e i s e n 2 9 . V i e l m e h r besteht nicht der geringste A n l a ß , die B a n ken hier anders zu stellen als bei A n w e n d u n g der allgemeinen R e g e l n ü b e r die G e s c h ä f t s g r u n d l a g e ; w e r sich nicht durch die A u f n a h m e einer b e s o n d e r e n K l a u s e l in den V e r t r a g selbst schützt, k a n n nicht e r w a r t e n , d a ß ihm die R e c h t s o r d n u n g o h n e w e i teres denselben S c h u t z g e w ä h r t wie denjenigen P a r t e i e n , die sich vertraglich gesichert haben. D a s R ü c k t r i t t s r e c h t a u f G r u n d einer Risikoklausel o d e r nach den R e g e l n über die 2 2 5 4 G e s c h ä f t s g r u n d l a g e ist ausgeschlossen bei der Emission von A k t i e n , sofern die E i n t r a gung ins H a n d e l s r e g i s t e r bereits stattgefunden hat. D e n n dann k ö n n e n A n f e c h t u n g s g r ü n d e und s o g a r ein T e i l der Nichtigkeitsgründe a n e r k a n n t e r m a ß e n nicht m e h r geltend g e m a c h t w e r d e n , weil die G a r a n t i e f u n k t i o n des G r u n d k a p i t a l s ihnen g e g e n ü b e r V o r r a n g h a t 3 0 ; das g l e i c h e m u ß erst r e c h t für das R ü c k t r i t t s r e c h t gelten.
c) Die Pflicht zur Unterbringung der Emission Bei der Emission e i n e r Anleihe haben die B a n k e n eine Pflicht z u r U n t e r b r i n g u n g 2 2 5 5 der E m i s s i o n , also zu deren P l a z i e r u n g beim E f f e k t e n p u b l i k u m sicher d a n n , w e n n sie die Emission nicht fest ü b e r n o m m e n haben. D e n n dann liegt i. d. R . ein K o m m i s s i o n s vertrag v o r (vgl. o b e n R d n . 2 2 4 3 a. E . ) , und dieser verpflichtet die B a n k , sich im I n t e r esse des E m i t t e n t e n u m eine möglichst vollständige U n t e r b r i n g u n g zu b e m ü h e n . H ö c h s t z w e i f e l h a f t ist d a g e g e n , o b das gleiche a u c h bei fester Ü b e r n a h m e der Emission gilt. H i e r t r a g e n nämlich die B a n k e n selbst das P l a z i e r u n g s r i s i k o , da sie dem E m i t t e n t e n j a jedenfalls den U b e r n a h m e p r e i s zu z a h l e n haben (vgl. o b e n R d n . 2 2 5 0 ) , und man k ö n n t e d a h e r der Ansicht sein, daß es allein S a c h e der B a n k e n ist und den E m i t t e n t e n nichts a n g e h t , o b die Emission beim E f f e k t e n p u b l i k u m u n t e r g e b r a c h t wird o d e r im P o r t e f e u i l l e der B a n k e n bleibt. Indessen hat der E m i t t e n t meist d o c h ein nicht unerhebliches Interesse d a r a n , daß die Emission auch tatsächlich u n t e r g e b r a c h t wird. S o k ö n n t e z. B . der E i n d r u c k entstehen, die P l a z i e r u n g der E m i s s i o n beim P u b l i k u m sei nicht o d e r nur zu schlechteren als den v o r g e s e h e n e n B e d i n g u n g e n m ö g l i c h , und das k ö n n t e die K r e d i t w ü r d i g k e i t des E m i t t e n t e n b e e i n t r ä c h t i g e n . A u ß e r d e m k ö n n t e der E m i t t e n t in eine gewisse wirtschaftliche A b h ä n g i g k e i t v o n den B a n k e n g e r a t e n , w e n n diese allein seine G l ä u b i g e r sind und nicht das breite E f f e k t e n p u b l i k u m . S o bestünde z. B . die G e f a h r , daß die B a n k e n später durch massive A b g a b e n den K u r s d r ü c k e n und dadurch dem g e s c h ä f t l i c h e n Ansehen und K r e d i t des E m i t t e n t e n s c h a d e n — sei es, weil die B a n k e n aus Liquiditätsgründen zu den V e r k ä u f e n g e z w u n g e n sind, sei es, weil sie
28 29
Vgl. Horn S. 129 und 130. S o aber Horn aaO bei Fn. 111 und bei Fn. 117.
30
Vgl. statt aller Lutter aaO (Fn. 14) § 185 Rdn. 15 m. w. Nachw.
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft auf diese Weise Druck auf den Emittenten ausüben wollen. Schließlich ist auch zu bedenken, daß der Übernahmevertrag seiner ganzen Gestaltung nach und insbesondere durch die Festlegung einer bestimmten Emissionsvergütung auf der Voraussetzung aufbaut, daß die Emission auch tatsächlich an das Publikum weitergegeben wird. Man wird daher im Zweifel im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 B G B auch bei fester Übernahme einer Emission eine Nebenpflicht der Bank zu deren Unterbringung anzunehmen haben 3 1 . Selbstverständlich kann sich aber aus den Umständen des Einzelfalles oder aus besonderen Vertragsabreden auch das Gegenteil ergeben. Im übrigen besteht die Pflicht zur Unterbringung natürlich nur im Rahmen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, so daß insoweit jeder Rigorismus verfehlt wäre; die Banken brauchen daher die Effekten nur in dem Umfang an das Publikum weiterzugeben, in dem der Markt das ohne Kursverluste erlaubt, und sie dürfen auch einen angemessenen Anteil zur Kurspflege oder sogar für das eigene Portefeuille zurückbehalten. 2256
Bei der Emission von Aktien besteht eine Pflicht zur Weitergabe der Effekten jedenfalls dann, wenn es sich um eine Kapitalerhöhung mit Hilfe einer Bank gemäß § 186 V A k t G handelt. Denn hier ist die Pflicht, die Aktien „den Aktionären zum Bezug anzubieten", eine ausdrückliche Tatbestandsvoraussetzung für die Zulässigkeit dieser Emissionsform, da nur so das mittelbare Bezugsrecht der Aktionäre zu verwirklichen ist. Die Gesellschaft muß daher in den Vertrag mit den Banken eine entsprechende Verpflichtung aufnehmen 3 2 . Diese besteht nicht nur auf Grund eines Vertrags zugunsten Dritter i. S. von § 328 B G B gegenüber den Aktionären (vgl. dazu näher unten Rdn. 2270), sondern gemäß § 335 B G B grundsätzlich auch gegenüber der Gesellschaft als der Versprechensempfängerin. Sollte es an einer ausdrücklichen Verpflichtung der Bank bzw. des Konsortiums fehlen, so wird man diese i. d. R. im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 B G B in den Vertrag hineinzuinterpretieren haben, sofern die Bank bzw. die Konsortialführerin den Zweck der Emission kannte, was praktisch immer der Fall sein wird; denn durch das Unterlassen einer Vereinbarung über die Begründung der Pflicht zur Veräußerung der Aktien an die Aktionäre würde die Verwaltung der Gesellschaft ihre Pflichten gegenüber den Aktionären verletzen, und es kann im Zweifel nicht unterstellt werden, daß die Banken an einer derartigen Pflichtverletzung mitwirken wollen. Soweit die Aktionäre von ihrem mittelbaren Bezugsrecht keinen Gebrauch machen, müssen die Banken die Aktien zu besten Kursen verwerten und den Überschuß an die Gesellschaft abführen 3 3 . Die gleiche Pflicht trifft die Bank bei der Emission von Verwertungsaktien; denn hier liegt der Sinn und Zweck des Vertrags zwischen dem Emittenten und der Bank gerade darin, daß die Aktien optimal zugunsten der Gesellschaft untergebracht werden sollen 3 4 . d) Sonstige Pflichten der Emissionsbanken
2257
Die Pflichten der Emissionsbanken lassen sich naturgemäß nicht abschließend aufzählen, da sich aus den Parteiabreden und auch aus den Geboten von Treu und Glauben gemäß §§ 157, 242 B G B eine Fülle unterschiedlichster Nebenpflichten ergeben kann. S o wird z. B. häufig eine Pflicht der Banken zur Herbeiführung der Börsenzulassung vereinbart. Fehlt eine entsprechende ausdrückliche Abrede, ist gemäß § 157 B G B
31 So mit Recht Horn S. 119 f. Vgl. auch Lutter a a O (Fn. 14) § 186 Rdn. 80.
32
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33 34
Vgl. Lutter a a O § 186 Rdn. 82. Vgl. näher Lutter Die AG 1970, 185 ff.
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II. Das Rechtsverhältnis zwischen den Banken und dem Emittenten nach den G r u n d s ä t z e n v o n T r e u und Glauben mit R ü c k s i c h t auf die Verkehrssitte z u entscheiden, ob sie gleichwohl zu bejahen ist. N i c h t selten wird auch eine Pflicht zur Einhaltung bestimmter Emissionsbedingun- 2 2 5 8 gen, insbesondere eines bestimmten Verkaufspreises ausdrücklich vereinbart 3 5 . Eine solche Klausel wird j e d o c h i. d. R. nur den Sinn haben, daß die B a n k e n nicht o h n e einen triftigen G r u n d von den Bedingungen abweichen dürfen. D e n n d a sie bei der festen Ü b e r n a h m e einer Emission das Plazierungsrisiko tragen, müssen sie g r u n d s ä t z lich auch bestimmen k ö n n e n , ob sie z. B. dem D r u c k des M a r k t e s nachgeben und den V e r k a u f s p r e i s s e n k e n ; d a n n aber darf ihnen i. d. R . auch der Vorteil nicht g e n o m m e n w e r d e n , wenn es ihnen z. B. w e g e n einer plötzlichen T r e n d w e n d e gelingt, einen höheren V e r k a u f s p r e i s zu erzielen. N u r sofern sie den Emittenten durch einen falschen R a t schlag z u r F e s t l e g u n g v o n Konditionen, die f ü r ihn ungünstig w a r e n , veranlaßt b z w . ihn nicht über die marktgerechten Bedingungen a u f g e k l ä r t haben, haften sie aus culpa in c o n t r a h e n d o auf S c h a d e n s e r s a t z (vgl. oben R d n . 2 2 4 9 ) .
2. Die Rechte der Banken gegenüber dem Emittenten U n t e r den Rechten der B a n k e n ist neben d e m A n s p r u c h auf die B e g e b u n g der 2 2 5 9 E f f e k t e n b z w . eines J u n g s c h e i n s (vgl. d a z u oben R d n . 2 0 6 1 ) in erster Linie der Anspruch auf die Emissionsvergütung z u nennen. D i e s e r wird allerdings regelmäßig nicht selbständig geltend g e m a c h t , sondern durch die D i f f e r e n z zwischen U b e r n a h m e preis und V e r k a u f s p r e i s realisiert (vgl. oben Rdn. 2 2 5 0 ) . D i e H ö h e der Emissionsvergütung unterliegt nach d e m Prinzip der Vertragsfreiheit grundsätzlich der freien B e s t i m m u n g durch die Parteien. G e w i s s e G r e n z e n bestehen insoweit allerdings bei der Emission von Aktien g e m ä ß § 186 V A k t G . H i e r darf n ä m lich das mittelbare B e z u g s r e c h t der Aktionäre nicht d a d u r c h geschmälert w e r d e n , daß der U b e r n a h m e k u r s f ü r die Banken unangemessen weit unter dem B e z u g s k u r s f ü r die Aktionäre l i e g t 3 6 ; denn d a n n handelt es sich wirtschaftlich gesehen nicht mehr um eine bloße V e r g ü t u n g f ü r die Emissionstätigkeit der B a n k e n , sondern in Wahrheit um eine Beteiligung der B a n k e n a m S u b s t a n z w e r t der j u n g e n Aktien und damit um eine p a r tielle U m g e h u n g des B e z u g s r e c h t s der Aktionäre g e m ä ß § 186 I A k t G , die in dieser F o r m unzulässig ist. § 2 5 5 II 2 A k t G steht dem nicht entgegen, da die V o r s c h r i f t lediglich einen niedrigen B e z u g s k u r s zugunsten der A k t i o n ä r e , nicht aber einen z u niedrigen U b e r n a h m e k u r s der B a n k ermöglichen soll. N e b e n der E m i s s i o n s v e r g ü t u n g kann die B a n k u. U . noch weitere Provisionen ver- 2 2 6 0 langen. S o ist z. B. die V e r e i n b a r u n g einer besonderen V e r g ü t u n g f ü r die E i n f ü h r u n g der E f f e k t e n an der B ö r s e üblich 3 7 . A u c h A u f w e n d u n g e n , die im Z u s a m m e n h a n g mit der A u s g a b e und B ö r s e n e i n f ü h rung entstehen, wie z. B. K o s t e n f ü r die G e n e h m i g u n g nach §§ 795, 808 a B G B o d e r f ü r den D r u c k der E f f e k t e n gehen grundsätzlich z u Lasten des E m i t t e n t e n 3 8 . Als A n s p r u c h s g r u n d l a g e wird meist § 6 7 5 i. V . m. § 6 7 0 B G B unmittelbar o d e r a n a l o g a n z u w e n d e n sein. Allerdings darf es sich nicht um A u f w e n d u n g e n handeln, die die Ü b e r n a h m e oder die U n t e r b r i n g u n g der E f f e k t e n b e t r e f f e n ; denn diese sind i. d. R . als durch die E m i s s i o n s v e r g ü t u n g abgegolten anzusehen. N i c h t selten wird auch ein Freistellungsanspruch f ü r F o r d e r u n g e n vereinbart, denen 2 2 6 1 die B a n k von Seiten Dritter im Z u s a m m e n h a n g mit der Emission a u s g e s e t z t ist wie z. B. «
V g l . näher Horn Vgl. Lutter
S . 120 ff.
"
a a O (Fn. 14) § 186 R d n . 77.
V g l . Delorme/Hoessrich
3« Vgl. Delorme/Hoessrich
Claus-Wilhelm Canaris
S. 6 9 ; Horn
S . 125.
S . 69.
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft auf Grund der Prospekthaftung 3 9 . Fehlt es an einer entsprechenden Abrede, so kann man einen Freistellungsanspruch nicht einfach aus dem Sinn des Vertrages zwischen der Bank und dem Emittenten herleiten 40 . Er kann sich allerdings auch hier aus den Grundsätzen über die culpa in contrahendo oder die positive Forderungsverletzung ergeben — z. B. bei falschen Angaben des Emittenten gegenüber der Bank —, doch setzt das im Gegensatz zu einem vertraglich vereinbarten Freistellungsanspruch ein Verschulden des Emittenten voraus. 2262
Grundsätzlich hat die Bank ferner die Rechte aus den übernommenen Effekten. Soweit sie allerdings zu deren Veräußerung an das Publikum verpflichtet ist (vgl. oben Rdn. 2255 f), kann der Emittent der Ausübung dieser Rechte u. U. die Arglisteinrede gemäß § 242 BGB entgegensetzen. § 56 AktG ist auf Aktien, zu deren Übertragung auf die Aktionäre sich die Bank gemäß § 186 V AktG verpflichtet hat, sowie auf Verwertungsaktien grundsätzlich nicht anwendbar 41 . 3. Die Bedeutung des Konsortiums für das Rechtsverhältnis zwischen den Banken und dem Emittenten
2263
Die Emission wird regelmäßig nicht durch eine einzelne Bank allein, sondern durch ein Konsortium durchgeführt (vgl. oben Rdn. 2238). Dadurch wird indessen nichts daran geändert, daß Partei des mit dem Emittenten geschlossenen Vertrages nur die einzelnen Banken sind und nicht etwa das Konsortium als solches 42 . Letzteres ist nämlich rechtlich als BGB-Gesellschaft zu qualifizieren (vgl. oben Rdn. 2248), und da diese weder rechtsfähig noch wie die O H G einer rechtsfähigen Person teilweise gleichgestellt ist, kann sie nicht Partei eines Vertrages sein. Der Ubernahmevertrag kommt daher mit den einzelnen Mitgliedern des Konsortiums zustande.
2264
Allerdings schließen diese den Vertrag regelmäßig nicht selbst ab, sondern lassen sich dabei durch eine Bank, die Konsortialführerin vertreten. Dieser steht grundsätzlich die Vertretungsmacht zu. Zwar gilt für die BGB-Gesellschaft nach 714, 709 BGB an sich im Zweifel das Prinzip der Gesamtvertretung durch alle Gesellschafter, doch wird § 709 BGB in den Konsortialverträgen regelmäßig abbedungen und durch Alleingeschäftsführungsbefugnis der Konsortialführerin ersetzt (vgl. unten Rdn. 2310), und daher besteht nach § 714 BGB grundsätzlich Alleinvertretungsmacht der Konsortialführerin 43 . Liegt die Geschäftsführung in der Hand von mehreren Konsorten, so sind diese nach §714 BGB an sich auch nur gemeinsam zur Vertretung berechtigt, doch kann sich auch hier aus dem Vertrag oder den Umständen des Einzelfalles die Alleinvertretungsmacht der „federführenden" Bank ergeben 44 .
2265
Von Bedeutung kann das Bestehen eines Konsortiums weiterhin für die Haftung der Banken für die Bezahlung des Ubernahmepreises sein. An sich besteht bei einer BGB-Gesellschaft hinsichtlich der vertraglichen Pflichten grundsätzlich gemäß § 427 BGB eine gesamtschuldnerische Haftung. Diese wird im Vertrag mit dem Emittenten jedoch regelmäßig abbedungen und durch eine Haftung für die von den einzelnen Konsorten übernommenen Quoten ersetzt 45 . Die Banken haften dem Emittenten also nicht für die gesamte Summe der Emission, sondern nur in Höhe des von ihnen über39 Vgl. Horn S. 130 f. 40 A. A. offenbar Horn S. 130 f bei Fn. 121. «> Vgl. Lutter a a O (Fn. 14) § 186 Rdn. 85 und Die AG 1970, 185 ff. « A. A. Ulmer a a O (Fn. 10) Rdn. 27. 43 Vgl. auch H. P. Westermann Die AG 1970, 290;
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Delorme/Hoessrich S. 19; Scholze S. 14; Schönle § 19 II 4 b. Vgl. auch Scholze S. 14. « Vgl. H. P. Westermann Die AG 1967, 287 und 291; Delorme/Hoessrich S. 17 f; Scholze S. 21; Ulmer a a O (Fn. 10) Rdn. 27.
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III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und den Anlegern n o m m e n e n Anteils. Für diesen haben sie allerdings grundsätzlich mit ihrem gesamten V e r m ö g e n einzustehen, da eine gegenständliche Begrenzung der H a f t u n g nach geltendem Recht grundsätzlich nicht vorgesehen ist; daß sie „nicht möglich" o d e r „unzulässig" sei 4 6 , ist allerdings unrichtig, da f ü r die BGB-Gesellschaft auch insoweit g r u n d sätzlich das Prinzip der Vertragsfreiheit gilt, doch ist eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der H a f t u n g auf bestimmte Gegenstände gänzlich unüblich und überdies auch wirtschaftlich nicht gerechtfertigt. V o n der H a f t u n g f ü r die Bezahlung des Übernahmepreises scharf zu trennen ist die 2 2 6 6 Frage nach der Einstandspflicht der Banken f ü r Vertragsverletzungen eines einzelnen Konsorten wie z. B. der Konsortialführerin. Eine solche ist grundsätzlich zu verneinen, wie sich o h n e weiteres aus einem argumentum a fortiori aus § 425 II BGB ergibt. D e n k b a r wäre allerdings, daß ein Mitglied des Konsortiums, insbesondere die K o n s o r tialführerin, als Erfüllungsgehilfe der übrigen Konsorten auftritt und daß diese daher f ü r dessen Vertragsverletzungen gemäß § 278 BGB wie f ü r eigenes Verschulden einzustehen haben. N a c h der besonderen N a t u r des Konsortiums, das — nach außen erkennbar — nur eine sehr lockere Gemeinschaft darstellt, wird man jedoch im Zweifel a n z u n e h m e n haben, d a ß die vertraglichen Schutz- und Nebenpflichten — genauso wie die Hauptpflicht zur Ü b e r n a h m e der Emission — jeweils n u r die einzelnen Konsorten als solche treffen und d a ß daher ein Verstoß gegen diese Pflichten wie z. B. eine falsche Beratung des Emittenten nicht „in Erfüllung einer Verbindlichkeit" geschieht, die auch den übrigen Konsorten obliegt.
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und den Anlegern 1. Der Anspruch des Kunden auf Zuteilung der Effekten Auch w e n n die Bank im Verhältnis z u m Emittenten zur U n t e r b r i n g u n g der Anleihe 2 2 6 7 beim Publikum verpflichtet ist (vgl. dazu oben R d n . 2255), haben die K u n d e n doch grundsätzlich keinen Anspruch auf Zuteilung von Effekten. D e n n der Übernahmevertrag zwischen den Banken und dem Emittenten ist in aller Regel kein Vertrag zugunsten Dritter i. S. von § 328 BGB 4 7 . Ein solcher k o m m t i. d. R. schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kreis der Berechtigten sich gar nicht sachgerecht und klar genug festlegen ließe, doch wird es auch abgesehen davon grundsätzlich nicht dem mutmaßlichen Willen der Banken entsprechen, schon im Übernahmevertrag mit dem Emittenten einen festen Anspruch auf den Erwerb von Effekten zugunsten bestimmter Personen zu begründen. Ein solcher läßt sich grundsätzlich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz 2 2 6 8 herleiten, da dieser im Verhältnis zwischen der Bank und ihren K u n d e n von seltenen Ausnahmefällen abgesehen nicht gilt (vgl. oben Rdn. 121). Die Bank ist daher frei in ihrer Entscheidung, welchen K u n d e n sie Effekten zuteilen will und welchen nicht. Das gilt auch noch, nachdem die Bank alle K u n d e n zur „Zeichnung" der Effekten aufgef o r d e r t hat; denn darin liegt in aller Regel nur eine invitatio ad o f f e r e n d u m und nicht ein bindendes Angebot der Bank, und es steht daher nach wie vor im Belieben der Bank, wessen Angebot sie annehmen oder ablehnen will. Dementsprechend ist die Bank grundsätzlich auch darin frei, welchen M o d u s sie f ü r 2 2 6 9 die Repartierung einer Emission wählen will, wenn eine Emission überzeichnet ist. H a t die Bank die vorgesehene Repartierungsweise allerdings vorher öffentlich mitgeteilt, so « So Delorme/Hoessrich S. 18 bzw. Schöbe S. 21.
" Vgl. auch Horn S. 107 f.
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18. A b s c h n i t t . D a s E m i s s i o n s g e s c h ä f t
ist sie daran i. d. R. gebunden, sofern kein sachlicher Grund für eine Abweichung vorliegt; zwar wird man kaum eine vertragliche Verpflichtung der Bank zur Einhaltung des angekündigten Vorgehens annehmen können, doch ruft die Bank durch ihre Mitteilung ein berechtigtes Vertrauen hervor, für dessen Enttäuschung sie nach den Regeln über die culpa in contrahendo und u. U. auch auf Grund des Verbots des venire contra factum proprium einzustehen hat. 2270
Wesentlich anders ist die Rechtslage, soweit es um die Ausübung des mittelbaren Bezugsrechts der Aktionäre bei Kapitalerhöhungen gemäß § 186 V AktG geht 4 7 a . Hier ist der Ubernahmevertrag zwischen der Aktiengesellschaft und den Banken als Vertrag zugunsten der Bezugsberechtigten gemäß § 328 BGB anzusehen 4 8 . Das Gesetz bestimmt nämlich in § 186 V AktG, daß die Übernahme der gesamten jungen Aktien durch eine Bank mit der gleichzeitigen Verpflichtung, sie den Aktionären anzubieten, nicht als Ausschluß des Bezugsrechts anzusehen ist und gibt damit zu erkennen, daß es die Rechtsstellung der Aktionäre in diesem Fall als genauso gut gesichert ansieht wie bei Bestehen eines unmittelbaren Bezugsrechts gegenüber der Gesellschaft selbst. Eine vergleichbare Sicherung erlangen die Aktionäre nun aber nur, wenn sie auch wirklich einen Rechtsanspruch gegen denjenigen haben, der die Aktien ausgibt, und daher muß man ihnen einen solchen gegen die Bank geben als Ersatz für den Anspruch gegen die Gesellschaft, den sie im Falle eines unmittelbaren Bezugsrechts hätten. Das Gesetz gewährt diesen Anspruch indessen offenkundig nicht selbst, sondern überläßt die Begründung einer entsprechenden „Verpflichtung" unmißverständlich der Vereinbarung zwischen der Aktiengesellschaft und der Bank. Folglich steht als adäquates Mittel zur Schaffung des Anspruchs der Aktionäre gegen die Bank nur der Vertrag zugunsten Dritter zur Verfügung. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, daß die Parteien diese Konstruktion gewollt haben. Das gilt gemäß §§ 328 II, 157 BGB grundsätzlich auch dann, wenn die Berechtigung der Aktionäre in dem Ubernahmevertrag nicht ausdrücklich erwähnt ist; denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die Verwaltung der Gesellschaft ihren Pflichten gegenüber den Aktionären nachkommen will und daß auch die Banken dem Rechnung tragen. Ergibt sich freilich aus dem Übernahmevertrag unmißverständlich, daß ein Anspruch der Aktionäre gegen die Bank nicht gewollt ist, so läßt sich daran weder im Wege der Vertragsauslegung noch mit Hilfe einer Vertragskorrektur etwas ändern. Die Aktiengesellschaft haftet dann ihren Aktionären auf Schadensersatz, und auch gegen die Banken kann gemäß § 826 BGB u. U. ein solcher Anspruch gegeben sein, der sich nach § 249 BGB dann auf Zuteilung der den Aktionären zustehenden Zahl junger Aktien richtet. Die Banken haben auch alle sonstigen Pflichten, welche der Gesellschaft bei der Abwicklung eines unmittelbaren Bezugsrechts obliegen, zu übernehmen 4 9 . Denn nur wenn sie das tun, steht das mittelbare Bezugsrecht dem unmittelbaren wirklich gleich, wie das von § 186 V AktG vorausgesetzt wird. Im Zweifel ist dabei auch hier davon auszugehen, daß die Banken diese Pflichten im Übernahmevertrag auf sich genommen haben und daß den Aktionären daraus Ansprüche nach § 328 BGB erwachsen sollen. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Verwertung nicht in Anspruch genommener Aktien. Die Bank ist also nicht nur der Gesellschaft, sondern auch den Aktionären gegenüber zu optimaler Verwertung dieser Aktien sowie zu strikter Neutralität bei ihrer Veräußerung verpflichtet 50 . 471
Vgl. z u m Verhältnis eingehend Vgl. auch
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banktechnischen V o r g a n g sowie zum zwischen Ausgabe- und Bezugskurs Wiedemannn W M 1979, 9 9 0 ff. Lutter a a O ( F n . 14) § 186 R d n . 80 u n d
8 3 ; a. A. Ernst Wolf) F e s t s c h r . f ü r P i n n e r , 1932, S. 663. « Vgl. Lutter a a O § 186 R d n . 80. 50 Vgl. Lutter a a O § 186 R d n . 84.
2 . B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
III. D a s R e c h t s v e r h ä l t n i s z w i s c h e n d e r B a n k u n d d e n A n l e g e r n
Des weiteren ist zum Schutze der Aktionäre grundsätzlich davon auszugehen, daß die Bank die Stellung eines fremdnützigen Vollrechtstreuhänders hat 5 1 . Daraus folgt u. a., daß den Bezugsberechtigten im Konkurs der Bank das Aussonderungsrecht des Treugebers zusteht. 2. Die Rechte des Kunden aus dem Kaufvertrag Veräußert die Bank die Emission an ihre Kunden, so liegt gegenüber einem 2271 gewöhnlichen Effektengeschäft zwar dogmatisch gesehen insofern ein gewisser Unterschied vor, als hier ein Kaufvertrag und dort im Zweifel ein Kommissionsvertrag anzunehmen ist (vgl. oben Rdn. 2245), doch ist die Interessenlage und dementsprechend auch die Rechtslage weitgehend dieselbe. Nur hinsichtlich der Preisbestimmung besteht ein wesentlicher Unterschied, weil dieser hier von vornherein feststeht und weil daher alle Probleme, die sich insoweit beim gewöhnlichen Effektengeschäft ergeben wie z. B. die Gefahr von „Kursschnitten", bei der Unterbringung einer Emission überhaupt nicht auftreten können. Im übrigen aber sind die für das gewöhnliche Effektengeschäft geltenden Regeln grundsätzlich auch hier anzuwenden. Demgemäß hat die Bank bei der Unterbringung einer Emission dieselben Bera- 2 2 7 2 tungs- und Aufklärungspflichten wie beim Effektengeschäft, so daß insoweit auf die Ausführungen oben Rdn. 1880 ff verwiesen werden kann. Daß hier ein Kaufvertrag und nicht ein Kommissionsvertrag gegeben ist, steht dem nicht entgegen; denn zum einen wurzeln die Aufklärungs- und Beratungspflichten ohnehin nicht in dem jeweiligen Vertrag, sondern in dem von dessen Typus weitgehend unabhängigen Vertrauensverhältnis (vgl. oben Rdn. 12 ff und 100), und zum anderen bestehen sie anerkanntermaßen auch beim „Eigengeschäft" der Bank, obwohl doch auch dieses dogmatisch als Kaufvertrag zu qualifizieren ist (vgl. oben Rdn. 1896). Hinsichtlich der Anfechtung gelten die Ausführungen oben Rdn. 1848 ff entspre- 2 2 7 3 chend. Bezüglich der Rechts- und Sachmängelhaftung ist grundsätzlich auf Rdn. 1897 f zu verweisen. Insoweit besteht für das Emissionsgeschäft lediglich insofern eine gewisse Besonderheit, als in diesem Zusammenhang der Emissionsprospekt eine Rolle spielen kann. Die darin enthaltenen Tatsachenangaben können nämlich Gegenstand einer besonderen Zusicherung i. S. von §§ 459 II, 463 S. 1 BGB oder einer Garantieübernahme sein, doch ist das nur in extremen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen sich ein entsprechender Haftungswille der Banken klar aus dem Prospekt ergibt; denn eine solche unbedingte Einstandspflicht für Eigenschaften des Unternehmens — die nach h. L. nicht einmal als Eigenschaften der verkauften Effekten anzusehen sind und auf die die Sachmängelvorschriften daher allenfalls analog angewendet werden können — wäre etwas ganz Außergewöhnliches und stünde im Gegensatz zu der typischen Risikoverteilung beim Effektengeschäft, so daß es entsprechend unmißverständlicher Anhaltspunkte für die Bejahung eines derartigen Parteiwillens bedarf. Daher kann man keinesfalls schon aus der bloßen Angabe bestimmter Tatsachen im Emissionsprospekt auf die Übernahme einer besonderen Einstandspflicht f ü r deren Richtigkeit schließen".
51
"
Vgl. n ä h e r Canaris F e s t s c h r . z u m 1 0 0 - j ä h r i g e n Bestehen d e r K O , 1977, S. 108. Vgl. a u c h R G B a n k A r c h . 1 9 1 0 / 1 1 , 123, 124 Sp. 2 ; Flume E i g e n s c h a f t s i r r t u m u n d K a u f , 1948, S. 190 Fn. 3 0 ; m i n d e s t e n s m i ß v e r s t ä n d l i c h Horn S. 2 1 0 ; Claus-Wilhelm
vgl. f e r n e r die breite, a b e r w e n i g w e i t e r f ü h r e n d e D a r s t e l l u n g bei Pabst P r o s p e k t z w a n g u n d P r o s p e k t h a f t u n g in den sechs G r ü n d e r s t a a t e n d e r E W G u n d in d e r S c h w e i z , Diss. M a i n z 1972, S. 6 2 - 8 4 . Canaris
1155
18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft
2274
3. Der Anspruch aus Prospekthaftung gemäß §§ 45 ff BörsG Neben die Ansprüche aus culpa in contrahendo wegen Verletzung von Beratungsund Aufklärungspflichten und neben etwaige Ansprüche aus dem Kaufvertrag tritt u. U. als selbständige Anspruchsgrundlage die Prospekthaftung gemäß §§ 45 ff BörsG. Diese trifft nicht nur den Emittenten, sondern begründet auch und nicht zuletzt eine Einstandspflicht der Emissionsbanken53. a) Der Text der §§ 45 ff BörsG § 45 (Prospekthaftung)
2275
(1) Sind in einem Prospekt, auf Grund dessen Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen sind, Angaben, welche für die Beurteilung des Wertes erheblich sind, unrichtig, so haften diejenigen, welche den Prospekt erlassen haben, sowie diejenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht, wenn sie die Unrichtigkeit gekannt haben oder ohne grobes Verschulden hätten kennen müssen, als Gesamtschuldner jedem Besitzer eines solchen Wertpapiers für den Schaden, welcher demselben aus der von den gemachten Angaben abweichenden Sachlage erwächst. Das gleiche gilt, wenn der Prospekt infolge der Fortlassung wesentlicher Tatsachen unvollständig ist und diese Unvollständigkeit auf böslichem Verschweigen oder auf der böslichen Unterlassung einer ausreichenden Prüfung seitens derjenigen, welche den Prospekt erlassen haben, oder derjenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht, beruht. (2) Die Ersatzpflicht wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Prospekt die Angaben als von einem Dritten herrührend bezeichnet. $ 46 (Umfang der Ersatzpflicht) (1) Die Ersatzpflicht erstreckt sich nur auf diejenigen Stücke, welche auf Grund des Prospekts zugelassen und von dem Besitzer auf Grund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts erworben sind. (2) Der Ersatzpflichtige kann der Ersatzpflicht dadurch genügen, daß er das Wertpapier gegen Erstattung des von dem Besitzer nachgewiesenen Erwerbspreises oder desjenigen Kurswerts übernimmt, den die Wertpapiere zur Zeit der Einführung hatten. (3) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer des Papiers die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerbe kannte. Gleiches gilt, wenn der Besitzer des Papiers bei dem Erwerbe die Unrichtigkeit der Angaben des Prospekts bei Anwendung derjenigen Sorgfalt, welche er in eigenen Angelegenheiten beobachtet, kennen mußte, es sei denn, daß die Ersatzpflicht durch bösliches Verhalten begründet ist. $47 (Verjährung des Ersatzanspruchs) Der Ersatzanspruch verjährt in fünf Jahren seit der Zulassung der Wertpapiere. $ 48 (Unwirksamkeit von Vereinbarungen über Haftungsausschluß) (1) Eine Vereinbarung, durch welche die nach den §§ 45 bis 47 begründete Haftung ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam. (2) Weitergehende Ansprüche, welche nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes auf Grund von Verträgen erhoben werden können, bleiben unberührt. $ 49 (Gerichtliche Zuständigkeit bei Ersatzansprüchen) Für die Entscheidung der Ansprüche aus den $$ 45 bis 49 ist ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich das Landgericht des Ortes zuständig, an dessen Börse die Ein» Vgl. z. B. Keim S. 71; Erman Die A G 1964, 328; BremerS. 115; Horn S. 467; PabstS. 43 f ; Frohne S. 61 f f ; Schviark SS 45, 46 R d n . 2.
1156
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und den Anlegern führung des Wertpapiers erfolgte. Besteht an diesem Landgericht eine Kammer für Handelssachen, so gehört der Rechtsstreit vor diese. Die Revision sowie die Beschwerde gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts geht an den Bundesgerichtshof.
b) Die dogmatische Einordnung der Prospekthaftung Die dogmatische Einordnung der Prospekthaftung ist bisher wenig geklärt. Die 2276 Annahme, es handele sich um einen besonderen Tatbestand der deliktsrechtlichen Haftung 54 , wäre systemwidrig; denn es geht hier nahezu ausnahmslos um den Ersatz primärer Vermögensschäden, und diesen gewährt das geltende Deliktsrecht nur unter den Voraussetzungen der Schutzgesetzverletzung gemäß § 823 II BGB oder der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB, mit denen die Haftung aus §§ 45 ff BörsG weder in ihrer dogmatischen Struktur noch hinsichtlich ihres Unrechtsgehalts vergleichbar ist. Andererseits liegt aber auch keine Vertragshaftung vor, da nach § 45 BörsG der Besitzer des Papiers als solcher anspruchsberechtigt ist und da es somit auf das Bestehen eines Vertrages mit dem Haftenden nicht ankommt. Die richtige Lösung dürfte daher in der Annahme einer kraft Gesetzes eintretenden 2277 Vertrauenshaftung zu sehen sein. Ersichtlich liegt nämlich die ratio legis von § 45 BörsG in dem besonderen Vertrauenstatbestand, der durch die Angaben in dem Prospekt hervorgerufen worden ist. Für diese dogmatische Einordnung spricht nachdrücklich auch die Vorschrift des § 46 III BörsG, wonach die Prospekthaftung grundsätzlich entfällt, wenn der Besitzer die Unrichtigkeit des Prospektes kannte oder kennen mußte; die Haftung setzt also guten Glauben des Anspruchsberechtigten voraus, und das ist typisch für die Vertrauenshaftung. Systematisch handelt es sich dabei um den Fall einer auf dem Verschuldensprinzip aufbauenden Schadensersatzhaftung, wie sie dem geltenden Recht auch bei anderen Tatbeständen der Vertrauenshaftung bekannt ist wie z. B. bei § 307 BGB, bei der culpa in contrahendo und bei der Haftung für falsche Auskünfte 55 . Eine gewisse Besonderheit besteht dabei allerdings insofern, als hier anders als z. B. 2278 bei der culpa in contrahendo die Haftung nicht notwendig an das Merkmal eines rechtsgeschäftlichen Kontaktes anknüpft; denn zum einen gehören zum Kreis der Haftenden nicht nur „diejenigen, welche den Prospekt erlassen haben", sondern auch „diejenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht", und zum anderen gehören zum Kreis der Geschützten nicht nur die Ersterwerber der Effekten, sondern auch spätere Inhaber. Das steht jedoch der Einordnung der Prospekthaftung in die Lehre von der Vertrauenshaftung nicht entgegen, sondern bestätigt nur einmal mehr die — sich auch bei anderen Problemen aufdrängende — Einsicht, daß das Erfordernis des rechtsgeschäftlichen Kontakts zu eng ist und durch das wesentlich flexiblere — und hier ohne weiteres erfüllte — Kriterium der Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr ersetzt werden sollte56.
54
So Keim S. 70; dagegen betont Schwark $$ 45, 46 Rdn. 1 und 19 mit Recht, d a ß weder deliktische noch vertragliche Ansprüche einen ausreichenden Schutz bieten, doch läßt seine eigene Qualifikation der Prospekthaftung, w o n a c h es sich um einen „gesetzlichen Schadensersatzanspruch" handelt, »der an die schuldhafte Unrichtigkeit oder UnVollständigkeit des Prospekts anknüpft", den materiellen H a f t u n g s g r u n d und die Einord-
55
56
nung in das „innere" System des geltenden Rechts im Dunkeln. Vgl. dazu allgemein Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 532—539 und speziell z u r Auskunftshaftung oben Rdn. 78 und 89. Vgl. näher Canaris a a O (Fn. 55) S. 538 f mit Fn. 72.
Claus-Wilhelm Canaris
1157
18. A b s c h n i t t . D a s E m i s s i o n s g e s c h ä f t
c) Die Tatbestandsvoraussetzungen der Prospekthaftung
2279
Die Tatbestandsvoraussetzungen der Prospekthaftung bauen auf dem Merkmal der Unrichtigkeit des Prospekts auf, der die Unvollständigkeit gleichsteht. Es geht dabei um eine ganz ähnliche Problematik wie bei der Unrichtigkeit einer Auskunft oder Empfehlung, so daß grundsätzlich auf die Ausführungen oben Rdn. 79 f und 101 verwiesen werden kann. Anders als dort ist Erklärungsadressat aber nicht eine bestimmte Einzelperson, sondern das breite Publikum. Demgemäß ist als Maßstab für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Anlegers, also z. B. eines Kleinaktionärs, und nicht der Horizont des kundigen Prospektlesers oder des sachverständig beratenen Anlegers heranzuziehen (ebenso Ehricke DB 1980, 2432; a. A. LG Düsseldorf WM 1981 102, 106 Sp. 2). Dafür spricht nicht zuletzt auch die Tatsache als solche, daß die Bank zu den Mitunterzeichnern des Prospekts gehört; denn dadurch übernimmt sie eine Art Sachverständigenfunktion, auf Grund deren eine zusätzliche Seriositätsprüfung durch Anlageberater und dgl. überflüssig erscheint. Da der Durchschnittsanleger erfahrungsgemäß Bilanzen nicht zu lesen versteht, müssen diese u. U. im Prospekt interpretiert werden; folglich kann z. B. der Hinweis erforderlich sein, daß zum Ausgleich der Bilanz alle noch zulässigen Methoden ausgeschöpft werden mußten und daß es sich um risikobehaftete Papiere mit spekulativem Charakter handelt (a. A. LG Düsseldorf aaO). Die Unrichtigkeit des Prospekts kann entgegen der h. L. 57 auch auf der Unrichtigkeit von Werturteilen oder Prognosen beruhen. Das folgt sowohl aus dem Wortlaut von § 45 I 1 BörsG, wo der weite Ausdruck „Angaben" und nicht wie in S. 2 der engere „Tatsachen" gebraucht wird, als auch aus der Einordnung der Vorschrift in die Lehre von der Vertrauenshaftung und ihrer Verwandtschaft mit der culpa in contrahendo, wo die Haftung unzweifelhaft nicht auf Tatsachenangaben beschränkt ist. Freilich ist zu bedenken, daß Werturteile und Prognosen nicht schon dann unrichtig sind, wenn sie durch die weitere Entwicklung widerlegt werden, sondern nur dann, wenn sie auf falschen Tatsachen, auf Verstößen gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze oder auf einer Außerachtlassung der bei Werturteilen und Prognosen gebotenen Zurückhaltung beruhen (vgl. auch oben Rdn. 101). Das Bankgeheimnis oder sonstige Geheimhaltungspflichten berechtigen die Bank grundsätzlich nicht dazu, relevante Tatsachen nicht in den Prospekt aufzunehmen (a. A. offenbar LG Düsseldorf W M 1981 102, 105 Sp. 2); denn wenn der Emittent mit der Aufdeckung der Tatsache nicht einverstanden ist, kann und muß die Bank die Unterzeichnung des Prospekts ablehnen. Demgemäß kann es erforderlich sein, Mißstände der Finanzplanung oder gravierende Liquiditätsstörungen aufzudecken (a. A. LG Düsseldorf aaO).
2280
Hinsichtlich der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit muß die Bank ein Verschulden treffen. Die Haftung ist dabei allerdings in einer Weise begrenzt, die dem geltenden Recht sonst fremd ist. Eine Einstandspflicht für unrichtige Angaben besteht nämlich nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, und bei Unvollständigkeit des Prospekts fordert das Gesetz sogar ein „bösliches" Verhalten. Letzteres liegt außer bei Vorsatz grundsätzlich nur bei bewußter Fahrlässigkeit vor 5 8 . Grobe Fahrlässigkeit ist dann
57 Vgl. L G D ü s s e l d o r f W M 1981, 102, 103; Pabst S. 3 0 ; RolfS. 117; Schwark §5 45, 46 R d n . 5 ; a. A., d. h. wie hier, Frohne S. 40 ff m. w. N a c h w . z u r h. L. ihm f o l g e n d Ehricke D B 1980, 2429 f.
1158
58 Vgl. Erman D i e A G 1964, 3 2 9 ; Pabst S. 49 m . w . . N a c h w . aus d e m älteren S c h r i f t t u m ; Schwark §§ 45, 46 R d n . 7.
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und den Anlegern
anzunehmen, wenn die Bank offenkundige schwere Mängel übersehen hat oder evidenten Verdachtsmomenten nicht nachgegangen ist (vgl. auch R G Z 80 196). Ob diese Haftungsbegrenzung, die sich in ähnlicher Weise auch in §§ 20 III KAGG, 12 III AuslInvestmG findet und daher nicht einfach als veraltet abgetan werden kann, als systemwidrig anzusehen ist (so Erstbearbeitung Anm. 1073), erscheint äußerst zweifelhaft. Denn immerhin handelt es sich insofern um eine eigentümliche Sonderproblematik, als auf das Merkmal des rechtsgeschäftlichen Kontakts verzichtet wird (vgl. oben Rdn. 2278). Dadurch tritt eine beträchtliche Ausweitung der Haftungsrisiken ein, da nicht mehr nur gegenüber dem Vertragspartner und sonstigen in der „Sonderverbindung" des rechtsgeschäftlichen Kontakts stehenden Personen gehaftet wird, sondern auch gegenüber späteren Erwerbern des Papiers und da diesen gegenüber überdies die Möglichkeit eines vertraglichen Haftungsausschlusses faktisch erschwert ist. Man kann daher die Milderung des Haftungsmaßstabs auch als Ausgleich für diese Ausweitung des Haftungstatbestandes betrachten. So gesehen könnte sie geradezu zum positivrechtlichen Ansatzpunkt für eine Haftungsmilderung in anderen Fällen werden, in denen es ebenfalls an einem echten rechtsgeschäftlichen Kontakt fehlt und nur eine „Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr" gegeben ist. Als Beispiel ist außer der Initiatoren- und Gründerhaftung bei nicht-börsengängigen Kapitalanlagen (vgl. dazu unten Rdn. 2294 Abs. 2) auch die Haftung des alten Arbeitgebers gegenüber dem neuen für ein unrichtiges Arbeitnehmerzeugnis zu nennen, wo der B G H ebenfalls eine „vertragsähnliche" Vertrauenshaftung annimmt und sich gleichzeitig um eine Begrenzung der Haftung auf grobe Pflichtverletzungen bemüht 5 9 . Ob ein Verschulden der Bank gegeben ist, hängt außer von dem Haftungsmaßstab wesentlich vom Inhalt ihrer Pflichten ab. Dabei wird man grundsätzlich davon auszugehen haben, daß die Bank sich auf die Angaben des Wirtschaftsprüfers des emittierenden Unternehmens i. d. R. verlassen darf 5 9 a und insoweit nur bei Vorliegen besonderer Verdachtsmomente eigene Untersuchungen anzustellen braucht. Entsprechendes gilt für Angaben technischer und naturwissenschaftlicher Sachverständiger, da man deren Uberprüfung von der Bank mangels Sachverstandes und mangels einer entsprechenden Funktion grundsätzlich nicht erwarten kann. Die Bank haftet in derartigen Fällen auch nicht nach § 278 B G B für Fehler des Wirtschaftsprüfers oder Sachverständigen; denn dieser nimmt dann nicht eine Pflicht wahr, die eigentlich der Bank obliegt, und ist daher nicht deren Erfüllungsgehilfe. Wohl aber kann die Bank u. U. die Pflicht haben, die Angaben des Wirtschaftsprüfers oder Sachverständigen im Prospekt so zu interpretieren, daß sie dem breiten Publikum verständlich sind (vgl. oben Rdn. 2279).
2280a
Die Beweislast hinsichtlich des Verschuldens liegt nach dem Wortlaut des Gesetzes 2 2 8 1 grundsätzlich bei dem Besitzer der Effekten 6 0 . Man wird jedoch analog §§ 282, 285 B G B und entsprechend den Grundsätzen über die Beweislastverteilung nach Sphärengesichtspunkten die Beweislast umzukehren haben, wenn der fragliche Umstand allein in der Sphäre der Bank bzw. dem von ihr zu überblickenden Risikobereich liegt und dem Effektenerwerber eine Beweisführung daher praktisch unmöglich ist. Diese Ansicht führt zugleich zu einer weitgehenden Angleichung an die Regelung der §§ 20
Vgl. B G H Z 74, 281, 290 ff; für eine Lösung dieser Problematik mit Hilfe der Lehre von der Vertrauenshaftung auch schon Canaris aaO (Fn. 55) S. 539. " " V g l . auch LG Düsseldorf W M 1981, 102, 107 Sp. 1; Schwark §§ 45, 46 Rdn. 7 ; strenger Frohne
für den Fall, daß die Bank den Prospekt selbst erstellt und nicht vom Emittenten übernimmt — eine wenig überzeugende, weil für den Anleger nicht in Erscheinung tretende Differenzierung. Vgl. auch Erman Die AG 1964, 330; Pabst S. 47; Frohne S. 54 f.
Claus-Wilhelm Canaris
1159
18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft
III KAGG, 12 III AuslInvestmG, die in einem eng verwandten Fall der Prospekthaftung eine generelle Beweislastumkehr vorsehen; auf diese Weise wird daher der sonst entstehende schwere Wertungswiderspruch beseitigt oder doch wenigstens stark gemildert. 2282 Daß ein Kausalzusammenhang zwischen der Unrichtigkeit des Prospekts und dem Erwerb der Effekten durch deren Besitzer besteht, fordert das Gesetz seinem Wortlaut nach nicht. An sich entspräche dieses Erfordernis aber den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts; denn danach ist ein Schaden nur dann ersatzfähig, wenn das Verschulden des in Anspruch Genommenen für ihn kausal war. Andererseits ist es für den Papierinhaber oft nahezu unmöglich nachzuweisen, daß er zum Erwerb des Papiers gerade durch die Angaben in dem Prospekt bestimmt worden ist. Man wird daher insoweit einen Mittelweg zu wählen und von einer widerleglichen Kausalitätsvermutung auszugehen haben 6 1 , wodurch zugleich der Einklang mit den Grundsätzen über die Beweislastverteilung bei Aufklärungspflichtverletzungen, falschen Auskünften und dgl. (vgl. oben Rdn. 30) hergestellt ist. Danach braucht der Erwerber weder zu behaupten noch zu beweisen, daß er durch die unrichtigen Angaben zum Erwerb des Papiers veranlaßt worden ist, doch steht der Bank der Beweis des Gegenteils offen. Dieser ist insbesondere dann ohne weiteres als geführt anzusehen, wenn der Prospekt im Zeitpunkt des Erwerbs der Papiere noch gar nicht veröffentlicht war 6 2 ; denn dann steht fest, daß ein Kausalzusammenhang unmöglich gegeben sein kann. Dagegen genügt nicht schon der Beweis, daß der Erwerber den Prospekt nicht gelesen hat 6 3 . Es ist nämlich durchaus möglich, daß er gleichwohl mittelbar durch den Prospekt beeinflußt worden ist, weil dieser ein günstiges Börsenklima für die betreffenden Papiere geschaffen hat und der Erwerber dadurch zum Kauf veranlaßt worden ist. Im übrigen ist zu beachten, daß bei mangelnder Kausalität der Angaben im Prospekt eine Haftung der Bank aus anderen Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen kann. Emittiert diese die Effekten z. B. schon vor Herausgabe des Prospekts und hat sie das betreffende Unternehmen nicht hinreichend überprüft, so haftet sie ihren Kunden i. d. R. aus culpa in contrahendo 64 (vgl. auch oben Rdn. 1886 Abs. 2); dieser Anspruch kann hier schon deshalb nicht durch die §§ 45 ff BörsG verdrängt sein, weil die Voraussetzungen einer Prospekthaftung gar nicht vorliegen — abgesehen davon, daß nach richtiger Ansicht ohnehin Anspruchskonkurrenz besteht (vgl. unten Rdn. 2289). 2283
§ 46 I BörsG beschränkt die Ersatzpflicht auf diejenigen Stücke, die auf Grund des Prospekts zugelassen worden sind. Dadurch entstehen erhebliche Schwierigkeiten, wenn alte und junge Papiere der gleichen Art im Handel sind und nur die letzteren auf Grund des fraglichen Prospekts zugelassen worden sind. Der Besitzer muß dann nämlich nachweisen, daß er junge Papiere erworben hat, und dieser Beweis ist häufig nicht zu führen. Das gilt vor allem bei der Girosammeiverwahrung, da der Effektenerwerber hier nur einen Miteigentumsanteil an dem Sammelbestand hat und sich in diesem alte und junge Papiere gleichermaßen befinden, so daß auch der Auslieferungsan-
«i Vgl. auch R G Z 80, 196, 204 f, das auf die „Möglichkeit" eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den unrichtigen Angaben im Prospekt und dem Erwerb der Effekten abstellt; vgl. ferner Erman Die AG 1964, 330; Schwark §§45, 46 Rdn. 9 ; zu eng Frohne S. 48 f, der eine Beweislastumkehr ausdrücklich ablehnt. « Vgl. R G Z 80, 196, 205; R G BankArch. 1904/5, 188; 1910/11, 123, 124 = LZ 1911, 155 f; LG
1160
63
M
Düsseldorf Z I P 1980, 188, 189 und W M 1981, 102, 103; Erman Die AG 1964, 330; Schwark §§ 45, 46, Rdn. 9. Vgl. auch Meyer/Bremer § 45 Anm. 9 ; Erman Die AG 1964, 330 m. w. N a c h w . Überholt insoweit R G BankArch. 1910/11, 123, 124 Sp. 2, w o die Möglichkeit der c. i. c. gar nicht geprüft wird.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und den Anlegern
spruch gemäß § 7 DepG sich nicht ohne weiteres auf junge Papiere richtet. Man wird daher hier eine nachträgliche Lücke des Gesetzes anzunehmen haben 65 , da bei Erlaß des Börsengesetzes im Jahre 1908 die Besonderheiten der Girosammeiverwahrung noch unbekannt waren. Diese Lücke ist dahin zu schließen, daß man dem Erwerber den Nachweis gestattet, er sei durch den Prospekt zu dem Kauf veranlaßt worden; die Bank muß sich dann durch den Gegenbeweis entlasten, daß der Vertrag sich auf alte Papiere bezog. Das gleiche gilt mutatis mutandis, wenn nur die alten Papiere auf Grund des Prospekts zugelassen waren oder nur dieser Prospekt unrichtig war. Hier wird der Besitzer den Beweis, daß er alte Papiere erworben hat, häufig schon allein durch die Angabe des Erwerbszeitpunkts führen können; ob ihm aus dem Sammelbestand dann alte oder junge Effekten ausgeliefert werden, kann nicht entscheidend sein. Der Wortlaut des § 46 I BörsG bereitet darüber hinaus sogar dann Schwierigkeiten, wenn es nicht um den ungetrennten Handel mit alten und jungen Papieren geht, sondern wenn irgendwelche Effekten, hinsichtlich derer die Voraussetzungen der Prospekthaftung an sich unzweifelhaft vorliegen, in Sammelverwahrung gegeben worden sind. Da nämlich der Hinterleger nach § 7 DepG nicht die von ihm eingelieferten Stücke zurückverlangen kann, könnte man der Meinung sein, der Besitzer habe nicht mehr „diejenigen Stücke, welche auf Grund des . . . (von ihm) abgeschlossenen Geschäfts erworben sind" und die Sammelverwahrung schließe daher die Möglichkeit einer Prospekthaftung de lege lata schlechthin aus 66 . Eine solche engherzige Wortlautauslegung ist indessen methodisch unhaltbar. Bei einer gegenwartsbezogenen objektiven Interpretation des § 46 I BörsG muß vielmehr die Innehabung eines Miteigentumsanteils an einem Sammelbestand dem Besitz des betreffenden Papiers gleichgestellt werden, sofern das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen im übrigen feststeht 67 . Das muß umso mehr gelten, seit der Anspruch auf Auslieferung von Einzelstücken gemäß § 9 a III DepG abdingbar ist (vgl. dazu oben Rdn. 2133); denn daß der Hinterleger dadurch alle Ansprüche aus Prospekthaftung verlieren soll, kann keinesfalls der Wille des Gesetzgebers sein. Allerdings ist nicht zu bezweifeln, daß § 46 I BörsG trotz aller Auslegungs- und Lückenergänzungskünste der modernen Methodenlehre dringend der Korrektur durch den Gesetzgeber bedarf. Auch die zweite Einschränkung des § 46 I BörsG, das Erfordernis eines Geschäfts- 2284 Schlusses im Inland erscheint wenig sachgerecht und heute nicht mehr zeitgemäß. Ob ein Erwerb im Inland vorliegt, wird man bei einem Erwerb über die Börse nach dem Sitz der Börse und im übrigen nach dem Geschäftssitz des Veräußerers, also der verkaufenden Bank, zu beurteilen haben. d) Die Rechtsfolgen der Prospekthaftung Die Rechtsfolge der Prospekthaftung wird in § 45 I BörsG dahin bestimmt, daß die 2285 Prospekturheber gesamtschuldnerisch den Schaden zu ersetzen haben, der dem Besitzer der Effekten aus der von den gemachten Angaben abweichenden Sachlage erwächst. Der Geschädigte hat also nicht etwa einen Anspruch auf das positive Interesse und kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wären die in dem Prospekt enthaltenen Angaben richtig. Er hat vielmehr, der Regel des § 249 BGB entsprechend, nur einen Anspruch auf das negative Interesse. Kann er nachweisen, daß er bei Kennt65
So auch Schwark §§45, 46 Rdn. 12 in einem gewissen Gegensatz zu seinen Ausführungen in Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 204; a. A. LG Düsseldorf Z I P 1980, 188, 189, mit der anachronistischen und gegenüber der
Möglichkeit einer nachträglichen (!) Lücke geradezu abwegigen Begründung, das Gesetz sei .eindeutig". " So in der T a t Rolf S. 110 ff. 67 Vgl. auch Karger S. 56 f.
Claus-Wilhelm Canaris
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft nis der wahren Sachlage die Effekten überhaupt nicht erworben hätte, so hat er also einen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Effekten 6 8 . Hätte er die Effekten dagegen zwar auch bei Kenntnis der wahren Sachlage gekauft, aber dafür nur einen geringeren Preis bezahlen müssen, so richtet sich sein Anspruch auf die Differenz zwischen dem wirklichen und dem hypothetischen Preis. O b das Papier zu Spekulations- oder zu Anlagezwecken erworben wurde, ist gleichgültig 69 (vgl. im übrigen auch oben Rdn. 1883). Der Besitzer der Effekten kann ferner einen weiteren Sachschaden geltend machen wie z. B. die Nebenkosten des Erwerbs und einen etwaigen Zinsverlust. Nach § 252 BGB steht ihm grundsätzlich auch ein Anspruch auf entgangenen Gewinn zu; dieser kann vor allem darauf gestützt werden, daß der Erwerber bei Kenntnis der wahren Sachlage bestimmte andere Papiere gekauft und mit diesen einen Gewinn erzielt hätte.
2286
Diese Ansprüche kann der Schuldner nun freilich teilweise durch die Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 46 II BörsG zunichte machen. Danach kann er seiner Ersatzpflicht dadurch genügen, daß er das Wertpapier gegen Erstattung des von dem Besitzer nachgewiesenen Erwerbspreises oder desjenigen Kurswertes übernimmt, den die Wertpapiere zur Zeit der Einführung hatten. Dadurch wird vor allem die Geltendmachung eines entgangenen Gewinns ausgeschlossen. Darüber hinaus wird die Stellung des Anspruchsberechtigten noch weiter verschlechtert, wenn man dem Schuldner mit der h. L. die freie Wahl zwischen dem Erwerbspreis und dem Einführungskurs läßt 70 . Die H a f t u n g der Prospekturheber könnte von diesen dann stets auf den Einführungskurs begrenzt werden. Das erscheint indessen als gänzlich ungerechtfertigte Privilegierung des Haftenden und als ebenso ungerechtfertigte Einschränkung der Stellung des Anspruchsberechtigten. Denn es ist durchaus denkbar, daß es auf Grund der falschen Angaben in dem Prospekt noch längere Zeit nach der Einführung der Effekten zu einer kräftigen Kurssteigerung gekommen ist, und es ist schlechterdings nicht einzusehen, warum der spätere Erwerber eines Papiers den dadurch erlittenen Schaden, für den das Verschulden der Prospekturheber adäquat kausal war, nicht soll liquidieren dürfen. Entscheidend kommt hinzu, daß die eng verwandten Vorschriften der §§20 I KAGG, 12 I AuslInvestmG eine derartige Beschränkung der H a f t u n g auf den Einführungskurs nicht kennen und daß daher die Gefahr eines untragbaren Wertungswiderspruchs droht. Bei dessen Beseitigung genießt nun aber die Wertung der §§ 20 I KAGG, 12 1 AuslInvestmG den Vorrang, weil diese Vorschriften jünger sind und daher der Grundsatz von der lex posterior analoge Anwendung findet 7 1 . § 46 II BörsG ist folglich dahingehend einschränkend auszulegen, daß der Schuldner nicht nach freier Wahl, sondern nur aus vernünftigen Gründen auf den Einführungskurs ausweichen kann. Ein solcher Grund ist z. B. dann gegeben, wenn der Gläubiger den von ihm bezahlten Erwerbspreis nicht mehr nachweisen kann. Das gleiche gilt, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Erwerbspreis nicht auf Grund der falschen Angaben über dem Einführungskurs liegt, sondern aus anderen Gründen wie z. B. wegen einer allgemeinen Hausse; denn dann wäre eine Übernahme zum Erwerbspreis in der Tat für den Schuldner unbillig, weil sie zu einer Überbürdung des allgemeinen Spekulationsrisikos auf ihn führen und sich nicht auf den Ausgleich des gerade durch die falschen Angaben entstandenen Schadens beschränken würde.
68 Vgl. R G Z 46, 83, 87; Meyer/Bremer % 45 Anm. 10. ' Vgl. auch Keim S. 75 ff; Pabst S. 54; a. A. RGSt 23, 434, 435. 70 Vgl. Meyer/Bremer § 4 6 Anm. 2; Bremer G r u n d -
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züge S. 115; Pabst S. 56; Scbwark §§45, 46 Rdn. 16. Vgl. näher Canaris Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969, S. 116 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D a s R e c h t s v e r h ä l t n i s z w i s c h e n d e r B a n k u n d d e n A n l e g e r n
§ 45 BörsG begründet nach seinem klaren Wortlaut eine gesamtschuldnerische Haf- 2 2 8 7 tung. Das darf indessen nicht dahin mißverstanden werden, daß alle Prospekturheber unabhängig von eigenem Verschulden für das Verschulden der anderen einzustehen hätten. Die subjektiven Voraussetzungen des § 45 I BörsG müssen vielmehr gemäß § 425 BGB bei jedem, der in Anspruch genommen wird, gesondert vorliegen. Nur soweit das der Fall ist, entsteht eine Gesamtschuld. e) Das Verhältnis zu sonstigen Anspruchsgrundlagen § 48 II BörsG hebt ausdrücklich hervor, daß „weitergehende Ansprüche, welche 2 2 8 8 nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes auf Grund von Verträgen erhoben werden können, unberührt bleiben". Vertragsansprüche im strengen Sinne werden indessen nur selten in Betracht kommen, zumal die Angaben im Emissionsprospekt grundsätzlich keine Garantiehaftung begründen (vgl. oben Rdn. 2273). Ansprüche aus culpa in contrahendo fallen zwar bei rein wörtlicher Gesetzesausle- 2 2 8 9 gung nicht unter § 48 II BörsG, doch dürfte es gleichwohl zu weit gehen, einen Umkehrschluß aus dieser Vorschrift zu ziehen und die §§ 45 ff BörsG als abschließende Sonderregelung zu betrachten. Dagegen spricht zunächst schon, daß der Gesetzgeber, der bei Erlaß des Börsengesetzes noch nicht von der Anerkennung der Lehre von der culpa in contrahendo durch Rechtsprechung und Wissenschaft ausgehen konnte, durch § 48 II BörsG den Willen bekundet hat, dem Effektenerwerber durch die börsenrechtliche Prospekthaftung einen zusätzlichen Schutz zukommen zu lassen und ihm etwaige weiterreichende Ansprüche nicht zu nehmen. Entscheidend kommt hinzu, daß die Regelung der §§ 45 ff BörsG, insbesondere die gesetzliche Milderung des Haftungsmaßstabs (vgl. oben Rdn. 2280) und der Ausschluß von Ansprüchen auf entgangenen Gewinn (vgl. oben Rdn. 2286), mit dem heutigen Stand der Lehre von der culpa in contrahendo nicht zu vereinbaren ist. Da ein sachlicher Grund, diese hier nicht anzuwenden, nicht ersichtlich ist, muß man bei einer objektiv-gegenwartsbezogenen Interpretation der §§ 45 ff BörsG davon ausgehen, daß Ansprüche aus culpa in contrahendo durch diese ebensowenig verdrängt werden wie echte Vertragsansprüche. Die Bank haftet also gegenüber ihren Kunden nach den allgemeinen Regeln (vgl. auch oben Rdn. 2272 i. V. m. Rdn. 1880 ff). Demgemäß beschränkt sich die praktische Funktion der börsenrechtlichen Prospekthaftung heute im wesentlichen auf den Schutz späterer Erwerber und auf die Einbeziehung von Gründern, Initiatoren usw., mit denen kein rechtsgeschäftlicher Kontakt besteht (vgl. auch unten Rdn. 2294 Abs. 2). Auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff BGB werden durch die 2 2 9 0 §§ 45 ff BörsG nicht ausgeschlossen 72 . Denn da als Anspruchsgrundlagen vor allem die §§ 823 II und 826 BGB in Betracht kommen und diese Vorsatz voraussetzen, ist die Deliktshaftung an wesentlich strengere Voraussetzungen geknüpft als die Prospekthaftung, so daß eine Aushöhlung der in den §§ 45 ff BörsG enthaltenen Einschränkungen nicht zu befürchten ist. Außerdem würde man dem Anleger sonst ohne sachlichen Grund wichtige Vorteile nehmen wie z. B. die Möglichkeit, Mittäter, Anstifter und Gehilfen über § 830 BGB in Anspruch zu nehmen 73 . Der Geschädigte kann demgemäß 72 A. A. z. B. L G D ü s s e l d o r f Z I P 1980, 188, 189 f ; Schwark §§ 45, 46 R d n . 21, n a c h d e s s e n B e h a u p t u n g die U n a n w e n d b a r k e i t d e r §§ 823 ff B G B „allg e m e i n e A u f f a s s u n g " sein soll; wie hier i. E. o f f e n b a r Hopt Z H R 141 ( 1 9 7 7 ) 396, w e n n g l e i c h o h n e a u s d r u c k l i c h e E r ö r t e r u n g des K o n k u r r e n z problems.
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Claus-Wilhelm
A n d e r s freilich Schwark §§ 45, 46 R d n . 19, d e r § 830 B G B auf die P r o s p e k t h a f t u n g a n w e n d e n will; d a s ist j e d o c h e b e n s o w e n i g m ö g l i c h w i e z. B. bei d e r c u l p a in c o n t r a h e n d o , vgl. a u c h u n t e n F n . 90.
Canaris
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft insbesondere auch aus § 823 II BGB i. V. m. § 88 I Ziff. 2 BörsG vorgehen, wenn er den erforderlichen Vorsatz beweisen kann. 4. Die Prospekt- und Initiatorenhaftung bei Kapitalanlagen außerhalb des Börsenhandels 2291
Der Vertrieb von Beteiligungen an Publikums-Kommanditgesellschaften hat zu einer umfassenden Diskussion über den Anlegerschutz bei nichtbörsengängigen Kapitalanlagen geführt 7 4 . Die Problematik betrifft zwar nicht in erster Linie die Banken, doch berührt sie auch diese und ist daher hier insoweit näher darzustellen. a) Die Anspruchsgrundlagen
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Anders als beim typischen Emissionsgeschäft in börsengängigen Effekten vollzieht sich der Erwerb von Beteiligungen an Kommanditgesellschaften und dgl. in der Regel nicht durch den Kauf von der Bank, sondern durch Beitritt zu der — meist noch im Gründungsstadium oder in der Anlaufphase befindlichen — Gesellschaft. Die Bank hat daher hier grundsätzlich die Rechtsstellung eines Vermittlers. Als Anspruchsgrundlage kommt demgemäß in erster Linie die Handelsmaklerhaftung nach $ 98 H G B in Betracht 7 5 . Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Bank von dem Anleger kein Entgelt erhält; denn die H a f t u n g aus § 98 H G B hängt davon anerkanntermaßen nicht ab 7 6 . Dogmatisch handelt es sich dabei ebenso wie bei der Prospekthaftung nach § 45 BörsG um einen,Tatbestand der Vertrauenshaftung. Nicht zutreffend ist allerdings die Einordnung von § 98 H G B in die Lehre vom Vertrag mit Schutzwirkung f ü r Dritte 7 7 . Die Parallelität der Interessen, die für das Verhältnis zwischen der einen Vertragspartei und dem geschützten Dritten charakteristisch ist und die die Rechtsprechung meist mit dem Kriterium der Fürsorgepflicht umschreibt (vgl. dazu oben Rdn. 22), ist nämlich im Verhältnis zwischen den Parteien des vermittelten Geschäfts i. d. R. gerade nicht gegeben, da diese sich ja als Kontrahenten (!) gegenüberstehen. Vielmehr handelt es sich um eine besondere Ausformung der H a f t u n g Dritter aus culpa in contrahendo oder positiver Forderungsverletzung; insbesondere drängt sich die Verwandtschaft mit der sogenannten Sachwalterhaftung auf, da § 98 H G B ersichtlich vom Bild des neutralen „redlichen Maklers" bestimmt ist.
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Vgl. dazu Böhm Anlegerschutz am Nebenkapitalmarkt, 1979; Bremer G r a u e r Kapitalmarkt und Anlegerschutz, Z G R 1973, 410 f f ; Coing H a f t u n g aus Prospektwerbung für Kapitalanlagen in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, W M 1980, 206 f f ; Eisenhardt Kapitalanlegerschutz und Schadensersatz nach geltendem Recht, 1978; HoptVom Aktien- und Börsenrecht zum Kapitalmarktrecht? Z H R 140 (1976), 201 ff und Z H R 141 (1977), 389 f f ; derselbe Inwieweit empfiehlt sich eine allgemeine gesetzliche Regelung des Anlegerschutzes? Gutachten zum 51. Deutschen Juristentag, 1976; Lutter Z u r H a f t u n g des Emissionsgehilfen im grauen Kapitalmarkt, Festschr. f ü r Bärmann, 1975, S. 605 f f ; Nirk Der Emissionsprospekt einer sogenannten Publikums(Abschreibungs-)Kommanditgesellschaft als
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Anspruchsgrundlage f ü r geschädigte Kapitalzeichner, Festschr. für Hefermehl, 1976, S. 189 f f ; Schwark Die H a f t u n g aus dem P r o spekt über Kapitalanlagen, BB 1979, 897 ff; Wiedemann/Schmitz Kapitalanlegerschutz bei unrichtiger oder unvollständiger Information, Z G R 1980, 129 f f ; Wittmann Zivilrechtliche Prospekth a f t u n g beim Vertrieb von steuerbegünstigten Kapitalanlagen, D B 1980, 1579 ff. 75
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Grundlegend Lutter Festschr. f ü r Bärmann S. 605 ff, insbesondere S. 613 f f ; ihm folgend O L G F r a n k f u r t W M 1979, 1393, 1396 (bezüglich einer Anlageberatungsfirma). Vgl. z. B. Düringer/Hachenburg/Hoeniger3 § 98 Anm. 3; Großkomm.-Brüggemann 3 § 98 Anm. 3. So aber Lutter a a O S. 613 und S. 614 f Fn. 23.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und den Anlegern
Folglich dürfte für die Anwendung der allgemeinen Regeln über die Haftung Drit- 2293 ter aus culpa in contrahendo, mit deren Hilfe der BGH die Problematik der Prospektund Initiatorenhaftung bei nichtbörsengängigen Kapitalanlagen bekanntlich in erster Linie löst 78 , hier weitgehend weder Bedürfnis noch Raum sein, weil und soweit § 98 HGB als lex specialis vorgeht. Sofern dagegen die besonderen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen, ist grundsätzlich auf die allgemeinen Regeln der culpa in contrahendo oder positiven Forderungsverletzung zurückzugreifen 79 . Was deren Verhältnis zu einer analogen Anwendung der §§ 45 ff BörsG, 20 KAGG, 2294 12 AuslInvestmG angeht, so gelten dafür die Ausführungen oben Rdn. 2277 f und Rdn. 2289 entsprechend. Demgemäß läßt sich diese Analogie nicht mit dem Argument zurückweisen, es fehle an der erforderlichen Ähnlichkeit der Fälle 80 ; denn in Wahrheit geht es um eng verwandte Probleme der Vertrauenshaftung (vgl. oben Rdn. 2277 f). Wohl aber steht dem Versuch, die Problematik allein mit Hilfe dieser Analogie zu lösen 81 , die Einsicht entgegen, daß die gesetzlichen Vorschriften über die Prospekthaftung die Regeln über die culpa in contrahendo nicht verdrängen, sondern nur ergänzen (vgl. oben Rdn. 2289). Die Analogie hat daher nur die Funktion, eine Haftung auch dort zu begründen, wo es an einem rechtsgeschäftlichen Kontakt des in Anspruch Genommenen mit dem Geschädigten und/oder der Setzung eines Vertrauenstatbestandes durch jenen fehlt. Das betrifft vor allem die Haftung von Initiatoren, Gründern u. dgl., die den Emissionsprospekt nicht unterschrieben haben und auch sonst nicht nach außen hervorgetreten sind. Daß der BGH auch sie aus culpa in contrahendo haften läßt, ist im Schrifttum nicht zu Unrecht kritisiert worden 82 , doch läßt sich ihre Einstandspflicht auf die Analogie zu den §§ 45 ff BörsG stützen 83 , da danach auch diejenigen haften, „von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht". Folgerichtig sind dann freilich auch die Einschränkungen der Haftung zu übernehmen, also vor allem die Milderung des Maßstabs (vgl. oben Rdn. 2280), die Möglichkeit zur Übernahme der Beteiligung durch den Schädiger und der damit verbundene Ausschluß der Ersatzfähigkeit entgangener Gewinne (vgl. oben Rdn. 2286 sowie auch unten Rdn. 2303) sowie die fünfjährige Verjährungsfrist des § 47 BörsG (vgl. dazu auch unten Rdn. 2299). b) Die Tatbestandsvoraussetzungen Grundlage einer Haftung der Bank ist ihre Mitwirkung an der Irreführung des 2295 Kapitalanlegers. Diese kann z. B. in der Mitunterzeichnung des Emissionsprospekts oder einer sonstigen Form der Übernahme von Mitverantwortung für dessen Inhalt liegen; duldet die Bank in zurechenbarer Weise, daß sie als Mitunterzeichnerin aufgeführt wird, so steht das nach Rechtsscheingrundsätzen gleich. Auch die Empfehlung oder die Vermittlung der Beteiligung ohne Mitunterzeichnung des Prospekts genügen grundsätzlich 84 ; das ergibt sich nicht nur aus § 98 HGB, sondern folgt darüber hinaus 78 Vgl. B G H Z 71, 284, 287 f; 72, 382, 384 f; 74, 103, 108 f; 76, 231, 233; 77, 172, 175 f; B G H W M 1978, 611 f; 1980, 825; 1980, 953, 955; 1981, 483, 484. 79 Vgl. auch B G H W M 1978, 611, wo es um die H a f t u n g eines Handelsvertreters ging, so daß 5 98 H G B nicht einschlägig war. 80 So aber Lutter a a O S. 628 f; ihm folgend Schwark BB 1979, 897. 81 So o f f e n b a r Coing W M 1980, 206 ff, insbeson-
dere S. 211 f ; vorsichtiger und flexibler mit Recht Hopt Z H R 141 (1977), 435. 82 Vgl. Coing W M 1980, 211; Wiedemann/Scbmitz Z G R 1980, 142 f; Schmitz Dritthaftung aus culpa in contrahendo, 1980, S. 123 f; zustimmend dagegen z. B. Wittmann DB 1980, 1585 f; Kühler Gesellschaft, 1981, § 2 0 III 2 a. 8' Zutreffend insoweit Coing W M 1980, 211. 8< Vgl. dazu auch B G H Z 74, 103, 109; B G H W M 1978, 611, 612.
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft auch daraus, daß man von einer Bank grundsätzlich die Seriosität der von ihr vermittelten oder gar empfohlenen Kapitalanlagen erwarten darf. Beschränkt sich die Mitwirkung der Bank darauf, daß sie zu den Initiatoren des Prospekts oder Gründern der Gesellschaft gehört, so reicht auch das nach Maßgabe und in den Grenzen der Analogie zu den §§ 45 ff BörsG für eine H a f t u n g aus (vgl. soeben Rdn. 2294 Abs. 2). Keine hinreichende Grundlage für eine Vertrauenshaftung der Bank ist dagegen darin zu sehen, daß das emittierende Unternehmen bei ihr ein Konto hat und die Zahlung der Einlagen auf dieses erfolgt; denn durch die bloße Übernahme der Zahlstellenfunktion setzt die Bank keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, daß es sich um ein seriöses Projekt handelt. Anders liegt es dagegen, wenn das Konto fälschlich als Treuhandkonto bezeichnet wird; indem die Bank das zurechenbar duldet, erweckt sie zwar ebenfalls kein Vertrauen in die generelle Seriosität des Projekts, wohl aber immerhin in eine gewisse Sicherheit der Einlagenzahlungen, so daß insoweit ihre H a f t u n g begründet sein kann (vgl. auch oben Rdn. 276, aber auch unten Rdn. 2298 a. E.). N o c h gravierender ist es, wenn eine Bank sich im Prospekt oder in sonstigen Werbungsunterlagen als „Hausbank" des emittierenden Unternehmens oder dgl. bezeichnen läßt; ein solcher Hinweis kann nur den Sinn haben, mit dem guten Namen der Bank um Vertrauen bei den Anlegern zu werben, und stellt daher grundsätzlich eine taugliche Grundlage für eine Vertrauenshaftung dar. 2296
O b der Bank ein Verschulden zur Last fällt, hängt wesentlich vom Inhalt der Sorgfaltspflichten ab, die sie treffen. Diese sind ihrerseits von unterschiedlicher Intensität je nachdem, welche Rolle sie übernommen hat. Beschränkt sie sich z. B. auf die bloße Vermittlung der Beteiligung, so trifft sie grundsätzlich nur eine Pflicht zur Aufklärung des Anlegers über solche (entscheidungserheblichen) Umstände, die ihr bekannt sind oder die sie ohne weiteres erkennen kann; dazu gehört auch ein besonderes Eigeninteresse des Vermittlers, das z. B. auf einer ungewöhnlich hohen Vermittlungsprovision u n d / o d e r personellen Verflechtungen mit dem emittierenden Unternehmen beruhen kann (vgl. auch LG Hagen DB 1979 1076 sowie oben Rdn. 1863 und 1944). Dagegen würde man der Funktion eines bloßen Vermittlers nicht gerecht, wenn man der Bank dabei auch Nachforschungspflichten bezüglich der Seriosität und Zweckmäßigkeit des Projekts auferlegen würde; denn man kann von einer Bank grundsätzlich nicht erwarten, daß sie die Aufgaben eines Wirtschaftsprüfers oder gar Steuerberaters übernimmt. Derartige Pflichten 8 5 obliegen ihr daher nur, wenn sie den Prospekt mitunterzeichnet oder die Beteiligung besonders empfohlen hat oder wenn sie zu den Initiatoren, Gründern und dgl. gehört. Auch in einem solchen Fall hat die Bank jedoch nicht bezüglich jedes beliebigen Mangels eine Aufklärungspflicht, sondern nur bezüglich eines solchen, der den Anleger nach den Grundsätzen wirtschaftlicher Vernunft oder nach seinen besonderen, für die Bank erkennbaren Interessen möglicherweise von der Anlage abgehalten hätte. Tritt die Bank als Hausbank nach außen in Erscheinung, so wird man von ihr zwar eine sorgfältige Prüfung der Bonität des emittierenden Unternehmens unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Anleger i. d. R. anders als die — meist zugleich als Kreditgeberin fungierende — Hausbank nicht oder nicht hinreichend dinglich gesichert ist, erwarten dürfen, nicht aber z. B. die Überprüfung des Projekts auf seine steuerrechtliche Tragfähigkeit oder Zweckmäßigkeit. Hinsichtlich des Haftungsmaßstabs ist auf die Ausführungen oben Rdn. 2294 Abs. 2 zu verweisen. Im übrigen wird eine Inanspruchnahme der Bank nicht selten an dem 85
Vgl. zu ihrem Inhalt im einzelnen Lutter (Fn. 74) S. 620 ff.
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aaO
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III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und den Anlegern
Haftungsausschluß nach Ziff. 10 AGB scheitern, doch kann der Anwendung der AGB § 2 AGBG entgegenstehen. Weitere Voraussetzung der Haftung ist das Bestehen eines Kausalzusammenhangs 2 2 9 7 zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten der Bank und dem Schaden des Anlegers. Daran fehlt es z. B. i. d. R., wenn dieser seine Beteiligung schon erworben hatte, bevor der fehlerhafte Prospekt veröffentlicht wurde (vgl. auch oben Rdn. 2282). Daß der Anleger die schädliche Disposition nicht vorgenommen hätte, wird wie sonst auch vermutet 8 6 (vgl. oben Rdn. 30); Haftungsbegrenzungen des Inhalts, daß nur Irreführungen über besonders gravierende Punkte anspruchsbegründend wirken, sind daher dogmatisch nicht auf der Stufe der Kausalität einzubauen 8 7 , sondern schon bei der Festlegung des Pflichteninhalts zu berücksichtigen (vgl. dazu die vorigen Rdn.). Hinzu kommt das Erfordernis, daß der Schaden innerhalb des Schutzbereichs der 2 2 9 8 verletzten Pflicht liegen muß. Daher haftet die Bank z. B. grundsätzlich nicht, wenn sie zwar falsche steuerrechtliche Angaben im Prospekt gemacht hat, der Schaden jedoch nicht mit diesen zusammenhängt, sondern durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Unternehmens entstanden ist. Das ist nicht etwa ein Problem der Kausalität, sondern des Schutzzweckzusammenhangs; daß der Anleger bei richtiger Information über die steuerrechtlichen Fragen auf eine Beteiligung verzichtet hätte und daher von dem Zusammenbruch nicht betroffen worden wäre, reicht daher nicht aus, um die Haftung der Bank zu begründen. Entsprechendes gilt z. B., wenn das Konto des Unternehmens fälschlich als Treuhandkonto bezeichnet worden ist und der Schaden nun nicht durch eine Veruntreuung der eingezahlten Gelder, sondern durch ein Fehlschlagen des finanzierten Projekts entsteht. c) Die Verjährung Bezüglich der Verjährung dürfte sich eine analoge Anwendung von § 47 BörsG, wo 2 2 9 9 eine fünfjährige Verjährungsfrist vorgesehen ist, auch insoweit empfehlen, als die H a f tung nicht mit einer Analogie zu den §§ 45 ff BörsG, sondern mit § 98 H G B oder den Regeln über die culpa in contrahendo begründet wird (vgl. dazu oben Rdn. 2292 bis 2294). Denn die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB ist nicht sachgerecht und führt außerdem zu einem höchst unerfreulichen Wertungswiderspruch zur Verjährung von Ansprüchen aus § 823 II und § 826 BGB, die trotz ihres höheren Unrechtsgehalts gemäß § 852 BGB grundsätzlich in drei Jahren verjähren. Allerdings könnte man statt dessen auch an eine Analogie zu den §§ 20 V KAGG, 12 V AuslInvestmG denken, weil diese die lex posterior bilden, doch dürfte letztlich gleichwohl die Analogie zu § 47 BörsG den Vorzug verdienen, weil es sich dabei um die allgemeinere Norm handelt. Darüber hinaus sollte man Ansprüche aus der Verletzung von Schutzpflichten — 2 3 0 0 die nicht mit echten vertraglichen Nebenpflichten verwechselt werden dürfen 8 8 — grundsätzlich im Wege der Analogie der Verjährungsfrist des § 852 BGB unterwerfen. Das dient nicht nur der Vermeidung von Wertungswidersprüchen zur Verjährung der deliktsrechtlichen Ansprüche, sondern entspricht auch der besonderen Funktion der Schutzpflichten; denn diese haben für den Bereich des rechtsgeschäftlichen Verkehrs die Rolle übernommen, die im Bereich des allgemeinen Verkehrs, also unter „unverbundenen Rechtsgenossen" die deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflichten spielen. 86
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Vgl. dazu auch Nirk Festschr. für Hefermehl S. 200; Schwark BB 1979, 898. So aber Lutter a a O S. 624 f.
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Vgl. z u r Unterscheidung und Abgrenzung zwischen Schutzpflichten und vertraglichen Nebenpflichten näher Canaris J Z 1965, 477; Thiele JZ 1967, 650 f.
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft
Es steht auch im Einklang mit der dogmatischen Struktur der Vertrauenshaftung, die zwar einerseits als Korrelat der Privatautonomie an den rechtsgeschäftlichen Bereich gebunden ist, andererseits aber als Haftung ex lege keine Vertragshaftung darstellt 89 ; da sie somit zwischen dieser und der Deliktshaftung steht und eine eigenständige dritte Form der Verhaltensordnung bildet, ist es durchaus folgerichtig, daß auf sie nicht nur vertragsrechtliche, sondern z. T. auch deliktsrechtliche Normen zur Anwendung kommen 90 . Dabei läßt sich aus den §§ 45 ff BörsG, 20 KAGG, 12 AuslInvestmG auch im vorliegenden Zusammenhang insofern ein wesentliches Argument gewinnen, als diese Vorschriften zeigen, daß die 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB für die Vertrauenshaftung keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist — was sich übrigens für einen anderen Typ der Vertrauenshaftung auch aus der Anordnung einer zweijährigen Verjährungsfrist in § 1302 BGB ergibt 91 . Eine andere, hier nicht zu vertiefende Frage ist, ob die Rechtsprechung abrupt mit der bisherigen Ansicht, wonach Ansprüche aus Schutzpflichtverletzung gemäß § 195 BGB in 30 Jahren verjähren, brechen darf oder ob es dazu einer vorherigen Ankündigung bzw. einer Übergangsfrist bedarf. 2301
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Hält man sowohl die Analogie zu § 47 BörsG als auch diejenige zu § 852 BGB methodologisch für möglich, so erhebt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen den beiden Verjährungsvorschriften. Diese dürfte dahin zu beantworten sein, daß grundsätzlich beide nebeneinander anzuwenden sind. Sie knüpfen nämlich an unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen an; denn nach § 852 BGB beginnt die Verjährungsfrist in dem Augenblick, in welchem der Geschädigte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, während sie nach § 47 BörsG mit der Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel, d. h. hier mutatis mutandis mit dem Beginn des Vertriebs der Anteile zu laufen anfängt. d) Die Rechtsfolgen Gemäß § 249 BGB hat die Bank den geschädigten Anleger so zu stellen, wie er ohne ihre Pflichtverletzung stünde. Das läuft auf den Ersatz des negativen Interesses hinaus und schließt gemäß § 252 BGB grundsätzlich auch den Gewinn ein, den er anderwärts mit dem eingesetzten Kapital erzielt hätte (vgl. auch oben Rdn. 2285). Eine Begrenzung der Haftung auf den Preis der Beteiligung analog §5 46 II BörsG, 20 I KAGG, 12 1 AuslInvestmG kommt nur in Betracht, soweit die Haftung der Bank allein aus der Analogie zu den §§ 45 ff BörsG und nicht aus § 98 HGB oder den Regeln über die culpa in contrahendo folgt (vgl. dazu näher oben Rdn. 2294 Abs. 2). Auch insoweit darf die Analogie aber nicht schematisch gehandhabt werden. Demgemäß ist z. B. bei einer KG als Beteiligungspreis in diesem Sinne nicht nur die Kommanditeinlage, sondern grundsätzlich auch ein etwaiges Gesellschafterdarlehen anzusehen.
" Vgl. näher Canaris Die V e r t r a u e n s h a f t u n g im deutschen Privatrecht, 1971, S. 428 f und 439 ff. Das gilt außer f ü r § 852 BGB auch f ü r S§ 842 — 846 BGB, wie sich u. a. aus dem Rechtsgedanken von S 618 III BGB ergibt, der entgegen einer verbreiteten Ansicht nicht auf bestimmte Vertragstypen zu beschränken ist. Dagegen d ü r f t e S 830 BGB ein Spezifikum der Deliktshaftung darstellen und sich nicht auf die Vertrauens-
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haftung übertragen lassen; denn diese begründet vertragsähnliche Pflichten, f ü r deren Verletzung nur derjenige einstehen muß, der Partei des betreffenden (vertraglichen oder gesetzlichen) Schuldverhältnisses ist. B G B i n d i e " Vgl. z u r E i n o r d n u n g der S S l 2 9 7 Lehre von der Vertrauenshaftung näher Canaris A c P 165, 1 ff und die Vertrauenshaftung a a O S. 544.
2. Bearbeitung. Stand 1.5. 1981
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern eines Emissionskonsortiums
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern eines Emissionskonsortiums Das Emissionskonsortium stellt eine BGB-Gesellschaft dar (vgl. oben Rdn. 2248). 2304 Die Beziehungen der Konsorten zueinander bestimmen sich daher grundsätzlich nach den §§ 705 ff BGB. In der Praxis werden die gesetzlichen Vorschriften jedoch regelmäßig weitgehend abbedungen. 1. Die Pflichten der Konsortiumsmitglieder untereinander Die Hauptpflicht der Konsortiumsmitglieder ist nach S 705 BGB die Pflicht, den 2305 gemeinsamen Gesellschaftszweck zu fördern. Dieser Zweck liegt in der Übernahme der Emission, und daher besteht die Pflicht zur Übernahme und Bezahlung der Quote durch die einzelnen Konsorten nicht nur im Außenverhältnis gegenüber dem Emittenten (vgl. dazu oben Rdn. 2265), sondern auch im Innenverhältnis gegenüber den übrigen Mitgliedern des Konsortiums 92 . Kann ein Mitglied die von ihm übernommene Quote nicht bezahlen, so trifft die 2306 übrigen eine Nachschußpflicht analog § 735 BGB 93 ; entgegen S 722 BGB ist die Beteiligung am Verlust dabei jedoch nicht nach Köpfen, sondern nach den übernommenen Quoten zu bestimmen, da in deren Vereinbarung eine konkludente Abdingung des § 722 BGB zu sehen ist 94 . Scharf von dieser Nachschußpflicht für eine nicht bezahlte Quote zu unterscheiden 2307 ist die Frage nach der Verteilung eines Verlusts bei der Unterbringung der Emission. Insoweit besteht keine Pflicht zur Beteiligung an den Verlusten der übrigen Konsorten 95 . Denn jedes Mitglied des Konsortiums übernimmt eine bestimmte Quote und trägt insoweit, aber auch nur insoweit allein das Risiko, ob es seinen Anteil wie vorgesehen unterbringen kann oder ob es ihn mit Verlusten weiterveräußern muß. Wieder ein anderes Problem ist, ob eine Pflicht zur Unterbringung der Emission 2308 besteht. Dabei geht es jetzt nicht um die Pflicht gegenüber dfem Emittenten und den Erwerbswilligen (vgl. dazu oben Rdn. 2255 f bzw. 2267 ff), sondern um die gesellschaftsrechtliche Pflicht der einzelnen Konsorten gegenüber den übrigen Konsortiumsmitgliedern. Eine solche Pflicht ist zweifellos zu bejahen, wenn die Emission nicht fest übernommen ist (vgl. dazu oben Rdn. 2239); denn hier liegt der Zweck des Konsortiums nicht in der Übernahme, sondern gerade in der Unterbringung der Emission, und daher sind die Konsorten nach S 705 BGB verpflichtet, die Erreichung dieses Ziels durch die Zurverfügungstellung ihres Organisationsapparates und durch entsprechende Verkaufsbemühungen zu fördern. Zweifelhaft ist dagegen, ob das gleiche auch bei fester Übernahme der Emission gilt. Man könnte nämlich sagen, daß sich hier der Zweck des Konsortiums in der Übernahme erschöpfe und daß dementsprechend eine gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Weitergabe der Emission an das Publikum nicht bestehe, zumal ja ohnehin jedes Mitglied das Risiko des Plazierungserfolgs für seine Quote allein trage. Indessen ist doch zu bedenken, daß die Konsorten gegenüber dem Emittenten regelmäßig zur Unterbringung der Emission verpflichtet sind (vgl. oben Rdn. 2255 f). Weil und soweit dies der Fall ist, wird man daher auch eine entsprechende gesellschaftsrechtliche Pflicht annehmen müssen. Denn die Mitglieder des Konsortiums haben im Hinblick auf ihren wirt92
Vgl. auch Delome/Hoeisricb S. 16; Scbolze S. 20; MünchKomm.-/». Ulmer vor § 7 0 5 Rdn. 25. ' 5 Vgl. auch Scholze S. 21; Ulmer a a O R d n . 25.
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Vgl. auch D e l o r m e / H o e s s r i c h S. 16. Vgl. H. P. Westermann Die AG 1967, Schöbe S. 20; Ulmer a a O R d n . 25.
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18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft schaftlichen Ruf und ihre Vertrauenswürdigkeit für zukünftige Emissionen ein erhebliches eigenes Interesse daran, daß auch alle übrigen Konsorten ihren Pflichten gegenüber dem Emittenten nachkommen. Das gilt auch dann, wenn man den Zweck des Ubernahmekonsortiums auf die bloße Übernahme beschränkt und nicht auf die Unterbringung ausdehnt 9 6 . Auch wenn man nämlich die Unterbringungspflicht nicht aus dem Gesellschaftszweck gemäß § 705 B G B ableiten will (vgl. dazu auch unten Rdn. 2323), so folgt sie nach dem Gesagten doch jedenfalls als Nebenpflicht oder als nachwirkende Vertragspflicht aus § 242 B G B . 2309
D e r Haftungsmaßstab bei Pflichtverletzungen ergibt sich grundsätzlich aus § 708 B G B 9 7 . Die Konsorten haben also, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist, nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Das kann sie allerdings gemäß § 277 B G B keinesfalls von der Haftung für grobe Fahrlässigkeit entbinden. Das Privileg des § 708 B G B gilt grundsätzlich auch für das geschäftsführende K o n sortiumsmitglied, und zwar auch dann, wenn es eine besondere Vergütung erhält 9 8 . Das ist zwar insofern nicht unproblematisch, als der Geschäftsführer — zumal bei Alleingeschäftsführung — zweifellos eine Sonderstellung gegenüber den übrigen Gesellschaftern einnimmt, doch gilt § 708 B G B nach h. L. für alle Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag einschließlich der Geschäftsführungspflichten 9 9 . 2. Geschäftsführung und Vertragsänderung
2310
Nach § 7 0 9 B G B gilt für die BGB-Gesellschaft grundsätzlich das Prinzip der Gesamtgeschäftsführung aller Gesellschafter. D a dieses für die Abwicklung einer Emission viel zu schwerfällig wäre, wird § 709 B G B im Konsortialvertrag regelmäßig abbedungen und durch Alleingeschäftsführungsbefugnis der Konsortialführerin ersetzt 1 0 0 . Diese umfaßt u. a. die Aufteilung der Effekten auf die einzelnen Konsorten entsprechend ihren Quoten, die Abwicklung der Bezahlung gegenüber dem Emittenten und die Aufbringung der entsprechenden Beträge von den Konsorten, die Vorbereitung eines etwaigen Börseneinführungsprospekts und die Führung der erforderlichen Besprechungen mit den Börsenzulassungsstellen. Dem entspricht die Vertretungsmacht im Außenverhältnis (vgl. dazu näher oben Rdn. 2264).
2311
Sofern die Unterbringung der Emission Bestandteil des Gesellschaftszwecks ist (vgl. dazu oben Rdn. 2 3 0 8 ) , kommt man allerdings mit einer Alleingeschäftsführungsbefugnis der Konsortialführerin nicht aus. Denn dann ist auch die Unterbringung ein Akt der Geschäftsführung, da als solcher jede auf die Erreichung des Gesellschaftszwecks gerichtete Maßnahme anzusehen ist, und insoweit liegt die Geschäftsführung zweifellos nicht bei der Konsortialführerin, sondern bei den einzelnen Konsorten bezüglich ihrer Quote. Konstruktiv nimmt man dann zweckmäßigerweise eine nach Tätigkeitsbereichen gespaltene Geschäftsführungsbefugnis an, wobei neben die Alleingeschäftsführungsbefugnis der Konsortialführerin gegenüber dem Emittenten und den Börsenorganen eine Alleingeschäftsführungsbefugnis der einzelnen Konsorten bezüglich der Unterbringung ihrer Quote tritt 1 0 1 .
Vgl. dazu näher H. P. Westermann Die AG 1967, 288 f, der offenbar die letztere Ansicht vertritt. '7 Vgl. RGZ 67, 394, 395 f; Scholze S. 19 f; Schönte s 19 II 4 b. '8 A. A. Scholze S. 18. 9 9 Vgl. z. B. A. Hueck Das Recht der offenen Han-
1170
delsgesellschaft4 § 9 IV; MünchKomm.-/'. Ulmer § 708 Rdn. 6. 100 Vgl. Delorme/Hoessrich S. 18 f; Scholze S. 14; H. P. Westermann Die AG 1967, 290 m. w. Nachw.; Schönle § 19 II 4 b. 'Ol Vgl. H. P. Westermann Die AG 1967, 290.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n den Mitgliedern eines Emissionskonsortiums
Von Geschäftsführungsmaßnahmen (und Vertretungshandlungen) scharf zu unter- 2 3 1 2 scheiden sind Änderungen des Gesellschaftsvertrages. Diese unterliegen dem Prinzip der Einstimmigkeit. Das gilt auch dann, wenn im Gesellschaftsvertrag für alle Geschäftsführungsakte einschließlich außergewöhnlicher Maßnahmen das Mehrheitsprinzip — sei es nach Köpfen, sei es nach Quoten — vorgesehen ist 102 . Die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips für Vertragsänderungen unterliegt nämlich besonders strengen Anforderungen und setzt u. a. voraus, daß die einzelnen Punkte, hinsichtlich derer statt des Einstimmigkeits- das Mehrheitsprinzip gelten soll, im Gesellschaftsvertrag hinreichend bestimmt festgelegt sind 103 . Als Vertragsänderung und nicht als bloße Geschäftsführungs- und Vertretungsmaß- 2 3 1 3 nähme ist z. B. die nachträgliche Änderung der Emissionsbedingungen anzusehen. Denn das Konsortium ist zur Übernahme der Emission zu ganz bestimmten Bedingungen gegründet worden, und daher werden diese Bedingungen auch Bestandteil oder Grundlage des Gesellschaftsvertrages. Folglich braucht sich grundsätzlich kein Konsorte auf eine Änderung der Emissionsbedingungen einzulassen, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht gerade für diese Frage das Mehrheitsprinzip vorsieht. Ist das Konsortium allerdings schon vor Festlegung der Emissionsbedingungen gegründet worden, so läßt sich so nicht argumentieren. Dann ist die Vereinbarung der Emissionsbedingungen mit dem Emittenten vielmehr regelmäßig als Akt der Geschäftsführung und Vertretung anzusehen, doch gilt dafür die Alleingeschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Konsortialführerin nicht schon auf Grund der allgemeinen Alleingeschäftsführungsklausel, sondern im Zweifel nur dann, wenn sie gerade auch für diesen — essentiellen! — Punkt vereinbart worden ist; anderenfalls hat es insoweit beim Einstimmigkeitsprinzip der §§ 709, 714 BGB sein Bewenden. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages liegt weiterhin selbstverständlich in der 2 3 1 4 Änderung der Quoten, die die einzelnen Konsorten übernehmen sollen. Auch diese kann daher durch Mehrheitsbeschluß nur unter den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten engen Voraussetzungen durchgesetzt werden 1 0 4 . Sehr zweifelhaft ist, ob die Ausübung des Rücktrittsrechts auf Grund der Risiko- 2 3 1 5 oder Krisenklausel bzw. nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. dazu oben Rdn. 2252) als Maßnahme der Geschäftsführung und Vertretung oder als Vertragsänderung anzusehen ist. Richtig dürfte sein, sie einer Vertragsänderung rechtlich zumindest gleichzustellen. Denn der Rücktritt führt auf dem Umweg über § 726 BGB zur Auflösung des Konsortiums wegen Unmöglichkeit der Zweckerreichung, und stellt daher einen so tiefgreifenden Eingriff in die Grundlagen der Gesellschaft dar, daß man von einem bloßen Akt der Geschäftsführung nicht mehr sprechen kann; auch ist die Geschäftsführung ihrem Wesen nach auf die Verwirklichung des Gesellschaftszweckes gerichtet, während durch den Rücktritt ganz im Gegenteil dessen Erreichung unmöglich gemacht wird. Man wird daher auf die Ausübung des Rücktrittsrechts die Regeln über die Vertragsänderung anzuwenden haben — sei es unmittelbar, sei es analog. Auch wenn man entgegengesetzt entscheidet, sollte man aber einräumen, daß es sich dann jedenfalls um eine ganz außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme handelt und daß daher bei einer Auslegung des Gesellschaftsvertrages nach § 157 BGB nicht die „normale" Klausel über die Alleingeschäftsführungsbefugnis der Konsortialführerin zur Anwendung kommen kann, sondern es vielmehr einer 102
Vgl. zu derartigen Klauseln Delorme/Hoessrich S. 19 f; Scholze S. 17 f. 103 Vgl. z. B. B G H Z 8, 41; 48, 253 f; B G H WM
104
1973, 100; Hueck aaO (Fn. 99) § 11 IV 2 und 3. Vgl. die in der vorigen Fn. zitierten Entscheidungen.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
1171
18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft besonderen, gerade auf diesen Fall bezogenen Bestimmung bedarf; fehlt eine solche, bleibt es insoweit beim Einstimmigkeitsprinzip der §§ 709, 714 BGB. Es empfiehlt sich daher dringend, in den Konsortialvertrag eine unmißverständliche Klausel über die Befugnis zur Ausübung des Rücktrittsrechts aufzunehmen 1 0 5 . 3. Vermögenszuständigkeit und Verfügungsmacht 2316
Bei einer BGB-Gesellschaft entsteht gemäß § 718 BGB grundsätzlich Gesamthandsvermögen für alle Mitglieder. Das bedeutet gemäß § 719 BGB u. a., daß die Mitglieder nicht über ihren Anteil an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen verfügen und auch nicht Teilung verlangen können. Das wäre aber für ein Emissionskonsortium höchst unpraktikabel, da hier üblicherweise jedes Mitglied einen bestimmten Teil der Emission übernimmt und diesen auf eigene Rechnung und Gefahr zu plazieren sucht (vgl. auch oben Rdn. 2265). Dementsprechend — sowie auch aus historischen und steuerrechtlichen Gründen — wird üblicherweise Alleineigentum der verschiedenen Konsorten an den ihnen auf Grund der übernommenen Quote zugewiesenen Effekten vereinbart 106 . Auch wo es an einer entsprechenden ausdrücklichen Bestimmung im Konsortialvertrag fehlt, wird man gemäß § 157 BGB die Vereinbarung von Alleineigentum anzunehmen haben, da diese Regelung verkehrsüblich ist und dem Zweck des Emissionskonsortiums am besten entspricht 107 .
2317
Haben die Konsorten Alleineigentum, so steht ihnen folgerichtig auch die alleinige Verfügungsbefugnis über die ihnen zugeteilten Effekten zu. Allerdings sind sie im Innenverhältnis verpflichtet, vereinbarte Verfügungsbeschränkungen einzuhalten und z. B. mit der Weiterveräußerung nicht vor einem bestimmten Termin zu beginnen, doch haben solche Beschränkungen wegen des Bestehens von Alleineigentum gemäß § 137 S. 1 BGB keine Außenwirkung 10 «.
2318
Die Vereinbarung von Alleineigentum hinsichtlich der Effekten bedeutet nicht notwendigerweise den vollständigen Verzicht auf jedes Gesamthandseigentum. Als dessen Bestandteil kommen vielmehr zunächst die Forderungen auf Förderung des Gesellschaftszwecks gemäß § 705 BGB in Betracht 109 . Weiterhin könnte der Anspruch gegen den Emittenten auf Lieferung der Effekten als Gegenstand des Gesamthandsvermögens anzusehen sein. Allerdings scheidet diese Möglichkeit von vornherein aus, wenn der Emittent nach dem Inhalt des Übernahmevertrags die Effekten ausnahmsweise unmittelbar den einzelnen Mitgliedern des Konsortiums entsprechend den von diesen übernommenen Quoten zuweisen soll; denn hier ist folgerichtig kein gesamthänderisch gebundener Anspruch des Konsortiums gegeben, sondern nur eine Mehrzahl von Einzelansprüchen der verschiedenen Konsorten auf den ihnen gebührenden Anteil. Sofern die Effekten dagegen wie im Regelfall an die Konsortialführerin geliefert werden sollen und erst diese dann ihrerseits die Verteilung auf die Konsorten vorzunehmen hat, wird man in der Tat von einem Gesamthandsanspruch auszugehen haben. Dieser wird von der Konsortialführerin auf Grund ihrer Alleinvertretungsmacht (vgl. oben Rdn. 2264) geltend gemacht und eingezogen; auf Grund ihrer Alleingeschäftsführungsbefugnis (vgl. oben Rdn. 2310) nimmt sie dann die Verteilung vor. Auch hier Einzelansprüche der Konsorten gegen den Emittenten auf 105
Vgl. etwa das Beispiel bei Scholze S. 17 f. 10' Vgl. z. B. Delorme/Hoesirich S. 16 f; Scholze S. 12 f; H. P. Westermann Die AG 1967, 289 f ; Schönte § 19 II 4 b. Vgl. auch Delorme/Hoessrich S. 17; Scholze S. 13.
1172
108 Vgl. auch Delorme/Hoenricb
S. 17; Scholze S. 13;
H. P. Westermann Die AG 1967, 291. ' 0 ' Vgl. näher H. P. Westermann Die AG 1967, 291; ebenso ferner Ulmer a a O (Fn. 92) Rdn. 26.
2. Bearbeitung. Stand 1.5. 1981
IV. D a s Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern eines Emissionskonsortiums
Übereignung der ihnen zustehenden Quote anzunehmen, ist wegen des sachenrechtlichen Spezialitätsprinzips nicht möglich; denn bei der Übereignung der Effekten wird nicht festgelegt, welche — nummernmäßig zu individualisierenden! — Papiere welchem Konsorten gehören sollen. Andererseits kann man auch nicht gut annehmen, daß die Konsortialführerin bei der Übereignung in H ö h e des gesamten Emissionsbetrags im eigenen Namen auftritt und daher zunächst Alleineigentum erwerben soll. Zwar wäre ein solches Vorgehen rechtlich durchaus zulässig, doch widerspricht es dem Sinn und der Funktion des Konsortiums. Denn dieses beschränkt sich nicht auf die Beziehungen der Konsorten untereinander, sondern tritt auch nach außen, d. h. gegenüber dem Emittenten in Erscheinung — zumal die einzelnen Konsorten ja eine echte Rechtspflicht gegenüber dem Emittenten zur Bezahlung des Übernahmepreises für ihre Quote haben (vgl. oben Rdn. 2265), selbst wenn auch insoweit die Konsortialführerin bei der Abwicklung des Geschäfts zwischengeschaltet wird und das Konsortium vertritt. Dann aber ist es nur folgerichtig, auch hinsichtlich der Übereignung der Effekten nicht einen Einzelanspruch der Konsortialführerin auf die ganze Anleihe anzunehmen, den diese im eigenen Namen und aus eigenem Recht geltend macht, sondern einen Anspruch des Konsortiums und damit eine Gesamthandsforderung, bei deren Erfüllung die Konsortialführerin auf Grund ihrer Vertretungsmacht f ü r das Konsortium tätig wird 1 1 0 . An dieser Rechtslage ändert auch die Zwischenschaltung einer Wertpapiersammei- 2 3 1 9 bank zum Zwecke des Jungscheingiroverkehrs grundsätzlich nichts. Zum einen ist dann nämlich jedenfalls ein Anspruch gegen den Emittenten auf Ausstellung des Jungscheins und auf Abgabe des entsprechenden Schuldversprechens gegeben (vgl. oben Rdn. 2061 f), und dieser Anspruch muß folgerichtig aus den soeben genannten Gründen dem gesamten Konsortium und nicht nur der Konsortialführerin zustehen, so daß er Bestandteil des Gesamthandvermögens wird; und zum anderen tritt dieser Anspruch nicht an die Stelle des Anspruchs auf Auslieferung der Papiere, sondern neben ihn, so daß nach wie vor der Lieferungsanspruch besteht (vgl. oben Rdn. 2061). Auch die Abgabe des Schuldversprechens gegenüber der Wertpapiersammelbank (vgl. dazu näher oben Rdn. 2060) führt insoweit zu keiner wesentlichen Veränderung der Rechtsstellung des Konsortiums; denn der eigenständige Anspruch der Wertpapiersammelbank aus dem Schuldversprechen schließt nicht aus, daß daneben der Anspruch des Konsortiums auf Lieferung (an die Wertpapiersammelbank) fortbesteht und Bestandteil des Gesamthandsvermögens bleibt. Es zeigt sich somit, daß das Konsortium entgegen der h. L. in der Regel sehr wohl ein Gesamthandsvermögen hat. Allerdings geht dieses u. U. in dem Augenblick wieder unter, in dem die Ansprüche, 2 3 2 0 die es bilden, erfüllt werden und dadurch gemäß § 362 BGB erlöschen. Es fragt sich indessen, ob es dann nicht zu einem Zwischengesamthandseigentum an den Effekten kommt. Denn das Eigentum an diesen muß ja in dem Zeitraum zwischen der Begebung durch den Emittenten und der Verteilung der Quoten auf die einzelnen Konsorten irgendjemand zustehen. Hier ein Zwischeneigentum der Wertpapiersammelbank anzunehmen und auf diese Weise die Problematik zu umgehen, geht nicht an, weil die Wertpapiersammelbank nach richtiger Ansicht nicht Vollrechtstreuhänderin, sondern nur Ermächtigungstreuhänderin ist (vgl. oben Rdn. 2063 a. E.) und weil sie folglich nicht materielle Inhaberin der Effekten werden soll. Es bleibt also nur die Alternative, in der fraglichen Zwischenzeit entweder Alleineigentum der Konsortialführerin oder Gesamthandseigentum der Konsorten anzunehmen. Für die erstere Lösung könnte "0 Zustimmend Ulmer aaO (Fn. 92) Rdn. 26. Claus-Wilhelm Canaris
1173
18. Abschnitt. Das Emissionsgeschäft
man den Umstand ins Feld führen, daß die Wertpapiersammelbank das Jungscheinkonto gemäß § 33 I AGB der Kassenvereine zunächst nur der Konsortialführerin einrichtet, doch wiegt dieses Argument nicht besonders schwer, da es sich bei der Einrichtung des Jungscheinkontos lediglich um eine technische Modalität zur Abwicklung der Emission, nicht aber um ein Mittel der sachenrechtlichen Zuordnung handelt. Entscheidend kann daher wiederum nur die Interessenlage und der mutmaßliche Parteiwille sein. Insoweit aber dürfte der Gesichtspunkt ausschlaggebend sein, daß die einzelnen Konsorten schuldrechtlich in Höhe ihrer Quote dem Emittenten unmittelbar zur Zahlung verpflichtet sind (vgl. oben Rdn. 2265) und daß dieser Verpflichtung vernünftigerweise eine entsprechende dingliche Sicherung an den Effekten, also ein Gesamthandseigentum korrespondieren sollte. Auch wird die Vorstellung, daß die Konsortialführerin bei der Zuweisung der Quoten an die einzelnen Konsorten die Verteilung eines gemeinschaftlichen Vermögens (auf Grund einer ausdrücklich oder konkludent vereinbarten vertraglichen Teilungsbefugnis) vornimmt, den wirtschaftlichen Gegebenheiten wesentlich besser gerecht als die Konstruktion, daß die Konsortialführerin Teile ihres eigenen und ihr allein zustehenden Vermögens auf die Konsorten überträgt — zumal hier auch noch die Frage nach dem einer solchen Übertragung zugrunde liegenden Rechtsgrund erhebliche zusätzliche Schwierigkeiten aufwürfe. Man wird daher in der Tat ein Zwischengesamthandseigentum der Konsorten zu bejahen haben. Das gilt auch dann, wenn die Zuweisung der Quoten schon vor der Begebung der Papiere erfolgt ist und wenn vor diesem Zeitpunkt sogar schon ein Giroverkehr stattgefunden hat; denn entweder bestanden die betreffenden Rechte trotz des Fehlens einer Verbriefung schon wie z. B. die Mitgliedschaftsrechte bei einer Aktiengesellschaft, oder aber es wurde über zukünftige Rechte verfügt (vgl. oben Rdn. 2065 Abs. 2), und dann stehen wenigstens die entsprechenden Anwartschaften den Konsorten zur gesamten Hand zu. Hervorhebung verdient schließlich auch noch, daß die Anordnung von Miteigentum durch § 6 1 DepG der Gesamthandskonstruktion nicht widerspricht. Ebenso wie nämlich ein Miteigentumsanteil an einem Sammelbestand unzweifelhaft mehreren Personen zur gesamten Hand zustehen kann, muß es auch die Möglichkeit geben, daß der Sammelbestand als ganzer in Gesamthandseigentum steht. 2321
Auch wenn man jede Form von Gesamthandsvermögen entgegen der hier vertretenen Ansicht ablehnt, so ist das Emissionskonsortium doch keine reine Innengesellschaft. Denn für diese ist nicht das Fehlen eines gemeinsamen Vermögens, sondern der Verzicht auf ein gemeinsames Auftreten nach außen charakteristisch 111 . Ein gemeinsames Auftreten nach außen — nämlich gegenüber dem Emittenten — liegt hier aber vor, auch wenn das Konsortium dabei meist nicht unmittelbar in Erscheinung tritt, sondern durch die Konsortialführerin vertreten wird. 4. Das Ende des Konsortiums
2322
Für die Beendigung des Konsortiums gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln der §§ 723 ff BGB, soweit nicht vertraglich etwas anderes bestimmt ist. Besondere Hervorhebung verdient lediglich die Beendigung durch Zweckerreichung gemäß § 726 BGB. Wann diese eintritt, hängt entscheidend davon ab, was man als Zweck des Konsortiums ansieht. Diesen auf die Übernahme der Emission zu beschränken, geht in aller Regel schon deshalb nicht an, weil meist zumindest noch die Börseneinführung durch das Konsortium vorgenommen werden soll, wobei die Konsortialführerin auch inso111 Vgl. nur H. P. Westermann w. N a c h w .
1174
Die AG 1967, 291 m.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Das Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern eines Emissionskonsortiums weit als Stellvertreter auftritt. Frühestens in diesem Zeitpunkt ist daher eine Z w e c k e r reichung i. S. von § 726 B G B eingetreten 1 1 2 . Ein späterer Zeitpunkt ist maßgeblich bei der D u r c h f ü h r u n g einer K a p i t a l e r h ö h u n g . 2 3 2 3 H i e r muß m a n nämlich die Ü b e r t r a g u n g der j u n g e n Aktien auf die A k t i o n ä r e noch z u m Z w e c k des K o n s o r t i u m s rechnen, und daher endet dieses erst mit der Veräußerung d e r A k t i e n an die Bezugsberechtigten. Im übrigen aber sollte m a n die Unterbring u n g der Emission nicht mehr als Z w e c k des K o n s o r t i u m s ansehen, weil sie auf eigene R e c h n u n g und G e f a h r der K o n s o r t e n erfolgt und weil sonst d a s K o n s o r t i u m u. U . unüberschaubar lange f o r t b e s t ä n d e ; daß meist eine gesellschaftsrechtliche Pflicht z u r U n t e r b r i n g u n g der Anleihe besteht (vgl. oben R d n . 2 3 0 8 ) , steht d e m nicht entgegen, d a sich diese g e n a u s o als nachwirkende Vertragspflicht erklären läßt. D i e s e K o n s t r u k t i o n und nicht die eines Fortbestandes des K o n s o r t i u m s sollte m a n 2 3 2 4 auch in einer Reihe anderer Fälle wählen wie z. B. hinsichtlich der Pflichten, bei der U n t e r b r i n g u n g Bonifikationen nur in bestimmter H ö h e zu g e w ä h r e n , sich w ä h r e n d einer bestimmten Zeit nicht am H a n d e l mit den emittierten E f f e k t e n zu beteiligen o d e r bei einem teilweisen Fehlschlag der Emission die E m i s s i o n s v e r g ü t u n g wieder z u r ü c k z u zahlen. Alle diese Pflichten bilden nicht Bestandteile des G e s e l l s c h a f t s z w e c k s , sondern sind bloße Nebenpflichten, s o daß ihr Fortbestand d e m Eintritt der Z w e c k e r r e i c h u n g g e m ä ß § 726 B G B nicht e n t g e g e n s t e h t 1 1 3 . Zugleich erhellt d a r a u s , daß man die praktische B e d e u t u n g der Problematik nicht überschätzen d a r f : trotz einer B e e n d i g u n g der Gesellschaft g e m ä ß § 726 B G B bleiben immer noch Rechtspflichten bestehen — sei es, weil m a n noch eine Liquidationsgesellschaft annehmen kann, sei es auf G r u n d der heute allgemein anerkannten Möglichkeit einer N a c h w i r k u n g von Vertragspflichten.
112 Vgl. auch Delorme/Hoessrich
S. 21 f.
S. 21 ; Schöbe
' 1 3 A. A. Delorme/Hoessrich
Claus-Wilhelm Canaris
S. 21.
1175
19. Abschnitt Das Investmentgeschäft Systematische Übersicht Rdn.
Rdn. I. Begriff und Wesen des Investmentgeschäfts 1. Die Funktion des Investmentgeschäfts 2. Technik und Grundprinzipien des Investmentgeschäfts a) Die Kapitalanlagegesellschaft . . b) Das Sondervermögen c) Die Funktionsteilung zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank d) Die Verbriefung der Anteile und das open-end-Prinzip 3. Der Geltungsbereich des K A G G a) Die privatrechtliche Bedeutung des Geltungsbereichs b) Die maßgeblichen Abgrenzungskriterien 4. Die Rechtsnatur des Investmentgeschäfts a) D e r Vertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Anteilinhaber b) D e r Vertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern 1. D e r Ersterwerb des Anteils und die Entstehung des Rechtsverhältnisses zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Investmentsparer a) Das Zustandekommen des Investmentvertrags b) Die Zwischenschaltung einer Bank beim Abschluß des Investmentvertrags c) Die Geltung der Vertragsbedingungen d) Die Ausgabe des Anteilscheins und die Erlangung der Mitberechtigung am Sondervermögen durch den Anteilinhaber . . . . 2. Die Übertragung des Anteils und ihr Einfluß auf das Rechtsverhältnis
2325
2328 2332
2334 2336
2339 2343
2352
2355 2357
2358
2362 2366
2371
zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Anteilinhaber a) Das Kausalgeschäft beim Zweiterwerb b) Das dingliche Geschäft beim Zweiterwerb c) Die Rechtsfolgen der Anteilsübertragung 3. Das Sondervermögen a) Die Z u o r d n u n g des Sondervermögens und ihre dogmatische Einordnung b) Entstehung und Zusammensetzung des Sondervermögens . . . c) Verfügungsmacht und V e r f ü gungsbeschränkung d) Die H a f t u n g des Sondervermögens und sein Schutz vor Zugriffen Dritter 4. Die Pflichten der Kapitalanlagegesellschaft gegenüber den Anteilinhabern a) Die Anlagepflicht b) Die Verwaltungspflicht c) Die Pflicht z u r Interessenwahrung d) Sonstige Pflichten e) Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung und deren Geltendmachung 5. Die Rechte der Kapitalanlagegesellschaft gegenüber den Anteilinhabern 6. Die Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern a) Die Rückgabe des Anteilscheins b) Das Erlöschen des Verwaltungsrechts der Kapitalanlagegesellschaft IV. Die Rechtsverhältnisse zwischen der Depotbank und der Kapitalanlagegesellschaft sowie den Anteilinhabern 1. Zustandekommen und dogmatische E i n o r d n u n g der Rechtsverhältnisse a) Das Rechtsverhältnis zwischen der D e p o t b a n k und der Kapitalanlagegesellschaft b) Das Rechtsverhältnis zwischen
Claus-Wilhelm Canaris
2380 2384 2391
2394 2399 2405
2411
2417 2420 2423 2426
2434
2442
2452
2458
1177
19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft Rdn.
2.
der D e p o t b a n k u n d den Anteilinhabern Funktionen und Pflichten der Depotbank a) Die A u s g a b e u n d R ü c k n a h m e der Anteilscheine b) Die V e r w a h r u n g des S o n d e r v e r mögens c) Die D u r c h f ü h r u n g des Z a h lungs- u n d E f f e k t e n v e r k e h r s . . d)
2462 3. 2466 2467 2470
D e r S c h u t z des S o n d e r v e r m ö gens u n d die K o n t r o l l e d e r
Rdn. Kapitalanlagegesellschaft . . . . 2472 e) Die A b w i c k l u n g des S o n d e r v e r m ö g e n s g e m ä ß § 14 K A G G . . . 2476 Die A n s p r ü c h e bei P f l i c h t v e r l e t z u n gen d e r D e p o t b a n k und ihre G e l tendmachung 2481
V. Besonderheiten beim Vertrieb ausländischer Investmentanteile 1. Die privatrechtliche B e d e u t u n g des AIG 2485 2. D e r T e x t des A I G 2489
Alphabetische Übersicht actio p r o socio 2437, 2473, 2480, 2482 Aktie, nicht einbezahlte 2413 Allgemeine G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n K o m m i s s i o n s g e s c h ä f t 2364 f Anlagepflicht 2417 Anteilschein s. I n v e s t m e n t z e r t i f i k a t A u f r e c h n u n g s v e r b o t 2415 A u f w e n d u n g s e r s a t z 2392, 2416, 2439, 2471 Auslandsinvestmentgesetz 2485 ff Begebungsvertrag 2374 ff B e r e i c h e r u n g s a n s p r ü c h e 2440 Beteiligungsgesellschaft 2344
M i s c h f o n d s 2344 ff Miteigentumslösung 2394, 2396 f, 2409, 2411, 2415, 2476 o p e n - e n d - P r i n z i p 2338, 2347, 2442
E f f e k t e n g i r o v e r k e h r 2336, 2379, 2386 F o n d s , geschlossener 2347 G e n e h m i g u n g , aufsichtsrechtliche 2368, 2370, 2480 Gesellschaftsrechtl. L ö s u n g 2348 f G e w i n n a u s s c h ü t t u n g 2429 G l e i c h b e h a n d l u n g s p f l i c h t 2430 G u t g l ä u b i g e r E r w e r b 2377, 2381, 2387 ff, 2407, 2447 H a u s v e r w a h r u n g 2467 I n t e r e s s e n w a h r u n g 2423 ff Investmentclub 2343 Investmentvertrag 2352, 2358 ff, 2376 Investmentzertifikat 2336 ff A u s g a b e 2359 f, 2371 ff, 2466 ausländisches 2485 ff E i g e n e r w e r b 2451 I n h a l t 2372
1178
d e r Kapitalanlagegesellschaft 2414, 2456 des S o n d e r v e r m ö g e n s 2450, 2456 K o n t o , gesperrtes 2470 K ü n d i g u n g 2452 ff K u x 2413 Liquidität 2426
D e p o t , gesperrtes 2469 D e p o t b a n k 2458 ff und Anteilinhaber 2462 ff Kontrolltätigkeit 2474 f Pflichtverletzungen 2481 ff D i v i d e n d e n e i n z u g 2420 D r i t t v e r w a h r u n g 2468
nicht voll bezahlte 2389 Ü b e r t r a g u n g 2384 ff
KAGG Geltungsbereich 2339 ff T e x t 2357 K o m m i s s i o n 2364 f Konkurs
P f l i c h t v e r l e t z u n g 2434 ff, 2481 ff Preisgestaltung 2419 P r o s p e k t h a f t u n g 2427 P r o z e ß s t a n d s c h a f t 2473, 2482 R e c h e n s c h a f t s b e r i c h t 2428 R i s i k o m i s c h u n g 2325, 2347, 2404, 2418 R u c k g a b e 2337 f, 2442 ff, 2466 R ü c k n a h m e p r e i s 2443 f Sacheinlage 2377 S i c h e r u n g s r e c h t e 2407 S o n d e r v e r m ö g e n 2332 f, 2349 f, 2394 ff, 2467 ff A b w i c k l u n g 2476 ff H a f t u n g 2411, 2448 f Stellvertretungsverbot 2412 S t i m m r e c h t s a u s ü b u n g 2421 Stückeverzeichnis 2386 S u r r o g a t i o n 2402 f T a g e s k u r s 2410, 2419, 2434 T e r m i n g e l d 2344 T r e u h a n d l ö s u n g 2394 ff, 2397, 2409, 2411, 2437, 2476
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
2415,
19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft U n i v e r s a l b a n k e n s y s t e m 2330 f
V e r w a l t u n g 2328 f f , 2349, 2352 f f , 2 4 2 0 , 2 4 7 6 V o r z u g s a n t e i l 2430
V e r b r i e f u n g 2351 V e r g ü t u n g s a n s p r u c h 2392, 2416, 2 4 3 8 , 2471 V e r t r a g z u g u n s t e n D r i t t e r 2 3 5 5 , 2462 V e r t r a g s b e d i n g u n g e n 2 3 6 6 ff, 2 3 9 3 , 2 4 4 3 V e r w a h r u n g 2334 f, 2355, 2432 f, 2 4 5 8 ff, 2 4 6 7 ff B a n k e n a u f s i c h t 2461 V e r w a h r u n g s b r u c h 2386
W a r e n f o n d s 2344 W i d e r r u f 2361 Zinsen 2420 Z u r ü c k w e i s u n g s r e c h t 2436 Z w e i t e r w e r b 2 3 8 0 ff
Literatur Baum Schutz und Sicherung des Investmentsparers bei Kapitalanlagegesellschaften und Investment-Trust, Diss. Mainz 1960; Baur Investmentgesetze, Kommentar zum Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften und zum Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile, 1970; vom Berge und Herrendorf Der Schutz des Investmentsparers, Diss. Köln 1962; Beyer-Fehling Sicherheitsleistung im Investmentrecht? Z f K W 1973, 81 ff; Broermann Der Geltungsbereich der Investmentgesetzgebung, 1970; Brüggemann Internationales Investmentsparen, 1968; von Caemmerer Kapitalanlage- oder Investmentgesellschaften, J Z 1958, 41 ff; Caspers Wertpapierrechtliche Fragen zum Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, J Z 1958, 273 f; Cölle Der Hausschatzbrief, Diss. Köln 1968; Consbruch Investmentsparen gesetzlich geschützt, BB 1957, 337 ff; von Dietel Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte durch Kapitalanlagegesellschaften aus den Beteiligungen, die zu einem Sondervermögen gehören, Diss. Mainz 1963; Ebner von Eschenbach Die Rechte des Anteilsinhabers nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, Diss. Erlangen 1959; Flachmann/Scho/tz/Stork/Schuster/Steder Investment, Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen, 1975; Gericke Rechtsfragen zum Investmentsparen, DB 1959, 1276 ff; Geßler Das Recht der Investmentgesellschaften und ihrer Zertifikatsinhaber, W M 1957, Sonderbeilage Nr. 4 S. 10 f f ; Glaser Investmentgesellschaften mit Anlagefonds f ü r Wertpapiere und Sachwerte, DB 1959, 1278 ff; Heiss/Samm Zur Problematik der „Vertragsbedingungen" und der „vergleichbar sichernden" Depotbank im Auslandsinvestmentgesetz, BB 1971, 19 ff; Henning Vermögensbildung und Investment, Z f K W 1972, 238 ff; Hoffmann-Riem Der Geltungsbereich der Investmentgesetze, BB 1972, 244 ff; Holschbach Das Widerrufsrecht nach § 11 AuslInvestmG in seiner Anlegerschutzfunktion, 1972; Jacobs Die neuen gesetzlichen Bestimmungen f ü r das Investmentwesen in Deutschland, Die AG 1969, 378 ff; Klenk Die rechtliche Behandlung des Investmentanteils unter Berücksichtigung der Anteilberechtigung des Investmentsparers, 1967; Köster D e r Schutz der Kapitalanleger im deutschen und nordamerikanischen Wertpapier- und Investmentrecht, Diss. München 1974; Kruhme Immobilienfondsgesellschaften, ihre rechtliche Einordnung und das Erfordernis einer gesetzlichen Sonderregelung, Diss. H a m b u r g 1966; Martini Rechtliche Probleme eines Immobilienzertifikats, 1967; Moll Zur Entwicklung des deutschen Investmentwesens, Diss. Tübingen, 1974; Müller Gunther, Die Rechtsstellung der Depotbank im Investmentgesetz nach deutschem und schweizerischem Recht, Diss. Genf 1969; Müller Klaus, Die Überwachung der Geschäftstätigkeit der Kapitalanlagegesellschaft durch die Depotbank, DB 1975, 485 ff; von Pannwitz Verfügungsmacht und Verfügungsbeschränkungen der Kapitalanlagegesellschaft nach $ 8 Abs. 1 und 2 KAGG, Diss. München 1961; Pfannschmidt Die ausländische Investmentgesellschaft und die Vertragsbedingungen nach dem Auslandinvestmentgesetz, W M 1970, 58 ff; derselbe Personelle Verflechtung zwischen Depotbank und Investmentgesellschaft in der Schweiz und ihre Beurteilung nach dem Auslandinvestmentgesetz, W M 1970, 922 ff; Rehfeldt/ Zöllner Wertpapierrecht, 12. Aufl. 1978, §§ 29 f; ReichelDie rechtliche Konstruktion des Immobilieninvestments, D B 1965, 1117 ff; Reuter Gerhard, Investmentfonds und die Rechtsstellung der Anteilinhaber, Diss. Frankfurt a. M. 1964; Roth Das Treuhandmodell des Investmentrechts. Eine Alternative zur Aktiengesellschaft?, 1972; Rutkowsky Die unterschiedliche Rechtsstellung deutscher und ausländischer Investmentunternehmen, N J W 1970, 2193 ff; Schäcker Entwicklung und System des Investmentsparens, 1961; Schönle Bank- und Börsenrecht 2. Aufl. 1976, §§ 23 f; Schuler Die Kapitalanlagegesellschaften, ihre Sondervermögen und Anteilscheine, N J W 1957, 1049 ff; Siara/Tormann Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, 1957; Tegethoff Das Treuhandgeschäft der westdeutschen und amerikanischen Banken, 1963, S. 105 ff; Tormann Die Investmentgesellschaften, 5. Aufl. 1978; Weigel Die Rechte der Inhaber von Anteilen an Immobilienanlagegesell-
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1179
19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft Schäften, Diss. Erlangen 1966; Wendt Treuhandverhältnisse nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, Diss. Münster 1968; Wiedemann Der Kapitalanlegerschutz im deutschen Gesellschaftsrecht, in Beiträge zum deutschen und israelischen Privatrecht, 1977, S. 185 ff (212 ff).
