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German Pages 391 Year 2005
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 157
Ausschreibungspflichten bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben Eine Analyse des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts
Von
Christian Hüser
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN HÜSER
Ausschreibungspflichten bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles
Band 157
Ausschreibungspflichten bei der Privatisierung öffentlicher Aufgaben Eine Analyse des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts
Von
Christian Hüser
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-11676-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für Sabine
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 2004 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Oktober 2003 abgeschlossen. Für die Druckfassung konnten Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum noch bis Juni 2004 berücksichtigt werden. Ich danke meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dirk Ehlers, für die wohlwollende und konstruktive Begleitung des Promotionsvorhabens sowie für die interessante und lehrreiche Zeit, die ich zunächst als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem von ihm geleiteten Institut für Öffentliches Wirtschaftsrecht erleben durfte. Ihm sowie Frau Prof. Dr. Ursula Nelles und Herrn Prof. Dr. Heinrich Dörner gilt ferner mein Dank für die Aufnahme dieser Untersuchung in die von ihnen herausgegebenen Münsterischen Beiträge zur Rechtswissenschaft. Herrn Prof. Dr. Janbernd Oebbecke danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Darüber hinaus möchte ich mich bei meinen Eltern, Jutta und Heinrich Hüser, sowie bei meinen Paten, Ursula und Reinhard Petzold, für die Unterstützung dieser Veröffentlichung und die beständige Förderung meines persönlichen und beruflichen Werdegangs bedanken. Besonderer Dank gebührt schließlich der KonradAdenauer-Stiftung e. V., die das Vorhaben durch ein großzügiges Promotionsstipendium ideell und finanziell gefördert hat, sowie dem Freundeskreis Rechtswissenschaft e. V. in Münster für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Ich widme die Arbeit meiner Ehefrau Sabine, der ich nicht nur für manch anregende Diskussion, sondern vor allem für ihre stets geduldige Anteilnahme an meinem Promotionsvorhaben und ihre vielfältige persönliche Unterstützung während meiner gesamten akademischen Ausbildung verpflichtet bin. Recklinghausen, im August 2004
Christian Hüser
Inhaltsübersicht Einführung: Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
Erster Teil Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
29
A. Das Kartellvergaberecht im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
B. Weitere Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Zweiter Teil Privatisierung öffentlicher Aufgaben
52
A. Terminologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
Dritter Teil Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98 98
B. Vorliegen eines expliziten Ausnahmetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
Vierter Teil Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
211
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 B. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungshelfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 C. Leistungsbeziehungen zu Beliehenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
10
Inhaltsübersicht
D. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungssubstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
Fünfter Teil Ausschreibungspflichten bei materieller Privatisierung
347
A. Das Fehlen eines Beschaffungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 B. Abgrenzungsprobleme bei Vermögensprivatisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
Inhaltsverzeichnis Einführung: Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
Erster Teil Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
29
A. Das Kartellvergaberecht im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
I. Entstehungsgeschichte und Entwicklungslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
II. Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
III. Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
IV. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
V. Das Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
VI. Das Rechtsschutzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
B. Weitere Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
I. Das Haushaltsvergaberecht im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
II. Ausschreibungspflichten außerhalb des Vergaberechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
1. Grundrechte und Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
2. Allgemeines Wettbewerbs- und Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
3. Europäisches Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Zweiter Teil Privatisierung öffentlicher Aufgaben
52
A. Terminologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
I. Der Vorgang der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
1. Terminologische Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
12
Inhaltsverzeichnis 2. Der Begriff der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
II. Der Gegenstand der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
I. Das Prinzip der „Wahlfreiheit der Verwaltung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
II. Öffentlich-rechtliche Formen (Staatsverwaltung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
1. Rechtlich selbständige Verwaltungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
2. Rechtlich unselbständige Verwaltungseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
III. Privatrechtliche Formen (Privatisierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
1. Formelle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
a) Allgemeine Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
b) Verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
c) Gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
d) Publizistische Konzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
2. Funktionale Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
a) Allgemeine Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
b) Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen einschließlich gemischtwirtschaftlicher Konzerne (Staatsanteiliges Privathandeln I) . . .
75
c) Vertragliche Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
aa) Beleihung (Staatsförmiges Privathandeln) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
bb) Verwaltungshilfe (Staatsanteiliges Privathandeln II) . . . . . . . . . . . .
83
cc) Verwaltungssubstitution (Staatsersetzendes Privathandeln) . . . . .
88
d) Abgrenzungen: Bedarfsdeckung und „Finanzierungsprivatisierung“ . . .
90
3. Materielle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
a) Allgemeine Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
b) Übertragung staatlichen Eigentums (Materielle Vermögensprivatisierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
c) Inpflichtnahme Privater (Staatsaussparendes Privathandeln) . . . . . . . . . .
95
Dritter Teil Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
98
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
I. Grammatische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
1. Der Begriff des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
Inhaltsverzeichnis a) Allgemeine Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 99
b) Vergaberechtliche Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Ausnahme bei Vorliegen einer „wirtschaftlichen Einheit“? . . . . . . . . . . . 105 2. Der Begriff des entgeltlichen Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Gesetzessystematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Beschaffungstätigkeit i. S. d. § 97 I GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Der Ausnahmekatalog des § 100 II GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Aufträge an öffentliche Auftraggeber (§ 100 II lit. g GWB) . . . . 114 bb) Aufträge an verbundene Unternehmen (§ 100 II lit. i GWB) . . . . 117 2. Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Prüfungsmaßstab: Art. 28 II 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Schutzbereich des Selbstverwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 d) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 e) Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Historisch-genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Ausschreibungsfreiheit staatlicher Eigenleistungen (Art. 43 S. 2 DKR) . . . 125 2. Unberührtheit der nationalen Eigentumsordnung (Art. 295 EG) . . . . . . . . . . 127 IV. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Der Wettbewerb als Schutzobjekt des Kartellvergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Europäischer Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Urteil vom 18. 11. 1999 in der Rechtssache „Teckal / Viano“ . . . 132 bb) Urteil vom 07. 12. 2000 in der Rechtssache „ARGE Gewässerschutz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 12. 06. 2001 . . . . . . . . . . . . . 135 c) Vorläufige Bewertung und methodische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Das Kriterium der funktionalen Personenidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Ingerenzbefugnisse gegenüber unselbständigen Verwaltungseinheiten
141
b) Ingerenzbefugnisse gegenüber publizistischen Privatrechtsvereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erste Fallgruppe: Verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen (1) Das Recht der GmbH (& Co. KG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142 142 145 145
14
Inhaltsverzeichnis (2) Das Recht der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konzernrechtliche Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erweiterte Ingerenzbefugnisse im AG-Vertragskonzern (b) Grenzen der Ingerenzausübung im AG-Vertragskonzern (c) Möglichkeiten und Grenzen im sog. faktischen Konzern (4) Mitbestimmungsrechtliche Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Teilergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149 152 152 154 156 159 161
cc) Zweite Fallgruppe: Gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zurechenbarkeit zur staatlichen Organisation insgesamt . . . . (2) Zurechenbarkeit zum jeweiligen öffentlichen Auftraggeber (a) Das Kriterium der „positiven Beherrschung“ . . . . . . . . . . . (b) Das Kriterium der „faktischen Beherrschung“ . . . . . . . . . (c) Das Kriterium des Gesellschaftszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Das Kriterium der „gemeinsamen Beherrschung“ . . . . . . (e) Das Kriterium der „negativen Beherrschung“ . . . . . . . . . . (3) Teilergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
162 162 165 165 167 169 170 174 175
c) Rechtsverhältnisse in publizistischen Konzernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Das Verhältnis zwischen Tochtergesellschaft und Enkelgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Das Verhältnis zwischen Verwaltungsträger und Enkelgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Das Verhältnis zwischen zwei Schwestergesellschaften . . . . . . . . . 180 dd) Einschaltung eines öffentlich-rechtlichen Zweckverbands . . . . . . 181 4. Das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches . . . . . . . 183 a) Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Begründung der Wettbewerbsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Konkretisierung der Wettbewerbsteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Empfänger der erbrachten Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestimmung des relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Umfang der Wettbewerbsteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188 189 192 194
b) Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsausschaltung? . . . . . . . . . . . . . . 198 V. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 B. Vorliegen eines expliziten Ausnahmetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Ausschließlichkeitsrechte (§ 100 II lit. g GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Dienstleistungsauftrag an einen öffentlichen Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht . . . . . . . . . 203 II. Sonstige Ausnahmetatbestände des § 100 II GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Inhaltsverzeichnis
15
Vierter Teil Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
211
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 I. Die einzelnen Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Das Kriterium der funktionalen Personenidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Meinungsstand und Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Sperrwirkung des gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (1) Einzelne Minderheits- und Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . 216 (2) Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Das Kriterium der „qualifizierten positiven Beherrschung“ . . . . . 221 dd) Rechtsverhältnisse in gemischtwirtschaftlichen Konzernen . . . . . 223 b) Das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches . . . 224 2. Vorliegen eines expliziten Ausnahmetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen durch Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Grammatische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 aa) Veräußerung von Gesellschaftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Gesellschaftsgründung und Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 aa) Verfassungskonforme Auslegung (Art. 28 II 1, 9 I GG) . . . . . . . . . 235 bb) Mögliche Zielkonflikte zwischen Gesellschaftsrecht und Vergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 c) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) Funktionelle Auslegung, Umgehungsverbot, Wettbewerbsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb) Wettbewerbsrelevanz durch Partizipation an bestehenden Aufträgen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (1) Die Kriterien des zeitlichen und subjektiven Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (2) Anknüpfungspunkte eines objektiv-sachlichen Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
16
Inhaltsverzeichnis (3) Keine generelle Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 cc) Wettbewerbsrelevanz durch zeitgleiche oder spätere Auftragsvergabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (1) Keine Auftragsvergabe durch Einbringung von Leistungen 252 (2) Rechtliche Trennung von Beteiligungserwerb und Leistungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 III. Nachträglicher Entfall privilegierender Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Rechtswidrigkeit der vertraglichen Leistungsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Neubegründung eines öffentlichen Auftragsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . 259 b) Berechnung des Auftragswerts (§ 100 I GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a) Keine Ausschreibung des Beteiligungserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Beendigung der vertraglichen Leistungsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 aa) Nichtigkeit gem. § 13 S. 6 VgV (analog)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Nichtigkeit gem. §§ 97 I, 101 I GWB i. V. m. § 134 BGB . . . . . . . 270 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
B. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungshelfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Zuordnung typengemischter Leistungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 C. Leistungsbeziehungen zu Beliehenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Vorliegen eines entgeltlichen Beschaffungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Grammatische und historisch-genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 b) Teleologische Auslegung der EG-Vergaberichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 c) Systematische Auslegung des nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Teilergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 II. Vorliegen eines Ausnahmetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Explizite Ausnahmetatbestände gem. § 100 II GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Impliziter Ausnahmetatbestand gem. Art. 55, 45 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Inhaltsverzeichnis
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D. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungssubstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Vorliegen eines entgeltlichen Beschaffungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 II. Vergabe von Baukonzessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 III. Vergabe von Dienstleistungskonzessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB? . . . . . . . . . . . . . . . . 300 a) Gesetzessystematische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 b) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 c) Bewertung und Konsequenzen für das Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . 304 2. Begriffsmerkmale der Dienstleistungskonzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 a) Nutzungsrecht und Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 b) Leistungsempfänger und Allgemeininteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 c) Aufgabenverantwortung des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 I. Die sog. Pflichtenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 1. Einordnung in die Privatisierungstypologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 2. Vergaberechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 II. Städtebauliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 1. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Milano e Lodi“ . . . . . . . . . . . . . . . . 321 a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 b) Vorläufige Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Städtebauliche Verträge nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 a) Erschließungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 aa) „Echte“ Erschließungsverträge (§ 124 BauGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 bb) „Unechte“ Erschließungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 b) Sonstige städtebauliche Verträge (§§ 11, 12 BauGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 3. Umsetzung der Ausschreibungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 III. Öffentlicher Personennahverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Ausschreibungspflichten nach dem AEG und PBefG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 2. Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 2 Hüser
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Inhaltsverzeichnis a) Keine Sperrwirkung der §§ 15 II AEG, 13a PBefG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 b) Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB . . . . . . . . . . . . . 339 c) Vorliegen eines Ausnahmetatbestands gem. § 100 II GWB . . . . . . . . . . . 342 d) Das anzuwendende Vergabeverfahren (§§ 4 I, III VgV) . . . . . . . . . . . . . . . 343 3. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
Fünfter Teil Ausschreibungspflichten bei materieller Privatisierung
347
A. Das Fehlen eines Beschaffungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 B. Abgrenzungsprobleme bei Vermögensprivatisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 I. Investorenauswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 II. „Sale-and-lease-back“-Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
Abkürzungsverzeichnis a.A. a. a. O. AbfallPrax ABGB ABl. AcP AEG a. F. AG AktG allg. M. Alt. Anh. Art. AT Aufl. Az. BAG BAnz. BauGB BauO BauR Bay BayObLG BayVBl. BB BBauBl BBG Bd. Begr. Beschl. BetrVG BGB BGBl. BGH BGHZ
2*
anderer Auffassung am angegebenen Ort Abfallrechtliche Praxis Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Archiv für civilistische Praxis Allgemeines Eisenbahngesetz alter Fassung Aktiengesellschaft Aktiengesetz allgemeine Meinung Alternative Anhang Artikel Allgemeiner Teil Auflage Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Baugesetzbuch Bauordnung Baurecht Bayerisch(e) Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Betriebsberater Bundesbaublatt Bundesbeamtengesetz Band Begründer Beschluß Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
20 BHO BKR BR-Drs. BRRG BT BT-Drs. BVerfG BVerwG BW BWGZ bzw. CMLR DB ders. d. h. dies. Diss. DKR DÖV DrittelbG DVBl. EG EGBGB EGV Einf. Einl. EnWG EuG EuGH EuR EuZW EWG EWS f. (ff.) F.A.Z. FLF Fn. FStrG FStrPrivFinG GA gem. GemHVO
Abkürzungsverzeichnis Bundeshaushaltsordnung Baukoordinierungsrichtlinie Drucksachen des Deutschen Bundesrats Beamtenrechtsrahmengesetz Besonderer Teil Drucksachen des Deutschen Bundestags Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Baden-Württemberg Die Gemeinde (Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg) beziehungsweise Common Market Law Review Der Betrieb derselbe das heißt dieselbe(n) Dissertation Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie Die öffentliche Verwaltung Drittelbeteiligungsgesetz Deutsche Verwaltungsblätter Europäische Gemeinschaft(en), Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft n.F. Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft a.F. Einführung Einleitung Energiewirtschaftsgesetz Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzierung, Leasing, Factoring Fußnote Bundesfernstraßengesetz Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz Generalanwalt gemäß Gemeindehaushaltsverordnung
Abkürzungsverzeichnis GewArch GewO GG ggf. GkG GmbH GmbHG GmbHR GmS-OGB GO GWB Habil.-Schr. HdbStR Hess HGB HGrG h. M. Hrsg. IBR i. d. F. i. G. i. S. d. i. V. m. JBl JuS JZ KG KrW- / AbfG LAbfG LAG LBG LHO lit. LKR LKV LT-Drs. (L)WG MitbestG m. w. N. Nds NdsVBl. n. F.
Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit Gesellschaft(en) mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes Gemeindeordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Habilitationsschrift Handbuch des Staatsrechts Hessen Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz herrschende Meinung Herausgeber Immobilien- und Baurecht in der Fassung in Gründung im Sinne des (der) in Verbindung mit Juristische Blätter Juristische Schulung Juristenzeitung Kammergericht Berlin, Kommanditgesellschaft Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Landesabfallgesetz Landesarbeitsgericht Landesbeamtengesetz Landeshaushaltsordnung Buchstabe Lieferkoordinierungsrichtlinie Landes- und Kommunalverwaltung Drucksachen des Landtags (Landes-)Wassergesetz Mitbestimmungsgesetz mit weiteren Nachweisen Niedersachsen Niedersächsische Verwaltungsblätter neuer Fassung
21
22 NJOZ NJW Nr. NRW NVwZ NWVBl. NZA NZBau ÖGZ OLG ÖPNV ÖSPV OVG ÖZW PBefG PPLR RettG RGZ RMR Rn. RP Rs. S. Saarl Sächs SächsVBl. SH SKR Slg. sog. SpkG SPNV StGH TranspR u. u. a. UmwG Univ. Urt. UStG
Abkürzungsverzeichnis Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Österreichische Gemeindezeitung Oberlandesgericht Öffentlicher Personennahverkehr Öffentlicher Straßenpersonennahverkehr Oberverwaltungsgericht Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Personenbeförderungsgesetz Public Procurement Law Review Rettungsdienstgesetz Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rechtsmittelrichtlinie Randnummer Rheinland-Pfalz Rechtssache Satz, Seite(n) Saarland Sächsisch Sächsische Verwaltungsblätter Schleswig-Holstein Sektorenkoordinierungsrichtlinie Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs sogenannte(r, s) Sparkassengesetz Schienenpersonennahverkehr Staatsgerichtshof Transportrecht und und andere Umwandlungsgesetz Universität Urteil Umsatzsteuergesetz
Abkürzungsverzeichnis UWG UZwG v. Var. VereinsG VerfGH VergabeR VerwArch VG VGH vgl. VgRÄG VgV VK VKR VO VOB / A VOF VOL / A Vorb. vs. VÜA VVDStRL VwGO VwVfG WHG WiVerw WM WTO WuW WuW / E z. B. ZfBR ZfIR ZGR ZHR Ziff. ZIP zit. ZKF ZögU z. T.
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Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Gesetz über den unmittelbaren Zwang vom, vor Variante Vereinsgesetz Verfassungsgerichtshof Vergaberecht Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vergaberechtsänderungsgesetz Vergabeverordnung Vergabekammer Vergabekoordinierungsrichtlinie Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A Vorbemerkung(en) versus Vergabeüberwachungsausschuß Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wasserhaushaltsgesetz Wirtschaft und Verwaltung Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht World Trade Organisation Wirtschaft und Wettbewerb WuW-Entscheidungssammlung zum Kartellrecht zum Beispiel Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für das gesamte Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzrecht zitiert Zeitschrift für Kommunalfinanzen Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen zum Teil
24 zugl. ZUR ZVgR ZZP
Abkürzungsverzeichnis zugleich Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Vergaberecht Zeitschrift für Zivilprozeß
Einführung: Ziel und Gang der Untersuchung Wohl kaum ein Thema hat die rechts- und wirtschaftspolitische Debatte in Deutschland und Europa im vergangenen Jahrzehnt so stark bewegt wie die Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Aufgrund ihrer permanent angespannten Haushaltslagen ziehen sich Bund, Länder und Gemeinden zunehmend aus der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zugunsten von Privatrechtssubjekten zurück. Da sich die finanzwirtschaftliche Ausgangssituation derzeit weiter verschärft und auch der ordnungspolitische Ruf nach einer Beschränkung des Staates auf seine „Kernaufgaben“ immer lauter wird, ist zu erwarten, daß sich die praktische Bedeutung dieses Themas in den nächsten Jahren eher noch erhöhen wird. Die rechtswissenschaftliche Aufbereitung dieser Entwicklung ist inzwischen weit vorangeschritten. Es existiert eine kaum mehr überschaubare Zahl an Publikationen, die sich vor allem mit den verfassungsrechtlichen1, haushaltsrechtlichen 2, kommunalrechtlichen 3 und gesellschaftsrechtlichen 4 Aspekten dieses Themas intensiv auseinandersetzen. Ein vergleichsweise junges und in der Privatisierungsdebatte bisher seltener rezipiertes Rechtsgebiet ist das Vergaberecht. Hierunter kann man – stark verallgemeinert – die Summe aller Vorschriften verstehen, die der öffentlichen Hand beim Einkauf von Gütern und Leistungen (sog. „Vergabe“ öffentlicher Aufträge) eine bestimmte Vorgehensweise vorschreiben.5 Wenn hierfür – wie schon im Titel die1 Dazu siehe nur H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (263 ff.); Bonk, JZ 2000, 435 (438 ff.); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 175 ff.; Di Fabio, JZ 1999, 585 (590 ff.); v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 100 ff.; Kämmerer, Privatisierung, S. 174 ff.; ders., JZ 1996, 1042 (1046 f.); Krölls, GewArch 1995, 129 (135 ff.); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 67 ff.; Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 148 ff.; Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, S. 41 ff.; ders., DVBl. 1994, 962 (969 ff.). 2 Dazu siehe nur Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 153 ff.; Erbguth / Stollmann, DÖV 1993, 798 (800 f.); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 117 ff.; Schoch, DVBl. 1994, 962 (971); Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 69 ff. 3 Dazu siehe nur v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 175 ff.; Kämmerer, Privatisierung, S. 238 ff.; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 119 ff.; Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, S. 59 ff.; ders., DVBl. 1994, 962 (971 ff.). 4 Dazu siehe nur Ehlers, DVBl. 1997, 137 (139 ff.); Habersack, ZGR 1996, 545 (548 ff.); Kämmerer, Privatisierung, S. 254 ff.; Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 199 ff.; R. Schmidt, ZGR 1996, 345 (350 ff.); Schön, ZGR 1996, 429 (432 ff.). 5 Vgl. nur Koenig / Haratsch, NJW 2003, 2637; Marx, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 1.
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Einführung: Ziel und Gang der Untersuchung
ser Arbeit – der Begriff der Ausschreibungspflicht benutzt wird, liegt darin insofern eine Vergröberung, als das Vergaberecht nicht nur unterschiedliche Ausschreibungsverfahren, sondern auch Vergabeverfahren kennt, die auf eine Ausschreibung verzichten.6 Nichtsdestoweniger läßt sich die Ausschreibung gleichsam als Standardinstrument des Vergaberechts identifizieren, von dem nur in Ausnahmefällen abgewichen werden darf und das unabhängig von der Verfahrensgestaltung im einzelnen auf einem verallgemeinerbaren Grundprinzip beruht: Dieses besteht darin, daß der Staat dazu angehalten wird, die Auswahl seiner Vertragspartner nach einem standardisierten Verfahren unter Herstellung eines bestimmten Maßes an Öffentlichkeit zu treffen.7 Im rechtswissenschaftlichen Diskurs führte das Vergaberecht lange Zeit ein Schattendasein, aus dem es erst infolge einer Anfang der neunziger Jahre verschärften Regulierung durch Richtlinien des europäischen Gemeinschaftsrechts erwacht ist.8 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich damit der immensen wirtschaftlichen Bedeutung des öffentlichen Auftragswesens für den europäischen Binnenmarkt angenommen: Das staatliche Einkaufsvolumen innerhalb der europäischen Gemeinschaft wird auf über eine Billion Euro pro Jahr und damit etwa 14 % des Bruttoinlandsprodukts der EU geschätzt, wovon fast 300 Milliarden Euro auf die Bundesrepublik Deutschland entfallen.9 Hierzulande sind die erwähnten Richtlinien zum 01. 01. 1999 in einem neuen Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 97 ff. GWB) umgesetzt worden (sog. Kartellvergaberecht).10 Ohne an dieser Stelle zuviel vorwegzunehmen, kann feststellt werden, daß die EG-Vergaberichtlinien unter dem Eindruck einer erweiterten Zielsetzung auch den Anwendungsbereich des Vergaberechts stark erweitert und somit dem Prinzip der Ausschreibung neue Wirkungsfelder eröffnet haben: Während das Vergaberecht traditionell nur den Bereich der klassischen staatlichen Bedarfsdekkung betraf, rückt nunmehr zunehmend ins Bewußtsein, daß es zugleich ein erhebliches Konfliktpotential in bezug auf die Privatisierung öffentlicher Aufgaben birgt.11 Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, herauszufinden, ob und inwieweit bereits bei der Durchführung von Privatisierungsmaßnahmen kartellvergaberechtliche Ausschreibungspflichten bestehen. Diese Frage betrifft ausschließlich den Dazu siehe unten Erster Teil A. V. Noch weiter Burgi, DVBl. 2003, 949 (952), der zwischen „Ausschreibung im engeren Sinne“ (d. h. in einem formalisierten Vergabeverfahren) und „Ausschreibung im weiteren Sinne“ („alle informellen wie formellen Aktivitäten“ der Verwaltung) unterscheidet. 8 Dazu siehe unten Erster Teil A. I. 9 Vgl. die (auf Schätzungen der Europäischen Kommission beruhenden) Angaben bei Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 41 ff.; Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 2. Aufl., Einleitung Rn. 2; Pache, DVBl. 2001, 1781 (1782). 10 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) v. 27. 07. 1957 i. d. F. der Bekanntmachung v. 26. 08. 1998, BGBl. I 1998, S. 2546. 11 Zur Abgrenzung von Privatisierungsmaßnahmen und einfachen Bedarfsdeckungsgeschäften siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. d). 6 7
Einführung: Ziel und Gang der Untersuchung
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sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts, der maßgeblich durch den Begriff des „öffentlichen Auftrags“ in § 99 I GWB konstituiert wird. Dabei geht es nicht um die Zulässigkeit von Privatisierungsvorhaben, sondern um die im Rahmen ihrer Realisierung zu beachtenden Anforderungen an die Ausgestaltung des „Privatisierungsverfahrens“. Weil mit der Durchführung einer Ausschreibung nicht nur ein erheblicher verwaltungstechnischer Aufwand, sondern zugleich ein gewisser Steuerungsverlust im Hinblick auf die Auswahl der privat(rechtlich)en Vertragspartner verbunden ist, wirkt sich das Bestehen einer Ausschreibungspflicht unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten aber bereits auf die Privatisierungsentscheidung als solche aus. Damit bildet das Kartellvergaberecht – neben dem Verfassungs-, Verwaltungs- und Gesellschaftsrecht – einen maßgeblichen Faktor bei der Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Privatisierung einer öffentlichen Aufgabe. Von dem hiermit umrissenen Untersuchungsziel strikt zu trennen ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen die aus einer Privatisierungsmaßnahme hervorgegangenen Privatrechtssubjekte ihrerseits als „öffentliche Auftraggeber“ i. S. d. § 98 GWB anzusehen sind und deshalb die von ihnen zu vergebenden Aufträge nach kartellvergaberechtlichen Regeln ausschreiben müssen. Diese Frage betrifft den personellen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts und war bereits Gegenstand anderer monographischer Untersuchungen und einer Vielzahl gerichtlicher Enscheidungen.12 Von der relativen Rechtssicherheit, die in jenem Bereich inzwischen erreicht werden konnte, sind die hier zu untersuchenden Fragestellungen noch weit entfernt. Die folgende Untersuchung gliedert sich in fünf Teile: Der Erste Teil gibt einen Überblick über die als Untersuchungsmaßstab heranzuziehenden Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten: Im Anschluß an eine zusammenfassende Gesamtdarstellung des Kartellvergaberechts und seiner wichtigsten Rechtsprobleme wird hierbei auch ein kurzer Blick auf das Haushaltsvergaberecht und andere Normkomplexe geworfen, die nicht Gegenstand der weiteren Untersuchung sind, aber unter Umständen ergänzend zur Begründung von Ausschreibungspflichten herangezogen werden können. Der Zweite Teil widmet sich der Definition und Konkretisierung des – den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildenden – Phänomens der Privatisierung öffentlicher Aufgaben: Ausgehend von den klassischen Organisationsformen des öffentlichen Rechts wird eine mehrstufige Privatisierungstypologie entwickelt, indem die unterschiedlichen Möglichkeiten, öffentliche Aufgaben in privatrechtlicher Form zu erfüllen, nach fortschreitendem Privatisierungsgrad geordnet und mit Blick auf die spätere Subsumtion systematisiert werden. Im Zentrum der Arbeit stehen die Teile drei bis fünf (Ausschreibungspflichten bei formeller, funktionaler und materieller Privatisierung), in denen die zuvor her12 Vgl. insbesondere J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 56 ff.; Ohler, Zum Begriff des Öffentlichen Auftraggebers im Europäischen Vergaberecht, S. 30 ff. Dazu siehe im Überblick unten Erster Teil A. III.
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Einführung: Ziel und Gang der Untersuchung
ausgearbeiteten Privatisierungsformen im Hinblick auf die Frage untersucht werden, ob bzw. inwieweit die hierbei anfallenden Rechtsgeschäfte unter den sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts subsumiert werden können. Einen signifikanten Schwerpunkt bildet insofern die Auseinandersetzung mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen das Kartellvergaberecht eine Ausnahme für sog. „In-house-Geschäfte“ anerkennt. Hierbei stellt sich eine Vielzahl von Auslegungsproblemen, die innerhalb der Koordinaten des europäischen Gemeinschaftsrechts und der dieses konkretisierenden Rechtsprechung des EuGH einer verallgemeinerbaren Lösung zugeführt werden. Dessen unbeschadet richtet der Vierte Teil ein besonderes Augenmerk auf einzelne Phänomene der funktionalen Privatisierung (Pflichtenübertragung, städtebauliche Verträge und öffentlicher Personennahverkehr), die durch fachgesetzliche Besonderheiten geprägt sind, aus denen sich Rückwirkungen auf die Anwendung des Kartellvergaberechts ergeben können. Den Abschluß bildet eine thesenartige Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse, die dem vergaberechtlich vorinformierten Leser zugleich eine erste Orientierung über die hier verfolgten Lösungsansätze bietet.
Erster Teil
Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten A. Das Kartellvergaberecht im Überblick Das den Untersuchungsmaßstab dieser Arbeit bildende Kartellvergaberecht besteht aus den Bestimmungen des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 97 ff. GWB). Bei der Bezeichnung dieses Normenkomplexes als „Kartellvergaberecht“ handelt es sich streng genommen um eine falsa demonstratio, die allein darauf zurückgeht, daß das GWB zugleich und hauptsächlich den Standort des (allgemeinen) Kartellrechts bildet und infolgedessen traditionell als „Kartellgesetz“ bezeichnet wird. Auch isoliert betrachtet, ist das Kartellvergaberecht eine äußerst vielschichtige Rechtsmaterie, über deren wesentliche Regelungsstrukturen der folgende Abschnitt zunächst überblicksweise informieren soll. Eine nähere Auseinandersetzung mit den für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit relevanten Normen und Tatbestandsmerkmalen bleibt dem dritten bis fünften Teil vorbehalten. Rechtsprobleme, die das vorliegende Untersuchungsziel nicht unmittelbar berühren, werden so weit wie möglich ausgeblendet.1
I. Entstehungsgeschichte und Entwicklungslinien Ausschreibungspflichten bestimmen seit langer Zeit das staatliche Beschaffungswesen. Überall dort, wo der Staat die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Ressourcen nicht selbst erstellen kann, sondern bei privaten Wirtschaftsteilnehmern, sprich: „am Markt“, einkaufen muß, stellen Ausschreibungspflichten ein multifunktionales Instrument zur Steuerung des Verwaltungshandelns dar. Die unterschiedlichen politischen und ökonomischen Ziele, die das Recht mit der Normierung von Ausschreibungspflichten verfolgen kann, spiegeln sich in der historischen Entwicklung des Vergaberechts wider. Traditionell war und ist das Vergabe1 Insofern sei auf die inzwischen umfangreich vorliegende Kommentarliteratur verwiesen: insbesondere Boesen, Vergaberecht; Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar; Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht; Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1 (jeweils m. w. N.).
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
recht in Deutschland ein spezieller Bestandteil des öffentlichen Haushaltsrechts: Dort erfüllt es die Funktion, unter Ausnutzung des marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerbs ein marktgerechtes Verhalten der öffentlichen Hand herbeizuführen. Durch Ausschreibungen wird die Verwaltung in die Lage versetzt, sich einen Marktüberblick zu verschaffen und sachfremde politische Einflußnahmen zu verhindern.2 In diesem Kontext bezweckt die Pflicht zur Ausschreibung lediglich eine optimale Allokation öffentlicher Ressourcen und konkretisiert somit die allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. §§ 6 I HGrG, 7 I 1 BHO, 7 I LHO NRW, 75 II GO NRW).3 Erst das europäische Gemeinschaftsrecht entdeckte die Ausschreibung als Instrument der Wirtschaftspolitik. Zur Vollendung des europäischen Binnenmarkts und zur praktischen Verwirklichung der Grundfreiheiten des EG-Vertrags erschien es unerläßlich, die bisher weitgehend abgeschotteten nationalen Beschaffungsmärkte zugunsten einer Öffnung für den gemeinschaftsweiten Wettbewerb aufzubrechen.4 In der Folge wurden die seit den siebziger Jahren bestehenden Gemeinschaftsrichtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge konsolidiert (LKR, BKR)5 und weitere Richtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (DKR)6 und über die Koordinierung der Auftragsvergabe in den Sektoren Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Telekommunikation (SKR a. F.)7 erlassen. Diese finden ihre notwendige Ergänzung in zwei Rechtsmittelrichtlinien (RMR und S-RMR)8, welche die praktische Wirksamkeit der materiellen EG-Vergabe2 Vgl. Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 3 f.; Immenga, WuW 1998, 809; Pietzcker, ZHR 1998, 427 (432); Steup / Schneider / Lienen, Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-Westfalen, Erl. § 31 GemHVO Rn. 1. 3 Vgl. Byok, NJW 1998, 2774; Pache, DVBl. 2001, 1781 (1785); Schubert, WuW 2001, 254 (258 f.); Schwarze, in: ders. (Hrsg.), Die Vergabe öffentlicher Aufträge im Lichte des europäischen Wirtschaftsrechts, S. 13 (24 f.); Steup / Schneider / Lienen, Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-Westfalen, Erl. § 31 GemHVO Rn. 1. Zum Haushaltsrecht als Rechtsquelle von Ausschreibungspflichten siehe unten Erster Teil B. I. 4 Dazu ausführlich Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommisison an den Europäischen Rat v. 14. 06. 1985, KOM (85) 310 endg. 5 Richtlinie 93 / 36 / EWG des Rates v. 14. 06. 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (Lieferkoordinierungsrichtlinie – LKR), ABl. 1993, L 199, S. 1; Richtlinie 93 / 37 / EWG des Rates v. 14. 06. 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (Baukoordinierungsrichtlinie – BKR), ABl. 1993, L 199, S. 54. 6 Richtlinie 92 / 50 / EWG des Rates v. 18. 06. 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie – DKR), ABl. 1992, L 209, S. 1. 7 Richtlinie 93 / 38 / EWG des Rates v. 14. 6. 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (Sektorenkoordinierungsrichtlinie – SKR a. F.), ABl. 1993, L 199, S. 84.
A. Das Kartellvergaberecht im Überblick
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richtlinien unterstützen, indem sie die Mitgliedstaaten zur Gewährung eines effektiven Primärrechtsschutzes verpflichten. Im Rahmen ihres sog. Legislativpakets hatte die Europäische Kommission bereits am 10. 05. 2000 einen Vorschlag zur Neufassung der SKR sowie am 30. 08. 2000 und 06. 05. 2002 Vorschläge für eine neue Basisrichtlinie vorgelegt, die das bisherige Nebeneinander von LKR, BKR und DKR ersetzen sollte.9 Auf dieser Grundlage einigten sich das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat Ende 2003 im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens gem. Art. 251 EG auf zwei neue Richtlinientexte, die am 31. 03. 2004 erlassen wurden und am 30. 04. 2004 in Kraft getreten sind: Während die Rechtsmittelrichtlinien unverändert fortgelten, sind die materiellen Vergaberegeln nunmehr in einer einer einzigen Richtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (VKR)10 und einer weiteren Richtlinie zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Sektorenbereich (SKR n. F.)11 zusammengefaßt. Diese sind von den Mitgliedstaaten bis zum 31. 01. 2006 umzusetzen und sehen neben systematischen und redaktionellen Anpassungen auch zahlreiche Änderungen der materiellen Rechtslage vor, darunter eine Anhebung der Schwellenwerte, eine Erweiterung und Neugewichtung der Vergabekriterien, eine Modernisierung der Vergabeverfahren sowie die Herausnahme der Telekommunikationsunternehmen aus dem Sektorenbereich.12 Soweit die Änderungen die hier zu unter8 Richtlinie 89 / 665 / EWG des Rates v. 21. 12. 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (Rechtsmittelrichtlinie – RMR), ABl 1989, L 395, S. 93; Richtlinie 92 / 13 / EWG des Rates v. 25. 2. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Telekommunikation (Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie – S-RMR), ABl. 1992, L 76, S. 14. 9 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung v. 10. 05. 2000, ABl. 2001, C 29 E, S. 112; Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge v. 30. 08. 2000, ABl. 2001, C 29 E, S. 11, i. d. F. des geänderten Vorschlags v. 06. 05. 2002, ABl. 2002, C 203 E, S. 210. 10 Richtlinie 2004 / 18 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31. 03. 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (Vergabekoordinierungsrichtlinie – VKR), ABl. 2004, L 134, S. 114. 11 Richtlinie 2004 / 17 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31. 03. 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energieund Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Sektorenkoordinierungsrichtlinie – SKR n. F.), ABl. 2004, L 134, S. 1. 12 Dazu im Überblick Knauff, EuZW 2004, 141 ff.; Kullack / Terner, ZfBR 2004, 244 ff., 346 ff.; Leinemann / Maibaum, VergabeR 2004, 275 ff.; zu den vorangehenden Kommissionsvorschlägen C. Braun, NZBau 2002, Internet-Aufsatz; Opitz, NZBau 2003, 183 (188 ff.).
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
suchenden Probleme berühren, wird hierauf jeweils im Anschluß an die kartellvergaberechtliche Analyse ein kurzer Ausblick gegeben. Die gem. Art. 249 III EG erforderliche Umsetzung der bisherigen EG-Vergaberichtlinien versuchte der deutsche Gesetzgeber zunächst durch eine Integration in das bestehende haushaltsrechtliche Regelungssystem zu bewirken. Zu diesem Zweck wurde das Haushaltsgrundsätzegesetz im Jahre 1994 um die §§ 57a bis 57c HGrG ergänzt (sog. haushaltsrechtliche Lösung).13 Nachdem der EuGH in einem Urteil vom 11. 08. 1995 angedeutet hatte, daß diese Regelungen den Anforderungen der Rechtsmittelrichtlinien an einen effektiven Rechtsschutz nicht genügten,14 und die Europäische Kommission aus demselben Grunde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hatte,15 verabschiedete der Deutsche Bundestag schließlich im Rahmen der 6. GWB-Novelle das Vergaberechtsänderungsgesetz (VgRÄG)16, welches am 01. 01. 1999 als neuer Vierter Teil des GWB in Kraft getreten ist und die §§ 57a bis 57c HGrG a. F. ersetzt (sog. wettbewerbsrechtliche oder – genauer – kartellrechtliche Lösung).
II. Regelungssystematik Systematisch wird das Kartellvergaberecht weiterhin vom sog. Kaskadenprinzip beherrscht.17 Hinter dieser Metapher verbirgt sich eine Normenpyramide, an deren Spitze die §§ 97 ff. GWB stehen, deren materieller Gehalt sich jedoch auf die Bestimmung des personellen und sachlichen Anwendungsbereichs (§§ 98 – 100 GWB)18 sowie allgemeiner Grundsätze über das Vergabeverfahren (§§ 97, 101 GWB) beschränkt. Nähere Regelungen trifft die Vergabeverordnung (VgV)19, eine aufgrund der gesetzlichen Ermächtigungen in § 97 VI und § 127 GWB erlassene Rechtsverordnung. Diese enthält Konkretisierungen des sachlichen (§§ 2, 3, 10 VgV) und personellen (§§ 8, 9 VgV) Anwendungsbereichs des Kartellvergabe13 Zweites Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes v. 26. 11. 1993, BGBl. I 1993, S. 1928. 14 EuGH, Urt. v. 11. 08. 1995 – Rs. C-433 / 93 (Kommission / Deutschland), Slg. 1995, I-2303 (2317 ff.), Rn. 17 ff. 15 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Beanstandungsschreiben v. 31. 10. 1995 (SG [95] D / 13624 – 95 / 2044), ZIP 1995, 1940 ff. 16 Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz – VgRÄG) v. 26. 08. 1998, BGBl. I 1998, S. 2512. 17 Vgl. nur Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 24; Frenz / Kafka, GewArch 2000, 129 (130); Höfler / Bert, NJW 2000, 3310; Kratzenberg, NZBau 2001, 119; Otting, NVwZ 2001, 775 (776); Pache, DVBl. 2001, 1781 (1786). 18 Dazu siehe unten Erster Teil A. III. und IV. 19 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) i. d. F. der Bekanntmachung v. 11. 02. 2003, BGBl. I 2003, S. 169. Dazu ausführlich Höfler / Bert, NJW 2000, 3310 ff.; Kratzenberg, NZBau 2001, 119 ff.; Otting, NVwZ 2001, 775 ff.
A. Das Kartellvergaberecht im Überblick
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rechts sowie ergänzende Bestimmungen zum Vergabeverfahren (§§ 11 – 16 VgV) und zum Nachprüfungsverfahren (§§ 17 – 22 VgV). Ihre Hauptfunktion aber besteht in rechtstechnischer Hinsicht in der Einbeziehung bestimmter Abschnitte der Teile A der Verdingungsordnungen für Bauleistungen (VOB / A)20 und Leistungen (VOL / A)21 sowie der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF)22 mittels statischer Verweisungen in den §§ 4 – 7 VgV.23 Erst auf dieser dritten Ebene der vergaberechtlichen Normenpyramide wird der genaue Ablauf eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens für den Rechtsanwender erkennbar. Hierbei handelt es sich um private Regelwerke, die in sog. Verdingungsausschüssen zwischen Vertretern von Staat und Wirtschaft ausgehandelt werden und vor Inkrafttreten des § 57a HGrG lediglich durch verwaltungsinterne Dienstanweisungen Verbindlichkeit erlangten.24 Obwohl die Verdingungsordnungen wegen der Verweisungsnormen in der VgV nunmehr aufgrund zwingenden Rechts Anwendung finden, wird von einigen Autoren bezweifelt, ob sie damit ihrerseits zu außenwirksamem Recht geworden sind und die deutsche Umsetzung der EG-Vergaberichtlinien insofern den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügt.25 Geht man aber mit der herrschenden Meinung davon aus, daß eine statische Verweisung ihr Objekt gleichsam inkorporiert, so nehmen die Verdingungsordnungen im Umfang der Verweisung am Rechtscharakter der VgV als außenwirksame Bundesrechtsverordnung teil.26 Unterdessen beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen ihrer „Initiative Bürokratieabbau“, den praktischen Bedenken gegen das Kaskadenprinzip künftig dadurch Rechnung zu tragen, daß – jedenfalls im Anwendungsbereich der EG-Vergaberichtlinien, d. h. oberhalb der dort bestimmten Schwellenwerte – das gesamte 20 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB / A) i. d. F. der Bekanntmachung v. 12. 09. 2002, BAnz. 2000, Nr. 202a. 21 Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A (VOL / A) i. d. F. der Bekanntmachung v. 17. 11. 2002, BAnz. 2002, Nr. 216a. 22 Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) i. d. F. der Bekanntmachung v. 26. 08. 2002, BAnz. 2002, Nr. 203a. 23 Vgl. nur Otting, NVwZ 2001, 775 (776); Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (436). 24 Vgl. Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1266); Hermes, JZ 1997, 909 (910); Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (434 f.). Zum Rechtscharakter der Verdingungsordnungen insoweit F.-J. Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und öffentliches Recht, S. 59 ff. m. w. N. 25 Bechtold, Kartellgesetz, Vor § 97 Rn. 18; Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1267 ff.); ders., in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 97 Rn. 167; Frenz / Kafka, GewArch 2000, 129 (130). Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität äußern auch Malmendier, DVBl. 2000, 963 (967); und Pache, DVBl. 2001, 1781 (1791). 26 Vgl. OLG Düsseldorf, WuW / E Verg 197 (202); OLG Stuttgart, NZBau 2002, 395 (396); B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (402); Boesen, Vergaberecht, § 97 Rn. 169; MüllerWrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 2. Aufl., Einleitung, Rn. 28; Niebuhr, in: ders. / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, Einl. Rn. 13; Otting, NVwZ 2001, 775 (776); Pache, DVBl. 2001, 1781 (1786, 1791); Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H IV Rn. 235. Ebenso schon unter Geltung des § 57b HGrG: BGH, ZVgR 1999, 105 (107); Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (436).
3 Hüser
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
untergesetzliche Vergaberecht in einer einheitlichen Vergabeverordnung gebündelt wird.27
III. Personeller Anwendungsbereich Mit dem personellen Anwendungsbereich ist die Frage angesprochen, welche Rechtssubjekte ihr Einkaufsverhalten an den Vorgaben des Kartellvergaberechts auszurichten haben. § 97 I GWB verpflichtet zunächst ganz allgemein alle „öffentlichen Auftraggeber“. Dieser Rechtsbegriff wird in § 98 GWB in sechs Tatbestände aufgespalten: § 98 Nr. 1 GWB adressiert mit den Gebietskörperschaften und deren Sondervermögen die sog. klassischen (institutionellen) öffentlichen Auftraggeber Bund, Länder und Gemeinden. § 98 Nr. 2 GWB erweitert den personellen Anwendungsbereich auf juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern sie ihrerseits von öffentlichen Auftraggebern überwiegend finanziert oder – verkürzt ausgedrückt – in ihrer Willensbildung beherrscht werden (sog. funktionaler Auftraggeberbegriff). Dieser Tatbestand betrifft vor allem verwaltungseigene, gemischt-öffentliche sowie verwaltungsbeherrschte gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen und somit weite Bereiche der formellen und funktionalen Privatisierung.28 Erste Anhaltspunkte zur Bestimmung des funktionalen Auftraggeberbegriffs ergeben sich aus dem Verzeichnis von Einrichtungen im Anhang I zur BKR (= Anhang III zur VKR), das mangels rechtlicher Verbindlichkeit jedoch allenfalls als Auslegungshilfe herangezogen werden kann und die in jedem Einzelfall erforderliche Subsumtion unter die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nicht ersetzt:29 Das Abstellen des Gesetzes auf den Gründungszweck greift insofern zu kurz, als § 98 Nr. 2 GWB aus Gründen des Umgehungsschutzes auch dann eingreifen muß, wenn 27 Nach den vom Bundeskabinett am 12. 05. 2004 beschlossenen „Eckpunkten für eine Verschlankung des Vergaberechts“ soll die VOL / A vollständig in einer neuen Vergabeverordnung aufgehen, während das Haushaltsrecht für Aufträge unterhalb der gemeinschaftsrechtlichen Schwellenwerte (dazu siehe unten Erster Teil B. I.) daneben weiterhin auf die VOB / A verweisen soll (Dokumentation in NZBau 2004, 317 f.). Zu weiteren Regelungsmodellen vgl. den vorausgehenden Bericht der Arbeitsgruppe zur Verschlankung des Vergaberechts v. 05. 12. 2003 (Dokumentation in NZBau 2004, 141 ff.). 28 Zur Terminologie siehe unten Zweiter Teil B. III. 1. und 2. b). Ausführlich zum vergaberechtlichen Status privatisierter Rechtssubjekte – neben den in Fn. 1 zitierten Kommentaren – J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 56 ff.; Ohler, Zum Begriff des Öffentlichen Auftraggebers im Europäischen Vergaberecht, S. 30 ff. 29 Vgl. EuGH, Urt. v. 10. 11. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem und Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, I-6821 (6866), Rn. 50; Urt. v. 27. 02. 2003 – Rs. C-373 / 00 (Adolf Truley GmbH / Bestattung Wien GmbH), EuZW 2003, 315 (318), Rn. 39, wonach das Verzeichnis zwar so vollständig wie möglich sein soll, aber keineswegs erschöpfend ist.