I. Begriff und W e s e n des Investmentgeschäfts 1. Die Funktion des Investmentgeschäfts 2325
Das Investmentgeschäft ist nach § 1 I Ziff. 6 K W G ein Bankgeschäft. Als Investmentgeschäft sind danach „die in § 1 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften bezeichneten Geschäfte" anzusehen. § 1 KAGG betrifft Geschäfte, bei denen bestimmte Gesellschaften „bei ihnen eingelegtes Geld im eigenen Namen f ü r gemeinschaftliche Rechnung der Einleger nach dem Grundsatz der Risikomischung in Wertpapieren oder Grundstücken sowie Erbbaurechten gesondert von dem eigenen Vermögen anlegen und über die hieraus sich ergebenden Rechte der Einleger (Anteilinhaber) Urkunden (Anteilscheine) ausstellen". Daraus ergibt sich ohne weiteres die Funktion des Investmentgeschäfts: dieses dient der Kapitalanlage in Wertpapieren oder Grundstücken nach dem Prinzip der Risikostreuung.
2326
Das wirtschaftliche Bedürfnis für einen derartigen Geschäftstyp liegt auf der H a n d . Viele Anleger, insbesondere die sogenannten „kleinen Sparer" haben nämlich nicht genügend Kapital, um ihre Anlagen so breit zu streuen, daß sich unter den Gesichtspunkten der Risiko- und Chancenverteilung und der Ertragsaussichten ein ausgewogenes und wirtschaftlich vernünftiges Verhältnis ergibt. Auch fehlt es ihnen häufig an Erfahrung, Kenntnissen und Zeit f ü r eine sachgerechte Anlagepolitik und eine laufende Marktbeobachtung, so daß sie auch aus diesen Gründen zu einer angemessenen Zusammenstellung und zu einer laufenden rechtzeitigen Umschichtung ihrer Anlagen außer Stande sind. Es drängt sich daher der Versuch auf, durch Zwischenschaltung eines „Sachverständigen" hier Abhilfe zu schaffen. Daraus folgt mit Notwendigkeit, daß die angestrebte Risikostreuung nur mit dem Instrument der Fremdverwaltung zu erreichen ist. Denn es soll ja gerade ein Personenkreis angesprochen werden, für den es charakteristisch ist, daß er selbst zu einer risikostreuenden Anlagepolitik nicht in der Lage oder nicht willens ist.
2327
N u n könnte eine solche risikostreuende Vermögensverwaltung durch einen „Sachverständigen" an sich natürlich auch für einen einzelnen Anleger allein erfolgen — und in der Tat betätigen sich die Banken ja auch in dieser Weise als Depot- und Vermögensverwalter. Das ist indessen nicht der Geschäftstyp, um den es hier geht. Denn dadurch würde der Tatsache nicht Rechnung getragen, daß der fragliche Anleger gar nicht genug Kapital f ü r eine risikostreuende Anlage hat. Es muß daher zusätzliches Anlagekapital beschafft werden, und daher bietet sich als Ausweg die Zusammenlegung der Kapitalien vieler „kleiner" Anleger an. Das Prinzip der Fremdverwaltung wird daher ergänzt durch das Prinzip der kollektiven Kapitalanlage. 2. Technik und Grundprinzipien des Investmentgeschäfts a) Die Kapitalanlagegesellschaft
2328
D a die Funktion des Investmentgeschäfts in der Fremdverwaltung kollektiver Kapitalanlagen liegt, bedarf es eines sachverständigen Verwalters, der die Sammlung des Anlagekapitals sowie die Schaffung und Verwaltung des Anlagevermögens in die H a n d nimmt. Dieser Verwalter ist nach geltendem Recht die sogenannte Kapitalanlagegesellschaft.
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I. Begriff und Wesen des Investmentgeschäfts
Als Rechtsform wird für diese von § 1 II KAGG die Aktiengesellschaft oder die 2 3 2 9 Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgeschrieben. In der Bundesrepublik Deutschland ist derzeit nur die Verwendung des zweiten Gesellschaftstyps üblich. Wird die Form der Aktiengesellschaft für die Kapitalanlagegesellschaft gewählt, so müssen die Aktien nach § 1 III und IV KAGG vinkulierte Namensaktien sein. Wird die Kapitalanlagegesellschaft als G m b H betrieben, so ist gemäß § 3 KAGG ein Aufsichtsrat zu bilden. Das Nennkapital hat in jedem Falle nach § 2 II 2 KAGG mindestens 500 000,— D M zu betragen und soll nach § 2 II 1 lit. b KAGG voll eingezahlt sein, widrigenfalls die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb zu versagen ist. Die Kapitalanlagegesellschaft ist nach § 1 I Ziff. 6 KWG und nach § 2 I KAGG ein 2 3 3 0 Kreditinstitut. Sie unterliegt daher den Vorschriften des KWG. Entgegen dem sonst in Deutschland geltenden Prinzip des Universalbankensystems darf die Kapitalanlagegesellschaft aber trotz ihrer Eigenschaft als Kreditinstitut nicht beliebige Bankgeschäfte betreiben. Sie soll vielmehr nach § 2 II 1 lit. c KAGG in ihrer Satzung bzw. in ihrem Gesellschaftsvertrag grundsätzlich eine Beschränkung ihrer Tätigkeit auf die Geldanlage i. S. von § 1 I KAGG festlegen. Ein Verstoß gegen diese Klausel läßt allerdings die Gültigkeit der betreffenden Geschäfte unberührt, da die Rechtsfähigkeit von juristischen Personen und die Vertretungsmacht ihrer Organe nach deutschem Recht anders als z. B. nach der anglo-amerikanischen ultra-vires-Lehre grundsätzlich unbeschränkt ist; als Sanktion kommen jedoch aufsichtsrechtliche Maßnahmen in Betracht. Der Zweck dieser Beschränkung ist, zu verhindern, daß die Verwaltung von Investmentfonds durch unselbständige Abteilungen von Banken vorgenommen wird, weil sich dabei Interessenkonflikte ergeben könnten. Dagegen hat das Gesetz der Möglichkeit, daß Interessenkonflikte durch die Beteiii- 2331 gung von Banken an Kapitalanlagegesellschaften entstehen können, nicht durch ein entsprechendes Verbot entgegengewirkt. Es ist vielmehr geradezu die Regel, daß die Gesellschafter der Kapitalanlagegesellschaften überwiegend oder sogar ausschließlich Banken sind. Das wird z. T. unter rechtspolitischen Gesichtspunkten als bedenklich angesehen 1 . Daß die „Bankenabhängigkeit" der Kapitalanlagegesellschaften de lege lata nicht zu beanstanden ist, steht aber jedenfalls außer Zweifel. Im übrigen ist es auch schwer vorstellbar, wie die Kapitalanlagegesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland effizient arbeiten sollten, wenn man den Banken jede Beteiligung an ihnen verböte. Außerdem darf in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht gelassen werden, daß das deutsche Bankwesen nun einmal grundsätzlich durch das Universalbankensystem geprägt ist und daß deshalb schon die durch § 2 II 1 lit. c KAGG vorgenommene Einschränkung, die den Banken das unmittelbare Betreiben des Investmentgeschäfts neben anderen Bankgeschäften unmöglich macht, eine systemwidrige Ausnahme darstellt. Ihnen auch noch die mittelbare Beteiligung an diesem Geschäft durch ein Verbot der Mitgliedschaft in einer Kapitalanlagegesellschaft zu untersagen, würde daher einen äußerst tiefgreifenden Eingriff in die Rechtsstellung der Banken darstellen, der u. U. sogar gegen Art. 12 GG verstieße. b) Das Sondervermögen Die Kapitalanlagegesellschaft hat nach § 6 I 3 KAGG ihr eigenes Vermögen und 2 3 3 2 das Vermögen der Einleger streng getrennt zu halten. Letzteres bildet gemäß § 6 I 2 KAGG ein Sondervermögen. Nach § 6 III KAGG darf die Kapitaianlagegesellschaft ' Vgl. näher Tegethoff S. 112; Roth S. 156 ff, insbesondere S. 163 ff m. w. N a c h w . S. 157 Fn. 6.
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19. Abschnitt. D a s Investmentgeschäft
auch mehrere Sondervermögen bilden und hat so die Möglichkeit, verschiedenartig zusammengesetzte Investmentfonds zu schaffen. Die Institution des Sondervermögens dient dem Zweck, eine dingliche Sicherung der Anteilinhaber zu erreichen und diese von den Vermögensverhältnissen und dem rechtlichen Schicksal der Kapitalanlagegesellschaft weitgehend unabhängig zu machen (vgl. näher unten Rdn. 2411 ff). Konstruktiv wird das gemäß § 6 I 2 KAGG dadurch erreicht, daß das Sondervermögen entweder im Miteigentum der Anteilinhaber steht oder zwar der Kapitalanlagegesellschaft gehört, aber als Treuhandeigentum ausgestaltet ist und in allen wesentlichen Belangen wie Eigentum der Anteilinhaber behandelt wird (vgl. näher unten Rdn. 2394 ff). 2333
Für die Zusammensetzung des Sondervermögens gilt das Prinzip der Risikomischung, das in § 1 KAGG niedergelegt und in §§ 8, 27 ff KAGG konkretisiert ist (vgl. näher unten Rdn. 2404 und 2418). Die Verwaltung des Sondervermögens unterliegt nach § 10 I KAGG den Grundsätzen des Handelns für fremde Rechnung und im fremden Interesse (vgl. näher unten Rdn. 2405 ff und 2417 ff). c) Die Funktionsteilung zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank
2334
Um einen zusätzlichen Schutz der Anteilinhaber zu erreichen, darf die Kapitalanlagegesellschaft das Sondervermögen nicht selbst verwahren, sondern muß es nach § 12 KAGG einem anderen Kreditinstitut anvertrauen. Diese Einschaltung einer Depotbank ist für das deutsche Recht ein prägendes Charakteristikum des Investmentgeschäfts und stellt ein tragendes Grundprinzip der KAGG dar. Die Depotbank hat dabei nicht nur das Vermögen zu verwahren, sondern außerdem gemäß § 12 I KAGG die Anteilscheine auszugeben und zurückzunehmen, gemäß § 21 II 3 KAGG den Wert des Sondervermögens zu ermitteln, gemäß § 12 VI KAGG dafür zu sorgen, daß die zum Sondervermögen gehörenden Werte diesem auch wirklich zugeführt werden, gemäß § 12 VIII KAGG Ansprüche und Rechte der Anteilinhaber geltend zu machen und gemäß § 14 KAGG gegebenenfalls f ü r die Abwicklung des Sondervermögens zu sorgen (vgl. im übrigen unten Rdn. 2466 ff).
2335
Die Depotbank hat also eine weitreichende Schutzfunktion zugunsten der Anteilinhaber zu erfüllen. In der zu diesem Zwecke vorgenommenen Zuständigkeits- und „Gewaltenteilung" zwischen ihr und der Kapitalanlagegesellschaft liegt die rechtspolitische Rechtfertigung f ü r den Zwang zur Einschaltung einer Depotbank. Man sollte die dadurch zu erzielende Sicherung freilich nicht überschätzen. Denn trotz des Verbotes personeller Verflechtungen zwischen den Angestellten gemäß § 12 I 2 KAGG und trotz der Möglichkeit zu einer Einflußnahme auf die Auswahl der Depotbank durch die Bankaufsichtsbehörde gemäß § 12 I 3 KAGG ist eine völlige wirtschaftliche und personelle Unabhängigkeit der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank voneinander nicht gewährleistet, zumal die Mitglieder der Kapitalanlagegesellschaften ja ohnehin in aller Regel Banken sind (vgl. oben Rdn. 2331 und unten Rdn. 2461). Die Bankenabhängigkeit der Kapitalanlagegesellschaften wird durch die obligatorische Einschaltung einer Depotbank de facto sogar noch gefördert; denn einer Kapitalanlagegesellschaft, die nicht von Banken getragen wird, dürfte es häufig sehr schwer fallen, die erforderliche Depotbank überhaupt zu finden.
2336
Über die Rechte der Anteilinhaber sind nach § 1 I KAGG Urkunden auszustellen. Diese bezeichnet man als Anteilscheine oder Investmentzertifikate. Sie werden gemäß § 12 I 1 KAGG von der Depotbank ausgegeben und können nach § 18 I KAGG entwe-
d) Die Verbriefung der Anteile und das open-end-Prinzip
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I. B e g r i f f und W e s e n des I n v e s t m e n t g e s c h ä f t s
der als Inhaber- oder als Orderpapiere ausgestaltet sein (vgl. näher unten Rdn. 2371 ff). Sie sind nach § 24 I K A G G grundsätzlich sammeldepotfähig und -geeignet und können dementsprechend auch Gegenstand eines Effektengiroverkehrs sein (vgl. dazu auch unten Rdn. 2386 a. E.) Die Ausgabe neuer Anteilscheine ist grundsätzlich unbegrenzt; der Ausgabepreis 2 3 3 7 muß dabei nach § 21 II 1 K A G G dem Wert des Anteils am Sondervermögen zuzüglich eines bestimmten Aufschlags entsprechen. Dieser „Offenheit" des Fonds für neue Anteilinhaber korrespondiert gemäß § 11 II K A G G ein Recht zur Rückgabe des Anteilscheins, dessen nähere Ausgestaltung gemäß § 15 III lit. g K A G G den Vertragsbedingungen überlassen bleibt; da nach § 11 II K A G G in diesem Falle der „Anteil an dem Sondervermögen ausgezahlt wird", muß die H ö h e des Rücknahmepreises sich grundsätzlich nach dem gemäß § 2 1 II 2—4 K A G G zu ermittelnden objektiven Wert des Anteils richten (vgl. näher unten Rdn. 2443). Diese Verbindung von unbegrenzter Ausgabe neuer Anteile und Rücknahme alter 2 3 3 8 Anteile bezeichnet man nach anglo-amerikanischem Vorbild meist als open-end-Prinzip 2 . Der Sinn dieses Systems, das zu den wichtigsten Grundprinzipien des K A G G gehört, ist es, einerseits die Mobilität der angelegten Kapitalien für die Sparer zu gewährleisten, für die Verflüssigung der Anteile aber andererseits nicht zum Verkauf im Börsenhandel zu zwingen. Würde sich nämlich der Preis der Anteile nach dem Börsengeschehen richten — sei es, weil die Kapitalanlagegesellschaft keine neuen Anteile mehr ausgibt und Erwerbswillige daher auf einen Kauf alter Anteile auf einem entsprechenden Markt angewiesen sind, oder sei es, weil die Kapitalanlagegesellschaft keine Anteile zurücknimmt und Veräußerungswillige sie daher zu sich nach Angebot und Nachfrage bildenden Preisen verkaufen müßten —, so bestünde in erheblichem Maße die Gefahr, daß der Preis der Anteile sich nicht nach dem wahren Wert des Sondervermögens richtete, sondern teilweise durch die Eigentümlichkeiten der Börse — oder eines entsprechenden Marktes — bestimmt würde. D a s aber wäre im Hinblick auf den Zweck des Investmentgeschäfts, das in erster Linie dem „kleinen Sparer" die Vorteile einer risikostreuenden Anlagemöglichkeit verschaffen will (vgl. oben Rdn. 2326) höchst unerfreulich — zumal es zu einer Kumulierung der Kursrisiken kommen könnte, weil zu dem Kursrisiko bezüglich der in dem Sondervermögen befindlichen Effekten noch das davon teilweise unabhängige Kursrisiko bezüglich der Investmentanteile selbst träte. 3. Der Geltungsbereich des K A G G
a) Die privatrechtliche Bedeutung des Geltungsbereichs Die Frage nach dem Geltungsbereich des K A G G hat nicht nur bankaufsichtsrechtli- 2 3 3 9 che und steuerrechtliche, sondern auch privatrechtliche Bedeutung. V o n der Anwendbarkeit des K A G G hängt es nämlich weitgehend ab, welche Rechtsfolgen für das betreffende Rechtsverhältnis zum Zuge kommen, zumal die Regelungen des K A G G ganz überwiegend zwingendes Recht darstellen. D a s gilt in zweifacher Richtung: ist das K A G G einschlägig, so kann von seinen Vorschriften grundsätzlich nicht abgewichen werden, ist es dagegen unanwendbar, so können viele der in ihm vorgeschriebenen Rechtsfolgen nicht etwa gleichwohl auf Grund entsprechender Vertragsabreden in Geltung gesetzt werden. 2
Vgl. z . B . von Caemmerer J Z 1958, 53; Reuter S. 36; Roth S. 30 ff und S. 335 ff; Baur Investmentgesetze, S. 9 f. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft 2340
So dürfen z. B. die Bezeichnungen „Kapitalanlagegesellschaft" oder „Investmentgesellschaft'' oder Bezeichnungen, in denen das Wort „Kapitalanlage", „Investment" oder dgl. vorkommt, gemäß § 7 KAGG nur von solchen Unternehmen, die dem KAGG oder dem AIG unterfallen, verwendet werden. Allein diesen ist demgemäß auch die Ausgabe von Anteilscheinen, die das Wort „Investment" enthalten, gestattet, wie § 7 II KAGG ausdrücklich klarstellt.
2341
Darüber hinaus haben andere Unternehmen nicht einmal ohne weiteres die Möglichkeit, Inhaber- und Orderpapiere ohne den Zusatz „Investment" auszugeben. Denn wegen des „numerus clausus" der Wertpapiere öffentlichen Glaubens sind sie auf die gesetzlich anerkannten Formen beschränkt, und ob sich unter diesen eine geeignete findet, ist keineswegs sicher; § 18 KAGG ist dann jedenfalls nicht anwendbar, da hier ein Wertpapier eigener Art geschaffen worden ist (vgl. unten Rdn. 2373).
2342
Auch die haftungs-, Zwangsvollstreckung*- und konkursrechtlichen Privilegierungen, die das KAGG für das Sondervermögen geschaffen hat (vgl. unten Rdn. 2411 ff), lassen sich keineswegs ohne weiteres auf andere Geschäftstypen übertragen. Insoweit sind vielmehr die allgemeinen Regeln anwendbar, so daß bei einer nicht dem KAGG unterfallenden Treuhandlösung z. B. gegebenenfalls das „Unmittelbarkeitsprinzip" und das „Surrogationsverbot" zu beachten sind (vgl. freilich auch die Bedenken gegen diese Kriterien unten Rdn. 2395). b) Die maßgeblichen Abgrenzungskriterien
2343
Für die Abgrenzung des Geltungsbereichs des KAGG ist die Legaldefinition der Kapitalanlagegesellschaft in § 1 I KAGG ausschlaggebend. Danach muß es sich um ein „Unternehmen" handeln. Dieses muß, wie sich aus § 2 KAGG i. V. m. § 1 I Ziff. 6 KWG ergibt, einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern. Schon aus diesem Grund sind die sogenannten Investmentclubs i. d. R. keine Kapitalanlagegesellschaften i. S. des KAGG 3 .
2344
Weiterhin muß der Geschäftsbereich dieses Unternehmens auf die Entgegennahme von Geld und dessen Anlage in Wertpapieren oder Grundstücken und Erbbaurechten gerichtet sein. Warenfonds fallen daher nicht unter das KAGG 4 . Das gleiche gilt von Beteiligungsgesellschaften, bei denen als Anlage Beteiligungen an Unternehmen oder Gesellschaften gewählt werden, die — wie z. B. die Beteiligung an einer KG oder an einer G m b H — keine Wertpapiere darstellten 5 . Termingelder sind in § 1 I KAGG nicht genannt. Ein Fonds, der die risikomischende Anlage von Termingeldern zum Gegenstand hat, fällt daher nicht unter § 1 I KAGG, wird aber praktisch wohl kaum jemals vorkommen. Gehört die Anlage von Termingeldern dagegen zum Programm eines Wertpapier- oder Grundstücksfonds, so ist das KAGG ohne weiteres anwendbar. Der Fonds wird dadurch also nicht etwa zu einem „Mischfonds", so daß für ihn die im folgenden zu entwickelnden Sonderregeln nicht gelten. Denn die Möglichkeit, einen Teil des Vermögens in Termingeldern und anderen Bankguthaben anzulegen, ist für Wertpapier- und Immobilienfonds eine Selbstverständlichkeit, wie sich u. a. auch aus § 15 III lit. c und d KAGG ergibt. Ob der Geschäftsbereich auf eine der in § 1 KAGG genannten Anlageformen gerichtet ist, bestimmt sich nach der objektiven dem Anleger gegenüber in Erscheinung
3 Vgl. Schönle § 23 III 1; i. E. übereinstimmend auch Baur § 1 Anm. II 5 a. E. • Vgl. z. B. Baur § 1 Anm. II 4; Schönle § 23 III 3.
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5
Vgl. z. B. Broermann S. 63 ff und S. 81 ff; Baur § 1 Anm. II 4 a. E.; Schönle § 23 III 2.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Begriff und Wesen des Investmentgeschäfts tretenden Sachlage (vgl. auch BVerwG WM 1981 48, 51 zu § 1 AIG); für deren Beurteilung ist die tatsächliche Betätigung und die wirklich verfolgte Zielrichtung maßgeblich, während die einschlägigen Bestimmungen in der Satzung der Kapitalanlagegesellschaft nur die Bedeutung eines subsidiären Hilfskriteriums haben. Schwierigkeiten bereitet häufig die rechtliche Behandlung von Mischfonds. Diese 2 3 4 5 können sowohl in der Form vorkommen, daß zwei unter das KAGG fallende Anlagegegenstände, also insbesondere Wertpapiere «»¿Grundstücke kombiniert werden 6 , als auch in der Form, daß vom KAGG erfaßte Objekte mit Anlagen kombiniert werden, auf die sich das KAGG nicht erstreckt, also z. B. Wertpapiere mit Beteiligungen an Personengesellschaften. Bei Mischfonds aus Wertpapieren und Immobilien dürfte die Geltung des KAGG schwerlich zu bezweifeln sein 7 . Zwar bezieht sich das Gesetz nach dem Wortlaut des § 1 I nur auf Anlagen in Wertpapieren oder Grundstücken, und auch die systematische Trennung zwischen den §§ 8 ff und den §§ 27 ff sowie deren inhaltliche Ausgestaltung legt den Gedanken nahe, daß der Gesetzgeber nur „reine" Wertpapierfonds und „reine" Immobilienfonds vor Augen hatte, doch läßt der Schutzzweck des Gesetzes seine Anwendung auch bei Mischfonds aus Wertpapieren und Immobilien geboten erscheinen; denn die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der Anleger ist bei letzteren nicht geringer als bei „reinen" Wertpapier- oder Immobilienfonds. Zu weit geht es dagegen, derartige Mischfonds nicht nur dem KAGG zu unterwerfen, sondern sie dann auch noch als unzulässig zu erklären 8 . Die Begründung, die Anlagevorschriften der §§ 8 bzw. 27 KAGG hätten abschließenden Charakter 9 , überzeugt schon deshalb nicht, weil diese Bestimmungen ohne weiteres auf den jeweiligen aus Wertpapieren bzw. Immobilien bestehenden Teil des Fonds angewendet werden können. Zu bedenken ist allerdings, daß das KAGG keine Vorschriften über das Mischungsverhältnis zwischen Wertpapieren einerseits und Immobilien andererseits enthält, doch bestehen keine durchgreifenden Einwände dagegen, diese Lücke durch den Rückgriff auf den Grundsatz der Privatautonomie zu schließen und die Regelung des Mischungsverhältnisses den Vertragsbedingungen nach § 15 KAGG zu überlassen. Gewisse Schwierigkeiten können sich schließlich hinsichtlich der Wertermittlung und der Auszahlungsansprüche ergeben, doch dürften sich diese durch eine vernünftige Verbindung bzw. Abstimmung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen überwinden lassen. Uberzeugende Sachgründe für ein Verbot der Kombination von Wertpapieren und Immobilien sind jedenfalls nicht ersichtlich, und daher wäre ein solches Verbot im Hinblick auf Art. 12, 14 GG und das „Übermaßverbot" auch verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Auch bei einer Kombination von unter § 1 I KAGG fallenden Anlageobjekten mit 2 3 4 6 gesetzlich nicht erfaßten Gegenständen ist die Geltung des KAGG häufig zu bejahen. Das gilt zweifellos dann, wenn der von § 1 I KAGG nicht erfaßte Anlagebereich nur pro forma betrieben wird oder völlig nebensächlich ist; denn anderenfalls wäre einer Umgehung des KAGG Tür und Tor geöffnet. Weiterhin ist das KAGG grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn der nicht unter § 1 I KAGG fallende Geschäftsbereich ohne weiteres selbständig betrieben werden kann, also abspaltbar ist 10 . Das folgt insbesondere aus § 2 II 1 lit. c KAGG, wonach eine Kapitalanlagegesellschaft grundsätzlich nur die in § 1 KAGG genannten Geschäfte betreiben darf; diese Vorschrift wäre sinnlos, wenn eine Gesellschaft bei Betreiben eines nicht unter das KAGG fallenden Anla-
6 Vgl. z. B. Glaser DB 1959, 1278 ff. 7 A. A. de lege lata offenbar Broermann S. 99. 8 So aber Baur § 1 Anm. II 4; Steder Investmenthandbuch § 1 Rdn. 10.
9 So Baur und Steder aaO. 1° Vgl. dazu und zum folgenden BB 1972, 248.
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft gebereichs ohne weiteres aus dessen Geltungsbereich herausfiele. Ist der nicht dem K A G G unterliegende Geschäftsbereich dagegen wesentlich und nicht abspaltbar, so wird die Geltung des K A G G häufig zu verneinen sein. V o n Bedeutung dürfte dabei sein, ob der unter das K A G G fallende Z w e c k oder der andere Z w e c k dem U n t e r n e h men sein Gepräge gibt. Sollte danach die Geltung des K A G G zu bejahen sein, so heißt das nicht ohne weiteres, daß das Betreiben des nicht unter § 1 I K A G G fallenden Geschäftsbereichs nach § 2 I I 1 lit. c K A G G unzulässig ist; denn § 2 II K A G G enthält nur eine Sollvorschrift, und die Aufsichtsbehörde ist daher nicht nur berechtigt, sondern gegebenenfalls auch verpflichtet, Ausnahmen zuzulassen und einer Gesellschaft u. U . auch dann die Erlaubnis zum Betreiben des Investmentgeschäfts zu erteilen, wenn diese noch andere Geschäfte betreibt — wie z. B., wenn diese Geschäfte in einem vernünftigen Sachzusammenhang mit den unter § 1 I K A G G fallenden Anlageformen stehen, oder wenn die G e f a h r von Interessenkonflikten, in deren Vermeidung der Z w e c k des § 2 II 1 lit. c K A G G liegt, nicht besteht. 2347
Weiterhin setzt § 1 I K A G G voraus, daß die Anlage nach dem Prinzip der Risikomischung erfolgen soll. Risikoballende Anlageformen fallen also nicht unter das K A G G . Das betrifft insbesondere Anlagen, die sich nur auf ein bestimmtes P r o j e k t beziehen. D a ß geschlossene Fonds mit dem Grundsatz der Risikomischung unvereinbar seien und daher nicht unter das K A G G fielen, kann man nicht ohne weiteres sagen 1 1 . V i e l m e h r k o m m t es hier im Einzelfall darauf an, ob eine Risikomischung vorgesehen ist oder nicht. Ist das zu bejahen, unterfällt der Fonds dem K A G G . D e n n das „open-end-Prinzip" (vgl. oben Rdn. 2 3 3 8 ) gehört nicht zu den Begriffsmerkmalen der Kapitalanlagegesellschaft, sondern zu den Rechtsfolgen des Investmentgeschäfts. Allerdings böte ein geschlossener Fonds regelmäßig keine Gewähr für eine Erfüllung der Rückzahlungspflicht nach §§ 11 II, 36 K A G G und wäre daher unzulässig, sofern er die Merkmale des K A G G erfüllt. Unternehmen, die nicht ihrem Geschäftszweck nach auf eine Risikostreuung abzielen, sondern nur zufällig risikogestreutes V e r m ö g e n haben, unterfallen nicht dem KAGG12.
2348
Außer durch den Gegenstand der Vermögensanlage wird der Anwendungsbereich des K A G G auch durch die rechtliche Ausgestaltung der Vermögenszuordnung bestimmt. Dadurch besteht ein gewisser Entscheidungsspielraum, der einem U n t e r n e h men u. U . die Wahlmöglichkeit eröffnet, ob es sich der Anwendung des K A G G entziehen will oder nicht. Als erstes Merkmal nennt das Gesetz insoweit die Anlage für gemeinschaftliche Rechnung der Einleger. Nicht unter das K A G G fällt daher die sogenannte aktienrechtliche oder körperschaftsrechtliche Lösung, bei der die Anleger Mitglieder einer A G oder einer G m b H sind, die das von ihnen eingebrachte V e r m ö g e n anlegt. Unanwendbar ist das K A G G auch, wenn eine Personengesellschaft V e r m ö g e n für ihre Mitglieder anlegt — weshalb man übrigens statt von einer „körperschaftrechtlichen" Lösung lieber allgemeiner von einer „gesellschaftsrechtlichen" Lösung sprechen sollte. Denn auch eine Personengesellschaft, die das V e r m ö g e n ihrer Mitglieder anlegt, verwaltet lediglich ihr eigenes V e r m ö g e n und handelt daher nicht für fremde R e c h nung i. S. von § 1 I K A G G 1 3 . Auch vom S c h u t z z w e c k des Gesetzes her besteht in derartigen Fällen kein Anlaß für die Anwendung des K A G G ; denn wer sich als Mitglied an einer Gesellschaft beteiligt, übernimmt dadurch in erkennbarer Weise ein besonderes
" Vgl. Hoffmann-Riem BB 1972, 2 4 5 ; a. A. Eroermann S. 57 Fn. 60; Baur § 7 Anm. II 1; Schwark ZRP1973.il.
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12 13
Vgl. auch Hoffmann-Riem BB 1972, 246 ff. Vgl. auch Steder Investmenthandbuch § 1 Rdn. 5; Schönte § 23 III 2.
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
I. Begriff und Wesen des Investmentgeschäfts
Risiko, so daß weder für den erhöhten Schutz durch das KAGG noch für die damit verbundene Einschränkung der Vertragsfreiheit ein hinreichender Anlaß besteht. An der Unanwendbarkeit des KAGG ändert sich auch dann nichts, wenn die Geldgeber nicht selbst Mitglieder der Gesellschaft sind, sondern in dieser durch einen Treuhänder repräsentiert werden. Eine solche gesellschaftsrechtliche Treuhandlösung drängt sich vor allem deshalb auf, weil die unmittelbare Mitgliedschaft der einzelnen Kapitalgeber im höchsten Maße unpraktikabel ist. In Betracht kommen insbesondere Kommanditgesellschaften, bei denen eine juristische Person als Treuhänderin der Kapitalgeber die Kommanditeinlage hält und die Komplementärsstellung von anderen Personen ohne Gesellschaftseinlage und ohne Vermögensbeteiligung wahrgenommen wird. Auch hier ist das KAGG unanwendbar, da die Gesellschaft lediglich ihr eigenes Vermögen verwaltet und daher nicht „für gemeinschaftliche Rechnung der Einleger" handelt. Der Schutzzweck des KAGG wird dadurch nicht umgangen; denn die Kapitalgeber übernehmen hier eine Unterbeteiligung an einer Gesellschaft, wodurch eine hinreichende Warnfunktion gegeben ist. Ein weiteres begriffswesentliches Merkmal des § 1 I KAGG liegt in der Bildung 2 3 4 9 eines Sondervermögens. Ist das Unternehmen nicht auf dessen Schaffung gerichtet, so ist das KAGG unanwendbar 1 4 . Das folgt nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern steht auch in Einklang mit dessen Schutzzweck. Der Verzicht auf die Bildung eines Sondervermögens stellt nämlich für die Anleger ein unübersehbares „Warnsignal" dar, so daß sie des besonderen Schutzes nach dem KAGG nicht bedürfen. An einem Sondervermögen wird es regelmäßig bei der gesellschaftsrechtlichen Lösung fehlen, so daß diese auch aus diesem Grunde nicht unter das KAGG fällt. Soweit dabei ein Treuhänder eingeschaltet ist, darf man diese Anlageform nicht mit der Treuhandlösung i. S. von § 6 I KAGG verwechseln (vgl. dazu näher unten Rdn. 2394 f). Die Treuhand besteht hier nämlich lediglich hinsichtlich des Anteils an der Gesellschaft, während sie sich nach dem KAGG auf das verwaltete Vermögen bezieht. Daß das nicht nur ein formaler Unterschied ist, zeigt sich z. B. im Falle eines Konkurses: im Konkurs der Anlagegesellschaft haben die Kapitalgeber bei der gesellschaftsrechtlichen Treuhandlösung anders als bei der Bildung eines Sondervermögens nach dem KAGG keinerlei Aussonderungsrecht hinsichtlich des angelegten Vermögens; ein solches steht ihnen vielmehr allenfalls bei einem Konkurs des Treuhändergesellschafters hinsichtlich des von diesem gehaltenen Gesellschaftsanteils zu. Auch hierin zeigt sich wieder, daß die Kapitalgeber bei der gesellschaftsrechtlichen Lösung spezifisch gesellschaftsrechtliche Risiken eingehen — und vor diesen zu schützen, ist nicht der Zweck des KAGG. Nach dem Wortlaut des § 1 I KAGG setzt der Begriff der Kapitalanlagegesellschaft 2 3 5 0 ferner voraus, daß das Unternehmen bei der Vermögensanlage im eigenen Namen handelt. In der Tat sieht die h. L. das KAGG als unanwendbar an, wenn das Unternehmen im Namen der Anleger handeln soll 15 . Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen, da der Unterschied zwischen dem Handeln im eigenen Namen und dem H a n deln im fremden Namen als solcher vorwiegend rechtstechnischer Art ist und daher für den Laien keine hinreichende Prägungskraft besitzt. § 1 I KAGG ist insoweit vielmehr im Lichte von § 10 II und III KAGG zu interpretieren. Danach muß man als entschei14
Vgl. auch Steder Investmenthandbuch §1 R d n . 11; Hoffmann-Riem BB 1972, 2 4 5 ; a. A . o h n e n ä h e r e B e g r ü n d u n g von Caemmerer JZ 1958, 44 f.
15
Vgl. Siara/Tormann § 1 A n m . I ; Baur § I A n m . II 3 a. E . ; Hoffmann-Riem BB 1972, 245 m . w. N a c h w . ; a. A . von Caemmerer JZ 1958, 4 5 ; Steder I n v e s t m e n t h a n d b u c h § 1 R d n . 4.
Claus-Wilhelm Canaris
1187
19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
dend ansehen, ob das Unternehmen bei seinem Handeln im Namen der Anleger Verpflichtungen ohne Haftungsbeschränkung eingehen kann oder ob die H a f t u n g auf das Sondervermögen beschränkt bleiben soll. Im ersten Fall ist ein scharfer Unterschied gegenüber dem in § 1 I KAGG geregelten Typus gegeben, da die Gefahr einer H a f t u n g mit dem persönlichen Vermögen ein auch für den Laien signifikantes Kriterium und ein hinreichendes „Warnsignal" darstellt; das KAGG ist daher unanwendbar. Bei einer Beschränkung der H a f t u n g auf das Sondervermögen liegt dagegen eine Gestaltung vor, die mit der des § 1 I KAGG auf das engste verwandt ist. Das KAGG ist daher wegen der Gefahr einer Umgehung analog anwendbar. Das bedeutet, daß das Unternehmen dem KAGG unterfällt und daß daher die ihm eingeräumte Vertretungsmacht gemäß § 10 II 3 KAGG unwirksam und die vorgesehene Durchführung der Geschäfte im fremden Namen folglich rechtlich unmöglich ist. 2351
Schließlich fordert § 1 I KAGG, daß über die Rechte der Einleger Urkunden ausgestellt werden. Ein Verzicht auf die Verbriefung soll daher nach ganz h. L. die Unanwendbarkeit des KAGG zur Folge haben 1 6 . Auch in diesem Punkt ist der h. L. nicht zu folgen. Es ist nämlich zu bedenken, daß die meisten Effektenkunden auf Grund der Girosammeiverwahrung heute ihre Wertpapiere niemals in natura zu sehen bekommen und daß daher der Verzicht auf die Verbriefung f ü r den Laien keineswegs ein hinreichend starkes Warnsignal ist, um ihm ohne weiteres den Schutz des KAGG zu versagen. Denn es macht f ü r ihn keinen wesentlichen Unterschied, ob seine Beteiligung zwar verbrieft ist, f ü r ihn aber nur in der Form einer Gutschrift auf Girosammeikonto in Erscheinung tritt, oder ob auf eine Verbriefung von vornherein verzichtet worden ist und er nur eine Gutschrift auf einem Konto des Unternehmens erhält; daß das u. U. keine Gutschrift auf einem Girosammeikonto im Rechtssinne ist, weil keine Urkunden bei einer Wertpapiersammelbank verwahrt werden, muß ein für den Laien völlig unverständlicher Unterschied sein. Nimmt man hinzu, daß die Verbriefung der Anteile gemäß § 9 a I DepG auch in einer Sammelurkunde erfolgen kann, so wird vollends deutlich, daß man hier dem „Funktionsverlust des Wertpapiers" Rechnung tragen und entsprechend der „Wertrechtslehre" das unverbriefte Recht dem verbrieften gleichstellen muß (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 2040 ff). Das KAGG ist daher bei einem Verzicht auf die Verbriefung wegen der Gefahr einer Umgehung analog anzuwenden. O b daraus ein rechtlicher Zwang zur Verbriefung entsteht oder ob diese entgegen dem Wortlaut des § 1 I KAGG verzichtbar ist und durch Buchungen bei einer Wertpapiersammelbank ersetzt werden kann, ist keine Frage des KAGG, sondern hängt von der Stellungnahme zur Lehre von den „freien Wertrechten" ab (vgl. dazu oben Rdn. 2047 ff, wonach der Verzicht auf die Verbriefung zulässig sein dürfte).
4. Die Rechtsnatur des Investmentgeschäfts a) Der Vertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Anteilinhaber
2352
Das Investmentgeschäft kommt grundsätzlich durch einen Vertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Anteilinhaber zustande (vgl. dazu auch unten Rdn. 2358 ff). Da die Kapitalanlagegesellschaft aus diesem in erster Linie zu Verwaltungstätigkeiten verpflichtet wird (vgl. im einzelnen unten Rdn. 2417 ff), handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. von § 675 BGB, d£r auf eine Dienstlei-
16
Vgl. z. B. Siara/Tormann Anm. II 6; Hoffmann-Riem
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§ 1 Anm. I; Baur % 1 BB 1972, 245 m. w.
N a c h w . ; a. A. Steder Rdn. 12 f.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Investmenthandbuch
§1
I. Begriff und W e s e n des Investmentgeschäfts
stung i. S. der §§ 611 ff BGB gerichtet ist 17 . Daneben stehen treuhandrechtliche Elemente (vgl. näher unten Rdn. 2394 f). Da der Treuhandvertrag aber ohnehin unter 5 675 BGB fällt, ändert sich dadurch an der rechtlichen Qualifikation des Investmentvertrages nichts. Daß kein Depotvertrag vorliegt, ergibt sich schon daraus, daß die Verwahrung 2 3 5 3 nicht Sache der Kapitalanlagegesellschaft, sondern der Depotbank ist, und wird außerdem durch § 9 V KAGG noch ausdrücklich klargestellt. Der Investmentvertrag trägt entgegen einer früher vereinzelt vertretenen Auffas- 2 3 5 4 sung 1 8 auch keine kaufrechtlichen Züge, so daß weder § 433 I 2 noch §§ 445, 493 BGB anwendbar sind. Man darf sich dabei nicht durch die Vorschrift irreführen lassen, daß nach § 21 I KAGG für die Anteilscheine ein „Ausgabepreis" zu entrichten ist. Rechtlich stellt dieser einen Vorschuß i. S. von §§ 675, 669 BGB bzw. einen Aufwendungsersatz i. S. von §§ 675, 670 BGB für die Werte dar, die mit Hilfe der Einlage anzuschaffen sind; zugleich handelt es sich um den Beitrag des Anlegers zu dem Sondervermögen, da das von ihm gezahlte Geld gemäß § 6 I KAGG ipso iure Bestandteil des Sondervermögens wird 1 9 . — Nicht zu verwechseln hiermit ist der Zweiterwerb eines bereits im Verkehr befindlichen Anteils: diesem liegt in der Tat ein Kaufvertrag zugrunde — und zwar auch dann, wenn der Anteil nicht von einem anderen Investmentsparer, sondern aus dem Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft selbst erworben wird (vgl. näher unten Rdn. 2380 ff).
b) Der Vertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank Außer durch den Vertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Anteilin- 2 3 5 5 haber wird das Investmentgeschäft auch noch durch den Vertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank bestimmt. Allerdings kann man als Investmentgeschäft i. e. S. nur den Abschluß des ersteren bezeichnen, während letzterer nur als ein notwendiger Zusatz hinzutritt, der dem Investmentgeschäft zwar wirtschaftlich gesehen ebenfalls sein Gepräge gibt, rechtlich aber selbstverständlich streng von ihm zu trennen ist. Typologisch liegen auch hier die Elemente eines auf eine Dienstleistung gerichteten Geschäftsbesorgungsvertrags i. S. der §§ 675, 611 ff BGB vor 2 0 . Denn die Depotbank ist zu einer Reihe von „Geschäftsbesorgungen" verpflichtet wie z. B. zur Ausgabe und Rücknahme der Anteilscheine gemäß § 12 I 1 KAGG oder zur Berechnung des Wertes der Anteile gemäß §21 II 3 KAGG. Da die Depotbank außerdem gemäß § 12 III 2 und 3 KAGG ein besonderes Konto zu führen hat, enthält der Vertrag auch Elemente eines Girovertrags, doch stellt dieser seinerseits einen Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. von § 675 BGB dar (vgl. oben Rdn. 315). Schließlich enthält der Vertrag auch noch die Elemente eines Verwahrungs- bzw. eines Depotvertrags. Denn eine zentrale Aufgabe der Depotbank liegt ja gerade in der Verwahrung des Sondervermögens; soweit zu diesem Wertpapiere i. S. von § 1 I DepG gehören, handelt es sich um einen Depotvertrag (vgl. zu dessen Rechtsnatur oben Rdn. 2089). Insgesamt ist der Vertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank somit als ein gemischttypischer Vertrag anzusehen.
" 7 Vgl. z. B. Geßler WM S. 20; Schicker S. 56 S. 94; Baur% 15 Anm. 18 Vgl. z. B. Gericke DB
1957, Sonderbeilage N r . 4 f; Reuter S. 109; Weigel II; Schönte § 24 I 1. 1959, 1277.
19 Vgl. auch Reuter S. 108; Klenk S. 12. 20 Vgl. auch Geßler a a O (Fn. 17) S. 20; Schicker S. 68; Reuter S. 152; Baur § 12 Anm. II; Schönle § 24 II 1.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
2356
Die h. L. qualifiziert diesen Vertrag zugleich als einen berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter i. S. von § 328 BGB, da nach ihrer Meinung die Anteilinhaber daraus unmittelbare Ansprüche gegen die Depotbank erlangen; in Wahrheit dürfte es richtiger sein, insoweit mit der Konstruktion eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zu arbeiten (vgl. eingehend unten Rdn. 2462 ff).
II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) 2357
Gesetz Uber Kapitalanlagegesellschaften vom 16. April 1957 in der Fassung vom 14. Januar 1970 (BGBl. 1970 I S. 127) ERSTER ABSCHNITT Allgemeine Vorschriften § 1 (Begriff, Rechtsform, Ubertragen von Aktien) (1) Kapitalanlagegesellschaften sind Unternehmen, deren Geschäftsbereich darauf gerichtet ist, bei ihnen eingelegtes Geld im eigenen Namen f ü r gemeinschaftliche Rechnung der Einleger nach dem Grundsatz der Risikomischung in Wertpapieren oder Grundstücken sowie Erbbaurechten gesondert von dem eigenen Vermögen anzulegen und über die hieraus sich ergebenden Rechte der Einleger (Anteilinhaber) Urkunden (Anteilscheine) auszustellen. (2) Kapitalanlagegesellschaften dürfen nur in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g betrieben werden. (3) Die Aktien einer in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betriebenen Kapitalanlagegesellschaft müssen auf N a m e n lauten. Diese Aktien können nicht durch Blankoindossament übertragen werden; ein Blankoindossament wird auch durch nachträgliche Ausfüllung nicht wirksam. Als rechtmäßiger Inhaber einer solchen Aktie gilt abweichend von Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 des Wechselgesetzes, wer die Aktien in Händen hat, sofern er sein Recht durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweist, die nicht Blankoindossamente sind, und zwar auch dann, wenn ein Indossament der Reihe ein erst nachträglich ausgefülltes Blankoindossament ist. Artikel 16 Abs. 1 Satz 3 des Wechselgesetzes findet keine Anwendung. (4) Die Übertragung von Aktien (Geschäftsanteilen) einer Kapitalanlagegesellschaft bedarf der Zustimmung der Gesellschaft. Die Zustimmung gibt der Vorstand (Geschäftsführer), wenn die Satzung (Gesellschaftsvertrag) nichts anderes bestimmt. § 2 (Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb) (1) Kapitalanlagegesellschaften sind Kreditinstitute und unterliegen den f ü r Kreditinstitute geltenden gesetzlichen Vorschriften. (2) Die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb soll einer Kapitalanlagegesellschaft nur erteilt werden, a) wenn ein ausreichendes Nennkapital nachgewiesen wird, b) wenn das Nennkapital voll eingezahlt ist, c) wenn die Satzung (Gesellschaftsvertrag) der Gesellschaft vorsieht, daß außer den Geschäften, die zur Anlage ihres eigenen Vermögens erforderlich sind, nur die in § 1 Abs. 1 genannten Geschäfte betrieben werden. Die Erlaubnis darf nicht erteilt werden, wenn das Nennkapital weniger als fünfhunderttausend Deutsche Mark beträgt. § 3 (Aufsichtsrat) Wird die Kapitalanlagegesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g betrieben, so ist ein Aufsichtsrat zu bilden. Seine Zusammensetzung sowie seine Rechte
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) und Pflichten bestimmen sich nach § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2, §§ 95 bis 114, 116, 118 Abs. 2, § 125 Abs. 3, 171, 268 Abs. 2 des Aktiengesetzes. $ 4 (Aufsichtsratsmitglieder) (1) Die Mitglieder des Aufsichtsrats sollen ihrer Persönlichkeit und ihrer Sachkunde nach die W a h r u n g der Interessen der Anteilinhaber gewährleisten. Die Bestellung des Aufsichtsrats und jeder Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder sind der Bankaufsichtsbehörde unverzüglich anzuzeigen. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, soweit die Aufsichtsratsmitglieder als Vertreter der Arbeitnehmer nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes gewählt werden. § 5 (Geschäftsverbote) Mitglieder des Vorstandes (Geschäftsführer) oder des Aufsichtsrats einer Kapitalanlagegesellschaft können Gegenstände des Sondervermögens weder von der Gesellschaft kaufen noch an diese verkaufen, sofern die Gesellschaft bei den Geschäften f ü r gemeinsame Rechnung der Anteilinhaber handelt. Dies gilt nicht für den Erwerb und die Rücknahme von Anteilscheinen der Kapitalanlagegesellschaft. $ 6 (Sondervermögen) (1) Das bei der Kapitalanlagegesellschaft gegen Ausgabe von Anteilscheinen eingelegte Geld und die damit angeschafften Vermögensgegenstände bilden ein Sondervermögen. Die zum Sondervermögen gehörenden Gegenstände können nach Maßgabe der Vertragsbedingungen, nach denen sich das Rechtsverhältnis der Kapitalanlagegesellschaft zu den Anteilinhabern bestimmt, im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft oder im Miteigentum der Anteilinhaber stehen. Das Sondervermögen ist von dem eigenen Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft getrennt zu halten. (2) Zum Sondervermögen gehört auch alles, was die Kapitalanlagegesellschaft auf Grund eines zum Sondervermögen gehörenden Rechts oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Sondervermögen bezieht, oder was derjenige, dem das Sondervermögen zusteht, als Ersatz f ü r ein zum Sondervermögen gehörendes Recht erwirbt. (3) Die Kapitalanlagegesellschaft darf mehrere Sondervermögen bilden. Diese haben sich durch ihre Bezeichnung zu unterscheiden und sind getrennt zu halten. S 7 (Bezeichnungsschutz) (1) Die Bezeichnung „Kapitalanlagegesellschaft" oder „Investmentgesellschaft" oder eine Bezeichnung, in der das W o r t „Kapitalanlage" oder „Investment" oder „Investor" oder „Invest" allein oder in Zusammensetzung mit anderen Worten vorkommt, dürfen in der Firma, als Zusatz zur Firma, zur Bezeichnung des Geschäftszwecks oder zu Werbezwecken nur von Kapitalanlagegesellschaften und von ausländischen Investmentgesellschaften, Verwaltungsgesellschaften und Vertriebsgesellschaften (§ 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen vom 28. Juli 1969) geführt werden. (2) Die Ausgabe von Anteilscheinen mit Bezeichnungen, die das W o r t „Investment" allein oder in Zusammensetzung mit anderen Worten enthalten, ist nur Kapitalanlagegesellschaften und ausländischen Investmentgesellschaften gestattet. (3) Absatz 1 gilt nicht f ü r Unternehmen, die die Worte „Kapitalanlage" „Investment", „Investor" oder „Invest" in einem Zusammenhang führen, der den Anschein ausschließt, daß der Inhalt des Geschäftsbetriebes auf die Anlage von Geldvermögen gerichtet ist. ZWEITER ABSCHNITT Besondere Vorschriften für Wertpapier-Sondervermögen $ 8 (Erwerbsbeschränkungen) (1) Eine Kapitalanlagegesellschaft, die das bei ihr eingelegte Geld in Wertpapieren anlegt, darf f ü r ein Wertpapier-Sondervermögen nur erwerben Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft a) Wertpapiere, die an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen sind, b) Wertpapiere, deren Zulassung an einer deutschen Börse noch nicht erfolgt, aber in den Ausgabebedingungen vorgesehen ist, sofern der Erwerb bei der Ausgabe oder im ersten Jahr nach der Ausgabe erfolgt, c) Wertpapiere, die ausschließlich an ausländischen Börsen zugelassen sind oder gehandelt werden, sofern der Erwerb solcher Wertpapiere in den Vertragsbedingungen vorgesehen ist, d) Wertpapiere, die in Ausübung von Bezugsrechten, die zum Sondervermögen gehören, erworben werden, e) Aktien, die als Freiaktien zugeteilt werden, f) Bezugsrechte, sofern die Wertpapiere, aus denen die Bezugsrechte herrühren, nach Buchstabe a bis c erworben werden könnten, oder g) auf Deutsche Mark lautende festverzinsliche Schuldverschreibungen, deren Einbeziehung in den geregelten Freiverkehr an einer deutschen Börse noch nicht erfolgt, aber in den Ausgabebedingungen vorgesehen ist, sofern der Erwerb bei der Ausgabe oder in den ersten sechs Monaten nach der Ausgabe erfolgt. (2) Kuxe und nicht voll eingezahlte Aktien sowie Bezugsrechte auf nicht voll eingezahlte Aktien dürfen f ü r ein Sondervermögen nur erworben werden, wenn ihr Erwerb in den Vertragsbedingungen vorgesehen ist. Nicht voll eingezahlte Aktien dürfen nur insoweit erworben werden, als der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen den zwanzigsten Teil des Sondervermögens nicht übersteigt. Wertpapiere nach Absatz 1 Buchstabe g dürfen nur insoweit erworben werden, als zur Zeit des Erwerbs ihr Wert zusammen mit dem Wert der bereits in dem Sondervermögen befindlichen Wertpapiere nach Absatz 1 Buchstabe g nicht 5 vom H u n d e r t des Wertes des Sondervermögens übersteigt; Absatz 3 bleibt unberührt. (3) Wertpapiere desselben Ausstellers dürfen f ü r das einzelne Sondervermögen nur insoweit erworben werden, als zur Zeit des Erwerbs ihr Wert zusammen mit dem Wert der bereits in dem Sondervermögen befindlichen Wertpapiere desselben Ausstellers nicht 5 vom H u n d e r t des Wertes des Sondervermögens übersteigt. Darüber hinaus dürfen weitere Wertpapiere desselben Ausstellers bis zur Grenze von 10 vom H u n d e r t des Wertes des Sondervermögens erworben werden, wenn dies in den Vertragsbedingungen vorgesehen ist, die Bankaufsichtsbehörde den Erwerb von Wertpapieren dieses Ausstellers über die Grenze von 5 vom H u n d e r t hinaus genehmigt hat und der Gesamtwert der Wertpapiere dieser Aussteller 40 vom H u n d e r t des Wertes des Sondervermögens nicht übersteigt. Wertpapiere von Konzernunternehmen im Sinne von § 18 des Aktiengesetzes gelten als Wertpapiere desselben Ausstellers. (4) Eine Kapitalanlagegesellschaft darf für alle von ihr verwalteten Wertpapier-Sondervermögen Wertpapiere desselben Ausstellers nur insoweit erwerben, als bei Aktien ihr Gesamtnennbetrag 5 vom H u n d e r t des Nennkapitals der Gesellschaft und bei Kuxen ihre Gesamtzahl 5 vom H u n d e r t der von der Gewerkschaft ausgegebenen Kuxe nicht übersteigt. H a t der Aussteller Mehrstimmrechtsaktien ausgegeben, so dürfen solche Aktien nur insoweit erworben werden, als die Stimmrechte, die der Kapitalanlagegesellschaft damit insgesamt aus Aktien desselben Ausstellers zustehen, außerdem 5 vom H u n d e r t der gesamten Stimmrechte aus Aktien desselben Ausstellers nicht übersteigen. (5) Die in den Absätzen 2 und 3 bestimmten Grenzen f ü r den Erwerb von Wertpapieren dürfen überschritten werden, wenn es sich um den Erwerb von Freiaktien oder um den Erwerb von neuen Aktien in Ausübung von Bezugsrechten aus Wertpapieren handelt, die zum Sondervermögen gehören; spätestens bis zum Ablauf von sechs Monaten nach dem Erwerb muß der Bestand an Wertpapieren mit den in den Absätzen 2 und 3 bestimmten Grenzen wieder in Einklang gebracht werden. (6) Für ein Sondervermögen können Anteilscheine eines anderen Sondervermögens und ausländische Investmentanteile (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen vom 28. Juli 1969) nicht erworben werden. (7) Die Rechtswirksamkeit des Erwerbs von Wertpapieren oder Bezugsrechten wird durch einen Verstoß gegen die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 nicht berührt.
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II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) § 9 (Verfügungen hinsichtlich des Sondervermögens) (1) Die Kapitalanlagegesellschaft ist berechtigt, im eigenen Namen über die zu einem Sondervermögen gehörenden Gegenstände nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Vertragsbedingungen zu verfügen und alle Rechte aus ihnen auszuüben. Zur Ausübung des Stimmrechts aus den zu einem Sondervermögen gehörenden Aktien bedarf die Kapitalanlagegesellschaft keiner schriftlichen Vollmacht der Anteilinhaber. § 129 Abs. 3 des Aktiengesetzes ist entsprechend anzuwenden. (2) Gegenstände, die zu einem Sondervermögen gehören, dürfen nicht verpfändet oder sonst belastet, zur Sicherung übereignet oder zur Sicherung abgetreten werden; eine unter Verstoß gegen diese Vorschrift vorgenommene Verfügung ist gegenüber den Anteilinhabern unwirksam. (3) Die Kapitalanlagegesellschaft darf für gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber Kredite in besonderen Fällen f ü r kurze Zeit bis zur H ö h e von 10 vom H u n d e r t des Sondervermögens aufnehmen. Die Aufnahme und die Rückzahlung von Krediten nach Satz 1 sind der Bankaufsichtsbehörde zu melden. (4) Forderungen gegen die Gesellschaft und Forderungen, die zu einem Sondervermögen gehören, können nicht gegeneinander aufgerechnet werden. (5) Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Anteilinhabern und der Kapitalanlagegesellschaft ist das Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 4. Februar 1937 (Reichsgesetzbl. I S. 171) nicht anzuwenden. § 10 (Verwaltung und Haftung des Sondervermögens) (1) Die Kapitalanlagegesellschaft hat mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns das Sondervermögen f ü r gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber zu verwalten und deren Interessen zu wahren, insbesondere auch bei der Ausübung der mit dem Sondervermögen verbundenen Stimm- und Gläubigerrechte. Sie soll das Stimmrecht im Regelfall selbst ausüben. Sie darf einen anderen zur Ausübung des Stimmrechts nur f ü r den Einzelfall ermächtigen; dabei soll sie Weisungen f ü r die Ausübung erteilen. (2) Das Sondervermögen haftet nicht für Verbindlichkeiten der Kapitalanlagegesellschaft; dies gilt auch f ü r Verbindlichkeiten der Kapitalanlagegesellschaft aus Rechtsgeschäften, die sie f ü r gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber schließt. Die Kapitalanlagegesellschaft ist nicht berechtigt, im Namen der Anteilinhaber Verbindlichkeiten einzugehen. Von den Vorschriften dieses Absatzes abweichende Vereinbarungen sind unwirksam. (3) Die Kapitalanlagegesellschaft kann sich wegen ihrer Ansprüche auf Vergütung und auf Ersatz von Aufwendungen aus den f ü r gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber getätigten Geschäften sowie wegen der von ihr an die Depotbank nach § 12 Abs. 8 zu leistenden Beträge nur aus dem Sondervermögen befriedigen; die Anteilinhaber haften ihr nicht persönlich. (4) Werden Kuxe oder nicht voll eingezahlte Aktien in ein Sondervermögen aufgenommen, so haftet die Kapitalanlagegesellschaft für die Leistung der Zubuße oder der ausstehenden Einlagen nur mit dem eigenen Vermögen. § 11 (Ausscheiden von Anteilinhabern) (1) Kein Anteilinhaber kann die Aufhebung der in Ansehung des Sondervermögens bestehenden Gemeinschaft der Anteilinhaber verlangen; ein solches Recht steht auch nicht einem Pfandgläubiger oder Pfändungsgläubiger oder dem Konkursverwalter über das Vermögen eines Anteilinhabers zu. (2) Jeder Anteilinhaber kann verlangen, daß ihm gegen Rückgabe des Anteilscheins sein Anteil an dem Sondervermögen aus diesem ausgezahlt wird; die Einzelheiten sind in den Vertragsbedingungen festzulegen. $ 12 (Begriff und Aufgaben der Depotbank) (1) Mit der Verwaltung von Sondervermögen sowie mit der Ausgabe und Rücknahme von Anteilscheinen hat die Kapitalanlagegesellschaft ein anderes Kreditinstitut (Depotbank) zu beauftragen. Geschäftsleiter (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes über das Kreditwesen), Prokuristen und die zum Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten der Depotbank dürfen nicht gleichzeitig Angestellte der Kapitalanlagegesellschaft sein. Die Auswahl der Depotbank und jeder beabsichtigte Wechsel sind spätestens 2 Wochen vor Abschluß des Vertrages der Bankaufsichtsbehörde anzuzeigen. Sie kann der Auswahl und dem Wechsel der Depotbank innerhalb der gleichen Frist widersprechen. Die Depotbank muß ein haftendes Eigenkapital von mindestens zehn Millionen Deutsche Mark haben; dies gilt nicht, wenn die Depotbank eine Wertpapiersammelbank im Sinne des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) vom 4. Februar 1937 (Reichsgesetzblatt I S . 171) ist. (2) Die Bankaufsichtsbehörde kann jederzeit der Kapitalanlagegesellschaft einen Wechsel der Depotbank auferlegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das haftende Eigenkapital der Depotbank unter zehn Millionen Deutsche Mark zurückgeht oder wenn der Teil des Sondervermögens, der nach den Vertragsbedingungen höchstens in Bankguthaben gehalten werden darf, die Hälfte der übrigen Verbindlichkeiten der Depotbank übersteigt. (3) Die zu einem Sondervermögen gehörenden Wertpapiere sind von der Depotbank in ein gesperrtes Depot zu legen. Die Depotbank darf die Wertpapiere nur einer Wertpapiersammelbank (§ 1 Abs. 3 des Depotgesetzes) zur Verwahrung anvertrauen; Wertpapiere, die an ausländischen Börsen zugelassen sind oder gehandelt werden, kann sie einer ausländischen Bank zur Verwahrung anvertrauen. Der Preis für die Ausgabe von Anteilscheinen ist an die Depotbank zu entrichten und von dieser auf einem für das Sondervermögen eingerichteten gesperrten Konto zu verbuchen. Das gleiche gilt für den Kaufpreis aus dem Verkauf von Wertpapieren, die zu einem Sondervermögen gehören, und für die Erträge von solchen Wertpapieren. (4) Aus den gesperrten Konten oder Depots führt die Depotbank auf Weisung der Kapitalanlagegesellschaft die Bezahlung des Kaufpreises beim Erwerb von Wertpapieren oder Bezugsrechten, die Lieferung beim Verkauf von Wertpapieren oder Bezugsrechten, die Zahlung des Rückkaufpreises bei der Rücknahme von Anteilen sowie die Ausschüttung der Gewinnanteile an die Anteilinhaber durch. Die Depotbank ist berechtigt und verpflichtet, auf den gesperrten Konten vorhandene Guthaben auf Sperrkonten bei einem anderen, von der Kapitalanlagegesellschaft bezeichneten Kreditinstitut zu übertragen, wenn und soweit das Guthaben auf dem bei ihr geführten Sperrkonto den Betrag überschreitet, der durch die Sicherungseinrichtungen eines Verbandes der Kreditinstitute geschützt wird. Absatz 1 Satz 5 ist auf dieses Kreditinstitut entsprechend anzuwenden. (5) Der Erwerb von Wertpapieren und Bezugsrechten für das Sondervermögen darf höchstens zum Tageskurs, die Veräußerung muß mindestens zum Tageskurs erfolgen. (6) Die Depotbank hat dafür zu sorgen, daß bei den für gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber getätigten Geschäften der Gegenwert in ihre Verwahrung gelangt. (7) Die Depotbank darf der Kapitalanlagegesellschaft aus den zu einem Sondervermögen gehörenden Konten nur die ihr nach den Vertragsbedingungen für die Verwaltung des Sondervermögens zustehende Vergütung und den ihr zustehenden Ersatz von Aufwendungen auszahlen. Die ihr selbst für die Verwahrung des Sondervermögens zustehende Vergütung darf sie nur mit Zustimmung der Kapitalanlagegesellschaft entnehmen. (8) Die Depotbank ist berechtigt und verpflichtet, im eigenen Namen 1. Ansprüche der Anteilinhaber gegen die Kapitalanlagegesellschaft oder eine frühere Depotbank geltend zu machen. 2. Im Wege einer Klage nach § 771 der Zivilprozeßordnung Widerspruch zu erheben, wenn in ein Sondervermögen wegen eines Anspruchs vollstreckt wird, für den das Sondervermögen nicht haftet; die Anteilinhaber können nicht selbst Widerspruch gegen die Zwangsvollstrekkung erheben. Die Depotbank kann für diese Tätigkeit von der Kapitalanlagegesellschaft eine angemessene Vergütung und Ersatz der ihr entstehenden Aufwendungen verlangen. $ 13 (Ende der Verwaltungsbefugnis) (1) Die Kapitalanlagegesellschaft ist berechtigt, die Verwaltung eines Sondervermögens unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger zu kündigen. Die Vertragsbedingungen können eine längere Kündigungsfrist vorsehen.
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II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) (2) Die Kapitalanlagegesellschaft kann ihre Auflösung nicht für einen früheren als den Zeitpunkt beschließen, in dem ihr Recht zur Verwaltung aller Sondervermögen erlischt. (3) Das Recht der Kapitalanlagegesellschaft, die Sondervermögen zu verwalten, erlischt ferner mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft oder mit der Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses, durch den die Eröffnung des Konkursverfahrens wegen Fehlens einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgelehnt wird (§ 107 der Konkursordnung). Die Sondervermögen gehören nicht zur Konkursmasse der Kapitalanlagegesellschaft. (4) Wird die Kapitalanlagegesellschaft aus einem in den Absätzen 2 und 3 nicht genannten Grund aufgelöst oder wird das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet oder wird gegen sie ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, so hat die Depotbank das Recht, hinsichtlich eines bei ihr verwahrten Sondervermögens für die Anteilinhaber deren Vertragsverhältnis mit der Kapitalanlagegesellschaft ohne Einhaltung einer Kündigungfrist zu kündigen. § 14 (Abwicklung des Sondervermögens) (1) Erlischt das Recht der Kapitalanlagegesellschaft, ein Sondervermögen zu verwalten, so geht, wenn das Sondervermögen im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft steht, das Sondervermögen, wenn es im Miteigentum der Anteilinhaber steht, das Verfügungsrecht über das Sondervermögen auf die Depotbank über. (2) Die Depotbank hat das Sondervermögen abzuwickeln und an die Anteilinhaber zu verteilen. Mit Genehmigung der Bankaufsichtsbehörde kann sie von der Abwicklung und Verteilung absehen und einer anderen Kapitalanlagegesellschaft die Verwaltung des Sondervermögens nach Maßgabe der bisherigen Vertragsbedingungen übertragen. $ 15 (Vertragsbedingungen) (1) Die Vertragsbedingungen, nach denen sich das Rechtsverhältnis der Kapitalanlagegesellschaft zu den Anteilinhaber bestimmt, sind vor Ausgabe der Anteilscheine schriftlich festzulegen. (2) Die Vertragsbedingungen bedürfen der Genehmigung der Bankaufsichtsbehörde. Sehen die Vertragsbedingungen vor, daß das Sondervermögen in Wertpapieren angelegt werden kann, die ausschließlich an ausländischen Börsen zugelassen sind oder gehandelt werden, so kann die Bankaufsichtsbehörde die Anlegung auf Wertpapiere beschränken, die an bestimmten von ihr bezeichneten Börsen zugelassen sind oder gehandelt werden. (3) Die Bankaufsichtsbehörde soll Vertragsbedingungen nur genehmigen, wenn sie folgende Angaben enthalten: a) nach welchen Grundsätzen die Auswahl der zu beschaffenden Wertpapiere erfolgt; b) ob die zum Sondervermögen gehörenden Gegenstände im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft oder im Miteigentum der Anteilinhaber stehen; c) welcher Anteil des Sondervermögens höchstens in Bankguthaben gehalten werden darf; d) ob und gegebenenfalls in welcher H ö h e ein Mindestanteil des Sondervermögens in Bankguthaben gehalten wird; e) welche Vergütungen aus dem Sondervermögen an die Kapitalanlagegesellschaft und an die Depotbank zu zahlen sind, wie sie berechnet werden und welche Aufwendungen aus dem Sondervermögen zu ersetzen sind; f) wie hoch der Aufschlag bei der Ausgabe der Anteilscheine ist (§ 21 Abs. 2), welche weiteren Beträge von den Zahlungen des Anteilinhabers zur Deckung von Kosten verwendet und wie diese Kosten berechnet werden; g) unter welchen Voraussetzungen, zu welchen Bedingungen und bei welchen Stellen die Anteilinhaber die Rücknahme der Anteilscheine von der Kapitalanlagegesellschaft verlangen können; h) in welcher Weise und zu welchen Stichtagen der Rechenschaftsbericht übe die Entwicklung des Sondervermögens und seine Zusammensetzung erstattet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird; i) ob und in welchem Umfang Erträge des Sondervermögens auszuschütten und wie die Veräußerungsgewinne zu verwenden sind. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft $ 16 (Ausschüttung von Veräußerungsgewinnen) Die Ausschüttung von Veräußerungsgewinnen ist nur zulässig, wenn die Vertragsbedingungen sie vorsehen. § 17 (Anlage des Eigenkapitals) Die Kapitalanlagegesellschaft hat mindestens 20 vom Hundert ihres Eigenkapitals ( § 1 0 Abs. 2 des Gesetzes über das Kreditwesen) in Guthaben bei einem geeigneten Kreditinstitut oder in Wertpapieren zu unterhalten, die von der Deutschen Bundesbank zum Lombardverkehr zugelassen sind. $ 18 (Anteilscheine) (1) In den Anteilscheinen werden die Ansprüche des Anteilinhabers gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft verbrieft. Die Anteilscheine können auf den Inhaber oder auf N a m e n lauten. Lauten sie auf Namen, so gelten für sie die §§ 67, 68 des Aktiengesetzes entsprechend. Die Anteilscheine sind von der Kapitalanlagegesellschaft und von der Depotbank zu unterzeichnen. Die Unterzeichnung kann durch mechanische Vervielfältigung geschehen. (2) Anteilscheine können über einen oder mehrere Anteile desselben Sondervermögens ausgestellt werden. Die Anteile an einem Sondervermögen dürfen nicht verschiedene Rechte haben und müssen sämtliche zu dem Sondervermögen gehörenden Gegenstände umfassen. (3) Stehen die zum Sondervermögen gehörenden Gegenstände den Anteilinhabern gemeinschaftlich zu, so geht mit der Übertragung der in dem Anteilschein verbrieften Ansprüche auch der Anteil des Veräußerers an den zum Sondervermögen gehörenden Gegenständen auf den Erwerber über. Entsprechendes gilt für sonstige rechtsgeschäftliche Verfügungen sowie für Verfügungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung erfolgen. In anderer Weise kann über den Anteil an den zum Sondervermögen gehörenden Gegenständen nicht verfügt werden. § 19 (Verkaufsprospekt) (1) D e m Erwerber eines Anteilscheines sind die Vertragsbedingungen, ein Verkaufsprospekt der Kapitalanlagegesellschaft und eine Durchschrift des Antrags auf Vertragsabschluß auszuhändigen. Der Antragsvordruck muß einen Hinweis auf die H ö h e des Ausgabeaufschlags und auf die jährlich zu zahlende Vergütung enthalten. (2) Der Verkaufsprospekt muß alle Angaben enthalten, die im Zeitpunkt des Erwerbs für die Beurteilung der Anteilscheine von wesentlicher Bedeutung sind. Er muß insbesondere Angaben über Firma, Rechtsform, Sitz und Eigenkapital der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank sowie die in § 15 Abs. 3 genannten Angaben enthalten. Außerdem ist in den Verkaufsprospekt ein Rechenschaftsbericht nach § 2 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, dessen Stichtag nicht länger als 15 Monate zurückliegen darf, und, wenn der Stichtag des Rechenschaftsberichts länger als neun Monate zurückliegt, auch ein Halbjahresbericht nach § 25 Abs. 1 Satz 3 aufzunehmen oder dem Verkaufsprospekt als Anlage beizufügen. Der Verkaufsprospekt muß ferner eine Belehrung über das Recht des Käufers zum Widerruf nach § 23 enthalten. Die Bankaufsichtsbehörde kann verlangen, daß in den Verkaufsprospekt weitere Angaben aufgenommen werden, wenn sie Grund zu der Annahme hat, daß die Angaben für die Erwerber erforderlich sind. § 20 (Mängel des Verkaufsprospekts) (1) Sind in einem Verkaufsprospekt (§ 19) Angaben, die für die Beurteilung der Anteilscheine von wesentlicher Bedeutung sind, unrichtig oder unvollständig, so kann derjenige, der auf Grund des Verkaufsprospekts Anteilscheine gekauft hat, von der Kapitalanlagegesellschaft und von demjenigen, der diese Anteilscheine im eigenen Namen gewerbsmäßig verkauft hat, als Gesamtschuldner Übernahme der Anteilscheine gegen Erstattung des von ihm gezahlten Betrages verlangen. Ist der K ä u f e r in dem Zeitpunkt, in dem er von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts Kenntnis erlangt hat, nicht mehr Inhaber des Anteilscheins, so kann er die Zahlung des Betrages verlangen, um den der von ihm gezahlte Betrag den Rücknahmepreis des Anteils im Zeitpunkt der Veräußerung übersteigt.
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II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) (2) Angaben von wesentlicher Bedeutung im Sinne des Absatzes 1 sind die in § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 vorgeschriebenen Prospektangaben. (3) Die Kapitalanlagegesellschaft oder diejenige Stelle, welche die Anteilscheine im eigenen Namen gewerbsmäßig verkauft hat, kann nach Absatz 1 nicht in Anspruch genommen werden, wenn sie nachweist, daß sie die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Der Anspruch nach Absatz 1 besteht nicht, wenn der Käufer der Anteilscheine die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts beim Kauf gekannt hat. (4) Zur Übernahme nach Absatz 1 ist auch derjenige verpflichtet, der gewerbsmäßig den Verkauf der Anteilscheine vermittelt oder die Anteilscheine im fremden Namen verkauft hat, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts gekannt hat. Der Anspruch nach Absatz 1 besteht nicht, wenn auch der Käufer der Anteilscheine die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts beim Kauf gekannt hat. (5) Der Anspruch verjährt in sechs Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem der Käufer von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluß des Kaufvertrages. $ 21 (Ausgabe der Anteilscheine) (1) Anteilscheine dürfen nur gegen volle Leistung des Ausgabepreises ausgegeben werden; der Gegenwert ist unverzüglich dem Sondervermögen zuzuführen. Sacheinlagen sind unzulässig. Sind Anteilscheine in den Verkehr gelangt, ohne daß der Ausgabepreis dem Sondervermögen zugeflossen ist, so hat die Kapitalanlagegesellschaft aus ihrem eigenen Vermögen den fehlenden Betrag in das Sondervermögen einzulegen. (2) Der Ausgabepreis für einen Anteilschein muß dem Wert des Anteils am Sondervermögen zuzüglich eines in den Vertragsbedingungen festzusetzenden Aufschlags (§ 15 Abs. 3 Buchstabe f) entsprechen. Der Wert des Anteils ergibt sich aus der Teilung des Wertes des Sondervermögens durch die Zahl der Anteile; befinden sich eigene Anteilscheine im Sondervermögen, so wird für sie bei der Ermittlung des Wertes des Sondervermögens kein Wert angesetzt und die Anteile, über welche die Anteilscheine ausgestellt sind, werden bei der Zahl der Anteile nicht mitgerechnet. Der Wert eines Sondervermögens ist auf Grund der jeweiligen Kurswerte der zu ihm gehörenden Wertpapiere und Bezugsrechte zuzüglich des Wertes der außerdem zu ihm gehörenden Geldbeträge, Forderungen und sonstigen Rechte von der Depotbank zu ermitteln. (3) Gibt die Kapitalanlagegesellschaft oder die Depotbank den Ausgabepreis bekannt, so ist sie verpflichtet, dabei auch den Preis bekanntzugeben, der bei der Rücknahme von jeweils höchstens hundert Anteilen berechnet worden ist; wird der Rücknahmepreis bekanntgegeben, so ist auch der Ausgabepreis bekanntzumachen. (4) Jedes Sondervermögen muß bei der Ausgabe des ersten Anteilscheins in so viele Anteile zerlegt werden, daß der Wert jedes Anteils (Abs. 2 Satz 2) im Zeitpunkt der Ausgabe des ersten Anteilscheins nicht mehr als hundert Deutsche Mark beträgt. $ 22 (Kostendeckung) Wurde die Abnahme von Anteilen für einen mehrjährigen Zeitraum vereinbart, so darf von jeder der für das erste Jahr vereinbarten Zahlung höchstens ein Drittel für die Deckung von Kosten verwendet werden, die restlichen Kosten müssen auf alle späteren Zahlungen gleichmäßig verteilt werden. § 23 (Widerruf der Kauferklärung) (1) Ist der Käufer von Anteilscheinen durch mündliche Verhandlungen außerhalb der ständigen Geschäftsräume desjenigen, der die Anteilscheine verkauft oder den Verkauf vermittelt hat, dazu bestimmt worden, eine auf den Kauf gerichtete Willenserklärung abzugeben, so ist er an diese Erklärung nur gebunden, wenn er sie nicht der Kapitalanlagegesellschaft gegenüber binnen einer Frist von zwei Wochen schriftlich widerruft; dies gilt auch dann, wenn derjenige, der die Anteilscheine verkauft oder den Verkauf vermittelt, keine ständigen Geschäftsräume hat. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft (2) Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn der Verkaufsprospekt dem Käufer ausgehändigt worden ist. Ist streitig, ob oder zu welchem Zeitpunkt der Verkaufsprospekt dem Käufer ausgehändigt wurde, so trifft die Beweislast den Verkäufer. (3) Das Recht zum Widerruf besteht nicht, wenn der Verkäufer nachweist, daß 1. der Käufer die Anteilscheine im Rahmen seines Gewerbebetriebes erworben hat oder 2. er den Käufer zu den Verhandlungen, die zum Verkauf der Anteilscheine geführt haben, auf Grund vorhergehender Bestellung (§ 55 Abs. 1 der Gewerbeordnung) aufgesucht hat. (4) Ist der Widerruf erfolgt und hat der Käufer bereits Zahlungen geleistet, so ist die Kapitalanlagegesellschaft verpflichtet, dem Käufer, gegebenenfalls Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Anteilscheine, die bezahlten Kosten und einen Betrag auszuzahlen, der dem Wert der bezahlten Anteile (§21 Abs. 2 Satz 2 und 3) am Tage nach dem Eingang der Widerrufserklärung entspricht. (5) Auf das Recht zum Widerruf kann nicht verzichtet werden $ 24 (Sammelverwahrung — Ersatz der Anteilscheine) (1) Anteilscheine dürfen in Sammelverwahrung im Sinne des Depotgesetzes nur genommen werden, wenn sie auf den Inhaber lauten oder blanko indossiert sind. (2) Ist ein Anteilschein abhanden gekommen oder vernichtet, so kann die Urkunde, wenn nicht das Gegenteil darin bestimmt ist, im Aufgebotsverfahren für kraftlos erklärt werden. $ 799 Abs. 2 und § 800 des Bürgerlichen Gesetzbuches gelten sinngemäß. Sind Gewinnanteilscheine auf den Inhaber ausgegeben, so erlischt mit der Kraftloserklärung des Anteilscheins auch der Anspruch aus den noch nicht fälligen Gewinnanteilscheinen. (3) Ist ein Anteilschein infolge einer Beschäftigung oder einer Verunstaltung zum Umlauf nicht mehr geeignet, so kann der Berechtigte, wenn der wesentliche Inhalt und die Unterscheidungsmerkmale der Urkunde noch mit Sicherheit erkennbar sind, von der Gesellschaft die Erteilung einer neuen Urkunde gegen Aushändigung der alten verlangen. Die Kosten hat er zu tragen und vorzuschießen. (4) Neue Gewinnanteilscheine dürfen an den Inhaber des Erneuerungsscheins nicht ausgegeben werden, wenn der Besitzer des Anteilscheins der Ausgabe widerspricht. In diesem Fall sind die Scheine dem Besitzer des Anteilscheins auszuhändigen, wenn er die Haupturkunde vorlegt. § 25 (Rechenschaftsbericht — Anzeige- und Prüfungspflicht) (1) Die Kapitalanlagegesellschaft hat über jedes Sondervermögen für den Schluß eines jeden Geschäftsjahres einen Rechenschaftsbericht zu erstatten und im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Der Rechenschaftsbericht hat eine nach der Art der Aufwendungen und Erträge aufgegliederte Aufwands- und Ertragsrechnung und eine Aufstellung der zu dem Sondervermögen gehörenden Wertpapiere und Bezugsrechte unter Angabe von Art, Nennbetrag oder Zahl und Kurswert, den Stand der zum Sondervermögen gehörenden Konten sowie den Unterschied zwischen der Anzahl der im Berichtszeitraum ausgegebenen und zurückgenommenen Anteile zu enthalten; bei der Angabe des Nennbetrages oder der Zahl der zum Sondervermögen gehörenden Wertpapiere und des Standes der zum Sondervermögen gehörenden Konten sind auch jeweils die Veränderungen gegenüber dem letzten Bericht anzugeben. Die Kapitalanlagegesellschaft hat für die Mitte eines Geschäftsjahres, sofern sie nicht für diesen Stichtag einen weiteren Rechenschaftsbericht erstattet, eine Aufstellung der zu dem Sondervermögen gehörenden Wertpapiere und Bezugsrechte unter Angabe von Art, Nennbetrag oder Zahl und Kurswert, den Stand der zum Sondervermögen gehörenden Konten sowie den Unterschied zwischen der Anzahl der im Berichtszeitraum ausgegebenen und zurückgenommenen Anteile im Bundesanzeiger bekanntzumachen; Satz 2 zweiter Halbsatz findet Anwendung. (2) Die Kapitalanlagegesellschaft hat der Bankaufsichtsbehörde die zu jedem Sondervermögen gehörenden Wertpapiere und Bezugsrechte unter Angabe von Art, Nennwert, Kurs, Kurswert, Anteil am Sondervermögen (§ 8 Abs. 3), Anteil am Nennkapital (§ 8 Abs. 4), die Bestände der zu jedem Sondervermögen gehörenden Geldbeträge, Forderungen und sonstigen Rechte, die
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II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) Zahl der am Sondervermögen beteiligten Anteile sowie A n und H ö h e ihrer eigenen Vermögensanlagen bis zum 10. Februar und 10. August jeden Jahres nach dem Stand des letzten Tages des vorangegangenen Monats anzuzeigen. Die Anzeigen über Sondervermögen sind von der Depotbank zu bestätigen. (3) Die Prüfung des Jahresabschlusses der Kapitalanlagegesellschaft ist auf die Sondervermögen und den Rechenschaftsbericht, insbesondere die Ertragsrechnung, sowie darauf zu erstrekken, ob bei der Verwaltung der Sondervermögen die Vorschriften dieses Gesetzes und die Bestimmungen der Vertragsbedingungen beachtet worden sind. Das Ergebnis der Prüfung hat der Abschlußprüfer in einem besonderen Vermerk festzulegen; der Vermerk ist mit dem vollen Wortlaut im Rechenschaftsbericht wiederzugeben. DRITTER ABSCHNITT Besondere Vorschriften für Grundstücks-Sondervermögen § 26 (Verweisung) Für Kapitalanlagegesellschaften (§ 1), die das bei ihnen eingelegte Geld in Grundstücken anlegen, gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts dieses Gesetzes sinngemäß, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften dieses Abschnitts nichts anderes ergibt. $ 27 (Zulässige Erwerbe) (1) Die Kapitalanlagegesellschaft darf vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 für ein GrundstücksSondervermögen nur folgende im Geltungsbereich dieses Gesetzes belegene Gegenstände erwerben: 1. Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischtgenutzte Grundstücke; 2. Grundstücke im Zustand der Bebauung, wenn die genehmigte Bauplanung den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen entspricht und nach den Umständen mit einem Abschluß der Bebauung in angemessener Zeit zu rechnen ist und wenn die Aufwendungen für diese Grundstücke insgesamt 10 vom Hundert des Wertes des Sondervermögens nicht überschreiten; 3. unbebaute Grundstücke, die für eine alsbaldige eigene Bebauung nach Maßgabe der N u m mer 1 bestimmt und geeignet sind, wenn zur Zeit des Erwerbs ihr Wert zusammen mit dem Wert der bereits in dem Sondervermögen befindlichen unbebauten Grundstücke 10 vom H u n dert des Wertes des Sondervermögens nicht übersteigt; 4. Erbbaurechte unter den Voraussetzungen der Nummern 1 bis 3. (2) Wenn die Vertragsbedingungen dies vorsehen und die Gegenstände einen dauernden Ertrag erwarten lassen, dürfen für ein Grundstücks-Sondervermögen auch erworben werden 1. andere im Geltungsbereich dieses Gesetzes belegene Grundstücke, Erbbaurechte sowie Rechte in der Form des Wohnungseigentums, Teileigentums, Wohnungserbbaurechts und Teilerbbaurechts sowie 2. außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes belegene Grundstücke der in Absatz 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Art. Die Grundstücke und Rechte nach Nummer 1 dürfen nur erworben werden, wenn zur Zeit des Erwerbs ihr W e n zusammen mit dem W e n der bereits in dem Sondervermögen befindlichen Grundstücke und Rechte gleicher Art 10 vom H u n d e n des Wertes des Grundstücks-Sondervermögens nicht überschreitet. Die Grundstücke nach Nummer 2 dürfen nur erworben werden, wenn zur Zeit des Erwerbs ihr Wert zusammen mit dem Wert der bereits in dem Sondervermögen befindlichen ausländischen Grundstücke 20 vom Hundert des Wertes des Sondervermögens nicht überschreitet. Bei den Grundstücken nach Nummer 2 gelten ferner die Begrenzungen nach Absatz 1 Nr. 2 und 3 mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Wertes des Sondervermögens der Wert der Grundstücke nach Nummer 2 tritt. (3) Ein Vermögensgegenstand nach den Absätzen 1 und 2 darf nur erworben werden, wenn der Sachverständigenausschuß (§ 32) ihn zuvor bewertet hat und die aus dem Sondervermögen zu erbringende Gegenleistung den ermittelten Wert nicht oder nur unwesentlich übersteigt. Entsprechendes gilt für Vereinbarungen über die Bemessung des Erbbauzinses und seine etwaige spätere Änderung. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. D a s Investmentgeschäft (4) Für ein Grundstücks-Sondervermögen dürfen auch Gegenstände erworben werden, die zur Bewirtschaftung der Gegenstände des Grundstücks-Sondervermögens erforderlich sind. (5) Die Nichtbeachtung der vorstehenden Vorschriften berührt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes nicht. § 28 (Bestand des Grundstücks-Sondervermögens) (1) D a s Grundstücks-Sondervermögen muß aus mindestens zehn Grundstücken bestehen. (2) Keines der Grundstücke darf zur Zeit seines Erwerbs den Wert von 15 vom Hundert des Wertes des Sondervermögens übersteigen. (3) Als Grundstück im Sinne des Absatzes 1 ist auch eine aus mehreren Grundstücken bestehende wirtschaftliche Einheit anzusehen. § 29 (Zeitpunkt der Anwendung von Begrenzungen) Die Begrenzungen in § 27 Abs. 1 N r . 3 und § 28 sind für das Grundstücks-Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft erst dann anzuwenden, wenn seit dem Zeitpunkt der Bildung dieses Sondervermögens eine Frist von vier Jahren verstrichen ist. § 3 0 (Eigentum am Grundstücks-Sondervermögen) Abweichend von § 6 Abs. 1 S a t z 2 können zum Grundstücks-Sondervermögen Gegenstände nur im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft stehen.
gehörende
§ 31 (Begriff und Aufgaben der Depotbank) (1) Mit der laufenden Überwachung des Bestandes an Grundstücken, der Verwahrung der zum Sondervermögen gehörenden Geldbeträge und Wertpapiere und mit der Ausgabe und Rücknahme von Anteilscheinen hat die Kapitalanlagegesellschaft ein anderes Kreditinstitut (Depotbank) zu beauftragen. (2) Die Kapitalanlagegesellschaft darf nur mit Zustimmung der Depotbank über zum Grundstücks-Sondervermögen gehörende Gegenstände nach § 27 Abs. 1 und 2 verfügen. Eine Verfügung ohne die Zustimmung der Depotbank ist gegenüber den Anteilinhabern unwirksam. Die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung. (3) Die Depotbank muß einer Verfügung zustimmen, die mit den Vorschriften dieses Gesetzes und den Vertragsbedingungen vereinbar ist. Stimmt sie zu, obwohl dies nicht der Fall ist, berührt dies die Wirksamkeit der Verfügung nicht. (4) Die Kapitalanlagegesellschaft hat dafür zu sorgen, daß die Verfügungsbeschränkung nach Absatz 2 Satz 1 in das Grundbuch eingetragen wird. Die Depotbank hat die Einhaltung dieser Vorschrift zu überwachen. Ist bei ausländischen Grundstücken die Eintragung der Verfügungsbeschränkung in ein Grundbuch oder ein vergleichbares Register nicht möglich, so ist die Wirksamkeit der Verfügungsbeschränkung in anderer geeigneter Form sicherzustellen. (5) Die Bestellung der Depotbank kann gegenüber dem Grundbuchamt durch eine Bescheinigung der Bankaufsichtsbehörde nachgewiesen werden, aus der sich ergibt, daß die Kapitalanlagegesellschaft die Auswahl dieses Kreditinstituts als Depotbank angezeigt und die Bankaufsichtsbehörde weder von ihrem Widerspruchsrecht noch von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, der Kapitalanlagegesellschaft einen Wechsel der Depotbank aufzuerlegen. (6) Die zum Sondervermögen gehörenden Geldbeträge sind auf einem oder mehreren für das Sondervermögen eingerichteten gesperrten Konten zu verbuchen. Die Konten sind von der Depotbank oder, wenn dies für die ordnungsgemäße Abwicklung des Zahlungsverkehrs erforderlich ist, in deren Auftrag von einem anderen Kreditinstitut zu führen. (7) Aus den gesperrten Konten führt die Depotbank auf Weisung der Kapitalanlagegesellschaft die Bezahlung des Kaufpreises beim Erwerb von Gegenständen für das Sondervermögen, die Zahlung des Rücknahmepreises bei der Rücknahme von Anteilen und die Ausschüttung der Gewinnanteile an die Anteilinhaber sowie die Begleichung sonstiger, durch die Verwaltung des
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II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) Sondervermögens bedingter Verpflichtungen durch. Aus den gesperrten Depots stellt die Depotbank der Kapitalanlagegesellschaft auf deren Weisung Wertpapiere zur Beschaffung von Barmitteln oder zu sonstigen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung liegenden Zwekken zur Verfügung. (8) Die Depotbank ist berechtigt und verpflichtet, Ansprüche der Anteilinhaber gegen den Erwerber eines Gegenstandes des Sondervermögens im eigenen Namen geltend zu machen. (9) Im übrigen bleiben die Vorschriften des § 12 unberührt. $ 32 (Sachverständigenausschuß) (1) Die Kapitalanlagegesellschaft hat einen aus mindestens drei Mitgliedern bestehenden Sachverständigenausschuß zu bestellen, der in den durch dieses Gesetz oder die Vertragsbedingungen bestimmten Fällen für die Bewertung von Vermögensgegenständen zuständig ist. Die Kapitalanlagegesellschaft kann auch mehrere Sachverständigenausschüsse nach Satz 1 bestellen. (2) Die Mitglieder des Sachverständigenausschusses müssen unabhängige, zuverlässige und fachlich geeignete Persönlichkeiten mit besonderen Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewertung von Grundstücken sein. (3) Die Bestellung ist der Bankaufsichtsbehörde anzuzeigen; das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 ist hierbei darzulegen. Wenn diese Voraussetzungen fehlen oder wegfallen, kann die Bankaufsichtsbehörde verlangen, daß ein anderer Sachverständiger bestellt wird. $ 33 (Begrenzung der Ausschüttungen) (1) Die Vertragsbedingungen müssen vorsehen, daß Erträge des Sondervermögens insoweit nicht ausgeschüttet werden dürfen, als sie für künftige Instandsetzungen von Gegenständen des Sondervermögens erforderlich sind. (2) Die Vertragsbedingungen müssen im Rahmen der Bestimmungen darüber, in welchem Umfang Erträge des Sondervermögens auszuschütten sind, angeben, ob und in welchem U m f a n g Erträge zum Ausgleich von Wertminderungen der Gegenstände des Sondervermögens einbehalten werden. § 34 (Vermögensaufstellungen) (1) Die Kapitalanlagegesellschaft hat in den Vermögensaufstellungen und Anzeigen (§ 25) den Bestand der zum Sondervermögen gehörenden Grundstücke und sonstigen Vermögensgegenstände unter Angabe von Grundstücksgröße, Art und Lage, Bau- und Erwerbsjahr, Gebäudenutzfläche, Verkehrswert und sonstiger Merkmale aufzuführen. Der Verkehrswert kann in den Vermögensaufstellungen nach § 25 Abs. 1 für Gruppen gleichartiger oder zusammengehöriger Grundstücke in einem Betrag angegeben werden. Die Gegenstände des Grundstücksvermögens sind mit dem Wert anzusetzen, der von dem Sachverständigenausschuß festgestellt wird. Für die Anzeigen nach § 25 Abs. 2 können die für die Vermögensaufstellungen nach § 25 Abs. 1 vorgenommenen Bewertungen zugrunde gelegt werden, wenn sie nicht älter als ein Jahr sind. (2) Mindestens jährlich ist unter Berücksichtigung der Bewertungen nach Absatz 1 Satz 3 der Wert des Anteils am Sondervermögen sowie der Ausgabe- und Rücknahmepreis eines Anteilscheins nach Maßgabe des § 21 Abs. 2 zu ermitteln. $ 35 (Anlagebestimmungen) Die Kapitalanlagegesellschaft hat von jedem Grundstücks-Sondervermögen einen Betrag, der mindestens 5 vom H u n d e r t des Wertes des Sondervermögens entspricht, in Guthaben mit einer Kündigungsfrist von längstens einem Jahr bei der Depotbank oder in Wertpapieren zu unterhalten, die von der Deutschen Bundesbank zum Lombardverkehr zugelassen sind. Diese Wertpapiere werden mit 75 vom H u n d e r t ihres Kurswertes auf den sich nach Satz 1 ergebenen Betrag angerechnet. Beträge, die über den nach Satz 1 zu haltenden Mindestbetrag hinausgehen, können bis zu einem Betrag von weiteren 5 vom Hundert des Wertes des Sondervermögens auch in an einer deutschen Börse amtlich notierten Aktien und festverzinslichen Wertpapieren gehalten werden. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft $ 36 (Auszahlung des Anteils) Verlangt der Anteilinhaber, daß ihm gegen Rückgabe des Anteilscheins sein Anteil am Sondervermögen ausgezahlt wird, so kann die Kapitalanlagegesellschaft die Rückzahlung bis zum Ablauf einer in den Vertragsbedingungen festzusetzenden Frist verweigern, wenn die Bankguthaben und der Erlös nach § 35 gehaltener Wertpapiere zur Zahlung des Rücknahmepreises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Reichen nach Ablauf dieser Frist die nach § 35 angelegten Mittel nicht aus, so sind Gegenstände des Sondervermögens zu veräußern. Bis zur Veräußerung dieser Gegenstände zu angemessenen Bedingungen, längstens jedoch ein Jahr nach Vorlage des Anteilscheins zur Rücknahme, kann die Kapitalanlagegesellschaft die Rücknahme verweigern. Die Jahresfrist kann durch die Vertragsbedingungen auf zwei Jahre verlängert werden. Nach Ablauf dieser Frist darf die Kapitalanlagegesellschaft Gegenstände des Sondervermögens beleihen, wenn das erforderlich ist, um Mittel zur Rücknahme der Anteilscheine zu beschaffen. Sie ist verpflichtet, diese Belastung durch Veräußerung von Gegenständen des Sondervermögens oder in sonstiger Weise abzulösen, sobald dies zu angemessenen Bedingungen möglich ist. Belastungen und ihre Ablösung sind der Bankaufsichtsbehörde unverzüglich anzuzeigen. $ 37 (Veräußerungen und Belastungen) (1) Die Veräußerung von Gegenständen nach § 27 Abs. 1 und 2, die zu einem Sondervermögen gehören, ist vorbehaltlich des § 36 nur zulässig, wenn dies in den Vertragsbedingungen vorgesehen ist und die Gegenleistung den vom Sachverständigenausschuß ermittelten Wert nicht oder nur unwesentlich unterschreitet. (2) Von der Bewertung durch den Sachverständigenausschuß kann abgesehen werden, wenn Teile des Grundstücksvermögens auf behördliches Verlangen zu öffentlichen Zwecken veräußert, im Umlegungsverfahren oder um es abzuwenden gegen andere Grundstücke getauscht oder wenn zum Zwecke der Abrundung eigenen Grundbesitzes Grundstücke hinzuerworben werden und die hierfür zu entrichtende Gegenleistung die für eine gleich große Fläche des eigenen Grundstücks erbrachte Gegenleistung nicht oder nur unwesentlich überschreitet. (3) Die Belastung von Gegenständen nach § 27 Abs. 1 und 2, die zu einem Sondervermögen gehören, ist vorbehaltlich des § 27 Abs. 3 Satz 2 und des § 36 zulässig, wenn dies in den Vertragsbedingungen vorgesehen und im Rahmen einer ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung geboten ist und wenn die Depotbank der Belastung zustimmt, weil sie die Bedingungen, unter denen die Belastung erfolgen soll, für marktüblich erachtet. Diese Belastung darf insgesamt 50 vom Hundert des Verkehrswertes der im Sondervermögen befindlichen Grundstücke nicht überschreiten. (4) Die Wirksamkeit einer Verfügung wird durch einen Verstoß gegen die Vorschriften der Absätze 1 und 3 nicht berüht. VIERTER A B S C H N I T T Steuerrechtliche Vorschriften 1. Titel Wertpapier-Sondervermögen $ 38 (Zweckvermögen) (1) Das Wertpapier-Sondervermögen (§ 8) gilt als Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 5 des Körperschaftsteuergesetzes und des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe e des Vermögensteuergesetzes. Das Wertpapier-Sondervermögen ist vorbehaltlich des § 38a von der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Vermögensteuer befreit. (2) Gehören zu einem Wertpapier-Sondervermögen Anteile an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft, so wird die anrechenbare Körperschaftsteuer an die Depotbank auf Antrag vergütet. Die Vorschriften des Einkommersteuergesetzes über die Vergütung von Körperschaftsteuer an unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Anteilseigner sind sinngemäß anzuwenden. An die Stelle der in § 36 b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes bezeichneten Bescheinigung tritt eine Bescheinigung des für das Wertpapier-Sondervermögen zuständigen Finanzamts, in der bestätigt wird, daß ein Zweckvermögen im Sinne des Absatzes 1 vorliegt. Die
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II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) anrechenbare Körperschaftsteuer wird auch vergütet, wenn die Ausschüttung an das WertpapierSondervermögen nicht von der Vorlage eines Dividendenscheins abhängig ist. (3) Vorbehaltlich des § 45 Abs. 5 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes wird die von Kapitalerträgen des Wertpapier-Sondervermögens erhobene Kapitalertragsteuer an die Depotbank auf Antrag erstattet. Für die Erstattung ist bei Kapitalerträgen im Sinne des § 43 Abs. 1 Ziff.l und 2 des Einkommensteuergesetzes das Bundesamt für Finanzen und bei den übrigen Kapitalerträgen das Finanzamt zuständig, an das die Kapitalertragsteuer abgeführt worden ist. Im übrigen sind die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über die Erstattung von Kapitalertragsteuer an unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Anteilseigner sinngemäß anzuwenden. Absatz 2 Satz 3 gilt abweichend von J 44 b Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes entsprechend. § 38a (Entstehung) (1) Für den Teil der Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen, der nach $ 39a Abs. 1 zur Anrechnung oder Vergütung von Körperschaftsteuer berechtigt, ist die Ausschüttungsbelastung mit Körperschaftsteuer nach § 27 des Körperschaftsteuergesetzes herzustellen. Die Körperschaftsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ausschüttungen den Anteilscheininhabern zufließen. § 44 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden. Die Körperschaftsteuer ist innerhalb eines Monats nach der Entstehung zu entrichten. Die Kapitalanlagegesellschaft hat bis zu diesem Zeitpunkt eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und darin die Steuer selbst zu berechnen. (2) Für den Teil der nicht zur Ausschüttung oder Kostendeckung verwendeten Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2, der nach § 39a Abs. 2 zur Anrechnung oder Vergütung von Körperschaftsteuer berechtigt, gilt Absatz 1 entsprechend. $ 39 (Einkünfte aus Kapitalvermögen) (1) Die Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen sowie die von einem Wertpapier-Sondervermögen vereinnahmten nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Zinsen und Dividenden gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes, wenn sie nicht Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind. Die vereinnahmten nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Zinsen und Dividenden gelten mit dem Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie vereinnahmt worden sind, als zugeflossen. (2) Von den Ausschüttungen an natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, wird nach Maßgabe einer Rechtsverordnung ein Steuerabzug vom Kapitalertrag in H ö h e von 25 vom H u n dert des ausgeschütteten Betrags erhoben, soweit die Ausschüttungen nicht nach § 40 Abs. 1 steuerfrei sind. Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates die in Satz 1 vorgesehene Rechtsverordnung zu erlassen und darin die Durchführung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag zu regeln. $ 39a (Anrechnung der Körperschaftsteuer) (1) Für Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen wird die Körperschaftsteuer nur angerechnet oder vergütet, soweit darin enthalten sind 1. Erträge des Sondervermögens, die nach § 38 Abs. 2 zur Vergütung von Körperschaftsteuer an die Depotbank berechtigen, 2. der auf Erträge im Sinne der Nummer 1 entfallende Teil des Ausgabepreises für ausgegebene Anteilscheine. Für die Ermittlung des Teils der Ausschüttung, der zur Anrechnung oder Vergütung von Körperschaftsteuer berechtigt, ist die nach § 38a zu entrichtende Körperschaftsteuer von den in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Beträgen abzuziehen. § 45 des Körperschaftsteuergesetzes gilt entsprechend. In der hiernach zu erteilenden Bescheinigung ist der zur Anrechnung oder Vergütung berechtigende Teil der Ausschüttung gesondert anzugeben. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft (2) Gelten die nicht zur Ausschüttung oder Kostendeckung verwendeten Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens nach § 39 Abs. 1 Satz 2 als zugeflossen, so ist Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der in § 45 des Körperschaftsteuergesetzes bezeichneten Bescheinigung tritt eine Bescheinigung im Sinne der Sätze 3 bis 5. Die Bescheinigung darf nur durch das Kreditinstitut erteilt werden, das im Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen ein auf den Namen des Empfängers der Bescheinigung lautendes Wertpapierdepot führt, in dem der Anteilschein verzeichnet ist. In der Bescheinigung sind die Zahl und die Bezeichnung der Anteile sowie der Name und die Anschrift des Anteilscheininhabers anzugeben. Für die Bescheinigung gelten im übrigen die Vorschriften des § 45 des Körperschaftsteuergesetzes sinngemäß. Der Steuererklärung oder dem Antrag auf Vergütung von Körperschaftsteuer ist ein Abdruck der Bekanntmachung im Sinne des 5 42 beizufügen. Wird der Anteilschein aus dem Wertpapierdepot entnommen und ausgehändigt, so hat ihn das Kreditinstitut unter Hinweis auf die zuletzt ausgestellte Bescheinigung zu kennzeichnen. (3) Sind die in Absatz 2 bezeichneten Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung durch ein Kreditinstitut nicht erfüllt, so wird die Körperschaftsteuer nur angerechnet, wenn der Steuerpflichtige Tatsachen glaubhaft macht, aus denen sich ergibt, daß ihm die Einnahmen zuzurechnen sind. Absatz 2 Satz 6 gilt sinngemäß. § 40 (Steuerfreie Ausschüttungen) (1) Die Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen sind insoweit steuerfrei, 1. als sie Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren und Bezugsrechten auf Anteile an Kapitalgesellschaften enthalten, es sei denn, daß die Ausschüttungen Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind. Enthalten die Ausschüttungen Erträge aus der Veräußerung von Bezugsrechten auf Freianteile an Kapitalgesellschaften, so kommt die Steuerfreiheit insoweit nicht in Betracht, als die Erträge Kapitalerträge im Sinne des § 20 des Einkommensteuergesetzes sind, 2. als sie steuerfreie Zinsen im Sinne des § 3 a des Einkommensteuergesetzes enthalten. (2) Die Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen sind insoweit, als sie Zinsen im Sinne des § 43 Abs. 1 Ziff. 5 des Einkommensteuergesetzes enthalten, bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer auf Antrag mit 30 vom Hundert dieses Teils der Auschüttungen zu besteuern. Auf den so besteuerten Teil der Ausschüttungen ist § 9 Ziff. 6 des Gewerbesteuergesetzes entsprechend anzuwenden. (3) Die Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen sind bei der Veranlagung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insoweit außer Betracht zu lassen, als sie aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, für die die Bundesrepublik Deutschland auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf die Ausübung des Besteuerungsrechts verzichtet hat. Die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer wird jedoch nach dem Satz erhoben, der für die Bemessungsgrundlage vor Anwendung des Satzes 1 (Gesamteinkommen) in Betracht kommt, wenn in dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ein entsprechender Progressionsvorbehalt vorgesehen ist. (4) Sind in den Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, die in diesem Staat zu einer nach § 34 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes oder § 26 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes oder nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer anrechenbaren Steuer herangezogen werden, so ist bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilscheininhabern die festgesetzte und gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer auf den Teil der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer anzurechnen, der auf diese ausländischen, um die anteilige ausländische Steuer erhöhten Einkünfte entfällt. Dieser Teil ist in der Weise zu ermitteln, daß die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens — einschließlich der ausländischen Einkünfte — nach den §§ 32a, 32b, 34 und 34b des Einkommensteuergesetzes ergebende Einkommensteuer oder nach § 23 des Körperschaftsteuergesetzes ergebende Körperschaftsteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zum Gesamtbetrag der Einkünfte aufgeteilt wird. Der Höchstbetrag der anrechenbaren 1204
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II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) ausländischen Steuern ist für die Ausschüttungen aus jedem einzelnen Wertpapier-Sondervermögen zusammengefaßt zu berechnen. Bei der Anwendung der Sätze 1 und 2 ist der Berechnung der auf die ausländischen Einkünfte entfallenden inländischen Körperschaftsteuer die Körperschaftsteuer zugrunde zu legen, die sich vor Anwendung der Vorschriften des Vierten Teils des Körperschaftsteuergesetzes für das zu versteuernde Einkommen ergibt. $ 34c Abs. 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes ist sinngemäß anzuwenden. (5) Den in den Ausschüttungen enthaltenen Beträgen im Sinne der Absätze 1 bis 4 stehen die hierauf entfallenden Teile des Ausgabepreises für angegebene Anteilscheine gleich. §41 (Bekanntgaben bei Ausschüttungen) (1) Die Kapitalanlagegesellschaft hat den Anteilscheininhabern bei jeder Ausschüttung bezogen auf einen Anteilschein an dem Wertpapier-Sondervermögen bekanntzumachen, 1. den Betrag der Ausschüttung; 2. die in der Ausschüttung enthaltenen Beträge an a) Zinsen im Sinne des § 3 a des Einkommensteuergesetzes (§ 40 Abs. 1 Nr. 2), b) Zinsen im Sinne des § 43 Abs. 1 Ziff. 5 des Einkommensteuergesetzes (§ 40 Abs. 2), c) Veräußerungsgewinnen im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, d) Erträgen im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, soweit die Erträge nicht Kapitalerträge im Sinne des § 20 des Einkommensteuergesetzes sind, e) Einkünften im Sinne des § 40 Abs. 3, f) Einkünften im Sinne des § 40 Abs. 4; 3. den zur Anrechnung oder Vergütung von Körperschaftsteuer berechtigenden Teil der Ausschüttung; 4. den Betrag der anzurechnenden oder zu vergütenden Körperschaftsteuer; 5. den Betrag der nach § 34c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes anrechenbaren und nach § 34c Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes abziehbaren ausländischen Steuern, der auf die in den Ausschüttungen enthaltenen Einkünfte im Sinne des § 40 Abs. 4 entfällt. (2) Die Kapitalanlagegesellschaft hat auf Anforderung des für ihre Besteuerung nach dem Einkommen zuständigen Finanzamts den Nachweis über die H ö h e der ausländischen Einkünfte und über die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuern durch Vorlage entsprechender Urkunden, z. B. Steuerbescheid, Quittung über die Zahlung, zu führen. Sind diese Urkunden in einer fremden Sprache abgefaßt, so kann eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache verlangt werden. (3) Wird der Betrag einer anrechenbaren Steuer nach der Bekanntmachung im Sinne des Absatzes 1 erstmalig festgesetzt, nachträglich erhöht oder ermäßigt oder hat die Kapitalanlagegesellschaft einen solchen Betrag in unzutreffender Höhe bekanntgemacht, so hat die Kapitalanlagegesellschaft die Unterschiedsbeträge bei der im Zusammenhang mit der nächsten Ausschüttung vorzunehmenden Ermittlung der anrechenbaren ausländischen Steuerbeträge auszugleichen. § 42 (Zinsen und Dividenden) Die Vorschriften des § 40 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 bis 5 und des § 41 mit Ausnahme des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstaben c und d gelten sinngemäß für die in $ 39 Abs. 1 Satz 2 und in § 39a Abs. 2 bezeichneten Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens, die nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendet werden. Die Angaben im Sinne des § 41 Abs. 1 sind spätestens drei Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres bekanntzumachen. § 43 (Beginn der Anwendung) (1) Die Vorschriften des § 38 und des § 38a sind erstmals für den Veranlagungszeitraum 1977 anzuwenden. Bei der Vergütung von Körperschaftsteuer und bei der Erstattung von Kapitalertragsteuer an die Depotbank ist die Vorschrift des § 38 erstmals auf Einnahmen anzuwenden, die dem Wertpapier-Sondervermögen nach dem 31. Dezember 1976 zufließen. Beruhen die Einnahmen auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß, gilt Satz 2 mit der Maßgabe, daß die Vorschrift erstmals anzuwenden ist, soweit sich der Beschluß auf die Gewinnverteilung für ein Wirtschaftsjahr bezieht, das nach dem 31. Dezember 1976 abgelaufen ist. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft (2) Die Vorschrift des $ 39 ist erstmals f ü r Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1969 zufließen. (3) Die Vorschriften der §§ 39a bis 41 sind erstmals f ü r Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1976 zufließen. (4) Die Vorschriften der §§ 39a und 42 sind f ü r die nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens erstmals f ü r das Geschäftsjahr anzuwenden, das nach dem 31. Dezember 1976 endet. (5) Die Vorschriften des § 40 Abs. 4 sind erstmals anzuwenden f ü r Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen, die nach dem 31. Dezember 1979 zufließen, und f ü r die nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens erstmals f ü r das Geschäftsjahr, das nach dem 31. Dezember 1979 endet.
2. Titel Grundstücks-Sondervermögen § 44 (Zweckvermögen) Für das Grundstücks-Sondervermögen (§ 27) gilt § 38 sinngemäß. $ 45 (Einkünfte aus Kapitalvermögen) (1) Die Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Grundstücks-Sondervermögen sowie die von einem Grundstücks-Sondervermögen vereinnahmten nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Erträge aus der Vermietung und Verpachtung der in § 27 bezeichneten Gegenstände gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Ziffer 1 des Einkommensteuergesetzes, wenn sie nicht Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind. Zu den Kosten gehören auch Absetzungen f ü r Abnutzung oder Substanzverringerung, soweit diese die nach § 7 des Einkommensteuergesetzes zulässigen Beträge nicht übersteigen. Die vereinnahmten nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Erträge gelten mit dem Ablauf des demsinngemäß. sie vereinnahmt worden sind, als zugeflossen. Geschäftsjahres, (2) § 39 Abs. 2ingilt $ 46 (Steuerfreie Ausschüttungen) (1) Die Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Grundstücks-Sondervermögen sind insoweit steuerfrei, als sie Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen im Sinne des § 27 enthalten, es sei denn, daß es sich um Veräußerungsgeschäfte handelt, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre betragen hat (§ 23 des Einkommensteuergesetzes) oder daß die Ausschüttungen Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind. (2) Sind in den Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Grundstücks-Sondervermögen aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, gilt § 40 Abs. 3 und 4 sinngemäß. (3) Den in den Ausschüttungen enthaltenen Beträgen im Sinne der Absätze 1 und 2 stehen die hierauf entfallenden Teile des Ausgabepreises für ausgegebene Anteilscheine gleich. § 47 (Bekanntgaben bei Ausschüttungen) (1) Die Kapitalanlagegesellschaft hat den Anteilscheininhabern bei jeder Ausschüttung bezogen auf einen Anteilschein an dem Grundstücks-Sondervermögen bekanntzumachen 1. den Betrag der Ausschüttung; 2. die in der Ausschüttung enthaltenen Beträge an a) Veräußerungsgewinnen im Sinne des § 46 Abs. 1, b) Einkünften im Sinne des § 46 Abs. 2; 3. den Betrag an anrechenbaren ausländischen Steuern, der auf die in den Ausschüttungen enthaltenen Einkünfte im Sinne des § 46 Abs. 2 entfällt, auf die § 40 Abs. 4 anzuwenden ist. (2) § 41 Abs. 2 und 3 gilt sinngemäß.
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II. Der Text des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) $ 48 (Miet- und Pachtzinsen) Die Vorschriften des § 40 Abs. 3 und 4, des § 41 Abs. 2 und 3, des § 47 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchstabe b und Nr. 3 gelten sinngemäß für die von dem Grundstücks-Sondervermögen vereinnahmten nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Erträge aus der Vermietung und Verpachtung der in § 27 bezeichneten Gegenstände (§ 45 Abs. 1). Die Angaben im Sinne des § 47 Abs. 1 sind spätestens drei Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres bekanntzumachen. $ 49 (Guthaben und Wertpapiere) Werden Guthaben oder Wertpapiere im Sinne des § 35 unterhalten, gelten die §§ 38 bis 42 sinngemäß. $ 50 (Beginn der Anwendung) (1) Die Vorschriften der §§45 bis 47 und des § 4 9 sind erstmals auf Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Grundstücks-Sondervermögen anzuwenden, die nach dem 31. Oktober 1969 zufließen. (2) Die Vorschriften der §§ 45, 48 und 49 gelten für nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendete Erträge erstmals für das Geschäftsjahr, das nach dem 31. Oktober 1969 endet. FÜNFTER ABSCHNITT Ubergangs- und Schlufivorschriften § 51 (Bestehende Gesellschaften) (1) Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes die in § 1 Abs. 1 aufgeführten Geschäfte betreiben, sind Kapitalanlagegesellschaften im Sinne dieses Gesetzes. Für sie gelten die Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nachstehend nichs anderes bestimmt ist. (2) Diese Kapitalanlagegesellschaften bedürfen keiner erneuten Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb; ihre Vertragsbedingungen für bereits bestehende Sondervermögen bedürfen keiner Genehmigung. Bereits erteilte Erlaubnisse und Genehmigungen gelten als nach diesem Gesetz erteilt. (3) Spätestens bis zum 31. Dezember 1958 haben diese Kapitalanlagegesellschaften a) einen Aufsichtsrat zu bilden, der §§ 3, 4 entspricht; einen bereits bestehenden Aufsichtsrat haben sie entsprechend umzubilden; b) ihr Nennkapital und ihre Satzung § 2 Abs. 2 anzupassen; c) beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehende Sondervermögen auf einen bestimmten Stichtag in Übereinstimmung mit den Vorschriften des § 8 über die Anlegung und den Erwerb von Wertpapieren und Bezugsrechten zu bringen; d) soweit beabsichtigt ist, auch künftig Sondervermögen in ausländischen Wertpapieren (§ 8 Abs. 1 Buchstabe c) anzulegen, die Genehmigung der Bankaufsichtsbehörde dafür einzuholen; e) mit der Verwahrung der Sondervermögen sowie mit der Ausgabe und Rücknahme von Anteilscheinen eine Depotbank unter Beachtung von § 12 zu beauftragen; f) die Vertragsbedingungen entsprechend § 15 Abs. 3 unter Beachtung von § 15 Abs. 2 zu ergänzen. (4) Die nach Absatz 3 erforderlichen Änderungen und Ergänzungen der Vertragsbedingungen werden auch ohne Zustimmung der Anteilinhaber mit Ablauf von drei Monaten seit dem Zeitpunkt wirksam, in welchem die Änderungen im Bundesanzeiger bekanntgemacht worden sind. Jeder Anteilinhaber kann ohne Rücksicht auf die bisherigen Vertragsbedingungen die Rücknahme seines Anteils binnen drei Monaten seit der Bekanntmachung der Änderungen im Bundesanzeiger verlangen; die Ansprüche aus der Rücknahme bestimmen sich nach den bisherigen Vertragsbedingungen. (5) Haften bei einer dieser Kapitalanlagegesellschaften die Anteilinhaber persönlich oder die Sondervermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft oder aus von ihr für gemeinschaftliche Rechnung der Anteilinhaber getätigten Geschäften, so bleiben die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits entstandenen Ansprüche ohne Rücksicht auf § 10 Abs. 2 und 3 bestehen. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft (6) Für Anteilscheine, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgegeben worden sind oder bis zum 31. Dezember 1958 ausgegeben werden und die über Sondervermögen ausgestellt sind, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gebildet worden sind, gilt § 18 Abs. 1 Satz 4 nicht. Diese Anteilscheine gelten als Urkunden, in denen die Ansprüche des Anteilinhabers gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft verbrieft sind. Lauten sie nicht auf N a m e n und sind sie mit der Bestimmung ausgegeben, daß die in der Urkunde versprochenen Leistungen an jeden Inhaber bewirkt werden können, so gelten sie als Schuldverschreibungen auf den Inhaber. (7) § 18 Abs. 3 gilt auch f ü r die in Abs. 6 bezeichneten Anteilscheine. § 52 (Auflösung) Kommt eine beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehende Kapitalanlagegesellschaft den in §51 Abs. 3 bestimmten Auflagen nicht fristgemäß nach, so ist sie mit Ablauf des 31. Dezember 1958 aufgelöst; ihre Fortsetzung kann nicht beschlossen werden. § 53 (Weiterführung gebrauchter Bezeichnungen) Enthält beim Inkrafttreten dieses Gesetzes die Firma eines Kaufmanns die Bezeichnung „Kapitalanlagegesellschaft" oder „Investmentgesellschaft", ohne daß der Geschäftsbetrieb des Unternehmens auf die in § 1 Abs. 1 aufgeführten Geschäfte gerichtet ist, so ist die Führung dieser Bezeichnung nur noch bis zum 31. Juli 1957 gestattet; andere Bezeichnungen, in denen das W o r t „Kapitalanlage" oder „Investment" oder „Investor" oder „Invest" allein oder in Zusammensetzungen mit anderen Worten vorkommt, dürfen bis zu einer Änderung der Firma fortgeführt werden. $ 54 (Berlinklausel) Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Uberleitungsgesetzes. § 55 (Inkrafttreten) 4 Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern 1. D e r Ersterwerb des Anteils und die Entstehung des Rechtsverhältnisses zwischen der Kapitalanlagegesellschaft u n d d e m Investmentsparer a) D a s Z u s t a n d e k o m m e n des Investmentvertrags
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D e r A b s c h l u ß d e s I n v e s t m e n t v e r t r a g e s , d e r e i n e n G e s c h ä f t s b e s o r g u n g s v e r t r a g i. S. d e r §§ 6 7 5 , 611 ff B G B d a r s t e l l t (vgl. o b e n R d n . 2 3 5 2 ) , r i c h t e t sich g r u n d s ä t z l i c h n a c h d e n a l l g e m e i n e n V o r s c h r i f t e n d e r §§ 145 ff B G B . D a b e i w i r d m a n in d e r b l o ß e n B e k a n n t g a b e der V e r t r a g s b e d i n g u n g e n d u r c h die K a p i t a l a n l a g e g e s e l l s c h a f t n o c h k e i n A n g e b o t , s o n d e r n n u r e i n e invitatio ad o f f e r e n d u m s e h e n k ö n n e n . Z w a r ist d i e K a p i t a l a n l a g e g e s e l l s c h a f t n a c h d e m o p e n - e n d - P r i n z i p (vgl. o b e n R d n . 2 3 3 8 ) g r u n d s ä t z l i c h z u r Ausgabe einer u n b e g r e n z t e n A n z a h l von Anteilen bereit, d o c h bedeutet das nicht, d a ß sie d a z u b e r e i t s m i t d e r V e r ö f f e n t l i c h u n g i h r e r V e r t r a g s b e d i n g u n g e n e i n e e n t s p r e c h e n d e B i n d u n g ü b e r n e h m e n will; d e n n z u m e i n e n u n t e r w ü r f e sich d i e K a p i t a l a n l a g e *
[Amtliche Anm.:J Die Vorschrift betrifft das Inkrafttreten des Gesetzes in seiner ursprünglichen Fassung vom 16. April 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 378). Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der späteren Änderungen und Ergänzungen ergibt sich aus den in der vorangestellten Bekanntmachung näher bezeichneten Gesetzen.
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III. D a s R e c h t s v e r h ä l t n i s z w i s c h e n d e r K a p i t a l a n l a g e g e s e l l s c h a f t u n d d e n A n t e i l i n h a b e r n
gesellschaft sonst praktisch einem unbeschränkten Kontrahierungszwang, was im Zweifel nicht ihr Wille ist, und zum anderen bezweckt die Veröffentlichung von Vertragsbedingungen — die ja nichts anderes als Allgemeine Geschäftsbedingungen sind — grundsätzlich nicht den Abschluß eines Vertrages, sondern setzt im Gegenteil einen solchen voraus und dient seine Ergänzung. Das Angebot erfolgt daher regelmäßig nicht durch die Kapitalanlagegesellschaft, 2 3 5 9 sondern durch eine entsprechende Erklärung des Kunden. Die Annahme dieses Angebots wird meistens in der sogenannten Abrechnung liegen, in der der Eingang des Angebots bestätigt, der Ausgabepreis mitgeteilt und dessen Einzahlung gefordert wird 2 1 . Verfehlt wäre es demgegenüber, Angebot und A n n a h m e grundsätzlich erst in der Einzahlung bzw. Entgegennahme des Kapitals zu sehen; darin liegt vielmehr nur die Erfüllung des — rein obligatorischen — Investmentvertrags. Das gleiche gilt g r u n d sätzlich f ü r die Ausgabe des Anteilscheins: auch diese stellt regelmäßig nur eine Erfüllungshandlung durch die Kapitalanlagegesellschaft d a r ; der mit ihr verbundene Begebungsvertrag ist von dem hier in Frage stehenden kausalen Investmentvertrag rechtlich streng zu unterscheiden (vgl. näher unten Rdn. 2374). Selbstverständlich liegt aber in der Einzahlung des Kapitals bzw. in der Ausgabe des Anteilscheins dann ein konkludenter Abschluß des Investmentvertrags, wenn dieser ausnahmsweise nicht schon vorher erfolgt ist. Nicht in diesen Z u s a m m e n h a n g gehört die Veräußerung von Anteilscheinen aus 2 3 6 0 dem eigenen Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft, in das sie die Papiere von einem früheren Anteilinhaber übernommen haue. Denn dabei geht es nicht um den Abschluß des Investmentvertrags und um den Ersterwerb der Anteilscheine, sondern es liegt ein Kaufvertrag und ein Zweiterwerb des Anteils vor (vgl. näher unten Rdn. 2381). Ausnahmsweise kann der Investmentsparer seine Verpflichtung aus dem schon 2 3 6 1 abgeschlossenen Investmentvertrag durch einen Widerruf gemäß § 23 KAGG wieder zu Fall bringen. D a d u r c h soll in erster Linie den Mißständen gesteuert werden, die sich durch den „Kauf an der H a u s t ü r e " ergeben haben 2 2 . b) Die Zwischenschaltung einer Bank beim Abschluß des Investmentvertrags Regelmäßig wird der Investmentsparer den V e r t r a g nicht „an der H a u s t ü r e " 2 3 6 2 abschließen, aber auch nicht unmittelbar mit der Kapitalanlagegesellschaft in K o n t a k t treten, sondern eine Geschäftsbank — meist seine H a u s b a n k — einschalten. Diese kann dabei zunächst als offener Stellvertreter i. S. der §§ 164 ff BGB auftreten — sei es, daß sie im N a m e n ihres Kunden handelt, sei es, daß sie die Kapitalanlagegesellschaft vertritt 2 3 . Das ist offensichtlich aus steuerlichen G r ü n d e n verhältnismäßig häufig der Fall, um einen umsatzsteuerfreien Ersterwerb zu gewährleisten. D e r Investmentvertrag k o m m t dann unmittelbar zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Investmentsparer zustande. Anders ist die Rechtslage, wenn die zwischengeschaltete Bank gegenüber der Kapi- 2 3 6 3 talanlagegesellschaft im eigenen Namen für Rechnung des Kunden auftritt 2 4 . Die Bank wird dann zunächst selbst Partei des Investmentvertrages, so daß sie z. B. Schuldnerin 21
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Vgl. Schacher S. 5 2 ; Klenk S. 12; Baur §15 A n m . II. Vgl. im ü b r i g e n z u r e n t s p r e c h e n d e n V o r s c h r i f t des § 11 A I G e i n g e h e n d Holschbach Das Widerr u f s r e c h t n a c h § 1 1 A u s l a n d s I n v e s t m G in seiner A n l e g e r s c h u t z f u n k t i o n , 1972.
» Vgl. a u c h Klenk S. 13 Fn. 3 1 ; Weiget S. 9 7 ; Baur V o r b e m . v o r § 38 A n m . III 6 b = S. 340. 24 Vgl. d a z u a u c h Schicker S. 54 ff s o w i e f ü r den Fall d e r Z w i s c h e n s c h a l t u n g einer „ V e r t r i e b s g e s e l l s c h a f t " B G H W M 1973, 98, 9 9 v o r III.
Claus-Wilhelm
Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft des „Ausgabepreises" ist. Bezüglich der dinglichen W i r k u n g e n gelten die A u s f ü h r u n g e n oben Rdn. 1979 f und 2025 entsprechend. 2364
W e n i g geklärt ist, nach welchen Regeln sich in derartigen Fällen das Rechtsverhältnis zwischen dem Investmentsparer und der von ihm eingeschalteten Bank richtet. Tritt diese im f r e m d e n N a m e n auf, so ist die Frage allerdings leicht zu beantworten : es liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. der §§ 675, 611 ff B G B vor. H a n d e l t sie dagegen befugtermaßen im eigenen N a m e n , so kommen ein Kommissionsvertrag oder ein Eigengeschäft in Betracht. Es liegt daher nahe, die A b g r e n z u n g mit Hilfe von Ziff. 29 A G B vorzunehmen. Eine nähere P r ü f u n g ergibt jedoch, d a ß diese Klausel f ü r den Erwerb von Investmentanteilen nicht a n w e n d b a r ist (a. A. Baumbach/Duden24 Anh. II zu § 406 Ziff. 29 Anm. a. E.). Abs. 1 greift nicht ein, weil die Investmentanteile keine Wertpapiere darstellen, „die an der Börse z u m amtlichen H a n d e l zugelassen sind" — mag sich auch ihr Preis z. T . aus dem Kurs von börsengängigen Effekten ergeben (vgl. auch Baur § 21 Anm. III; Schönle § 23 I 5 a. E.). Auch Abs. 2 von Ziff. 29 A G B ist nicht einschlägig; denn unter „nicht zum amtlichen H a n d e l zugelassenen W e r t e n " i. S. dieser Vorschrift sind, wie sowohl der Z u s a m m e n h a n g mit Abs. 1 als auch die Gleichstellung der Kuxe erkennen läßt, nur solche E f f e k t e n zu verstehen, die ihrer N a t u r nach an sich an der Börse gehandelt werden könnten — und das ist bei den Investmentanteilen de lege lata gerade nicht der Fall. Eine ausdehnende oder gar eine analoge A n w e n d u n g von Ziff. 29 A G B k o m m t nicht in Frage, weil dem die f ü r die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Prinzipien entgegenstehen wie insbesondere die „Unklarheitenregel" und der G r u n d s a t z der Interpretation „contra stipulatorem". Es bleibt also nur der Rückgriff auf die allgemeinen Regeln über die A b g r e n z u n g zwischen Kommissionsgeschäft und Eigengeschäft. D a n a c h aber ist grundsätzlich ein Kommissionsgeschäft anzunehmen (vgl. oben Rdn. 1828).
2365
D a r a u s ergibt sich das weitere Problem, ob es sich um ein einfaches Kommissionsgeschäft oder um ein solches mit Selbsteintrittsrecht handelt. D a das rechtsgeschäftliche Selbsteintrittsrecht gemäß Ziff. 29 I AGB wegen der U n a n w e n d b a r k e i t dieser Klausel von vornherein entfällt, k o m m t allenfalls das gesetzliche Selbsteintrittsrecht des § 400 I H G B in Betracht. Dieses setzt allerdings die „amtliche" Feststellung eines Börsen- oder Marktpreises voraus, und eine solche findet bei Investmentanteilen nicht statt. Allerdings bietet die „offizielle" Bekanntgabe des Ausgabe- und des Rückkaufspreises gemäß § 21 III K A G G eine ähnliche Gewähr gegen Preismanipulationen der Bank wie die amtliche Feststellung eines Börsenkurses, und man wird daher § 400 I H G B grundsätzlich analog a n z u w e n d e n haben. Allerdings muß die Bank dann auch die ausdrückliche Selbsteintrittserklärung i. S. von § 405 I H G B abgeben, da Ziff. 29 A G B — die diese Erklärung überflüssig machen würde — ja nicht eingreift. Will der K u n d e allerdings seine Investmentanteile nicht zum Ausgabepreis erwerben bzw. z u m R ü c k n a h m e preis zurückgeben, sondern beauftragt er die Bank, die Anteile „bestens" zu kaufen oder zu verkaufen, so kann § 400 I H G B nicht analog angewandt werden, da dann kein fester Preismaßstab gegeben ist. Es liegt dann also nur ein einfaches Kommissionsgeschäft vor.