A. Das Kartellvergaberecht im Überblick
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eine Einrichtung erst zu einem späteren Zeitpunkt eine „im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art“ übernimmt.30 Im Allgemeininteresse liegt eine Aufgabe jedenfalls dann, wenn der Staat durch gesetzliche Regelung eine fortbestehende Gewährleistungsverantwortung für sie übernommen hat.31 Im übrigen dürfte das Kriterium des Allgemeininteresses weitgehend kongruent mit dem Erfordernis des „öffentlichen Zwecks“ im kommunalen Wirtschaftsrecht (z. B. §§ 108 I 1 Nr. 1, 107 I 1 Nr. 1 GO NRW) sein – mit der Folge, daß es auch bei einer zulässigen wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden regelmäßig erfüllt ist.32 Größere Probleme bereitet das Merkmal der Nichtgewerblichkeit: Insofern besteht jedenfalls kein Gleichlauf mit der „nicht wirtschaftlichen Betätigung“ im Sinne des kommunalen Wirtschaftsrechts (vgl. z. B. die Fiktion in § 107 II 1 GO NRW).33 Auch auf den Mangel einer Gewinnerzielungsabsicht im Sinne des traditionellen Gewerbebegriffs kann es nicht entscheidend ankommen: Denn einerseits stehen mit der GmbH und der AG zwei Rechtsformen im Mittelpunkt, die gerade auf dieses Ziel angelegt sind, andererseits gehen öffentliche Zwecksetzung und Gewinnerzielung auch bei öffentlich-rechtlicher Organisationsform häufig Hand in Hand (vgl. z. B. § 109 GO NRW, § 3 III SpkG NRW).34 Unter teleologischen Gesichtspunkten ist vielmehr darauf abzustellen, daß sich die Aufgabenerfüllung außerhalb marktmäßiger Mechanismen auf der Grundlage einer staatlich herbeigeführten Sonderstellung vollzieht35 – was nicht nur eine Frage der jeweiligen Wirt30 Vgl. EuGH, Urt. v. 12. 12. 2002 – Rs. C-470 / 99 (Universale-Bau AG u. a. / Entsorgungsbetriebe Simmering GmbH), Slg. 2002, I-11617 (11681), Rn. 57; Ziekow, NZBau 2004, 181 (183 f.). Einschränkend (nur bei nachträglicher Satzungsänderung) Boesen, Vergaberecht, § 98 Rn. 62; Dreher, DB 1998, 2579 (2580); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rn. 31. A. A. Bungenberg, in: Storr (Hrsg.), Öffentliche Unternehmen im Wettbewerb und Vergaberecht, S. 119 (138). 31 Vgl. VK Münster, ZfBR 2002, 724 (727). Ziekow, NZBau 2004, 181 (182), stellt insoweit eine Vermutung für die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber auf. 32 U. Jasper, DB 1998, 2151 (2153); Prieß, DB 1998, 405 (406). Vgl. auch Dietlein, NZBau 2002, 136 (139); Dreher, DB 1998, 2579 (2582); Kulartz, VergabeR 2 / 1998, 25 (28); Pietzcker, ZVgR 1999, 24 (29); Tomerius, NVwZ 2000, 727 (731); M. J. Werner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rn. 251. 33 Vgl. Gröning, ZIP 2001, 497 (499 f.), der zu Recht darauf hinweist, daß angesichts der unterschiedlichen Regelungsziele keine direkte Normenkollision i. S. d. Art. 31 GG besteht. A. A. offenbar Pietzcker, ZVgR 1999, 24 (26 f.). 34 Vgl. BayObLG, NZBau 2003, 342 (343); OLG Düsseldorf, NZBau 2003, 400 (402); Dietlein, NZBau 2002, 136 (139); Dreher, DB 1998, 2579 (2582); Paschlau, Müll und Abfall 2000, 740 (742); Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (445 f.); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 98 Rn. 29. Vgl. andererseits EuGH, Urt. v. 22. 05. 2003 – Rs. C-18 / 01 (Arkkitehtuuritoimisto Riitta Korhonen Oy u. a. / Varkauden Taitotalo Oy), NZBau 2003, 396 (399 f.), Rn. 59, wonach unter anderem auch das „Fehlen einer grundsätzlichen Gewinnerzielungsabsicht“ zu berücksichtigen sei. 35 BayObLG, NZBau 2003, 342 (343); VK Münster, ZfBR 2002, 724 (728); Dietlein, NZBau 2002, 136 (140); Dreher, DB 1998, 2579 (2583); ders., in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 98 Rn. 39 f.; Hailbronner, DÖV 2003, 534 (541 f.). Vgl. auch Boesen, Ver-
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
schaftsbranche und der lokalen und regionalen Gegebenheiten ist, sondern auch von den wettbewerbsbezogenen Wertungen der einschlägigen Fachgesetze abhängen kann:36 Während das Fehlen von Wettbewerb nach der Rechtsprechung des EuGH keine notwendige Voraussetzung des funktionalen Auftraggeberbegriffs darstellt, kann das Vorhandensein eines „entwickelten Wettbewerbs“ unter Umständen als Indiz für die Gewerblichkeit gewertet werden.37 Unerheblich ist, ob ein Unternehmen, das zumindest auch eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art erfüllen soll, zugleich privatwirtschaftlich tätig ist. Vielmehr ist ein Unternehmen schon dann als öffentlichen Auftraggeber anzusehen, wenn es überhaupt derartige Aufgaben erfüllt, ohne daß es auf den Umfang dieser Tätigkeit ankommt.38 Für den Fall, daß sich klassische oder funktionale Auftraggeber zu einem Verband zusammenschließen, enthält § 98 Nr. 3 GWB einen Auffangtatbestand, nach dem auch der Verband als solcher öffentlicher Auftraggeber ist. Für Privatrechtssubjekte, die auf den Gebieten der Trinkwasser- oder Energieversorgung, des Verkehrs oder der Telekommunikation tätig sind (sog. Sektorenauftraggeber), ergeben sich kartellvergaberechtliche Bindungen ferner aus § 98 Nr. 4 GWB. Da § 101 V 2 GWB und die §§ 7 ff. VgV für diesen Fall weniger strenge Vorgaben aufstellen, eine rechtsformabhängige Vorzugsbehandlung im Sektorenbereich aber nicht zu rechtfertigen wäre, richten sich, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 98 Nr. 2 GWB erfüllt sind, die Rechtsfolgen auch im Sektorenbereich vorrangig nach dieser Norm.39 Sonstige Privatrechtssubjekte, die weder funktionale Auftraggeber noch im Sektorenbereich tätig sind, werden dem Kartellvergaberecht nur dann unterworfen, wenn sie bestimmte Infrastruktureinrichtungen erstellen, die von klassischen
gaberecht, § 98 Rn. 55; Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (445 f.); ders., ZVgR 1999, 24 (27); Prieß, DB 1998, 405 (407). 36 Vgl. VG Koblenz, NVwZ 1999, 1133 (1135); Gröning, ZIP 2001, 497 (498 f.) unter Hinweis auf die „Kommerzialisierung“ der Abfallentsorgung gem. § 17 I KrW- / AbfG. 37 Vgl. (zu Art. 1 lit. b DKR) EuGH, Urt. v. 10. 11. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem und Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, I-6821 (6864 f.), Rn. 43 ff.; (zu Art. 1 lit. b LKR) Urt. v. 27. 02. 2003 – Rs. C-373 / 00 (Adolf Truley GmbH / Bestattung Wien GmbH), EuZW 2003, 315 (319 f.), Rn. 59 ff. 38 Vgl. (zu Art. 1 lit. b BKR) EuGH, Urt. v. 15. 01. 1998 – Rs. C-44 / 96 (Mannesmann Anlagenbau Austria AG u. a. / Strohal Rotationsdruck GmbH), Slg. 1998, I-73 (114 f.), Rn. 25 f., 31 ff.; (zu Art. 1 lit. b LKR) Urt. v. 27. 02. 2003 – Rs. C-373 / 00 (Adolf Truley GmbH / Bestattung Wien GmbH), EuZW 2003, 315 (319), Rn. 56. Ausführlich zu dieser sog. Infizierungstheorie Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rn. 48 ff. 39 Ganz h. M.: Vgl. nur BayObLG, NZBau 2003, 342 (343); BKartA (2. VK Bund), WuW / E Verg 943 (945); Dreher, DB 1998, 2579 (2584 f.); B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (403); U. Jasper, DB 1998, 2151 (2153); Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (448 f.); Portz, BWGZ 2000, 191 (192); Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 204; M. J. Werner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rn. 282 ff. A. A. mit beachtlichen Argumenten Hertwig, NZBau 2003, 545 ff.
A. Das Kartellvergaberecht im Überblick
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oder funktionalen Auftraggebern überwiegend finanziert werden (§ 98 Nr. 5 GWB), oder aber als Baukonzessionäre auftreten (§ 98 Nr. 6 GWB)40.
IV. Sachlicher Anwendungsbereich Wie sich bereits aus dem Titel des Vierten Teils des GWB ergibt, sind öffentliche Auftraggeber in sachlicher Hinsicht nur insoweit den Anforderungen des Kartellvergaberechts unterworfen, als sie öffentliche Aufträge vergeben. Dieser zentrale Rechtsbegriff, der mit dem Begriff des bürgerlich-rechtlichen Auftrags i. S. d. § 662 BGB nichts gemein hat, wird in § 99 GWB zunächst in allgemeiner Weise als „entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen“ definiert (§ 99 I GWB) und sodann – im Hinblick auf die unterschiedlichen Verfahrensvorgaben der Verdingungsordnungen – in Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge sowie Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen, aufgespalten (§ 99 II-V GWB). Die Auslegung des § 99 GWB wird den Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung bilden und soll deshalb an dieser Stelle nicht vorweggenommen werden. Den mit dem Vorliegen eines öffentlichen Auftrags abstrakt eröffneten sachlichen Anwendungsbereich schränkt § 100 GWB wiederum in zweifacher Hinsicht ein: Zum einen gelten die §§ 97 ff. GWB nur für Aufträge oberhalb bestimmter Schwellenwerte (§ 100 I GWB), welche § 2 VgV bei Bauaufträgen mit 5 Millionen Euro, bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen mit 200.000 (bzw. im Sektorenbereich 400.000) Euro beziffert. Diese Beträge entstammen den EG-Vergaberichtlinien, wo sie die Funktion haben, aus der Menge der in den Mitgliedstaaten zu vergebenden öffentlichen Aufträge diejenigen herauszufiltern, denen eine gemeinschaftsweite Bedeutung beizumessen ist. Die Adaption dieser Regelung durch das VgRÄG bewirkt eine Zweiteilung des deutschen Vergaberechts (unterhalb der Schwellenwerte gilt weiterhin nur Haushaltsrecht), die nicht nur rechtspolitische Kritik und verfassungsrechtliche Bedenken (im Hinblick auf Art. 3 I und 19 IV GG)41, sondern auch eine Reihe von Folgeproblemen in der Rechtsanwendung provoziert.42 Zum anderen enthält § 100 II GWB eine Reihe von Ausnahmetatbeständen, die bestimmte öffentliche Aufträge trotz Erreichens der Schwellenwerte von der Beachtung der §§ 97 ff. GWB suspendieren.43 Zur Vergabe von Baukonzessionen siehe unten Vierter Teil D. II. Vgl. nur Binder, ZZP 113 (2000), 195 (211 ff.); Dreher, NZBau 2002, 419 (424 ff.); Malmendier, DVBl. 2000, 963 (967 ff.); Pache, DVBl. 2001, 1781 (1791). Vgl. Österreichischer VerfGH, NZBau 2002, 240, wonach die entsprechende Regelung im Österreichischen Bundesvergabegesetz gegen den Gleichheitsgrundsatz in der österreichischen Verfassung verstößt. A. A. OLG Saarbrücken, NZBau 2003, 462 (463 f.); OLG Stuttgart, NZBau 2002, 395 (397); Pietzcker, Die Zweiteilung des Vergaberechts, S. 44 ff. 42 Diese betreffen neben den Modalitäten der Auftragswertberechnung (vgl. § 3 VgV) vor allem die Behandlung typengemischter Verträge (dazu siehe unten Vierter Teil B. II.). 43 Dazu siehe unten Dritter Teil B. 40 41
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
V. Das Vergabeverfahren Öffentliche Aufträge, die dem personellen und sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts unterfallen, werden gem. § 101 I GWB im Wege von offenen, nicht offenen oder Verhandlungsverfahren vergeben. Diese Bezeichnungen hat der Gesetzgeber aus den EG-Vergaberichtlinien übernommen: Während die Begriffe des offenen und des nicht offenen Verfahrens vollständig den Begriffen der „öffentlichen Ausschreibung“ und der „beschränkten Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb“ im Sinne des traditionellen deutschen Vergaberechts entsprechen (vgl. §§ 3a Nr. 1 lit. a und b VOB / A, 3a Nr. 1 I VOL / A), stellt das Verhandlungsverfahren eine Neuerung dar, die an die Stelle der sog. freihändigen Vergabe tritt (vgl. § 3a Nr. 1 lit. c VOB / A). Mit Ausnahme der sog. Sektorenauftraggeber, die zwischen den drei Varianten frei wählen können (§ 101 V 2 GWB), haben öffentliche Auftraggeber grundsätzlich das offene Verfahren anzuwenden (§ 101 V 1 GWB), d. h. eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufzufordern (§ 101 II GWB). Nicht offene und Verhandlungsverfahren sind nur unter den abschließend genannten Voraussetzungen des § 3a Nr. 3, 4, 5 VOB / A bzw. § 3a Nr. 1 I, IV, Nr. 2 VOL / A zulässig, insbesondere wenn die Leistung nach ihrer Eigenart nur von einem beschränkten Kreis von Unternehmen in geeigneter Weise ausgeführt werden kann44. Lediglich für die Vergabe freiberuflicher Leistungen erklärt § 5 VOF das Verhandlungsverfahren zum Regelverfahren. In jedem Fall vorgeschrieben ist die Veröffentlichung einer Vergabekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der EG (§ 17a Nr. 2 VOB / A, § 3a Nr. 1 III i. V. m. § 17a VOL / A bzw. § 9 VOF), welche inhaltlich und formal einem in den Anhängen II zu den Verdingungsordnungen abgedruckten Standardformular entsprechen muß. Was die Gestaltung des Vergabeverfahrens angeht, sind die öffentlichen Auftraggeber zunächst an die Vergabegrundsätze des § 97 GWB gebunden. In formeller Hinsicht sind dies die – erst in den Verdingungsordnungen näher konkretisierten45 – Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung (§ 97 I, II GWB). In materieller Hinsicht schreibt das Gesetz vor, daß sich die Vergabeentscheidung primär nach den Kriterien der Fachkunde, der Leistungsfähigkeit und der Zuverlässigkeit des Unternehmens richten muß (§ 97 IV, 1. Hs. GWB). Andere oder weitergehende, sog. vergabefremde Anforderungen dürfen nur aufgrund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen46 gestellt werden (§ 97 IV, 2. Hs. GWB), 44 § 3a Nr. 3 i. V. m. § 3 Nr. 3 II lit. a VOB / A bzw. § 3a Nr. 1 I i. V. m. § 3 Nr. 3 lit. a VOL / A gestatten in diesem Fall die Anwendung des nicht offenen Verfahrens. 45 Vgl. nur die detaillierten Vorschriften der VOB / A und VOL / A über die Beschreibung der Leistung, die Gestaltung der Vergabeunterlagen, die Angebots-, Bewerbungs-, Zuschlagsund Bindefristen sowie die Wertung der Angebote. 46 Vgl. insbesondere die sog. Tariftreuegesetze der Länder (Bayerisches Bauaufträge-Vergabegesetz v. 28. 06. 2000; GVBl. 2001, S. 369; Berliner Vergabegesetz v. 09. 07. 1999, GVBl. 1999, S. 309; Vergabegesetz für das Land Bremen v. 17. 12. 2002, GVBl. 2002,
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welche ihrerseits nicht mit höherrangigem Recht kollidieren dürfen. Insofern wird die Zulässigkeit vergabefremder Kriterien namentlich durch Art. 3 I GG und Art. 12 I EG sowie durch die EG-Vergaberichtlinien und die Grundfreiheiten des EG-Vertrags begrenzt.47 Das Vergabeverfahren endet mit dem sog. Zuschlag, der, wenn die oben genannten Eignungskriterien von mehreren Bietern erfüllt werden, stets auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist (§ 97 V GWB).48 Über die beabsichtigte Zuschlagserteilung muß der Auftraggeber die hierbei nicht berücksichtigten Bieter mindestens vierzehn Tage im voraus informieren; ein vor Ablauf dieser Frist oder unter Verstoß gegen die Informationspflicht geschlossener Vertrag ist nichtig (§ 13 VgV).49 Ein inzwischen schon klassischer Streit herrscht über den Rechtscharakter des Zuschlags: Während die ganz herrschende Meinung darin die unmittelbar zum Vertragsschluß führende Annahmeerklärung des Auftraggebers sieht50, gehen andere – vornehmlich unter Rechtsschutzgesichtspunkten – von einer zweistufigen Ausgestaltung des Vergabeverfahrens aus und interpretieren den Zuschlag als einen dem Vertragsschluß vorangehenden Verwaltungsakt51. DaS. 594; Niedersächsisches Landesvergabegesetz v. 02. 09. 2002, GVBl. 2002, S. 370; Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen v. 17. 12. 2002, GVBl. 2003, S. 8; Saarländisches Bauaufträge-Vergabegesetz v. 23. 08. 2000, GVBl. 2000, 1846; Sächsisches Vergabegesetz v. 08. 07. 2002, GVBl. 2002, S. 218; Vergabegesetz Sachsen-Anhalt v. 29. 06. 2001, GVBl. 2001, S. 234). 47 Dazu unter verfassungsrechtlichen Aspekten Burgi, NZBau 2001, 64 ff.; Grzeszick, DÖV 2003, 649 (653 ff.); unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten Benedict, Sekundärzwecke im Vergabeverfahren; N. Meyer, Die Einbeziehung politischer Zielsetzungen bei der öffentlichen Beschaffung; J.-P. Schneider, DVBl. 2003, 1186 ff.; Ziekow, NZBau 2001, 72 ff. Der EuGH hat die Zulässigkeit vergabefremder Kriterien jedenfalls im Grundsatz bejaht (Urt. v. 20. 09. 1988 – Rs. C-31 / 87, Gebroeders Beentjes BV / Niederlande, Slg. 1988, I-4635, 4656 ff., Rn. 14 ff.; Urt. v. 26. 09. 2000 – Rs. C-225 / 98, Kommission / Frankreich, Slg. 2000, I-7445, 7489, Rn. 50 ff.; Urt. v. 17. 09. 2002 – Rs. C-513 / 99, Concordia Bus Finland Oy Ab / Helsingin kaupunki u. HKL-Bussiliikenne, Slg. 2002, I-7213, 7274 ff., Rn. 53 ff.). 48 Vgl. Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 14; Thieme / Correll, DVBl. 1999, 884 (887). 49 Zur Reichweite dieser Bestimmung siehe ausführlich unten Vierter Teil A. III. 2. b) aa). 50 Statt vieler BGH, NVwZ 2003, 1149 (1150); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 189 f.; ders., in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 40 Rn. 250; Koenig / Haratsch, NJW 2003, 2637 (2641); F.-J. Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 58; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 7; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rn. 15; Reidt, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 Rn. 25 ff. Vgl. die ausdrückliche Regelung in § 28 Nr. 2 I VOB / A und VOL / A. Nur so sind auch die Bestimmungen des § 114 II 1 GWB und § 13 VgV verständlich (vgl. Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 19: „[§ 114 II] Satz 1 schreibt ein Prinzip des deutschen Vergaberechts fest. Mit dem Zuschlag wird das Vergabeverfahren beendet und zugleich der Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geschlossen.“). 51 Hermes, JZ 1997, 909 (914 f.); P. M. Huber, JZ 2000, 877 (882); Kopp, BayVBl. 1980, 609 (610 ff.); Triantafyllou, NVwZ 1994, 943 (946); Wittig, Wettbewerbs- und verfassungs-
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
von unabhängig stellt sich die Frage, ob der als Ergebnis des Vergabeverfahrens zustandekommende Austauschvertrag dem Privatrecht52 oder dem öffentlichen Recht53 zuzuordnen ist.
VI. Das Rechtsschutzsystem Das für die Rechtspraxis wichtigste Verdienst des VgRÄG besteht zweifellos darin, erstmals ein geschlossenes System vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes geschaffen zu haben; ihm widmet sich mit den §§ 102 – 124 GWB ein Großteil der neuen GWB-Vorschriften. Diese etablieren ein zweistufiges Nachprüfungsverfahren, das aus einem gerichtsähnlich ausgestalteten Verwaltungsverfahren vor den Vergabekammern des Bundes und der Länder (§§ 107 ff. GWB)54 und einem Beschwerdeverfahren vor den Vergabesenaten der Oberlandesgerichte (§§ 116 ff. GWB) besteht. Diese Vorschriften finden ihre materiell-rechtliche Grundlage in § 97 VII GWB, der den Unternehmen erstmals einen subjektiven Anspruch gegen den Auftraggeber auf Einhaltung der Vergabebestimmungen einräumt. Die in prozeßrechtlicher Hinsicht zentrale Regelung trifft § 104 II 1 GWB, wonach „Rechte aus § 97 VII sowie sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind,“ nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden können. Es setzt sich immer mehr die Auffassung durch, daß diese Norm sowohl bezüglich des Gegenstands als auch bezüglich des rechtlichen Maßstabs der Nachprüfung weit auszulegen ist: Auf der einen Seite erstreckt sich rechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 291 ff., 307 ff.; wohl auch Pünder, VerwArch 95 (2004), 38 (57 f. mit Fn. 108). 52 So die ganz h. M.: Statt vieler GmS-OGB, BVerwGE 74, 368 (370 ff.); BVerwGE 5, 325 (326 ff.); BGHZ 36, 91 (96); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 57; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 189 f.; ders., in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 40 Rn. 277; Kopp / Schenke, VwGO, § 40 Rn. 25b; F.-J. Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 57 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 7; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 362 ff.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 64 ff.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 22 Rn. 36, § 23 Rn. 19. Diese Einordnung dürfte jedenfalls bei einfachen Bedarfsdeckungsgeschäften zutreffend sein. 53 So Kopp, BayVBl. 1980, 609 ff.; Pernice / Kadelbach, DVBl. 1996, 1100 (1106); Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 149 ff.; Skouris, EuR 1998, 111 (119 ff.); Zuleeg, WiVerw 1984, 112 (115). Richtigerweise hängt die Beantwortung dieser Frage vom Gegenstand und Regelungskontext des jeweiligen Beschaffungsvorhabens ab und kann somit unterschiedlich ausfallen (vgl. Pieper, DVBl. 2000, 160, 161 ff.; zur vergaberechtlichen Bewertung öffentlich-rechtlicher Verträge siehe ausführlich unten Vierter Teil C. I. 2.). 54 Die beiden Vergabekammern des Bundes sind beim Bundeskartellamt eingerichtet (§ 106 I GWB). Eine Übersicht über die – unterschiedlichen Behörden zugeordneten – Vergabekammern der Länder ist in NZBau 2000, 283 f. dokumentiert.
A. Das Kartellvergaberecht im Überblick
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der Begriff des Vergabeverfahrens in zeitlicher Hinsicht ggf. von vorbereitenden Maßnahmen im Vorfeld einer Ausschreibung55 bis zur Entscheidung über die Aufhebung einer Ausschreibung56. Auf der anderen Seite schließt § 104 II 1 GWB auch die Geltendmachung außervergaberechtlicher Ansprüche nicht aus, sofern sie tatsächlich an ein Verhalten des Auftraggebers in einem Vergabeverfahren i. S. d. § 97 GWB anknüpfen.57 Die ebenfalls in § 104 II 1 GWB enthaltene Rechtswegbestimmung dürfte entgegen ihrem Wortlaut („nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht“) lediglich in bezug auf die Beschwerdegerichte eine abdrängende Sonderzuweisung i. S. d. § 40 I 1, 2. Hs. VwGO darstellen, da die Vergabekammern trotz der Unabhängigkeit ihrer Mitglieder (§ 105 I, IV 2 GWB) keine Gerichte, sondern Verwaltungsbehörden sind58. Für eine primäre Anrufung der Verwaltungsgerichte (oder der ordentlichen Gerichte außerhalb des Beschwerdeverfahrens) dürfte allerdings regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.59 Da § 115 I GWB die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit einem Suspensiveffekt verbindet (Zuschlagsverbot nach Zustellung eines Nachprüfungsantrags), bietet das Kartellvergaberecht nämlich einen überaus effektiven Primärrechtsschutz für unterlegene Bieter. § 114 I 1 GWB ermächtigt die Vergabekammer, alle geeigneten Maßnah-
55 Vgl. BayObLG, NZBau 2002, 397 (398); VergabeR 2003, 329 (332); VergabeR 2003, 563 (564); OLG Düsseldorf, NZBau 2001, 696 (698); NZBau 2003, 55 (57); NZBau 2004, 343; OLG Jena, VergabeR 2001, 52 (54); OLG Rostock, NZBau 2003, 457 (458); BKartA (1. VK Bund), WuW / E Verg 833 (834); VK Baden-Württemberg, NZBau 2002, 173 (175 f.); VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (607). Zustimmend Burgi, NZBau 2003, 16 (20); Byok, NJW 2004, 198 (204); Kling, NZBau 2003, 23 (25 ff.); Noch, VergabeR 2003, 566; C. Wagner, VergabeR 2002, 250. A. A. OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 (226 f.). 56 Vgl. im Anschluß an EuGH, Urt. v. 18. 06. 2002 – Rs. C-92 / 00 (Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungs-Gesellschaft mbH / Stadt Wien), Slg. 2002, I-5553 (5590 ff.), Rn. 29 ff.: BGH, NVwZ 2003, 1149 ff.; OLG Brandenburg, NZBau 2003, 229 (230); OLG Hamburg, ZfBR 2003, 186. Ebenso zuvor schon BKartA (1. VK Bund), NZBau 2000, 310 ff.; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 114 Rn. 17; ders., NZBau 2001, 244 (246). A. A. noch OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 306 ff.; OLG Dresden, WuW / E Verg 359 ff.; ZfBR 2003, 189 (190 f.); OLG Rostock, NZBau 2000, 597; OLG Hamburg, NZBau 2001, 460 ff. 57 Vgl. OLG Schleswig-Holstein, WuW / E Verg 269 (272 ff.); Bechtold, Kartellgesetz, § 104 Rn. 3; Dippel / Zeiss, NZBau 2002, 376 (377 f.); Kus, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 102 Rn. 23; Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 261. Zu möglichen Anspruchsgrundlagen siehe unten Erster Teil B. II. 58 Dies ergibt sich daraus, daß die Vergabekammern durch Verwaltungsakt entscheiden (§ 114 III 1 GWB), daß mindestens zwei ihrer Mitglieder Beamte sind (§ 105 II 2 GWB) und daß über ihre Einrichtung, Organisation und Besetzung auf Landesebene die Landesregierungen oder von ihnen bestimmte Stellen bestimmen (§ 106 II 1 GWB). 59 Ebenso Schumacher, Rechtsschutz im öffentlichen Auftragswesen, S. 118; Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 209. Teilweise a.A. Bechtold, Kartellgesetz, § 104 Rn. 3; Noch, WuW 1998, 1059 (1067 ff.); Stockmann, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 104 Rn. 12 ff.
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
men zu treffen, um eine festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Dieser weite Entscheidungsspielraum wird lediglich insoweit eingeschränkt, als § 114 II 1 GWB im Interesse der Rechtssicherheit anordnet, daß ein wirksam (d. h. ohne Verstoß gegen ein nichtigkeitsbewehrtes Zuschlagsverbot) erteilter Zuschlag nicht mehr aufgehoben werden kann.60 In diesem Fall ist die Vergabekammer auf die Feststellung einer Rechtsverletzung (§ 114 II 2 GWB) und der Antragsteller auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vor den ordentlichen Gerichten (§ 104 II 2 GWB i. V. m. §§ 126, 33 GWB, §§ 280 I, 241 II, 311 II, 823, 826 BGB) beschränkt.
B. Weitere Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten I. Das Haushaltsvergaberecht im Überblick Infolge der bereits erwähnten Zweiteilung des deutschen Vergaberechts sind öffentliche Aufträge, die die Schwellenwerte gem. § 100 I GWB i. V. m. § 2 VgV nicht erreichen, in vergaberechtlicher Hinsicht nur am Maßstab des öffentlichen Haushaltsrechts zu beurteilen. Vergaberechtliche Regelungen enthalten hier die §§ 30 HGrG, 55 I BHO sowie die entsprechenden Bestimmungen in den Haushaltsordnungen der Länder (z. B. § 55 I LHO NRW) und Gemeinden (z. B. § 31 I GemHVO NRW). Diese Normen schreiben weitgehend wortgleich vor, daß Verträgen über Lieferungen und Leistungen grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen muß, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Zu weit gehen dürfte die Auffassung, daß auch der Veräußerung von Vermögensgegenständen generell eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen müsse, um der Verpflichtung zur Veräußerung zum „vollen Wert“ (vgl. §§ 63 III 1 BHO, 63 III 1 LHO NRW, 90 I 2 GO NRW) und dem allgemeinen haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot (vgl. §§ 6 I HGrG, 7 I 1 BHO, 7 I LHO NRW, 75 II GO NRW) zu genügen.61 Die sehr allgemein gehaltene Ausschreibungsverpflichtung für Verträge über Lieferungen und Leistungen wird in § 55 II BHO und den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen (z. B. §§ 55 II LHO NRW, 31 II GemHVO NRW) dahingehend konkretisiert, daß hierbei nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren ist bzw. die von der Landesregierung bekanntgegebenen Vergabegrundsätze anzuwenden sind. Damit schlägt auch das Haushaltsrecht eine Brücke zu den Verdingungsordnungen; denn die in bezug genommenen Verwaltungsvorschriften des Bundes und der Länder verpflichten die Zur Reichweite dieser Bestimmung siehe unten Vierter Teil A. III. 2. b). Für eine analoge Anwendung der §§ 30 HGrG, 55 BHO insoweit Schubert, WuW 2001, 254 (258 f.); vorsichtiger Wellmann, NZBau 2002, 431 (432). 60 61
B. Weitere Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
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Vergabestellen zumeist auch unterhalb der Schwellenwerte zur Anwendung der sog. Basisparagraphen von VOB / A und VOL / A.62 Gleichwohl bleiben die Anforderungen des Haushaltsvergaberechts in verschiedener Hinsicht hinter denen des Kartellvergaberechts zurück: Zum einen unterliegen seinem personellen Anwendungsbereich unmittelbar nur die klassischen öffentlichen Auftraggeber Bund, Länder und Gemeinden sowie staatsunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. §§ 48 I HGrG, 105 I BHO, 105 I LHO NRW).63 Zum anderen stellen die Basisparagraphen der Verdingungsordnungen weniger strenge Anforderungen an das Vergabeverfahren, insbesondere indem sie in einer Reihe von Fallgruppen ganz auf ein förmliches Verfahren verzichten (sog. freihändige Vergabe; § 3 Nr. 1 III, Nr. 4 VOB / A bzw. VOL / A) und im übrigen lediglich eine nationale Bekanntmachung verlangen (§ 17 VOB / A bzw. VOL / A). Der wohl gravierendste Nachteil des Haushaltsvergaberechts aber liegt darin, daß seine Vorschriften als reines Innenrecht der Verwaltung keine unmittelbaren Rechtswirkungen gegenüber potentiellen Auftragnehmern entfalten. Ein § 97 VII GWB vergleichbarer Anspruch auf Einhaltung der Verdingungsordnungen kann sich allerdings aus Art. 3 I GG i. V. m. den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung ergeben64 und gem. Art. 19 IV 1 GG i. V. m. § 40 I 1, 1. Hs. VwGO vor den Verwaltungsgerichten eingeklagt werden65.
II. Ausschreibungspflichten außerhalb des Vergaberechts? Fraglich ist, ob Ausschreibungspflichten darüber hinaus auch aus Rechtsquellen außerhalb des eigentlichen Vergaberechts erwachsen können. Mit dieser Fragestellung sind unterschiedlichste Rechtsnormen angesprochen, namentlich der Grundrechte und gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten, des allgemeinen Wettbe62 Vgl. z. B. Land Nordrhein-Westfalen, Runderlaß des Innenministeriums v. 15. 06. 1993, SMBl. 6300, wonach die Basisparagraphen der VOB / A verbindliche Vergabegrundsätze sind, diejenigen der VOL / A aber nur zur Anwendung empfohlen werden. 63 Weitergehend Land Brandenburg, Runderlaß II Nr. 3 / 1996 v. 01. 04. 1996 – Az. II / 4 – 80 – 50 – 00 (zit. nach Pauly / Figgen / Hünnekens, Gemischtwirtschaftliche Entsorgungsunternehmen, S. 96 mit Fn. 181), wonach auch kommunal beherrschte Gesellschaften des Privatrechts zur Anwendung der Verdingungsordnungen verpflichtet sind. Verallgemeinernd Pauly / Figgen / Hünnekens, a. a. O., S. 96. 64 Vgl. BVerwGE 35, 159 (161 ff.); BGH, NJW 1998, 3636 (3638); Malmendier, DVBl. 2000, 963 (968); Marx, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß (Hrsg.), Das Recht der Auftragsvergabe, S. 145; Pietzcker, Die Zweiteilung des Vergaberechts, S. 14; Puhl, VVDStRL 60 (2000), 456 (478); Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 177 f. Eine den Verdingungsordnungen entsprechende Verwaltungspraxis wird durch die §§ 55 II BHO, 55 II LHO NRW, 31 II GemHVO NRW i. V. m. den normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften der Bundes- bzw. Landesregierung gleichsam antizipiert. 65 Vgl. Boesen, Vergaberecht, Einl. Rn. 159; P. M. Huber, JZ 2000, 877 (882); Puhl, VVDStRL 60 (2000), 456 (484).
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
werbs- und Kartellrechts sowie des europäischen Beihilferechts. Weil jede von ihnen eine Vielzahl offener Fragen auslöst, deren Erörterung den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen würde, beschränkt sich der folgende Überblick auf eine kurze Darstellung der wesentlichen in Rechtsprechung und Literatur genannten Erwägungen, ohne sich mit ihnen vertieft auseinanderzusetzen.
1. Grundrechte und Grundfreiheiten Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG verbietet dem Staat jede sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung seiner Bürger. Folglich trifft die Verwaltung überall dort, wo sie eine Auswahlentscheidung unter mehreren Interessenten treffen muß, ein Zwang zur sachlichen Rechtfertigung ihrer Entscheidungen,66 wovon nach heute herrschender Meinung auch das Handeln in privatrechtlichen Organisations- oder Handlungsformen einschließlich der sog. fiskalischen Hilfsgeschäfte nicht ausgenommen ist67. Aus der Erkenntnis heraus, daß die Effektivität des Grundrechtsschutzes maßgeblich von der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens abhängt, entspricht es heute allgemeiner Auffassung, daß die Abwehr- und Teilhabefunktion der Grundrechte durch eine gleichsam vorgelagerte Verfahrensgarantie ergänzt werden.68 Folglich ermöglicht Art. 3 I GG nicht nur eine Ex-postKontrolle des Auswahlergebnisses, sondern verlangt zugleich die Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens.69 Diese Erwägung bietet einen dogmatischen Ansatzpunkt für die Ableitung eines allgemeinen, verfassungsunmittelbaren Ausschreibungsgebots, wie es bereits vor Erlaß der EGVergaberichtlinien und Inkrafttreten des Kartellvergaberechts für das gesamte staatliche Beschaffungswesen angenommen wurde70. Innerhalb des Anwendungs66 Vgl. nur (zur Zulassung zu Märkten) BVerwG, NVwZ 1982, 194; OVG Niedersachsen, NVwZ 1983, 49 (50); Bayerischer VGH, NVwZ 1982, 120 (121). 67 Sog. Fiskalgeltung der Grundrechte. Vgl. nur OLG Brandenburg, NVwZ 1999, 1142 (1146); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 1 III Rn. 49; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 212 ff.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), a. a. O., Art. 3 Rn. 50; Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 94 f.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 28 f.; F.-J. Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 105 ff.; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 366 ff.; Puhl, VVDStRL 60 (2000), 456 (477 f.); Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 303 ff. 68 Vgl. nur BVerfGE 53, 30 (65); 61, 82 (115 ff.); 65, 76 (94); 69, 315 (355); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. vor Art. 1 Rn. 66 m. w. N. 69 Vgl. Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780 (782); Hermes, JZ 1997, 909 (913 f.); Puhl, VVDSTRL 60 (2000), 456 (479); Pünder, VerwArch 95 (2004), 38 (50); Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 320 f.; Willenbruch, Behörden Spiegel 6 / 2004, S. 26. 70 OLG Düsseldorf, DÖV 1981, 537 (539); NWVBl. 1994, 193 (195); Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 I Rn. 504; F.-J. Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und Öffentliches Recht, S. 159; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 318 ff. Vgl. zuletzt Pünder, VerwArch 95 (2004), 38 (50). A. A. Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (81),
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bereichs des Kartellvergaberechts dürfte für eine derartige Konstruktion unterdessen weder Bedarf noch die Möglichkeit einer selbständigen gerichtlichen Durchsetzung mehr bestehen. Anders verhält es sich bei Auftragsvergaben unterhalb der kartellvergaberechtlichen Schwellenwerte71 und sonstigen Auswahlentscheidungen wie der Veräußerung staatlicher Vermögenswerte72: Hier kann Art. 3 I GG weiterhin als Rechtsgrundlage für verwaltungsgerichtlich einklagbare Verfahrensrechte herangezogen werden, deren Reichweite allerdings nur im Einzelfall sinnvoll bestimmt werden kann und die jedenfalls keine generelle Verpflichtung zur Durchführung eines formalisierten Vergabeverfahrens nach den Regeln der Verdingungsordnungen mit sich bringt.73 Einer ähnlichen Argumentation bedient sich der EuGH bei der Anwendung des allgemeinen Diskriminierungsverbots gem. Art. 12 I EG. Ihm entnimmt der Gerichtshof eine „Verpflichtung zur Transparenz“, kraft derer zugunsten potentieller Bieter ein „angemessener Grad von Öffentlichkeit“ sichergestellt werden müsse, der den jeweiligen Markt dem Wettbewerb öffnet.74 Aus dieser Formulierung lassen sich zwei Folgerungen ziehen, welche die im Zusammenhang mit Art. 3 I GG geäußerten Einschätzungen auch in bezug auf Art. 12 I EG bestätigen: Erstens verlangt der EuGH, obwohl es um Beschaffungsvorgänge im weiteren Sinne ging, ausdrücklich weder eine öffentliche Ausschreibung noch ein anderweitig formalisiertes Vergabeverfahren.75 Zweitens ergibt sich aus den Entscheidungskontexten, daß das allgemeine Transparenzgebot lediglich eine Art Auffangtatbestand für bestimmte Sachverhalte bildet, die außerhalb des Anwendungsbereichs der EG-Vergaberichtlinien liegen, aber gleichwohl eine besondere Diskriminierungsgefahr in da bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht die Begünstigung des Bürgers, sondern der günstige Einkauf des Staates im Vordergrund stehe. 71 OLG Düsseldorf, WuW / E OLG 2274 (2280); Byok, NJW 1998, 2774 (2776); P. M. Huber, JZ 2000, 877 (880); Puhl, VVDStRL 60 (2000), 456 (479 f.). 72 Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780 (782); Krebs, ZIP 1990, 1513 (1522). 73 Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 218 f.; Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 380 f.; ders., Die Zweiteilung des Vergaberechts, S. 38 ff.; Zuleeg, WiVerw 1984, 112 (121). Tendenziell weitergehend Puhl, VVDStRL 60 (2000), 456 (484): „klagbare Beteiligungs- und Berücksichtigungsrechte [ . . . ] auf einem dem Vergaberechtsregime des GWB im Kern vergleichbaren Niveau“; Pünder, VerwArch 95 (2004), 38 (50 f.), der § 101 II, V GWB und § 30 HGrG i. V. m. den Verdingungsordnungen als Ausdruck der aus Art. 3 I GG hergeleiteten Ausschreibungsverpflichtung versteht. 74 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-275 / 98 (Unitron Scandinavia A / S u. a. / Ministeriet for Fødevarer, Landbrug og Fiskeri), Slg. 1999, I-8291 (8316), Rn. 31; Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10794), Rn. 60 – 62. Vgl. EuGH, Urt. v. 25. 04. 1996 – Rs. C-87 / 94 (Kommission / Belgien), Slg. 1996, I-2043 (2085), Rn. 54. 75 Vgl. auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 12, wonach die „Transparenz [ . . . ] auf jede geeignete Art und Wiese sichergestellt [werden] kann, auch durch Veröffentlichung, abhängig und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der betroffenen Sektoren“.
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
sich tragen.76 Ähnliche, aber jedenfalls keine weitergehenden Implikationen werden schließlich auch den Freiheitsrechten des Grundgesetzes, insbesondere der aus Art. 12 I GG abgeleiteten Wettbewerbsfreiheit,77 sowie – bei (potentiell) grenzüberschreitenden Sachverhalten – den speziellen Grundfreiheiten des EG-Vertrags (Art. 28 ff., 43 ff. und 49 ff. EG)78 entnommen.
2. Allgemeines Wettbewerbs- und Kartellrecht Aufmerksamkeit verlangt im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge auch das allgemeine Wettbewerbs- und Kartellrecht, welches unter verschiedenen Aspekten einschlägig sein kann. Die größte Bedeutung kommt insofern dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot gem. § 20 I, 2. Alt. GWB zu, wonach ein marktbeherrschendes Unternehmen79 andere, gleichartige Unternehmen im Geschäftsverkehr nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandeln darf. Die Voraussetzungen einer Marktbeherrschung i. S. d. § 19 II, III GWB werden bei staatlichen Verwaltungsträgern und öffentlichen Unternehmen in vielen Aufgabenbereichen, insbesondere im Bereich der noch weitgehend monopolistisch organisierten öffentlichen Daseinsvorsorge, gegeben sein. Im übrigen entspricht die Argumentation weitgehend der schon zu Art. 3 I GG vorgetragenen: Dementsprechend setzt die sachliche Rechtfertigung einer auf der Nichtberücksichtigung von Anbietern oder Nachfragern beruhenden Ungleichbehandlung voraus, daß der Begünstigte in einem angemessenen Auswahlverfahren ermittelt wurde.80 Hieraus wird vielfach geschlossen, daß der Staat praktisch alle „gewichtigeren“ Aufträge 76 In der Rechtssache C-275 / 98 ging es um die Vergabe von Aufträgen durch eine mit ausschließlichen Rechten ausgestattete, aber nicht als öffentlicher Auftraggeber anzusehende Einrichtung i. S. d. Art. 2 II LKR, in der Rechtssache C-324 / 98 um die Vergabe einer sog. Dienstleistungskonzession (dazu siehe unten Vierter Teil D. III.). Für eine Anwendung des Art. 12 I EG auf Auftragsvergaben unterhalb der kartellvergaberechtlichen Schwellenwerte Byok, NJW 1998, 2774 (2776); Puhl, VVDStRL 60 (2000), 456 (485). 77 P. M. Huber, JZ 2000, 877 (878 ff.); Malmendier, DVBl. 2000, 963 (968); Puhl, VVDStRL 60 (2000), 456 (481 ff.). Vgl. Zuleeg, WiVerw 1984, 112 (121) (Art. 3 I i. V. m. Art. 12 I GG). A. A. (unter Ablehnung eines Grundrechtseingriffs) Pietzcker, Die Zweiteilung des Vergaberechts, S. 22 ff. 78 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 10 f.; Puhl, VVDStRL 60 (2000), 456 (481 ff., 485); Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 23 ff. 79 Der kartellrechtliche Unternehmensbegriff erfaßt gem. § 130 I GWB auch öffentliche Unternehmen sowie nach h. M. auch staatliche Verwaltungsträger in ihren Wettbewerbsbeziehungen (vgl. BGHZ 66, 229, 237; Bechtold, Kartellgesetz, § 130 Rn. 4 f.; Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, Hrsg., GWB, § 130 I Rn. 13; Jungbluth, in: Langen / Bunte, Hrsg., Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 130 I Rn. 10; Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 236 ff.). 80 Vgl. KG, WuW / E OLG 5787 (5792); Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780 (783); Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 172.
B. Weitere Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
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ausschreiben müsse,81 wobei auch § 20 I, 2. Alt. GWB kein bestimmtes Vergabeverfahren vorschreibt, geschweige denn eine Bindung an die Vorschriften der Verdingungsordnungen begründet.82 Eigenständige Bedeutung hat die Norm deshalb vor allem für Auftragsvergaben unterhalb der kartellvergaberechtlichen Schwellenwerte, weil sie die Anwendung der kartellrechtlichen Sanktionsinstrumente gem. §§ 32 ff. GWB bei Verstößen gegen haushaltsrechtliche Vergabevorschriften ermöglicht,83 sowie für anderweitige Auswahlentscheidungen wie die Veräußerung staatlicher Vermögenswerte, wo sich das Diskriminierungsverbot unter Umständen zu einem selbständigen kartellrechtlichen Ausschreibungsgebot verdichten kann84. Vereinzelt geblieben ist eine Entscheidung des OLG Düsseldorf, in der die Gründung einer gemischtwirtschaftlichen 85 Entsorgungsgesellschaft als Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB gewertet wurde:86 Da der öffentlich-rechtliche Gründungsgesellschafter die ihm obliegenden Entsorgungsaufgaben zugleich umfassend auf die neue Gesellschaft übertragen hatte, beschränke deren Gründung sowohl den potentiellen Binnenwettbewerb unter den privaten Gesellschaftern, die sich ansonsten einem Ausschreibungswettbewerb um die Entsorgungsleistungen hätten stellen müssen, als auch den Außenwettbewerb der Gesellschaft, die ihrerseits ohne Ausschreibung in den Genuß des Entsorgungsmonpols ihres öffentlichen Gründungsgesellschafters gekommen sei. Diese Rechtsprechung begründet indes kein eigenständiges kartellrechtliches Ausschreibungsgebot, sondern führt im Ergebnis dazu, daß die Umgehung vergaberechtlicher Ausschreibungspflichten (deren vergaberechtliche Zulässigkeit in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben kann)87 auf kartellrechtlichem Wege sanktioniert wird. Eine vergleichbare Wirkungsweise liegt der teilweise befürworteten Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 1 UWG auf Vergabeentscheidun81 OLG Düsseldorf, DÖV 1981, 537 (539); Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 130 I Rn. 71; Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 1; Jungbluth, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 130 I Rn. 77. A. A. aufgrund der Annahme eines Anwendungsvorrangs der Art. 3 I, 12 I GG (dazu siehe oben Erster Teil B. II. 1.) P. M. Huber, JZ 2000, 877 (881). 82 Pietzcker, AöR 107 (1982), 61 (82). Weitergehend Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 244 ff., der allerdings nicht klar zwischen der Begründung einer originär kartellrechtlichen Ausschreibungspflicht und der bloßen „Verstärkung“ anderweitig, z. B. haushalts- oder kartellvergaberechtlich, begründeter Ausschreibungspflichten differenziert. 83 Vgl. Puhl, VVDStRL 60 (2000), 456 (486); Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 246 ff. 84 Vgl. Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780 (783); Tomerius, NVwZ 2000, 727 (734). 85 Zur Terminologie siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. b). 86 OLG Düsseldorf, NWVBl. 1994, 193 (194 f.). Dazu ausführlich und zustimmend Engel, Gemischtwirtschaftliche Abfallentsorgung, S. 31 ff.; Pauly / Figgen / Hünnekens, Gemischtwirtschaftliche Entsorgungsunternehmen, S. 133 ff., Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 258 ff. 87 Dazu siehe ausführlich unten Vierter Teil A. II. 2. c).