2366
Teil des Investmentvertrages sind grundsätzlich die „Vertragsbedingungen". Diese sind nach § 15 I K A G G vor Ausgabe der Anteilscheine schriftlich festzulegen und nach § 19 I 1 K A G G dem Erwerber auszuhändigen. Ist eine solche Aushändigung vor oder bei Abschluß des Investmentvertrags erfolgt, so bereitet die Frage nach dem Geltungs-
c) Die Geltung der Vertragsbedingungen
1210
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern grund der V e r t r a g s b e d i n g u n g e n keine Schwierigkeiten: diese werden dann G e g e n s t a n d des Vertragsschlusses und damit ohne weiteres k r a f t rechtsgeschäftlicher V e r e i n b a r u n g Vertragsinhalt. N i c h t g a n z so klar ist die Rechtslage, wenn die A u s h ä n d i g u n g des T e x t e s der V e r - 2 3 6 7 t r a g s b e d i n g u n g e n erst nach Vertragsschluß erfolgt o d e r s o g a r gänzlich unterblieben ist. Im Schrifttum wird z. T . a n g e n o m m e n , daß die G e l t u n g der V e r t r a g s b e d i n g u n g e n k r a f t G e s e t z e s mit d e m Abschluß des Investmentvertrages v e r k n ü p f t ist 2 5 . D a s d ü r f t e indessen zu weit gehen. Z w a r ist es richtig, daß das K A G G in den § § 6 1 2 und 15 I offensichtlich die G e l t u n g der V e r t r a g s b e d i n g u n g e n als selbstverständlich voraussetzt, d o c h kann man d a r a u s nicht schließen, daß es sie zugleich auch anordnet. Eine derartige gesetzliche E i n b e z i e h u n g s e r k l ä r u n g w ä r e vielmehr im R e c h t der Allgemeinen G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n — als welche die V e r t r a g s b e d i n g u n g e n ja zu qualifizieren sind — eine einmalige Besonderheit und Systemwidrigkeit und könnte daher nur a n g e n o m men werden, wenn sie sich unmißverständlich aus dem G e s e t z ergäbe. D a s ist indessen nicht der Fall. D e n n die § § 6 1 2 , 15 1 K A G G können auch so verstanden werden, daß d a s G e s e t z hier die rechtsgeschäftliche V e r e i n b a r u n g als selbstverständlich voraussetzt und von ihr als d e m N o r m a l f a l l ausgeht. In der T a t wird auch ohne A u s h ä n d i g u n g des T e x t e s der V e r t r a g s b e d i n g u n g e n deren Geltung in aller R e g e l konkludent vereinbart sein. D e r e n V e r w e n d u n g ist nämlich verkehrsüblich, und es gelten daher dieselben R e g e l n , die auch sonst in vergleichbaren Fällen wie z. B. im V e r s i c h e r u n g s - , B a n k o d e r Speditionswesen anerkannt sind: die V e r t r a g s b e d i n g u n g e n sind g e m ä ß § 157 B G B als konkludent vereinbart anzusehen, weil (und soweit) der K u n d e mit ihrer Z u g r u n d e legung rechnen mußte (vgl. z. B. B G H Z 42 53, 55 f ; B G H N J W 1968 1718, 1719). D i e Aushändigungspflicht nach § 19 I 1 K A G G steht d e m nicht entgegen. D e r G e s e t z g e b e r hat hier nämlich keine b e s o n d e r e Sanktion statuiert, und daher kann ein V e r s t o ß g e g e n § 1 9 1 1 K A G G nur z u der R e c h t s f o l g e führen, die eine Pflichtverletzung im allgemeinen nach sich zieht, also z u einem S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h und nicht z u r mangelnden G e l t u n g der V e r t r a g s b e d i n g u n g e n . D a s Gegenteil hätte ausdrücklich a n g e o r d n e t werden müssen, z u m a l der G e s e t z g e b e r die Geltung der V e r t r a g s b e d i n g u n g e n , wie g e s a g t , o f f e n b a r als selbstverständlich voraussetzt, ja den Investmentvertrag g e r a d e z u als einen T y p u s konzipiert hat, der notwendigerweise der E r g ä n z u n g durch die V e r t r a g s b e d i n g u n g e n bedarf. Allerdings kann der Anteilsinhaber auf dem U m w e g über § 249 B G B u. U . verlangen, s o gestellt z u werden, als hätte er den Investmentvertrag nicht a b g e schlossen; das setzt j e d o c h den N a c h w e i s v o r a u s , daß er das G e s c h ä f t bei rechtzeitiger A u s h ä n d i g u n g der B e d i n g u n g e n nicht v o r g e n o m m e n hätte. D i e V e r t r a g s b e d i n g u n g e n bedürfen g e m ä ß § 15 II 1 K A G G der G e n e h m i g u n g 2 3 6 8 durch die B a n k a u f s i c h t s b e h ö r d e . D e r e n Fehlen läßt indessen die G e l t u n g der — ordn u n g s g e m ä ß vereinbarten — V e r t r a g s b e d i n g u n g e n unberührt (a. A. Schacher S. 48 f ; Baur § 15 A n m . I V ) . § 15 II 1 K A G G stellt nämlich eine rein aufsichtsrechtliche V o r schrift d a r , die dementsprechend grundsätzlich auch nur aufsichtsrechtliche S a n k t i o nen nach sich ziehen kann. Sollte hier eine präventive behördliche Inhaltskontrolle Allgemeiner G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n mit privatrechtlicher W i r k u n g vorliegen, so w ä r e das — wie insbesondere die Parallele z u m entsprechenden P r o b l e m bei den V e r s i c h e r u n g s b e d i n g u n g e n zeigt — eine systemwidrige A u s n a h m e , die d e m g e m ä ß einer unmißverständlichen F o r m u l i e r u n g bedurft hätte. D i e von d e r G e g e n a n s i c h t h e r a n g e z o g e n e Lehre v o m privatrechtsgestaltenden V e r w a l t u n g s a k t paßt hier nicht; denn sie w ü r d e 25
Vgl. Schäcker S . 53 und Baur § 15 Anm. III, die j e d o c h beide inkonsequenter W e i s e zugleich § 157 B G B heranziehen.
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
voraussetzen, daß ein bestimmtes Rechtsgeschäft der behördlichen Genehmigung bedarf, und das ist hier nicht der Fall, weil ja nicht die einzelnen Investmentverträge, sondern nur die Vertragsbedingungen — die als solche kein Rechtsgeschäft sind und für sich allein keinerlei Rechtswirkung haben — dem Genehmigungserfordernis unterliegen. 2369
Für die Prüfung der Vertragsbedingungen durch die Gerichte gelten die allgemeinen Regeln über die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Vertragsbedingungen sind also am Maßstab der §§ 9 ff AGBG zu messen. Das gilt auch dann, wenn sie nach § 15 II 1 KAGG von der Bankaufsichtsbehörde genehmigt worden sind; denn die Kontrolle durch eine Verwaltungsbehörde verändert weder die privatrechtlichen Gültigkeitskriterien für den Inhalt von Rechtsgeschäften noch beschränkt sie gar die Kompetenz der Zivilgerichte zu einer Gültigkeitsprüfung, wie sich übrigens auch aus dem Umkehrschluß aus § 23 III AGBG ergibt.
2370
Eine nachträgliche Änderung der Vertragsbedingungen setzt gemäß § 305 BGB an sich die Zustimmung der Anteilinhaber voraus, doch pflegen sich die Kapitalanlagegesellschaften in den Bedingungen das Recht zu einer einseitigen Änderung vorzubehalten. Eine solche Klausel ist rechtlich zulässig, sofern nicht gegen § 10 Ziff. 4 AGBG verstoßen wird, doch unterliegt die Änderung der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 315 BGB 26 . Diese kann auch durch die einzelnen Anteilinhaber veranlaßt werden — sei es im Wege einer Inzidentprüfung, sei es bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen mit Hilfe einer Feststellungsklage. Hier ein Klagemonopol der Depotbank gemäß oder analog § 12 VIII Ziff. 1 KAGG anzunehmen 2 7 , ist verfehlt. Denn die Depotbank hat ihrer Funktion entsprechend allenfalls insoweit eine verdrängende Zuständigkeit, als es um die Erhaltung und Zusammensetzung des Sondervermögens geht, nicht aber etwa für sämtliche Rechtsstreitigkeiten zwischen den Anteilinhabern und der Kapitalanlagegesellschaft; im übrigen läßt § 12 VIII Ziff. 1 KAGG nach richtiger Ansicht ohnehin die konkurrierende Zuständigkeit der Anteilinhaber unberührt (vgl. unten Rdn. 2437). Die Änderung der Vertragsbedingungen bedarf gemäß oder analog § 15 II 1 KAGG der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Denn sonst könnte deren Mitwirkungsbefugnis bei der Aufstellung der Bedingungen durch nachträgliche Änderungen beliebig unterlaufen werden. Ein Fehlen der Genehmigung hat aber auch hier folgerichtig keine privatrechtlichen, sondern allenfalls aufsichtsrechtliche Konsequenzen (vgl. oben Rdn. 2368). d) Die Ausgabe des Anteilscheines und die Erlangung der Mitberechtigung am Sondervermögen durch den Anteilinhaber
2371
Das Investmentgeschäft setzt gemäß § 1 I KAGG notwendigerweise die Ausgabe von Anteilscheinen voraus. Diese sind Wertpapiere i. e. S. (vgl. statt aller Baur § 18 Anm. I m. umf. Nachw.). Das folgt ohne weiteres aus § 18 I KAGG, wonach die Anteilscheine entweder als Inhaberpapiere oder als Orderpapiere ausgestaltet sind.
2372
Umstritten ist allerdings, was als Gegenstand der Verbriefung anzusehen ist. Der Wortlaut des § 18 I 1 KAGG legt nahe, daß nur die rein schuldrechtlichen Ansprüche der Anteilinhaber gegen die Kapitalanlagegesellschaft, nicht aber auch die dingliche Beteiligung am Sondervermögen (im Falle der Miteigentumslösung) in den Urkunden
« Vgl. z. B. Schicker S. 60 f; Roth S. 126; Baur% 15 Anm. VI m. w. N a c h w .
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v So Schäcker S. 61; Reuter S. 112.
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III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern verbrieft sind. In die gleiche Richtung weist § 18 III KAGG, wonach „mit der Übertragung der in dem Anteilschein verbrieften Ansprüche auch der Anteil. . . an den zum Sondervermögen gehörenden Gegenständen . . . übergeht"; das klingt so, als wäre unmittelbarer Gegenstand einer Anteilsübertragung nur der obligatorische Anspruch gegen die Kapitalanlagegesellschaft und als sei der Ubergang der dinglichen Mitberechtigung damit lediglich von Gesetzes wegen nach dem Akzessorietätsprinzip verknüpft. In der Tat wird denn auch § 18 KAGG im Schrifttum z. T. in diesem Sinne verstanden 28 . Dem ist in Ubereinstimmung mit der h. L. zu folgen 2 9 . Dafür spricht zunächst schon der Wortlaut des § 1 I KAGG. Dort hießt es nämlich, die Kapitalanlagegesellschaft hätte bei ihr eingelegtes Geld „für gemeinschaftliche Rechnung der Einleger . . . anzulegen und über die hieraus sich ergebenden Rechte der Einleger Urkunden (Anteilscheine) auszustellen"; das Wort „hieraus" meint aber offenkundig nicht nur die obligatorischen Ansprüche, sondern die gesamte Rechtsstellung der Einleger. Folglich besteht zwischen dem Wortlaut von § 18 I KAGG einerseits und von § 1 I KAGG andererseits eine Divergenz, so daß mit einer reinen Wortlautinterpretation nicht zum Ziel zu kommen ist. Den Ausschlag können daher nur teleologische Gesichtspunkte geben. Dabei spricht für die von der h. L. vertretene Ansicht, wonach der Anteilschein die Berechtigung des Kunden in ihrer Gesamtheit verbrieft, zunächst schon die Überlegung, daß sonst zwischen der Treuhandkonstruktion und der Miteigentumskonstruktion schwerwiegende Wertungswidersprüche entstehen könnten; denn die Treuhandkonstruktion läßt sich mit bloßen obligatorischen Ansprüchen des Anteilinhabers gegen die Kapitalanlagegesellschaft erfassen, so daß man hier auch bei Annahme eines rein schuldrechtlichen Wertpapiers zur Verbriefung der gesamten Rechtsstellung kommen könnte, wohingegen dieser Weg bei der Miteigentumskonstruktion keinesfalls gangbar wäre. Entscheidend kommt hinzu, daß die Gegenansicht einer wirtschaftlichen Betrachtungweise geradezu Hohn spricht. Den Schwerpunkt der Stellung des Anteilinhabers bilden nämlich unter diesem Gesichtspunkt zweifellos nicht die Ansprüche auf Geschäftsbesorgung und Verwaltung gegen die Kapitalanlagegesellschaft, sondern die Beteiligung am Sondervermögen, und daher muß der Anteilschein diese vernünftigerweise mitverbriefen — zumal sich nach ihr gemäß §21 II KAGG auch rechtlich der Preis des Anteilscheins richtet. Dogmatisch ergibt sich daraus, daß der Anteilschein keine Schuldverschreibung ist 2 3 7 3 (a. A. z. B. Rehfeldt/Zöllneru § 29 III 3 a. E.) und sich auch sonst in die gängigen wertpapierrechtlichen Kategorien, soweit das maßgebliche Unterscheidungskriterium für diese in der Art des verbrieften Rechts liegt, nicht einordnen läßt. Es handelt sich insoweit vielmehr um ein Wertpapier eigener Art (vgl. auch Baur §18 Anm. I m. w. Nachw.). Dieses ist durch das KAGG geschaffen worden und verstößt daher nicht gegen das Prinzip des numerus clausus der Wertpapiere. Die Vorschriften der §§ 793 ff BGB gelten folglich nicht unmittelbar. Sie können aber selbstverständlich teilweise analog angewandt werden, soweit sie auch auf Inhaberpapiere anderer Art passen; dem entspricht, daß in § 24 II KAGG ausdrücklich die sinngemäße Geltung der §§ 799 II und 800 BGB angeordnet wird. Aus dem wertpapierrechtlichen Charakter des Anteilscheins folgt, daß das Recht an 2 3 7 4 diesem gemäß den allgemeinen Grundsätzen des Wertpapierrechts durch einen besonderen Begebungsvertrag zustande kommt (vgl. näher Klenk S. 36 ff). Dieser ist recht-
28
Vgl. z. B. Ebner von Eschenbach S. 158 f f ; Wendt S. 181 ff.
» Vgl. z. B. von Caemmerer J Z 1958, 48; Geßler S. 25; Baur% 18 Anm. I; Schönle % 23 I 5; widersprüchlich Schicker S. 79 f.
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft lieh von dem rein obligatorischen Investmentvertrag, aus dem die Pflicht der Kapitalanlagegesellschaft zur Ausstellung und Begebung des Anteilscheins und die Pflicht des Kunden zur Bezahlung des Ausgabepreises entspringen (vgl. oben Rdn. 2358), grundsätzlich zu unterscheiden und verhält sich zu diesem ebenso wie z. B. der wechselrechtliche Begebungsvertrag zu der zugrunde liegenden Abrede, also etwa der Sicherungsabrede usw. 2375
Für Mängel des Begebungsvertrags gelten grundsätzlich die allgemeinen wertpapierrechtlichen Regeln (vgl. eingehend Klenk S. 42 ff). Danach kommt ein Einwendungsausschluß kraft Rechtsscheins beim Ersterwerb, um den es an dieser Stelle allein geht (vgl. zum Zweiterwerb unten Rdn. 2388), nicht in Betracht. Denn beim Ersterwerb liegt immer eine „unmittelbare" Einwendung vor, und bei dieser kann es keinen gutgläubigen einwendungsfreien Erwerb geben, weil es an einem „Umlauf" des Papiers und damit an einem schutzwürdigen Erwerbsakt fehlt 30 .
2376
Mängel des Investmentvertrages ergreifen als solche den Begebungsvertrag grundsätzlich nicht, da dieser wie alle dinglichen Rechtsgeschäfte im Zweifel abstrakt ist. Sie können dem Anspruch aus dem Anteil jedoch regelmäßig auf dem Umweg über die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegengesetzt werden. Im übrigen werden derartige Mängel meist ohnehin auch dem Begebungsvertrag selbst anhaften, so daß dieser ohne weiteres nichtig bzw. anfechtbar ist.
2377
Ein für das Investmentgeschäft spezifischer Mangel des Begebungsvertrags ist ein Verstoß gegen § 21 I KAGG. Danach dürfen Anteilscheine nur gegen volle Leistung des Ausgabepreises ausgegeben werden; Sacheinlagen sind unzulässig. Diese Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut und ihrem Schutzzweck als gesetzliches Verbot i. S. von § 134 BGB zu qualifizieren, so daß ihre Verletzung die Nichtigkeit des Begebungsvertrags zur Folge hat 3 1 . Die Gültigkeit des zugrunde liegenden Kausalvertrags, also des Investmentvertrags wird dadurch jedoch nicht berührt — es sei denn, dieser enthält eine Abrede, nach der die Ausgabe ohne volle Leistung des Ausgabepreises erfolgen soll; eine solche Vereinbarung verstieße ihrerseits gegen § 134 BGB und wäre daher nichtig, was gemäß § 139 BGB im Zweifel die Nichtigkeit des gesamten Kausalgeschäfts zur Folge hätte. Als „Ausgabepreis" i. S. von § 21 KAGG ist nicht etwa ein zwischen Kapitalanlagegesellschaft und dem Erwerber frei ausgehandelter oder von der letzteren nach ihrem Belieben festgesetzter Preis anzusehen, sondern der nach § 21 II KAGG ermittelte Ausgabepreis, der auf der Grundlage des objektiven Werts des Sondervermögens beruht. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 21 KAGG, sondern auch aus dem Schutzzweck der Vorschrift; diese will nämlich verhindern, daß der Wert der Anteile für die bisherigen Fondsbeteiligten durch eine zu billige Ausgabe neuer Anteile geschmälert wird, und dem läßt sich nur Rechnung tragen, indem man der Kapitalanlagegesellschaft grundsätzlich die Freiheit der Preisgestaltung nimmt und sie an die objektiven Bewertungsgrundsätze des § 21 II KAGG bindet. § 21 I KAGG ist folglich nicht nur dann verletzt, wenn der Ausgabepreis nicht bezahlt ist, sondern auch dann, wenn ein zu niedriger Ausgabepreis festgesetzt wurde. Gegenüber einem gutgläubigen Zweiterwerber kann ein Verstoß gegen § 2 1 I KAGG allerdings nicht geltend gemacht werden (vgl. näher unten Rdn. 2389).
30 Vgl. näher Hueck/Canaris piere 1 1 , § 19 I 2 a.
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Recht der Wertpa-
31
Vgl. Geßler S. 26; Schicker S. 124; Wendt S. 168; Baur% 21 Anm. II 2.
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III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern Die Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen erlangt der Erwerber nicht erst 2 3 7 8 durch den Begebungsvertrag, sondern schon durch die Einzahlung (a. A. Erstbearbeitung Anm. 1119). Diese fällt nämlich gemäß § 6 I KAGG kraft Gesetzes bereits in dem Augenblick in das Sondervermögen, in dem der Fonds das Geld erlangt (vgl. unten Rdn. 2400 f), und daher ist es folgerichtig, dem Erwerber auch bereits in diesem Zeitpunkt einen entsprechenden Anteil am Sondervermögen zuzuerkennen, weil sonst eine unerfreuliche Inkongruenz zwischen der Zusammensetzung des Sondervermögens und dem Kreis der daran beteiligten Personen entstünde. Da der Erwerber somit schon vor der Verbriefung seiner Berechtigung im wesentlichen dieselben Rechte innehat wie danach, stellt der Anteilschein kein konstitutives, sondern ein deklaratorisches Wertpapier dar. Diese Ansicht entspricht i. E. der h. L. 32 , doch sind deren Bemühungen, den Anteilserwerb mit Hilfe der allgemeinen rechtsgeschäftlichen Konstruktionsmöglichkeiten zu erklären 3 3 , zu gekünstelt. Richtig ist vielmehr, im Wege der Auslegung des KAGG einen gesetzlichen Erwerb kraft Anwachsung anzunehmen 3 4 . Dem Begebungsvertrag kommt dann im wesentlichen nur noch die Funktion zu, die Verbindung zwischen dem bisher unverbrieften Anteil und dem Papier herbeizuführen 3 5 . Die Anwachsung hat zugleich eine Umstrukturierung der Anteile zur Folge, wie sie 2 3 7 9 ähnlich z. B. auch aus dem Recht des Effektenferngiroverkehrs bekannt ist (vgl. dazu oben Rdn. 2023). Nach § 6 KAGG erlangen die bisherigen Inhaber des Sondervermögens nämlich einen Anteil an der Einlage des neuen Mitglieds, während dieses seinerseits entsprechend an dem bisherigen Sondervermögen — also z. B. an dem Effektenbestand — beteiligt wird. Wirtschaftlich gesehen liegt darin keine wesentliche Umschichtung, aber rechtlich handelt es sich zweifellos um eine inhaltliche Veränderung der Anteile. Die Kapitalanlagegesellschaft bedarf dazu keiner besonderen Ermächtigung, da die Umstrukturierung der Anteile nach der hier vertretenen Ansicht nicht durch ein darauf gerichtetes Rechtsgeschäft, sondern kraft Gesetzes eintritt. Im übrigen steht jedenfalls außer Frage, daß die Inhaber des Sondervermögens die durch die Veräußerung neuer Anteile entstehende Umstrukturierung ihrer bisherigen Anteile ohne weiteres hinnehmen müssen; denn diese ist die notwendige Folge des dem KAGG zugrunde liegenden „open-end-Prinzips". 2. Die Übertragung des Anteils und ihr Einfluß auf das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Anteilinhaber a) Das Kausalgeschäft beim Zweiterwerb Anteilscheine können nicht nur im Wege des Ersterwerbs gegen Zahlung des Aus- 2 3 8 0 gabepreises gemäß § 21 I KAGG erworben werden, sondern auch im Wege des Zweiterwerbs von einem bisherigen Anteilinhaber. Der zweite Fall unterscheidet sich von dem ersten u. a. dadurch, daß die Zahl der Anteile sich nicht vermehrt, sondern lediglich schon bisher bestehende Anteile den Inhaber wechseln. Das hat Folgen für die Rechtsnatur des Kausalgeschäfts. Es kann sich hier nämlich nicht um einen Geschäftsbesorgungs- und Treuhandvertrag handeln wie beim Ersterwerb (vgl. dazu oben
52 Vgl. z . B . Klenk S. 18 ff; Schicker S. 57 und S. 79; Baur% 1 Anm. II 6 und § 18 Anm. VII 4; a. A. z. B. Schuler N J W 1957, 1051; Ebner von Eschenbach S. 55. « V g l . Schicker S. 80 ff; Reuter S. 117; Klenk S. 27; Baur § 18 Anm. VII 4; Ebner von Eschenbach S. 160 f; Geßler S. 25; Schüler N J W 1957,
1053; Consbruch BB 1957, 340; Kruhme S. 32 m. w. N a c h w . ; kritisch Wendt S. 173 ff. Vgl. dazu auch Schulze-Osterloh Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 146. 35 Vgl. auch Hueck/Canaris a a O (Fn. 30) § 28 II 2 zur entsprechenden Problematik bei der Aktie. 34
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
Rdn. 2352); denn der Veräußerer verspricht hier dem Erwerber ja nicht, dessen Einlage in bestimmter Weise zu verwalten, sondern ihm ein Wertpapier und das darin verbriefte Recht zu verschaffen. Folglich liegt ein Rechtskauf i. S. von § 433 I 2 BGB vor. 2381
Das gilt grundsätzlich auch für den Erwerb des Anteils aus dem Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft. Dieser Fall ist dogmatisch von dem des Ersterwerbs streng zu unterscheiden. Im Gegensatz zu diesem begründet die Kapitalanlagegesellschaft hier nämlich nicht einen neuen Anteil, sondern veräußert einen bereits bestehenden Anteil, den sie von einem früheren Inhaber erworben und in ihr eigenes Vermögen übernommen hatte mit der Folge, daß sie insoweit selbst Anteilinhaber und Mitberechtigte hinsichtlich des Sondervermögens geworden war (vgl. dazu näher unten Rdn. 2451). Sie steht daher dem Erwerber jetzt nicht in ihrer Eigenschaft als Fondsverwalter, sondern grundsätzlich wie ein gewöhnlicher Dritter als veräußerungsbereiter Anteilinhaber gegenüber und folglich liegt hier ebenso wie in den sonstigen Fällen des Zweiterwerbs ein Kaufvertrag vor. Die spezifisch investmentrechtlichen Ansprüche gegen die Kapitalanlagegesellschaft haben ihren Rechtsgrund hier also weder in einem Investmentvertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Erwerber noch in einem entsprechenden Begebungsvertrag, sondern in dem abgetretenen Recht (vgl. zu dessen Erwerb in dinglicher Hinsicht näher unten Rdn. 2384 ff). Wirtschaftlich gesehen ist der Fall allerdings dem der Erstausgabe eng verwandt. Das hat auch rechtliche Konsequenzen. So sind die Schutzpflichten, die der Kapitalanlagegesellschaft „in contrahendo" obliegen, grundsätzlich die gleichen wie bei einem echten Ersterwerb. Denn wegen der engen wirtschaftlichen Verwandtschaft darf der Erwerber, dem die rechtlichen Unterschiede häufig nicht einmal bewußt sein werden, hier nicht schlechter stehen als bei einer Neuausgabe. Andererseits braucht er aber auch nicht besser zu stehen. Demgemäß wird man z. B. in bestimmten Fällen hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs nicht die Regeln über den Zweiterwerb, sondern die — für den Erwerber ungünstigeren — Regeln über den Ersterwerb anzuwenden haben (vgl. näher unten Rdn. 2390 a. E.).
2382
Im übrigen dürfte ein Angebot des Kunden an die Kapitalanlagegesellschaft über den Erwerb von Anteilen gemäß §§ 133, 157 BGB i. d. R. dahin auszulegen sein, daß die Kapitalanlagesellschaft nach ihrer Wahl entweder neue Anteile schaffen oder Anteile aus ihrem eigenen Vermögen verkaufen darf (vgl. Klenk S. 12 f; Baur § 15 Anm. II). Aus ihrer Annahmeerklärung sollte allerdings klar hervorgehen, welche Möglichkeit sie gewählt hat; ist das nicht der Fall und läßt es sich auch nicht im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ermitteln, so ist das Kausalgeschäft wegen mangelnder Bestimmtheit des Vertragstypus nach den Regeln über den Dissens als nichtig anzusehen.
2383
Erfolgt der Kauf der Investmentanteile unter Zwischenschaltung einer Bank, so gelten die Ausführungen oben Rdn. 2362 ff entsprechend. b) Das dingliche Geschäft beim Zweiterwerb
2384
Die f ü r eine Anteilsübertragung erforderlichen Rechtsakte bestimmen sich grundsätzlich danach, ob der Anteil auf den Inhaber oder auf Namen lautet, was nach § 1 8 1 2 KAGG beides möglich ist. Im ersten Falle hat die Übertragung durch Einigung und Übergabe gemäß §§ 929 ff BGB zu erfolgen, im zweiten Falle durch Begebungsvertrag und Indossament gemäß §§18 1 3 KAGG, 68 I 1 AktG, Art. 13 W G .
2385
Ob daneben auch eine Übertragung nach den Regeln des allgemeinen bürgerlichen Rechts zulässig ist, ist streitig. Teilweise wird das verneint mit der Begründung, dann 1216
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
sei die in § 1 I KAGG enthaltene Regel, wonach die Verbriefung des Anteils zwingend vorgeschrieben ist, ohne Sinn (vgl. Klenk S. 60 f; Baur% 18 Anm. III 2 c). Das ist indessen unrichtig; denn auch bei Wechsel und Scheck ist die Ausstellung des Wertpapiers konstitutiv f ü r die Entstehung des verbrieften Rechts und also „zwingend", und dennoch wird gerade für diese Papiere eine Übertragung nach § 398 BGB von der h. L. zugelassen (vgl. statt aller Hueck/Canaris § 10 I). Folgerichtig ist für die Anteilscheine ebenso zu entscheiden (vgl. auch von CaemmererJZ 1958 72). Als besondere Übertragungsform steht ferner ebenso wie bei sonstigen Effekten die 2 3 8 6 Übereignung durch Absendung des Stückeverzeichnisses gemäß § 18 III DepG zur Verfügung (vgl. auch Klenk S. 74; Baur § 18 Anm. II 1). Im Falle der Sammelverwahrung bei einer Wertpapiersammelbank kann die Übertragung der Anteile, deren Sammeldepotfähigkeit und -eignung durch § 24 I KAGG für Inhaberpapiere und blanko indossierte Namenspapiere ausdrücklich bestätigt wird, außerdem durch Eintragung in das Verwahrungsbuch gemäß § 24 II DepG erfolgen (vgl. auch Klenk und Baur aaO) sowie durch Übereignung des Miteigentumsanteils nach den Regeln des Effektengiroverkehrs (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 2016 ff). Da die Anteilscheine gemäß § 18 I KAGG entweder als Inhaber- oder als Orderpa- 2 3 8 7 piere ausgestaltet sind, besteht grundsätzlich die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs. Dabei ist zunächst zu denken an den gutgläubigen Erwerb eines zwar bestehenden, aber nicht dem Veräußerer gehörenden Anteils. H i e r f ü r gelten bei Inhaberpapieren die Vorschriften der §§ 932 ff BGB und bei Orderpapieren die Vorschriften der §§18 1 3 KAGG, 68 I 2 AktG, Art. 16 II W G . Der Umfang des Gutglaubensschutzes richtet sich dabei nach den allgemeinen Regeln. Daher kann durch den guten Glauben nicht nur der Mangel des Eigentums des Veräußerers überwunden werden, sondern nach h. L. bei Orderpapieren auch ein Mangel des dinglichen Übereignungsvertrages zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber wie z. B. das Fehlen der Geschäftsfähigkeit oder der Vertretungsmacht (vgl. dazu näher Hueck/Canaris § 10 IV 2 b cc). § 935 II BGB läßt allerdings einen vergleichbaren Schutz für Inhaberpapiere unzweifelhaft nicht zu, und man kommt daher vom Boden der h. L. aus zu dem absonderlichen Ergebnis, daß der Gutglaubensschutz bei einer Ausgestaltung des Anteilscheins als Orderpapier weiter reicht als bei einer Ausgestaltung als Inhaberpapier (vgl. auch Klenk S. 75 ff, insbesondere S. 82). Von dieser Form des gutgläubigen Erwerbs streng zu unterscheiden ist der Einwen- 2 3 8 8 dungsausschluß kraft guten Glaubens. Der Mangel betrifft dann nicht das Verhältnis zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer bzw. dem wahren Berechtigten, sondern das Verhältnis zwischen dem Erwerber und der Kapitalanlagegesellschaft; anders gesprochen: es geht hier nicht darum, daß der — bestehende — Anteil in Wahrheit einem anderen als dem Veräußerer gehört oder nicht fehlerfrei übertragen worden ist, sondern darum, daß der Anteil gar nicht wirksam entstanden ist oder daß der Kapitalanlagegesellschaft gegenüber dem ersten Anteilinhaber Einwendungen oder Einreden zustehen. Auch hier ist für den Zweit- oder Dritterwerber ein gutgläubiger Erwerb möglich, doch richtet sich dieser nicht nach den §§ 932 ff BGB bzw. nach Art. 16 II W G , sondern nach den Grundsätzen der Rechtssscheintheorie, wie sie insbesondere aus der Analogie zu den §§ 794, 796 BGB, 364 II H G B folgen. Danach scheidet ein Gutglaubensschutz von vornherein aus bei Einwendungen, die sich aus dem Inhalt der Urkunde ergeben oder die die Zurechenbarkeit der Rechtsscheinsetzung ausschließen (vgl. dazu näher Hueck/Canaris § 19). Dagegen können Einwendungen, die lediglich die Wirksamkeit des Begebungsvertrags zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem ersten Anteilinhaber — nicht aber die Zurechenbarkeit der Ausstellung! — betrefClaus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
fen, einem gutgläubigen Zweit- oder Dritterwerber nicht entgegengesetzt werden (vgl. auch Klenk S. 42 ff). 2389
Ein Beispiel, das in diesen Zusammenhang gehört, ist ein Verstoß gegen das Verbot der Ausgabe nicht voll bezahlter Anteilscheine gemäß § 21 KAGG. Ein solcher macht zwar den Begebungsvertrag mit dem ersten Anteilerwerber gemäß § 134 BGB nichtig (vgl. oben Rdn. 2377), doch kann dieser Einwand einem gutgläubigen späteren Erwerber nach den Grundsätzen über den Einwendungsausschluß kraft Rechtsscheins nicht entgegengesetzt werden, da er weder aus der Urkunde ersichtlich ist noch die Zurechenbarkeit ihrer Ausstellung beeinträchtigt 36 . In einem solchen Fall hat die Kapitalanlagegesellschaft gemäß § 2 1 1 3 KAGG die Verpflichtung, den Ausgabepreis aus ihrem eigenen Vermögen in das Sondervermögen einzulegen, doch kann sie u. U. bei dem ersten Anteilerwerber Regreß nehmen — sei es aus dem mit diesem geschlossenen Investmentvertrag und der daraus entspringenden Zahlungsverpflichtung, sei es bei dessen Unwirksamkeit aus culpa in contrahendo. Bei sonstigen Mängeln des Begebungsvertrags und bei einem Abhandenkommen von Anteilsscheinen vor Ausgabe an die Einleger gilt § 21 I 3 KAGG dagegen nur, wenn der Mangel dem Fonds zuzurechnen ist wie z. B., wenn er eine Pflichtverletzung begangen hat oder ein vermeidbares Risiko eingegangen ist 37 .
2390
Auch bei einem Erwerb aus dem Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft, die nicht nur Anteile neu schaffen, sondern auch eigene Anteile verkaufen kann (vgl. oben Rdn. 2381), gelten für den dinglichen Übertragungsakt grundsätzlich die allgemeinen Regeln über den Zweiterwerb. Dieser vollzieht sich also nicht etwa nach den oben Rdn. 2374 und 2378 entwickelten Grundsätzen, sondern grundsätzlich nach den S S 929 ff BGB bzw. den S S 18 I 3 KAGG, 68 I 1 AktG, Art. 13 W G oder den sonstigen oben Rdn. 2384 ff dargestellten Ubertragungsmöglichkeiten. Zweifelhaft ist dagegen, ob der Erwerb aus dem Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft auch bezüglich des Gutglaubensschutzes als echter Zweiterwerb zu behandeln ist. Funktionell und wirtschaftlich gesehen liegt hier nämlich ein Fall vor, der eng verwandt mit dem des Ersterwerbs ist (vgl. oben Rdn. 2381 Abs. 2) — und beim Ersterwerb gibt es grundsätzlich keinen gutgläubigen Erwerb (vgl. oben Rdn. 2375). Gleichwohl ist die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs auch hier grundsätzlich zu bejahen. In Wahrheit geht es nämlich insoweit regelmäßig um Risiken, die bei einem echten Ersterwerb überhaupt nicht auftreten können und vor denen der Erwerber daher Schutz verdient; so kann z. B. der Fall, daß der Anteil nicht der Kapitalanlagegesellschaft, sondern einem Dritten gehört, bei einem Ersterwerb überhaupt nicht vorkommen, und auch das Risiko, daß der Anteil nicht wirksam entstanden oder mit Einwendungen behaftet ist, kann man dem Erwerber nicht aufbürden, weil er anders als beim echten Ersterwerb an dem betreffenden Begebungsvertrag nicht beteiligt war und daher auch nicht durch dessen Mängel belastet werden darf. Eine Ausnahme ist allerdings hinsichtlich solcher Mängel zu machen, die den Begebungsvertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Erwerber betreffen. Auch wenn man insoweit gemäß Art. 16 II W G bei Orderpapieren einen gutgläubigen Erwerb mit der h. L. für möglich hält, so besteht doch kein Anlaß, diese — mit dem Rechtsscheinprinzip und mit S 935 II BGB ohnehin in Widerspruch stehende — Ansicht auch auf den Fall eines Erwerbs aus dem Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft zu übertragen. Denn beim echten Ersterwerb
Vgl. auch Geßler S. 26; Schicker S. 124; Wendt S. 168; Baur% 21 Anm. II 2 und 3; Hueck/Canaris a a O § 29 III 2.
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37
Vgl. näher Hueck/Canaris a a O § 29 III 2; a. A. z. B. Baur% 21 Anm. II 3 m. w. N a c h w .
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
gibt es unzweifelhaft keinen Gutglaubensschutz gegenüber Mängeln des Begebungsvertrags, und daher ist ein solcher insoweit auch beim Zweiterwerb von der Kapitalanlagegesellschaft zu versagen, da der Erwerber wegen dessen funktioneller und wirtschaftlicher Gleichwertigkeit mit dem echten Ersterwerb nicht besser als bei diesem zu stehen braucht; daß der Begebungsvertrag dort die Begründung, hier aber die Übertragung des Rechts zum Gegenstand hat, kann keinen Unterschied machen. c) Die Rechtsfolgen der Anteilsübertragung Die Übertragung des Anteils führt zum Ubergang aller Rechte vom Veräußerer auf 2391 den Erwerber. Das gilt auch dann, wenn man entgegen der oben Rdn. 2372 vertretenen Ansicht davon ausgeht, daß der Anteilschein nur die obligatorischen Rechte und nicht auch die dingliche Mitberechtigung am Sondervermögen verbrieft. Denn § 18 III KAGG ordnet ausdrücklich an, daß der Anteil des Veräußerers am Sondervermögen mitübergeht. Unmittelbare Bedeutung hat diese Vorschrift nur für die „Miteigentumslösung" gemäß § 6 I 2 KAGG, während bei der „Treuhandlösung" der Übergang der vollen Rechtsstellung ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist (vgl. z. B. Baur§ 18 Anm. VII 1 m. w. Nachw.). In welcher Form die Übertragung des Anteils erfolgt, spielt für die Anwendbarkeit des § 18 III KAGG nach seinem Wortlaut und seinem Sinn keine Rolle, da er jedenfalls ein Auseinanderfallen des Eigentums am Anteilschein und der Mitberechtigung am Sondervermögen verhindern soll. Die Vorschrift gilt daher nicht nur bei einer Übertragung nach den §§ 929 ff BGB bzw. den §§ 18 I 3 KAGG, 68 I 1 AktG, sondern auch bei einer Übertragung nach § 398 BGB oder nach §§18 III, 24 II DepG (vgl. dazu im übrigen oben Rdn. 2384 ff). Gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob die Übertragung des Anteils 2 3 9 2 auch einen Ubergang der Pflichten gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft vom Veräußerer auf den Erwerber zur Folge hat. Das ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen an sich zu verneinen, da es sich dabei der Sache nach um eine Schuldübernahme handeln würde und eine solche nicht vorliegt; denn zum einen setzt sie nach den §§ 414 f BGB die Mitwirkung des Gläubigers, hier also der Kapitalanlagegesellschaft voraus, und daran fehlt es bei der Übertragung des Anteils regelmäßig, und zum anderen läßt sich der Veräußerungsvorgang auch gar nicht als Schuldübernahme deuten, sondern nur als das, was eine Veräußerung auch sonst darstellt: eine Übertragung von Rechten und nicht eine Übernahme von Pflichten. Dieses Ergebnis sollte man nicht durch gekünstelte Vertragskonstruktionen zu umgehen versuchen (vgl. aber Weigel S. 154 ff); denn das führt unweigerlich zu einem Rückfall in methodisch überholte Willensfiktionen und zur Verschleierung der wahren Wertungsgesichtspunkte. Auch mit einer analogen Anwendung der Grundsätze über die H a f t u n g des Erwerbers von Aktien (vgl. dazu statt aller Lutter in Kölner Komm, zum AktG, 1970, § 54 Rdn. 6 und 7 m. w. Nachw.) dürfte nicht zum Ziel zu kommen sein. Allerdings ist diese Möglichkeit zumindest bei auf den Namen lautenden Anteilscheinen nicht ohne weiteres von der H a n d zu weisen; denn hierfür verweist § 18 I 3 KAGG auf § 67 AktG, und daher könnte man sagen, daß der Erwerber von Namensanteilscheinen ebenso gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft haftet wie der Erwerber von Namensaktien gegenüber der Aktiengesellschaft (vgl. dazu näher Lutter a a O § 67 AktG Rdn. 20 ff m. w. Nachw.). Indessen zeigt eine nähere Überprüfung, daß diese Parallele dogmatisch nicht paßt und zumindest hinsichtlich der Pflicht zur Zahlung des Ausgabepreises auch zu untragbaren Ergebnissen führen würde. Aus der Verweisung auf § 67 AktG läßt sich in diesem Zusammenhang zunächst schon deshalb kein überzeugendes Argument herleiten, weil § 67 AktG eine Haftung des Aktionärs nicht anordnet, sondern Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
voraussetzt; ihren Rechtsgrund hat diese Haftung vielmehr in den §§ 54 II, 65 I und 66 I AktG (vgl. Lutter a a O § 54 Rdn. 6), und auf diese Vorschriften wird im KAGG weder verwiesen noch findet sich darin eine Entsprechung zu ihnen. Es kommt hinzu, daß nach § 10 II AktG bei Ausgabe von Aktien vor voller Leistung der Einlage die Schaffung von Namensaktien zwingend vorgeschrieben ist und daß daher schon deren bloße Existenz eine gewisse Warnfunktion für den Erwerber hat; dem KAGG ist demgegenüber ein Zusammenhang zwischen der Ausgabe von Namensanteilen und der Nichteinzahlung des Ausgabepreises unbekannt, wie sich ohne weiteres aus einem Vergleich von § 18 I 2 einerseits und § 21 I KAGG andererseits ergibt. Außerdem ist die Pflicht zur Zahlung der Einlage bei einer Aktiengesellschaft eine spezifisch mitgliedschaftliche Pflicht, wohingegen die Pflicht zur Zahlung des Ausgabepreises als rein schuldrechtliche Pflicht aus dem Investmentvertrag anzusehen ist; es liegt aber weit näher, daß der Erwerber eines Mitgliedschaftsrechts auch für die mit der Mitgliedschaft verbundenen Pflichten aufzukommen hat, als daß der Erwerber eines reinen Vermögensrechts wie des Investmentanteils für die Pflichten einstehen muß, die sein Rechtsvorgänger in dem zugrunde liegenden Kausalvertrag übernommen hat. Schließlich ist auch noch auf § 21 I 3 KAGG hinzuweisen, wonach die Kapitalanlagegesellschaft bei einer Ausgabe von nicht bezahlten Anteilscheinen den fehlenden Betrag aus ihrem eigenen Vermögen einzuschießen hat; dadurch hat der Gesetzgeber für einen ausreichenden Schutz des Sondervermögens gesorgt, und man muß daher im Wege des argumentum e contrario aus § 2 1 1 3 KAGG schließen, daß nicht außer der Kapitalanlagegesellschaft auch noch der Erwerber des Anteilscheins für den Ausgabepreis haftet. Wollte man anders entscheiden, so müßte man jedenfalls einen gutgläubigen verpflichtungsfreien Erwerb des Anteils zulassen; denn anderenfalls wäre der Zweiterwerb eines Investmentanteils mit einem unerträglichen und mit der Funktion des Investmentgeschäfts unvereinbaren Risiko belastet, und außerdem ist auch für das vergleichbare Problem des Erwerbs einer Aktie, auf die die Einlage nicht bezahlt ist, die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs anerkannt (vgl. Lutter a a O § 54 Rdn. 7; Hueck/Canaris § 28 III 2). Damit ist die Problematik jedoch noch nicht voll gelöst. Anders als hinsichtlich der Einstandspflicht für die Zahlung des Ausgabepreises ist nämlich hinsichtlich der Haftung für die Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche der Kapitalanlagegesellschaft zu entscheiden. Hinsichtlich dieser wäre eine Forthaftung des Veräußerers ebenso unsinnig wie ein Haftungsübergang auf den Erwerber sachgerecht erscheint; denn hier geht es um die Kosten für die Verwaltung des Investmentfonds, und für diese müssen vernünftigerweise die jeweiligen Anteilinhaber aufkommen. Aus diesem Grunde wird man insoweit einen gesetzlichen Schuldübergang anzunehmen haben. Eine ausdrückliche Regelung hierüber findet sich im KAGG allerdings nicht. Insbesondere ist sie nicht in § 10 III KAGG enthalten, wonach die Kapitalanlagegesellschaft sich für ihre Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche „nur aus dem Sondervermögen befriedigen" kann. Denn wie schon das W o r t „nur" zeigt und wie außerdem auch aus dem letzten Halbsatz der Bestimmung, wonach „die Anteilinhaber ihr nicht persönlich haften", hervorgeht, liegt der Zweck der Bestimmung in einer Begrenzung der H a f t u n g der Anteilinhaber und nicht in ihrer Begründung; daß überhaupt eine Schuld besteht, ordnet das Gesetz hier nicht an, sondern setzt es voraus. Immerhin kann man die Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang aber gleichwohl als Argument verwerten; denn zum einen ist eine gesetzliche H a f t u n g des Erwerbers wegen § 10 III KAGG insofern unbedenklich, als er nur mittelbar mit seiner Beteiligung am Sondervermögen, nicht aber unmittelbar mit seinem persönlichen Vermögen einzustehen hat, und zum anderen setzt § 10 III KAGG einen Anspruch der jeweiligen Anteilinhaber gegen die Kapitalanlagegesellschaft offenbar als selbstverständlich voraus, weil ja die früheren 1220
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III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern Anteilinhaber g a r nicht mehr a m S o n d e r v e r m ö g e n beteiligt sind und folglich auch nicht mit diesem haften k ö n n e n , s o daß bei Ablehnung einer H a f t u n g des E r w e r b e r s der Anspruch der K a p i t a l a n l a g e g e s e l l s c h a f t u. U . überhaupt nicht realisierbar w ä r e — ein zweifellos absurdes und v o m G e s e t z nicht gewolltes Ergebnis. Folglich haftet der Anteilerwerber auf G r u n d eines im W e g e der Rechtsfortbildung zu entwickelnden gesetzlichen S c h u l d ü b e r g a n g s in den G r e n z e n des § 10 III K A G G f ü r die V e r g ü t u n g s und A u f w e n d u n g s e r s a t z a n s p r ü c h e der Kapitalanlagegesellschaft. G e w i s s e Schwierigkeiten kann auch die F r a g e nach der G e l t u n g d e r Vertragsbedin- 2 3 9 3 g u n g e n g e g e n ü b e r d e m Zweiterwerber bereiten. D e n n diese läßt sich an sich nur aus einer rechtsgeschäftlichen Anerkennung der B e d i n g u n g e n herleiten (vgl. oben R d n . 2366 f ) , und an einer solchen wird es von Seiten eines späteren Erwerbers anders als beim Ersterwerb regelmäßig fehlen. Indessen kann der E r w e r b e r den Investmentanteil nur so erwerben, wie er rechtlich ausgestaltet ist, und das hängt u. a. entscheidend vom Inhalt der V e r t r a g s b e d i n g u n g e n ab. E i n s c h r ä n k u n g e n des Rechts, die in den B e d i n g u n g e n enthalten sind, müssen spätere E r w e r b e r d a h e r auch ohne eine rechtsgeschäftliche A n e r k e n n u n g g e g e n sich gelten lassen, weil d e r von ihnen erworbene Anteil von vornherein nur den in den V e r t r a g s b e d i n g u n g e n festgelegten Inhalt hat. D i e M ö g lichkeit eines gutgläubigen E r w e r b s , d. h. eines Einwendungsausschlusses k r a f t Rechtsscheins besteht insoweit nicht. D e r Anteilschein ist nämlich anders als z. B. der Wechsel o d e r S c h e c k nicht in d e m Sinne abstrakt, daß er ein beliebiges „ f a r b l o s e s " Recht verbrieft (wohl allerdings in d e m Sinne, daß er g e g e n ü b e r d e m z u g r u n d e l i e g e n d e n K a u s a l g e s c h ä f t selbständig und von dessen Wirksamkeit grundsätzlich u n a b h ä n g i g ist); er ist vielmehr auf einen bestimmten Vertragstypus b e z o g e n ähnlich wie z. B. die kaufmännischen O r d e r p a p i e r e i. S. von § 363 II H G B , und daher können E i n w e n d u n g e n , die sich aus dem betreffenden Vertragstypus und dessen A u s g e s t a l t u n g ergeben, auch dem gutgläubigen E r w e r b e r als „inhaltliche" oder „ u r k u n d l i c h e " E i n w e n d u n g e n entgeg e n g e s e t z t werden (vgl. näher Hueck/Canaris § 25 II 1 b). D a hier aber der wesentliche Inhalt des Rechtsverhältnisses durch die V e r t r a g s b e d i n g u n g e n g e p r ä g t wird, wie insbesondere die § § 6 1 2 und 1 5 1 K A G G deutlich m a c h e n , muß der E r w e r b e r Einschränk u n g e n , die in diesen enthalten sind, auch dann g e g e n sich gelten lassen, wenn er sie nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht auf g r o b e r Fahrlässigkeit beruhte. Anders liegt die P r o b l e m a t i k , soweit es nicht lediglich um eine E i n s c h r ä n k u n g der Rechte der Anteilinhaber durch die V e r t r a g s b e d i n g u n g e n geht, sondern soweit darin besondere V e r p f l i c h t u n g e n begründet werden. A u c h wenn f ü r diese auf G r u n d der zwingenden V o r s c h r i f t des § 10 III K A G G von vornherein keine persönliche H a f t u n g des Anteilerwerbers, sondern nur eine H a f t u n g mit dem S o n d e r v e r m ö g e n in Betracht k o m m t , s o stellt sich insoweit d o c h wieder ebenso wie bei der in der v o r a n g e h e n d e n R d n . behandelten P r o b l e m a t i k die F r a g e nach der G r u n d l a g e eines S c h u l d ü b e r g a n g s . D i e s e ist ebenso wie d o r t und aus denselben G r ü n d e n mit der K o n s t r u k t i o n eines gesetzlichen S c h u l d ü b e r g a n g s , die auf einer ungeschriebenen, im W e g e der Rechtsfortbildung z u entwickelnden N o r m beruht, z u lösen. Im G e s a m t e r g e b n i s hat d a h e r die Anteilsübertragung weitgehend dieselben R e c h t s f o l g e n wie eine V e r t r a g s ü b e r n a h m e . 3. D a s S o n d e r v e r m ö g e n
a) Die Zuordnung des Sondervermögens und ihre dogmatische Einordnung Ein H a u p t c h a r a k t e r i s t i k u m des geltenden Investmentrechts ist die strenge T r e n - 2 3 9 4 n u n g zwischen d e m eigenen V e r m ö g e n der K a p i t a l a n l a g e g e s e l l s c h a f t und dem V e r m ö gen der Anteilinhaber, d a s ein S o n d e r v e r m ö g e n bildet (vgl. oben R d n . 2 3 3 2 ) . D i e s e s ist freilich nicht so weit verselbständigt, daß es den Status einer eigenen RechtspersönlichClaus-Wilhelm Canaris
1221
19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
keit hat. Es ist vielmehr einem anderen Rechtsträger zugeordnet, wobei als solcher gemäß § 6 I 2 KAGG entweder die Kapitalanlagegesellschaft oder die Gemeinschaft der Anteilinhaber in Betracht kommt. Im ersten Fall spricht man von der Treuhandlösung, im zweiten von der Miteigentumslösung. Die Wahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten der Zuordnung wird gemäß § 6 I 2 KAGG durch die Vertragsbedingungen getroffen; für ein Grundstücks-Sondervermögen steht allerdings gemäß § 30 KAGG nur die Treuhandkonstruktion zur Verfügung. Praktische Unterschiede zwischen den beiden Modellen bestehen freilich kaum, da das Gesetz sie grundsätzlich gleich behandelt. Insbesondere ist der Schutz vor Zugriffen Dritter bei der Treuhandlösung nicht geringer als bei der Miteigentumslösung (vgl. näher unten Rdn. 2411 ff); gewisse Unterschiede sind dagegen hinsichtlich der Verfügungsmacht denkbar (vgl. unten Rdn. 2409 Abs. 2). 2395
Daß eine Treuhand vorliegt, wenn die Kapitalanlagegesellschaft gemäß der 1. Alternative von § 6 I 2 KAGG selbst Inhaberin des Sondervermögens ist, wird vom Gesetz zwar nicht ausdrücklich hervorgehoben, steht jedoch angesichts der Funktion der Kapitalanlagegesellschaft und der rechtlichen Ausgestaltung ihrer Stellung außer Zweifel 38 . Die dogmatische Einordnung dieser Treuhand bereitet allerdings gewisse Schwierigkeiten, weil die Trennung des Sondervermögens vom Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft vom Gesetz rigoros durchgeführt und grundsätzlich auch auf der dinglichen Ebene aufrechterhalten wird. Man hat daher ihre Unvereinbarkeit mit dem Eigentumsbegriff des BGB behauptet (vgl. Roth S. 145 ff). Dem ist indessen nicht zu folgen. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Form der Vollrechtstreuhand, wie sie dem geltenden Recht im Grundsatz auch sonst bekannt ist. Die Besonderheiten der Regelung des KAGG sind nämlich nicht so groß, daß man von einem unüberbrückbaren Bruch mit dem herkömmlichen System sprechen muß. So ist z. B. die Sicherung des Treuguts gegenüber Zugriffen der Gläubiger des Treuhänders in Konkurs und Zwangsvollstreckung im deutschen Treuhandrecht seit langem nahezu eine Selbstverständlichkeit; auch daß nach dem KAGG insoweit nicht das „Unmittelbarkeitsprinzip", sondern das „Offenkundigkeitsprinzip" gilt (vgl. unten Rdn. 2403), ist nur konsequent (vgl. oben Rdn. 280). Einen über eine gewöhnliche Vollrechtstreuhand hinausgehenden Schutz genießen die Anteilinhaber allerdings insofern, als nach § 6 II KAGG für die Zusammensetzung des Treuguts grundsätzlich das Prinzip der dinglichen Surrogation gilt (vgl. näher unten Rdn. 2399 ff), doch ist auch das eine Erscheinung, die dem geltenden Recht keineswegs fremd ist und bei Sondervermögen sogar verhältnismäßig häufig vorkommt, wie z. B. die §§ 718 II, 1418 II Ziff. 3, 1473 I, 2041 und 2111 BGB zeigen; so wird denn in der Tat im Schrifttum auch außerhalb des KAGG für die Vollrechtstreuhand die Anwendung des Surrogationsprinzips oder eine diesem weitgehend gleichkommende Lösung vorgeschlagen 39 . Allerdings soll nicht geleugnet werden, daß die Stellung der Anteilinhaber trotz der Rechtsträgerschaft der Kapitalanlagegesellschaft weitgehend wie ein dingliches Recht ausgestaltet ist. Man hat daher geradezu von einer „quasidinglichen Mitberechtigung am Treugut" gesprochen 40 . Das ist mehr als ein bloßer Verlegenheitsbegriff. In ihm wird nämlich deutlich, daß die Grenze zwischen einer obligatorischen und einer dinglichen Rechtsstellung nicht starr ist, sondern daß es fließende Ubergänge und Zwischen-
38 Vgl. z. B. Tegethoff S. 105 f f ; Roth S. 129 f f ; Baur § 6 A n m . I I I 2 ; Coing D i e T r e u h a n d k r a f t p r i v a ten R e c h t s g e s c h ä f t s , 1973, S. 2 3 f. 39
Vgl. Strauch
1222
Mehrheitlicher Rechtsersatz,
1972,
40
S. 204 ff u n d 223 f ; i. E . ä h n l i c h a u c h Coing a a O S. 118 n a c h F n . 38. V g l . von Caemmerer J Z 1958, 48 F n . 5 7 ; ä h n l i c h z. B. Klenk S. 7 u n d S. 33 f ; Strauch a a O S. 89.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D a s Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
formen gibt, die geradezu die Entwicklung einer „Typenreihe" vom „reinen" obligatorischen zum „reinen" dinglichen Recht nahelegen. Das Problem der „Verdinglichung obligatorischer Rechte" ist denn auch der zivilrechtlichen Dogmatik seit langem bekannt 4 1 . Es geht daher nicht an, ohne jede Auseinandersetzung mit diesen Lehren einfach eine „Abkehr des KAGG vom Eigentumsbegriff des BGB" zu behaupten und eine „neuartige Aufteilung des Eigentums auf zwei Rechtsträger" — die Kapitalanlagegesellschaft und die Anteilinhaber — zu konstruieren (so aber Roth S. 145). Auch die Parallele zum Verhältnis zwischen Vorbehaltseigentum und Anwartschaftsrecht vermag diese Theorie nicht zu rechtfertigen. Denn wenn es überhaupt Sinn hat, dabei von einer Teilung des Eigentums zu sprechen, dann allenfalls deshalb, weil hier der Vorgang der Übereignung zeitlich gestreckt und in besonderer Weise ausgestaltet ist und weil daher der Anwärter schon vor dem endgültigen Eigentumserwerb wie ein Eigentümer geschützt werden soll; dieser transitorische Charakter der Rechtsteilung fehlt aber bei der Treuhand gerade. Auch die dogmatische Einordnung der Miteigentumslösung bereitet gewisse Schwie- 2 3 9 6 rigkeiten. Diese beruhen vor allem auf der Spaltung zwischen Rechtsträgerschaft und Verfügungsmacht. Die Anteilinhaber sind nämlich zwar Eigentümer des Sondervermögens, doch liegt die Verfügungsmacht über dieses ausschließlich bei der Kapitalanlagegesellschaft (vgl. näher unten Rdn. 2405 ff). Auch das ist indessen weniger befremdlich, als es auf den ersten Blick vielleicht scheinen mag. Vor allem muß man sich vor Augen halten, daß die Verfügungsmacht über die Gegenstände des Sondervermögens den Anteilinhabern ohnehin nur in ihrer Gesamtheit zustehen könnte und daß deren Ausübung daher, selbst wenn sie rechtlich zulässig wäre, praktisch überhaupt nicht in Betracht käme. Im übrigen fehlt es auch in dogmatischer Hinsicht durchaus nicht an Parallelen. Denn auch sonst ist dem geltenden Recht bei der Verwaltung von Sondervermögen die Figur der verdrängenden Verfügungsmacht nicht unbekannt; so sind z. B. der Testamentsvollstrecker oder der Konkursverwalter allein verfügungsbefugt, obwohl die materielle Rechtsträgerschaft beim Erben bzw. beim Gemeinschuldner verbleibt. Es besteht daher hier ebenso wenig wie bei der Treuhandlösung eine hinreichende Rechtfertigung dafür, eine „quantitative Aufspaltung des Eigentums" zwischen den Anteilinhabern und der Kapitalanlagegesellschaft anzunehmen (a. A. Roth S. 145 ff, 149 f, der mit seiner Theorie offenkundig nicht nur die Treuhandlösung, sondern auch die Miteigentumslösung erfassen will). Freilich ist auch hier ohne weiteres einzuräumen, daß es sich um einen Grenzfall handelt. Alle wesentlichen Herrschaftsbefugnisse wie die Verfügungsmacht, das Stimmrecht bei Aktien, die Möglichkeit zur Erhebung der Drittwiderspruchsklage und das Recht zur Bestimmung des Aufenthaltsorts des Sondervermögens und zu seiner Inbesitznahme sind den Anteilinhabern nämlich genommen und werden entweder von der Kapitalanlagegesellschaft oder von der Depotbank ausgeübt. Eine solche Einschränkung der Rechtsstellung des Eigentümers ist in der Tat mit der herkömmlichen Vorstellung vom Eigentum als einem unumschränkten Herrschaftsrecht nicht leicht zu vereinbaren. Das gilt um so mehr, als die Spaltung zwischen Rechtsträgerschaft und Befugnis zur Rechtsausübung hier anders als im Falle der Testamentsvollstreckung und des Konkurses nicht nur einem vorübergehenden Zweck dient, sondern endgültig ist (vgl. auch Roth S. 147). Es ist indessen zu bedenken, daß eine wirksame Ausübung der
41
Vgl. i n s b e s o n d e r e die g l e i c h n a m i g e S c h r i f t v o n Dulckeit a u s d e m J a h r e 1951 s o w i e Canaris F e s t s c h r . f ü r F l u m e , 1978, S. 371 ff.
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
Rechte durch die Gesamtheit der Anteilinhaber praktisch unmöglich wäre und daß daher eine — wie immer geartete — „Vertretungslösung" durch die Natur der Sache zwingend geboten ist. So gesehen liegt geradezu die Parallele zur Vormundschaft nahe, da es auch hier darum geht, einem als solchem nicht handlungsfähigen Rechtsträger einen „Vertreter" zuzuordnen; daß der Vormund im fremden Namen auftritt, Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank aber im eigenen Namen handeln, macht insoweit keinen wesentlichen Unterschied, weil sie jedenfalls das Interesse der Anleger wahrzunehmen haben und es im vorliegenden Zusammenhang nur auf diese Interessenbindung und nicht auf die formale Ausgestaltung des Auftretens im Außenverhältnis ankommen kann. Berücksichtigt man aber die Eigentümlichkeiten der Interessenlage hinreichend, so erscheint die Vorstellung von einer Spaltung zwischen Rechtsträgerschaft und Befugnis zur Rechtsausübung nicht nur systemgerechter, sondern auch sachgerechter als die Konstruktion einer „Aufteilung des Eigentums auf zwei Rechtsträger"; auch hier ist eben zu beachten, daß sich unter dem weiten und flexiblen Begriff von Eigentum und dinglichem Recht höchst unterschiedliche Typen rechtlicher Zuordnung subsumieren lassen. Man kann daher zwar vielleicht sagen, daß „das Miteigentum' der Anleger zu einem reinen Wertsubstanzrecht ohne jeden Herrschaftscharakter denaturiert ist" (vgl. Rehfeldt/Zöllnern § 29 III 1 a. E.), sollte aber gleichwohl nicht so weit gehen, ohne Auseinandersetzung mit der Lehre vom dinglichen Recht eine „Abkehr vom Eigentumsbegriff des BGB" zu behaupten (so aber Roth S. 145 ff). Vielmehr bestätigt sich hier gewissermaßen von der anderen Seite her die Relativität der Abgrenzung zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten: bei der Treuhandlösung ist die Verdinglichung einer grundsätzlich obligatorischen Rechtsstellung so weit getrieben, daß im wesentlichen dieselbe Sicherheit wie bei der Miteigentumslösung besteht; und bei dieser ist die Entdinglichung einer grundsätzlich dinglichen Rechtsstellung so weit getrieben, daß sie im wesentlichen dieselben Schwächen aufweist wie bei der Treuhandlösung. Das dogmatische Instrumentarium wird — zumindest in der Hand des Gesetzgebers — austauschbar.
2397
Die dogmatische Einordnung der Miteigentumslösung bereitet noch in einer anderen Richtung Schwierigkeiten. Die Rechtsnatur der Gemeinschaft ist nämlich höchst zweifelhaft. Die h. L. nimmt allerdings ohne weiteres eine Bruchteilsgemeinschaft an (vgl. z. B. Baur § 6 Anm. III 1; MünchKomm.-Karsten Schmidt § 741 Rdn. 39). Dagegen spricht jedoch, daß die Anteilinhaber gemäß § 18 II 2 KAGG unzweifelhaft nicht über ihren Anteil an den einzelnen Gegenständen des Sondervermögens verfügen können. Diese Möglichkeit ist aber charakteristisch für eine Bruchteilsgemeinschaft. Ihr Ausschluß ist andererseits das wesentliche Merkmal einer Gesamthandsgemeinschaft, und es liegt daher nahe, eine solche anzunehmen (vgl. Schulze-Osterloh Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 144 f). Anders als bei § 6 DepG (vgl. dazu oben Rdn. 2115 f) steht hier auch weder das Bedenken entgegen, daß der Gesetzgeber ausdrücklich das Vorliegen einer Bruchteilsgemeinschaft angeordnet hat, noch lassen sich Einwände im Hinblick auf die Übertragungsform der Anteile erheben, da diese in § 18 KAGG in einer die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs gewährleistenden Weise unmißverständlich geregelt ist. Man wird daher in der Tat eine Gesamthandsgemeinschaft anzunehmen haben. Besondere praktische Bedeutung dürfte der Frage jedoch nicht zukommen. Nicht selten wird behauptet, die Problematik der Rechtsgemeinschaft stelle sich nur bei der Miteigentumslösung (vgl. z. B. Klenk S. 10; Schulze-Osterloh aaO S. 143). In Wahrheit liegt indessen auch bei der Treuhandlösung eine Rechtsgemeinschaft zwischen den Anteilinhabern vor; denn auch die Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis 1224
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D a s Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
stehen den Anteilinhabern nicht als einzelnen, sondern nur in ihrer Gesamtheit zu — wie sich z. B. bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Kapitalanlagegesellschaft oder die Depotbank erweist (vgl. unten Rdn. 2437 bzw. 2482). Die h. L. nimmt folgerichtig auch hier eine Bruchteilsgemeinschaft an (vgl. z. B. ScbäkkerS. 126; ReuterS. 126; RotbS. 116 und S. 130; Baur% 6 Anm. III 2). Vom oben vertretenen Standpunkt aus ist dagegen auch insoweit die Gesamthandskonstruktion vorzuziehen. Die Erlangung der Mitberechtigung am Sondervermögen durch die einzelnen 2 3 9 8 Anteilinhaber vollzieht sich entweder im Wege des Ersterwerbs oder des Zweiterwerbs, vgl. dazu näher oben Rdn. 2378 f bzw. 2391. b) Entstehung und Zusammensetzung des Sondervermögens Gegenstand des Sondervermögens wird nach § 6 I KAGG zunächst das gegen Aus- 2 3 9 9 gäbe von Anteilscheinen eingelegte Geld. Darunter ist selbstverständlich nicht nur Sachgeld, sondern auch Buchgeld, also die Forderung aus einer Überweisung zu verstehen. Weiterhin gehören zum Sondervermögen die mit dem eingelegten Geld angeschafften Vermögensgegenstände. Die Vorschrift zeigt eine gewisse Verwandtschaft zu §718 BGB, wonach zum Sondervermögen einer BGB-Gesellschaft die „Beiträge der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände" gehören. Die Zuordnung zum Sondervermögen erfolgt nach dem Wortlaut und dem Schutz- 2 4 0 0 zweck des § 6 I KAGG unmittelbar kraft Gesetzes, ohne daß es eines besonderen hierauf gerichteten Rechtsaktes seitens der Kapitalanlagegesellschaft oder eines entsprechenden Willens bedarf. Sobald also das Geld bei der Kapitalanlagegesellschaft „eingelegt", d. h. z. B. ihr gutgeschrieben ist, wird es ipso iure Bestandteil des Sondervermögens. Das gilt auch dann, wenn die Buchung entgegen der Vorschrift des § 12 III 3 KAGG nicht auf einem besonderen Sperrkonto zugunsten des Sondervermögens, sondern auf einem eigenen Konto der Kapitalanlagegesellschaft erfolgt ist. Denn auch dann kann man sagen, das Geld sei „bei der Kapitalanlagegesellschaft eingelegt"; außerdem läßt sich nur so dem die gesamte Regelung des § 6 I 1 und II KAGG prägenden Bestreben Rechnung tragen, wirtschaftlich zum Sondervermögen gehörende Werte diesem auch rechtlich unmittelbar zuzuordnen. Darüber hinaus wird man sogar schon den Anspruch auf die Gutschrift, den die Kapitalanlagegesellschaft gemäß §§ 675, 667 BGB gegen die Depotbank hat, als Bestandteil des Sondervermögens ansehen können; denn diesen hat die Kapitalanlagegesellschaft durch ein Rechtsgeschäft erworben, das sich i. S. von § 6 II KAGG „auf das Sondervermögen bezieht" (vgl. auch Müller S. 72 ff und S. 80 ff; Schönte § 24 III 1 a). § 21 I 1 Halbs. 2 KAGG, wonach der Gegenwert für die Ausgabe von Anteilscheinen „unverzüglich dem Sondervermögen zuzuführen ist", steht dem nicht entgegen. Zum einen kann sich die Vorschrift nämlich ähnlich wie die verwandte Bestimmung des § 12 VI KAGG in erster Linie auf die buchungsmäßige Abwicklung beziehen (vgl. auch unten Rdn. 2472), und zum anderen behält das in ihr enthaltene Beschleunigungsgebot für die Einziehung des Gegenwerts durch die Depotbank und für dessen Weiterleitung an die Kapitalanlagegesellschaft auch dann seine Funktion, wenn man schon zum frühest möglichen Zeitpunkt die Zugehörigkeit des Gegenwerts zum Sondervermögen bejaht; denn die Möglichkeit zur Verfügung über diesen hat die Kapitalanlagegesellschaft de facto jedenfalls erst mit der Gutschrift durch die Depotbank, auch wenn man rechtlich die Zuordnung vorverlegt. Die in § 6 I KAGG angeordnete ipso-iure-Wirkung bedeutet weiter, daß die mit 2401 dem eingelegten Geld angeschafften Vermögensgegenstände auch bei einem entgegenClaus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
stehenden Willen der Kapitalanlagegesellschaft Bestandteil des Sondervermögens werden. Nur so läßt sich wiederum dem Schutzzweck des § 6 I KAGG voll Rechnung tragen. Außerdem entstünde sonst ein Wertungswiderspruch zu § 6 II KAGG, bei dem es anerkanntermaßen auch nicht auf den Willen der Kapitalanlagegesellschaft ankommt. In die gleiche Richtung weisen ferner Vorschriften wie die §§ 1646, 2019 I und 2111 BGB, bei denen ebenfalls ein fremdverwaltetes Sondervermögen durch eine ipso iure eintretende Surrogation geschützt wird. Schließlich ist auch darauf zu verweisen, daß es ganz allgemein dem Sinn des Surrogationsprinzips — um dessen Verwirklichung es bei der 2. Alternative von § 6 I 1 KAGG geht — entspricht, bei einem Erwerb mit Mitteln des Sondervermögens die Zuordnung zu diesem rein objektiv und unabhängig vom Willen der Beteiligten zu bestimmen (vgl. Strauch Mehrheitlicher Rechtsersatz, 1972, S. 132 f). Mit eingelegtem Geld erworbene Vermögensgegenstände fallen somit auch dann in das Sondervermögen, wenn die Kapitalanlagegesellschaft sie für ihr eigenes Vermögen erwerben wollte und sich darüber vielleicht sogar auch noch mit dem Veräußerer einig war. 2402
§ 6 I KAGG wird ergänzt durch die Surrogationsvorschrift des § 6 II KAGG. Danach gehört zum Sondervermögen auch alles, was die Gesellschaft auf Grund eines zum Sondervermögen gehörenden Rechts erwirbt. Damit sind vor allem die „Früchte" i. S. von § 99 BGB gemeint wie z. B. Dividenden, Zinsen aus Guthaben oder festverzinslichen Papieren sowie Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Auch Bezugsrechte und dgl. fallen unter diese Bestimmung. — Sodann gehört zum Sondervermögen, was die Kapitalanlagegesellschaft durch ein sich auf das Sondervermögen beziehendes Rechtsgeschäft erwirbt. Dabei ist vor allem an die Gegenwerte aus Rechtsgeschäften über Gegenstände des Sondervermögens zu denken, soweit diese nicht schon von Abs. 1 erfaßt werden, sowie an sonstige Geschäfte für das Sondervermögen wie z. B. den Kauf von Effekten und dgl. Von der Surrogation werden dabei sowohl die Ansprüche aus den obligatorischen Verträgen als auch die zu deren Erfüllung geleisteten Gegenstände erfaßt. — Schließlich fällt in das Sondervermögen alles, was dessen Inhaber als Ersatz für ein zum Sondervermögen gehörendes Recht erwirbt. In Betracht kommen hier vor allem Schadensersatz-, Bereicherungsund Versicherungsansprüche bzw. die entsprechenden Leistungen. Auch § 6 II KAGG ist grundsätzlich rein objektiv zu verstehen, so daß der Surrogationserwerb unabhängig vom Willen der Kapitalanlagegesellschaft eintritt 42 . Die Uberlegungen zum entsprechenden Problem bei § 6 I KAGG gelten insoweit entsprechend (vgl. oben Rdn. 2401). Eine Ausnahme ist hier allerdings bei bestimmten Geschäften zu machen, die „sich auf das Sondervermögen beziehen". Sofern diese nämlich nicht mit Mitteln des Sondervermögens erfolgen, sondern auch ein Eigengeschäft der Kapitalanlagegesellschaft sein könnten wie z. B. der Abschluß von Kaufverträgen ohne erkennbaren Bezug auf das Sondervermögen (oder auf ein bestimmtes von mehreren Sondervermögen), kann es für die Abgrenzung nur auf den Willen der Kapitalanlagegesellschaft ankommen, da die Beziehung zum Sondervermögen dann erst durch diesen hergestellt wird. Entsprechend der Funktion der Kapitalanlagegesellschaft und im Hinblick auf den Schutzzweck des § 6 KAGG wird man aber auch in solchen Fällen im Zweifel einen Willen, für das Sondervermögen zu handeln, annehmen müssen.
"2 Vgl. Geßler S. 15; Baur § 6 Anm. V 3; Siara/Tormann § 6 Anm. II 2; Wendt S. 47; a. A. Ebner von Eschenbach S. 47 f.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n der Kapitalanlagegesellschaft und d e n Anteilinhabern
Die Rechtswirkung der Surrogation besteht darin, daß der betreffende Gegenstand 2 4 0 3 dem Sondervermögen und nicht dem Eigenvermögen der Kapitalanlagegesellschaft zugeordnet wird. Das bedeutet bei der Miteigentumslösung, daß er ohne Zwischenerwerb der Kapitalanlagegesellschaft unmittelbar in das Eigentum der Anteilinhaber übergeht. Bei der Treuhandlösung ändert sich dagegen nichts an der Rechtsträgerschaft und dem Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft, so daß es zweifelhaft ist, ob man insoweit überhaupt von einer dinglichen Surrogation im strengen Sinne sprechen kann (vgl. dazu allgemein Coing aaO S. 118). Die Bedeutung von § 6 I und II KAGG besteht hier vielmehr lediglich darin, daß die fraglichen Gegenstände den für das Sondervermögen geltenden Sonderregelungen unterstehen und dadurch vor allem gegen den Zugriff Dritter gesichert sind (vgl. dazu unten Rdn. 2411 ff). Im praktischen Ergebnis läuft das auf dasselbe hinaus wie bei der Miteigentumslösung. Dogmatisch ist die Regelung des § 6 KAGG insofern von besonderer Wichtigkeit, als der Gesetzgeber hier sowohl dem von der Rechtsprechung für das Treuhandrecht entwickelten „Unmittelbarkeitsprinzip" (vgl. dazu näher oben Rdn. 280) als auch dem „Surrogationsverbot" (vgl. dazu z. B. Roth S. 114 und Strauch aaO S. 223) eine klare Absage erteilt hat. Das ist rechtspolitisch zu begrüßen; denn es ist auf Grund der besonderen Stellung und Funktion der Kapitalanlagegesellschaft für jedermann erkennbar, daß diese Vermögen treuhänderisch für Dritte erwirbt, und daher ist hier ohne weiteres den Erfordernissen des „Offenkundigkeitsprinzips" genügt, das ganz allgemein an die Stelle des „Unmittelbarkeitsprinzips" treten sollte (vgl. oben Rdn. 280) und das auch bei der Einschränkung oder Beseitigung des „Surrogationsverbots" paßt. Die Zusammensetzung des Sondervermögens hat sich gemäß § 1 I KAGG grund- 2 4 0 4 sätzlich nach dem Prinzip der Risikomischung zu richten. Dieses ist in § 8 und §§ 27 ff KAGG näher konkretisiert. Seine Verletzung kann schadensersatzrechtliche und aufsichtsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, beeinträchtigt aber nach § 8 VII bzw. nach § 27 V KAGG nicht die Wirksamkeit des Erwerbs. Darunter ist nicht nur das dingliche Geschäft, sondern auch der zugrunde liegende Kausalvertrag zu verstehen, so daß eine Bereicherungsabwicklung nicht in Betracht kommt 4 3 ; das gilt zumindest seit Erlaß des § 27 V KAGG, da dort an Stelle der mehrdeutigen Formulierung des § 8 VII KAGG „Wirksamkeit des Erwerbs" der unmißverständliche Ausdruck „Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts" gewählt worden ist und eine unterschiedliche Auslegung der beiden Vorschriften nicht gerechtfertigt erscheint (a. A. Baur § 27 Anm. VII). c) Verfügungsmacht und Verfügungsbeschränkung Gemäß § 9 I KAGG ist die Kapitalanlagegesellschaft grundsätzlich berechtigt, über 2 4 0 5 die zum Sondervermögen gehörenden Gegenstände zu verfügen. Die Anteilinhaber können dagegen gemäß § 18 III 3 KAGG nicht über diese verfügen 4 4 . Es besteht also eine verdrängende Verfügungsmacht der Kapitalanlagegesellschaft. Das ist bei der Treuhandlösung eine Selbstverständlichkeit, da die Kapitalanlagegesellschaft hier ja selbst alleinige Vollrechtsträgerin ist; bei der Miteigentumslösung handelt es sich dagegen um eine dogmatische Besonderheit (vgl. oben Rdn. 2396). In besonderen Fällen kommt auch eine Verfügungsmacht der Depotbank in 2 4 0 6 Betracht. So geht die Verfügungsmacht gemäß § 14 I KAGG von der Kapitalanlagege-
43
Vgl. von Caemmerer J Z 1958, 47 mit Fn. 46; Schicker S. 104; Wendt S. 125 Fn. 19; Roth S. 134; a. A. Ceßler S. 17; Baur § 8 Anm. VII 1.
44
Vgl. auch Ebner von Eschenbach S. 148; Roth S. 132.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
S. 64;
Wendt
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft sellschaft auf die Depotbank über, wenn das Verwaltungsrecht der Kapitalanlagegesellschaft erlischt (vgl. näher unten Rdn. 2476 ff). Bei Grundstücksfonds ist die Verfügungsmacht der Kapitalanlagegesellschaft gemäß § 31 II KAGG sogar grundsätzlich an die Zustimmung der Depotbank geknüpft; eine ohne diese erfolgte Verfügung ist vorbehaltlich der Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs gegenüber den Anteilinhabern schwebend unwirksam. 2407
Im übrigen ist die Verfügungsmacht der Kapitalanlagegesellschaft für bestimmte Geschäfte Schranken unterworfen. So enthält § 9 II KAGG ein dinglich wirkendes Verbot der Bestellung von Sicherungsrechten, um Spekulationen auf Kreditbasis unter Einsetzung des Sondervermögens zu verhindern. Die Folge eines Verstoßes gegen dieses Verbot ist nach Halbsatz 2 relative Unwirksamkeit. Zu deren Geltendmachung ist analog § 12 VIII und § 3 1 VIII KAGG die Depotbank berechtigt und verpflichtet (vgl. auch Schicker S. 101; Roth S. 133). Gutgläubiger Erwerb ist gemäß § 135 II BGB möglich (vgl. von Pannwitz S. 105 f; Roth S. 133; Baur § 9 Anm. IV 1). Sofern der andere Teil gewerbsmäßig im Bankwesen tätig ist, wird man allerdings regelmäßig schon dann bösen Glauben anzunehmen haben, wenn er weiß, daß er aus einem Investmentvermögen erwirbt; denn die Unkenntnis des § 9 II KAGG ist dann grundsätzlich als grob fahrlässig anzusehen (vgl. auch Roth aaO). Die Verfügungsbeschränkung des § 9 II KAGG gilt auch für solche Kreditaufnahmen, zu denen die Kapitalanlagegesellschaft nach § 9 III KAGG befugt ist; denn diese Vorschrift gibt ihrem klaren Wortlaut nach kein Recht zur Bestellung von Sicherheiten, und sie ermöglicht daher nur einen Rückgriff der Kapitalanlagegesellschaft auf das Sondervermögen im Rahmen des § 10 III KAGG, nicht aber eine gegen § 9 II KAGG verstoßende Verfügung über Gegenstände des Sondervermögens. — Für Immobilienfonds gilt das Belastungsverbot des § 9 II KAGG nicht, wie sich aus § 37 IV KAGG ergibt.
2408
Eine weitere Verfügungsbeschränkung enthält § 5 KAGG für Geschäfte mit Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Kapitalanlagegesellschaft, die sich auf das Sondervermögen beziehen. Der Grund dieses Verbots besteht in der Gefahr von Interessenkollisionen und des „Abiadens". Bei einem Verstoß tritt gemäß § 134 BGB absolute Unwirksamkeit des dinglichen wie des obligatorischen Geschäfts ein, wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift („können") ergibt (vgl. auch Baur § 5 Anm. I m. w. Nachw.). § 5 KAGG ist analog anzuwenden auf Geschäfte zwischen dem Sondervermögen und dem Eigenvermögen der Kapitalanlagegesellschaft (vgl. auch Geßler S. 18; Wendt S. 130; Roth S. 133 f).
2409
Eine generalklauselartige Beschränkung der Verfügungsmacht durch alle Verbotsoder Gebotsnormen des KAGG sowie durch die Vertragsbedingungen könnte man ferner aus § 9 I KAGG herauslesen, wonach die Kapitalanlagegesellschaft zu Verfügungen über das Sondervermögen nur „nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Vertragsbedingungen" berechtigt ist. Die h. L. legt die Vorschrift jedoch mit Recht nicht in diesem Sinne aus, sondern beschränkt sie auf die obligatorische Bindung der Kapitalanlagegesellschaft 45 . Sprachlich ist das ohne weiteres möglich, da „Berechtigung" zur Verfügung nicht unbedingt das dingliche Können meinen muß, sondern sich ebenso gut lediglich auf das schuldrechtliche Dürfen beziehen kann. Auch teleologisch ist dieser Auslegung im Hinblick auf das Verkehrsschutzinteresse der Vorzug zu geben. Daß dieses grundsätzlich Vorrang vor dem Schutz des Sondervermögens hat, ergibt sich vor allem aus § 8 VII KAGG, wonach ein Verstoß gegen die gesetzlichen Anlagerichtlinien 45
Vgl. von Pannwitz S. 50 f f ; Ebner von Eschenbach S. 60; Wendt S. 124; Roth S. 135; Baur § 9
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Anm. II 3; a. A. soweit ersichtlich nur von merer J Z 1958, 45.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Caem-
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern keine Unwirksamkeit des Geschäfts nach sich zieht (vgl. oben Rdn. 2404); dann aber muß das für einen Verstoß gegen die Regelung der Vertragsbedingungen erst recht gelten. Auch würde die Gegenansicht bei der Treuhandlösung zu einem Verstoß gegen § 137 S. 1 B G B führen, da die Kapitalanlagegesellschaft hier ja selbst Vollrechtsträgerin ist. Bei der Miteigentumslösung handelt die Kapitalanlagegesellschaft allerdings in Ausübung fremder Rechte (vgl. oben Rdn. 2396), und daher liegt hier eine bloße Ermächtigungstreuhand vor (vgl. auch Going a a O S. 24). Folgerichtig muß bei der Miteigentumslösung eine rechtsgeschäftliche Einschränkung der Verfügungsmacht grundsätzlich möglich sein, weil die Ermächtigung gemäß § 185 I B G B nur insoweit besteht, als sie erteilt worden ist. Beschränken also die Vertragsbedingungen die Verfügungsmacht der Kapitalanlagegesellschaft, so hat eine derartige Klausel bei der Miteigentumslösung anders als bei der Treuhandlösung grundsätzlich Außenwirkung. Sie muß allerdings wegen ihrer Ungewöhnlichkeit klar erkennen lassen, daß nicht nur eine obligatorische Bindung der Gesellschaft, sondern eine echte Einschränkung ihrer Rechtsmacht gewollt ist. Außerdem kommt grundsätzlich ein gutgläubiger Erwerb analog §§ 170 ff B G B und in entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht in Betracht; ob der andere Teil schon allein deshalb als bösgläubig anzusehen ist, weil er die Vertragsbedingungen und die darin enthaltene Beschränkung der Verfügungsmacht nicht gelesen hat, hängt von seiner Person und den Umständen des Falles ab. Kein Verfügungsverbot stellt die Bindung an den Tageskurs gemäß § 12 V K A G G 2 4 1 0 dar. Vielmehr handelt es sich hier lediglich um eine schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber den Anteilinhabern, deren Verletzung zwar schadensersatzrechtliche und aufsichtsrechtliche, nicht aber dingliche Folgen haben kann 4 6 . D a s ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 12 V K A G G („darf"!) als auch aus seiner systematischen Stellung im Rahmen des § 12 statt im Rahmen des — die Verfügungsmacht regelnden — § 9 K A G G . Außerdem spricht für diese Auslegung sehr wesentlich die Analogie zu den §§ 27 V und 37 IV K A G G , die eine Unwirksamkeit des Geschäfts bei Verletzung der dem § 12 K A G G entsprechenden §§ 27 III und 37 I K A G G ausdrücklich ausschließen. d) Die Haftung des Sondervermögens und sein Schutz vor Zugriffen Dritter Nach § 10 II K A G G besteht keine Haftung des Sondervermögens für die Verbind- 2 4 1 1 lichkeiten der Kapitalanlagegesellschaft. Bei der Miteigentumslösung ist das eine dogmatische Selbstverständlichkeit, weil die Kapitalanlagegesellschaft hier ja gar nicht Inhaberin des Sondervermögens ist und dieses daher von vornherein nicht als H a f tungsgrundlage für ihre Schulden in Betracht kommt. Bei der Treuhandlösung müßte dagegen an sich auch das Sondervermögen dem Zugriff der Gläubiger der Kapitalanlagegesellschaft unterliegen, doch hat sich auch im allgemeinen Treuhandrecht schon seit langem der Grundsatz durchgesetzt, daß das Treugut nicht für die persönlichen Verbindlichkeiten des Treuhänders haftet (vgl. auch oben Rdn. 279). Allerdings stellt die Regelung des K A G G insofern eine Fortentwicklung des Treuhandrechts dar, als sie dem „Unmittelbarkeitsprinzip" und dem „Surrogationsverbot" eine Absage erteilt, doch bewegt sich die Dogmatik des allgemeinen Treuhandrechts ohnehin in diese Richtung (vgl. oben Rdn. 2395 und 2403). 46
Vgl. auch Geßler S. 19; Schicker S. 103; von Pannwitz S. 51; Siara/Tormann § 1 1 Anm. V ; Baur § 9 Anm. II 3 und § 12 Anm. X .
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft Eine ausgesprochene Irregularität liegt dagegen in der ausdrücklichen Bestimmung des § 10 II 1 Halbs. 2 K A G G , wonach das Sondervermögen auch für solche Verbindlichkeiten nicht haftet, die die Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung der Anteilinhaber eingegangen ist; denn nach allgemeinem Treuhandrecht wäre bei der Vollrechtstreuhand eine Haftung für „treugutsbezogene" Schulden an sich zu bejahen (vgl. Coing a a O S. 173 f und S. 179 f). D e r Grund für diese Abweichung dürfte zum einen in dem Bestreben nach einer vollständigen Gleichstellung mit der Miteigentumslösung zu sehen sein, bei der eine (unmittelbare) Haftung des Sondervermögens auch bei V e r bindlichkeiten, die sich auf dieses beziehen, aus konstruktiven Gründen nicht in Betracht kommt; zum zweiten wird durch diese Regelung auch eine besondere Sicherung des Treuguts gegenüber pflichtwidrigen Geschäften der Kapitalanlagegesellschaft geschaffen, da aus diesen weder der Gläubiger noch die Kapitalanlagegesellschaft in das Sondervermögen vollstrecken können (vgl. dazu auch unten Rdn. 2 4 1 6 Abs. 2). Es kommt allerdings nach der klaren Fassung des Gesetzes nicht darauf an, ob es sich in concreto um eine ordnungsgemäße oder um eine ordnungswidrige Verwaltung handelt: das Sondervermögen haftet auch im ersten Falle nicht wie z. B., wenn die Kapitalanlagegesellschaft gemäß § 9 III K A G G in zulässiger Weise einen Kredit für Rechnung der Anteilinhaber aufgenommen hat (vgl. auch Baur § 9 Anm. V ; Flachmann/Scholtz/ Stork/Scheder § 9 Anm. III 6). Rechtspolitisch gesehen mag das durch die Überlegung gerechtfertigt sein, daß die Haftung des Sondervermögens gegenüber Dritten nicht von der Frage nach der Pflichtmäßigkeit des Handelns der Kapitalanlagegesellschaft abhängen soll; denn zum einen betrifft diese nur das „Innenverhältnis" zwischen der Gesellschaft und den Anteilinhabern, und zum anderen ist ihre Entscheidung oft schwierig, so daß ihre etwaige Relevanz für das „Außenverhältnis" zu Rechtsunsicherheit führen könnte. 2412
Die Haftungsfreistellung des Sondervermögens gemäß § 10 II 1 K A G G wird gemäß § 10 II 2 K A G G ergänzt durch ein Stellvertretungsverbot, das zwingenden Charakter hat: die Kapitalanlagegesellschaft darf und kann keine Verbindlichkeiten im Namen der Anteilinhaber eingehen. Soweit dadurch eine Haftung der Anteilinhaber mit ihrem persönlichen Vermögen begründet würde, ist das ohnehin eine funktionsbedingte Selbstverständlichkeit; denn anderenfalls wäre der Erwerb eines Investmentanteils mit unübersehbaren Risiken belastet, die dieses Geschäft völlig unattraktiv und zumal für den „kleinen Sparer" — auf den es ja in erster Linie zielt! — viel zu gefährlich machen würden. Rechtspolitisch diskutabel wäre dagegen eine Verpflichtung der Anteilinhaber, die ihre Haftung auf das Sondervermögen beschränkt. Damit wäre jedoch einer Umgehung des Schutzzwecks, den § 10 II 1 K A G G mit der Haftungsfreistellung des Sondervermögens erstrebt. T ü r und T o r geöffnet. Insbesondere könnte das Sondervermögen leicht zum Opfer pflichtwidriger Geschäfte der Kapitalanlagegesellschaft wie z. B. von Spekulationen auf Kreditbasis werden. Es ist daher konsequent und vernünftig, daß § 10 II 2 K A G G allen Möglichkeiten dieser Art durch das zwingende Vertretungsverbot einen Riegel vorgeschoben hat.
2413
Auch von der Haftung für Zubußen bei Kuxen und für nicht eingezahlte Aktien werden sowohl das Sondervermögen als auch die Anteilinhaber durch § 10 I V K A G G ausdrücklich freigestellt. Statt dessen haftet die Kapitalanlagegesellschaft mit dem eigenen Vermögen. Sie kann allerdings ihrerseits bei Vorliegen der entsprechenden V o r aussetzungen nach § 10 III K A G G Regreß gegen das Sondervermögen nehmen. Eigenständige Bedeutung dürfte § 10 I V K A G G nur bei der Miteigentumslösung zukommen, wohingegen bei der Treuhandlösung die von § 10 I V K A G G angeordnete Rechtsfolge ohnehin schon nach den allgemeinen Grundsätzen eintritt. Auf andere Fälle einer 1230
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III. D a s Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
gesetzlichen Haftung, die mit dem Eigentum an Gegenständen des Sondervermögens verknüpft ist, wird man § 10 IV KAGG grundsätzlich analog anzuwenden haben. Rechtstechnisch wird die Haftungsfreistellung des Sondervermögens durch die 2 4 1 4 Gewährung der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO und eines Aussonderungsrechts gemäß § 43 KO im Konkurs der Kapitalanlagegesellschaft gewährleistet. § 13 III 2 KAGG hebt ausdrücklich hervor, daß das Sondervermögen nicht zur Konkursmasse der Kapitalanlagegesellschaft gehört. Zur Geltendmachung dieser Rechtsbehelfe ist gemäß § 12 VIII Ziff. 2 bzw. § 14 II 1 KAGG die Depotbank unter Ausschluß der Anteilinhaber zuständig. Drittwiderspruchsklage und Aussonderungsrecht werden folgerichtig ergänzt durch 2 4 1 5 das Aufrechnungsverbot des § 9 IV KAGG. Bekanntlich hat nämlich die Aufrechnung denselben Effekt wie die Zwangsvollstreckung und muß daher ebenso ausgeschlossen sein wie diese. Bei der Miteigentumslösung ergibt sich die Unzulässigkeit der Aufrechnung allerdings auch unabhängig von § 9 IV KAGG, da es hier schon an der erforderlichen Gegenseitigkeit zwischen zum Sondervermögen gehörenden Forderungen und Forderungen gegen die Kapitalanlagegesellschaft fehlt. Bei der Treuhandlösung wäre eine Aufrechnung dagegen rein konstruktiv gesehen an sich denkbar. Man würde sie allerdings schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Treuhandrechts ausschließen, soweit die Gegenforderung nur auf „Privatgeschäften" der Kapitalanlagegesellschaft beruht (vgl. auch oben Rdn. 284). Nach § 9 IV KAGG ist die Aufrechnung aber in Analogie zu § 10 II 1 HS. 2 KAGG auch insoweit unzulässig, als die Gegenforderung aus einem Rechtsgeschäft stammt, das die Kapitalanlagegesellschaft für das Sondervermögen vorgenommen hat. Die Rechtswirkung eines Verstoßes gegen § 9 IV KAGG ist die absolute Unwirksamkeit der Aufrechnung (vgl. auch Baur§ 9 Anm. VI m. Nachw.). Wird diese nicht von der Kapitalanlagegesellschaft selbst geltend gemacht, d. h. behandelt diese die betreffende Forderung des Sondervermögens entgegen § 9 IV KAGG als erloschen, so wird man die Depotbank analog § 12 VIII Ziff. 2 KAGG als berechtigt und verpflichtet ansehen müssen, die Forderung einzuklagen. Anders als im Verhältnis zu Dritten ist die Haftung des Sondervermögens gegen- 2 4 1 6 über der Kapitalanlagegesellschaft geregelt. Während nämlich für jene, wie gezeigt, jeder unmittelbare Zugriff ausgeschlossen ist, kann sich diese gemäß § 10 III KAGG wegen ihrer Ansprüche auf Vergütung und Aufwendungsersatz aus dem Sondervermögen befriedigen. Konstruktiv gesehen handelt es sich dabei selbstverständlich nicht um eine eigenständige Haftung des Sondervermögens, da dieses ja keine selbständige Rechtsperson ist, sondern um eine Haftung der Anteilinhaber mit dem Sondervermögen. Eine Haftung kommt grundsätzlich nur in Betracht, wo eine entsprechende Verbindlichkeit besteht. Fälle einer bloßen dinglichen Haftung ohne das gleichzeitige Bestehen einer persönlichen Schuld, wie sie etwa aus dem Recht der dinglichen Sicherheiten bekannt sind, stellen eine Ausnahme dar und bedürfen daher besonderer Begründung. Daß § 10 III KAGG in diesem Sinne zu verstehen wäre, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Vielmehr setzt sie ihrer Formulierung wie ihrem Schutzzweck nach das Bestehen von Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüchen voraus (vgl. auch oben Rdn. 2392 Abs. 3); sie gewährt also weder selbst solche Ansprüche noch ordnet sie eine rein dingliche Haftung unabhängig von deren Bestehen an. Es kommt daher darauf an, ob die Bank einen Vergütungs- bzw. Aufwendungsersatzanspruch nach den allgemeinen Regeln hat. Dagegen hängt die Haftung des Sondervermögens nach § 10 III KAGG entgegen der h. L. nicht davon ab, daß die Voraussetzungen des § 670 BGB erfüllt sind (a. A. Siara/Tormann §11 Anm. VII; Baur §10 Anm. VII; Roth Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
S. 131); denn ein Ersatzanspruch der Kapitalanlagegesellschaft kann auch in anderen Fällen gegeben sein (vgl. unten Rdn. 2440). § 10 III KAGG gibt der Kapitalanlagegesellschaft allerdings keine Befugnis zu eigenmächtiger Entnahme der ihr zustehenden Gelder aus dem Sondervermögen — wie überhaupt der Sinn der Bestimmung ihrer klaren Fassung nach nicht in der Gewährung von Rechten, sondern in der Begrenzung der Haftung auf das Sondervermögen liegt. Eine Befriedigung der Kapitalanlagegesellschaft aus dem Sondervermögen setzt daher gemäß § 12 VII KAGG die Mitwirkung der Depotbank voraus. Das ergibt sich auch aus dem Schutzzweck des Gesetzes; denn anderenfalls wäre nicht sichergestellt, daß die Kapitalanlagegesellschaft nicht auch in solchen Fällen, in denen ihr ein Regreßanspruch überhaupt nicht zusteht, Gelder aus dem Sondervermögen entnimmt. 4. Die Pflichten der Kapitalanlagegesellschaft gegenüber den Anteilinhabern a) Die Anlagepflicht 2417
Die Kapitalanlagegesellschaft hat gegenüber den Anteilinhabern eine Vielzahl von Pflichten, die sich z. T. unmittelbar aus dem Gesetz und z. T. aus den Vertragsbedingungen ergeben. Eine Hauptpflicht ist die Anlagepflicht. Diese beinhaltet zunächst, daß die Kapitalanlagegesellschaft mit den eingelegten Geldern bestimmte Gegenstände erwerben muß wie z. B. Aktien, Schuldverschreibungen oder Immobilien. Die Gesellschaft darf also die Gelder nicht einfach nach ihrem Gutdünken bei der Depotbank auf dem Konto stehen lassen, sondern sie hat grundsätzlich eine Anschaffungspflicht. Gemäß § 15 III lit. c KAGG soll in den Vertragsbedingungen sogar eine Höchstgrenze für die Unterhaltung von Bankguthaben festgelegt sein; das übrige Geld hat die Kapitalanlagegesellschaft folglich in den dafür vorgesehenen Gegenständen anzulegen.
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Die Anlagepflicht betrifft ferner die Gegenstände der Anlage. Diese sind in den §§ 8 und 27 ff KAGG sowie gemäß § 15 III lit. a KAGG grundsätzlich auch in den Vertragsbedingungen näher umschrieben. Für sie gilt gemäß § 1 I KAGG in erster Linie das Prinzip der Risikomischung (vgl. im übrigen auch oben Rdn. 2404).
2419
Von wesentlicher Bedeutung für die Anlagepflicht ist ferner die Pflicht zur optimalen Preisgestaltung. Die Kapitalanlagegesellschaft muß sich also — ebenso wie z. B. ein Kommissionär — bemühen, bei einem Kauf einen möglichst niedrigen und bei einem Verkauf einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Keinesfalls darf sie bei Wertpapieren und Bezugsrechten ein Geschäft zu einem ungünstigeren Preis als dem Tageskurs abschließen, wie in § 12 V KAGG ausdrücklich festgelegt ist; ihre Pflicht, nach Möglichkeit einen besseren Kurs als den Tageskurs zu erzielen, bleibt davon selbstverständlich unberührt. Für Immobilienfonds enthalten die §§ 27 III und 37 I KAGG nähere Bestimmungen über die Höchst- bzw. Mindestpreise (vgl. im übrigen auch oben Rdn. 2410).
2420
Als zweite Hauptpflicht tritt neben die Anlagepflicht die Verwaltungspflicht gemäß § 10 I KAGG. Dazu gehört z. B. die Pflicht zum Einzug von Dividenden und Zinsen und zur Ausübung oder Veräußerung von Bezugsrechten. Bei Immobilienfonds kommt außerdem eine Pflicht zur optimalen Bewirtschaftung der Grundstücke hinzu.
2421
Besonders hervorgehoben ist in § 10 I 2 KAGG die Pflicht zur Stimmrechtsausübung. Diese soll die Kapitalanlagegesellschaft im Regelfall selbst, d. h. durch eines ihrer Organe oder einen ihrer bevollmächtigten Angestellten wahrnehmen. Der Zweck dieser Regelung liegt vor allem darin, die spezifischen Interessen der Anteilinhaber —
b) Die Verwaltungspflicht
1232
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III. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
die denen der Kleinaktionäre meist eng verwandt sein werden — zur Geltung zu bringen. Dementsprechend ist es der Kapitalanlagegesellschaft gemäß § 10 I 3 KAGG verboten, einem Dritten eine generelle Ermächtigung zur Ausübung des Stimmrechts zu erteilen. Das muß analog für eine Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts gelten, da die Vorschrift sonst allzu leicht umgangen werden könnte 4 7 ; denn nicht der Unterschied zwischen Handeln im eigenen und Handeln im fremden Namen, nach dem sich die Abgrenzung zwischen Ermächtigung und Vollmacht richtet, ist in diesem Zusammenhang ausschlaggebend, sondern die Frage der Interessenbindung — und diese stellt sich für die Bevollmächtigung nicht wesentlich anders als für die Ermächtigung, da das Handeln im Namen der Kapitalanlagegesellschaft als solches noch keine Gewähr für die Wahrnehmung der spezifischen Anteilinhaberinteressen gibt. Folgerichtig schließt § 1 0 1 2 und 3 KAGG grundsätzlich auch die Einräumung einer Depotvollmacht gemäß § 135 AktG aus. Dafür spricht im übrigen nicht zuletzt auch das Gebot der „Spartenbeschränkung" gemäß § 2 II 1 lit. c KAGG; dürfte die Kapitalanlagegesellschaft nämlich die Stimmrechtsausübung generell einer Geschäftsbank anvertrauen, so wären die Anteilinhaber insoweit doch wieder der Gefahr von Interessenkollisionen ausgesetzt, wie sie mit dem „Universalbankensystem" verbunden sein können und wie sie § 2 II 1 lit. c KAGG für das Investmentgeschäft gerade zu bannen versucht. Die Kapitalanlagegesellschaft hat somit das Stimmrecht grundsätzlich selbst auszuüben. Dabei hat sie die Pflicht, die spezifischen Interessen der Anteilinhaber wahrzunehmen; allerdings gilt das nur, soweit dem nicht die berechtigten Interessen der Aktiengesellschaft selbst entgegenstehen, da zu deren Wahrung alle Aktionäre verpflichtet sind (vgl. auch oben Rdn. 2189 zum entsprechenden Problem im Rahmen des § 128 II 2 AktG). Als Teil der Verwaltungspflicht — oder sogar schon als Teil der Anlagepflicht ist weiter die Pflicht zu einem sorgfältigen Vorgehen bei Umschichtungen des Anlagevermögens anzusehen. Die Kapitalanlagegesellschaft darf daher einerseits keine unnötigen Umschichtungen vornehmen, weil dadurch überflüssige Kosten entstehen, und sie darf erst recht keine nachteiligen Umschichtungen vornehmen, weil (und soweit) dadurch in vorhersehbarer Weise der Wert des Sondervermögens gemindert wird. Sie kann andererseits aber auch zu Umschichtungen verpflichtet sein, wenn solche zur Vermeidung von Verlusten bei Wahrung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns geboten erscheinen. Allerdings wird sich hinsichtlich der Vornahme oder Unterlassung von Umschichtungen nur in besonders krassen Fällen eine Pflichtverletzung nachweisen lassen, da es hier um meist nicht justiziable Fragen der Zweckmäßigkeit und der Anlagepolitik geht. Das berechtigt aber nicht dazu, eine Umschichtungspflicht überhaupt zu verneinen; denn Sinn und Funktion des Investmentgeschäfts liegt nicht zuletzt auch darin, dem Sparer die Aufgabe einer ständigen Überwachung des Marktes im Hinblick auf die jeweils zweckmäßigste Art und Form der Anlage abzunehmen (vgl. oben Rdn. 2326), und daher muß die Kapitalanlagegesellschaft in den Grenzen des für den jeweiligen Fonds Zulässigen gegebenenfalls auch für einen Wechsel der Anlagegegenstände sorgen.
2422
c) Die Pflicht zur Interessenwahrung Neben die Verwaltungspflicht stellt § 10 I 1 KAGG die Pflicht zur Wahrung der Interessen der Anteilinhaber. Diese Pflicht ist kein Spezifikum des Investmentgeschäfts und stellt insbesondere kein „Äquivalent für die fehlende Einwirkungsmöglichkeit der 47
Vgl. auch Geßler S. 18; Baur% 10 Anm. V 1; von Biete! S. 38 ff; a. A. Siara/Tormann § 9 Anm. I; Schäcker S. 109. C l a u s - W i l h e l m Canaris
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2423
19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft Anteilinhaber auf die Verwaltung des Sondervermögens" dar (a. A. unrichtig Baur% 10 Anm. III 2). Es handelt sich vielmehr um nichts anderes als eine besondere Ausprägung der allgemeinen Interessenwahrungspflicht, wie sie auch für andere fremdnützige Rechtsverhältnisse charakteristisch ist — und zwar auch für solche, bei denen ein Weisungsrecht des Betroffenen besteht wie z. B. beim Auftrag oder beim Kommissionsvertrag. 2424
Einen eigenständigen Gegenstand oder Inhalt hat die Interessenwahrungspflicht grundsätzlich nicht. Ihre Funktion liegt vielmehr in erster Linie in der Prägung des Inhalts anderer Pflichten. S o folgt z. B. aus ihr die bereits oben Rdn. 2419 erwähnte Pflicht zur Erzielung eines optimalen Preises (noch über die Mindest- bzw. Höchstgrenzen des § 12 V K A G G hinaus). Ähnlich beruht auf ihr die soeben Rdn. 2421 a. E. behandelte Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen der Anteilinhaber bei der Stimmrechtsausübung. Überhaupt hat die Kapitalanlagegesellschaft sich stets vom Grundsatz der Fremdnützigkeit ihres Handelns leiten zu lassen.
2425
Bei Interessenkollisionen folgt aus § 10 I 1 K A G G das Prinzip vom Vorrang des Interesses der Anteilinhaber. Dieses geht sogar noch weiter als das entsprechende Prinzip vom Vorrang des Kommittenten- bzw. Kundeninteresses beim Kommisions- und Effektengeschäft (vgl. dazu oben Rdn. 1888). Der Kapitalanlagegesellschaft ist nämlich nach § 2 1 1 1 lit. c K A G G grundsätzlich das Betreiben anderer Geschäfte als derjenigen, die mit dem Investmentgeschäft zusammenhängen und die zur Anlage ihres eigenen Vermögens dienen, untersagt, um die Interessenkonflikte, die das „Universalbankensystem" mit sich bringen kann, für das Investmentgeschäft zu vermeiden (vgl. oben Rdn. 2330). Daraus ist zu entnehmen, daß sie den Interessen der Anteilinhaber unter allen Umständen den Vorrang vor den Interessen ihrer Mitglieder einzuräumen hat; denn da diese meist Banken sind (vgl. oben Rdn. 2331), entstünden sonst doch wieder die Gefahren für die Interessen der Anteilinhaber, die § 2 II 1 lit. c K A G G gerade hintanhalten soll. d) Sonstige Pflichten
2426
Neben den bisher genannten Pflichten hat die Kapitalanlagegesellschaft noch eine Fülle weiterer Pflichten, die sich teils unmittelbar aus dem K A G G , teils aus den Vertragsbedingungen und teils aus § 242 B G B ergeben. Eine abschließende Aufzählung ist nicht möglich. Hervorgehoben sei z. B. die Pflicht zur Erhaltung einer ausreichenden Liquidität. Diese wird hinsichtlich des Eigenvermögens der Kapitalanlagegesellschaft durch § 17 K A G G näher konkretisiert und ist hinsichtlich des Sondervermögens gemäß § 15 III lit. d in den Vertragsbedingungen festzulegen. Diese Pflicht ist insofern von besonderer Wichtigkeit, als die Kapitalanlagegesellschaft bei mangelhafter Liquiditätsvorsorge durch plötzliche Forderungen, insbesondere durch eine besonders große Zahl von Rücknahmeverlangen gemäß § 11 K A G G u. U . zu größeren Verkäufen aus dem Sondervermögen gezwungen sein könnte, was je nach Börsenlage für dieses sehr nachteilig sein und möglicherweise sogar zu einem Kurssturz für die von der Gesellschaft gehaltenen Papiere und zu entsprechenden „Kettenreaktionen" führen kann. Man wird der Gesellschaft dementsprechend gegebenenfalls auch eine Pflicht zum Rückgriff auf ihre eigenen Liquiditätsreserven aufzuerlegen haben (vgl. dazu näher unten Rdn. 2449).
2427
Gesetzlich ausdrücklich geregelt ist weiterhin in §§ 19 f K A G G die Pflicht zur Herausgabe eines richtigen und vollständigen Prospekts. Es handelt sich dabei um ein Seitenstück zu der allgemeinen Prospekthaftung nach den §§ 45 ff BörsG, so daß grundsätzlich — insbesondere auch hinsichtlich der dogmatischen Einordnung der Prospekt1234
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D a s Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
haftung — auf die Ausführungen oben Rdn. 2276 ff verwiesen werden kann. Die wichtigste Besonderheit der §§ 19 f KAGG gegenüber den §§ 45 ff BörsG liegt darin, daß § 20 I KAGG als Rechtsfolge einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Preises gegen Rückgabe der Anteilscheine oder des Veräußerungsverlustes gewährt (vgl. demgegenüber § 46 II BörsG und dazu oben Rdn. 2286). Zu den gesetzlich geregelten Pflichten der Kapitalanlagegesellschaft gehört schließlieh die Pflicht zur Erstattung eines Rechenschaftsberichts. Die Einzelheiten sind in § 25 KAGG geregelt.
2428
Die wichtigste Pflicht, die in den Vertragsbedingungen zu regeln ist, ist die Pflicht zur Ausschüttung der Gewinnanteile gemäß § 15 III lit. i und § 16 KAGG. Aus der unterschiedlichen Fassung von § 15 III lit. i einerseits und § 16 KAGG andererseits und aus ihrem systematischen Verhältnis zueinander wird man dabei zu entnehmen haben, daß die Ausschüttung von Erträgen des Sondervermögens, also von Zinsen und Dividenden, als Regel, die Ausschüttung von Veräußerungsgewinnen dagegen als Ausnahme anzusehen ist. Demgemäß dürfte eine Ausschüttung von Erträgen, die in den Vertragsbedingungen keine Grundlage findet, grundsätzlich rechtswirksam sein, auch wenn sie u. U. eine Pflichtverletzung der Kapitalanlagegesellschaft darstellt und daher eine Schadensersatzhaftung begründen kann. Eine Ausschüttung von Veräußerungsgewinnen ist dagegen bei Fehlen der von § 16 KAGG vorgeschriebenen Bestimmung in den Vertragsbedingungen gemäß § 134 BGB unwirksam (vgl. auch Baur% 16 Anm. II). Sie kann folglich gemäß §§ 812, 817 BGB von der Kapitalanlagegesellschaft zurückgefordert werden; die Anteilinhaber sind dabei allerdings entgegen § 819 II BGB in entsprechender Anwendung des § 62 I 2 AktG in ihrem guten Glauben an die Berechtigung der Gewinnausschüttung zu schützen, da man von ihnen die Kenntnis des § 16 KAGG grundsätzlich nicht erwarten kann.
2429
Im Bereich der Gewinnausschüttung hat eine weitere Pflicht der Kapitalanlagegesellschaft ihr Hauptanwendungsfeld: die Pflicht zur Gleichbehandlung der Anteilinhaber. Diese Pflicht ist allerdings im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen worden. Sie läßt sich auch nicht etwa ohne weiteres auf die allgemeine Gleichbehandlungspflicht des Gesellschaftsrechts stützen, da die Anteilinhaber ja nicht Mitglieder der Kapitalanlagegesellschaft sind und da daher die Regeln des Aktienrechts bzw. des Rechts der G m b H auf sie keine Anwendung finden. Die Gleichbehandlungspflicht ergibt sich auch nicht aus den allgemeinen Grundsätzen des Bankrechts, da diese eine solche Pflicht gerade nicht kennen (vgl. oben Rdn. 121). Gleichwohl kann an ihrem Bestehen kein Zweifel sein. Zwischen den Anteilinhabern besteht nämlich ein Gemeinschaftsverhältnis, und damit ist das entscheidende Kriterium für die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfüllt (vgl. G. Hueck Der Grund der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958, S. 222 ff). Außerdem läßt sich auch aus dem Verbot von „Vorzugsanteilen" gemäß § 18 II 2 KAGG die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ableiten; denn wenn schon nicht durch die Vertragsbedingungen eine Bevorzugung bestimmter Gruppen von Anteilinhabern vorgesehen werden kann, dann darf es erst recht nicht der Kapitalanlagegesellschaft freigestellt sein, nach ihrem Belieben einzelne Anteilinhaber zu begünstigen und andere zu benachteiligen.
2430
Im Gegensatz zum gewöhnlichen Effektengeschäft hat die Kapitalanlagegesell- 2431 schaft keine Pflicht zur Beachtung von Weisungen der Anteilinhaber. Für die Weisung einzelner Anteilinhaber versteht sich das von selbst, da diese nicht Weisungen hinsichtlich des allen gemeinsam zustehenden Sondervermögens mit Wirkung für die übrigen erteilen können. Es gilt aber auch für Weisungen aller Anteilinhaber. Denn das Gesetz sieht keine Organisationsform vor, wie diese zu einer gemeinsamen Willensbildung Claus-Wilhelm Canaris
1235
19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
gelangen können, und daraus ist zu schließen, daß eine solche nicht möglich ist 48 . Auch wären die §§ 744 f bzw. 709 BGB, nach denen sich die Willensbildung der Anteilinhaber allenfalls zu vollziehen hätte — je nachdem, ob man eine Bruchteils- oder eine Gesamthandsgemeinschaft annimmt (vgl. dazu oben Rdn. 2397) — ungeeignet, den besonderen Erfordernissen des Investmentwesens gerecht zu werden; denn diese Vorschriften gehen vom Prinzip der Eigenverwaltung aus, während es für das Investmentgeschäft gerade charakteristisch ist, daß es sich dabei um Fremdverwaltung handelt (vgl. oben Rdn. 2326). Das KAGG hätte daher besondere Vorschriften schaffen müssen, wenn es eine — wie immer geartete — Mitwirkung der Anteilinhaber gewollt hätte, und daher kann aus seinem Schweigen nur auf die Unmöglichkeit dieser Mitwirkung geschlossen werden — mag man das nun unter rechtspolitischen Gesichtspunkten bedauern oder als realistische Einschätzung des mangelnden Interesses und Sachverstands der Anteilinhaber begrüßen. 2432
Weiterhin hat die Kapitalanlagegesellschaft im Unterschied zum gewöhnlichen Effektengeschäft grundsätzlich keine Verwahrungspflicht. Denn nach § 9 V KAGG findet auf das Verhältnis zwischen ihr und den Anteilinhabern das Depotgesetz keine Anwendung. Die Pflicht zur Verwahrung obliegt vielmehr gemäß § 12 I KAGG der Depotbank. Diese ist keine Erfüllungsgehilfin der Kapitalanlagegesellschaft i. S. von § 278 BGB, da dieser ja die Verwahrung gerade nicht obliegt und sie sich daher auch nicht der Depotbank zur Erfüllung einer entsprechenden Pflicht bedienen kann; auch § 3 II DepG ist gemäß § 9 V KAGG unanwendbar.
2433
Dagegen hat die Kapitalanlagegesellschaft den Anteilinhabern für eine sorgfältige Auswahl der Depotbank einzustehen, da deren Beauftragung gemäß § 12 I KAGG zu ihren gesetzlichen Pflichten gehört und da sie dabei folglich mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorzugehen hat 4 9 . Die Kapitalanlagegesellschaft haftet daher insbesondere, wenn sie bei der Auswahl der Depotbank gegen die in § 12 I und II KAGG festgelegten Erfordernisse verstoßen hat. e) Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung und deren Geltendmachung
2434
Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung durch die Kapitalanlagegesellschaft richten sich nach den allgemeinen Regeln. Die Pflichtverletzung als solche hat daher keine Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts zur Folge, da sie ihrer Natur nach nur das Innenverhältnis zu den Anteilinhabern und nicht das Außenverhältnis zu Dritten betrifft. Demgemäß bleibt z. B. bei einem Verstoß gegen die Anlagebeschränkungen des § 8 KAGG oder gegen das Gebot der Einhaltung des Tageskurses gemäß § 12 V KAGG die Gültigkeit der geschlossenen Rechtsgeschäfte unberührt (vgl. oben Rdn. 2404 bzw. 2410). Allerdings ist es möglich, daß ein Rechtsgeschäft nicht nur das „Dürfen", sondern auch das „Können" der Kapitalanlagegesellschaft überschreitet und daher unwirksam ist; das ist dann jedoch nicht die Folge einer Pflichtverletzung, sondern einer Verfügungsbeschränkung und gehört daher nicht in diesen Zusammenhang (vgl. dazu oben Rdn. 2407 ff).
2435
Die typische Folge einer Pflichtverletzung ist vielmehr eine Schadensersatzhaftung der Kapitalanlagegesellschaft. Als Anspruchsgrundlage kommen dabei sowohl die Regeln über die positive Forderungsverletzung als auch eine unerlaubte Handlung nach 48
Vgl. auch von Caemmerer J Z 1958, 44; Reuter S. 165 ff; Ebner von Eschenbach S. 94 f; Baur § 10 Anm. III 2.
1236
49
Vgl. zum ganzen auch Schönle § 24 I 2 b, der jedoch § 664 I 2 B G B anwenden will, obwohl § 675 B G B gerade nicht auf diese Vorschrift verweist.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D a s Rechtsverhältnis z w i s c h e n der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
§ 823 II BGB in Betracht. Soweit das Gesetz der Kapitalanlagegesellschaft bestimmte Pflichten auferlegt wie in den §§ 8, 12 I, II und V, 17 und 25 KAGG wird man darin regelmäßig Schutzgesetze i. S. von § 823 II BGB zu sehen haben. Außerdem handelt es sich aber auch um gesetzliche Konkretisierungen der Pflichten aus dem Schuldverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern, so daß ein Verstoß gegen sie zugleich eine positive Forderungsverletzung darstellt — was im Hinblick auf die Anwendbarkeit von § 278 BGB von praktischer Bedeutung sein kann. Daneben auch noch ein Recht zur Zurückweisung pflichtwidrig abgeschlossener 2 4 3 6 Geschäfte zu geben, entspräche zwar an sich den allgemeinen Grundsätzen des Geschäftsbesorgungsrechts (vgl. z. B. § 385 I Halbs. 2 HGB), erscheint jedoch im vorliegenden Fall weder möglich noch nötig. Dieses Recht steht nämlich dogmatisch und sachlich in engstem Zusammenhang mit dem Weisungsrecht des Geschäftsherrn, und da es ein solches beim Investmentgeschäft nicht gibt, kann es auch kein Zurückweisungsrecht geben; denn dieses hat nur Sinn, wenn auch die Möglichkeit besteht, das Geschäft trotz des Pflichtverstoßes gelten zu lassen, und ein solches Wahlrecht ist hier nicht gegeben, da die Anteilinhaber insoweit weder handlungsbefugt noch handlungsfähig sind (vgl. oben Rdn. 2431) und man der Depotbank nicht einfach ein Recht zur Genehmigung pflichtwidriger Geschäfte geben kann. Außerdem besteht für das Zurückweisungsrecht auch gar kein Bedürfnis, da man mit Hilfe des Schadensersatzanspruchs bei Beachtung des § 249 S. 1 BGB regelmäßig zum selben Ergebnis kommen wird. Hat die Kapitalanlagegesellschaft z. B. ein Geschäft unter Verstoß gegen die Anlagegrundsätze des § 8 KAGG abgeschlossen, so muß sie die Anteilinhaber gemäß § 249 BGB so stellen, als wäre der Verstoß unterblieben, d. h., als hätte sie das pflichtwidrige Geschäft nicht abgeschlossen. Man braucht also nicht etwa abzuwarten, ob sich das Geschäft als wirtschaftlich nachteilig erweisen wird; vielmehr muß es die Kapitalanlagegesellschaft für eigene Rechnung abwickeln, da sie Entnahmen aus dem Sondervermögen gemäß § 249 BGB zu erstatten hat und da ihr überdies ein Aufwendungsersatzanspruch gegen das Sondervermögen hier nicht zusteht (vgl. dazu unten Rdn. 2439). Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs ist nach § 12 VIII Ziff. 1 KAGG 2 4 3 7 grundsätzlich in die Hand der Depotbank gelegt (vgl. dazu näher unten Rdn. 2473). Daneben ist aber auch eine Klage der Anteilinhaber zulässig 50 . Dafür spricht zunächst schon rein formal das argumentum e contrario aus § 12 VIII Ziff. 2 Halbs. 2 KAGG, wo die Befugnis zur Erhebung der Drittwiderspruchsklage durch die Anteilinhaber ausdrücklich ausgeschlossen wird; man kann aber nicht gut annehmen, daß der Gesetzgeber das entsprechende Problem bei Ziff. 1 glatt übersehen hat und muß daher davon ausgehen, daß er es insoweit bei den allgemeinen Regeln bewenden lassen wollte. Diese aber gewähren den einzelnen Anteilinhabern die actio pro socio gemäß bzw. analog §§ 432, 1011, 2039 BGB. Das gilt auch für die Treuhandlösung, da auch bei dieser eine Gemeinschaft zwischen den Anteilnehmern besteht (vgl. oben Rdn. 2397 Abs. 2). Ob man eine Bruchteils- oder eine Gesamthandsgemeinschaft annimmt, ist unerheblich, da beide die actio pro socio kennen. Die einzelnen Anteilinhaber können also auf Leistung an alle, d. h. auf Leistung in das Sondervermögen klagen. Mit dieser Beschränkung ist zugleich allen etwaigen Interessenkollisionen vorgebeugt und entsprechenden Einwänden die Spitze genom5" Vgl. Schuler NJW 1957, 1050; Ebner von Eschenbach S. 135; Reuter S. 156; Baur § 12 Anm. XII; a. A. Geßler S. 22; Schicker S. 126. C l a u s - W i l h e l m Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
men. Eine Klage auf Leistung an sich selbst können einzelne Anteilinhaber nur erheben, soweit ihnen ein eigenständiger Schaden erwachsen ist, der nicht zugleich ein Schaden der Gemeinschaft ist und der daher nicht durch Leistung zum Sondervermögen ausgeglichen werden kann; das wird kaum je vorkommen und ist insbesondere nicht schon deshalb zu bejahen, weil der Anteilschein wegen der Pflichtverletzung der Bank im Wert gesunken ist. Klagen mehrere Anteilinhaber, so gelten die allgemeinen Regeln Uber Streitgenossenschaft und Rechtskrafterstreckung, wie sie auch in anderen Fällen der actio pro socio anwendbar sind.
5. Die Rechte der Kapitalanlagegesellschaften gegenüber den Anteilinhabern 2438
Die Kapitalanlagegesellschaft hat gegen die Anteilinhaber einen Vergütungsanspruch gemäß §§ 675, 611 BGB, dessen Höhe sich gemäß § 15 III lit. e KAGG nach den Vertragsbedingungen richtet. Da die Höhe des Vergütungsanspruchs somit de facto einseitig durch die Kapitalanlagegesellschaft festgesetzt und nicht im Wege eines echten Aushandelns bestimmt wird, kann sie von den Gerichten nach § 315 BGB darauf überprüft werden, ob sie mit den Geboten von Treu und Glauben und den Anforderungen der Billigkeit übereinstimmt; § 8 AGBG steht nicht entgegen, weil die Vorschrift nur den Anwendungsbereich der §§ 9—11 AGBG begrenzen, nicht aber den des § 315 BGB schmälern soll.
2439
Daneben hat die Kapitalanlagegesellschaft gemäß §§ 675, 670 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch. Die Vertragsbedingungen sollen gemäß § 15 III lit. e KAGG nähere Bestimmungen darüber enthalten, welche Aufwendungen erstattungsfähig sind. Im übrigen gilt insoweit § 670 BGB, wonach es darauf ankommt, ob die Kapitalanlagegesellschaft die Aufwendungen „den Umständen nach für erforderlich halten darf". Das ist grundsätzlich hinsichtlich solcher Geschäfte zu verneinen, die gegen gesetzliche Vorschriften — wie z. B. die Anlageregeln gemäß § 8 KAGG oder die Bindung an den Tageskurs gemäß § 12 V KAGG — oder gegen die Bestimmungen der Vertragsbedingungen verstoßen. Ist in den Bedingungen vorgesehen, daß die Kapitalanlagegesellschaft Ersatz auch für solche Aufwendungen verlangen kann, die sie den Umständen nach nicht für erforderlich halten durfte, so ist das zwar nicht schlechthin und ohne weiteres unwirksam, doch ist eine solche Regelung am Maßstab von § 9 AGBG zu messen (vgl. oben Rdn. 2369); diesem hält sie nur insoweit stand, als für die Abweichung von § 670 BGB ein vernünftiger Sachgrund vorhanden ist, da dem dispositiven Recht bei der Uberprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen — als welche die Vertragsbedingungen zu qualifizieren sind — „Leitbildfunktion" zukommt.
2440
Ist ein Aufwendungsersatzanspruch nicht gegeben, so muß das nicht ohne weiteres bedeuten, daß die Kapitalanlagegesellschaft überhaupt keinen Anspruch hat. Es ist nämlich zu bedenken, daß auch bei pflichtwidrigen Geschäften grundsätzlich das Surrogationsprinzip des § 6 I und II KAGG gilt. Daher werden die Ansprüche und die erhaltenen Leistungen aus solchen Geschäften ipso iure Bestandteil des Sondervermögens, soweit das Geschäft z. B. mit Mitteln des Sondervermögens vorgenommen wird oder sich in anderer Weise auf dieses bezieht. Da die Kapitalanlagegesellschaft nun bei derartigen Geschäften aber grundsätzlich keinen Aufwendungsersatzanspruch hat, könnte das Sondervermögen auf ihre Kosten ungerechtfertigt bereichert werden, wenn einerseits das durch das betreffende Geschäft erworbene Recht ipso iure in das Sondervermögen fällt, andererseits der Kapitalanlagegesellschaft aber jeder Ausgleichsanspruch versagt würde. Daher ist ihr in derartigen Fällen in Analogie zu § 684 S. 1 BGB ein Bereicherungsanspruch zu gewähren. Die Kapitalanlagegesellschaft kann deshalb 1238
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
z. B. die Herausgabe bzw. Übereignung dessen verlangen, was auf Grund eines gegen § 8 KAGG verstoßenden Geschäfts in das Sondervermögen gelangt ist. Die Haftung für die Ansprüche der Kapitalanlagegesellschaft ist gemäß 5 10 III 2441 KAGG auf das Sondervermögen beschränkt (vgl. näher oben Rdn. 2416). Insoweit sind aber auch Zweit- oder Dritterwerber von Anteilscheinen verpflichtet, obwohl sie mit der Kapitalanlagegesellschaft keinen Investmentvertrag geschlossen haben (vgl. oben Rdn. 2392 Abs. 3). Eine Haftung der Anteilinhaber mit ihrem persönlichen Vermögen wird durch § 10 III HS. 2 KAGG ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist als zwingend anzusehen, so daß abweichende Klauseln in den Vertragsbedingungen gemäß § 134 BGB nichtig wären; denn sie würde die Anteilinhaber mit einem unüberschaubaren und untragbaren Risiko belasten und das Investmentgeschäft, das in erster Linie auf die Anlagebedürfnisse des „kleinen Sparers" zugeschnitten ist (vgl. oben Rdn. 2325 ff), in seinem Typus grundlegend verändern und u. U. sogar funktionsunfähig machen. Die Befriedigung der Kapitalanlagegesellschaft aus dem Sondervermögen setzt gemäß § 12 VII KAGG grundsätzlich die Mitwirkung der Depotbank voraus (vgl. oben Rdn. 2416 Abs. 3). 6. Die Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern a) Die Rückgabe des Anteilscheins Nach den allgemeinen Regeln hätten die Anteilinhaber und deren Pfändungspfand- 2 4 4 2 gläubiger das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft nach den §§ 749, 751 S. 2 BGB bzw. — wenn man statt einer Bruchteils- eine Gesamthandsgemeinschaft annimmt (vgl. dazu oben Rdn. 2397) — in Analogie zu den §5 723, 725 BGB zu verlangen. Da dieses Recht mit der Funktion des Investmentgeschäfts, den übrigen Anteilinhabern eine langfristige Anlagemöglichkeit zu bieten, unvereinbar wäre, wird es durch § 11 I KAGG ausgeschlossen. Da der Gesetzgeber andererseits den Anteilinhabern die Möglichkeit zur „Verflüssigung" ihrer Beteiligung erhalten, sie dafür aber nicht auf einen Verkauf an der Börse verweisen wollte, ist ihnen entsprechend dem „open-end-Prinzip" (vgl. dazu näher Rdn. 2338) in § 11 II KAGG ein Anspruch auf Auszahlung des Anteils an dem Sondervermögen gegen Rückgabe des Anteilscheins eingeräumt worden. Folgerichtig entfällt dieser Anspruch, wenn das Verwaltungsrecht der Kapitalanlagegesellschaft erlischt (vgl. unten Rdn. 2457). Die inhaltliche Ausgestaltung des Anspruchs hat der Gesetzgeber nicht selbst vorge- 2 4 4 3 nommen, sondern nach § 11 II HS. 2 und § 15 III lit. g KAGG den Vertragsbedingungen überlassen. In diesen ist demgemäß zunächst die Höhe des Rücknahmepreises näher zu regeln. Dabei ist die Kapitalanlagegesellschaft in den Grenzen der §§315 BGB, 9 AGBG grundsätzlich frei. Allerdings muß die Berechnung des Rücknahmepreises auf dem wirklichen Wert des Anteils aufbauen, der nach § 21 II 2 und 3 KAGG zu berechnen ist; denn sonst würde dem Anteilinhaber nicht „sein Anteil an dem Sondervermögen ausgezahlt" und § 11 II KAGG, der die rechtliche Ausgestaltung des Investmentgeschäfts entscheidend prägt und der daher als unabdingbar anzusehen ist, wäre verletzt. Es ist deshalb nicht zutreffend, die Gestaltungsfreiheit der Kapitalanlagegesellschaft lediglich durch den Grundsatz zu beschränken, die Rücknahmepflicht dürfe nur so weit eingeschränkt werden, daß sie nicht praktisch ausgeschlossen ist (so aber Baur § 11 Anm. II). Die H ö h e des Rücknahmepreises muß sich vielmehr am wahren Wert des Anteils ausrichten und darf von diesem nur solche Abschläge vorsehen, die Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
Treu und Glauben und den Geboten der Billigkeit entsprechen. Ohne weiteres zulässig ist es dabei allerdings, den Rücknahmepreis erst auf der Grundlage zu berechnen, die sich ergibt, nachdem die Kapitalanlagegesellschaft die zur Erfüllung des Rücknahmeverlangens u. U. notwendigen Verkäufe aus dem Fondsvermögen — mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kurse — vorgenommen hat. Eine solche Klausel, die wegen der Pflicht zur Bereithaltung einer gewissen Liquiditätsreserve nur bei umfangreicheren Rückgaben relevant wird, ist sinnvoll, um die verbleibenden Anteilinhaber möglichst vor den Folgen massierter Rückgaben zu schützen. 2444
Weiterhin sollte in den Vertragsbedingungen regelmäßig eine Klausel über die Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs enthalten sein. Zulässig ist dabei nach dem soeben Gesagten die Bestimmung, daß die Auszahlung erst nach der Veräußerung entsprechender Anlagewerte vorgenommen werden soll. Fehlt es an einer Regelung der Fälligkeit in den Vertragsbedingungen, so ist der Anspruch des Anteilinhabers nach dem Grundsatz des § 271 I BGB im Zweifel sofort fällig; bei Liquiditätsschwierigkeiten ist aber auch in diesem Falle gemäß § 242 BGB eine Verzögerung bis zur Vornahme der erforderlichen Verkäufe aus dem Fondsvermögen zulässig.