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
gen öffentlicher Auftraggeber zugrunde. Insofern wird die Auffassung vertreten, daß jeder Verstoß gegen Vergabevorschriften zugleich eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung enthalte, weil der öffentliche Auftraggeber dem Zuschlagsempfänger einen „Vorsprung durch Rechtsbruch“ verschaffe.88 Die Richtigkeit dieser These hängt von der Beantwortung der Vorfrage ab, ob die Vergabevorschriften (des Kartell- bzw. Haushaltsvergaberechts) unmittelbar wettbewerbsbezogene Normen i. S. d. UWG darstellen. Auch hierbei geht es freilich nicht um die Begründung zusätzlicher Ausschreibungspflichten, sondern lediglich um die Möglichkeit einer wettbewerbsrechtlichen Sanktionierung von Vergaberechtsverstößen. Diese Frage kann bei Auftragsvergaben unterhalb der kartellvergaberechtlichen Schwellenwerte von größter Bedeutung sein, weil ihre Bejahung den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnen und somit Verstöße gegen das Haushaltsvergaberecht ohne weitere Voraussetzungen (wie etwa die einer marktbeherrschenden Stellung i. S. d. § 20 I GWB) justiziabel machen würde.89
3. Europäisches Beihilferecht Schließlich rücken Ausschreibungsverfahren – als Methode zur Wettbewerbssicherung im europäischen Binnenmarkt – zunehmend in den Fokus des europäischen Beihilferechts. Art. 87 I EG erklärt staatliche Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen, für grundsätzlich unzulässig. Eine Begünstigung ist immer dann anzunehmen, wenn ein Unternehmen eine staatliche Leistung ohne angemessene, d. h. marktübliche, Gegenleistung erhält (sog. „market economy investor test“). Folglich liegt in Höhe der Preisdifferenz zwischen der von dem Unternehmen tatsächlich erbrachten und der marktüblichen Gegenleistung eine staatliche Beihilfe vor.90 Die Europäische Kommission geht in inzwischen ständiger Spruchpraxis davon aus, daß eine Trans88 Vgl. LG Hamburg, ZVgR 1999, 169 (172); Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 261 ff. A. A. OLG Düsseldorf, WuW / E Verg 197 (203); OLG Stuttgart, NZBau 2002, 395 (396). 89 Eine vergleichbare Problematik beschäftigt Rechtsprechung und Literatur seit langer Zeit im Zusammenhang mit Verstößen gegen die kommunalrechtlichen Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden (dazu siehe zuletzt, einen Verstoß gegen § 1 UWG zu Recht ablehnend, BGH, JZ 2003, 315 ff. mit zustimmender Anmerkung Ehlers; a.A. noch BGH, DVBl. 1965, 362, 363; OLG Düsseldorf, NWVBl. 1997, 353, 354; OLG Hamm, JZ 1998, 576, 577; ausführlich zum Ganzen statt vieler Kluth, Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme, S. 96 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 389 ff.). 90 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 21. 03. 1991 – Rs. C-305 / 89 (Italien / Kommission), Slg. 1991, I-1603 (1640), Rn. 19; K. Bauer, EuZW 2001, 748 (749); Dippel / Zeiss, NZBau 2002, 376 (377); Koenig / Kühling, DVBl. 2003, 289 (290); Mederer, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 2 / II, Art. 92 Rn. 6; Pünder, NZBau 2003, 530 (531); Wittig, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Probleme des Vergaberechts, S. 30; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 184.
B. Weitere Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
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aktion in der Regel keine Beihilfeelemente enthält und folglich nicht gem. Art. 88 III EG notifiziert werden muß, wenn ihr ein hinreichend publiziertes, allgemeines und bedingungsfreies Bietverfahren vorausgegangen ist: Nachdem die Kommission diese Grundsätze zunächst für die Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden91 sowie die (ohne Börsengang erfolgende) Veräußerung öffentlicher Unternehmen92 entwickelt hat, wendet sie sie inzwischen auch auf den Erwerb und die Vermietung von Immobilien93, auf die Gewährung von Fördermitteln für Infrastrukturprojekte94 sowie auf Kompensationsleistungen für die Erbringung von sog. „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“95 an. Im Schrifttum wird diese Kommissionspraxis als Ausdruck eines verallgemeinerungsfähigen Gedankens interpretiert und ihre Übertragung auf weitere Transaktionsformen und -gegenstände, namentlich in den Bereichen der formellen und funktionalen Privatisierung, befürwortet.96 Eine Ausschreibungspflicht wird man hieraus nicht ableiten können, zumal die Kommission die Ermittlung des Marktwerts durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten als grundsätzlich gleichwertige Alternative anerkennt97. Da letz-
91 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand v. 10. 07. 1997, ABl. 1997, C 209, S. 3, Ziff. II 1 (sog. Grundstücksmitteilung). Dazu ausführlich Koenig / Kühling, NZBau 2001, 409 ff.; Willenbruch, Behörden Spiegel 6 / 2004, S. 26. 92 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung gem. Art. 93 II EGV (Portugal), ABl. 1993, C 253, S. 3 f.; Entscheidung v. 11. 04. 2000 (Centrale del Latte di Roma), ABl. 2000, L 265, S. 15 (23). Vgl. auch EuGH, Urt. v. 20. 09. 2001 – Rs. C-390 / 98 (H. J. Banks & Co. Ltd / The Coal Authority u. a.), Slg. 2001, I-6117 (6173), Rn. 77. Speziell zur Veräußerung von Unternehmensanteilen H. Berger, ZfBR 2002, 134 (137 f.). 93 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme gem. Art. 88 II EG (Dessauer Geräteindustrie), ABl. 1999, C 213, 12 (16); Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme nach Art. 88 II EG (Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH), ABl. 1999, C 280, S. 8 (10). 94 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Entscheidung v. 08. 12. 1999, N 412 / 98 (Güterverkehrssektor Italien) (zit. nach Koenig / Kühling, DÖV 2001, 881, 888 Fn. 62); Entscheidung v. 09. 04. 2002, N 610 / 01 (Tourismusförderprogramm Baden-Württemberg) (zit. nach Koenig / Kühling, DVBl. 2003, 289, 290 Fn. 3). 95 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung „Leistungen der Daseinsvorsorge“, ABl. 2001, C 17, S. 4 (8 f.), Rn. 26; Entscheidung v. 22. 03. 1999, NN 70 / 98 (Kinderkanal und Phoenix), Ziff. 6.1.1 (zit. nach Bartosch, WuW 2001, 673, 676). Dazu ausführlich Koenig, EuZW 2001, 741 (744 f.); ders. / Kühling, DVBl. 2003, 289 (292 ff.). 96 Vgl. Gas / Rücker, DÖV 2004, 56 (62 f.); Koenig, EuZW 2001, 741 (745 f.); Reuter, ZIP 2002, 737 (742 ff.); Schubert, WuW 2001, 254 (260 f.). Speziell zur Beauftragung verwaltungseigener und gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen Zeiss, ZfBR 2002, 456 (459); ders., NWVBl. 2003, 165 ff.; speziell zur Beleihung ders., DVBl. 2003, 435 (437 f.). Zur Terminologie siehe unten Zweiter Teil B. III. 1. und 2. 97 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand v. 10. 07. 1997, ABl. 1997, C 209, S. 3, Ziff. II 2 a; Entscheidung v. 11. 04. 2000 (Centrale del Latte di Roma), ABl. 2000, L 265, S. 15 (23).
4 Hüser
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Erster Teil: Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
tere Methode eine zuverlässige Wertermittlung aber nicht in jedem Fall ermöglicht, besteht gleichwohl eine gewisse Präferenz zugunsten des Ausschreibungsverfahrens.98 Zu weit geht unterdessen der Versuch der Kommission, die bisher praktizierte „negative Beihilfevermutung“ in eine „positive Beihilfevermutung“ umzuformulieren, wenn Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse übertragen werden, ohne daß zuvor ein entsprechendes Bietverfahren stattgefunden hat99. Eine derartige Beweislastumkehr widerspricht nicht nur dem im Beihilfeverfahren nach Art. 88 I, II EG geltenden Amtsermittlungsgrundsatz, sondern führt praktisch zu dem Ergebnis, daß der Staat gezwungen wäre, Zuwendungen jeglicher Art öffentlich auszuschreiben – sei es direkt nach den Vorschriften der EG-Vergaberichtlinien oder indirekt über das Instrument der europäischen Beihilfenkontrolle.100 Auch die neuere Rechtsprechung des EuGH erkennt grundsätzlich die Möglichkeit eines Tatbestandsausschlusses ohne Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens an.101 Unabhängig vom Vorzeichen der Beihilfevermutung besteht zudem erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Ausgestaltung eines beihilferechtlich motivierten Ausschreibungsverfahrens: Wenngleich die Vielgestaltigkeit und Eigenarten der einschlägigen Fallgruppen eine vergleichbar strenge Formalisierung wie die EG-Vergaberichtlinien (respektive das deutsche Kartellvergaberecht) nicht zulassen,102 zeichnet sich dennoch eine gewisse Konvergenz
98 K. Bauer, EuZW 2001, 748 (749); H. Berger, ZfBR 2002, 134 (137); Koenig, EuZW 2001, 741 (742 f.); Zeiss, ZfBR 2002, 456 (459); ders., DVBl. 2003, 435 (438). Die Antizipation des üblichen Marktwerts durch ein Sachverständigengutachten setzt eine verbindliche und öffentlich anerkannte Definition objektiver Bewertungsstandards voraus (Koenig, a. a. O., 741 f.) und kann sich insbesondere bei der Bewertung von Unternehmen als sehr kompliziert erweisen (Bartosch, WuW 2001, 673, 676; Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780, 782). 99 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Entscheidung v. 22. 03. 1999, NN 70 / 98 (Kinderkanal und Phoenix), Ziff. 6.1.1 (zit. nach Bartosch, WuW 2001, 673, 676 f.); Entscheidung v. 08. 09. 1999 (Stardust Marine), ABl. 2000, L 206, S. 6 (18 ff.), Rn. 59 ff. Vgl. auch GA Colomer, Schlußanträge v. 24. 01. 2002 – Rs. C-334 / 99 (Deutschland / Kommission), Slg. 2003, I-1139 (1170 f.), Rn. 67 ff. Eine solche Vermutung hat zur Folge, daß die Notifizierungspflicht gem. Art. 88 III EG eingreift und sich die Prüfung auf das Vorliegen der Bereichsausnahme gem. Art. 86 II EG verlagert, für deren Voraussetzungen der Mitgliedstaat darlegungspflichtig ist (vgl. Bartosch, WuW 2001, 673, 678 f.). 100 Bartosch, WuW 2001, 673 (678). Kritisch auch Koenig / Kühling, DVBl. 2003, 289 (297); Pünder, NZBau 2003, 530 (534). Hierdurch würden die Art. 87 f. EG gleichsam zu einem Auffangtatbestand für die EG-Vergaberichtlinien (Schubert, WuW 2001, 254, 260). Für eine allgemeine, beihilferechtlich begründete Ausschreibungspflicht für Leistungen der Daseinsvorsorge hat sich Jennert (NVwZ 2004, 425, 427) ausgesprochen. 101 Vgl. EuGH, Urt. v. 22. 11. 2001 – Rs. C-53 / 00 (Ferring SA / Agence centrale des organismes de sécurité sociale), Slg. 2001, I-9067 (9109 f.), Rn. 23 ff.; Urt. v. 24. 07. 2003 – Rs. C-280 / 00 (Altmark Trans GmbH u. Regierungspräsidium Magdeburg / Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH), EuZW 2003, 496 (502), Rn. 93. 102 K. Bauer, EuZW 2001, 748 (751). Vgl. auch die geringeren Anforderungen der sog. Grundstücksmitteilung (Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand v. 10. 07. 1997, ABl. 1997, C 209, S. 3, Ziff. II 1). Vgl. andererseits Reuter,
B. Weitere Rechtsquellen von Ausschreibungspflichten
51
der beihilfe- und vergaberechtlichen Anforderungen an das Ausschreibungsverfahren ab, da die beihilferechtlichen Erfordernisse der Wettbewerbsoffenheit, Transparenz und Diskriminierungsfreiheit mit den allgemeinen Steuerungsprinzipien des Vergaberechts übereinstimmen (vgl. § 97 I, II GWB).103
ZIP 2002, 737 (745 f.), der – in bezug auf die Projektfinanzierung öffentlicher Aufgaben – die beihilferechtlichen Anforderungen für höher hält. 103 Koenig / Kühling, DVBl. 2003, 289 (297 f.); dies., NVwZ 2003, 779 (780). Vgl. auch Ehricke, ZIP 2001, 489 (494). Näher zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen K. Bauer, EuZW 2001, 748 (751 ff.); H. Berger, ZfBR 2002, 134 (138); Koenig, EuZW 2001, 741 (745 ff.); ders. / Kühling, NZBau 2001, 409 (410 ff.); dies., NVwZ 2003, 779 (781 ff.). 4*
Zweiter Teil
Privatisierung öffentlicher Aufgaben A. Terminologische Grundlagen Im öffentlichen Sprachgebrauch wie im fachwissenschaftlichen Diskurs herrscht beim Thema „Privatisierung öffentlicher Aufgaben“ nicht selten eine gewisse terminologische Verwirrung: Bezogen auf den Vorgang der Privatisierung ist festzustellen, daß der Privatisierungsbegriff mitunter zu einem bloßen Schlagwort, ja einer politischen Kampfvokabel, degeneriert ist,1 die mit beliebig erscheinenden Inhalten gefüllt und zudem mit einem breiten Repertoire an weiteren Vokabeln in Verbindung gebracht wird. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich dabei die Anglizismen „Public Private Partnership“ und „Outsourcing“, das Begriffspaar „Deregulierung“ und „Liberalisierung“ sowie der Begriff der „Entstaatlichung“. Ein unrühmliches Beispiel gibt ausgerechnet § 7 I 2 BHO als bisher einzige bundesgesetzliche Adaption des Privatisierungsbegriffs, der die Begriffe „Ausgliederung“, „Entstaatlichung“ und „Privatisierung“ in einem Atemzug erwähnt, ohne auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür zu liefern, wie und in welchem Verhältnis zueinander der Gesetzgeber sie verstanden wissen will.2 Aber auch bezogen auf den Gegenstand der Privatisierung sollte angesichts abweichender Begriffsinhalte Klarheit darüber herrschen, wann man (wie im Titel dieser Arbeit) von „öffentlichen Aufgaben“ spricht und wann von „Staatsaufgaben“ bzw. „Verwaltungsaufgaben“.
I. Der Vorgang der Privatisierung 1. Terminologische Abgrenzungen Bei dem Ausdruck Public Private Partnership (abgekürzt: PPP) handelt es sich um ein – nicht zuletzt in vergaberechtlichen Zusammenhängen beliebtes3 – Mode1 Kämmerer, Privatisierung, S. 17; Peine, DÖV 1997, 353 (354). Vgl. auch Ehlers, DVBl. 1997, 137. 2 Kritisch auch Kämmerer, Privatisierung, S. 8 f., der der Norm – auch unter Hinweis auf das Paradoxon der von ihr verlangten „Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Entstaatlichung“ – zu Recht eine weitgehende Subsumtionsuntauglichkeit attestiert.
A. Terminologische Grundlagen
53
wort, das zur Umschreibung der unterschiedlichsten Formen der Kooperation und Koordination zwischen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträgern und privatwirtschaftlichen Rechtssubjekten dient4. Eine allgemein anerkannte juristische Definition existiert bisher nicht: Während Public Private Partnerships teilweise mit gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen identifiziert werden (PPP im engeren Sinne),5 verstehen andere darunter einen Sammelbegriff, der sich auch auf außerhalb gesellschaftsrechtlicher Verbindungen liegende Kooperationsformen – von schuldrechtlichen Leistungsaustauschbeziehungen bis hin zu informellen Verständigungsformen – erstreckt (PPP im weiteren Sinne).6 Auch nach Lesart der Europäischen Kommission „bezeichnen öffentlich-private Partnerschaften sämtliche Formen der Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zum Zweck der Erbringung von Dienstleistungen für die Öffentlichkeit“.7 3 Vgl. nur Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11. 03. 1998, KOM (98) 143 endg, BT-Drs. 13 / 11160, S. 10; Arrowsmith, CMLR 37 (2000), 709 ff.; Dreher, NZBau 2002, 245 ff.; Frenz, DÖV 2002, 186 (187); Gröning, ZIP 2001, 497 ff.; Horn, LKV 1996, 81; Jaeger, NZBau 2001, 6 ff.; Jennert, ZKF 2001, 248 ff.; Kullack, BBauBl 2 / 2001, 50, und 3 / 2001, 56; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 54; Noack, ZVgR 2000, 189 ff.; Schröder, NJW 2002, 1831 ff.; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H IV Rn. 115; Stickler, VergabeR 2002, 49. 4 H. Bauer, DÖV 1998, 89 Fn. 1; Brüning, NWVBl. 1997, 286 (287); Dreher, NZBau 2002, 245 (246); Gas / Rücker, DÖV 2004, 56; Nickel / Kopf, ZfBR 2004, 9 (10); Stober, DÖV 2000, 261; Tettinger, DÖV 1996, 764. Kritisch zu den diversen Definitionsversuchen aus ökonomischer Sicht Budäus / Grüning, in: Budäus / Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership, S. 25 (46 ff.). 5 Vgl. Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 19 Rn. 2; Ehlers, DVBl. 1997, 137 (139); Habersack, ZGR 1996, 544 (545 f.); Jaeger, NZBau 2001, 6 (7); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 29; Püttner, LKV 1994, 193 (195); Queitsch, UPR 2000, 247 (251); Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 1; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H IV Rn. 115; Zacharias, DÖV 2001, 454 (456); Zeiss, ZfBR 2002, 456. Dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. b). 6 Tettinger, DÖV 1996, 764 (765). Vgl. auch Cronauge, Kommunale Unternehmen, S. 225; Dreher, NZBau 2002, 245 (246 f.); Ehlers, DVBl. 1998, 497 (506); Horn, LKV 1996, 81; Kullack, BBauBl 2 / 2001, 50; Noack, ZVgR 2000, 189; Ortlieb, WuW 2003, 146 (147); Püttner, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 2, S. 3404; Schröder, NJW 2002, 1831; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, §§ 26 II, 40 II, 41; ders., DÖV 2000, 261. Zu der Differenzierung zwischen engem und weitem PPP-Begriff siehe Budäus / Grüning, in: Budäus / Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership, S. 25 (54). 7 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Leistungen der Daseinsvorsorge, Bericht für den Europäischen Rat in Laeken v. 17. 10. 2001, KOM (2001) 598 endg, Rn. 37. Ähnlich heißt es im Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen v. 30. 04. 2004, KOM (2004) 327 endg, Rn. 1: „Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und Privatunternehmen zwecks Finanzierung, Bau, Renovierung, Betrieb oder Unterhalt einer Infrastruktur oder die Bereitstellung einer Dienstleistung“; enger noch in der Mitteilung „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11. 03. 1998, KOM (98) 143 endg, BT-Drs. 13 / 11160, S. 10: „die verschiedenen Formen der Kapitalbeteiligung an
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Wenngleich Public Private Partnerships in Deutschland Gegenstand einer – verschiedenste Rechtsgebiete betreffenden – legislativen Initiative sind8 und die Europäische Kommission eigens ein „Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ vorgelegt hat,9 sind Public Private Partnerships als solche nicht Gegenstand des geltenden Vergaberechts. Da sich die meisten der unter diesem Stichwort diskutierten Sachverhalte rechtssystematisch in die – noch zu erörternde – Kategorie der funktionalen Privatisierung einordnen lassen,10 bietet der Begriff Public Private Partnership jedenfalls keinen hierüber hinausgehenden Erkenntnisgewinn.11 Damit ist er zu Typisierungszwecken unbrauchbar und für die vorliegende Untersuchung insgesamt verzichtbar. Nicht minder modern klingt der Terminus Outsourcing, der im rechtswissenschaftlichen Schrifttum – wenn überhaupt – zumeist als Synonym des deutschen Begriffs „Ausgliederung“ verwendet wird.12 Abgesehen von dem spezifischen Ausgliederungsbegriff des Umwandlungsgesetzes13 versteht man darunter allgemein die organisatorische Verselbständigung eines Teils einer Gesamtorganisation.14 Im Kontext der Organisation öffentlicher Aufgaben erscheint es allenfalls naheliegend, begrifflich aber keineswegs zwingend, daß ein solcher Vorgang mit der Einschaltung von privaten oder privatrechtlich organisierten Rechtssubjekten der Finanzierung und Verwaltung öffentlicher Infrastrukturen und Leistungen des öffentlichen Sektors“. 8 Vgl. Behörden Spiegel 8 / 2003, S. 1, wo weitgehend synonym zu dem verbreiteten Kürzel „PPP“ (für Public Private Partnership) die Abkürzungen „ÖPP“ (für öffentlich-private Partnerschaft) und „PFI“ (für Private Finance Initiative) verwendet werden. 9 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen v. 30. 04. 2004, KOM (2004) 327 endg. Die darin enthaltenen Aussagen über die vergaberechtlichen Determinanten der Bildung und Unterhaltung „öffentlich-privater Partnerschaften“ sind in den zentralen Streitfragen schwammig und leisten kaum einen über die national geführte Diskussion hinausweisenden Beitrag. 10 Dreher, NZBau 2002, 245 (247); Koenig / Kühling, DÖV 2001, 881 (885); Stollmann, DVBl. 1999, 183 (186). Vgl. aber auch Nickel / Kopf, ZfBR 2004, 9 (10) (von der formalen bis zur materiellen Privatisierung); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 41 (Fälle der materiellen und funktionalen Privatisierung); Tettinger, DÖV 1996, 764 f. (Vor- und Zwischenformen der materiellen und formellen Privatisierung). Zur funktionalen Privatisierung siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. 11 Burgi, GewArch 2001, 217 (218); ders., NVwZ 2001, 601 (602); Kämmerer, Privatisierung, S. 58; Mayen, DÖV 2001, 110 (111). Vgl. auch Budäus / Grüning, in: Budäus / Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership, S. 25 (54). 12 Vgl. nur Kniesel / Scheerbarth, Der Städtetag 4 / 1998, 340 (342); Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V. Unklar Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H IV Rn. 111. 13 § 123 III UmwG ermöglicht (als Unterform der Spaltung) die Übertragung von Vermögensteilen eines Rechtsträgers auf einen anderen (aufnehmenden oder neuzugründenden) Rechtsträger gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften. 14 Kämmerer, Privatisierung, S. 53.
A. Terminologische Grundlagen
55
einhergeht:15 Obwohl der Begriff „Ausgliederung“ damit weiter und offener erscheint als der Begriff der Privatisierung, wird er gerade zu dem Zweck herangezogen, einzelne Privatisierungsformen zu umschreiben.16 In dieser Mehrdeutigkeit teilt das Begriffspaar Outsourcing / Ausgliederung weitgehend das Schicksal der Public Private Partnership. Im folgenden findet es daher entweder in einer näher spezifizierten Weise oder aber in einem nur untechnischen Sinne Verwendung. Der Begriff der Deregulierung erschließt sich von seinem Gegenbegriff aus: Regulierung kann im weitesten Sinne als Gesamtheit des rechtlichen Instrumentariums zur Steuerung des Verhaltens privater Wirtschaftssubjekte verstanden werden.17 Wenn der Staat auf den Einsatz regulierender Eingriffe in den Wettbewerb verzichtet, ist damit zwar regelmäßig ein Zuwachs an Privatautonomie und folglich eine Liberalisierung der Märkte verbunden.18 Ein Zusammenhang mit der Privatisierung öffentlicher Aufgaben besteht aber allenfalls insoweit, als die Deregulierung bzw. Liberalisierung Bezug auf eine vorhergehende staatliche Eigentätigkeit nimmt.19 Dies ist z. B. beim Abbau staatlicher Monopole der Fall, der sich impulsgebend für nachfolgende Privatisierungsmaßnahmen auswirken kann.20 Umgekehrt haben Privatisierungsmaßnahmen regelmäßig keinen Einfluß auf den Umfang der unternehmerischen Reglementierungen,21 sondern werden mitunter sogar durch eine Erhöhung der Regelungsdichte „kompensiert“.22 Auf ähnliche 15 So Püttner, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 2, S. 3150. Wie hier hingegen Kämmerer, Privatisierung, S. 53. Wirtschaftlich motivierte Ausgliederungen öffentlicher Aufgaben auf Unternehmen in öffentlich-rechtlicher Form werden von Lee (Privatisierung als Rechtsproblem, S. 28) als „Corporatization“ bezeichnet. 16 Während Holoubek (ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 1 f.) formelle bzw. Organisationsprivatisierungen als „Ausgliederung“ bezeichnet, identifizieren Jaeger (NZBau 2001, 6, 7) und Kniesel / Scheerbarth, Der Städtetag 4 / 1998, 340, 342) bestimmte Formen der funktionalen Privatisierung (dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2.) als „Outsourcing“. In einem denkbar weiten Sinne hingegen Eilmansberger, JBl 2001, 562 f., wo sich „Ausgliederung“ sowohl als Synonym oder Unterbegriff wie auch als Gegenbegriff zu „Privatisierung“ verstehen läßt. 17 Peine, DÖV 1997, 353 (355); R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, AT, S. 48 m. w. N. Näher zum Begriff Deregulierung siehe Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 289 ff.; Möschel, JZ 1988, 885 (888 ff.). 18 Möschel, JZ 1988, 885 (888); Stober, DÖV 1995, 125 (126). 19 Vgl. Burgi, NVwZ 2001, 601 (602), der zu Recht darauf hinweist, daß dieser Bezug nicht notwendig gegeben ist. Vgl. im Ergebnis auch Peine, DÖV 1997, 353 (355); Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (211). A. A. wohl Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 5; Ewers / Rodi, Privatisierung der Bundesautobahnen, S. 13 f., welche die Deregulierung als „indirekte“ bzw. „implizite“ Privatisierung bezeichnen. 20 Dieses Phänomen läßt sich etwa am Beispiel der Börsengänge der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost beobachten. Vgl. Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 36; Schroeder, EWS 2002, 174 (176 f.), der Privatisierung insoweit als „funktionale Nebenfolge“ der Liberalisierung beschreibt. 21 Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 290; R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, AT, S. 51. Wenn Möschel (JZ 1988, 885, 888) die Privatisierung als Unterfall der Deregulierung begreift, setzt er voraus, daß die Regulierung gerade in staatlicher Eigentätigkeit besteht; nur in diesem Fall überschneiden sich die beiden Phänomene.
56
Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Schwierigkeiten stößt man im Umgang mit dem – teilweise als Synonym zur Privatisierung gebrauchten23 – Begriff der Entstaatlichung: Selbst wenn man diesen nicht in einem engen, wörtlichen Sinne als vollständigen Rückzug des Staates aus einer bestimmten öffentlichen Aufgabe – vor dem Hintergrund des Dualismus zwischen Staat und Gesellschaft also gleichsam als „Vergesellschaftung“24 – versteht, setzt er zumindest eine Senkung der sog. Staatsquote voraus, was für eine große Gruppe der allgemein als Privatisierung behandelten Sachverhalte jedoch nicht zutrifft.25 Zur Vermeidung von Mißverständnissen finden daher auch die Begriffe Deregulierung, Liberalisierung und Entstaatlichung in der folgenden Untersuchung keine Verwendung.
2. Der Begriff der Privatisierung Vor diesem Hintergrund kann eine terminologisch sinnvolle Bestimmung der einzelnen Untersuchungsgegenstände dieser Arbeit allein bei dem Terminus Privatisierung ansetzen. Indessen existiert auch hierfür keine einheitliche und umfassende Definition. Zu befreien ist er zunächst von all jenen Aspekten, die den internen Bereich öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns nicht verlassen: Dies betrifft sowohl die unter den Stichworten „New Public Management“ und „Lean Administration“ entwickelten und im sog. Neuen Steuerungsmodell verwirklichten Reformstrategien zur Verwaltungsmodernisierung als auch die Formen des sog. kooperativen und informellen Verwaltungshandelns.26 Doch auch danach verbleiben zahlreiche Phänomene, die in der juristischen Literatur unter die Sammelbezeichnung Privatisierung subsumiert werden, wobei die Aufmerksamkeit besonders den 22 Vgl. Baumann, DÖV 2003, 790 (796); Kämmerer, Privatisierung, S. 55; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 27; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 17. Dazu kommt es insbesondere im Falle einer sog. „unechten“ Aufgabenprivatisierung [siehe unten Zweiter Teil B. III. 3. b)]. 23 Di Fabio, JZ 1999, 585; Görgmaier, DÖV 1977, 356 ff. 24 Dieser Begriff wird hier freilich in entgegengesetztem Sinne zum (dem Sozialismus entlehnten) Sprachgebrauch von Art. 15 GG, der eigentlich die Zulässigkeit einer „Verstaatlichung“ von Eigentum regelt, gebraucht. 25 Das betrifft zumindest die formelle Privatisierung (dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 1.), da publizistische Privatrechtsvereinigungen nicht der gesellschaftlichen, sondern weiterhin der staatlichen Sphäre zuzuordnen sind (a.A. offenbar Kämmerer, Privatisierung, S. 54 mit Fn. 187). Vgl. auch Weiß, DVBl. 2002, 1167 (1182). 26 Vgl. N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 114; Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen in Deutschland, S. 44. Zum ersten Komplex siehe nur Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 2 ff.; Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen; zum zweiten Komplex Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 14 ff. Auch wenn hierdurch ähnliche Erfolge wie bei einer formellen Privatisierung erzielt werden können (Lange, DÖV 2001, 898, 899), kann ein diese Vorgänge einbeziehender Begriff der „Privatisierung im weitesten Sinne“ (Knemeyer, WiVerw 1978, 65, 66) heute als überwunden gelten.
A. Terminologische Grundlagen
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Übergangs- und Zwischenformen gilt:27 Organisationsprivatisierung, Privatisierung der Handlungsformen öffentlicher Verwaltung, echte Aufgabenprivatisierung, unechte Aufgabenprivatisierung, Privatisierung der Aufgabenerledigung, Beleihung, Privatisierung der Finanzierung öffentlicher Aufgaben, mittelbare Aufgabenprivatisierung, Privatisierung erwerbswirtschaftlicher Staatsbetätigung, das sog. Gutscheinsystem28, in jüngster Zeit ferner Verfahrensprivatisierung29 und Kostenprivatisierung30. Gemeinsam ist ihnen die – sich in welcher Form und in welchem Maße auch immer vollziehende – staatlich veranlaßte31 Verlagerung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben von staatlichen Institutionen auf Rechtssubjekte des privaten Rechts.32 Dabei bezeichnet der Ausdruck „Privatisierung“ sowohl den aktuel-
27 Vgl. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 27. Die ersten neun Punkte der folgenden Aufzählung folgen Krölls, GewArch 1995, 129 (130 ff.), und Peine, in: Hoffmann-Riem / J.-P. Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 95 (97 ff.). Wahl (in: Gusy, Hrsg., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 260, 266 ff.) weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die Überwindung traditioneller Dichotomien hin. 28 Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 9; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 169; Monopolkommission, 9. Hauptgutachten 1990 / 91, BT-Drs. 12 / 3031, Rn. 44; Möschel, JZ 1988, 885 (887); ders., WuW 1997, 120 (121); Schoch, DVBl. 1994, 962 (974). Dabei handelt es sich um eine, durch die Subjektförderung privater Nachfrager vermittelte, indirekte Subventionierung privater Anbieter, welche ihrerseits öffentliche Aufgaben erfüllen (vgl. Möschel, JZ 1988, 885, 887; Siekmann, NWVBl. 1993, 361, 364). Bei genauer Betrachtung stellt das Gutscheinsystem daher nicht selbst eine Privatisierung dar, sondern setzt eine solche voraus. 29 Gusy, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (338); HoffmannRiem, DVBl. 1996, 225 (226 ff.); Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1043); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 172 ff.; Schoch, DVBl. 1994, 962 (974 f.); Schuppert, in: Gusy (Hrsg.), a. a. O., S. 72 (77). Dazu siehe ausführlich die Beiträge in Hoffmann-Riem / J.-P. Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht. 30 Im Sinne einer Überbürdung früher vom Staat getragener Kosten auf Private (Gusy, in: ders., Hrsg., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330, 338 f.). 31 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 11, der zu Recht darauf hinweist, daß von Privatisierung nicht gesprochen werden kann, wenn lediglich Private aus eigenem Antrieb Dienstleistungen im Interesse des Gemeinwohls erbringen. 32 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11. 03. 1998, KOM (98) 143 endg, BT-Drs. 13 / 11160, S. 11; Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 27; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 40; Kahl, DVBl. 1995, 1327 (1331); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 41; Opitz, ZVgR 2000, 97 (98); Ronellenfitsch, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. III, § 84 Rn. 43; ders., DÖV 1999, 705 (708); Schmitt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private nach dem FStrPrivFinG, S. 40; Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen in Deutschland, S. 43; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 13 Rn. 7. Daneben kursieren teils engere (z. B. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 107: „Überführung von Staatsaufgaben in die gesellschaftliche Selbstregulierung“; Hellermann, in: Oldiges, Hrsg., Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 19, 20: „Rücknahme staatlicher Steuerung zugunsten des Marktes“), teils weitere Definitionen (z. B. Kämmerer, JZ 1996, 1042, 1044; ders., Privatisierung, S. 37; Schroeder, EWS 2002, 174: „jede Form der Abgabe von Rechtsmacht durch den Staat zugunsten von Personen Privatrechts“; Lee, Privatisierung
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
len Vorgang als auch das Ergebnis dieses Prozesses.33 Jener allgemeinen Definition liegt bereits ein aufgabenbezogenes Verständnis zugrunde. Infolgedessen bildet die sog. Vermögensprivatisierung, also die Übertragung staatlichen Eigentums auf private Rechtssubjekte,34 als solche keine eigenständige Privatisierungskategorie,35 sondern erlangt nur inzidente Bedeutung, soweit sie mit einer Veränderung der Wahrnehmungs- und ggf. Verantwortungsstruktur bezüglich öffentlicher Aufgaben einhergeht.36 Aus demselben Grund soll auch den Kategorien Verfahrensprivatisierung und Kostenprivatisierung als solchen nicht weiter nachgegangen werden. Um in dem Bemühen um Präzision nicht abermals in terminologische Verwirrung zu geraten, erscheint es sinnvoll, die oben genannten Ausdifferenzierungen auf die im folgenden Kapitel37 zu erläuternden Grundformen zurückzuführen.
II. Der Gegenstand der Privatisierung Gegenstand der in dieser Arbeit zu untersuchenden Privatisierungen sind ausweislich ihres Titels die sog. öffentlichen Aufgaben. Sofern eine Begriffsbestimmung nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt wird,38 versteht man hierunals Rechtsproblem, S. 27: „Ersetzen eines öffentlichen Elementes durch ein privates Element“). 33 Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 131. 34 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (251 Fn. 41); Bonk, JZ 2000, 435 (436); Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (138); Gusy, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (340 f.); Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1044); ders., Privatisierung, S. 39; Krölls, GewArch 1995, 129 (131, 133); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 158 ff.; Möschel, JZ 1988, 885 (887); Schoch, DVBl. 1994, 962; Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 53; Schuppert, DÖV 1995, 761 (766); Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 23. Püttner, LKV 1994, 193 (195), spricht gleichbedeutend von „Veräußerungsprivatisierung“. 35 Vgl. Ronellenfitsch, DÖV 1999, 705 (708), der der Vermögensprivatisierung sogar den Charakter als „echte Privatisierung“ abspricht. Unklar Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 25, die die Übertragung staatlichen Eigentums auf Private als „klassische Form der Privatisierung“ bezeichnet und dennoch ausklammert. 36 Vgl. Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 11; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 10 f.; ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 7; Di Fabio, JZ 1999, 585; Krölls, GewArch 1995, 129 (133); Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 139; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 23. Die von Kämmerer (JZ 1996, 1042, 1044; Privatisierung, S. 36 ff.) vorgeschlagene Differenzierung zwischen subjektbezogener („Wem wird Rechtsmacht eingeräumt?“) und objektbezogener („In bezug worauf wird Rechtsmacht eingeräumt?“) Typisierung erübrigt sich hiermit ebenso wie die von Zeiss (a. a. O., S. 18) getroffene Unterscheidung zwischen Gegenstand und wettbewerblichem Ergebnis der Privatisierung. 37 Siehe unten Zweiter Teil B. II. 38 v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 8 ff.; Kämmerer, Privatisierung, S. 34. Kritisch auch Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 48 ff.; Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private, S. 106 f.
A. Terminologische Grundlagen
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ter sinngemäß alle Angelegenheiten, deren Besorgung dem durch die Summe aller öffentlichen Interessen konstituierten Gemeinwohl dient.39 Der Begriff der öffentlichen Aufgaben ist damit ein rein materieller, der noch nichts über die Aufgabenverteilung im Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft aussagt.40 Aufgrund der Gemeinwohlbindung allen staatlichen Handelns steckt er zwar die äußeren Grenzen möglicher Staatsaufgaben ab,41 hat aber selbst noch keinen spezifischen Staatsbezug.42 Indessen ist der Systematik des Grundgesetzes eine grundsätzliche Allzuständigkeit des Staates zu entnehmen, die ihm die Kompetenz verleiht, sich zum zuständigen Träger einer öffentlichen Aufgabe zu erklären (sog. Befassungstheorie).43 Übt der Staat diese „Kompetenz-Kompetenz“ hinsichtlich einer bestimmten öffentlichen Aufgabe im Einklang mit den kompetenzrelevanten Vorschriften der Verfassung44 aus, wird diese dadurch zu einer staatlichen Aufgabe. Staatsaufgaben sind mithin alle öffentlichen Aufgaben, die der Staat zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt (sog. formaler Staatsaufgaben39 Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 43; Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 56 ff.; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 14; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. III, § 57 Rn. 135 f.; Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private, S. 106; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 99, 117; N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 6; Peters, in: Dietz / Hübner (Hrsg.), Festschrift für Nipperdey, Bd. II, S. 877 (878); Weiß, DVBl. 2002, 1167 (1169). Stellt man dagegen auf die Zugehörigkeit zur Sphäre des Staates (Di Fabio, JZ 1999, 585, 586) oder die Erfüllung durch die öffentlichen Hand (Knemeyer, WiVerw 1978, 65; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 134 f.) ab, werden „öffentliche Aufgaben“ und „Staatsaufgaben“ zu austauschbaren Begriffen. 40 Vgl. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 59; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. III, § 57 Rn. 136; Jani, Die partielle verwaltungsrechtliche Inpflichtnahme Privater zu Handlungs- und Leistungspflicht, S. 57; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 29; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (224). 41 Vgl. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 99; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (224). Entgegen Lee (Privatisierung als Rechtsproblem, S. 34), bezieht sich deshalb auch die Privatisierung erwerbswirtschaftlich tätiger öffentlicher Unternehmen stets auf öffentliche Aufgaben. 42 A. A. Di Fabio, JZ 1999, 585 (586), nach dessen Auffassung sich die Dualität der Begriffe „öffentliche Aufgabe“ und „Staatsaufgabe“ nicht mit der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft verträgt. Wenn Di Fabio (a. a. O., 587) statt dessen zwischen „öffentlicher Aufgabe“ und „Bürgerpflichten zur Wahrung öffentlicher Interessen“ unterscheidet, erreicht er damit allerdings nicht mehr als eine terminologische Verschiebung derselben „Dualität“. 43 Vgl. Baumann, Private Luftfahrtverwaltung, S. 42; Bull, Die Staatssaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 91; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 14; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. III, § 57 Rn. 156; Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private, S. 46; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52 f. Zur verfassungsrechtlichen Herleitung siehe Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 52 ff. 44 Zu den verfassungsrechtlichen Schranken und Impulsen der staatlichen Bestimmungskompetenz siehe Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 56 ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (207 f.).
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
begriff).45 Zum Verhältnis der beiden Begriffe läßt sich danach festhalten, daß die Staatsaufgaben eine Teilmenge der öffentlichen Aufgaben bilden – mit anderen Worten: Nicht alle öffentlichen Aufgaben sind zugleich Staatsaufgaben, wohl aber können nur öffentliche Aufgaben Staatsaufgaben sein.46 Wiederum eine Teilmenge der Staatsaufgaben bilden die Verwaltungsaufgaben, die im Gefüge der staatlichen Gewaltengliederung die der Exekutive zugewiesenen Staatsaufgaben bezeichnen.47 Grundlegend gegen ein aufgabenbezogenes Privatisierungsverständnis hat sich Kämmerer gewandt: Seine These, daß Aufgaben als Objekt der Privatisierung gar nicht in Frage kämen, findet ihre Begründung allerdings weniger in inhaltlichen als in terminologischen Differenzen.48 Auch auf der Grundlage der herrschenden Privatisierungsdogmatik ist bei der Bezeichnung der in bezug genommenen Aufgabe zu unterscheiden zwischen dem Zustand vor und nach Vollzug der Privatisierung: Die zu privatisierende Aufgabe kann nur eine Staats- bzw. Verwaltungsaufgabe sein, da die übrigen öffentlichen Aufgaben notwendig der gesellschaftlichen Sphäre zugeordnet und insofern schon begrifflich nicht privatisierungsfähig sind. Anders verhält es sich mit dem Ergebnis der Privatisierung: Die privatisierte Aufgabe kann entweder weiterhin dem Staat als Staats- bzw. Verwaltungsaufgabe zuzurechnen oder aber vollständig in den Bereich der Gesellschaft überführt worden sein. Weil es aber kaum mehr als eine theoretische Möglichkeit darstellt, daß eine bisher vom Staat zulässigerweise wahrgenommene Aufgabe zugleich jeglichen Gemeinwohlbezug verliert, führt die zweite Variante regelmäßig zu einer (Rück-)Umwandlung von Staatsaufgaben in „einfache“ öffentliche Aufgaben.49 Dieser Vorgang ist eine wesentliche Konse45 Vgl. BVerfGE 12, 205 (243); Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 44; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 61; Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 31; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 14 ff.; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (153); Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (207); Peters, in: Dietz / Hübner (Hrsg.), Festschrift für Nipperdey, Bd. II, S. 877 (880); Schoch, DVBl. 1994, 962. 46 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 42, 44. Vgl. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 56; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. III, § 57 Rn. 137; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 29 f. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 118 f.; N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 6 f.; Peters, in: Dietz / Hübner (Hrsg.), Festschrift für Nipperdey, Bd. II, S. 877 (879); Weiß, DVBl. 2002, 1167 (1169). Kritisch zum ganzen Di Fabio, JZ 1999, 585 (586 f.). 47 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (250); N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 7; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (222 f.); Schoch, DVBl. 1994, 962. Mißverständlich hingegen T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 133 ff., der nicht klar zwischen öffentlichen, Staats- und Verwaltungsaufgaben differenziert (vgl. oben Fn. 39). 48 Kämmerer, Privatisierung, S. 28 ff., 39. Dessen Argumentation, nur der Staat könne Aufgaben, Private hingegen lediglich „Funktionen“ ausüben, folglich seien nicht Aufgaben, sondern nur „Rechtsmacht“ übertragbar, resultiert aus der Verbindung eines denkbar engen Aufgabenbegriffs mit einem stark prozedural geprägten Privatisierungsbegriff.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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quenz des formalen Staatsaufgabenbegriffs: Dessen Verzicht auf materielle Kriterien zur Bestimmung eines vorgegebenen staatlichen Aufgabenbestandes impliziert, daß sich der Staat grundsätzlich von Aufgaben, die er übernommen hat, auch wieder trennen kann und darf.50 Die einzige Ausnahme bildet der begrenzte Kreis der sog. notwendigen (originären bzw. genuinen) Staatsaufgaben51, d. h. derjenigen öffentlichen Aufgaben, die einer Privatisierung im Sinne einer „Vergesellschaftung“ entzogen sind, weil sie entweder ihrer Natur nach nur vom Staat wahrgenommen werden können (unvertretbare Staatsaufgaben)52 oder ihm durch die Verfassung verpflichtend auferlegt sind (sog. Staats- oder Funktionsvorbehalt)53. Der hier zugrundegelegte Begriff der Privatisierung öffentlicher Aufgaben soll daher nicht eine Identität öffentlicher Aufgaben mit Staatsaufgaben suggerieren, sondern lediglich eine von der zeitlichen Perspektive unabhängige Erfassung des Privatisierungsgegenstands ermöglichen.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben I. Das Prinzip der „Wahlfreiheit der Verwaltung“ Diejenigen Privatisierungsvorgänge, die sich ohne eine Änderung des Aufgabencharakters vollziehen, finden ihre rechtliche Grundlage in der These, daß es der Verwaltung in Ermangelung entgegenstehender Rechtssätze grundsätzlich freistehe, sich neben öffentlich-rechtlichen auch privatrechtlicher Formen der Aufga49 Vgl. Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 133. Diese Aufgaben werden auch „gemeinwohlbezogen“ oder „gemeinnützig“ genannt (Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50; N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 7). 50 Schoch, DVBl. 1994, 962. Vgl. Frenz, GewArch 1994, 145 (148); Lecheler, BayVBl. 1994, 555 (558); Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 43; Ronellenfitsch, DÖV 1999, 705 (708). 51 Vor dem Hintergrund des formalen Staatsaufgabenbegriffs ist diese Terminologie insofern mißverständlich, als auch jene Aufgaben erst dadurch zu Staatsaufgaben werden, daß der Staat sie für sich in Anspruch nimmt, nicht schon dadurch, daß er es aus verfassungsrechtlichen Gründen tun müßte. Ludwig (Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 44 f.) will deshalb von „Verantwortung“ sprechen. 52 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 59 ff. Vgl. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 99 ff.; Kämmerer, Privatisierung, S. 165, der von einem „aus systematischen Gesichtspunkten – per definitionem – nicht privatisierbaren Aufgabenkern“ spricht. 53 Vgl. Ronellenfitsch, DÖV 1999, 705 (708 f.). Näher dazu siehe Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 175 ff.; Di Fabio, JZ 1999, 585 (590 ff.); Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 40 ff., 190 ff.; Krölls, GewArch 1995, 129, 135 ff. Kritisch Lecheler, BayVBl. 1994, 555 (557 f.).
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
benerfüllung zu bedienen.54 Trotz aller zum Teil berechtigten Kritik55 gehört das damit beschriebene Prinzip der „Wahlfreiheit der Verwaltung“ mehr denn je zum juristischen Allgemeingut und wird sowohl auf die Organisations- als auch auf die Handlungsformen öffentlichen Verwaltens bezogen. In letzterer Hinsicht ergeben sich indes Akzentverschiebungen zugunsten des Privatrechts: Zum einen muß die Verwaltung, wenn sie sich für eine privatrechtliche Organisationsform entschieden hat, grundsätzlich auch die Ausgestaltung ihrer Außenbeziehungen dem Privatrecht unterwerfen. Dasselbe gilt, soweit die öffentliche Hand als Anbieter (sog. erwerbswirtschaftliche Betätigung) oder Nachfrager (sog. fiskalische Hilfsgeschäfte) am allgemeinen Wirtschaftsleben teilnimmt.56 Das bedeutet umgekehrt, daß die Option einer öffentlich-rechtlichen Handlungsform und damit ein Ermessen bezüglich der Handlungsform nur besteht, soweit es um die Erfüllung „unmittelbarer Verwaltungsaufgaben“57 in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen geht. Ausgehend von der Funktion des öffentlichen Rechts als Sonderrecht des Staates58, kann die Aufgabenerfüllung in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen ohne Rücksicht auf die jeweilige Handlungsform als (unmittelbare oder mittelbare) Staatsverwaltung bezeichnet werden. Sobald das Privatrecht nicht nur als Handlungsform der (öffentlich-rechtlich organisierten) Staatsverwaltung in Anspruch genommen wird, sondern Rechtssubjekte des Privatrechts in irgendeiner Weise an der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben beteiligt werden, hat man es hingegen mit einem Fall der Privatisierung zu tun.
54 Vgl. statt vieler BVerwG, NJW 1993, 2695 (2697); BGHZ 9, 145 (147); 91, 84 (95 f.); Baumann, Private Luftfahrtverwaltung, S. 34 f.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, S. 408; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 9; Rüfner, in: Isensee / Kirchof (Hrsg.), HdbStR, Bd. III, § 80 Rn. 59; R. Schmidt, ZGR 1996, 345 (349); Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 96; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 23 I Rn. 4 f. 55 Vgl. nur Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 66 ff., 374 ff.; ders., DÖV 1986, 897 (903); ders., DVBl. 1997, 137 (141). Zusammenfassend T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 44 ff. Das Postulat einer „Wahlfreiheit der Verwaltung“ ist zumindest sprachlich irreführend, weil der Staat als Adressat der Grundrechtsbindung gem. Art. 1 III GG für sich selbst niemals „Freiheit“, sondern allenfalls einen pflichtgebundenen Gestaltungsspielraum in Anspruch nehmen kann (Ehlers, DVBl. 1997, 137, 141; vgl. BVerfGE 68, 193, 206; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 23 Rn. 6). 56 Vgl. nur Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hsrg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 11; Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), a. a. O., § 2 Rn. 28, 47; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 7 f.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 23 II Rn. 19. 57 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 9. Genauer handelt es sich um finale und damit primäre (im Gegensatz zu bloß instrumentalen und insofern sekundären) Verwaltungsaufgaben [dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. c) dd)]. 58 Dazu siehe nur Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 17 ff.; ders., in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 40 Rn. 225 ff.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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II. Öffentlich-rechtliche Formen (Staatsverwaltung) Mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen ist zwangsläufig eine juristische Person des öffentlichen Rechts als direktes Zurechnungssubjekt des Verwaltungshandelns angesprochen. Nicht vertieft werden soll hier die unmittelbare Staatsverwaltung von Bund und Ländern durch eigene Behörden. Um ein besseres Verständnis des Phänomens der Privatisierung öffentlicher Aufgaben in seinem organisationsrechtlichen Kontext zu ermöglichen, soll jedoch ein kurzer Blick auf die Organisationsformen der mittelbaren Staatsverwaltung und ausgewählte Aspekte ihrer internen Organisation geworfen werden.
1. Rechtlich selbständige Verwaltungsträger Mittelbare Staatsverwaltung liegt vor, wenn Bund und Länder (sog. originäre Verwaltungsträger) ihre Aufgaben nicht selbst erfüllen, sondern an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts (sog. derivative Verwaltungsträger) delegieren. Deren Verwaltungstätigkeit basiert auf einer echten Aufgabenübertragung, durch welche die betreffende juristische Person des öffentlichen Rechts selbst zum Träger der ihr gestellten Aufgaben wird.59 In der Verwaltungslehre und -praxis haben sich drei Organisationstypen der mittelbaren Staatsverwaltung herausgebildet: die Körperschaft, die Anstalt und die Stiftung des öffentlichen Rechts.60 Nach dem – für alle wesentliche Entscheidungen auch im Bereich des Staatsorganisationsrechts geltenden – Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes kann ihre Errichtung nur auf gesetzlicher Grundlage, d. h. durch oder aufgrund eines Gesetzes, erfolgen.61 Die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein mitgliedschaftlich verfaßter, aber unabhängig vom Bestand und Wechsel seiner Mitglieder bestehender Träger öffentlicher Verwaltung.62 Nach dem Anknüpfungspunkt der Mitgliedschaft unter59 Vgl. nur § 6 I GkG NRW („Das Recht und die Pflicht der an einem Zweckverband beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung der Aufgaben, die dem Zweckverband gestellt sind, gehen auf den Zweckverband über“) und § 114a III 1 GO NRW („Die Gemeinde kann der Anstalt einzelne oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängende Aufgaben ganz oder teilweise übertragen)“. Vgl. auch T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 192 f. 60 Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52 Rn. 11 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 8, 12, § 23 Rn. 1. Daneben gibt es auch nicht rechtsfähige, unselbständige Anstalten und Stiftungen. 61 Vgl. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II. Bd., S. 333 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 66, § 23 Rn. 38, 51, 55; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 241. 62 Vgl. Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52 Rn. 12; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 37 f.; N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 66; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 84 Rn. 12.
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
scheidet man zwischen Gebietskörperschaften (Gemeinden und Gemeindeverbände), Realkörperschaften (z. B. Industrie- und Handelskammern), Personalkörperschaften (z. B. berufsständische Kammern) und Verbandskörperschaften.63 Zu letzteren zählt insbesondere der kommunale Zweckverband als Zusammenschluß mehrerer Gemeinden und / oder Gemeindeverbände zur gemeinsamen Erfüllung einzelner Verwaltungsaufgaben.64 Unter bestimmten Voraussetzungen können auch natürliche oder juristische Personen des Privatrechts Mitglieder eines Zweckverbands sein.65 Eine solche Konstellation läßt sich allerdings nicht mehr ohne weiteres der mittelbaren Staatsverwaltung zurechnen, sondert tangiert bereits den Bereich der Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Der Dualismus zwischen Staatsverwaltung und Privatisierung in seiner eingangs postulierten Form ist insoweit durchbrochen. Bei der Anstalt des öffentlichen Rechts handelt es sich um einen Bestand sachlicher und personeller Mittel, die in der Hand eines oder mehrerer, die Anstalt beeinflussender, aber ihr nicht mitgliedschaftlich angehörender Verwaltungsträger (sog. Anstaltsträger) liegen und einem öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind.66 Der öffentliche Zweck besteht regelmäßig darin, Verwaltungsaufgaben, die an sich dem Anstaltsträger obliegen, gegenüber dem Bürger aufgrund eines Benutzungsverhältnisses selbständig wahrzunehmen.67 Im organisatorischen Aufbau unterscheiden sich rechtsfähige Anstalten kaum von Eigenbetrieben, weisen aber einen höheren Grad an Selbständigkeit auf.68 In Anstaltsform sind traditionell die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Kreditinstitute (insbesondere die kommunalen Sparkassen) organisiert.69 Ein weiterer Bedeutungszuwachs könnte aus den neuen kommunalrechtlichen Regelungen in Art. 89 ff. BayGO und § 114a GO NRW resultieren, welche die Anstalt des öffentlichen Rechts erstmals
63 Burgi, in Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52 Rn. 12; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 34; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 84 Rn. 24 ff. 64 Vgl. nur §§ 4 I, 5 I GkG NRW; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 209; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, S. 196, Bd. 2, S. 170; Queitsch, UPR 2000, 247 (249); Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 34; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 707. 65 Vgl. nur § 4 II 2 GkG NRW („wenn die Erfüllung der Verbandsaufgaben dadurch gefördert wird und Gründe des öffentlichen Wohles nicht entgegenstehen“). 66 Vgl. nur die klassische Definition von O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II. Bd., S. 268. Zur Rechtsstellung des Anstaltsträgers vgl. Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 98 Rn. 6 ff. 67 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 46 f.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 98 Rn. 4, 6. 68 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 61; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 32. Zum Eigenbetrieb (und seiner Einordnung als nichtrechtsfähige Anstalt einer Gemeinde) siehe unten Zweiter Teil B. II. 2. 69 Zu weiteren Beispielen auf Bundes- und Landesebene siehe N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 69, 89. In Nordrhein-Westfalen treten vor allem die beiden Provinzial-Versicherungen hinzu.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
65
als Rechtsform für kommunale Unternehmen und Einrichtungen zur Verfügung stellen. Fraglich ist, ob die Anstaltsträgerschaft oder einzelne Anteile am Dotationskapital von Anstalten des öffentlichen Rechts auch auf aufgabenfremde Dritte einschließlich privater Rechtssubjekte (z. B. auf eine Holding als stille Gesellschafterin) übertragen werden können, wie es ein Bundes- und einige Landesgesetze – zumeist im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Kreditinstitute – vorsehen.70 Die Grenzen derartiger Gestaltungen ergeben sich – in Ermangelung eines verfassungsrechtlich vorgegebenen Anstaltsbegriffs – nicht aus dem Anstaltsrecht selbst,71 sondern vor allem aus dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip: Mit Blick auf das daraus folgende Gebot staatlicher Ingerenz72 mehren sich sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung Stimmen, die eine Fungibilisierung des Anstaltskapitals zugunsten Privater jedenfalls dann für zulässig halten, wenn sie weitgehend auf vermögensmäßige Rechte beschränkt bleibt.73 Der Private kann danach allenfalls als Kapitalgeber auftreten, nicht aber die – mit unternehmerischen Mitentscheidungsrechten verbundene – Position eines Anstaltsträgers einnehmen. Da letzterer hoheitliche Zuständigkeiten ausübt, kann die Anstaltsträgerschaft selbst nur im Wege der Beleihung vermittelt werden.74 Gegen die mit der Aufspaltung von Anstaltsträgerschaft und Kapitaleignerschaft verbundene „Mutation“ der Anstalt zu einer Art „Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts“ werden jedoch auch in formeller Hinsicht verfassungsrechtliche Bedenken geäußert: Da der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 74 Nr. 11 GG im 70 Vgl. § 4 I des Gesetzes über die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL Bank-Gesetz – DSLBG) v. 11. 07. 1989, BGBl. 1989 I, S. 1421. Ein Beispiel für ein rein öffentlich-rechtliches Holding-Modell ist der „Sachsen-Finanzverband“; privatrechtliche Holding-Modelle liegen der Umstrukturierung der Landesbank Berlin (dazu Fett, Öffentlichrechtliche Anstalten als abhängige Konzernunternehmen, S. 89 ff.), der Berliner Wasserbetriebe (dazu VerfGH Berlin, NVwZ 2000, 794 mit Besprechung Wolfers, NVwZ 2000, 765; Hecker, VerwArch 92, 2001, 261 ff.), der Bayerischen Landesbank sowie des Beteiligungsbesitzes der WestLB zugrunde (dazu Wolfers / Kaufmann, DVBl. 2002, 507, 508). 71 F. Becker, Die Vernetzung der Landesbanken, S. 99; Hecker, VerwArch 92 (2001), 261 (270 f.); Mayen, DÖV 2001, 110 (117); Siekmann, NWVBl. 1993, 361 (366 f.); Wolfers, NVwZ 2000, 765. 72 Das BVerfG (E 83, 60, 72 f.; 77, 1, 40) folgert aus Art. 20 II 1 GG, daß jedes Handeln staatlicher Funktionsträger mit Entscheidungscharakter in personeller wie in sachlicher Hinsicht in einer „ununterbrochenen Legitimationskette“ auf das Volk zurückzuführen sein muß. Vgl. dazu grundlegend Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. I, § 22 Rn. 11 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 124 ff. 73 VerfGH Berlin, NVwZ 2000, 794 (795); Mayen, DÖV 2001, 110 (117 f.). Zweifelnd Püttner, LKV 1994, 193 (196). 74 Vgl. Fett, Öffentlich-rechtliche Anstalten als abhängige Konzernunternehmen, S. 254 ff.; Siekmann, NWVBl. 1993, 361 (366); Wolfers, DVBl. 2002, 507, 509 ff.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 98 Rn. 8. Eine Beleihung privatrechtlicher Holding-Gesellschaften mit der Trägerschaft öffentlich-rechtlicher Anstalten ist z. B. bei der Umstrukturierung der Bayerischen Landesbank und des Beteiligungsbesitzes der WestLB vorgesehen (vgl. oben Fn. 70). Zu Beleihung siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. c) aa).
5 Hüser
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Hinblick auf das Gesellschaftsrecht abschließend Gebrauch gemacht hat, sei es dem Landesgesetzgeber (und erst recht dem Anstaltsträger) verwehrt, die Rechtsform der Anstalt so weit zu modifizieren, daß sie materiell den Charakter einer Gesellschaft annimmt.75 Ungeachtet dieser Diskussion könnte man eine derart beschaffene Anstalt – ebenso wie einen von privaten Mitgliedern mitgetragenen Zweckverband – bereits als Variante der Privatisierung betrachten76 und somit aus dem Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung ausscheiden. Wie die Anstalt ist auch die Stiftung des öffentlichen Rechts mit einem Bestand an Kapital- oder Sachgütern ausgestattet, die dauerhaft einem öffentlichen Zweck gewidmet sind.77 Im Gegensatz zur Anstalt steht bei ihr aber nicht die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben gegenüber dem Bürger, sondern die Verwaltung und fremdnützige Verwendung des Stiftungsvermögens und seiner Erträge zugunsten des Stiftungszwecks im Vordergrund.78
2. Rechtlich unselbständige Verwaltungseinheiten Eine Besonderheit des kommunalen Organisationsrechts, d. h. der internen Organisation der kommunalen Gebietskörperschaften, stellt die Möglichkeit einer graduellen Verselbständigung rechtlich unselbständiger Verwaltungseinheiten in Form von Regie- und Eigenbetrieben dar. Der Regiebetrieb ist gewissermaßen eine Abteilung der Kommunalverwaltung, die vollständig in den regulären Verwaltungsablauf integriert ist.79 Auch sein Haushalt ist nur unselbständiger Bestandteil des allgemeinen Verwaltungshaushalts; allerdings werden seine Mittel nicht im Wege der Einzelveranschlagung,
75 Vgl. F. Becker, Die Vernetzung der Landesbanken, S. 254 ff. (269 f.); ders., DÖV 1998, 97 (102 ff., 106); Siekmann, NWVBl. 1993, 361 (369 f.). A. A. unter Hinweis auf die Organisationsgewalt der Länder Mayen, DÖV 2001, 110 (118 f.); Wolfers, NVwZ 2000, 765. Vermittelnd Hecker, VerwArch 92 (2001), 261 (271 f.). 76 Fett, Öffentlich-rechtliche Anstalten als abhängige Konzernunternehmen, S. 68 f.; Hecker, VerwArch 92 (2001), 261 (282); Mayen, DÖV 2001, 110, 117; Wolfers, NVwZ 2000, 765. 77 Vgl. Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52 Rn. 16; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 55; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 240; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 35. 78 Vgl. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 240; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 98 Rn. 14. Prägnant zur Abgrenzung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 55: „Während die Körperschaft Mitglieder und die Anstalt Benutzer hat, gibt es bei der Stiftung allenfalls Nutznießer (Destinatäre)“. 79 Vgl. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 52; Dedy, NWVBl. 1993, 245 (247); Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 2; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, S. 160; Queitsch, UPR 2000, 247 (248); Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 28; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 672.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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sondern global durch den Haushaltsplan zur Verfügung gestellt.80 Weil das Fehlen von Entscheidungs- und echter Finanzautonomie ein kostentransparentes Wirtschaften erheblich erschwert, sind heutzutage nur noch kleinere, den Eigenbedarf der Verwaltung deckende Hilfsbetriebe mit überwiegend nichtwirtschaftlichem Charakter als Regiebetriebe organisiert.81 Von größerer praktischer Bedeutung ist der Eigenbetrieb als gemeindespezifische Organisationsform für die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand. § 114 I GO NRW definiert ihn als gemeindliches wirtschaftliches Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit. Trotz seiner Einordnung in die Verwaltungshierarchie ist er – im Gegensatz zum Regiebetrieb – sowohl in organisatorischer als auch in finanzwirtschaftlicher Hinsicht gegenüber der Gemeinde verselbständigt.82 Seine Zuordnung erfolgt entweder haushaltsrechtlich als Sondervermögen83 oder organisationsrechtlich als nichtrechtsfähige Anstalt84 der Gemeinde. In einigen Bundesländern existiert darüber hinaus die Sonderform der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung, einer nichtwirtschaftlichen Einrichtung, die aber entsprechend den Vorschriften über Eigenbetriebe geführt werden kann und dessen organisations- und finanzrechtlichem Rahmen damit weitgehend entspricht.85
80 Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 152; Queitsch, UPR 2000, 247 (248); Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 29. Vgl. Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen in Deutschland, S. 147. 81 Vgl. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 53; Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 152; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, S. 161; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 152; Queitsch, UPR 2000, 247 (248); Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 29. 82 Vgl. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 148; Ehlers, DÖV 1986, 897 (898); ders., JZ 1990, 1089 (1092); Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 3; Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 154; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, S. 162; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 60; Queitsch, UPR 2000, 247 (249); Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 29 f.; R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, AT, S. 510. 83 Siehe z. B. § 9 I EigenbetriebsVO NRW. Ebenso Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 232, 271; Ehlers, DÖV 1986, 897 (898); ders., JZ 1990, 1089 (1092); Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 152; Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 19; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, S. 162; Queitsch, UPR 2000, 247 (249); Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 237. 84 v. Loesch, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, S. 47; N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 94; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 60; R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, AT, S. 510; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, S. 697; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 98 Rn. 26. 85 Vgl. § 107 II 2 GO NRW. Vgl. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 153 f.; Dedy, NWVBl. 1993, 245 (248); Queitsch, UPR 2000, 247 (249).
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
III. Privatrechtliche Formen (Privatisierung) Im Einklang mit der im modernen rechtswissenschaftlichen Schrifttum vorherrschenden Terminologie lassen sich mit der formellen, der funktionalen und der materiellen Privatisierung drei Grundformen der privatrechtsförmigen Erfüllung öffentlicher Aufgaben unterscheiden.86
1. Formelle Privatisierung a) Allgemeine Begriffsbestimmung Dem Begriff der formellen (auch: formalen) Privatisierung liegt in der Literatur kein einheitliches Verständnis zugrunde: Teilweise kennzeichnet er in einem weiten Sinne alle Fallgestaltungen, in denen eine öffentliche Aufgabe nicht (allein) von der Verwaltung im institutionellen Sinne – also von Mitarbeitern einer juristischen Person des öffentlichen Rechts –, sondern (zumindest auch) von natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts erfüllt wird.87 Regelmäßig wird der Begriff der formellen Privatisierung jedoch in einem engeren Sinne verstanden und synonym mit dem Begriff der Organisationsprivatisierung gebraucht. Damit wird ganz überwiegend ein Sachverhalt beschrieben, bei dem sich ein Verwaltungsträger bei der Wahrnehmung einer Aufgabe, ohne sich ihrer in materieller Hinsicht (auch nur teilweise) zu entledigen, einer privatrechtlichen Organisationsform bedient (Organisationsprivatisierung im engeren Sinne).88 Hingegen bezeich86 Nicht durchsetzen konnte sich die Typologie von Kämmerer (JZ 1996, 1042, 1044 f.; Privatisierung, S. 40 ff.), der (im Rahmen der „subjektbezogenen Typisierung“, siehe oben Fn. 36) zwischen den Grundformen der Organisations- und Popularprivatisierung unterscheidet. Da erstere inhaltlich ein Synonym zu der hier als formell bezeichneten Privatisierung (siehe unten Zweiter Teil B. III. 1.) und letztere eine Zusammenfassung der hier als funktional und materiell bezeichneten Privatisierungsformen (siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. und 3.) darstellt, eröffnet Kämmerer damit lediglich eine zusätzliche Gliederungsebene. Die von Zeiss (Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 24 ff.) adaptierte weitere Ausdifferenzierung in pflichtenbegründende, kompetitive und liquidatorische Privatisierungen trägt zwar dem „wettbewerblichen Ergebnis“ des Privatisierungsvorgangs Rechnung, verläßt aber den Rahmen des aufgabenbezogenen Grundverständnisses (siehe oben Zweiter Teil A. I. 1.). 87 Peine, DÖV 1997, 353 (354); Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (587, 591). In diesem Sinne wohl auch Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 28 f., 31; MüllerSerten, NZBau 2000, 120 (122); Seewald, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 307 f.; Weiß, DVBl. 2002, 1167 (1173). 88 Vgl. nur H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (252 Fn. 41); Baumann, DÖV 2003, 790 (791 f.); Bonk, JZ 2000, 435 (436); Brüning, NWVBl. 1997, 286 (288); Budäus, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 12 (15); Di Fabio, JZ 1999, 585 (588); Ehlers, DÖV 1986, 897; ders., DVBl. 1997, 137; Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (138); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 19; Hellermann, in: Oldiges (Hrsg.), Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 19 (20); Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1044); ders., Privatisierung, S. 41 ff.; Krölls,
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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net Burgi mit Organisationsprivatisierung alle Vorgänge, an deren Ende die Wahrnehmung von Staatsaufgaben durch Private steht,89 und erfaßt damit alle Tätigkeiten privater Organisationseinheiten, die dem Staat entweder als solche oder zumindest in Ansehung der jeweils wahrzunehmenden Aufgabe zurechenbar sind (Organisationsprivatisierung im weiteren Sinne).90 Jenen Begriffsverständnissen gemeinsam ist die unverändert in der Hand der Verwaltung liegende Aufgabenverantwortung und damit die Identität der staatlichen Aufgabe vor und nach ihrer Privatisierung.91 Der weite Begriff der formellen Privatisierung indessen umfaßt (wie der weite Begriff der Organisationsprivatisierung von Burgi) über die Organisationsprivatisierung im engeren Sinne hinaus diverse Formen der Einschaltung materieller Privatrechtssubjekte92 in die Erfüllung staatlicher Aufgaben. Um jene Grundkonstellation herauszustellen, empfiehlt es sich, für die davon betroffenen Sachverhalte den Begriff der funktionalen Privatisierung zu verwenden.93 Für den GewArch 1995, 129 (130); Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 133; Möschel, WuW 1997, 120 (121); Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (210); Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 25; R. Schmidt, ZGR 1996, 345 (347); Schmitt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private nach dem FStrPrivFinG, S. 41; Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, S. 35; ders., DÖV 1993, 377 (378); ders., DVBl. 1994, 962; ders., DVBl. 1994, 1 (3); Schuppert, DÖV 1995, 761 (766); Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 104; Stern, DVBl. 1997, 309 (310); Stollmann, DÖV 1999, 183 (187); Wahl, DVBl. 1993, 517 (519). Dreher (in: Immenga / Mestmäcker, Hrsg., GWB, § 99 Rn. 23; NZBau 2001, 360; NZBau 2002, 245, 246), Lee (Privatisierung als Rechtsproblem, S. 149 f.) und Möschel (JZ 1988, 885, 886) erfassen zusätzlich die Aufgabenwahrnehmung in privatrechtlichen Handlungsformen. 89 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 76 ff.; ders., NVwZ 2001, 601 (603); ders., in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, S. 581 (586); ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 11. Ähnlich Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 1 f., der hierfür aber den Begriff „Ausgliederung“ vorzieht. 90 Die erste Fallgruppe soll sowohl publizistische (dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 1.) und gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen [dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. b)] als auch unter staatlicher Einflußsicherung stehende „externe“ private Organisationseinheiten (vgl. dazu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 11 ff.) umfassen. Die zweite Fallgruppe zielt auf die Beleihung [dazu siehe unten Zweiter Teil B. II. 2. c) aa)]. 91 Vgl. H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (252 Fn. 41); Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 29; Endler, NZBau 2002, 125; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 40 f.; Weiß, DVBl. 2002, 1167 (1168 f.). 92 Dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. a). 93 Dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. Ebenso, allerdings mit unterschiedlichem Begriffsverständnis im einzelnen: Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 7 ff.; H. Bauer, DÖV 1998, 89 (90); ders., VerwArch 90 (1999), 561 (562); Di Fabio, JZ 1999, 585 (588 f.); Dreher, NZBau 2001, 360; Ehlers, DVBl. 1997, 137; Gusy, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (341 f.); Kahl, DVBl. 1995, 1327 (1331 f.); Krölls, GewArch 1995, 129 (131); Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 136 ff.; Opitz, ZVgR 2000, 97 (99); R Schmidt, ZGR 1996, 345 (347); Schoch, DVBl. 1994, 962 (963); Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 53; Schuppert, DÖV 1995, 761 (767); Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 114; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 41; Wahl, in: Gusy (Hrsg.), a. a. O., S. 260
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Bereich der formellen Privatisierung verbleiben damit diejenigen – von einigen Autoren als „unechte“ bzw. „Scheinprivatisierung“ ausgegrenzten94 – Vorgänge, an deren Ende eine der beiden folgenden Organisationsformen steht, die zusammenfassend als publizistische Privatrechtsvereinigungen95 bezeichnet werden können.
b) Verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen Als verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen96 – in der Literatur hat sich dafür der Begriff der „Eigengesellschaft“ eingebürgert97 – sollen alle privatrechtlichen Organisationen bezeichnet werden, deren alleiniger Träger (und regelmäßig auch Gründer) ein und dieselbe juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Da es sich dabei notwendig um sog. Einpersonengesellschaften handelt, scheiden – mit Ausnahme der GmbH & Co. KG – die Organisationsformen des Personengesellschaftsrechts grundsätzlich aus;98 vielmehr hat man es regelmäßig mit Kapitalgesellschaften, also juristischen Personen des Privatrechts, in Form der Gesell(264 f.); Zacharias, DÖV 2001, 454; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 20 ff. Unklar Peine, DÖV 1997, 353 (355), der die funktionale mit der formellen Privatisierung gleichsetzt. 94 Di Fabio, JZ 1999, 585 (588); Schmitt Glaeser, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 2, S. 3360; Scholz, NJW 1997, 14 (15); Schoch, DVBl. 1994, 962 (973). In diesem Sinne auch Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 110; Klowait, Die Beteiligung Privater an der Abfallentsorgung, S. 122; Knemeyer, WiVerw 1978, 65 (67); Kummer / Giesberts, NVwZ 1996, 1166; v. Loesch, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, S. 47; Müller-Wrede, VergabeR 5 / 1997, 29 ff.; Püttner, LKV 1994, 193 (195). 95 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 77; ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 14; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 9. 96 So auch Brüning, NWVBl. 1997, 287 (288); Stober, NJW 1984, 449 (450). 97 Siehe nur Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 529 f.; Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (138); ders., DÖV 2002, 186 (187); T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 15 f.; Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 25; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, S. 179; Peine, DÖV 1997, 353 (363); Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 62; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 253 ff.; R Schmidt, ZGR 1996, 345 (347); SchmidtJortzig, Kommunalrecht, Rn. 718; Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, S. 35; ders., DÖV 1993, 377 (378); ders., DVBl. 1994, 1 (3); ders., DVBl. 1994, 962; Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 104, 107; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (606 ff.). Entgegen Kummer / Giesberts (NVZ 1996, 1166) und Ohler (ZVgR 1998, 424, 426) begründet eine lediglich überwiegende bzw. „maßgebliche“ Beteiligung keine Eigengesellschaft, sondern je nach Rechtsform der Mitgesellschafter eine gemischtöffentliche oder ein gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung [dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 1. c) und 2. b)]. Zu weiteren Begriffsvorschlägen (z. B. „Trabanten“, „Verwaltungsgesellschaften“) vgl. Stober, NJW 1984, 449 (450) m. w. N. 98 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV, S. 209, § 56 II, S. 1636.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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schaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder der Aktiengesellschaft (AG) zu tun. Theoretisch denkbar sind ferner Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), nichtwirtschaftliche Vereine, Genossenschaften und rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts.99 Da diese jedoch in der Praxis keine Bedeutung erlangt haben, können sie im weiteren Verlauf der Untersuchung ausgeblendet werden. Die verwaltungseigene Privatrechtsvereinigung zeichnet sich dadurch aus, daß zwar eine Verlagerung der Aufgabenwahrnehmung auf die privatrechtlich organisierte Einheit stattfindet, nicht aber eine Neuzuordnung von Verfügungsrechten und Kompetenzen.100 Insofern kann man hier metaphorisch von einem „Kleiderwechsel“ im Sinne eines bloßen Austausches der Rechtsform sprechen.101 Obwohl die Willensbildung publizistischer Privatrechtsvereinigungen letztlich auf die ihres Alleingesellschafters zurückgeführt werden kann, ist es rechtlich aber nicht möglich, diese als formellen Teil der Verwaltungsorganisation anzusehen.102
c) Gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen Als gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen103 sollen alle privatrechtlichen Organisationen bezeichnet werden, an denen mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind.104 Die in der Literatur häufig anzutreffende 99 Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 227; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 171 ff.; Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 12, 15 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 36 f.; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 717. 100 Budäus, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 12 (15); Kluth, Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme, S. 20; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 38. 101 Vgl. Baumann, DÖV 2003, 790 (791 f.); Brüning, NWVBl. 1997, 286 (288); Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 28; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 44; Marx, NZBau 2002, 311 (314); Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (145); Püttner, LKV 1994, 193 (195); Schmitt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private nach dem FStrPrivFinG, S. 42; Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, S. 35; ders., DVBl. 1994, 962 (973); Schuppert, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 72 (75); Stollmann, DÖV 1999, 183 (187); Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (589); Zacharias, DÖV 2001, 455 (456). 102 Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 76 ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 235; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 96 f. A. A. offenbar Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52 Rn. 17; Kluth, Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme, S. 20. 103 So auch Brüning, NWVBl. 1997, 286 (288). Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 77 („gemischt-öffentliche private Organisationseinheiten“). 104 Zu ungenau ist die Bezeichnung als „Beteiligungsgesellschaft“ (Stober, NJW 1984, 449, 452), da so auch gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen [dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. b)] genannt werden können (vgl. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 229; Louis, Kommunale Abwasserbeseitigung, S. 17; und unten Fn. 125).
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Bezeichnung als „gemischt-öffentliche Unternehmen“105 oder „Gemeinschaftsunternehmen“106 soll aufgrund des unklaren Unternehmensbegriffs nicht verwendet werden.107 Vereinzelt werden gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen als Unterfall der sog. gemischtwirtschaftlichen Unternehmen angesehen.108 Eine solche Einordnung würde jedoch die oben vorgenommene Differenzierung zwischen formeller und funktionaler Privatisierung sprengen: Da die Gründung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen bei Einschaltung privater Anteilseigner über den Rahmen der Organisationsprivatisierung (im engeren Sinne) hinausgeht, bildeten diese eine Schnittmenge zwischen formeller und funktionaler Privatisierung. Dadurch würde der Blick auf das qualitativ entscheidende Merkmal der formellen Privatisierung verstellt: die ausschließliche Trägerschaft der „öffentlichen Hand“. Dieses läßt die gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigung gewissermaßen als privatrechtliches Pendant zu einem öffentlich-rechtlichen Zweckverband erscheinen und rückt es in eine größere Nähe zu verwaltungseigenen als zu „gemischtprivaten“ Privatrechtsvereinigungen. Auch gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen treten regelmäßig als GmbH (& Co. KG) oder AG auf.109 Als mehrgliedrigen Organisationen stehen ihnen zwar gesellschaftsrechtlich auch die Rechtsformen des Personengesellschaftsrechts zur Verfügung, doch verstößt die damit verbundene unbeschränkte Gesellschafterhaftung (§§ 161 II, 128 HGB) gegen zwingendes Haushalts- und Kommunalrecht.110
105 Faber, DVBl. 2001, 248 (249); T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 16; v. Loesch, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, S. 52; Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 25; Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 18 f.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 26; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 39; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 719. 106 Cronauge, Kommunale Unternehmen, S. 80; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 26, 49; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 4 Rn. 22. Dieser Ausdruck ist zudem unpräzise, weil er keinen Aufschluß über den (ausschließlich aus Untergliederungen der „öffentlichen Hand“ bestehenden) Gesellschafterkreis gibt. 107 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 9 Fn. 15. Der von Ehlers (a. a. O., S. 9) gebrauchte Ausdruck „Gemeinschaftsgesellschaft“ bildet zwar einen direkten Gegenbegriff zur Eigengesellschaft, ist aber im Hinblick auf den Gesellschafterkreis der gleichen Kritik ausgesetzt wie der Begriff „Gemeinschaftsunternehmen“ (siehe oben Fn. 106). Zum Unternehmensbegriff siehe unten Dritter Teil A. I. 1. a) aa). 108 Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 39. Dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. b). 109 Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 228. 110 Siehe nur § 108 I 1 Nr. 3 GO NRW. Vgl. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 164 ff.; Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 7 ff.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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d) Publizistische Konzerne Möglich ist schließlich, daß ein oder mehrere Verwaltungsträger an einer Privatrechtsvereinigung nur mittelbar, d. h. über eine oder mehrere weitere Privatrechtsvereinigungen, z. B. Holding-Gesellschaften, beteiligt sind.111 Sofern juristische Personen des öffentlichen Rechts sämtliche Anteile einer Privatrechtsvereinigung (sog. Tochtergesellschaft) besitzen, welche ihrerseits sämtliche Anteile einer weiteren Privatrechtsvereinigung (sog. Enkelgesellschaft) besitzt, sind beide (d. h. Tochter- und Enkelgesellschaft) als publizistische Privatrechtsvereinigungen anzusehen. Derartige Konstruktionen haben in der Praxis vor allem die Funktion, die Gewinne und Verluste unterschiedlich rentabler Unternehmungen mit steuermindernder Wirkung saldieren zu können (sog. vertikaler Querverbund).112 In Fortführung dieses Organisationsmodells kann es zu vielfältig gestuften, ja „verschachtelten“ Beteiligungsverhältnissen kommen, die – unter Einschluß der jeweils dahinterstehenden (Mutter-)Verwaltungsträger – untechnisch als (verwaltungseigene oder gemischtöffentliche) publizistische Konzerne bezeichnet werden können.113
2. Funktionale Privatisierung a) Allgemeine Begriffsbestimmung Bei der funktionalen Privatisierung wird die Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe (zumindest teilweise) auf Private übertragen.114 Unter „Privaten“ sind 111 Vgl. G. Huber / Ryll, ZögU 1989, 287 (291); Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 26; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 123. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 728 f., unterscheidet insofern „gemeindeunmittelbar“ und „gemeindemittelbar“ wirtschaftende Unternehmen. 112 Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 26; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, S. 190 f.; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 728; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (618). 113 Vgl. R. Becker, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 23 f.; G. Huber / Ryll, ZögU 1989, 287 (291); Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, S. 190; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 122 f. 114 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 23; Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (138); ders., DÖV 2002, 186; Hecker, VerwArch 92 (2001), 261 (282); Hellermann, in: Oldiges (Hrsg.), Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 19 (20); Krölls, GewArch 1995, 129 (131), Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 136; Opitz, ZVgR 2000, 97 (99); R. Schmidt, ZGR 1996, 345 (347); Schoch, DVBl. 1994, 1 (3); ders., DVBl. 1994, 962 (963); Schuppert, DÖV 1995, 761 (767); Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 114; Zacharias, DÖV 2001, 454 (455). Abweichend v. Hagemeister (Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 52 f.) und Völmicke (Privatisierung öffentlicher Leistungen in Deutschland, S. 50), die im Anschluß an Hamer (Privatisierung als Rationalisierungschance, S. 38 ff.) diese Fallgruppe mißverständlich als „organisatorische materielle
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
hierbei grundsätzlich materielle Privatrechtssubjekte zu verstehen, d. h. diejenigen natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts, die in keiner institutionellen oder organisatorischen Verbindung zum Staat stehen, sondern ihm in Entfaltung ihrer Grundrechte gegenübertreten. Den Gegensatz hierzu bilden die aus einer formellen Privatisierung hervorgegangenen formellen Privatrechtssubjekte, deren Handeln sich weiterhin als staatliche Kompetenzausübung darstellt und deshalb uneingeschränkt der staatlichen Sphäre zuzuordnen ist.115 Da sich die funktionale Privatisierung lediglich auf den Aufgabenvollzug, nicht aber auf die Aufgabe selbst bezieht, wird sie auch als Vollzugs-, Erfüllungs- oder Produktionsprivatisierung116 oder als „Privatisierung der Aufgabenerledigung“117 bezeichnet. Diese Begriffe verdeutlichen, daß durch eine funktionale Privatisierung weder staatliche zu privaten Aufgaben noch Private zu Verwaltungsträgern mutieren, sondern Aufgabenträgerschaft und -verantwortung weiterhin dem initiierenden Verwaltungsträger zugewiesen bleiben:118 Lediglich die Vorbereitungs-, Durchführungs- und ggf. Privatisierung“ bezeichnen und den Begriff „funktionale Privatisierung“ für die Fälle der Aufgabenprivatisierung (dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 3.) verwenden. 115 Vgl. Brüning, NWVBl. 1997, 286 (287); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 20; Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1044); Klowait, Die Beteiligung Privater an der Abfallentsorgung, S. 122; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 16; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (144); Weiß, DVBl. 2002, 1167 (1168). Kritisch zu dieser Unterscheidung Kämmerer, Privatisierung, S. 15, der statt dessen zwischen „Popularprivaten“ und „Organisationsprivaten“ differenziert (S. 38). Entgegen Frenz (in: Ziekow, Hrsg., Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137, 138 Fn. 10), der die Aufgabenübertragung auf sog. Eigengesellschaften generell in die funktionale Privatisierung einbezieht, können publizistische Privatrechtsvereinigungen allenfalls dann an einer funktionalen Privatisierung beteiligt sein, wenn sie einem anderen Verwaltungsträger zuzurechnen sind; insoweit mag man von „unechter funktionaler Privatisierung“ sprechen (so Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281, 282). 116 Bonk, JZ 2000, 435 (437); Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 30; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 40 II; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (592). Vgl. auch Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 24 f., 165 („Aufgabenwahrnehmungsprivatisierung“). 117 Brüning, NWVBl. 1997, 286 (290); Ehlers, DVBl. 1997, 137; Kahl, DVBl. 1995, 1327 (1331); Krölls, GewArch 1995, 129 (131). Lediglich in diesem (eingeschränkten) Sinne kann die funktionale Privatisierung als Variante der „Aufgabenprivatisierung“ bezeichnet werden (vgl. H. Bauer, VVDStRL 54, 1995, 243, 252; Schoch, DVBl. 1994, 962, 974). Entgegen Kahl (DVBl. 1995, 1327, 1331), Kummer / Giesberts (NVwZ 1996, 1166, 1167), Lee (Privatisierung als Rechtsproblem, S. 24 f.), Osterloh (VVDStRL 54, 1995, 204, 223 Fn. 68); Schoch (DVBl. 1994, 1, 10) und Zeiss (Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 18) stellen die Fälle der funktionalen Privatisierung aber keine Unterfälle der materiellen Privatisierung dar (dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 3.). Entgegen Schoch (DVBl. 1994, 1, 3) sollte auch nicht von einer bloßen „Teilprivatisierung“ gesprochen werden, denn ansonsten wäre eine (vollständige) Privatisierung der Aufgabenerledigung nur bei materieller Privatisierung möglich. Die von Schoch (DVBl. 1994, 962, 974) selbst vorgenommene Differenzierung zwischen materieller und funktionaler Privatisierung würde sich dann insgesamt erübrigen. 118 Baumann, DÖV 2003, 790 (791); Kullack, in:Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 28; O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 41; Schoch, DVBl. 1994, 962 (963); Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 53; Stollmann, DÖV 1999,
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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Finanzierungsverantwortung wird auf Private übertragen, während zumindest eine Kontrollverantwortung bei der Verwaltung verbleibt.119 Wenngleich sich diese Begriffsbildung in der neueren Literatur weitgehend durchgesetzt hat, bestehen hinsichtlich der konkreten Begriffsverwendung noch erhebliche Differenzen. Einen systematischen, wenn auch nicht vollständigen,120 Zugang zu den als funktional beschriebenen Privatisierungskategorien bietet die von Wallerath begründete Typologie der kooperativen Formen öffentlicher Bedarfsdeckung, die nach dem Grad der staatlichen Initiative zwischen „staatsanteiligem“, „staatsersetzendem“ und „staatsaussparenden“ Privathandeln unterscheidet.121
b) Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen einschließlich gemischtwirtschaftlicher Konzerne (Staatsanteiliges Privathandeln I) Wie bei der Gründung einer publizistischen Privatrechtsvereinigung, bedient sich die Verwaltung auch bei der Beteiligung an einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung122 einer privatrechtlichen Organisationsform. Allerdings 183 (186). A. A. T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 195 ff., der einen „Zuständigkeitswechsel“ zugunsten von Privatrechtssubjekten für möglich hält, infolgedessen er jene als Verwaltungsträger qualifiziert. 119 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 160. Vgl. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 52 ff.; Lange, DÖV 2001, 898 (900); Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 161 f. Davon ausgehend unterscheidet Lee (Privatisierung als Rechtsproblem, S. 167 ff.) zwischen Planungs-, Durchführungs-, Finanzierungs- und Kontrollprivatisierung als Erscheinungsformen der funktionalen Privatisierung. Zu dieser graduellen Abstufung der sog. Verwaltungsverantwortung siehe nur H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (277 ff.); Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, 225 (229 ff.); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Bd. 1, S. 11 (43 f.); Schuppert, in: J. Ipsen (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (26 ff.); Weiß, DVBl. 2002, 1167 (1173 ff.). 120 Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Beleihung (siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. c) aa) mit Fn. 151). 121 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 82. Vgl. im Anschluß daran Klowait, Die Beteiligung Privater an der Abfallentsorgung, S. 95 ff.; Brüning, NWVBl. 1997, 286 (290). Bei „staatsaussparendem“ Privathandeln ist allerdings schon die Schwelle zur materiellen Privatisierung überschritten [dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 3. c)]. 122 Dieselbe Terminologie verwendet Brüning, NWVBl. 1997, 286 (288). Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 77 („gemischt-wirtschaftliche private Organistionseinheiten“). Diese Bezeichnung ist insofern mißverständlich, als sie nicht nur wirtschaftliche Gegenstände erfassen soll (vgl. Burgi, a. a. O., S. 77 Fn. 27; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 9 Fn. 15). Der in dieser Hinsicht offenere Begriff der „gemischt-publizistischen“ Privatrechtsvereinigung (Ehlers, a. a. O., S. 10) erscheint als sprachliches Synonym zur „gemischt-öffentlichen“ Privatrechtsvereinigung [siehe oben Zweiter Teil B. III. 1. c)] allerdings noch problematischer. Ebensowenig erfüllt wird die diesbezügliche Abgrenzungsfunktion von dem Begriff der „gemischten Gesellschaft“ (Gramm, DVBl. 2003, 1366 f.). Zutreffend, wenn auch sprachlich tautologisch, könnte man vielmehr von „gemischt-privaten Privatrechtsvereinigungen“ sprechen (vgl. Stober, NJW 1984, 449, 452).