2445
Die Rechtswirkung der Rückgabe des Anteilscheins besteht darin, daß der Anteilinhaber seine Rechte, d. h. seine Ansprüche gegen die Gesellschaft und seinen etwaigen Miteigentumsanteil verliert 51 . Das ergibt sich u . a . aus §21 II 2 Halbs. 2 KAGG, wonach zurückgegebene Anteilscheine bei der Ermittlung des Wertes des Sondervermögens außer Betracht bleiben. Konstruktiv ist dabei entgegen der h. L. 52 nicht von einer Übertragung des Anteils gemäß SS 929, 931 BGB auszugehen; vielmehr erklärt sich die Rechtsfolge zwanglos aus dem Anwachsungsprinzip, wonach beim Ausscheiden eines Mitgliedes aus einer Gemeinschaft sich der Anteil der übrigen ipso iure entsprechend erhöht 5 3 .
2446
Das ändert allerdings nichts daran, daß die Rückgabe als Rechtsgeschäft zu qualifizieren ist. Denn das willentliche Ausscheiden aus einer Rechtsgemeinschaft ist nur auf Grund eines entsprechenden Rechtsgeschäfts möglich. Daher sind die Vorschriften über Willenserklärungen, insbesondere die §§ 104 ff, 116 11 und 164 ff BGB grundsätzlich anwendbar.
2447
Bei Rückgabe durch einen Nichtberechtigten wird die Kapitalanlagegesellschaft analog § 793 I 2 BGB bzw. nach §§18 1 3 KAGG, 67 II, 68 IV AktG grundsätzlich frei (vgl. auch WendtS. 187). Hinsichtlich der Frage des guten Glaubens gelten die Ausführungen oben Rdn. 1185 entsprechend. Auch bei Rückgabe durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht wird die Kapitalanlagegesellschaft geschützt, entgegen der h. L. dagegen nicht bei Rückgabe durch einen Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen; insoweit ist auf die Ausführungen oben Rdn. 1186 zu verweisen, die hier entsprechend gelten.
2448
Umstritten ist, ob die Haftung der Kapitalanlagegesellschaft sich auf das Sondervermögen beschränkt oder ob zugleich eine Haftung mit dem Eigenvermögen eintritt. Die Frage wird von der h. L. im letzteren Sinne beantwortet 5 4 . Der h. L. ist nicht zu folgen. Gegen sie spricht zunächst schon der Wortlaut des § 11 II KAGG, wonach der 51 Vgl. Geßler S. 26; von Caemmerer J Z 1958, 48; Schicker S. 121; Reuter S. 138; Baur § 1 8 Anm. VII 5. 52 Vgl. z. B. Schäcker S. 121; Reuter S. 138; Baur § 18 Anm. VII 5.
1240
53
Vgl. Schulze-Osterloh Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 146 f. 54 Vgl. Geßler S. 16 und S. 23; Schäcker S. 114 f und S. 121; von Caemmerer J Z 1958, 71; Reuter S. 133; a. A. Siara/Tormann § 10 Anm. II; Baur § 11 Anm. II.
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III. Das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern Anteilinhaber die Auszahlung seines Anteils am Sondervermögen „aus diesem" verlangen kann. Gegen die h. L. spricht weiter der systematische Zusammenhang zwischen Abs. 2 und Abs. 1 des § 11 K A G G , aus dem zu folgern ist, daß der Auszahlungsanspruch nach Abs. 2 ein Ersatz für den durch Abs. 1 ausgeschlossenen Aufhebungsanspruch sein soll; bei einer Aufhebung der Gemeinschaft könnte sich der Anteilinhaber aber auch nur an das Sondervermögen und nicht auch an das Eigenvermögen der Gesellschaft halten. Gegen die h. L. spricht schließlich der allgemeine Grundsatz des Geschäftsbesorgungsrechts, daß der Geschäftsführer nur das herauszugeben hat, was er aus der Geschäftsführung erlangt hat und nicht mit dem eigenen Vermögen für den Erfolg der Geschäftsführung einstehen muß. Damit erledigt sich auch das begriffsjuristische Argument der h. L., der Anspruch aus § 1 1 II K A G G sei ein solcher aus dem Investmentvertrag und folglich müsse die Kapitalanlagegesellschaft auch persönlich für ihn haften. Dabei wird nämlich verkannt, daß es sich hier nicht um einen Anspruch wegen einer Pflichtverletzung handelt, für den die Kapitalanlagegesellschaft selbstverständlich mit dem Eigenvermögen einzustehen hätte, sondern um einen Anspruch auf (anteilige) Herausgabe des Erlangten i. S. des § 667 B G B bzw. um die Modifikation dieses Anspruchs; ein solcher Anspruch aber kann immer nur gegeben sein, soweit sich das Erlangte bzw. dessen Surrogat noch im Vermögen des Geschäftsführers befindet, und entfällt daher ohne weiteres, soweit trotz ordnungsgemäßer Geschäftsführung nichts mehr vorhanden ist. Es ist daher auch verfehlt, hier die „Garantiefunktion" des Eigenvermögens ins Spiel zu bringen (vgl. aber von Caemmerer J Z 1958 71). W e n n das heißen soll, die Anteilinhaber könnten bei Erschöpfung der Fondsmittel einfach auf das Eigenvermögen zurückgreifen, so läge darin dogmatisch gesehen eine einmalige Systemwidrigkeit, da das Recht der Geschäftsbesorgung eine solche Garantie des V e r walters mit seinem gesamten Privatvermögen sonst nirgends vorsieht, und wirtschaftlich gesehen eine Sinnwidrigkeit, da der Wert der Anteile in diesem Falle gleich null wäre und eine Inanspruchnahme des Eigenvermögens daher zu einem durch nichts gerechtfertigten Vorteil der Anteilinhaber führen würde; außerdem bestünde die Gefahr, daß die Kapitalanlagegesellschaft in Konkurs ginge und daß daher durch einen „kranken" Fonds auch die übrigen Sondervermögen derselben Kapitalanlagegesellschaft, deren Bildung gemäß § 6 III K A G G zulässig und allgemein üblich ist, in Mitleidenschaft gezogen würden, weil sie gemäß §§ 13 III, 14 II K A G G aufgelöst werden müßten. W e n n sich aber die Anteilinhaber bei Erschöpfung des Fondsvermögens nicht an das Eigenvermögen der Kapitalanlagegesellschaft halten bzw. nicht unabhängig von der H ö h e des restlichen Fondsvermögens in das Eigenvermögen vollstrecken können, dann hat die Haftung des Eigenvermögens ohnehin keine wesentliche praktische Bedeutung. Eine ganz andere Frage ist, ob die Kapitalanlagegesellschaft u. U . gegenüber der Gesamtheit der Anteilinhaber eine Pflicht zur Zahlung aus ihrem Eigenvermögen hat. Eine solche Pflicht gäbe nicht den rückgabewilligen Anteilinhabern die Möglichkeit zur Vollstreckung in das Eigenvermögen der Gesellschaft und wäre daher dogmatisch und praktisch keine „Haftung" für den Anspruch aus § 11 II K A G G . Sie gäbe vielmehr lediglich den verbleibenden Anteilinhabern einen Anspruch auf ein entsprechendes Verhalten der Gesellschaft und würde diese gegebenenfalls schadensersatzpflichtig machen, wenn sie statt dessen Verkäufe aus dem Fondsvermögen vornimmt und dadurch in schuldhafter Weise zu dessen Entwertung beiträgt. Eine solche Pflicht ist auf Grund der Wertung des § 17 K A G G , wonach die Kapitalanlagegesellschaft zur Unterhaltung einer bestimmten Liquiditätsreserve verpflichtet ist (vgl. oben Rdn. 2 4 2 6 ) , in der T a t grundsätzlich zu bejahen. Sie wird jedoch folgerichtig der H ö h e nach durch die von § 17 K A G G gezogene Grenze von 20 % des Eigenkapitals beschränkt. Sie Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
besteht außerdem nur insoweit, als die Liquiditätsreserven nicht bei ordnungsgemäßer Verwaltung für die übrigen Fonds der Kapitalanlagegesellschaft bereitgehalten werden müssen. Sie hängt schließlich davon ab, ob die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns den Rückgriff auf das Eigenvermögen wirklich gebietet oder ob nicht vielmehr ein Verkauf von Gegenständen des Sondervermögens ebenso sachgerecht ist; grundsätzlich wird man die Inanspruchnahme der eigenen Liquiditätsreserven jedenfalls als Ausnahme anzusehen haben, deren Voraussetzungen nur in besonderen Lagen gegeben sind. Soweit die Gesellschaft für die Rücknahme von Anteilen eigene Mittel aufgewendet hat, steht ihr selbstverständlich ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB zu, für den ihr nach § 10 III KAGG das Sondervermögen haftet. 2450
Schwierigkeiten können sich bei einer massiven Häufung von Rückgaben ergeben. Dadurch kann eine schwere Liquiditätskrise und auf Grund des Zwangs zu umfangreichen Verkäufen eine rapide Entwertung des Sondervermögens eintreten. Einen Konkurs des Sondervermögens, der hier als Ausweg auf den ersten Blick naheliegen mag, sieht das KAGG indessen nicht vor. Allerdings ist dem geltenden Recht die Möglichkeit des Konkurses über ein Sondervermögen keineswegs fremd, wie z. B. die Vorschriften der §§ 1975 ff BGB über den Nachlaßkonkurs oder der §§ 209 f K O Uber den Konkurs einer Personengesellschaft zeigen. Diese Bestimmungen analog anzuwenden, dürfte jedoch nicht möglich sein, weil bei einem Investmentfonds weder das Kriterium der Uberschuldung noch das der Zahlungsunfähigkeit paßt. Denn diese sind auf Ansprüche Dritter gegen das Sondervermögen bezogen, und von solchen ist das Sondervermögen durch § 10 II KAGG grundsätzlich freigestellt; daß es nach § 10 III KAGG gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft haftet, vermag nicht die Möglichkeit eines Konkurses zu rechtfertigen, da dieser seinem Wesen nach stets der Befriedigung mehrerer konkurrierender Gläubiger dient (vgl. auch, i. E. übereinstimmend, Baur § 10 Anm. VII a. E.). Gleichwohl kann es zu einer Situation kommen, die der „Konkursreife" vergleichbar ist. Das ist der Fall, wenn zu befürchten ist, daß das Fondsvermögen durch die Rückgaben völlig entwertet wird und den übrigen Anteilinhabern nichts mehr übrig bleibt. Für einen Konkurs fehlen aber auch hier die Voraussetzungen, weil der Rücknahmepreis ja mit dem Wert des Sondervermögens sinkt (bis zum Grenzwert null) und weil daher weder Uberschuldung noch Zahlungsunfähigkeit im Sinne des Konkursrechts eintreten können. Außerdem geht es nicht um die Befriedigung „echter" Gläubiger, sondern um die Befriedigung der Gemeinschaftsmitglieder selbst, und dafür ist nicht der Konkurs, sondern die Auflösung das richtige dogmatische Instrument. Demgemäß wird man in einem solchen Katastrophenfall die Kapitalanlagegesellschaft als berechtigt und verpflichtet ansehen müssen, die Verwaltung des Sondervermögens aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen (vgl. dazu allgemein unten Rdn. 2453) mit der Folge, daß eine Abwicklung durch die Depotbank nach § 14 KAGG stattfindet. Auf diese Weise kann eine einigermaßen gerechte Lösung gefunden werden, die verhindert, daß trotz offenkundigen Eintritts einer katastrophalen Krise einzelne Anteilinhaber noch einen Teil ihrer Einlage retten, andere aber völlig leer ausgehen; denn ebenso wie der Konkurs führt auch die Auflösung zur Gleichstellung aller Betroffenen (vgl. unten Rdn. 2457 und 2479).
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Von der Rückgabe des Anteilscheins gemäß § 11 II KAGG streng zu unterscheiden ist der Erwerb des Anteilscheins durch die Kapitalanlagegesellschaft für ihr Eigenvermögen. Die h. L. hält ein solches Vorgehen für zulässig 55 . Die Kapitalanlagegesell55
Vgl. Geßler S. 26; von Caemmerer J Z 1958, 48; Schäcker S. 119; Ebner von Eschenbach S. 112;
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ReuterS. 136; Ä j « r § 18 Anm. VII 5; a. A. soweit ersichtlich nur Gericke DB 1959, 1277 f.
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III. D a s Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern
schaft soll dann wie jeder andere Anteilinhaber an dem Sondervermögen beteiligt sein. Die h. L. ist nicht unbedenklich. Unrichtig ist allerdings der Einwand, dem Erwerb des Anteils durch die Kapitalanlagegesellschaft stünde § 181 BGB entgegen (so aber Gericke DB 1959 1277 f); denn der bisherige Anteilinhaber tritt beim Geschäftsabschluß im eigenen Namen auf, und daher taucht das Problem des Selbstkontrahierens überhaupt nicht auf — gleichgültig, ob die Kapitalanlagegesellschaft auch ihrerseits im eigenen Namen auftritt oder ob sie sich von der Depotbank vertreten läßt. Schwerer wiegen schon konstruktive Bedenken. Vor allem bei der Treuhandlösung ergeben sich nämlich insofern Schwierigkeiten, als die Kapitalanlagegesellschaft hier Eigentümerin des Sondervermögens ist und die in dem Anteilschein verbrieften treuhandrechtlichen Ansprüche sich gegen sie selbst richten, so daß sie eigentlich durch Konfusion untergehen müßten; dem Recht am Papier, das die Kapitalanlagegesellschaft natürlich ohne weiteres erwerben kann, entspräche dann kein Recht aus dem Papier. Indessen sind derartige Einwände nicht unüberwindbar, weil das Eigenvermögen und das Sondervermögen auch sonst wie die Vermögen zweier verschiedener Rechtsträger behandelt werden und man daher auch insoweit eine Verschiedenheit der Rechtssubjekte fingieren oder jedenfalls den Untergang der Ansprüche verneinen könnte — was ja denn auch bei anderen Sondervermögen wie z. B. im Falle des § 1976 BGB eine vertraute Erscheinung ist. Das größte Gewicht kommt wohl der Frage zu, ob die Kapitalanlagegesellschaft nicht gegen Sinn und Zweck des § 2 II lit. c KAGG verstößt. Denn wenn ihr zur Vermeidung von Interessenkonflikten grundsätzlich ein über das Investmentgeschäft hinausgehender Gewerbebetrieb untersagt ist, dann kann es ihr doch wohl erst recht nicht erlaubt sein, ihr Kapital ausgerechnet in den Anteilen des von ihr selbst verwalteten Fonds anzulegen. Sie übersieht ja unvergleichlich viel besser als Außenstehende die Entwicklung des Fonds, und die Versuchung könnte daher übermächtig sein, je nach den Aussichten des Fonds Anteile in das eigene Vermögen zu übernehmen oder sie wieder zu veräußern und auf diese Weise Gewinne zu machen. Auch ist es zweifellos nicht die vom Gesetzgeber vorgesehene Funktion des Investmentgeschäfts, daß die Kapitalanlagegesellschaften selbst auf diese Weise Vermögen bilden, statt die Anteile an das breite Publikum weiterzugeben. Schließlich besteht durch den Erwerb ins Eigenvermögen auch die Gefahr, daß die Marktverhältnisse verfälscht werden. Ist z. B. die Nachfrage nach neuen Anteilen besonders groß, so sollte das grundsätzlich dazu führen, daß dem Fonds in entsprechender H ö h e Gelder zufließen und diese zu den derzeitigen Kursen angelegt werden; die Kapitalanlagegesellschaft könnte das aber verhindern, wenn sie statt dessen eigene Anteile abgibt, die sie bei früherer Gelegenheit erworben hat: ihr selbst und nicht dem Sondervermögen fließt dann die Liquidität zu. Insgesamt wird man daher den Erwerb von Anteilscheinen in das Eigenvermögen nur dann billigen können, wenn er entweder lediglich als kurzfristige Durchgangsstufe bis zur Weiterveräußerung an neue Erwerbswillige fungiert oder wenn er zur Abwehr eines Schadens für den Fonds erfolgt (vgl. dazu auch oben Rdn. 2449). Überschreitet die Gesellschaft diese Grenzen, so ist der Erwerb zwar nicht rechtsunwirksam (vgl. oben Rdn. 2330), kann jedoch aufsichtsrechtliche und u. U. auch schadensersatzrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. b) Das Erlöschen des Verwaltungsrechts der Kapitalanlagegesellschaft Außer durch Rückgabe des Anteils kann das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und dem Anteilinhaber auch dadurch beendet werden, daß das Verwaltungsrecht der Gesellschaft erlischt. Als Erlöschensgrund kommt zunächst die ordentliche Kündigung durch die Gesellschaft gemäß § 13 I KAGG in Betracht. Diese Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
kann mit einer Frist von drei Monaten oder der in den Vertragsbedingungen vorgesehenen längeren Frist erfolgen. Sie braucht den einzelnen Anteilinhabern nicht zuzugehen, sondern ist statt dessen im Bundesanzeiger bekannt zu machen. 2453
Daneben ist eine fristlose Kündigung durch die Gesellschaft aus wichtigem Grund möglich (a. A. SchäckerS. 63; Baur§ 13 Anm. I). Denn nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen können alle Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund gekündigt werden (vgl. z. B. Latenz Schuldrecht I 1 2 § 19 II c), und es besteht kein hinreichender Anlaß zu der Annahme, daß das KAGG dieses Recht der Kapitalanlagegesellschaft entgegen den — an sich einschlägigen — §§ 675, 626 BGB ausschließen und so einen Wertungswiderspruch und Systembruch herbeiführen wollte. Analog § 13 I KAGG hat auch diese Kündigung durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger zu erfolgen.
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Eine Kündigung der einzelnen Investmentverträge ist nicht möglich, da § 13 I KAGG insoweit als abschließende Sonderregelung anzusehen ist (vgl. auch Schacher S. 63; Baur§ 13 Anm. I); anderenfalls könnte die Kapitalanlagegesellschaft den Fonds „spalten" und entgegen dem Gleichbehandlungsgebot (vgl. oben Rdn. 2430) einzelne Anteilinhaber diskriminieren. Die Kapitalanlagegesellschaft kann also nur das Verwaltungsverhältnis als ganzes gegenüber allen Anteilinhabern kündigen.
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Ein Kündigungsrecht der Anteilinhaber besteht nicht (vgl. auch Baur § 13 Anm. I a. E.). Hinsichtlich des Verwaltungsverhältnisses als ganzem ergibt sich das ohne weiteres daraus, daß dem einzelnen Anteilinhaber die Kompetenz für ein Handeln mit Wirkung für die übrigen fehlt und die Gesamtheit der Anteilinhaber nicht handlungsfähig ist (vgl. oben Rdn. 2431). Hinsichtlich des einzelnen Investmentvertrages folgt der Ausschluß des Kündigungsrechts daraus, daß insoweit das Rückgaberecht des § 11 II KAGG als Sonderregelung vorgeht.
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Das Verwaltungsrecht der Kapitalanlagegesellschaft erlischt gemäß § 13 III KAGG ferner durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen und durch die rechtskräftige Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse (vgl. dazu auch Jaeger/ Henckel9 § 1 Rdn. 54). In anderen Fällen der Auflösung der Kapitalanlagegesellschaft, bei Eröffnung des Vergleichsverfahrens und bei Erlaß eines allgemeinen Verfügungsverbots gegen sie besteht nach § 13 IV KAGG ein Kündigungsrecht der Depotbank, das diese nach pflichtgemäßem Ermessen auszuüben hat. Einen Konkurs des Sondervermögens gibt es nicht, doch stellt eine mit der Konkursreife vergleichbare Situation einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung der Verwaltung durch die Kapitalanlagegesellschaft dar (vgl. näher oben Rdn. 2450).
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Die Rechtsfolge des Erlöschens des Verwaltungsrechts ist, daß das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern endet. Die Kapitalanlagegesellschaft verliert also alle Rechte und wird aller Pflichten ledig. An ihre Stelle tritt gemäß § 14 KAGG die Depotbank (vgl. dazu näher unten Rdn. 2476 ff). Die Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern hat u. a. zur Folge, daß letztere den Anspruch aus § 11 II KAGG auf Auszahlung ihres Anteils am Sondervermögen verlieren. Das ist nicht nur konstruktiv, sondern auch teleologisch folgerichtig. Denn dieser Anspruch stellt ja einen Ersatz für den Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft dar (vgl. oben Rdn. 2442), und daher besteht für ihn jetzt kein Raum und kein Bedürfnis mehr, weil nunmehr ja ohnehin grundsätzlich eine Abwicklung des Sondervermögens stattfindet (vgl. unten Rdn. 2479). Außerdem wäre es mit einer ordnungsgemäßen Abwicklung auch unvereinbar, wenn es zu einem „Wettlauf" der Anteilinhaber um die Rückgabe ihrer Anteile kommen könnte. 1244
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IV. D i e Rechtsverhältnisse Depotbank / Kapitalanlagegesellschaft / Anteilinhaber
IV. Die Rechtsverhältnisse zwischen der Depotbank und der Kapitalanlagegesellschaft sowie den Anteilinhabern 1. Zustandekommen und dogmatische Einordnung der Rechtsverhältnisse. a) Das Rechtsverhältnis zwischen der Depotbank und der Kapitalanlagegesellschaft Nach § 12 I 1 KAGG hat die Kapitalanlagegesellschaft ein anderes Kreditinstitut, 2 4 5 8 das das Gesetz „Depotbank" nennt, mit der Verwahrung des Sondervermögens sowie mit der Ausgabe und Rücknahme der Anteilscheine zu beauftragen. Für Immobilienfonds enthält § 31 I KAGG eine entsprechende Regelung. Kapitalbank und Depotbank müssen zu diesem Zweck einen Vertrag abschließen, der sich im wesentlichen aus den Elementen der Verwahrung und der Geschäftsbesorgung zusammensetzt und der daher als gemischttypischer Vertrag zu qualifizieren ist (vgl. oben Rdn. 2355). Sein Abschluß muß schon vor dem Beginn des eigentlichen Investmentgeschäfts 2 4 5 9 erfolgen, weil die Ausgabe der Anteilscheine ja nur über die Depotbank erfolgen kann. Daß hinsichtlich der verwahrungsrechtlichen Elemente des Vertrags zunächst nur der Abschluß eines Vorvertrages möglich sei (so z. B. SchäckerS. 68 f; Baur% 12 Anm. II), beruht auf der dogmengeschichtlich überholten Ansicht, der Verwahrungsvertrag sei notwendigerweise ein Realvertrag, und ist daher unzutreffend (vgl. zur Kritik der Realvertragstheorie oben Rdn. 1284). § 12 I und II KAGG stellt bestimmte Anforderungen an die Auswahl der Depot- 2 4 6 0 bank. So muß diese z. B. ein haftendes Eigenkapital von mindestens zehn Millionen Deutsche Mark haben, sofern es sich nicht um eine Wertpapiersammelbank i. S. von § 1 III DepG handelt. Personellen Verflechtungen sucht § 12 I 2 KAGG durch das Verbot entgegenzuwirken, daß Geschäftsleiter, Prokuristen und mit umfassender Vertretungsmacht ausgestattete Handlungsbevollmächtigte der Depotbank nicht gleichzeitig Angestellte der Kapitalanlagegesellschaft sein dürfen. Dagegen verbietet das Gesetz nicht, eine Gesellschafterin der Kapitalanlagegesell- 2461 schaft als Depotbank zu wählen (vgl. Baur$ 12 Anm. II; Roth S. 156). Es ist sogar sehr häufig, daß die führende Gesellschafterin der Kapitalanlagegesellschaft zugleich die Stellung der Depotbank übernimmt (vgl. Roth S. 156 f). Dadurch besteht natürlich die Gefahr von Interessenkollisionen, da die Depotbank wegen ihres Eigeninteresses am Wohlergehen der Kapitalanlagegesellschaft u. U. in Versuchung geraten könnte, ihre Überwachungsaufgaben zu vernachlässigen, und da die „Bankenabhängigkeit" der Kapitalanlagegesellschaften auf diese Weise noch wächst (vgl. dazu im übrigen oben Rdn. 2331). Als Schutz hiergegen kommt vor allem das Widerspruchsrecht der Bankaufsichtsbehörde gegen die Auswahl der Depotbank gemäß § 12 I 3 KAGG und deren Recht zur Erzwingung eines Wechsels der Depotbank gemäß § 12 II 1 KAGG in Betracht. Allerdings darf die Aufsichtsbehörde die Depotbank keinesfalls allein deshalb ablehnen, weil sie Gesellschafterin der Kapitalanlagegesellschaft ist. Denn dann würde die Aufsichtsbehörde so handeln, als bestünde ein entsprechendes gesetzliches Verbot, und das ist, wie gesagt, nicht der Fall; die Entscheidung wäre daher fehlerhaft, weil die Aufsichtsbehörde das Bestehen eines Ermessensspielraums verkannt hätte. Es müssen folglich zu der mitgliedschaftlichen Verflechtung zusätzliche Umstände wie z. B. konkrete Anhaltspunkte für eine mangelhafte Erfüllung der Uberwachungspflichten seitens der Depotbank hinzukommen, um ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde zu rechtfertigen. b) Das Rechtsverhältnis zwischen der Depotbank und den Anteilinhabern Die Einschaltung der Depotbank erfolgt nicht im Interesse der Kapitalanlagegesell- 2 4 6 2 schaft, sondern allein zum Schutz der Anteilinhaber. Es fragt sich daher, wie diesem Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
Ziel des Gesetzes dogmatisch und konstruktiv Rechnung zu tragen ist. Die h. L. versucht das, indem sie den Vertrag zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank als Vertrag zugunsten der Anteilinhaber i. S. von § 328 BGB qualifiziert 5 6 . Das vermag nicht zu überzeugen. Unbefriedigend an dieser Lösung ist zunächst schon, daß sie den Schutz der Anteilinhaber und deren Rechte gegenüber der Depotbank insoweit zu einer Frage der Privatautonomie macht und grundsätzlich in das Belieben von Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank stellt; denn ob diese den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag als Vertrag zugunsten der Anteilinhaber ausgestalten oder nicht, hängt nur von ihnen selbst ab. Allerdings könnte man daran denken, sie aufsichtsrechtlich zu einer entsprechenden Vertragsgestaltung zu zwingen, doch ist das nicht nur ein überflüssiger Umweg, sondern auch rechtlich fragwürdig, da das Gesetz den Abschluß eines Vertrages zugunsten Dritter nirgends vorschreibt und erst recht keine Rechtsgrundlage für dessen aufsichtsrechtliche Erzwingung enthält. Es kommt hinzu, daß bei dieser Konstruktion die Anteilinhaber sich gemäß § 334 BGB Einwendungen aus dem Verhältnis zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank wie z. B. die Nichtigkeit dieses Vertrags oder das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts entgegenhalten lassen müssen. Das wäre aber äußerst unbillig, weil die Anteilinhaber weder Einfluß auf dieses Rechtsverhältnis und seine Mängel noch auch nur die Möglichkeit zur rechtzeitigen Erkenntnis etwaiger Einwendungen haben. Ihr vom Gesetz unzweifelhaft gewollter Schutz stünde daher auf einer brüchigen Grundlage. Dem läßt sich auch nicht ohne weiteres mit den Mitteln des Deliktsrechts abhelfen, indem man die einschlägigen Normen des KAGG als Schutzgesetze i. S. von § 823 II BGB qualifiziert (vgl. dazu auch unten Rdn. 2481); denn soweit nicht ein Organverschulden oder ein Organisationsmangel, sondern nur ein gewöhnliches Gehilfenverschulden vorliegt, ist dieser Schutz im praktischen Ergebnis wegen der Entlastungsmöglichkeit gemäß § 831 1 2 BGB häufig wertlos, wohingegen bei einer vertraglichen Lösung § 278 BGB vollen Rechtsschutz böte. 2463
Man könnte daher versuchen, einen selbständigen Vertrag zwischen der Depotbank und den Anteilinhabern zu konstruieren (vgl. vor allem Klenk S. 15). D a f ü r könnte man insbesondere das Argument ins Feld führen, daß die Depotbank gemäß § 18 I 4 KAGG die Anteilscheine mitzuunterzeichnen hat. Indessen gerät man hier allzu leicht in die Gefahr von Willensfiktionen. Ob die Depotbank bei der Ausgabe von Anteilscheinen bei objektiver Interpretation gemäß §§ 133, 157 BGB wirklich eine Verpflichtungserklärung im eigenen Namen abgibt, ist schon höchst zweifelhaft und braucht zumindest nicht notwendig in jedem Einzelfall zu bejahen zu sein; ob der Anteilinhaber seinerseits den Willen erklärt, außer mit der Kapitalanlagegesellschaft noch einen zweiten Vertrag mit der Depotbank abzuschließen, ist noch fragwürdiger; und ob Depotbank und Anteilinhaber schließlich auch noch das erforderliche Erklärungsbewußtsein haben, ist vollends ungewiß. Es kann aber unmöglich von den Umständen des Einzelfalles abhängen, ob ein Vertragsverhältnis zwischen der Depotbank und den Anteilinhabern zustande kommt oder nicht; denn deren Schutz ist vom Gesetz ohne Zweifel generell für alle Anteilinhaber in gleicher Weise gewollt. Man müßte den Vertragsschluß daher unabhängig davon bejahen, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer entsprechenden Willenserklärung vorlagen, und das beweist, daß es auf eine Willenserklärung in Wahrheit eben überhaupt nicht ankommt.
" V g l . z. B. CeßlerS. 2 2 ; Tegethoff S. 114; Baum S. 143; Schicker S. 69 f ; Reuter S. 152; Baur% 12
1246
A n m . II; Schönle 5 24 III 1 v o r a ; Klenk S. 14; Müller D B 1975, 487.
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ablehnend
IV. D i e Rechtsverhältnisse D e p o t b a n k / Kapitalanlagegesellschaft / Anteilinhaber
Es bleibt daher nur der Ausweg, ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen der 2 4 6 4 Depotbank und den Anteilinhabern anzunehmen. In der Tat lassen sich dafür gute Gründe anführen. Schon die Fülle der Pflichten, die das Gesetz der Depotbank im Interesse der Anteilinhaber auferlegt, spricht dafür. Diese rein deliktsrechtlich zu qualifizieren, wäre schon deswegen unbefriedigend, weil es sich nicht um isolierte Einzelpflichten, sondern um einen innerlich zusammenhängenden Komplex von Pflichten handelt; es liegt daher nahe, nicht nur eine Vielzahl einzelner Schutzgesetze i. S. von § 823 II BGB, sondern ein echtes Rechtsverhältnis anzunehmen. Entscheidend kommt hinzu, daß sich die Depotbank und die Anteilinhaber nicht als „unverbundene Rechtsgenossen" gegenüberstehen, wie das für eine rein deliktsrechtliche Beziehung charakteristisch ist, sondern daß zwischen ihnen ein „rechtsgeschäftlicher Kontakt" besteht; dieser wird insbesondere durch die Ausgabe der Anteilscheine, durch deren Mitunterzeichnung, durch die Verwahrung des Sondervermögens, durch die Entgegennahme des Ausgabepreises und durch die Auszahlung der Gewinnanteile vermittelt. Ein solcher „rechtsgeschäftlicher Kontakt" und die durch ihn begründete gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter des anderen Teils ist aber grundsätzlich für die Anerkennung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses ausreichend, wie insbesondere im Zusammenhang mit der Lehre von der culpa in contrahendo heute allgemein anerkannt ist. Es handelt sich hier daher um einen weiteren Fall eines gesetzlichen „Schuldverhältnisses ohne primäre Leistungspflicht" (vgl. dazu auch oben Rdn. 12). Inhaltlich ist dieses Rechtsverhältnis als Treuhand zugunsten der Anteilinhaber zu 2 4 6 5 qualifizieren 57 . Denn die Depotbank muß ihre Funktionen grundsätzlich im eigenen Namen, aber im Interesse der Anteilinhaber erfüllen und hat dazu eine Reihe von Rechtszuständigkeiten wie z. B. die Befugnis zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Kapitalanlagegesellschaft oder zur Erhebung der Drittwiderspruchsklage erhalten; das aber sind die Merkmale eines Treuhandverhältnisses. Diese Einordnung gilt unabhängig davon, ob man das Rechtsverhältnis zwischen der Depotbank und den Anteilinhabern mit der h. L. auf eine vertragliche Grundlage stellt oder ob man es mit der hier vertretenen Ansicht als gesetzliches Schuldverhältnis einordnet. 2. Funktionen und Pflichten der Depotbank a) Die Ausgabe und Rücknahme der Anteilscheine Die Depotbank hat auf Grund des gemäß § 12 I 1 KAGG abgeschlossenen Vertra- 2 4 6 6 ges zunächst die Pflicht zur Ausgabe und Rücknahme der Anteilscheine. Sie hat dabei gemäß § 12 III 3 KAGG auch den Ausgabepreis entgegenzunehmen bzw. gemäß § 12 IV KAGG die Zahlung des Rückgabepreises vorzunehmen. Als Grundlage sowohl für die Berechnung des Ausgabepreises als auch des Rücknahmepreises hat sie gemäß § 21 II 3 KAGG die Pflicht zur Ermittlung des Wertes des Sondervermögens. Im übrigen betrifft aber die Ausgabe und die Rücknahme der Anteilscheine nicht in erster Linie das Verhältnis zwischen der Depotbank und den Anteilinhabern, sondern das zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilinhabern sowie deren Beteiligung an dem Sondervermögen (vgl. insoweit oben Rdn. 2371 ff bzw. 2442 ff). b) Die Verwahrung des Sondervermögens Weiterhin ist die Depotbank zur Verwahrung des Sondervermögens verpflichtet. 2 4 6 7 Diese kann sie im Wege der Hausverwahrung vornehmen. § 12 III 2 KAGG steht dem 57 Vgl. auch Tegetboff S. 113 ff; Baur Anm. XII; Roth S. 158 m. w. Nachw.
§12
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
nicht entgegen, da die Vorschrift sich nicht auf die Hausverwahrung, sondern lediglich auf die Drittverwahrung bezieht (vgl. auch Baur § 12 Anm. VII). Die Verwahrung ist nach § 2 DepG grundsätzlich Sonderverwahrung. Eine Haussammeiverwahrung ist nur zulässig, wenn die Depotbank dazu nach § 5 DepG ermächtigt ist. Für die Erteilung der Ermächtigung ist die Kapitalanlagegesellschaft zuständig, da sie Hinterleger i. S. von § 5 DepG ist; ob sie im Verhältnis zu den Anteilinhabern zur Erteilung der Ermächtigung befugt ist oder dadurch diesen gegenüber eine Pflichtverletzung begeht, hängt von den Vertragsbedingungen ab und ist bei deren Schweigen grundsätzlich im ersteren Sinne zu beantworten. 2468
Daneben kommt auch eine Drittverwahrung in Betracht. Entgegen § 3 DepG darf diese gemäß § 12 III 2 KAGG grundsätzlich nur bei einer Wertpapiersammelbank erfolgen. Für die Drittverwahrung als solche ist nach § 3 I 1 DepG keine Ermächtigung des Hinterlegers erforderlich. Wohl aber bedarf es einer solchen gemäß § 5 I DepG, wenn die Drittverwahrung zugleich Sammelverwahrung ist, wie das bei der Verwahrung durch eine Wertpapiersammelbank ja üblich ist; § 12 III 2 KAGG macht diese Ermächtigung, die von der Kapitalanlagegesellschaft zu erteilen ist (vgl. die vorige Rdn.), nicht überflüssig. Bei Wertpapieren, die an ausländischen Börsen zugelassen sind oder gehandelt werden, ist nach § 12 III 2 Halbs. 2 KAGG auch eine Drittverwahrung durch eine ausländische Bank zulässig; dabei braucht es sich nicht um eine Bank zu handeln, die einer Wertpapiersammelbank vergleichbar ist, wohl aber muß gewährleistet sein, daß die Papiere vor dem Zugriff Dritter in ähnlicher Weise dinglich geschützt sind wie nach deutschem Recht (vgl. auch Baur § 12 Anm. VII).
2469
Die Verwahrung des Sondervermögens hat nach § 12 III 1 KAGG in einem gesperrten Depot zu erfolgen. Ein Sperrdepot kann unterschiedliche Funktionen haben und verschiedenartig ausgestaltet sein (vgl. oben Rdn. 2098). Hier dürfte seine wesentliche Bedeutung darin liegen, daß der Inhaber des Depots, also die Kapitalanlagegesellschaft, in ihrer Verfügungsmacht über die verwahrten Effekten beschränkt ist (vgl. auch Siara/Tormann § 11 Anm. III; Baur § 12 Anm. VII). Die Depotbank darf daher Verfügungen über das Depot nur dann vornehmen, wenn diese recht- und pflichtmäßig sind (vgl. auch unten Rdn. 2474). Ohne Mitwirkung der Depotbank kann die Kapitalanlagegesellschaft gemäß § 12 IV KAGG nicht über das Depot verfügen. c) Die Durchführung des Zahlungs- und Effektenverkehrs
2470
Der Verwahrung des Sondervermögens durch die Depotbank entspricht es, daß diese grundsätzlich auch den entsprechenden Zahlungs- und Effektenverkehr durchzuführen hat. Zu diesem Zweck hat sie ein gesperrtes Konto einzurichten; hinsichtlich der Funktion der Kontosperre gilt das soeben zum Sperrdepot Gesagte entsprechend (vgl. im übrigen allgemein zum Sperrkonto oben Rdn. 250 ff). Auf diesem Konto sind nach § 12 III 3 und 4 KAGG die Zahlungen für die Ausgabe von Anteilscheinen, die Erlöse aus dem Verkauf von zum Sondervermögen gehörenden Effekten und die Erträge aus diesen zu verbuchen. Außerdem sind gemäß § 12 IV KAGG aus dem Sperrkonto auf Weisung der Kapitalanlagegesellschaft die Bezahlung des Kaufpreises beim Erwerb von Wertpapieren oder Bezugsrechten, die Zahlung des Rückkaufpreises und die Ausschüttung der Gewinnanteile vorzunehmen. Entsprechend hat die Depotbank gemäß § 12 IV KAGG aus dem Sperrdepot die Lieferung beim Verkauf von Wertpapieren oder Bezugsrechten vorzunehmen.
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In diesen Zusammenhang gehört weiterhin die Pflicht der Depotbank zur Auszahlung der Vergütung und des Aufwendungsersatzes an die Kapitalanlagegesellschaft gemäß § 12 VII KAGG. Hervorhebung verdient dabei, daß die Depotbank nach dem 1248
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IV. Die Rechtsverhältnisse Depotbank / Kapitalanlagegesellschaft / Anteilinhaber
unmißverständlichen Wortlaut des Gesetzes der Kapitalanlagegesellschaft nur den ihr zustehenden Ersatz von Aufwendungen gewähren darf. Die Depotbank muß daher prüfen, ob überhaupt erstattungsfähige Aufwendungen vorliegen; da das aber bei pflichtwidrigen Geschäften grundsätzlich nicht der Fall ist (vgl. oben Rdn. 2439), muß die Depotbank zwangsläufig auch prüfen, ob sich die Kapitalanlagegesellschaft bei der Durchführung des Geschäfts im Rahmen ihrer Befugnisse und Pflichten gehalten hat (vgl. dazu im übrigen auch unten Rdn. 2474). Ist das nicht der Fall, kann die Kapitalanlagegesellschaft allerdings wenigstens einen Bereicherungsanspruch haben (vgl. oben Rdn. 2440); diesen hat die Depotbank dann analog § 12 VII KAGG zu erfüllen. Umgekehrt darf die Depotbank ihrerseits die Vergütung, die ihr für die Verwahrung und Verwaltung des Sondervermögens zusteht, gemäß § 12 VII 2 KAGG nur mit Zustimmung der Kapitalanlagegesellschaft entnehmen. d) Der Schutz des Sondervermögens und die Kontrolle der Kapitalanlagegesellschaft Sowohl die Verwahrung des Sondervermögens durch die Depotbank als auch die 2 4 7 2 soeben dargestellte Prüfungspflicht der Depotbank bei der Erstattung von Aufwendungen der Kapitalanlagegesellschaft haben Schutzfunktionen zugunsten des Sondervermögens und der Anteilinhaber. Daß darin ganz allgemein die zentrale Aufgabe der Depotbank liegt, wird durch einige Vorschriften ausdrücklich bestätigt. So wird der Depotbank z. B. durch § 12 VI KAGG die Pflicht auferlegt, für die Einbringung des Gegenwerts aus Geschäften für das Sondervermögen zu sorgen. Allerdings kommt dieser Vorschrift insofern keine besonders große praktische Bedeutung zu, als der Gegenwert nach § 6 I und II KAGG ohnehin in aller Regel kraft dinglicher Surrogation ipso iure Bestandteil des Sondervermögens wird. § 12 VI KAGG dürfte daher vorwiegend die Bedeutung haben, daß die Depotbank auch eine entsprechende buchungsmäßige Klarstellung zu bewirken sowie gegebenenfalls für eine Überführung des Besitzes in das Sondervermögen Sorge zu tragen hat. Zu diesem Zweck muß sie u. U. sogar gegen die Kapitalanlagegesellschaft klagen oder durch die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich der der Gesellschaft zustehenden Vergütungen oder Aufwendungen Druck auf diese ausüben 58 . In diesen Zusammenhang gehört im übrigen auch § 21 I 1 Halbs. 2 KAGG, wonach der Ausgabepreis unverzüglich dem Sondervermögen zuzuführen ist (vgl. dazu im übrigen auch oben Rdn. 2400). Wesentlich größere praktische Bedeutung hat demgegenüber die Vorschrift des § 12 2 4 7 3 VIII KAGG, wonach die Depotbank zur Geltendmachung von Ansprüchen der Anteilinhaber gegen die Kapitalanlagegesellschaft sowie zur Erhebung der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO bei einer Zwangsvollstreckung in das Sondervermögen berechtigt und verpflichtet ist. Da sie dabei im eigenen Namen aufzutreten hat, handelt es sich hier um einen Fall einer gesetzlichen Prozeßstandschaft 5 9 . Hinsichtlich der Drittwiderspruchsklage besteht dabei nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 12 VII Ziff. 2 Halbs. 2 eine ausschließliche Zuständigkeit der Depotbank; hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Kapitalanlagegesellschaft ist dagegen eine konkurrierende Zuständigkeit der Anteilinhaber gegeben, von der diese im Wege einer „actio pro socio" Gebrauch machen können (vgl. näher oben Rdn. 2437). Aus dem Zusammenspiel der dargestellten Regelungen ergibt sich eine allgemeine 2 4 7 4 Kontrollpflicht und ein entsprechendes Kontrollrecht der Depotbank bezüglich der Tätigkeit der Kapitalanlagegesellschaft (so auch Müller DB 1975 485 ff). Die Kontrolle 58
Vgl. auch Geßler S. 21; Baur § 12 Anm. X ; a. A. offenbar Siara/Tormann § 11 Anm. VI.
59 Vgl. auch Gericke DB 1959, S. 152; Baur% 12 Anm. X I I .
Claus-Wilhelm Canaris
1277;
Schicker 1249
19. Abschnitt. D a s Investmentgeschäft
erstreckt sich allerdings selbstverständlich nicht auf die Zweckmäßigkeit des Handelns der Kapitalanlagegesellschaft, sondern beschränkt sich auf die Recht- und Pflichtmäßigkeit; insoweit ist sie jedoch umfassend und nicht etwa auf einzelne Teilbereiche beschränkt. Für die Berechtigung und Verpflichtung der Depotbank zur Kontrolle spricht zunächst schon die Tatsache, daß das für das Sondervermögen zu führende Konto und das entsprechende Depot nach § 12 III K A G G bzw. gemäß § 31 VI K A G G zu sperren sind (vgl. auch oben Rdn. 2469). Vor allem aber sprechen für diese Auslegung des Gesetzes entscheidend die Vorschriften der § § 1 2 VII und VIII Ziff. 1 K A G G . Denn wenn die Depotbank danach der Kapitalanlagegesellschaft nur den „ihr zustehenden" Ersatz von Aufwendungen auszahlen darf, dann setzt das zwangsläufig eine Uberprüfung der Pflichtmäßigkeit des zugrunde liegenden Geschäfts voraus (vgl. oben Rdn. 2471); und wenn die Depotbank zur Geltendmachung der Ansprüche der Anteilnehmer gegen die Kapitalanlagegesellschaft verpflichtet ist, so geht auch hier das Gesetz notwendigerweise von einer Kontrollpflicht und einem Kontrollrecht aus, da die Depotbank ohne Kontrolle gar nicht wissen kann, ob und welche Ansprüche — insbesondere auf Schadensersatz — den Anteilinhabern zustehen. 2475
Folgerichtig muß man der Depotbank dann auch ein Recht zur Verweigerung pflichtwidriger Geschäfte zugestehen und ihr eine entsprechende Pflicht auferlegen. D a f ü r spricht schon die Regelung des § 12 IV K A G G , wonach die Depotbank in die Durchführung aller Geschäfte einzuschalten ist (vgl. auch Müller D B 1975 488). Diese Vorschrift kann nämlich die Schutzfunktion zugunsten des Sondervermögens, die sie nach dem gesamten Kontext doch offenbar haben soll, nur erfüllen, wenn man der Depotbank auch die Möglichkeit zu einer Verweigerung der Geschäftsabwicklung gibt; denn wenn sie den Weisungen der Kapitalanlagegesellschaft ausnahmslos zu folgen hätte, wäre ihre Zwischenschaltung sinnlos. Außerdem weist in dieselbe Richtung der Grundsatz, daß Schaden zu verhüten besser ist als Schaden wiedergutzumachen. In der T a t wäre es doch widersinnig, wenn die Depotbank zunächst „sehenden Auges" ein pflichtwidriges Geschäft durchführen und anschließend gemäß § 12 VIII Ziff. 1 K A G G von der Kapitalanlagegesellschaft Schadensersatz verlangen bzw. ihr gemäß § 12 VII K A G G den Ersatz ihrer Aufwendungen verweigern würde. S o darf und muß die Depotbank z. B. die Durchführung eines Geschäftes unterlassen, das gegen das Gebot der Einhaltung des Tageskurses gemäß § 12 V K A G G verstößt — zumal schon aus der systematischen Stellung dieser Vorschrift deutlich wird, daß sie sich nicht nur an die Kapitalanlagegesellschaft, sondern auch an die Depotbank richtet (vgl. auch Baur§ 12 Anm. X ) . e) Die Abwicklung des Sondervermögens gemäß § 14 K A G G
2476
Eine besondere Funktion hat die Depotbank zu erfüllen, wenn das Verwaltungsrecht der Kapitalanlagegesellschaft gemäß § 13 K A G G erlischt (vgl. dazu oben Rdn. 2452 ff). Nach § 14 I K A G G geht dann bei der Treuhandlösung das Eigentum am Sondervermögen und bei der Miteigentumslösung die Verfügungsmacht auf die Depotbank über. Es handelt sich dabei nach dem klaren Wortlaut des § 14 I K A G G um einen Rechtsübergang kraft Gesetzes, so daß es bei der Treuhandlösung nicht etwa entsprechender rechtsgeschäftlicher Übertragungsakte bedarf.
2477
Demgemäß wird man grundsätzlich entsprechend dem Gedanken der Funktionsnachfolge 6 0 möglichst weitgehend eine Gesamtrechtsnachfolge der Depotbank in die 60
V g l . zu diesem Institut näher Larenz § 35 n a . E.
1250
Schuldrecht
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die Rechtsverhältnisse Depotbank / Kapitalanlagegesellschaft / Anteilinhaber Stellung der Kapitalanlagegesellschaft annehmen dürfen. Denn die Stellung der Anteilinhaber darf sich nach dem das gesamte KAGG beherrschenden Schutzprinzip nicht mehr verschlechtern als unerläßlich. Dementsprechend ist z. B. das Sondervermögen auch weiterhin als Sondervermögen i. S. des KAGG zu behandeln. Das hat z. B. zur Folge, daß es im Konkurs der Depotbank analog § 13 III 2 KAGG der Aussonderung unterliegt, auch wenn man das an sich mangels Erfüllung des „Unmittelbarkeitsprinzips" verneinen würde (vgl. auch Baur § 14 Anm. I a. E.); dafür spricht auch der das ganze KAGG durchziehende Grundsatz der Gleichstellung der Treuhandlösung mit der Miteigentumslösung, weil bei letzterer das Aussonderungsrecht eine Selbstverständlichkeit ist und die Anteilinhaber daher bei ersterer in derselben Weise geschützt werden müssen. Folgerichtig gilt auch das Surrogationsprinzip des § 6 KAGG analog, soweit die Depotbank noch Geschäfte für das Sondervermögen vornimmt, was im Rahmen der Abwicklung durchaus erforderlich und zulässig sein kann. Auch an die „Vertragsbedingungen" ist die Depotbank nach dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge gebunden, soweit die betreffenden Bestimmungen ihrer Art nach nicht nur von der Kapitalanlagegesellschaft erfüllt werden können. Ein Ubergang der Schulden von der Kapitalanlagegesellschaft auf die Depotbank 2 4 7 8 kommt dagegen nicht in Betracht. Es ist vom Gesetz nicht vorgesehen und wäre in der Tat grob unbillig. Er wird auch nicht durch die hier vorgeschlagene Gesamtrechtsnachfolge gefordert, weil diese sich nur auf das Sondervermögen bezieht und dieses nach § 10 II KAGG ja gerade nicht für die auf Rechnung der Anteilinhaber eingegangenen Schulden haftet. Sollten noch Ansprüche der Kapitalanlagegesellschaft bestehen, so richten sich diese nicht gegen die Depotbank (a. A. unrichtig Baur § 14 Anm. I), sondern wie bisher gegen die Anteilinhaber, die dafür nach § 10 III KAGG (nur) mit dem Sondervermögen haften. Die Aufgabe der Depotbank liegt gemäß $ 14 II 1 KAGG in erster Linie in der 2 4 7 9 Abwicklung des Sondervermögens. Nach h. L. sollen dabei die für die Abwicklung einer AG bzw. einer GmbH geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sein 61 . Dem kann nicht zugestimmt werden. Denn es geht ja nicht um die Abwicklung der Kapitalanlagegesellschaft selbst, sondern um die Abwicklung der zwischen den Anteilinhabern bestehenden Gemeinschaft. Diese aber ist weder eine AG noch eine GmbH, sondern eine Bruchteilsgemeinschaft oder eine Gesamthandsgemeinschaft (vgl. oben Rdn. 2397), und folglich sind die für diese geltenden Abwicklungsbestimmungen als die sachnähere Regelung anzuwenden. Die Abwicklung hat daher grundsätzlich gemäß §§ 752 ff bzw. analog §§ 731 ff BGB zu erfolgen, was wegen der Verweisung von § 7 3 1 S. 2 BGB auf die §§ 752 ff BGB im wesentlichen zu denselben Ergebnissen führen dürfte. Demgemäß sind vorweg etwaige Schulden zu berichtigen wie noch nicht erfüllte Ansprüche der Kapitalanlagegesellschaft auf Vergütung oder Aufwendungsersatz. Sodann ist grundsätzlich eine Teilung in Natur zu versuchen 62 ; denn die Erlangung von Effekten kann für die Anteilinhaber wesentlich vorteilhafter sein als ein entsprechender Geldbetrag, zumal der dazu nötige Verkauf der Effekten die Kurse drücken kann. Soweit nicht für alle Anteilinhaber Effekten in der erforderlichen Menge zur Verfügung stehen oder soweit die Teilung in Natur aus anderen Gründen unmöglich ist, bleibt nichts anderes übrig als die Versilberung des Sondervermögens und die Verteilung des Erlöses auf die Anteilinhaber. Ist in den Vertragsbedingungen eine beson61
Vgl. Baum S. 146 f ; Schacher S. 6 6 ; Siara/Tormann § 13 Anm. I I ; Baur% 14 Anm. II.
M Vgl. auch Baum S. 147; Baur % 14 Anm. I I ; a. A. Siara/Tormann § 13 Anm. II.
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
dere Abwicklungsregelung vorgesehen, so ist die Depotbank an diese gebunden 6 3 ; das ergibt sich daraus, daß die Depotbank so weit wie möglich in die Rechtsstellung der Kapitalanlagegesellschaft einrückt (vgl. oben Rdn. 2477).
2480
Statt der Abwicklung hat die Depotbank gemäß § 14 II 2 KAGG auch die Möglichkeit zur Beauftragung einer neuen Kapitalanlagegesellschaft mit der Verwaltung des Sondervermögens. Sie ist dazu verpflichtet, wenn diese Lösung bei sachgemäßer Ermessensausübung besser als die Abwicklung erscheint. Die Anteilinhaber können dann mit Hilfe der actio pro socio auf Auswahl einer neuen Kapitalanlagegesellschaft klagen; verweigert oder verzögert die Depotbank die Bestimmung der Gesellschaft, so ist diese analog § 315 III 2 Halbs. 2 BGB vom Gericht auszuwählen. Der Verzicht auf die Abwicklung und die Beauftragung einer neuen Kapitalanlagegesellschaft bedürfen allerdings gemäß § 14 II 2 KAGG der Genehmigung der Bankaufsichtsbehörde. Diese stellt einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt dar und ist daher Wirksamkeitsvoraussetzung für einen entsprechenden Vertragsschluß (vgl. Baur §14 Anm. III). Sowohl die Depotbank als auch die Anteilinhaber haben dabei einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung und können folglich bei Versagung der Genehmigung gemäß § 42 V w G O gegen die Aufsichtsbehörde klagen (vgl. Baur aaO). Die neue Kapitalanlagegesellschaft rückt in die Stellung der bisherigen ein. Die Vertragsbedingungen behalten Geltung. Das Sondervermögen ist bei der Treuhandlösung von der Depotbank auf die neue Kapitalanlagegesellschaft zu übetragen; dazu bedarf es entsprechender rechtsgeschäftlicher Akte, da eine analoge Anwendung von § 14 I KAGG, wonach der Rechtsübergang auf die Depotbank kraft Gesetzes erfolgt, nicht möglich sein dürfte. 3. Die Ansprüche bei Pflichtverletzungen der Depotbank und ihre Geltendmachung
2481
Bei Pflichtverletzungen der Depotbank kommen für die Anteilinhaber in erster Linie Schadensersatzanspriiche in Betracht. Anspruchsgrundlage sind dabei vor allem die Regeln über die positive Forderungsverletzung (u. U. i. V. m. § 278 BGB), da zwischen der Depotbank und den Anteilinhabern ein gesetzliches Schuldverhältnis bzw. nach der h. L. ein Vertrag zugunsten Dritter besteht (vgl. oben Rdn. 2462 ff). Daneben sind i. d. R. auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegeben, da die einschlägigen Vorschriften des KAGG wie z. B. § 12 V grundsätzlich als Schutzgesetze i. S. von § 823 II BGB anzusehen sind (vgl. auch Geßler S. 21; Baur § 12 Anm. II a. E. und Anm. III a. E.). Statt eines Schadensersatzanspruchs kann auch ein Erfüllungsanspruch gegeben sein (vgl. z. B. die vorige Rdn.). Außerdem ist grundsätzlich zur Abwendung eines drohenden Schadens die vorbeugende Unterlassungsklage möglich.
2482
Gewisse Schwierigkeiten bereitet die Geltendmachung der Ansprüche. Hier eine gesetzliche Prozeßstandschaft der Kapitalanlagegesellschaft anzunehmen, geht nicht an; denn zum einen fehlt dafür eine dem § 12 VIII Ziff. 1 KAGG entsprechende Rechtsgrundlage, und zum anderen wäre eine derartige Lösung auch nicht sachgerecht, da bei Pflichtverletzungen der Depotbank häufig zugleich Pflichtverletzungen der Kapitalanlagegesellschaft vorliegen werden und da daher keine Gewähr für ein angemessenes und den Interessen der Anteilinhaber dienliches Vorgehen bestünde. Es bleibt folglich auch hier nur die Möglichkeit einer Klage einzelner Anteilinhaber im Wege der „actio pro socio" analog §§ 432, 1011, 2039 BGB. Denn die Ansprüche gegen die Depotbank stehen den Anteilinhabern nicht als einzelnen, sondern als Gemein« A. A. Schäcker S. 146 Fn. 106; Baur 5 14 Anm. II a. E.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . Besonderheiten beim Vertrieb ausländischer Investmentanteile
Schaft zu, und daher ist die actio pro socio das angemessene Rechtsinstitut; im übrigen kann insoweit auf die Ausführungen oben Rdn. 2437 verwiesen werden, die hier entsprechend gelten. Eine Klage der Kapitalanlagegesellschaft gegen die Depotbank aus eigenem Recht 2 4 8 3 ist zwar grundsätzlich denkbar, weil zwischen beiden ja ein Vertrag besteht, doch wird es meist an sonstigen Anspruchsvoraussetzungen fehlen. S o dürfte die Kapitalanlagegesellschaft z. B. bei der Miteigentumslösung regelmäßig keinen Schaden haben; für die Zulassung einer Drittschadensliquidation besteht insoweit weder Bedürfnis noch Raum, weil die Anteilinhaber, wie gezeigt, eigene Ansprüche haben. Im übrigen wird eine Klage der Kapitalanlagegesellschaft auch meist an den Grundsätzen über den „Schutzzweck der N o r m " scheitern; denn die Vorschriften, um deren Verletzung es hier geht, sind nicht zum Schutz der Kapitalanlagegesellschaft, sondern nur zum Schutz der Anteilinhaber aufgestellt. Eine Klage der Anteilinhaber gegen die Kapitalanlagegesellschaft wegen der Pflicht- 2 4 8 4 Verletzung der Depotbank ist zwar zulässig, in aller Regel aber unbegründet. Die Depotbank nimmt nämlich keine Pflichten der Kapitalanlagegesellschaft, sondern eigene Pflichten wahr, und sie kann daher grundsätzlich nicht Erfüllungsgehilfin der Kapitalanlagegesellschaft i. S. von § 278 B G B sein (a. A. Schönle § 24 III 1 vor a; vgl. im übrigen auch oben Rdn. 2432).
V. Besonderheiten beim Vertrieb ausländischer Investmentanteile 1. Die privatrechtliche Bedeutung des A I G Beim Erwerb ausländischer Investmentanteile — der jedenfalls beim Verkauf im 2 4 8 5 Inland durch eine deutsche Vertriebsgesellschaft deutschem Recht unterliegt (vgl. B G H W M 1973 98 unter I) — besteht ein erhöhtes Schutzbedürfnis für den Erwerber, weil dieser größeren Gefahren ausgesetzt ist; insbesondere ist es für ihn noch schwieriger als beim Kauf inländischer Anteile, den Wert des ausländischen Vermögens abzuschätzen, und außerdem ist für ihn die Rechtsverfolgung gegenüber der Investmentgesellschaft u. U. stark erschwert, wenn er sie im Ausland durchführen muß. Das A I G hat daher den Vertrieb von Investmentanteilen im Inland an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, die den Schutz des Anlegers sicherstellen sollen. Dabei bedient es sich zwar überwiegend öffentlichrechtlicher Mittel, doch haben diese meist auch privatrechtliche Auswirkungen, weil sie die ausländischen Gesellschaften zu einer bestimmten privatrechtlichen Organisation und zu einer bestimmten Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zwingen. Der Geltungsbereich des A I G ist dabei wesentlich weiter und flexibler gefaßt als der 2 4 8 6 des K A G G , weil der Gesetzgeber hier wegen der Vielfalt der von den verschiedenen fremden Rechten zur Verfügung gestellten Gestaltungsmöglichkeiten nicht an einen so genau und fest umrissenen Begriff wie nach § 1 K A G G anknüpfen konnte. Demgemäß setzt § 1 I A I G lediglich voraus, daß es sich um Anteile an einem ausländischem Recht unterstehenden Vermögen aus Wertpapieren oder Grundstücken handelt, das nach dem Grundsatz der Risikomischung angelegt ist (vgl. dazu näher BVerwG W M 1981 48, 50 f). Analog § 1 I K A G G ist die Erfüllung dieser Voraussetzungen nach der Ausrichtung des Geschäftsbereichs zu beurteilen (vgl. Hoffmann-Riem BB 1972 246 f). Die wichtigste Besonderheit, die das A I G in privatrechtlicher Hinsicht enthält, ist 2 4 8 7 die Institution des Repräsentanten. Nach § 2 Ziff. 1 A I G ist der Vertrieb ausländischer Investmentanteile nur zulässig, wenn das ausländische Investmentunternehmen dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen ein inländisches Kreditinstitut oder eine Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft
zuverlässige, fachlich geeignete Person mit Sitz bzw. W o h n s i t z im Inland als Repräsentanten benennt. G e m ä ß § 6 I A I G vertritt der Repräsentant die ausländische Investmentgesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Außerdem richtet sich gemäß § 6 II A I G nach seinem Sitz bzw. W o h n s i t z der Gerichtsstand f ü r Klagen gegen die ausländische Investmentgesellschaft, Verwaltungsgesellschaft oder Vertriebsgesellschaft. D a d u r c h soll den besonderen Schwierigkeiten abgeholfen werden, die sich f ü r die Anleger — sowie u. U . auch f ü r die Aufsichtsbehörde — daraus ergeben können, daß das Investmentunternehmen seinen Sitz im Ausland hat. Insbesondere wird dadurch die Möglichkeit einer reibungslosen Rechtsverfolgung im Inland gewährleistet. D o g m a tisch handelt es sich dabei nicht etwa um eine gesetzliche Vertretungsmacht, sondern um eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht, also um eine Vollmacht i. S. von § 167 BGB. Wenngleich die Erteilung einer solchen Vollmacht gemäß § 2 Ziff. 1 AIG eine gesetzliche Zulässigkeitsvoraussetzung f ü r den Vertrieb ausländischer Investmentanteile im Inland darstellt und ihr U m f a n g von § 6 A I G zwingend festgelegt wird, so ist die „Benennung" des Repräsentanten und damit auch seine Bevollmächtigung doch allein Sache des ausländischen Unternehmens.
2488
Daneben enthält das Gesetz eine Reihe weiterer Schutzvorschriften. Diese sollen überwiegend gewährleisten, daß die Erwerber ausländischer Investmentanteile eine ähnliche Stellung erlangen wie nach dem K A G G . So macht z. B. § 2 Ziff. 2 AIG die Einschaltung einer Depotbank zur Zulässigkeitsvoraussetzung des Vertriebs ausländischer Anteile 6 4 . Weiterhin müssen die Vertragsbedingungen gemäß § 2 Ziff. 4 lit. b A I G dem Anteilinhaber einen Anspruch auf die Auszahlung seines Vermögensanteils gewähren, w o d u r c h eine dem § 11 II K A G G ähnliche Regelung e r z w u n g e n wird, und gemäß lit. e bzw. f ein Verbot der Bestellung von Sicherungsrechten an den Gegenständen des Investmentvermögens sowie eine Beschränkung der Befugnis zur Kreditaufnahme enthalten, was in offenkundiger Parallele zu § 9 II bzw. III K A G G steht 6 5 . Prospektpflicht, Prospekthaftung und Publizitätspflicht entsprechen gemäß §§ 3, 4, 12 A I G ebenfalls im wesentlichen den betreffenden Vorschriften des K A G G und gehen teilweise noch über diese hinaus. Auch das Widerrufsrecht beim „Kauf an der Haustür" ist in § 11 A I G ebenso geregelt wie in § 23 K A G G 6 6 .
2489
Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen vom 28. Juli 1969 (BGBl. I S. 986).
2. Der Text des AIG
ERSTER ABSCHNITT Vorschriften über den Vertrieb § 1 (Sachlicher Geltungsbereich) (1) Für den Vertrieb von Anteilen an einem ausländischem Recht unterstehenden Vermögen aus Wertpapieren oder Grundstücken, das nach dem Grundsatz der Risikomischung angelegt ist (ausländische Investmentanteile), im Wege des öffentlichen Anbietens, der öffentlichen Werbung oder in ähnlicher Weise gelten die folgenden Vorschriften. Der Grundsatz der Risikomischung gilt auch dann als gewahrt, wenn das Vermögen in nicht nur unerheblichem Umfang Anteile an "
65
Vgl. d a z u n ä h e r Pfannschmidt W M 1970, 922 f f ; Heiis/Samm BB 1971, 2 3 f ; Beckmann Z f K 1971, 98 ff u n d 133 ff. V g l . d a z u im ü b r i g e n a u c h Pfannschmidt WM 1970, 58 f f ; Heiss/Samm BB 1971, 21 f.
1254
66
Vgl. d a z u e i n g e h e n d Holschbach Das Widerrufsr e c h t n a c h §§ 11 A u s l a n d s I n v e s t m G in seiner A n l e g e r s c h u t z f u n k t i o n , 1972.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . B e s o n d e r h e i t e n beim V e r t r i e b ausländischer Investmentanteiie einem o d e r m e h r e r e n a n d e r e n V e r m ö g e n enthält und diese a n d e r e n V e r m ö g e n unmittelbar o d e r mittelbar nach d e m G r u n d s a t z d e r R i s i k o m i s c h u n g a n g e l e g t sind. (2) D i e V o r s c h r i f t e n des E r s t e n Abschnittes dieses G e s e t z e s gelten nicht f ü r a u s l ä n d i s c h e Investmentanteile, die an einer deutschen B ö r s e z u m amtlichen H a n d e l z u g e l a s s e n sind, s o f e r n , mit A u s n a h m e d e r von d e r B ö r s e v o r g e s c h r i e b e n e n B e k a n n t m a c h u n g e n , kein V e r t r i e b im S i n n e des A b s a t z e s 1 stattfindet. § 2 (Zulässigkeit des V e r t r i e b s ) D e r V e r t r i e b von a u s l ä n d i s c h e n Investmentanteilen ist z u l ä s s i g , w e n n 1. d a s a u s l ä n d i s c h e U n t e r n e h m e n , d a s die Anteilscheine a u s g i b t ( a u s l ä n d i s c h e Investmentgesells c h a f t ) , der z u s t ä n d i g e n B e h ö r d e (§ 14) ein inländisches Kreditinstitut o d e r eine z u v e r l ä s s i g e , fachlich g e e i g n e t e P e r s o n mit Sitz o d e r W o h n s i t z im G e l t u n g s b e r e i c h dieses G e s e t z e s als Repräsentanten benennt, 2. die G e g e n s t ä n d e des V e r m ö g e n s von einer D e p o t b a n k v e r w a h r t w e r d e n o d e r , soweit es sich um G r u n d s t ü c k e h a n d e l t , deren Bestand von einer D e p o t b a n k ü b e r w a c h t w i r d , welche die Anteilinhaber in einer den V o r s c h r i f t e n des § 1 1 ' ) des G e s e t z e s über K a p i t a l a n l a g e g e s e l l s c h a f ten v o m 16. April 1957 ( B u n d e s g e s e t z b l . I S. 3 7 8 ) vergleichbaren W e i s e sichert; die B e h ö r d e k a n n z u l a s s e n , d a ß m e h r e r e D e p o t b a n k e n diese A u f g a b e n w a h r n e h m e n , w e n n d a s im R a h m e n des G e s c h ä f t s b e t r i e b e s d e r ausländischen Investmentgesellschaft e r f o r d e r l i c h ist u n d w e n n d a d u r c h die Sicherheit nicht beeinträchtigt wird, 3. ein o d e r m e h r e r e inländische Kreditinstitute als Zahlstellen b e n a n n t w e r d e n , über w e l c h e v o n den Anteilinhabern geleistete o d e r f ü r sie bestimmte Z a h l u n g e n geleitet w e r d e n k ö n n e n ; w e r den Z a h l u n g e n und U b e r w e i s u n g e n über eine Zahlstelle geleitet, s o ist sicherzustellen, d a ß die B e t r ä g e u n v e r z ü g l i c h an die D e p o t b a n k o d e r an die Anteilinhaber weitergeleitet w e r d e n , 4. die V e r t r a g s b e d i n g u n g e n v o r s e h e n , daß a) d e m K ä u f e r u n v e r z ü g l i c h nach Z a h l u n g des K a u f p r e i s e s Anteile in e n t s p r e c h e n d e r H ö h e übertragen werden, b) die Anteilinhaber die A u s z a h l u n g des auf den Anteil entfallenden V e r m ö g e n s t e i l s verlangen können, c) bei d e r f ü r einen m e h r j ä h r i g e n Z e i t r a u m vereinbarten A b n a h m e von Anteilen h ö c h s t e n s ein Drittel von j e d e r der f ü r das erste J a h r vereinbarten Z a h l u n g e n f ü r die D e c k u n g v o n K o s t e n v e r w e n d e t w i r d und die restlichen K o s t e n auf alle späteren Z a h l u n g e n gleichmäßig verteilt w e r d e n , d ) die in § 7 Abs. 6 2 ) des G e s e t z e s über K a p i t a l a n l a g e g e s e l l s c h a f t e n b e z e i c h n e t e n Anteile nicht e r w o r b e n w e r d e n , e) die z u m V e r m ö g e n g e h ö r e n d e n W e r t p a p i e r e und F o r d e r u n g e n nicht v e r p f ä n d e t o d e r sonst belastet, z u r S i c h e r u n g übereignet o d e r z u r S i c h e r u n g a b g e t r e t e n w e r d e n d ü r f e n , f ) K r e d i t e z u L a s t e n von W e r t p a p i e r v e r m ö g e n nicht o d e r nur in b e s o n d e r e n Fällen f ü r k u r z e Zeit in H ö h e von 10 v o m H u n d e r t des V e r m ö g e n s , z u L a s t e n v o n G r u n d s t ü c k s v e r m ö g e n nur im R a h m e n einer o r d n u n g s m ä ß i g e n W i r t s c h a f t s f ü h r u n g und mit Z u s t i m m u n g d e r D e p o t b a n k z u den D a r l e h e n s b e d i n g u n g e n a u f g e n o m m e n w e r d e n d ü r f e n ,
5.
g ) keine G e s c h ä f t e z u L a s t e n des V e r m ö g e n s v o r g e n o m m e n w e r d e n , die den V e r k a u f nicht zum V e r m ö g e n gehörender Wertpapiere zum Gegenstand haben, die in den §§ 3 bis 5 v o r g e s e h e n e n V e r p f l i c h t u n g e n z u r U n t e r r i c h t u n g d e r E r w e r b e r v o n Anteilen o r d n u n g s g e m ä ß erfüllt w e r d e n . § 3 (Verkaufsprospekt)
(1) D e m E r w e r b e r eines ausländischen Investmentanteils sind die V e r t r a g s b e d i n g u n g e n , ein V e r k a u f s p r o s p e k t d e r a u s l ä n d i s c h e n Investmentgesellschaft u n d eine D u r c h s c h r i f t des A n t r a g s auf V e r t r a g s a b s c h l u ß a u s z u h ä n d i g e n . D e r A n t r a g s v o r d r u c k m u ß einen H i n w e i s a u f die H ö h e des A u s g a b e a u f s c h l a g s und a u f die jährlich an die V e r w a l t u n g s g e s e l l s c h a f t z u z a h l e n d e V e r g ü t u n g enthalten. ') 2)
§ 12 der Fassung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften vom 14. Januar 1970 (BGBl. 1970 I, S. 127). Jetzt § 8 Abs. 6 KAGG. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. Das Investmentgeschäft (2) Der Verkaufsprospekt muß alle Angaben enthalten, die im Zeitpunkt der Antragstellung für die Beurteilung der ausländischen Investmentanteile von wesentlicher Bedeutung sind. Er muß insbesondere Angaben enthalten 1. über Name oder Firma, Rechtsform, Sitz und Eigenkapital (Grund- oder Stammkapital abzüglich der ausstehenden Einlagen zuzüglich der Rücklagen) der ausländischen Investmentgesellschaft, des Unternehmens, das über die Anlage des eingelegten Geldes bestimmt (Verwaltungsgesellschaft), des Unternehmens, das den Vertrieb der Investmentanteile übernommen hat (Vertriebsgesellschaft) und der Depotbank, 2. über Name oder Firma, Sitz und Anschrift des Repräsentanten und der Zahlstellen, 3. darüber, welche Gegenstände für das Vermögen erworben werden dürfen, nach welchen Grundsätzen sie ausgewählt werden, ob nur zum Börsenhandel und gegebenenfalls an welchen Börsen zugelassene Wertpapiere erworben werden, wie die Erträge des Vermögens verwendet werden und ob und gegebenenfalls innerhalb welcher Grenzen ein Teil des Vermögens in Bankguthaben gehalten wird, 4. darüber, wie der Wert eines Investmentanteils sowie der Ausgabe- und der Rücknahmepreis berechnet werden, 5. über Art, Höhe und Berechnung sämtlicher Kosten, die dem Anteilinhaber in Rechnung gestellt werden, sowie sämtlicher aus dem Vermögen an Dritte zu zahlender Vergütungen und zu ersetzender Aufwendungen, 6. über die Voraussetzungen und Bedingungen, zu denen die Anteilinhaber die Auszahlung des auf den Anteil entfallenden Vermögensteils verlangen können sowie über die hierfür zuständigen Stellen. Außerdem ist in den Verkaufsprospekt ein Rechenschaftsbericht gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1, dessen Stichtag nicht länger als 16 Monate zurückliegen darf, und, wenn der Stichtag des Rechenschaftsberichts länger als neun Monate zurückliegt, auch ein Halbjahresbericht gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 aufzunehmen oder dem Verkaufsprospekt als Anlage beizufügen. Der Verkaufsprospekt muß ferner eine Belehrung über das Recht des Käufers zum Widerruf nach § 11 sowie einen ausdrücklichen Hinweis darauf enthalten, daß die ausländische Investmentgesellschaft einer staatlichen Aufsicht durch eine deutsche Behörde nicht untersteht. Die Behörde kann verlangen, daß in den Verkaufsprospekt weitere Angaben aufgenommen werden, wenn sie Grund zu der Annahme hat, daß die Angaben für die Erwerber erforderlich sind. § 4 (Veröffentlichungen der Gesellschaft) (1) Die ausländische Investmentgesellschaft veröffentlicht 1. für den Schluß eines jeden Geschäftsjahres im Bundesanzeiger einen Rechenschaftsbericht, der eine nach der Art der Aufwendungen und Erträge aufgegliederte Aufwands- und Ertragsrechnung, eine Aufstellung der zu dem Vermögen gehörenden Wertpapiere und Bezugsrechte unter Angabe von Art, Nennbetrag oder Zahl und Kurswert, eine Aufstellung der zu dem Vermögen gehörenden Grundstücke unter Angabe von Grundstücksgröße, Art und Lage, Bau- und Erwerbsjahr, Gebäudenutzfläche, Verkehrswert und sonstiger wesentlicher Merkmale, den Stand der zum Vermögen gehörenden Konten sowie den Unterschied zwischen der Anzahl der im Berichtszeitraum ausgegebenen und zurückgenommenen Anteile zu enthalten hat; bei der Angabe der zum Vermögen gehörenden Grundstücke, des Nennbetrages oder der Zahl der zum Vermögen gehörenden Wertpapiere und des Standes der zum Vermögen gehörenden Konten sind auch jeweils die Veränderungen gegenüber dem letzten Bericht anzugeben, 2. für die Mitte eines jeden Geschäftsjahres im Bundesanzeiger, sofern sie nicht für diesen Stichtag einen weiteren Rechenschaftsbericht gemäß Nummer 1 veröffentlicht, eine Aufstellung der zum Vermögen gehörenden Wertpapiere, Bezugsrechte und Grundstücke mit den für die Aufstellungen nach Nummer 1 vorgeschriebenen Angaben, den Stand der zum Vermögen gehörenden Konten sowie den Unterschied zwischen der Anzahl der im Berichtszeitraum ausgegebenen und zurückgenommenen Anteile; der letzte Halbsatz von Nummer 1 findet Anwendung, 3. die Ausgabe- und Rücknahmepreise laufend, mindestens einmal wöchentlich im Bundesanzeiger und täglich in einem im Verkaufsprospekt anzugebenden hinreichend verbreiteten Blatt
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Besonderheiten beim Vertrieb ausländischer Investmentanteile mit Erscheinungsort im Geltungsbereich dieses Gesetzes; dabei ist der für den niedrigsten Anlagebetrag berechnete Ausgabepreis zu nennen. (2) Ausgabe- und Rücknahmepreise dürfen in Veröffentlichungen und Werbeschriften nur gemeinsam genannt werden; der letzte Halbsatz des Absatzes 1 Nr. 3 findet Anwendung. $ 5 (Verwendung der deutschen Sprache) Die Veröffentlichungen, Werbeschriften und die in § 3 Abs. 1 genannten Unterlagen sind in deutscher Sprache abzufassen oder mit einer deutschen Übersetzung zu versehen; der deutsche Wortlaut ist maßgeblich. $ 6 (Repräsentant) (1) Der Repräsentant vertritt die ausländische Investmentgesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er gilt zum Empfang der für die Verwaltungsgesellschaft und die Vertriebsgesellschaft bestimmten Schriftstücke ermächtigt. Diese Befugnisse können nicht beschränkt werden. (2) Für Klagen gegen eine ausländische Investmentgesellschaft, eine Verwaltungsgesellschaft oder eine Vertriebsgesellschaft, die auf den Vertrieb von Investmentanteilen im Geltungsbereich dieses Gesetzes Bezug haben, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Repräsentant seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Dieser Gerichtsstand kann durch Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden. (3) Der Name des Repräsentanten und die Beendigung seiner Stellung sind von der Behörde im Bundesanzeiger bekanntzumachen. $ 7 (Anzeigepflicht) (1) Die ausländische Investmentgesellschaft hat die Absicht, ausländische Investmentanteile im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu vertreiben, der Behörde anzuzeigen. (2) Der Anzeige sind beizufügen 1. alle wesentlichen Angaben über die ausländische Investmentgesellschaft, ihre Organe und ihren Repräsentanten sowie über die Verwaltungsgesellschaft, die Vertriebsgesellschaften, die Depotbank und die Zahlstellen, 2. die Vertragsbedingungen sowie der im Zeitpunkt der Anzeige gültige Verkaufsprospekt, 3. die zur Verwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorgesehenen Werbeschriften, 4. Rechenschaftsberichte, die den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 entsprechen müssen, für die letzten drei Geschäftsjahre oder, wenn die Investmentgesellschaft noch nicht so lange besteht, für ihre bisherigen Geschäftsjahre, und eine Übersicht der Gegenstände des Vermögens, an dem die Anteile bestehen, die nicht älter als zwei Monate sein darf und die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 genannten Angaben enthalten muß; diese Unterlagen müssen mit dem Bestätigungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers versehen sein, 5. die festgestellten Jahresbilanzen der letzten drei Geschäftsjahre oder, wenn die Verwaltungsgesellschaft noch nicht so lange besteht, der bisherigen Geschäftsjahre, nebst Gewinn- und Verlustrechnung (Jahresabschluß) der Verwaltungsgesellschaft, die mit dem Bestätigungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers versehen sind, 6. die Erklärung der ausländischen Investmentgesellschaft, daß sie sich verpflichtet, a) der Behörde den Jahresabschluß der Verwaltungsgesellschaft und den nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 zu veröffentlichenden Rechenschaftsbericht spätestens vier Monate nach Ende jeden Geschäftsjahres sowie den nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 zu veröffentlichenden Halbjahresbericht spätestens zwei Monate nach Ende jeden Geschäftshalbjahres einzureichen; diese Unterlagen müssen mit dem Bestätigungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers versehen sein, b) die Behörde über alle wesentlichen Änderungen von Umständen, die bei der Anzeige der Absicht des Vertriebs angegeben worden sind, über wesentliche Änderungen der vorgelegten und über neue Werbeschriften zu unterrichten, c) der Behörde auf Verlangen zu einem von dieser bestimmten Stichtag eine Aufstellung mit Wertangaben (§ 4 Abs. 1 Nr. 1) des in Verwahrung der Depotbank befindlichen Vermögens einzureichen, die mit dem Bestätigungsvermerk eines Prüfers versehen ist, der auf Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. D a s Investmentgeschäft
7.
G r u n d seiner beruflichen E r f a h r u n g in der L a g e ist, den W e r t der G e g e n s t ä n d e des V e r mögens zu beurteilen, und der in den letzten drei Jahren nicht die Rechenschafts- und Halbjahresberichte der ausländischen Investmentgesellschaft und die Jahresabschlüsse der Verwaltungsgesellschaft geprüft hat, d) der Behörde und der Deutschen Bundesbank bis z u m fünfzehnten eines jeden Monats für den v o r a u s g e g a n g e n e n M o n a t in Deutscher M a r k die Beträge zu melden, die sie für an Erwerber mit Sitz oder Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes verkaufte Investmentanteile erhalten und die sie an solche Erwerber gegen R ü c k g a b e der Investmentanteile gezahlt hat, e) der Behörde die A u f n a h m e und die Rückzahlung von Krediten zu Lasten von Wertpapiervermögen (§ 2 N r . 4 Buchstabe f) zu melden, der Nachweis über die Zahlung der Gebühr nach § 9 Abs. 1 N r . 1.
Mit den in N u m m e r 4, 5 und 6 Buchstabe a genannten Unterlagen ist eine deutsche Ubersetz u n g vorzulegen. (3) D i e Behörde hat den T a g des Eingangs der A n z e i g e innerhalb zwei Wochen zu bestätigen, sofern die nach diesem G e s e t z erforderlichen Unterlagen vorliegen. Fehlende Unterlagen fordert die Behörde innerhalb der gleichen Frist an.
§ 8 (Aufnahme und Untersagung des Vertriebs) (1) D e r Vertrieb von ausländischen Investmentanteilen darf erst a u f g e n o m m e n werden, wenn seit dem Eingang der vollständigen Anzeige zwei Monate verstrichen sind, ohne daß die Behörde die A u f n a h m e des Vertriebs untersagt hat. (2) D i e Behörde untersagt die A u f n a h m e des Vertriebs, wenn die ausländische Investmentgesellschaft die V o r a u s s e t z u n g e n nach § 2 nicht erfüllt oder die Anzeige nach § 7 nicht ordnungsgemäß erstattet. (3) D i e Behörde hat den weiteren Vertrieb ausländischer Investmentanteile zu untersagen, wenn 1. die Anzeige nach § 7 nicht erstattet worden ist, 2. eine V o r a u s s e t z u n g nach § 2 N r . 1 bis 4 weggefallen ist, 3. die der Behörde gegenüber nach § 7 Abs. 2 N r . 6 übernommenen Verpflichtungen trotz Mahnung nicht eingehalten werden, 4. bei dem Vertrieb der ausländischen Investmentanteile erheblich gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen worden ist, 5. ein durch rechtskräftiges Urteil oder gerichtlichen Vergleich gegenüber der ausländischen Investmentgesellschaft, der Verwaltungsgesellschaft oder der Vertriebsgesellschaft festgestellter Anspruch eines Anteilinhabers nicht erfüllt worden ist; sie kann von der U n t e r s a g u n g absehen, wenn ihr dies wegen der besonderen U m s t ä n d e des Einzelfalles aus Gründen der Billigkeit geboten erscheint. (4) Die B e h ö r d e kann den weiteren Vertrieb ausländischer Investmentanteile untersagen, wenn 1. die in den §§ 3 bis 5 vorgesehenen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß erfüllt werden, 2. eine nach § 9 Abs. 1 N r . 2 zu entrichtende Gebühr trotz M a h n u n g nicht gezahlt wird, 3. bei dem Vertrieb der ausländischen Investmentanteile erheblich gegen die Vertragsbedingungen verstoßen worden ist. (5) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen der Behörde haben in den Fällen des Absatzes 2 und 3 keine aufschiebende Wirkung. (6) Die Behörde macht die Untersagung im Bundesanzeiger bekannt, falls ein Vertrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 stattgefunden hat.
§ 9 (Gebühren) (1) D i e Behörde erhebt für die Tätigkeit nach diesem G e s e t z f o l g e n d e G e b ü h r e n : 1. für die Bearbeitung der A n z e i g e nach § 7 Abs. 1 fünftausend Deutsche M a r k , 2. f ü r die P r ü f u n g der nach $ 7 Abs. 2 N r . 6 einzureichenden Unterlagen zu Beginn eines jeden Kalenderjahres dreitausend Deutsche Mark, 1258
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Besonderheiten beim Vertrieb ausländischer Investmentanteile 3. im Falle der Untersagung des weiteren Vertriebs ausländischer Investmentanteile nach § 8 Abs. 3, Abs. 4 oder § 10 Abs. 2 zehntausend Deutsche Mark. (2) Die Gebühren werden nach den Vorschriften des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes vom 27. April 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 157) beigetrieben. § 10 (Maßnahmen gegen mißbräuchliche Werbung) (1) Um Mißständen bei der Werbung für ausländische Investmentanteile zu begegnen, kann die Behörde bestimmte Arten der Werbung untersagen. Dies gilt insbesondere für die Werbung mit Angaben, die geeignet sind, in irreführender Weise den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, sowie für die Werbung mit dem Hinweis auf die Befugnisse der Behörde nach diesem Gesetz. (2) Verstößt die ausländische Investmentgesellschaft, ihr Repräsentant oder eine mit dem Vertrieb befaßte Person erheblich gegen Anordnungen nach Absatz 1 und werden die Verstöße trotz Verwarnung durch die Behörde nicht eingestellt, so untersagt die Behörde den weiteren Vertrieb von Investmentanteilen; § 8 Abs. 6 findet Anwendung. $ 11 (Widerrufsrecht des Käufers) (1) Ist der Käufer von ausländischen Investmentanteilen durch mündliche Verhandlungen außerhalb der ständigen Geschäftsräume desjenigen, der die Anteile verkauft oder den Verkauf vermittelt hat, dazu bestimmt worden, eine auf den Kauf gerichtete Willenserklärung abzugeben, so ist er an diese Erklärung nur gebunden, wenn er sie nicht der ausländischen Investmentgesellschaft oder deren Repräsentanten gegenüber binnen einer Frist von zwei Wochen schriftlich widerruft; dies gilt auch dann, wenn derjenige, der die Anteile verkauft oder den Verkauf vermittelt, keine ständigen Geschäftsräume hat. (2) Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn der Verkaufsprospekt dem Käufer ausgehändigt worden ist. Ist streitig, ob oder zu welchem Zeitpunkt der Verkaufsprospekt dem Käufer ausgehändigt wurde, so trifft die Beweislast den Verkäufer. (3) Das Recht zum Widerruf besteht nicht, wenn der Verkäufer nachweist, daß 1. der Käufer die ausländischen Investmentanteile im Rahmen seines Gewerbebetriebes erworben hat oder 2. er den Käufer zu den Verhandlungen, die zum Verkauf der Anteile geführt haben, auf Grund vorhergehender Bestellung (§ 55 Abs. 1 der Gewerbeordnung) aufgesucht hat. (4) Ist der Widerruf erfolgt und hat der Käufer bereits Zahlungen geleistet, so ist die ausländische Investmentgesellschaft verpflichtet, dem Käufer, gegebenenfalls Zug um Zug gegen Rückübertragung der bereits erworbenen Investmentanteile, die bezahlten Kosten und einen Betrag auszuzahlen, der dem Wert der bezahlten Investmentanteile (§ 18 3 )) Abs. 2 Satz 2 und 3 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften) am Tage nach dem Eingang der Widerrufserklärung entspricht. (5) Auf das Recht zum Widerruf kann nicht verzichtet werden. $ 12 (Rechte bei mangelhaftem Verkaufsprospekt) (1) Sind in einem Verkaufsprospekt (§ 3) Angaben, die für die Beurteilung der ausländischen Investmentanteile von wesentlicher Bedeutung sind, unrichtig oder unvollständig, so kann derjenige, der auf Grund des Verkaufsprospekts Investmentanteile gekauft hat, von der ausländischen Investmentgesellschaft, von der Verwaltungsgesellschaft und von der Vertriebsgesellschaft als Gesamtschuldner Übernahme der Investmentanteile gegen Erstattung des von ihm gezahlten Betrages verlangen. Ist der Käufer in dem Zeitpunkt, in dem er von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts Kenntnis erlangt hat, nicht mehr Inhaber des Anteils, so kann er die Zahlung des Betrages verlangen, um den der von ihm gezahlte Betrag den Rücknahmepreis des Anteils im Zeitpunkt der Veräußerung übersteigt. 5) Jetzt § 21 KAGG. Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. D a s Investmentgeschäft (2) Angaben von wesentlicher Bedeutung im Sinne des Absatzes 1 sind die in § 3 Abs. 2 S a t z 2 und 3 vorgeschriebenen Prospektangaben. (3) Eine Gesellschaft kann nach Absatz 1 nicht in Anspruch genommen werden, wenn sie nachweist, daß sie die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Der Anspruch nach Absatz 1 besteht nicht, wenn der K ä u f e r der Investmentanteile die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts beim Kauf gekannt hat. (4) Zur Übernahme nach Absatz 1 ist auch derjenige verpflichtet, der gewerbsmäßig den Verkauf der Anteile vermittelt oder die Anteile im fremden Namen verkauft hat, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts gekannt hat. Der Anspruch nach Absatz 1 besteht nicht, wenn auch der K ä u f e r der Anteile die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts beim Kauf gekannt hat. (5) Der Anspruch verjährt in sechs Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem der K ä u f e r von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Abschluß des Kaufvertrages. § 13 (Ordnungswidrigkeiten) (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig ausländische Investmentanteile vertreibt, 1. ohne daß die Anzeige nach § 7 Abs. 1 erstattet worden ist, 2. bevor die Frist nach § 8 Abs. 1 abgelaufen ist, 3. obwohl die Aufnahme des Vertriebs nach § 8 Abs. 2 untersagt worden ist oder 4. obwohl der weitere Vertrieb nach § 8 Abs. 3, Abs. 4 oder § 10 Abs. 2 untersagt worden ist. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Deutsche M a r k geahndet werden. (3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 N r . 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. $ 14 (Aufsichtsbehörde) Die Aufgaben der Behörde nach den Vorschriften dieses Gesetzes nimmt das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen wahr. $ 15 (Ubergangsregelung) Vertreibt eine ausländische Investmentgesellschaft bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits ausländische Investmentanteile im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so ist die Anzeige nach § 7 Abs. 1 innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nachzuholen. § 7 Abs. 2 und 3, $ 8 Abs. 2 bis 6 und § 9 sind entsprechend anzuwenden. Die Voraussetzungen nach § 2 Nr. 2 bis 5 und den §§ 3 bis 5 müssen spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erfüllt sein; der Repräsentant (§ 2 Nr. 1) ist mit der Erstattung der Anzeige zu benennen. ZWEITER ABSCHNITT Steuerrechtliche Vorschriften § 16 (Kein ständiger Vertreter) Der Repräsentant (§ 2 Nr. 1) oder der Vertreter (§ 17 Abs. 3 N r . 1 Buchstabe b, § 18 Abs. 2) einer ausländischen Investmentgesellschaft gilt nicht als ständiger Vertreter im Sinne des § 49 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes, des § 13 der Abgabenordnung und des $ 121 Abs. 2 N r . 3 des Bewertungsgesetzes, soweit er die ausländische Investmentgesellschaft gerichtlich oder außergerichtlich vertritt und er hierbei weder über die Anlage des eingelegten Geldes bestimmt noch bei dem Vertrieb der ausländischen Investmentanteile tätig wird. $ 17 (Steuern auf Ausschüttungen) (1) Die Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile sowie die von einem Vermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 (ausländisches Investmentvermögen) vereinnahmten nicht zur Kostendek-
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V. Besonderheiten beim Vertrieb ausländischer Investmentanteile kung oder Ausschüttung verwendeten Zinsen, Dividenden, Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie sonstigen Erträge (ausschüttungsgleiche Erträge) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes, wenn sie nicht Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind. Zu den Kosten gehören auch Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung, soweit diese die nach § 7 des Einkommensteuergesetzes zulässigen Beträge nicht übersteigen. Die ausschüttungsgleichen Erträge gelten mit dem Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie vereinnahmt worden sind, als zugeflossen. (2) Die Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile sind insoweit steuerfrei, 1. als sie Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren und Bezugsrechten auf Anteile an Kapitalgesellschaften enthalten, es sei denn, daß die Ausschüttungen Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind. Enthalten die Ausschüttungen Erträge aus der Veräußerung von Bezugsrechten auf Freianteile an Kapitalgesellschaften, so kommt die Steuerfreiheit insoweit nicht in Betracht, als die Erträge Kapitalerträge im Sinne des § 20 des Einkommensteuergesetzes sind, 2. als sie Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten enthalten, es sei denn, daß es sich um Veräußerungsgeschäfte handelt, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre betragen hat (§ 23 des Einkommensteuergesetzes) oder daß die Ausschüttungen Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind. Den in den Ausschüttungen enthaltenen Gewinnen im Sinne der Nummern 1 und 2 stehen die hierauf entfallenden Teile des Ausgabepreises für ausgegebene Anteilsscheine gleich. (3) Die Absätze 1 und 2 sind nur anzuwenden, 1. a) wenn die ausländische Investmentgesellschaft ihre Absicht, ausländische Investmentanteile im Geltungsbereich dieses Gesetzes im Wege des öffentlichen Anbietens, der öffentlichen Werbung oder in ähnlicher Weise zu vertreiben, der Behörde angezeigt hat (§ 7), seit dem Eingang der vollständigen Anzeige zwei Monate verstrichen sind und die Behörde den Vertrieb im Zeitpunkt der Ausschüttung, bei ausschüttungsgleichen Erträgen im Zeitpunkt des Ablaufs des Geschäftsjahres, in dem sie als zugeflossen gelten, nicht untersagt hat (§§ 8, 10 Abs. 2), oder b) wenn ausländiche Investmentanteile, die an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, mit Ausnahme der von der Börse vorgeschriebenen Bekanntmachungen, nicht im Wege des öffentlichen Anbietens, der öffentlichen Werbung oder in ähnlicher Weise vertrieben werden (§ 1 Abs. 2), und wenn die ausländische Investmentgesellschaft einen Vertreter mit Sitz oder Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestellt hat, der sie gegenüber den Finanzbehörden und vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit vertreten kann, und 2. wenn die ausländische Investmentgesellschaft den Inhabern der ausländischen Investmentanteile bei jeder Ausschüttung, bei ausschüttungsgleichen Erträgen spätestens drei Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie als zugeflossen gelten, bezogen auf einen ausländischen Investmentanteil in deutscher Sprache bekanntmacht a) den Betrag der Ausschüttung und der ausschüttungsgleichen Erträge, b) die in der Ausschüttung enthaltenen Beträge an aa) Veräußerungsgewinnen im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Satz 1, bb) Erträgen im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Satz 2, soweit die Erträge nicht Kapitalerträge im Sinne des § 20 des Einkommensteuergesetzes sind, cc) Veräußerungsgewinnen im Sinne des Absatzes 2 Nr. 2, es sei denn, daß es sich um Veräußerungsgeschäfte handelt, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre betragen hat, und die Richtigkeit dieser Angaben auf Anforderung nachweist. § 18 (Steuern auf Ausschüttungen) (1) Sind die Voraussetzungen des § 17 nicht erfüllt, so gehören Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile sowie die von dem ausländischen Investmentvermögen vereinnahmten nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Zinsen, Dividenden, Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, sonstigen Claus-Wilhelm Canaris
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19. Abschnitt. D a s Investmentgeschäft Erträgen und Veräußerungsgewinne (als ausgeschüttet zu behandelnde Erträge) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes, wenn sie nicht Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen sind. Zu den K o s t e n gehören auch Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung, soweit diese die nach § 7 des Einkommensteuergesetzes zulässigen Beträge nicht übersteigen. Die als ausgeschüttet zu behandelnden Erträge gelten mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie vereinnahmt worden sind, als ausgeschüttet und zugeflossen. (2) Die in Absatz 1 genannten Besteuerungsgrundlagen sind nachzuweisen. D e m Nachweis dienende Unterlagen sind in deutscher Sprache abzufassen oder mit einer deutschen Ü b e r s e t z u n g zu versehen. D i e ausländische Investmentgesellschaft hat einen Vertreter mit Sitz oder Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu bestellen, der sie gegenüber den Finanzbehörden und vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit vertreten kann. (3) Wird der N a c h w e i s nicht einwandfrei erbracht oder kein Vertreter bestellt, sind beim E m p f ä n g e r die Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile sowie 90 v o m H u n d e r t des Mehrbetrags anzusetzen, der sich zwischen dem ersten im Kalenderjahr festgesetzten R ü c k nahmepreis und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis eines ausländischen Investmentanteils ergibt; mindestens sind 10 vom H u n d e r t des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises anzusetzen. Wird ein Rücknahmepreis nicht festgesetzt, so tritt an seine Stelle der Börsen- oder Marktpreis. D e r nach S a t z 1 anzusetzende Teil des Mehrbetrages gilt mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres als ausgeschüttet und zugeflossen.
§19 (Anrechnung ausländischer Abzugsteuer) (1) Wird auf Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile im Sinne der §§ 17 und 18 in dem Staat, in dem das auszuschüttende ausländische Investmentvermögen ansässig ist, eine Abzugsteuer erhoben, die nach § 34 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes oder $ 26 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes oder nach einem A b k o m m e n zur V e r m e i d u n g der Doppelbesteuerung auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer anrechenbar ist, so ist bei unbeschränkt steuerpflichtigen Inhabern der ausländischen Investmentanteile die einbehaltene und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer auf den Teil der Einkommensteuer o d e r Körperschaftsteuer anzurechnen, der auf die Einkünfte aus diesen ausländischen Investmentanteilen einschließlich der Abzugsteuer entfällt. Dieser Teil ist in der Weise zu ermitteln, daß die sich bei der V e r a n l a g u n g des zu versteuernden Einkommens — einschließlich der ausländischen Einkünfte — nach den §§ 32a, 32b, 34 und 34b des Einkommensteuergesetzes ergebende Einkommensteuer oder nach § 23 des Körperschaftsteuergesetzes ergebende K ö r p e r schaftsteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zum Gesamtbetrag der Einkünfte aufgeteilt wird. Bei der A n w e n d u n g der S ä t z e 1 und 2 ist der Berechnung der auf die ausländischen Einkünfte entfallenden inländischen Körperschaftsteuer die Körperschaftsteuer z u g r u n d e zu legen, die sich vor A n w e n d u n g der Vorschriften des Vierten Teils des Körperschaftsteuergesetzes für das zu versteuernde E i n k o m m e n ergibt. Auf Abzugsteuern im Sinne des Satzes 1 ist § 34 c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes sinngemäß anzuwenden. (2) Soweit die Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile nach § 17 Abs. 2 und 3 steuerfrei sind, wird die auf diesen Teil der Ausschüttungen entfallende ausländische Abzugsteuer für die Anrechnung nach Absatz 1 nicht berücksichtigt. (3) Ist die ausländische Abzugsteuer, die von Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile erhoben wurde, um Steuern ermäßigt worden, die beim Zufluß der von dem ausländischen Investmentvermögen vereinnahmten Erträge angefallen sind, so ist bei der Anrechnung nach A b s a t z 1 in den Fällen des § 17 Abs. 1 und 3 die ausländische Abzugsteuer zugrunde zu legen, die sich v o r A b z u g der beim Zufluß erhobenen Steuern ergibt. (4) D e r Inhaber der ausländischen Investmentanteile hat den N a c h w e i s über die H ö h e der ausländischen Einkünfte und über die ausländischen Abzugsteuern im Sinne des Absatzes 1 und Zuflußsteuern im Sinne des Absatzes 3 durch V o r l a g e entsprechender Unterlagen zu führen. Sind diese Unterlagen in einer fremden Sprache abgefaßt, so kann eine beglaubigte Ü b e r s e t z u n g in die deutsche Sprache verlangt werden. (5) D e r dem Inhaber der ausländischen Investmentanteile für einen Veranlagungszeitraum erteilte Steuerbescheid ist zu ändern (Berichtigungsveranlagung), wenn eine ausländische A b z u g -
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V. Besonderheiten beim Vertrieb ausländischer Investmentanteile Steuer im Sinne des Absatzes 1 nach Erteilung dieses Steuerbescheides, aber vor Ablauf der Verjährungsfrist erstmalig festgesetzt, nachträglich erhöht oder ermäßigt wird und sich dadurch eine höhere oder niedrigere Veranlagung rechtfertigt. Der Inhaber der ausländischen Investmentanteile hat eine nach Satz 1 zu berücksichtigende Ermäßigung der ausländischen Abzugsteuer dem zuständigen Finanzamt unverzüglich mitzuteilen. Rechtsbehelfe gegen Steuerbescheide, die nach Satz 1 geändert worden sind, können nur darauf gestützt werden, daß die ausländische Abzugsteuer nicht oder nicht zutreffend angerechnet worden sei. § 20 (Anwendungszeitpunkte) (1) Die Vorschrift des § 1 6 ist vom Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes an anzuwenden. (2) Die Vorschriften der §§ 17 und 18 sind erstmals für Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile anzuwenden, die nach dem 31. Oktober 1969 zufließen. Die Vorschrift des § 19 ist erstmals für Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1979 zufließen. (3) Die Vorschrift des § 17 ist für ausschüttungsgleiche Erträge, die Vorschrift des § 18 Abs. 1 und 2 ist für als ausgeschüttet zu behandelnde Erträge erstmals für das Geschäftsjahr anzuwenden, das nach dem 31. Oktober 1969 endet. (4) Die Vorschrift des § 18 ist für den anzusetzenden Teil des Mehrbetrages erstmals für das Kalenderjahr 1969 anzuwenden.
DRITTER ABSCHNITT Schlußvorschriften $ 21 (Berlinklausel) Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des 5 12 Abs. 1 und des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Janur 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. § 22 (Inkrafttreten) (1) Dieses Gesetz tritt am ersten Tage des auf seine Verkündung folgenden vierten Monats in Kraft 4 ), soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt. (2) Die Vorschrift des § 16 tritt am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft 5 ).
••) 5 )
1. November 1969. 1. August 1969.
Claus-Wilhelm Canaris
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Fünftes Kapitel
DAS RECHT DER ALLGEMEINEN GESCHÄFTSBEDINGUNGEN 20. Abschnitt Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Systematische
Ubersicht Rdn.
Rdn. I. D e r Abschluß der Einbeziehungsvereinbarung im allgemeinen 1. Die V o r a u s s e t z u n g e n v o n § 2 I AGBG a ) D i e R e c h t s l a g e im nichtkaufmännischen V e r k e h r 2490 b) Die Rechtslage im k a u f m ä n n i schen V e r k e h r 2493 2. D i e G e l t u n g der A G B f ü r z u k ü n f t i g e R e c h t s g e s c h ä f t e auf G r u n d einer R a h m e n v e r e i n b a r u n g i. S . von § 2 II AGBG Zulässigkeit und Reichweite der Rahmenvereinbarung b) D i e praktischen Folgen der Rahmenvereinbarung c) Die d o g m a t i s c h e Einordnung der R a h m e n v e r e i n b a r u n g . . . . II. D i e G e l t u n g der A G B im Verkehr mit Ausländern 1. Die Ermittlung des a n w e n d b a r e n Rechts 2. D i e Beurteilung der E i n b e z i e h u n g s v e r e i n b a r u n g nach deutschem R e c h t a ) Die R e c h t s l a g e bei a u s d r ü c k licher A n e r k e n n u n g der A G B d u r c h den A u s l ä n d e r b) Die konkludente E i n b e z i e h u n g der A G B , i n s b e s o n d e r e die „still-
c)
d)
Die P r o b l e m a t i k d e r G e l t u n g v o n A G B z u g u n s t e n einer ausländischen B a n k 2516 III. D i e G e l t u n g der A G B im Verkehr zwischen B a n k e n untereinander 1.
a)
2495 2497 2500
2503
2507
Alphabetische Abschlußstatut 2504 Allgemeinkundigkeit 2494 A n f e c h t u n g nach § 119 B G B 2507 A u f k l ä r u n g s p f l i c h t der B a n k g e g e n ü b e r A u s l ä n d e r n 2507 Auskunft g e g e n ü b e r N i c h t k u n d e n 2491, 2 5 3 0 zwischen B a n k e n 2525
schweigende" Einbeziehung k r a f t Verkehrssitte 2511 Die Möglichkeit einer z u m u t b a ren K e n n t n i s n a h m e nach § 2 I N r . 2 A G B G und die F r a g e des Ü b e r s e t z u n g s e r f o r d e r n i s s e s . . . 2514
2.
D i e g r u n d s ä t z l i c h e Einschlägigkeit der A G B 2518 D i e Ü b e r t r a g u n g der U n t e r s c h e i d u n g zwischen „ B a n k " und „ K u n d e n " auf das Verhältnis zwischen zwei B a n k e n a)
D i e G e l t u n g der A G B nur zugunsten einer d e r beiden B a n ken b) Kriterien f ü r die Rollenverteilung „ B a n k / K u n d e " IV. D i e G e l t u n g der A G B g e g e n ü b e r N i c h t kunden 1. Besonderheiten bezüglich der Einbeziehungsvereinbarung 2. Einzelfälle V. D e r Geltungsbereich der A G B in g e g e n ständlicher Hinsicht
2520 2522
2527 2529 2531
Übersicht A u s l ä n d e r 2 5 0 2 ff Ausländische Bank 2516 Bank-zu-Bank-Geschäfte, 2518 ff
Geltung
der
AGB
für
D i s k o n t g e s c h ä f t 2523 E i n m a l a u f t r a g 2 4 9 1 , 2512
Claus-Wilhelm Canaris
1265
20. Abschnitt. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen E r k l ä r u n g s b e w u ß t s e i n 2501 Geschäftsfähigkeit 2498 G e s c h ä f t s v e r k e h r 2531 I n t e r n a t i o n a l e s P r i v a t r e c h t 2 5 0 3 ff I r r t u m ü b e r die E i n b e z i e h u n g d e r A G B 2 5 0 7 K a u f m a n n s e i g e n s c h a f t i. S. v. § 24 A G B G 2505 K o n t o e r r i c h t u n g 2490 K r e d i t g e s c h ä f t 2524
S c h w e i g e n siehe stillschweigende E i n b e z i e h u n g Schuldstatut 2503 S i c h e r u n g s g e b e r , G e l t u n g d e r A G B g e g e n ü b e r 2529 S o n d e r a n k n ü p f u n g 2504 S t i l l s c h w e i g e n d e E i n b e z i e h u n g d e r A G B 2493, 2504, 2511 ff Ü b e r s e t z u n g d e r A G B 2514 f
N i c h t k u n d e 2491, 2 5 2 7 ff
V e r h a n d l u n g s s p r a c h e 2 5 0 9 , 2514 f V e r k e h r s s i t t e , E i n b e z i e h u n g d e r A G B k r a f t 2493 V e r t r a g s s p r a c h e 2509, 2514 f V e r t r a g s t y p i s c h e L e i s t u n g 2503, 2522 V o r a u s v e r f ü g u n g 2499
R a h m e n v e r e i n b a r u n g 2495 ff
Wirkungsstatut 2503
Literatur Bärmann Europäisches Geld-, Bank- und Börsenrecht Bd. 1, 1974, § 12 II; Haupt Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Banken, 1937; Hellner Die Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken Z K W 1976, 10 ff; Jayme Sprachrisiko und Internationales Privatrecht beim Bankverkehr mit ausländischen Kunden, Festschr. f ü r Bärmann, 1975, S. 509 f f ; derselbe Kollisionsrecht und Bankgeschäfte mit Auslandsberührung, 1977; derselbe Allgemeine Geschäftsbedingungen und Internationales Privatrecht, Z H R 142 (1978), 105 ff; Kegel Die Bankgeschäfte im deutschen Internationalen Privatrecht, Gedächtnisschrift f ü r Rudolf Schmidt, 1966, S. 215 f f ; Koch, Arwed Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, ihre rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung, 1932; Kumpel Zur Neufassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, W M 1976 Sonderbeilage Nr. 1; derselbe Z u r Anpassung der AGB der Banken an das AGB-Gesetz, W M 1977, 694 ff; Lwowski Das AGB-Gesetz und die AGB der Banken, Die Bank 1978, 123 ff und 187 ff; Mühl7,\ir Geltung und Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und zum Grundsatz ihrer einheitlichen Auslegung durch das Revisionsgericht, Festschr. f ü r Heinz Kaufmann, 1972, S. 285 ff; Pleyer/Battes Geltung und Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Verkehr der Banken untereinander, D B 1971, 1289 ff; Rehbein Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken nach dem AGB-Gesetz, DB 1977, 1349 ff; Scheerer Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im deutsch-italienischen Rechtsverkehr unter besonderer Berücksichtigung der AGB der Kreditinstitute, A W D 1974, 181 f f ; Schönle Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl. 1976 $ 2 1; Schröter Die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Die Bank 1978, 81 ff; Steuer Die Auswirkungen des AGB-Gesetzes, Die Bank 1978, 34 ff; Ungnade Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute im Verkehr mit dem Ausland, W M 1973, 1130 ff; derselbe Der Geltungsgrund der AGB im Kreditgewerbe, Die Sparkasse 1973, 84 ff; Graf von Westphalen Die AGB der Privatbanken im Licht der jüngsten Judikatur und Literatur, W M 1980, 1406 ff.
I. Der Abschluß der Einbeziehungsvereinbarung im allgemeinen 1. Die Voraussetzungen von § 2 I AGBG a) Die Rechtslage im nicht-kaufmännischen Verkehr 2490 Nach § 2 I Ziff. 1 AGBG setzt die Einbeziehung von AGB grundsätzlich einen ausdrücklichen Hinweis des Verwenders auf sie voraus, es sei denn, ein solcher ist wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich. Demgemäß wird man im Bankverkehr jedenfalls im Normalfall, in dem es zur Errichtung eines Kontos kommt, einen ausdrücklichen Hinweis der Bank auf ihre AGB fordern müssen; denn da es sich hierbei nicht um eine Routineangelegenheit des Massenverkehrs handelt, vielmehr i. d. R. gewisse Verhandlungen und Prüfungen stattfinden 1266
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. D e r Abschluß der Einbeziehungsvereinbarung im allgemeinen
sowie meist auch Papiere wie Kontoanträge und dgl. ausgefüllt werden, ist es keine Uberforderung der Bank, bei dieser Gelegenheit einen ausdrücklichen Hinweis auf ihre AGB von ihr zu verlangen. Anders stellt sich die Rechtslage bei Einmalaufträgen und sonstigen einmaligen 2491 Geschäften dar. Hier ist grundsätzlich danach zu differenzieren, ob die Bank nach der Art des Geschäfts eine individuelle schriftliche Erklärung abgibt oder nicht. Ist das nicht der Fall, wird es sich meist um ein Bagatellgeschäft des Massenverkehrs handeln, so daß es eines ausdrücklichen Hinweises auf die AGB nicht bedarf, zumal deren Zugrundelegung branchen-, ja sogar verkehrsüblich ist; daß rein technisch gesehen ein Hinweis an sich möglich wäre, steht nach herrschender und richtiger Ansicht nicht entgegen 1 . Demgemäß werden die AGB z. B. bei der Erteilung eines Uberweisungsauftrags oder der Vorlage eines Schecks durch einen Nichtkunden auch ohne ausdrücklichen Hinweis zum Vertragsinhalt 2 , sofern die Bank der alternativen Voraussetzung von § 2 I Ziff. 1 AGBG genügt und durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsabschlusses auf die AGB hinweist. Anders zu entscheiden, müßte zu lebensfremden und durch den Schutzzweck von § 2 I Ziff. 1 AGBG nicht geforderten Zumutungen an das Schalterpersonal führen, da dieses dann trotz der routinemäßigen Abwicklung und Massenhaftigkeit des Schalterverkehrs jeden Nichtkunden auf die AGB hinweisen müßte. Dagegen dürfte z. B. bei schriftlichen Auskünften an Nichtkunden grundsätzlich die erste Alternative von § 2 I Ziff. 1 AGBG anzuwenden sein. Denn angesichts der Tatsache, daß die Bank hier ohnehin eine individuelle Erklärung formulieren muß und es sich nicht um ein routinemäßiges Massengeschäft des Schalterverkehrs handelt, erscheint es nicht „unverhältnismäßig" i. S. von § 2 I Ziff. 1 AGBG, von der Bank einen ausdrücklichen Hinweis auf die AGB zu erwarten, zumal sie diesen unschwer auf das Auskunftsschreiben setzen kann 3 . Das Argument, der Auskunftsuchende müsse wegen der Verkehrsüblichkeit ohne weiteres mit der Zugrundelegung der AGB rechnen und könne keine rechtliche Besserstellung gegenüber den Kunden der Bank erwarten, reicht jedenfalls seit Erlaß von § 2 I Ziff. 1 AGBG nicht mehr aus, um die Einbeziehung der AGB zu begründen. Weiterhin setzt § 2 I AGBG eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme vom 2 4 9 2 Inhalt der AGB voraus. Diese wird i. d. R. ohne weiteres gegeben sein, es sei denn, die Bank hat die AGB entgegen den Einleitungssätzen ihrer AGB nicht im Schalterraum ausgelegt oder ausgehängt. Auch das weitere Erfordernis eines Einverständnisses der anderen Vertragspartei mit der Geltung der AGB dürfte kaum praktische Schwierigkeiten bereiten, da es sich bei Erfüllung der Voraussetzungen von § 2 I Ziff. 1 und 2 AGBG grundsätzlich schon aus der Vornahme des betreffenden Geschäfts als solcher im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ergibt. b) Die Rechtslage im kaufmännischen Verkehr Nach § 24 AGBG findet § 2 AGBG keine Anwendung bei Verträgen mit einem 2 4 9 3 Kaufmann, wenn der Vertrag zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört. Demgemäß • V g l . statt aller Ulmer/Brandner/Hensen3 §2 Rdn. 35 m. N a c h w . zum Streitstand. 2 Offengelassen von B G H W M 1978, 637 unter I 2 für einen Einzelüberweisungsauftrag, der vor Inkrafttreten des AGBG erteilt w o r d e n war. 3 Vgl. auch Ulmer a a O § 2 Rdn. 32 a. E., w o n a c h
„bei schriftlich oder fernmündlich abgeschlossenen Verträgen das Eingreifen der Ausnahmevorschrift in aller Regel schon deshalb ausscheidet, weil der Kunde in diesen Fällen den im Aushang liegenden Hinweis des Verwenders nicht zur Kenntnis nehmen kann".
C l a u s - W i l h e l m Canaris
1267
2 0 . Abschnitt. D i e G e l t u n g d e r A l l g e m e i n e n G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n
ist insoweit auch heute noch die Einbeziehung der AGB kraft Verkehrssitte möglich 4 . Folglich werden diese in Übereinstimmung mit der vor Inkrafttreten des AGBG ergangenen Rechtsprechung 5 im Verkehr mit Kaufleuten grundsätzlich schon dadurch zum Vertragsinhalt, daß ihre Zugrundelegung verkehrsüblich ist und der andere Teil ihrer Geltung nicht widersprochen hat; denn nach §§ 157 BGB, 346 HGB genügt es, daß dieser von der Einbeziehung „wissen mußte" — worin nicht mehr als eine Kurzformel für die Zurechenbarkeit der objektiven Erklärungsbedeutung liegt6. 2494
Übertragbar ist demgemäß auch die Ansicht des BGH, es sei von der Allgemeinkundigkeit der Einbeziehung kraft Verkehrssitte auszugehen (vgl. WM 1966 973). Das hat zur Folge, daß die Zugrundelegung der AGB grundsätzlich nicht hehauptungs- und beweisbedürftig ist und die Gerichte daher auch ohne einen entsprechenden Parteivortrag von ihr ausgehen können (vgl. BGH aaO). Unzutreffend ist dagegen die Schlußfolgerung, ein Kunde, der die Geltung der AGB bestreite, müsse „den Beweis führen, daß . . . die Banken nicht allgemein unter Zugrundelegung der AGB Geschäftsverbindungen eingehen, ein Beweis, der wohl niemals erbracht werden kann" (so Mühl S. 292). Diese Ansicht, die praktisch zu einer unwiderleglichen Vermutung für die Geltung der AGB führt und deren Geltungskraft dadurch im Ergebnis auf höchst bedenkliche Weise der des objektiven Rechts annähert, beruht auf einer unzulässigen Vertauschung von Zugrundelegung und Geltung der AGB und auf einer Mißachtung des § 157 BGB. Die Verkehrsüblichkeit der Zugrundelegung der AGB ist nämlich zwar ein äußerst wichtiges Kriterium der Auslegung, sie ist aber doch nur eines unter vielen Auslegungselementen und gibt daher nur im Zweifel den Ausschlag. Demzufolge hat die Bank die Beweislast, wenn der Kunde die Zugrundelegung der AGB substantiiert bestreitet — etwa mit der Behauptung, er habe ihrer Einbeziehung in den Vertrag widersprochen. Auch kann man nicht auf das „subjektive Erfordernis des ,Kennenmüssens'" verzichten (a. A. Mühl S. 292 bei Fn. 49); denn dieses ist nur eine abkürzende Formulierung für den allgemeinen Grundsatz der objektiven Auslegung, daß die Bedeutung einer Erklärung nur insoweit zurechenbar ist, als ein durchschnittlicher Teilnehmer des betreffenden Verkehrskreises ihren Sinn erkennen konnte 6 , und diese Voraussetzung gilt auch für die „stillschweigende" Unterwerfung unter AGB. 2. Die Geltung der AGB für zukünftige Rechtsgeschäfte auf Grund einer Rahmenvereinbarung i. S. von § 2 II AGBG a) Zulässigkeit und Reichweite der Rahmenvereinbarung
2495
Wenn nicht nur ein einziges Geschäft vorgesehen, sondern eine längere Beziehung beabsichtigt ist, kommt es i. d. R. zum Abschluß einer Rahmenvereinbarung, auf Grund deren die AGB auch für zukünftige Geschäfte gelten. Die Zulässigkeit einer solchen Abrede ergibt sich ohne weiteres aus § 2 II AGBG. Daß sie auch dem Parteiwillen entspricht, ist eine Selbstverständlichkeit, soweit es um Geschäfte der gleichen Art geht; denn man kann einem vernünftigen und redlichen Bankkunden nicht unterstellen, daß er z. B. bei der Einrichtung eines Effektendepots davon ausgeht, die Vereinbarung über die AGB beziehe sich nur auf das gleichzeitig getätigte Erstgeschäft und müsse bei späteren Effektenaufträgen stets wiederholt werden.
4
Vgl. dazu näher Capelle/Canaris Handelsrecht 1 9 , § 14 IV 1 a m. N a c h w . zum Streitstand. 5 Vgl. z. B. R G Z 103, 84; 112, 253; R G BankArch. 28, 203; B G H W M 1966, 973; 1970, 632 f; 1971 987, 988 unter II 1; 1971, 1498, 1499; 1972, 583,
1268
6
585 unter IV a; 1974, 272, 273 unter V 2; a. A. z. B. Staudinger/Schlosser[1 § 2 A G B G Rdn. 71 a. E. Vgl. zur „Wissen-müssens"-Formel z. B. Ulmer a a O § 2 Rdn. 6 und Capelle/Canaris a a O § 14 IV 1 b, jeweils m. w. N a c h w .
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1981
I. D e r A b s c h l u ß der Einbeziehungsvereinbarung im a l l g e m e i n e n
Darüber hinaus erstreckt sich der Rahmenvertrag aber grundsätzlich auch auf 2 4 9 6 Geschäfte von anderer Art als das Erstgeschäft. Das folgt schon aus dem ersten Satz der AGB, wonach diese allgemein für den „Geschäftsverkehr" der Banken mit ihrer Kundschaft gelten. Dem entsprechen auch die übrige Ausgestaltung und der Inhalt der AGB, die von wesentlicher Bedeutung für die Auslegung der Einbeziehungsvereinbarung sind. Danach beanspruchen die AGB nämlich grundsätzlich Geltung für Bankgeschäfte vielfältiger Art, da sie sich nicht auf einen einzigen Vertragstyp wie z. B. den Girovertrag beschränken, sondern in erster Linie allgemeine Bestimmungen für die unterschiedlichsten Geschäfte enthalten und außerdem Sonderregelungen für mehrere Vertragsarten aufweisen — so für den Giroverkehr in Ziff. 4 III, die Bürgschaft in Ziff. 13, das Effektengeschäft in Ziff. 29 ff und den Einzug oder Diskont von Wechseln und Schecks in Ziff. 40 ff. Demgemäß kommt beispielsweise mit der Errichtung eines Girokontos grundsätzlich zugleich eine Vereinbarung über die Geltung der AGB für spätere Spar-, Effekten-, Inkasso- und Diskontgeschäfte zustande 6 3 . Daß die Rahmenvereinbarung sich nach dem Wortlaut von § 2 II AGBG auf „eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften" beziehen muß, steht nicht entgegen 7 , zumal dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschrift gerade die AGB der Banken vor Augen standen. b) Die praktischen Folgen der Rahmenvereinbarung Die praktische Bedeutung dieser Vereinbarung besteht in erster Linie darin, daß 2 4 9 7 maßgeblicher Zeitpunkt für die Geltungsvoraussetzungen grundsätzlich der des ersten Geschäftsschlusses ist. Demgemäß müssen z. B. nur bei diesem die Anforderungen von § 2 I AGBG erfüllt sein, so daß es etwa bei der späteren Vornahme eines Effektengeschäftes keines erneuten Hinweises nach § 2 I Ziff. 1 AGBG bedarf, auch wenn das erste Geschäft ganz anderer Natur war, also z. B. in der Errichtung eines Girokontos bestand. Auch die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Gültigkeitsvoraussetzungen wie das 2 4 9 8 Vorliegen der Geschäftsfähigkeit bestimmen sich grundsätzlich nach diesem Zeitpunkt, soweit es um die Geltung der AGB geht; aus konstruktiver Sicht bestehen daher keine Bedenken gegen Ziff. 23 AGB, wonach der Kunde grundsätzlich den Schaden trägt, den die Bank durch den nachträglichen Eintritt der Geschäftsunfähigkeit unverschuldetermaßen erleidet (vgl. dazu im übrigen auch unten Rdn. 2711 ff). Desgleichen läßt z. B. ein Dissens beim Abschluß eines einzelnen Bankgeschäfts — etwa eines Kommissionsauftrags — die Geltung der AGB unberührt — und zwar auch für die Abwicklung dieses Geschäfts selbst (vgl. OLG Köln WM 1970 892, 893). Von Vorteil ist die Rahmenvereinbarung für die Bank ferner bei Vorausverfügun- 2 4 9 9 gen durch AGB-Klauseln, weil bei der Anwendung des Prioritätsprinzips folgerichtig auf den Zeitpunkt des ersten Geschäftsabschlusses abzustellen ist (vgl. im übrigen näher unten Rdn. 2668). c) Die dogmatische Einordnung der Rahmenvereinbarung Dogmatisch wird man die Rahmenvereinbarung grundsätzlich als eigenes Rechtsge- 2 5 0 0 schäft und nicht lediglich als Teil des zugehörigen Erstgeschäfts anzusehen haben. Also kommt z. B. bei der Errichtung eines Girokontos nicht nur ein Girovertrag mit einer *»• So auch B G H WM 1974, 272, 273 unter V 1 für das Verhältnis von Giro- und Sparvertrag; a. A. OLG Düsseldorf WM 1971, 231, 233 Sp. 2 als Vorinstanz in der gleichen Sache.
7
Das ist h. L., vgl. z. B. Ulmer a a O § 2 Rdn. 60 a. E.; Schröter Die Bank 1978, 83 f.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
1269
20. Abschnitt. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Nebenabrede über die Geltung der AGB für diesen zustande, sondern zugleich eine zusätzliche Rahmenvereinbarung über die Geltung der AGB für Geschäfte anderer Art. Auch diese noch als bloße Nebenabrede des Girovertrags zu qualifizieren, erscheint angesichts ihres Bezugs auf Verträge ganz anderen Inhalts allzu gekünstelt. 2501
Folgerichtig ist bezüglich der Rahmenvereinbarung grundsätzlich das Erklärungsbewußtsein des Kunden erforderlich. Dessen Vorliegen dürfte bei einem ausdrücklichen Hinweis auf die Einbeziehung der AGB i. d. R. unproblematisch sein. Bei der Einbeziehung kraft Verkehrssitte kann es allerdings fehlen, doch entstehen auch in diesem Falle keine unüberwindlichen praktischen Probleme. Denn entweder wendet man mit einer verbreiteten Ansicht auf das Fehlen des Erklärungsbewußtseins § 119 BGB analog an 8 — dann scheitert eine Anfechtung grundsätzlich daran, daß der Kunde die Erklärung „bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles" in der gleichen Weise abgegeben hätte, weil er anderenfalls bei keiner Bank den gewünschten Vertrag hätte abschließen können; oder man lehnt die Anwendung von § 119 BGB ab — dann dürfte ein etwaiges Fehlen des Erklärungsbewußtseins nach den Regeln über die Rechtsscheinhaftung kraft verkehrsmäßig typisierter Erklärungsbedeutung unbeachtlich sein, da die Einbeziehung kraft Verkehrssitte nur im kaufmännischen Verkehr in Betracht kommt und ein Kaufmann grundsätzlich nach Rechtsscheinregeln für die verkehrsmäßig typisierte Bedeutung seines Verhaltens einzustehen hat 9 .
II. Die Geltung der AGB im Verkehr mit Ausländern 2502
Bei Verträgen mit Auslandsbezug bedarf es einer genauen Trennung zwischen der internationalprivatrechtlichen Frage nach dem anwendbaren Recht und der materiellrechtlichen Frage nach dem Vorliegen einer Einbeziehungsvereinbarung. Für beide Problemkreise können allerdings die gleichen Gesichtspunkte wie z. B. der Unterschied zwischen Inlands- und Distanzgeschäften eine Rolle spielen, so daß es z. T. zu einer gewissen Verschränkung der Fragen, ja u. U. sogar zur Austauschbarkeit des Lösungsansatzes für das praktische Ergebnis kommen kann. Deshalb ist im folgenden entgegen der sonstigen Konzeption dieses Buches auch auf die internationalprivatrechtliche Problematik kurz einzugehen.