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
befinden sich deren Geschäftsanteile nicht ausschließlich in der Hand von (einer oder mehreren) juristischen Personen des öffentlichen Rechts, sondern auch im Eigentum (eines oder mehrerer) privater Anteilseigner. In der Literatur hat sich – in Analogie zum gemischt-öffentlichen Unternehmen – die Bezeichnung als „gemischtwirtschaftliches Unternehmen“ eingebürgert.123 Diese – auch als „Kooperationsmodell“124 oder „Beteiligungsmodell“ 125 bezeichnete – Privatisierungsvariante läßt sich als Zusammenführung von öffentlichem und privatem Kapital unter einem gemeinsamen, privatrechtlichen Dach charakterisieren, die – auf einer Skala fortschreitender Privatisierung – zwischen einer publizistischen Privatrechtsvereinigung (formelle Privatisierung) und einer rein privaten Organisation (materielle Privatisierung) angesiedelt ist.126 Auch sie ist vor allem in den Organisationsformen der GmbH und AG anzutreffen. Möglich ist, sofern sich die öffentliche Hand aus haftungsrechtlichen Gründen auf eine Stellung als Kommanditistin beschränkt, ferner die Gründung einer Kommanditgesellschaft (KG) mit einem privaten Investor als Komplementär. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen erfahren derzeit einen enormen Aufwind, weil immer mehr Gemeinden versuchen, ihre maroden Haushalte über den Teilverkauf kommunaler Betriebe zu sanieren. Diese Entwicklung betrifft vor allem die, zumeist als „Stadtwerke“ be123 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (252); R. Becker, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 22; Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 14; Dreier, DÖV 2002, 537 (542); Ehlers, JZ 1990, 1089 (1092); ders., DVBl. 1997, 137; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 38 f., 58 ff.; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 16; v. Loesch, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, S. 52; Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 24; Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 18; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 185 ff.; R. Schmidt, ZGR 1996, 345 (347); Schoch, DVBl. 1994, 1 (3); ders., DVBl. 1994, 962 (974). Auch diese Terminologie begegnet Bedenken im Hinblick auf den Unternehmensbegriff (siehe oben Zweiter Teil B. III. 1. c) mit Fn. 107). 124 Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 76 f.; H. Bauer, DÖV 1998, 89 (91); ders., VerwArch 90 (1999), 561 (569); Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 662a, 744; Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 (289); Habersack, ZGR 1996, 544 (546); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 43; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 18; Schoch, DVBl. 1994, 1 (11). Kummer / Giesberts (NVwZ 1996, 1166, 1169), Tettinger (DÖV 1996, 764, 766) und Zacharias (DÖV 2001, 454, 458) verwenden den Begriff „Kooperationsmodell“ nur für bestimmte Sonderformen des sog. Betreibermodells [dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. c) bb)]. 125 Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 193 ff. Dieser Begriff ist ebenso ungenau wie die Bezeichnung als „Beteiligungsgesellschaft“ (Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 29; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 718; Graf Vitzthum, AöR 104, 1979, 580, 588), da so auch gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen genannt werden können (vgl. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 229; Louis, Kommunale Abwasserbeseitigung, S. 17, und oben Fn. 104). 126 Vgl. Ehlers, DVBl. 1997, 137; Kummer / Giesberts, NVwZ 1996, 1166 (1167); Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 38.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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zeichneten, kommunalen Energieversorgungsunternehmen, von denen bald ein Drittel gemischtwirtschaftlich organisiert ist.127 Auch die Beteiligung der öffentlichen Hand an einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung kann auf indirektem Wege über die Zwischenschaltung einer publizistischen oder einer weiteren gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung als Holding-Gesellschaft erfolgen.128 Sobald an einer der betroffenen Gesellschaften Private (im materiellen Sinne) beteiligt sind, kann untechnisch von einem gemischtwirtschaftlichen Konzern gesprochen werden. Teilweise wird für die Bezeichnung als „gemischtwirtschaftlich“ – in Abgrenzung zur bloßen Kapitalbeteiligung – gefordert, daß die öffentliche Hand über die Anteilsmehrheit oder eine sonstige (faktische) Beherrschungsmöglichkeit verfügt.129 In semantischer Hinsicht erscheint eine solche Differenzierung entbehrlich, denn in der Natur einer „Mischung“ liegt auch die Möglichkeit unterschiedlicher Mischungsverhältnisse. Die gemeinsame typologische Erfassung als gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung befreit unterdessen nicht von der Notwendigkeit, hinsichtlich der Rechtsfolgen nach dem jeweiligen Ausmaß des öffentlichen Einflusses zu differenzieren. Ungeachtet der tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse lassen sich insofern verwaltungsbeherrschte, verwaltungskontrollierte und privat beherrschte Organisationen unterscheiden. Im ersten – praktisch häufigsten130 – Fall hält die öffentliche Hand eine Mehrheitsbeteiligung, im zweiten Fall eine Minderheitsbeteiligung mit Sperrminorität und im dritten Fall eine „bloße“ Minderheitsbeteiligung ohne besondere Einwirkungsrechte.131 In 127 Von den 972 im Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) organisierten Betrieben haben – zu Beginn einer nach 1998 zweiten Privatisierungswelle – 263 bereits einen privaten Anteilseigner. Das weitere Privatisierungspotential wird auf etwa 400 Betriebe geschätzt (vgl. F.A.Z. v. 08. 03. 2002, S. 17). 128 Vgl. R. Becker, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 23 f. Vgl. auch oben II 2 d. Z. B. gehören der in der Hand der Stadt Mannheim befindlichen MVV Energie AG, dem einzigen börsennotierten Stadtwerk in Deutschland, je 49,9 % der Anteile an den Stadtwerken Solingen und Ingolstadt GmbH sowie 50 % der Anteile an der EVO Energieversorgung Offenbach AG (vgl. F.A.Z. v. 08. 03. 2002, S. 17). 129 So (allerdings mit Blick auf die Einordnung als „öffentliche Unternehmen“) Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 59 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 39 ff. Noch anders G. Huber / Ryll, ZögU 1989, 287 (290), die von Gemischtwirtschaftlichkeit nur bei einer (öffentlichen bzw. privaten) Kapitalbeteiligung zwischen 25 und 75 % sprechen. Vielfach wird lediglich der Begriff „Kooperationsmodell“ für die Konstellation einer Staatsbeteiligung in Höhe von 51 % reserviert (H. Bauer, VerwArch 90 (1999), 561, 569; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 43; Schoch, DVBl. 1994, 1, 11). 130 Von den 263 gemischtwirtschaftlichen Stadtwerken (siehe oben Fn. 127) sind 221 (84 %) noch mehrheitlich in kommunaler Hand (vgl. F.A.Z. v. 08. 03. 2002, S. 17). Beispiele für privat beherrschte Energieversorgungsunternehmen bietet der RWE-Konzern: Nicht nur an der Muttergesellschaft, sondern auch an diversen Tochtergesellschaften (z. B. der Enviam AG in Chemnitz) sind diverse kommunale Anteilseigner zu insgesamt 36 bzw. 35 % beteiligt (vgl. F.A.Z. v. 13. 06. 2002, S. 21, und v. 15. 06. 2002, S. 21).
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Ermangelung einer durchsetzbaren staatlichen Aufgabenverantwortung kann jedenfalls eine privat beherrschte gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung kaum mehr Trägerin einer Verwaltungsaufgabe sein, weshalb hier bereits die Grenze zur materiellen Privatisierung überschritten sein dürfte.132 Wenn die Beteiligung an gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen im Schrifttum gelegentlich als bloße Teilprivatisierung133, als Mischung aus formeller und (teilweiser) materieller Privatisierung134, als Überschneidung zwischen formeller, funktionaler und Vermögensprivatisierung135 oder als Kombination zwischen Organisations-, Funktions- und Finanzierungsprivatisierung136 bezeichnet wird, so sind diese Terminologien dem Einwand ausgesetzt, die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Privatisierungsformen durch die Einführung von Teil- und Mischkategorien unnötig zu verwischen und die zugrundeliegende Typologie damit insgesamt in Frage zu stellen. Zuordnungsprobleme ergeben sich lediglich im Falle einer sog. stillen Beteiligung, die dem Privaten keine Mitunternehmerstellung, sondern lediglich schuldrechtliche Ansprüche einräumt.137 Häufig ist indessen eine – additive – Kombination von formeller und funktionaler Privatisierung in dem Sinne, daß (ein oder mehrere) Verwaltungsträger zunächst eine publizistische Privatrechtsvereinigung gründen und erst später einen Teil der Geschäftsanteile auf Private übertragen. Nicht tragfähig ist schließlich die Einordnung gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen als formelle bzw. Organisationsprivatisierung (im weiteren Sinne)138: Zwar kann es – insbesondere bei einer Mehrheitsbe131 Brüning, NWVBl. 1997, 286 (288); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 78; ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 14; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 10. 132 Dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 3. a). 133 Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 11; Brede / Püttner, in: Brede (Hrsg.), Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, S. 267 (269, 275 ff.); Habersack, ZGR 1996, 544 (545); Möschel, JZ 1988, 885 (888); Püttner, LKV 1994, 193 (195); R. Schmidt, ZGR 1996, 345 (347); Schoch, DVBl. 1994, 962 (963); Schroeder, EWS 2002, 174. Vgl. auch Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1044): „partielle Popularprivatisierung“. 134 Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 (289); Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 29. Vgl. auch Kämmerer, Privatisierung, S. 44: „(partiell) Popular-, im übrigen (partiell) Organisationsprivatisierung“. 135 Frenz, DÖV 2002, 186 (187). 136 Kniesel / Scheerbarth, Der Städtetag 4 / 1998, 340 (342); Tettinger, DÖV 1996, 764 (766). Vgl. auch Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 194. 137 Dazu Mayen, DÖV 2001, 110 (116). 138 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 77 f.; ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 14; Dreher, in: Immenga / Mestmäkker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 25; Dreier, DÖV 2002, 537 (542); Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 (283). Vgl. auch Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 29; MüllerWrede, VergabeR 5 / 1997, 29 (30). Hingegen entspringt die Einordnung als formelle Privatisierung bei v. Hagemeister (Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 46) und Schoch (Privatisierung der Abfallentsorgung, S. 35) offenbar nur dem Bemühen um eine Abgrenzung zur materiellen Privatisierung.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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teiligung der öffentlichen Hand – zweifelhaft sein, ob die gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung ihrerseits ein materielles Privatrechtssubjekt ist.139 Diese Qualität kommt aber unzweifelhaft den privaten Mitgesellschaftern zu. Daß deren Einschaltung im Wege eines Gesellschaftsvertrags erfolgt, ändert nichts daran, daß sie – infolge ihrer Verpflichtung auf den Gesellschaftszweck – an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in „staatsanteiliger“ Weise mitwirken. Da sich die Verwaltung somit nicht nur einer privatrechtlichen Rechtsform, sondern eines „echten“ Privaten bedient, handelt es sich definitionsgemäß um eine Form der funktionalen Privatisierung.140
c) Vertragliche Ausgliederung Die zweite Fallgruppe der funktionalen Privatisierung läßt sich als vertragliche Ausgliederung staatlicher Aufgabenwahrnehmung auf Private beschreiben. Im Schrifttum werden dieselben Privatisierungsvorgänge häufig unter dem englischen Synonym çontracting out“ diskutiert.141 Streng genommen findet eine vertragliche Ausgliederung auch bei der Beteiligung an einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung statt, denn auch diese ist ungeachtet einer möglichen Beherrschung durch die öffentliche Hand ein selbständiges Privatrechtssubjekt. Um die besondere Qualität solcher „Kooperationsmodelle“ im engeren Sinne nicht aus den Augen zu verlieren, sollen als vertragliche Ausgliederung im folgenden jedoch nur solche vertraglichen Kooperationen zwischen Staat und Privaten behandelt werden, die sich außerhalb gesellschaftsrechtlicher Formen vollziehen. Differenziert man weiter nach den jeweiligen Rechtsbeziehungen zwischen den beteiligten Akteuren – nämlich dem Staat, dem in die Aufgabenwahrnehmung einbezogenen 139 Damit ist die Frage nach der Anwendbarkeit des sog. Verwaltungsprivatrechts, d. h. der öffentlich-rechtlichen und insbesondere grundrechtlichen Bindungen gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen, angesprochen: Bejahend (jedenfalls bei verwaltungsbeherrschten Privatrechtsvereinigungen) BVerfG, NJW 1990, 1783; BGHZ 91, 84 (97 f.); Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 29; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III / 1, S. 1421. Verneinend Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 1 III Rn. 52; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 248 ff.; ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 85; ders., Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 39; Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 96. 140 Im Ergebnis wie hier Dreher, NZBau 2001, 360, 366; Krölls, GewArch 1995, 129 (131); Zacharias, DÖV 2001, 454 (456). Vgl. auch Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 110 Fn. 93 („Privatisierung der formellen Privatisierung“). Angesichts der „Zwitterstellung“ gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen erscheint auch eine Einordnung als eigenständige Privatisierungsform möglich (vgl. Ehlers, DVBl. 1997, 137). 141 Monopolkommission, 9. Hauptgutachten 1990 / 1991, BT-Drs. 12 / 3031, Rn. 44; Möschel, JZ 1988, 885 (886); ders., WuW 1997, 120 (121). Ebenso H. Bauer, DÖV 1998, 89 Fn. 1; Jaeger, NZBau 2001, 6 (7); Müller-Wrede, VergabeR 5 / 1997, 29 (30); Opitz, ZVgR 2000, 97 (100); Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H IV Rn. 115. Vgl. Budäus / Grüning, in: Budäus / Eichhorn (Hrsg.), Public Private Partnership, S. 25 (52).
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Privaten und dem von dessen Handeln betroffenen Bürger –, lassen sich die Erscheinungsformen der vertraglichen Ausgliederung mit der Terminologie des Verwaltungsorganisationsrechts synchronisieren.142 Danach kann sich die vertragliche Ausgliederung in den dogmatischen Figuren der Beleihung, der Verwaltungshilfe und der Verwaltungssubstitution vollziehen.143
aa) Beleihung (Staatsförmiges Privathandeln) Bei der Beleihung werden (natürliche oder juristische) Personen des Privatrechts damit betraut, einzelne Staatsaufgaben im Verhältnis zum Bürger im eigenen Namen wahrzunehmen (sog. Aufgabentheorie).144 In Ermangelung einer materiellen Bestimmbarkeit des staatlichen Aufgabenbereichs145 fordert die herrschende Meinung über diese Minimaldefinition hinaus die Übertragung öffentlich-rechtlicher Befugnisse. Danach bleiben Beliehene zwar – statusmäßig – Private, können aber im Rahmen der ihnen übertragenen Kompetenzen – funktionell – hoheitlich handeln und sind insoweit in die mittelbare Staatsverwaltung einbezogen (sog. Befugnis- oder Rechtsstellungstheorie).146 Aus diesem Grunde wird in der Literatur be142 Vgl. Di Fabio, JZ 1999, 585 (589); Gusy, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (337); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 175. 143 Opitz, ZVgR 2000, 97 (100). Ähnlich – jedoch ohne Erwähnung der Verwaltungssubstitution – Baumann, DÖV 2003, 790 (791); Bonk, JZ 2000, 435 (437); Lange, DÖV 2001, 898 (900); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 176 ff. Zu eng Burgi (Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 100 ff.; ders., in: Geis / Lorenz, Hrsg., Festschrift für Maurer, S. 581, 586; ders., in: Erichsen / Ehlers, Hrsg., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 331 f.), Frenz (in: Ziekow, Hrsg., Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137, 138); Osterloh (VVDStRL 54, 1995, 204, 223), Pippke (Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 27), Schoch (DVBl. 1994, 962, 963), Schulte (Rettungsdienst durch Private, S. 53), Schuppert (DÖV 1995, 761, 767), Stelkens / Schmitz (in: Stelkens / Bonk / Sachs, Hrsg., VwVfG, § 1 Rn. 115) und Zacharias (DÖV 2001, 454), die den im Rahmen einer funktionalen Privatisierung einbezogenen Privaten stets als Verwaltungshelfer identifizieren. 144 Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 110; Fett, Öffentlich-rechtliche Anstalten als abhängige Konzernunternehmen, S. 252; Peine, DÖV 1997, 353 (362); Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 46 ff.; ders., DÖV 1970, 528. 145 Dies ist eine Folge des oben (A I 2) beschriebenen formalen Staatsaufgabenbegriffs. 146 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 11, § 23 Rn. 56, 58; Schmitt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private nach dem FStrPrivFinG, S. 101; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 6. Vgl. statt vieler Baumann, Private Luftfahrtverwaltung, S. 44 f., 48 f.; Burgi, in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, S. 581 (585); ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 24; Ehlers, Die Erledigung von Gemeindeaufgaben durch Verwaltungshelfer, S. 17; ders., in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 40 Rn. 439; Frenz, Die Staatshaftung in den Beleihungstatbeständen, S. 27 ff.; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 112; Krebs, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. III, § 69 Rn. 39; Krölls, GewArch 1995, 129 (132); Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 2.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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stritten, daß die Beleihung überhaupt eine (über die formelle Privatisierung hinausgehende) „echte“ Privatisierung darstellt.147 Indessen wird der Private gerade nicht institutioneller Teil der Verwaltung, sondern nimmt als materielles Privatrechtssubjekt nur punktuell Hoheitsbefugnisse wahr – mit anderen Worten: es besteht lediglich in Ansehung der einzelnen wahrzunehmenden Aufgabe eine Divergenz von (privatem) Status und (staatlicher) Funktion.148 Insofern ist der Beliehene der staatlichen Organisation zwar „angegliedert“, nicht aber als Teil derselben eingegliedert.149 Mithin ist auch das „staatsförmige Privathandeln“150 im Sinne der Beleihung als funktionale Privatisierung einzuordnen.151 Der eigentliche Beleihungsakt stellt sich indessen nur ausnahmsweise als vertragliche Ausgliederung im Wortsinne dar. Da die Beleihung unter einem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt steht, muß sie entweder unmittelbar durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verwaltungsakt, Rechtsverordnung, 147 Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 5 f.; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 79; ders., in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, S. 581 (586); ders., NZBau 2002, 57 (61); Knemeyer, WiVerw 1978, 65 (67); Peine, DÖV 1997, 353 (356, 362); Scholz, NJW 1997, 14 (15); Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 58; ders., NJW 1994, 3150; Weiß, DVBl. 2002, 1167 (1168). Andererseits begreifen Kummer / Giesberts (NVwZ 1996, 1166, 1169) und Stelkens / Schmitz (in: Stelkens / Bonk / Sachs, Hrsg., VwVfG, § 1 Rn. 105) die Beleihung offenbar als Fall der materiellen Privatisierung. 148 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 79. Vgl. Frenz, Die Staatshaftung in den Beleihungstatbeständen, S. 52; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 61; Kämmerer, Privatisierung, S. 47; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 224. Warum Burgi (a. a. O.) „nichtsdestoweniger“ von Organisationsprivatisierung sprechen will, erscheint nicht nachvollziehbar. 149 Baumann, Private Luftfahrtverwaltung, S. 50; Bonk, JZ 2000, 435 (437); Frenz, Die Staatshaftung in den Beleihungstatbeständen, S. 53; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 61; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 3. A. A. offenbar Burgi, GewArch 2001, 217 (219); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 34, 112; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 159; Scholz, NJW 1997, 14 (15 f.). 150 Nach der hiermit fortentwickelten Terminologie Walleraths (siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. a) mit Fn. 121) ist die Beleihung weder ein Fall „staatsanteiligen Privathandelns“ (weil der Private nicht nur an der Erfüllung von Staatsaufgaben durch die Verwaltung mitwirkt, sondern sie als solche selbst wahrnimmt) noch ein Fall „staatsersetzenden Privathandelns“ (weil der Private den Staat nicht substituiert, sondern insoweit selbst „als Staat“ handelt). 151 Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 28; ders., in: Oldiges (Hrsg.), Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 33 (35); ders., NZBau 2002, 245 (247); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 28; O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 39; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 177; Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 137; Opitz, ZVgR 2000, 97 (100); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 41. Vgl. auch Klowait, Die Beteiligung Privater an der Abfallentsorgung, S. 123; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 21. Ehlers (DVBl. 1997, 137) ordnet die Beleihung als „weitere Gestaltungsmöglichkeit“ zwischen formeller und materieller Privatisierung ein.
6 Hüser
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
Satzung oder öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgen.152 Streng genommen wird die Übertragung von Hoheitsrechten nur im letzten Fall auf einem Wege vermittelt, der die Bezeichnung als vertragliche Ausgliederung verdient. Derartige Beleihungsverträge im engeren Sinne finden sich etwa im Bereich der Subventionsverwaltung153 oder im Zuge der „Privatisierung“ öffentlich-rechtlicher Anstalten154. Häufiger ist ein zweistufiges Verfahren, in dem eine Behörde sich lediglich vertraglich verpflichtet, nachfolgend einen auf Beleihung gerichteten Verwaltungsakt zu erlassen.155 Weil der bloße Beleihungsakt aber noch keine Tätigkeitsverpflichtung des Privaten, sondern lediglich eine Berechtigung zu öffentlich-rechtlichem Handeln begründet, ist er in aller Regel zumindest durch schuldrechtliche Austauschbeziehungen unterlegt.156 So räumt z. B. das Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG)157 privaten Unternehmen, die auf vertraglicher Grundlage Investitionen in Bau und Unterhaltung von Bundesfernstraßen tätigen, das Recht zur Enteignung (§ 1 III FStrPrivFinG i. V. m. § 19 I 1 FStrG) und zur Erhebung öffentlich-rechtlicher Straßenbenutzungsgebühren (§ 2 FStrPrivFinG) ein.158
152 Bueß, Private Sicherheitsdienste, S. 190 ff., 201; Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 27; ders., NZBau 2003, 57 (61); v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 66; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 37; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 176; Opitz, ZVgR 2000, 97 (100); ders., DÖV 1997, 353 (361); Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 159; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 40 I; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 6. Speziell zur Beleihung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag Dreher, NZBau 2002, 245 (254); Zeiss, DVBl. 2003, 435 (436). 153 Vgl. z. B. die auf der Grundlage von § 44 III BHO erfolgte Beleihung einer privaten Agentur mit Aufgaben des Projektmanagements für das EU-Beschäftigungsprogramm „EQUAL“ durch – inzwischen wieder gekündigten – öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (dazu OLG Düsseldorf, NZBau 2003, 55 ff.). Vgl. auch (in bezug auf § 44 III LHO Berlin) KG, VergabeR 2003, 84 ff. 154 Vgl. die Beleihung der WestLB AG mit der Anstaltsträgerschaft an der Westfälischen Provinzial-Feuersozietät, der Westdeutschen Immobilienbank sowie den Landesbanken Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz durch öffentlich-rechtliche Verträge mit dem Land Nordrhein-Westfalen (dazu Wolfers, DVBl. 2002, 507, 508; siehe oben Zweiter Teil B. II. 1.). 155 Vgl. Bueß, Private Sicherheitsdienste, S. 201; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 68 Rn. 11. 156 Dreher, NZBau 2002, 245 (256); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 15. Vgl. Burgi, in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, S. 581 (589); Kämmerer, in: Schünemann / Stober (Hrsg.), Haftungsgrundsätze und Haftungsgrenzen des Sicherheitsgewerbes, S. 71 (89); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 64. Mögliche Inhalte solcher Verträge nennen Kummer / Giesberts, NVwZ 1996, 1166 (1171 f.). 157 Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private (Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz – FStrPrivFinG) v. 30. 08. 1994, BGBl. 1994 I, S. 2243. 158 (Nur) insoweit liegt eine Beleihung vor: Vgl. Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines FStrPrivFinG, BT-Drs. 12 / 6884, S. 6; Brüning, SächsVBl. 1998, 201 (204); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 105; Lee, Privatisierung als
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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Bestritten wird, daß auch publizistische und verwaltungsbeherrschte gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen Adressaten einer Beleihung sein können.159 Bejaht man dies, können sich scheinbar Überschneidungen mit anderen Formen der formellen bzw. funktionalen Privatisierung ergeben.160 Für die vergaberechtliche Beurteilung bleibt dann im Einzelfall zu untersuchen, ob sich die Gründung bzw. Beteiligung und die Beleihung in einem einzigen oder in mehreren neben- oder hintereinander geschalteten Rechtsakten vollziehen. Dies geschieht zweckmäßigerweise im Zusammenhang mit dem – auch für die Einordnung in die Privatisierungskategorien allein maßgeblichen – Vorgang, der den Ausgangspunkt aller weiteren Transaktionen bildet.161
bb) Verwaltungshilfe (Staatsanteiliges Privathandeln II) Auch bei der Verwaltungshilfe beauftragt ein Verwaltungsträger eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts mit der Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben.162 Anders als der Beliehene nimmt der Verwaltungshelfer aber keine hoheitlichen Kompetenzen in Anspruch, sondern bedient sich ausschließlich privatrechtlicher Handlungsinstrumente.163 So klar danach die Abgrenzung zwischen Verwaltungshelfer und Beliehenem erscheint, so unklar ist im Detail die Frage, ob und inwiefern es weiterer Abgrenzungen zu anderen Formen der BeteiliRechtsproblem, S. 187 f.; Neumann / H. Müller, NZBau 2003, 299 (301); Steiner, NJW 1994, 3150. Pilotprojekte dieses sog. F-Modells stellen die Warnow-Querung in Rostock und die Trave-Querung in Lübeck dar (dazu Enderle, Behörden Spiegel 5 / 2003, S. 24). 159 Verneinend (jedenfalls für publizistische Privatrechtsvereinigungen) Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 110; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 63; Peine, DÖV 1997, 353 (362). Bejahend OVG Niedersachsen, NdsVBl. 1998, 16 (18); Baumann, DÖV 2003, 790 (791 f.); Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (187); Brüning, NWVBl. 1997, 286 (288); Burgi, in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, S. 581 (586); Fett, Öffentlich-rechtliche Anstalten als abhängige Konzernunternehmen, S. 253; Frenz, Die Staatshaftung in den Beleihungstatbeständen, S. 34 f.; Kämmerer, Privatisierung, S. 47; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 15; Opitz, ZVgR 2000, 97 (100 Fn. 33); Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 29 f.; Wolfers, DVBl. 2002, 507 (509); Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104a Rn. 7. 160 Vgl. Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 29 f., die derartige Fallgestaltungen als „Mischformen“ verschiedener Privatisierungskategorien bezeichnet. 161 Insbesondere verläßt eine publizistische Privatrechtsvereinigung durch die Beleihung mit hoheitlichen Kompetenzen nicht den Rahmen der formellen Privatisierung zugunsten eines weitergehenden Privatisierungsstadiums (vgl. Kämmerer, Privatisierung, S. 47). 162 Die von Burgi (Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 146, 154) gebrauchte Formulierung „Erbringung eines Teilbeitrags mit funktionalem Bezug zu einer Staatsaufgabe“ ist lediglich die Folge einer weiteren Definition der jeweils in Bezug genommenen Aufgabe. Der Begriff der „Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben“ steht insofern zusammenfassend für die von Burgi (a. a. O., S. 101 ff.) unterschiedenen Teilbeiträge durchführenden und / oder vorbereitenden Charakters. 163 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 147. 6*
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
gung Privater bedarf. Im Innenverhältnis zum Verwaltungsträger wird der Verwaltungshelfer anhand des Kriteriums der Unselbständigkeit identifiziert: Unselbständiges Handeln soll vorliegen, wenn der Private lediglich als weisungsgebundenes Werkzeug in die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben einbezogen wird (sog. unselbständige Verwaltungshilfe).164 Diese Vorstellung geht auf staatshaftungsrechtliche Zurechnungsfragen zurück und wird heute zu Recht kritisiert.165 Das Kriterium der Weisungsbindung kann allenfalls in einem weiten Sinne verstanden werden und schließt das Bestehen gewisser Gestaltungsspielräume und Entscheidungskompetenzen des Verwaltungshelfers bis hin zu einer umfassenden Delegation der Aufgabenwahrnehmung nicht aus (sog. selbständige Verwaltungshilfe).166 Erst recht kann es nicht auf eine tatsächliche Überwachung ankommen, denn die Verwaltung darf die Verantwortung für die Erledigung ihrer Aufgaben nicht aus der Hand geben und muß daher das Handeln ihrer Erfüllungsgehilfen stets wie eigenes gegen sich gelten lassen.167 Entscheidend ist vielmehr, daß der eingeschaltete Unternehmer auch im Außenverhältnis insofern im Namen der Verwaltung handelt, als zwischen ihm und dem von seinem Handeln betroffenen Bürger keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen entstehen.168 In diesem Sinne ist die Verwaltungshilfe eine Form lediglich „staatsanteiligen“, nicht aber „staatsersetzenden“ Privathandelns.169 Ist das als Verwaltungshelfer eingeschaltete Privatrechtssubjekt eine pu164 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 153 f.; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 68. Vgl. Brüning, NWVBl. 1997, 286 (291); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 130; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 184; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 60; Peine, DÖV 1997, 353 (357); Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 90; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 5. 165 Vgl. nur Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 32; Ehlers, Die Erledigung von Gemeindeaufgaben durch Verwaltungshelfer, S. 19 ff.; Lange, DÖV 2001, 898 (900); Opitz, ZVgR 2000, 97 (101); Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (224 Fn. 70, 234 ff.); Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 22 Rn. 61. 166 Ehlers, Die Erledigung von Gemeindeaufgaben durch Verwaltungshelfer, S. 19 ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (236 f.). Vgl. Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 18, der zwischen „Privatisierung zur selbständigen bzw. unselbständigen Erfüllung“ differenziert. O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 38, verwendet hierfür – im Anschluß an Stober, Schüler als Amtshelfer, S. 89 ff. – den Begriff des „Amtshelfers“. 167 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 504 ff.; ders., in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, § 40 Rn. 426 f.; ders., Die Erledigung von Gemeindeaufgaben durch Verwaltungshelfer, S. 22. Im Staatshaftungsrecht wendet auch der BGH die sog. Werkzeugtheorie „jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung“ inzwischen nicht mehr an (vgl. BGHZ 121, 161, 164 ff.; BGH, NJW 1996, 2431 f.). 168 Vgl. Brüning, NWVBl. 1997, 286 (291); Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 17; ders., Die Erledigung von Gemeindeaufgaben durch Verwaltungshelfer, S. 18; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 185; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 60; Opitz, ZVgR 2000, 97 (101); Peine, DÖV 1997, 353 (357); Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 28; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 40 II; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 5. 169 Nach dem hier zugrundeliegenden Verständnis umfaßt die Verwaltungshilfe sowohl die „technisch-instrumentale“ als auch die „selbständig-entscheidungsteilende“ Variante des
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blizistische oder gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung, wird teilweise von „unechter funktionaler Privatisierung“ bzw. „unechter Verwaltungshilfe“ gesprochen.170 Sowohl die typologische Einordnung als auch die vergaberechtliche Untersuchung haben sich indes – wie in den vergleichbaren Fällen der Beleihung – am jeweiligen Gründungsvorgang zu orientieren.171 Die vorstehenden Überlegungen treffen auch auf das sog. öffentlich-rechtliche Mandat zu, dessen Existenz als eigenständiges Rechtsinstitut allerdings zu bezweifeln ist. Sofern dieser Begriff nicht von vornherein auf Vorgänge innerhalb der Verwaltungsorganisation (z. B. öffentlich-rechtliche Vereinbarungen i. S. d. § 23 GkG NRW) beschränkt wird,172 bezeichnet er den Auftrag eines Verwaltungsträgers (Mandanten) an einen Privaten (Mandatar), selbständig, aber im Namen des Auftraggebers öffentlich-rechtlich tätig zu werden.173 Diese Definition ist insofern irreführend, als nicht der Mandatar öffentlich-rechtlich handelt (und mangels einer Beleihung auch nicht handeln kann), sondern der Verwaltungsträger selbst, dem das Handeln des Mandatars vollständig zugerechnet wird. Damit ist das Mandat nichts weiter als eine bestimmte Erscheinungsform der selbständigen Verwaltungshilfe. Eine qualitative Abgrenzung erscheint deshalb kaum möglich.174 In eine ökonomische Terminologie gewendet, läßt sich die verwaltungsrechtliche Figur der Verwaltungshilfe mit dem sog. Submissionssystem identifizieren.175 staatsanteiligen Privathandelns (vgl. dazu Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 82), sofern man letztere nicht auf Fälle mit eigenständiger Außenrechtsbeziehung ausdehnt (so aber offenbar Brüning, NWVBl. 1997, 286, 290). 170 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 161; ders., GewArch 2001, 217 (218 f.); ders., NVwZ 2001, 601 (603); Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 (282). Vgl. dazu Zacharias, DÖV 2001, 454 (455 f.). Berechtigt ist diese Bezeichnung allenfalls in dem theoretisch denkbaren Fall, daß die betreffende Privatrechtsvereinigung einem anderen Verwaltungsträger zuzurechnen ist (siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. a), Fn. 115). 171 Siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) aa). Bei Verwaltungshilfe durch eine publizistische Privatrechtsvereinigung liegt daher lediglich eine formelle Privatisierung mit funktionalem Bezug vor (vgl. a. a. O., Fn. 161). 172 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 30; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 216; Queitsch, UPR 2000, 247 (249 f.); Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (148), der lediglich zwischen inner- und zwischenbehördlichem Mandat unterscheidet. 173 Vgl. Ehlers, Die Erledigung von Gemeindeaufgaben durch Verwaltungshelfer, S. 17; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, S. 739; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 5. Von einem Mandat spricht man z. B. im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der HERMES Kreditversicherungs-AG hinsichtlich der Übernahme von Ausfuhrgewährleistungen des Bundes gegenüber exportierenden Privatunternehmen. 174 So taucht einerseits bei Schmidt-Jortzig (Kommunalrecht, Rn. 739) der Begriff der Verwaltungshilfe in diesem Zusammenhang nicht auf. Andererseits verzichten neuere Darstellungen häufig auf den Begriff des Mandats (z. B. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 76 ff., 152 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 60 ff.). Kritisch auch Steiner, Öffentliche Verwaltung und Private, S. 226 Fn. 122. 175 Vgl. Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 8 f.; Dreher, NZBau 2002, 245 (253); v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 52; Hamer,
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Darin erbringt ein privater Anbieter im Auftrag und gegen Entgelt eines Hoheitsträgers eine Leistung, die unmittelbar den Bürgern zugute kommt.176 Zur näheren Ausgestaltung des Submissionssystems kursieren in der Fachliteratur eine Reihe von „Modellen“, die sich zusammenfassend als indirekte Betreibermodelle bezeichnen lassen.177 Eine Vorreiterrolle kommt dabei den Bereichen der kommunalen Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung zu, für die § 16 I KrW- / AbfG bzw. § 18a II 3 WHG ausdrücklich eine Drittbeauftragung im beschriebenen Sinne zulassen. Erfahrungen aus dem Ausland, insbesondere Großbritannien, zeigen darüber hinaus, daß sich indirekte Betreibermodelle prinzipiell für eine Vielzahl öffentlicher Infrastrukturprojekte eignen: von der Wasserversorgung über die Straßenbeleuchtung bis hin zu Krankenhäusern und Gefängnissen.178 In Deutschland werden zur Zeit erste Erfahrungen mit dem privaten (Bau und) Betrieb von Flughäfen179, Bundesautobahnen180 und neuerdings auch Schulen181 gesammelt. In der Diskussion stehen bisher vor allem vier Modellvarianten: Beim sog. Betriebsführungsmodell wird der Betrieb einer im Eigentum des Verwaltungsträgers stehenden Privatisierung als Rationalisierungschance, S. 38 f.; Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen in Deutschland, S. 52. Mißverständlich hingegen Ewers / Rodi, Privatisierung der Bundesautobahnen, S. 14 f., die diese Fallgruppe als „Konzessionssystem I“ bezeichnen. 176 Monopolkommission, 9. Hauptgutachten 1990 / 1991, BT-Drs. 12 / 3031, Rn. 44; Möschel, WuW 1997, 120 (121); Schoch, DVBl. 1994, 962 (974); Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 54; ders., NZBau 2000, 272 (276); Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 115; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 22. Vgl. Burgi, NZBau 2002, 57 (59 Fn. 28). 177 J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 52 f.; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastrukur, S. 22, 59. Tettinger (DÖV 1996, 764, 765) spricht insofern von einem „Modell-Dschungel“. 178 Vgl. F.A.Z. v. 22. 10. 2001, S. 27 („Betreibermodelle im Wassergeschäft haben Hochkonjunktur“); Behörden Spiegel 6 / 2003, S. 19 (zur privat betriebenen Straßenbeleuchtung im Londoner Stadtbezirk Brent); F.A.Z. v. 25. 09. 2002, S. 24 („Baukonzerne unterhalten Schulen und Gefängnisse“). Zu den Umsetzungsmöglichkeiten in Deutschland vgl. Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 ff. (zur Privatisierung der Wasserversorgung); Bonk, JZ 2000, 435 ff.; Lange, DÖV 2001, 898 ff. (zur Privatisierung des Strafvollzugs). 179 Siehe z. B. den inzwischen gescheiterten Versuch (siehe F.A.Z. v. 23. 05. 2003, S. 16) zur Privatisierung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH im Hinblick auf Bau und Betrieb des geplanten Großflughafens Berlin-Schönefeld durch ein privates Investorenkonsortium (zum Vergabeverfahren siehe OLG Brandenburg, NVwZ 1999, 1142 ff.). 180 Das sog. A-Modell sieht vor, daß der Autobahnausbau mit Hilfe einer öffentlichen Anschubfinanzierung von privaten Betreibern vorfinanziert wird, die sich durch die Weiterleitung des auf ihren Streckenabschnitt entfallenden Anteils der nach dem ABMG (Gesetz zur Einführung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen v. 05. 04. 2002, BGBl. 2002 I, S. 1234) erhobenen Mautgebühren refinanzieren (dazu siehe Enderle, Behörden Spiegel 5 / 2003, S. 24; Neumann / H. Müller, NZBau 2003, 299, 300 f.; Roth, NVwZ 2003, 1056 ff.; Uechtritz / Deutsch, DVBl. 2003, 575, 580 f.). 181 Das bundesweit erste Betreibermodell für öffentliche Schulen wurde in Monheim am Rhein realisiert, wo die Stadt ein privates Bauunternehmen für 25 Jahre mit Sanierung, Umbau und Unterhaltung ihrer Schulen beauftragt hat (F.A.Z. v. 16. 01. 2004, S. 39).
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Anlage für einen begrenzten Zeitraum einem privaten Unternehmer übertragen, der im Namen, für Rechnung und auf Risiko des Verwaltungsträges handelt und von diesem ein privatrechtliches Entgelt für seine Leistungen erhält.182 Das sog. Betreibermodell im engeren Sinne zeichnet sich einerseits durch eine längerfristige Bindung (bis zu dreißig Jahren), andererseits durch eine weitergehende unternehmerische Autonomie aus: Der Betreiber plant, finanziert, baut, unterhält und betreibt die Anlage für eigene Rechnung. Im Gegenzug erhält er neben dem Entgelt das Eigentum oder ein Erbbaurecht an den dazu benötigten Grundstücken.183 Zwischen diesen Modellen steht das sog. Betriebsüberlassungsmodell, welches darüber hinaus eine Ermächtigung zu punktuell außenwirksamem Handeln enthalten kann184 und damit bereits in die Nähe der Verwaltungssubstitution185 rückt. Eine weitere Modifikation stellt das sog. BOT- (Build-Operate-Transfer-)Modell (auch Kurzzeit-Betreibermodell genannt) dar, bei dem der Unternehmer den Betrieb einer von ihm zuvor erstellten Anlage nur für eine Anlaufphase übernimmt.186 Im Falle einer Refinanzierung durch die Betriebseinnahmen ergeben sich auch hierbei 182 Vgl. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 746; Dedy, NWVBl. 1993, 245 (250); Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 (288); Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (143); Opitz, ZVgR 2000, 97 (101); Queitsch, UPR 2000, 247 (251); Schoch, DVBl. 1994, 1 (11); Tettinger, DÖV 1996, 764 (765); Zacharias, DÖV 2001, 454 (455). Kummer / Giesberts (NVwZ 1996, 1166, 1169), Noack (ZVgR 2000, 189) und Wiesemann (NWVBl. 1998, 257, 258) verwenden hierfür den Begriff „Dienstleistungsmodell“. Mißverständlich Arndt (Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 75), der bereits dieses Modell als „Betreibermodell im engeren Sinne“ (dazu siehe unten) bezeichnet. 183 Vgl. nur H. Bauer, DÖV 1998, 89 (91); ders., VerwArch 90 (1999), 561 (569); Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 663, 742; Dedy, NWVBl. 1993, 245 (250); Dreher, NZBau 2002, 245 (253); Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (142); Krölls, GewArch 1995, 129 (131); Kummer / Giesberts, NVwZ 1996, 1166 (1169); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 186; Opitz, ZVgR 2000, 97 (101); Queitsch, UPR 2000, 247 (251); Schoch, DVBl. 1994, 1 (10); Tettinger, DÖV 1996, 764 (765); Wiesemann, NWVBl. 1998, 257 (258); Zacharias, DÖV 2001, 454 (457 f.). Mißverständlich ist die Bezeichnung als „Konzessionsmodell“ bei Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 73 f.; Grupp, DVBl. 1994, 140 (143); Schmitt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private nach dem FStrPrivFinG, S. 53 ff. [zum Konzessionssystem siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. c) cc)]. 184 Tettinger, DÖV 1996, 764 (765). Vgl. auch Dedy, NWVBl. 1993, 245 (250). Kummer / Giesberts (NVwZ 1996, 1166, 1169) und Noack (ZVgR 2000, 189, 190) bezeichnen dieses Modell als „Pachtmodell“. 185 Dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. c) cc). 186 Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (143); Kniesel / Scheerbarth, Der Städtetag 4 / 1998, 340 (342); Kullack, BBauBl 2 / 2001, 50; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 18; Noack, ZVgR 2000, 189 (190); Tettinger, DÖV 1996, 764 (765). Inzwischen kursieren auch für weitere Varianten der genannten Modelle englischsprachige Abkürzungen wie BOO = Build-Own-Operate, BOOM = Build-Own-Operate-Maintain, BOOT = Build-Own-Operate-Transfer, BLT = Build-Lease-Transfer (Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 55; Noack, ZVgR 2000, 189, 190) und DBFO = Design, Build, Finance, Operate (Kulle, ZfBR 2003, 129; Nickel / Kopf, ZfBR 2004, 9, 10).
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Abgrenzungsprobleme zur Verwaltungssubstitution.187 Angesichts der mannigfaltigen potentiellen Einsatzfelder für Verwaltungshelfer sind – über die beschriebenen Grundformen hinaus – zahlreiche Vor-, Neben- und Zwischenformen denkbar, zu deren Ausgestaltung sich der Vertragspraxis weite Spielräume eröffnen.188
cc) Verwaltungssubstitution (Staatsersetzendes Privathandeln) Es besteht eine dritte Möglichkeit zur rechtlichen Ausgestaltung der vertraglichen Ausgliederung, die von der herrschenden Meinung weder als Beleihung noch als Verwaltungshilfe erfaßt wird. Gemeint sind diejenigen Formen rechtsgeschäftlicher Kooperation zwischen Staat und Privaten, bei denen ein Privater mit der Erledigung einer Verwaltungsaufgabe beauftragt wird, der (im Unterschied zum Verwaltungshelfer) in eine eigenständige Außenrechtsbeziehung zum betroffenen Bürger tritt, aber (im Unterschied zum Beliehenen) keine hoheitlichen Befugnisse besitzt.189 Nach diesem Muster ist z. B. der öffentliche Rettungsdienst in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland organisiert.190 Die so beschriebene Konstellation läßt sich in verwaltungsorganisationsrechtlicher Terminologie als Verwaltungssubstitution191 (auch: Verwaltungsmittlung192) bezeichnen und ist gekennzeichnet durch einen partiellen, d. h. auf die Vollzugsebene beschränkten, staatlichen Kompetenzverzicht, dem kein Kompetenzzuwachs auf Vgl. Opitz, ZVgR 2000, 97 (109). Dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 2. c) cc). Vgl. Ehlers, DVBl. 1998, 497 (506). Z. B. führen Noack (ZVgR 2000, 189, 190) und Tettinger (DÖV 1996, 764, 765) über die genannten Modelle hinaus noch Management-, Beratungs- und Entwicklungsmodelle an. 189 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 64; Seewald, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 308. Die Einordnungsproblematik verdeutlichen Begriffsschöpfungen wie „selbständige Verwaltungshilfe“ (Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 739), „faktische Beleihung“ (Burgi, in: Geis / Lorenz, Hrsg., Festschrift für Maurer, S. 581, 586) und „anderweite Indienstnahme“ (Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 96). Zu unscharf erscheint aber auch der von Di Fabio (JZ 1999, 585, 589 f.) verwendete Begriff der „Beauftragung“. Siehe auch die Nachweise in Fn. 191 und 192. 190 Dazu siehe ausführlich Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 58 f., 84 ff. 191 v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 139 ff.; Klowait, Die Beteiligung Privater an der Abfallentsorgung, S. 100 ff.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 81 f. Vgl. Frenz, Die Staatshaftung in den Beleihungstatbeständen, S. 51 („unechte Verwaltungssubstitution“); ders., in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (146); ders., KrW- / AbfG, § 16 Rn. 18 („Verwaltungssubstitution im staatlichen Kompetenzbereich“). 192 Opitz, ZVgR 2000, 97 (101). Der Begriff geht auf H.-U. Gallwas (VVDStRL 29, 1971, 211, 214 ff.) zurück, der ihn jedoch nur gegenüber der Beleihung, nicht aber gegenüber der Verwaltungshilfe abgrenzt (ebenso v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 67). Brüning (NWVBl. 1997, 286, 290, 292; SächsVBl. 1998, 201, 202 f.) unterscheidet begrifflich zwischen Verwaltungsmittlung (als entscheidungsteilender Variante „staatsanteiligen“ Privathandelns) und Verwaltungssubstitution (als „staatsersetzendem“ Privathandeln), ohne für diese Differenzierung jedoch klare inhaltliche Kriterien zu formulieren. 187 188
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seiten des Privaten gegenübersteht.193 Da der Verwaltungssubstitut aus der Sicht des Bürgers vollständig an die Stelle des Staates tritt, kann sein Handeln nach der Terminologie Walleraths als „staatsersetzend“ bezeichnet werden.194 Auch wenn die Rechtsfigur der Verwaltungssubstitution in der Privatisierungsdiskussion nur vereinzelt rezipiert wird, ist sie der Sache nach bekannt. Denn nichts anderes verbirgt sich hinter dem sog. Konzessionssystem, bei dem die Verwaltung einen Privaten beauftragt, eine Leistung direkt an den Bürger gegen ein von diesem zu entrichtendes privatrechtliches Entgelt zu erbringen.195 Im Gegensatz zum Submissionssystem wird neben der Durchführungsverantwortung auch die Finanzierungsverantwortung einschließlich des damit verbundenen wirtschaftlichen Risikos in private Hände gelegt.196 Weil die Aufgabenverantwortung als solche beim Staat verbleibt, wird die Grenze zwischen funktionaler und materieller Privatisierung gleichwohl nicht überschritten. Insbesondere die Tatsache, daß die betreffende Aufgabe nur auf Zeit konzessioniert wird und anschließend ohne weiteres auf den Staat „zurückfällt“, verdeutlicht, daß auch die Verwaltungssubstitution nur eine Erfüllungsmodalität einer nach wie vor staatlichen Aufgabe darstellt.197 Zur praktischen Umsetzung des Konzessionssystems eignen sich entsprechend modifizierte Varianten der im Rahmen des Submissionssystems beschriebenen Modelle, insbesondere des Betriebsüberlassungsmodells und des BOT-Modells.198 Aktueller Beliebtheit erfreuen sich derartige – auch als direkte 193 Vgl. Brüning, SächsVBl. 1998, 201 (203); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 139; Klowait, Die Beteiligung Privater an der Abfallentsorgung, S. 101 f. 194 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 82. Vgl. im Anschluß Jani, Die partielle verwaltungsrechtliche Inpflichtnahme Privater zu Handlungs- und Leistungspflicht, S. 81. 195 Monopolkommission, 9. Hauptgutachten 1990 / 1991, BT-Drs. 12 / 3031, Rn. 44; Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (148); Jaeger, NZBau 2001, 6 (7); Möschel, WuW 1997, 120 (121); Schoch, DVBl. 1994, 962 (974); Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 54; ders., NZBau 2000, 272 (276); Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 115; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 22. Vgl. Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 9; Brüning, NWVBl. 1997, 286 (292); Burgi, NZBau 2002, 57 (59 Fn. 28); Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 (289); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 188 ff. 196 v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 52 f. Vgl. Hamer, Privatisierung als Rationalisierungschance, S. 39; Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen in Deutschland, S. 51. 197 Vgl. Burgi, DVBl. 2003, 949 (951 mit Fn. 15); Endler, NZBau 2002, 125 (126). A. A. noch Burgi, NVwZ 2001, 601 (603); Enzian, DVBl. 2002, 235 (237); Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 (282, 289); Zacharias, DÖV 2001, 454 (458 f.), die verkennen, daß für den Übergang der Aufgabenverantwortung (siehe unten Zweiter Teil B. III. 3.) nicht das Außenverhältnis (zwischen Konzessionär und Nutzer), sondern das Innenverhältnis (zwischen Staat und Konzessionär) maßgeblich ist, in dem der Staat lediglich die Durchführungsverantwortung abgibt. 198 Vgl. Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 192. Dazu siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) bb).
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Betreibermodelle bezeichnete 199 – Konzepte insbesondere bei der Realisierung größerer Infrastrukturprojekte (sog. „Mautmodelle“). 200 Soweit es sich bei den durch den Betreiber zu erhebenden Benutzungsentgelten aber – wie im Falle des § 2 FStrPrivFinG – um öffentlich-rechtliche Gebühren handelt, gehen diese Privatisierungsmodelle über die Rechtsfigur der Verwaltungssubstitution hinaus und erlangen die Qualität einer Beleihung.201
d) Abgrenzungen: Bedarfsdeckung und „Finanzierungsprivatisierung“ Verschiedentlich wird bereits die Ersetzung staatlicher Eigenproduktion durch Fremdbezug als Variante des çontracting out“ respektive der funktionalen Privatisierung angesehen.202 Dies läßt sich unter der Prämisse eines aufgabenbezogenen Privatisierungsbegriffs nicht aufrechterhalten. Wie bereits herausgearbeitet, hat jede Privatisierung eine bestimmte staatliche Aufgabe zum Gegenstand. Insofern muß zwischen der – finalen – Primäraufgabe, durch deren Wahrnehmung ein Bedarf hervorgerufen wird, und der – instrumentalen – Sekundäraufgabe der Bedarfsdeckung unterschieden werden.203 Kauft ein Verwaltungsträger Waren, Bau- oder Dienstleistungen bei Privaten ein (sog. Fremdbezug), schafft er damit – in Wahrnehmung der Staatsaufgabe „Bedarfsdeckung“ – lediglich die sachlichen Voraussetzungen, um eine bestimmte Primäraufgabe selbst zu erledigen. Charakteristi199 J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 51; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 22, 53. Mißverständlich Hailbronner (in: Byok / Jaeger, Hrsg., Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 339), Noack (ZVgR 2000, 189) und Stickler (in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 42), die lediglich von „Betreibermodell“ sprechen [dazu siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) bb)]. 200 Dazu ausführlich Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen; Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen; Schmitt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private nach dem FStrPrivFinG; Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur. Zusammenfassend Neumann / H. Müller, NZBau 2003, 299 ff. 201 Siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) aa) mit Fn. 158. Zeiss (Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 56 f.) spricht von einem „öffentlich-rechtlichen Konzessionsmodell“. 202 Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 8; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 28; ders., in: Oldiges (Hrsg.), Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 33 (35); Monopolkommission, 9. Hauptgutachten 1990 / 1991, BT-Drs. 12 / 3031, Rn. 44; Möschel, WuW 1997, 120 (121); Opitz, ZVgR 2000, 97 (99); Schoch, DVBl. 1994, 962 (974); Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 21. Auch die „behördeninterne funktionale Privatisierung“ im Sinne von Stelkens / Schmitz (in: Stelkens / Bonk / Sachs, Hrsg., VwVfG, § 1 Rn. 116) läuft im Ergebnis auf diese These hinaus. Krölls (GewArch 1995, 129, 131) und N. Müller (Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 115) rechnen die Vergabe von bislang durch die öffentliche Hand wahrgenommenen Aufgaben an Private sogar der materiellen Privatisierung (dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 3.) zu. 203 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 148; ders., NZBau 2002, 57 (60); Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 22 f. Vgl. Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. III, § 57, Rn. 154.
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kum der funktionalen Privatisierung aber ist die Übertragung der Aufgabenwahrnehmung auf Private. Davon läßt sich nur sprechen, wenn der Beitrag des Privaten – wie in den zuvor geschilderten Fallgruppen – einen unmittelbaren funktionalen Bezug zu der jeweiligen Primäraufgabe aufweist:204 Erst dann schlägt das Bedarfsdeckungsgeschäft in eine funktionale Privatisierung um. Aus ähnlichen Erwägungen soll auch die häufig genannte Kategorie der „Finanzierungsprivatisierung“205 bzw. der „Privatfinanzierung“ als angeblicher Variante der funktionalen Privatisierung206 nicht weiter verfolgt werden. Mit diesen Begriffen werden die verschiedensten Formen der Nutzung privaten Kapitals für die (Vor-)Finanzierung staatlicher Aufgaben bezeichnet. Auszuklammern sind zunächst diejenigen Sachverhalte, in denen die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben lediglich private Bau- oder Finanzdienstleistungen in Anspruch nimmt (z. B. Leasingmodelle im Immobilienbereich 207 oder Kreditfinanzierungen208); insoweit handelt es sich nach der obigen Abgrenzung um nicht privatisierungsrelevante Bedarfsdeckungsgeschäfte.209 Danach verbleiben ausschließlich Sachverhalte, die bereits von einer der vorhergehenden Varianten der funktionalen Privatisierung erfaßt sind (z. B. „Beteiligungsfinanzierungen“210, Betreiber- und Konzessionsmodelle211); doch bildet die Finanzierung insoweit lediglich einen Teilaspekt eines umfassenderen Privatisierungskonzepts, welches mit den Begriffen „Finanzierungsprivatisierung“ und „Privatfinanzierung“ nur unvollständig charakterisiert wird.212 204 Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 149 f. Ähnlich im Ergebnis Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns, S. 340; SchmidtJortzig, Kommunalrecht, Rn. 731. 205 Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 170; Schuppert, DÖV 1995, 761 (767); Tettinger, DÖV 1996, 764 (766); Wahl, in: Gusy, (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 260 (264 f.). Zu Recht ausgeklammert bei Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (217). 206 Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 12; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 47. Noch anders Ewers / Rodi, Privatisierung der Bundesautobahnen, S. 14, die im Anschluß an Hamer, Privatisierung als Rationalisierungschance, S. 36 f., die „finanzwirtschaftliche Privatisierung“ als Variante der formellen Privatisierung ansehen. 207 Als Privatisierung bezeichnet bei Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 12; Bucher, Die Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 71; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 48; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 170; Tettinger, DÖV 1996, 764 (766); Wahl, in: Gusy, (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 260 (265). 208 Als Privatisierung bezeichnet bei Tettinger, DÖV 1996, 764 (766). 209 Vgl. Opitz, ZVgR 2000, 97 (99), der die fiskalische Bedarfsdeckung allerdings als Variante der funktionalen Privatisierung ansieht (siehe oben Fn. 202). 210 Als Finanzierungsprivatisierung bezeichnet bei Tettinger, DÖV 1996, 764 (766); Wahl, in: Gusy, (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 260 (265). 211 Als finanzwirtschaftliche bzw. Finanzierungsprivatisierung bezeichnet bei Ewers / Rodi, Priatisierung der Bundesautobahnen, S. 47 f.; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 171; Schuppert, DÖV 1995, 761 (767). 212 Vgl. Arndt, Die Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen, S. 13.
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
3. Materielle Privatisierung a) Allgemeine Begriffsbestimmung Die weitestgehende Form der Privatisierung ist die materielle Privatisierung. Wie schon die bisher vorgestellten Privatisierungsbegriffe wird auch dieser Terminus in unterschiedlichem Sinne verwendet: Bei weiter Begriffsverwendung umfaßt er alle Privatisierungsmaßnahmen, deren Adressaten materielle Privatrechtssubjekte sind, und damit auch Fälle der bloßen Beteiligung Privater an der Aufgabenerledigung.213 Dieses Verständnis beherrscht vor allem solche (vorwiegend ältere) Stellungnahmen, in die der hier verwendete Begriff der funktionalen Privatisierung (noch) keinen Eingang gefunden hat.214 Scheidet man die unter dieser Überschrift bereits erörterten Fallgruppen aus, bedeutet materielle Privatisierung die – auch als Aufgabenprivatisierung bezeichnete 215 – vollständige Aufgabenverlagerung aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung in den sog. privaten Sektor. Dabei zieht sich der Staat aus der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen zurück und überläßt es privaten Wirtschaftssubjekten, ob und in welcher Weise diese künftig angeboten werden.216 Teilweise wird sogar gefordert, formelle und funktionale Pri-
213 Brede / Püttner, in: Brede (Hrsg.), Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, S. 267 (269, 282 f.); Kahl, NWVBl. 1993, 1327 (1331); Klowait, Die Beteiligung Privater an der Abfallentsorgung, S. 121; Kummer / Giesberts, NVwZ 1996, 1166 f. 214 Vgl. aber auch v. Hagemeister (Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 51 ff.); Hamer (Privatisierung als Rationalisierungschance, S. 38) und Völmicke (Privatisierung öffentlicher Leistungen in Deutschland, S. 49 f.), die den Begriff „funktionale Privatisierung“ für die Fälle der Aufgabenprivatisierung gebrauchen. Hingegen verwenden Lee (Privatisierung als Rechtsproblem, S. 24 f.); Osterloh (VVDStRL 54, 1995, 204, 210 und 223 Fn. 68) und Schroeder (EWS 2002, 174) den Begriff „materielle Privatisierung“ als Oberbegriff für funktionale und Aufgabenprivatisierungen. Umgekehrt verwenden Schmitt (Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private nach dem FStrPrivFinG, S. 42 ff.) und Schoch (DVBl. 1994, 962, 974) den Begriff „Aufgabenprivatisierung“ als Oberbegriff für materielle und funktionale Privatisierungen. 215 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (252 Fn. 41); Bonk, JZ 2000, 435 (437); Brüning, NWVBl. 1997, 286 (287); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 61, 86; ders., NVwZ 2001, 601 (603); ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 35; Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 (282); Frenz, GewArch 1994, 145 (147); ders., in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (138); Kahl, DVBl. 1995, 1327 (1331); Krölls, GewArch 1995, 129 (131); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 162; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (223); Peine, in: Hoffmann-Riem / J.-P. Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 95 (97); Scholz, NJW 1997, 14 (15); Seewald, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 309; Wahl, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 260 (264). 216 Vgl. nur Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 512; Di Fabio, JZ 1999, 585 f.; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 23; ders., NZBau 2002, 245 (246); Dreier, DÖV 2002, 537 (542); Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (138); ders., DÖV 2002, 186 (187); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 17; Mayen, DÖV 2001, 110 (111); Monopolkommission, 9. Hauptgutachten 1990 / 91, BT-Drs. 12 / 3031, Rn. 44; Möschel, WuW 1997, 120 f.;
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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vatisierungen als „unechte Privatisierungen“ aus der Privatisierungsdebatte auszuklammern, und nur die materielle als „echte“ bzw. „eigentliche“ Privatisierung angesehen.217 Denn allein in diesem Fall werden nicht nur Organisationsform und Aufgabenvollzug, sondern die Aufgabe selbst privatisiert. Da diese in vollem Umfang aus der staatlichen Erfüllungsverantwortung entlassen wird, führt die materielle Privatisierung zu einer Reduzierung des staatlichen Aufgabenbestandes218 und stellt sich insofern als actus contrarius zur Konstituierung einer Verwaltungsaufgabe dar219. Aus diesem Grunde erstreckt sich die Option der materiellen Privatisierung von vornherein lediglich auf fakultative, nicht aber auf notwendige Staatsaufgaben.220 Sofern die Verwaltung sich nicht auf die bloße Einstellung ihrer bisherigen Aktivitäten beschränkt,221 sondern die Überleitung in den privaten Sektor selbst gestaltet, kann der Weg zu einer materiellen Privatisierung auf zweierlei Weise beschritten werden: durch Übertragung staatlichen Eigentums auf Private oder durch Inpflichtnahme Privater.
Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (210); Peine, DÖV 1997, 353 (354); R. Schmidt, ZGR 1996, 345 (347); Schoch, DÖV 1993, 377 (378); ders., DVBl. 1994, 1 (3); ders., DVBl. 1994, 962 f. mit Fn. 14; Scholz, NJW 1997, 14 (15); Schuppert, DÖV 1995, 761 (767); Seewald, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, I Rn. 309; Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 109; Stern, DVBl. 1997, 309 (310); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 41; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 581 (588, 593). Eine „unechte Aufgabenprivatisierung“ im Sinne einer Aufgabenverlagerung auf publizistische Privatrechtsvereinigungen (Burgi, NVwZ 2001, 601, 603) kann es danach nicht geben. 217 Di Fabio, JZ 1999, 585 (586); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 21; N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 114 f.; Schmitt Glaeser, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 2, S. 3360; Scholz, NJW 1997, 14 (15). Lediglich für den Ausschluß der formellen Privatisierung: Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 110; Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 1 f.; Klowait, Die Beteiligung Privater an der Abfallentsorgung, S. 122 f.; Knemeyer, WiVerw 1978, 65 (67); Kummer / Giesberts, NVwZ 1996, 1166; Püttner, LKV 1994, 193 (195). 218 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (252 Fn. 41); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 162; Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 26; Schoch, DÖV 1993, 377 (378); ders., DVBl. 1994, 962 (963); Schuppert, DÖV 1996, 761 (767). 219 Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (223). Zur Konstitutierung von Staats- bzw. Verwaltungsaufgaben durch verfassungskonforme Inanspruchnahme siehe oben Zweiter Teil A. II. A. A. Kämmerer, Privatisierung, S. 426 ff., der einen „Staatsaufgabenerhaltungsgrundsatz“ postuliert, der Sache nach aber nur das Phänomen der „unechten Aufgabenprivatisierung“ [dazu siehe unten Zweiter Teil B. III. 3. b)] beschreibt. 220 Vgl. nur Bonk, JZ 2000, 435 (437); Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 163. Näher dazu siehe oben Zweiter Teil A. II. mit Fn. 51 – 53. 221 Zu einer solchen „Rückzugsprivatisierung“ (Püttner, LKV 1994, 193, 195) siehe Brede / Püttner, in: Brede (Hrsg.), Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, S. 267 (282). Hingegen rechnen Gusy (in: ders., Hrsg., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330, 338) und v. Loesch (Privatisierung öffentlicher Unternehmen, S. 43) diesen Sachverhalt nicht mehr zur Privatisierung. 222 Dazu siehe oben Zweiter Teil A. I. 2. mit Fn. 34.
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
b) Übertragung staatlichen Eigentums (Materielle Vermögensprivatisierung) Die Übertragung staatlichen Eigentums auf Private wird vielfach (und semantisch zutreffend) als Vermögensprivatisierung bezeichnet,222 stellt aber zugleich die „klassische“ Variante einer materiellen Privatisierung dar. Sie kann einerseits im Wege eines direkten Transfers von Vermögensgegenständen aus dem Verwaltungsvermögen erfolgen (z. B. die Veräußerung von Immobilien, ganzer Unternehmen oder wesentlicher Produktionsmittel).223 Andererseits ist bei der Veräußerung öffentlicher Unternehmen häufig ein indirekter, sukzessiver Transfer anzutreffen, bei dem ein Verwaltungsträger zunächst nur die Wahrnehmung der zu privatisierenden Aufgabe auf eine publizistische oder (verwaltungsbeherrschte oder -kontrollierte) gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung überleitet und seine (verbleibenden) Geschäftsanteile erst später vollständig an Private veräußert.224 In einem zwei- oder mehrstufigen Verfahren kommt es dann zu einer (additiven) Kombination zwischen einer formellen und / oder funktionalen und einer materiellen Privatisierung.225 Die Übertragung staatlichen Eigentums hat indes nicht zwingend zur Folge, daß die davon betroffene Aufgabe den ungehemmten Marktkräften ausgeliefert ist – einschließlich der Option eines vollständigen Verzichts auf die Aufgabenerfüllung. Vielmehr kann sich die Verwaltung auch nach materieller Privatisierung einen gewissen Einfluß auf die (nunmehr private) Aufgabenerfüllung vorbehalten und ist dazu ggf. sogar gesetzlich verpflichtet. Eine solche „externe Einflußsicherung“226 kann über verschiedenste Steuerungsinstrumente von Eingriffsrechten (Überwachungs- und Regulierungsbefugnisse) bis hin zu Förderpflichten (Einstandspflichten, personelle und finanzielle Unterstützung, insbesondere Subventionierung) vermittelt werden.227 In diesen Fällen, die auch als „bedingte“ oder „unechte
223 Vgl. Brede / Püttner, in: Brede (Hrsg.), Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, S. 267 (270); Ehlers, DVBl. 1997, 137; Möschel, JZ 1988, 885 (887). 224 Möschel, JZ 1988, 885 (887). 225 Vgl. Lee (Privatisierung als Rechtsproblem, S. 155 f.) und v. Loesch (Privatisierung öffentlicher Unternehmen, S. 49). Dabei handelt es sich um eine Kombination im additiven, nicht integrativen Sinne, bei der grundsätzlich nur die letzte Stufe eine materielle Privatisierung darstellt. Wenn die einzelnen Rechtsakte eines solchen Privatisierungsvorgangs jedoch nicht hinter-, sondern nebeneinandergeschaltet werden, diese Differenzierung also nur auf einer „juristischen Sekunde“ beruht, ist dieser Vorgang in einer teleologischen Gesamtbetrachtung als einheitliche materielle Privatisierung zu bewerten. Zu den Einwänden gegen Teil- und Mischkategorien siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. b). 226 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 11 ff. Vgl. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 78 f., der derart qualifizierte „externe Organisationseinheiten“ aber der Organisationsprivatisierung (im weiteren Sinne) zurechnet (vgl. oben II 3). 227 Vgl. H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (277); Bucher, Privatisierung von Bundesfernstraßen, S. 33 f.; Ehlers, DVBl. 1997, 137; Krölls, GewArch 1995, 129 (131); Noch,
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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Aufgabenprivatisierung“ bezeichnet werden,228 tritt also die staatliche Aufgabenerfüllung lediglich zugunsten der staatlichen Gewährleistung privater Aufgabenerfüllung, d. h. die staatliche Erfüllungsverantwortung zugunsten einer – die privatwirtschaftliche Aufgabenstellung überlagernden – staatlichen Gewährleistungsverantwortung zurück.229 Das prominenteste und zugleich bedeutendste Beispiel hierfür stellt die Privatisierung des Postwesens und der Telekommunikation (Art. 87 f. I GG) dar.230 Zugegebenermaßen wird hiermit die Existenz einer gewissen Grauzone anerkannt, deren Abgrenzung zur funktionalen Privatisierung (insbesondere in Form der Verwaltungssubstitution) im Einzelfall Probleme bereiten kann.231
c) Inpflichtnahme Privater (Staatsaussparendes Privathandeln) Die hiermit angesprochene Rechtsfigur geht auf die von H. P. Ipsen entwickelte „gesetzliche Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben“ zurück. So bezeichnete H. P. Ipsen einen Vorgang, bei dem der Staat die persönlichen oder sächlichen Kräfte Privater kraft Gesetzes zur Erledigung öffentlicher Aufgaben in Anspruch nimmt.232 Aufgrund der begrifflichen und dogmatischen Unschärfe des Begriffs der Indienstnahme233 empfiehlt es sich, statt dessen von Inpflichtnahme
DÖV 1998, 623 (626); Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (210); Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 26; Schuppert, in: J. Ipsen (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (32); Wahl, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 260 (273 ff.). 228 Brede / Püttner, in: Brede (Hrsg.), Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, S. 267 (270); Krölls, GewArch 1995, 129 (131); Noch, DÖV 1998, 623 (626), Peine, in: Hoffmann-Riem / J.-P. Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, S. 95 (97). 229 Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 134 f.; Schuppert, DÖV 1995, 761 (768 f.). Vgl. auch H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (277 f.); Baumann, DÖV 2003, 790 (793); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 86; ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 38; Kämmerer, Privatisierung, S. 440 ff.; Krölls, GewArch 1995, 129 (131). 230 Hingegen ist das von einigen Autoren (z. B. Noch, DÖV 1998, 623, 626) angeführte Beispiel der Bahnprivatisierung in doppelter Hinsicht unzutreffend: Einerseits gilt die Gewährleistungsverantwortung des Bundes (Art. 87e IV 1 GG) nur für „Eisenbahnen des Bundes“, d. h. im (Mehrheits-)Eigentum des Bundes stehende Eisenbahnverkehrsunternehmen wie die Deutsche Bahn AG (Art. 87e III 3 GG), nicht aber für solche in privater Hand (vgl. Brosius-Gersdorf, DÖV 2002, 275, 281). Andererseits überschreiten „Eisenbahnen des Bundes“ als publizistische (oder gemischtwirtschaftliche) Privatrechtsvereinigungen ihrerseits nicht das Stadium der formellen (bzw. funktionalen) Privatisierung. 231 Vgl. Fischer / Zwetkow, NVwZ 2003, 281 (282, 289), die den Begriff „unechte Aufgabenprivatisierung“ für das sog. Konzessionsmodell [dazu siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) cc)] verwenden und die hier gemeinten Fälle der „echten Aufgabenprivatisierung“ zurechnen. 232 H. P. Ipsen, in: Festgabe für Kaufmann, S. 141 ff. Vgl. v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 38.
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Zweiter Teil: Privatisierung öffentlicher Aufgaben
zu sprechen.234 Abgesehen von der wiederholten Zuordnung bestimmter Beispielsfälle,235 liegen die genauen dogmatischen Umrisse dieser Rechtsfigur noch immer im Dunkeln. Lediglich gegenüber der Beleihung im Sinne der Rechtsstellungstheorie läßt sich heute eine klare Abgrenzung darin finden, daß hier lediglich besondere Pflichten auferlegt, aber keine öffentlich-rechtlichen Befugnisse eingeräumt werden.236 Kein Anlaß besteht hingegen für eine Beschränkung auf legislative Akte; vielmehr kann die Inpflichtnahme – wie die Beleihung – sowohl durch Gesetz als auch aufgrund eines Gesetzes (durch Verwaltungsakt) erfolgen.237 Unklar ist vor allem, ob bzw. wann es sich bei den übertragenen Pflichten um sog. Verwaltungsobliegenheiten handelt – also Verwaltungsgeschäfte, die an sich vom staatlichen Behördenapparat selbst erfüllt werden müßten und dem Privaten lediglich zur Wahrnehmung übertragen sind – oder um sog. Verwaltungspflichten, deren Erfüllung nunmehr eine eigene Angelegenheit des Betroffenen darstellt.238 Die damit angesprochene Frage nach der Staatsaufgabenqualität der übertragenen Pflicht betrifft zugleich die Abgrenzung zwischen funktionaler und materieller Privatisierung.239 Jedenfalls wenn sich die Rechtsstellung des Privaten in einer reinen 233 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 196 mit Fn. 899 f. Gemeint ist nämlich weder die Übertragung eines öffentlichen Amtes durch Beleihung (N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 77) oder institutionelle Einbindung in den öffentlichen Dienst (vgl. RGSt 29, 184, 185) noch die „reine Dienstbarmachung“ der Eigeninteressen staatsunabhängiger privater Organisationen (N. Müller, a. a. O., S. 78). 234 Bueß, Private Sicherheitsdienste, S. 207 ff.; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 24; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 179 ff.; Jani, Die partielle verwaltungsrechtliche Inpflichtnahme Privater zu Handlungs- und Leistungspflicht; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 62; Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 27; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 196 Fn. 900; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 5. 235 Genannt werden insbesondere die Verpflichtung der Arbeitgeber zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben (a.A. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 116), die Erdölbevorratungspflicht von Mineralölunternehmen und die Wegereinigungspflicht der Anlieger (v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 38 f.; H. P. Ipsen, in: Festgabe für Kaufmann, S. 141 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 62; Ossenbühl, VVDStRL 29, 1971, 137, 149 / 155; Graf Vitzthum, AöR 104, 1979, 580, 594 f.). Zu weiteren Beispielen siehe Jani, Die partielle verwaltungsrechtliche Inpflichtnahme Privater zu Handlungs- und Leistungspflicht, S. 27 ff. 236 Baumann, Private Luftfahrtverwaltung, S. 46; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 38 ff.; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 181; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 40 II; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 5. Anders noch H. P. Ipsen, in: Festgabe für Kaufmann, S. 141 (151), der auf die gesetzliche Begründung der Indienstnahme gegenüber der vertraglichen Begründung der Beleihung abstellte. 237 Vgl. Jani, Die partielle verwaltungsrechtliche Inpflichtnahme Privater zu Handlungsund Leistungspflicht, S. 96 ff.; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 180. 238 Vgl. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 24; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 138 (155 f.). Diese unpräzise, wenn nicht verwirrende Terminologie stammt von Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, S. 177 ff.
B. Rechtsformen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
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Leistungsverpflichtung gegenüber dem Verwaltungsträger erschöpft, erfüllt er eine ihm als eigene auferlegte „Bürgerpflicht“ und keine Staatsfunktion.240 In diesem Sinne liegt nicht nur „staatsersetzendes“, sondern „staatsaussparendes“ Privathandeln im Sinne der Terminologie Walleraths241 vor, bei dem der Staat die betreffende öffentliche Aufgabe, sofern er sie zuvor selbst wahrgenommen hat oder dazu an sich verpflichtet wäre, aus seinem Aufgabenbereich entläßt. Deshalb kann man in diesem Fall von materieller Privatisierung – freilich im Sinne einer „unechten“, weil obligatorischen und durch öffentlich-rechtliche Pflichten überlagerten, Aufgabenprivatisierung – sprechen.242
239 Lee (Privatisierung als Rechtsproblem, S. 180) und Zeiss (Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 21) fassen die Inpflichtnahme – infolge einer (zu) engen Aufgabendefinition – als funktionale Privatisierung auf. Keine Inpflichtnahmen im hier verstandenen Sinne sind deshalb bloße privatrechtliche Dienstverträge (a.A. Bueß, Private Sicherheitsdienste, S. 207 ff., der insofern mißverständlich von „freiwilliger Inpflichtnahme“ spricht). 240 Vgl. BVerwG, DVBl. 1970, 736 (737); Baumann, Private Luftfahrtverwaltung, S. 46; v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 25, 47 f.; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, S. 17; Louis, Kommunale Abwasserbeseitigung, S. 18; Steiner, Öffentlicher Verwaltung durch Private, S. 198 f.; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (594 f.). Unklar BVerfGE 30, 292 (310 ff.); Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 138 (149, 156 Fn. 85, 159 Fn. 95). Zweifelnd Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 83. A. A. Jani, Die partielle verwaltungsrechtliche Inpflichtnahme Privater zu Handlungs- und Leistungspflicht, S. 88. 241 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 82. Vgl. oben B II 2 a. 242 Vgl. Brede / Püttner, in: Brede (Hrsg.), Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, S. 267 (269, 282); Frenz, GewArch 1994, 145 (147 f., 151); Kahl, DVBl. 1995, 1327 (1331); Louis, Kommunale Abwasserbeseitigung, S. 18; Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, S. 134; N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 115; Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 27; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (594 f.).
7 Hüser
Dritter Teil
Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung Gegenstand des folgenden Teils der Untersuchung sind die Leistungsbeziehungen zwischen öffentlichen Auftraggebern und jenen publizistischen Privatrechtsvereinigungen, an denen diese entweder als Alleingesellschafter (verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen) oder als Mitgesellschafter (gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen) beteiligt sind. Ob diese überhaupt dem Maßstab des Kartellvergaberechts unterliegen, hängt davon ab, ob der Wert der zu erbringenden Leistungen die Schwellenwerte gem. §§ 100 I GWB, 2 VgV erreicht.1 Diese Frage kann nur im konkreten Einzelfall sinnvoll gestellt werden. Weil die folgende Untersuchung jedoch zu verallgemeinerbaren Aussagen gelangen will, wird ihre positive Beantwortung vorausgesetzt.
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB Eine kartellvergaberechtliche Ausschreibungspflicht setzt voraus, daß die publizistische Privatrechtsvereinigung durch ein bestimmtes Verhalten eines Gesellschafters, der zugleich öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 GWB ist, zur Erbringung einer Leistung veranlaßt wurde und dieses Verhalten einen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 GWB darstellt. Methodisch geht es also um die Subsumtion dieses – im folgenden untechnisch als „Beauftragung“ bezeichneten – Verhaltens unter den Tatbestand des „öffentlichen Auftrags“ i. S. d. § 99 GWB. Dazu ist der Inhalt dieser Norm im Wege der Auslegung zu ermitteln. Weil das GWB – anders als etwa das österreichische und italienische Kartellgesetz – keine eigenen Auslegungsregeln enthält, richtet sich seine Interpretation nach den generell zur Gesetzesauslegung entwickelten Methoden.2 Die Feststellung des BVerfG, maßgebend sei der „objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Siehe oben Erster Teil A. IV. Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, Einf. zum GWB Rn. 55 f., 60; Immenga, in: ders. / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Einl. Rn. 61. Vgl. BGH, WuW / E BGH 795 (798). 1 2
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB
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jeweiligen Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist“,3 verweist insofern auf die vier klassischen Methoden der grammatischen, systematischen, historisch-genetischen und teleologischen Auslegung4, anhand derer der folgende Auslegungsprozeß so weit wie möglich strukturiert werden soll. Weil Auslegung aber notwendig ein „Prozeß des Vorausblickens und Zurückblickens, der wechselseitigen Erhellung“ ist,5 wird der eine oder andere „Übergriff“ in an sich methodenfremde Kriterien nicht zu vermeiden sein.
I. Grammatische Auslegung Öffentliche Aufträge sind in § 99 I GWB legaldefiniert als „entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bauoder Dienstleistungen zum Gegenstand haben“. Unabhängig von der – in einem zweiten Schritt erfolgenden – Zuordnung des Leistungsgegenstands enthält § 99 I GWB damit drei Definitionsmerkmale: in personeller Hinsicht die Unternehmenseigenschaft des potentiellen Auftragnehmers, in formal-sachlicher Hinsicht das Vorliegen eines Vertrags und in materiell-sachlicher Hinsicht die Vereinbarung eines Entgelts. Jedes dieser Merkmale enthält seinerseits einen auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff.
1. Der Begriff des Unternehmens a) Allgemeine Begriffsbestimmungen Der Begriff des Unternehmens ist in der Wirtschafts- wie in der Rechtswissenschaft gleichermaßen umstritten. Die klassische wirtschaftswissenschaftliche Unternehmenstheorie betrachtet das Unternehmen als gewinnmaximierende Produktionseinheit, wobei die Betriebswirtschaftslehre die Organisation der Leistungserstellung betrachtet, während die Volkswirtschaftslehre das Unternehmen im Unterschied zum konsumierenden privaten Haushalt in seiner Funktion als Güterproduzent beschreibt.6 In Ermangelung eines allgemeinen Unternehmensrechts kennt auch die deutsche Rechtswissenschaft keinen einheitlichen Unternehmensbegriff, sondern unterscheidet zwischen Unternehmen im arbeits-, delikts-, handels-, gesellschafts-, kartell- und steuerrechtlichen Sinne.7 Um die Gewinnung BVerfGE 11, 126 (130). Ebenso BGH, WuW / E BGH 795 (798). Vgl. Köbler, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 1, S. 433. 5 Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 142. Dieser Prozeß ist auch unter der Metapher des „hermeneutischen Zirkels“ bekannt (dies., a. a. O., S. 28, 142). 6 Brockhaus, Die Enzyklopädie, 22. Bd., „Unternehmen, Unternehmung“. 7 Vgl. die Einträge bei Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechtslexikon, Bd. 3, S. 4330 f. 3 4
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
allgemeingültiger Kriterien haben sich Schriften zum öffentlichen Wirtschaftsrecht bei dem Versuch einer Definition des „öffentlichen Unternehmens“ bemüht.8 Diese unterscheiden überwiegend zwischen materiellen und formellen Begriffsmerkmalen: In materieller Hinsicht wird eine „Tätigkeit in der Wirtschaft“ – im Sinne einer wertschöpfenden Teilnahme am geschäftlichen Verkehr unter Befolgung wirtschaftlich rationaler Arbeitsmethoden – gefordert.9 In formeller Hinsicht widerstreitet eine „institutionelle Theorie“, nach der nur selbständige Rechtspersönlichkeiten Unternehmensqualität besitzen können, einem (heute herrschenden) funktionalen Verständnis, welches lediglich auf die faktische Eigenständigkeit und ökonomische Unabhängigkeit der wirtschaftenden Einheit abstellt.10 Zudem variieren die dem Unternehmensbegriff in der Rechtssprache beigelegten Bedeutungen je nach Regelungszusammenhang und Abgrenzungszweck.11 Während z. B. das Steuerrecht an einer Abgrenzung der Geschäftssphäre des Unternehmens von der Privatsphäre des Unternehmers interessiert ist (vgl. § 2 I 2 UStG), geht es bei der Definition des „öffentlichen Unternehmens“ um die Abgrenzung der wirtschaftlichen Betätigung von der übrigen bzw. eigentlichen Verwaltungstätigkeit des Staates12. Weil keine dieser Fragen Regelungsgegenstand des § 99 I GWB ist, kann der dortige Unternehmensbegriff nur vor einem spezifisch vergaberechtlichen Hintergrund verstanden werden. Vorsicht geboten ist jedenfalls beim Heranziehen subjektiver Kriterien wie einem „Willen zur unternehmerischen Betätigung“13; denn schon aus Gründen der Rechtssicherheit kann die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des Vergaberechts nicht maßgeblich von der Selbsteinschätzung des potentiellen Auftragnehmers abhängig gemacht werden. Soll eine Leistung von einer verwaltungseigenen Privatrechtsvereinigung erbracht werden, führte dies zu der widersinnigen Konsequenz, daß der dahinterstehende öffentliche Auftraggeber selbst über die Art der Vergabe entscheiden könnte.
8 Einen Überblick über die zahlreichen Ansätze gibt Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 24 ff. 9 Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 20 f.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 35. An ähnlichen Kriterien macht Emmerich (Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 53 f.) den von ihm geforderten „Willen zur unternehmerischen Betätigung“ fest. 10 Vgl. statt vieler Ehlers, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 24 f.; Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 19 f.; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 33; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 33. 11 Vgl. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 51 m. w. N.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 4 Rn. 1. 12 Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 54 f. Dazu ausführlich Ehlers, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 25 ff. 13 Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 51 ff. m. w. N.
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b) Vergaberechtliche Begriffsbestimmung Indessen hat der Begriff des „Unternehmens“ im Vergaberecht bisher kaum Aufmerksamkeit erfahren, so daß von einem gefestigten vergaberechtlichen Unternehmensbegriff (noch) nicht gesprochen werden kann. Dies mag sich aus der Tatsache erklären, daß er keine unmittelbare Entsprechung in den EG-Vergaberichtlinien findet: Art. 1 lit. a LKR und DKR ersetzen ihn durch die Begriffe „Lieferant“ bzw. „Dienstleistungserbringer“; 14 und selbst Art. 1 lit. a BKR spricht nicht von „Unternehmen“, sondern von Verträgen mit einem „Unternehmer“,15 was eher eine Parallele zur Terminologie des privaten Werkvertragsrechts (vgl. § 631 I BGB) als zum wirtschaftsrechtlichen Unternehmensbegriff nahelegt. Hinzu kommt, daß der EuGH dem personalen Element der Definition des „öffentlichen Auftrags“ keine oder jedenfalls keine entscheidende Bedeutung beizumessen scheint: In seinem – an späterer Stelle noch ausführlich zu analysierenden – Urteil in der Rechtssache „Teckal / Viano“ antwortet er auf die Frage, ob das Verhältnis zwischen einer Gemeinde und einer publizistischen Privatrechtsvereinigung die Voraussetzungen für das Vorliegen eines öffentlichen Lieferauftrages i. S. d. LKR erfüllt, dies sei nach Art. 1 lit. a LKR der Fall, „wenn es sich um einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag unter anderem über den Kauf von Waren handelt“.16 Eine Prüfung dahingehend, ob der Vertragspartner der Gemeinde ein „Lieferant“ ist, findet hingegen nicht statt. Aus der naheliegenden Vermutung, daß die Einführung des Begriffs „Unternehmen“ in § 99 I GWB lediglich das Resultat einer Suche des deutschen Gesetzgebers nach einem gemeinsamen Oberbegriff für die gemeinschaftsrechtliche Trias „Unternehmer“, „Lieferant“ und „Dienstleistungserbringer“ darstellt, könnte daher einerseits auf ein weites Verständnis zu schließen sein.17 Diese Auslegung steht auch im Einklang mit der nunmehr in Art. 1 (II lit. a i. V. m.) VIII 1 und 2 VKR verwendeten Terminologie, wonach „die Begriffe ,Unternehmer‘, ,Lieferant‘ und ,Dienstleistungserbringer‘ [ . . . ] natürliche oder juristische Personen, öffentliche Einrichtungen oder Gruppen dieser Personen und / oder Einrichtungen [bezeichnen]“ und unter dem – ausdrücklich nur zur Vereinfachung des Textes bestimmten – Oberbegriff „Wirtschaftsteilnehmer“ zusammengefaßt werden. Andererseits darf auch die Tatsache, daß der Gesetzgeber, statt eine „unverfängliche“ Sammelbezeichnung wie z. B. „Einrichtung“, „Stelle“, „Einheit“, „Wirtschaftsteilnehmer“ usw. zu wählen, auf den wesentlich bedeutungsreicheren und in der Rechtssprache keineswegs unbekannten Unternehmensbegriff zurückgriff, nicht ohne Beachtung bleiben. Letzteres gilt um so mehr mit Blick auf die Einbin14 Vgl. die Legaldefinitionen des „öffentlichen Lieferauftrags“ in Art. 1 lit. a LKR und des „öffentlichen Dienstleistungsauftrags“ in Art. 1 lit. a DKR. 15 Vgl. die Legaldefinition des „öffentlichen Bauauftrags“ in Art. 1 lit. a BKR. 16 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154), Rn. 47. 17 Vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 398 (399); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 49, 53.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
dung der gemeinschaftsrechtlichen Vergabebestimmungen in das GWB, dessen Bestimmungen auch im übrigen maßgeblich an den Begriff des „Unternehmens“ anknüpfen. Von jenen hebt sich § 99 I GWB zwar insofern ab, als der Begriff „Unternehmen“ hier nicht der Bestimmung des personellen, sondern nur des personalen Elements des sachlichen Anwendungsbereichs dient. Mit anderen Worten: Während die §§ 1 ff., 14 ff., 19 ff. und 35 ff. GWB ein Verhaltensrecht für Unternehmen (im Umgang mit anderen Unternehmen) darstellen, konstituieren die §§ 97 ff. GWB gleichsam umgekehrt – und insofern bildet der Vierte Teil einen Fremdkörper im GWB – ein Verhaltensrecht für den Staat (in seinem Umgang mit Unternehmen). Allerdings kann dem Gesetzgeber eine gewisse terminologische Folgerichtigkeit dahingehend unterstellt werden, daß er einen bestimmten Rechtsbegriff grundsätzlich nicht innerhalb desselben Gesetzes unterschiedlich verstanden wissen will. Zumal sich die regierungsamtliche Begründung zum VgRÄG sogar ausdrücklich zu der Bezugnahme auf „erprobte Begriffe des Kartellrechts“ bekennt,18 liegt es somit nahe, für das ganze GWB von einem einheitlichen Unternehmensbegriff auszugehen.19 In den §§ 1 ff. GWB wird „Unternehmen“ in einem weiten, funktionalen Sinne verstanden und umfaßt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH „jedwede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr“.20 In gleicher Weise wird auch der Unternehmensbegriff des primären Gemeinschaftsrechts ausgelegt;21 denn auch der EG-Vertrag gebraucht den Begriff in den Art. 81 ff. zur Beschreibung des personellen Anwendungsbereichs des europäischen Kartellrechts. Der EuGH definiert „Unternehmen“ als „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“.22 Als wirtschaftlich (bzw. „geschäftlich“) wird eine Tätigkeit nur angesehen, wenn sie – 18 Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 13. Vgl. in diesem Sinne auch VÜA Bund, WuW / E VergAB 27 (33); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 85; Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (39); Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 9 f. 19 Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 1 Rn. 13; Dreher / Opitz, WM 2002, 413 (416); Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 24. Vgl. auch Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 2; ders., NZBau 2002, 311. 20 BGHZ 36, 91 (103); 67, 81 (84); 110, 371 (380). Ebenso Bechtold, Kartellgesetz, § 1 Rn. 2; Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 1 Rn. 13; G. Wiedemann, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts, § 4 Rn. 9. Das OLG Stuttgart (Beschl. v. 12. 05. 2000 – 2 Verg 1 / 00, zit. nach Ziekow, NZBau 2004, 181, 187 mit Fn. 48) hat diese Definition ausrücklich auf § 99 I GWB übertragen. 21 Vgl. Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, Art. 81 Rn. 5; Gleiss / Hirsch / Burkert, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Bd. 1, Art. 85 (1) Rn. 6, 9; Schröter, in. v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 2 / I, Vorb. zu Art. 85 – 89 Rn. 16. 22 EuGH, Urt. v. 23. 04. 1991, Rs. C-41 / 90 (Klaus Höfner u. Fritz Elser / Macroton GmbH), Slg. 1991, I-1979 (2016), Rn. 21; Urt. v. 19. 01. 1994, Rs. C-364 / 92 (SAT Fluggesellschaft mbH / Eurocontrol), Slg. 1994, I-43 (61), Rn. 18; Urt. v. 16. 11. 1995, Rs. C-244 / 94 (Fédération Francaise des sociétés d’assurance u. a. / Ministère de l’Agriculture et de la Pêche), Slg. 1995, I-4013 (4028), Rn. 14.
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über die Deckung des eigenen Bedarfs hinausgehend – auf den Austausch von Gütern oder Dienstleistungen am Markt gerichtet ist.23 Mit dem Nachsatz ist zugleich klargestellt, daß ein Unternehmen weder Gewinnerzielungsabsicht 24 noch eine eigene Rechtspersönlichkeit25 aufweisen muß. Aus letzterem folgt für den Bereich staatlicher Wirtschaftstätigkeit, daß sogar rechtlich unselbständige Verwaltungseinheiten „Unternehmen“ und damit den Wettbewerbsregeln unterworfen sein können.26 Demgegenüber erweisen sich die im vergaberechtlichen Schrifttum anzutreffenden Begriffsbestimmungen nicht als zielführend: Die Definition Eschenbruchs als „Rechtsträger [ . . . ], der sich wirtschaftlich betätigt“,27 lehnt sich zwar im zweiten Teil an den kartellrechtlichen Unternehmensbegriff an, suggeriert aber im ersten Teil einen Rückfall in die heute überholte institutionelle Unternehmenstheorie. Gegen eine Einbeziehung auch rechtlich unselbständiger Wirtschaftseinheiten, wie z. B. kommunaler Regie- oder Eigenbetriebe, spricht lediglich der Wortlaut von Art. 1 lit. a LKR, der zwar den Lieferanten als „natürliche oder juristische Person“ definiert, mit Blick auf die in Art. 1 lit. c DKR erfolgende Einbeziehung sonstiger 23 Vgl. EuGH, Urt. v. 16. 06. 1987 – Rs. 118 / 85 (Kommission / Italien), Slg. 1987, 2599 (2621), Rn. 7; Urt. v. 18. 06. 1998 – Rs. C-35 / 96 (Kommission / Italien), Slg. 1998, I-3851 (3896), Rn. 36; Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 1 Rn. 13; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EUWirtschaftsrechts, Bd. 2, H I Rn. 58; Weiß, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 81 Rn. 31, 35. 24 EuGH, Urt. v. 16. 11. 1995 – Rs. C-244 / 94 (Fédération Francaise des Sociétés d’Assurance u. a. / Ministère de l’Agriculture et de la Pêche), Slg. 1995, I-4013 (4030), Rn. 21; OLG Düsseldorf, WuW / E DE-R 233 (234); Brinker, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 81 EGV Rn. 24; Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 1 Rn. 13, 20; Gleiss / Hirsch / Burkert, Kommentar zum EGKartellrecht, Bd. 1, Art. 85 (1) Rn. 22; Schröter, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum Eu- / EG-Vertrag, Bd. 2 / I, Vorb. zu Art. 85 – 89 Rn. 22; Weiß, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 81 Rn. 31. 25 Gleiss / Hirsch / Burkert, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Bd. 1, Art. 85 (1) Rn. 47; Schröter, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 2 / I, Vorb. zu Art. 85 – 89 Rn. 26; Weiß, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 81 Rn. 33; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 39. Unklar Bunte (in: Langen / Bunte, Hrsg., Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 1 Rn. 14, 22, Art. 81 Rn. 8 f.) und Emmerich (in: Dauses, Hrsg., Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H I Rn. 58, 62), die grundsätzlich Rechtssubjektivität fordern, aber zugleich die Bindung von Regiebetrieben an die Wettbewerbsregeln bejahen. 26 Vgl. EuGH, Urt. v. 16. 06. 1987 – Rs. 118 / 85 (Kommission / Italien), Slg. 1987, 2599 (2622), Rn. 9 ff.; Ohler, Zum Begriff des Öffentlichen Auftraggebers im Europäischen Vergaberecht, S. 52. 27 Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 49. Ebenso im Anschluß OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 398 (399); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 157; Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (8). Vgl. auch Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 5a („alle natürlichen oder juristischen Personen und sonstigen Einheiten, die selbständig am Rechtsverkehr teilnehmen können“).