2503
Über die Einbeziehung der AGB entscheidet nach überwiegender Ansicht grundsätzlich das Wirkungsstatut 10 , also dasjenige Recht, das bei Gültigkeit des betreffenden Vertrages maßgeblich ist. Dieses bestimmt sich im Bankrecht bei Fehlen einer besonderen vertraglichen Regelung in erster Linie nach der gewerbetypischen Leistung. Das ist im Verhältnis zu einem Vertragspartner, der nicht ebenfalls eine Bank ist, grundsätzlich die Leistung der Bank, so daß deren Heimatrecht einschlägig ist 11 . Im Verkehr mit
1. Die Ermittlung des anwendbaren Rechts
8 So z. B. Bydlinski J Z 1975, 1 ff; Larenz Allg. Teil des deutschen Bürg. Rechts 5 , 5 19 III; Palandt/ Heinrichs Vorbem. vor §116 Anm. 4 b m. w. N a c h w . ; a. A. z . B . Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 427 f und 548 ff m. w. N a c h w . 9 Vgl. dazu im Grundsätzlichen Canaris Die Vertrauenshaftung a a O S. 217 ff. 1° Vgl. z. B. B G H W M 1973, 2154, 2155; 1976, 2075; Palandt/Heldrich Vorbem. vor Art. 12 E G B G B Anm. 4 m. w. N a c h w . ; StollFestschr. für Beitzke, 1979, S. 760; vgl. ferner die ausführli-
1270
11
chen N a c h w . aus dem Schrifttum bei Ulmer a a O Anh. nach 5 2 Rdn. 4 f, die sich allerdings nicht nur auf die AGB-Problematik, sondern auch auf die allgemeine Problematik eines vom Wirkungsstatut verschiedenen Abschlußstatuts beziehen. Grundlegend Kegel Gedächtnisschrift f ü r Rudolf Schmidt, 1966, S. 216 ff, 221; vgl. ferner z . B . Pleyer/Battes DB 1971, 1294 f; Ungnade W M 1973, 1132; Jayme Kollisionsrecht a a O S. 20 und 38; Palandt/Heldrich V o r b e m . vor Art. 12 E G B G B Anm. 6 n.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D i e Geltung der A G B im Verkehr mit Ausländern
einer anderen Bank gibt es dagegen keine gewerbetypische Leistung, und daher ist insoweit grundsätzlich die vertragstypische Leistung ausschlaggebend 12 . Das ist grundsätzlich diejenige Leistung, die nicht in der Entrichtung des Entgelts besteht, da in aller Regel nicht dessen Zahlung, sondern die Gegenleistung dem betreffenden Vertragstypus sein Gepräge gibt; maßgeblich ist also z. B. das Recht der Bank, die einen Uberweisungsauftrag durchführen, einen Wechsel zum Inkasso vorlegen oder eine Effektenkommission tätigen soll (vgl. auch unten Rdn. 2522 ff). Hinsichtlich der Bedeutung des Schweigens, also hinsichtlich der Frage, ob die AGB 2 5 0 4 „stillschweigend" durch Unterlassung eines Widerspruchs gegen ihre Einbeziehung zum Vertragsinhalt werden können (vgl. oben Rdn. 2493), wird häufig eine Sonderanknüpfung befürwortet 1 3 , auf Grund deren das Wohnsitzrecht des Schweigenden Vorrang vor dem Wirkungsstatut hat. Gleiches muß dann folgerichtig auch für die übrigen Fälle einer Einbeziehung durch konkludentes Verhalten (vgl. zu diesen oben Rdn. 2492 a. E.) gelten, weil es dabei um ein prinzipiell gleichartiges Auslegungsproblem geht und die Interessenlage im wesentlichen dieselbe ist. Das macht zugleich deutlich, daß eine einigermaßen genaue tatbestandliche Eingrenzung der fraglichen Sonderanknüpfung kaum möglich ist 14 und man bei deren folgerichtiger Durchführung wohl zu einer generellen Verselbständigung des Abschlußstatuts gegenüber dem Wirkungsstatut kommt. Auch ist nicht ersichtlich, warum die Ausländereigenschaft nicht im Rahmen des materiellen Rechts hinreichend berücksichtigt werden kann 1 5 (vgl. dazu näher unten Rdn. 2511 ff). Immerhin machen die Anhänger der Lehre von der Sonderanknüpfung aber insofern eine wesentliche Einschränkung, als sie nur dann auf das Wohnsitzrecht des anderen Teils abstellen, wenn dieser mit dessen Berücksichtigung rechnen darf. Das ist vor allem dann nicht der Fall, wenn auch er sich beim Vertragsschluß im Inland aufhielt, so daß es insoweit bei der Anwendung des Wirkungsstatuts sein Bewenden hat 1 6 , mag man das nun lediglich als eine immanente Begrenzung des — als Ausnahme von der Regel verstandenen — Satzes über die Sonderanknüpfung der Bedeutung des Schweigens verstehen 17 oder mit einer Analogie zu Art. 7 III EGBGB begründen 1 8 . Soweit danach deutsches Recht einschlägig ist, kann sich des weiteren die Frage 2 5 0 5 stellen, nach welcher Rechtsordnung die Kaufmannseigenschaft des anderen Teils und das Vorliegen eines Handelsgeschäfts im Rahmen von § 24 AGBG zu beurteilen sind. Da es dabei um ein Problem von § 24 AGBG und damit des materiellen Rechts geht, ist
12 Vgl. n ä h e r Kegel a a O S. 223, 225 f ; f e r n e r O L G H a m b u r g R I W / A W D 1978, 615 s o w i e die in d e r v o r i g e n F n . Zitierten. '3 Vgl. z. B. B G H Z 57, 72, 77 u n d B G H N J W 1973, 2154, 2 1 5 5 , w o es freilich reichlich s c h w a m m i g n u r heißt, es sei „auf das W o h n s i t z r e c h t R ü c k sicht z u n e h m e n " ; vgl. f e r n e r z. B. Jayme F e s t s c h r . f ü r B ä r m a n n S. 512 ff m. w. N a c h w . u n d Z H R 142 (1978) 121 f ; Soergel/Kegei10 R d n . 197 v o r A r t . 7 E G B G B ; Palandt/Heldrich V o r b e m . v o r A r t . 12 E G B G B A n m . 4 ; Ulmer a a O A n h . n a c h § 2 R d n . 18; kritisch z. B. von H o f f mann R a b e l s Z 36 (1972) 510 f f ; Stoll F e s t s c h r . f ü r Beitzke S. 763 ff. 14
D e n n ä c h s t e n S c h r i t t tut d e n n a u c h Jayme F e s t s c h r . f ü r B ä r m a n n S. 514 f, i n d e m er d e n „erkennbar Sprachunkundigen" ebenso behandeln will w i e d e n S c h w e i g e n d e n u n d d e m g e m ä ß
a u c h f ü r diesen Fall eine S o n d e r a n k n ü p f u n g e m p f i e h l t ; w a r u m das P r o b l e m n i c h t rein materiellrechtlich l ö s b a r sein soll, w i r d n i c h t d e u t l i c h u n d ist u m s o w e n i g e r e i n z u s e h e n , als g e r a d e Jayme mit vollem R e c h t auf die N o t w e n d i g k e i t h i n g e w i e s e n h a t , die A u s l ä n d e r e i g e n s c h a f t u n d u. U . a u c h den Inhalt des betreffenden Auslandsrechts als „ D a t u m " bei d e r A n w e n d u n g des i n l ä n d i s c h e n materiellen R e c h t s z u b e r ü c k s i c h t i g e n , vgl. a a O S. 520 f. >5 Vgl. a u c h Stoll F e s t s c h r . f ü r B e i t z k e S. 7 6 3 f f , insb e s o n d e r e S. 7 6 6 f. "Vgl. BGH NJW 1973, 2 1 5 4 , 2 1 5 5 ; Jayme F e s t s c h r . f ü r B ä r m a n n S. 514 u n d Z H R 142 (1978) 1 2 1 ; Ulmer a a O § 2 R d n . 18 a. E. 17
S o ersichtlich d e r B G H a a O . 18 S o Jayme a a O u n d Buchmüller
Claus-Wilhelm Canaris
N J W 1977, 501.
1271
20. Abschnitt. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
es folgerichtig, auch insoweit grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden 1 9 . Das bereitet keine Schwierigkeiten, sofern die Voraussetzungen von § 1 H G B erfüllt sind. In den Fällen von § 2 H G B sollte man in erster Linie darauf abstellen, ob das Heimatrecht des Ausländers eine mit der Handelsregistereintragung vergleichbare Möglichkeit kennt und ob von dieser Gebrauch gemacht worden ist; besteht sie nicht, dürfte es das kleinere Übel sein, die Unmöglichkeit der Eintragung ihrer Vornahme gleichzustellen und den Ausländer demgemäß bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen von § 2 H G B im Rahmen von 5 24 AGBG als Kaufmann zu behandeln. Auch § 6 HGB ist analog anzuwenden. Ob der Ausländer auch nach seinem Heimatrecht Kaufmann ist, ist analog Art. 7 III 1 EGBGB unerheblich. 2. Die Beurteilung der Einbeziehungsvereinbarung nach deutschem Recht 2506
Auch wenn internationalprivatrechtlich gesehen die Geltung deutschen Rechts feststeht, ist nicht ohne weiteres ebenso zu entscheiden wie im Verhältnis zu Inländern. Vielmehr kann eine Berücksichtigung der Ausländereigenschaft und des betreffenden ausländischen Rechts auch im Rahmen des deutschen materiellen Rechts geboten sein und zur Verneinung einer Einbeziehung der AGB in den Vertrag führen 2 0 . Dabei ist in mehrfacher Hinsicht zu differenzieren. a) Die Rechtslage bei ausdrücklicher Anerkennung der AGB durch den Ausländer
2507
Am weitesten geht die Gleichstellung von Ausländern mit Inländern und damit die Geltung der AGB, wenn jener die Geltung der AGB ausdrücklich anerkannt hat. In einem solchen Fall ist nämlich am Tatbestand der Einbeziehungserklärung grundsätzlich nicht zu zweifeln 21 . Eine Anfechtung nach § 119 BGB scheidet regelmäßig schon deshalb aus, weil ein Ausländer, der eine nicht oder nicht vollständig verstandene Erklärung unterschreibt, meist keinen konkreten Fehlvorstellungen und damit keinem Irrtum im Rechtssinne unterliegt und im übrigen auch von der Interessenlage her grundsätzlich keinen stärkeren Schutz verdient als derjenige, der eine Urkunde ungelesen unterschreibt. Außerdem wird er den nach § 119 I Halbs. 2 BGB erforderlichen Nachweis, daß er die Einbeziehungserklärung „bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde", i. d. R. nicht führen können; denn da alle deutschen Banken nur auf der Grundlage ihrer inhaltsgleichen AGB abschließen, müßte er i. d. R. dartun, daß er das Geschäft bei Kenntnis der Zugrundelegung der AGB vernünftigerweise gar nicht vorgenommen hätte — und das wird allenfalls in seltenen Ausnahmefällen plausibel sein.
2508
Demgemäß besteht grundsätzlich auch keine besondere Hinweis- oder Aufklärungspflicht der Bank, wenn der Ausländer wegen seiner Sprachunkundigkeit erkennbar nicht von der Einbeziehung der AGB ausgeht 22 (vgl. aber auch unten Rdn. 2510). Da er nämlich angesichts der Branchenüblichkeit der Zugrundelegung der AGB nur die Alternative eines vollständigen Verzichts auf den Geschäftsabschluß hat und die Bank diese Möglichkeit mangels besonderer Anhaltspunkte grundsätzlich nicht in Rechnung zu stellen braucht, wäre ein zusätzlicher Hinweis auf die — ohnehin schon mitunter19
20
Ebenso i. E. Schlechtriem Festschr. f ü r Duden, 1977, S. 580 bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 II H G B ; Ulmer/Brandner/Hensen §24 Rdn. 15; Staudinger/Scblosser § 24 R d n . 2. Darauf hat vor allem Jayme Festschr. für Bärmann S. 520 f mit Recht hingewiesen.
1272
21 Ebenso i. E. (jeweils f ü r Bank-AGB) O L G Bremen W M 1973, 1228, 1229; O L G München ¥ M 1976, 45, 48; LG F r a n k f u r t W M 1977, 298. 22 A. A. Jayme Festschr. f ü r Bärmann S. 522.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. D i e G e l t u n g der A G B im V e r k e h r mit A u s l ä n d e r n
schriebene! — Einbeziehung der AGB ein leerer Formalismus und überdies auch eine unzumutbare Erschwerung des Schalterverkehrs. Auch kann der Ausländer, der einen deutschem Recht unterliegenden Vertrag schließt, grundsätzlich nicht erwarten, besser zu stehen als ein inländischer Bankkunde; insbesondere hat er i. d. R. kein schutzwürdiges Interesse daran, nicht mit ihm ungewohnten Instituten des fremden Rechts konfrontiert zu werden, da das eine geradezu selbstverständliche Folge eines derartigen Vertragsschlusses ist 23 . Die ausdrückliche mündliche Einbeziehungserklärung steht der schriftlichen recht- 2 5 0 9 lieh gesehen gleich, doch wird die Bank dabei meist in beträchtliche Beweisschwierigkeiten kommen, so daß der Frage kaum praktische Bedeutung zukommen dürfte. Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang ferner grundsätzlich, was Verhandlungs- oder Vertragssprache war und ob der Ausländer beim Vertragsschluß im Inland oder vom Ausland aus tätig geworden ist; denn bei einer ausdrücklichen Einbeziehungserklärung ist für die Berücksichtigung derartiger zusätzlicher Auslegungselemente i. d. R. kein Raum. Im Einzelfall können sich freilich Einschränkungen aus Treu und Glauben ergeben. 2 5 1 0 So ist z. B. auch eine ausdrückliche Einbeziehungserklärung unbeachtlich, wenn die Bank weiß oder es für sie offenkundig ist, daß der Ausländer die Einbeziehungserklärung nicht verstanden hat und bei deren Kenntnis wahrscheinlich von dem Vertragsschluß Abstand genommen hätte — ein freilich praktisch allenfalls peripherer Fall. Dogmatisch folgt diese Einschränkung daraus, daß hier für einen Vertrauensschutz nach den Regeln über die objektive oder normative Auslegung kein Anlaß besteht und daher ausnahmsweise dem — erkannten oder evidenten! — inneren Willen des Erklärenden der Vorrang gebührt; zum gleichen Ergebnis kann man auch über § 119 I BGB oder mit der Annahme einer Aufklärungspflicht und einer Haftung aus culpa in contrahendo i. V. m. § 249 S. 1 BGB kommen. Ähnliche Probleme stellen sich in dem — praktisch bedeutsameren — Fall, daß der Ausländer ersichtlich eine für ihn wesentliche Klausel nicht verstanden hat. Am Vorliegen einer Einbeziehungserklärung wird man dabei allerdings schwerlich zweifeln können, doch kommt hier immerhin deren Anfechtung nach § 119 I BGB in Betracht, da es in einem solchen Falle durchaus sein kann, daß der Ausländer den Vertrag bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles nicht abgeschlossen hätte. Die Klausel einfach als abbedungen anzusehen und insoweit eine Individualabrede i. S. von § 4 ABGB anzunehmen, dürfte dagegen i. d. R. nicht angehen, weil es zum einen schon an einem entsprechenden Erklärungsverhalten der Bank fehlen wird, und weil deren Angestellte zum zweiten meist auch keine Vertretungsmacht zur Abdingung von AGBKlauseln haben. Immerhin können auch hier Ansprüche aus culpa in contrahendo in Betracht kommen 2 4 , doch ist bei der Kausalitätsprüfung zu beachten, daß bei korrekter Aufklärung des Ausländers der Vertrag grundsätzlich nicht etwa ohne die betreffende Klausel, sondern allenfalls überhaupt nicht zustande gekommen wäre. Im Einzelfall kann allerdings die Berufung der Bank auf eine AGB-Klausel trotz deren grundsätzlicher Geltung gegen § 242 BGB verstoßen. Das ist vor allem bei solchen Klauseln zu beachten, die dem Kunden bestimmte Verhaltenspflichten oder 23
Daher ist es entgegen Jayme Z H R 142 (1978) 111 unbedenklich, daß bei Geltung der AGB auf den Ausländer „Rechtsinstitute wie etwa das Pfandrecht an Rechten, die seiner Rechtsordnung fremd sein mögen", angewandt werden.
24
Vgl. auch B G H Z 40, 22, 26 ff zu einem entsprechenden Problem beim Abschluß eines Versicherungsvertrags mit einem Türken.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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20. Abschnitt. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen -Obliegenheiten a u f e r l e g e n 2 5 , sofern deren Einhaltung nicht auch f ü r einen sprachunkundigen A u s l ä n d e r ohnehin schon nach T r e u und G l a u b e n g e b o t e n ist.
b) Die konkludente Einbeziehung der AGB, insbesondere die „stillschweigende" Einbeziehung kraft Verkehrssitte 2511
Zusätzliche P r o b l e m e stellen sich, wenn die E i n b e z i e h u n g der A G B nicht durch eine ausdrückliche E r k l ä r u n g erfolgt, sondern sich lediglich aus einem konkludenten V e r halten des A u s l ä n d e r s ergibt. D a b e i ist nicht nur an die „stillschweigende" Einbeziehung k r a f t Verkehrssitte z u denken, die heute nur noch im V e r k e h r mit K a u f l e u t e n möglich ist (vgl. o b e n R d n . 2493), sondern auch an die Fälle, in denen es ohne ausdrückliche A n e r k e n n u n g der A G B z u deren E i n b e z i e h u n g k o m m t , indem der Ausländer nach einem entsprechenden Hinweis der B a n k g e m ä ß § 2 I Ziff. 1 A G B G den V e r t r a g vorbehaltlos abschließt und damit konkludent sein Einverständnis mit der G e l t u n g der A G B erklärt (vgl. oben R d n . 2492 a. E.). H i e r kann die A u s l ä n d e r e i g e n s c h a f t z u r Verneinung der K o n k l u d e n z f ü h r e n ; insbesondere ist es möglich, daß ein A u s l ä n d e r anders als ein Inländer die Z u g r u n d e l e g u n g der A G B nicht z u kennen braucht im Sinne
der „Wissen-müssen"-Formel.
2512
H ä l t sich allerdings der Ausländer beim V e r t r a g s s c h l u ß im Inland a u f , so ist er grundsätzlich einem Inländer gleichzustellen. D a s ergibt sich f ü r die E i n b e z i e h u n g k r a f t Verkehrssitte d a r a u s , daß ein im Inland tätiger A u s l ä n d e r sich grundsätzlich die inländischen Verkehrssitten entgegenhalten lassen m u ß 2 6 . Gleiches muß auch und erst recht f ü r die sonstigen Fälle einer konkludenten E i n b e z i e h u n g gelten. Bei einem ausdrücklichen H i n w e i s auf die Einbeziehung der A G B nach der 1. Alternative v o n § 2 1 Ziff. 1 A G B G f o l g t das schon d a r a u s , daß dieser ohnehin grundsätzlich in der V e r handlungssprache zu erfolgen h a t 2 7 . Versteht der A u s l ä n d e r den H i n w e i s gleichwohl nicht, so hindert das die Einbeziehung der A G B i. d. R. auch dann nicht, wenn das der B a n k bekannt o d e r f ü r sie o f f e n k u n d i g w a r ; denn auch hier ist zu berücksichtigen, daß d e m A u s l ä n d e r als Alternative nur der gänzliche V e r z i c h t auf den Vertragsschluß bleibt (vgl. näher oben R d n . 2 5 0 7 a. E. und 2508), und auch hier kann m a n daher die Einbez i e h u n g s e r k l ä r u n g sinnvollerweise nur unter der zusätzlichen V o r a u s s e t z u n g scheitern lassen, daß der A u s l ä n d e r bei Kenntnis der Geltung der A G B wahrscheinlich v o n dem V e r t r a g s s c h l u ß A b s t a n d g e n o m m e n hätte (vgl. oben R d n . 2 5 1 0 ) . N i c h t anders sollte m a n diejenigen Fälle entscheiden, in denen es eines a u s d r ü c k lichen Hinweises auf die G e l t u n g der A G B ausnahmsweise nicht b e d a r f , also v o r allem bei bestimmten E i n m a l a u f t r ä g e n und dgl. (vgl. oben R d n . 2491). Z w a r könnte man e r w ä g e n , hier g e g e n ü b e r Ausländern zumindest f ü r den Fall erkennbarer S p r a c h u n kundigkeit d o c h einen ausdrücklichen Hinweis z u f o r d e r n und den in der 2. Alternative v o n § 2 I Ziff. 1 A G B G vorgesehenen A u s h a n g nicht g e n ü g e n z u lassen, d o c h hält diese L ö s u n g in W a h r h e i t näherer P r ü f u n g nicht stand. Z u m einen ü b e r f o r d e r t sie nämlich das Schalterpersonal der Banken, das sich im Interesse der Reibungslosigkeit
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Nicht überzeugend daher insoweit L G Frankfurt WM 1977, 298, 299 zum Schriftlichkeitserfordernis nach Ziff. 15 a. F. A G B , wo die Behauptung des Ausländers, er habe mündlich widersprochen und ein Bankangestellter habe die Berechtigung seines Widerspruchs anerkannt, als „unerheblich" abgetan wird. Vgl. schon (speziell zur „stillschweigenden" Einbeziehung von Bank-AGB) R G BankArch. 28,
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203, 204; vgl. ferner z. B. Oertmann Rechtsordnung und Verkehrssitte, 1914, S. 399; Mälzig N J W 1954, 605 m. w. Nachw.; Hanau AcP 165 (1965) 245 f; Lüderitz Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 417; Zahn Festschr. für Rittershausen, 1968, S. 249 ff; Capelle/Canaris Handelsr e c h t " , S 13 V 1 a. Vgl. statt aller Ulmer mO Anh. nach § 2 Rdn. 14.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
II. Die Geltung der A G B im Verkehr mit Ausländern
und Schnelligkeit des Massenverkehrs grundsätzlich keine Gedanken über die Sprachkundigkeit eines Ausländers machen kann, und zum anderen werden dabei die Interessen des Ausländers an einem solchen Hinweis in unvertretbarer Weise überbewertet, weil er ihm gerade wegen seiner Sprachunkundigkeit ohnehin nichts nützt und ihn überdies kaum jemals von der beabsichtigten Auftragserteilung abbringen wird. Wesentlich anders ist die Rechtslage bei Distanzgeschäften, also bei solchen Verträ- 2 5 1 3 gen, die ein Ausländer vom Ausland aus mit einer inländischen Bank abschließt. Hier kann man nicht ohne weiteres von einer „stillschweigenden" Anerkennung der AGB ausgehen 28 . Denn einerseits braucht hier der Ausländer je nach der Rechtslage in seiner Heimat nicht unbedingt mit der Verkehrsüblichkeit der AGB und der Möglichkeit einer „stillschweigenden" Unterwerfung unter diese zu rechnen, und andererseits liegt auch für die Bank ein Ausnahmefall vor, weil der vom Ausland aus tätig werdende Ausländer nicht ohne weiteres einem inländischen Kunden gleichzustellen ist und es insbesondere für die Bank evident ist, daß der Ausländer nicht schon durch den Aushang oder die Auslegung der AGB im Schalterraum über diese informiert wird. Man wird daher hier eine Anerkennung der AGB durch das bloße Unterbleiben eines Widerspruchs nur insoweit annehmen können, als in dem betreffenden Land ebenfalls eine „stillschweigende" Unterwerfung möglich ist und die dortigen AGB der Banken einen ähnlichen Inhalt haben wie die deutschen. Im übrigen aber ist grundsätzlich ein Hinweis der Bank auf ihre A G B erforderlich 29 . Schweigt der Ausländer daraufhin, so dürfte der Vertrag nach den Grundsätzen der objektiven Auslegung i. d. R. unter Einbeziehung der AGB zustande kommen. Das gilt erst recht bei einer Übersendung der A G B vor Vertragsschluß; erforderlich ist diese dagegen nicht unbedingt, sondern es kann auch ein bloßer Hinweis genügen 30 . c) Die Möglichkeit einer zumutbaren Kenntnisnahme nach § 2 I Ziff. 2 A G B G und die Frage des Ubersetzungserfordernisses Aus dem Erfordernis von § 2 I Ziff. 2 AGBG, daß der andere Teil die Möglichkeit 2 5 1 4 haben müsse, in zumutbarer Weise von den AGB Kenntnis zu nehmen, wird häufig gefolgert, die AGB müßten in der Verhandlungssprache abgefaßt sein oder vom Verwender in diese übersetzt werden 31 . Das bereitet für den Bankverkehr keine Schwierigkeiten, wenn Verhandlungssprache deutsch ist wie meist bei Inlandsgeschäften mit der Schalterkundschaft. Ebenso ist aber in diesen Fällen auch dann zu entscheiden, wenn die Vertragsverhandlungen ausnahmsweise in einer Fremdsprache geführt werden. Denn das ist i. d. R. eine bloße Gefälligkeit des Bankpersonals, die sinnvollerweise nicht zum Nachteil der Bank ausschlagen und zu einer so schwerwiegenden Folge wie der Unanwendbarkeit der AGB führen darf; auch hätte die Gegenansicht möglicherweise die fatale Konsequenz, daß die Banken ihr Personal anweisen würden, Verhandlungen über Kontoeröffnungen und dgl. nur noch auf deutsch zu führen. Es muß daher hier ausreichen, daß die Vertragssprache deutsch ist, woran angesichts des deutschen Wortlauts der üblichen Formulare über Konto- und Depoteröffnung, der Sparbücher, der Darlehensanträge usw. in aller Regel kein Zweifel sein kann. 28 Vgl. auch B G H W M 1958, 4 6 4 , wenngleich nicht zu den A G B der Banken. 2 9 Vgl. auch Pleyer/Battes D B 1971, 1 2 9 5 ; Pleyer/ Ungnade N J W 1972, 681. Vgl. B G H W M 1971, 9 8 7 , 9 8 9 , wonach gegenüber einer niederländischen Bank sogar ein Hinweis auf einem Depotauszug ausreichend sein
31
soll; kritisch dazu z. B. Jayme Z H R 142 ( 1 9 7 8 ) 109. Vgl. z. B. Ulmer a a O Anh. nach § 2 Rdn. 15 m. Nachw. i a. A. z. B. Staudinger/Schlosser 52 Rdn. 28, wonach alternativ auf Verhandlungsoder Vertragssprache abzustellen ist.
Claus-Wilhelm Canaris
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20. Abschnitt. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
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Bei Distanzgeschäften wird dagegen häufig eine fremde Verhandlungs- und/oder Vertragssprache verwendet — so z. B. bei Akkreditiveröffnungen und Garantieversprechen englisch. Die Problematik wird hier allerdings dadurch entschärft, daß der ausländische Vertragspartner meist ein Kaufmann ist und 5 2 AGBG somit gemäß § 24 AGBG nicht zur Anwendung kommt (vgl. dazu auch oben Rdn. 2505). Da sich das Ubersetzungserfordernis allenfalls aus dem besonderen Schutzzweck von § 2 I AGBG rechtfertigen läßt und man von Kaufleuten ohne weiteres erwarten kann, daß sie selbst für eine Ubersetzung der einschlägigen AGB sorgen, entstehen insoweit keine Schwierigkeiten. Handelt es sich dagegen ausnahmsweise um ein Geschäft mit einem Nichtkaufmann und darf bei diesem die Kenntnis der deutschen Sprache nicht vorausgesetzt werden, wird die Bank gut daran tun, für eine Ubersetzung ihrer AGB in die Verhandlungssprache oder in eine allgemein gebräuchliche Weltsprache wie englisch zu sorgen. d) Die Problematik der Geltung von AGB zugunsten einer ausländischen Bank
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Größte Zurückhaltung ist hinsichtlich der Geltung der deutschen AGB zugunsten einer ausländischen Bank geboten. Eine „stillschweigende" Einbeziehung der AGB durch das bloße Unterbleiben eines Widerspruchs kommt hier von vornherein nicht in Betracht; denn daß eine ausländische Bank ihren Geschäften die deutschen AGB, also nicht ihre eigenen AGB, sondern die AGB anderer Banken zugrunde legt, ist ganz ungewöhnlich, und daher braucht der Kunde damit auch dann nicht zu rechnen, wenn das Geschäft in Deutschland vorgenommen und/oder abgewickelt wird. Es wird hier daher i. d. R. einer ausdrücklichen Vereinbarung über die Geltung der deutschen AGB bedürfen. Eine Einbeziehung durch schlüssiges Verhalten ist zwar grundsätzlich ebenfalls möglich, doch sind an die Konkludenz hier angesichts der Ungewöhnlichkeit einer solchen Regelung besonders strenge Anforderungen zu stellen. In der bloßen Vereinbarung, daß der Vertrag deutschem Recht unterstehen oder daß ein Rechtsstreit nach deutschem Recht entschieden werden solle, kann jedenfalls keine konkludente Erklärung über die Geltung der deutschen AGB gesehen werden 3 2 . Eine solche Vereinbarung über die maßgebliche Rechtsordnung bezieht sich nämlich lediglich auf die Normen des objektiven Rechts, zu denen die AGB nicht gehören, und umschließt daher nicht die Unterwerfung unter die deutschen AGB.
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Andererseits ist in derartigen Fällen aber auch nicht ohne weiteres die Geltung der eigenen AGB der ausländischen Bank als konkludent vereinbart anzusehen, da diese im Zweifel nur auf die entsprechende ausländische und nicht auf die deutsche Rechtsordnung abgestimmt sind und da der Kunde daher angesichts der Vereinbarung über die Geltung deutschen Rechts nicht mit der Zugrundelegung ausländischer AGB zu rechnen braucht. Der Bank ist daher dringend zu raten, durch einen entsprechenden Hinweis unmißverständlich klarzustellen, welche AGB gelten sollen; anderenfalls läuft sie Gefahr, daß weder ihre eigenen AGB noch die deutschen AGB anwendbar sind oder daß allenfalls das „kleinste gemeinsame Minimum" übereinstimmender und gewissermaßen selbstverständlicher Klauseln als vereinbart gelten kann. III. D i e Geltung der A G B im Verkehr zwischen Banken untereinander 1. Die grundsätzliche Einschlägigkeit der AGB
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Im ersten Satz der AGB heißt es ausdrücklich, daß diese für den Geschäftsverkehr „mit unserer Kundschaft gelten". Man könnte daher Zweifel haben, ob die AGB auch 32 So mit Recht B G H W M 1963, 456, 457.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
III. D i e G e l t u n g der A G B im V e r k e h r z w i s c h e n B a n k e n untereinander
im Verkehr der Banken untereinander zur Anwendung kommen. Gleichwohl wird ihre Anwendbarkeit in Rechtsprechung und Literatur einhellig bejaht 3 3 . In der Tat kann man rein sprachlich durchaus eine Bank als Kunden einer anderen bezeichnen. Außerdem entspricht die Zugrundelegung der AGB im Verhältnis zwischen den Banken auch der Verkehrsanschauung. Demgemäß sind f ü r die Einbeziehung der AGB grundsätzlich die allgemeinen 2 5 1 9 Regeln maßgeblich. Das bedeutet für das Verhältnis zwischen inländischen Banken, daß die Geltung der AGB auch hier weder von ihrer Aushändigung noch von einem Hinweis auf sie abhängt, sondern schon durch das Ausbleiben eines Widerspruchs gegen ihre Zugrundelegung eintritt 34 . Im Verhältnis zwischen einer inländischen und einer ausländischen Bank kommen dagegen die soeben in Rdn. 2502 ff entwickelten Regeln zum Zuge 3 5 . 2. Die Übertragung der Unterscheidung zwischen „Bank" und „Kunden" auf das Verhältnis zwischen zwei Banken a) Die Geltung der AGB nur zugunsten einer der beiden Banken Nicht zu entscheiden ist mit diesen Grundsätzen freilich das Problem, ob die Gel- 2 5 2 0 tung der AGB f ü r und gegen beide Banken oder nur zugunsten einer Bank eintritt und, wenn die Frage im letzteren Sinne zu beantworten ist, zugunsten welcher von beiden Banken die AGB dann anwendbar sind. Auf den ersten Blick mag es naheliegen, im ersteren Sinne zu entscheiden und beide Banken gleichermaßen an die AGB zu binden. Näherer Überprüfung hält diese Ansicht jedoch nicht stand. Dagegen spricht schon, daß es eine Reihe von Klauseln gibt, deren gleichzeitige Anwendung auf beide Banken logisch ausgeschlossen ist. Ein Beispiel bildet Ziff. 8, wonach der Kunde den aus Übermittlungsfehlern und dgl. im telefonischen oder telegrafischen Verkehr entstehenden Schaden trägt. Die Klausel einfach als unanwendbar anzusehen, weil sich die AGB der Banken insoweit wechselseitig aufhöben 3 6 , ist kein befriedigender Ausweg; denn die eine Bank wird sich auf den Standpunkt stellen, sie habe die andere nur als ihre Kundin angesehen und deshalb kämen nur ihre eigenen AGB zur Anwendung, während sie ihrerseits nicht etwa zugleich den AGB der anderen Bank unterliege. Aber auch, wenn rein logisch gesehen an sich die Möglichkeit einer Anwendung der 2 5 2 1 Klausel für und gegen beide Teile besteht, wie z. B. hinsichtlich der Freizeichnungsklausel gemäß Ziff. 10 oder der Klausel über die Sicherheiten gemäß Ziff. 19 AGB, ist eine solche Lösung nicht befriedigend. Auch hier drängt sich nämlich der Einwand auf, daß nur die eine Bank als „Bank" i. S. der AGB, die andere aber als „Kunde" anzusehen sei und daß demgemäß nur die eine sich auf Ziff. 10 bzw. Ziff. 19 AGB berufen kann; denn es ist schwerlich anzunehmen, daß eine Bank bei der Durchführung eines Geschäftes für eine andere Bank dieser eine günstigere Stellung als einem Privatkunden einräumen will, und außerdem wird die gesamte Struktur der AGB so stark von dem Gegensatzpaar „Bank/Kunde" geprägt, daß eine Anwendung der AGB unter Verzicht auf diese Unterscheidung dem Sinn und Zweck der Klauseln nicht gerecht werden könnte. Die AGB gelten daher nicht für und gegen beide Banken in gleicher Weise, sondern vielmehr in der Art, daß nur eine von beiden „Bank" i. S. der AGB ist, die andere dagegen „Kunde" 3 7 . Vgl. B G H Z 49, 167, 172; B G H WM 1971, 987, 988 unter II 2; 1974, 685, 686 unter 3; Koch S. 8 f; Haupt S. 61 f; Pleyer/Battes DB 1971, 1289 ff. 34 Vgl. auch Pleyer/Battes DB 1971, 1290 und 1295.
35 Vgl. auch B G H WM 1971, 987, 988 unter 3; Pleyer/Battes DB 1971, 1294 f. 3« So Haupt S. 62. 37 Vgl. auch Haupt S. 61; Pleyer/Battes DB 1971, 1291 f.
C l a u s - W i l h e l m Canaris
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20. Abschnitt. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
b) Kriterien für die Rollenverteilung „Bank/Kunde" 2522
Folglich muß man Kriterien für die Rollenverteilung „Bank/Kunde" entwickeln. Dabei erscheint es am sachgerechtesten, an das — aus dem IPR stammende (vgl. oben Rdn. 2503) — Merkmal der vertragstypischen Leistung anzuknüpfen 38 . „Bank" ist danach, wer die vertragstypische Leistung erbringt, „Kunde", wer sie entgegennimmt. Vertragstypisch ist dabei die Leistung, die dem Vertrag sein Gepräge gibt. Das aber ist grundsätzlich nicht die Entgeltzahlung, sondern die für diese geschuldete Gegenleistung, also z. B. die Effektenkommission, die Durchführung eines Uberweisungsauftrags oder die Vornahme einer sonstigen Geschäftsbesorgung (vgl. auch oben Rdn. 2503). In dieselbe Richtung tendiert auch der B G H , wenn er grundsätzlich die AGB derjenigen Bank zur Anwendung bringen will, die der anderen Bank ihre Dienste zur Verfügung stellt (vgl. B G H Z 49 167, 172).
2523
Bei bestimmten Verträgen kann die Einordnung allerdings Schwierigkeiten bereiten. So kann man z. B. beim Diskontgeschäft Zweifel daran haben, welches die vertragstypische Leistung ist. Denn nach h. L. handelt es sich hier um einen Kaufvertrag (vgl. oben Rdn. 1531), und da bei diesem grundsätzlich der Verkäufer die vertragstypische Leistung erbringt 39 , müßte der Veräußerer des Wechsels als „Bank" und der Erwerber als „Kunde" angesehen werden. Das wäre aber widersinnig, weil im Verhältnis zwischen einer Bank und einem Privatmann genau umgekehrt der Veräußerer des Wechsels der Kunde und der Erwerber die Bank ist. Folglich muß auch im Verhältnis zwischen zwei Banken — zwischen denen ein Diskontgeschäft ohnehin nur selten vorkommen wird — der Erwerber als Bank und der Veräußerer als Kunde angesehen werden 4 0 . Dogmatisch löst sich der darin liegende scheinbare Widerspruch ohne weiteres auf, wenn man das dem Diskontgeschäft eigene Element der Kreditgewährung beachtet und es dementsprechend als (atypischen) Darlehensvertrag qualifiziert (vgl. oben Rdn. 1532); denn bei Kreditgeschäften ist die Kreditgewährung und nicht die Zinszahlung die „vertragstypische" Leistung 41 .
2524
Demzufolge ist bei Kreditgeschäften zwischen Banken ganz allgemein die kreditgebende Bank als „Bank" i. S. der AGB und die kreditnehmende Bank als „Kunde" anzusehen. Dabei können sich allerdings Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber dem Einlagengeschäft ergeben. Diese lassen sich jedoch i. d. R. sachgerecht lösen, wenn man auf die Rechtsnatur der zugrunde liegenden Verträge zurückgreift. Es kommt also darauf an, ob es sich um ein depositum irreguläre i. S. von § 700 B G B handelt oder ob ein Darlehensvertrag i. S. von § 607 BGB vorliegt; im ersteren Fall ist „vertragstypisch" die Bereithaltung des Guthabens, so daß als „Bank" die Partei anzusehen ist, die das Geld erhalten hat, im zweiten Fall kommt dagegen, wie gesagt, genau umgekehrt die Rolle der Bank derjenigen Partei zu, die das Geld gegeben und dadurch den Kredit gewährt hat. Für die Abgrenzung zwischen depositum irreguläre und Darlehen ist nun aber allein das Kriterium der sofortigen Fälligkeit maßgeblich, wohingegen andere Gesichtspunkte wie das Interesse an der Geldgewährung oder die Initiative zu dieser unerheblich sind (vgl. oben Rdn. 1164 f). Folglich ist bei Guthaben mit sofortiger Fälligkeit, die eine Bank bei einer anderen unterhält, ein depositum irreguläre anzuneh38
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So mit Recht Pleyer/Battes D B 1971, 1291 f; ähnlich i. E. z. B. Zahn Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel 5 S. 15; Schönle § 2 I 1 b (2 a a. E.) = S. 14. Vgl. Kegel Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt S. 223 und 225 f; ihm folgend Pleyer/Battes DB 1971, 1291.
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Ebenso i. E., wenn auch mit anderer Begründung Pleyer/Battes D B 1971, 1292. Vgl. Kegel Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt S. 238.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
IV. Die Geltung der AGB gegenüber Nichtkunden
men, so daß die Schuldnerin des Geldes als „Bank" und die Gläubigerin als „Kunde" anzusehen ist, wohingegen bei nicht sofort fälligen Geldern ein Darlehen zu bejahen und folglich die Rollenverteilung umgekehrt vorzunehmen ist. Andere Kriterien wie z. B. einerseits die Möglichkeit, das Konto für die Abwicklung von Dienstleistungen zu benutzen, oder andererseits die Gewährung von Sicherheiten treten demgegenüber in den Hintergrund 4 2 ; sie dürften allerdings zum selben Ergebnis führen wie die hier vertretene Ansicht und sind daher für deren Absicherung nicht ohne Wert. Bei Auskünften zwischen Banken ist als prägende Leistung die Erteilung der Aus- 2 5 2 5 kunft anzusehen, so daß die Rolle der „Bank" der auskunftgebenden Bank und die Rolle des „Kunden" der auskunftsuchenden Bank zukommt. Also sind die AGB grundsätzlich zugunsten der ersteren anwendbar; ob das auch für Ziff. 10 AGB zutrifft, hat mit der hier erörterten Problematik der allgemeinen Geltung der AGB nichts zu tun, sondern ist ein Problem des speziellen Geltungsbereichs und der Auslegung von Ziff. 10 AGB (vgl. dazu unten Rdn. 2616). Lassen sich keine sachgerechten Gesichtspunkte ermitteln, um der einen Bank die 2 5 2 6 Funktion der „Bank" und der anderen die des „Kunden" zuzuweisen, so wird man aus einem derartigen Scheitern der Rollenverteilung schließen müssen, daß die AGB überhaupt unanwendbar sind. IV. D i e Geltung der A G B gegenüber Nichtkunden 1. Besonderheiten bezüglich der Einbeziehungsvereinbarung Nach Satz 1 der Einleitung zu den AGB gelten diese für den Geschäftsverkehr mit 2 5 2 7 der „Kundschaft". Daraus kann jedoch keinesfalls geschlossen werden, daß die AGB gegenüber Nichtkunden niemals zur Anwendung kommen könnten. Vielmehr besteht grundsätzlich durchaus die Möglichkeit der Geltung der AGB gegenüber Nichtkunden. Diese ist jedoch ungewöhnlich und hängt daher von strengeren Voraussetzungen ab als die Anerkennung der AGB durch Kunden. Vor allem kann hier grundsätzlich (vgl. aber auch unten Rdn. 2530) die Regel keine Anwendung finden, daß schon das Unterbleiben eines Widerspruchs gegen die Zugrundelegung der AGB deren Geltung zur Folge hat; denn anders als im Verhältnis zu Kunden ist gegenüber Nichtkunden die Verwendung der AGB keineswegs ohne weiteres verkehrsüblich, und daher paßt hier die für die „stillschweigende" Anerkennung der AGB durch Kunden vorgetragene Argumentation nicht (vgl. dazu oben Rdn. 2493 a. E.). Das gilt auch dann, wenn der Nichtkunde zugleich Kunde bei einer anderen Bank ist und diese ihren Verträgen dieselben AGB zugrunde legt oder wenn der andere Teil sogar selbst Kunde der Bank ist, ihr aber nicht in dieser Eigenschaft, sondern wie ein Dritter — also z. B. als Bürge — gegenübertritt. In derartigen Fällen braucht der Kunde nämlich nicht ohne weiteres mit der Geltung der AGB zu rechnen, sondern kann zumindest einen entsprechenden Hinweis der Bank erwarten. Im übrigen gelten die allgemeinen Regeln. Es steht daher den Parteien selbstver- 2 5 2 8 ständlich frei, die Geltung der AGB durch ausdrückliche Erklärung zu vereinbaren. Darüber hinaus kann dies nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre auch durch konkludentes Verhalten geschehen. So ist es z. B. durchaus denkbar, daß schon ein Hinweis der Bank auf ihre AGB für die Bejahung einer konkludenten Einbeziehungserklärung genügt, wenn der andere Teil nicht widerspricht. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Verwendung der AGB im Verkehr mit Nichtkunden unge42
A. A. Pleyer/Battes
DB 1971, 1294.
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20. Abschnitt. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
wohnlich ist und daß der W o r t l a u t von Satz 1 der AGB deren Anwendungsbereich an sich auf die „ K u n d s c h a f t " beschränkt. Folglich sind an die K o n k l u d e n z des Verhaltens des Nichtkunden besonders scharfe A n f o r d e r u n g e n zu stellen. Letztlich sind aber wie bei allen Problemen der „Schlüssigkeit" eines Verhaltens stets die U m s t ä n d e des Einzelfalles maßgeblich. 2. Einzelfälle
2529
V o n besonderer praktischer Bedeutung ist die Frage nach der Geltung der A G B gegenüber einem Sicherungsgeber, der nicht K u n d e der sicherungsnehmenden Bank ist. Die A G B sind in einem solchen Fall grundsätzlich u n a n w e n d b a r 4 3 . D e n n der Sicherungsgeber wird allein durch die Bestellung der Sicherheit noch nicht z u m K u n d e n der Bank i. S. der AGB. Außerdem darf er mangels eines gegenteiligen Hinweises g r u n d sätzlich davon ausgehen, daß sich sein Rechtsverhältnis zu der Bank nur nach dem mit ihm abgeschlossenen Sicherungsvertrag und dem ergänzenden Gesetzesrecht, nicht aber nach den A G B und schon gar nicht nach den außerordentlich weit gefaßten Klauseln der Ziff. 19—22 richtet 4 4 . Die Bank muß daher entsprechend den soeben in Rdn. 2528 entwickelten Grundsätzen besondere M a ß n a h m e n ergreifen, w e n n sie die Geltung ihrer AGB herbeiführen will. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Sicherungsgeber bereits ihr K u n d e ist, die Sicherheit jedoch nicht f ü r eine eigene Schuld, sondern f ü r die eines anderen Kunden bestellt; denn insoweit tritt er der Bank nicht in seiner Eigenschaft als Kunde, sondern wie ein gewöhnlicher Dritter gegenüber und darf daher grundsätzlich erwarten, daß er dann auch dieselbe Rechtsstellung wie ein solcher hat. Ebensowenig erfassen die A G B den Sicherungsvertrag, w e n n der Sicherungsgeber nachträglich z u m Kunden der Bank wird. W o h l aber kann sich das A G B - P f a n d r e c h t reflexartig auch zu Lasten eines Sicherungsgebers auswirken und dessen Herausgabeanspruch nach § 986 I 1 BGB ausschließen, wenn dieser die Sicherheit z w a r nur f ü r eine bestimmte Schuld bestellt hat, der Sicherungsnehmer den Sicherungsgegenstand jedoch befugtermaßen in einer Weise der Bank überlassen hat, die das Pfandrecht nach Ziff. 19 II A G B auch f ü r andere Schulden zur Entstehung bringt 4 5 . Das gilt jedenfalls f ü r Wechsel und Schecks, aus denen der K u n d e der Bank verhaftet ist. Eine wertpapierrechtliche H a f t u n g des Sicherungsgebers f ü r die andere Schuld wird dabei nicht begründet, da sich seine Einstandspflicht lediglich nach der Sicherungsabrede und nicht nach Ziff. 19 AGB richtet. N u r sein Herausgabeanspruch kann also betroffen sein, doch wirkt das P f a n d r e c h t grundsätzlich wohl auch diesem gegenüber nicht, wenn der Sicherungsgeber seinerseits aus dem Papier gegen den Drittschuldner vorgehen kann.
2530
In bestimmten Ausnahmefällen gelten die A G B gegenüber Nichtkunden unter denselben Voraussetzungen wie gegenüber K u n d e n , d. h. o h n e einen besonderen Hinweis der Bank allein auf G r u n d des Ausbleibens eines Widerspruchs von Seiten des anderen Teils. Das trifft vor allem f ü r die Freizeichnungsklausel gemäß Ziff. 10 A G B bei Auskünften gegenüber Nichtkunden z u 4 6 (vgl. dazu im übrigen näher oben Rdn. 32 und 95). D e r sachliche G r u n d hierfür liegt darin, daß die Bank gegenüber K u n d e n Ausk ü n f t e grundsätzlich nur unter Zugrundelegung ihrer A G B und der darin enthaltenen Freizeichnungsklausel zu erteilen pflegt und der N i c h t k u n d e keine bessere Stellung als
« Vgl. auch B G H W M 1976, 347, 348; O L G F r a n k f u r t W M 1973, 1150, 1151; Liesecke W M 1969, 555 . 44 Vgl. im übrigen auch B G H W M 1964, 813.
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45 Vgl. B G H W M 1976, 347, 348, w o freilich Ziff. 19 IV a. F. A G B noch galt. 46 Vgl. B G H W M 1970, 632; 1972, 583; 1973, 636; Dunz N J W 1959, 1229.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
V . D e r Geltungsbereich der AGB in gegenständlicher Hinsicht
der Kunde erwarten kann. Demgemäß wird man ebenso wie bei Auskünften an einen Nichtkunden ganz allgemein dann entscheiden müssen, wenn die Bank eine bankmäßige Dienstleistung an einen Nichtkunden erbringt, die sie gegenüber einem Kunden nur auf der Grundlage ihrer AGB vornehmen würde.
V. Der Geltungsbereich der AGB in gegenständlicher Hinsicht Nach Satz 1 der Einleitung zu den AGB beschränkt sich deren Geltung in gegen- 2 5 3 1 ständlicher Hinsicht auf den Geschäftsverkehr. Die AGB sind daher grundsätzlich nur auf solche Geschäfte anzuwenden, die die Bank gerade in ihrer Eigenschaft als Bank vornimmt — mag es sich dabei auch nicht um spezifische Bankgeschäfte i. S. des Bankrechts, sondern um atypische Geschäfte handeln. Nimmt die Bank dagegen wie ein gewöhnlicher Dritter am Geschäftsleben teil, so sind die AGB unanwendbar, es sei denn, ihre Geltung ist besonders vereinbart worden. Vermietet z. B. eine Bank ein Haus oder kauft sie ein Geschäftsgrundstück, so gelten hierfür die AGB nicht (vgl. auch RG J W 1936 2093). Im übrigen wird in derartigen Fällen die Geltung der AGB in aller Regel auch schon daran scheitern, daß der andere Teil ein Nichtkunde ist (vgl. dazu oben Rdn. 2527 ff).
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1281
21. Abschnitt Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken ( F a s s u n g v o m 1. April 1 9 7 7 ) Systematische
I. Allgemeines II. H a n d e l in W e r t p a p i e r e n , D e v i s e n Sorten
Rdn. 2532 und 2729
Übersicht Rdn. III. V e r w a h r u n g s g e s c h ä f t 2734 IV. E i n z u g s - u n d D i s k o n t g e s c h ä f t , W e c h s e l und Scheckverkehr 2735
Übersicht A b ä n d e r u n g eines A u f t r a g s 2574 f Absendung 2546 f Abtretungsverbot 2746 Ä n d e r u n g d e r A G B 2728 A n z e i g e p f l i c h t 2540, 2 5 7 7 Aufhebung der Geschäftsverbindung oder h u n g 2645 ff A u f k l ä r u n g s p f l i c h t 2 6 1 7 f, 2619 A u f r e c h n u n g s v e r b o t 2550 ff A u s k u n f t 2588 ff Ausländer 2720 f A u s l a g e n 2632 Befugnis z u r Gutschrift 2563 B e r a t u n g s p f l i c h t beim E f f e k t e n g e s c h ä f t 2 6 1 3 Bestätigung einer A u s k u n f t 2590 ff eines A u f t r a g s 2574 f B e s t ä t i g u n g s s c h r e i b e n , k a u f m ä n n i s c h e s 2638 B ü r g s c h a f t 2 6 2 3 ff, 2648 D a u e r a u f t r a g 2567 D e p o t g e s c h ä f t 2734 Devisen 2729, 2733 D i s k o n t 2647, 2 7 3 5 ff E f f e k t e n 2729 E f f e k t e n g e s c h ä f t 2613 Effektivklausel 2558 E i g e n h a n d e l 2732 E i g e n t u m s v o r b e h a l t , v e r l ä n g e r t e r 2744 E i n l a g e n s i c h e r u n g s f o n d s 2722 ff E i n w e n d u n g e n des K u n d e n 2635 ff E r f ü l l u n g s g e h i l f e n 2585 f, 2602, 2 7 1 7 Erfüllungsort 2719 f Fälschung 2773 Fehlleitung 2 5 7 7 f
G a r a n t i e 2 6 2 3 ff, 2648 G e b ü h r 2631 Gemeinschaftsdepot 2557 G e m e i n s c h a f t s k o n t o 2557 G e r i c h t s s t a n d 2719 f -bezie-
G e s c h ä f t s b e z i e h u n g , A u f h e b u n g d e r 2 6 4 5 ff G e s c h ä f t s e i n r i c h t u n g e n 2533 G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t 2572, 2711 ff G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g , A u f h e b u n g d e r 2 6 4 5 ff G e w ä h r l e i s t u n g s v e r p f l i c h t u n g 2623 ff Gutgläubiger Erwerb des P f a n d r e c h t s 2665 ff v o n W e c h s e l n u n d S c h e c k s 2741 H a f t u n g s a u s s c h l u ß 2 5 7 7 f, 2 5 9 5 ff, 2 6 1 7 , 2 7 1 7 f H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g 2610 ff H i n w e i s p f l i c h t des K u n d e n 2 5 7 7 f I d e n t i t ä t s r i s i k o 2572 I n t e r n a t i o n a l e s P r i v a t r e c h t 2721 I r r t u m 2681 ff K a r d i n a l p f l i c h t 2569, 2613, 2748 Kausalforderung 2743 Konkursverwalter 2716 K o n t o a u s z u g 2642 f K o n t o k o r r e n t 2 5 5 5 f, 2630 K o n t o n u m m e r 2566 K o n t o ü b e r z i e h u n g 2633 K r e d i t a u s k u n f t 2590 ff L a s t s c h r i f t v e r f a h r e n 2641 L e i t e n d e r Angestellter 2 6 0 3 ff M i ß v e r s t ä n d n i s 2581 ff M i t t e i l u n g s p f l i c h t des K u n d e n 2644 N e b e n k o s t e n 2632
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken N i c h t k u n d e 2616
T o d des K u n d e n 2714 ff
O d e r - K o n t o 2557 O r g a n 2603
Ü b e r m i t t l u n g s f e h l e r 2581 ff Ü b e r z i e h u n g s p r o v i s i o n 2633 U n d - K o n t o 2557 Unterlassung von Auskunft und Rat 2617 f U r k u n d e 2569, 2 7 1 5 U r k u n d e n e c h t e S c h r e i b s t o f f e 2548 f
P f a n d r e c h t 2652 ff P f l e g e r 2716 P r o v i s i o n 2631 P r ü f u n g s p f l i c h t 2 5 6 9 , 2635 Raterteilung 2617 f R e c h n u n g s a b s c h l u ß 2630, 2635 f f , 2642 R e c h t s w a h l 2721 S a l d o m i t t e i l u n g 2640 S a l v a t o r i s c h e K l a u s e l n 2595 ff S c h e c k 2 7 3 5 ff S c h r e i b s t o f f e 2548 f S c h r i f t f o r m e r f o r d e r n i s i. S. v. 5 127 B G B 2620 S c h w e i g e n des K u n d e n als G e n e h m i g u n g 2 6 3 5 ff S i c h e r h e i t e n d e r B a n k 2695 ff, 2 7 0 0 ff, s. a u c h Pfandrecht, Zurückbehaltungsrecht S o n d e r b e d i n g u n g e n 2727 Sorgfaltspflicht der Bank 2535 S t o r n o r e c h t 2565 S u b s t i t u t i o n 2585 ff T a g e s a u s z u g 2642 f T e l e g r a m m 2581 ff T e l e p h o n 2581 ff T e r m i n g e b u n d e n e r A u f t r a g 2567
V e r f ü g u n g s b e f u g n i s 2 5 3 7 ff, 2572 V e r l ä n g e r t e r E i g e n t u m s v o r b e h a l t 2744 V e r s e n d u n g s g e f a h r 2621 V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s 2532, 2616 V e r t r e t u n g s b e f u g n i s 2 5 3 7 ff, 2572 V e r w a h r u n g s g e s c h ä f t 2734 Verwaltungspflichten 2619 V e r w e r t u n g v o n S i c h e r h e i t e n 2700 ff V e r z ö g e r u n g 2567, 2 5 7 7 f V o r m u n d 2716 Vorteilserlangung und Freizeichnungsklausel 2 6 0 6 ff, 2611 W ä h r u n g s k r e d i t 2558 ff W a r n p f l i c h t 2 6 1 7 f, 2619 W e c h s e l 2647, 2 7 3 5 ff, 2749 W e r t p a p i e r a u f s t e l l u n g 2 6 3 5 ff W e r t p a p i e r e 2729 W i e d e r h o l u n g eines A u f t r a g s 2574 f Zins 2631 Z u g a n g 2533, 2542 ff, 2 6 3 7 Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t 2554, 2692 ff
Die nachstehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten für unseren Geschäftsverkehr mit unserer Kundschaft. Jeder Kunde kann diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen während der Geschäftsstunden bei der kontoführenden Stelle einsehen, wo sie im Schalterraum aushängen oder ausgelegt sind; außerdem kann jeder Kunde die Aushändigung dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen an sich verlangen. I. Allgemeines Das Geschäftsverhältnis zwischen Kunden und Bank ist ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis. Die Bank steht ihren Kunden mit ihren Geschäftseinrichtungen zur Erledigung verschiedenartigster Aufträge zur Verfügung. Der Kunde darf sich darauf verlassen, daß die Bank seine Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes erledigt und dabei das Interesse des Kunden wahrt, soweit sie dazu im Einzelfall imstande ist. Die Mannigfaltigkeit der Geschäftsvorfälle, ihre große Zahl und die Schnelligkeit, mit der sie zumeist erledigt werden müssen, machen im Interesse der Rechtssicherheit die Aufstellung bestimmter allgemeiner Regeln erforderlich.
2532
Die Einleitung zu den allgemeinen, d. h. grundsätzlich für Geschäfte aller Art geltenden Bestimmungen der AGB hat in erster Linie deklaratorischen und erläuternden Charakter. Das gilt schon für den Satz 1, wonach das Geschäftsverhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden ein Vertrauensverhältnis darstellt. Damit wird der Charakter der Geschäftsverbindung zutreffend umschrieben. In der Tat begründet die Geschäftsverbindung nämlich ein „Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht", das die Grundlage einer gesetzlichen Vertrauenshaftung darstellt (vgl. eingehend oben 1284
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
I. Allgemeines Rdn. 12 ff) und aus dem eine Fülle von Pflichten der Bank gegenüber dem Kunden entspringt wie z. B. die Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses (vgl. oben Rdn. 42), die Pflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte (vgl. oben Rdn. 78) und die Beratungsund Warnpflicht (vgl. oben Rdn. 100 ff). Deklaratorischen und lediglich programmatischen Charakter hat auch Satz 2 über 2 5 3 3 die Zurverfügungstellung der Geschäftseinrichtungen. Ein rechtsgeschäftlich begründeter Kontrahierungszwang zu Lasten der Bank ist darin nicht zu sehen. Vielmehr ist sowohl aus der vorsichtigen Formulierung, wonach die Bank lediglich ihre Einrichtungen „zur Verfügung stellt", nicht aber eine „Verpflichtung" eingeht, als auch aus der systematischen Stellung dieses Satzes zwischen anderen Bestimmungen rein deklaratorischen Charakters zu entnehmen, daß es sich lediglich um eine invitatio ad offerendum an den Kunden handelt und daß die Bank grundsätzlich frei bleibt in ihrer Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des von dem Kunden gemachten Angebots (vgl. oben Rdn. 8 f). Das gilt nicht nur für Geschäfte mit Kreditcharakter, sondern auch für sogenannte „neutrale" Geschäfte (vgl. eingehend oben Rdn. 6 f). Allerdings wird die Bank gemäß § 362 H G B gebunden, wenn sie ein Angebot des 2 5 3 4 Kunden nicht unverzüglich ablehnt. Darüber hinaus kann sogar eine Pflicht zur Annahme des Angebots des Kunden bestehen, wenn dessen Ablehnung gegen § 242 BGB verstoßen würde. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der neu abzuschließende Vertrag in engstem sachlichem Zusammenhang mit einem schon bestehenden Vertrag steht, weshalb die Bank z. B. einem Girokunden nicht ohne sachlichen Grund die Aushändigung eines Scheckhefts verweigern darf; es kann weiterhin der Fall sein, wenn die Bank durch ihr früheres Verhalten in dem Kunden das berechtigte Vertrauen erweckt hat, sie werde das betreffende Geschäft übernehmen, und nun durch die Ablehnung des Vertragsschlusses gegen das Verbot des venire contra factum proprium verstieße (vgl. z. B. oben Rdn. 1272); es kann schließlich ganz allgemein bei einer durch keinen Sachgrund gerechtfertigten, offenkundig willkürlichen Zurückweisung eines Angebots der Fall sein — wenngleich die Bank nicht etwa eine Pflicht zur Gleichbehandlung aller ihrer Kunden hat (vgl. oben Rdn. 121). Auch mit Satz 3, wonach der Kunde sich darauf verlassen darf, daß die Bank die 2 5 3 5 Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns walten läßt und dabei das Interesse des Kunden wahrt, wird keine eigenständige Rechtsfolge in Geltung gesetzt, sondern nur wiederholt, was ohnehin rechtens ist. Denn die Pflicht zur Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ergibt sich schon aus § 347 I H G B (vgl. auch B G H W M 1970 710, 711 vor 4) und die Pflicht zur Interessenwahrung ist selbstverständlicher Bestandteil der von der Bank abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsverträge. Aus der Bestimmung kann daher nicht geschlossen werden, daß etwaige gesetzliche Haftungsmilderungen abbedungen sein sollen; insoweit hat es vielmehr bei § 347 II H G B sein Bewenden, wonach solche Vorschriften unberührt bleiben. Auch wenn Satz 3 somit keine konstitutive Bedeutung hat, so ist er doch immerhin als Auslegungshilfe wertvoll. Mit der ausdrücklichen Betonung der Sorgfalts- und Interessenwahrungspflicht und dem zusätzlichen Hinweis, daß der Kunde sich auf diese „verlassen" könne, wäre nämlich eine umfassende Freizeichnung der Bank unvereinbar, und daher bildet Satz 3 ein wesentliches Element für die einschränkende Interpretation von Freizeichnungsklauseln und die Ansicht, daß diese im Zweifel nur eine Risikoabwälzung, nicht aber auch den Ausschluß einer etwaigen Verschuldenshaftung der Bank bezwecken (vgl. auch Liesecke W M 1970 503 sowie z. B. unten Rdn. 2581 und 2622). Satz 4 soll offenbar in erster Linie bei dem Kunden um Verständnis für die Notwen- 2 5 3 6 digkeit und Verbindlichkeit der AGB werben. Konstitutive Bedeutung hat er ebensoClaus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. D i e Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
wenig wie die vorhergehenden Sätze; denn um die Verbindlichkeit der AGB zu begründen, ist er weder ausreichend noch auch nur erforderlich. 1.(1) Die der Bank bekanntgegebenen Vertretungs- oder Verfügungsbefugnisse gelten bis zum schriftlichen Widerruf, es sei denn, daß der Bank eine Änderung infolge groben Verschuldens unbekannt geblieben ist. Änderungen der Vertretungs- oder Verfügungsbefugnisse, die in ein Handels- oder Genossenschaftsregister einzutragen sind, gelten jedoch stets erst mit schriftlicher Bekanntgabe an die Bank. Der Kunde hat alle für die Geschäftsverbindung wesentlichen Tatsachen, insbesondere Änderungen seines Namens, seiner Verfügungsfähigkeit (z. B. Eintritt der Volljährigkeit) und seiner Anschrift unverzüglich schriftlich anzuzeigen. (2) Schriftliche Mitteilungen der Bank gelten nach dem gewöhnlichen Postlauf als zugegangen, wenn sie an die letzte der Bank bekannt gewordene Anschrift abgesandt worden sind. Dies gilt nicht, wenn es sich um eine Erklärung von besonderer Bedeutung handelt oder wenn eine schriftliche Mitteilung als unzustellbar an die Bank zurückgelangt und die Unzustellbarkeit vom Kunden nicht zu vertreten ist oder wenn die Bank erkennt, daß die Mitteilung aufgrund einer allgemeinen Störung des Postbetriebes dem Kunden nicht zugegangen ist. Die Absendung wird vermutet, wenn sich ein abgezeichneter Durchschlag der Mitteilung im Besitz der Bank befindet oder wenn sich die Absendung aus einem abgezeichneten Versandvermerk oder einer abgezeichneten Versandliste ergibt. (3) Der Bank zugehende Schriftstücke — insbesondere Wechsel und Schecks — sollen mit urkundenechten Schreibstoffen hergestellt und unterzeichnet sein. Die Bank ist nicht verpflichtet zu prüfen, ob urkundenechte Schreibstoffe verwendet worden sind. Für Schäden, die durch Verwendung nicht urkundenechter Schreibstoffe verursacht worden sind, haftet der Einreicher des Schriftstückes; bei einer etwaigen Mitverursachung haftet die Bank nur für grobes Verschulden. I. Die Fortgeltung der Vertretungs- und Verfügungsbefugnisse gemäß Ziff. 1 I 1 2537 Für die Vertretungs- und Verfügungsmacht gelten im Bankrecht grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften und Regeln (vgl. eingehend oben Rdn. 164 ff). Abs. I S. 1 macht von diesen in mehrfacher Hinsicht Ausnahmen. So enthält er zunächst eine Abänderung der §§ 170, 171 II BGB, weil nur ein schriftlicher Widerruf Geltung haben soll; nach dem BGB hätte dagegen trotz schriftlicher Erteilung der Vollmacht auch ein mündlicher Widerruf Wirksamkeit, da sich das Erfordernis des § 171 II BGB, der Widerruf müsse „in derselben Weise" wie die Erteilung der Vollmacht erfolgen, nach dem Zusammenhang dieser Vorschrift mit § 171 I BGB nur auf die Person des Widerrufsadressaten, nicht aber auch auf die Form des Widerrufs bezieht. Daß gegenüber der Bank nur ein schriftlicher Widerruf genügen soll, ist vernünftig und rechtlich nicht zu beanstanden. Denn bei einer mündlichen Erklärung kann es leicht zu Streitigkeiten und Beweisschwierigkeiten kommen; auch wäre die mündliche Erklärung schon durch die Abgabe gegenüber einem beliebigen Empfangsvertreter der Bank i. S. des § 164 III BGB zugegangen, ohne daß dadurch ohne weiteres eine Weiterleitung an die zuständige Stelle wie z. B. die kontoführende Person gewährleistet wäre. 2538
Was den guten Glauben und somit das Verhältnis zu § 173 B G B angeht, so regelt die Klausel in ihrer heutigen Fassung diese Frage unmißverständlich dahin, daß der Bank grobe Fahrlässigkeit schadet. Damit ist ein Problem, das früher beträchtliche Schwierigkeiten bereitete (vgl. Erstbearbeitung Anm. 1237), beseitigt. Daß die Grenze bei grober Fahrlässigkeit gezogen wird, obwohl nach h. L. gemäß § 173 BGB schon 1286
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Ziff. 1 A G B
leichte Fahrlässigkeit schaden würde, erweckt um so weniger Bedenken, als die Auslegung der h. L. wegen ihrer Verkehrsfeindlichkeit ohnehin nicht sachgerecht ist 1 . Abs. 1 S. 2 enthält eine Abdingung der §§ 15 II H G B , 29 I I G e n G . D e n n im G e g e n - 2 5 3 9 satz zu diesen Vorschriften soll es nicht genügen, daß die Änderung der Zeichnungsbefugnis in einem öffentlichen Register eingetragen ist, sondern es soll auch in diesem Falle ein schriftlicher W i d e r r u f gegenüber der B a n k nötig sein. Auch insoweit ist die Rechtswirksamkeit der Klausel zu bejahen 2 . D a ß die betreffenden Vorschriften überhaupt abdingbar sind, steht außer Zweifel, weil sie nicht Interessen der Allgemeinheit oder Dritter, sondern nur Interessen des Vertretenen schützen sollen. D a ß die R e g e lung der Ziff. 1 I 1 A G B nicht unbillig ist und nicht gegen § 9 A G B G verstößt, folgt aus den Besonderheiten der Interessenlage. Die Bank steht dem Vertretenen nämlich nicht wie ein beliebiger Dritter gegenüber, sondern ist mit ihm durch eine besondere Geschäftsbeziehung verbunden. N u r bei solchen Dritten, denen der Vertretene wegen ihrer großen Zahl oder wegen Unkenntnis ihrer Anschrift keine besondere Widerrufserklärung zukommen lassen kann, ist aber die Möglichkeit eines „öffentlichen" W i d e r rufs durch Eintragung in das Handelsregister unerläßlich, wohingegen bei Bestehen einer Geschäftsbeziehung das Erfordernis einer besonderen Widerrufserklärung keine unbillige Belastung für den Vertretenen darstellt, zumal die Klausel nur Kaufleute betrifft; jedenfalls ist die in dieser Regelung liegende Belastung weit geringer als das Ansinnen an die B a n k , ständig alle ihre Kundschaft betreffenden Änderungen in öffentlichen Registern zu überwachen.
II. Die Anzeigepflichten gemäß Ziff. 1 I 3 Die Pflicht zur Anzeige von Änderungen des Namens, der Verfügungsfähigkeit und 2 5 4 0 der Anschrift stellt grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit dar, die schon durch T r e u und Glauben sowie auch durch das Eigeninteresse des Kunden geboten ist. Als schriftliche Anzeige ist dabei eine Erklärung nur dann anzusehen, wenn sie eine entsprechende Mitteilung über die fragliche T a t s a c h e enthält; es genügt also z. B. nicht, daß der Kunde seine neue Adresse oder seinen neuen Namen lediglich auf dem Absender eines Schreibens oder auf dem K o p f eines Briefbogens verwendet, ohne auf die Änderung besonders hinzuweisen. Als Sanktion bei einem V e r s t o ß gegen Ziff. 1 1 2 k o m m t in erster Linie ein Scha- 2 5 4 1 densersatzanspruch wegen positiver Forderungsverletzung in Betracht; dabei hat der Kunde die B a n k gemäß § 2 4 9 B G B so zu stellen, als hätte er die Anzeige unverzüglich vorgenommen. Außerdem kann das Unterbleiben der Anzeige als Obliegenheitsverletzung im Rahmen des § 2 5 4 B G B von Bedeutung sein. Schließlich ist auch an die M ö g lichkeit einer Arglisteinrede der B a n k gemäß § 242 B G B zu denken, die anders als ein Schadensersatzanspruch nicht unbedingt ein Verschulden des Kunden voraussetzt.
III. Die Zugangsregelung gemäß Ziff. 1 II Ziff. 1 II 1 enthält in mehreren Punkten eine Abänderung von § 130 B G B . D a s gilt 2 5 4 2 zunächst für den Zeitpunkt des Zugangs. Denn als solcher soll nicht der Augenblick ' Vgl. Flume Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. IP, §50, 3 = S. 844 f; Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 505 f. 2 Vgl. schon Haupt Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der deutschen Banken, 1937, S. 100 ff; Wmckler BankArch. 1928, 158 f; zur Rechtslage
nach Erlaß des AGBG i. E. ebenso Kumpel WM 1977, 696; Rehbein DB 1977, 1349; Lwowski Die Bank 1978, 124 f; Graf von Westphalen WM 1980, 1406; Staudinger/Schlosser$9 AGBG Rdn. 69; a. A. Ulmer/Brandner/Hensen3 Anh. nach 0 9 - 1 1 AGBG Rdn. 152.
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
anzusehen sein, in dem das Schreiben wirklich zugegangen ist, sondern der Augenblick, in dem es nach dem gewöhnlichen Postlauf zugegangen wäre. Damit wird dem Kunden entgegen der Regelung des § 130 BGB das Risiko einer Verzögerung während der Ubersendung aufgebürdet. Weiterhin weicht Ziff. 1 II 1 von § 130 BGB auch hinsichtlich der Tatsache des Zugangs ab. Denn der Zugang soll schon daraus zu folgern sein, daß das Schreiben abgesandt worden ist. Diese Regelung wird noch weiter zum Nachteil des Kunden verschärft durch die Bestimmung des Satz 3, wonach die Absendung unter bestimmten Voraussetzungen vermutet wird. Schließlich enthält Ziff. 1 II 1 auch noch insofern eine Besonderheit, als die Absendung nicht unbedingt an die wirkliche Adresse erfolgen muß, sondern nur an die letzte der Bank bekanntgewordene Anschrift. 2543
Das Verständnis der Regelung erschließt sich indessen sowohl in praktischer als auch in dogmatischer Hinsicht nur dann vollständig, wenn man zugleich die in S. 2 enthaltenen Ausnahmen mit in den Blick nimmt. Unanwendbar ist die Klausel danach zunächst für Erklärungen von besonderer Bedeutung. Damit soll dem Klauselverbot von § 10 Nr. 6 AGBG Rechnung getragen werden; die Ausnahme gilt jedoch nicht nur im Anwendungsbereich dieser Vorschrift, sondern betrifft nach ihrem unmißverständlichen Wortlaut auch den Verkehr mit Kaufleuten unabhängig davon, ob der Rechtsgedanke von § 10 Nr. 6 AGBG auf dem Umweg über § 9 AGBG auch für diesen zum Zuge kommt oder nicht. Als Erklärung von besonderer Bedeutung dürften alle Erklärungen anzusehen sein, die die Rechtslage konstitutiv ändern wie z. B. eine Kreditkündigung oder die Aufhebung der Geschäftsverbindung nach Ziff. 17 AGB, nicht dagegen Erklärungen, die allenfalls die Beweislast umkehren wie Kontoauszüge, Effektenkommissionsanzeigen, Rechnungs- und Depotabschlüsse und dgl. 3 ; denn § 10 Nr. 6 muß im Lichte von § 9 AGB, um dessen tatbestandliche Konkretisierung es geht, interpretiert werden, und daher kann nicht angenommen werden, daß die Klausel die Banken bei der Fülle routinemäßiger Anzeigen mit bloßer Beweislastumkehr vor die Alternative zwischen Beweisnot und — nach § 242 BGB wohl überdies nicht einmal zulässiger — Versendung per Einschreiben gegen Rückschein stellen will.
2544
Weitere Ausnahmen von der Zugangsregelung der S. 1 enthält S. 2 f ü r den Fall der Unzustellbarkeit, sofern das Schreiben als unzustellbar an die Bank zurückgelangt und die Unzustellbarkeit vom Kunden nicht zu vertreten ist, und für den Fall einer allgemeinen Störung des Postbetriebs, sofern die Bank erkennt, daß die Mitteilung aus diesem Grund dem Kunden nicht zugegangen ist.
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Berücksichtigt man diese Einschränkungen, so bestehen gegen die Gültigkeit der Zugangsregelung von Ziff. 1 II S. 1 AGB trotz der Abweichung von § 130 BGB keine Bedenken 4 . Das dürfte sich schon aus dem Umkehrschluß zu § 10 Nr. 6 AGBG ergeben, und folgt jedenfalls daraus, daß die Klausel weitere Einschränkungen enthält, die sie vollends entschärfen. Demgemäß ist es auch nicht mehr erforderlich, die Klausel als bloße Beweislastumkehr statt als Fiktion zu interpretieren (so Erstbearbeitung Anm. 1240 zur früheren Fassung).
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Nicht zu beanstanden ist insbesondere auch, daß der Zugang auch bei Absendung an die letzte der Bank bekannt gewordene und also u. U. falsche Anschrift als eingetre3
Ebenso Kumpel W M 1977, 703; Lwowski Die Bank 1978, 190 f; Graf von Westphalen WM 1980, 1407 f; a. A. f ü r Rechnungsabschlüsse und Wertpapieraufstellungen Brandner aO 5 10 N r . 6 Rdn. 8 und Staudinger/Schlosser § 10 N r . 6
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4
Rdn. 6; f ü r Saldomitteilungen M ü n c h K o m m . Kötz § 10 Rdn. 32. Ebenso i. E. Graf von Westphalen W M 1980, 1407; Staudinger/Schlosser § 10 N r . 6 Rdn. 7.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 1 A G B
ten gilt. Denn zum einen sorgt insoweit die Einschränkung bei nichtzuvertretender Unzustellbarkeit f ü r die Verhinderung etwaiger Unbilligkeiten, und zum anderen ist es grundsätzlich Sache des Kunden, der Bank rechtzeitig seine neue Adresse anzugeben, zumal er in Ziff. 1 1 3 AGB darauf auch noch ausdrücklich hingewiesen wird. Im übrigen hat die Klausel eine gewisse gesetzliche Parallele in § 10 W G , woraus sich ohne weiteres ihre Zulässigkeit ergibt. Was die Formulierung „die letzte der Bank bekanntgewordene Anschrift" angeht, so ist insoweit allerdings eine gewisse interpretatorische Klarstellung erforderlich. Nicht gemeint sein kann damit nämlich vernünftigerweise der Fall, in dem ein unzuständiger Dritter der Bank eine falsche Adresse bekanntgegeben hat; und nicht gemeint sein kann ferner der Fall, in dem die Anzeige über den Adressenwechsel der Bank bereits zugegangen ist, diese davon aber aus in ihrem Risikobereich liegenden Gründen noch keine Kenntnis genommen hatte. Die Vermutung der Absendung nach Abs. II Satz 3 dürfte als rechtsgeschäftliche 2 5 4 7 Typisierung des prima-facie-Beweises anzusehen sein 5 . In diesem Sinne ist sie daher zu interpretieren. Das bedeutet, daß der Kunde lediglich triftige Gegengründe vorzubringen, nicht aber den vollen Gegenbeweis zu führen braucht. Er kann daher z. B. Anhaltspunkte dafür vortragen, daß der „abgezeichnete Durchschlag" erst nachträglich von dem zuständigen Angestellten zur Vertuschung eines Versäumnisses angefertigt worden ist, und es ist dann Sache der Bank, nunmehr ihrerseits den Beweis der Absendung anzutreten, indem sie z. B. zusätzlich eine von einem anderen Angestellten abgezeichnete Versandliste vorlegt 6 . Abs. II S. 3 enthält also keine vollständige Beweislastumkehr zu Lasten des Kunden. Eine solche wäre gemäß § 11 Nr. 15 AGBG unzulässig.
IV. Die Risikoabwälzung für die Verwendung nicht Schreibstoffe
urkundenechter
Ziff. 1 III begründet eine Pflicht oder Obliegenheit zur Verwendung urkundenech- 2 5 4 8 ter Schreibstoffe und wälzt den aus einem Verstoß gegen dieses Gebot entstehenden Schaden auf den Kunden ab. Die Klausel enthält nach Wortlaut und Sinn keinen H a f tungsausschluß für ein Verschulden der Bank, sondern nur eine Risikoabwälzung f ü r von ihr nicht verschuldete Schäden. Die Bank wird also nicht von ihrer Pflicht zu sorgfältiger Prüfung der Urkunden befreit und hat für deren Verletzung gegebenenfalls nach den Regeln über die positive Forderungsverletzung einzustehen. Diese Auslegung wird gestützt durch Satz 3 der Einleitung vor Ziff. 1 AGB (vgl. dazu oben Rdn. 2535 a. E.) und steht in Einklang mit der Auslegung verwandter Klauseln hinsichtlich des Fälschungsrisikos auf anderen Gebieten (vgl. z. B. oben Rdn. 711 zur Freizeichnung bei Scheckfälschungen und Rdn. 965 zum Fälschungsrisiko beim Dokumentenakkreditiv). Kann die Bank aber trotz sorgfältiger Prüfung einen Mangel, der durch die Verwendung nicht urkundenechter Schreibstoffe entstanden ist, nicht erkennen, so hat der Kunde den Schaden zu tragen. Er hat also z. B. für eine dadurch veranlaßte Überweisung aufzukommen usw. Die Gültigkeit von Ziff. 1 III steht außer Frage, wenn man die Klausel im obigen 2 5 4 9 Sinne auf eine bloße Risikoabwäjzung beschränkt. Denn es ist für den Kunden ungleich leichter, durch die Verwendung urkundenechter Schreibstoffe Schäden zu verhindern, als für die Bank, etwaige daraus entstandene Mängel wie z. B. Fälschungen
5
Zustimmend Kumpeln/U 1977, 704; Rehbein DB 1977, 1350; Lwowski Die Bank 1978, 191; Graf von Westphalen WM 1980, 1408; ähnlich ferner
z. B. Brandner a a O § 10 N r . 6 Rdn. 8 a. E.; Staudinger/Schlosser % 10 N r . 6 Rdn. 7. ' Vgl. auch schon Haupt a a O (Fn. 2) S. 83 f.
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken zu erkennen. Der Kunde ist daher „näher daran" als die Bank, den Schaden zu tragen, weil er durch den Verzicht auf urkundenechte Schreibstoffe den Mangel verschuldet oder doch zumindest ein entsprechendes Risiko geschaffen hat. 2. (1) Der Kunde kann Forderungen gegen die Bank nur mit Verbindlichkeiten in derselben Währung und nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. (2) Unterhält der Kunde mehrere Konten, so bildet jedes Kontokorrentkonto ein selbständiges Kontokorrent. Bevorrechtigte Forderungen kann die Bank trotz Einstellung in das Kontokorrent selbständig geltend machen. (3) Über das Guthaben auf einem Gemeinschaftskonto und über ein Gemeinschaftsdepot kann jeder der Inhaber allein verfügen, es sei denn, daß die Kontoinhaber der Bank schriftlich eine gegenteilige Weisung ereilt haben. Für die Verbindlichkeiten aus einem Gemeinschaftskonto haftet jeder Mitinhaber in voller Höhe als Gesamtschuldner. I. D a s A u f r e c h n u n g s v e r b o t g e m ä ß Z i f f . 2 I 2550
Den Zweck des Aufrechnungsverbots gemäß Ziff. 2 I sieht der B G H darin zu verhindern, „daß ein Zahlungsunfähiger oder Zahlungsunwilliger gegen unbestreitbare Forderungen der Bank mit erdichteten oder sonstigen unbegründeten Gegenforderungen aufzurechnen und sich dadurch seiner Zahlungspflicht zu entziehen versucht" 1 . Das dürfte indessen etwas zu eng formuliert sein. Insbesondere kommt es nach Wortlaut und Sinn von Ziff. 2 I nicht darauf an, ob die Forderung der Bank „unbestreitbar" ist und ob der Kunde zahlungsunfähig oder -unwillig ist; vielmehr gilt Ziff. 2 I grundsätzlich z. B. auch dann, wenn der Kunde im besten Glauben an seine Gegenforderung aufrechnen will, deren Bestehen aber nicht ohne weiteres beweisen kann. Richtig ist jedoch, daß das Aufrechnungsverbot grundsätzlich einem berechtigten Interesse der Bank dient und daß daher seine Rechtswirksamkeit grundsätzlich zu bejahen ist 2 .
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Durch die Einschränkung des Aufrechnungsverbots bei unbestrittenen und rechtskräftig festgestellten Forderungen, die auch im Verkehr mit Kaufleuten gilt, trägt die Klausel dem Verbot von § 11 Nr. 3 A G B G Rechnung. Bestritten in diesem Sinne ist die Gegenforderung demgemäß nicht schon dann, wenn die Bank sie aus Rechtsgründen nicht anerkennt, sondern nur dann, wenn die Bank sie aus tatsächlichen Gründen substantiiert bestreitet, so daß es im Prozeß einer Beweisaufnahme bedarf. Denn nur in diesem Falle besteht der — von Ziff. 2 I offenkundig angestrebte — Einklang mit § 11 Nr. 3 A G B G , wo es ebenfalls auf die Erhebung substantiierter Einwände ankommt 3 . Die Rechtslage ist somit nicht mehr dieselbe wie nach der früheren Fassung, nach der eine Aufrechnung nur so weit zulässig war, „als die Bank die Forderungen anerkennt". Erst recht kann keine Rede davon sein, daß darauf abzustellen ist, ob die Bank über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung einen Kontoauszug erteilt hat 4 .
1 V g l . B G H W M 1956, 563, 564 S p . 1; 1972, 72, 73 S p . 2. 2 V g l . B G H W M 1956, 5 6 4 ; 1972, 7 3 ; O L G N ü r n b e r g W M 1960, 890, 8 9 2 ; 1971, 1105, 1107 unter I I ; 1972, 264, 267 f ; O L G D ü s s e l d o r f W M 1977, 546, 547 unter II 1; Schaudwet Bankenkontokorrent und Allgemeine G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n . D i e Entwickung der das Kontokorrentverhältnis
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3
4
betreffenden K l a u s e l n der A G B der B a n k e n , 1967, S . 7 0 ; Liesecke W M 1975, 301. V g l . statt aller Staudinger/Schlosser12 § 11 N r . 3 A G B G R d n . 4 m. w. N a c h w . und R d n . 6 a. E. S o aber o f f e n b a r Lanio D i e A u s w i r k u n g e n der Ä n d e r u n g e n der A G B der B a n k e n , Diss. K o n stanz 1978, S . 9 9 ; z u m i n d e s t mißverständlich auch Steuer B a n k B e t r . 1975, 416.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 2 AGB Auch mit einer „bestrittenen" Forderung kann grundsätzlich trotz Ziff. 2 I AGB aufgerechnet werden, sofern sie auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht 5 . Das dürfte am besten mit einer Analogie zu § 393 BGB zu begründen sein und nicht mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs, auf den sich die Rspr. in diesem Zusammenhang stützt. Man wird sogar noch einen Schritt weiter gehen und den Rechtsgedanken von § 276 II BGB heranziehen können 6 mit der Folge, daß grundsätzlich auch die Aufrechnung mit einer auf einer vorsätzlichen Vertragsverletzung oder culpa in contrahendo beruhenden Forderung möglich ist 6a . Allerdings kann die Berufung des Kunden auf die Unanwendbarkeit des Aufrechnungsverbots rechtsmißbräuchlich sein und insbesondere gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, wie z. B. wenn der andere Teil vorgeleistet hatte, so daß das Aufrechnungsverbot einen Ersatz für die — an sich gebotene — Zug-um-Zug-Leistung darstellte, und nun mit Gegenforderungen aus demselben Rechtsverhältnis aufgerechnet wird, die „undurchsichtig" sind und deren Beurteilung eine „weitläufige Beweisaufnahme" erforderlich macht 6 im Bankrecht wird diese Fallkonstellation zwar kaum vorkommen, doch kann die Berufung auf die Unanwendbarkeit des Aufrechnungsverbots auch aus anderen Gründen rechtsmißbräuchlich sein.
2551a
Sowohl mit § 9 AGBG als auch mit dem Schutzzweck von Ziff. 2 I AGB wäre es des weiteren unvereinbar, wollte man dem Kunden die Sicherungsfunktion der Aufrechnungsmöglichkeit im Konkurs oder im Vergleich nehmen. Dieser kann daher im Konkurs der Bank auch dann nach den §§ 53 ff K O aufrechnen, wenn ihm diese Möglichkeit außerhalb des Konkurses durch Ziff. 2 I AGB genommen ist7. Denn im Konkurs wirkt sich die Unzulässigkeit der Aufrechnung anders als sonst nicht nur als verfahrensmäßiger Nachteil, sondern als echte Vermögenseinbuße aus, weil der Kunde dann die Forderung der Bank in voller Höhe begleichen müßte, für seine eigene Gegenforderung aber nur die Konkursquote erhielte.
2552
Allerdings darf die Zulassung der Konkursaufrechnung nun auch nicht umgekehrt dazu führen, daß die Bank bzw. die Masse Vermögenseinbußen erleidet. Das wäre z. B. denkbar, wenn der Kunde gegen eine noch nicht fällige verzinsliche Darlehensforderung der Bank gemäß § 54 I K O vorzeitig aufrechnet. In einem solchen Fall sind die Zinsen grundsätzlich bis zum Fälligkeitstermin zu entrichten und nicht nur bis zum Zeitpunkt der Erfüllungswirkung der Aufrechnung (die nach § 389 BGB sogar auf den Augenblick der Verfahrenseröffnung zurückwirkt). Zwar mag die Gegenansicht konstruktiv folgerichtig sein, da die Zinsansprüche grundsätzlich mit dem Stammrecht erlöschen, doch kann es nicht der Sinn von § 54 I K O sein, die Masse um Zinsen zu bringen, und daher ist die hier bestehende Lücke im Sinne eines Fortbestandes der Zinspflicht zu füllen. Im Gegensatz zur Möglichkeit der Konkursaufrechnung dürfte die von § 390 S. 2 BGB gewährte Möglichkeit zur Aufrechnung trotz Verjährung durch Ziff. 2 I grund-
5 Vgl. v o r allem R G Z 60, 2 9 4 , 2 9 6 ; B G H W M 1976, 1132, 1133 f ; im G r u n d s a t z a u c h die u n t e n Fn. 6 b zitierten E n t s c h e i d u n g e n . 6 Ä h n l i c h s c h o n Larenz J W 1934, 754, w e n n g l e i c h o h n e a u s d r ü c k l i c h e E r w ä h n u n g v o n § 2 7 6 II B G B ; a. A. B G H W M 1966, 734, 735, w o j e d o c h n u r eine u n m i t t e l b a r e A n w e n d u n g d e r V o r s c h r i f t a b g e l e h n t u n d die M ö g l i c h k e i t d e r R e c h t s a n a l o g i e gar nicht erörtert wird.
6a
D e r B G H neigt i n s o w e i t o f f e n b a r zu e i n e r s t ä r k e r auf d e n Einzelfall a u s g e r i c h t e t e n E n t s c h e i d u n g , vgl. W M 1966, 7 3 4 ; 1977, 311. S o lag es in d e n Fällen R G Z 142, 143, 145; B G H W M 1961, 1357; ä h n l i c h a u c h im Fall B G H W M 1966, 734.
7
E b e n s o B G H W M 1978, 1042, 1044 f ü r d e n V e r gleich.
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21. Abschnitt. D i e A l l g e m e i n e n G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n der privaten B a n k e n
sätzlich hinfällig werden. Denn der Sinn eines Aufrechnungsverbotes ist es gerade, daß der andere Teil von sich aus aktiv mit seiner Forderung hervortreten soll, und daher kann man hier in der Berufung der Bank auf Ziff. 2 I grundsätzlich keinen Verstoß gegen § 242 B G B erblicken, weil es Sache des Kunden gewesen wäre, seine Forderung rechtzeitig einzuklagen. 2554
Die Geltendmachung von Zurückbehaltüngsrechten wird durch Ziff. 2 I A G B nach dem klaren Wortlaut der Klausel nicht betroffen. Diese kann darauf auch nicht im Wege der ergänzenden Auslegung gemäß § 157 B G B oder der Analogie erstreckt werden 8 . Zwar mag das bei individualvertraglichen Aufrechnungsverboten häufig sinnvoll sein, doch gilt gleiches nicht auch für AGB-Klauseln. Denn zum einen trägt der Verwender nach der Regel der Auslegung „contra stipulatorem", die u. a. in der Unklarheitenregel einen gewissen Niederschlag gefunden hat, Verantwortung und Risiko für die von ihm — einseitig vorgenommene! — Formulierung grundsätzlich allein, und zum anderen zeigt auch die im Vergleich zu § 11 Nr. 3 A G B G z. T . strengere Regelung für den Ausschluß von Zurückbehaltüngsrechten in § 11 Nr. 2 A G B G , daß dieser AGB-rechtlich einem Aufrechnungsverbot nicht ohne weiteres gleichsteht. Werden somit Zurückbehaltüngsrechte von Ziff. 2 I A G B tatbestandlich nicht erfaßt, so können sie grundsätzlich sogar dann geltend gemacht werden, wenn sich auf beiden Seiten Geldforderungen gegenüberstehen. Dadurch wird ein ähnlicher, aber nicht derselbe Effekt wie durch eine Aufrechnung erreicht. S o kann das Zurückbehaltungsrecht z. B. nach § 273 III B G B durch Sicherheitsleistung abgewendet werden; auch hat es anders als die Aufrechnung keine ex-tunc-Wirkung, was sich beispielsweise auf die Zinspflichtigkeit und den Verzugseintritt auswirken kann.
II. Die Kontokorrentregelung gemäß Ziff. 2 II 2555
Ziff. 2 II hat nur deklaratorische Funktion. Das gilt sowohl für den Grundsatz der Selbständigkeit mehrerer Kontokorrentkonten gemäß Satz 1, da von dieser auch nach allgemeinem Kontokorrentrecht auszugehen wäre 9 , als auch für die Möglichkeit zur Geltendmachung bevorrechtigter Forderungen gemäß Satz 2, da sich diese schon aus einer analogen Anwendung des § 356 H G B ergibt 1 0 . Die Aufnahme von Satz 1 in die A G B hat historische Gründe, da diese früher den Grundsatz der Einheit mehrerer Konten enthielten 11 . Heute sind Satz 1 und Satz 2 gleichermaßen überflüssig 1 2 .
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Satz 1 hat auch nicht etwa insofern eine eigenständige Funktion, als er die Möglichkeit einer einheitlichen Behandlung mehrerer Konten von vornherein ausschlösse. Vielmehr steht es den Parteien frei, eine von Ziff. 2 II abweichende Abrede zu schließen; diese braucht nicht ausdrücklich getroffen zu werden, sondern kann sich auch aus den Umständen des Falles und insbesondere aus dem Zweck der Konten ergeben 1 3 . Praktische Bedeutung hat eine solche Vereinbarung u. a. für das Schicksal von Sicherheiten, weil ein Guthaben auf einem Konto dann mit einer Schuld auf dem anderen Konto zu verrechnen ist und die Sicherheiten daher u. U. frei werden.
III. Die Regelung des Gemeinschaftskontos gemäß Ziff. 2 III 2557
Die Klausel, die erst im Jahre 1942 in die A G B aufgenommen wurde 1 4 , stellt die Vermutung auf, daß ein Gemeinschaftskonto grundsätzlich kein „Und-Konto", sondern 8 A. A. offenbar O L G Frankfurt WM 1977, 156 (nur Leitsatz). » Vgl. Großkomm.-Canaris3 § 355 Anm. 52. 10 Vgl. aaO § 356 Anm. 13. 11 Vgl. Schaudwet aaO (Fn. 2) S. 57 ff.
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So auch Schaudwet aaO S. 73 und S. 78. Vgl. B G H LM Nr. 3 zu § 355 H G B Bl. 3; WM 1972, 283, 286 unter IV 1. Vgl. zu ihrer Geschichte eingehend Schaudwet aaO S. 79 ff.
2. B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. .5. 1981
Ziff. 3 AGB
ein „Oder-Konto" ist und begründet außerdem in Satz 2 für beide Formen des Gemeinschaftskontos eine gesamtschuldnerische Haftung der Inhaber für ein' etwaiges Debet. Die Einzelheiten sind bereits oben Rdn. 224 ff eingehend erläutert. Auf das Gemeinschaftsdepot kann Ziff. 2 III nicht analog angewendet werden, vgl. oben Rdn. 2095 Abs. 1 a. E. 3. (1) Währungskredite sind in der Währung zurückzuzahlen, in der die Bank sie gegeben hat. Zahlungen in anderer Währung gelten als Sicherheitsleistung. Die Bank ist jedoch berechtigt, den Währungskredit in deutsche Währung umzuwandeln, wenn dessen ordnungsgemäße Abwicklung aus Gründen, die von der Bank nicht zu vertreten sind, nicht gewährleistet erscheint. (2) Die Inhaber von bei der Bank unterhaltenen Währungsguthaben tragen anteilig im Verhältnis und bis zur Höhe ihrer Guthaben alle wirtschaftlichen und rechtlichen Nachteile und Schäden, die das Gesamtguthaben der Bank in der entsprechenden Währung als Folge von höherer Gewalt, Krieg, Aufruhr oder ähnlichen Ereignissen oder durch von der Bank nicht verschuldete Zugriffe Dritter im Ausland oder im Zusammenhang mit Verfügungen von hoher Hand des In- oder Auslandes treffen sollten. Die in Ziff. 3 11 enthaltene sogenannte Effektivklausel stellt für den Fall, daß ein 2 5 5 8 Währungskredit nicht im Ausland, sondern im Inland zurückzuzahlen ist, eine Ausnahme von § 244 I BGB dar, die jedoch von dieser Vorschrift ausdrücklich gestattet wird. Ihr Grund und ihre Berechtigung liegen darin, daß die Bank sich für einen Währungskredit regelmäßig in fremder Währung refinanzieren wird und daher den von ihr gegebenen Kredit auch in dieser Währung zurückerhalten muß, um ihrerseits ihren auf ausländische Währung lautenden Verpflichtungen nachkommen zu können (ebenso BGH WM 1980 793). Zahlungen in anderer Währung sollen nach Abs. I S. 2 als Sicherheitsleistung gelten. 2 5 5 9 Gewiß ist, daß solche Zahlungen nicht als Erfüllung anzusehen sind. Ob sie dagegen immer ohne weiteres als Sicherheit zurückbehalten werden dürfen, kann nach den Umständen des Einzelfalles zweifelhaft sein. Bedenken gegen die Gültigkeit von Ziff. 3 I 2 bestehen allerdings nicht (ebenso Graf von WestphalenWM 1980 1408 f). Denn die Bank hätte an Leistungen des Kunden, die dieser in Erfüllungsabsicht, aber ohne Erfüllungswirkung erbringt, ohnehin grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273 BGB, 369 HGB, und Ziff. 3 12 erweitert diese Rechtsfolge nicht in solchem Umfang, daß eine unbillige Verschiebung zu Lasten des Kunden entsteht. Man wird von der Bank auch nicht verlangen können, daß sie den Kunden bei der Entgegennahme des Geldes stets ausdrücklich auf die Rechtsfolge von Ziff. 3 12 AGB hinweist; vielmehr ist es grundsätzlich Sache des Kunden, einen entsprechenden Vorbehalt zu machen, wenn er das Geld keinesfalls zur Sicherung hingeben, sondern bei Nichteintritt der Erfüllungswirkung sofort zurückverlangen will (vgl. auch oben Rdn. 747 a. E. zum verwandten Problem der Geltung von Ziff. 19 AGB beim Scheckinkasso). Auch Ziff. 3 12 AGB steht allerdings unter dem Vorbehalt von § 242 BGB. Die Zurückbehaltung des Geldes zur Sicherheit kann daher gegen Treu und Glauben verstoßen; das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn für die Bank evident war, daß der Kunde mit der in Ziff. 3 12 enthaltenen Klausel nicht rechnete, oder wenn der Kunde erkennbar ein besonderes Interesse an einer sofortigen Rückzahlung des Geldes für den Fall des Nichteintritts der Erfüllungswirkung hatte. Das Umwandlungsrecht gemäß Ziff. 3 13 AGB soll die Bank vor Schwierigkeiten in 2 5 6 0 außergewöhnlichen Lagen schützen, wenn sie ihre eigenen Verbindlichkeiten in ausländischer Währung abdecken muß, ohne von ihrem Schuldner zum gleichen Zeitpunkt die Rückzahlung des Kredits in ausländischer Währung verlangen zu können. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
Eine Möglichkeit zu einer generellen Abwälzung des Entwertungsrisikos auf den Schuldner soll die Klausel also nicht bieten, wie sich bei ihrer heutigen Fassung schon aus dem Wortlaut ergibt. Im übrigen kann die Bank von ihrem Umwandlungsrecht ohnehin nur nach billigem Ermessen und nicht nach freiem Belieben Gebrauch machen, da es sich dabei um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht handelt, auf das § 3 1 5 BGB unmittelbar oder analog anzuwenden ist (ebenso Kumpel WM 1976 Sonderbeilage Nr. 1 S. 17). Eine analoge Anwendung der Klausel auf Fremdwährungswechsel, die zur Sicherung eines DM-Kredits dienen, kommt nicht in Betracht, weil sie durch den Schutzzweck der Bestimmung nicht gedeckt ist (vgl. B G H W M 1980 793). 2561
Die Risikoabwälzung gemäß Ziff. 3 II AGB entspricht der Billigkeit und ist daher wirksam. Denn es geht hier im wesentlichen um das „politische" Risiko von Ereignissen im Ausland, die die Bank nicht beherrscht und die sie häufig nicht einmal vorhersehen kann, und es ist allgemein anerkannt, daß die Tragung dieses Risikos der Bank nicht zugemutet werden kann. Zu beachten ist dabei, daß sich die Klausel nicht auf alle Guthaben der Bank in der betreffenden fremden Währung bezieht, sondern nur auf diejenigen, die im Ausland unterhalten werden. Die Rechtsfolge ist eine anteilige Verteilung der Schäden auf die Inhaber der Währungsguthaben. Dabei ist die H ö h e der Guthaben maßgeblich. Soweit die Bank f ü r eigene Rechnung im Ausland (Nostro)guthaben unterhält, ist sie an dem Schaden mitbeteiligt. Denn Ziff. 3 II AGB kann keinesfalls so verstanden werden, daß die Kunden dieses Risiko mitübernehmen sollen; eine solche Bestimmung wäre offensichtlich unbillig und daher nichtig. Man kann aber schon allein mit Hilfe des Wortlauts von Ziff. 3 II AGB zu einer anteiligen Schadenstragung der Bank kommen, da man diese hinsichtlich ihrer Nostroguthaben selbst als „Inhaber von Währungsguthaben" bezeichnen kann; allerdings ist diese Wortlautinterpretation etwas gekünstelt, und man sollte das Ergebnis daher lieber auf eine am Zweck der Ziff. 3 II AGB ausgerichtete restriktive Interpretation gemäß § 157 BGB stützen. 4. (1) Während der Geschäftsverbindung ist die Bank unwiderruflich befugt, Geldbeträge für den Kunden entgegenzunehmen. Den Auftrag, einem Kunden einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen oder zur Verfügung zu halten, darf die Bank durch Gutschrift des Betrages auf dem Konto des Kunden ausführen, wenn ihr nicht außerhalb des Uberweisungsträgers ausdrücklich eine andere Weisung erteilt worden ist. Geldbeträge in ausländischer Währung darf die Bank mangels ausdrücklicher gegenteiliger Weisung des Kunden in Deutscher Mark gutschreiben, sofern sie nicht für den Kunden ein Konto in der betreffenden Währung führt. Die Abrechnung erfolgt zum amtlichen Geldkurs — bei Fehlen eines solchen zum Marktkurs — des Tages, an dem der Geldbetrag in ausländischer Währung zur Verfügung der die Buchung auf dem Kundenkonto vornehmenden Stelle der Bank steht und an dem er von der Bank verwertet werden kann. (2) Bei Aufträgen zur Auszahlung oder Uberweisung von Geldbeträgen darf die Bank die Art der Ausführung mangels genauer Weisung nach bestem Ermessen bestimmen. (3) Gutschriften, die infolge eines Irrtums, eines Schreibfehlers oder aus anderen Gründen vorgenommen werden, ohne daß ein entsprechender Auftrag vorliegt, darf die Bank durch einfache Buchung rückgängig machen (stornieren). Bei Uberweisungsaufträgen darf die Bank die angegebene Kontonummer des Zahlungsempfängers sowie die angegebene Bankleitzahl als maßgeblich ansehen. Bei Fehlleitungen infolge unrichtiger 1294
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 4 AGB oder unvollständiger Angaben der Kontonummer, der Bankleitzahl oder der Kontobezeichnung in Uberweisungsaufträgen haftet die Bank nur für grobes Verschulden. (4) Wenn die Bank Aufträge für wiederkehrende oder zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuführende Zahlungen oder Leistungen übernimmt, so haftet sie wegen der Möglichkeit unabsehbarer Schäden bei nicht rechtzeitiger Erledigung nur für grobes Verschulden. Ziff. 4 11 begründet während der Dauer der Geschäftsverbindung eine unwiderruf- 2 5 6 2 liehe Befugnis der Bank zur Entgegennahme von Geldbeträgen für den Kunden. Unter Geldbeträgen sind auch Uberweisungsbeträge zu verstehen, da das Buchgeld dem Sachgeld im Bankwesen weitgehend gleichsteht und die Einzahlung von Sachgeld zugunsten eines Kunden eine so seltene Ausnahme bildet, daß sich Ziff. 4 11 nicht hierauf beschränken kann. Der Zweck der Klausel dürfte in erster Linie darin liegen, organisatorische Schwierigkeiten zu vermeiden; denn Geldbeträge können auf den verschiedensten Wegen eingehen, und die Bank kann daher deren Zurückweisung nicht ohne weiteres gewährleisten. Daneben dürfte es aber auch darum gehen, dem Kunden die Möglichkeit zu nehmen, die Verrechnung von eingehenden Beträgen mit einem bestehenden Debet durch einen „in letzter Sekunde" erfolgenden Widerruf der Empfangszuständigkeit zu verhindern (vgl. auch Schütz AcP 160, 19 f). Gegen die Zulässigkeit der Klausel bestehen keine durchgreifenden Einwände (ebenso Staudinger/Schlosserl2 § 9 AGBG Rdn. 72; Graf von Westphalen W M 1980 1409). Denn die Unwiderruflichkeit bezieht sich nur auf die Befugnis der Bank zur Entgegennahme bestimmter einzelner Geldbeträge, nicht aber auch auf die Empfangszuständigkeit als solche, da der Kunde diese nach Ziff. 17 Satz 1 AGB jederzeit durch einen Widerruf des Girovertrags beenden kann; dadurch ist der Kunde ausreichend geschützt, und daraus wird zugleich deutlich, daß der Zweck von Ziff. 4 I 1 in der Tat primär in der Vermeidung von Verwirrung durch die Zurückweisung von einzelnen Zahlungen besteht — ein Bestreben, das wegen der Massenhaftigkeit der Bankvorgänge und wegen der Notwendigkeit ihres reibungslosen Ablaufs vollauf berechtigt ist. Im übrigen ist der Kunde auch insofern geschützt, als er jederzeit gegenüber dem Uberweisenden sein Einverständnis mit der Vornahme einer Girozahlung widerrufen kann mit der Folge, daß er eine dennoch erfolgte Überweisung nicht als Erfüllung gelten zu lassen braucht (vgl. oben Rdn. 472). Die Befugnis zur Gutschrift auf einem Konto des Kunden gemäß Ziff. 4 I 2 soll 2 5 6 3 ebenfalls in erster Linie der Reibungslosigkeit des Giroverkehrs dienen, hat aber daneben wiederum besondere Bedeutung für den Fall, daß das Konto des Kunden debitorisch ist und die Gutschrift zur Verminderung des Debet beiträgt. Daß entgegengesetzte Weisungen außerhalb des Uberweisungsträgers erfolgen müssen, stimmt mit dem anerkannten Grundsatz überein, daß sich die Bank um Vermerke auf dem Überweisungsträger unter der Rubrik „Verwendungszweck" nicht zu kümmern braucht (vgl. oben Rdn. 338). Bei Vorliegen besonderer Umstände muß die Bank allerdings mitunter auch den Verwendungszweck berücksichtigen (vgl. oben Rdn. 339); wollte sie sich demgegenüber auf Ziff. 4 12 AGB berufen, so würde sie sich mit § 242 BGB in Widerspruch setzen. Letzteres gilt in verstärktem Maße gegenüber dem Erfordernis, eine abweichende Weisung müsse ausdrücklich erteilt werden. Zwar ist ohne weiteres einzuräumen, daß die Banken im Interesse der Reibungslosigkeit des Giroverkehrs auf klare Weisungen größten Wert legen müssen und daß sie wegen der Massenhaftigkeit dieser Geschäfte häufig nicht die Möglichkeit zur vollen Beachtung aller Umstände des Einzelfalles haben, doch kann sie das nicht ausnahmslos von der Notwendigkeit entbinden, auch einmal ein konkludentes Verhalten zu berücksichtigen; insbesondere Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
kann sich die Unzulässigkeit der Gutschrift auf einem debitorischen Konto aus der besonderen Zweckrichtung einer Überweisung ergeben, sofern diese der Bank bekannt ist (vgl. BGH W M 1973 167 und dazu oben Rdn. 340). 2564
Die Befugnis der Bank, die Axt der Ausführung mangels genauer Anweisung nach bestem Ermessen zu bestimmen, steht in Ubereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen des Geschäftsbesorgungs- und Auftragsrechts und hat daher nur klarstellende Funktion. Die Pflicht zur Beachtung der Weisungen des Kunden wird dadurch nicht berührt (vgl. im einzelnen oben Rdn. 327 ff und 346 ff).
2565
Ziff. 4 III 1 gewährt der Bank bei einer Gutschrift, der kein entsprechender Auftrag zugrunde liegt, ein Stornorecht. Die Bestimmung ist bereits oben Rdn. 447 ff eingehend kommentiert.
2566
Die in Ziff. 4 III 2 festgelegte Maßgeblichkeit der Kontonummer kann nur im Rahmen des beleglosen Datenträgeraustauschs, nicht aber auch für herkömmliche Überweisungen anerkannt werden, selbst wenn letztere ebenfalls unter Verwendung von Datenverarbeitungsanlagen durchgeführt werden (vgl. oben Rdn. 331 und 523). Gegen die Beschränkung der Haftung auf grobes Verschulden in Ziff. 4 III 3 ist dagegen nichts einzuwenden.
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Ziff. 4 IV AGB enthält eine Haftungsbeschränkung für Verzögerungen bei der Durchführung von Daueraufträgen und termingebundenen Aufträgen. Für das völlige Unterbleiben der Auftragsausführung gilt die Klausel also nicht (vgl. auch Liesecke W M 1970 505), doch wird ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Kunden hier nicht selten gemäß Ziff. 16 AGB ausgeschlossen sein, weil der Kunde die Bank nicht von dem Ausbleiben der Ausführungsanzeige unterrichtet hat. Die Klausel gilt weiterhin nicht für die Nichtvornahme einer Lastschrift (vgl. Engel Rechtsprobleme um das Lastschriftverfahren, 1966, S. 40; Liesecke WM 1970 505); zwar ergibt sich das nicht unbedingt aus ihrem Wortlaut, doch paßt ihr Schutzzweck nicht, weil die Bank bei der Einlösung einer Lastschrift nicht von sich aus für die Einhaltung des Termins zu sorgen braucht, sondern deren Vorlage abwarten und dann sofort die Zahlung vornehmen kann, so daß das spezifische Risiko der Rechtzeitigkeit hier nicht gegeben ist.
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Auch innerhalb ihres eigentlichen Anwendungsbereichs wird die Klausel, die in der Inflationszeit entstanden ist, mitunter als überholt bezeichnet (vgl. Koch Z H R 101, 247). Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, daß die Bank durch die Notwendigkeit, von sich aus für die Durchführung des Auftrags zu sorgen, ein besonderes Risiko eingeht und daß die aus einer Verzögerung drohenden Schäden für die Bank völlig unübersehbar sind und daß deren Höhe außer jedem Verhältnis zum Entgelt der Bank stehen kann. Daher wird man die Wirksamkeit der Haftungsbeschränkung auch heute noch grundsätzlich bejahen können — und zwar auch gegenüber der Privatkundschaft (vgl. auch Staudinger/Schlosser § 11 Nr. 7 Rdn. 54 a. E.; a. A. OLG Stuttgart WM 1979 1468; wohl auch Graf von WestphalenWM 1980 1410 f). § 11 Nr. 8 AGBG steht nicht entgegen, da die Vorschrift allenfalls für Nichterfüllungsschäden i. S. von § 326 BGB, nicht aber für Folgeschäden i. S. von § 286 BGB engere Grenzen setzt als § 11 Nr. 7 AGBG und folglich die Möglichkeit der Reduzierung des Haftungsmaßstabs auf grobe Fahrlässigkeit insoweit nicht berührt (sehr Str., vgl. dazu statt aller Staudinger/Schlosser § 11 Nr. 8 Rdn. 6 m. Nachw.); denn abgesehen von den sonst drohenden untragbaren Wertungswidersprüchen zur Behandlung der positiven Forderungsverletzung (vgl. Schlosser aaO) ist § 11 Nr. 8 ersichtlich auf die synallagmatischen Rechtsbehelfe nach Art von § 326 BGB zugeschnitten und für Folge- und Begleitschäden schon deshalb unpassend, weil das vertragliche Entgelt regelmäßig außer Verhältnis zu deren möglicher Höhe 1296
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Ziff. 5 AGB
steht und der Ausweg der Haftungsbeschränkung daher hier nicht versperrt werden darf. Allerdings kann sich die Bank gemäß § 242 BGB auf Ziff. 4 IV AGB nicht berufen, wenn der Kunde sie ausdrücklich auf die Gefahr eines besonders hohen Schadenseintritts bei Verzögerung einer bestimmten Überweisung hingewiesen hatte. 5. (1) Hat die Bank Urkunden, die sie im Auftrag des Kunden entgegennimmt oder ausliefert, auf Echtheit, Gültigkeit oder Vollständigkeit zu prüfen oder zu übersetzen, so haftet sie nur für grobes Verschulden. (2) Hat die Bank aufgrund eines Akkreditivs, Kreditbriefs oder sonstigen Ersuchens Zahlungen zu leisten, so darf sie an denjenigen zahlen, den sie nach sorgfaltiger Prüfung seines Ausweises als empfangsberechtigt ansieht. (3) Werden der Bank als Ausweis der Person oder zum Nachweis einer Berechtigung ausländische Urkunden vorgelegt, so wird sie sorgfältig prüfen, ob diese zur Legitimation geeignet sind. Bei der Prüfung und einer etwaigen Ubersetzung haftet sie nur für grobes Verschulden. Ziff. 5 I enthält heute nicht mehr wie früher lediglich eine Risikoabwälzung ohne 2 5 6 9 Verschuldensfreizeichnung (vgl. dazu Erstbearbeitung Anm. 1258), sondern eine echte Haftungsbeschränkung. Da diese sich in den Grenzen von § 11 Nr. 7 AGBG hält und die Prüfungspflicht auch nicht generell als Kardinalpflicht i. S. von § 9 II Nr. 2 AGBG angesehen werden kann, bestehen gegen die Wirksamkeit der Klausel keine durchgreifenden Bedenken. Soweit im Einzelfall doch einmal eine Kardinalpflicht gegeben ist, tritt sie auf Grund einer Reduktion zurück (vgl. z. B. oben Rdn. 965 zur Prüfungspflicht beim Dokumentenakkreditiv). Der Anwendungsbereich von Abs. 1 erstreckt sich auf Urkunden aller Art und im 2 5 7 0 weitesten Sinne. Für bestimmte Urkunden gelten jedoch Sonderbedingungen. So sind für Dokumentenakkreditive die „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Akkreditive" (abgedruckt oben Rdn. 935) anzuwenden. Beim Dokumenteninkasso gelten gemäß Ziff. 27 S. 2 AGB die „Einheitlichen Richtlinien für das Inkasso von Handelspapieren" (abgedruckt oben Rdn. 1101 und kommentiert oben Rdn. 1088 ff). Ziff. 5 II gewährt der Bank die Möglichkeit zur wirksamen Leistung an einen Nicht- 2571 berechtigten, wenn sie diesen nach sorgfältiger Prüfung seines Ausweises als empfangsberechtigt ansehen darf. Der Auftraggeber muß die Leistung der Bank also auch dann gegen sich gelten lassen, wenn der Leistungsempfänger in Wahrheit nicht empfangsberechtigt war. Das bedeutet i. d. R., daß die Bank gemäß oder analog § 787 BGB gegenüber dem Auftraggeber frei wird oder daß sie gegen diesen einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB erwirbt. Voraussetzung ist dabei allerdings, daß wirklich ein Akkreditivauftrag, ein Kreditbrief (vgl. dazu oben Rdn. 1622 ff) oder ein sonstiges Ersuchen des Kunden vorlag (vgl. dazu auch unten Rdn. 2573); als „sonstiges Ersuchen" wird man jede Anweisung im weitesten Sinne ansehen können (vgl. zum Begriff der Anweisung i. w. S. Ulmer AcP 126, 129 ff sowie auch oben Rdn. 322). Voraussetzung ist weiter, daß die Bank den Ausweis sorgfältig geprüft hat; ihr schadet also — im Gegensatz zu den meisten gesetzlich geregelten Fällen des Gutglaubensschutzes — nicht nur grobe Fahrlässigkeit, sondern schon culpa levissima. Was den Umfang des Schutzbereichs von Ziff. 5 II betrifft, so wird durch diese 2 5 7 2 Klausel in erster Linie das Identitätsrisiko gedeckt, also die Gefahr, daß sich ein Dritter als der Empfangsberechtigte ausgibt und sich z. B. mit dessen Ausweis oder mit einem gefälschten Ausweis legitimiert. Dagegen wird das Fehlen der Vertretungsmacht oder der Verfügungsbefugnis von Ziff. 5 II wohl nicht umfaßt; denn über die Vertretungsmacht vermag die Vorlage des Ausweises, auf dessen Prüfung Ziff. 5 II entscheidend Claus-Wilhelm Canaris
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abstellt, nichts auszusagen. Die Bank wird also durch Ziff. 5 II nicht geschützt, wenn sie auf Grund einer gefälschten Vollmachtsurkunde leistet. N u r wenn sich ein Dritter als der Vertreter ausgibt und dieser tatsächlich Vertretungsmacht hatte, greift Ziff. 5 II ein, doch geht es dann in Wahrheit wieder um das Identitätsrisiko und nicht um das Risiko mangelnder Vertretungsmacht i. e. Sinne. Auch Mängel der Geschäftsfähigkeit fallen grundsätzlich nicht unter Ziff. 5 II, da auch über diese der Ausweis i. d. R. keine Auskunft gibt; nur sofern in einem Ausweis das Geburtsdatum gefälscht ist und so zu Unrecht der Eindruck der Volljährigkeit erweckt wird, könnte man eine Anwendung von Ziff. 5 II erwägen. Die Grundsätze, die von der h. L. über den Umfang des Schutzes bei Leistungen an den Inhaber eines Inhaber- oder Orderpapiers entwickelt worden sind (vgl. oben Rdn. 1186), können hier also nicht herangezogen werden. Für die Scheinlegitimation von Erben, Testamentsvollstreckern, Vormündern, Pflegern, Konkursverwaltern und dgl. enthält Ziff. 24 eine Sonderregelung, die Ziff. 5 II weitgehend entspricht. 2573
Ziff. 5 stellt keine umfassende Abwälzung des Fälschungsrisikos dar (vgl. auch Liesecke W M 1970 506). So wird die Bank nach Abs. I nur geschützt, wenn sie im Auftrage des Kunden Urkunden entgegenzunehmen oder auszuliefern hat und diese Urkunden gefälscht waren; war dagegen der Auftrag selbst gefälscht, so greift Ziff. 5 I nicht ein (vgl. B G H W M 1967 1142 unter I 2 b). Entsprechend ist auch Ziff. 5 II auszulegen. Auch hier müssen also das Akkreditiv, der Kreditbrief oder das „sonstige Ersuchen" von dem Kunden stammen und echt sein. So ist es denn auch anerkannt, daß Ziff. 5 z. B. bei der Fälschung eines Giroüberweisungsauftrags — der eine Anweisung i. w. S. darstellt und den man daher durchaus unter den Begriff des „sonstigen Ersuchens" subsumieren könnte — keine Anwendung findet (vgl. B G H W M 1966 396, 397 unter II; 1967 1142 unter I 2 b; Liesecke W M 1970 506). Die Bank trägt hier das Fälschungsrisiko selbst und kann sich nur insoweit an den Kunden halten, als diesen ein Verschulden trifft (vgl. oben Rdn. 368 ff). Auch für die Scheckfälschung gilt Ziff. 5 AGB nicht, doch enthält hierfür Ziff. 11 der Scheckbedingungen eine Risikoabwälzungsklausel (vgl. oben Rdn. 710 ff). 6. Aufträge jeder Art müssen den Gegenstand des Geschäfts zweifelsfrei erkennen lassen; Abänderungen, Bestätigungen oder Wiederholungen müssen als solche gekennzeichnet sein.
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Der Zweck der Klausel liegt darin, dem besonderen Bedürfnis des Bankverkehrs nach Klarheit Rechnung zu tragen. Sie hat ihr Hauptanwendungsfeld auf dem Gebiet des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und im Effektengeschäft, gilt aber darüber hinaus für Bankgeschäfte aller Art. Das Gebot, Abänderungen, Bestätigungen oder Wiederholungen als solche zu kennzeichnen, soll vor allem die doppelte Durchführung von Aufträgen verhindern.
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Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Ziff. 6 sind in der Klausel nicht geregelt. Sie richten sich daher nach den allgemeinen Grundsätzen. Danach ist die Erklärung des Kunden nach den Grundsätzen der objektiven Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu interpretieren. Ergibt sich dabei, daß die Bank einen Auftrag in einem bestimmten Sinne verstehen oder eine als Bestätigung oder Wiederholung gemeinte Erklärung als neuen Auftrag ansehen dürfte, so muß der Kunde das gegen sich gelten lassen, auch wenn er es nicht so gemeint hat. Die Bank wird dann also gemäß oder analog § 787 BGB frei, hat einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB oder kann die Ansprüche aus einem Effektenkommissionsgeschäft geltend machen usw. . . . Allerdings wird der Kunde sich hier häufig auf das Fehlen des Erklärungsbewußtseins oder auf einen Inhaltsirrtum i. S. von § 119 BGB berufen können. Daß Ziff. 6 ihm diese 1298
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Ziff. 7 AGB
Möglichkeit nehmen will, läßt die Bestimmung nicht mit hinreichender Klarheit erkennen. Außerdem ist zu bedenken, daß der Kunde der Bank dann nach § 122 BGB auf das negative Interesse haftet und daß die Bank daher hinreichend geschützt ist. — Ergibt sich bei objektiver Auslegung dagegen, daß der A u f t r a g des Kunden mehrdeutig war, oder mußte die Bank erkennen, daß es sich nicht um einen echten Auftrag, sondern nur um eine Bestätigung oder Wiederholung handelte, so ist mit den Grundsätzen der Auslegung ein Schutz der Bank nicht zu erreichen. D e r K u n d e wird in einem solchen Fall der Bank jedoch in aller Regel aus positiver Forderungsverletzung auf Schadensersatz haften, weil er unter Verstoß gegen Ziff. 6 schuldhaft zu dem Mißverständnis beigetragen hat; die Bank muß sich ein Mitverschulden ihrer Angestellten allerdings nach §§ 254, 278 BGB anrechnen lassen. Die praktische Bedeutung von Ziff. 6 ist somit nicht sonderlich groß, weil man letzt- 2 5 7 6 lieh doch weitgehend auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückgreifen muß. Immerhin konkretisiert und akzentuiert die Klausel Pflichten bzw. Obliegenheiten des K u n d e n , die man in dieser Rigorosität sonst wohl nicht ohne weiteres aus § 242 BGB ableiten würde. Sie spielt daher sowohl f ü r die Auslegung als auch f ü r die Schadensersatzhaftung durchaus eine eigenständige Rolle. 7. Der Kunde ist verpflichtet, die Bank in jedem Einzelfall, bei formularmäßig erteilten Aufträgen außerhalb des Formulars, darauf hinzuweisen, wenn aus Verzögerungen oder Fehlleitungen bei der Ausführung von Aufträgen oder von Mitteilungen hierüber ein Schaden entstehen kann. In diesen Fällen haftet die Bank im Rahmen ihres Verschuldens. Fehlt ein derartiger Hinweis, so haftet die Bank nur für grobes Verschulden; die Haftung beschränkt sich jedoch auf den Zinsausfall, wenn der Auftrag für den Kunden zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehört. Ziff. 7 S. 1 begründet eine Hinweispflicht des Kunden bei drohenden Schäden aus 2 5 7 7 Verzögerungen und Fehlleitungen bei der A u s f ü h r u n g von Aufträgen oder von Mitteilungen hierüber. Indessen d r o h t in derartigen Fällen häufig ein Schaden, zumal f ü r Kaufleute. Die Bankkunden müßten daher bei einer Flut von Aufträgen auf die G e f a h r eines Schadens hinweisen, wenn man mit Ziff. 7 S. 1 Ernst machen würde. Ein solches Ansinnen aber wäre völlig lebensfremd und überdies mit den A n f o r d e r u n g e n eines reibungslosen Zahlungs- und Bankverkehrs unvereinbar. Die Klausel ist daher gemäß § 9 A G B G unwirksam, weil sie den Kunden unbillig belastet und ohne hinreichenden Anlaß vom Leitbild der Pflichten abweicht, die sich aus §§ 242, 254 BGB ergeben; denn danach hätte der K u n d e allenfalls dann eine Hinweispflicht bzw. -Obliegenheit, wenn die G e f a h r eines außergewöhnlichen oder besonders hohen Schadens besteht. Das muß nicht bedeuten, daß auch die Haftungsbeschränkung nach Ziff. 7 S. 3 hin- 2 5 7 8 fällig ist. In W a h r h e i t ist jedoch auch deren Unwirksamkeit zu bejahen — und zwar unabhängig davon, ob man § 11 N r . 7 A G B G auch auf Verzugsschäden i. S. von § 286 BGB anwendet (vgl. dazu oben Rdn. 2568) und ob man § 11 N r . 6 A G B G auf dem U m w e g über § 9 A G B G auf den kaufmännischen V e r k e h r durchschlagen läßt (a. A. Ulmer/Brandner Anh. nach §§9—11 Rdn. 154 f; Staudinger/Schlosser §11 Nr. 7 Rdn. 54; Graf von Westphalen W M 1980 1411 f). Das folgt im wesentlichen daraus, daß die Klausel ohne hinreichenden Anlaß vom Leitbild der §§ 276, 278, 286 BGB und damit von einem tragenden Gerechtigkeitsprinzip des geltenden Rechts — nämlich der Einstandspflicht f ü r schuldhafte Vertragsverletzungen — abweicht. W ä h r e n d die Bank nämlich in den Fällen von Ziff. 4 IV AGB selbst f ü r die Ingangsetzung des Zahlungsvorgangs sorgen m u ß und somit ein zusätzliches Risiko eingeht (vgl. oben Rdn. 2567 f), fehlt es hier an einem vergleichbaren G r u n d f ü r die H a f t u n g s b e s c h r ä n kung. Man könnte diesen daher allenfalls darin sehen, daß die drohenden Schäden Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
unüberschaubar sind und außer Verhältnis zum Entgelt der Bank stehen können. Indessen würde dies höchstens eine Pflicht zum Hinweis auf die Gefahr außergewöhnlicher oder besonders hoher Schäden rechtfertigen. Außerdem muß man nüchtern sehen, daß sich eine gerechte und vernünftige Relation zwischen dem Entgelt und der Leistung der Bank bezüglich des einzelnen Vertrages ohnehin nicht feststellen läßt und daß die Bank demgemäß ihr Auskommen erst durch die Gesamtheit der Verträge und der damit verbundenen, sich nicht im Entgelt erschöpfenden Vorteile findet. Dann aber ist es wesentlich gerechter, daß die Bank auch die Folgen von Pflichtverletzungen mit Hilfe des Preises auf die Gesamtheit ihrer Kunden umlegt, statt sie unter Durchbrechung eines so elementaren Grundsatzes wie des Verschuldensprinzips auf einzelne Kunden abzuwälzen, die dadurch ungleich härter, ja u. U. katastrophal getroffen werden. Das gilt um so mehr, als alle Banken die gleichen AGB verwenden und der Kunde angesichts dieses Konditionenkartells nicht auf Anbieter ausweichen kann, die ihre H a f t u n g nicht einschränken; daß Wettbewerbsbeschränkungen zu einer verschärften Inhaltskontrolle von AGB führen, ist ein ebenso altehrwürdiges wie legitimes Argument.
2579
Folgt man dem nicht, so muß man sich wenigstens bemühen, den Anwendungsbereich von Ziff. 7 strikt auf spezifische Verzögerungs- und Fehlleitungsschäden zu beschränken. Demgemäß fallen z. B. Verlust oder Entwertung eines Rechts, auf das sich der Auftrag bezieht, nicht unter die Klausel (vgl. auch Liesecke W M 1970 508). Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem Sinn der Vorschrift; denn der Verlust- oder Entwertungsschaden ist für die Bank i. d. R. nicht unüberschaubar und o f t sogar der H ö h e nach klar erkennbar. So haftet die Bank z. B. für ein sachwidriges Vorgehen oder eine Fehlleitung beim Einzug von Schecks, wenn diese dadurch uneinbringlich werden und dem Auftraggeber infolgedessen ein Schaden entsteht (vgl. B G H Z 6 55, 60; 13 127); auf Ziff. 7 kann sich die Bank hier nicht berufen. Das gleiche gilt z. B. für den Verlust eines durch Lastschrift einzuziehenden Betrages, wenn dieser wegen einer schuldhaften Verzögerung oder Fehlleitung eingetreten ist — etwa weil der Verpflichtete inzwischen zahlungsunfähig geworden ist (vgl. Liesecke W M 1970 508).