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„öffentlicher Einrichtungen“ (in den Kreis der Dienstleistungserbringer i. S. d. Art. 1 lit. a DKR) jedoch eine singuläre und daher nicht überzubewertende Erscheinung darstellt.28 Die Definition Ebersteins als „Wirtschaftsgebilde, die sich gewerbsmäßig mit der Erstellung der Leistung befassen“,29 wahrt zwar im ersten Teil die nötige Offenheit, ist aber im zweiten Teil zu unbestimmt und mißverständlich. Indessen scheint eine Orientierung am kartellrechtlichen Unternehmensbegriff auch deshalb naheliegend, weil sein zentraler Aspekt – das Erfordernis einer Betätigung „am Markt“ – sich mit der wettbewerbspolitischen Zielsetzung des Kartellvergaberechts zu decken scheint.30 Im allgemeinen Wettbewerbs- und Kartellrecht ist damit die Teilnahme am Leistungsaustausch von Angebot und Nachfrage im allgemeinen, d. h. jedermann zugänglichen, Wettbewerb gemeint.31 So verstanden, hätte eine Übertragung auf das Vergaberecht zur Konsequenz, daß ein Vertragspartner, der ausschließlich für einen bestimmten öffentlichen Auftraggeber tätig ist und sich nicht zugleich um Aufträge Dritter bemüht, kein Unternehmen i. S. d. § 99 I GWB wäre und infolgedessen die Aufträge dieses öffentlichen Auftraggebers stets erhalten könnte, ohne sich einem Ausschreibungswettbewerb zu stellen. Was in bezug auf publizistische Privatrechtsvereinigungen aus teleologischen Gründen erwägenswert ist,32 führte in bezug auf materiell-private Vertragspartner allerdings zu einer juristischen Legitimierung und faktischen Zementierung des sog. Hoflieferantentums, welches zu unterbinden eines der vornehmlichen Ziele des gesamten Vergaberechts ist. Um diesen offenkundigen Wertungswiderspruch zu vermeiden, müßte im Vergaberecht zumindest von einer wesentlich engeren Marktdefinition ausgegangen und unter einer Betätigung „am Markt“ allein der Wettbewerb um die Aufträge des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers verstanden werden.33 Bei einer derartigen – über die in der kartellrechtlichen Mißbrauchsauf28 In seinem Urt. v. 14. 04. 1994 (Rs. C-389 / 92, Ballast Nedam Groep NV / Belgien, Slg. 1994, I-1289, 1306, Rn. 13) spricht der EuGH zwar auch im Zusammenhang mit dem Begriff des „Unternehmers“ in Art. 1 lit. a BKR von einer „natürlichen oder juristischen Person“, hat aber über die (nicht streitgegenständliche) Frage, ob diese Eigenschaft notwendiges Merkmal eines „Unternehmers“ ist, nicht entschieden. 29 Eberstein, in: Daub / Eberstein, Kommentar zur VOL / A, Einf. Rn. 89; im Anschluß Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 6. 30 Ziekow, NZBau 2004, 181 (186), dessen Hinweis auf das OLG Koblenz (NZBau 2002, 346) allerdings insofern verfehlt ist, als sich der Vergabesenat in dem zitierten Beschluß nicht auf das Tatbestandsmerkmal „Unternehmen“ bezieht. 31 Vgl. Commichau, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 2, S. 2805. 32 Dazu siehe ausführlich unten Dritter Teil A. IV. 4. a). 33 Eine dahingehend einschränkende Auslegung verlangt deshalb auch die entsprechende Legaldefinition in Art. 1 VIII 1 VKR, wonach die als „Unternehmer, „Lieferant“ und „Dienstleistungserbringer“ bezeichneten Personen und / oder Einrichtungen „auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen [ . . . ], die Lieferung Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen anbieten“ (Hervorhebung des Verfassers).
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sicht und Fusionskontrolle bekannte sachliche, räumliche und zeitliche Marktabgrenzung weit hinausgehenden – Restriktion würde das Marktkriterium jedoch bis an den Rand der Bedeutungslosigkeit verkümmern. Auf der Suche nach einem abstrakten, aber gleichwohl „vergaberechtstauglichen“ Wortsinn ist somit nur eine eingeschränkte Übernahme des kartellrechtlichen Unternehmensbegriffs möglich, nämlich im Sinne einer Minimaldefinition von Unternehmen als jeder Einheit (unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung), die Leistungen von wirtschaftlichem Wert erbringt. Unter dieser – regelmäßig erfüllten – Voraussetzung steht einer Subsumtion publizistischer Privatrechtsvereinigungen unter den Unternehmensbegriff des § 99 I GWB grundsätzlich nichts entgegen.34
c) Ausnahme bei Vorliegen einer „wirtschaftlichen Einheit“? Zweifel an der Unternehmenseigenschaft publizistischer, insbesondere verwaltungseigener, Privatrechtsvereinigungen könnten sich schließlich ergeben, wenn man eine weitere zu § 1 GWB und Art. 81 EG angestellte Überlegung auf das Vergaberecht überträgt. Teile des Schrifttums35 befürworten insofern – gestützt auf vereinzelte Äußerungen des EuGH und EuG36 – einen sog. wirtschaftlichen Unternehmensbegriff, demzufolge mehrere demselben Konzern angehörende Gesellschaften als einheitliches Unternehmen anzusehen seien, sofern sie zusammen eine „wirtschaftliche Einheit“ bilden. Für deren Feststellung verlangt der EuGH, daß eine Gesellschaft ihr Marktverhalten nicht mehr autonom bestimmen kann, sondern den Weisungen der Konzernspitze unterliegt.37 Im Falle einer 100 %-igen Beteiligung der Mutter- an der Tochtergesellschaft wird eine derartige Abhängigkeit unabhängig vom Nachweis einer konkreten Weisung vermutet.38 Folge einer wirt-
34 Ebenso, wenn auch ohne Begründung, Kulartz, NZBau 2001, 173 (177); Reidt, ZVgR 2000, 289 (290). 35 Harms, Konzerne im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 88 ff.; Schollmeier / Krimphove, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1829; G. Wiedemann, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts, § 4 Rn. 1. 36 Vgl. EuGH, Urt. v. 12. 07. 1984 – Rs. 170 / 83 (Hydrotherm Gerätebau GmbH / Compact), Slg. 1984, 2999 (3016), Rn. 11; EuG, Urt. v. 10. 03. 1992 – Rs. T-68 / 89 u. T-78 / 89 (Società Italiana Vetro SpA u. a. / Kommission), Slg. 1992, II-1403 (1547), Rn. 357; Urt. v. 12. 01. 1995 – Rs. T-102 / 92 (Viho Europe BV / Kommission), Slg. 1995, II-17 (35), Rn. 50. 37 EuGH, Urt. v. 04. 05. 1988 – Rs. 30 / 87 (Corinne Bodson / SA Pompes funèbres des régions libérées), Slg. 1988, 2479 (2513), Rn. 19. Ebenso Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H I Rn. 68; Schröter, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 2 / I, Vorb. zu Art. 85 – 89 Rn. 31. 38 EuGH, Urt. v. 25. 10. 1983 – Rs. 107 / 82 (AEG / Kommission), Slg. 1983, 3151 (3199), Rn. 50; EuG, Urt. v. 12. 01. 1995 – Rs. T-102 / 92 (Viho Europe BV / Kommission), Slg. 1995, II-17 (35), Rn. 51; Gleiss / Hirsch / Burkert, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Bd. 1, Art. 85 (1) Rn. 57; Weiß, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 81 Rn. 40; G. Wiedemann, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts, § 8 Rn. 8.
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schaftlichen Einheit ist nach der zitierten Auffassung nicht nur die Zurechnung wettbewerbswidrigen Verhaltens einzelner Konzerngesellschaften zur Muttergesellschaft bzw. zum Gesamtkonzern, sondern auch die Unanwendbarkeit des Kartellverbots auf konzerninterne Vereinbarungen. Weil die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Einheit auch im hier zu untersuchenden Verhältnis zwischen einem öffentlichen Auftraggeber (als Quasi-Konzernspitze) und einer in seinem Eigentum stehenden verwaltungseigenen Privatrechtsvereinigung (als Tochtergesellschaft) erfüllt sind, ließe sich mit der gleichen Argumentation die Unanwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB begründen.39 Die Anknüpfung der genannten Rechtsfolgen an den Unternehmensbegriff vermag jedoch in beiden Fällen nicht zu überzeugen: Ebenso wie im Kartellrecht außer Frage steht, daß einzelne Konzerngesellschaften jedenfalls mit dritten Unternehmen gegen § 1 GWB bzw. Art. 81 EG verstoßende Vereinbarungen treffen können,40 kann im Vergaberecht nicht zweifelhaft sein, daß öffentliche Auftraggeber jedenfalls insoweit an die Vergabebestimmungen der §§ 97 ff. GWB gebunden sind, als sie Leistungsbeziehungen mit publizistischen Privatrechtsvereinigungen eingehen, zu denen sie in keinerlei Beteiligungsverhältnis stehen (was etwa für kommunale Gesellschaften gegenüber Bund, Ländern und anderen Gemeinden gilt). Da aber sowohl § 1 GWB und Art. 81 EG als auch § 99 I GWB ein „Unternehmen“ voraussetzen, kann hier wie dort weder die Eingliederung in einen Konzern noch die Beherrschung durch einen bestimmten öffentlichen Auftraggeber etwas an der – nach den allgemeinen Kriterien gegebenen – Unternehmensqualität einer Privatrechtsvereinigung ändern.41 Anderenfalls wäre „Unternehmen“ ein relativer Begriff, dessen Vorliegen nur noch im Einzelfall, in Kenntnis des jeweiligen Vertragspartners beurteilt werden könnte. Als Tatbestandsmerkmal zur Bestimmung des Anwendungsbereichs einer Norm wäre er dann – nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit auf Seiten Dritter – völlig ungeeignet. Mit dieser Feststellung ist allerdings noch nichts über die Behandlung der streitigen Sachverhalte im Ergebnis ausgesagt: So wird im kartellrechtlichen Schrifttum zu Recht darauf hingewiesen, daß sich die Unanwendbarkeit des § 1 GWB bzw. Art. 81 EG auf 39 Ähnlich im Ergebnis Byok, NJW 2001, 2295 (2299); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 157 f., die „Untergliederungen der öffentlichen Hand“ bzw. „dem öffentlichen Auftraggeber organisatorisch zugehörige und nur für ihn tätige Auftragnehmer“ nicht als „Unternehmen“ i. S. d. § 99 I GWB ansehen. 40 Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H I Rn. 69. 41 Vgl. zum Kartellrecht EuGH, Urt. v. 04. 05. 1988 – Rs. 30 / 87 (Corinne Bodson / SA Pompes funèbres des régions libérées), Slg. 1988, 2479 (2513), Rn. 19; Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 1 Rn. 15, Art. 81 Rn. 10; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H I Rn. 69; Gleiss / Hirsch / Burkert, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Bd. 1, Art. 85 (1) Rn. 55; Schröter, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 2 / I, Vorb. zu Art. 85 – 89 Rn. 31; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 51, 149.
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konzerninterne Vereinbarungen aus anderen Tatbestandsmerkmalen, insbesondere aus dem Fehlen einer – mangels Wettbewerbs zwischen den Konzerngliedern gar nicht möglichen – Wettbewerbsbeschränkung, begründen läßt.42 Dementsprechend vermag der Unternehmensbegriff auch auf die analoge Fragestellung im Vergaberecht keine endgültige Antwort zu geben; dies bleibt Aufgabe der weiteren Auslegung des Tatbestandsmerkmals „öffentlicher Auftrag“.
2. Der Begriff des entgeltlichen Vertrags Damit richtet sich das weitere Augenmerk auf das Vorliegen eines „entgeltlichen Vertrags“. Wie bereits erwähnt, beschränkt der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache „Teckal / Viano“ die Prüfung des Art. 1 lit. a LKR allein auf dieses Merkmal.43 Vertrag ist ein formal-rechtlicher Begriff, der nach der allgemeinen Rechtslehre die Willenseinigung zweier (oder mehrerer) Rechtssubjekte über die Herbeiführung eines bestimmten Rechtserfolgs – kurz: ein zwei- (oder mehr-)seitiges Rechtsgeschäft – bezeichnet.44 Ein Vertrag setzt also die Beteiligung von mindestens zwei rechtlich voneinander verschiedenen Personen voraus.45 Im Umkehrschluß fehlt es an einem Vertrag, wenn derselbe wirtschaftliche Erfolg – hier: die Erbringung einer bestimmten Leistung – lediglich zwischen zwei Organen derselben juristischen Person vereinbart wird, der öffentliche Auftraggeber mithin eigene Ressourcen in Anspruch nimmt.46 Generalanwalt Cosmas spricht insofern von 42 Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 1 Rn. 146, Art. 81 Rn. 66; Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EUWirtschaftsrechts, Bd. 2, H I Rn. 69; Gleiss / Hirsch / Burkert, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Bd. 1, Art. 85 (1) Rn. 55, 190 ff.; Schröter, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 2 / I, Vorb. zu Art. 85 – 89 Rn. 30; Weiß, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 81 Rn. 45; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 50, 150. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 12. 07. 1984 – Rs. 170 / 83 (Hydrotherm Gerätebau GmbH / Compact), Slg. 1984, 2999 (3016), Rn. 11. 43 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154), Rn. 47 ff. 44 Vgl. nur Grunsky, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechtslexikon, Bd. 3, S. 4578 f.; Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 332; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 145 Rn. 1; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 6. 45 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154), Rn. 49; GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11048), Rn. 49; W. Bayer / Franke / Opitz, EU-Vergaberecht, Rn. 107; Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 89; Byok, NJW 2001, 2298 (2298); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 20; Faber, DVBl. 2001, 248 (250); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 38; Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 10; Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (458); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 158 f.; Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1052); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 221; Mann, JZ 2002, 819 (825); Opitz, ZVgR 2000, 97 (104).
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
einer „internen Delegation“, die den Rahmen der eigenen Verwaltungsorganisation nicht verlasse.47 Auch wenn im Rahmen des sog. Neuen Steuerungsmodells Leistungsbeziehungen zwischen verschiedenen Organisationseinheiten eines Verwaltungsträgers als „Kontrakte“ bezeichnet werden48, beruhen diese nicht auf Vertragsbeziehungen im Rechtssinne, sondern simulieren jene nur. Da dies unabhängig vom Grad der verwaltungsinternen Verselbständigung gilt, unterliegen insbesondere die Leistungsbeziehungen der Gemeinden zu ihren Regie- und Eigenbetrieben keiner vergaberechtlichen Ausschreibungspflicht.49 Derartige Sachverhalte werden in der vergaberechtlichen Terminologie als staatliche Eigenleistungen50 oder – anschaulicher – als „In-house-Geschäfte“ (im engeren Sinne)51 bezeichnet. Ihr – rechtstechnisch allein durch den Vertragsbegriff ver46 GA Alber, Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 98 (RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219 (5233), Rn. 49; GA Cosmas, Schlußanträge v. 01. 07. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8134), Rn. 54; Eilmansberger, JBl 2001, 562 (563); Marx, in: Müller-Wrede (Hrsg.), VOL / A, § 10 VgV Rn. 3; H.-M. Müller, NZBau 2001, 416 (418); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 111. Vgl. Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 10; Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 110. 47 GA Cosmas, Schlußanträge v. 01. 07. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8136), Rn. 59. Vgl. Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 36 („Interorgan-Delegation“). 48 Dazu siehe nur Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 21 f. 49 Allg. M.: OLG Brandenburg, NZBau 2003, 229 (231); Landesregierung NordrheinWestfalen, Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Papke, Thomann-Stahl und Rasche v. 16. 07. 2001, LT-Drs. 13 / 1427, S. 1; Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 91; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 18 mit Fn. 27; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 54; Faber, DVBl. 2001, 248 (250); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 38; B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (404); Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 10; Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (458); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 159; Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1052); Kulartz, NZBau 2001, 173 (177); ders. / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (8); Kulartz / Portz, VOL und VOF, Einf., S. 8; Mann, JZ 2002, 819 (825 f.); Masing, ZfBR 2002, 450 (452); H.-M. Müller, NZBau 2001, 416 (420); Opitz, ZVgR 2000, 97 (104); Portz, BWGZ 2000, 191 (196); Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 300; ders., NVwZ 2000, 727 (732). 50 Art. 43 S. 2 DKR (dazu siehe unten Dritter Teil A. III. 1.); Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Begründung zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, Rn. 78, BR-Drs. 13 / 91, S. 30; Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 10. Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 9; Byok, NJW 2001, 2295 (2298); Kulartz / Portz, VOL und VOF, Einf., S. 8; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 3 f.; MüllerWrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 36; Schröder, NJW 2002, 1831 (1833 f.); Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 110. 51 Statt vieler OLG Brandenburg, NZBau 2003, 229 (231); VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (47); Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 86 ff.; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 18; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 50; Faber, DVBl. 2001, 248 (250); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs,
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB
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mittelter – Ausschluß aus dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts geht zurück auf die den EG-Vergaberichtlinien zugrunde liegende Erwägung, daß sich das Gemeinschaftsrecht nicht in die Entscheidung der öffentlichen Auftraggeber einmische, ob ihr Bedarf überhaupt durch Auftragsvergabe nach außen oder aber mit eigenen (personellen wie sachlichen) Mitteln gedeckt werden soll.52 Diese Position hat die Europäische Kommission in ihrem aktuellen Vorschlag für eine Marktöffnungsverordnung im öffentlichen Personenverkehr noch einmal bestätigt.53 Anders verhält es sich in der hier zu untersuchenden Fallgruppe: § 124 I (i. V. m. § 161 II) HGB, § 13 I GmbHG sowie § 1 I 1 AktG ordnen für alle in Betracht kommenden Rechtsformen eine (zumindest partielle) Rechtsfähigkeit an, woraus sich zwingend die rechtliche Personenverschiedenheit publizistischer Privatrechtsvereinigungen von ihren Gründungsverwaltungsträgern ergibt. Sollen die zwischen ihnen bestehenden Leistungsbeziehungen in rechtlich verbindlicher Weise geregelt werden, bedingt dies zwingend den Abschluß eines Vertrags.54 Das Merkmal der Entgeltlichkeit schließlich besagt nach allgemeinem Verständnis nur, daß die von dem einen Vertragsteil (hier: dem Unternehmen) zu erbrinVergaberecht, § 99 Rn. 5b. Die Europäische Kommission (Mitteilung „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11. 03. 1998, KOM (98) 143 endg, BT-Drs. 13 / 11160, S. 12 Fn. 10) spricht von „in-house-Aufträgen“, GA Alber (Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 98, RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a., Slg. 1999, I-5219, 5233 f., Rn. 49, 52), GA Léger (Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99, ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Slg. 2000, I-11037, 11049, Rn. 50) und Kulartz / Niebuhr (NZBau 2000, 6, 8) sprechen von „In-house-Dienst“, GA Cosmas (Schlußanträge v. 01. 07. 1999 – Rs. C-107 / 98, Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia, Slg. 1999, I-8121, 8134, Rn. 54 Fn. 34) von „In-house-Verfahren“, Holoubek (VVDStRL 60, 2000, 513, 577) und Opitz (ZVgR 2000, 97, 105) von „In-house-Vergabe“. 52 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Begründung zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge v. 06. 12. 1990, Rn. 77, BR-Drs. 13 / 91, S. 30. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Leistungen der Daseinsvorsorge, Bericht für den Europäischen Rat in Laeken vom 17. 10. 2001, KOM (2001) 598 endg, Rn. 33; OLG Brandenburg, NZBau 2003, 229 (231); Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 20, 86; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 19; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 158; Kulartz, NZBau 2001, 173 (177); ders. / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (8); Reidt, ZVgR 2000, 289. 53 Vgl. 24. Erwägungsgrund des geänderten Vorschlags der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschiffahrtswegen v. 21. 02. 2002, KOM (2002) 107 endg, 2000 / 0212 (COD): „Die Ausschreibungsvorschriften in diesen Richtlinien [DKR, LKR, BKR] müssen nicht angewandt werden, wenn eine zuständige Behörde beschließt, einen Betreiber, der Teil derselben Verwaltung ist, mit der Erbringung von Diensten zu betrauen“ (Hervorhebung des Verfassers). Dazu siehe unten Vierter Teil E. III. 3. 54 B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (404); Reidt, ZVgR 2000, 289 (290); Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 1. Vgl. auch Burgi, NVwZ 2001, 601 (605); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 38; Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 10.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
gende Leistung mit einer Gegenleistung des anderen Vertragsteils (hier: des öffentlichen Auftraggebers) verknüpft sein muß.55 Umstritten ist, ob § 99 I GWB insofern die Zahlung eines Geldbetrags voraussetzt (enger Entgeltbegriff).56 Nach der – in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend geteilten – Auffassung der Europäischen Kommission kann die Gegenleistung darüber hinaus in jeder Art von zumindest geldwerter Vergütung57, bei strenger Anwendung des Prinzips der inhaltlichen Vertragsfreiheit sogar in jedem beliebigen Verhalten58 bestehen (weiter Entgeltbegriff). Eine derartige Auslegung, die letztlich jede Art von zweiseitig verpflichtenden Verträgen umfaßt,59 wird zudem durch eine Parallelwertung zu Art. 50 EG gestützt:60 Für die Frage, ob eine Dienstleistung „gegen Entgelt erbracht“ wird, 55 Vgl. RGZ 163, 348 (356); OLG München, NJW 1983, 759; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 305 Rn. 8. Speziell zum Vergaberecht: BKartA (2. VK Bund), WuW / E Verg 354 (355); GA Cosmas, Schlußanträge v. 01. 07. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8134), Rn. 52; Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 337, 339; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 155 f.; Korbion, VgRÄG, § 99 Rn. 2; Rautenberg, ZfBR 2002, 238 (241); Reidt, ZVgR 2000, 289 (290); Schulte, NZBau 2000, 272 (276). 56 So Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 5; wohl auch Mehlitz, WuW 2001, 569 (570); Schulte, NZBau 2000, 272 (276). Vgl. (zu Art. 1 lit. a LKR) GA Cosmas, Schlußanträge v. 01. 07. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8134), Rn. 52 mit Fn. 32. Ebenso M. J. Werner / Köster, NZBau 2003, 420 (421 f.), die jedoch eine Umgehung des Vergaberechts vermuten, wenn statt dessen ein geldwerter Vorteil gewährt wird. 57 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Öffentliches Auftragswesen in der Europäischen Union: Leitfaden zu den Gemeinschaftsvorschriften für die Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen, ZVgR 1998, 386 (387). Ebenso BayObLG, Beschl. v. 27. 02. 2003 – Verg 1 / 03 (zit. nach Hucke, ZfBR-Sonderbeilage 5 / 2003, 37, 44); OLG Celle, Behörden Spiegel 4 / 2004, S. 19 (Zusammenfassung); OLG Düsseldorf, WuW / E Verg 350 f.; NZBau 2004, 343 (344); NZBau 2004, 398 (399); OLG Naumburg, WuW / E Verg 558 (560); VK Baden-Württemberg, ZfBR 2003, 81; Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 2; Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 57; Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (109); Byok, NJW 2001, 2295 (2298); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 39; Frenz, DÖV 2002, 186 (188); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 155; O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 59; GA La Pergola, Schlußanträge v. 19. 02. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem und Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, I-6821 (6835), Rn. 27; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 49; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 2; Opitz, ZVgR 2000, 97 (104); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 5; Ullrich, ZVgR 2000, 85 (87); Ziekow, NZBau 2004, 181 (186). Ähnlich Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen v. 30. 04. 2004, KOM (2004) 327 endg, Rn. 10 („wirtschaftliche Gegenleistungen“). 58 Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 8 Fn. 8; allgemein Canaris, AcP 200 (2000), 273 (354 Fn. 283). Vgl. BKartA (2. VK Bund), WuW / E Verg 354 (355). 59 OLG Düsseldorf, WuW / E Verg 350 (351); OLG Koblenz, NZBau 2001, 283 (284); VG Neustadt a. d. Weinstraße, NZBau 2002, 237 (238); Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 57; Byok, NJW 2001, 2295 (2298); Graef, VergabeR 2004, 166 (174); Kulartz, NZBau 2001, 173 (175); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 6.
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB
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stellt der EuGH maßgeblich auf deren eigennützigen Charakter ab. Folglich hat er bereits eine Tätigkeit, die lediglich mittelbar der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Dienstleistungserbringers diente, als entgeltlich beurteilt.61 Selbst wenn z. B. die Leistung einer verwaltungseigenen Privatrechtsvereinigung nur mittels fiktiver Verrechnungspreise bewertet wird, während ihr Finanzbedarf insgesamt – sei es nach dem Prinzip der Kostendeckung oder mit einem Globalbudget – aus allgemeinen Haushaltsmitteln gespeist wird, kann man demnach noch von einem entgeltlichen Vertrag sprechen.62 Insofern deckt sich der Wortlautbefund mit der im Schrifttum aus teleologischen Gründen erhobenen Forderung nach einer weiten Auslegung des Entgeltlichkeitskriteriums 63.
3. Zwischenergebnis Die Leistungsbeziehungen zwischen öffentlichen Auftraggebern und publizistischen Privatrechtsvereinigungen erfüllen in begrifflicher Hinsicht regelmäßig alle Voraussetzungen der Legaldefinition des § 99 I GWB. Unbeantwortet bleibt die sich anschließende Frage, ob diese notwendige Bedingung zugleich hinreichend zur Bejahung eines öffentlichen Auftrags und infolgedessen einer Ausschreibungspflicht ist64. Indessen steht die grammatische Analyse gerade deshalb am Beginn des Auslegungsprozesses, weil der Wortlaut nicht nur erste Orientierungspunkte liefert, sondern zugleich die äußeren Grenzen absteckt, innerhalb derer ein Gesetzesbegriff überhaupt ausgelegt werden kann.65 Ihr Ergebnis muß sich daher an den Maßstäben der systematischen, historisch-genetischen und teleologischen Auslegung messen lassen. Faßt man die soeben analysierten Merkmale der Legaldefini60 Ohler, Zum Begriff des Öffentlichen Auftraggebers im Europäischen Vergaberecht, S. 54; Opitz, ZVgR 2000, 97 (104). 61 EuGH, Urt. v. 05. 10. 1988 – Rs. C-196 / 87 (Udo Steymann / Staatssecretaris van Justitie“), Slg. 1988, 6159 (6173), Rn. 12. 62 So wohl auch Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 90. A. A. Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 36. 63 W. Bayer / Franke / Opitz, EU-Vergaberecht, Rn. 109; Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 2; Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (109); Byok, NJW 2001, 2295 (2298); Dreher / Opitz, WM 2002, 413 (416); Opitz, ZVgR 2000, 97 (104); Rautenberg, ZfBR 2002, 238 (241). 64 So bzgl. der EG-Vergaberichtlinien Arrowsmith, The Law of Public and Utilities Procurement, S. 119, 414 f.; Trepte, Public Procurement in the EC, S. 106. Unklar VK BadenWürttemberg, NZBau 2001, 340 (342, 344): „erfolgen [ . . . ] im Verhältnis zwischen dem Ag. [Kreis] zu der A-GmbH i. G. [100 % ige Tochtergesellschaft] [ . . . ] vergabepflichtige Vorgänge i. S. von § 99 I und IV GWB [ . . . ] Es ist ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn öffentliche Aufträge ohne jegliche Ausschreibung jenen Unternehmen vorbehalten werden, die [ . . . ] ganz oder mehrheitlich im Besitz [ . . . ] der öffentlichen Hand stehen.“ 65 Vgl. BGH, WuW / E BGH 795 (798); Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Einf. zum GWB, Rn. 56; Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 143, 145.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
tion des § 99 I GWB als abschließend auf, mag man das weitere Vorgehen dem Vorwurf ausgesetzt sehen, die Grenze zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung zu überschreiten. Jedoch erscheint es einerseits vertretbar, dem Begriff des öffentlichen Auftrags – als Zentralbegriff des gesamten europäischen Vergaberechts – einen gegenüber der nationalen Legaldefinition gleichsam „überschießenden“ und somit weiter auslegungsfähigen Bedeutungsgehalt beizumessen. Andererseits liegt der methodische Unterschied zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung weniger in den inhaltlichen Kriterien als vielmehr in der typologischen Einordnung: Denn (teleologische) Reduktion bzw. Analogie erfordern keinen andersartigen, sondern allenfalls einen graduell höheren Begründungsaufwand als eine restriktive bzw. extensive Auslegung.66
II. Systematische Auslegung Die Methode der systematischen Auslegung basiert auf der Erkenntnis, daß sich der Geltungsbereich einer Norm erst aus ihrer Beziehung zu anderen Normen bestimmen läßt. Die daraus folgende Regel, Normen möglichst unter Vermeidung von Wertungswidersprüchen auszulegen, läßt sich zugleich als Ableitung des Prinzips der „Einheit der Rechtsordnung“ begreifen.67 Die im Rahmen der systematischen Auslegung gebotene Gesamtschau bezieht sich daher nicht nur auf den Binnenkontext des jeweiligen Gesetzes (gesetzessystematische Auslegung),68 sondern auch auf die Stellung der zu untersuchenden Norm in der Gesamtrechtsordnung.69 Dabei kommt den „anderen Normen“ um so mehr Gewicht zu, desto höher ihr Rang in der der Rechtsordnung innewohnenden Normenhierarchie ist. Insofern bietet die systematische Auslegung zugleich einen methodischen Ansatzpunkt für die Implikation der Wertungen des nationalen Verfassungsrechts in den Aussagegehalt einer einfachrechtlichen Norm (verfassungskonforme Auslegung).70 66 Vgl. Pawlowski, Einführung in die Juristische Methodenlehre, Rn. 203 ff., 207, der die geringe Bedeutung dieser Unterscheidung auch mit dem Hinweis auf den dem „jeweiligen Bedürfnis“ angepaßten Sprachgebrauch der Rechtsprechung begründet. 67 Vgl. Pawlowski, Einführung in die juristische Methodenlehre, Rn. 191; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 49. 68 So aber offenbar Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 145 ff., der von einer am „Bedeutungszusammenhang des Gesetzes“ orientierten Methode spricht. 69 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 442; Köbler, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 1, S. 433; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 52. 70 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 81. Weil die in der Verfassung verankerten rechtsethischen Prinzipien zugleich die objektiven Zwecke der Gesetze (mit-)bestimmen, wird die verfassungskonforme Auslegung auch als Variante der (objektiv-)teleologischen Auslegung aufgefaßt (so Köbler, in: Tilch / Arloth, Hrsg., Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 1, S. 434; Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 159 ff.).
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB
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1. Gesetzessystematische Auslegung a) Beschaffungstätigkeit i. S. d. § 97 I GWB Gem. § 97 I GWB „beschaffen“ öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen „nach Maßgabe der folgenden Vorschriften“. Eine herausragende Bedeutung erlangt § 97 GWB nicht nur durch seine prominente systematische Stellung zu Beginn des Vierten Teils des GWB, sondern auch durch seine, in der Normüberschrift formulierte Funktion, „allgemeine Grundsätze“ für das Vergabeverfahren aufzustellen. Während die Absätze II bis VI das Vergabeverfahren, vor allem im Hinblick auf die Zuschlagskriterien, inhaltlich steuern und Absatz VII als materiell-rechtliche „Brücke“ zu dem in den §§ 102 ff. GWB geregelten „Vergabeprozeßrecht“ fungiert, enthält § 97 I GWB eine Art Kurzbeschreibung des gesamten Normprogramms des Kartellvergaberechts. Deshalb verdient er auch bei der Bestimmung des (sachlichen) Anwendungsbereichs und damit bei der Auslegung des § 99 I GWB Beachtung. Eine über dessen Tatbestandsmerkmale hinausgehende Information enthält indes lediglich das Prädikat „beschaffen“. Damit knüpft der Gesetzgeber an die traditionelle Funktion des (Haushalts-)Vergaberechts zur Regelung des Einkaufsverhaltens der öffentlichen Hand an und stellt klar, daß auch das Kartellvergaberecht darüber nicht hinausgeht. Die Reichweite von Beschaffungstätigkeit kann im Einzelfall durchaus zweifelhaft sein und nur im Wege der Auslegung ermittelt werden. Ohne die damit verbundenen Probleme an dieser Stelle umfassend klären zu wollen, kann der Begriff mit Blick auf die hier zu untersuchende Fragestellung jedenfalls insoweit konturiert werden, als „Beschaffung“ einen semantischen Gegenbegriff zur „Eigenproduktion“ bildet und deshalb nur im Sinne von Fremdbeschaffung, d. h. Einkauf bei externen Leistungsproduzenten, gemeint sein kann. Damit enthält § 97 I GWB einen weiteren Beleg für die – bereits aus dem Vertragsbegriff in § 99 I GWB gefolgerte – Unanwendbarkeit des Kartellvergaberechts auf staatliche Eigenleistungen71. Zumindest formal stellen auch publizistische Privatrechtsvereinigungen externe Leistungsproduzenten, die Leistungsbeziehungen zu ihnen somit Beschaffungstätigkeit dar. Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ggf. auch unter dem Beschaffungsaspekt eine andere Sichtweise geboten ist, läßt sich wiederum nur unter Heranziehung weiterer, begriffsübergreifender Auslegungskriterien beantworten. Insofern beziehen sich alle nachfolgenden Überlegungen gleichsam auf den Gesamttatbestand „Beschaffung im Wege eines öffentlichen Auftrags“.
b) Der Ausnahmekatalog des § 100 II GWB Ohne an dieser Stelle die Prüfung einzelner Ausnahmetatbestände vorwegzunehmen, lassen sich bereits aus der Tatsache, daß das Kartellvergaberecht über71
Dazu siehe oben Dritter Teil A. I. 2.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
haupt einen detaillierten Ausnahmekatalog enthält, wichtige Schlüsse ziehen. Eine Zusammenschau der §§ 99 und 100 GWB offenbart, daß sich der Gesetzgeber, den EG-Vergaberichtlinien folgend, im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts für ein ganz bestimmtes Regelungskonzept entschieden hat: Anstatt durch Beschreibung konkreter Einzeltatbestände oder -fallgruppen positiv zu normieren, wann das formalisierte Vergabeverfahren zur Anwendung kommen soll, hat er einen generellen – durch den Begriff des öffentlichen Auftrags und die Schwellenwerte konstituierten – Vergabetatbestand geschaffen (§§ 99, 100 I GWB) und durch konkrete Ausnahmetatbestände ergänzt, die lediglich negativ normieren, wann die Durchführung eines formalisierten Vergabeverfahrens nicht erforderlich ist (§ 100 II GWB). Nicht gefolgt werden kann insofern der in der Kommentarliteratur geäußerten Einschätzung, rechtssystematisch gehörten die „Ausnahmen“ zum großen Teil zu § 99 I GWB und enthielten nur Klarstellungen bzw. Einschränkungen des dortigen Auftragsbegriffs72. Dagegen spricht schon der Wortlaut des § 100 II GWB, der die Tatbestände der lit. a bis n im Eingangssatz ausdrücklich als „Aufträge“ bezeichnet und insoweit auf § 99 I GWB zurückverweist. Tatsächlich hat der Gesetzgeber lediglich in bezug auf Arbeitsverträge eine tatbestandsimmanente Einschränkung des Auftragsbegriffs vorgenommen, die der Gesetzeswortlaut dadurch verdeutlicht, daß er „Arbeitsverträge“ mit Hilfe der Konjunktion „und“ gerade von den in § 100 II lit. a bis n GWB genannten „Aufträgen“ absetzt.73 Ein solches Regelungskonzept macht nur dann Sinn, wenn das Gesetz im Ansatz möglichst viele Fallkonstellationen erfassen soll – einschließlich solcher, deren Regelungsbedürftigkeit dem historischen Gesetzgeber noch nicht bewußt war. Daraus läßt sich zunächst das allgemeine Postulat einer weiten, also gleichsam „ausschreibungsfreundlichen“, Auslegung des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts ableiten: Rechtfertigungsbedürftig ist deshalb nicht die Anwendungspflicht, sondern die Beauftragung außerhalb des formalisierten Vergabeverfahrens. Ferner befinden sich unter den vierzehn Ausnahmetatbeständen des § 100 II GWB zwei, denen mit Hilfe des systematischen argumentum e contrario konkrete Auslegungshilfen für die Beurteilung der Leistungsbeziehungen mit publizistischen Privatrechtsvereinigungen entnommen werden können:
aa) Aufträge an öffentliche Auftraggeber (§ 100 II lit. g GWB) Zum einen konfligiert § 100 II lit. g GWB, wonach das Kartellvergaberecht nicht für Aufträge gilt, „die an eine Person vergeben werden, die ihrerseits Auf72 Bechtold, Kartellgesetz, § 100 Rn. 7; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 12; Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), § 100 Rn. 389. Auf welche Ausnahmetatbestände sich diese Aussage im einzelnen bezieht, lassen die Kommentierungen offen. 73 Vgl. Dreher, DB 1998, 2579 (2587), nach dem es sich in der Regel, d. h. abgesehen von den Arbeitsverträgen, um „echte Ausnahmen“ handelt.
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traggeber nach § 98 Nr. 1, 2 oder 3 ist und ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht zur Erbringung der Leistung hat“, mit der erstmals von Generalanwalt La Pergola in seinen Schlußanträgen zur Rechtssache „BFI Holding“ postulierten Privilegierung sämtlicher Leistungsbeziehungen zwischen öffentlichen Auftraggebern untereinander74. U. Jasper versucht, diese Position mit der Vermeidung mehrstufiger Vergabeverfahren zu begründen:75 Hiernach wäre eine Ausschreibung entbehrlich, wenn das zu beauftragende Unternehmen ebenfalls die Eigenschaft eines öffentlichen Auftraggebers besitzt und infolgedessen die Vergabe von Unteraufträgen seinerseits ausschreiben müßte. Betroffen wären neben anderen Verwaltungsträgern vor allem publizistische Privatrechtsvereinigungen, die regelmäßig „juristische Personen des privaten Rechts“ i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB sind76. Nur am Rande sei bemerkt, daß die Plausibilität dieser Argumentation schon dadurch in Frage gestellt wird, daß sich das Problem der Mehrfachausschreibung ohnehin nur stellt, wenn es überhaupt zu einer Weitervergabe an Subunternehmen kommt. Und selbst in diesem Fall kann ein Vergabewettbewerb auf mehreren Marktstufen dadurch gerechtfertigt werden, daß publizistische Privatrechtsvereinigungen, auch wenn sie selbst im Wettbewerb um öffentliche Aufträge stehen, in der Regel nicht dem vollen Marktrisiko ausgesetzt sind.77 In die gleiche Richtung zielt der Vorschlag Schauenburgs, Verträge mit Privatrechtsvereinigungen, die unter § 98 Nr. 2 GWB fallen, schon deshalb als verwaltungsinterne und damit vergaberechtlich nicht relevante Vorgänge anzusehen, weil deren Einstufung als öffentliche Auftraggeber ebenfalls auf einer Zurechnung zur Verwaltung beruhe.78 Bei genauerem Hinsehen erweist sich auch hier bereits die Prämisse als fehlerhaft, weil sie die wettbewerblichen Aspekte des § 98 Nr. 2 GWB ausblendet.79 74 GA La Pergola, Schlußanträge v. 19. 02. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem und Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, I-6821 (6840), Rn. 37. Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 20; Erdmann, NdsVBl. 2000, 211 (213); Schröder, NJW 2002, 1831 (1834); Schubert, WuW 2001, 254 (255). Jedenfalls „im Rahmen der Organisationsprivatisierung“: Thieme / Correll, DVBl. 1999, 884 (886). 75 U. Jasper, DB 1998, 2151 (2153), die ohne Begründung unterstellt, daß „Vergabeverfahren auf zwei Stufen [ . . . ] vom Vergaberecht nicht gewollt“ seien. Ebenso interpretieren Bechtold (Kartellgesetz, § 100 Rn. 12), Boesen (Vergaberecht, § 100 Rn. 72) und Hailbronner (in: Byok / Jaeger, Hrsg., Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 424) die ratio des § 100 II lit. g GWB. Vgl. in bezug auf Art. 6 DKR Trepte, Public Procurement in the EC, S. 106. Ähnlich argumentieren Dreher (NZBau 2004, 14, 18), der eine doppelte Anwendung des Vergaberechts für „sachlich ungerechtfertigt“ hält, und Kulartz (VergabeR 2 / 1998, 25, 29), der eine „Flucht aus dem Vergaberecht“ verneint, weil die Aufträge der Eigengesellschaft so zu vergeben seien, „als wenn der Ausgliederungsvorgang nicht stattgefunden hätte“. 76 Dazu siehe oben Erster Teil A. III. 77 Opitz, ZVgR 2000, 97 (105). Die Einstufung als öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB setzt nämlich unter anderem voraus, daß sich die Aufgabenerfüllung außerhalb marktmäßiger Mechanismen vollzieht (dazu siehe oben Erster Teil A. III. mit Fn. 35). 78 Vgl. Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 11 f., der freilich selbst zugesteht, daß „diese Pauschalisierung die materielle Einzelfallgerechtigkeit reduzieren“ könne.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
Beide Überlegungen erübrigen sich jedenfalls vor dem Hintergrund des § 100 II lit. g GWB, der „Aufträge“ an andere öffentliche Auftraggeber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen privilegiert80. Der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift belegt im Umkehrschluß, daß das Gesetz grundsätzlich auch die Leistungsbeziehungen zwischen öffentlichen Auftraggebern (einschließlich der „Vergabe der Vergabe“) als öffentliche Aufträge i. S. d. § 99 I GWB ansieht, weshalb allein die Auftraggebereigenschaft des Vertragspartners keinen Verzicht auf die Anwendung des Kartellvergaberechts legitimiert.81 Weil die Aufstellung von Voraussetzungen nur Sinn macht, wenn diese nicht in jedem Fall per se erfüllt sind, geht es schon aus systematischen Gründen nicht an, den Ausnahmecharakter des § 100 II lit. g GWB durch eine „einschränkende Auslegung“ im Sinne eines schuldrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts zu untergraben82. Etwas anderes ergibt sich – entgegen teilweise geäußerter Ansicht83 – auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Arnhem und Rheden“84: Diese befaßt sich ausschließlich mit der Auftraggebereigenschaft publizistischer Privatrechtsvereinigungen, genauer: der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 1 lit. b DKR (entspricht § 98 Nr. 2 GWB) im Rahmen der Anwendung des Art. 6 DKR (entspricht § 100 II lit. g GWB), und trifft keinerlei Vorentscheidung über die Auslegung des Begriffs des öffentlichen (Dienstleistungs-)Auftrags.85
79 Der Zurechnungstatbestand tritt nämlich nur neben den besonderen Gründungszweck, der mit dem Tatbestandsmerkmal der Nichtgewerblichkeit ein wettbewerbs- bzw. marktbezogenes Element enthält (siehe oben Fn. 77 und Erster Teil A. III. mit Fn. 35, 37). 80 Dazu siehe ausführlich unten Dritter Teil B. I. 81 OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 398 (399); VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (48); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 33; Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (458); Jennert, ZKF 2001, 248 (250); Kullack, BBauBl 3 / 2001, 56; Opitz, ZVgR 2000, 97 (105); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 6, 33. Ebenso im Ergebnis, wenn auch ohne Begründung, EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8155), Rn. 51; Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 1999, I-11037 (11080), Rn. 40; GA Cosmas, Schlußanträge v. 01. 07. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8137), Rn. 67; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 27. 82 So aber U. Jasper, DB 1998, 2151 (2153), die mit dieser pauschalen Forderung zudem den insoweit klaren Gesetzeswortlaut ignoriert (vgl. Thieme, in: Langen / Bunte, Hrsg., Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 100 Rn. 36). Ausführlich zur Rechtsgrundlage des „ausschließlichen Rechts“ siehe unten Dritter Teil B. I. 2. 83 Erdmann, NdsVBl. 2000, 211 (213); wohl auch Schubert, WuW 2001, 254 (256); Thieme / Correll, DVBl. 1999, 884 (886 mit Fn. 12). Vorsichtiger Bechtold, Kartellgesetz, § 100 Rn. 12. Unklar Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H IV Rn. 114. 84 EuGH, Urt. v. 10. 11. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem und Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, I-6821 (6861 ff.), Rn. 31 ff. 85 Vgl. VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (48); Brinker, JZ 1999, 892; Opitz, ZVgR 2000, 97 (105 Fn. 84); Sura, EuZW 1999, 19; Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaft-
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bb) Aufträge an verbundene Unternehmen (§ 100 II lit. i GWB) Einen noch stärkeren Bezug zu der hier untersuchten Problematik weist § 100 II lit. i GWB auf.86 Danach gilt das Kartellvergaberecht unter bestimmten Voraussetzungen nicht für „Aufträge über Dienstleistungen von verbundenen Unternehmen [ . . . ] für Auftraggeber, die auf dem Gebiet der Trinkwasser- oder Energieversorgung oder des Verkehrs oder der Telekommunikation tätig sind“. Dieses sog. „Konzernprivileg“87 korrespondiert mit den bereits im Kontext des Unternehmensbegriffs angestellten Überlegungen zur Privilegierung konzerninterner Vereinbarungen.88 Die darin aufschimmernde Aussicht auf eine Lösung im Wege einer verallgemeinerungsfähigen Parallelwertung zum allgemeinen Kartellrecht wird durch § 100 II lit. i GWB endgültig verdunkelt: Bereits aus der systematischen Einordnung dieses Sachverhalts als Ausnahmetatbestand folgt im Umkehrschluß, daß das Gesetz konzerninterne Vereinbarungen grundsätzlich als öffentliche Aufträge i. S. d. § 99 I GWB ansieht. Ferner findet die Beschränkung des „Konzernprivilegs“ auf die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen durch Sektorenauftraggeber ihre Kehrseite in der grundsätzlichen Ausschreibungspflicht aller übrigen konzerninternen Leistungsbeziehungen.89 Entgegen seinem ersten Anschein enthält § 100 II lit. i GWB damit ein gewichtiges Argument gegen die – von einigen Autoren geforderte90 – pauschale Übernahme konzernrechtlicher (und darauf aufbauender kartellrechtlicher) Wertungen. Erst recht verbietet sich eine Parallelwertung zu dem in 98 Nr. 4 GWB verwendeten Begriff des „beherrschenden Einflusses“, der die Ausdehnung des (personellen) Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts bewirkt und damit eine gegenläufige Zielsetzung verfolgt.91 Zumindest rechtfertigt licher Betätigung, S. 304 f.; ders., NVwZ 2000, 727 (733); Weidemann / Otting, EWS 1999, 41 (42 f.). 86 Vgl. Faber, DVBl. 2001, 248 (255); B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (405); Marx, in: Müller-Wrede (Hrsg.), VOL / A, § 10 VgV Rn. 3; ders., NZBau 2002, 311 (314), die in den mit § 100 II lit. i GWB korrespondierenden Vorschriften der Art. 13 I SKR a. F. bzw. § 10 VgV die einzige ausdrückliche Regelung der „In-house-Problematik“ bzw. eine spezielle Ausprägung des „In-house-Geschäfts“ sehen. 87 Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 59; Faber, DVBl. 2001, 248 (254). 88 Vgl. oben Dritter Teil A. I. 1. c). 89 A. A. Marx, NZBau 2002, 311 (315), der in dem aufgrund der Ermächtigung in § 100 II lit. i GWB erlassenen § 10 VgV den „Ausdruck eines allgemeinen, das gesamte Vergaberecht durchziehenden Gedankens“ sieht. Angesichts des Befundes, daß sich dieser „Gedanke“ an keiner anderen Stelle wiederfindet, ist diese Argumentation nur schwer verständlich. 90 Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (39 f.); Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 8, 12. Vorsichtiger (in bezug auf gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen) OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 (228 f.); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (237). Vgl. auch U. Jasper / Welling, Behörden Spiegel 2 / 2003, S. 27, die (in bezug auf gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen) auch für das „Merkmal der ,Beherrschung‘“ (im Sinne des Kriteriums der „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“) die Wertungen des § 10 VgV heranziehen wollen. 91 Insoweit zutreffend OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 (228).