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Ziff. 7 betrifft nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung nur Verzögerungen oder Fehlleitungen bei der Ausführung von Aufträgen oder von Mitteilungen hierüber. Für Verzögerungen anderer Art besteht also keine Haftungsbeschränkung. Insbesondere ist Ziff. 7 nicht auf die Verzögerung von Mitteilungen anwendbar, die sich nicht auf die Ausführung von Aufträgen beziehen. Erst recht gilt die Vorschrift nicht für die Verzögerung der Ablehnung von Aufträgen; insoweit bleibt es vielmehr uneingeschränkt bei der Regelung der §§ 663 BGB, 362 HGB. Auch auf das Unterbleiben von Aufträgen oder Mitteilungen kann Ziff. 7 nicht angewendet werden (vgl. B G H W M 1978 637 unter I 2). 8. (1) Den Schaden der aus Ubermittlungsfehlern, Mißverständnissen und Irrtümern im telefonischen, telegrafischen, drahtlosen oder fernschriftlichen Verkehr mit dem Kunden oder mit Dritten entsteht, trägt der Kunde, sofern der Schaden nicht von der Bank verschuldet ist. (2) Die Bank behält sich vor, aus Gründen der Sicherheit bei telefonisch, telegrafisch, drahtlos oder fernschriftlich eingehenden Aufträgen vor Ausführung auf Kosten des Kunden telefonisch, telegrafisch, drahtlos oder fernschriftlich eine Bestätigung einzuholen. 1300
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Ziff. 9 A G B
(3) Wenn die Bank telefonische, telegrafische, drahtlose oder fernschriftliche Mitteilungen schriftlich bestätigt, hat der Kunde Abweichungen zwischen derartigen Mitteilungen und der schriftlichen Bestätigung unverzüglich zu beanstanden. Ziff. 8 I enthält eine Risikoabwälzung ohne Verschuldensfreizeichnung (vgl. dazu 2 5 8 1 allgemein oben Rdn. 2 5 3 5 a. E.). Denn die Vorschrift gilt nach ihrem klaren Wortlaut nur, wenn die Bank kein Verschulden trifft. Ihre Bedeutung liegt im wesentlichen im Ausschluß der Schadensersatzhaftung der Bank gemäß § 122 B G B bei einer Anfechtung nach § 119 oder § 120 B G B . Die Wirksamkeit dieses Haftungsausschlusses ist zu WM bejahen (ebenso Staudinger/Schlosser § 9 A G B G Rdn. 4 2 ; Graf von Westphalen 1980 1 4 1 2 ) ; denn die Verwendung von Telephon, Telegraph oder dgl. erfolgt in aller Regel im Interesse des Kunden, und daher stellt die Abweichung von der Risikoverteilung des § 122 B G B keine unbillige oder gar untragbare Benachteiligung des Kunden dar. Unterläuft nicht der Bank, sondern dem Kunden ein Fehler, so bleibt dessen Anfechtungsrecht gemäß § § 1 1 9 , 120 B G B unberührt, da Ziff. 5 I nur „den Schaden" und — im Gegensatz zu einer früheren Fassung — nicht mehr generell „die G e f a h r " auf den Kunden abwälzt (vgl. auch Liesecke W M 1970 5 0 8 ) ; selbstverständlich ist der Kunde aber nach § 122 B G B ersatzpflichtig. Die Beweislast für ein Verschulden der B a n k ist grundsätzlich nach der „Gefahren- 2 5 8 2 bereichstheorie" zu verteilen (vgl. dazu allgemein z. B. Larenz Schuldrecht I 1 2 , § 24 I b) und nicht schlechthin dem Kunden aufzuerlegen (a. A. Liesecke W M 1970 508 f). Zwar spricht der Wortlaut von Ziff. 8 I eher für die entgegengesetzte Ansicht, doch könnte der Kunde dazu allzu leicht in einen hoffnungslosen Beweisnotstand geraten, wenn die maßgeblichen Vorgänge allein in der für ihn unüberschaubaren internen Sphäre der Bank liegen; auch verstieße die Klausel sonst insoweit gegen § 11 Nr. 15 A G B G . D e r Vorbehalt einer Rückfrage nach Ziff. 8 II ist bei telegraphischen, telephoni- 2 5 8 3 sehen oder fernschriftlichen Aufträgen aus Gründen der Sicherheit erforderlich. Die praktische Bedeutung der Klausel dürfte zum einen darin liegen, daß der Kunde keinen Schadensersatzanspruch wegen der durch die Rückfrage etwa eintretenden V e r z ö g e rung geltend machen kann, und zum anderen darin, daß er die Kosten der Rückfrage zu tragen hat, was allerdings auch schon aus Ziff. 14 II folgt. Die Bestimmung begründet lediglich ein Recht, nicht aber eine Pflicht der B a n k zur 2 5 8 4 Rückfrage, wie sich aus ihrem Wortlaut („behält sich vor") klar ergibt. D e r Kunde kann einen Ersatzanspruch wegen des Unterbleibens einer Rückfrage also nicht auf Ziff. 8 II stützen. Andererseits schließt die Bestimmung aber einen solchen Anspruch auch nicht aus, sofern eine Rückfrage nach anderen Vorschriften wie insbesondere nach § 242 B G B geboten war. 9. Die Bank darf mit der Ausführung aller ihr übertragenen Geschäfte im eigenen Namen Dritte ganz oder teilweise beauftragen, wenn sie dies auch unter Abwägung der Interessen des Kunden für gerechtfertigt hält. Macht die Bank hiervon Gebrauch, so beschränkt sich ihre Verantwortlichkeit auf sorgfältige Auswahl und Unterweisung des von ihr beauftragten Dritten (Übertragung des Kundenauftrages nach § 664 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Folgt die Bank bei der Auswahl oder bei der Unterweisung des Dritten einer Weisung des Kunden, so trifft sie insoweit keine Haftung. Die Bank ist jedoch verpflichtet, ihrem Kunden auf Verlangen die etwa bestehenden Ansprüche gegen den Dritten abzutreten. Zweck und praktischer Anwendungsbereich von Ziff. 9 S. 1 und 2 sind einigermaßen 2 5 8 5 dunkel. Sicher ist nur, daß die Klausel die Zulassung der Substitution i. S. von §§ 664 I, Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. D i e Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
691 S. 2 BGB zum Ziel hat. W a r u m die Banken aber auf diese ausweichen wollen und warum das gar legitim sein soll, ist bisher völlig ungeklärt. In der Erstbearbeitung wurde denn auch kurz und trocken behauptet, daß „der Sinn der Klausel in der Abdingung der Einstandspflicht für Erfüllungsgehilfen gemäß $ 278 BGB liegt" (vgl. Anm. 1271; ähnlich Rehbein DB 1977 1350). Dagegen spricht indessen beim heutigen Rechtszustand sowohl Ziff. 25 I Halbs. 2 AGB, wo die Problematik der Einstandspflicht für selbständige Erfüllungsgehilfen eigens geregelt ist, also auch das offenkundige Bestreben der Banken, nicht mit dem AGBG und also auch nicht mit dessen § 11 Nr. 7 in Konflikt zu geraten. Auch ist man sich heute darüber im klaren, daß zwischen Substituten und Erfüllungsgehilfen tatbestandlich klar zu unterscheiden ist und daß es demgemäß einer Substitutionsklausel nicht bedarf, wo die von dem beauftragten Dritten wahrgenommene Pflicht von vornherein nicht der Bank obliegt (zutreffend z. B. Kumpel W M 1977 698 f; Graf von Westphalen W M 1980 1413 unter c). Das aber trifft auf die meisten Fälle zu, für die Ziff. 9 S. 1 allenfalls einschlägig sein könnte (vgl. z. B. oben Rdn. 391, 567, 742, 974, 1116). Es bleibt somit höchstens noch die Annahme, die Klausel diene „zur Vermeidung von Mißverständnissen über die Rechtsnatur der Einschaltung Dritter" und solle „ausdrücklich klarstellen, daß bei der Einschaltung Dritter eine Übertragung des Kundenauftrags nach § 664 I 2 BGB vorliegt und sich die Verantwortlichkeit (der Bank) demgemäß auf sorgfältige Auswahl und Unterweisung des beauftragten Dritten beschränkt" (so Rehbein DB 1977 1350). Das kann indessen in AGB nicht einfach mit rein deklaratorischer Wirkung „klargestellt" werden, da es ein Problem des objektiven Rechts bzw. z. T. auch der jeweiligen Vertrags- und Fallgestaltung ist, und auf eine solche bescheidene Klarstellung soll sich Ziff. 9 wohl auch kaum beschränken. Einen eigenen Anwendungsbereich hat die Klausel vielmehr nur, wenn sie vorsorglich die Substitutionsmöglichkeit auch f ü r solche Fälle schafft, in denen die von dem Dritten wahrgenommene Pflicht an sich der Bank selbst obliegt. 2586
Unter dieser Prämisse enthält Ziff. 9 eine Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht, da darin entgegen §§613 S. 1, 691 S. 1 BGB die Substitution grundsätzlich erlaubt und also deren „Gestattung" in Form einer AGB-Klausel erklärt wird (zutreffend Ulmer/Brandner Anh. zu §§9—11 Rdn. 156 gegen Kumpel W M 1977 699 ff); das gilt auch für Geschäftsbesorgungsverträge mit Werkvertragscharakter, für die zwar in § 675 BGB eine Verweisung auf § 664 BGB fehlt, auf die aber das Substitutionsverbot gleichwohl anzuwenden ist, soweit sie wie Bankverträge auf einem besonderen Vertrauensverhältnis beruhen (vgl. z. B. Larenz Schuldrecht II 1 1 § 56 V a. E.). Demgemäß unterliegt Ziff. 9 in vollem Umfang der Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff AGBG (a. A. Rümpel aaO). Diese führt zur Unwirksamkeit der Klausel (ebenso Brandner a a O ; Staudinger/Schlosser § 10 N r . 3 Rdn. 21; Palandt/Heinrichs § 11 Anm. 7 b; a. A. Rümpel a a O ; Lwowski Die Bank 1978 129; wohl auch Graf von Westphalen W M 1980 1413). Entscheidend ist dabei nicht der Rückgriff auf § 10 Nr. 3 AGBG (so Schlosser aaO), zumal die Erstreckung der Vorschrift auf die vorliegende Problematik äußerst fragwürdig ist. Den Ausschlag gibt vielmehr, daß das Prinzip der Höchstpersönlichkeit und damit das Substitutionsverbot zu den tragenden Grundgedanken des Geschäftsbesorgungsrechts gehört und ein triftiger Anlaß f ü r eine Abweichung nicht besteht. Der Schutz der Bank ist durch eine sachgerechte Bestimmung ihres Pflichtenkreises zu gewährleisten (vgl. die vorige Rdn. mit Rückverweisungen). Weiter zu gehen, besteht kein überzeugender Grund, sondern beschwört im Gegenteil zumindest für den Verkehr mit Nichtkaufleuten die Gefahr einer Umgehung von § 11 Nr. 7 AGBG herauf. Überdies ist Ziff. 9 auch insofern höchst unerfreulich, als der Kunde überhaupt nicht kontrollieren kann, ob und gegebenenfalls wann die Bank von der Substitutionsbefugnis Gebrauch macht — weshalb wohl auch ein Verstoß gegen § 11 Nr. 13 AGBG vorliegt. 1302
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Z i f f . 10 A G B
Unberührt von diesen Einwänden bleibt der in S. 3 enthaltene vollständige Haf- 2587 tungsausschluß für die Einschaltung eines nach Weisung des Kunden ausgewählten Dritten. Die Bank braucht sich hier also über die Person des Dritten und dessen Eignung grundsätzlich keine Gedanken zu machen, da ihr der Kunde die Entscheidung insoweit ja durch seine Weisung abgenommen hat. Das steht in Einklang mit dem Rechtsgedanken des § 3 II 2 Halbs. 2 DepG sowie mit dem allgemeinen Grundsatz, daß die Bank i. d. R. keine Überlegungen über die Zweckmäßigkeit der ihr erteilten Aufträge anzustellen braucht (vgl. z.B. oben Rdn. 104). In besonders gelagerten Fällen kann aber eine Pflicht zur Warnung des Kunden bestehen wie z. B. wenn die mangelnde Eignung des Dritten für die Bank evident ist und diese dem Kunden erkennbar verborgen geblieben war oder wenn die Bank Kenntnis vom unmittelbaren Bevorstehen eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Dritten hat (vgl. dazu auch oben Rdn. 105). In solchen Fällen greift der Haftungsausschluß nach Ziff. 9 S. 3 nicht ein, da es hier nicht um das gewöhnliche Risiko bei der Beauftragung Dritter geht, sondern um eine besondere aus der Geschäftsverbindung und aus Treu und Glauben folgende Warnpflicht. 10. (1) Die Bank steht dem Kunden nach bestem Wissen zu allen bankmäßigen Auskünften und Raterteilungen zur Verfügung. Bei mündlich erteilten Auskünften über Kreditwürdigkeit oder Zahlungsfähigkeit (Kreditauskunft) behält sich die Bank eine unverzügliche schriftliche Bestätigung vor, deren Inhalt sodann maßgeblich ist. Kreditauskttnfte erteilt die Bank unter Ausschluß der Haftung, soweit dies im Rahmen der Rechtsordnung zulässig ist. In demselben Umfang ist die Haftung der Bank für eine etwaige Unterlassung von Kreditauskünften ausgeschlossen. (2) Bei allen sonstigen bankmäßigen Auskünften und Raterteilungen sowie bei deren Unterlassung haftet die Bank nur für grobes Verschulden. Systematische
Übersicht
Rdn. I. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftung II. Die Haftungsbeschränkung für Kreditauskünfte 1. D e r V o r b e h a l t schriftlicher Bestätig u n g g e m ä ß Ziff. 10 I 2 2. D e r H a f t u n g s a u s s c h l u ß g e m ä ß Ziff. 10 I 3 a) Die P r o b l e m a t i k d e r Inhaltsk o n t r o l l e nach dem A G B G . . . b) D e r tatbestandliche Anwend u n g s b e r e i c h von Ziff. 10 1 3 . . 3. Die rechtlichen S c h r a n k e n d e r Freizeichnung a) Die Unterschiedlichkeit der Rechtslage im k a u f m ä n n i s c h e n und im nichtkaufmännischen Bereich und die f o r t d a u e r n d e Relevanz der v o r I n k r a f t t r e t e n des A G B G von d e r R e c h t s p r e -
Rdn.
2588 b)
2590 c)
2595 d) 2599
c h u n g entwickelten Freizeichnungsschranken Die Unzulässigkeit der Freizeichnung für Vorsatz und g r o b e Fahrlässigkeit v o n O r g a nen und „leitenden" Angestellten Die U n w i r k s a m k e i t der Freizeichnung bei beabsichtigter E r l a n g u n g eines Vorteils d u r c h die Bank Möglichkeiten zu einer W e i t e r entwicklung der Freizeichnungsschranken
2601
2603
2606
2608
III. Die Haftungsbeschränkung für sonstige bankmäßige Auskünfte und Raterteilungen gemäß Ziff. 10 II 2610 IV. Die Haftungsbeschränkung für die Unterlassung von Auskünften und Raterteilungen 2617
I. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftung Uber die Anspruchsgrundlagen und die sonstigen tatbestandsmäßigen Vorausset- 2 5 8 8 Zungen der Haftung für falsche Auskünfte und Ratschläge enthält Ziff. 10 keine Regelung. Insoweit sind vielmehr die allgemeinen Grundsätze anzuwenden, wie sie oben Claus-Wilhelm Canaris
1303
21. Abschnitt. D i e Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
Rdn. 77 ff für Auskünfte, Rdn. 100 ff für Ratschläge und Empfehlungen und Rdn. 103 ff für die Unterlassung von Rat, Warnung und Aufklärung dargestellt worden sind. 2589
Das gilt auch für Ziff.. 10 I S. 1, wonach die Bank dem Kunden nach bestem Wissen zu allen bankmäßigen Auskünften zur Verfügung steht. Darin liegt keine Grundlage für einen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder eines Rates 1 , sondern lediglich eine allgemeine Bereitschaftserklärung ohne Verpflichtungscharakter oder, wenn man so will, eine invitatio ad offerendum. Denn die möglichen Fragen der Kunden sind zu vielfältig und die Gefahr von Interessenkonflikten oder gar Pflichtverletzungen bei ihrer Beantwortung ist zu groß, als daß man der Bank den Willen unterstellen könnte, im voraus eine bindende Verpflichtung zur Erteilung beliebiger bankmäßiger Auskünfte und Ratschläge zu übernehmen. Daran ändert auch die Neufassung von Abs. I S. 4 nichts, wonach die Haftung der Bank für „eine etwaige Unterlassung von Kreditauskünften" im selben Umfang ausgeschlossen ist wie die Haftung für deren Erteilung. Damit soll nämlich nicht die Haftung für die Verweigerung einer — vom Kunden erbetenen — Auskunft ausgeschlossen werden, sondern vielmehr die Haftung für das Unterlassen einer — von der Bank aus eigener Initiative vorzunehmenden — Warnung oder Aufklärung, so daß die Bestimmung nicht etwa das Bestehen einer allgemeinen Pflicht zur Auskunfts- und Raterteilung als selbstverständlich voraussetzt. Das ergibt sich nicht nur aus ihrer Entstehungsgeschichte 2 , der allerdings für die Auslegung von AGB kein wesentliches Gewicht zukommt, weil sie dem Kunden regelmäßig unbekannt ist, sondern das klingt auch im Wortlaut mit hinreichender Deutlichkeit an, weil von „Unterlassung" und nicht, wie es anderenfalls richtig wäre, von „Ablehnung" oder „Verweigerung" der Auskunft die Rede ist. Darüber hinaus verbieten es auch die allgemeinen Grundsätze der objektiven Auslegung, der Bank ohne triftigen Grund einen so außerordentlich weitreichenden Verpflichtungswillen wie den zur Erteilung beliebiger bankmäßiger Auskünfte und Ratschläge zu unterstellen; man stelle sich nur vor, in welch hoffnungslose Konfliktslage sie sonst z. B. geriete, wenn ein Kunde von ihr eine dem Bankgeheimnis unterliegende Information über einen anderen Kunden haben wollte! Einen Anspruch auf eine von ihm erbetene Auskunft oder Beratung hat der Kunde folglich nicht schon nach Ziff. 10 11, sondern nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen auf Grund der allgemeinen Anspruchsgrundlagen (vgl. dazu oben Rdn. 75 f)II. D i e Haftungsbeschränkung für Kreditauskünfte 1. Der Vorbehalt schriftlicher Bestätigung gemäß Ziff. 1 0 1 2
2590
Nach Ziff. 10 12 behält sich die Bank bei mündlich erteilten Auskünften über Kreditwürdigkeit oder Zahlungsfähigkeit eine unverzügliche schriftliche Bestätigung vor, deren Inhalt dann maßgeblich ist. Dadurch wird zunächst die grundsätzliche Verbindlichkeit der mündlichen Auskunft anerkannt, die zwar'auch bei der früheren Fassung der Klausel von der Rechtsprechung bejaht wurde, jedoch sehr zweifelhaft war (vgl. 1 A. A. o f f e n b a r B G H Z 49, 167, 172, j e d o c h n u r in einem o b i t e r d i c t u m o h n e B e g r ü n d u n g ; Gaede Die H a f t u n g der Banken f ü r Kreditauskünfte, Diss. K ö l n 1970, S. 34 f ; Schönle § 5 II 2 a, d e r einen „ v e r h a l t e n e n A n s p r u c h " a n n i m m t , „ d e r erst entsteht, w e n n d e r B a n k k u n d e sein A u s k u n f t s r e c h t geltend m a c h t " .
1304
2
Vgl. Kumpel W M 1976 S o n d e r b e i l a g e N r . 1 S. 6, w o n a c h mit d e r jetzigen F a s s u n g die B e d e n k e n a u s g e r ä u m t w e r d e n sollen, die in d e r E r s t b e a r b e i t u n g A n m . 54 gegen die A n w e n d u n g d e r e n t s p r e c h e n d e n f r ü h e r e n Klausel auf W a r n - u n d A u f k l ä r u n g s p f l i c h t e n geltend g e m a c h t w o r d e n w a r e n ; d a ß das i m m e r n o c h n i c h t v o l l s t ä n d i g g e l u n g e n ist (vgl. unten R d n . 2 6 1 7 f), steht auf einem a n d e r e n Blatt.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 10 A G B
dazu Erstbearbeitung Anm. 1273 m. Nachw.). Unterbleibt also eine schriftliche Bestätigung, so darf der Kunde die mündliche Auskunft als verbindlich und endgültig betrachten und gegebenenfalls danach handeln. Die Bank hat jedoch das Recht zur Ersetzung der mündlichen durch eine schriftli- 2591 che Auskunft. Der Grund dieser Regelung liegt in der ungewöhnlichen Wichtigkeit und Schwierigkeit derartiger Auskünfte, bei denen es in ganz besonderem Maße auf eine sorgfältige und abgewogene Formulierung ankommt. Dabei spielt eine wesentliche Rolle die Tatsache, daß auch die Interessen des Dritten, über den die Auskunft erteilt wird, berücksichtigt werden müssen und daß die Bank sich insoweit insbesondere vor der Gefahr einer Verletzung des Bankgeheimnisses hüten muß (vgl. dazu näher oben Rdn. 56 ff). Es hat daher seinen guten Sinn und liegt im Interesse aller Beteiligten bzw. Betroffenen, daß die mündliche Kreditauskunft gewissermaßen aufschiebend bedingt durch das Unterbleiben einer abweichenden schriftlichen Erklärung ist. Über die Länge der Bestätigungsfrist lassen sich schwerlich präzise Aussagen 2 5 9 2 machen. Daß die Bank „unverzüglich" handeln muß, bedeutet nach der Legaldefinition von § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern". Dabei ist auf der einen Seite der Zeitraum zu berücksichtigen, den die Bank zur schriftlichen Absetzung der Auskunft und zu einer etwaigen Überprüfung ihrer Grundlagen braucht, auf der anderen Seite aber auch die Dringlichkeit der vom Kunden geplanten Maßnahme 3 ; will dieser z. B. einen Wechsel erwerben, so muß die Bank, falls dabei für eine schriftliche Bestätigung überhaupt Raum ist, wesentlich rascher handeln als z. B., wenn der Kunde mit dem Dritten, auf den sich die Auskunft bezieht, in Verhandlungen über eine Darlehensgewährung oder eine Unternehmensbeteiligung treten will. Zweifelhaft ist, wer das Risiko des Zugangs der schriftlichen Bestätigung trägt. 2 5 9 3 Gemäß § 130 BGB liegt es grundsätzlich bei der Bank. Daran ändert wohl auch Ziff. 1 II AGB nichts; denn da die schriftliche Bestätigung der mündlichen Auskunft ihre Verbindlichkeit nimmt, kann sie für den Kunden so weitreichende Folgen haben, daß es sich um eine „Erklärung von besonderer Bedeutung" i. S. von Ziff. 1 II 2 handeln dürfte. Allerdings trifft diesen u. U. der Vorwurf des Mitverschuldens, wenn er bei der Bank nicht wegen des Ausbleibens einer schriftlichen Bestätigung rückgefragt hat. Darüber hinaus kann die Bank sich schützen, indem sie den Vorbehalt schriftlicher 2 5 9 4 Bestätigung in die mündliche Auskunft aufnimmt. In einem solchen Fall hat sie nicht lediglich das Recht zur Ersetzung der — an sich schon verbindlichen — mündlichen Auskunft durch eine schriftliche nach Ziff. 10 12. Vielmehr ist hier die mündliche Auskunft als solche unverbindlich, weil ihre Vorläufigkeit durch den Bestätigungsvorbehalt unmißverständlich zum Ausdruck kommt und der Kunde daher auf eigenes Risiko handelt, wenn er sich ohne schriftliche Bestätigung auf die Auskunft verläßt. Folgerichtig kommt es weder auf Unverzüglichkeit noch auf Zugang an. Es ist eben etwas ganz anderes, ob der Kunde durch einen in der Auskunft selbst enthaltenen Vorbehalt gewarnt oder lediglich mit einem aus den AGB zu entnehmenden Vorbehalt konfrontiert wird. 2. Der Haftungsausschluß gemäß Ziff. 10 I 3 a) Die Problematik der Inhaltskontrolle nach dem AGBG Nach Ziff. 10 1 3 erteilt die Bank Kreditauskünfte nur „unter Ausschluß der H a f - 2 5 9 5 tung, soweit dies im Rahmen der Rechtsordnung zulässig ist". Daß die Bank grundsätzlich ein legitimes Interesse an einem Haftungsausschluß hat, ist unbestreitbar. Denn 3 Vgl. auch Graf von Westphalen^lU
1980, 1414. C l a u s - W i l h e l m Canaris
1305
21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
erstens erteilt sie ihre Auskünfte in aller Regel unentgeltlich und freiwillig — wenn auch nicht immer ohne Eigeninteresse; zweitens sind Möglichkeit und Höhe eines drohenden Schadens für sie häufig gänzlich unüberschaubar, weil sie keinen Einblick in die Absichten und Pläne ihres Kunden hat; und drittens ist die Gefahr, daß ihr einmal eine falsche Auskunft unterläuft, ziemlich hoch, weil die zu beurteilenden Verhältnisse oft sehr komplex sind und ihre Bewertung entsprechend diffizil ist und weil überdies u. U. auch auf die Interessen dessen, auf den sich die Auskunft bezieht, Rücksicht genommen werden muß. Aus kleinen Fehlern, wie sie immer mal wieder unterlaufen können, kann also ein unverhältnismäßig hoher Schaden erwachsen, ohne daß dem ein Äquivalent in Form eines entsprechenden Entgelts gegenübersteht — eine Sachlage, die geradezu an die Umschreibungen der „schadensgeneigten Tätigkeit" erinnert.
2596
Wenn die Rechtswirksamkeit von Ziff. 10 13 heute gleichwohl umstritten ist 4 , so wegen der rechtstechnischen Ausgestaltung der Klausel, die die Grenzen der Haftung nicht konkret umschreibt, sondern zunächst einen generellen Haftungsausschluß statuiert und diesen dann durch eine „salvatorische Klausel", wonach er nur in den von der „Rechtsordnung" gezogenen Zulässigkeitsgrenzen gelten soll, z. T. wieder zurücknimmt. Indessen ist diese Regelung zumindest für den kaufmännischen Bereich i. S. von § 24 AGBG unbedenklich. Einerseits ist es nämlich gerade in dem äußerst diffizilen Gebiet der Kreditauskünfte legitim, daß die Banken den Spielraum für Freizeichnungen bis zum äußersten auszuschöpfen suchen, andererseits lassen sich die Grenzen, die weitgehend richterrechtlich geprägt und verhältnismäßig vielgestaltig sind (vgl. unten Rdn. 2603 ff), nicht in einer Weise formulieren, die die für eine AGB-Klausel erforderliche Prägnanz und Knappheit aufweist 5 . Darüber hinaus kann man von den Banken auch gar nicht erwarten, daß sie die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Grenzen von Freizeichnungsklauseln in ihren AGB festschreiben 6 . Denn da den Gerichten die Kompetenz zur Rechtssetzung fehlt, ist es das legitime Recht jedes Staatsbürgers, auch eine ständige und im Schrifttum anerkannte höchstrichterliche Rechtsprechung abzulehnen und auf ihre Änderung zu hoffen. Das gilt umso mehr, als die §§ 13 ff ABGB ein besonderes AGB-Kontrollverfahren vorsehen, in dem die Ungültigkeit von AGB-Klauseln mit Wirkung auch für zukünftige Fälle festgestellt werden kann (vgl. § 21); dieses stellt insoweit eine abschließende Regelung dar, neben der für zusätzliche Sanktionen wegen Mißachtung von richterlichen Erkenntnissen über die Unwirksamkeit von AGB-Klauseln kein Raum ist. Folglich muß man für Fälle wie den vorliegenden jedenfalls eine salvatorische Klausel genügen lassen, wenn man schon der — im Anwendungsbereich von § 9 AGBG an sich ohnehin verfehlten — Lehre folgt, daß ein zu weit gefaßter Haftungsausschluß grundsätzlich nicht nur zur Reduktion der Freizeichnungsklausel auf ihre zulässige Reichweite, sondern zu ihrer vollständigen Kassation führt 7 . 4
V e r n e i n t w i r d sie v o r allem v o n Staudin ger/Schlosser'2 § 11 N r . 7 R d n . 28 a. E. u n d R d n . 54 s o w i e w o h l a u c h v o n Graf von Westphalen W M 1980, 1414 f, dessen definitive P o s i t i o n i n s o w e i t freilich s c h w e r a u s z u m a c h e n ist; b e j a h t w i r d sie d a g e g e n v o n d e r h. L.; vgl. Rehbein D B 1977, 1351; Lwowski D i e B a n k 1978, 128; Dirichs W M 1978, 627 f ; Thümmel/Oldenburg BB 1979, 1067 f f ; 3 Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen A n h a n g zu § § 9 - 1 1 R d n . 158; M ü n c h K o m m . - / / a n a « § 2 7 6 R d n . 191.
5
D i e R e l e v a n z dieses G e s i c h t s p u n k t s a n e r k e n n t g r u n d s ä t z l i c h a u c h Schlosser, vgl. W M 1978, 569.
1306
6 A. A. o f f e n b a r Graf von Westphalen W M 1980, 1415, n a c h dessen A n s i c h t es „ d e n B a n k e n z u m u t b a r sein d ü r f t e , sich bei d e r F i x i e r u n g des U m f a n g s d e r H a f t u n g s f r e i z e i c h n u n g g e m ä ß Ziff. 10 I 3 an d e r v o n d e r J u d i k a t u r v e r t r e t e n e n A u f fassung zu orientieren"; wohl auch Schlossern/M 1978, 569 Sp. 2, d e r a n s c h e i n e n d s a l v a t o r i s c h e n K l a u s e l n n u r bis z u einer h ö c h s t r i c h t e r l i c h e n K l ä r u n g d e r H a f t u n g s g r e n z e n eine gewisse F u n k t i o n zubilligen will. 7
Vgl. d a z u n ä h e r Capelle/Canaris Handelsrecht19, § 15 I 3 e m. N a c h w . z u m S t r e i t s t a n d .
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 10 AGB Dem läßt sich für den kaufmännischen Bereich auch nicht entgegenhalten, die Klausel müsse im Hinblick auf § 11 Nr. 7 AGBG zumindest die Klarstellung enthalten, daß die H a f t u n g für grobe Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen ist 8 . Denn selbst wenn man der Meinung ist, daß § 11 Nr. 7 AGBG auf dem Umweg über § 9 AGBG unmodifiziert auf den kaufmännischen Bereich durchschlägt, kann man doch von den Banken nicht erwarten, daß sie sich diese — in der Tat verfehlte (vgl. unten Rdn. 2601 f) — Ansicht zu eigen machen und in ihre AGB übernehmen. Demgemäß ist f ü r den kaufmännischen Bereich daran festzuhalten, daß für die Inhaltskontrolle nur ein generalklauselartiger Maßstab — nämlich der des § 9 AGBG — zur Verfügung steht und folglich eine salvatorische Klausel zulässig sein muß, wenn man nicht sowieso der Theorie vom Vorrang der klauselerhaltenden Reduktion vor der Kassation folgt, für die sich das ganze Problem gar nicht stellt. Heikler ist die Rechtslage im nichtkaufmännischen Bereich, der hier freilich von 2 5 9 7 weitaus geringerer praktischer Bedeutung ist. Insoweit kann nämlich kein Zweifel an der Geltung von § 11 Nr. 7 AGBG und damit an der Unzulässigkeit einer Freizeichnung für grobe Fahrlässigkeit bestehen, und insoweit hat die Lehre vom Vorrang der Kassation vor der klauselerhaltenden Reduktion auch einen guten Sinn, weil es nicht um einen — schwer zu konkretisierenden — generalklauselartigen Prüfungsmaßstab, sondern um eine tatbestandlich klar umrissene Verbotsnorm geht 7 . Daß die Freizeichnung auch für bestimmte Fälle der einfachen Fahrlässigkeit unwirksam sein kann (vgl. dazu unten Rdn. 2606), mag zwar auch hier eine salvatorische Klausel nahelegen, rechtfertigt aber nicht, den Hinweis auf die H a f t u n g bei grobem Verschulden einfach wegzulassen. Noch weniger Gewicht hat das Argument, daß der Haftungsausschluß für den kaufmännischen und den nichtkaufmännischen Bereich einheitlich geregelt werden sollte; denn das ist wegen der unterschiedlichen Zulässigkeitsgrenzen eben nicht möglich, wenn f ü r den kaufmännischen Bereich der Spielraum bis zum äußersten ausgenutzt wird, und daher hätte eine differenzierende Regelung getroffen werden müssen, wie sie z. B. in Ziff. 7 S. 3 AGB enthalten ist. Man wird daher nicht daran vorbeikommen, daß Ziff. 10 I 3 in seiner derzeitigen Fassung für den nichtkaufmännischen Bereich unwirksam ist, so unerfreulich dieses Ergebnis wegen der grundsätzlichen Legitimität des Haftungsausschlusses (vgl. oben Rdn. 2595) auch sein mag. Die Wirksamkeit der Klausel für den kaufmännischen Bereich wird dadurch selbst- 2 5 9 8 verständlich nicht berührt, weil ihre Geltung ja auf der jeweiligen vertraglichen Einbeziehung beruht und ihr rechtliches Schicksal daher gegenüber unterschiedlichen Vertragspartnern unterschiedlich sein kann. Darüber hinaus wird man sogar für den nichtkaufmännischen Bereich dadurch Abhilfe schaffen können, daß man trotz § 6 II AGBG nicht einfach § 276 I BGB anwendet, sondern dem Rückgriff auf Ziff. 10 II AGB den Vorrang gibt, indem man das in dieser Klausel enthaltene Wort „sonstigen" wegen der Unwirksamkeit von Ziff. 10 1 3 als obsolet betrachtet und wegläßt; denn Ziff. 10 II ist der Grundtatbestand, zu dem Ziff. 10 I 3 die Ausnahme bildet (vgl. unten Rdn. 2610), und daher ist es folgerichtig, bei Unwirksamkeit von Ziff. 1 0 1 3 zu Ziff. 10 II zurückzukehren. Im praktischen Ergebnis kommt man dann zu einer Gesamtregelung, die etwa folgenden Wortlaut haben könnte: „Bei allen bankmäßigen Auskünften und Raterteilungen haftet die Bank nur für grobes Verschulden. Handelt es sich um eine Kreditauskunft und gehört deren Einholung für den Kunden zum Betrieb seines Handelsgewerbes, so ist auch die H a f t u n g für 8
A. A. o f f e n b a r Staudinger/Schlosser § 11 N r . 7 Rdn. 54 i. V. m. Rdn. 28, w o jedoch keine f ü r den
kaufmännischen Bereich b r a u c h b a r e Begründung gegeben wird.
Claus-Wilhelm Canaris
1307
21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
grobes Verschulden und Vorsatz ausgeschlossen, soweit dies im Rahmen der Rechtsordnung zulässig ist." b) Der tatbestandliche Anwendungsbereich von Ziff. 10 13 2599
Der gegenständliche Anwendungsbereich von Ziff. 10 1 3 ist auf Kreditauskünfte beschränkt. Deren Sonderstellung gegenüber den in Abs. 2 geregelten „sonstigen bankmäßigen Auskünften und Raterteilungen" erklärt sich ersichtlich daraus, daß die Verfasser der AGB Kreditauskünfte als besonders gefährlich ansahen und die Möglichkeit einer Freizeichnung hier daher bis zum äußersten ausschöpfen wollten. In der Tat bergen Kreditauskünfte besonders hohe Risiken in sich (vgl. oben Rdn. 2595); auch ist die Versuchung für den Kunden hier besonders groß, die Folgen seiner Entscheidung bei einem Mißerfolg auf die Bank zu überbürden. Den Begriff der Kreditauskunft bestimmt der vorhergehende Satz der Klausel dahin, daß es sich um eine Auskunft „über Kreditwürdigkeit oder Zahlungsfähigkeit" handelt. Demgemäß fällt z. B. die Auskunft über die Deckung eines Schecks nicht unter diese Klausel, sondern unter Abs. 2, da die Erklärung der Bank dabei nicht die Kreditwürdigkeit oder Zahlungsfähigkeit des Ausstellers, sondern den Kontostand betrifft (vgl. dazu im übrigen auch unten Rdn. 2616).
2600
Bezüglich des persönlichen Anwendungsbereichs weist Ziff. 10 13 keine Besonderheiten auf, so daß insoweit auf die Ausführungen unten Rdn. 2616 zum Grundtatbestand des Abs. 2 verwiesen werden kann. 3. Die rechtlichen Schranken der Freizeichnung a) Die Unterschiedlichkeit der Rechtslage im kaufmännischen und im nichtkaufmännischen Bereich und die fortdauernde Relevanz der vor Inkrafttreten des AGBG von der Rechtsprechung entwickelten Freizeichnungsschranken
2601
Für den nichtkaufmännischen Bereich ist die Rechtslage insofern verhältnismäßig klar, als § 11 Nr. 7 AGBG f ü r diesen eine Freizeichnung f ü r Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit von Erfüllungsgehilfen zwingend ausschließt; das führt vom hier vertretenen Standpunkt aus dazu, daß Ziff. 10 13 insoweit unwirksam ist (vgl. oben Rdn. 2597) und Ziff. 10 II zur Anwendung kommt (vgl. oben Rdn. 2598). Für den kaufmännischen Bereich gilt § 11 Nr. 7 AGBG dagegen gemäß § 24 AGBG nicht unmittelbar, doch kommt eine verbreitete Ansicht gleichwohl auch hier zur Anwendbarkeit von § 11 Nr. 7 AGBG, indem sie die Vorschrift unmodifiziert zur Konkretisierung von § 9 AGBG heranzieht 9 . Das ist indessen nicht zu billigen. Denn die Regelung von § 11 Nr. 7 AGBG hat zwar den Vorzug tatbestandlicher Klarheit und großer Praktikabilität, doch ist nicht dieses Kriterium für die Konkretisierung von § 9 AGBG ausschlaggebend, sondern das des Gerechtigkeitsgehalts. Unter diesem Gesichtspunkt aber ist § 11 Nr. 7 AGBG in seiner Starrheit eine durchaus problematische Vorschrift, was sich auch daran zeigt, daß sie im Gegensatz zu den meisten anderen Klauselverboten weit über den vor Inkrafttreten des AGBG geltenden Rechtszustand hinausgeht und im Gesetzgebungsverfahren besonders lebhaft umstritten war 1 0 . Der Wertung von § 24 AGBG, wonach die Klauselverbote von § 11 AGBG als solche im kaufmännischen Bereich eben gerade nicht gelten, läßt sich daher nur durch eine differenzierende Lösung Rechnung
9
Vgl. statt aller Graf von Westphalen W M 1980, 1415 m. N a c h w . in F n . 104 sowie m . N a c h w . z u r G e g e n m e i n u n g in Fn. 105.
1308
10
Vgl. z u r E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e z. B. Hensen ( F n . 4) § 11 N r . 7 R d n . 2 ff.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
aaO
Ziff. 10 AGB
tragen, die eine pauschale Übernahme von § 11 Nr. 7 AGBG vermeidet. Das heißt natürlich nicht, daß nicht auch hier die Freizeichnung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit von Erfüllungsgehilfen gegen § 9 AGBG verstoßen könnte, sondern lediglich, daß das nicht generell und unabhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Sachproblems gilt 11 . Diese sprechen im vorliegenden Zusammenhang nachdrücklich für die Zulässigkeit 2 6 0 2 einer weitreichenden Freizeichnung und gegen die Übernahme des Verbots von § 11 Nr. 7 AGBG. Dabei muß man sich zunächst daran erinnern, daß § 676 BGB an sich einer generellen Vertragshaftung für falsche Auskünfte und damit der Anwendung von § 278 BGB überhaupt entgegensteht. Daß diese Wertung mit Hilfe der (in Wahrheit fiktiven) Konstruktion des konkludent abgeschlossenen Auskunftsvertrags bzw. der Lehre von der Vertrauenshaftung modifiziert worden ist, stellt zwar nicht geradezu eine Rechtsfortbildung contra legem dar, bildet sicher aber auch kein Musterbeispiel einer unabweisbaren „klassischen" Lückenfüllung. Man muß also klar sehen, daß man sich hier von vornherein im Randbereich des legitimen Anwendungsfeldes von § 278 BGB bewegt, und man darf sich demgemäß den Blick auch nicht durch die Behauptung trüben lassen, ein Haftungsausschluß für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sei a priori unangemessen; nicht darum geht es, sondern allein um die Reichweite von § 278 BGB und um die Frage, inwieweit dessen Grenzen zu § 31 BGB aufgeweicht werden sollen (vgl. dazu auch unten Rdn. 2608). In die gleiche Richtung zielt der Hinweis auf die Unentgeltlichkeit der Auskunftserteilung, der ebenfalls deutlich macht, daß es keineswegs um den typischen Fall der Vertragshaftung, sondern um eine privilegierungswürdige Sonderform geht. Die Unentgeltlichkeit läßt zugleich auch den Ausweg einer höhenmäßigen Haftungsbegrenzung, den auch Anhänger der Anwendung von § 11 Nr. 7 AGBG offen lassen, als unangemessen erscheinen — ganz abgesehen davon, daß die Summe hier nur völlig willkürlich gegriffen und an keinerlei Sachgesichtspunkten ausgerichtet werden könnte. Nimmt man die besondere „Schadensgeneigtheit" von Auskünften hinzu (vgl. oben Rdn. 2595), so sprechen insgesamt die besseren Gründe dafür, eine teilweise Abdingung von § 278 BGB für zulässig zu erachten 12 und es insoweit bei den vor Inkrafttreten des AGBG entwickelten Grenzen (vgl. zu diesen sogleich) bewenden zu lassen. Insbesondere ist die Erwartung völlig lebensfremd, daß die Gerichte den Besonderheiten der Problematik durch eine flexible Handhabung der Sorgfaltsmaßstäbe und eine weitgehende Verneinung von grober Fahrlässigkeit hinreichend Rechnung tragen werden; denn zum einen lehrt die Erfahrung, daß jedenfalls in den unteren Instanzen seltsame Fehlvorstellungen über Sorgfaltsstandards keine Seltenheit sind, und zum anderen muß man nüchtern sehen, daß die Drohung mit einem Prozeß, der sich u. U. schon als solcher und erst recht bei Verlust einer Instanz imageschädigend auswirken kann, ein wirksames Kampfmittel in der Hand des Kunden bildet, mit dessen Hilfe dieser die Folgen eigener unternehmerischer Fehlentscheidungen auf die Bank abzuwälzen suchen kann.
11
Mit R e c h t m a c h t d a h e r Hensen a a O § 11 N r . 7 R d n . 38 f ü r d e n k a u f m ä n n i s c h e n Bereich eine A u s n a h m e v o m F r e i z e i c h n u n g s v e r b o t des § 11 N r . 7 A G B G im Falle einer „ b r a n c h e n t y p i s c h e n H a f t u n g s f r e i z e i c h n u n g " , die er z. B. f ü r die A D S p a n n i m m t u n d die f o l g e r i c h t i g bei Z i f f . 10 I 3 d e r B a n k - A G B ebenfalls a n e r k a n n t w e r d e n m u ß ; vgl. f e r n e r z. B. MüuchKomm.-Hanau § 276 R d n . 191, d e r diese Klausel f ü r d e n k a u f m ä n n i schen Bereich a u s d r ü c k l i c h als w i r k s a m b e h a n -
delt, o b w o h l er g r u n d s ä t z l i c h die R e g e l u n g v o n 5 1 1 N r . 7 A G B G ü b e r § 9 A G B G auf d e n k a u f m ä n n i s c h e n Bereich ü b e r t r ä g t , sowie M ü n c h K o m m . - Ä ö / z § 11 A G B G R d n . 64, d e r ebenfalls „ A u s n a h m e n v o n diesem G r u n d s a t z " — n ä m l i c h einem an § 11 N r . 6 o r i e n t i e r t e n F r e i z e i c h n u n g s v e r b o t a u c h f ü r den k a u f m ä n n i s c h e n V e r k e h r — z u l a s s e n will, „ w o sich d a f ü r b e s o n d e r e G r ü n d e a n g e b e n lassen". 12
Vgl. d a z u a u c h die N a c h w . in d e r v o r i g e n F n .
Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
b) Die Unzulässigkeit der Freizeichnung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit von Organen und „leitenden" Angestellten 2603
Die wichtigste Regel, die die Rechtsprechung zu Ziff. 10 a. F. entwickelt hat, ist die Unzulässigkeit einer Freizeichnung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit von Organen und „leitenden" Angestellten 13 . Lehnt man mit der hier vertretenen Ansicht die unmodifizierte Übertragung von § 11 Nr. 7 AGBG auf den kaufmännischen Bereich ab, so ist diese Grenze insoweit auch heute noch aktuell — allerdings wegen der unterschiedlichen Fassung von Ziff. 10 1 3 und II nur noch bei Kreditauskünften. Die Gleichstellung der groben Fahrlässigkeit mit dem Vorsatz fehlte zwar in älteren Entscheidungen noch gänzlich 1 4 und bildete auch später meist nur ein nicht näher begründetes obiter dictum 1 5 , doch erscheint diese Ausweitung sachgerecht, weil das Vorliegen von Vorsatz i. d. R. kaum zu beweisen ist und der bezweckte Rechtsschutz f ü r den Kunden daher leerzulaufen droht. In dieser Tatbestandsgruppe geht dann zugleich der Fall auf, daß der Sorgfaltsverstoß sich nicht auf eine bestimmte einzelne Auskunft oder Raterteilung beschränkt, sondern auf einem grundliegenden Organisationsmangel beruht, der zuverlässige Auskünfte überhaupt unmöglich macht; denn in einem solchen Fall, für den eine Freizeichnung keinesfalls in Betracht kommen kann 1 6 , wird stets grobe Fahrlässigkeit eines Organs oder eines leitenden Angestellten vorliegen.
2604
Der Begriff des Organs ist im Sinne des Gesellschaftsrechts, insbesondere im Sinne des § 31 BGB zu verstehen. Darunter fällt daher z. B. der Komplementär einer KG 1 7 . Der Begriff des leitenden Angestellten setzt voraus, daß die betreffende Person als Repräsentant des Unternehmens anzusehen ist und daß ihr Handeln tatsächlich und rechtlich dem eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters gleichwertig ist 18 . Das ist z. B. hinsichtlich eines Filialleiters zu bejahen 1 9 und kann auch für den Rendanten einer kleineren Genossenschaftsbank zutreffen 2 0 . Ein Prokurist als solcher oder ein Abteilungsleiter in einer Filiale erfüllen dagegen den Begriff des leitenden Angestellten nicht 2 1 . Da es letztlich um eine sachgerechte Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 31 BGB geht (vgl. auch unten Rdn. 2608), können im übrigen die dazu entwickelten Grundsätze (vgl. oben Rdn. 140) im wesentlichen auch im vorliegenden Zusammenhang herangezogen werden.
2605
Die Beweislast dafür, daß die auskunftgebende Person nicht zu den Organen oder leitenden Angestellten gehört, trägt die Bank 2 2 . Gleiches dürfte folgerichtig für die Frage gelten, ob grobe oder nur einfache Fahrlässigkeit vorlag; denn auch dabei geht es nicht um die Tatbestandsvoraussetzungen des vom Kunden geltend gemachten Anspruchs, sondern um die Zulässigkeits- und Wirksamkeitsvoraussetzungen der Freizeichnung. c) Die Unwirksamkeit der Freizeichnung bei beabsichtigter Erlangung eines Vorteils durch die Bank
2606
Für die Anwendung von Ziff. 1 0 1 3 bleibt somit von vornherein nur Raum, wenn entweder ein nicht-leitender Angestellter die Auskunft gegeben hat oder wenn einem 13 Vgl. B G H W M 1970, 1021, 1022; 1971, 817, 818; 1971, 987, 989 unter 4; 1972, 583, 585 unter IV c 1; 1974, 272, 273 unter V 4 a; 1974, 685, 686. '4 Vgl. z. B. B G H Z 13, 198, 203; B G H W M 1956, 1056, 1058. 15 Vgl. aber immerhin O L G Köln W M 1973, 1125, 1126 f, wo die Gleichstellung der groben Fahrlässigkeit tragender Urteilsgrund ist.
1310
l 6 Vgl. schon Raiser Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, S. 315. '7 Vgl. B G H W M 1973, 164, 165 unter III. 1« Vgl. z. B. B G H W M 1970, 632, 633. 1» Vgl. B G H Z 13, 198, 203; B G H W M 1956, 1056, 1058; 1970, 632, 633; 1970, 1021, 1022. Vgl. B G H W M 1974, 685, 686 unter 3. 21 Vgl. B G H W M 1970, 633; 1970, 1022. 22 Vgl. B G H W M 1972, 583, 585 unter IV c 1.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 10 AGB Organ bzw. einem leitenden Angestellten nur einfache Fahrlässigkeit zur Last fällt. Auch für diese Fälle hat die Rechtsprechung indessen eine weitere Einschränkung entwickelt, die durch das Kriterium der Erlangung eines Vorteils durch die Bank charakterisiert wird. Der Bank soll nämlich die Berufung auf die Freizeichnungsklausel versagt sein, wenn sie die unrichtige Auskunft gegeben hat, um den Auskunftempfänger zu bestimmten Maßnahmen zu veranlassen und daraus selbst Vorteile zu ziehen, und so die Vorteile ihres schuldhaften Verhaltens zu Lasten des Auskunftempfängers ausgenutzt hat 2 3 . Ein typisches Beispiel ist der Fall, daß ein Bankangestellter einem Bauunternehmen eine falsche Auskunft über die Kreditwürdigkeit eines Bauherrn gibt, um jenes zur Fortsetzung der Bauarbeiten zu veranlassen und dadurch den Wert eines zugunsten der Bank auf dem Grundstück liegenden Grundpfandrechts zu erhöhen oder zu sichern 24 . Dabei müssen nach den Formulierungen, die die Rechtsprechung überwiegend verwendet, ein subjektives und ein objektives Merkmal kumulativ erfüllt sein: der Angestellte muß die Auskunft in der Absicht gegeben haben, einen Vorteil zu erlangen, und die Bank muß die Folgen der falschen Auskunft auch tatsächlich ausgenutzt und den Vorteil wirklich erlangt haben. Wenn sie nur objektiv aus der Auskunft Vorteile gezogen hat, ohne daß der auskunftgebende Angestellte von vornherein eine entsprechende Absicht hatte, soll § 242 BGB der Berufung auf die Freizeichnungsklausel nicht entgegenstehen 2 5 (vgl. aber auch unten Rdn. 2609). Das darf allerdings nicht zu dem Mißverständnis verleiten, daß es bei dieser Fallgruppe nur um vorsätzliche Pflichtverletzungen geht; Absicht ist vielmehr lediglich hinsichtlich der Vorteilserlangung erforderlich, während bezüglich der Unrichtigkeit der Auskunft leichte Fahrlässigkeit genügt — und zwar unabhängig davon, von wem sie gegeben wurde, so daß die Abgrenzung zwischen leitenden und nicht-leitenden Angestellten hier keine Rolle spielt. Zugleich wird daraus deutlich, daß diese Freizeichnungsschranke immer noch auch für den nichtkaufmännischen Bereich relevant ist, da § 11 Nr. 7 AGBG ja nur den Haftungsausschluß für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz untersagt.
2607
d) Möglichkeiten zu einer Weiterentwicklung der Haftungsschranken Uberblickt man die Entwicklung der Rechtsprechung, so ist eine gewisse Tendenz zu einer immer weiter gehenden Zurückdrängung der Freizeichnungsmöglichkeiten nicht zu verkennen. Es fragt sich daher, ob und in welcher Richtung neue, über den derzeitigen Stand hinausgehende Einschränkungen der Haftungsausschlußklausel zu erwarten sind. Eine Antwort hierauf läßt sich nur geben, wenn man auf den Rechtsgrund der bisher entwickelten beiden Tatbestände zurückgeht und nach deren dogmatischer Einordnung fragt. Was insoweit zunächst das Freizeichnungsverbot für Organe und leitende Angestellte angeht, so erscheint hier eine weitere Ausdehnung nicht denkbar. Die dogmatische Grundlage und die sachliche Rechtfertigung für diesen Tatbestand kann nämlich nur in einer Anknüpfung an das Freizeichnungsverbot des § 276 II BGB und in dem Ausbau des darin zum Ausdruck kommenden rechtsethischen Prinzips gesehen werden. Nach richtiger Ansicht fallen Organe unmittelbar unter § 276 II BGB, da das Unternehmen überhaupt nur durch sie handlungsfähig ist und eine Freizeichnung für ihr Verhalten daher als Freizeichnung des „Schuldners" i. S. von § 276 II BGB anzusehen ist. Daß die leitenden Angestellten damit gleichgestellt werden, läßt 23 Vgl. B G H Z 13, 198, 201 f; B G H W M 1955, 230, 234 unter Ziff. 4; 1955, 1056, 1058; 1962, 1220, 1221 unter I 1 b ; 1970, 632, 633; 1971, 817, 818; 1971, 987, 989; 1973, 164, 165; 1973, 635, 636 unter 2 d.
24 V g l . z. B. B G H W M 1955, 230, 234; vgl. auch B G H W M 1972, 583, 585 unter IV c 3. 25 Vgl. B G H W M 1970, 632, 633.
Claus-Wilhelm Canaris
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2608
21. Abschnitt. D i e A l l g e m e i n e n G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n der privaten Banken
sich ohne weiteres mit Hilfe einer Analogie und durch den Hinweis auf die sonst drohende Umgehungsgefahr begründen. Die leitenden Angestellten müssen dann aber auch wirklich einem Organ oder einem verfassungsmäßigen Vertreter i. S. von § 31 BGB funktionell vergleichbar sein. Eine Ausweitung des Begriffs des leitenden Angestellten über die oben Rdn. 2604 gegebene Definition hinaus ist daher nicht möglich. Noch weniger läßt sich folglich ein generelles Freizeichnungsverbot für Vorsatz nichtleitender Angestellter vertreten, und der B G H hat dieses dann auch entgegen manchen Stimmen im Schrifttum 2 6 ausdrücklich abgelehnt 2 7 (vgl. freilich auch unten Rdn. 2609). Auch ein absolutes Freizeichnungsverbot für einfache Fahrlässigkeit von Organen und leitenden Angestellten kommt nicht in Betracht 28 . Schon die Gleichstellung der groben Fahrlässigkeit mit dem Vorsatz bedeutet einen nicht unerheblichen Schritt über den unmittelbaren Anwendungsbereich von § 276 II BGB hinaus, läßt sich aber wegen der Gefahr, daß der von § 276 II BGB bezweckte Schutz sonst weitgehend leerläuft, und wegen der bekannten Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Vorsatz — zumal in der Form des dolus eventualis — und grober Fahrlässigkeit noch rechtfertigen. Auch die einfache Fahrlässigkeit noch in das Freizeichnungsverbot einzubeziehen, ist dagegen nicht mehr zu begründen und würde dogmatisch gesehen eine Sprengung dieser Tatbestandsgruppe bedeuten (vgl. aber auch unten Rdn. 2609). Insgesamt dürfte die Rechtsprechung hier somit in der Tat die äußersten Grenzen bereits erreicht haben. 2609
Das gilt nicht im gleichen Maße für das Freizeichnungsverbot bei Vorteilserlangung. Das „Vorteilskriterium" ist kein für die Korrektur von Freizeichnungsklauseln spezifisches Merkmal, sondern spielt ganz allgemein bei der Anwendung des § 242 BGB eine sehr wesentliche Rolle und dürfte dogmatisch in den Umkreis des Verbots des venire contra factum proprium gehören 2 9 . Es ist dementsprechend von verhältnismäßig großer Flexibilität und widersetzt sich einer starren tatbestandlichen Verfestigung. Es tritt vielmehr regelmäßig innerhalb eines beweglichen Systems auf mit der Folge, daß das Fehlen oder die Schwäche eines Elements durch das Hinzutreten anderer Umstände ausgeglichen werden kann 3 0 . Daher wäre es z. B. vorstellbar, daß unter besonderen Umständen das Fehlen der Vorteilsabsicht entgegen der Entscheidung B G H W M 1970 632 (633) unschädlich ist und die rein objektive Erlangung eines — nicht bewußt angestrebten — Vorteils genügt; daran könnte man vor allem dann denken, wenn die Verschuldenselemente besonders gravierend sind wie z. B. bei Vorsatz eines nicht-leitenden Angestellten oder bei einfacher Fahrlässigkeit eines Organs. Sonst stellt die Rechtsprechung jedenfalls bei der Verwendung des „Vorteilskriteriums" im Rahmen des § 242 BGB auf die Absicht der Vorteilserlangung nicht entscheidend ab 3 1 . Umgekehrt muß aber auch das Fehlen der Vorteilserlangung nicht unter allen Umständen zur Zulässigkeit der Freizeichnung führen. Zwar erscheint die Berufung der Bank auf die Freizeichnungsklausel in der Tat häufig gerade deshalb als anstößig, weil ihr selbst z. B. die Sicherung eines Kredits gelungen ist, während der Kunde auf Grund der falschen Auskunft seine Forderung nicht realisieren kann, doch kann das Verhalten der Bank auch dann „verwerflich" sein, wenn sie nur die Absicht der V o r -
26
So z. B. von Godin Großkomm, zum H G B 2 § 365 Anh. I Anm. 9 E a. E. " Vgl. B G H W M 1972, 583, 585 unter IV c 2; i. E. ebenso B G H W M 1970, 632, 633; 1971, 987, 989 unter 5; 1973, 635, 636 unter 2 d, 28 Mißverständlich daher B G H W M 1974, 685 Leitsatz 3 und S. 686, wo jedoch Vorsatz vorlag, vgl. S. 686 unter 2.
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29
Vgl. eingehend Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 299 f, 309 f, 355, 531 m. Nachw. aus der Rspr. Vgl. näher Canaris aaO S. 530 f. 31 Vgl. etwa die bei Canaris a a O S. 299 Fn. 49 zitierten Entscheidungen.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 10 A G B
teilserlangung hatte, diese aber fehlgeschlagen ist — z. B. weil der Dritte trotz der auf Grund der falschen Auskunft vorgenommenen Stützung durch den Auskunftsuchenden in Konkurs gegangen ist und die angestrebte Sicherung der Bank nicht mehr gelungen ist. Der B G H hat denn auch bereits angedeutet, daß die in der Leitentscheidung B G H Z 13 198 aufgestellten Grundsätze über die Vorteilserlangung nicht unverzichtbar sind und daß die Freizeichnung z. B. auch bei einer im wirtschaftlichen Interesse der Bank erteilten falschen Auskunft unzulässig sein kann, wenn der auskunftgebende Angestellte vorsätzlich gehandelt hat (vgl. BGH WM 1972 583, 585 unter IV c 3). Allerdings sollte man dabei nicht auf das Vorteilskriterium als solches verzichten. Problematisch erscheint vielmehr nur, ob Vorteilsabsicht und Vorteilserlangung wirklich immer kumulativ gegeben sein müssen oder ob es nicht unter besonderen Umständen genügen kann, daß nur eines dieser beiden Merkmale vorliegt. Dabei spielt dann die Art des Verschuldens eine Rolle: Merkmale, die zwar für sich allein ein Freizeichnungsverbot nicht rechtfertigen, aber doch gravierenden Charakter haben wie die einfache Fahrlässigkeit von Organen und der Vorsatz von nicht-leitenden Angestellten, können im Zusammenwirken mit anderen Umständen ausschlaggebende Bedeutung erlangen. Diese Sichtweise macht zugleich deutlich, daß es beim Vorteilskriterium dogmatisch nicht um ein tatbestandlich fixierbares Freizeichnungsverbot und demgemäß auch nicht um die Anwendung von § 9 AGBG geht, sondern um den einzelfallbezogenen Einwand des Rechtsmißbrauchs gegen die Berufung auf die — insoweit an sich gültige — Freizeichnungsklausel; § 242 BGB hat also neben der Inhaltskontrolle gemäß §§ 9 ff AGBG nach wie vor eine eigenständige Funktion.
III. Die Haftungsbeschränkung für sonstige bankmäßige Auskünfte und Raterteilungen gemäß Ziff. 10 II In Ziff. 10 II wird die Haftung bei „allen sonstigen bankmäßigen Auskünften und 2 6 1 0 Raterteilungen" auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Wie die Weite der Formulierung und die Verwendung des Wortes „sonstigen" zeigen, handelt es sich dabei um den Grundtatbestand, aus dem in Ziff. 10 12 und 3 die Kreditauskunft als Sondertatbestand herausgenommen und wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit einem weiterreichenden Haftungsausschluß unterworfen worden ist (vgl. auch oben Rdn. 2599). Anders als bei Kreditauskünften hat die Bank nach Ziff. 10 II für grobe Fahrlässig- 2611 keit von nicht-leitenden Angestellten auch im kaufmännischen Bereich uneingeschränkt einzustehen. Insoweit ist also das Regelungsmodell von § 11 Nr. 7 AGBG freiwillig für den Verkehr mit Kaufleuten übernommen worden. Demgemäß spielen hier das Freizeichnungsverbot für Organe und leitende Angestellte sowie die Abgrenzung zu den nicht-leitenden Angestellten (vgl. oben Rdn. 2603 f) keine Rolle. Dagegen hat der Gesichtspunkt der Vorteilserlangung auch hier praktische Bedeutung, weil sich mit seiner Hilfe die Freizeichnungsklausel u. U. auch bei einfacher Fahrlässigkeit überwinden läßt (vgl. oben Rdn. 2607 a. E. und 2609). Ziff. 10 II legt daher nur die Untergrenze der Einstandspflicht abschließend fest, indem generell eine Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zugestanden wird, wohingegen die Obergrenze der Haftung zwar im Regelfall, nicht aber ausnahmslos auf der gleichen Linie verläuft. Daß in Ziff. 10 II weder eine Einschränkung für die Fälle der Vorteilserlangung 2 6 1 2 noch ein salvatorischer Vorbehalt wie in Ziff. 1 0 1 3 enthalten ist, berührt die Wirksamkeit der Klausel nicht. Das gilt auch dann, wenn man nicht nur im Rahmen von § 11 AGBG, sondern auch im Rahmen von § 9 AGBG grundsätzlich der vollständigen Kassation den Vorrang vor der klauselerhaltenden Reduktion einräumt 7 ; denn beim KriteClau.s-Wilhelm C a n a r i s
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21. Abschnitt. Die Aligemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
rium der Vorteilserlangung geht es nicht um Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, sondern um die einzelfallbezogene Gewährung des Rechtsmißbrauchseinwandes (vgl. oben Rdn. 2609 a. E.) — und daß dieser bereits im Wortlaut der Klausel vorweggenommen sein muß, können auch die schärfsten Kontrollfanatiker nicht verlangen. Auch im übrigen bestehen gegen die Wirksamkeit von Ziff. 10 II keine durchgreifenden Bedenken, da die oben Rdn. 2595 angeführten Gründe weitgehend auch hier zutreffen, wenn auch häufig in schwächerem Maße als bei Kreditauskünften. 2613
Allerdings ist es vorstellbar, daß die Pflicht zu einer korrekten Auskunfts- oder Raterteilung im Einzelfall einmal eine Kardinalpflicht darstellt, für deren Verletzung nach § 9 II Nr. 2 AGBG auch bei einfacher Fahrlässigkeit gehaftet wird 3 2 . O f t wird dann freilich eine Individualabrede vorliegen, die nach § 4 AGBG Vorrang hat, so daß sich das Problem der Inhaltskontrolle gar nicht stellt. Aber auch soweit das nicht der Fall ist, macht das Fehlen einer Einschränkung für Kardinalpflichten nach richtiger Ansicht Ziff. 10 II nicht unwirksam, da die bloße Übernahme von § 9 II Nr. 2 AGBG sinnlos und die Aufzählung aller in Betracht kommenden Kardinalpflichten weder möglich noch zumutbar ist (vgl. auch das verwandte Problem oben Rdn. 2569 a. E.). So ist z. B. zu erwägen, die Pflicht zur korrekten Beratung bei Effektengeschäften als Kardinalpflicht anzusehen 3 3 , obwohl sie gewiß nicht auf einer Individualabrede beruht; Ziff. 10 II aber generell für unwirksam zu erklären, weil die Klausel keine Ausnahme für die Effektenberatung enthält, wäre geradezu absurd, zumal die Bank sich auf den Standpunkt stellen können muß, es handele sich in Wahrheit nicht um eine Kardinalpflicht.
2614
Im übrigen erstreckt sich der gegenständliche Anwendungsbereich von Ziff. 10 II grundsätzlich auf alle Arten von bankmäßigen Auskünften und Raterteilungen. Als bankmäßig ist dabei nicht nur eine Erklärung anzusehen, die zu den typischen Bankgeschäften gehört; es genügt vielmehr, daß die Erteilung der Auskunft oder des Rates für eine Bank nicht ganz unüblich ist und in innerem Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Bank steht. Daher ist z. B. auch eine Beratung über die Beteiligung an einem Unternehmen als stiller Gesellschafter unter den Begriff der „bankmäßigen" Beratung zu subsumieren (vgl. B G H W M 1973 164, 165 unter II). Daß die Freizeichnung sich nur auf Werturteile, nicht aber auf Tatsachen bezieht, läßt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn der Klausel entnehmen (vgl. B G H Z 49 167, 172). Auch daß gleichzeitig die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht vorliegt, steht ihrer Anwendbarkeit nicht ohne weiteres im Wege (vgl. B G H Z 13 198, 201). Ebensowenig kann man sagen, daß der Zusammenhang mit einem entgeltlichen Vertrag die Anwendbarkeit der Freizeichnungsklausel ohne weiteres ausschließt, doch wird bei der Vereinbarung eines besonderen Entgelts für die Auskunft oder den Rat meist eine Individualabrede vorliegen, die nach § 4 AGBG Vorrang vor Ziff. 10 II hat.
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Demgegenüber ist die Klausel tatbestandlich von vornherein nicht einschlägig, wenn die Bank eine Rechtspflicht zur Auskunftserteilung hat (vgl. zu derartigen Fällen oben Rdn. 76). Das folgt aus dem Zusammenhang mit Abs. I 1, wonach die Bank dem Kunden „nach bestem Wissen" zu Auskünften „zur Verfügung steht", was offenbar nur bei freiwilligen Auskünften eine sinnvolle Formulierung ist. Folglich ist Ziff. 10 II z. B. auf eine Auskunft über die Höhe des eigenen Kontos nicht anzuwenden 3 4 , da zu 32
Ebenso i. E. die h. L., vgl. z. B. Hensen a a O § 11 N r . 7 Rdn. 31 f f ; a. A. Staudinger/Schlosser § 11 N r . 7 Rdn. 36. » Vgl. freilich B G H W M 1971, 987, 989 unter 4, wo der B G H mit Selbstverständlichkeit von der
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Anwendbarkeit von Ziff. 10 A G B auf die Beratungspflicht bei der Effektenkommission ausgeht. 34 Vgl. auch Liesecke W M 1970, 512 unter Ziff. 5.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 10 AGB deren Erteilung gemäß §§ 675, 666 BGB eine Rechtspflicht besteht; das muß dann folgerichtig auch für eine Auskunft gegenüber einem Vertreter des Kontoinhabers gelten 35 . Unanwendbar ist Ziff. 10 II dabei nicht nur, wenn die Auskunft falsch ist, sondern auch, wenn die Bank pflichtwidrig gar keine Auskunft gibt; daß sich Ziff. 10 II auch auf die „Unterlassung" von Auskünften erstreckt, steht nicht entgegen, da es im vorliegenden Zusammenhang nicht um eine „Unterlassung", sondern um eine „Verweigerung" oder „Ablehnung" der Auskunft geht (vgl. auch oben Rdn. 2589). Was den Anwendungsbereich von Ziff. 10 II in persönlicher Hinsicht angeht, so ist 2 6 1 6 dieser grundsätzlich umfassend. Die Haftungsfreizeichnung gilt daher gegenüber allen Kunden — und zwar selbst dann, wenn diese durch ein besonderes Vertrauensverhältnis mit der Bank verbunden sind 36 ; daß formularmäßige Haftungsfreizeichnungen für einfache Fahrlässigkeit nicht möglich sind, wo berufstypische Leistungen kraft eines besonderen Vertrauensverhältnisses in Anspruch genommen zu werden pflegen 37 , kann bei Unentgeltlichkeit der Leistungserbringung keinesfalls anerkannt werden. Die Freizeichnung gilt grundsätzlich auch im Verkehr zwischen Banken 38 (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 2518 ff), doch soll nach Ansicht des B G H bei Scheckanfragen im Hinblick auf deren besonderen Zweck und die Uberschaubarkeit des drohenden Schadens eine Ausnahme zu machen sein 39 ; eine Verallgemeinerung für alle Fälle, deren wirtschaftliche Bedeutung klar abgrenzbar und überschaubar ist, hat der BGH jedoch ausdrücklich abgelehnt 40 . — Sogar im Verhältnis zu Nichtkunden greift die Freizeichnungsklausel grundsätzlich ein (vgl. oben Rdn. 2530).
IV. Die Haftungsbeschränkung für die Unterlassung von Auskünften und Raterteilungen In Ziff. 10 14 wird die Haftung für die „Unterlassung von Kreditauskünften" im 2 6 1 7 selben Umfang ausgeschlossen wie die Haftung für deren Erteilung. Angestrebt wird damit ein Haftungsausschluß für die Verletzung von Warn- und Aufklärungspflichten bei mangelnder Kreditwürdigkeit von Geschäftspartnern des Bankkunden 4 1 , also in den oben Rdn. 103 ff behandelten Fällen. Das hat im Wortlaut der Klausel indessen keinen hinreichenden Ausdruck gefunden. Denn das Unterlassen einer Warnung oder Aufklärung ist nicht das Unterlassen einer „Auskunft", da diese typischerweise auf Verlangen des Auskunftsuchenden gegeben wird, während es hier um Pflichten der Bank zu einem Tätigwerden aus eigener Initiative geht. Eine korrigierende Auslegung der Klausel erscheint im Hinblick auf die Unklarheitenregel gemäß § 5 AGBG und die Verantwortlichkeit des Verwenders für den einseitig vorformulierten Text unzulässig. Die Klausel ist daher als obsolet anzusehen. Gleiches gilt folgerichtig für den entsprechenden Passus in Ziff. 10 II, der ebenfalls 2 6 1 8 die Unterlassung von „Auskünften" ihrer Erteilung gleichstellt. Allerdings bezieht sich Ziff. 10 II auch auf die Unterlassung von Raterteilungen. Darunter kann man rein sprachlich gesehen wohl auch die Unterlassung von Warnungen und Aufklärungen aus eigener Initiative verstehen, mag auch der Zusammenhang mit der Unterlassung von „Auskünften" eher in die Gegenrichtung weisen. Die Rechtsprechung hat indessen bis55 A. A. i. E. B G H W M ' 1 9 7 4 , 272, 274 gegen O L G Düsseldorf W M 1971, 231. 36 Vgl. B G H W M 1973, 164, 165 unter II. 37 So Staudinger/Schlosser § 11 N r . 7 Rdn. 37 m. w. N a c h w . 38 Vgl. z. B. B G H Z 4 9 , 167, 172; B G H W M 1971, 987, 989; 1974, 685, 686 unter 3.
3' Vgl. B G H Z 49, 167, 173 f; ebenso Liesecke W M 1970, 512; kritisch Pleyer/Battes DB 1971, 1292 f. 40 Vgl. B G H W M 1974, 272, 274. "1 Vgl. Kumpel W M 1976 Sonderbeilage N r . 1 S. 6 und dazu auch schon oben Rdn. 2589 mit Fn. 2.
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
her einen derartigen Haftungsausschluß, der in ähnlicher Weise schon seit 1969 in den AGB enthalten ist, nicht ernst genommen 4 2 , so daß die Klausel auch in Zukunft keine praktische Effizienz erlangen dürfte 4 3 . Das erscheint auch sachgerecht 44 . Warn- und Aufklärungspflichten werden nämlich schon tatbestandlich nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen angenommen (vgl. oben Rdn. 103 ff), so daß bei ihrer Verletzung zwar nicht notwendigerweise grobe Fahrlässigkeit vorliegt — diese kann z. B. an einem Rechtsirrtum oder dem Bemühen um Rücksichtnahme auf die Interessen des betroffenen Dritten scheitern —, wohl aber ein Verstoß gegen eine Kardinalpflicht, bei dem die Bank grundsätzlich auch für einfache Fahrlässigkeit haftet (vgl. oben Rdn. 2613). 11. Mangels einer ausdrücklichen und schriftlichen abweichenden Vereinbarung übernimmt die Bank keine anderen als die in diesen Geschäftsbedingungen erwähnten Verwaltungspflichten, insbesondere nicht die Unterrichtung des Kunden über drohende Kursverluste, über den Wert oder die Wertlosigkeit anvertrauter Gegenstände oder über Umstände, die den Wert dieser Gegenstände beeinträchtigen oder gefährden könnten. 2619
Der Begriff der Verwaltungspflichten i. S. von Ziff. 11 ist verhältnismäßig eng auszulegen. Es muß sich also wirklich um einen Akt der „Verwaltung" handeln und darf — trotz der in Ziff. 11 erwähnten Beispiele — nicht lediglich um eine der grundlegenden Aufklärungs- und Warnpflichten gehen, die sich aus § 242 BGB ergeben und deren Erfüllung durch die Bank daher selbstverständlich ist (ebenso BGH WM 1976 474 unter I a. E.); das folgt u. a. auch daraus, daß hier anders als in der Neufassung von Ziff. 10 immer noch von „Übernahme" der Pflichten die Rede ist, ergibt sich aber auch unabhängig davon aus den oben Rdn. 2618 angestellten Überlegungen. In ähnlicher Richtung liegt, daß der BGH Ziff. 11 auf „allgemeine" Verwaltungspflichten beschränkt und nicht auf „besondere Vertragspflichten" wie z. B. die Pflicht zur Aufklärung über eine Gesetzesänderung bei einem steuerbegünstigten Sparvertrag anwendet (vgl. BGH W M 1964 609, 610 unter 3 b; 1978 637 unter I 2). Auch die Pflicht, eine Verminderung des von einem Dritten gegebenen Sicherungsgutes zu verhindern, fällt nach Ansicht des B G H nicht unter Ziff. 11 (vgl. B G H W M 1972 72 unter I a. E. und 73 unter C 1 a. E.). Insgesamt wird man sagen können, daß Ziff. 11 sich nicht auf die aus § 242 BGB folgenden Schutz- und Nebenpflichten bezieht, sondern nur auf solche Pflichten, zu deren Übernahme es grundsätzlich einer besonderen Abrede bedarf.
2620
Insoweit begründet die Klausel ein Schriftformerfordernis i. S. von § 127 BGB. Allerdings ist dessen Wirkung begrenzt. Anerkanntermaßen gelten nämlich mündlich getroffene Abreden trotz des gewillkürten Formerfordernisses, wenn die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Abrede übereinstimmend gewollt haben (vgl. z. B. BGHZ 66 378, 380 f). Gleiches wird man auch für das von Ziff. 11 ebenfalls aufgestellte Erfordernis der Ausdrücklichkeit annehmen müssen. Eine konkludente Vereinbarung gilt daher trotz Ziff. 11, wenn die Parteien sie unzweifelhaft und unmißverständlich gewollt haben. Die Bedeutung von Ziff. 11 dürfte sich daher im praktischen Ergebnis weitgehend auf den Bereich der Beweisführung beschränken. 12. Die Bank versendet Geld und sonstige Werte nach bestem Ermessen versichert oder unversichert auf Gefahr des Kunden; mangels besonderer Vereinbarung wird sie
« Vgl. z. B. B G H W M 1976, 474 unter I a. E.; 1978, 896, 897 unter II. Vgl. auch Kumpel a a O , der zu dem Ergebnis kommt, daß dieser Haftungsausschluß „wie schon bisher . . . mit Rücksicht auf die derzeitige Recht-
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sprechung keinen nennenwerten praktischen N u t zen hat". Ebenso i. E. Lanio Die Auswirkungen der Änderungen der A G B der Banken, Diss. Konstanz 1978, S. 188 f.
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Ziff. 13 AGB die Versendungsart unter Berücksichtigung der Interessen des Kunden festlegen. Schecks, Lastschriften, Einzugsquittungen, Wechsel und nicht bezahlte Einzugspapiere jeglicher Art dürfen in einfachem Brief versandt werden. Die von der Klausel aufgestellte Gefahrtragungsregel stellt eine Abweichung von 2621 § 270 I BGB dar. Gegen ihre Wirksamkeit bestehen keine Bedenken, da die Versendung regelmäßig im Interesse des Kunden erfolgt und eine Gefahrabwälzung dabei durchaus der Billigkeit entspricht, wie auch die Wertung des § 447 BGB erkennen läßt. Die Haftung der Bank für Verschulden wird durch Ziff. 12 nicht berührt. Die Klau- 2 6 2 2 sei ist aber auch insoweit von Bedeutung, weil sie die Pflichten der Bank bei der Versendung konkretisiert und beschränkt und damit die Voraussetzungen einer Verschuldenshaftung beeinflußt. Daß die Gebote von Treu und Glauben im Einzelfall gemäß § 242 BGB ein anderes Vorgehen als das in Ziff. 12 vorgesehene erfordern können und daß Ziff. 12 dann insoweit nicht gilt, versteht sich von selbst. 13. Wird die Bank aus einer im Auftrage oder für Rechnung des Kunden übernommenen Bürgschafts- oder sonstigen Gewährleistungsverpflichtung in Anspruch genommen, so ist sie auch ohne gerichtliches Verfahren auf einseitiges Anfordern des Gläubigers zur Zahlung berechtigt. Eine generelle Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Hauptschuldner, nicht 2 6 2 3 ohne dessen Einverständnis an den Gläubiger zu zahlen oder es gar zum Prozeß kommen zu lassen, besteht nicht. Vielmehr hängt diese von den Umständen des Einzelfalles und einer Abwägung der beiderseitigen Interessen ab (vgl. RGZ 59 207, 209 f; 146 68, 70 f). Der Bürge handelt jedoch auf eigenes Risiko, da er bei einer unberechtigten Zahlung i. d. R. keinen Regreßanspruch hat; denn dem Anspruch aus § 774 BGB kann der Hauptschuldner gemäß §§ 412, 404, 406 BGB die gegen die Forderung des Gläubigers bestehenden Einwendungen und Einreden entgegensetzen, und ein etwaiger Anspruch aus § 670 BGB wird bei einer über den Kopf des Hauptschuldners hinweg erfolgten Zahlung auf eine nicht bestehende oder einredebehaftete Forderung regelmäßig daran scheitern, daß der Bürge die Aufwendung nicht „den Umständen nach für erforderlich halten" durfte. Die Bedeutung von Ziff. 13 liegt folglich in der Beeinflussung der Regreßforderung der Bank gegen den Kunden. Worin dieser Einfluß im einzelnen besteht, läßt sich nur durch den Rückgriff auf den Zweck von Ziff. 13 ermitteln. Dieser kann nun aber nur darin gesehen werden, die Zuverlässigkeit und den Wert einer Bankbürgschaft für den Gläubiger zu gewährleisten und die Bank insoweit vor Interessenkonflikten zu bewahren (vgl. auch Hellner BankBetr. 1969 11); in der Tat wäre es mit dem Ansehen und der Funktion der Banken unvereinbar, wenn ein Gläubiger befürchten müßte, daß die Bank im Interesse des Hauptschuldners jede beliebige Einwendung vorbringt und die Zahlung u. U. sogar durch die Führung eines langwierigen Prozesses verschleppt. Aus dieser Zwecksetzung ergeben sich zugleich aber auch die nötigen Begrenzun- 2 6 2 4 gen des Anwendungsbereichs von Ziff. 13. So kann z. B. keine Rede davon sein, daß Ziff. 13 die Bank generell davon entbindet, den Schuldner von der Zahlung zu benachrichtigen und vorher anzuhören (vgl. auch oben Rdn. 1110). Nicht einmal der Wortlaut von Ziff. 13 spricht für eine ausnahmslose Abdingung dieser aus § 242 BGB folgenden Anhörungspflicht, und erst recht wird sie durch den Sinn der Klausel nicht gefordert; denn grundsätzlich kann kein vernünftiger Gläubiger erwarten, daß die Bank ohne vorherige Rückfrage bei dem Hauptschuldner zahlt, und daher droht durch ein solches Vorgehen auch keine Beeinträchtigung des Wertes von Bankbürgschaften oder gar des Ansehens der Banken. Außerdem wäre ein genereller Verzicht auf eine Anhörung des Hauptschuldners auch grob unbillig und mit Treu und Glauben unverClaus-Wilhelm Canaris
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einbar, weil diesem durch eine vorschnelle Zahlung der Bank u. U. bestimmte Einreden wie die der Verjährung oder die Aufrechnungsmöglichkeit unwiederbringlich verloren gehen können (vgl. auch RGZ 146 68, 70 f). Selbstverständlich kann aber im Einzelfall der Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Hauptschuldner untunlich oder unzumutbar sein wie z. B., wenn dieser nicht auffindbar oder gar flüchtig ist. 2625
Aus der grundsätzlichen Anhörungspflicht ergibt sich weiterhin folgerichtig, daß die Bank dann u. U. auch gehalten ist, die Zahlung zu verweigern; denn sonst wäre die Anhörung des Hauptschuldners sinnlos. Entsprechend dem Zweck von Ziff. 13 kann das allerdings nur für liquide, d. h. rechtlich schlüssige und in tatsächlicher Hinsicht ohne weiteres beweisbare Einwendungen und Einreden gelten. Insoweit aber kann Ziff. 13 AGB in der Tat nicht gelten. Sich über liquide Einwendungen und Einreden hinwegzusetzen und dadurch die Rechtsstellung des Hauptschuldners u. U. in irreversibler Weise zu verschlechtern, wäre nämlich mit §§ 242 BGB, 9 AGBG unvereinbar und wird auch nicht durch das Interesse der Banken an der Wertschätzung ihrer Bürgschaften oder durch die Sorge um ihr Ansehen als zuverlässige Schuldner gerechtfertigt. Erklärt also der Hauptschuldner z. B., er habe die Einrede der Verjährung erhoben und ist diese in der Tat offenkundig gegeben, so darf die Bank nicht zahlen, widrigenfalls sie weder nach § 774 noch nach §§ 675, 670 BGB Regreß nehmen kann; das gilt um so mehr, als eine Leistung der Bank hier wegen § 813 I 2 BGB nicht einmal mehr mit den Mitteln des Bereicherungsrechts rückgängig gemacht werden könnte. Ob es sich um eine dauernde oder nur um eine vorübergehende Einwendung oder Einrede handelt, macht grundsätzlich keinen Unterschied; so erlaubt Ziff. 13 z. B. der Bank nicht, die Hauptschuld schon vor Fälligkeit zu tilgen (vgl. B G H W M 1969 832, 834 vor II).
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Damit wird andererseits aber auch die Schutzfunktion und der eigentliche Sinn von Ziff. 13 deutlich: nichtliquide Einwendungen und Einreden des Hauptschuldners braucht die Bank grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Das bedeutet, daß sie einen Regreßanspruch aus §§ 675, 670 BGB hat, auch wenn die Einwendung oder Einrede sich schließlich als begründet erweisen sollte. Das muß selbst dann gelten, wenn die Begründetheit bei genauer Untersuchung schon im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar war; denn eine solche Untersuchung und die damit verbundenen Streitigkeiten mit dem Gläubiger, den Zeitverlust für diesen und die etwaige Einbuße an „good will" für die Bank soll Ziff. 13 verhindern. Ziff. 13 verbessert also die Stellung der Bank im Vergleich zum Normalfall der Anwendung des § 670 BGB, da die Bank die Zahlung auf Grund von Ziff. 13 schon dann „den Umständen nach für erforderlich halten darf", wenn die Einwendungen oder Einreden des Hauptschuldners nicht liquide sind. Erst recht kann die „Erforderlichkeit" der Zahlung hier nicht mit der Begründung verneint werden, die Bank habe eine Weisung des Hauptschuldners mißachtet; Ziff. 13 schließt dessen Weisungsrecht vielmehr insoweit aus.
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Auch auf den Anspruch aus § 774 BGB wirkt sich Ziff. 13 aus. Man wird die Klausel nämlich sinnvollerweise so auslegen müssen, daß sie hier zu einem Einwendungsausschluß führt: entgegen §§ 412, 404, 406 BGB kann der Hauptschuldner der Bank auch im Rahmen des § 774 BGB solche Einwendungen und Einreden nicht entgegensetzen, die im Zeitpunkt der Zahlung nicht liquide waren. Praktische Bedeutung hat das vor allem dann, wenn ein Anspruch auf § 670 BGB aus irgendwelchen Gründen nicht gegeben ist oder wenn die Bank nach §§ 774, 412, 401 BGB auf für die Hauptschuld bestehende Sicherheiten zurückgreifen will.
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Stellt sich heraus, daß die bürgende Bank eine nicht bestehende oder einredebehaftete Forderung bezahlt hat und war sie dazu nach den soeben Rdn. 2626 entwickelten 1318
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Ziff. 14 AGB
Grundsätzen dem Hauptschuldner gegenüber befugt, so fragt sich, ob eine Rückgängigmachung der Leistung im Wege des Bereicherungsausgleichs möglich ist (vgl. auch oben Rdn. 1142 zum entsprechenden Problem bei der Garantie). Das ist nach § § 8 1 2 1 1 , 8 1 3 1 1 BGB grundsätzlich zu bejahen. Dabei ergeben sich keine besonderen Probleme, wenn man den Bereicherungsanspruch dem Hauptschuldner zuspricht (so Canaris Festschr. für Larenz, 1973, S. 837 und oben Rdn. 1142 Fn. 52); diese Lösung erweist sich gerade im vorliegenden Fall als besonders interessengerecht, weil die Bank angesichts ihres Regreßanspruchs gegen den Auftraggeber ohnehin kein (legitimes) Interesse an dem Rückforderungsanspruch gegen den Dritten hat und diesen i. d. R. an jenen abtreten wird — eine Konstellation, die sich übrigens auch unabhängig von Ziff. 13 AGB meist aus § 670 BGB ergeben wird, setzt diese Vorschrift doch lediglich voraus, daß der Bürge seine Zahlung „den Umständen nach für erforderlich halten darf", also schuldlos an den Bestand der Hauptschuld glaubt. Sieht man dagegen mit der h. L. grundsätzlich den Bürgen als Bereicherungsgläubiger an (vgl. z. B. Staudinger/ Lorenz 12 § 812 Rdn. 48 m. w. Nachw.), so ist die Bank nach dem Sinn und Zweck von Ziff. 13 zwar nicht verpflichtet, von sich aus gegen den Leistungsempfänger vorzugehen, wohl aber ist sie nach § 242, nach § 812 oder analog § 282 BGB verpflichtet, ihren Bereicherungsanspruch an den Hauptschuldner abzutreten; daß Ziff. 13 diese Abtretungsverpflichtung ausschließt, kann man nicht annehmen, da die Klausel sonst bei nicht-liquiden Einwendungen und Einreden zu einer „Rechtlosstellung" des Hauptschuldners führen würde und daher insoweit mit den für die Gültigkeitsschranken von AGB entwickelten Grundsätzen unvereinbar wäre. Man wird sogar noch weiter gehen und von der Bank verlangen müssen, daß sie bei der Zahlung u. U. einen Vorbehalt hinsichtlich einer eventuellen Rückforderung durch den Hauptschuldner macht, damit diesem nicht über § 404 BGB der Einwand des § 814 BGB oder des venire contra factum proprium entgegengesetzt werden kann. Eine volle Wiederherstellung des status quo ante ist freilich für den Hauptschuldner im Wege des Bereicherungsrechts nicht möglich. So verliert er z. B. eine etwaige Aufrechnungsmöglichkeit, eine peremptorische Einrede oder die Einrede der Verjährung unwiederbringlich und kann außerdem der Einwendung des § 818 III BGB ausgesetzt sein. Diese Nachteile — die ja überdies nur bei nicht-liquiden Einwendungen und Einreden eintreten — sind jedoch keinesfalls so gravierend, daß man deshalb die Gültigkeit von Ziff. 13 verneinen könnte. Zu den von Ziff. 13 mitumfaßten „sonstigen Gewährleistungsverpflichtungen" gehört vor allem der Garantievertrag (vgl. auch Liesecke W M 1968 27 f). Insoweit ist auf die Ausführungen oben Rdn. 1108 ff zu verweisen. 14. (1) Die Bank erteilt mindestens einmal jährlich Rechnungsabschlüsse. (2) Außer den vereinbarten oder — mangels einer Vereinbarung — den von der kontoführenden Stelle der Bank im Rahmen des § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmten Zinsen, Gebühren und Provisionen trägt der Kunde alle in Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung mit ihm entstehenden Auslagen und Nebenkosten, insbesondere Steuern, Kosten für Versicherung, Ferngespräche, Fernschreiben und Telegramme sowie Porti. (3) Nimmt ein Kunde Kredit ohne ausdrückliche Vereinbarung oder über den vereinbarten Betrag oder über den vereinbarten Termin hinaus in Anspruch (Kontoüberziehung), hat er statt etwa vereinbarter niedrigerer Zinsen, Gebühren und Provisionen die von der kontoführenden Stelle der Bank im Rahmen des § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches für Überziehungen bestimmten Zinsen, Gebühren und Provisionen zu tragen. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken (4) Für Bankleistungen, die neben den bei einer Kreditgewährung üblichen Grundleistungen oder gesondert im Auftrag oder im Interesse eines Kunden erbracht werden, kann ein angemessenes Entgelt berechnet werden; wird die Bank ohne Auftrag des Kunden in dessen Interesse tätig, so wird sie ihn vorher zu benachrichtigen suchen, sofern dies tunlich ist. Für Maßnahmen und Leistungen, die auf nicht vertragsgemäßer Kreditabwicklung durch den Kunden, auf vertragswidrigem Verhalten des Kunden oder auf Zwangsmaßnahmen Dritter gegen den Kunden beruhen, kann die Bank eine angemessene Gebühr im Rahmen des § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches und des § 11 Nr. 5 des AGB-Gesetzes in Rechnung stellen. 2630
Der jährliche Rechnungsabschluß nach Ziff. 14 1 entspricht § 355 II HGB, wonach der Rechnungsabschluß beim Kontokorrent jährlich erfolgt. Ziff. 141 steht insbesondere auch insofern in Einklang mit § 355 HGB, als ein periodischer Rechnungsabschluß und nicht ein Rechnungsabschluß nach jedem Geschäftsvorfall vorgesehen ist. Das Bankkontokorrent ist dementsprechend in Einklang mit der Rechtsprechung und der h. L. nicht als Staffelkontokorrent, sondern als Periodenkontokorrent anzusehen (vgl. oben Rdn. 319). Die Vorschriften und Regeln über das Kontokorrent, das nach § 355 HGB unzweifelhaft als Periodenkontokorrent ausgestaltet ist, finden daher auf das Bankkontokorrent ohne weiteres Anwendung.
2631
Ziff. 14 II gewährt der Bank ein Recht zur einseitigen Festsetzung von Zinsen, Gebühren und Provisionen, soweit diese nicht vertraglich vereinbart sind (vgl. dazu auch oben Rdn. 459 f). Da dabei ausdrücklich auf § 315 BGB verwiesen wird und da somit die Bindung der Bank an die Grundsätze der Billigkeit sowie die Möglichkeit einer richterlichen Inhaltskontrolle gewährleistet sind, begegnet die Klausel keinen Bedenken (ebenso i. E. LG Berlin WM 1979 322 f). Anders als früher gelten also bei Fehlen einer Vereinbarung nicht mehr die üblichen Zinsen usw. als vereinbart (vgl. auch Hellner BankBetr. 1969 8); eine stark aus dem Rahmen des Üblichen fallende Bestimmung der Zinshöhe usw. wird jedoch meist nicht dem Billigkeitserfordernis des § 315 BGB genügen.
2632
Außerdem gewährt Ziff. 14 II der Bank einen Anspruch auf Ersatz der Auslagen und Nebenkosten, die in Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung entstehen. Dogmatisch handelt es sich dabei um eine Konkretisierung des Aufwendungsersatzanspruchs aus §§ 675, 670 BGB. Einige Aufwendungen sind in Ziff. 14 II beispielhaft aufgezählt. Aus ihrer Art ist zu schließen, daß die Gehälter, die die Bank ihren Angestellten zahlt, keinesfalls unter Ziff. 14 II fallen (vgl. OLG Nürnberg WM 1969 1147, 1148 unter 3); die Richtigkeit dieser Auslegung wird auch durch den Umkehrschluß aus Ziff. 14 IV bestätigt, wo für eine Reihe von Mehrbelastungen, die den Einsatz von Angestellten der Bank erfordern, eine besondere Anspruchsgrundlage geschaffen wird. Zu den Steuern gehört auch die Mehrwertsteuer, soweit sie auf den Kunden abgewälzt werden darf (vgl. Hellner BankBetr. 1969 8).
2633
Ziff. 14 III gibt der Bank ein Recht zur einseitigen Festsetzung einer Überziehungsprovision. Da auch hier ausdrücklich auf § 315 BGB Bezug genommen ist, verstößt die Klausel weder gegen § 11 Nr. 5 oder 6 AGBG noch gegen § 9 AGBG (vgl. näher Graf von Westphalen W M 1980 1416; ebenso i. E. ferner LG München WM 1978 915). Eine Pflicht der Bank, sich auf die Kontoüberziehung einzulassen und z. B. einen nicht gedeckten Scheck einzulösen, wird durch Ziff. 14 III selbstverständlich nicht begründet und besteht auch sonst nicht, soweit sie sich nicht im Einzelfall ausnahmsweise aus § 242 BGB ergibt (vgl. näher oben Rdn. 690). Das Recht der Bank zur Vornahme der Kontoüberziehung folgt zwar nicht aus Ziff. 14 III, ergibt sich aber in aller Regel dar1320
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Z i f f . 15 A G B
aus, daß die Überziehung als konkludentes Angebot zum Abschluß eines entsprechenden Darlehensvertrags anzusehen ist (vgl. näher oben Rdn. 697). Ziff. 14 IV gewährt einen Entgeltsanspruch für Sonderleistungen der Bank. Die 2 6 3 4 Bestimmung, die an die Stelle einer ähnlichen Regelung in § 9 der — aufgehobenen — Zinsverordnung getreten ist, bezieht sich in erster Linie auf Sonderleistungen bei der Kreditgewährung und bei nicht vertragsmäßiger Kreditabwicklung. Sie erstreckt sich aber daneben auch auf Maßnahmen und Leistungen der Bank, die auf vertragswidrigem Verhalten des Kunden oder auf Zwangsmaßnahmen Dritter gegen den Kunden beruhen. Zu denken ist hier z. B. an die Tätigkeit der Banken bei der Verwertung von Sicherheiten, bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und in Zwangsversteigerungsverfahren sowie bei der Bearbeitung von Pfändungen, die Dritte in das Konto oder Depot des Kunden ausgebracht haben (vgl. Hellner BankBetr. 1969 8). Da die in Ziff. 14 IV enthaltene Aufzählung von Sonderleistungen nicht nur exemplarischen, sondern konstitutiven Charakter hat, ist die Klausel auf Leistungen der Bank, die auf in Ziff. 14 IV nicht genannte Gründe zurückgehen, nicht anwendbar; die Bank ist insoweit auf die allgemeinen Anspruchsgrundlagen wie z. B. §612 BGB oder § 354 H G B angewiesen. Gegen die Wirksamkeit der Klausel bestehen wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf §§315 BGB, 11 Nr. 5 AGBG keine Bedenken (ebenso i. E. AG Freiburg W M 1981 446; LG Itzehoe WM 1981 662, 663). 15. Der Kunde hat Rechnungsabschlüsse und Wertpapieraufstellungen sowie sonstige Abrechnungen und Anzeigen auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse und Wertpapieraufstellungen sind innerhalb eines Monats seit Zugang abzusenden; sonstige Einwendungen sind unverzüglich zu erheben. Die Unterlassung rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung; die Bank wird bei Rechnungsabschlüssen und Wertpapieraufstellungen sowie sonstigen Abrechnungen und Anzeigen auf die Folge der Unterlassung rechtzeitiger Einwendungen besonders hinweisen. Gesetzliche Ansprüche des Kunden bei begründeten Einwendungen nach Fristablauf bleiben jedoch unberührt. Die in Ziff. 15 S. 1 enthaltene Prüfungspflicht hat nur deklaratorischen Charakter, 2 6 3 5 da sie sich auch unabhängig von dieser Klausel aus §§ 242, 254 BGB ergibt. Als Folge ihrer Verletzung kommt in erster Linie ein Schadensersatzanspruch der Bank aus positiver Forderungsverletzung oder eine Minderung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs des Kunden wegen Mitverschuldens gemäß § 254 BGB in Betracht. Soweit der Schaden der Bank allerdings darin besteht, daß der Kunde über eine unrichtige Gutschrift verfügt, schließt vom hier vertretenen Standpunkt aus § 818 III BGB einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung aus (vgl. oben Rdn. 435). Auch das Erfordernis der unverzüglichen Geltendmachung von Einwendungen nach 2 6 3 6 Ziff. 15 S. 2 Halbs. 2 folgt grundsätzlich schon aus § 242 BGB. „Unverzüglich" bedeutet nach der Legaldefinition von § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. auch LG Essen W M 1975 998, 999). Für Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse und Wertpapieraufstellungen legt Ziff. 15 S. 2 Halbs. 1 eine Frist von einem Monat fest, was als sachgerechte Konkretisierung anzusehen ist und folglich der Kontrolle am Maßstab von § 9 AGBG standhält (vgl. auch Graf von WestphalenWM 1980 1417 Sp. 1); daß die Einwendung nach dem Wortlaut der Klausel binnen eines Monats „abzusenden" ist, schließt eine mündliche oder telephonische Reklamation nicht aus, sondern ist offenbar ein — stilistisch unschönes — Relikt der früheren Fassung, nach der Einwendungen schriftlich erhoben werden mußten. Maßgeblich für den Beginn der Prüfungs- und Reklamationspflicht ist nach Ziff. 15 2 6 3 7 S. 2 der Zugang der betreffenden Erklärung oder Urkunde der Bank. Dieser richtet Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
sich nach Ziff. 1 II AGB (vgl. dazu oben Rdn. 2542 ff). Verzichtet der Kunde auf die Zusendung von Mitteilungen der Bank, so beginnt die Frist folgerichtig mit der Kenntniserlangung. Wird dadurch ein Fehler erst zu spät aufgedeckt, so hat der Kunde den dadurch entstehenden Schaden mangels einer entsprechenden Anspruchsgrundlage grundsätzlich nicht zu tragen (a. A. Liesecke W M 1970 513); insbesondere liegt in der Berufung auf das Unterbleiben eines früheren Zugangs entgegen der in der Erstbearbeitung Anm. 1294 vertretenen Ansicht kein unzulässiges venire contra factum proprium, da die Bank dieses Verhalten in zurechenbarer Weise ermöglicht hat und daher die Folgen mitverantworten muß. Ist eine falsche Buchung noch während des Laufs der Frist storniert worden, so bedarf es einer „Erinnerung" nicht mehr, und Ziff. 15 ist daher unanwendbar (vgl. BGH W M 1972 283, 285 unter 3). 2638
Die Versäumung der Frist führt gemäß Ziff. 15 S. 3 grundsätzlich zum Eintritt einer Genehmigungsfiktion. Schweigen hat hier also entgegen den allgemeinen Grundsätzen die Bedeutung der Zustimmung (vgl. BGH W M 1968 214, 215). Darin liegt eine gewisse Parallele zum Schweigen auf Bestätigungsschreiben und zu § 362 HGB; daran ändert auch der besondere Hinweis gemäß Ziff. 15 S. 3 Halbs. 2, der nach 5 10 Nr. 5 AGBG erforderlich ist, nichts, da hier Schweigen nicht schon kraft Verkehrssitte als Zustimmung gilt und der Hinweis lediglich einen Ausgleich für deren Fehlen bildet. Demgemäß wird man weitgehend auf die Grundsätze zurückgreifen können, die Rechtsprechung und Lehre dazu entwickelt haben. Dementsprechend ist Ziff. 15 z. B. bei besonders krassen Fehlern und Abweichungen, bei denen die Bank mit einer Genehmigung des Kunden von vornherein nicht rechnen kann, unanwendbar; denn insoweit kann nichts anderes gelten als beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben (vgl. dazu z. B. GroßKomm.-Äaiz 3 § 346 Anm. 118 m. Nachw.).
2639
In dieser Parallele liegt auch der richtige Lösungsansatz für die Behandlung von Irrtümern des Kunden und sonstigen Zurechnungsmängeln. Im Zweifel kann jedenfalls nicht angenommen werden, daß der schweigende Kunde nach Ziff. 15 S. 3 insoweit schlechter stehen soll als der schweigende Kaufmann nach den Regeln über das Bestätigungsschreiben und nach § 362 HGB. Im einzelnen sind dabei mehrere Fälle zu unterscheiden. Wendet der Kunde ein, er habe nicht gewußt, daß Schweigen Zustimmung bedeute, oder er habe die Regelung der Ziff. 15 S. 3 nicht gekannt, so ist das ebenso wie beim Bestätigungsschreiben und bei § 362 H G B unerheblich. Hier eine Anfechtung oder dgl. zuzulassen, würde nämlich die Genehmigungsfiktion von Ziff. 15 S. 3 im praktischen Ergebnis weitgehend entwerten und ist daher mit dem Zweck dieser Klausel unvereinbar. Dagegen sind die Vorschriften über die Anfechtung analog anwendbar, wenn auch eine entsprechende ausdrückliche Zustimmungserklärung des Kunden anfechtbar wäre; denn dieser soll nach dem Sinn und Zweck von Ziff. 15 S. 3 zweifellos nicht schlechter gestellt werden, als hätte er das fragliche Schreiben der Bank ausdrücklich gebilligt. Daher kann der Kunde z. B. anfechten, wenn das Unterbleiben einer „Erinnerung" auf eine arglistige Täuschung oder eine widerrechtliche Drohung i. S. von § 123 BGB zurückzuführen ist oder wenn er nur deshalb geschwiegen hat, weil er das Schreiben der Bank falsch verstanden und sich daher in einem Inhaltsirrtum i. S. von § 119 BGB befunden hat. H a t der Kunde von dem Schreiben der Bank trotz Zugangs keine Kenntnis erlangt, so gilt Ziff. 15 S. 3 in Ubereinstimmung mit den für das Bestätigungsschreiben und für § 362 H G B entwickelten Grundsätzen nur dann, wenn diese Unkenntnis dem Kunden nach dem Verschuldensprinzip oder dem Risikoprinzip zugerechnet werden kann. Letzteres ist bei einem Kaufmann grundsätzlich z. B. auch dann möglich, wenn ein Angestellter das Schreiben unterschlagen hatte (vgl. zum Bestätigungsschreiben z. B. BGHZ 20 149, 152; Capelle/Canaris H a n 1322
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 15 AGB
delsrecht 19 § 14 II 5 a). Dagegen scheidet eine Zurechnung und damit eine Anwendung von Ziff. 15 S. 3 z. B. aus, wenn es dem Kunden wegen einer Erkrankung nicht möglich war, von einem zugegangenen Schreiben der Bank Kenntnis zu nehmen (vgl. auch O L G Köln W M 1972 943, 944). Die Folgen der Genehmigungsfiktion richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Es ist also jeweils zu fragen, welche Rechtsfolgen eine entsprechende ausdrückliche Erklärung des Kunden hätte. Daher ist es eine Selbstverständlichkeit, daß Ziff. 15 S. 3, wie sich heute auch aus der Klarstellung in S. 4 ergibt, nicht einen Bereicherungsanspruch des Kunden beim Schweigen auf eine falsche Saldomitteilung ausschließt (vgl. BGH W M 1968 214, 215; vgl. freilich auch BGH W M 1971 1498, 1499 unter b); denn auch bei ausdrücklicher Anerkennung der unrichtigen Saldofeststellung könnte der Kunde nach §81211 BGB kondizieren (vgl. GroßKomm-Canaris i § 355 Anm. 102), und daher muß er es hier ebenfalls können, da das Schweigen keine weiterreichenden Folgen als eine ausdrückliche „Genehmigung" haben kann. Folgerichtig hat die Bank dann allerdings gegebenenfalls auch die Einwendungen aus § 814 oder § 818 III BGB (vgl. dazu Canaris § 355 Anm. 102 Abs. 3 und 4). Außerdem kehrt sich die Beweislast zum Nachteil des Kunden um (vgl. BGH aaO sowie allgemein Canaris § 355 Anm. 102 Abs. 2).
2640
Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der Kunde aus einer Mitteilung der Bank, ins- 2641 besondere einem Tagesauszug, bestimmte Maßnahmen wie z. B. die Vornahme einer Überweisung oder die Einlösung eines Schecks entnehmen konnte und diese ohne einen entsprechenden Auftrag des Kunden erfolgt waren, sei es, daß es sich um ein Versehen handelte, sei es, daß eine Fälschung vorlag, oder sei es, daß ein Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hatte. Hier generell das Verhalten der Bank als rechtmäßig zu behandeln, nur weil der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, geht nicht an (ebenso B G H Z 73 207, 210; vgl. auch schon B G H W M 1976 248, 249 f; a. A. Liesecke W M 1970 513). Es müßte nämlich zur Folge haben, daß der Kunde den gesamten Schaden allein zu tragen hätte — und zwar auch dann, wenn die Bank grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt hat; denn aus einem genehmigten Verhalten können, da es durch die Genehmigung rechtmäßig wird, keine Schadensersatzansprüche mehr abgeleitet werden. Das aber wäre um so unbilliger, als die Fristversäumung durch den Kunden häufig nur ein leichtes Verschulden darstellen wird, ja, wenn er das Schreiben der Bank gar nicht zu Gesicht bekommen hat, überhaupt nicht auf Verschulden zu beruhen braucht (vgl. oben Rdn. 2639 a. E.). Genauere Überlegung zeigt denn auch, daß die Bank das Schweigen des Kunden keinesfalls als echte Genehmigung i. S. von §§ 177, 185 II BGB oder einer ähnlichen Vorschrift auffassen darf, sondern nur als rein deklaratorische Bestätigung, daß die betreffende Maßnahme „in Ordnung" sei. Die Bank hat nämlich nicht den geringsten Anlaß zu der Annahme, der Kunde werde z. B. eine unrechtmäßige Überweisung oder die Einlösung eines gefälschten Schecks nachträglich genehmigen — was sollte ihn wohl zu einer so außergewöhnlichen Maßnahme veranlassen?! —, sondern sie kann nur erwarten, daß der Kunde sie unverzüglich auf den Fehler aufmerksam macht (übereinstimmend BGHZ 73 210, wenngleich ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen in der Erstbearbeitung Anm. 1296 Abs. 3). Das aber ist ein grundlegender dogmatischer und praktischer Unterschied. Während nämlich eine echte rechtsgeschäftliche Genehmigung zu einer entsprechenden Verpflichtung des Kunden aus Vertrag führt und folglich der Bank ohne weiteres ein Recht zur Belastung des Kontos gibt, kann eine unrichtige Bestätigung über die Ordnungsmäßigkeit der fraglichen Maßnahme grundsätzlich nur zu einem Schadensersatzanspruch gegen den Kunden (oder allenfalls zu einer RechtsClaus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
Scheinhaftung) führen. Es kommt dann also darauf an, ob eine rechtzeitige „Erinnerung" den Schaden überhaupt noch hätte beseitigen oder vermindern können — wobei man allerdings entsprechend der Schutzfunktion von Ziff. 15 die Beweislast für die Nutzlosigkeit einer rechtzeitigen Aufklärung dem Kunden auferlegen sollte. Bei einem Mitverschulden der Bank ist § 254 BGB anwendbar, was i. E. allein sachgerecht ist. Praktische Bedeutung hat diese Interpretation von Ziff. 15 S. 3 z. B. auch für die Dogmatik des Lastschriftverfahrens; denn sie versperrt den Anhängern der Genehmigungstheorie den Ausweg, in dem Schweigen auf einen Tagesauszug eine Genehmigung der Lastschrifteinlösung zu sehen (vgl. näher oben Rdn. 559).
2642
Noch weitergehend hat der BGH entschieden, daß das Schweigen auf einen Tagesauszug keine Beweislastumkehr zur Folge hat (vgl. B G H Z 73 207, 210 f; zustimmend z. B. Graf von Westpbalen W M 1980 1417 f; a. A. z. B. LG Essen W M 1975 998, 999 f; Erstbearbeitung Anm. 1296 Abs. 2); sollte Ziff. 15 S. 3 anders gemeint sein, so läge darin „eine unbillige und nach Treu und Glauben zu mißbilligende Regelung", weil die Bank schon durch die Prüfungs- und Beanstandungspflicht des Kunden und den aus deren Verletzung erwachsenden Schadensersatzanspruch hinreichend geschützt sei. Dem wird man zustimmen können, doch ist hinzuzufügen, daß dem schutzwürdigen Interesse der Bank an einer Beweislastumkehr — das als solches nicht zu leugnen ist — beim Schweigen auf einen Rechnungsabschluß Genüge getan wird (vgl. oben Rdn. 2640 a. E.). Die entscheidende Frage ist also, ob die Bank ein hinreichendes Interesse daran hat, nicht nur nach der periodischen Saldofeststellung, sondern grundsätzlich schon nach der Zusendung eines jeden Tagesauszugs in den Genuß einer Beweislastumkehr zu kommen. Das ist in der Tat zu verneinen, weil zum einen der Bank zugemutet werden kann, bis zum Ablauf der jeweiligen Periode — die sie ja auch auf weniger als ein Jahr festsetzen kann! — das erforderliche Beweismaterial präsent zu halten, und weil zum anderen auch für den Kunden der Rechnungsabschluß einen deutlich erkennbaren Einschnitt darstellt, bei dem er weit eher als bei der Flut der Tagesauszüge mit einer Veränderung der Rechtslage rechnen muß. Man muß sich dann allerdings darüber im klaren sein, daß von diesem Standpunkt aus die Genehmigungsfiktion von Ziff. 15 S. 3 bei Tagesauszügen im praktischen Ergebnis gegenstandslos ist — und das ist gut so, weil diesen sonst eine übermäßige Bedeutung zukäme.
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Was den nach Ziff. 15 S. 3 Halbs. 2 bzw. § 10 Nr. 5 AGBG erforderlichen Hinweis auf die Folgen des Schweigens angeht, so muß dieser entsprechend seiner Schutzfunktion so angebracht werden, daß der Kunde ihn bei der Kenntnisnahme von der Mitteilung nicht übersehen kann. Dabei wird man sich im Ausgangspunkt an den Regeln orientieren können, die die Rechtsprechung für die Erfüllung der Aufklärungspflicht beim Finanzierungsdarlehen entwickelt hat (vgl. oben Rdn. 1423), doch dürfen sie nicht pauschal übernommen werden, weil der BGH in dem Bemühen um eine Lösung der „Spaltungsproblematik" mit dem — dazu wenig geeigneten — Instrument der Aufklärungspflicht zu deren Übersteigerung neigt. Ein Hinweis auf der Rückseite der Mitteilung genügt jedenfalls auch hier grundsätzlich nicht, wenn deren wesentlicher Inhalt sich auf der Vorderseite befindet; das dürfte auch dann gelten, wenn die Vorderseite den Hinweis enthält, daß auf der Rückseite ein wichtiger Hinweis steht (sogenannte KarlValentin-Methode). Ein Hinweis auf der Vorderseite genügt nicht, wenn er lediglich im Rahmen anderer Informationen ohne vergleichbare Bedeutung steht. Daß dergleichen derzeit auf Tagesauszügen häufig zu finden ist, ist allerdings unschädlich, weil das Schweigen auf diese ohnehin keine Genehmigungsfiktion zur Folge hat (vgl. die vorige Rdn. a. E.); außerdem genügt ein solcher Hinweis immerhin noch für eine Berücksichtigung bei einer etwaigen Abwägung des beiderseitigen Verschuldens, wäh1324
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 18 A G B
rend er auf einem Rechnungs- oder Depotabschluß wegen der dabei stattfindenden Beweislastumkehr unzureichend wäre. 16. Das Ausbleiben von Anzeigen über die Ausführung von Aufträgen jeder Art sowie über erwartete Zahlungen und Sendungen ist der Bank unverzüglich mitzuteilen. Die von Ziff. 16 statuierte Mitteilungspflicht bzw. -Obliegenheit ergibt sich grund- 2 6 4 4 sätzlich schon aus § 242 bzw. § 254 BGB. Die Rechtsfolgen ihrer Verletzung richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen, also in erster Linie nach den Regeln über die positive Forderungsverletzung bzw. § 254 BGB. Die in der früheren Fassung enthaltene Bestimmung, daß die Bank bei einem Unterbleiben der Mitteilung „von jeder Schadenshaftung befreit" ist (vgl. dazu Erstbearbeitung Anm. 1297 f), ist ersatzlos gestrichen worden. 17. Der Kunde und die Bank dürfen mangels anderweitiger Vereinbarung nach freiem Ermessen die Geschäftsverbindung im ganzen oder einzelne auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehungen einseitig aufheben. Auch bei einer anderweitigen Vereinbarung ist dieses Recht jederzeit gegeben, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; die Bank kann dieses Recht insbesondere dann ausüben, wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögenslage gemacht hat, wenn eine wesentliche Verschlechterung seines Vermögens oder eine erhebliche Vermögensgefährdung eintritt oder wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Anforderung durch die Bank nicht innerhalb angemessener Frist nachkommt. Die Klausel ist oben Rdn. 1238 f und 1247 kommentiert. 2645 18. (1) Mit der Beendigung der Geschäftsverbindung wird der Saldo jedes für den Kunden geführten Kontokorrents sofort fällig; von diesem Zeitpunkt ab gilt für Zinsen, Gebühren und Provisionen Nummer 14 Abs. 3. Der Kunde ist außerdem verpflichtet, die Bank von allen für ihn oder in seinem Auftrag übernommenen Verpflichtungen zu befreien und bis dahin bankmäßige Sicherheit zu leisten. Die Bank darf auch selbst Haftungsverpflichtungen kündigen und sonstige Verpflichtungen, insbesondere solche in fremder Währung, glattstellen sowie diskontierte Wechsel sofort zurückbelasten. (2) Auch nach Beendigung der Geschäftsverbindung gelten bis zu ihrer völligen Abwicklung die Allgemeinen Geschäftsbedingungen weiter. Ziff. 18 regelt die Folgen einer Beendigung der Geschäftsverbindung. Ob die Been- 2 6 4 6 digung nach Ziff. 17 S. 1 oder S. 2 erfolgt, ist gleichgültig. Das Ziel von Ziff. 18 ist, soweit wie möglich eine umgehende Gesamtabwicklung der Rechtsbeziehungen zu erreichen. Daher ordnet die Klausel die sofortige Fälligkeit eines jeden Kontokorrentsaldos an — was mit den allgemeinen Grundsätzen des Kontokorrentrechts übereinstimmt (vgl. GroßKomm.-CiJMiim 3 § 355 Anm. 111 i. V. m. Anm. 118) und demgemäß nicht etwa eine Vertragsstrafenregelung i. S. von § 11 Nr. 6 AGBG darstellt (so auch Graf von WestphalenW M 1980 1420). Folgerichtig gelten von nun an für einen negativen Saldo die Regeln über die Kontoüberziehung, wie in Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 ausdrücklich klargestellt wird. Weiterhin gibt Ziff. 18 der Bank in Abs. I S. 3 ein Recht zur sofortigen Rückbela- 2 6 4 7 stung diskontierter Wechsel, das nicht von den in Ziff. 42 aufgestellten Voraussetzungen abhängig ist. Dieses Recht muß die Bank durch eine entsprechende Erklärung, die selbstverständlich auch konkludent erfolgen kann, ausüben; die Beendigung der Geschäftsverbindung oder die Kündigung eines Diskontkrediteröffnungsvertrags hat also nicht etwa ipso iure die Hinfälligkeit schon vorgenommener Diskontgeschäfte zur Folge, auch wenn die Wechsel noch nicht eingelöst sind (vgl. oben Rdn. 1556 gegen BGH W M 1963 507, 508). Nimmt die Bank die Rückbelastung vor, so verbleiben ihr Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
nach Abs. II i. V. m. Ziff. 42 V AGB gleichwohl die Wechsel- oder scheckrechtlichen Ansprüche als Sicherheit. Das gilt nach dem klaren Wortlaut der Klausel und in Übereinstimmung mit dem Grundsatz von Ziff. 19 II AGB nicht nur für den Rückforderungsanspruch der Bank aus dem Diskontgeschäft, sondern für den gesamten Debetsaldo (a. A. Helm Das Diskontgeschäft der Banken, Diss. Heidelberg 1967 S. 170); die Gründe, die im Normalfall für die entgegengesetzte Ansicht sprechen (vgl. unten Rdn. 2740), passen hier nicht, da wegen des Endes der Geschäftsverbindung eine Gesamtabwicklung erforderlich ist und der Kunde daher von der Bank keine Rücksichtnahme auf sein Interesse an einer sofortigen Zurückgabe des Wechsels erwarten kann, sondern mit dessen Zurückbehaltung zum Zwecke der Sicherung oder Befriedigung der Bank rechnen muß. Die Streichung des früheren Abs. I 3 Halbs. 2, der ausdrücklich eine Weiterhaftung des Papiers bis zur Abdeckung eines etwa vorhandenen Schuldsaldos vorsah, hat somit in der Tat nicht zu einer Veränderung der Rechtslage geführt (vgl. dazu auch Kümpel WM 1976 Sonderbeilage Nr. 1 S. 19). 2648
Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten wie z. B. Bürgschaften und Garantien, die die Bank für den Kunden übernommen hat, werden zwar durch die Beendigung der Geschäftsverbindung nicht unmittelbar betroffen, doch hat die Bank insoweit gemäß Abs. 1 S. 2 in Übereinstimmung mit § 257 BGB einen Freistellungsanspruch oder einen Anspruch auf Sicherheitsbestellung und nach Abs. 1 S. 3 ein Recht zur Kündigung der Verpflichtungen gegenüber dem Dritten; letzteres gilt selbstverständlich aber nur im Verhältnis zum Kunden und bedeutet, daß diesem gegenüber die Kündigung des Vertrages mit dem Dritten keine Pflichtwidrigkeit darstellt, während sich gegenüber dem Dritten selbst die Möglichkeit einer Kündigung nach dem mit ihm geschlossenen Vertrag und nach den allgemeinen Grundsätzen des Bürgschaft- oder Garantievertragsrechts richtet (vgl. zur Kündigungsmöglichkeit bei der Bürgschaft näher GroßKomm.Canaris3 § 356 Anm. 33 Abs. 3 m. umf. Nachw.). Ein Recht zur vorzeitigen Bezahlung einer noch nicht fälligen Hauptschuld kann die Bank aus Ziff. 18 nicht herleiten (vgl. B G H W M 1969 832, 834).
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Die Beendigung der Geschäftsverbindung führt nicht ohne weiteres zur vollständigen Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen der Bank und dem Kunden. Dieses tritt vielmehr zunächst in ein Abwicklungsstadium. Für dieses gelten, wie Ziff. 18 II ausdrücklich klarstellt, nach wie vor die AGB; eine Ausnahme bildet Ziff. 4 11, da diese Klausel nach ihrem klaren Wortlaut nur „während der Geschäftsverbindung" anwendbar ist und also offenbar eine Sonderregelung zu Ziff. 18 II bildet (vgl. dazu auch oben Rdn. 458 a). Im übrigen sind die allgemeinen Regeln über die Abwicklung von Dauerschuldverhältnissen anzuwenden. Danach ist die Bank z. B. grundsätzlich zur Offenlegung stiller Zessionen befugt, weil sie sonst Gefahr liefe, die Forderungen nach § 407 BGB zu verlieren (vgl. oben Rdn. 1277 Abs. 2). Ob Sicherheiten, die für die Schulden des Kunden aus seiner Geschäftsverbindung mit der Bank von einem Dritten bestellt worden sind, auch für solche Verbindlichkeiten haften, die erst nach der Beendigung der Geschäftsverbindung begründet worden sind, ist eine Frage der Auslegung. Steht die neue Schuld in innerem Zusammenhang mit der Abwicklung, wird eine H a f tung der Sicherheiten im Zweifel zu bejahen sein; ist die Verbindlichkeit dagegen durch ein neues, außer Zusammenhang mit der Abwicklung stehendes Geschäft begründet worden, so haften die Sicherheiten dafür grundsätzlich nicht (vgl. BGH W M 1969 1276, 1277).
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Selbst nach Abschluß der Abwicklung kann das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Kunden noch Nachwirkungen haben. Insbesondere können nachwirkende Schutz- und Aufklärungspflichten aus § 242 BGB bestehen, die den Kunden u. U. zu 1326
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Z i f f . 19 A G B
einem Hinweis auf eine Fehlbuchung der Bank verpflichten (vgl. O L G Frankfurt W M 1972 436). Ziff. 18 bezieht sich nach dem klaren Wortlaut der Klausel nur auf die Beendigung 2651 der gesamten Geschäftsverbindung, nicht aber auch auf die — davon in Ziff. 17 unterschiedene — Beendigung einer einzelnen Geschäftsbeziehung, also z. B. nicht auf die Beendigung eines Krediteröffnungsvertrags trotz Fortbestand des Girokontos und/ oder des Depotvertrags. Das mag zwar darauf beruhen, daß die Gleichstellung der Geschäftsbeziehung mit der Geschäftsverbindung in Ziff. 17 erst im Jahre 1969 nachträglich eingefügt worden ist (vgl. Hellner BankBetr. 1969 11) und man eine entsprechende Ergänzung von Ziff. 18 nur versehentlich unterlassen hat, doch kann man die Klausel gleichwohl nicht analog auf die Beendigung einer einzelnen Geschäftsbeziehung anwenden, zumal bei den seitherigen Überarbeitungen der AGB eine Änderung unterblieben ist (vgl. im übrigen oben Rdn. 1240). Die Folgen der Beendigung einer einzelnen Geschäftsbeziehung richten sich folglich nicht nach Ziff. 18, sondern nach den allgemeinen Regeln. Praktische Bedeutung hat das vor allem für Kreditverhältnisse. Hier kommt dann nämlich der Grundsatz der Trennung zwischen dem Krediteröffnungsvertrag und den bereits gewährten Krediten zum Zuge: nur ersterer erlischt mit der Folge, daß die Bank keine weiteren Kredite mehr zu gewähren braucht, letztere dagegen bestehen bis zum Ablauf der für sie geltenden Fristen oder Kündigungstermine usw. fort (vgl. oben Rdn. 1273 mit Rückverweisungen). Wenn also die Bank z. B. ohne Aufhebung der gesamten Geschäftsverbindung nur einen Diskontkrediteröffnungsvertrag kündigt, so kann sie schon diskontierte Wechsel nicht nach Ziff. 18 13, sondern nur unter den engeren Voraussetzungen von Ziff. 42 zurückbelasten (vgl. auch oben Rdn. 1556). Ähnlich steht ihr bei Kündigung eines Avalkrediteröffnungsvertrags ohne gleichzeitige Aufhebung der Geschäftsverbindung nicht der Freistellungsanspruch nach Ziff. 18 12 und das Recht zur Kündigung ihrer Haftungsverpflichtung nach Ziff. 18 I 3 zu; die Bank muß hier vielmehr das Auslaufen schon gewährter Bürgschaften oder Garantien abwarten. 19. (1) Die Bank hat dem Kunden gegenüber jederzeit Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten für alle Verbindlichkeiten, auch soweit sie bedingt oder befristet sind. (2) Die irgendwie in den Besitz oder die Verfügungsgewalt irgendeiner Stelle der Bank gelangten oder noch gelangenden Sachen und Rechte, einschließlich der Ansprüche des Kunden gegen die Bank selbst, dienen als Pfand für alle bestehenden und künftigen — auch bedingten oder befristeten — Ansprüche der Bank gegen den Kunden. Dieses Pfandrecht besteht auch für Ansprüche gegen den Kunden, die von Dritten auf die Bank übergehen, und für Ansprüche der Bank gegen Firmen, für deren Verbindlichkeiten der Kunde persönlich haftet. Es macht keinen Unterschied, ob die Bank den mittelbaren oder unmittelbaren Besitz, die tatsächliche oder rechtliche Verfügungsgewalt über die Gegenstände erlangt hat. (3) Abs. 2 gilt nicht für Aktien, bei denen der Erwerb eines Pfandrechtes durch die Bank der Bestimmung des § 71 des Aktiengesetzes unterliegt, sowie für im Ausland ruhende in- und ausländische Wertpapiere. (4) Die Bank kann ferner ihr obliegende Leistungen an den Kunden wegen eigener — auch bedingter oder befristeter — Ansprüche zurückhalten, auch wenn sie nicht auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen. (5) Uber die Erhaltung und Sicherung aller der Bank als Sicherheit dienenden Sachen und Rechte sowie über den Einzug der ihr haftenden Forderungen, Grund- und Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
Rentenschulden hat der Kunde selbst zu wachen und die Bank entsprechend zu unterrichten. (6) Die Bank ist verpflichtet, auf Verlangen des Kunden Sicherungsgegenstände nach ihrer Wahl freizugeben, soweit der Wert des Sicherungsgutes die vereinbarte Dekkungsgrenze nicht nur vorübergehend überschreitet. Ist keine Oeckungsgrenze vereinbart, so hat die Bank auf Verlangen des Kunden Sicherungsgegenstände nach billigem Ermessen freizugeben, soweit sie diese nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigt. Systematische Übersicht Rdn. I. Der Anspruch der Bank auf Sicherheitsbestellung II. Das Pfandrecht der Bank 1. Zweck und grundsätzliche Zulässigkeit der Pfandklausel 2. Die Bestellung des Pfandrechts und seine Wirksamkeitsvoraussetzungen a) Die Einigung b) Die Übergabe c) Zusätzliche Wirksamkeitserfordernisse d) Ausnahmen von der P f a n d rechtsbestellung auf Grund einer abweichenden Parteiabrede oder Zweckbestimmung . . e) Der gutgläubige Erwerb des Pfandrechts f) Der Rang des Pfandrechts . . . 3. Die gesicherten Forderungen a) Die Parteien der F o r d e r u n g . . .
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2657 2659 2661
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b) c) d)
D e r U r s p r u n g der F o r d e r u n g . . Der Gegenstand der F o r d e r u n g Der Entstehungszeitpunkt der Forderung 4. Einzelne Pfandobjekte a) Konsortialbeteiligungen b) Ansprüche des K u n d e n gegen die Bank c) Sonstige Rechte, insbesondere G r u n d p f a n d r e c h t e und Wertrechte d) Eigene Aktien der Bank sowie im Ausland ruhende Wertpapiere 5. Der Übergang des Pfandrechts auf Dritte III. Das Zurückbehaltungsrecht der Bank . . IV. Die Verwaltung der Sicherheiten V. Der Anspruch des Kunden auf Freigabe von Sicherheiten
Rdn. 2672 2674 2675 2678 2680
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2688 2689 2692 2695 2696
I. D e r Anspruch der Bank auf Sicherheitsbestellung 2652
Ziff. 19 1 gewährt der Bank einen umfassenden Anspruch auf Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten für alle Verbindlichkeiten. Das gilt nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Klausel auch für bedingte und befristete Forderungen; im Gegensatz zu Abs. II ist Abs. I aber nicht allgemein auf zukünftige Forderungen anwendbar, da das Sicherungsinteresse der Bank insoweit auch dann zu unbestimmt ist, wenn die Entstehung der Forderung schon in Aussicht steht.
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Die Sicherheit muß „bankmäßig" sein. Es darf sich also nicht um eine im Bankgeschäft ganz unübliche oder gar um eine für die Bank ungeeignete Sicherheit handeln; von besonderer Bedeutung sind insoweit die Beständigkeit, die rasche und leichte Verwertbarkeit und die Möglichkeit zu einfacher, d. h. räum- und kostensparender Aufbewahrung, falls eine solche nach der Natur der Sicherheit erforderlich ist und durch die Bank zu geschehen hat (vgl. auch Schinnerer/Avancini Bankverträge Bd. II 3 S. 103). Innerhalb dieses Rahmens aber hat der Kunde freie Wahl unter den in Betracht kommenden Sicherungsmitteln und nicht etwa die Bank ein Bestimmungsrecht (vgl. BGHZ 33 389, 394; BGH W M 1981 150, 151).
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Was den Umfang der Sicherheit angeht, so kann die Bank selbstverständlich eine angemessene Ubersicherung verlangen, die sie vor etwaigen Gefahren wie z. B. einem Wertverlust des Sicherungsgutes schützt. Die Bank kann auch eine nachträgliche Verstärkung von Sicherheiten fordern. Das wird sie z. B. dann tun, wenn der Wert einer 1328
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Ziff. 19 AGB
Sicherheit schwindet wie etwa bei Kursverlusten von verpfändeten Effekten oder bei Verschlechterung der Vermögensverhältnisse eines Bürgen, doch ist das Vorliegen derartiger besonderer Umstände nach Wortlaut und Sinn von Ziff. 191 nicht erforderlich; auch § 610 BGB oder die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind weder unmittelbar noch analog anwendbar. Die Bank kann vielmehr die Verstärkung ebenso wie die Bestellung der Sicherheiten grundsätzlich ohne besonderen Anlaß verlangen (ebenso B G H W M 1979 1176, 1179; 1981 150, 151; LG Frankfurt WM 1978 801). Die Grenzen des Anspruchs auf Sicherheitsbestellung bestimmen sich vielmehr nach §138 BGB (insbesondere durch das Verbot der „Ubersicherung") und mittelbar nach Ziff. 19 Abs. VI (ebenso BGH W M 1979 1176, 1179; 1981 150, 151). Denn wenn die Bank danach zur Freigabe einer Sicherheit verpflichtet wäre, kann sie gemäß § 242 BGB nach dem Grundsatz „dolo facit qui petit quod redditurus est" nicht deren Bestellung fordern. Auf dem Umweg über Ziff. 19 VI sind daher auch für Ziff. 191 die „vereinbarte Deckungsgrenze" und bei deren Fehlen das „billige Ermessen" der Bank maßgeblich, wobei letzteres gemäß § 315 BGB der richterlichen Überprüfung und Korrektur unterliegt (vgl. unten Rdn. 2696). Die „vereinbarte Deckungsgrenze" geht im übrigen auch als Individualabrede gemäß § 4 AGBG vor, doch liegt eine solche nicht schon darin, daß die Bank sich für einen bestimmten Kredit mit einer bestimmten Sicherheit zufrieden gegeben hat (vgl. BGH WM 1981 150, 151 gegen OLG Düsseldorf W M 1978 1300, 1304). Da die Bank keinen Anspruch auf Bestellung einer bestimmten Sicherheit hat, stellt diese grundsätzlich eine inkongruente Deckung i. S. von § 30 Ziff. 2 KO dar, so daß die Bank bei einer während der „Krise" erfolgten Sicherheitsbestellung der Konkursanfechtung ausgesetzt ist (vgl. BGHZ 33 389, 393 ff; BGH W M 1969 968). Für eine Anfechtung nach § 3 I Ziff. 1 AnfG, wo eine der Regelung von § 30 Ziff. 2 K O entsprechende Vermutung fehlt, ist die Inkongruenz der Deckung als Indiz für die Benachteiligungsabsicht anzusehen (vgl. Liesecke W M 1969 547 im Anschluß an BGH WM 1961 388 und 672). Anders mag zu entscheiden sein, wenn der Kunde überhaupt nur noch eine einzige „bankmäßige Sicherheit" i. S. von Ziff. 19 I hatte; denn dann konkretisiert sich der Anspruch der Bank auf Sicherheitsbestellung naturgemäß auf diesen einen Gegenstand, und es handelt sich daher nicht mehr um eine Sicherheit, die die Bank „nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte", so daß dem Wortlaut von § 30 Ziff. 2 K O hier genügt ist.
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II. Das Pfandrecht der Bank 1. Zweck und grundsätzliche Zulässigkeit der Pfandklausel Daß die Bank sich in Ziff. 19 II ein Vertragspfandrecht ausbedungen hat, ist durchaus sinnvoll und im Grundsatz nicht zu beanstanden (vgl. z. B. BGH WM 1976 248, 250 unter V; Graf von WestpbaienWM 1980 1421). Anderenfalls müßte sie nämlich bei jeder Kreditgewährung erneut für eine Sicherheitsbestellung sorgen, auch wenn sich entsprechende Werte des Kunden bereits in ihrer Verfügungsgewalt befinden. Das aber wäre nicht nur ein überflüssiger Umweg, sondern läge auch nicht im Interesse des Kunden. Denn dieser könnte dann häufig den Kredit der Bank nicht so schnell und unkompliziert in Anspruch nehmen — etwa durch eine einfache Kontoüberziehung —, sondern müßte zuvor die Formalitäten der Sicherheitsbestellung erfüllen. Die Geltung der Pfandklausel wird denn auch, soweit ersichtlich, von niemand generell verneint; ob Ziff. 19 in Einzelheiten in der einen oder anderen Richtung über das zulässige Maß hinausgeht bzw. einschränkend auszulegen ist, wird bei der Erörterung der jeweiligen Sachprobleme zu prüfen sein. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
2. Die Bestellung des Pfandrechts und seine Wirksamkeitsvoraussetzungen a) Die Einigung
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Die für die Bestellung des Pfandrechts erforderliche Einigung ist in Ziff. 19 II unmittelbar erklärt. Es handelt sich also i. d. R. um eine antizipierte Einigung, da im Augenblick der Anerkennung der AGB und damit der Pfandrechtsbestellung der Pfandgegenstand meist noch nicht im Besitz der Bank ist, ja häufig noch gar nicht feststeht oder sogar überhaupt noch nicht existiert. Es genügt jedoch, daß er im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Pfandrechts, also i. d. R. bei Erlangung des Besitzes durch die Bank, hinreichend bestimmbar ist. Daher hat die Rechtsprechung eine antizipierte Pfandrechtsbestellung schon seit langem zugelassen (vgl. speziell zu Ziff. 19 AGB z. B. RGZ 84 1, 4; RG BankArch. 32 501). Heute dürfte ihre grundsätzliche Wirksamkeit unstreitig sein. Allerdings muß die Einigung nach allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen bis zum Wirksamwerden des Pfandrechts fortdauern und kann daher vorher von dem Kunden frei widerrufen werden (vgl. auch unten Rdn. 2663).
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Nicht voll geklärt ist bisher allerdings, ob auch die subjektiven Voraussetzungen der Einigung ohne weiteres durch Ziff. 19 erfüllt werden. Der Kunde könnte nämlich u. U. behaupten, er habe bei der Anerkennung der AGB von der Existenz der Pfandklausel nichts gewußt und ihm habe daher insoweit das Erklärungsbewußtsein gefehlt. Dagegen läßt sich nicht einwenden, der Kunde habe ja das Erklärungsbewußtsein hinsichtlich der AGB im ganzen bzw. hinsichtlich des Vertrages, mit dem deren Anerkennung verbunden war. Denn die Einigung über die Pfandrechtsbestellung stellt eine eigene Willenserklärung dar, die nicht einen Teil der „Unterwerfung" unter die AGB bildet, sondern ein selbständiges Rechtsgeschäft ist. Der Einwand des fehlenden Erklärungsbewußtseins ist daher ernst zu nehmen. Keine Aussicht auf Erfolg hat er allerdings grundsätzlich dann, wenn man mit einer im Vordringen begriffenen Ansicht auf den Mangel des Erklärungsbewußtseins § 119 BGB analog anwendet (vgl. z.B. Palandt/ Heinrichs Anm. 4 b vor § 116 BGB m. w. Nachw.); denn da der Kunde ohne die Anerkennung der Pfandklausel wohl kaum mit irgendeiner Bank einen Vertrag abschließen könnte, kann er den ihm nach § 119 I Halbs. 2 obliegenden Beweis nicht erbringen, daß er die Erklärung „bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde". Folgt man dagegen der Gegenmeinung, wonach bei fehlendem Erklärungsbewußtsein überhaupt keine oder nur eine nichtige Willenserklärung vorliegt (vgl. z. B. Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 427 f und 548 ff m. Nachw.), so kann man dem Kunden die Geltendmachung dieses Mangels wohl allenfalls mit der Begründung verwehren, nicht nur die Anerkennung der AGB im ganzen, sondern auch die Vereinbarung der Pfandklausel sei verkehrstypischer Inhalt der Geschäftsbeziehung mit der Bank und sei ihm daher auch ohne Erklärungsbewußtsein „kraft verkehrsmäßig typisierten Verhaltens" zuzurechnen; es liegt dann aber insoweit keine echte Willenserklärung mehr vor, sondern ein Fall nicht-rechtsgeschäftlicher Haftung (vgl. dazu auch Canaris aaO S. 217 ff). Im Ergebnis wird jedenfalls, soweit ersichtlich, am Vorliegen des subjektiven Tatbestands der Einigung nirgends gezweifelt. b) Die Übergabe
2659
Zu der Einigung muß grundsätzlich die Übergabe oder ein Übergabesurrogat kommen, soweit vom Gesetz ein entsprechender Doppeltatbestand vorgeschrieben ist wie z. B. für die Verpfändung von beweglichen Sachen nach § 1205 oder von Inhaberpapieren nach §§ 1293, 1205 BGB. Sofern die Bank sich schon im Besitz der Sache befindet, ist nach § 1205 I 2 BGB die bloße Einigung genügend. Sowohl für § 1205 I 1 als auch 1330
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 19 AGB für § 1205 I 2 BGB reicht dabei schon die Erlangung mittelbaren Besitzes durch die Bank aus, sofern nicht gerade der Kunde selbst als Besitzmittler fungiert (vgl. z. B. RGZ 118 253; Palandt/Bassenge § 1205 Anm. 4). Daher erlangt die Bank ein Pfandrecht z. B. auch an den in Drittverwahrung, insbesondere in Girosammeiverwahrung befindlichen Effekten des Kunden, die sie verwaltet. Der Besitz an einem Traditionspapier ersetzt den Besitz an der von diesem „repräsentierten" Ware (vgl. näher GroßKomm.Canaris3 § 363 Anm. 75 ff). An jeder Form des Besitzes fehlt es dagegen nach überwiegender und richtiger Ansicht hinsichtlich der im Schrankfach des Kunden befindlichen Gegenstände, so daß die Bank an diesen kein Pfandrecht erwirbt (vgl. oben Rdn. 2228). Die Ubergabe erschöpft sich nicht in der rein objektiven Erlangung des Besitzes durch die Bank, sondern setzt den Willen zur Besitzübertragung auf Seiten des Kunden voraus (vgl. z. B. RGZ 137 25; Palandt/Bassenge § 929 Anm. 3 b cc); eine Besitzerlangung ohne den Willen des Kunden vermag daher trotz der antizipierten Einigung kein Pfandrecht zu begründen. Daher sind die Eingangsworte von Ziff. 19 II, wonach die Bank ein Pfandrecht an den „irgendwie" in ihren Besitz gelangten Gegenständen erlangen soll, in dem Sinne einschränkend zu interpretieren, daß die Besitzerlangung nicht rein zufällig geschehen sein darf, sondern mit Willen des Kunden erfolgt sein muß 1 ; an diesem Erfordernis läßt sich auch mit der Konstruktion einer „brevi manu traditio" mit antizipierter Einigung nach § 1205 I 2 BGB nichts ändern 2 . Sobald allerdings der Kunde von dem Besitzerwerb der Bank erfährt, wird man i. d. R. die Entstehung des Pfandrechts zu bejahen haben, sofern der Kunde nicht der Fortdauer des Besitzes durch die Bank widerspricht oder sich zumindest gegen die Entstehung des Pfandrechts verwahrt; denn sein Schweigen kann hier grundsätzlich nur als Einverständnis mit dem Besitz der Bank interpretiert werden.
2660
c) Zusätzliche Wirksamkeitserfordernisse Sofern neben Einigung und Ubergabe zusätzliche Wirksamkeitserfordernisse für 2661 die Pfandrechtsbestellung bestehen, greift Ziff. 19 II nur dann Platz, wenn diese erfüllt sind. Nicht in diesen Zusammenhang gehört allerdings das Erfordernis des Indossaments bei Orderpapieren gemäß § 1292 BGB. Denn bei dessen Fehlen ist eine Verpfändung durch Einigung und Übergabe gemäß §§ 1274 I 2, 1205 I BGB anzunehmen; da die Ubergabe konstitutiven Charakter hat 3 , ist eine Anzeige nach § 1280 BGB nicht nötig. Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Pfandrechts sind daher auch ohne Indossament erfüllt, wenngleich dann selbstverständlich der mit dem Indossament verbundene gesteigerte Schutz und insbesondere die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs entfällt. Dagegen vermag Ziff. 19 II weder das Zustimmungserfordernis bei vinkulierten Namensaktien nach §§ 1274 I 1 BGB, 68 II AktG noch das Anzeigeerfordernis bei gewöhnlichen Forderungen gemäß § 1280 BGB zu überwinden. An der grundsätzlichen Anwendbarkeit von Ziff. 19 II auf derartige Fälle ändert das allerdings nichts. Wird also die Zustimmung erteilt oder die Anzeige erstattet, so entsteht das Pfandrecht nach Ziff. 19 (vgl. aber auch unten Rdn. 2686). Es ist demnach nicht etwa eine besondere l Vgl. auch Croßmann-Doerth J W 1930, 3725; Hoeniger Festschr. für Heymann, 1931, S. 1159 ff, 1166 f f ; Raiser Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, S. 144 Fn. 3; Haupt Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der deutschen Banken, 1937, S. 162 f; Otto Schäfer Die Entstehung und der U m f a n g des
2 3
Pfandrechts der Banken nach der Pfandklausel ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Diss. Tübingen 1959, S. 75 ff; Liesecke W M 1969, 548; Stauder/Comes W M 1969, 612. So mit Recht Raiser a a O S. 144 Fn. 3. Vgl. Hueck/Canaris Recht der Wertpapiere 1 1 § 10 I 1 m. N a c h w .
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
konkludente Pfandrechtsbestellung im Zusammenhang mit der Zustimmungseinholung bzw. der Anzeige zu konstruieren, sondern Ziff. 19 anzuwenden, was im Hinblick auf den Kreis der gesicherten Forderungen von praktischer Bedeutung sein kann; allerdings können die Umstände des Einzelfalles einen abweichenden Willen der Parteien erkennen lassen in dem Sinne, daß eine gesonderte Pfandrechtsbestellung für eine bestimmte Forderung und nicht die Ingeltungsetzung des Pfandrechts nach Ziff. 19 mit seinem umfassenden Schutzbereich anzunehmen ist. 2662
Auch das Schriftformerfordernis bei Kuxscheinen sowie bei Grundpfandrechten gemäß §§ 105, 108 ABG bzw. gemäß §§ 1291, 1274 I 1, 1154 I BGB steht einer Pfandrechtsbestellung nach Ziff. 19 entgegen. Das ist eine Selbstverständlichkeit, wenn der Kunde die AGB nur mündlich anerkannt hat. Es gilt aber auch, wenn er sich diesen schriftlich unterworfen oder schriftlich deren Aushändigung bestätigt hat. Allerdings hat das RG entgegengesetzt entschieden 4 . Dem Urteil ist jedoch nicht zu folgen. Entscheidend ist dabei, daß das Schriftformerfordernis nach §§ 105, 108 ABG bzw. nach §1154 I BGB konstitutiven Charakter hat, wohingegen eine schriftliche Erklärung über die Anerkennung oder die Aushändigung der AGB nur deklaratorischer Natur ist. Der Kunde braucht daher nicht damit zu rechnen, daß er mit dieser Bestätigung zugleich antizipierend zwingende gesetzliche Formerfordernisse erfüllt. Dem Zweck der gesetzlichen Formvorschriften wird folglich durch die schriftliche Anerkennung oder Empfangsbestätigung nicht Genüge getan. Ob Grundpfandrechte überhaupt in den Anwendungsbereich von Ziff. 19 II fallen, ist ein anderes Problem (vgl. dazu unten Rdn. 2685). d) Ausnahmen von der Pfandrechtsbestellung auf Grund einer abweichenden Parteiabrede oder Zweckbestimmung
2663
Der Kunde und die Bank haben selbstverständlich die Möglichkeit, die Entstehung des Pfandrechts durch eine entsprechende Vereinbarung auszuschließen. Der Kunde kann dies sogar einseitig erreichen, da die antizipierte Einigung bis zur Entstehung des Pfandrechts frei widerruflich ist (vgl. oben Rdn. 2657 a. E.). Die Vereinbarung bzw. der Widerruf können auch konkludent erfolgen und sich insbesondere aus dem Zweck des betreffenden Geschäfts ergeben. Unvereinbar mit diesem ist das Pfandrecht vor allem dann, wenn der Kunde aus dem Geschäft erkennbar einen Barerlös mit sofortiger Verfügungsmöglichkeit erlangen will, was z. B. bei Geschäften mit Kreditcharakter regelmäßig der Fall sein wird. Daher entfällt das Pfandrecht der Bank z. B. anerkanntermaßen beim Diskontgeschäft sowohl hinsichtlich der eingereichten Wechsel als auch hinsichtlich der Gutschrift des Diskonterlöses (vgl. oben Rdn. 1547 bzw. 1539 und 1548). Gleiches gilt beim Krediteröffnungsvertrag (vgl. oben Rdn. 1220). Dagegen ist es beim Inkassogeschäft und beim Dokumentenakkreditivgeschäft grundsätzlich gegeben, weil diese keine Kreditierungsfunktion haben und keine konkludente Vereinbarung mit der Möglichkeit zur freien Verfügung beinhalten (vgl. oben Rdn. 747 Abs. 2 bzw. 970).
2664
Weiterhin kann sich der Ausschluß des Pfandrechts auch daraus ergeben, daß die Einreichung eines Schecks oder Wechsels lediglich zum Zwecke der Prolongation erfolgt 5 . Das gleiche gilt für eine Einzahlung oder Scheckeinreichung mit der Maß* Vgl. R G BankArch. 32, 501 f f ü r eine H y p o t h e k (erneut abgedruckt in BankArch. 33, 416); a. A. Haupt a a O (Fn. 1) S. 178 f f ; Schäfer a a O (Fn. 1) S. 52 f; Liesecke W M 1969, 552 f; offengelassen von B G H Z 60, 174 f und 176.
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5 Vgl. Liesecke W M 1969, 548 im Anschluß an die Entscheidungen B G H W M 1956, 1292 und 1961, 1186, die jedoch lediglich die H a f t u n g der Bank gegenüber dem Dritten aus § 826 BGB betreffen.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 19 A G B
gäbe, der Gegenwert sei jedenfalls zur Auszahlung oder Gutschrift für einen Dritten bestimmt; lehnt die Bank die Durchführung dieses Auftrags ab, so hat sie an den ihr dafür zugeleiteten Werten kein Pfandrecht (vgl. B G H W M 1973 167; 1979 533, 534). Auch der — der Bank gegenüber offengelegte — Treuhandcharakter eines Kontos oder Depots steht dem Pfandrecht aus Ziff. 19 entgegen (vgl. oben Rdn. 284). Schließlich kann das Pfandrecht auch deshalb als ausgeschlossen anzusehen sein, weil der Kunde die fraglichen Gegenstände der Bank erkennbar nur zu vorübergehender Aufbewahrung anvertrauen wollte wie z. B. bei der Übergabe von Wertsachen bis zur Beendigung von Umbauarbeiten an dem eigenen Safe des Kunden (vgl. BGH WM 1958 1480). e) Der gutgläubige Erwerb des Pfandrechts Nach dem Wortlaut von Ziff. 19 II kann das Pfandrecht auch an Gegenständen entstehen, die nicht dem Kunden gehören; denn in der Klausel ist nur von „Gegenständen" schlechthin die Rede und nicht etwa von Gegenständen „des Kunden". Man setzte denn auch lange Zeit die Geltung der Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten als selbstverständlich voraus 6 . Diese Ansicht ist durch eine Entscheidung des OLG Hamburg erschüttert worden 7 . Das OLG Hamburg knüpft dabei an die Rechtsprechung des BGH zu der ähnlichen Pfandrechtsklausel in § 50 ADSp an, die jedenfalls hinsichtlich inkonnexer Forderungen einen gutgläubigen Erwerb nicht ermöglichen soll 8 . Ein Pfandrechtserwerb an Gegenständen, die nicht dem Kunden gehören, sei mit dem mutmaßlichen Willen redlicher Parteien unvereinbar, ja geradezu sittenwidrig, und das gelte — anders als bei § 50 ADSp — sogar für die Sicherung konnexer Forderungen. Diese Ansicht ist in ihrer Allgemeinheit unhaltbar. Ein wesentlicher Unterschied gegenüber § 50 ADSp liegt zunächst schon darin, daß Ziff. 19 AGB den Kunden entgegen der Ansicht des O L G Hamburg in keiner Weise dazu verleitet oder gar zwingt, der Bank ein Pfandrecht an fremdem Eigentum zu bestellen und damit eine Unredlichkeit oder eine Straftat zu begehen. Es kommt nämlich zwar in der Tat immer wieder vor, daß jemand fremde Güter einem Spediteur im eigenen Namen überläßt, ohne auf die Eigentumsverhältnisse hinzuweisen, und ein solches Verhalten ist i. d. R. auch gar nicht zu beanstanden, weil dadurch die Rechte des Eigentümers normalerweise nicht beeinträchtigt werden; erst durch § 50 ADSp entsteht hier überhaupt die Gefahr einer Rechtsverletzung. Im Bankverkehr ist es dagegen keineswegs üblich und sinnvoll, der Bank fremdes Eigentum im eigenen Namen anzuvertrauen; dafür besteht hier vielmehr die Institution des (offenen) Treuhandkontos oder -depots, von der auch solche Personen Gebrauch machen können, die ein Anderkonto oder -depot nicht einrichten können. Anders als § 50 ADSp begründet Ziff. 19 AGB daher keine Zwangsläufigkeit, daß fremde Rechte gewissermaßen versehentlich oder unbewußt beeinträchtigt werden. Zwar mag es in Einzelfällen durchaus vorkommen, daß ein Kunde bei der Einlieferung fremder Werte nicht an das Pfandrecht gemäß Ziff. 19 denkt und nur deshalb das Fehs Vgl. z. B. R G Z 87, 329, 332; B G H Z 5, 285, 288, wo es um einen möglicherweise abhanden gekommenen Scheck ging; Arwed Koch Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, 1932, S. 184 f; Haupt aaO (Fn. 1) S. 172 f; Liesecke WM 1969, 550; Stauder/Comes W M 1969, 613. 7 Vgl. O L G Hamburg MDR 1970, 422; zustimmend Baumbach/Duden24 Anh. II zu § 406 Anm. zu Ziff. 19 AGB; Palandt/Bassenge
Anm. 7 b a. E. vor § 1204 BGB; ablehnend und im wesentlichen der im folgenden entwickelten Ansicht zustimmend Lanio Die Auswirkungen der Änderungen der AGB der Banken, Diss. Konstanz 1978, S. 218 ff; Staudinger/Wiegand12 Anh. zu § 1257 Rdn. 9 f. 8 Vgl. B G H Z 17, 1 und B G H VersR 1963, 1156 sowie dazu z. B. G r o ß k o m m . - H e l m 3 §410 Rdn. 2 6 - 2 8 .
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len seines Eigentums gegenüber der Bank nicht offenlegt, doch kommt dieser Gefahr nicht so viel Gewicht zu, daß man deshalb die Zulassung gutgläubigen Erwerbs als anstößig ansehen müßte. Denn erstens muß grundsätzlich jeder Kunde sogar ohne genaue Kenntnis von Ziff. 19 damit rechnen, daß alle Werte, die er der Bank im eigenen Namen überläßt, für seine Schulden haften, zweitens liegt ein gewisses Korrektiv darin, daß man insoweit erhöhte Anforderungen an den guten Glauben der Bank stellen kann (vgl. unten Rdn. 2667), und drittens sind die Fälle, in denen der Kunde unwissentlich ein Pfandrecht an fremden Gegenständen begründet, zweifellos atypisch. Der typische Fall des für Ziff. 19 relevanten gutgläubigen Erwerbs ist vielmehr der, daß ein Kunde fremdes Gut — z. B. Wechsel, Schecks oder Effekten — wissentlich veruntreut hat. Daß Ziff. 19 ihm dies erleichtert oder gar nahelegt, kann man nicht im Ernst behaupten. — Es kommt hinzu, daß die Ansicht des OLG Hamburg völlig lebensfremd ist und zu schweren, durch nichts zu rechtfertigenden Schäden für die Bank führen kann. Nach ihr wäre es z. B. möglich, daß die Bank dem Kunden im Vertrauen auf die Sicherung durch dessen Wertpapierdepot oder durch bei ihr ruhende Wechsel einen hohen Kredit gibt und dann feststellen muß, daß die Papiere einem Dritten gehören und somit nicht ihrem Pfandrecht unterliegen. Die Bank müßte sich also vor jeder Kreditgewährung eine besondere Verpfändungserklärung des Kunden geben lassen, um die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb anwendbar zu machen. Das wäre aber nicht nur ein unsinniger formalistischer Umweg, sondern dadurch würden auch die mit der Pfandklausel der Ziff. 19 angestrebten Vorteile einer raschen und einfachen Kreditgewährung hinfällig (vgl. dazu oben Rdn. 2656). Es ist daher schlechterdings nicht einzusehen, warum man die Bank vor die Alternative stellen soll, entweder jeweils besondere Verpfändungserklärungen einzuholen oder auf die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs zu verzichten; denn eine Bank, die im Vertrauen auf die in ihrem Besitz befindlichen Werte ihres Kunden diesem Kredit gewährt, ist nicht stärker schutzwürdig, nur weil sie sich nicht mit der allgemeinen Pfandklausel gemäß Ziff. 19 AGB begnügt hat, sondern sich noch eine besondere Verpfändungserklärung hat geben lassen. Es ist deshalb unverständlich, warum die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs nach Ziff. 19 AGB mit dem Denken redlicher Parteien generell unvereinbar oder gar sittenwidrig sein soll. Zugleich wird darin ein zweiter Einwand gegen die Parallele zu § 50 ADSp deutlich. Anders als die Banken geben nämlich die Spediteure ihren Kunden grundsätzlich keine Kredite für beliebige Zwecke; sie „bevorschussen" vielmehr allenfalls das Speditionsgut — und genau für die auf dieses bezüglichen Forderungen, nämlich für die „konnexen" Forderungen will der BGH die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs ja anerkennen. Dann muß das gleiche aber folgerichtig auch zugunsten der Banken gelten, soweit diese dem Kunden im Vertrauen auf dessen Eigentum an dem betreffenden Gegenstand Kredit gegeben haben. 2666
Daraus ergibt sich freilich zugleich die erforderliche Einschränkung, so daß man insgesamt zu einer differenzierenden Lösung kommt: soweit die Bank auf einen einem Dritten gehörenden Gegenstand zurückgreifen will, ohne daß sie im Vertrauen auf die darin liegende Sicherheit dem Kunden Kredit gegeben hat, ist die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs auszuschließen. Es wäre nämlich in der Tat unredlich, wenn die Parteien den Erwerb eines Pfandrechts an Gegenständen Dritter auch für solche Fälle vereinbaren würden, in denen z. B. die Schuld des Kunden schon vorher bestand oder in denen die Bank die betreffende Forderung durch Abtretung erworben hat; denn hier ist die Bank grundsätzlich nicht schutzwürdig, weil (und soweit) sie nicht im Vertrauen auf die Sicherheit disponiert hat, und hier paßt auch der Vergleich mit einer jeweils im Einzelfall erfolgten Pfandrechtsbestellung nicht, da der Kunde zu deren Vornahme insoweit nicht annähernd die gleiche Veranlassung hat wie bei einem Ersuchen um 1334
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 19 A G B
Kreditgewährung. Als Kreditgewährung sind dabei aber selbstverständlich alle Maßnahmen der Bank mit kreditorischem Charakter anzusehen, also nicht nur die Auszahlung eines Darlehens, sondern z. B. auch die Diskontierung eines Wechsels oder die Stundung einer Forderung. Selbst im Falle einer Kreditgewährung wird man aber das Pfandrecht der Bank dann ausschließen müssen, wenn die betreffende Schuld des Kunden erst begründet worden ist, nachdem die Bank erfahren hatte, daß der Pfandgegenstand fremdes Eigentum ist. Zwar wird dadurch nicht etwa rückwirkend der gutgläubige Erwerb hinfällig, doch wäre es anstößig, wenn die Bank nach Erlangung der Kenntnis von den wahren Eigentumsverhältnissen noch eine Forderung gegen den Kunden begründen und für diese das Pfandrecht in Anspruch nehmen wollte, und daher ist Ziff. 19 A G B gemäß §§ 157, 242 B G B dahingehend einschränkend auszulegen, daß die Klausel in einem solchen Falle nicht eingreift. Das entspricht auch der h. L. zur entsprechenden Frage beim Einwendungsausschluß kraft guten Glaubens (vgl. z. B. B G H Z 5 285, 294 und dazu oben Rdn. 7 5 2 ) ; diese Problematik ist aber mit der vorliegenden eng verwandt (vgl. auch O L G Düsseldorf W M 1973 739 und dazu unten Rdn. 2741), und daher kann hier nicht anders entschieden werden als dort. Dabei schadet der Bank allerdings nicht schon grobe Fahrlässigkeit, sondern nur positive Kenntnis der wahren Rechtslage, da nur in diesem Falle ihr Handeln anstößig ist und da auch der Rechtsgedanke des § 990 I 2 B G B in die gleiche Richtung weist. Die Beweislast dafür, daß ein von Ziff. 19 nicht erfaßter Fall vorliegt, trägt der wahre Berechtigte; denn er macht geltend, der — grundsätzlich mögliche — gutgläubige Pfandrechtserwerb bzw. die Beanspruchung des Pfandrechts für eine erst nachträglich erworbene Forderung verstoße gegen § 138 oder § 242 BGB, und er muß daher die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Einwendung beweisen (a. A. wohl B G H Z 5 296 zur entsprechenden Frage beim Einwendungsausschluß). Macht ihm die Bank allerdings diesen Beweis unmöglich, indem sie ihm z. B. die Einsicht in ihre Unterlagen verwehrt oder indem sie die maßgeblichen Daten überhaupt nicht in diese aufnimmt, so ist die Beweislast wegen der in einem solchen Verhalten liegenden „Beweisvereitelung" zu ihren Lasten umzukehren. Die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs richten sich nach den allgemeinen 2 6 6 7 Regeln, also insbesondere nach den §§ 1207, 932, 935 B G B , 366 H G B und den Art. 16 II W G , 21 ScheckG. Für das Pfandrecht an Effekten enthält die Fremdvermutung der §§ 4 und 30 DepG wesentliche Einschränkungen (vgl. dazu oben Rdn. 1983 ff, 2001 ff, 2167 ff und 2182 ff). Hinsichtlich des guten Glaubens der Bank sind die gesteigerten Voraussetzungen des § 367 H G B zu beachten. Auch im übrigen sind insoweit sehr strenge Anforderungen an die Bank zu stellen. Denn diese muß die Risiken, die durch die weite Fassung von Ziff. 19 AGB für Rechte Dritter entstehen, in möglichst engen Grenzen halten, und daher ist von ihr insbesondere dann eine Nachforschung bzw. ein Hinweis zu erwarten, wenn sie Anhaltspunkte zu der Annahme hat, der Kunde überlasse ihr einen fremden Gegenstand nur deshalb im eigenen Namen, weil er nicht an das Pfandrecht denkt. Soweit die Bank lediglich an die Verfügungsmacht des Kunden, nicht aber an dessen Eigentum glaubt, wird man ihren guten Glauben i. d. R. nur insoweit bejahen können, als es um die Haftung für solche Schulden geht, die mit Bezug auf den betreffenden Gegenstand entstanden sind 9 . Denn die Bank kann nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß ihr Kunde auch für inkonnexe Forderungen ein Pfand-
9
Vgl. auch RaisemaO (Fn. 1) S. 212 f; a. A. Haupt aaO (Fn. 1) S. 172 Anm. 37. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
recht begründen darf, da das dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des wahren Eigentümers typischerweise widersprechen wird und da § 366 H G B insoweit keine Wertung zugunsten des Erwerbenden enthält; selbstverständlich können aber die Umstände des Einzelfalles auch zu einer Bejahung des guten Glaubens hinsichtlich der Haftung für inkonnexe Forderungen führen wie z. B., wenn ein glaubwürdiger Kunde ausdrücklich versichert, er habe umfassende Verfügungsmacht. Weiß der wahre Eigentümer, daß seine Sachen einer Bank anvertraut werden sollen, so wird man i. d. R. eine konkludente Zustimmung zur Begründung eines Pfandrechts zumindest für konnexe Forderungen anzunehmen haben; die Bank erwirbt dann insoweit vom Berechtigten gemäß § 185 BGB, so daß es weder auf ihren guten Glauben noch auf das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen von § 366 H G B ankommt. f) Der Rang des Pfandrechts 2668
Der für den Rang des Pfandrechts maßgebliche Zeitpunkt ist gemäß § 1209 BGB nicht der Augenblick der Entstehung der gesicherten Forderung, sondern der der Bestellung des Pfandrechts. Da das Pfandrecht durch die Einigung bestellt wird und diese in Ziff. 19 II AGB unmittelbar enthalten ist (vgl. oben Rdn. 2657), entscheidet über den Rang des Pfandrechts somit grundsätzlich der Augenblick, in dem die AGB von dem Kunden anerkannt worden sind 9a . Die Bank verschafft sich folglich durch Ziff. 19 einen wesentlichen Vorsprung vor anderen Gläubigern des Kunden.
2669
Zweifelhaft ist, ob dieser Vorrang auch im Verhältnis zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen uneingeschränkt zum Zuge kommt. Allerdings gilt § 1209 BGB grundsätzlich auch für das Rangverhältnis zwischen einem rechtsgeschäftlichen Pfandrecht und einem Pfändungspfandrecht (vgl. z. B. Palandt/Bassenge § 1209 Anm. 1 a). Einschränkungen könnten sich jedoch aus einer analogen Anwendung des § 357 S. 1 H G B ergeben. Die Kontokorrentabrede hat nämlich dieselbe Wirkung wie ein Pfandrecht an der eigenen Schuld zur Sicherung zukünftiger Forderungen (vgl. GroßKomm.-Canam 3 § 355 Anm. 3); da aber das Gesetz der Vorausverfügungsmacht der Parteien insoweit in § 357 S. 1 H G B eine zwingende Grenze gesetzt hat, muß dasselbe auch für das Pfandrecht der Bank an ihrer eigenen Schuld gemäß § 19 II gelten 10 . Die Bank kann also gegenüber einem Pfändungspfandrecht eines Gläubigers ihr Pfandrecht an den Ansprüchen des Kunden gegen sie analog § 357 S. 1 nicht wegen solcher Forderungen geltend machen, deren Grund erst nach der Pfändung gelegt wurde (vgl. zum Begriff der „neuen" Geschäfte i. S. von § 357 HGB näher Canaris aaO § 357 Anm. 11). Für andere Pfandobjekte ist die Analogie allerdings nicht genauso überzeugungskräftig. Man wird jedoch auch insoweit § 357 S. 1 H G B einen allgemeinen Rechtsgedanken entnehmen können. Denn es müßte als Verstoß gegen § 242 BGB angesehen werden, wenn die Bank nach der Pfändung einer Sicherheit dem Kunden noch neuen Kredit auf diese einräumen und dann unter Berufung auf § 1209 BGB den Vorrang ihres Pfandrechts nach Ziff. 19 AGB geltend machen würde. Das könnte im Ergebnis dazu führen, daß Ziff. 19 sämtliche im Besitz der Bank befindliche Gegenstände des Kunden für die übrigen Gläubiger völlig „sperren" würde, worin zweifellos eine unangemessene und wohl sogar sittenwidrige Bevorzugung der Eigeninteressen der Bank läge. Im Konkurs ist das nachträgliche Erstarken des Pfandrechts der Bank wegen § 15 K O ohnehin ausgeschlossen. 9a
A . A. mit beachtlichen G r ü n d e n neuestens Staudinger/Wiegan^ Anh. zu § 1257 R d n . 11. 10 So wohl i. E. auch Nebelung N J W 1953, 450; a. A. offenbar Klee M D R 1952, 203 Fn. 8 in teil-
1336
weiser Abkehr von seinen Ausführungen BB 1951, 688.
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 19 AGB
3. Die gesicherten Forderungen a) Die Parteien der Forderung Als gesicherte Forderungen kommen nur Ansprüche der Bank in Betracht. Alle 2 6 7 0 Filialen der Bank sind dabei als Einheit anzusehen, da sie juristisch nur Teile ein und derselben Person sind 11 . Ansprüche Dritter sind auch dann nicht gesichert, wenn der Dritte mit der Bank eng verbunden ist.'Eine Tochtergesellschaft kann daher z. B. an in ihrem Besitz befindlichen Gegenständen des Kunden nicht ein Pfandrecht für Ansprüche geltend machen, die der Muttergesellschaft zustehen, und umgekehrt. Auch für Ansprüche eines Investmentfonds auf Bezahlung des Ausgabepreises hat die Depotbank trotz enger Verflechtung mit dem Fonds kein Pfandrecht, wenn der Vertrag unmittelbar zwischen dem Fonds und dem Kunden zustande gekommen ist (vgl. dazu oben Rdn. 2362); denn der Fonds ist juristisch nach § 1 II KAGG eine selbständige Person. Die Ansprüche der Bank müssen sich gegen den Kunden richten (vgl. auch auch 2671 oben Rdn. 2529). Ziff. 19 II hebt ausdrücklich hervor, daß das auch auf Ansprüche gegen Firmen zutrifft, für deren Verbindlichkeiten der Kunde persönlich haftet; zu denken ist hierbei in erster Linie an die Einstandspflicht der Gesellschafter einer O H G oder KG, doch dürfte der Klausel insoweit nur klarstellende Bedeutung zukommen (vgl. Liesecke W M 1969 549). Die Inhaber eines Gemeinschaftskontos haften nach Ziff. 2 III 2 AGB nur für die Verbindlichkeiten „aus" dem Gemeinschaftskonto, nicht dagegen auch für die davon unabhängigen Schulden des anderen Teils, so daß insoweit auch Ziff. 19 nicht eingreift (vgl. Liesecke WM 1969 553 und oben Rdn. 228). b) Der Ursprung der Forderung Der Ursprung der gesicherten Forderung ist grundsätzlich unerheblich. Insbeson- 2 6 7 2 dere sind nach Ziff. 19 II auch Ansprüche gesichert, die nicht unmittelbar aus Geschäften der Bank mit dem Kunden entstanden, sondern auf die Bank „übergegangen", also z. B. im Wege der Zession erworben sind. Das wird man nicht beanstanden können, sofern der Erwerb in banküblicher Weise wie z. B. im Rahmen eines Diskontgeschäfts oder einer Sicherungsabtretung erfolgt ist 12 . Denn insoweit hat der Kunde sich am Geschäftsleben beteiligt, und er muß daher damit rechnen, daß gegen ihn gerichtete Forderungen auf Grund normaler Umsatz- und Sicherungsgeschäfte in die Hand anderer Gläubiger wie z. B. seiner Bank gelangen und dann auch dem Pfandrecht unterfallen; auf diese Weise könnte ja z. B. auch eine Aufrechnungslage entstehen, und da eine solche unzweifelhaft pfandrechtsähnliche Wirkung hat, ist auch die Bestellung eines echten Pfandrechts grundsätzlich nicht anstößig. Anders wäre es allerdings, wenn die Bank die Forderung gerade deshalb erworben hat, um sie unter die Deckung des Pfandrechts zu bringen und so ihre dem Zedenten nicht mögliche Realisierung doch noch zu erreichen; in einem solchen Fall ist Ziff. 19 auf Grund einschränkender Auslegung oder wegen Rechtsmißbrauchs unanwendbar (vgl. B G H W M 1958 722, 723; 1974 1218, 1219; 1981 518, 519). Anerkennt man die grundsätzliche Geltung von Ziff. 19 II für im Wege der Abtre- 2 6 7 3 tung erworbene Ansprüche, so kann man die Anwendbarkeit der Klausel konsequenterweise nicht auf Ansprüche aus der Geschäftsverbindung zwischen der Bank und dem 11
Vgl. zu dieser sogenannten Filialklausel auch Kumpel W M 1978, 971 f; Graf von Westphalen W M 1980, 1422.
12 Vgl. B G H W M 1958, 722, 723; 1981, 162 f; O L G Köln W M 1977, 1130, 1131; Liesecke W M 1969, 549; Graf von Westphalen W M 1980, 1422; anders Haupt a a O (Fn. 1) S. 169.
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
Kunden beschränken 13 . Richtig ist aber, daß es sich um Ansprüche handeln muß, die mit dem allgemeinen Geschäfts- und Rechtsverkehr in Zusammenhang stehen. Deliktsrechtliche Ansprüche, die der Bank nur zufällig und ohne inneren Zusammenhang mit dem Geschäftsverkehr erwachsen sind, fallen daher nicht unter Ziff. 19. c) Der Gegenstand der Forderung 2674
Auch der Gegenstand der Forderung ist grundsätzlich unerheblich. Insbesondere braucht diese nicht unbedingt auf Geld gerichtet zu sein. Sie muß allerdings in eine Geldforderung übergehen können, da sonst ihre Befriedigung im Wege der Pfandverwertung nicht in Betracht kommt. Unter Ziff. 19 II fällt daher auch der Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit (vgl. BGH W M 1959 113, 114). Das hat z. B. im Konkurs des Kunden praktische Bedeutung, da die Bank hier wegen des Befreiungsanspruchs ein Absonderungsrecht hat, ohne daß dem § 15 K O entgegenstünde (vgl. BGH aaO). d) Der Entstehungszeitpunkt der Forderung
2675
Gleichgültig ist schließlich grundsätzlich auch der Entstehungszeitpunkt der gesicherten Forderung sowie die Höhe des jeweiligen Schuldsaldos. Die Sicherheiten haften nämlich nach Ziff. 19 II für alle Forderungen der Bank einschließlich der zukünftigen. War also das Pfandrecht erloschen, weil der Kunde sich nicht mehr im Debet befand, so kann es jederzeit Wiederaufleben, wenn eine neue Schuld entsteht. § 356 H G B und der Grundsatz der „Haftung für den niedrigsten anerkannten Saldo" gelten hier somit nicht; vielmehr ist die Rechtslage ebenso wie bei einer sogenannten „Kontokorrentsicherheit" für den jeweiligen Saldo (vgl. dazu GroßKomm.-Cawam 3 §356 Anm. 32).
2676
Allerdings bedarf es einer einschränkenden Auslegung insofern, als gewisse Grenzen f ü r die Sicherung zukünftiger Ansprüche zu ziehen sind (vgl. dazu auch oben Rdn. 2669). Dafür spricht nicht zuletzt auch Abs. I, wonach die Bank einen Anspruch auf Sicherheitsbestellung keineswegs für alle zukünftigen Ansprüche, sondern nur für bedingte und befristete hat (vgl. oben Rdn. 2652), und Abs. IV, wonach für das Zurückbehaltungsrecht die gleiche Beschränkung gilt. Zwar geht Ziff. 19 II nach dem klaren Wortlaut der Klausel darüber hinaus, doch bedarf es gleichwohl einer gewissen Angleichung an die — im Grundsatz vernünftige — Begrenzung des Abs. 1. Ziff. 19 II ist daher insoweit restriktiv zu interpretieren (vgl. auch O L G Bremen W M 1973 1228, 1229; Liesecke W M 1969 549). Sicher ist Ziff. 19 II allerdings dann anwendbar, wenn der Rechtsgrund des Anspruchs bereits gelegt ist. Anwendbar ist die Klausel weiterhin, wenn die Bank vernünftigerweise mit dem Entstehen eines Anspruchs rechnen konnte, ohne daß der Kunde daran etwas ändern kann; das trifft etwa auf die Kosten eines schwebenden Prozesses zu (vgl. OLG Bremen aaO). Ist dagegen nur der Abschluß eines Geschäfts in Aussicht genommen, so ist Ziff. 19 II regelmäßig unanwendbar. Denn da einerseits der Kunde noch nicht gebunden ist und das Entstehen des Anspruchs durch seinen freien Willensentschluß verhindern kann, andererseits aber auch die Bank mangels einer Bindung den Geschäftsabschluß jederzeit zurückweisen kann bzw. nur gegen Stellung von Sicherheiten vorzunehmen braucht, besteht hier
13 A. A. offenbar Liesecke W M 1969, 549; folgerichtig demgegenüber von seinem Standpunkt aus Haupt a a O (Fn. 1) S. 169 f.
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Ziff. 19 AGB
kein schutzwürdiges Interesse der Bank an dem Pfandrecht; dessen Geltendmachung würde im Gegenteil darauf hinauslaufen, den Kunden bezüglich des geplanten Geschäftsabschlusses mittelbar unter Druck zu setzen, und wäre daher eine bedenkliche Einschränkung der Kontrahierungsfreiheit. Auch wenn die Entstehung eines Regreßanspruchs gegen den Kunden aus einer Garantie sich lediglich als eine „theoretische" Möglichkeit darstellt, kann dafür kein Pfandrecht geltend gemacht werden (vgl. OLG Hamburg R I W / A W D 1978 615 f; vgl. aber auch BGH W M 1971 346 zu einer Prozeßbürgschaft). 4. Einzelne Pfandobjekte Hinsichtlich der Pfandobjekte enthält Ziff. 19 II heute keine beispielhafte Aufzäh- 2 6 7 7 lung mehr. Die Intention der Klausel geht aber nach wie vor dahin, jeden pfandrechtsfähigen Gegenstand zu erfassen. Demgemäß erfaßt sie grundsätzlich alle Sachen und Rechte und enthält eine Einschränkung lediglich insofern, als diese in den Besitz oder die Verfügungsgewalt der Bank gelangt sein müssen. Im folgenden werden nur einzelne Pfandobjekte näher behandelt, hinsichtlich derer sich Besonderheiten ergeben. a) Konsortialbeteiligungen Früher waren in Ziff. 19 II u. a. Konsortialbeteiligungen als möglicher Gegenstand 2 6 7 8 des Pfandrechts genannt. Darunter sind Beteiligungen des Kunden an Personengesellschaften wie einer O H G , einer KG oder einer BGB-Gesellschaft zu verstehen. Soweit diese nach dem Gesellschaftsvertrag übertragbar sind, können sie auch verpfändet werden. Da sie Mitgliedschaftsrechte und keine Forderungen darstellen, ist eine Anzeige nach § 1280 BGB nicht erforderlich, sondern nach § 1274 I 1 BGB die schlichte Einigung genügend. Insoweit stehen also einer Anwendung von Ziff. 19 II keine grundsätzlichen Einwände im Wege. Sehr zweifelhaft ist jedoch, wie Konsortialbeteiligungen in den Besitz oder die Verfügungsgewalt der Bank gelangen sollen, was nach Ziff. 19 II erforderlich ist. Denn Beteiligungen an Personengesellschaften werden nicht verbrieft, und eine „Besitzerlangung" kommt damit von vornherein nicht in Betracht. Immerhin ist es aber denkbar, daß ein Kunde der Bank die vollständige Verwaltung und Ausübung seiner Rechte aus der Beteiligung überläßt — sei es im Wege der Vollmacht nach § 167 BGB, sei es im Wege der Ermächtigung nach § 185 BGB —, und zumindest im letzteren Fall kann man durchaus sagen, die Beteiligung sei „in die Verfügungsgewalt" der Bank gelangt. Man wird dann daher Ziff. 19 II anwenden können (a. A. Liesecke W M 1969 552). Für Beteiligungen an einem Emissionskonsortium ist zu beachten, daß die von den 2 6 7 9 einzelnen Konsorten übernommenen Quoten regelmäßig nicht in Gesamthands-, sondern in Alleineigentum stehen (vgl. oben Rdn. 2316) und daß demgemäß die Effekten als solche dem Pfandrecht unterfallen können. Das Erfordernis, daß sie „in den Besitz oder die Verfügungsgewalt" der Bank, die das Pfandrecht ausüben will, gelangt sein müssen, bleibt selbstverständlich unberührt. Außerdem ist zu prüfen, ob das Pfandrecht nicht mit dem Zweck des Konsortialvertrags unvereinbar und daher konkludent abbedungen ist (vgl. dazu allgemein oben 2663 f). b) Ansprüche des Kunden gegen die Bank Ausdrücklich hervorgehoben wird in Ziff. 19 II, daß sich das Pfandrecht der Bank 2 6 8 0 auch auf die Ansprüche des Kunden gegen die Bank erstreckt. Ein solches „Pfandrecht an eigener Schuld" ist grundsätzlich möglich 13a . Das Anzeigeerfordernis des § 1280 u»Vgl., speziell z u r Pfandklausel in den A G B der Banken, R G Z 116, 198, 207; B G H W M 1956,
217, 218; O L G Bremen W M 1973, 1228, 1229.
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BGB entfällt hier, weil Pfandgläubiger und Schuldner dieselbe Person sind. Funktionell steht ein solches Pfandrecht der Aufrechnungsmöglichkeit weitgehend gleich, geht aber über diese insofern hinaus, als es auch zum Schutze nicht aufrechenbarer Forderungen wirkt; so kann es z. B. auch zur Sicherung eines zukünftigen und daher nach § 387 BGB (noch) nicht aufrechenbaren Anspruchs (vgl. O L G Bremen WM 1973 1228, 1229) oder zur Sicherung eines ungleichartigen Anspruchs geltend gemacht werden wie z. B., wenn einem Freistellungsanspruch der Bank ein Geldanspruch des Kunden gegenübersteht (vgl. dazu auch oben Rdn. 2674). 2681
Welchen Inhalt der Anspruch gegen die Bank hat, ist grundsätzlich gleichgültig. Das Pfandrecht besteht also nicht nur an Geldansprüchen wie z. B. Giro- oder Sparguthaben, sondern auch an Ansprüchen anderer Art wie z. B. dem Anspruch auf Ubereignung von Wertpapieren (vgl. oben Rdn. 1962 Abs. 2); im letzteren Fall setzt es sich gemäß § 1287 BGB kraft dinglicher Surrogation ipso iure an den angeschafften Wertpapieren fort (vgl. RGZ 116 198, 208).
2682
Fraglich ist allerdings, ob und wie bei Ansprüchen gegen die Bank das von Ziff. 19 II aufgestellte Erfordernis erfüllt werden kann, daß diese Rechte in die Verfügungsgewalt der Bank gelangt sein müssen. Da man schlecht von einer „Verfügungsgewalt" des Schuldners über die gegen ihn gerichtete Forderung sprechen kann, da aber andererseits deren Verpfändung aus Ziff. 19 II unmißverständlich hervorgeht, dürfte das Erfordernis der „Verfügungsgewalt" insoweit auf Grund einer sinngemäßen Auslegung der Klausel überhaupt nicht gelten (a. A. z. B. RGZ 116 198, 207; Liesecke W M 1969 553). Jedenfalls aber muß man es genügen lassen, daß die Bank die betreffende Forderung des Kunden durch die Führung eines entsprechenden Kontos oder Depots „verwaltet".
2683
Beim Pfandrecht der Bank an den Ansprüchen des Kunden gegen sie kommt dem Vorrang abweichender Zweckbestimmungen besondere praktische Bedeutung zu (vgl. dazu grundsätzlich oben Rdn. 2663 f). So ist der Bank z. B. ein Pfandrecht nicht nur an zum Diskont eingereichten Papieren, sondern auch an der Forderung auf den Diskonterlös zu versagen (vgl. oben Rdn. 1539 und 1548). Ebensowenig hat die Bank ein Pfandrecht an dem Anspruch auf Auszahlung eines von ihr gewährten Darlehens (vgl. oben Rdn. 1220 f). Das muß folgerichtig auch dann gelten, wenn die Bank den Darlehensbetrag dem Kunden auf seinem Girokonto gutgeschrieben hat (a. A. BGH W M 1956 217, 218 Sp. 2); denn ein solcher Vorgang ändert nichts an der Vereinbarung, daß der betreffende Betrag zu Kreditzwecken dienen soll, und kann daher die daraus folgende Barzahlungspflicht der Bank nicht beseitigen. Auch bei Einzahlung von Geldern mit der Maßgabe, sie sollten zur Auszahlung oder zur Gutschrift an einen Dritten gelangen, entfällt das Pfandrecht der Bank an dem Anspruch des Kunden (vgl. BGH W M 1973 167). Schließlich sei auch in diesem Zusammenhang an dem Ausschluß des Pfandrechts bei Treuhandkonten erinnert (vgl. oben Rdn. 284).
2684
Auch dann, wenn das Pfandrecht nicht durch die Zweckbestimmung des Anspruchs ausgeschlossen ist, kann seiner Geltendmachung doch im Einzelfall der Einwand des Rechtsmißbrauchs gemäß § 242 BGB entgegenstehen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Bank anderweitig genügend gesichert ist (vgl. BGH W M 1956 217, 218 f). c) Sonstige Rechte, insbesondere Grundpfandrechte und Wertrechte
2685
Auch bei sonstigen Rechten kann das Erfordernis Schwierigkeiten bereiten, daß sie „in den Besitz oder die Verfügungsgewalt der Bank gelangt" sein müssen. Das hat der BGH für Grundpfandrechte auch dann verneint, wenn der zugehörige Brief der Bank 1340
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 19 AGB
übergeben worden war; denn durch die bloße Briefübergabe erhalte die Bank keine Verfügungsgewalt über das Recht (vgl. B G H 2 60 174, 177). Vom hier vertretenen Standpunkt aus stellt sich die Frage gar nicht, weil das Schriftformerfordernis der §§ 1291, 1274 I 1, 1154 I BGB durch die Anerkennung der AGB nicht erfüllt werden kann (vgl. oben Rdn. 2662). Aus ähnlichen Gründen wird Ziff. 19 II für Forderungen gegen Dritte kaum jemals 2 6 8 6 praktisch werden. Zwar könnten diese u. U. in die „Verfügungsgewalt" der Bank gelangen wie z. B., wenn der Kunde der Bank eine Einziehungsermächtigung erteilt, doch bedarf es für eine Verpfändung nach § 1280 BGB einer Anzeige an den Schuldner, und deren Fehlen kann Ziff. 19 AGB nicht überwinden (vgl. auch oben Rdn. 2661). Auch bei Wertrechten (vgl. zum Begriff oben Rdn. 2043 ff) fragt sich, ob sie „in die 2 6 8 7 Verfügungsgewalt der Bank gelangt" sind. Insoweit wird man zu differenzieren haben. Bedient sich der Kunde der Möglichkeit des Schuldbuchgiroverkehrs (vgl. dazu oben Rdn. 2052 ff), so ist die Verfügungsgewalt und damit das Pfandrecht zu bejahen. Denn auch wenn der Kunde hier materieller Inhaber der Schuldbuchforderung (nach Bruchteilen) ist, steht die formelle Buchgläubigerschaft doch der Wertpapiersammelbank zu (vgl. oben Rdn. 2056), und da bei dieser gemäß § 1 AGB der Kassenvereine nur Banken ein Konto unterhalten können (vgl. näher oben Rdn. 2037) und die Kundenbank dabei gemäß § 3 1 1 DepG im eigenen Namen als Hinterlegerin auftritt (vgl. oben Rdn. 2158), kann man hier in der Tat von einer „Verfügungsgewalt" sprechen; außerdem hat der Kunde hier ja denselben Weg und dieselbe Depotgestaltung gewählt wie beim Erwerb von Briefeffekten, und daher muß die Gleichstellungsfiktion (vgl. oben Rdn. 2053 ff) folgerichtig auch zugunsten der Bank gelten. Läßt der Kunde sich dagegen selbst in das Schuldbuch eintragen und bedient er sich der Bank nur als Zahlstelle für die Gutschrift der Zinsen und die Rückzahlung des Anleihebetrages, so wird man schwerlich von einer „Verfügungsgewalt" der Bank über die Schuldbuchforderung sprechen können. Denn da hier ja der Kunde selbst und nicht eine Bank im Schuldbuch eingetragen ist, kann die Bank über die Forderung nicht verfügen. Auch die „Gleichstellungsfiktion" hilft insoweit nicht weiter, da sie das Fehlen der „Verfügungsgewalt" nicht zu überwinden vermag; denn auch wenn man einen fiktiven Besitz an den Wertrechten grundsätzlich für möglich hält (vgl. dazu oben Rdn. 2053), hat die Bank diesen zwar bei der zuerst genannten Fallgestaltung, nicht aber bei einer unmittelbaren Eintragung des Kunden in das Schuldbuch erlangt, da die Bank hier nicht die Stellung des Hinterlegers innehat und folglich für einen fiktiven (mittelbaren) Besitz keine Rechtsgrundlage vorhanden ist. Ein Pfandrecht der Bank ist hier somit zu verneinen.
d) Eigene Aktien der Bank sowie im Ausland ruhende Wertpapiere Eigene Aktien der Bank werden in Ziff. 19 III ausdrücklich von der Pfandklausel 2 6 8 8 ausgenommen, um einen Verstoß gegen § 71 III AktG auszuschließen (vgl. auch Hellner BankBetr. 1969 8 f). Auch im Ausland ruhende in- und ausländische Wertpapiere unterfallen nach Abs. 3 nicht der Pfandklausel. Dadurch soll vor allem der Gefahr vorgebeugt werden, daß diese Papiere auf Grund einer abweichenden Qualifikation durch das ausländische Recht wegen des Pfandrechts als „wirtschaftliches Eigentum" der Bank betrachtet werden und infolgedessen u. U. dem Zugriff der ausländischen Gläubiger der Bank unterliegen (vgl. Hellner aaO S. 9). Außerdem könnten durch die Verpfändung von im Ausland befindlichen Papieren u. U. auch Steuerschulden entstehen. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
5. Der Übergang des Pfandrechts auf Dritte
2689
Der Ubergang der gesicherten Forderung führt nach den allgemeinen Prinzipien des Bürgerlichen Rechts grundsätzlich zum Ubergang des Pfandrechts auf den Erwerber der Forderung. Das folgt für die rechtsgeschäftliche Forderungsübertragung aus § 1250 I BGB und für den gesetzlichen Forderungsübergang aus §§ 412, 401 BGB. Dem Zweck von Ziff. 19 AGB wird diese Rechtsfolge freilich häufig nicht entsprechen. Denn diese Klausel soll nicht nur eine bestimmte Forderung der Bank, sondern alle Forderungen — insbesondere auch zukünftige — sichern, und daher dürfte es dem Sinn von Ziff. 19 AGB weit eher gerecht werden, wenn das Pfandrecht bei der Übertragung einer gesicherten Forderung insoweit gemäß § 1250 II BGB erlischt, so daß es dann für etwaige weitere Forderungen der Bank in Anspruch genommen werden kann. Indessen läßt sich der Ausschluß des Übergangs nicht durch eine bloße Auslegung von Ziff. 19 AGB begründen, da diese Vorschrift nur das Verhältnis zwischen der Bank und dem verpfändenden Kunden betrifft und wegen des Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter nicht in die durch § 1250 I bzw. 412, 401 BGB geregelte Rechtsstellung Dritter eingreifen kann. Das gilt auch dann, wenn der Dritte mit der Bank ebenfalls in Geschäftsverbindung steht und sich ihren AGB unterworfen hat; denn insoweit tritt er ihr nicht in seiner Eigenschaft als Kunde, sondern wie ein Außenstehender gegenüber (vgl. auch oben Rdn. 2529 a. E.).
2690
Der richtige Ansatzpunkt für eine sachgerechte Lösung des Problems liegt vielmehr in der Auslegung des Vertrags zwischen der Bank und dem Dritten, also z. B. des der Zession zugrunde liegenden Vertrags oder (bezüglich eines Übergangs nach §§ 774, 412, 401 BGB) des Bürgschaftsvertrags. Dieser Vertrag wird nach §§ 157, 242 BGB, 346 H G B häufig dahingehend zu ergänzen sein, daß der Übergang des Pfandrechts ausgeschlossen sein soll. Der Dritte wird nämlich meist keinen berechtigten Anlaß zu der Annahme haben, daß das Pfandrecht auf ihn übergeht. Das gilt schon deshalb, weil die Bank sich, wie dargelegt, durch Ziff. 19 AGB nur selbst schützen will und den Übergang des Pfandrechts auf einen Dritten gar nicht im Auge hat; auch wenn sich daraus der Ausschluß des Pfandrechtsübergangs nicht mit Hilfe einer restriktiven Auslegung von Ziff. 19 AGB herleiten läßt, so handelt es sich dabei doch um ein wichtiges Auslegungselement im Rahmen der Interpretation des mit dem Dritten geschlossenen Vertrags. Außerdem wird der Dritte häufig überhaupt nicht an das Pfandrecht gemäß Ziff. 19 AGB denken, und auch die Verkehrssitte dürfte regelmäßig gegen dessen Übergang sprechen. Selbstverständlich können aber die Umstände des Einzelfalles zu einem anderen Ergebnis führen wie z. B. dann, wenn die Bank ihre Geschäftsbeziehungen zu dem betreffenden Kunden beendet und der Dritte sämtliche Forderungen der Bank gegen jenen erwirbt oder wenn die Bank den Dritten — z. B. einen Bürgen — besonders auf das Bestehen der Sicherheit hingewiesen oder gar dadurch erst zum Abschluß des fraglichen Rechtsgeschäfts bewogen hatte.
2691
Soweit der Übergang des Pfandrechts nicht ausgeschlossen ist, stellt sich die Frage nach dem Rangverhältnis zwischen dem Pfandrecht des Dritten und einem etwa verbleibenden Pfandrecht der Bank bezüglich sonstiger Forderungen, die diese gegen den Kunden hat oder in Zukunft erlangt. Da die Pfandrechtsbestellung im Falle von Ziff. 19 AGB in der Unterwerfung des Kunden unter die AGB liegt (vgl. oben Rdn. 2657 und 2668) und somit für alle Pfandrechte zur selben Zeit erfolgt, könnte man auf Grund von § 1209 BGB, wonach für den Rang eines Pfandrechts der Zeitpunkt seiner Bestellung maßgeblich ist, zur Gleichrangigkeit der Pfandrechte gelangen. Das entspricht jedoch wohl kaum dem Sinn von § 1209 BGB, der den Sonderfall einer gleichzeitigen Bestellung mehrerer Pfandrechte nicht im Auge haben dürfte, und das 1342
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Ziff. 19 AGB
steht auch nicht in Einklang mit dem System des deutschen Sachenrechts, das ranggleiche Rechte nach Möglichkeit vermeidet. Besser erscheint es daher, auch hier nach dem Prioritätsprinzip zu entscheiden und als maßgeblichen Anknüpfungspunkt hierfür wegen der Gleichzeitigkeit des Bestellungszeitpunkts ausnahmsweise den Zeitpunkt der Forderungsentstehung zu wählen. Das Pfandrecht für eine ältere Forderung geht also dem Pfandrecht für eine jüngere oder gar zukünftige Forderung vor.
III. Das Zurückbehaltungsrecht der Bank Das Zurückbehaltungsrecht der Bank gemäß Ziff. 19 IV, für das das Erfordernis 2 6 9 2 der Konnexität abbedungen ist, hat neben dem Pfandrecht nur geringe praktische Bedeutung. Insbesondere gelten die Einschränkungen, die für das Pfandrecht auf Grund konkludenter Parteiabrede oder der Zweckbestimmung des betreffenden Geschäfts zu beachten sind (vgl. oben Rdn. 2663 f und 2683), auch gegenüber dem Zurückbehaltungsrecht. Auch die Fremdvermutung des § 4 DepG entfaltet hier ihre Wirkung in derselben Weise wie gegenüber einem Pfandrecht. Wo dagegen die gesetzlichen Beschränkungen für die Begründung eines Pfand- 2 6 9 3 rechts ihrem Sinn und Zweck nach auf ein Zurückbehaltungsrecht nicht passen, hat dieses seinen eigentlichen Anwendungsbereich. So steht z. B. grundsätzlich nichts im Wege, der Bank an einem Kuxschein oder an einem Hypotheken- oder Grundschuldbrief statt des nicht möglichen Pfandrechts (vgl. oben Rdn. 2662 und 2685) ein Zurückbehaltungsrecht nach Ziff. 19 IV zuzuerkennen. Das gleiche gilt für im Besitz der Bank befindliche vinkulierte Namensaktien, sofern die Entstehung des Pfandrechts an der fehlenden Zustimmung der Gesellschaft gescheitert ist (vgl. auch Liesecke WM 1969 550; Stauder/Comes W M 1969 616), für Urkunden, die kein möglicher Gegenstand eines Pfandrechts sind wie z. B. Duplikate von Frachtbriefen (vgl. Liesecke aaO S. 552) und für eigene Aktien der Bank. Auch hinsichtlich des Schrankfachinhalts, an dem die Bank keinen Besitz und folglich auch kein Pfandrecht hat (vgl. oben Rdn. 2228), ist ihr in gewissem Umfang ein Zurückbehaltungsrecht zuzubilligen (vgl. näher oben Rdn. 2230). Die Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts sind wesentlich schwächer als die des 2 6 9 4 Pfandrechts, da es kein dingliches Recht darstellt. Zwar entfaltet es nach §§ 404, 986 II BGB grundsätzlich auch Wirkung gegenüber Dritten, doch kann es nicht gutgläubig erworben werden und gibt es kein Absonderungsrecht im Konkurs, soweit nicht der Ausnahmefall des § 49 I Ziff. 3 K O vorliegt. Ein Verwertungsrecht folgt aus dem Zurückbehaltungsrecht grundsätzlich nicht, da § 274 BGB als Regel und § 371 H G B als Ausnahme anzusehen ist (vgl. auch Liesecke W M 1969 556); Gegenstände, die lediglich dem Zurückbehaltungsrecht und nicht auch dem Pfandrecht unterliegen, können daher nicht als „Sicherheiten" i. S. von Ziff. 20 AGB angesehen werden.
IV. Die Verwaltung der Sicherheiten Die Verwaltung der Sicherheiten obliegt nach Ziff. 19 V grundsätzlich dem Kunden 2 6 9 5 selbst. Selbstverständlich kann aber durch eine besondere Abrede im Einzelfall eine Verwaltungspflicht der Bank begründet werden (vgl. BGH W M 1971817,819 unter 2). Außerdem ist Ziff. 19 V unanwendbar und eine Verwaltungspflicht der Bank gemäß § 242 BGB zu bejahen, wenn nicht der Kunde, sondern nur die Bank die Möglichkeit zur Kontrolle der Sicherheiten hat (vgl. BGH W M 1972 72, 73 unter C 1). Ebenso ist grundsätzlich zu entscheiden, soweit die Sicherheit sich im unmittelbaren Besitz der Bank befindet und dessen Innehabung Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Verwaltung ist. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
V. D e r Anspruch des Kunden auf Freigabe von Sicherheiten 2696
Durch den in Ziff. 19 VI enthaltenen Anspruch auf Freigabe von Sicherheiten trägt die Bank den Interessen des Kunden Rechnung und beugt zugleich der Gefahr einer sittenwidrigen Ubersicherung oder Gläubigergefährdung vor. Die Wahl der freizugebenden Gegenstände obliegt dabei grundsätzlich der Bank (vgl. dazu auch LG Ravensburg WM 1971 266).
2697
Soweit die Freigabe im billigen Ermessen der Bank steht, also bei Fehlen einer Vereinbarung über die Deckungsgrenze, ist dessen Ausübung gemäß § 315 BGB gerichtlich überprüfbar 14 . Dabei ist grundsätzlich vom Zerschlagungswert des Sicherungsgutes auszugehen, also von dem Erlös, den dessen Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung vermutlich erbringen würde (vgl. auch oben Rdn. 1256 a. E.). Dem ist die Höhe der Schulden des Kunden gegenüberzustellen. Bei deren Berechnung wird man Eventualverbindlichkeiten wie von der Bank zugunsten des Kunden übernommene Bürgschaften und Garantien nach dem verallgemeinerungsfähigen und nicht auf das Bankaufsichtsrecht beschränkten Rechtsgedanken von § 13 VI KWG grundsätzlich nur mit der Hälfte ihrer Nominalhöhe anzusetzen haben, solange noch nicht feststeht, daß die Bank aus ihnen in Anspruch genommen wird; ist letzteres hochgradig wahrscheinlich, kann nach § 242 BGB u. U. eine Anrechnung zu 100 % angemessen sein, ist es nahezu ausgeschlossen, ist ein niedriger Betrag anzusetzen oder die Schuld sogar ganz außer Betracht zu lassen (vgl. auch oben Rdn. 2676 a. E.).
2698
Eine Vereinbarung über eine feste Deckungsgrenze kann grundsätzlich auch konkludent getroffen werden. Sie liegt jedoch nicht schon darin, daß die Bank sich für einen bestimmten Kredit mit einer bestimmten Sicherheit zufrieden gegeben hat (vgl. B G H WM 1981 150, 151 gegen OLG Düsseldorf WM 1978 1300, 1304).
2699
Nach dem Wortlaut von Ziff. 19 VI setzt die Freigabepflicht der Bank ein entsprechendes Verlangen des Kunden voraus. Das kann indessen nichts daran ändern, daß die Bank u. U. gemäß § 242 oder sogar gemäß § 826 BGB verpflichtet ist, aus eigener Initiative Sicherheiten freizugeben, widrigenfalls sie aus positiver Forderungsverletzung und/oder unerlaubter Handlung schadensersatzpflichtig wird. Das gilt insbesondere dann, wenn der Umfang der Sicherheiten zu einer sittenwidrigen Übersicherung oder Knebelung des Kunden führt — z. B. bei nachträglicher Verminderung der Schuld — oder wenn die Bank einen Wunsch des Kunden nach Erhöhung des Kredits abschlägig bescheidet; denn in einem solchen Fall ist es für sie evident, daß dieser die überflüssigen Sicherheiten für den Versuch einer anderweitigen Kreditaufnahme benötigt. 20. (1) Kommt der Kunde seinen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht nach, so ist die Bank befugt, die Sicherheiten ohne gerichtliches Verfahren unter tunlichster Rücksichtnahme auf den Kunden zu beliebiger Zeit an einem ihr geeignet erscheinenden Ort auf einmal oder nach und nach zu verwerten. Unter mehreren Sicherheiten hat die Bank die Wahl. Sie darf zunächst aus dem sonstigen Vermögen des Kunden Befriedigung suchen. Uber den Erlös wird die Bank dem Kunden eine Gutschrift erteilen, die als Rechnung für die Lieferung des Sicherungsgutes gilt und den Voraussetzungen des Umsatzsteuerrechtes entspricht. (2) Einer Androhung der Verwertung, der Innehaltung einer Frist und der Ausbedingung sofortiger Barzahlung des Kaufpreises bedarf es nicht. Eine Abweichung von K Vgl. dazu auch Liesecke WM 1969, 556; Stauderl Comes WM 1969, 614; Graf von Westphalen WM 1980, 1422.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 21 A G B
der regelmäßigen Art des Pfandverkaufs kann nicht verlangt werden. Die Bank wird nach Möglichkeit Art, Ort und Zeit der Verwertung mitteilen, sofern nicht die Benachrichtigung untunlich ist. 21. (1) Pfänder, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, darf die Bank börsenoder marktmäßig, andere Pfänder durch öffentliche Versteigerung verwerten. Der Verpfänder ist nicht berechtigt, die Herausgabe von Zins- und Gewinnanteilscheinen der als Pfand haftenden Wertpapiere zu verlangen. Die Bank darf diese Scheine auch vor Fälligkeit ihrer Forderung verwerten und den Erlös als Sicherheit behandeln. (2) Die Bank darf die ihr als Pfand haftenden Forderungen, Grund- und Rentenschulden schon vor Fälligkeit ihrer Forderung kündigen und einziehen, wenn dies zur Erhaltung der Sicherheit erforderlich ist. Der Kunde ist verpflichtet, auf Verlangen der Bank die Zahlung an die Bank auf seine Kosten zu betreiben. Die Bank darf alle sonstigen Maßnahmen und Vereinbarungen mit den Drittschuldnern treffen, die sie zur Einziehung von Forderungen für zweckmäßig hält, insbesondere Stundungen oder Nachlässe gewähren und Vergleiche abschließen; sie wird sich bemühen, den Kunden vorher zu benachrichtigen, sofern nicht die Benachrichtigung untunlich ist. Eine Verpflichtung zum Einzug übernimmt die Bank nicht. (3) Zur Sicherung übertragene Sachen und Rechte darf die Bank nach bestem Ermessen, insbesondere auch freihändig verwerten. Grund- und Rentenschulden wird die Bank freihändig mangels Zustimmung des Sicherheitsbestellers nur zusammen mit der gesicherten Forderung und nur in einer im Verhältnis zu ihr angemessenen Höhe verkaufen. Im übrigen gelten die Bestimmungen des Abs. 2 entsprechend. Ziff. 20 und 21 regeln die Verwertung der Sicherheiten. Voraussetzung für ihre 2700 Anwendung ist, daß die AGB gegenüber dem Sicherungsgeber überhaupt gelten, was keine Selbstverständlichkeit ist (vgl. dazu näher oben Rdn. 2529). Sicherheiten i. S. von Ziff. 20 sind nicht nur Pfandrechte, sondern z. B. auch zur Sicherung zedierte Forderungen, Sicherungsgrundschulden, sicherungsübereignete Sachen usw. . . . Die einem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB oder Ziff. 19 IV unterliegenden Gegenstände fallen dagegen nicht unter Ziff. 20, weil sie kein Verwertungsrecht geben (vgl. auch oben Rdn. 2694 a. E.), wohingegen man Gegenstände, an denen ein Zurückbehaltungsrecht nach § 369 H G B besteht, im Hinblick auf dessen weitgehende „Verdinglichung" und auf die Gewährung eines Verwertungsrechts durch § 371 H G B wohl unter Ziff. 20 subsumieren kann. Bei der Verwertung von Sicherheiten ist die Bank grundsätzlich an das Verbot über- 2701 mäßiger Schädigung und das Prinzip des milderen Mittels gebunden (vgl. oben Rdn. 1278). Demgemäß hat sie die Pflicht zur Wahrung des Kundeninteresses (vgl. z. B. B G H WM 1958 932; 1959 1002; 1962 673; 1967 290; O L G Düsseldorf WM 1977 546, 547). Dem trägt Ziff. 20 I 1 Rechnung durch das Gebot tunlichster Rücksichtnahme auf den Kunden. Insbesondere muß die Bank dessen Interesse an einer optimalen Verwertung und der Erzielung eines möglichst hohen Preises wahren. Ein Verstoß gegen diese Pflicht liegt aber noch nicht darin, daß sie einen gewissen, den Umständen nach angemessenen Prozentsatz unter dem Schätzpreis des Sicherungsgegenstandes geblieben ist (vgl. B G H WM 1959 1002, 1004) oder daß sie bei einem schwer zu bewertenden Gegenstand wie z. B. den Rechten aus Patentanmeldungen ein verhältnismäßig niedriges Angebot annimmt, nachdem weder sie noch der Kunde günstigere Angebote beibringen konnten (vgl. B G H WM 1962 673, 674). Außerdem wird regelmäßig zugunsten der Bank zu berücksichtigen sein, daß die Sicherheiten gerade wegen der Krise, in die der Kunde geraten ist, sowie wegen der Notwendigkeit einer raschen Verwertung häufig nicht zu ihrem vollen Wert zu veräußern sind. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. D i e Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
2702
Demgemäß wird das Vorgehen der Bank nach Ziff. 20 I 1 durch das Gebot der Rücksichtnahme auf den Kunden in mannigfacher Weise beeinflußt. So darf die Bank z. B. grundsätzlich nicht sofort nach Fälligkeit der Schuld zur Sicherheitenverwertung schreiten, wenn dadurch das Bemühen des Kunden um eine anderweitige Krediterlangung zur Aussichtslosigkeit verurteilt wird (vgl. oben Rdn. 1278). Die Verwertung eines größeren Aktienpakets durch Verkauf an der Börse darf regelmäßig nicht auf einmal, sondern nur nach und nach erfolgen, weil anderenfalls die Kurse über Gebühr zum Nachteil des Kunden beeinflußt werden könnten — es sei denn, die Bank hat ein ganz überwiegendes Interesse an einer sofortigen Verwertung des ganzen Pakets.
2703
Ziff. 20 I 2, wonach die Bank unter mehreren Sicherheiten die Wahl hat, entspricht § 1230 S. 1 BGB. Die Bank kann daher z. B. nach der Kündigung eines Diskontkredits auf zur Sicherheit abgetretene Forderungen zurückgreifen und braucht sich nicht auf die Wechsel verweisen zu lassen (vgl. BGH WM 1963 507, 509 unter 7). Die Möglichkeit, gemäß Ziff. 20 I 3 zunächst aus dem übrigen Vermögen des Kunden Befriedigung zu suchen, enthält eine Abweichung von § 777 Z P O . Diese ist im Grundsatz zulässig, weil u. U. die Bewertung und die Verwertbarkeit der Sicherheit sehr schwierig ist und die Bank daher im Hinblick auf die mögliche Konkurrenz anderer Gläubiger ein vernünftiges Interesse an einem Zugriff auf das persönliche Vermögen haben kann, doch wird bei Fehlen derartiger Umstände einer Berufung auf Ziff. 20 I 3 meist § 242 BGB entgegenstehen (vgl. auch Liesecke WM 1969 557).
2704
Der Verzicht auf die Androhung der Verwertung und die Fristsetzung sowie der Ausschluß einer Pflicht zur Mitteilung über Ort, Zeit und Art der Verwertung gemäß Ziff. 20 II ist zwar nach § 1245 BGB grundsätzlich zulässig, doch kommt hier § 242 BGB besonderes Gewicht zu. Vor allem dann, wenn die Bank Anlaß zu der Annahme hat, der Kunde werde noch irgendwelche Maßnahmen zur Begleichung seiner Schuld treffen, und eine Kontaktaufnahme mit ihm ohne weiteres möglich ist, wird regelmäßig die in Ziff. 20 II 3 vorgesehene Benachrichtigung des Kunden unumgänglich sein (vgl. auch Graf von Westphalen W M 1980 1423). Da dieser dadurch zugleich von der geplanten Verwertung erfährt, ist auch der Verzicht auf deren Androhung und die einmonatige Wartefrist des § 1234 II BGB grundsätzlich nicht zu beanstanden (so mit Recht Graf von Westphalen aaO; a. A. z. B. UlmerlBrandnerlHensen> Anh. zu §§ 9—11 Rdn. 660; Staudinger/Schlossern § 9 Rdn. 157); die Bank muß dem Kunden aber selbstverständlich gemäß § 242 BGB ausreichend Zeit zu einer Abwendung der Verwertung durch Bezahlung seiner Schuld lassen, sofern das nicht offensichtlich aussichtslos oder ein ganz überwiegendes Interesse der Bank gegen ein auch nur kurzfristiges Zuwarten spricht. Ein Recht zu der wahrheitswidrigen Behauptung, die Sicherheit sei schon verwertet, gibt Ziff. 20 II keinesfalls (vgl. BGH W M 1962 673, 674 unter II 1).
2705
Der Verzicht auf das Barzahlungsgebot ist nach § 1245 BGB zulässig und sachlich angemessen, weil er u. U. die Verwertung der Sicherheit sehr erleichtern kann, doch ist selbstverständlich auch hier § 242 BGB zu beachten wie z. B., wenn der Erwerber des Sicherungsgegenstandes für eine Stundung nicht solide genug erscheint (vgl. auch BGH WM 1960 171, 172; Liesecke WM 1969 557). 2706 Die Abdingung des § 1246 BGB durch Ziff. 20 II 2 ist zur Verhinderung von Verzögerungsmanövern des Kunden ebenfalls als zulässig anzusehen; ist jedoch nur eine bestimmte Art der Verwertung mit den Interessen des Kunden vereinbar, so hat diese den Vorrang (vgl. auch oben Rdn. 2701). 2707 Ziff. 21 I 1 steht in Übereinstimmung mit §§ 1235, 1221 BGB, die nach § 1245 II BGB zwingend sind. Ziff. 21 II 1 enthält eine Abweichung von § 1282 1 1 BGB, doch ist diese Vorschrift im Gegensatz zu § 1228 II BGB gemäß § 1284 BGB abdingbar; daß 1346
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Ziff. 23 AGB
von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden ist, verstößt nicht gegen § 9 AGBG, weil die Bank sie nur ausnutzen darf, „wenn dies zur Erhaltung der Sicherheit erforderlich ist", und die Regelung wegen dieser Einschränkung sachgerecht ist (vgl. auch Graf von Westphalen W M 1980 1424). Daß die Bank nach Ziff. 21 II 3 Stundungen oder Nachlässe gewähren und Verglei- 2 7 0 8 che schließen kann, ist nach § 1284 BGB ebenfalls zulässig und erscheint sachgerecht, weil derartige Maßnahmen oft zur Durchsetzung bzw. Erhaltung der als Sicherheit dienenden Forderung zweckmäßig oder gar unerläßlich sind. Die Klausel ist daher wirksam (ebenso Rümpel W M 1978 974 ff; Graf von Westphalen W M 1980 1424 m. w. Nachw.). Zu einer Verletzung der Interessen des Kunden darf ihre Anwendung aber gemäß § 242 BGB nicht führen. Auch Ziff. 24 II 4, wonach die Bank keine Verpflichtung zum Einzug übernimmt, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. auch O L G München W M 1964 777 f; Rümpel W M 1978 976; Graf von Westphalen WM 1980 1424 f). Die Bestimmung kann jedoch abbedungen werden, was auch konkludent möglich ist (vgl. B G H W M 1971 817, 819 unter 2) und steht außerdem wie alle Klauseln der AGB unter dem selbstverständlichen Vorbehalt eines Verstoßes gegen § 242 BGB (a. A. ohne Begründung O L G München aaO); ein solcher wird i. d. R. insbesondere dann gegeben sein, wenn die Bank die Einziehung einer liquiden Forderung ohne sachlichen Grund unterläßt oder wenn nach Lage des Falles überhaupt nur sie und nicht der Kunde zur Einziehung in der Lage ist (vgl. auch oben Rdn. 2695). Ob und unter welchen Voraussetzungen die Bank zur Offenlegung von stillen Zes- 2 7 0 9 sionen befugt ist, ist oben Rdn. 1277 Abs. 2 näher erörtert. 22. Kosten und Auslagen, die bei der Bestellung, Verwaltung, Verwertung und Freigabe von Sicherheiten sowie durch die Inanspruchnahme von Mitverpflichteten erwachsen, wie Steuern, Lagergelder, Kosten der Beaufsichtigung, Versicherungsprämien, Vermittlerprovisionen und Prozeßkosten, gehen zu Lasten des Kunden. Die Klausel regelt die Kostentragungspflicht hinsichtlich der Sicherheiten und steht 2 7 1 0 ergänzend neben Ziff. 14. Gegen ihre Geltung sind keine Bedenken ersichtlich, da die Bestellung, Verwaltung und Verwertung der Sicherheiten letztlich stets im Interesse des Kunden liegt bzw. durch dessen Verhalten oder Insolvenz ausgelöst ist und man daher die Bank billigerweise nicht mit den Kosten belasten kann. Der Anspruch steht grundsätzlich selbständig neben einer für die Kontoführung vereinbarten Umsatzprovision (vgl. LG Hannover W M 1974 987). 23. Der Kunde trägt den Schaden, der etwa daraus entstehen sollte, daß die Bank von einem eintretenden Mangel in der Geschäftsfähigkeit des Kunden oder seines Vertreters unverschuldet keine Kenntnis erlangt. Nach der Rechtsprechung des B G H ist die Wirksamkeit der Klausel zu bejahen 2711 (vgl. B G H Z 52 61, 63; B G H W M 1966 973). Das Schrifttum steht überwiegend, wenngleich nicht einmütig auf dem gleichen Standpunkt (vgl. z. B. Graf von Westphalen W M 1980 1425 m. w. Nachw.; a. A. schon Haupt Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der deutschen Banken, 1937, S. 72). Die Ansicht der Rechtsprechung ist auch nach Erlaß des AGBG von unverminderter Aktualität, da dieses insoweit keine neuen Wertungen enthält. Für ihre Richtigkeit kann man allerdings nicht ohne weiteres das Interesse der Banken an der Vermeidung von Streitigkeiten über die Tatsache und den Zeitpunkt des Eintritts der Geisteskrankheit anführen (vgl. aber B G H Z 52 63 f); denn dem könnte man schon durch die weit weniger einschneidende Festlegung einer Beweislastumkehr ausreichend Rechnung tragen. Entscheidend dürfte vielmehr sein, daß die vollständige Versagung des Vertrauensschutzes gegenüber Mängeln der Geschäftsfähigkeit rechtspolitisch äußerst fragwürdig ist und weder dem Verkehrsschutzbedürfnis Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
ausreichend Rechnung trägt noch als ein überzeugendes Postulat der Gerechtigkeit erscheint. Für die sonst grundsätzlich maßgebliche „Leitbildfunktion" des dispositiven Rechts bei der inhaltlichen Kontrolle von AGB ist daher hier kein Raum. 2712 Die Anwendung von Ziff. 23 setzt selbstverständlich voraus, daß der Kunde jedenfalls bei der Anerkennung der AGB geschäftsfähig war; denn sonst hat die Klausel überhaupt keine Wirksamkeit erlangt (vgl. dazu auch oben Rdn. 2498). Die antizipierte Einigung nach Ziff. 19 II dürfte durch den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit nach dem Grundsatz der §§ 130 II, 153 BGB nicht berührt werden, so daß das Pfandrecht der Bank zur Entstehung gelangen kann; der dazu erforderliche Besitzverschaffungswille des Kunden (vgl. oben Rdn. 2660) ist kein rechtsgeschäftlicher, sondern nur ein natürlicher Wille, den auch ein Geschäftsunfähiger haben kann. 2713
Ziff. 23 greift nicht ein, wenn die Unkenntnis vom Mangel der Geschäftsfähigkeit auf einem Verschulden der Bank beruht. Das wird z. B. regelmäßig dann zu bejahen sein, wenn sich aus der Art oder dem Umfang der abgeschlossenen Geschäfte erhebliche Bedenken gegen die Geschäftsfähigkeit des Kunden ergaben (vgl. B G H Z 52 64). Die Beweislast für das Fehlen eines Verschuldens trägt nach Struktur und Fassung von Ziff. 23 die Bank (so offenbar auch BGHZ 52 64). 24. (1) Beim Ableben des Kunden ist die Bank berechtigt, die Vorlegung eines Erbscheins, eines Zeugnisses des Nachlaßgerichts über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zu verlangen; sie darf auch denjenigen, der in einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift einer Verfügung von Todes wegen nebst zugehöriger Eröffnungsverhandlung als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichnet ist, verfügen lassen, insbesondere mit befreiender Wirkung an ihn leisten. Werden der Bank ausländische Urkunden zum Nachweis des Erbrechtes oder der Verfügungsbefugnis über den Nachlaß vorgelegt, so wird sie diese insbesondere auf Echtheit, Gültigkeit und Vollständigkeit sorgfältig prüfen. Bei der Prüfung und einer etwaigen Übersetzung haftet sie nur für grobes Verschulden. (2) Der Kunde trägt den Schaden, der etwa daraus entstehen sollte, daß die Bank von einem Mangel in der Wirksamkeit derartiger Urkunden unverschuldet keine Kenntnis erlangt. Die Bank wird bei Auftreten begründeter Zweifel die Urkunden auf ihre fortdauernde Wirksamkeit prüfen, haftet jedoch insoweit nur für grobes Verschulden. (3) Entsprechendes gilt für Bestallungen von Vormündern, Pflegern, Konkursverwaltern usw. und ähnliche Ausweise.
2714
Ziff. 24 betrifft den Tod des Kunden. Die allgemeinen Regeln über dessen Folgen (vgl. oben Rdn. 204 ff und 2094) werden davon jedoch grundsätzlich nicht berührt. Vielmehr enthält Ziff. 24 eine Sonderregelung nur für den Nachweis der Verfügungsbefugnis als Erbe oder Testamentsvollstrecker. Diese schützt die Bank vor Verfügungen eines scheinlegitimierten Nichtberechtigten wie auch vor der Ungewißheit über die Berechtigung dessen, der in der Tat wahrer Erbe, aber nicht formell legitimiert ist (vgl. z. B. LG Krefeld W M 1977 378, 379). Gegen die Gültigkeit der Bestimmung bestehen keine Bedenken. Allerdings kann ein Schuldner beim Tode seines Gläubigers grundsätzlich nicht ohne weiteres einen Erbschein oder dgl. verlangen (vgl. z. B. Liesecke W M 1975 226 m. Nachw.), doch rechtfertigt sich die abweichende Regelung von Ziff. 24 zum einen daraus, daß den Banken häufig besonders hohe Werte anvertraut sind, und zum anderen daraus, daß der Massenverkehr des Bankwesens eine eingehende Prüfung der Erbenstellung i. d. R. nicht erlaubt. Im Einzelfall kann das Verlangen der Bank nach einem Erbschein freilich rechtsmißbräuchlich sein — so z. B., wenn die Voraussetzungen von Ziff. 24 I 1 Halbs. 2 vorliegen und das Konto oder Depot nur 1348
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 25 A G B
einen geringen Wert hat. Auch soweit Ziff. 24 eine Risikoabwälzung zu Lasten des wahren Erben enthält, erscheint die Klausel sachgerecht. Konstruktionsschwierigkeiten bestehen nicht, da der Erbe nach dem Grundsatz der Universalsukzession voll in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt und daher an die AGB gebunden ist. Einen Haftungsausschluß für Verschulden enthält Abs. II 1 nach dem klaren Wort- 2 7 1 5 laut der Klausel nicht. Abs. II 2 begrenzt die Haftung der Bank allerdings bezüglich der fortdauernden Wirksamkeit der Urkunden auf grobes Verschulden; das entspricht dem Leitbild des richtig interpretierten § 173 BGB (vgl. oben Rdn. 2538) und ist daher nicht zu beanstanden. In Abs. III wird die Regelung der vorhergehenden Absätze auf die Bestallung von 2 7 1 6 Vormündern, Pflegern, Konkursverwaltern und dgl. ausgedehnt, so daß die Klausel nicht nur beim Tod des Kunden Bedeutung hat, sondern auch bei Scheinlegitimationen anderer Art eingreifen kann. 25. (1) Im Rahmen des von ihr zu vertretenden Verschuldens haftet die Bank auch für ihre Mitarbeiter; hat die Bank im Einzelfall für sonstige Dritte einzustehen, so haftet sie insoweit stets nur für grobes Verschulden. (2) Die Bank haftet nicht für Schäden, die durch Störung ihres Betriebes infolge von höherer Gewalt, Aufruhr, von Kriegs- und Naturereignissen oder infolge von sonstigen von ihr nicht zu vertretenden Vorkommnissen (z. B. Streik, Aussperrung, Verkehrsstörung) veranlaßt sind oder die durch Verfügungen von hoher Hand des In- oder Auslandes eintreten. Ziff. 25 I Halbs. 2 enthält eine Haftungsbeschränkung für selbständige Erfüllungs- 2 7 1 7 gehilfen i. S. von § 278 BGB. Weil diese oft schwierig zu kontrollieren sind und die Bank häufig auch in ihrer Auswahl de facto nicht völlig frei ist — sie muß grundsätzlich den raschesten Weg für die Durchführung der ihr erteilten Aufträge wählen! —, bestehen gegen die Wirksamkeit der Klausel grundsätzlich keine Bedenken (vgl. auch Graf von Westphalen W M 1980 1425 f). Daß die Klausel keine Freizeichnung für Vorsatz des Erfüllungsgehilfen enthält und demgemäß nicht gegen § 11 Nr. 7 AGBG verstößt, versteht sich von selbst (zweifelnd aber Graf von Westphalen aaO). Überträgt die Bank Aufgaben, die an sich ihren eigenen Mitarbeitern obliegen oder die traditionsgemäß zu diesen gehören, auf einen selbständigen Erfüllungsgehilfen, so wird man die Freizeichnungsklausel auf Grund einer teleologischen Reduktion außer Anwendung zu lassen haben, zumal sie anderenfalls möglicherweise der Inhaltskontrolle nicht standhielte; demgemäß ist sie z. B. auf Fehler eines selbständigen Rechenzentrums nicht anzuwenden, wenn die Bank von diesem die Kontobuchungen ausführen läßt (a. A. offenbar Graf von Westphalen aaO). Einen typischen Anwendungsfall stellt dagegen die Einschaltung ausländischer Banken im Akkreditiv- oder Garantiegeschäft dar, soweit diese überhaupt Erfüllungsgehilfen und nicht Substitute sind (vgl. dazu oben Rdn. 974 f bzw. 1116). Ziff 25 II betrifft die Haftung für Zufallsschäden. Die Klausel dürfte vorwiegend 2 7 1 8 klarstellende Bedeutung haben, da sich die Ablehnung einer Schadensersatzhaftung grundsätzlich schon aus § 275 BGB bzw. aus dem Fehlen eines Verschuldens ergibt. Soweit ausnahmsweise eine Haftung auch für nicht verschuldete Ereignisse zu bejahen ist, was z. B. in manchen Fällen der Betriebsstörung in Betracht kommen könnte (insbesondere bei einem weiteren Vordringen der „Sphärentheorie"), enthält Ziff. 25 II eine wirksame konstitutive Freizeichnung (vgl. im übrigen auch Liesecke WM 1970 504). Ziff. 25 schließt nur Schadensersatzansprüche gegen die Bank aus, begründet aber nicht etwa auch Forderungen für diese, die nach den einschlägigen Vorschriften wie z. B. § 323 BGB entfallen sind (vgl. O G H Z 2 91). Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
26. (1) Die Geschäftsräume der kontoführenden Stelle der Bank sind für beide Teile Erfüllungsort, wenn der Kunde Kaufmann ist, der nicht zu den in § 4 des Handelsgesetzbuches bezeichneten Gewerbetreibenden gehört, oder es sich bei ihm um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen handelt oder sich sein Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland befindet. Das am Erfüllungsort geltende Recht ist maßgebend für alle Rechtsbeziehungen zwischen dem Kunden und der Bank und zwar auch dann, wenn der Rechtsstreit im Ausland geführt wird. (2) Ist der Kunde Kaufmann, der nicht zu den in § 4 Handelsgesetzbuch bezeichneten Gewerbetreibenden gehört, oder handelt es sich bei ihm um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen, so kann die Bank nur am Gerichtsstand des Erfüllungsortes verklagt werden. 2719
Die in Ziff. 26 I 1 und II enthaltene Regelung des Erfüllungsorts und des Gerichtsstands entspricht für Vollkaufleute und Rechtsträger des öffentlichen Rechts der Regelung von §§ 38 I, 29 II ZPO. Sie stellt grundsätzlich auch keinen Verstoß gegen § 9 AGB dar. Denn die Bank hat ein legitimes Interesse daran, Rechtsstreitigkeiten aus Praktikabilitäts- und Kostengründen auf bestimmte Orte zu konzentrieren, wofür der Sitz der kontoführenden Stelle ein sachgerechter Anknüpfungspunkt ist. Das reicht für eine Prorogation in AGB grundsätzlich aus (h. L., vgl. z. B. Staudinger/Schlosser12 § 3 AGBG Rdn. 11; a . A . UlmerlBmndnerlHensen> Anh. zu § § 9 - 1 1 Rdn. 401). Zwar hat auch der andere Teil ein ähnliches Interesse an der Maßgeblichkeit seines Sitzes, doch ist das kein Problem der Inhaltskontrolle, sondern der Durchsetzung der eigenen AGB, und man sollte daher die dafür geltenden Regeln nicht auf dem Umweg über § 9 AGBG unterlaufen. Auch sind Gerichtsstandsklauseln der vorliegenden Art im H a n delsverkehr seit jeher üblich, was nach § 24 S. 2 Halbs. 2 AGBG für ihre Wirksamkeit spricht (vgl. auch Schiller N J W 1979 637). Unwirksam ist die Gerichtsstandsklausel allerdings insoweit, als sie auch für Privatgeschäfte von Kaufleuten Geltung beansprucht. Das folgt schon aus §§ 38, 29 Z P O , wenn man diese Vorschriften in dem Sinne einschränkend auslegt, daß sie nur für Handelsgeschäfte gelten (so Diederichsen BB 1974 379; Capelle/Canaris Handelsrecht 1 9 § 15 1 2 c ) . Geht man dagegen mit der h. L. von der Gegenmeinung aus (vgl. z. B. Löwe N J W 1974 475), so wird man für Privatgeschäfte doch jedenfalls einen Verstoß gegen § 9 AGBG annehmen müssen (vgl. z. B. Schiller aaO; Thomas/Putzon § 38 Anm. 3 f; a. A. Schlosser aaO).
2720
Die Klausel über den Erfüllungsort gilt nach Ziff. 26 I 1 auch für Kunden mit Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland (vgl. dazu auch Kumpel W M 1976 Sonderbeilage Nr. 1 S. 7 f). Die Gerichtsstandsvereinbarung des Abs. II erstreckt sich dagegen nicht auf diesen Personenkreis, da er von deren Wortlaut nicht erfaßt wird. Der Grund hierfür dürfte darin liegen, daß eine solche Regelung nach §§ 38 II 2, 29 II Z P O der Schriftform i. S. von § 126 BGB bedürfte. Dieses Erfordernis ist wohl auch bei schriftlicher Anerkennung der AGB nicht erfüllt (vgl. oben Rdn. 2662), doch kommt es darauf hier nicht an, da schon tatbestandlich eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht gegeben ist und sich der Erfüllungsort gemäß § 29 II Z P O insoweit nicht auf den Gerichtsstand auswirkt. Was die Vereinbarung über den Erfüllungsort als solche angeht, so dürfte deren Wirksamkeit zu bejahen sein. Denn wenn jemand mit Sitz im Ausland die Dienste einer inländischen Bank in Anspruch nimmt, hat diese ein legitimes Interesse an einem einheitlichen Erfüllungsort für die beiderseitigen Ansprüche und darf sie als solchen 1350
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Ziff. 27 A G B
grundsätzlich die kontoführende Stelle bestimmen, weil sich dort der „Schwerpunkt" des Rechtsverhältnisses befindet. Die in Ziff. 26 I 2 enthaltene Rechtswahlklausel ist grundsätzlich nicht zu beanstan- 2 7 2 1 den, weil die Anknüpfung an den Erfüllungsort internationalprivatrechtlich gesehen normal und angemessen ist. In Verbindung mit der Regelung des vorhergehenden Satzes über den Erfüllungsort führt die Klausel freilich dazu, daß regelmäßig das am Sitz der Bank geltende Recht maßgeblich ist. Das erscheint indessen nicht unbillig i. S. von § 9 A G B G , weil ohnehin schon nach allgemeinen Grundsätzen meist dieses Recht gilt (vgl. oben Rdn. 2503). Sollten sich im Einzelfall doch grobe Unbilligkeiten ergeben, wird man mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs eine Berufung der Bank auf die Klausel abzuwehren haben. Im übrigen ist zu beachten, daß sich die Frage nach der Geltung ständlich unabhängig von Ziff. 26 I 2 beurteilt. Soweit man dabei statut abstellt (vgl. dazu oben Rdn. 2503 und 2504), ist für Ziff. 26 I 2 folgerichtig ebenfalls außer Betracht zu lassen und nur nen Grundsätzen zu entscheiden.
der A G B selbstverauf das Wirkungsdessen Ermittlung nach den allgemei-
27. Die Bank ist dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. (im folgenden Einlagensicherungsfonds genannt) angeschlossen. Soweit der Einlagensicherungsfonds oder ein von ihm Beauftragter Zahlungen an einen Kunden leistet, gehen dessen Forderungen gegen die Bank in entsprechender H ö h e Zug um Zug auf den Einlagensicherungsfonds über. Entsprechendes gilt, wenn der Einlagensicherungsfonds die Zahlungen mangels Weisung eines Kunden auf ein Konto leistet, das zu seinen Gunsten bei einer anderen Bank eröffnet wird. Die Bank ist befugt, dem Einlagensicherungsfonds oder einem von ihm Beauftragten alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Literatur: Möschel Monopolverband und Satzungskontrolle am Beispiel des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e . V . , 1978; Neeff Einlagensicherung bei Bankinsolvenzen, Diss. Köln 1980; Nicklisch Rechtsfragen der Einlagensicherung im Kreditgewerbe, 1979; Schmidt Die Einlagensicherung der Kreditgenossenschaften, Sparkasse 1976, 321 f f ; Scholl Einlagensicherung bei Kreditinstituten J u S 1981, 88 f f ; Starke Freiwillige und gesetzliche Sicherungsmaßnahmen im Kreditwesen, Versicherungswirtschaft 1975, 1267 ff.
Der in Ziff. 27 S. 2 angeordnete Forderungsübergang dürfte sich am besten mit 2 7 2 2 Hilfe einer Zession im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter gemäß § 328 B G B erklären lassen (vgl. dazu auch Neeff S. 272 ff). Das setzt freilich voraus, daß man diese Konstruktion für zulässig hält (sehr Str., vgl. dazu z. B. MünchKomm.-GofftWi/ § 328 Rdn. 105 m. umf. Nachw.). Tut man das nicht, kann man die Konstruktion einer Zessionserklärung des Kunden über die zukünftigen Forderungen wählen, die der Fonds durch die Zahlung konkludent annimmt (vgl. auch Rümpel W M 1976 Sonderbeil. Nr. 1 S. 23); das Spezialitätsprinzip steht nicht entgegen, da die Forderung nicht schon bei Abgabe der Zessionserklärung, sondern erst bei deren Wirksamwerden hinreichend bestimmbar sein muß. Beide Konstruktionsmöglichkeiten sind auch für den Fall des S. 3 brauchbar, in dem der Fonds für einen Kunden ein Konto im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter eröffnet (vgl. dazu allgemein oben Rdn. 148) und ihm dann den auf ihn entfallenden Betrag dorthin überweist; des Zurückweisungsrechts nach § 333 B G B hat der Kunde sich wohl durch die Anerkennung der A G B und damit auch der in Ziff. 27 enthaltenen Regelung begeben. Der Zession liegt weder eine schenkungsähnliche Rechtsgrundabrede (so Neeff 2 7 2 3 S. 248 ff, 270) noch ein Forderungskauf (so Rümpel a a O ) zugrunde, da beide VerClaus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
tragstypen den wirtschaftlichen Gegebenheiten und den Parteiabsichten in keiner Weise gerecht werden. Man muß sich vielmehr an diejenige Rechtsfigur anlehnen, die einschlägig wäre, wenn der Fonds eine rechtsgeschäftliche Pflicht zur Zahlung an die Einleger übernommen hätte (was er allerdings nicht getan hat, vgl. die folgende Rdn.). Dann würde es sich um einen Bürgschafts- oder Garantievertrag handeln. Man kann also etwas paradox sagen, es liege zwischen den Beteiligten ein bürgschafts- oder garantievertragsähnliches Verhältnis ohne rechtsgeschäftliche Einstandspflicht des Fonds gegenüber den Kunden vor — ähnlich wie man das z. B. auch bei der verwandten Problematik der „Patronatserklärungen" annehmen kann. Was durch Ziff. 27 S. 2 erreicht werden soll, ist also eine dem § 774 BGB entsprechende Rechtslage. Das ist völlig sachgerecht und findet eine weitere Parallele in § 268 III BGB. Hält man hier mangels einer Legalzession eine Rechtsgrundabrede für erforderlich — was zweifelhaft ist—, so ist sie jedenfalls dem Typus der Interzessionserklärungen zuzuordnen und hat dieselbe Rechtsnatur wie z. B. die Verpflichtung des Garantiebegünstigten, dem Garanten die garantierte Forderung nach Erfüllung der Garantie abzutreten. Anders als bei dieser (vgl. insoweit oben Rdn. 1112), wird man hier aber § 774 BGB nicht analog anwenden können, weil der Fonds eine rechtsgeschäftliche Einstandspflicht nicht übernommen hat und sich daher wohl auch seinerseits nicht auf die Vorteile des Bürgschaftsrechts berufen kann. 2724
Daß aus Ziff. 27 kein rechtsgeschäftlicher Zahlungsanspruch des Kunden gegen den Fonds erwächst, versteht sich von selbst. Ein solcher läßt sich auch nicht im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter aus dem Statut des Einlagensicherungsfonds (abgedruckt unten Rdn. 2726) herleiten, da dieses in § 6 X einen Rechtsanspruch unmißverständlich ausschließt. Zahlt der Fonds allerdings an einzelne Einleger, so ist er gegenüber den übrigen an das Gebot der Gleichbehandlung gebunden; das wird sich i. d. R. schon aus § 826 BGB ergeben, so daß es eines tieferen Eindringens in die Problematik der Gleichbehandlung im Privatrecht nicht bedarf.
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Darüber hinaus kann der Kunde sogar unabhängig von einer Leistung an andere Kunden einen Zahlungsanspruch gegen den Fonds nach den Regeln über die Vertrauenshaftung kraft widersprüchlichen Verhaltens haben. Mit deren Hilfe lassen sich nämlich Erfüllungsansprüche auch dort begründen, wo ein rechtsgeschäftlicher Anspruch ausgeschlossen worden ist (vgl. Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971 S. 352 ff, 364 ff und 396 ff). In der Tat dürften die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs hier gegeben sein. Daß der Bundesverband deutscher Banken e. V. durch die Schaffung des Einlagensicherungsfonds und durch die damit verbundene — durchaus beabsichtigte! — Publizität einen Vertrauenstatbestand gesetzt und die berechtigte Erwartung erweckt hat, der Fonds werde beim Zusammenbruch einer der angeschlossenen Banken eingreifen, ist nicht ernstlich zu bezweifeln. Es ist auch die . Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß der Einleger dadurch — wenn auch vielleicht nur durch das entstandene allgemeine „Klima" eines gesteigerten Vertrauens auf einen Schutz bei Bankzusammenbrüchen — in seinem Verhalten beeinflußt und insbesondere u. U. zur Unterhaltung von nicht konkursfesten Einlagen — etwa Termingeldern — statt z. B. von konkursfesten Wertpapierbeständen veranlaßt worden ist. Weiterhin liegt auch die erforderliche Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr vor (vgl. dazu Canaris aaO S. 444 unter 2 sowie auch oben Rdn. 2278 a. E.); ein unmittelbarer „rechtsgeschäftlicher Kontakt" ist dazu nicht erforderlich (unzutreffend daher insoweit Neeff S. 123 ff). Ebensowenig läßt sich einwenden, der Fonds handele unentgeltlich und würde daher gemäß § 516 BGB nicht einmal durch eine ausdrückliche Verpflichtungserklärung gebunden; denn die Rechtslage ist, wie in Rdn. 2723 darge1352
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Ziff. 27 AGB
legt, eben nicht mit einer Schenkung, sondern mit einer Bürgschaft oder Garantie vergleichbar, w o kein Formerfordernis besteht. Es bleibt das Bedenken, daß der Fonds einen Rechtsanspruch der Einleger ausdrücklich ausgeschlossen hat und dazu nach dem G r u n d s a t z der Privatautonomie an sich auch b e f u g t ist. Dogmatisch verfängt dieser Einwand indessen schon deshalb nicht, weil es bei der V e r t r a u e n s h a f t u n g nicht um eine rechtsgeschäftliche, sondern um eine „gesetzliche", d. h. auf dem objektiven Recht beruhende Einstandspflicht geht. Entscheidend k o m m t hinzu, daß die Möglichkeiten privatautonomen Selbstschutzes hier nicht funktionsfähig sind (vgl. zur Relevanz dieses Arguments näher Canaris a a O S. 352 f, 369 und 436 vor 3). Wie sollte sich denn wohl der einzelne Einleger gegenüber den Gefahren eines Bankenkonkurses sichern bzw. wie sollte er den Fonds z u r Ü b e r n a h m e einer rechtsgeschäftlichen Einstandspflicht bewegen?! Außerdem f ü h r t der Umstand, daß der Einleger nur auf eine freiwillige Erfüllung vertrauen darf, zu einer wesentlichen Einschränkung der Erfüllungshaftung: der Fonds muß nur zahlen, wenn er nicht einen „besonderen G r u n d " f ü r eine Leistungsverweigerung hat — womit sowohl der „Schwäche" des Vertrauenstatbestandes Rechnung getragen als auch f ü r die notwendige Flexibilität gesorgt ist (vgl. z u m Kriterium des „besonderen G r u n d e s " näher Canaris a a O S. 399 f und 544). Entsprechendes gilt auch im Verhältnis zwischen dem Fonds und seinen Mitgliedern, w o man zu diesem Ergebnis wohl schon im W e g e einer gerichtlichen Inhaltskontrolle des Statuts kommen kann (vgl. Nicklisch S. 40 ff); im Verhältnis zu den K u n d e n dürfte dem freilich § 8 A G B G entgegenstehen, weil man sonst im W e g e der Inhaltskontrolle zur Begründung eines an sich nicht gegebenen Anspruchs käme, so daß als dessen G r u n d lage in der T a t die „Vertrauenshaftung" kraft widersprüchlichen Verhaltens und damit ein Satz des (ungeschriebenen) objektiven Rechts herangezogen werden muß. Im übrigen ist der dogmatische Reiz dieser Problematik ungleich größer als ihre praktische Bedeutung, ist es doch aus politischen Rücksichten so gut wie unvorstellbar, daß der Fonds die Z a h l u n g ohne „besonderen G r u n d " verweigert. Immerhin sollte man sich dadurch aber nicht den Blick d a f ü r trüben lassen, daß die Rechtsordnung es an der gebotenen Selbstachtung fehlen ließe, wenn sie in einem Falle wie dem vorliegenden dem Bürger nicht auch ein spezifisch rechtliches Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen zur V e r f ü g u n g stellte. Das gilt um so mehr, als ohne die S c h a f f u n g des Einlagensicherungsfonds der Gesetzgeber ohne Zweifel längst von sich aus eingegriffen und den Schutz vor Bankzusammenbrüchen verbessert hätte.
Das Statut des Einlagensicherungsfonds lautet in der Fassung vom Oktober 1980 :
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§ 1 Einlagensicherungsfonds (1) Innerhalb des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. — im folgenden Bundesverband — besteht ein Einlagensicherungsfonds deutscher Banken — im folgenden Einlagensicherungsfonds genannt. (2) Alle den Einlagensicherungsfonds betreffenden Mitteilungen sind zu richten an: Bundesverband deutscher Banken e. V. — Einlagensicherungsfonds. (3) An dem Einlagensicherungsfonds wirkt jedes Kreditinstitut im Sinne des § 3 Absätze 1 und 2 mit — im folgenden Bank genannt. § 1 Aufgabe und Zweck des Einlagensicherungsfonds (1) Der Einlagensicherungsfonds hat die Aufgabe, bei drohenden oder bestehenden finanziellen Schwierigkeiten von Banken, insbesondere bei drohender Zahlungseinstellung, im Interesse der Einleger Hilfe zu leisten und Beeinträchtigungen des Vertrauens in die privaten Kreditinstitute zu verhüten. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken (2) Zur Durchführung der in Absatz 1 umschriebenen Aufgabe sind alle zur Hilfeleistung geeigneten Maßnahmen zulässig, und zwar insbesondere Zahlungen an einzelne Gläubiger — vor allem gemäß § 6 dieses Statuts —, Leistungen an Banken, die Übernahme von Garantien oder die Übernahme von Verpflichtungen im Rahmen von Maßnahmen gemäß § 46 a KWG. § 3 Mitwirkung an dem Einlagensicherungsfonds (1) An dem Einlagensicherungsfonds wirken alle den Mitgliedsverbänden des Bundesverbandes angehörenden Kreditinstitute mit, sofern sie a) über ein haftendes Eigenkapital verfügen, das den Anforderungen entspricht, die das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen für die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb eines Bankgeschäftes gemäß §§ 32 und 33 K W G zugrunde legt; b) mindestens zwei Geschäftsleiter haben, die die erforderliche persönliche Eignung und Zuverlässigkeit besitzen, wobei die erforderliche persönliche Eignung vor allem voraussetzt, daß die betreffenden Personen über umfangreiche Bankerfahrung verfügen und Gewähr für eine Geschäftspolitik bieten, die eine Gefährdung der Einlagen ausschließt und im Einklang mit den unter Buchstabe c) niedergelegten Grundsätzen steht; c) ein insgesamt ausgeglichenes Ergebnis im laufenden Geschäft und die notwendige Liquidität gewährleisten sowie die Anforderungen erfüllen, die nach den Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen an die ordnungsmäßige Durchführung von Bankgeschäften zu stellen sind; d) Mitglieder im Prüfungsverband deutscher Banken e. V. sind. Vor der Aufnahme neuer Mitglieder haben die Mitgliedsverbände den Bundesverband anzuhören. (2) Private Kreditbanken*), private Hypothekenbanken und Schiffsbanken sowie private Kreditinstitute mit Sonderaufgaben, die keinem Mitgliedsverband des Bundesverbandes angehören, können auf Antrag ebenfalls an dem Einlagensicherungsfonds mitwirken, sofern sie die in Absatz 1 Satz 1 Buchstabe a) bis d) aufgestellten Voraussetzungen erfüllen. Über Aufnahmeanträge dieser Institute entscheidet der Vorstand des Bundesverbandes. Lehnt der Vorstand einen Aufnahmeantrag ab, so kann das antragstellende Institut eine Überprüfung der Entscheidung durch den Hauptausschuß des Bundesverbandes verlangen; die Anrufung des Hauptausschusses hat durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zu erfolgen, der spätestens einen Monat nach Zustellung der Entscheidung des Vorstandes bei der Geschäftsstelle des Bundesverbandes eingehen muß. (3) Für Institute, die an dem Einlagensicherungsfonds bisher nicht mitgewirkt haben, beginnt die Mitwirkung, sobald sie die Umlage gemäß § 5 Absatz 2 entrichtet sowie die Erklärungen gemäß § 5 Absätze 5, 7 und 10 beigebracht haben und der Bundesverband ihnen daraufhin die Mitwirkung bestätigt hat. (4) Während einer Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 1980 können auch solche Institute an dem Einlagensicherungsfonds mitwirken, die nicht über ein haftendes Eigenkapital im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Buchstabe a) verfügen oder nur einen Geschäftsleiter im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Buchstabe b) haben. Über den Ablauf dieser Übergangsfrist hinaus kann in Einzelfällen auf Antrag darauf verzichtet werden, daß ein Institut über ein haftendes Eigenkapital im Sinne von Absatz 1 Satz 1 Buchstabe a) verfügt oder mehr als einen Geschäftsleiter im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Buchstabe b) hat, sofern dadurch eine Gefährdung der Belange des Einlagensicherungsfonds nicht zu befürchten ist. § 4 Beendigung der Mitwirkung an dem Einlagensicherungsfonds (1) Die Mitwirkung an dem Einlagensicherungsfonds endet a) bei Banken, die einem Mitgliedsverband des Bundesverbandes angehören, mit Beendigung ihrer Mitgliedschaft; bei sonstigen Banken mit einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Bundesverband, *)
Z u d e n p r i v a t e n K r e d i t b a n k e n g e h ö r e n G r o ß b a n k e n , R e g i o n a l b a n k e n , P r i v a t b a n k i e r s u n d Zweigstellen a u s l ä n d i s c h e r B a n k e n s o w i e T e i l z a h l u n g s b a n k e n , d e n e n das B u n d e s a u f s i c h t s a m t f ü r das K r e d i t w e s e n eine V o l l k o n z e s s i o n erteilt h a t b z w . erteilt.
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Ziff. 27 AGB b) mit Beendigung der Mitgliedschaft einer Bank im Prüfungsverband deutscher Banken, c) durch Ausschluß von der Mitwirkung an dem Einlagensicherungsfonds, d) im Falle des $ 3 Absatz 4 Satz 1 mit Ablauf der Übergangsfrist, sofern nicht einem Antrag gemäß § 4 Absatz 4 stattgegeben wird. (2) Austrittserklärungen gemäß Absatz 1 Buchstabe a) zweiter Halbsatz haben durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zu erfolgen; sie sind einen Monat nach Zugang des Schreibens bei der Geschäftsstelle des Bundesverbandes wirksam. (3) Über einen Ausschluß gemäß Absatz 1 Buchstabe c) entscheidet der Vorstand des Bundesverbandes nach Anhörung der Bank, wenn bei ihr die in § 3 genannten Voraussetzungen f ü r ihre Mitwirkung an dem Einlagensicherungsfonds nicht oder nicht mehr gegeben sind, wenn eine Bank die Erklärungen gemäß § 5 Absatz 5, 7, 8 und 10 auf Anforderung nicht vorlegt oder wenn eine Bank die ihr obliegenden Pflichten gegenüber dem Einlagensicherungsfonds erheblich verletzt hat. Eine erhebliche Pflichtverletzung liegt insbesondere vor, wenn eine Bank — im Hinblick auf den Einlagensicherungsfonds gegenüber dem Bundesverband unvollständige oder unrichtige Angaben macht, — mit der Leistung von Umlagen nach einer schriftlichen Mahnung länger als zwei Monate in Verzug gerät, — den Prüfungsverband nicht bei seiner Prüfungstätigkeit unterstützt oder dessen Auflagen nicht unverzüglich erfüllt, — die in § 5 Absatz 4 vorgeschriebene Klausel nicht in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufnimmt bzw. nicht den Geschäftsbeziehungen mit ihren Kunden zugrunde legt, — gegenüber Kunden oder Interessenten unrichtige Angaben hinsichtlich der Sicherungsgrenze und der Art der gesicherten Einlagen macht, — entgegen § 5 Absatz 13 mit der Sicherheit der Einlagen wirbt, — Auflagen des Bundesverbandes gemäß § 5 Absatz 11 nicht unverzüglich erfüllt oder — den Bundesverband nicht gemäß § 5 Absatz 10 Satz 1 von Verlusten freistellt. Eine Entscheidung des Vorstandes über den Ausschluß einer Bank ist dieser durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zuzustellen; die Entscheidung wird einen Monat nach Zugang bei der Bank wirksam. Die Bank kann eine Überprüfung der Entscheidung durch den Hauptausschuß des Bundesverbandes verlangen; die Anrufung des Hauptausschusses hat durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zu erfolgen, der innerhalb der in Satz 3 festgesetzten Frist bei der Geschäftsstelle des Bundesverbandes eingehen muß. Die Anrufung des Hauptausschusses des Bundesverbandes hat aufschiebende Wirkung. Ein Ausschluß erfolgt nicht, wenn im Hauptausschuß des Bundesverbandes eine Mehrheit von zwei Dritteln der Gruppe widerspricht, der die auszuschließende Bank angehört. Die Entscheidung des Hauptausschusses wird einen Monat nach Zugang bei der Bank wirksam. (4) Banken, deren Mitwirkung an der Einlagensicherung gemäß Absatz 1 Buchstabe d) enden würde, können einen Antrag auf weitere Mitwirkung stellen, der spätestens ein Jahr vor Ablauf der Übergangsfrist gemäß § 3 Absatz 4 Satz 1 an den Vorstand des Bundesverbandes zu richten ist. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn eine Gefährdung der Belange des Einlagensicherungsfonds nicht zu befürchten ist. Lehnt der Vorstand des Bundesverbandes einen Antrag ab, so findet Absatz 3 Sätze 3 bis 7 mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, daß dem Antrag stattzugeben ist, wenn sich hierfür im Hauptausschuß des Bundesverbandes eine Mehrheit von zwei Dritteln der Gruppe ausspricht, der die Bank angehört, über deren Antrag zu befinden ist. (5) Endet f ü r eine Bank, die einem Mitgliedsverband des Bundesverbandes angehört, die Mitwirkung an der Einlagensicherung, so hat der betreffende Mitgliedsverband die Bank auszuschließen; es sei denn, daß die Mitwirkung der Bank an der Einlagensicherung nur deshalb endet, weil die Bank nicht über ein haftendes Eigenkapital im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe a) verfügt oder nur einen Geschäftsleiter im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b) hat. (6) Bei Banken, deren Mitwirkung an dem Einlagensicherungsfonds endet, bleibt die Verpflichtung zur Entrichtung der Umlage f ü r das bei Wirksamwerden des Ausscheidens laufende Geschäftsjahr bestehen. Im übrigen finden die Bestimmungen dieses Statuts einschließlich der sich Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken aus ihnen ergebenden Verpflichtungen für die Banken Anwendung, solange Verbindlichkeiten der Banken gesichert sind. § 5 Pflichten und Rechte der an dem Einlagensicherungsfonds mitwirkenden Banken (1) Die Banken sind verpflichtet, jeweils zum 30. Juni eines jeden Jahres eine Umlage in H ö h e von 0,3 %o der Bilanzposition „Verbindlichkeiten aus dem Bankgeschäft gegenüber anderen Gläubigern" ihres letzten Jahresabschlusses, den sie vor dem 30. Juni aufgestellt haben, an den Bundesverband zu entrichten (Jahresumlage). Bei Hypothekenbanken und Schiffsbanken treten an die Stelle der in Satz 1 genannten Bilanzposition die in den Positionen „Aufgenommene Darlehen mit einer vereinbarten Laufzeit oder Kündigungsfrist von vier Jahren oder länger" sowie „Täglich fällige Verbindlichkeiten und solche mit vereinbarter Laufzeit oder Kündigungsfrist von weniger als vier Jahren" enthaltenen Verbindlichkeiten gegenüber Nicht-Kreditinstituten, es sei denn, daß zur Sicherstellung der Gläubiger Namenspfandbriefe oder Namenskommunalschuldverschreibungen ausgegeben sind. Bei Kreditinstituten mit Sonderaufgaben bleiben Verbindlichkeiten unberücksichtigt, die eine Laufzeit von vier Jahren und mehr haben und für die den Gläubigern Schuldverschreibungen der Bank ausgehändigt worden sind. In besonders gelagerten Fällen kann der Vorstand des Bundesverbandes für einzelne Institute eine abweichende Bemessungsgrundlage festsetzen. Wird auf Antrag einer Bank eine Kapitalerhöhung, die nach dem Zeitpunkt des letzten veröffentlichten Jahresabschlusses vorgenommen wird, gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz, für die Bemessung der Sicherungsgrenze berücksichtigt, so hat die Bank für das laufende Jahr nachträglich einen zusätzlichen Umlagebetrag zu entrichten; dieser Umlagebetrag errechnet sich unter Berücksichtigung des Zeitpunktes, in dem die Kapitalerhöhung für die Bemessung der Sicherungsgrenze wirksam wird, anteilig für das laufende Jahr aus der Differenz zwischen den Umlagen, die aufgrund des letzten Jahresabschlusses und des folgenden Jahresabschlusses zu entrichten sind. (2) Institute, die nicht am Gemeinschaftsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. mitgewirkt haben, können neben der Umlage für das laufende Jahr zu einer einmaligen Zahlung herangezogen werden, und zwar bis zur Höhe des Dreifachen der in Absatz 1 festgelegten jährlichen Umlage. Handelt es sich bei diesen Instituten um Neugründungen, so können die einmalige Zahlung und die erste Jahresumlage unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks und der mutmaßlichen Entwicklung des Instituts in angemessener Weise festgesetzt werden. Die Entscheidungen trifft der Ausschuß für die Einlagensicherung. (3) Der Vorstand des Bundesverbandes kann beschließen, daß die Anforderung der Jahresumlage ausgesetzt wird, wenn das Vermögen des Einlagensicherungsfonds eine angemessene H ö h e erreicht hat. Reichen die Mittel des Einlagensicherungsfonds für Maßnahmen zur Hilfeleistung im Sinne des § 2 Absatz 2 nicht aus oder ist es sonst zur Durchführung der Aufgaben des Einlagensicherungsfonds erforderlich, so kann der Vorstand des Bundesverbandes eine Verdoppelung der Jahresumlage oder die Erhebung einer Sonderumlage bis zur H ö h e einer Jahresumlage je Geschäftsjahr beschließen. (4) Jede Bank ist verpflichtet, in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende Klausel aufzunehmen und sie in der Geschäftsbeziehung mit ihren Kunden zugrundezulegen: „Nummer . . . Die Bank ist dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. (im folgenden Einlagensicherungsfonds genannt) angeschlossen. Soweit der Einlagensicherungsfonds oder ein von ihm Beauftragter Zahlungen an einen Kunden leistet, gehen dessen Forderungen gegen die Bank in entsprechender H ö h e Zug um Zug auf den Einlagensicherungsfonds über. Entsprechendes gilt, wenn der Einlagensicherungsfonds die Zahlungen mangels Weisung eines Kunden auf ein Konto leistet, das zu seinen Gunsten bei einer anderen Bank eröffnet wird. Die Bank ist befugt, dem Einlagensicherungsfonds oder einem von ihm Beauftragten alle in diesem Zusammenhang erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen." (5) Die Banken haben dem Bundesverband je eine Erklärung gemäß Anlage einzureichen, mit der sie das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, die Deutsche Bundesbank und den Prüfungsverband deutscher Banken ermächtigen, den Bundesverband über alles zu unterrichten, was die bei der jeweiligen Bank unterhaltenen Einlagen als möglicherweise gefährdet erscheinen lassen. 1356
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Ziff. 27 AGB Gleichzeitig ist der Bundesverband ermächtigt, bei diesen Stellen alle hierfür erforderlichen Auskünfte einzuholen und sie über alle Vorfälle zu unterrichten, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt werden. (6) Die Banken sind verpflichtet, den Prüfungsverband deutscher Banken e. V. bei seiner Prüfungstätigkeit zu unterstützen und etwaige von ihm vorgeschriebene Auflagen unverzüglich zu erfüllen. (7) Die Banken haben mit einer Erklärung gemäß Anlage Schadenersatzansprüche, die ihnen gegebenenfalls wegen fehlerhafter Prüfung gegen ihre Abschlußprüfer und deren Gehilfen zustehen, an den Bundesverband abzutreten. Der Bundesverband wird von der Abtretung nur in dem Umfange Gebrauch machen, in dem ihm aufgrund von Maßnahmen nach § 2 Absatz 2 Aufwendungsersatzansprüche oder sonstige Ansprüche gegen die Bank zustehen. (8) Die Banken übermitteln dem Bundesverband auf Anforderung unverzüglich eine Bestätigung ihres Abschlußprüfers, daß sie ihre Jahresumlage in richtiger H ö h e berechnet haben. (9) Innerhalb von sechs Monaten nach dem jeweiligen Bilanzstichtag haben die Banken ihren Jahresabschluß — vorbehaltlich weitergehender gesetzlicher Vorschriften — in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Publizitätsgesetzes zu veröffentlichen. Soweit das haftende Eigenkapital im Sinne des § 10 K W G höher ist als das in der Jahresbilanz ausgewiesene Eigenkapital — einschließlich der Rücklagen, jedoch ohne Gewinnvortrag —, kann es zusammen mit der Bilanz bekanntgegeben werden. (10) Jede Bank ist verpflichtet, den Bundesverband von Verlusten freizustellen, die diesem durch eine Hilfeleistung zugunsten einer anderen Bank entstanden sind, an der der jeweiligen Bank die Mehrheit der Anteile gehört oder über die sie unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. Unbeschadet der sich aus Satz 1 ergebenden Verpflichtung kann der Bundesverband generell oder im Einzelfall von den in Betracht kommenden Banken entsprechende ausdrückliche Erklärungen verlangen. Außerdem kann der Bundesverband von einer Bank verlangen, daß sie in entsprechender Anwendung der Sätze 1 und 2 eine Erklärung — von einem Institut eines anderen Bereichs des Kreditgewerbes oder dem persönlich haftenden Gesellschafter einer anderen Bank, dem die Mehrheit der Anteile an der Bank gehört, — von einer nicht an dem Einlagensicherungsfonds mitwirkenden natürlichen oder juristischen Person oder einem solchen Unternehmen, die/das unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf die Bank ausüben kann, oder — von mehreren Banken, Instituten eines anderen Bereichs des Kreditgewerbes oder nicht an dem Einlagensicherungsfonds mitwirkenden natürlichen oder juristischen Personen oder Unternehmen, die gemeinsam unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluß auf die Bank ausüben können, beibringt. Für die Beurteilung der Frage, ob in diesen Fällen jemandem die Mehrheit der Anteile gehört oder ein beherrschender Einfluß vorliegt, finden die 16 ff AktG unabhängig von der Rechtsform der Bank oder der beteiligten Banken, Kreditinstitute, Personen und Unternehmen entsprechende Anwendung. Z u r Durchführung der in den Sätzen 1 bis 4 enthaltenen Verpflichtungen haben die Banken dem Bundesverband jeweils unverzüglich anzuzeigen, an welchen Banken ihnen die Mehrheit der Anteile gehört und über welche Banken sie unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben können; in entsprechender Weise haben die Banken den Bundesverband zu unterrichten, wenn bei ihnen die Voraussetzungen der Sätze 1 und 3 erfüllt sind. (11) Jede Bank ist verpflichtet, die Auflagen zu erfüllen, die der Bundesverband im Zusammenhang mit einer f ü r die Bank erfolgenden Maßnahme gemäß § 2 Absatz 2 vorschreibt; diese Auflagen können sachlicher und personeller Art sein. Soweit es im Hinblick auf Maßnahmen gemäß § 2 Absatz 2 notwendig ist, kann der Bundesverband von der jeweiligen Bank und deren Organen außerdem Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten sowie die Vorlage von Büchern und Schriften verlangen. Bei der Ausführung von Tätigkeiten auf Grund des § 2 Absatz 2 haftet der Bundesverband oder ein von ihm Beauftragter gegenüber den Banken nur f ü r Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken ( I I a ) Jede Bank ist verpflichtet, dem Bundesverband unverzüglich anzuzeigen, wenn eine Abwicklung des bankgeschäftlichen Betriebes eingeleitet wird. Sofern nicht auszuschließen ist, daß während der Abwicklung Maßnahmen nach 5 2 Absatz 2 notwendig werden, kann der Bundesverband Auflagen nach Absatz 11 vorschreiben. (12) H a t der Einlagensicherungsfonds zur Durchführung von Maßnahmen gemäß § 2 Absatz 2 Aufwendungen erbracht, so hat die Bank diese dem Bundesverband zu ersetzen, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Die Geltendmachung sonstiger Ansprüche bleibt unberührt. (13) Die Information über die Mitwirkung am Einlagensicherungsfonds ist zulässig; die Banken sind berechtigt, die Tatsache ihrer Mitwirkung an dem Einlagensicherungsfonds, die Art der gemäß § 6 gesicherten Verbindlichkeiten und den Betrag, bis zu dem die Verbindlichkeiten gegenüber jedem Kunden durch den Einlagensicherungsfonds gesichert werden, durch Aushang in der Schalterhalle, durch Schreiben an bestimmte Personen und bei der Beantwortung von Anfragen bekanntzugeben. Nicht zulässig ist die Werbung mit der Sicherheit der Einlagen oder der Mitwirkung am Einlagensicherungsfonds in Presse, Rundfunk oder Fernsehen, durch Postwurfsendungen oder ähnliche Publikumswerbung. Die Banken sind verpflichtet, gegen eine unzulässige W e r bung mit der Sicherheit ihrer Einlagen durch Dritte einzuschreiten. (14) Für Banken, die den Mitgliedsverbänden des Bundesverbandes angeschlossen sind, ist ein einheitliches Signum geschaffen worden. Alle an der Einlagensicherung mitwirkenden Banken sind berechtigt, dieses Signum in ihren Schalterhallen, Schaufenstern oder Schaukästen sowie an den Eingangstüren aller Niederlassungen anzubringen und es im Schriftverkehr zu verwenden. Die Einzelheiten über die zulässigen Verwendungsformen, insbesondere über die Größe und Gestaltung des Signums, setzt die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes fest. Für die Benutzung des Signums findet im übrigen Absatz 13 Anwendung. § 6 Umfang der Einlagensicherung (1) Gesichert werden bei den Banken alle — Verbindlichkeiten gegenüber Nicht-Kreditinstituten (insbesondere Privatpersonen, Wirtschaftsunternehmen und öffentlichen Stellen), die in der Bilanzposition „Verbindlichkeiten aus dem Bankgeschäft gegenüber anderen Gläubigern"*) auszuweisen sind; bei Hypothekenbanken und Schiffsbanken treten an die Stelle der vorgenannten Verbindlichkeiten die in den Bilanzpositionen „Aufgenommene Darlehen mit einer vereinbarten Laufzeit oder Kündigungsfrist von vier Jahren oder länger" sowie „Täglich fällige Verbindlichkeiten und solche mit vereinbarter Laufzeit oder Kündigungsfrist von weniger als vier Jahren" ausgewiesenen Verbindlichkeiten gegenüber Nicht-Kreditinstituten, es sei denn, daß zur Sicherstellung der Gläubiger Namenspfandbriefe oder Namenskommunalschuldverschreibungen ausgegeben sind; die in § 5 Absatz 1 Satz 3 aufgeführten Verbindlichkeiten bleiben bei Kreditinstituten mit Sonderaufgaben unberücksichtigt; ebenso bleiben Verbindlichkeiten unberücksichtigt, wenn und soweit diese nach Maßgabe eines Beschlusses des Vorstandes gemäß § 5 Absatz 1 Satz 4 bei der Festsetzung der Bemessungsgrundlage außer Betracht bleiben, — Verbindlichkeiten gegenüber Kapitalanlagegesellschaften und deren Depotbanken, soweit es sich um Teile des Fondsvermögens handelt, und zwar je Gläubiger bis zu einer Sicherungsgrenze von 30 % des haftenden Eigenkapitals im Sinne von § 10 K W G zum Zeitpunkt des letzten veröffentlichten Jahresabschlusses der Bank; darüber hinaus können Kapitalerhöhungen, die nach diesem Zeitpunkt in öffentliche Register eingetragen oder vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen anerkannt werden, auf Antrag der Bank berücksichtigt werden. H ö h e r e Verbindlichkeiten werden bis zu der genannten Sicherungsgrenze geschützt. Bei Verbindlichkeiten gegenüber Kapitalanlagegesellschaften und deren Depotbanken gilt für die Berechnung der Sicherungsgrenze jeder Fonds als ein selbständiger Gläubiger. (2) Gehen Ansprüche aus Verbindlichkeiten, die nicht gemäß Absatz 1 gesichert werden, im Wege einer Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge auf ein Nicht-Kreditinstitut über, so sind diese *)
In dieser P o s i t i o n sind im w e s e n t l i c h e n e n t h a l t e n S i c h t e i n l a g e n , T e r m i n e i n l a g e n , S p a r e i n l a g e n einschl. d e r auf d e n N a m e n l a u t e n d e n S p a r b r i e f e .
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Ziff. 27 AGB Verbindlichkeiten nicht gesichert, wenn innerhalb von sechs Monaten seit dem Zeitpunkt des Überganges die D u r c h f ü h r u n g von Maßnahmen gemäß § 2 Absatz 2 beschlossen sind. (3) Nicht gesichert sind ferner Verbindlichkeiten gegenüber a) Geschäftsleitern der Bank; b) persönlich haftenden Gesellschaftern der Bank, auch wenn sie keine Geschäftsleiter sind; c) Kommanditisten, Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g , Aktionären und stillen Gesellschaftern, wenn der Kapitalanteil des Gesellschafters an der Bank 50 °/o und mehr beträgt; § 19 Absatz 2 K W G findet entsprechende Anwendung; d) Mitgliedern eines zur Überwachung der Geschäftsführung bestellten Organs der Bank, wenn die Überwachungsbefugnisse des Organs durch Gesetz geregelt sind (Aufsichtsorgan); e) Ehegatten und minderjährigen Kindern der unter Buchstaben a) bis d) genannten Personen, es sei denn, daß die Gelder aus dem eigenen Vermögen des Ehegatten und des minderjährigen Kindes stammen; f) dritten Personen, die f ü r Rechnung einer der unter Buchstaben a) bis e) genannten Personen handeln. Gehen Ansprüche aus Verbindlichkeiten, die gegenüber den in Satz 1 aufgeführten Personen begründet worden waren, im Wege einer Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge auf eine dritte Person über, so sind diese Verbindlichkeiten ebenfalls nicht gesichert, wenn innerhalb von sechs Monaten seit dem Zeitpunkt des Übergangs die D u r c h f ü h r u n g von Maßnahmen gemäß § 2 Absatz 2 beschlossen wird. Nicht gesichert sind ferner Verbindlichkeiten, die auf Rechtshandlungen beruhen, die in einem Konkurs- oder Anschlußkonkursverfahren gemäß §§ 29 ff. Konkursordnung anfechtbar wären, wenn in dem Zeitpunkt, in dem das Bundesaufsichtsamt f ü r das Kreditwesen gemäß § 46 a K W G ein Zahlungs- und Veräußerungsverbot zur Vermeidung des Konkurses erläßt, ein Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens oder eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens gestellt worden wäre. (4) Bei der Berechnung der geschützten Verbindlichkeiten im Sinne von Absatz 1 werden alle Verbindlichkeiten gegenüber einem Gläubiger zusammengerechnet; etwaige Gegenforderungen der Bank werden abgezogen, wobei § 54 Absätze 1 und 2 K O entsprechend angewendet werden. Ferner finden zugunsten des Bundesverbandes die für einen Bürgen geltenden Vorschriften der §§ 768, 770, 776 BGB entsprechende Anwendung. (5) Die Zahlungen umfassen im Rahmen der Sicherungsgrenze auch Zinsansprüche. Diese laufen grundsätzlich bis zur Rückzahlung der Verbindlichkeiten, längstens bis zur E r ö f f n u n g eines Konkursverfahrens oder eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens. Der Einlagensicherungsfonds leistet Zahlungen jedoch nur f ü r Zinsen in marktüblicher Höhe. Bei der Ermittlung des marktüblichen Zinssatzes können die Zinssätze für mehrere Einlagen der gleichen Art zusammengefaßt werden; außerdem können die Verhältnisse in dem Zeitpunkt zugrunde gelegt werden, in dem der Einlagensicherungsfonds seine Zahlungsbereitschaft erklärt. Der Einlagensicherungsfonds kann seine sämtlichen Zahlungen an den einzelnen Gläubiger davon abhängig machen, daß dieser darauf verzichtet, die gemäß den Sätzen 3 und 4 nicht geschützten Zinsansprüche gegenüber der Bank geltend zu machen. (6) Bei Anderkonten wird f ü r die Berechnung der Sicherungsgrenze gemäß Absatz 1 auf die Person des Treugebers abgestellt. Gleiches gilt f ü r offene Treuhandkonten, sofern in der Kontobezeichnung das Treuhandverhältnis sowie die Treugeber eindeutig gekennzeichnet sind und das Bestehen des Treuhandverhältnisses dem Einlagensicherungsfonds nachgewiesen wird. Im übrigen werden die Treuhandkonten wie Konten des Treuhänders behandelt. (7) Bei Gemeinschaftskonten werden die Guthaben und Forderungen den Kontoinhabern — unabhängig von der Form des Kontos und von dem der Gemeinschaft zugrundeliegenden Rechtsverhältnis — f ü r die Berechnung der Sicherungsgrenze und der geschützten Verbindlichkeit zu gleichen Anteilen zugerechnet. Sodann werden zunächst die gegenüber den einzelnen Kontomitinhabern aus ihrer persönlichen Geschäftsverbindung mit der Bank bestehenden Verbindlichkeiten geschützt. Soweit diese Verbindlichkeiten die Sicherungsgrenze nicht ausschöpfen, wird der dem einzelnen Kontomitinhaber zustehende Anteil an dem Gemeinschaftsguthaben f ü r die SicheClaus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken rung des Gemeinschaftsguthabens verwendet. Diese Vorschriften gelten nicht für Konten von Wohnungseigentümergemeinschaften, die den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes unterliegen; ihre Konten werden wie Einzelkonten gemäß den Absätzen 1 und 4 behandelt. (8) Endet die Mitwirkung einer Bank an dem Einlagensicherungsfonds, so hat sie ihre Gläubiger, gegenüber denen Verbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 bestehen, hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen und sie auf die Folgen hinzuweisen, die sich hieraus ergeben. Der Bundesverband gibt das Ausscheiden im Bundesanzeiger und in einer Tageszeitung am Sitz der Bank für deren Rechnung bekannt. Verbindlichkeiten, die später als einen Monat nach der Bekanntgabe im Bundesanzeiger begründet oder prolongiert werden oder die der Gläubiger nach diesem Zeitpunkt nicht zum nächstmöglichen Termin kündigt bzw. zurückfordert, sind nicht gesichert. (9) Maßgebend für die Entschädigung der Gläubiger ist die Sicherungsgrenze, die sich aus der letzten veröffentlichten Jahresbilanz ergibt; darüber hinaus werden Kapitalerhöhungen gemäß Absatz 1 Satz 1, 2. Halbsatz, berücksichtigt. Eine Verminderung des für die Sicherungsgrenze maßgebenden Eigenkapitals wird jedoch erst einen Monat nach der Veröffentlichung des Jahresabschlusses, der das neue, verminderte haftende Eigenkapital ausweist, oder einen Monat nach Bekanntgabe der neuen Sicherungsgrenze im Bundesanzeiger wirksam; von diesem Zeitpunkt an findet Absatz 8 Satz 3 für Beträge, die die neue Sicherungsgrenze überschreiten, entsprechend Anwendung. Die Bekanntgabe der neuen Sicherungsgrenze im Bundesanzeiger und in einer Tageszeitung am Sitz der Bank kann der Bundesverband für Rechnung der Bank vornehmen. Die Bank ist verpflichtet, die Gläubiger, die durch ein Herabsinken der Sicherungsgrenze betroffen werden, hierüber unverzüglich zu unterrichten. (10) Ein Rechtsanspruch auf ein Eingreifen oder auf Leistungen des Einlagensicherungsfonds besteht nicht.
S 7 Ausschuß für die Einlagensicherung (1) Beim Bundesverband wird ein Ausschuß für die Einlagensicherung gebildet. Er besteht aus neun Personen, und zwar a) drei Vertretern der Großbanken, b) drei Vertretern der Regionalbanken und der sonstigen Institute und c) drei Vertretern der Privatbankiers. Jedes Mitglied des Ausschusses hat einen derselben Bankengruppe angehörenden Stellvertreter. Mitglieder und Stellvertreter müssen aktive Inhaber oder Geschäftsleiter von an dem Einlagensicherungsfonds mitwirkenden Banken sein. (2) Der Ausschuß wird von dem Hauptausschuß des Bundesverbandes für die Dauer von drei Jahren gewählt; seine Mitglieder und deren Stellvertreter bleiben im Amt, bis ein neuer Ausschuß gewählt wird, längstens jedoch für die Dauer der aktiven Tätigkeit in ihrer Bank oder für die Dauer der Mitwirkung ihrer Bank an dem Einlagensicherungsfonds. Scheidet ein Mitglied des Ausschusses oder ein Stellvertreter vor Ablauf der Amtsdauer aus, so wählt der Hauptausschuß des Bundesverbandes für den Rest der Amtsdauer ein neues Mitglied oder einen neuen Stellvertreter. (3) Der Ausschuß wählt aus seiner Mitte seinen Vorsitzer und dessen Stellvertreter. (4) Der Ausschuß wird durch seinen Vorsitzer und bei dessen Verhinderung durch seinen Stellvertreter einberufen. Er muß einberufen werden, wenn es alle Vertreter einer Institutsgruppe verlangen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzer oder bei dessen Verhinderung sein Stellvertreter schriftliche oder fernmündliche Abstimmung anordnen. (5) Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn mindestens sechs seiner Mitglieder an der Sitzung teilnehmen oder sich bei schriftlicher oder telefonischer Abstimmung äußern. Sind Mitglieder des Ausschusses verhindert, so können sie entweder ihren Stellvertreter entsenden oder ein anderes Mitglied ermächtigen, ihr Stimmrecht auszuüben; in diesen Fällen gilt das verhinderte Mitglied als anwesend. Zur Beschlußfassung ist eine Mehrheit von mindestens sechs Stimmen erforderlich. 1360
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Ziff. 27 AGB (6) Der Ausschuß hat folgende Aufgaben: a) Entscheidungen über Maßnahmen zur Hilfeleistung (§ 2 Absatz 2), b) Aufstellung von Richtlinien über die Anlage des Fondsvermögens, c) Entscheidungen über einmalige Zahlungen und die erste Jahresumlage bei Einbeziehung einer Bank in den Einlagensicherungsfonds (§ 5 Absatz 2), d) Vorlage der Jahresrechnung über das Fondsvermögen, e) Erledigung der ihm vom Vorstand des Bundesverbandes übertragenen Aufgaben; die Entscheidungen gemäß § 3 Absatz 2 und § 4 Absätze 3 und 4 können nicht übertragen werden. Der Vorstand des Bundesverbandes kann jederzeit die Aufgaben des Ausschusses übernehmen. $ 8 Einschaltung des Prüfungsverbandes Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Mitwirkung an dem Einlagensicherungsfonds und der sich aus ihr ergebenden Verpflichtungen vorliegen, kann der Prüfungsverband deutscher Banken e. V. eingeschaltet werden. § 9 Bekanntgabe der Mitwirkung an dem Einlagensicherungsfonds Der Bundesverband ist berechtigt, die Namen der an dem Einlagensicherungsfonds mitwirkenden Banken und diesbezügliche Veränderungen bekanntzumachen. $ 10 Keine Ansprüche der Bank Ein Anspruch der Banken auf Hilfeleistung oder auf das Vermögen des Einlagensicherungsfonds besteht nicht. Letzteres gilt insbesondere für Banken, die von der Mitwirkung am Einlagensicherungsfonds ausscheiden. $ 11 Geheimhaltungs- und Schweigepflicht (1) Die Mitglieder der O r g a n e und Ausschüsse des Bundesverbandes und seiner Mitgliedsverbände sind verpflichtet, alles, was sie in dieser Eigenschaft über die Tätigkeit und die Arbeitsergebnisse des Einlagensicherungsfonds sowie über die Verhältnisse der angeschlossenen Banken und über deren Kunden erfahren, unter W a h r u n g strengster Verschwiegenheit nicht unbefugt zu offenbaren oder zu verwerten, und zwar auch nicht nach Beendigung ihrer Zugehörigkeit zu den Organen und Ausschüssen. Diese Verpflichtung ist auch den Mitarbeitern und den sonst vom Bundesverband eingeschalteten Personen aufzuerlegen. (2) Absatz 1 gilt nicht f ü r Mitteilungen, die dem Bundesaufsichtsamt f ü r das Kreditwesen, der Deutschen Bundesbank oder dem Prüfungsverband deutscher Banken von Organen des Bundesverbandes im Zusammenhang mit den Aufgaben des Einlagensicherungsfonds nach pflichtgemäßem Ermessen gemacht werden. Absatz 1 gilt ferner nicht f ü r Mitteilungen an einen Mitgliedsverband des Bundesverbandes, die im Zusammenhang mit der Aufnahme oder dem Ausschluß eines Instituts erfolgen. Anlagen Anlage zu § 5 Absatz 5 des Statuts des Einlagensicherungsfonds Wortlaut der Ermächtigungserklärungen — Ich (Wir) ermächtige(n) hiermit das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, den Bundesverband deutscher Banken e. V. — Einlagensicherungsfonds — über alles zu unterrichten, was die bei mir (uns) unterhaltenen Einlagen als möglicherweise gefährdet erscheinen läßt. Gleichzeitig ermächtige(n) ich (wir) den Bundesverband deutscher Banken e. V. — Einlagensicherungsfonds —, beim Bundesaufsichtsamt f ü r das Kreditwesen alle erforderlichen Auskünfte einzuholen. Diese Erklärung ist f ü r die Dauer meiner (unserer) Mitwirkung an dem innerhalb des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. bestehenden Einlagensicherungsfonds unwiderruflich. — Ich (Wir) ermächtige(n) hiermit die Deutsche Bundesbank, den Bundesverband deutscher Banken e. V. — Einlagensicherungsfonds — über alles zu unterrichten, was die bei mir (uns) Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken unterhaltenen Einlagen als möglicherweise gefährdet erscheinen läßt. Gleichzeitig ermächtigein) ich (wir) den Bundesverband deutscher Banken e. V . — Einlagensicherungsfonds —, bei der Deutschen Bundesbank alle hierfür erforderlichen A u s k ü n f t e einzuholen. Diese Erklärung ist für die D a u e r meiner (unserer) Mitwirkung an dem innerhalb des Bundesverbandes deutscher Banken e. V . bestehenden Einlagensicherungsfonds unwiderruflich. — Ich (Wir) ermächtige(n) hiermit den Prüfungsverband deutscher Banken, den Bundesverband deutscher Banken e. V . — Einlagensicherungsfonds — über alles zu unterrichten, was die bei mir (uns) unterhaltenen Einlagen als möglicherweise gefährdet erscheinen läßt. Gleichzeitig ermächtige(n) ich (wir) den Bundesverband deutscher Banken e. V . — Einlagensicherungsfonds —, bei dem Prüfungsverband deutscher Banken alle hierfür erforderlichen Auskünfte einzuholen. Diese Erklärung ist für die D a u e r meiner (unserer) Mitwirkung an dem innerhalb des Bundesverbandes deutscher Banken e. V . bestehenden Einlagensicherungsfonds unwiderruflich.
Anlage zu § 5 Absatz 7 des Statuts des Einlagensicherungsfonds Wortlaut der Abtretungserklärung Hiermit trete(n) ich (wir) an den Bundesverband deutscher Banken e. V . meine (unsere) Schadensersatzansprüche jeder Art ab, die mir (uns) gegebenenfalls wegen fehlerhafter P r ü f u n g gegen unsere(n) jeweiligen Abschlußprüfer und deren (dessen) Gehilfen gegenwärtig oder zukünftig zustehen. Anlage zu § 5 Absatz 10 des Statuts des Einlagensicheningsfonds Wortlaut der Verpflichtungserklärung Ich (Wir) stehe(n) zu d (im folgenden „ B a n k " ) in einer Verbindung, wie sie § 5 Absatz 10 des Statuts des innerhalb des Bundesverbandes deutscher Banken e . V . bestehenden Einlagensicherungsfonds umschreibt. Ich (Wir) verpflichte(n) mich (uns), den Bundesverband deutscher Banken e. V . von allen Verlusten freizustellen, die diesem durch Maßnahmen gemäß § 2 A b s a t z 2 des Statuts des Einlagensicherungsfonds zugunsten der Bank entstehen. Diese Erklärung bleibt bis zum Widerruf wirksam, und z w a r unabhängig davon, ob meine (unsere) Verbindung im Sinne des § 5 Absatz 10 des Statuts des Einlagensicherungsfonds zu der Bank in irgendeiner Weise fortbesteht. Sie ist unwiderruflich, solange eine solche Verbindung fortbesteht. Wird diese Erklärung in einem Zeitpunkt widerrufen, in dem bereits Tatsachen vorliegen, die zu Maßnahmen gemäß § 2 Absatz 2 des Statuts des Einlagensicherungsfonds führen, so gilt meine (unsere) Verpflichtung gemäß Absatz 1 dieser Erklärung auch hinsichtlich dieser Maßnahmen.
28. (1) Für besondere Geschäftsaiten finden neben diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Sonderbedingungen, z. B. für den Scheckverkehr, für Ander- und Sparkonten, für die Annahme von Verwahrstücken und die Vermietung von Schrankfächern sowie für Optionsgeschäfte im Börsenterminhandel und Auslandsgeschäfte in Wertpapieren Anwendung. Ferner sind die von der Internationalen Handelskammer aufgestellten „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive" und die „Einheitlichen Richtlinien für das Inkasso von Handelspapieren" maßgeblich. (2) Änderungen dieser Geschäftsbedingungen einschließlich der Sonderbedingungen werden dem Kunden, wenn sie ihn nicht nur unwesentlich belasten, durch schriftliche Benachrichtigung, in allen anderen Fällen durch ausdrücklichen Hinweis bekanntgegeben. Sie gelten als genehmigt, wenn der Kunde nicht schriftlich Widerspruch erhebt. Auf diese Folge wird ihn die Bank bei der Bekanntgabe besonders hinweisen. Der 1362
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Ziff. 30 AGB Widerspruch des Kunden muß innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Änderung bei der Bank eingegangen sein. Die Geltung der Sonderbedingungen nach Ziff. 28 I erlangt praktische Bedeutung, 2 7 2 7 wenn insoweit die Einbeziehungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Gleichwohl liegt darin keine Umgehung von § 2 AGBG. Denn es macht keinen wesentlichen Unterschied, ob auf die Sonderbedingungen nur verwiesen wird oder ob diese im Wortlaut mitabgedruckt werden; daß die Bank dem Kunden insoweit die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme verweigern wird, steht nicht zu befürchten, auch wenn er nach S. 2 Halbs. 2 der Einleitung zu den AGB nur die Aushändigung „dieser" Allgemeinen Geschäftsbedingungen und nicht wie nach der Fassung von 1969 „der" Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlangen kann. Die Klausel ist daher wirksam (ebenso i. E. Graf von Westpbalen W M 1980 1426). Allerdings kann im Einzelfall Unwirksamkeit nach § 3 AGBG eintreten. Das wäre z. B. anzunehmen, wenn eine Bank für das Girogeschäft Sonderbedingungen hätte und diese dem Kunden bei Bedarf entgegenhielte (vgl. auch unten Rdn. 2755). Auch die durch Ziff. 28 II geschaffene Möglichkeit zu einer Änderung der AGB ist 2 7 2 8 nicht zu beanstanden (so auch Graf von Westpbalen aaO). Ohnehin wird häufig eine echte konkludente Einverständniserklärung gegeben sein, wenn der Kunde widerspruchslos die Geschäftsverbindung fortsetzt. Soweit eine Fiktion von Willenserklärungen in Frage steht, trägt die Klausel den Anforderungen von § 10 Ziff. 6 AGBG Rechnung.
II. Handel in Wertpapieren, Devisen und Sorten 29. (1) Die Bank führt alle Aufträge zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren, die an der Börse des Ausführungsplatzes zum amtlichen Handel zugelassen sind, als Kommissionär durch Selbsteintritt aus, ohne daß es einer ausdrücklichen Anzeige gemäß § 405 des Handelsgesetzbuches bedarf. Kundenaufträge in zum amtlichen Handel zugelassenen Aktien werden von der Bank über die Börse geleitet, es sei denn, daß eine andere ausdrückliche Weisung des Kunden vorliegt. (2) Bei Geschäften in Kuxen und in nicht zum amtlichen Handel zugelassenen Werten tritt die Bank stets als Eigenhändler auf. Das gleiche gilt für zugelassene Wertpapiere, deren Notiz durch Bekanntmachung der Börsenorgane ausgesetzt ist. Geschäfte im Eigenhandel kann die Bank netto berechnen, soweit nicht der Kunde Bruttoberechnung verlangt. (3) Abweichungen in der Ausführungsart müssen ausdrücklich vereinbart werden. (4) Die vorbezeichneten Ausführungsarten gelten unabhängig von der Fassung der Abrechnung oder einer gesonderten Ausführungsanzeige. Ziff. 29 ist eingehend bei der Kommentierung des Effektengeschäfts behandelt, vgl. 2 7 2 9 zur Abgrenzung zwischen Kommissions- und Eigengeschäft Rdn. 1825 ff, zur Gültigkeit der Eigenhändlerklausel gemäß Abs. II Rdn. 1833, zur Vornahme des Selbsteintritts Rdn. 1908 ff, zur Leitung der Aufträge über die Börse Rdn. 1905, zur Unerheblichkeit von Ziff. 29 für die dinglichen Rechtsvorgänge Rdn. 1979 und 1999, zur Abrechnung beim Eigengeschäft Rdn. 1946, zur Unanwendbarkeit von Ziff. 29 beim Investmentgeschäft Rdn. 2364. 30. (1) Sind Werte an mehreren Börsen zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen, so trifft die Bank mangels anderweitiger Weisung die Wahl des Ausführungsplatzes. Claus-Wilhelm Canaris
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(2) Für Geschäfte in Wertpapieren, Devisen und Edelmetallen gelten die Usancen des jeweiligen Ausführungsplatzes sowie die Usancen der Ständigen Kommission für Angelegenheiten des Handels in amtlich nicht notierten Werten. 31. (1) Ohne zeitliche Beschränkung erteilte Kauf- und Verkaufsaufträge sind bis zum letzten Börsentag des laufenden Monats gültig, wenn sie nicht vorher widerrufen werden; doch werden Aufträge, die am letzten Börsentag eines Monats eingehen und an diesem Tag nicht mehr erledigt werden konnten, für den nächsten Börsentag vorgemerkt. Für Aufträge zum Kauf und Verkauf von Bezugsrechten gelten die für den Bezugsrechtshandel im Einzelfall festgesetzten Fristen. Die Bank wird Börsenaufträge möglichst noch am Tag des Eingangs ausführen; bei nicht rechtzeitiger Ausführung haftet sie nur für grobes Verschulden. (2) Die Bank darf Ausführungen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen ganz oder teilweise unterlassen oder rückgängig machen, wenn das Guthaben oder der Depotbestand des Kunden nicht ausreicht. Aufträge zu Verkäufen sowie zur Ausübung oder zum Verkauf von Bezugsrechten darf sie auch dann ausführen, wenn dem Kunden entsprechende Werte bei ihr nicht zur Verfügung stehen. (3) Befindet sich die beauftragte Stelle der Bank nicht am Ausführungsplatz, so gibt sie die Aufträge mangels besonderer Weisung nach ihrem Ermessen telefonisch, fernschriftlich, telegrafisch oder brieflich weiter. Ziff. 30 und 31 sind oben Rdn. 1920 f bzw. Rdn. 1922 f kommentiert. 32. Einwendungen gegen Abrechnungen und Ausführungsanzeigen von Wertpapiergeschäften müssen unverzüglich nach Zugang telegrafisch, fernschriftlich oder in den Geschäftsräumen der Bank erhoben werden. Anderenfalls gelten die Abrechnungen, Anzeigen usw. als genehmigt; die Bank wird bei den Abrechnungen, Anzeigen usw. auf diese Folge der Unterlassung rechtzeitiger Einwendung besonders hinweisen. Einwendungen wegen Nichtausführung von Wertpapieraufträgen sind unverzüglich telegrafisch, fernschriftlich oder in den Geschäftsräumen der Bank nach dem Zeitpunkt zu erheben, an dem die Abrechnung oder Ausführungsanzeige dem Kunden im gewöhnlichen Postlauf hätte zugehen müssen. Die Klausel ist oben Rdn. 1932 ff kommentiert. 33. (1) Verkauft die Bank im Auftrage eines Kunden nicht volleingezahlte Aktien, so hat der Kunde, falls er von der Gesellschaft gemäß § 65 des Aktiengesetzes oder von seinem Vormann auf die Nachzahlung in Anspruch genommen wird, bereits vom Abschluß des Geschäfts an gegen die Bank lediglich Anspruch auf die Abtretung der ihr aus dem Kaufvertrag gegen ihren Nachmann zustehenden Rechte. (2) Läßt ein abhängiges oder ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen der Vorschrift des § 71 des Aktiengesetzes zuwider Aktien der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft durch die Bank anschaffen, so haftet es für alle der Bank daraus erwachsenden Schäden. 2730
Ziff. 33 I regelt den Verkauf nicht voll eingezahlter Aktien und beschränkt einen etwaigen Regreßanspruch des Runden gegen die Bank. O b und in welchem U m f a n g ein solcher Anspruch überhaupt besteht, ist nicht unzweifelhaft (vgl. dazu allgemein statt aller Lutter in Kölner Komm, zum AktG, 1970, § 65 Rdn. 28 m. w. Nachw.). Soweit man nämlich einen Durchgangserwerb der Bank verneint (vgl. dazu oben Rdn. 1998 f und 2025), ist diese niemals Aktionärin und damit auch nicht Schuldnerin des EinZahlungsanspruchs gewesen, so daß insoweit gegen sie weder ein Anspruch aus § 812 BGB noch analog § 426 BGB in Betracht kommt (vgl. zu den Anspruchsgrundlagen näher Lutter aaO). Jedenfalls aber ist es vollauf berechtigt, daß die Bank den Kun1364
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Ziff. 36 AGB den auf die Abtretung ihrer etwaigen Ansprüche gegen ihren Nachmann beschränkt. Denn eine weitergehende Haftung wäre mit dem Sinn und Zweck des Effektengeschäfts, bei dem die Bank nur als Durchgangsstelle fungiert, unvereinbar. Folgerichtig dürfte Ziff. 33 I unanwendbar sein, sofern die Bank die Aktien nicht zum Weiterverkauf, sondern für das eigene Portefeuille erworben hat. Gemäß Ziff. 33 II hat ein Unternehmen, das mit Hilfe der Bank Aktien unter Ver- 2731 stoß gegen das Verbot des Erwerbs eigener Aktien angeschafft hat, der Bank alle daraus entstehenden Schäden zu ersetzen. Die Bank ist also nicht auf die allgemeinen Anspruchsgrundlagen beschränkt (vgl. zu diesen z.B. Lutter aaO §71 Rdzn. 48 ff m. w. Nachw.). Der Schadensersatzanspruch der Bank ist nach Wortlaut und Sinn der Klausel von einem Verschulden des Unternehmens unabhängig. Dieses haftet also z. B. auch dann, wenn es infolge eines unverschuldeten Irrtums an eine Befugnis zum Erwerb der eigenen Aktien geglaubt hat; denn das Risiko eines solchen Irrtums kann nicht die Bank als bloße Durchgangsstelle, sondern nur das Unternehmen tragen, da diesem der Irrtum unterlaufen ist und da außerdem der Erwerb eigener Aktien wegen des grundsätzlichen Verbots von §71 AktG eben i. d. R. ein nicht ungefährliches Geschäft ist. 34. Die Bestimmungen der Nrn. 31, 32 und 33 gelten entsprechend für Kauf- und Verkaufsangebote im Eigenhandel. Diese Angebote darf die Bank auch teilweise annehmen, wenn sie es im Interesse des Kunden für tunlich hält. Ziff. 34 ordnet die analoge Anwendung der Ziffern 31—33 auf das Eigengeschäft 2 7 3 2 an. Auch sonst steht dieses dem Kommissionsgeschäft weitgehend gleich, so z. B. gemäß §31 DepG hinsichtlich der Geltung der §§ 18 — 30 DepG oder gemäß §242 BGB hinsichtlich der Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Vertragsschluß (vgl. oben Rdn. 1896). Unterschiede bestehen vor allem hinsichtlich der Rechenschaftspflicht und der Preisbestimmung (vgl. oben Rdn. 1943 ff) sowie hinsichtlich der Treupflichten bei der Durchführung des Geschäfts (vgl. oben Rdn. 1947). 35. Soweit zulässig, führt die Bank Aufträge zum Kauf oder Verkauf von Devisen und Sorten als Kommissionär durch Selbsteintritt aus, ohne daß es einer ausdrücklichen Anzeige gemäß § 405 des Handelsgesetzbuches bedarf; andernfalls tritt die Bank als Eigenhändler auf. Die Nummer 29 Absatz 2 Satz 3 und Absätze 3 und 4, Nummer 31 Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 sowie Nummer 32 finden sinngemäße Anwendung. Ziff. 35 unterstellt den Handel in Devisen und Sorten im wesentlichen den für das 2 7 3 3 Effektengeschäft geltenden Klauseln. Es ist daher auf die Ausführungen zu diesen zu verweisen. Anders als nach Ziff. 29 I führt die Bank nach Ziff. 35 allerdings Aufträge nicht grundsätzlich, sondern nur „soweit zulässig" durch Selbsteintritt aus; das beruht darauf, daß nicht bei allen Devisen und Sorten ein Börsen- oder Marktpreis besteht (vgl. Hellner BankBetr. 1969 13; vgl. aber auch Schlegelberger/Hefermehl, 4. Aufl. 1966, § 400 Rdzn. 20 und 60 zur früheren Fassung von Ziff. 35).
III. Verwahrungsgeschäft 36. (1) Die Bank haftet den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend für sichere und getreue Aufbewahrung der ihr anvertrauten Wertpapiere. Sie darf Wertpapiere unter ihrem Namen an auswärtigen Plätzen und bei Dritten aufbewahren und verwalten lassen. Macht die Bank hiervon Gebrauch, so beschränkt sich ihre Verantwortlichkeit auf sorgfältige Auswahl und Unterweisung des von ihr beauftragten Dritten. Folgt die Bank bei der Auswahl oder bei der Unterweisung des Dritten einer Weisung des KunClaus-Wilhelm Canaris
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den, so trifft sie insoweit keine Haftung. Die Bank ist jedoch verpflichtet, ihrem Kunden auf Verlangen die etwa bestehenden Ansprüche gegen den Dritten abzutreten. (2) Bei Sammelverwahrung oder Sammelverwaltung durch eine Wertpapiersammelbank steht die Bank dem Kunden auch für die Erfüllung der Verwahrer- und Verwalterpflichten der Wertpapiersammelbank ein. (3) Die Bestimmungen der vorstehenden Absätze sind entsprechend auf den Jungscheingiroverkehr anzuwenden. 37. (1) Mangels besonderer Weisung des Kunden sorgt die Bank für Trennung der fälligen Zins- und Gewinnanteilscheine und zieht deren Gegenwert ein oder verwertet sie. Neue Zins- und Gewinnanteilscheinbogen erhebt die Bank ohne besonderen Auftrag für alle Wertpapiere, deren Zins- und Gewinnanteilscheine regelmäßig getrennt werden. (2) Verlosungen und Kündigungen überwacht die Bank, soweit Bekanntmachungen hierüber in den „Wertpapier-Mitteilungen" erscheinen und die Bank die Papiere verwahrt. Pfandbriefe und Schuldverschreibungen werden ohne besondere Weisung des Kunden eingelöst; die Einlösung und Verwertung von Wertpapieren anderer Art darf die Bank mangels besonderer Weisung des Kunden nach ihrem Ermessen vornehmen. (3) Zins- und Gewinnanteilscheine zu Wertpapieren, die auf ausländische Währung lauten, sowie verloste oder gekündigte Wertpapiere, die auf ausländische Währung lauten, und die Gegenwerte darf die Bank mangels anderer Weisung für Rechnung des Kunden bestens verwerten. (4) Der Gegenwert von Zins- und Gewinnanteilscheinen sowie verlosten und gekündigten Wertpapieren jeder Art wird vorbehaltlich des Eingangs gutgeschrieben. 38. O b Wertpapiere von Oppositionen, Aufgeboten, Zahlungssperren u. dgl. betroffen sind, wird einmalig nach ihrer Einlieferung anhand der „Wertpapier-Mitteilungen" geprüft. 39. (1) Bei Konvertierungen, Ausübung oder Verwertung von Bezugsrechten, Aufforderungen zu Einzahlungen, bei Fusionen, Sanierungen, Zusammenlegungen und Umstellungen sowie bei Umtausch-, Abfindungs- und Übernahmeangeboten wird die Bank, wenn hierüber eine Bekanntmachung in den „Wertpapier-Mitteilungen" erschienen ist, den Kunden benachrichtigen. Die Bank erwartet die besondere Weisung des Kunden; sollte diese nicht rechtzeitig eintreffen, so wird die Bank nach ihrem besten Ermessen verfahren, sofern damit nicht eine Anlageentscheidung für den Kunden verbunden ist. Bezugsrechte wird sie bestens verkaufen, sofern sie bis zu dem der letzten Notiz des Bezugsrechtes vorhergehenden Börsentag keine anderweitige Weisung des Kunden erhalten hat. (2) H a t der Kunde in den Fällen des Absatzes 1 eine Weisung erteilt, so haftet die Bank für deren sorgfältige Ausführung. Bleibt jedoch eine Weisung aus, so haftet sie nur für grobes Verschulden. Dasselbe gilt bei etwaigen Unterlassungen. Ziff. 36—39 sind im Rahmen der Kommentierung des Depotgeschäfts behandelt, vgl. oben Rdn. 2151 ff und Rdn. 2180 ff.
IV. Einzugs- und Diskontgeschäft, Wechsel und Scheckverkehr 40. (1) Bei Aufträgen zum Einzug hat der Kunde Schecks auf den Platz, an dem sie eingeliefert werden, spätestens am zweiten, solche auf inländische Bankplätze spätestens am vierten Bankarbeitstag vor Ablauf der Vorlegungsfrist mit der ersten Post einzureichen; Wechsel, die im Inland zahlbar sind, müssen zum Zeitpunkt des Eingangs bei der 1366
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Ziff. 40 AGB
Bank noch mindestens zwölf Tage laufen. Bei Wechseln oder Schecks mit kürzerer Laufzeit, bei Schecks auf Nebenplätze sowie bei Wechseln oder Schecks auf Auslandsplätze hat der Kunde, wenn er die Anwendung von Eilmitteln wünscht, der Bank im Einzelfall und gesondert eine entsprechende Weisung zu erteilen. Kommt der Kunde diesen Verpflichtungen nicht nach, so haftet die Bank bei nicht rechtzeitiger Vorlegung, Protesterhebung oder Einholung der Vorlegungsbescheinigung nur für grobes Verschulden. (2) Soweit die Bank die Wechsel- und scheckmäßige Behandlung von Wechseln oder Schecks auf Auslandsplätze selbst durchführt, haftet sie nur für grobes Verschulden. (3) Nicht oder nicht genügend versteuerte Wechsel darf die Bank zurückgehen lassen. (4) Die Bank darf bei ihr ruhende Wechsel, falls ihr keine andere Weisung erteilt ist, bei Verfall vorlegen und mangels Zahlung protestieren lassen sowie zu diesem Zweck Wechsel auf auswärtige Plätze rechtzeitig versenden. Ziff. 40 enthält in Abs. I und II eine Beschränkung der Haftung beim Inkasso von 2 7 3 5 Schecks und Wechseln. Auf das Diskontgeschäft ist die Regelung nicht anwendbar, wie sich sowohl aus dem Wortlaut von Ziff. 40 als auch aus dem Vergleich mit der Fassung der folgenden Klauseln ergibt (vgl. BGHZ 59 197, 202; Helm Das Diskontgeschäft der Banken, Diss. Heidelberg 1967, S. 121; a. A. Liesecke W M 1970 508). Ziff. 40 setzt als selbstverständlich voraus, daß die Bank grundsätzlich für die ordnungsgemäße Vorlage der zum Inkasso gegebenen Papiere und für die Vornahme der Wechsel- bzw. scheckmäßigen Formalakte einzustehen hat; in der Tat besteht eine entsprechende Verpflichtung der Bank (vgl. eingehend oben Rdn. 741 ff). Die Haftung für deren Erfüllung wird in Ziff. 40 keineswegs gänzlich ausgeschlossen, sondern nur für bestimmte Fälle eingeschränkt. Abs. I S. 1 soll gewährleisten, daß die Bank genügend Zeit für ihre Maßnahmen hat und schreibt daher genau vor, wann die Papiere bei der Bank spätestens eingegangen sein müssen und wie lang die Laufzeit von Wechseln noch mindestens sein muß. — Abs. I S. 2 stellt klar, daß die Bank grundsätzlich keine Pflicht zur Verwendung besonderer Eilmittel hat. Das schließt selbstverständlich nicht aus, daß die Bank eine solche Pflicht durch eine besondere Vereinbarung, die auch konkludent geschlossen werden kann, übernimmt und für deren Verletzung dann einzustehen hat; auch kann sich eine Pflicht zur Verwendung von Eilmitteln bei Vorliegen besonderer Umstände aus § 242 BGB ergeben, zumal der Kunde nach Ziff. 8 AGB ohnehin das Risiko für dabei unterlaufende Fehler trägt. Abs. 2 enthält für Wechsel und Schecks auf Auslandsplätze eine Beschränkung der 2 7 3 6 Haftung auf grobes Verschulden. Nach Sinn und Zweck der Klausel wird man diese außer Anwendung zu lassen haben, wenn das Verschulden der Bank nicht mit den spezifischen Risiken von Papieren auf Auslands- bzw. Nebenplätzen zusammenhängt. Die Bank haftet also für solche Fehler, die ihr bei einem „normalen" Wechsel oder Scheck genauso unterlaufen wären; denn sonst würde ein Wertungswiderspruch entstehen, den man bei einer an den §§ 157, 242 BGB orientierten Auslegung der AGB nicht als gewollt ansehen kann. Ziff. 40 IV gibt der Bank grundsätzlich ein Recht zur Vorlegung und Protestierung 2 7 3 7 bei ihr ruhender Wechsel bei Verfall. Der Kunde muß also der Bank rechtzeitig eine abweichende Weisung erteilen, wenn er eine Vorlage des Wechsels nicht will — z. B., weil er ihn prolongiert hat. Eine Pflicht der Bank zur Vorlage und Protesterhebung folgt aus Ziff. 40 IV nicht, wie klar aus dem Wortlaut der Klausel („darf") zu entnehClaus-Wilhelm Canaris
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men ist; selbstverständlich kann sich eine solche Pflicht aber aus einer entsprechenden Abrede mit dem Kunden oder bei Vorliegen besonderer Umstände auch aus § 242 BGB ergeben. 41. (1) Schreibt die Bank den Gegenwert von zum Einzug eingereichten Wechseln und Schecks schon vor Eingang gut, so geschieht dies unter Vorbehalt des Eingangs. (2) Lastschriften und vom Kunden ausgestellte Schecks sind erst eingelöst, wenn die Belastung nicht am folgenden Buchungstag storniert wird. Abs. 1 ist oben Rdn. 744 ff kommentiert, Abs. 2 oben Rdn. 550 ff und Rdn. 700. 42. (1) Die Bank darf die ihr zum Einzug eingereichten oder von ihr diskontierten Wechsel bereits vor Verfall ohne Rücksicht auf das bestehende Rechnungsverhältnis, insbesondere auf eine etwa voraufgegangene Saldierung, im Konto zurückbelasten, wenn von der Bank eingeholte Auskünfte über einen Wechselverpflichteten nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfallen, oder wenn Akzepte eines Wechselverpflichteten protestiert werden, oder wenn in den Verhältnissen eines Wechselverpflichteten eine wesentliche Verschlechterung eintritt. Entsprechendes gilt bei Schecks. (2) Gibt die Deutsche Bundesbank der Bank rediskontierte Wechsel oder Schecks zurück, weil sie sich nachträglich als zum Rediskont nicht geeignet befindet, so ist die Bank berechtigt, diese Wechsel oder Schecks dem Kunden zurückzubelasten. Der Rückbelastung wird der Nettobetrag der Diskontabrechnung zuzüglich der Zinsen vom Tag der Diskontierung durch die Bank bis zum Rückbelastungstag zu dem bei der Diskontierung angewendeten Diskontsatz zugrunde gelegt. (3) Werden der Bank zum Einzug eingereichte oder von ihr diskontierte Wechsel oder Schecks bei Vorlegung nicht bezahlt oder ist die freie Verfügung über den Gegenwert durch Gesetz oder behördliche Maßnahmen beschränkt oder können die Papiere wegen Vorkommnissen, die von der Bank nicht zu vertreten sind, nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt werden, oder ist in dem Land, in dem die Wechsel oder Schecks einzulösen sind, ein Moratorium ergangen, so darf die Bank zurückbelasten. (4) Die Zurückbelastung ist auch dann zulässig, wenn Wechsel oder Schecks nicht zurückgegeben werden können. Unbeschadet hiervon haftet die Bank, wenn die Rückgabe infolge ihres groben Verschuldens unterbleibt. Die Bank wird versuchen, den Gegenwert zurückbelasteter, aber nicht zurückgegebener Wechsel und Schecks hereinzuholen oder dem Einreicher die ihr zustehenden Rechte übertragen. (5) In allen Fällen der Zurückbelastung von Wechseln und Schecks verbleiben der Bank die Wechsel- oder scheckrechtlichen Ansprüche auf Zahlung des vollen Betrages der Wechsel und Schecks mit Nebenforderungen gegen den Kunden und jeden aus dem Papier Verpflichteten bis zur Abdeckung eines etwa vorhandenen Schuldsaldos. (6) Werden Wechsel- und Scheckbeträge nicht in der Währung angeschafft, über die die Papiere lauten, so wird die Bank dadurch bei ihr anfallende Kursdifferenzen dem Kunden belasten oder gutbringen. 43. Werden Wechsel oder Schecks auf Grund ausländischen Rechts oder auf Grund einer mit ausländischen Banken getroffenen Vereinbarung der Bank wegen Fälschung von Unterschriften oder wegen Veränderung anderer Bestandteile der Wechsel oder Schecks belastet, so darf die Bank sie dem Kunden weiterbelasten.
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Ziff. 42 und 43 geben der Bank sowohl beim Inkasso als auch beim Diskont von Wechseln oder Schecks ein Zurückbelastungsrecht. Dieses ist eingehend oben Rdn. 1549 ff kommentiert; vgl. ferner Rdn. 1557 f und 1559 ff zum Verhältnis zwischen dem Zurückbelastungsrecht und dem wertpapierrechtlichen Regreß gegen den Kunden bzw. dem Rückgriff auf das Kausalgeschäft. 1368
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Ziff. 43 AGB
Außerdem gewährt Ziff. 42 V der Bank ein Sicherungsrecht an den Ansprüchen aus 2 7 3 9 einem zurückbelasteten Wechsel oder Scheck. Diese sollen der Bank bis zur Abdekkung eines etwa vorhandenen Schuldsaldos „verbleiben". Das setzt voraus, daß die Bank das Eigentum am Papier und damit die Rechte aus diesem erworben hat. Ein solcher Erwerb ist beim Diskontgeschäft in der Tat eine Selbstverständlichkeit. Beim Inkasso ist er dagegen nicht genauso unproblematisch, jedoch im Ergebnis grundsätzlich ebenfalls zu bejahen (vgl. oben Rdn. 750). Die Bank erwirbt dabei nicht nur die Ansprüche aus dem Papier gegen Dritte, sondern hat auch gegen ihren Kunden selbst einen wertpapierrechtlichen Rückgriffsanspruch (vgl. oben Rdn. 748 f). Gesichert sein soll nach dem klaren Wortlaut von Ziff. 42 V der gesamte Schuld- 2 7 4 0 saldo des Kunden bei der Bank und nicht nur die sich aus der Rückbelastung ergebende Forderung. Diese Auslegung wird bestätigt durch Ziff. 19 II und IV, wo ebenfalls das Bestreben der Bank zum Ausdruck kommt, in ihren Besitz gelangte Sicherheiten für alle ihre Forderungen und nicht nur für konnexe Ansprüche zu verwenden. Der Kunde erhält demnach einen Wechsel oder Scheck bei Bestehen eines Debet grundsätzlich auch dann nicht zurück, wenn er über den gutgeschriebenen Betrag noch gar nicht verfügt hatte und die Rückbelastung daher ohne weiteres durch eine Stornierung der Gutschrift erfolgt oder er den in Anspruch genommenen Betrag zur Tilgung der Rückbelastungsschuld wieder einzahlt. Das mag oft hart für ihn sein, doch geht es zu weit, Ziff. 42 V deshalb insoweit als unwirksam anzusehen (a. A. Helm aaO S. 132 ff); auch Ziff. 19 wird ja allgemein als gültig behandelt, obwohl dort ebenfalls eine umfassende Sicherung inkonnexer Forderungen — sogar zukünftiger! — vorgesehen ist. Allerdings kann Ziff. 42 V auf Grund einer einschränkenden Auslegung dann nicht zugunsten des gesamten Schuldsaldos zum Zuge kommen, wenn der Wechsel oder Scheck nicht zum Inkasso, sondern zum Diskont eingereicht wurde. Beim Diskontgeschäft kann die Bank nämlich weder das Papier noch den Erlös zur Sicherung oder Befriedigung ihrer sonstigen Forderungen verwenden (vgl. oben Rdn. 1547 bzw. 1539 und 1548). Es wäre aber ganz ungereimt und müßte zu einem untragbaren Wertungswiderspruch führen, wenn das nur deshalb anders sein sollte, weil die Bank die Gutschrift zurückbelastet hat (vgl. auch OLG Hamburg SeuffArch. 49 Nr. 32). Mit dem typischen Zweck des Diskontgeschäfts ist eben die Geltendmachung von Sicherungsrechten für inkonnexe Forderungen unvereinbar, und daran kann auch Ziff. 42 V nichts ändern. Die Bank hat demnach beim Diskontgeschäft das Sicherungsrecht aus Ziff. 42 V nur für den Anspruch aus der Rückbelastung und für etwaige Nebenforderungen. Dagegen erstreckt sich bei einer Einreichung zum Inkasso das Sicherungsrecht auf alle Forderungen der Bank; denn hier muß der Kunde im Gegensatz zum Diskontgeschäft einen besonderen Vorbehalt machen, wenn er trotz eines bestehenden Debet die freie Verfügungsmöglichkeit behalten will (vgl. oben Rdn. 747 Abs. 2), und daher sind hier gegen eine uneingeschränkte Anwendung von Ziff. 42 V keine Bedenken ersichtlich. Ziff. 42 V ist grundsätzlich auch bei gutgläubigem Erwerb des Wechsels oder 2741 Schecks durch die Bank anzuwenden (vgl. auch O L G Düsseldorf W M 1973 739, 740 f und dazu Liesecke W M 1973 1166). Die Ausführungen oben Rdn. 2665 ff zum entsprechenden Problem im Rahmen von Ziff. 19 AGB gelten hier analog. Folglich sind auch dieselben Einschränkungen wie dort zu machen; die Bank kann sich daher auf Ziff. 42 V nicht berufen, wenn es um Altschulden des Kunden geht, d. h. um solche Schulden, die schon vor dem Erwerb des Papiers bestanden (a. A. wohl OLG Düsseldorf aaO), oder wenn die fragliche Forderung erst entstanden ist, nachdem die Bank positive Kenntnis von der wahren Rechtslage erlangt hatte (vgl. oben Rdn. 2266). Bei Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
Kollisionen mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt kann die Bank sich darüber hinaus ganz allgemein nicht auf Ziff. 42 V berufen, soweit es um die Sicherung inkonnexer Forderungen geht, d. h. solcher Forderungen, die nicht mit dem Diskont oder Inkasso zusammenhängen (vgl. Canaris NJW 1981 255 Sp. 2); das dürfte sogar dann gelten, wenn das Eigentum am Papier nicht auf den Lieferanten übertragen worden war (vgl. Canaris a a O S. 256 vor IV). — Soweit danach der gute Glaube der Bank überhaupt relevant ist, bestimmt sich sein Vorliegen nach den oben Rdn. 797 ff entwikkelten Grundsätzen.
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Ebenso wie der gutgläubige Erwerb eines nicht dem Kunden gehörenden Papiers ist auch ein Einwendungsausschluß kraft guten Glaubens möglich. Während es bei jenem um das Verhältnis zwischen der Bank und dem (ursprünglichen) wahren Eigentümer des Papiers geht, betrifft dieser das Verhältnis zwischen der Bank und den aus dem Papier Verpflichteten und ermöglicht den einwendungsfreien Erwerb von Ansprüchen gegen diese (vgl. näher oben Rdn. 752 ff). 44. Erhält die Bank Wechsel, so gelten zugleich die dem Wechsel oder seinem Erwerb durch den Kunden zugrunde liegenden Forderungen sowie alle gegenwärtigen und zukünftigen Rechte aus den zugrunde liegenden Geschäften einschließlich der Sicherheiten als auf die Bank übertragen. Zur Sicherung übertragenes oder vorbehaltenes Eigentum geht unter Abtretung des Herausgabeanspruches auf die Bank über. Der Kunde ist verpflichtet, der Bank auf Verlangen eine Übertragungsurkunde zu erteilen. Entsprechendes gilt bei anderen Einzugspapieren, namentlich bei Anweisungen, Lastschriften und Rechnungen.
2743
Nach deutschem Recht hat die Übertragung eines Wechsels nicht ohne weiteres auch den Übergang der zugrunde liegenden Kausalforderung zur Folge (vgl. z. B. Hueck/Canaris Recht der Wertpapiere 1 1 § 20 I 2). Dieser wird daher in Ziff. 44 ausdrücklich vereinbart. Darin lediglich eine Auslegungsregel zu sehen, die den Diskontvertrag ergänzt (so Helm aaO S. 69), erscheint gekünstelt und ist auch deshalb nicht überzeugend, weil die Forderung gar nicht durch den Diskontvertrag, sondern nur durch eine eigenständige Einigungserklärung gemäß § 398 BGB übergehen kann. Man wird daher richtigerweise in Ziff. 44 ebenso wie in Ziff. 19 II eine antizipierte Einigung sehen müssen. Für deren Gültigkeit reicht es aus, daß die Forderung im Augenblick des Wirksamwerdens der Abtretung, also bei der Übertragung des Wechsels auf die Bank, hinreichend bestimmbar ist. — Die Forderung aus dem Wechsel wird durch die Abtretung der Kausalforderung nicht berührt; die Ansicht, daß Einwendungen gegen diese dann auch jener entgegengesetzt werden könnten, ist seit der Entscheidung RGZ 166 312 überholt.
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Im Verhältnis zu anderen Zessionaren gilt nicht ohne weiteres das Prioritätsprinzip. Auch wenn man nämlich mit der hier vertretenen Ansicht in Ziff. 44 eine antizipierte Einigung sieht, so hat ein anderer Zessionar doch jedenfalls dann den Vorrang vor der Bank, wenn sich sein Rechtserwerb bereits vor dem Wirksamwerden der Zession an die Bank, also vor der Übertragung des Wechsels auf sie vollendet hatte — sei es, daß ihm die Forderung nach ihrem Entstehen abgetreten worden war, oder sei es, daß ihm die Forderung vor ihrem Entstehen als zukünftige abgetreten worden war und sich in seiner Person die Voraussetzungen für das Wirksamwerden dieser Zession schon erfüllt hatten; denn Ziff. 44 kann nichts daran ändern, daß eine einmal wirksam gewordene Abtretung wirksam bleibt. Die Rechtslage ist also mit der bei der Kollision zwischen Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt nicht vergleichbar, weil hier anders als dort in aller Regel nicht zwei Vorausverfügungen im selben Augenblick — nämlich dem des Entstehens der Forderung — wirksam werden. Vielmehr können der1370
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 46 A G B
artige Kollisionen im Falle von Ziff. 44 kaum jemals vorkommen (a. A. offenbar Helm a a O S. 70 f). Das wäre nämlich nur dann denkbar, wenn die Kausalforderung erst nach der Übertragung des Wechsels auf die Bank entsteht, und das könnte allenfalls in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Allerdings kann sich auch dann, wenn die Einreichung des Papiers erst nach dem Ubergang der zugrunde liegenden Forderung auf einen anderen Zessionar erfolgt, ein Vorrang der Bank aus einer Abtretungsermächtigung ergeben. Diese kann auch konkludent erteilt werden oder aus den Regeln über die ergänzende Vertragsauslegung gemäß § 157 B G B folgen und ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die Einschaltung der Bank im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs liegt. Daraus ergibt sich bei Kollisionen mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt häufig ein Vorrang der Bank (vgl. näher Canaris N J W 1981 257 unter V 1 sowie auch oben Rdn. 602 b). Der Kreis der gesicherten Forderungen geht aus Ziff. 44 nicht mit derselben Deut- 2 7 4 5 lichkeit hervor wie aus Ziff. 19 II und Ziff. 42 V. Ebenso wie bei diesen Klauseln ist jedoch auf Grund des erkennbaren Sicherungsinteresses der Bank anzunehmen, daß grundsätzlich alle Forderungen gesichert sein sollen, also auch solche, die mit dem betreffenden Diskont- oder Inkassogeschäft nichts zu tun haben. Unterliegt die Forderung einem Abtretungsverbot, so ist jeweils zu prüfen, ob dieses 2 7 4 6 nicht auf Grund einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 B G B hier zurückzutreten hat; das ist z. B. beim Lastschriftverfahren i. d. R. zu bejahen (vgl. oben Rdn. 603). Außerdem ist zu beachten, daß das Abtretungsverbot nach richtiger, wenngleich nicht herrschender Ansicht nur relativ zugunsten des Drittschuldners wirkt und demgemäß die Forderung bei Konkurs des Kunden nicht der Masse zuordnet, sondern der Bank beläßt (vgl. oben Rdn. 1705). Ziff. 44 ordnet ferner einen Ubergang der Sicherheiten an, die für die Kausalforde- 2 7 4 7 rung bestehen. Dieser ergibt sich an sich ohnehin weitgehend schon aus § 401 BGB. Für das Sicherungs- und das Vorbehaltseigentum, die nach h. L. nicht unter § 401 B G B fallen, enthält Satz 2 eine besondere Übertragungsregelung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs. Konstruktiv liegt auch hier eine antizipierte Einigung mit antizipierter Abtretung des Herausgabeanspruchs gemäß § 9 3 1 B G B vor. Einwendungen aus der Sicherungsabrede bzw. dem Kaufvertrag muß die Bank gemäß §§ 404, 986 II B G B gegen sich gelten lassen. Ein Grundpfandrecht geht wegen des Schriftformerfordernisses des § 1154 I B G B grundsätzlich auch bei Übergabe des Briefes nicht nach Ziff. 44 über — und zwar auch dann nicht, wenn der Kunde die A G B schriftlich anerkannt hatte (vgl. oben Rdn. 2662); anders ist allerdings gemäß § 1195 B G B bei einer Inhabergrundschuld zu entscheiden, sofern der Brief der Bank übergeben wird oder sie sich in dessen Besitz befindet. 45. Treffen die Bank bei der Einholung von Wechselakzepten oder -avalen Prüfungspflichten, insbesondere im Hinblick auf die Echtheit der Unterschrift und die Legitimation des Zeichnenden, so haftet sie nur für grobes Verschulden. Diese Haftungsbegrenzung ist nur insoweit wirksam, als die betreffende Pflicht 2 7 4 8 keine Kardinalpflicht darstellt (vgl. auch oben Rdn. 2613). Außerdem ist zu beachten, daß u. U. eine Individualabrede vorliegen kann, die dann nach § 4 A G B G Vorrang hat. 46. Die Deckung der von der Bank für Rechnung eines Kunden akzeptierten Wechsel muß spätestens einen Bankarbeitstag vor Verfall in ihrem Besitz sein, anderenfalls berechnet die Bank eine besondere Provision im Rahmen des § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches; die Akzeptprovision deckt nur das Akzept selbst. Claus-Wilhelm Canaris
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21. Abschnitt. D i e Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Banken
Vgl. zum Akzeptkredit eingehend oben Rdn. 1597 ff und speziell zu Ziff. 46 AGB Rdn. 1612 f. 47. Die Bank braucht bei ihr zahlbar gestellte Wechsel nur einzulösen, wenn ein schriftlicher Auftrag mit allen erforderlichen Angaben rechtzeitig eingegangen und hinreichende Deckung vorhanden ist.
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Nach Ziff. 47 hängt die Einlösungspflicht der Bank bei einem Wechsel von einem entsprechenden schriftlichen Antrag ab. Das Schriftformerfordernis hat jedoch nur Klarheits- und Beweisfunktion und kann daher u. U. auch fehlen. Im übrigen ist für die Einlösung von Wechseln auf die Ausführungen oben Rdn. 689 ff und 699 f zur Scheckeinlösung zu verweisen, da Wechsel und Scheck insoweit im wesentlichen gleich zu behandeln sind.
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2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
22. Abschnitt Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen (Fassung vom 1. April 1977)
Vorwort Das Geschäftsverhältnis zwischen Sparkasse und dem Kunden beruht auf dem gegenseitigen Vertrauen. Der Kunde kann sich darauf verlassen, daß die Sparkasse seine Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausführt. Die Vielfalt der von der Sparkasse zu erledigenden Aufträge macht die Aufstellung allgemeiner Regeln, durch die das Geschäftsverhältnis der Sparkasse mit ihrem Kunden einheitlich bestimmt wird, erforderlich. Die A G B gelten für jegliche Tätigkeit der Sparkasse, soweit nicht im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Sie verfolgen den Zweck, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Sie dienen der Rechtssicherheit und tragen zur Vereinfachung des Geschäftsablaufes und damit zur Kostenersparnis bei. Die Kunden können die A G B in den Kassenräumen einsehen; dort sind sie jederzeit zugänglich gemacht. Vgl. oben Rdn. 2490 ff und 2532 ff.
A. Vereinbarungen für alle Geschäftsarten I. Laufender Geschäftsverkehr 1. Grundsätze der Kontoführung; Stornierung von Buchungen. (1) Nach der Errichtung eines Kontos ist die Sparkasse während der Geschäftsverbindung befugt, Geldbeträge für den Kunden entgegenzunehmen. Den Auftrag, einem Kunden einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen oder zur Verfügung zu halten, darf die Sparkasse durch Gutschrift des Betrages auf dem Konto des Kunden ausführen, wenn der Auftraggeber nicht eine gegenteilige Weisung erteilt hat. (2) Geldbeträge in ausländischer Währung darf die Sparkasse mangels ausdrücklicher gegenteiliger Weisung des Kunden in Deutscher Mark gutschreiben, sofern sie nicht für den Kunden ein Konto in der betreffenden Währung führt. Die Abrechnung erfolgt zum amtlichen Geldkurs — bei Fehlen eines solchen zum Marktkurs — des Tages, an dem der Geldbetrag in ausländischer Währung zur Verfügung der Sparkasse steht und von dieser verwertet werden kann. Vgl. oben Rdn. 2562 ff. (3) Jede unter dem Vorbehalt des Eingangs — „E. v." — stehende Gutschrift wird erst nach Eingang des Gegenwertes endgültig. Der Vorbehalt behält seine aufschiebende Wirkung auch gegenüber einem Rechnungsabschluß. Vgl. dazu oben Rdn. 570, 635, 744 ff. Claus-Wilhelm Canaris
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22. Abschnitt. D i e Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen
(4) Gutschriftsbuchungen, die vorgenommen werden, ohne daß im Zeitpunkt der Gutschrift ein entsprechender Auftrag (z. B. wegen Irrtum, Schreibfehler, Widerruf) vorliegt, darf die Sparkasse auch nach einem Rechnungsabschluß durch einfache Buchung rückgängig machen (stornieren). 2750
Das Stornorecht ist oben Rdn. 447 ff eingehend behandelt. Eine Besonderheit enthält die vorliegende Klausel insofern, als sie ausdrücklich den Fall des Widerrufs einbezieht; das ist vernünftig und wirksam (vgl. oben Rdn. 449 und 455; a. A. Stierle Der Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Banküberweisungen, 1980, S. 187 Fn. 402). Eine zweite Besonderheit liegt darin, daß das Stornorecht durch einen Rechnungsabschluß nicht berührt wird; das widerspricht zwar der Ansicht, die der B G H bei Fehlen einer solchen Klausel vertritt (vgl. B G H Z 72 9, 11), doch sind die praktischen Unterschiede zu dieser — ohnehin mehr als zweifelhaften — Position geringfügig (vgl. oben Rdn. 453 Abs. 2), und daher ist die Wirksamkeit dieser Regelung nicht zu bezweifeln (ebenso i. E. Graf von Westphalen^f/M 1980 1410 bei Fn. 50; Berninghaus Die Stornierungsbefugnis der Banken, 1980, S. 132; a. A. Liesecke W M 1975 241; Schlegelbergerl Hefermehl5 Anh. nach § 365 Rdn. 95 a. E.; Staudinger/Schlosser12 § 9 AGBG Rdn. 73 a. E.). (5) Belastungsbuchungen führen nicht zu einer wirksamen Belastung (Einlösung), wenn sie am nächsten Buchungstag storniert werden. Zu der Stornierung ist die Sparkasse bis dahin berechtigt. Vgl. oben Rdn. 550 ff und 700. (6) Unterhält der Kunde mehrere Konten, so bildet jedes Kontokorrentkonto ein selbständiges Kontokorrent. Vgl. oben Rdn. 2555 f. (7) Der Kunde kann Forderungen gegen die Sparkasse nur mit Verbindlichkeiten in derselben Währung und nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Vgl. oben Rdn. 2550 ff. (8) Die Sparkasse kann bevorrechtigte Forderungen trotz Einstellung in das Kontokorrent in gleicher Weise wie durch Pfand oder Bürgschaft gesicherte Forderungen selbständig geltend machen. Vgl. oben Rdn. 2555. (9) Die Sparkasse kann bei Fehlen einer Weisung des Kunden bestimmen, auf welche von mehreren fälligen Forderungen Zahlungseingänge, die zur Begleichung sämtlicher Forderungen nicht ausreichen, zu verrechnen sind.
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Die Klausel enthält nach richtiger Ansicht eine Abweichung von § 366 II BGB, nach der vom B G H vertretenen Gegenansicht eine Außerkraftsetzung des Grundsatzes der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung (vgl. dazu Großkomm.-Canaris^ § 355 Anm. 67 ff, 74 ff). Angesichts des ungeklärten Streitstandes und der Unpraktikabilität der Lehre von der verhältnismäßigen Gesamtaufrechnung ist die Wirksamkeit der Klausel zu bejahen, doch hat die Sparkasse gemäß § 242 BGB eine Pflicht zur Rückfrage bei dem Kunden, wenn Anlaß zu der Annahme besteht, daß die von ihr beabsichtigte Tilgungsbestimmung dessen Interessen oder Willen widerspricht. 2. Gemeinschaftskonten. Über Guthaben und Wertpapierbestände auf einem Gemeinschaftskonto kann jeder der Inhaber allein verfügen, es sei denn, daß sie der Sparkasse schriftlich eine gegenteilige Weisung erteilt haben. Für Verbindlichkeiten aus einem Gemeinschaftskonto haftet jeder Inhaber in voller Höhe als Gesamtschuldner. Vgl. oben Rdn. 2557. 1374
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 6 A G B
3. Informationspflichten des Kunden und Haftung bei Geschäftsunfähigkeit. (1) Änderungen des Personenstands, der Yerfügungs- oder Verpflichtungsfähigkeit des Kunden (z. B. Eheschließung, Änderungen des ehelichen Güterstandes, Eintritt der Volljährigkeit) und seiner Anschrift sind der Sparkasse schriftlich unverzüglich anzuzeigen. (2) Der Kunde trägt den Schaden, der etwa daraus entstehen sollte, daß die Sparkasse von einem eintretenden Mangel in der Geschäftsfähigkeit des Kunden oder seines Vertreters unverschuldet keine Kenntnis erlangt. Vgl. oben Rdn. 2540 f bzw. 2711 ff.
4. Bekanntgabe der Zeichnungsberechtigten der Sparkasse und des Kunden. (1) Die Namen und Unterschriften der jeweils für die Sparkasse zeichnungsberechtigten Personen sowie der Umfang der Zeichnungsberechtigung werden durch Aushang in den Kassenräumen bekanntgegeben. (2) Die Namen der für den Kunden zeichnungsberechtigten Personen sind der Sparkasse mit eigenhändigen Unterschriftsproben auf den von der Sparkasse gelieferten Vordrucken bekanntzugeben. Die Zeichnungsberechtigung gilt bis zum Empfang des schriftlichen Widerrufs bei der Sparkasse, und zwar auch dann, wenn die Zeichnungsberechtigten in einem öffentlichen Register eingetragen sind und eine Änderung veröffentlicht ist. 5. Ableben des Kunden (Verfügungsbeschränkung, Legitimationsurkunden). (1) Beim Ableben des Kunden ist die Sparkasse berechtigt, die Vorlegung eines Erbscheins, eines Zeugnisses des Nachlaßgerichts über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft oder die Vorlegung ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zu verlangen. Wird eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift einer Verfügung von Todes wegen nebst zugehöriger Eröffnungsverhandlung vorgelegt, so ist die Sparkasse berechtigt, die darin als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichneten Personen verfügen zu lassen, insbesondere mit befreiender Wirkung an sie zu leisten. Der Kunde trägt den Schaden, der etwa daraus entstehen sollte, daß die Sparkasse von einem Mangel in der Wirksamkeit derartiger Urkunden unverschuldet keine Kenntnis erlangt. (2) Werden der Sparkasse ausländische Urkunden zum Nachweis des Erbrechts oder der Verfügungsbefugnis über den Nachlaß vorgelegt, so wird sie prüfen, ob die Urkunden zum Nachweis geeignet sind, haftet jedoch für den Eingang ebensowenig wie für die Echtheit, Wirksamkeit und Vollständigkeit sowie für richtige Übersetzung und Auslegung, es sei denn, daß grobes Verschulden vorliegt. (3) Die Sparkasse ist nicht verpflichtet, die Urkunden auf ihre fortdauernde Wirksamkeit zu prüfen, es sei denn, daß Zweifel hierüber erkennbar sind. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für Bestallungen von Vormündern, Pflegern, Konkursverwaltern und ähnliche Ausweise. Vgl. oben Rdn. 2714 ff.
6. Mitteilungen der Sparkasse; Verwendung von urkundenechten Schreibstoffen. (1) Schriftliche Mitteilungen der Sparkasse (in Fällen allgemeiner Natur wirksam auch in Form von nichtUnterzeichneten Rundschreiben) gelten nach dem gewöhnlichen Postlauf als zugegangen, wenn sie unter der letzten der Sparkasse bekanntgewordenen Anschrift abgesandt worden sind. Dies gilt nicht, wenn es sich um eine Mitteilung von besonderer Bedeutung handelt oder wenn eine schriftliche Mitteilung als unzustellbar an die Sparkasse zurückgelangt und die Unzustellbarkeit von der Sparkasse zu vertreten ist oder begründeter Anlaß zu der Annahme besteht, daß die Mitteilung auf Grund Claus-Wilhelm Canaris
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22. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen
einer Störung des Postbetriebs nicht zugegangen ist. Die Absendung wird vermutet, wenn sich ein abgezeichneter Durchschlag des betreffenden Schreibens im Besitz der Sparkasse befindet, oder wenn sich die Absendung aus einem abgezeichneten Versandvermerk oder einer abgezeichneten Versandliste ergibt. (2) Der Text sowie sonstige Eintragungen und Unterschriften in Schriftstücken (insbesondere Wechseln und Schecks), die der Sparkasse zugehen, sollen mit urkundenechten Schreibstoffen hergestellt sein. Die Sparkasse ist nicht verpflichtet zu prüfen, ob urkundenechte Schreibstoffe verwendet worden sind. Für Schäden, die durch Verwendung nicht urkundenechter Schreibstoffe verursacht worden sind, haftet der Einreicher des Schriftstücks. Vgl. oben Rdn. 2542 ff bzw. 2548 f. 7. Rat und Auskunft der Sparkasse auf Wunsch des Kunden. Die Sparkasse erteilt dem Kunden auf seinen Wunsch im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nach bestem Wissen Rat und Auskunft. Sie kann dies jedoch im Hinblick auf die Mannigfaltigkeit der Ratschläge und Auskünfte nur unter Ausschluß jeder Verbindlichkeit, auch — soweit rechtlich zulässig — der Haftung aus §§ 276, 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches, tun. Gleiches gilt für Unterlassungen von Rat und Auskunft. Mündliche Auskünfte über Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit gelten nur vorbehaltlich schriftlicher Bestätigung, es sei denn, daß etwas anderes vereinbart ist.
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Grundsätzlich ist auf die Ausführungen oben Rdn. 2588 ff zu verweisen. Die Klausel enthält jedoch zwei Besonderheiten. Zum ersten weist sie bezüglich des Haftungsausschlusses keine Unterscheidung zwischen Kreditauskünften und sonstigen Auskünften auf. Das hat mißliche Konsequenzen, wenn man der Ansicht folgt, daß der H a f tungsausschluß trotz des Vorbehalts „soweit rechtlich zulässig" zur Gänze unwirksam ist — jedenfalls für den nichtkaufmännischen Verkehr (vgl. dazu oben Rdn. 2597); denn es fehlt hier die Möglichkeit zum Rückgriff auf die — wirksame — allgemeine Freizeichnung für Auskünfte, wie sie in Ziff. 10 II AGB der Privatbanken enthalten ist, so daß die Anwendung von § 6 AGBG i. V. m. § 276 BGB wohl unausweichlich ist (vgl. dazu oben Rdn. 2598).
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Die zweite Besonderheit besteht darin, daß nach dem unmißverständlichen Wortlaut des letzten Satzes der Klausel die Geltung von Kreditauskünften grundsätzlich eine schriftliche Bestätigung der Sparkasse voraussetzt (vgl. demgegenüber oben Rdn. 2590 f)- Der BGH hat indessen entschieden, daß ein derartiger Vorbehalt „nicht geeignet ist, einer mündlich erteilten Auskunft den Charakter einer Bankauskunft zu nehmen, wenn dieser ihr nach den Umständen des Einzelfalles zukommt" (vgl. BGH W M 1956 1056 f; ähnlich BGH WM 1970 632, 633; 1972 583, 585 unter IV b). In der Tat wäre es mit den Geboten der Billigkeit i. S. von § 9 AGBG unvereinbar, wenn mündlichen Kreditauskünften generell die Wirksamkeit abgesprochen und auf diesem Umwege sogar die Haftung für vorsätzliche Falschauskünfte von Organen und leitenden Angestellten ausgeschlossen würde. Aus der Klausel kann daher nicht mehr entnommen werden als eine Vermutung für die Unverbindlichkeit einer nur mündlich erteilten Auskunft (vgl. auch Erstbearbeitung Anm. 1273) sowie ein — i. E. mit Ziff. 10 AGB der Privatbanken übereinstimmendes — Recht zur unverzüglichen schriftlichen Korrektur der mündlichen Auskunft. 8. Übernahme von Verwaltungspflichten. Ohne eine ausdrückliche und schriftliche abweichende Vereinbarung kann die Sparkasse keine anderen als die in diesen Geschäftsbedingungen erwähnten Verwaltungspflichten, insbesondere nicht die Unterrichtung des Kunden über drohende Kursverluste, über den Wert oder die Wertlosig1376
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Z i f f . 12 A G B
keit anvertrauter Gegenstände oder über Umstände, die den Wert dieser Gegenstände beeinträchtigen oder gefährden könnten, übernehmen. Vgl. oben Rdn. 2619 f. 9. Entgelte; Kontoüberziehung. (1) Die Sparkasse ist berechtigt, für ihre Leistungen Entgelte, insbesondere Zinsen, Gebühren und Provisionen vom Kunden zu verlangen. Dies gilt auch für Leistungen, die zusätzlich zu einer üblichen Grundleistung im Auftrag oder im Interesse des Kunden erbracht werden. (2) Gleiches gilt für Maßnahmen und Leistungen der Sparkasse, die auf nicht vertragsgemäßer Geschäftsabwicklung durch den Kunden oder auf dessen vertragswidrigem Verhalten oder auf Zwangsmaßnahmen Dritter gegen den Kunden beruhen. (3) Entgelte werden — sofern keine abweichenden Bestimmungen gelten — von der Sparkasse unter Berücksichtigung der Marktgegebenheiten und des Aufwands nach billigem Ermessen festgelegt (§315 des Bürgerlichen Gesetzbuches). (4) Nimmt der Kunde Kredit ohne ausdrückliche Vereinbarung oder über den vereinbarten Betrag oder über den vereinbarten Termin hinaus in Anspruch (Kontoüberziehung), hat er, statt etwa vereinbarter niedrigerer Zinsen, Gebühren und Provisionen, die von der Sparkasse allgemein nach billigem Ermessen für Uberziehungen bestimmten Zinsen, Gebühren und Provisionen zu zahlen (§315 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Vgl. oben Rdn. 2631 ff. 10. Auslagenersatz. Alle im Interesse des Kunden gemachten Auslagen, die über die allgemeinen Geschäftskonten hinausgehen, insbesondere für Versicherungen, Vordrucke, Steuer, Briefporti, Ferngespräche, Telegramme und Fernschreiben, können in Rechnung gestellt werden. Vgl. oben Rdn. 2632. 11. Rechnungsabschlüsse. (1) Die Sparkasse schließt die Konten in den von ihr bestimmten Zeitabschnitten ab und erteilt Rechnungsabschlüsse. Änderungen der Zeitabschnitte werden dem Kunden vor der Einführung mitgeteilt. (2) Die Sparkasse kann ihre Auslagen aus Vereinfachungsgründen ohne Einzelaufstellung in einem Betrag in Rechnung stellen. Sie gibt in diesem Fall dem Kunden auf Wunsch Auskunft über die Einzelposten. Für die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren können ohne Rücksicht auf die Dauer der Verwahrung und Verwaltung jeweils für ein Kalenderjahr im voraus die Gebühren in Rechnung gestellt werden. Bei vorzeitiger Depotauflösung erfolgt eine angemessene Rückvergütung entsprechend der Vertragsdauer. (3) Auslagen, die aus Wertpapier-, Devisen- und Sortengeschäften entstehen, werden stets besonders abgerechnet. Vgl. oben Rdn. 2630. 12. Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse, Wertpapierauf Stellungen und sonstige Mitteilungen. (1) Einwendungen gegen Rechnungsabschlüsse und Wertpapieraufstellungen müssen der Sparkasse schriftlich zugehen und innerhalb einer Ausschlußfrist von 4 Wochen nach Zugang des betreffenden Schriftstücks abgesandt werden. Einwendungen gegen sonstige Mitteilungen, z. B. Abrechnungen und Kontoauszüge, müssen unverzüglich, Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit von der Sparkasse gelieferter Wertpapiere oder sonstiger Werte müssen sofort nach Empfang erhoben werden. Die Unterlassung rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung. Die Sparkasse Claus-Wilhelm Canaris
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22. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen
wird den Kunden bei Fristbeginn hierauf besonders hinweisen. Stellt sich nachträglich die Unrichtigkeit heraus, so können sowohl der Kunde als auch die Sparkasse eine Richtigstellung auf Grund gesetzlicher Ansprüche verlangen. (2) Das Ausbleiben zu erwartender Anzeigen, insbesondere über die Ausführung von Aufträgen jeder Art, über Zahlungen und Sendungen, ist der Sparkasse unverzüglich nach Ablauf der Frist mitzuteilen, innerhalb derer die Benachrichtigung im gewöhnlichen Postlauf hätte zugehen müssen. V g l . oben Rdn. 2 6 3 5 ff b z w . 2644 ff.
13. Auflösung der Geschäftsverbindung. (1) Der Kunde und die Sparkasse dürfen mangels anderweitiger Vereinbarung die Geschäftsverbindung im ganzen oder hinsichtlich einzelner Geschäftsbeziehungen, soweit es sich um Dauerschuldverhältnisse handelt, nach freiem Ermessen einseitig auflösen. (2) Auch wenn eine anderweitige Vereinbarung getroffen ist, dürfen der Kunde und die Sparkasse die Geschäftsverbindung im ganzen oder hinsichtlich einzelner Geschäftsbeziehungen aus einem wichtigen Grunde jederzeit beendigen. Ein solcher Grund ist für die Sparkasse insbesondere dann gegeben, a) wenn der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse oder über die seiner Firma gemacht hat; b) wenn eine wesentliche Verschlechterung oder eine erhebliche Gefährdung seiner Vermögensverhältnisse oder der seiner Firma eintritt, insbesondere wenn der Kunde oder seine Firma die Zahlungen einstellt oder erklärt, sie einstellen zu wollen, oder wenn von dem Kunden oder seiner Firma angenommene Wechsel zu Protest gehen oder eine Zwangsvollstreckung gegen den Kunden oder seine Firma eingeleitet wird; c) wenn der Kunde eine Gesellschaft ist und die Vermögensverhältnisse eines persönlich haftenden Gesellschafters sich wesentlich verschlechtert haben oder erheblich gefährdet sind, oder wenn hinsichtlich eines persönlich haftenden Gesellschafters Änderungen (z. B. Personenwechsel, Todesfall) eingetreten sind; d) wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Stellung oder Verstärkung von Sicherheiten (Nr. 21 Abs. 4 Satz 1) nach Aufforderung durch die Sparkasse nicht innerhalb angemessener Frist nachkommt. (3) Mit der Auflösung der Geschäftsverbindung werden die auf den einzelnen Konten geschuldeten Beträge sofort fällig. Von diesem Zeitpunkt ab gilt für Zinsen, Gebühren und Provisionen Nr. 9 Abs. 4. Der Kunde ist außerdem verpflichtet, die Sparkasse von allen für ihn oder in seinem Auftrag übernommenen Verpflichtungen zu befreien und, solange er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, der Sparkasse genehme Sicherheiten im erforderlichen Umfange zu bestellen. (4) Die Sparkasse ist berechtigt, die für den Kunden oder in seinem Auftrag übernommenen Verpflichtungen zu kündigen und sonstige Verpflichtungen, insbesondere solche in fremder Währung, glattzustellen sowie hereingenommene Wechsel und Schecks sofort zurückzubelasten; die Wechsel- oder scheckrechtlichen Ansprüche gegen den Kunden und jeden aus dem Papier Verpflichteten auf Zahlung des vollen Betrages der Wechsel und Schecks mit Nebenforderungen verbleiben der Sparkasse jedoch bis zur Abdeckung eines etwaigen Schuldsaldos. (5) Auch nach Auflösung der Geschäftsverbindung gelten bis zu ihrer völligen Abwicklung die Allgemeinen Geschäftsbedingungen weiter. V g l . oben Rdn. 1238 f, 1247 und 2646 ff. 1378
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Ziff. 16 A G B
II. Aufträge, Wertsendungen und Bürgschaften 14. Form und Inhalt von Aufträgen. (1) Aufträge jeder Art müssen den Gegenstand des Geschäfts zweifelsfrei erkennen lassen. Abänderungen, Bestätigungen und Wiederholungen müssen als solche bezeichnet sein. (2) Schriftliche Aufträge müssen unterzeichnet sein (Nr. 4 Abs. 2). Bei Ausführung von in anderer Form erteilten Aufträgen haftet die Sparkasse nur für grobes Verschulden. (3) Bei Aufträgen, insbesondere bei Verfügungen durch Scheck, Barabhebung, Uberweisung und Lastschrift, sind nur die von der Sparkasse zugelassenen Vordrucke zu benutzen und nach den jeweils von der Sparkasse getroffenen Bedingungen und gegebenen Hinweisen zu behandeln. Dies gilt auch, soweit die Sparkasse im übrigen Geschäftsverkehr die Benutzung weiterer Vordrucke vorschreibt. (4) Die Sparkasse haftet nicht für Verzögerungen oder Ausführungsmängel, die durch unrichtige, unvollständige, mißverständliche oder unleserliche Angaben des Auftraggebers oder durch Nichtbenutzung der in Abs. 3 genannten Vordrucke entstehen, es sei denn, die Verzögerungen oder Ausführungsmängel entstanden durch grobes Verschulden der Sparkasse. Dies gilt insbesondere für Fehlleitungen infolge unrichtiger, unvollständiger oder voneinander abweichender Angaben der Kontobezeichnung, der Kontonummer oder der Bankleitzahl in Uberweisungsaufträgen. (5) Für Dienstleistungen in wiederkehrender Form, insbesondere Überweisungen und Auszahlungen, übernimmt die Sparkasse wegen der damit verbundenen Risiken keine Haftung für die rechtzeitige Ausführung, es sei denn, daß sie grobes Verschulden trifft. Zu Abs. 1 vgl. oben Rdn. 2574 ff, zu Abs. 5 vgl. Rdn. 2 5 6 7 f. Die Haftungsbeschränkungen nach Abs. 2 S. 2 und Abs. 4 dürften wirksam sein, da sie an besondere Risiken bzw. Fehler des Kunden anknüpfen und § 254 B G B dabei jedenfalls nicht so weitgehend korrigieren, daß das mit dem „Leitbild" des Gesetzes unvereinbar wäre. 15. Telefonische, telegrafische, drahtlose, fernschriftliche Aufträge. (1) Der Kunde trägt den Schaden, der aus Übermittlungsfehlern, Mißverständnissen, Mißbräuchen und Irrtümern im telefonischen, telegrafischen, drahtlosen oder fernschriftlichen Verkehr mit dem Kunden oder Dritten entsteht, sofern die Sparkasse ihn nicht verschuldet hat. (2) Die Sparkasse behält sich vor, bei telefonischen, telegrafischen, drahtlosen oder fernschriftlichen Aufträgen vor Ausführung auf Kosten des Kunden auf einem der- vorgenannten Wege eine Bestätigung einzuholen. (3) Sofern die Sparkasse telefonische, telegrafische, drahtlose oder fernschriftliche Mitteilungen schriftlich bestätigt, ist der Kunde verpflichtet, Abweichungen zwischen derartigen Mitteilungen und der schriftlichen Bestätigung ohne schuldhaftes Zögern zu beanstanden, es sei denn, es ist etwas anderes vereinbart. Vgl. oben Rdn. 2581 ff. 16. Von der Sparkasse zu vertretender Schaden bei Verzögerungen und Fehlleitungen. Der Kunde ist verpflichtet, die Sparkasse in jedem Einzelfall und gesondert darauf hinzuweisen, wenn aus Verzögerungen oder Fehlleitung bei der Ausführung von Aufträgen oder von Mitteilungen hierüber ein über den Zinsausfall hinausgehender Schaden entstehen kann. Ist ein derartiger Hinweis erfolgt, so haftet die Sparkasse im Rahmen ihres Verschuldens. Fehlt ein derartiger Hinweis, so haftet die Sparkasse nur für grobes Verschulden, und wenn der Auftrag zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehört, beschränkt auf den Zinsausfall. Vgl. oben Rdn. 2577 ff. C l a u s - W i l h e l m Canaris
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17. Aufträge im Überweisungsverkehr. (1) Aufträge zur Auszahlung oder Überweisung von Geldbeträgen führt die Sparkasse grundsätzlich im bargeldlosen Überweisungsverkehr aus, sofern nicht der Kunde im Einzelfall einen anderen Weg vorschreibt. Für den Überweisungsverkehr gelten Sonderbedingungen. (2) Bei brieflich auszuführenden Zahlungsaufträgen ins Ausland darf die Sparkasse die Art der Erledigung nach ihrem Ermessen bestimmen. 2755
Die Verweisung auf die Sonderbedingungen für den Überweisungsverkehr in Abs. 1 S. 2 wird gemäß § 3 A G B G nicht zum Vertragsinhalt, da sie „überraschend" ist (vgl. auch oben Rdn. 2727 a. E.). Denn die A G B der Sparkassen enthalten in Ziff. 1 ff eine solche Fülle von Regelungen, die auf das engste mit dem Überweisungsverkehr zusammenhängen, daß der Kunde mit Sonderbedingungen für diesen nicht zu rechnen braucht. Außerdem wirft der Uberweisungsverkehr auch nicht in solchem Maße S o n derprobleme auf, daß aus diesem Grund das Vorhandensein von Sonderbedingungen zu erwarten ist; die Lage ist insoweit mit den anderen Fällen der Existenz von Sonderbedingungen nicht zu vergleichen. Daß die Verweisung in Ziff. 29 I 1 wiederholt wird, ändert an ihrem überraschenden Charakter nichts. 18. Wertsendungen. Die Sparkasse darf nach ihrem Ermessen in handelsüblicher Weise Geld und sonstige Werte auf Gefahr des Kunden versenden, und zwar mangels abweichender Anweisung unversichert durch eingeschriebenen Brief oder als Wertbrief unter Angabe eines geringen Wertes oder versichert. Wechsel, Schecks, Anweisungen und Quittungen darf die Sparkasse im einfachen Brief versenden. Vgl. oben Rdn. 2621 f. 19. Geschäftsausführung durch Dritte. (1) Die Sparkasse darf im eigenen Namen die Ausführung aller Geschäfte ganz oder teilweise auf Dritte zur selbständigen Erledigung übertragen, wenn sie es unter Berücksichtigung ihrer eigenen und der Interessen des Kunden für notwendig hält. Werden Dritte beauftragt, beschränkt sich die Verantwortlichkeit der Sparkasse auf die sorgfältige Auswahl und Unterweisung der von ihr beauftragten Dritten. Folgt sie dagegen bei der Auswahl und Unterweisung des Dritten einer Weisung des Kunden, so trifft sie insoweit keine Haftung. Die Sparkasse ist jedoch verpflichtet, dem Kunden auf Verlangen etwaige Ansprüche gegen den Dritten abzutreten. (2) Bei der Ausführung von Einzugsaufträgen im Ausland ist die Sparkasse nur nach Maßgabe der für den Einzug zur Verfügung stehenden Zeit und der beschränkten Erhebungsmöglichkeiten zur sorgfältigen Auswahl der Einzugsstelle verpflichtet. Vgl. oben Rdn. 2585 ff. 20. Bürgschafts- und sonstige Gewährverpflichtungen. Wird die Sparkasse aus einer im Auftrag oder für Rechnung des Kunden übernommenen Bürgschafts- oder sonstigen Gewährverpflichtung in Anspruch genommen, so ist sie auch ohne gerichtliches Verfahren auf einseitiges Anfordern des Gläubigers zur Zahlung berechtigt. Vgl. oben Rdn. 2 6 2 3 ff.
III. Pfand- und Sicherungsrechte 21. Art und Umfang der Sicherheiten. (1) Wertgegenstände jeder Art, die in den Besitz oder sonst in die Verfügungsmacht irgendeiner Stelle der Sparkasse gelangen oder gelangt sind, dienen, soweit gesetzlich zulässig, als Pfand für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Ansprüche der Sparkasse gegen den Kunden. Dabei ist gleichgültig, ob diese Wertgegenstände durch den Kunden selbst oder sonst für seine Rechnung durch Dritte in den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz 1380
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Ziff. 22 AGB
oder sonst in die Verfügungsmacht irgendeiner Stelle der Sparkasse gelangen oder gelangt sind. Zu den Wertgegenständen zählen z. B. Wertpapiere einschließlich der Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine, Sammeldepotanteile, Bezugsrechte, Schecks, Wechsel, Devisen, Waren, Konnossemente, Lager- und Ladescheine, Konsortialbeteiligungen oder sonstige Rechte jeder Art einschließlich der Ansprüche des Kunden gegen die Sparkasse selbst. Das Pfandrecht besteht auch für Ansprüche gegenüber Kunden, die von Dritten auf die Sparkasse übergehen, und für Ansprüche der Sparkasse gegen Dritte, für deren Verbindlichkeit der Kunde persönlich haftet. Unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 4 und zu dem gleichen Zweck sind Forderungen des Kunden gegen Dritte an die Sparkasse abgetreten, sofern über die Forderungen ausgestellte Urkunden in die Verfügungsmacht der Sparkasse gelangen oder gelangt sind. (2) Im Ausland ruhende Wertpapiere unterliegen vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarung dem Pfandrecht nicht. (3) Uber die Erhaltung und Sicherung aller der Sparkasse als Sicherheit dienenden Gegenstände sowie über den Einzug der ihr haftenden Forderungen, Grund- und Rentenschulden hat der Kunde selbst zu wachen und die Sparkasse entsprechend zu unterrichten. (4) Die Sparkasse kann von dem Kunden jederzeit die Bestellung geeigneter oder die Verstärkung bestehender Sicherheiten für alle Ansprüche verlangen, auch soweit sie bedingt oder befristet sind. Die Sparkasse ist andererseits verpflichtet, auf Verlangen des Kunden Sicherungsgegenstände nach ihrer Wahl freizugeben, soweit sie diese nach ihrem billigen Ermessen nicht mehr benötigt. (5) Soweit nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, kann die Sparkasse ihr obliegende Leistungen an den Kunden und seine Firma wegen eigener Ansprüche zurückhalten, auch wenn diese Ansprüche befristet oder bedingt sind oder nicht auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen. Vgl. o b e n R d n . 2652 ff.
22. Verwertung von Sicherheiten. (1) Wenn der Kunde seinen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht nachkommt, ist die Sparkasse berechtigt, die Sicherheiten ohne gerichtliches Verfahren unter tunlichster Rücksichtnahme auf den Kunden zu beliebiger Zeit an einen ihr geeignet erscheinenden Ort auf einmal oder nach und nach zu verwerten, wobei Abrechnungen mit Gutschriften über die Verwertungseriöse erteilt werden. Unter mehreren Sicherheiten hat die Sparkasse die Wahl. Sie darf zunächst aus dem sonstigen Vermögen des Kunden Befriedigung suchen. Die Sparkasse wird dem Kunden erteilte Gutschriften über Verwertungseriöse so gestalten, daß sie als Rechnungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts anzusehen sind. (2) Der Ausbedingung sofortiger Barzahlung des Kaufpreises bedarf es nicht; einer Androhung der Verwertung und der Innehaltung einer Frist bedarf es nur, wenn dies tunlich ist. Eine Abweichung von der regelmäßigen Art des Pfandverkaufs kann nicht verlangt werden. Die Sparkasse wird nach Möglichkeit, Zeit und Art der Verwertung mitteilen, sofern dadurch eine sachgemäße Verwertung nicht gefährdet wird. (3) Pfänder, die einen Börsen- oder Marktpreis haben, darf die Sparkasse freihändig durch einen zu solchen Verkäufen ermächtigten Handelsmakler zum laufenden Preis verkaufen; andere Pfänder sind öffentlich zu versteigern. Der Verpfänder ist nicht berechtigt, die Herausgabe von Zins- und Gewinnanteilscheinen der als Pfand haftenden Wertpapiere zu verlangen. Die Sparkasse darf diese Scheine auch vor Fälligkeit ihrer Forderung verwerten und den Erlös als Sicherheit behandeln. Claus-Wilhelm Canaris
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22. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen
(4) Die Sparkasse darf die ihr als Sicherheit haftenden Forderungen und Grundpfandrechte schon vor Fälligkeit ihrer Forderungen kündigen und einziehen. Der Kunde ist verpflichtet, auf Verlangen der Sparkasse die Zahlungen an die Sparkasse auf seine Kosten zu betreiben. Beim Einzug darf die Sparkasse ohne vorherige Befragung des Kunden alle Maßnahmen und Vereinbarungen mit Drittschuldnern treffen, die sie zur Eintreibung von Forderungen für zweckmäßig hält, insbesondere Stundungen oder Nachlässe gewähren und Vergleiche abschließen. Eine Verpflichtung zum Einzug übernimmt die Sparkasse nicht. (5) Zur Sicherung übertragene Gegenstände darf die Sparkasse insbesondere auch freihändig verwerten. Grund- und Rentenschulden wird die Sparkasse, falls der Sicherungsgeber nicht einem abweichenden Verfahren zustimmt, auf freihändigem Wege nur zusammen mit der gesicherten Forderung und nur in einer im Verhältnis zu ihr angemessenen Höhe verkaufen. Im übrigen gelten die Bestimmungen des Abs. 4 entsprechend. Vgl. oben Rdn. 2700 ff. 23. Prüfung der Sicherheiten. Die Sparkasse ist berechtigt, sich auf Kosten des Kunden alle Unterlagen zu beschaffen, die sie zur Prüfung der Sicherheiten für erforderlich halten darf; dazu zählen insbesondere Gutachten vereidigter Sachverständiger und beglaubigte Abschriften aus öffentlichen Registern, behördliche Bescheinigungen sowie Unterlagen über den Versicherungsschutz. 24. Kosten und Auslagen. Kosten und Auslagen, die bei der Beteiligung, Verwaltung und Verwertung oder Freigabe von Sicherheiten sowie durch die Inanspruchnahme von Mitverpflichteten erwachsen (z. B. Lagergelder, Kosten der Beaufsichtigung, Versicherungsprämien, Provisionen und Prozeßkosten) einschließlich der dadurch begründeten steuerlichen Verpflichtungen gehen zu Lasten des Kunden. Vgl. oben Rdn. 2710.
IV. Weitere Vereinbarungen 25. Störung, Schließung und Einschränkung des Betriebs. Die Sparkasse haftet nicht für Schäden, die durch Störung ihres Betriebs (z. B. Bombendrohung, Banküberfall), insbesondere infolge von höherer Gewalt (z. B. von Kriegs- und Naturereignissen) sowie infolge von sonstigen von ihr nicht zu vertretenden Vorkommnissen (z. B. Streik, Aussperrung, Verkehrsstörung) veranlaßt sind oder die durch Verfügungen von hoher Hand des In- und Auslandes eintreten. Die Sparkasse wird eine beabsichtigte Schließung oder Einschränkung des Betriebs tunlichst öffentlich bekanntgeben. Vgl. oben Rdn. 2718. 26. Geschäftstage. Geschäftstage im Sinne dieser Geschäftsbedingungen sind die Tage Montag bis Freitag, soweit sie nicht gesetzliche Feiertage oder Bankfeiertage sind. 27. Erfüllungsort und Gerichtsstand. (1) Erfüllungsort für beide Teile ist der Sitz der Sparkasse. Für alle Rechtsbeziehungen zwischen dem Kunden und der Sparkasse ist das am Erfüllungsort geltende Recht maßgebend, und zwar auch dann, wenn ein Rechtsstreit im Ausland geführt wird. (2) Ist der Kunde ein Kaufmann, der nicht zu den in § 4 des Handelsgesetzbuches bezeichneten Gewerbetreibenden gehört, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen, kann die Sparkasse an ihrem allgemeinen Gerichtsstand klagen und nur an diesem Gerichtsstand verklagt werden. Vgl. oben Rdn. 2719 ff. 1382
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Ziff. 31 A G B
28. Allgemeine Bekanntmachungen und Mitteilungen. Allgemeine Bekanntmachungen und Mitteilungen der Sparkasse geschehen durch Aushang oder Auslegung in den Kassenräumen der Sparkasse. Das Datum des Aushangs oder der Auslegung wird auf dem Schriftstück vermerkt. 29. Sonderbedingungen. (1) Für einzelne Geschäftszweige gelten neben diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Sonderbedingungen, z. B. für den Überweisungsverkehr, den Scheckverkehr, für Anderkonten, für die Annahme von Verwahrstücken und für die Vermietung von Schrankfächern, für das Auslandsgeschäft in Wertpapieren, für Optionsgeschäfte im Börsenterminhandel und für eurocheque-Karten. Sie stehen auf Wunsch in den Xassenräumen zur Einsicht zur Verfügung. (2) Sowohl die von der Sparkasse zur Verfügung gestellten als auch die kundeneigenen Vordrucke sind entsprechend den jeweiligen Bedingungen zu behandeln. Hinsichtlich der Behandlung der zugelassenen Vordrucke und der Haftung gilt Nr. 14 Abs. 3 und 4 entsprechend. V g l . o b e n R d n . 2 7 2 7 und 2 7 5 5 .
30. Änderungen der Geschäftsbedingungen. (1) Die Sparkasse wird den Kunden auf eine Änderung dieser Geschäftsbedingungen oder der Sonderbedingungen ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deren deutlich sichtbaren Aushang/Auslegung in den Kassenräumen der Sparkasse hinweisen. Jedenfalls wird die Sparkasse auf die Tatsache der Änderung und den Ort des Aushangs oder der Auslegung der Neufassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einer Tageszeitung am Ort ihres Sitzes hinweisen. Ist der Hinweis erfolgt, so gilt die Änderung als genehmigt, wenn der Kunde ihr nicht binnen eines Monats schriftlich widerspricht. Die Sparkasse wird dann die Neufassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der gesamten bestehenden und künftigen Geschäftsverbindung zugrunde legen. Die Sparkasse wird den Kunden auf diese Folgen bei der Bekanntgabe besonders hinweisen. Die Frist ist gewahrt, wenn der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe abgesandt worden ist. (2) Abweichungen von diesen Geschäftsbedingungen oder von den Sonderbedingungen im Verhältnis der Sparkasse zu einem einzelnen Kunden bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Bestätigung durch die Sparkasse. Vgl. oben Rdn. 2728.
B. Vereinbarungen über einzelne Geschäftsarten I. Einlagengeschäft 31. Fälligkeit und Verzinsung. (1) Mangels abweichender, von der Sparkasse schriftlich bestätigter Vereinbarung sind Einlagen ohne Kündigung fällig (täglich fällige Gelder). (2) Es kann vereinbart werden, daß Einlagen erst nach Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist oder an einem vorher bestimmten Tage fällig werden (Kündigungs- oder Festgelder). Nach Eintritt der Fälligkeit werden diese Einlagen als täglich fällige Gelder behandelt, wenn nicht eine neue Vereinbarung über ihre Hereinnahme als Kündigungs- oder Festgelder getroffen wird. (3) Für die nach Abs. 1 und 2 hereingenommenen Einlagen werden die von der Sparkasse jeweils festgesetzten und durch Aushang oder Auslegung in den Kassenräumen bekanntgemachten Zinssätze gewährt. Die Sparkasse ist berechtigt — soweit nichts Claus-Wilhelm Canaris
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22. Abschnitt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen
anderes bestimmt oder vereinbart ist —, die Zinssätze für bestehende Einlagen jederzeit zu ändern; die Änderungen treten mit ihrer Bekanntmachung durch Aushang oder Auslegung in den Kassenräumen der Sparkasse in Kraft. (4) Für die Zinsberechnung wird jeder Monat zu 30 Tagen berechnet. (5) Für die Verzinsung, Kündigung und Fälligkeit von Spareinlagen gelten die besonderen Vorschriften des Kreditwesengesetzes und des Sparkassenrechts. Vgl. dazu oben Rdn. 1163 ff.
II. Auslandsgeschäft 32. Guthaben in ausländischer Währung. Die Inhaber von Guthaben in ausländischer Währung tragen anteilig bis zur Höhe ihres Guthabens alle wirtschaftlichen und rechtlichen Nachteile und Schäden, die das im In- und Ausland unterhaltene Gesamtguthaben der Sparkasse in der entsprechenden Währung als mittelbare oder unmittelbare Folge von höherer Gewalt, Krieg, Aufruhr oder ähnlichen Ereignissen oder durch von der Sparkasse nicht verschuldete Zugriffe Dritter im Ausland oder im Zusammenhang mit Verfügungen von hoher Hand des In- oder Auslandes treffen sollten. Vgl. oben Rdn. 2561. 33. Kredite in ausländischer Währung. Kredite in ausländischer Währung sind in der Währung zurückzuzahlen, in der sie gegeben worden sind. Zahlungen in anderer Währung gelten als Sicherheitsleistung. Die Sparkasse ist jedoch berechtigt, den Kredit jederzeit auf inländische Währung umzustellen, wenn dessen ordnungsgemäße Abwicklung aus Gründen, die von der Sparkasse nicht zu vertreten sind, nicht gewährleistet erscheint. Vgl. oben Rdn. 2558 ff.
III. Urkunden, Akkreditive, Kreditbriefe 34. Urkunden. Hat die Sparkasse Urkunden (z. B. Dokumente), die sie im Auftrag des Kunden entgegennimmt oder ausliefert, auf Echtheit, Gültigkeit oder Vollständigkeit zu prüfen oder zu übersetzen, so haftet sie nur für grobes Verschulden. Vgl. oben Rdn. 2569 ff. 35. AJkkreditive, Kreditbriefe. Zahlungen auf Grund eines Akkreditivs, Kreditbriefs oder sonstigen Ersuchens darf die Sparkasse an denjenigen leisten, den sie nach sorgfältiger Prüfung seines Ausweises als empfangsberechtigt ansieht. Für Dokumentenakkreditive gelten, sofern nicht abweichende Weisungen aus dem Akkreditiv ersichtlich sind, neben etwaigen Sonderbedingungen die von der Internationalen Handelskammer aufgestellten „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive". Vgl. oben Rdn. 2569 ff. 36. Ausländische Legitimationspapiere. Werden der Sparkasse als Ausweis der Person oder zum Nachweis einer Berechtigung ausländische Urkunden vorgelegt, so wird sie sorgfältig prüfen, ob die Urkunden zur Legitimation geeignet sind. Bei der Prüfung und einer etwaigen Ubersetzung haftet sie jedoch nur für grobes Verschulden. Vgl. oben Rdn. 2569 ff. 1384
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Ziff. 38 AGB
IV. Wertpapiere, Devisen und Sorten Kauf und Verkauf 37. Usancen; Allgemeines. (1) Für die Ausführung von Aufträgen zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren durch die Sparkasse sind Usancen des Ausführungsplatzes maßgebend. Für den Kauf und Verkauf von Kuxen und von Wertpapieren, die nicht zum amtlichen Handel zugelassen sind, gelten die von der „Ständigen Kommission für Angelegenheiten des Handels in amtlich nicht notierten Werten" jeweils festgesetzten Usancen; das gleiche gilt für zum amtlichen Handel zugelassene Wertpapiere, deren Notierung durch Bekanntmachung der Börsenorgane ausgesetzt ist. (2) Sind Werte an mehreren Börsen zugelassen oder in den geregelten Freiverkehr einbezogen, so bleibt der Sparkasse mangels anderweitiger Weisung des Kunden die Wahl des Ausführungsplatzes überlassen. Aufträge für auswärtige Plätze gibt die Sparkasse mangels besonderer Weisung des Kunden nach ihrem Ermessen brieflich, fernschriftlich, telegrafisch oder telefonisch weiter. (3) Die Sparkasse wird Aufträge möglichst noch am Tage des Eingangs ausführen. Bei nicht rechtzeitiger Ausführung haftet sie nur für grobes Verschulden. (4) Führt die Sparkasse Aufträge zu Verkäufen sowie zur Ausübung oder zum Verkauf von Bezugsrechten aus, ohne aus Gründen der rechtzeitigen Erledigung zu prüfen, ob dem Kunden entsprechende Werte bei ihr zur Verfügung stehen, so trägt der Kunde den etwa entstehenden Schaden, es sei denn, daß die Sparkasse dies grob verschuldet hat. (5) Die Sparkasse darf Ausführungen ganz oder teilweise unterlassen oder Abschlüsse ganz oder teilweise rückgängig machen oder glattstellen, wenn das Guthaben oder der Wertpapierbestand des Kunden nicht ausreicht. Sie wird den Kunden hiervon benachrichtigen. (6) Einwendungen gegen Anzeigen über die Ausführung von Geschäften in Wertpapieren müssen unverzüglich nach Zugang der Ausführungsanzeige mündlich, telefonisch, telegrafisch oder fernschriftlich erhoben werden. Auf dem gleichen Wege sind Einwendungen wegen Nichtausführung solcher Geschäfte unverzüglich nach dem Zeitpunkt zu erheben, an dem die Ausführungsanzeige dem Kunden im gewöhnlichen Postlauf hätte zugehen müssen. Die Unterlassung unverzüglicher Einwendungen gegen Ausführungsanzeigen gilt als deren Genehmigung; die Sparkasse wird den Kunden bei Fristbeginn hierauf besonders hinweisen. Vgl. zunächst oben Rdn. 2729 und die dortigen Rückverweisungen. Eine Besonderheit stellt die Haftungsbeschränkung nach Abs. 3 S. 2 dar. Diese dürfte gemäß § 9 A G B G unwirksam sein, da die rechtzeitige Ausführung von Wertpapier- und Devisengeschäften eine Kardinalpflicht darstellt; außerdem liegen ebensowenig wie bei der oben Rdn. 2577 f behandelten Klausel hinreichende Gründe für eine Abweichung vom Leitbild der §§ 276, 278 B G B vor. Dagegen sind die Schadensabwälzung und die Haftungsbeschränkung nach Abs. 4 nicht zu beanstanden, weil dabei der Kunde den Schaden durch ein verkehrswidriges Verhalten veranlaßt hat; allerdings ist die Klausel dahin auszulegen, daß sie nur gilt, wenn der Auftrag auch wirklich vom Kunden erteilt worden ist und nicht z. B. auf einer Fälschung beruht. 38. Gültigkeitsdauer des Auftrages. Briefliche und fernschriftliche Aufträge ohne zeitliche Beschränkung sind bis zum letzten Börsentag des laufenden Monats oder längstens bis zu einem von der Sparkasse in ihrer Auftragsbestätigung genannten Termin gültig, wenn sie nicht vorher widerrufen werden. Telefonische und telegrafische Aufträge gelten, sofern der Kunde keine andere Weisung erteilt, nur für den Empfangstag; Claus-Wilhelm Canaris
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jedoch werden Aufträge, die am Tage des Eingangs nicht mehr erledigt werden konnten, für den nächsten Börsentag vorgemerkt, sofern nicht eine ausdrückliche Weisung des Kunden entgegensteht. Für Aufträge zum Kauf und Verkauf von Bezugsrechten gelten die für den Bezugsrechtshandel im Einzelfall festgesetzten Fristen. 39. Geschäfte in Aktien. (1) Verkauft die Sparkasse im Auftrag des Kunden nicht voll eingezahlte Aktien, so hat der Kunde, falls er von der Gesellschaft gemäß § 65 des Aktiengesetzes oder von seinem Vormann auf die Nachzahlung in Anspruch genommen wird, bereits vom Abschluß des Geschäfts an gegen die Sparkasse lediglich Anspruch auf Abtretung der ihr aus dem Kaufvertrag gegen ihren Nachmann zustehenden Rechte. (2) Läßt ein abhängiges Unternehmen oder ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen der Vorschrift des § 71 des Aktiengesetzes zuwider Aktien der herrschenden Gesellschaft bzw. der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft durch die Sparkasse anschaffen, so haftet es für alle der Sparkasse daraus erwachsenden Schäden. Vgl. oben Rdn. 2730 f. 40. Fortlaufend notierte Wertpapiere. Bei fortlaufend (variabel) notierten Wertpapieren werden die Aufträge mit den Nennbeträgen oder Stückzahlen, die den Mindestschluß oder ein Mehrfaches davon erreichen, im variablen Verkehr ausgeführt, sofern der Auftraggeber nicht ausdrücklich die Ausführung zum Einheitskurs vorgeschrieben hat. Vgl. dazu oben Rdn. 1918 f. 41. Devisen und Sorten. Für die Ausführung von Aufträgen zum Kauf und Verkauf von Devisen und Sorten gelten die Bestimmungen der Nr. 37 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 bis 6 entsprechend. 2. Verwahrung und Verwaltung 42. Sorgfaltspflicht. Die Sparkasse haftet den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend für sichere und getreue Verwahrung der ihr anvertrauten Wertpapiere. 43. Verwahrung bei Dritten. (1) Die Sparkasse ist berechtigt, die Wertpapiere unter ihrem Namen der zuständigen Girozentrale oder einem anderen nach Sparkassenrecht zugelassenen Kreditinstitut zur Verwahrung anzuvertrauen. (2) Für ein Verschulden des Drittverwahrers haftet die Sparkasse wie für eigenes Verschulden. Folgt sie bei der Auswahl des Dritten einer Weisung des Kunden, so trifft sie keine Haftung. Vgl. dazu oben Rdn. 2151 ff. 44. Zins- und Gewinnanteilscheine. (1) Mangels besonderer Weisung des Kunden sorgt die Sparkasse für die Trennung der fälligen Zins- und Gewinnanteilscheine und zieht den Gegenwert ein oder verwertet sie. (2) Neue Zins- und Gewinnanteilscheinbogen erhebt die Sparkasse ohne besonderen Auftrag für alle Wertpapiere, deren Zins- und Gewinnanteilscheine regelmäßig getrennt werden. 45. Verlosungen und Kündigungen. Verlosungen und Kündigungen überwacht die Sparkasse, soweit Bekanntmachungen hierüber in den „Wertpapier-Mitteilungen" (Köln) erscheinen. Pfandbriefe und Schuldverschreibungen werden ohne besondere Weisung des Kunden eingelöst; die Einlösung und Verwertung von Wertpapieren anderer Art darf die Sparkasse mangels besonderer Weisung des Kunden nach ihrem Ermessen vornehmen. Verloste und gekündigte Wertpapiere, die auf ausländische Währung 1386
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Ziff. 49 A G B
lauten, sowie Zins- und Gewinnanteilscheine zu solchen Wertpapieren darf die Sparkasse mangels anderer Weisung für Rechnung des Kunden bestens verwerten. 46. Gutschriften des Gegenwerts für Anteilscheine und Wertpapiere. Der Gegenwert von Zins- und Gewinnanteilscheinen sowie von verlosten und gekündigten Wertpapieren jeder Art wird vorbehaltlich des Eingangs, bei Werten, die einer Kursberechnung unterliegen, abzüglich der üblichen Provisionen gutgeschrieben. 47. Aufgebote und Zahlungssperren. Ob Wertpapiere durch Aufgebote, Zahlungssperren, Oppositionen und dergleichen betroffen werden, wird nur einmalig nach ihrer Einlieferung an Hand der „Wertpapier-Mitteilungen" geprüft. 48. Sonstige Vorgänge. Uber Konvertierungen, Ausübung oder Verwertung von Bezugsrechten, Aufforderungen zu Einzahlungen, über Fusionen, Sanierungen, Zusammenlegungen, Umstellungen, Umtauschangebote und dergleichen wird die Sparkasse, wenn hierüber eine Bekanntmachung in den „Wertpapier-Mitteilungen" erschienen ist, den Kunden zu benachrichtigen suchen. Die Sparkasse erwartet die besondere Weisung des Kunden; sollte diese nicht rechtzeitig eintreffen, so kann die Sparkasse nach ihrem Ermessen handeln, ohne daß eine besondere Verpflichtung dazu besteht. Insbesondere darf sie Bezugsrechte bestens verkaufen, sofern sie bis zu dem der letzten Notiz des Bezugsrechts vorhergehenden Börsentag keine anderweitige Weisung des Kunden erhalten hat. Fehlt eine besondere Weisung des Kunden und handelt die Sparkasse nach ihrem Ermessen, so haftet sie nur für grobes Verschulden. Vgl. zu den vorstehenden Klauseln auch oben Rdn. 2182 ff.
V. Wechsel, Schecks, Anweisungen, Quittungen und ähnliche Papiere 1. Wechsel 49. Diskontwechsel. (1) Die Sparkasse darf die von ihr diskontierten Wechsel bereits vor Verfall ohne Rücksicht auf das bestehende Rechnungsverhältnis, insbesondere auf eine etwa voraufgegangene Saldierung, im Konto zurückbelasten, wenn von der Sparkasse eingeholte Auskünfte über einen Wechselverpflichteten nicht zur Zufriedenheit ausfallen, oder wenn Akzepte eines Wechselverpflichteten protestiert werden, oder wenn in den Verhältnissen eines Wechselverpflichteten eine wesentliche Verschlechterung eintritt. (2) Gibt die Deutsche Bundesbank der Sparkasse rediskontierte Wechsel zurück, weil sie sie nachträglich als zum Rediskont nicht geeignet befindet, so ist die Sparkasse berechtigt, diese Wechsel dem Kunden zurückzubelasten. Der Rückbelastung wird der Nettobetrag der Diskontabrechnung zuzüglich der Zinsen vom Tag der Diskontierung durch die Sparkasse bis zum Rückbelastungstag zu dem bei der Diskontierung angewendeten Diskontsatz zugrunde gelegt. (3) Werden von der Sparkasse diskontierte Wechsel bei Vorlegung nicht oder nicht voll bezahlt, oder ist die freie Verfügung über den Gegenwert durch Gesetz oder behördliche Maßnahmen beschränkt, oder können die Papiere infolge unüberwindlicher Hindernisse nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt werden, oder ist in dem Land, in dem die Wechsel einzulösen sind, ein Moratorium ergangen, so darf die Sparkasse zurückbelasten. (4) Die Zurückbelastung ist auch dann zulässig, wenn Wechsel nicht zurückgegeben werden können. Unterbleibt die Rückgabe infolge eines groben Verschuldens der Sparkasse, so trägt sie einen hieraus entstehenden Schaden. Die Sparkasse wird versuchen, den Gegenwert zurückbelasteter, aber nicht zurückgegebener Wechsel hereinzuholen oder dem Einreicher die ihr zustehenden Rechte übertragen. Claus-Wilhelm Canaris
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(5) Werden Wechsel auf Grund ausländischen Rechts oder auf Grund einer mit ausländischen Kreditinstituten getroffenen Vereinbarung der Sparkasse wegen Fälschung von Unterschriften oder wegen Veränderung anderer Bestandteile der Wechsel belastet, so darf die Sparkasse sie dem Kunden zurückbelasten. (6) In allen Fällen der Zurückbelastung von Wechseln verbleiben der Sparkasse die wechselrechtlichen Ansprüche auf Zahlung des vollen Betrages der Wechsel mit Nebenforderungen gegen den Kunden und jeden aus dem Papier Verpflichteten bis zur Abdeckung eines etwa vorhandenen Schuldsaldos. (7) Mit den von der Sparkasse diskontierten Wechseln sind zugleich die dem Wechsel oder seinem Erwerb durch den Kunden zugrundeliegenden Forderungen sowie alle gegenwärtigen und zukünftigen Rechte aus den zugrundeliegenden Geschäften auf die Sparkasse übertragen. Der Kunde ist verpflichtet, der Sparkasse auf Verlangen eine Übertragungsurkunde zu erteilen. Soweit die für die Forderungen und Rechte bestehenden Sicherheiten nicht kraft Gesetzes auf die Sparkasse übergehen (z. B. Grundschulden, Sicherungs- und Vorbehaltseigentum), ist der Kunde verpflichtet, diese Sicherheiten auf die Sparkasse zu übertragen und die hierzu erforderlichen Erklärungen in der von der Sparkasse verlangten Form abzugeben. Er hat ferner die zur Geltendmachung der Forderungen, Rechte und Sicherheiten nötige Auskunft zu erteilen sowie die über die Forderungen, Rechte und Sicherheiten ausgestellten oder zu ihrem Beweise dienenden Urkunden auszuhändigen. (8) Werden Wechselbeträge nicht in der Währung, über die die Papiere lauten, angeschafft, so behält sich die Sparkasse vor, dadurch entstehende Kursdifferenzen nachträglich dem Kunden zu belasten oder gutzubringen. (9) Bei Wechseln auf Auslandsplätze haftet die Sparkasse hinsichtlich der rechtzeitigen Vorlegung und Protesterhebung nur für grobes Verschulden. Das gleiche gilt bei im Inland zahlbar gestellten Wechseln, die zum Zeitpunkt des Eingangs bei der Sparkasse nicht noch mindestens 12 Tage laufen, und für die sonstige wechselmäßige Behandlung bei Wechseln auf Auslandsplätze. (10) Nicht oder nicht genügend versteuerte Wechsel darf die Sparkasse zurückgehen lassen. V g l . oben Rdn. 2738 ff und 2743 ff.
50. Inkassowechsel. (1) Aufträge zum Einzug von Wechseln führt die Sparkasse auf Gefahr des Kunden aus. (2) Wechsel, deren Einzug mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist, darf die Sparkasse zurückgeben, auch wenn sie den Einzugsauftrag angenommen hat. Dies gilt nicht, wenn der Sparkasse die unverhältnismäßigen Schwierigkeiten bekannt waren oder bekannt sein mußten. (3) Schreibt die Sparkasse den Gegenwert von zum Einzug übernommenen Wechseln schon vor Eingang gut oder zahlt sie den Gegenwert schon vor Eingang aus, so geschieht dies nur unter Vorbehalt des Eingangs. (4) Die Bestimmungen über Diskontwechsel (Nr. 49) gelten entsprechend. Außerdem gelten die von der Internationalen Handelskammer aufgestellten „Einheitlichen Richtlinien für das Inkasso von Handelspapieren". 51. Einholung von Akzepten. Wenn bei der Einholung von Akzepten die Sparkasse die Rechtsgültigkeit der Unterschrift des Akzeptanten, insbesondere deren Echtheit oder die Legitimation des Zeichnenden auf Grund besonderer Vereinbarung zu prüfen hat, so haftet sie dafür nur für grobes Verschulden. 1388
2. Bearbeitung. Stand 1. 5. 1981
Ziff. 57 A G B
Die Wirksamkeit der Klausel dürfte zu verneinen sein; denn wenn die Prüfungs- 2 7 5 7 pflicht auf einer „besonderen Vereinbarung" beruht, handelt es sich um eine Individualabrede, die nach § 4 AGBG Vorrang hat. Falls im übrigen durch diese Klausel das Bestehen einer Prüfungspflicht vom Vorliegen einer besonderen Vereinbarung abhängig gemacht werden soll, hat das in deren Wortlaut keinen hinreichenden Ausdruck gefunden und ist daher nach § 5 AGBG nicht als vereinbart anzusehen; es wäre überdies in solcher Allgemeinheit auch mit § 9 AGBG sowie mit § 11 Nr. 7 AGBG unvereinbar. 52. Depotwechsel. Die Sparkasse darf bei ihr ruhende Wechsel mangels anderweitiger Vereinbarung bei Verfall vorlegen und mangels Zahlung protestieren lassen sowie zu diesem Zweck Wechsel auf auswärtige Plätze rechtzeitig versenden; sie ist jedoch hierzu nicht verpflichtet. 53. Domizilwechsel. Die Sparkasse braucht bei ihr selbst oder zu ihren Lasten bei einem anderen Kreditinstitut zahlbar gestellte Wechsel nur dann einzulösen bzw. einlösen zu lassen, wenn ein schriftlicher Auftrag mit allen erforderlichen Angaben bei der kontoführenden Stelle spätestens am letzten Geschäftstag vor Verfall eingegangen und hinreichende Deckung vorhanden ist. Vgl. oben Rdn. 2749. 54. Wechselakzepte. Die Deckung der von der Sparkasse für Rechnung des Kunden akzeptierten Wechsel muß spätestens am letzten Geschäftstag vor Verfall in ihrem Besitz sein. Andernfalls berechnet die Sparkasse eine besondere Provision; die Akzeptprovision deckt nur das Akzept selbst. Vgl. oben Rdn. 1597 ff, insbesondere Rdn. 1612 f. 2. Schecks 55. Inländische Inkassoschecks. (1) Schecks in inländischer Währung auf inländische Kreditinstitute übernimmt die Sparkasse nur zum Einzug. (2) Wenn Schecks auf den Platz, an dem sie eingeliefert werden, nicht spätestens am zweiten Geschäftstag, Schecks auf auswärtige Bankplätze nicht spätestens am vierten Geschäftstag vor Ablauf der Vorlegungsfrist mit der ersten Post eingehen, so haftet die Sparkasse hinsichtlich der rechtzeitigen Vorlegung nur bei grobem Verschulden. (3) Wird ein Scheck nicht eingelöst, so braucht die Sparkasse nur die Vorlegungsbescheinigung des Bezogenen oder die Bescheinigung der Abrechnungsstelle einzuholen. (4) Bei Schecks auf Nebenplätze haftet die Sparkasse für rechtzeitige Vorlegung und Einholung der Vorlegungsbescheinigung oder der Bescheinigung der Abrechnungsstelle nur für grobes Verschulden. (5) Die Bestimmungen über Inkassowechsel gelten entsprechend, die in Nr. 50 in Bezug genommene Bestimmung der § 49 Abs. 7 jedoch nur, wenn der Kunde nicht selbst Aussteller des Schecks ist. 56. Auslandsschecks. Für den Ankauf und für den Einzug von Schecks, die an ausländischen Plätzen zahlbar sind oder auf ausländische Währung lauten, gelten die Bestimmungen der Nrn. 49 und 50 entsprechend. Vgl. zu beiden Klauseln oben Rdn. 2735 ff. 3. Anweisungen, Quittungen und ähnliche Papiere 57. Verweisung auf Nr. 55. Für den Einzug von Anweisungen, Quittungen und ähnlichen Papieren gelten die Bestimmungen über Inkassoschecks entsprechend. Claus-Wilhelm Canaris
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Register D a s Register dient lediglich d a z u , die A u f f i n d u n g des einschlägigen Abschnitts zu erleichtern. D e n einzelnen Abschnitten sind ihrerseits alphabetische Übersichten vorangestellt, die wesentlich a u s f ü h r l i c h e r sind und deren Inhalt g r u n d s ä t z l i c h nicht in d a s Register ü b e r n o m m e n w o r d e n ist. Alle V e r w e i s u n g e n beziehen sich auf R a n d n u m m e r n , nicht auf Seitenzahlen.
A b r e c h n u n g s v e r k e h r 108, 309 f, 4 0 1 , 548, 570, 690, 699, 878 ff A b s c h r e i b u n g s g e s e l l s c h a f t s. P u b l i k u m s - K G A b z a h l u n g s g e s c h ä f t s. F i n a n z i e r u n g s k r e d i t A - G e s c h ä f t 1491 ff A k k r e d i t i v g e s c h ä f t 9 1 6 ff A k z e p t k r e d i t 1197, 1209, 1220, 1232, 1235, 1250, 1253, 1258, 1275, 1528, 1579 f, 1597 ff Allgemeine G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n Geltung 2 4 9 0 ff der Privatbanken 2 5 3 2 ff der S p a r k a s s e n 2 7 5 0 ff Allgemeiner B a n k v e r t r a g 2 ff, 57, 77 A n d e r k o n t o 125, 171, 269, 288 f f , 3 3 6 , 697 Arbeitnehmerbeteiligung 111 A u f r e c h n u n g s v e r b o t 2550 ff A u s k u n f t 14 ff, 59 f f , 2588 ff, 2 7 5 2 f A u s l ä n d e r 2502 ff, 2 7 2 0 f A u s s a g e v e r w e i g e r u n g s r e c h t 66 ff Avalkredit 1197, 1209, 1220, 1232, 1250, 1253, 1258 B a n k a u s k u n f t 14 ff, 59 ff, 2588 f, 2 7 5 2 f Bankenerlaß 68 B a n k g a r a n t i e s. G a r a n t i e g e s c h ä f t Bankgeheimnis 23, 25, 36 ff, 51, 55, 185, 191 f f , 2 1 7 , 348, 350, 395, 571, 616, 8 0 2 , 1277, 1893, 1940, 2279 B a n k k o n t o 241, 247, 255 B a n k v e r t r a g , allgemeiner 2 ff, 57, 77 B a n k v o l l m a c h t 164 ff Bank-zu-Bank-Geschäfte Geltung der A G B f ü r 2518 ff B - G e s c h ä f t s. F i n a n z i e r u n g s k r e d i t belegloser D a t e n t r ä g e r a u s t a u s c h 3 2 1 , 519 f f , 550, 602 Beratungspflicht d e r B a n k 100 ff B e z u g s r e c h t 122 B ö r s e n k r e d i t 1364 B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t 116, 4 6 2 a , 7 7 1 , 1536, 1819, 1837, 1868 ff Buchgeld 301 ff B ü r g s c h a f t 2623 ff, 2648 C - G e s c h ä f t 1465 ff Codierrichtlinien 390 C o m p u t e r f e h l e r 367, 546, 690
D a r l e h e n s v e r t r a g 1164 ff, 1286 ff D a t e n t r ä g e r a u s t a u s c h , belegloser 321, 519 ff, 550, 602 Datenverarbeitung, elektronische 367, 421, 423, 550, 677, 774, 813, 2008 D e p o t g e s c h ä f t 2081 ff, 2734 D e p o t s t i m m r e c h t 122, 2087, 2187 ff Devisen 2 7 2 9 , 2733 Devisentermingeschäft 1562 Devisenwechsel 1536 D i f f e r e n z e i n w a n d s. B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t D i s k o n t 2 6 4 7 , 2 7 3 5 ff D i s k o n t g e s c h ä f t 681, 740, 1197, 1209, 1258, 1281, 1522 ff, 1699, 2523 D o k u m e n t e n a k k r e d i t i v 9 1 6 ff D o k u m e n t e n i n k a s s o g e s c h ä f t 9 9 4 , 1088 ff Drittschadensliquidation 26, 45, 93, 216, 276, 365, 396, 796 E f f e k t e n g e s c h ä f t 1810 ff E f f e k t e n g i r o v e r k e h r 1815 ff, 1988 ff, 2 0 0 7 f f , 2050, 2085, 2088, 2129, 2131, 2336, 2379, 2386 E f f e k t e n l o m b a r d 1361, 1364 Effektivklausel 2558 E i g e n k o n t o 2 3 5 ff, 243 ff, 263 ff E i g e n t u m s v o r b e h a l t , verlängerter 4 5 8 , 6 0 2 b, 757 a f, 1536, 1566 ff, 1645, 1685 ff, 2 7 4 4 Eilavis 314, 404 f E i n l a g e n g e s c h ä f t 7, 1163 ff E i n l a g e n s i c h e r u n g s f o n d s 2 7 2 2 ff Einmalauftrag 2491, 2512 E m i s s i o n s g e s c h ä f t 2058 ff, 2 2 3 6 ff Erfüllungsort 2719 f E u r o c a r d - V e r f a h r e n 1622 ff, 1639, 1646
F a c t o r i n g 1197, 1281, 1291, 1530, 1652 ff F i n a n z i e r u n g s k r e d i t 4 9 9 , 1281, 1294, 1311, 1324, 1332, 1385 ff F i n a n z i e r u n g s l e a s i n g 1710 ff F o r f a i t g e s c h ä f t 1583 f F r e m d k o n t o 155, 235 ff
1321,
G a r a n t i e g e s c h ä f t 994, 1102 ff, 2623 ff, 2648 G e h a l t s k o n t o 375, 419, 811
Claus-Wilhelm Canaris
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Register G e l d d a r l e h e n 1197, 1228, 1232 f 1235, 1250, 1253, 1258, 1260 f 1280 ff, 1392 f G e m e i n s c h a f t s k o n t o 155, 194, 224 ff, 2557 Gerichtsstand 2719 f G e s c h ä f t s b e z i e h u n g , A u f h e b u n g d e r 2645 ff G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t 145, 164, 554, 621, 708 f, 736, 800, 805, 812, 817, 839 f, 1146, 1186, 1635, 2498, 2472, 2711 ff G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g 12 ff G i r o g e s c h ä f t 7, 44 ff, 300 ff
P o s t m o r t a l e V o l l m a c h t 206 ff P o s t s c h e c k v e r k e h r 312, 331 P r o s p e k t h a f t u n g 1504, 2274 ff, 2291 ff, 2427 P u b l i k u m s - K G 28, 111, 125, 1504, 1660, 2291 ff R e c h n u n g s a b s c h l u ß 2630, 2635 ff, 2642 Reisegewerbe 1292 ff, 1314 ff, 1412 Reisescheck 858 ff R e m b o u r s g e s c h ä f t 1085, 1599 Revolvingkreditvermittlung 1368 ff
G l e i c h b e h a n d l u n g im B a n k r e c h t 6, 2153, 2267, 2430 Identitätskontrolle, Pflicht z u r 124 I n f o r m a t i o n s p f l i c h t d e r Bank 126 I n i t i a t o r e n h a f t u n g s. P r o s p e k t h a f t u n g I n k a s s o 537, 566 f, 1525 f, 1539, 1547, 1557, 1618 ff, 1698 I n t e r n a t i o n a l e s P r i v a t r e c h t 2503 ff, 2721 I n v e s t m e n t g e s c h ä f t 2325 ff J u n g s c h e i n g i r o v e r k e h r 2058 ff Kapitalanlagegesellschaft s. I n v e s t m e n t g e s c h ä f t Kleinkredit, p e r s ö n l i c h e r 1386, 1390, 1392, 1497 K o n s o r t i a l g e s c h ä f t 2304 f f ; s. im übrigen a u c h Emissionsgeschäft K o n t o 142 ff K o n t o k o r r e n t 319, 344, 441, 456 f, 506, 575, 747, 885, 1009, 1142, 1170, 1220, 1331, 1335, 1351, 1539, 1553, 1557, 2555 f, 2630 K o n t o k o r r e n t k r e d i t 1218, 1239, 1297, 1319, 1348 ff, 1668 K o n t o p f ä n d u n g 94, 184 ff, 319, 427, 835, 979, 1010 K o n t o p r o Diverse 336, 354, 464 K r e d i t a u s k u n f t 57, 80, 91 ff, 109, 2590 ff K r e d i t b e t r u g 62, 1635 K r e d i t e r ö f f n u n g s v e r t r a g 1200 ff, 1281, 1317, 1640, 1657 K r e d i t g e s c h ä f t 9, 109 ff, 318, 328, 499, 539, 542, 545 f, 572, 579, 604, 676, 686, 697, 746, 1195 ff K r e d i t k a r t e n g e s c h ä f t 1622 ff K r e d i t s c h ä d i g u n g 97 K r e d i t t ä u s c h u n g 130 Kreditvermittlung 1293, 1300 ff, 1306, 1311, 1318 a. E., 1320, 1365 K r e d i t w u c h e r 1295 ff, 1315 L a s t s c h r i f t a b k o m m e n 528, 536 Lastschriftreiterei 585, 588, 604 L a s t s c h r i f t v e r f a h r e n 22, 25 f, 395, 528 ff, 1697, 2641 Leasing 1710 ff Letter of C r e d i t 1087 L o m b a r d k r e d i t 1358 ff N o s t r o g e s c h ä f t 1937 N u m m e r n k o n t o 124 O d e r - K o n t o 117, 220 f, 224 ff, 334, 2557 O p t i o n s g e s c h ä f t 1536, 1819, 1837, 1868 ff P e n s i o n s g e s c h ä f t 1529, 1594 ff P f a n d r e c h t 2652 ff
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S a f e v e r t r a g 7, 2224 ff Sanierungsfälle 130, 1259, 1266, 1272, 1504, 2183 S c h e c k g e s c h ä f t 7, 675 ff, 1814 S c h e c k k a r t e n s c h e c k 107, 182, 819, 829 ff Scheckreiterei 134, 1538 S c h e c k r i n g v e r k e h r 134, 1538 S c h r a n k f a c h 7, 2224 ff. S c h u f a 47 S c h u l d s c h e i n d a r l e h e n 1365 ff, 1812 S c h u t z w i r k u n g e n f ü r Dritte 21 ff S e p a r a t k o n t o s. S o n d e r k o n t o Sicherheiten d e r Bank 2695 ff, 2700 f f ; s. auch Pfandrecht, Zurückbehaltungsrecht S i c h e r h e i t e n e r l ö s k o n t o 1331 Sittenwidrige S c h ä d i g u n g eines D r i t t e n d u r c h die Bank 130 ff S k o n t r a t i o n 885 ff, 895 S o n d e r k o n t o 242 ff, 337, 339 f S p a r b u c h 150 ff, 1181 ff Spareinlage 1169, 1181 ff S p e r r k o n t o 250 ff, 335, 1676, 1683, 1687 S t o r n o r e c h t 426, 431 ff, 447 f f , 503, 2565 Substitution 2585 ff
T a g e s a u s z u g 2642 f T e i l z a h l u n g s k r e d i t s. F i n a n z i e r u n g s k r e d i t T e l e g r a m m 2581 ff T e l e p h o n 2581 ff T e r m i n g e l d 1165, 1169, 2344 T e r m i n g e s c h ä f t s. B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t T o d des K u n d e n 51, 55, 204 ff, 492, 817, 2174 ff T r e u h a n d k o n t o 43, 45, 125, 155, 247, 263 ff, 336, 1671
Ü b e r w a c h u n g s p f l i c h t d e r Bank 123 Ü b e r w e i s u n g s. G i r o g e s c h ä f t U n d - K o n t o 204, 230 ff, 334, 2557 U n f a l l h e l f e r r i n g 1290, 1312, 1660
V e r f ü g u n g s b e f u g n i s 144 ff, 324 ff, 2537 ff, 2572 V e r l ä n g e r t e r E i g e n t u m s v o r b e h a l t s. E i g e n t u m s v o r b e halt V e r t r a g z u g u n s t e n D r i t t e r 21, 148, 156 f, 177, 216, 240, 252, 255 ff, 276, 981, 1797, 2092 ff, 2355, 2462 auf T o d e s f a l l 156, 163, 210 ff, 2094, 2234 V e r t r a u e n s h a f t u n g k r a f t G e s c h ä f t s v e r b i n d u n g 12 ff, 15 ff
2 . B e a r b e i t u n g . S t a n d 1. 5. 1 9 8 1
Register Vertretungsmacht 164 ff, 206, 332 f, 342, 835, 1031, 1041, 1313, 1636
Wechsel s. Akzeptkredit, C - G e s c h ä f t , Diskontgeschäft, Inkasso, K o n t o k o r r e n t Wechsel-Scheck-Verfahren 1585 ff
Claus-Wilhelm Canaris
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