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allein die Feststellung, daß eine publizistische Privatrechtsvereinigung mit einem unter § 98 Nr. 1 oder 2 GWB fallenden öffentlichen Auftraggeber ggf. einen Konzernverbund i. S. d. §§ 15 ff. AktG bildet oder anderweitig von diesem „beherrscht“ wird,92 noch kein Absehen von der Anwendung des Kartellvergaberechts.93
2. Verfassungskonforme Auslegung a) Prüfungsmaßstab: Art. 28 II 1 GG Soweit davon auch kommunale Gebietskörperschaften betroffen wären, wird gegen die Anwendung des Kartellvergaberechts auf die Leistungsbeziehungen zu publizistischen Privatrechtsvereinigungen geltend gemacht, daß eine Ausschreibungspflicht gegen die kommunale Organisationshoheit verstoße und daher wegen Verstoßes gegen Art. 28 II 1 GG verfassungswidrig sei. Um die – im übrigen von verfassungsrechtlichen Bedenken freie – Bestimmung des § 99 I GWB nicht insgesamt dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit auszusetzen, fordern Teile des Schrifttums insofern eine verfassungskonform einschränkende Auslegung:94 Soweit eine Organisationsprivatisierung den Vorgaben des – die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ausgestaltenden – kommunalen Wirtschaftsrechts entspricht, könne das Vergaberecht dem grundsätzlich nicht entgegenstehen.95 Abgesehen davon, daß eine verfassungskonforme Interpretation nach den übrigen Auslegungsmethoden zumindest möglich sein muß,96 ist zunächst die Stichhaltigkeit der vorgetrage92 Zur Anwendbarkeit des Konzernrechts im Verhältnis zwischen Verwaltungsträgern und publizistischen Privatrechtsvereinigungen siehe unten Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (3). 93 Wie hier Niebuhr / Eschenbruch, in: Kapellmann / Vygen (Hrsg.), Jahrbuch Baurecht 1998, 195 (220); Opitz, ZVgR 2000, 97 (105). Mißverständlich insofern Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 2 („Unternehmens- oder konzerninterne Auftragsbeziehungen und sonstige ,Inhouse-Geschäfte‘ unterliegen nicht dem Abs. 1“). 94 Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (37 ff.); Zacharias, DÖV 2001, 454 (457). Vgl. auch Burgi, NVwZ 2001, 601 (604); ders., DVBl. 2003, 949 (956 f.); U. Jasper, DB 1998, 2151 (2153); Kämper / Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (384 f.); Kulartz / Portz, VOL und VOF, Einf., S. 8; Müller-Serten, NZBau 2000, 120 (123 f.); Ortlieb, WuW 2003, 146 (148); Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 6, 11; Schink, AbfallPrax 1999, 28 (31 f.); Schröder, NJW 2002, 1831 (1834); Schubert, WuW 2001, 254 (256); Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 300 f., 305; ders., NVwZ 2000, 727 (731, 733); Positionspapier des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Verbandes kommunaler Unternehmen zur Inhouse-Problematik, S. 4 (Anlage zum Schreiben des Deutschen Städtetages an seine Mitgliedstädte und Landesverbände v. 15. 05. 2001 – Az. 73. 02. 60). 95 Kämper / Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (384 f.). 96 Vgl. BVerfGE 64, 229 (242); Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 160. Ansonsten könnte es – entgegen Art. 93 und 100 I GG – dogmatisch gar keine verfassungswidrigen Gesetze geben, weil jede Norm (ohne Rücksicht auf Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck) verfassungskonform „ausgelegt“ werden könnte.
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nen Argumentation näher zu überprüfen. Gem. Art. 28 II 1 GG muß den Gemeinden das Recht zur Selbstverwaltung gewährleistet sein. Als sog. Durchgriffsnorm bindet diese Bestimmung alle Staatsgewalten in Bund und Ländern – und damit auch den Gesetzgeber des GWB – als unmittelbar geltendes Recht.97 Da auch die Gemeinden Teil der Staatsorganisation (der Länder) sind,98 enthält Art. 28 II 1 GG kein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht, sondern wird als institutionelle Garantie verstanden.99 Unabhängig davon, ob man die daraus resultierenden Rechtspositionen lediglich als subjektiv-rechtlichen Reflex einer objektiven Garantie versteht oder ihnen den Charakter eines echten subjektiven Rechts zumißt,100 ist nicht übersehbar, daß Art. 28 II 1 GG zumindest in seiner Normstruktur einem Grundrecht vergleichbar ist.101 Eine Ausschreibungspflicht wäre demnach verfassungswidrig, wenn sie einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in den Schutzbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts darstellte.
b) Schutzbereich des Selbstverwaltungsrechts In seiner Ausprägung als sog. objektive Rechtsinstitutionsgarantie 102 gewährleistet Art. 28 II 1 GG den Gemeinden das Recht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln“. Der Aspekt der Eigenverantwortlichkeit bezieht sich auf die grundsätzliche Entschließungsfreiheit der Gemeinden, die ihrer Verbandskompetenz unterliegenden Aufgaben ohne staatliche Einflußnahme so zu erfüllen, wie dies ihrem Gestaltungswillen entspricht.103 Als typisierte Fallgruppen der Eigenverantwortlichkeitsgarantie sind die sog. Gemeindehoheiten anerkannt. Die als Organisationshoheit umschriebene Befugnis zur eigenständigen Ausgestaltung der kommunalen Organisationsstruktur104 umfaßt
97 BVerfGE 1, 167 (174 f.); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 28 Rn. 86; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 33. 98 BVerfGE 83, 37 (54); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 28 Rn. 79, 88; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 31; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 10. 99 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 28 Rn. 81; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 2, Art. 28 Rn. 39; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 34 f.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 408. 100 So Maurer, DVBl. 1995, 1037 (1041 f.). 101 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 11. Vgl. auch Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 2, Art. 28 Rn. 39 („wie subjektive Rechte gedacht“). 102 Terminologie nach Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 409. Ihm folgend Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 28 Rn. 95; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 2, Art. 28 Rn. 41, 45; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 38; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 11. 103 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 28 Rn. 106; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 43. 104 Vgl. BVerfGE 8, 256 (258); 91, 228 (237 f.); VerfG Sachsen-Anhalt, NVwZ 1999, 760 (761); Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (37).
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auch die Entscheidung, ob eine Aufgabe in unmittelbarer oder mittelbarer Kommunalverwaltung wahrgenommen werden soll.105 Da der in Art. 28 II 1 GG untechnisch gebrauchte Begriff der „Regelung“ die Gemeinden nicht auf bestimmte Handlungs- oder Organisationsformen festlegt, können sie sich grundsätzlich der gesamten Palette öffentlich-rechtlicher wie privatrechtlicher Formen bedienen.106 Eine Variante der privatrechtlich organisierten mittelbaren Kommunalverwaltung ist die Aufgabenverlagerung auf verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen. Aber auch das Zusammenwirken mit anderen Gemeinden (hier: in Form gemischtöffentlicher Privatrechtsvereinigungen) wird als von der Organisationshoheit geschützt angesehen (sog. Kooperationshoheit).107 Formelle Privatisierungen auf kommunaler Ebene unterfallen daher grundsätzlich dem Schutzbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts.108
c) Eingriff in den Schutzbereich Fraglich ist, wie weit die Abwehrfunktion der Organisationshoheit gegenüber staatlichen Maßnahmen reicht. Das BVerfG hat für den Fall, daß der Gesetzgeber Sachentscheidungen trifft, die mittelbar schmälernde Einflüsse auf die kommunalen Haushalte haben, entschieden, daß der Schutz der Organisationshoheit nur gegenüber unmittelbaren staatlichen Eingriffen wirkt.109 Vor diesem Hintergrund kann man bereits an der Eingriffsqualität einer bundesgesetzlich angeordneten Ausschreibungspflicht zweifeln. Da sich diese allenfalls auf die Leistungsbeziehungen der Gemeinden mit publizistischen Privatrechtsvereinigungen bezöge, knüpfte sie nicht an den Organisationsakt selbst, sondern lediglich an die infolge jener Organisationslösung geschlossenen Verträge an.110 Das Vergaberecht mischte sich nicht in die Privatisierungsentscheidung als solche ein, verböte insbesondere 105 Dreier, in: ders. (Hrsg.), Bd. II, Art. 28 Rn. 124, 126; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 2, Art. 28 Rn. 70. 106 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 28 Rn. 108; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 45. Vgl. Schmidt-Jortzig, Kommunale Organisationshoheit, S. 17, 22 ff. Kritisch zur These von der „Wahlfreiheit“ Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 374; ders., DVBl. 1997, 137 (141). 107 BVerfG, NVwZ 1987, 123 (124); Dreier, in: ders. (Hrsg.), Bd. II, Art. 28 Rn. 128; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 2, Art. 28 Rn. 72; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 13. A. A. Oebbecke, Zweckverbandsbildung und Selbstverwaltungsgarantie, S. 67 ff., der auch freiwillige Zusammenschlüsse einem Gesetzesvorbehalt unterstellt. 108 Vgl. Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 97, der Art. 28 II 1 GG eine „im Prinzip eher privatisierungslegitimierende“ Wirkung zuschreibt. 109 BVerfG, NVwZ 1987, 123 (124). 110 Dies gilt selbst dann, wenn man den Vorgang der „Organisation“ in einem weiten Sinne – von der Bildung über die Errichtung und Einrichtung bis hin zur Betreuung des „organisierten“ Funktionsträgers – versteht (dazu siehe Schmidt-Jortzig, Kommunale Organisationshoheit, S. 19 ff.).
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nicht den Gebrauch privatrechtlicher Organisationsformen,111 sondern regelte lediglich bestimmte Modalitäten der Aufgabenerfüllung in der betreffenden Organisationsform.112 Von daher ist es ungenau und irreführend, eine Ausschreibungspflicht mit dem Argument abzulehnen, sie treffe einen „internen Organisationsakt“113. Die Gemeinde hätte nichts weiter zu tun, als die allgemeinen, für alle entgeltlichen Verträge geltenden, Regeln einzuhalten.114 Daß diese Rechtsfolge – als einer von mehreren Parametern einer vorausschauenden Organisationsplanung – zugleich Rückwirkungen auf die Privatisierungsentscheidung selbst antizipieren könnte, beeinträchtigte die Organisationshoheit allenfalls mittelbar. d) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Erstreckt man den Eingriffsbegriff unter Zugrundelegung einer weniger formalen Betrachtungsweise auch auf mittelbare Beeinträchtigungen, verlagert sich der Schwerpunkt der Prüfung auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines solchen Eingriffs. Mit der Formulierung, den Gemeinden müsse das (Selbstverwaltungs-)Recht „im Rahmen der Gesetze“ gewährleistet sein, stellt Art. 28 II 1 GG einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt auf.115 Dieser richtet sich aufgrund der staatsorganisationsrechtlichen Zuordnung der Gemeinden zu den Ländern116 zwar in erster Linie an den jeweiligen Landesgesetzgeber. Im Rahmen der grundgesetzlichen Kompetenzordnung kann jedoch auch der Bundesgesetzgeber zu Eingriffen in das Selbstverwaltungsrecht befugt sein.117 Ebenso wie den Grundrechten 111 Vgl. (zur Beauftragung gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen) BayObLG, NZBau 2002, 397 (400); VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (47). In diesem Falle läge ein Eingriff, unter Umständen sogar eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts vor (vgl. Kämmerer, Privatisierung, S. 187, 189; Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 4). 112 Lediglich insofern zutreffend Kämper / Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (384), die nicht zu erkennen vermögen, „daß das Vergaberecht für den Bereich der Organisationsprivatisierung abschließende [ . . . ] Regelungen enthält“ (Hervorhebung des Verfassers). Das gleiche gilt (entgegen dens., a. a. O., 384 f.) reziprok aber auch für das kommunale Wirtschaftsrecht. Vgl. insofern auch die zutreffende Einordnung des Vergaberechts als „Privatisierungsfolgenrecht“ bei Burgi, NVwZ 2001, 601 ff. 113 So Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 95; Ortlieb, WuW 2003, 146 (148). Vgl. B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (404); Masing, ZfBR 2002, 450 (452). 114 Vgl. (zur Beauftragung gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen) VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (47): „Diese Beschränkung unterscheidet sich, wenn überhaupt, nur marginal von der Beschränkung, der die öffentliche Hand [ . . . ] immer unterworfen ist, wenn sie eine vom Markt angebotene Leistung gegen Entgelt in Anspruch nehmen will.“ 115 BVerfGE 79, 127 (143); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 28 Rn. 109; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 2, Art. 28 Rn. 59; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 46 ff.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 20. 116 Siehe oben Dritter Teil A. II. 2. a) mit Fn. 98. 117 Vgl. BVerfGE 56, 298 (310 f.); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 28 Rn. 110, 113; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 415.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
(Art. 19 II GG) liegt auch dem Selbstverwaltungsrecht ein unantastbarer Kernbereich (Wesensgehalt) zugrunde. Ein legislativer Eingriff darf daher niemals dazu führen, daß die Selbstverwaltung „innerlich ausgehöhlt“ und die eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen „im Ergebnis erstickt“ wird.118 Davon kann hier keine Rede sein, denn nach den obigen Feststellungen ist der kommunale Aufgabenbestand als solcher überhaupt nicht, die Organisation der Aufgabenerfüllung hingegen nur mittelbar berührt.119 Aber auch Eingriffe in den sog. Vorfeld- oder Randbereich müssen in jeder Hinsicht verfassungsgemäß sein.120 Zwar wird die Anwendbarkeit des aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf Art. 28 II 1 GG teilweise unter Berufung auf die „Rastede“-Entscheidung des BVerfG121 geleugnet.122 Besinnt man sich indes auf die rechtsstaatliche Gebundenheit jeder Gesetzgebung, kann seine Geltung auch außerhalb grundrechtsrelevanter Sachverhalte nicht zweifelhaft sein.123 Wie noch zu zeigen sein wird,124 dienen die §§ 97 ff. GWB mit der Herstellung von Wettbewerb auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten einem legitimen wirtschaftspolitischen Zweck. Hierzu ist die Normierung von Ausschreibungspflichten – im allgemeinen wie auch im Hinblick auf die Leistungsbeziehungen mit publizistischen Privatrechtsvereinigungen – ein geeignetes Mittel. Solange den Gemeinden mit der Organisationsentscheidung als solcher ein „hinreichender organisatorischer Spielraum“ bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verbleibt125, wäre nach den Maßstäben des BVerfG auch keine übermäßige und unverhältnismäßige Beschränkung der Organisationshoheit zu befürchten. Ein solcher Schluß kann auch nicht damit begründet werden, daß bereits der Organisationsentscheidung, also der Frage des „Ob“, kommunalrechtliche Grenzen gesetzt sind,126 welche – gleichsam als Kompensation – eine größere Freiheit in der Frage 118 BVerfGE 1, 167 (175); 38, 258 (279); 91, 228 (239); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 21. Kritisch dazu Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 50 f. 119 Siehe oben Dritter Teil A. II. 2. c). 120 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 415. 121 BVerfGE 79, 127 (149 ff.) (materielles Aufgabenverteilungsprinzip im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses zugunsten der Gemeinden). 122 So z. B. Clemens, NVwZ 1990, 834 (835); Schmidt-Aßmann, in: Franßen / Redeker / Schlichter / Wilke (Hrsg.), Festschrift für Sendler, S. 121 (135 f.); Schoch, VerwArch 81 (1990), 18 (32 f.). 123 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 415. Ebenso Niedersächsischer StGH, DÖV 1996, 657; VerfGH Nordrhein-Westfalen, DVBl. 1997, 121 (123); Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 56; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 22; Püttner, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. IV, § 107 Rn. 24; und die frühere Rechtsprechung des BVerfG (vgl. nur BVerfGE 26, 228, 241; 56, 298, 313; 76, 107, 119 f.). 124 Siehe unten Dritter Teil A. IV. 1. 125 BVerfGE 91, 228 (241). Vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. II, Art. 28 Rn. 120; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 22. 126 Vgl. z. B. die §§ 107 ff. GO NRW, insbesondere die in § 108 GO NRW aufgestellten Voraussetzungen für die Gründung oder Beteiligung an Privatrechtsvereinigungen.
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des „Wie“ der Aufgabenerfüllung verlangten.127 Die Annahme einer wie auch immer gearteten Verdrängungswirkung des kommunalen Wirtschaftsrechts128 verbietet sich unterdessen nicht nur in bezug auf das allgemeine Wettbewerbs- und Kartellrecht, welches nach allgemeiner Meinung jedenfalls auf das „Wie“ der Aufgabenerfüllung uneingeschränkt anwendbar ist129. Im Gegenteil belegt der kommunalrechtliche Befund die besondere Regelungsbedürftigkeit bestimmter Organisationsstrukturen, so daß eine vergaberechtliche Privilegierung schlicht widersinnig erschiene. Im Ergebnis bietet Art. 28 II 1 GG somit keinen Anhaltspunkt für eine verfassungskonform einschränkende Auslegung.130
e) Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung Unabhängig von der Frage der Verfassungsmäßigkeit könnte sich eine Ausschreibungspflicht im übrigen als rechtmäßig herausstellen, wenn sie sich als zwingende Forderung aus den EG-Vergaberichtlinien ergäbe.131 Denn das (primäre wie sekundäre) Gemeinschaftsrecht genießt nach der inzwischen nahezu allgemein akzeptierten Rechtsprechung des EuGH Anwendungsvorrang vor entgegenstehendem nationalen Recht jeder Rangstufe einschließlich der Verfassung.132 Diese Kollisionsregel wäre ggf. in der Lage, unabhängig von dem konkreten Auslegungsergebnis zu § 99 I GWB eine eindeutige Rechtslage herbeizuführen: Ließe sich die Norm nach den herkömmlichen Methoden im Sinne der Richtlinien auslegen, so verdiente diese Interpretation Vorrang gegenüber einer widersprechenden verfassungskonformen Auslegung. Scheiterte eine richtlinienkonforme Auslegung an den Grenzen der herkömmlichen Methoden, käme den entsprechenden Richtlinien127 So aber Schröder, NJW 2002, 1831 (1834). Eine vermeintlich „doppelte Benachteiligung“ der Kommunen kritisieren mit Bezug auf kommunal- und gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen auch Müller-Serten (NZBau 2000, 121, 123) und die kommunalen Spitzenverbände (Positionspapier des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Verbandes kommunaler Unternehmen zur Inhouse-Problematik, S. 2 f., Anlage zum Schreiben des Deutschen Städtetages an seine Mitgliedstädte und Landesverbände v. 15. 05. 2001 – Az. 73. 02. 60). 128 Kämper / Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (385), befürchten ansonsten gar ein praktisches Leerlaufen dieses Rechtsbereichs „durch vorschnelle Heranziehung des Vergaberechts“. 129 Siehe nur Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG, Rn. 931; Kämper / Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (381). Vgl. auch unten Dritter Teil IV. 4. a) aa) mit Fn. 401. 130 Ebenso im Ergebnis OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 398 (400); Faber, DVBl. 2001, 248 (251 f.); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 56; Opitz, ZVgR 2000, 97 (105). 131 Vgl. Endler, NZBau 2002, 125 (130); Faber, DVBl. 2001, 248 (251 f.); Opitz, ZVgR 2000, 97 (105). Ausweichend Kämper / Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (384), die den gemeinschaftsrechtlichen Einwänden entgegenhalten, „nicht den Kern des Problems“ zu treffen. 132 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 15. 7. 1964 – Rs. 6 / 64 (Flaminio Costa / E.N.E.L.), Slg. 1964, 1251 (1269 f.); Urt. v. 17. 12. 1970 – Rs. 11 / 70 (Internationale Handelsgesellschaft mbH / Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1970, 1125 (1135), Rn. 3; Jarass / Beljin, NVwZ 2004, 1 (2); Oppermann, Europarecht, Rn. 615 ff., 633 f.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
bestimmungen, sofern sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau bestimmt sind, nach Ablauf der Umsetzungsfrist eine unmittelbare, die Anwendung des dahinter zurückbleibenden nationalen Vergaberechts „blockierende“, Wirkung zu.133
III. Historisch-genetische Auslegung Vorausgesetzt, man erkennt der historisch-genetischen Auslegung einen eigenen methodischen Stellenwert zu,134 kommt ihr für die Auslegung des GWB eine besondere Rolle zu, weil sich die Tragweite der zugrunde liegenden wirtschaftspolitischen Entscheidungen häufig erst aus der Entstehungsgeschichte erschließen läßt.135 Indessen erweist sich deren maßgebliche Quelle – die in der regierungsamtlichen Begründung zum VgRÄG niedergelegten Vorstellungen des deutschen Bundesgesetzgebers – für die hier interessierende Fragestellung als wenig ergiebig. Folgerungen lassen sich allein aus der Tatsache ziehen, daß es das erklärte Ziel des VgRÄG war, die EG-Vergaberichtlinien in das nationale Recht umzusetzen136. Aus der Entstehungsgeschichte des § 99 GWB ergibt sich mithin „nur“ das Postulat einer richtlinienkonformen Auslegung.137 Dessen methodische Einordnung in den Kanon der Auslegungsmethoden fällt zwar schwer,138 doch ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bereits unmittelbar aus Art. 249 III i. V. m. Art. 10 EG die Pflicht, die Auslegung nationaler Rechtsnormen, die in den Anwendungsbereich einer EG-Richtlinie fallen, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten.139 Da EG-Richtlinien ihrerseits im Lichte des 133 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 04. 12. 1974 – Rs. 41 / 74 (Yvonne van Duyn / Home Office), Slg. 1974, 1337 (1348 ff.), Rn. 12 ff.; Urt. v. 19. 01. 1982 – Rs. 8 / 81 (Ursula Becker / Finanzamt Münster), Slg. 1982, 53 (71), Rn. 25; Müller-Wrede, in: Jagenburg (Hrsg.), Festschrift für Mantscheff, S. 429 (440 f.). 134 Da man sich hierbei an den Regelungsabsichten des historischen Gesetzgebers orientiert, läßt sie diese Vorgehensweise auch als (subjektiv-)teleologische Auslegung einordnen (vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 164). 135 Vgl. Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, Einf. zum GWB Rn. 60. Vgl. BGH WuW / E BGH 795 (802 f.). 136 Vgl. Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 12; BGH, DVBl. 2001, 1607. 137 Vgl. nur OLG Brandenburg, NVwZ 1999, 1142 (1144); W. Bayer / Franke / Opitz, EUVergaberecht, Rn. 31; Bechtold, Kartellgesetz, Vor § 97 Rn. 21; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 75; ders. / Opitz, WM 2002, 413 (415); Frenz, DÖV 2002, 186 (189); Graf Kerssenbrock, WuW 2001, 122 (125 f.); Opitz, ZVgR 2000, 97 (103). 138 Zu den zahlreichen Begründungsversuchen der richtlinienkonformen Auslegung im Schrifttum siehe nur Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, S. 127 ff. 139 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 10. 04. 1984 – Rs. 14 / 83 (Von Colson und Kamann / Land Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, 1891 (1909), Rn. 26; Urt. v. 14. 07. 1994 – Rs. C-91 / 92 (Paola Faccini Dori / Recreb Srl), Slg. 1994, I-3325 (3357), Rn. 26; Urt. v. 17. 09. 1997 – Rs. C-54 / 96 (Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH / Bundesbaugesellschaft Berlin
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primären Gemeinschaftsrechts zu interpretieren sind,140 verlangt eine richtlinienkonforme Auslegung mittelbar zugleich die Berücksichtigung grundlegender Wertungen des EG-Vertrags. Bei der Lektüre der EG-Vergaberichtlinien fällt indes auf, daß der deutsche Gesetzgeber den allgemeinen Teil der in Art. 1 lit. a BKR, LKR und DKR (= Art. 1 II lit. a VKR) enthaltenen Definitionen des öffentlichen (Bau-, Liefer- bzw. Dienstleistungs-)Auftrags nahezu wortgleich in § 99 I GWB übernommen hat.141 Aus diesem Grunde erscheint es zweckmäßig, Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck dieser Richtlinienbestimmungen in die Auslegung des § 99 I GWB nach den übrigen Methoden einfließen zu lassen. Diese – im Rahmen der grammatischen Auslegung bereits praktizierte – Strategie wird vor allem die teleologische Auslegung beeinflussen.142 An dieser Stelle soll daher nur untersucht werden, ob die EG-Vergaberichtlinien und der EG-Vertrag weitere Bestimmungen enthalten, welche die nach grammatischer Auslegung zumindest mögliche Ausschreibungspflicht der Leistungsbeziehungen zu publizistischen Privatrechtsvereinigungen in Frage stellen. 1. Ausschreibungsfreiheit staatlicher Eigenleistungen (Art. 43 S. 2 DKR) Von den Richtlinien selbst enthalten lediglich die DKR und SKR (und nunmehr die VKR) einzelne Bestimmungen, in denen die genannte Problematik angesprombH), Slg. 1997, I-4961 (4997), Rn. 43; Urt. v. 24. 09. 1998 – Rs. C-76 / 97 (Walter Tögel / Niederösterreichische Gebietskrankenkasse), Slg. 1998, I-5357 (5400), Rn. 25. Ebenso BVerfGE 75, 223 (237); BAG, DB 1992, 2034 (2035); OLG Brandenburg, NVwZ 1999, 1142 (1144); Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, S. 256 ff. 140 EuGH, Urt. v. 20. 03. 1990 – RS. 21 / 88 (Du Pont de Nemours Italiana SpA / Unità sanitaria locale Nr. 2 von Carrara), Slg. 1990, I-889 (921), Rn. 17; Urt. v. 21. 03. 1991 – Rs. C-314 / 89 (Siegfried Rauh / Hauptzollamt Nürnberg-Fürth), Slg. I-1991, 1647 (1672), Rn. 17; W. Bayer / Franke / Opitz, EU-Vergaberecht, Rn. 17; Bleckmann / Pieper, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 1, B I Rn. 49 m. w. N.; Opitz, ZVgR 2000, 97 (103); Oppermann, Europarecht, Rn. 681, 688. Der Grundsatz der „primärrechtskonformen Auslegung“ des europäischen Sekundärrechts findet seine methodische Parallele in der verfassungskonformen Auslegung des einfachen nationalen Rechts (dazu siehe unten Dritter Teil A. II. 2.). 141 Gem. Art. 1 lit. a BKR „gelten als öffentliche Bauaufträge die zwischen einem Unternehmer und einem [ . . . ] öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge [ . . . ]. Gem. Art. 1 lit. a LKR „gelten als öffentliche Lieferaufträge die zwischen einem Lieferanten (einer natürlichen oder juristischen Person) und einem [ . . . ] öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge [ . . . ]“. Gem. Art. 1 lit. a DKR „gelten als öffentliche Dienstleistungsaufträge die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge [ . . . ]“. Gem. Art. 1 II lit. a VKR sind „öffentliche Aufträge [ . . . ] zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge [ . . . ]“. Dazu siehe auch oben Dritter Teil A. I. 1. b). 142 Dazu siehe unten Dritter Teil A. IV.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
chen ist. Neben die noch gesondert zu erörternden expliziten Ausnahmetatbestände in Art. 6 DKR (= Art. 18 VKR) und Art. 13 I SKR a. F. (= Art. 23 II-IV SKR n. F.)143 tritt insofern Art. 43 S. 2 DKR. Diese Bestimmung enthält einen Auftrag an die Europäische Kommission, spätestens drei Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem die Mitgliedstaaten der Richtlinie spätestens nachzukommen haben, unter anderem die „Auswirkungen staatlicher Eigenleistungen auf die Liberalisierung des Auftragswesens“ zu untersuchen und erforderlichenfalls Anpassungsvorschläge zu machen. Stapenhorst sieht darin einen „Ansatzpunkt für eine Begründung dafür, derartige den Bereich öffentlicher Eigenleistungen [ . . . ] oder Privatisierungsvorgänge betreffende Ausgliederungsakte generell vom Anwendungsbereich der DKR auszunehmen“.144 In der Tat spricht vieles dafür, dem Umkehrschluß aus Art. 43 S. 2 DKR zu entnehmen, daß staatliche Eigenleistungen, zumindest soweit sie Dienstleistungen enthalten, zunächst nicht Gegenstand der gemeinschaftsrechtlichen Koordinierung sein sollten.145 Diese geht vielmehr davon aus, daß es dazu – im Falle eines positiven Untersuchungsergebnisses der Kommission – einer Anpassung des Richtlinientextes bedürfte. Um die Tragweite dieser Bestimmung zu ermessen, ist zu klären, was genau unter „staatlichen Eigenleistungen“ zu verstehen ist. Dem Wortlaut nach muß es sich um Leistungen handeln, die ein Träger von Staatsverwaltung für sich selbst erbringt. Juristisch betrachtet, ist dies nur bei Leistungsbeziehungen innerhalb einer juristischen Person des öffentlichen Rechts der Fall: also bei „In-house-Geschäften“ im engeren Sinne, die schon mangels Vertragscharakters keinen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 I GWB und der EG-Vergaberichtlinien darstellen.146 Darüber hinaus geht Stapenhorst offenbar von einer Gleichsetzung staatlicher Eigenleistungen mit „Ausgliederungsakten“ (gemeint ist die Beauftragung publizistischer Privatrechtsvereinigungen nach formeller Privatisierung) aus. Dafür liefert Art. 43 S. 2 DKR selbst jedoch kein Argument; vielmehr ist die Vergleichbarkeit der beiden Sachverhalte gerade die Voraussetzung für eine derartige, erweiternde Auslegung des Art. 43 S. 2 DKR. Der Schluß von der Ausschreibungsfreiheit staatlicher Eigenleistungen auf die Ausschreibungsfreiheit der Leistungsbeziehungen zu publizistischen Privatrechtsvereinigungen erweist sich somit als methodisch unzulässiger Zirkelschluß. Dem könnte auch nicht entgegengehalten werden, daß eine Auslegung, nach der die in Art. 43 S. 2 DKR enthaltene Privilegierung sich nur auf Sachverhalte bezieht, die schon begrifflich keine öffentlichen Aufträge darstellen, die Norm insgesamt für überflüssig erkläre. Statt die materiellen Implikationen des Umkehrschlusses überzubewerten, ist vielmehr zu notieren, daß sich der explizite Regelungsgehalt des Art. 43 S. 2 DKR auf einen Untersuchungsauftrag Siehe unten Dritter Teil B. I. und II. Stapenhorst, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, VergabeR 3 / 1997, V (VIII). Ähnlich Kulartz, VergabeR 2 / 1998, 25 (29); Ortlieb, WuW 2003, 146 (148). 145 Vgl. Kulartz, VergabeR 2 / 1998, 25 (29); Ortlieb, WuW 2003, 146 (149); Stapenhorst, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, VergabeR 3 / 1997, V (VIII). 146 So im Ergebnis auch Faber, DVBl. 2001, 248 (253). Dazu siehe oben Dritter Teil A. I. 2. 143 144
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an die Kommission beschränkt. In dieser Hinsicht spricht aus Art. 43 S. 2 DKR sogar eine eher extensive (ausschreibungsfreundliche) Tendenz: Denn unabhängig von der Frage, ob die Leistungsbeziehungen mit publizistischen Privatrechtsvereinigungen – aus außerhalb des Art. 43 S. 2 DKR liegenden Gründen – den staatlichen Eigenleistungen gleichzustellen sind, bezieht sich der Untersuchungsauftrag jedenfalls (auch) auf „In-house-Geschäfte“ im engeren Sinne. Wenn der Richtliniengeber mithin sogar für letztere ein zumindest potentielles Regelungsbedürfnis erkannt hat, erscheint es widersprüchlich, gerade jene Norm, die diese Erkenntnis dokumentiert, für eine restriktive (ausschreibungsfeindliche) Auslegung der DKR zu instrumentalisieren.
2. Unberührtheit der nationalen Eigentumsordnung (Art. 295 EG) Art. 295 EG ist die einzige Bestimmung im EG-Vertrag, die wenigstens mittelbar eine Aussage zum Thema „Privatisierung öffentlicher Aufgaben“ enthält. Diese Aussage ist kompetenzieller Natur und betrifft die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Eigentumsordnungen. Indem Art. 295 EG bestimmt, daß „dieser Vertrag [ . . . ] die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt [läßt]“, stellt er einen Regelungsvorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten auf, selbst über die Überführung von Privateigentum in Gemeineigentum und umgekehrt – also über Verstaatlichungen einerseits und Privatisierungen andererseits – entscheiden zu können.147 Stapenhorst zieht aus der „Privatisierungsneutralität“ des Gemeinschaftsrechts den Schluß, daß die Privatisierung öffentlicher Aufgaben und die damit zusammenhängenden Fragen nicht im Widerspruch zu den auf der Grundlage des EG-Vertrags ergangenen Richtlinien zur Koordinierung der Auftragsvergabe stünden, weshalb verwaltungsorganisatorische Ausgliederungsrechtsakte (d. h. die Beauftragung publizistischer Privatrechtsvereinigungen) nicht durch die Vergabevorschriften „präjudiziert“ seien.148 Auch wenn man bei weiter Auslegung des in Art. 295 EG verwendeten Eigentumsbegriffs davon ausgeht, daß dessen Regelung auch den hier vorliegenden Fall einer Überführung von Gemeineigentum in eine andere Organisationsform desselben – jedenfalls nicht in „Privateigentum“ im Sinne von „Eigentum Privater“ – erfaßt,149 erscheint Stapenhorsts These aus zweierlei Gründen nicht haltbar:
147 Brinker, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 295 EGV Rn. 3; Hochbaum, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 5, Art. 222 Rn. 5. 148 Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (VIII). Dabei stützt er sich maßgeblich auf den Wortlaut der englischen Fassung von Art. 295 EG: „This Treaty shall in no way prejudice the rules in Member States governing the system of property ownership.“ Zustimmend Ortlieb, WuW 2003, 146 (149).
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
Zunächst trifft Art. 295 EG selbst weder positive noch negative Aussagen über Fragen der Eigentumsordnung, sondern überläßt deren Beantwortung dem nationalen Gesetzgeber.150 Sollte dieser (hier in Gestalt von § 99 GWB) in Übereinstimmung mit der eigenen Verfassung (hier insbesondere Art. 28 II 1 GG) formelle Privatisierungen mit Ausschreibungspflichten belegen, wäre dadurch der Regelungsbereich des Art. 295 EG erst gar nicht berührt. Aber auch gegenüber dem europäischen Gemeinschaftsrecht ist die Sperrwirkung des Art. 295 EG insofern begrenzt, als er nicht als Einfallstor der Mitgliedstaaten zur Aushebelung der übrigen Vertragsbestimmungen – insbesondere des Diskriminierungsverbots, der Grundfreiheiten und der Wettbewerbsregeln – mißverstanden werden darf.151 Eine praktische Konkordanz der Vertragsbestimmungen untereinander ist indessen nur gewährleistet, wenn sich die ausschließliche Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten auf die Zuordnung des Eigentums als solches, die Schutzfunktion des Art. 295 EG also auf Bestand und Substanz der betroffenen Rechte beschränkt. Das bedeutet im Umkehrschluß, daß die Ausübung der Eigentumsrechte im einzelnen den Vorgaben des EG-Vertrags – und damit auch den auf ihn gestützten Richtlinien – unterliegt.152 Insoweit lassen sich jedenfalls faktische Rückwirkungen auf die Eigentumszuordnung i. S. d. Art. 295 EG schon aus systematischen Gründen nicht vermeiden; vielmehr relativiert die Wirtschaftsverfassung des EG-Vertrags notwendigerweise auch die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten.153 Im Hinblick auf die Frage nach einer Ausschreibungspflicht gleicht die Argumentation derjeni149 Vgl. Hochbaum, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 5, Art. 222 Rn. 3; Klein, in: Hailbronner / Klein / Magiera / MüllerGraff (Hrsg.), Handkommentar zum EUV / EGV, Art. 222 Rn. 2, 7. Vgl. demgegenüber BVerfGE 61, 82 (100 ff.) zur Grundrechtsberechtigung von Gemeinden in bezug auf Art. 14 I GG. 150 Klein, in: Hailbronner / Klein / Magiera / Müller-Graff (Hrsg.), Handkommentar zum EUV / EGV, Art. 222 Rn. 8. Vgl. auch die Nachweise in Fn. 147. 151 Brinker, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 295 EGV Rn. 6. Vgl. EuGH, Urt. v. 18. 02. 1992 – Rs. C-30 / 90 (Kommission / Vereinigtes Königreich), Slg. 1992, I-829 (865), Rn. 18; Urt. v. 20. 10. 1993 – Rs. C-92 / 92 u. C-326 / 92 (Phil Collins u. a.), Slg. 1993, I-5145 (5179), Rn. 22; Urt. v. 13. 07. 1995 – Rs. C-350 / 92 (Spanien / Rat), Slg. 1995, I-1985 (2010 f.), Rn. 18; Kahl, NVwZ 1996, 1082; Klein, in: Hailbronner / Klein / Magiera / MüllerGraff (Hrsg.), Handkommentar zum EUV / EGV, Art. 222 Rn. 9 m. w. N. 152 Vgl. EuGH, Urt. v. 13. 07. 1966 – Rs. 56 / 64 u. 58 / 64 (Consten u. Grundig / Kommission), Slg. 1966, 321 (394); Brinker, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 295 EGV Rn. 6; Hochbaum, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 5, Art. 222 Rn. 6; Klein, in: Hailbronner / Klein / Magiera / Müller-Graff (Hrsg.), Handkommentar zum EUV / EGV, Art. 222 Rn. 3, 6; Schroeder, EWS 2002, 174 (175). Dieses Ergebnis legt im übrigen schon der Wortlaut des Art. 295 EG („Eigentumsordnung“) nahe, weshalb die Bestimmung auch nicht mit einem Eigentumsgrundrecht zu verwechseln ist (Brinker, a. a. O., Rn. 6; Klein, a. a. O., Rn. 4. 153 Schroeder, EWS 2002, 174 (175). Vgl. Kahl, NVwZ 1996, 1082; Kingreen, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 295 Rn. 13. Insoweit bleibt also nicht die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten durch den Vertrag, sondern gerade umgekehrt der Vertrag durch die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten unberührt (Kingreen, a. a. O.).
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gen, die schon zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht vorgetragen wurde154: Ebenso offen wie Art. 28 II 1 GG gegenüber der Ausgestaltung der kommunalen Organisationshoheit durch den nationalen Gesetzgeber zeigt sich Art. 295 EG gegenüber der Regelung von Modalitäten der Eigentumsausübung durch den europäischen Richtliniengeber. Solange die gemeinschaftsrechtlichen Vergaberegelungen eine formelle Privatisierung nicht per se verbieten, sondern lediglich – im Einklang mit den übrigen Vertragsbestimmungen – bestimmte Folgen an sie knüpfen, steht Art. 295 EG ihrer Anwendung nicht entgegen.155 Mithin vermag auch eine gemeinschaftsrechtlich begründete Ausschreibungspflicht nicht zu einem Verstoß gegen Art. 295 EG zu führen.
IV. Teleologische Auslegung Die letzte, aber regelmäßig effektivste Möglichkeit zur Einschränkung eines als zu weit empfundenen Gesetzeswortlauts bietet die teleologische Auslegung. Auf der Suche nach der sog. „ratio legis“ geht diese zwar von den subjektiven Zielsetzungen des historischen Gesetzgebers aus, durchdenkt diese jedoch weiter und versucht somit, die „Politik des Gesetzes“ in der „ihm eigenen Vernünftigkeit“ zu verstehen.156 „Ratio legis“ ist ein mehrdeutiger Begriff, der nicht nur nach den erkennbaren Zwecken der Regelung fragt (sog. subjektiv-teleologische Kriterien), sondern auch auf die dahinterstehenden rechtsethischen Prinzipien verweist (sog. objektiv-teleologische Kriterien). Unter letzteren hat vor allem der Grundsatz der Gleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte und die daraus abgeleitete Forderung nach der Vermeidung von Wertungswidersprüchen Bedeutung.157 Anlaß für eine teleologische Reduktion ist daher immer die Feststellung eines aus einer Ungleichbehandlung folgenden Wertungswiderspruchs.158 Ob und inwieweit dieser aufzulösen oder ausnahmsweise hinzunehmen ist, ist eine wertende Entscheidung, die sich wiederum nur unter Rückbezug auf subjektiv-teleologische Kriterien treffen läßt. Danach kommt eine kartellvergaberechtliche Privilegierung entgeltlicher Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und publizistischen Privatrechtsvereinigungen nur in Betracht, wenn und soweit eine Ausschreibungspflicht als Wertungswiderspruch erschiene, der nicht durch die von den § 97 ff. GWB verfolgten Zwecke gerechtfertigt ist. Eine Konkretisierung dieser beiden Voraussetzungen setzt zunächst eine allgemeine Definition der Zwecke des Kartellvergaberechts voraus Dazu siehe oben Dritter Teil A. II. 2. c) und d). Vgl. Kingreen, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 295 Rn. 13. Im Ergebnis wie hier Faber, DVBl. 2001, 248 (252). 156 Vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 153; Steindorff, in: Paulus / Diederichsen / Canaris (Hrsg.), Festschrift für Larenz, S. 217 ff. 157 Vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 153 ff. 158 Pawlowski, Einführung in die Juristische Methodenlehre, Rn. 214a. Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 66. 154 155
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
(unter 1.). Die sodann erfolgende Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung (unter 2.) zielt auf die Suche nach Kriterien, die sich in das System teleologischer Kriterien einordnen lassen und so zu einer wechselseitigen Erhellung beitragen können (unter 3. und 4.).
1. Der Wettbewerb als Schutzobjekt des Kartellvergaberechts Da das erklärte und in Wortlaut wie Systematik auch erkennbare Ziel des VgRÄG vor allem in der Umsetzung der EG-Vergaberichtlinien besteht,159 sind deren Zwecke zugleich die der §§ 97 ff. GWB. Am Beginn der Entstehungsgeschichte der Richtlinien stand die Feststellung einer weitgehenden Abschottung der nationalen öffentlichen Beschaffungsmärkte in Europa, weil die öffentlichen Auftraggeber ihre überragende Nachfragemacht zur Durchsetzung sog. vergabefremder Zwecke – von der Förderung der einheimischen Wirtschaft bis hin zur Sozialund Arbeitsmarktpolitik – nutzten: Offene und versteckte Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie Behinderungen in Form von rechtlichen und ökonomischen Markteintrittsbarrieren führten in fast allen Mitgliedstaaten zu einem Zustand, der sowohl den wirtschaftlichen Grundfreiheiten als auch dem Binnenmarktkonzept des EG-Vertrags widersprach.160 Das Mittel zur Beseitigung dieser Friktionen sah man in der Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für den gemeinschaftsweiten Wettbewerb durch Maßnahmen der Liberalisierung und Koordinierung, an deren Ende ein freier, wettbewerblich organisierter und einheitlicher öffentlicher Vergabebinnenmarkt stehen sollte.161 Die Europäische Kommission gibt folgende Hauptziele der EU-Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens an: „Schaffung der erforderlichen Wettbewerbsbedingungen, damit öffentliche Aufträge ohne Diskriminierung vergeben werden und das Ziel der rationellen Verwendung öffentlicher Mittel durch die Wahl des besten Angebots erreicht wird, Zugang der Unternehmen zu einem gemeinsamen Markt mit großen Absatzmärkten und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen UnterSiehe oben Dritter Teil A. III. mit Fn. 136. Vgl. nur EuGH, Urt. v. 15. 01. 1998 – Rs. C-44 / 96 (Mannesmann Anlagenbau Austria AG u. a. / Strohal Rotationsdruck GmbH), Slg. 1998, I-73 (116), Rn. 33; Urt. v. 10. 11. 1998, Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem und Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, I-6821 (6864), Rn. 41 f.; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft“ v. 27. 11. 1996, KOM (96) 583 endg, BR-Drs. 50 / 97, S. 10; Frank, Die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Europäischen Union, S. 20 ff. m. w. N.; Mestmäcker, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Einl. Rn. 37 f. 161 Frank, Die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Europäischen Union, S. 38 ff. m. w. N. Vgl. Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 12; Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (106 f.); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 5; Frenz, DÖV 2002, 186 (189). 159 160
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nehmen“.162 Primäres Schutzobjekt der EG-Vergaberichtlinien ist somit der Wettbewerb in den öffentlichen Beschaffungsmärkten; dahinter tritt die klassische haushaltspolitische Funktion des Vergaberechts – das fiskalische Gesamtziel der bestmöglichen und wirtschaftlichsten Versorgung der öffentlichen Hand mit Gütern und Leistungen – als Sekundärzweck zurück.163 Die wettbewerbspolitische Bedeutung des Vergaberechts hat der deutsche Gesetzgeber zudem dadurch unterstrichen, daß er zur Umsetzung der EG-Vergaberichtlinien statt eines eigenständigen Vergabegesetzes (z. B. nach österreichischem Vorbild) eine Konzeption im Rahmen des GWB wählte,164 dem in der deutschen Rechtsordnung die Funktion einer Art „Wettbewerbsverfassung“ zukommt. Wirtschaftlicher Wettbewerb stellt – in Anlehnung an die inzwischen klassische Definition von Fikentscher – in seinem Grundtatbestand einen kompetitiven Verhaltensprozeß dar, in dem auf einem bestimmten Markt mehrere selbständige Unternehmen unter Anwendung verschiedenster Mittel (Aktionsparameter) zu Geschäftsabschlüssen mit Dritten (Nachfragern oder Anbietern) zu gelangen suchen.165 Wenngleich dem Kartellvergaberecht wie auch dem allgemeinen Wettbewerbs- und Kartellrecht eine Doppelfunktion im Sinne von individuellem Freiheitsschutz und Schutz des Wettbewerbs als Institution zuerkannt wird,166 ist – bei allen Schwierigkeiten auf der Suche nach einer allgemeingültigen und subsumtionsfähigen Wettbewerbsdefinition – heute anerkannt, daß Wettbewerb stets auf die – als Summe aller wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten verstandene – individuelle Wettbewerbsfreiheit bezogen ist.167 Diese gewährleistet sowohl das Recht, als neuer Wettbewerber auf einem Markt aufzutreten, als auch das Recht, seine Ent162 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft“ v. 27. 11. 1996, KOM (96) 583 endg, BR-Drs. 50 / 97, S. 10 f. 163 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 1. 164 Hiermit sollte das „Wettbewerbsprinzip gestärkt“ und auf die „wettbewerbspolitische Relevanz des öffentlichen Auftragswesens“ besondere Rücksicht genommen werden (Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 12 f.). 165 Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg Rn. 7; Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, Einf. zum GWB, Rn. 64. Nach Fikentscher, WuW 1961, 788 (798) ist wirtschaftlicher Wettbewerb „das selbständige Streben sich gegenseitig im Wirtschaftserfolg beeinflussender Anbieter oder Nachfrager (Mitbewerber) nach Geschäftsverbindungen mit Dritten (Kunden oder Lieferanten) durch Inaussichtstellen günstig erscheinender Geschäftsbedingungen“. 166 Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 2, 60. Vgl. Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg Rn. 84. Zur dogmatischen Begründung des Institutionenschutzes siehe Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 189 ff. m. w. N. 167 Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg Rn. 7; Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 1 Rn. 125. Vgl. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 192 f.; Schröter, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 2 / I, Vorb. zu Art. 85 – 94 Rn. 13; Stockmann, in: G. Wiedemann (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts, § 7 Rn. 12, 57; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 138.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
schlüsse auf dem Markt frei fassen und durchführen zu können.168 Vom „normalen“, dem allgemeinen Wettbewerbs- und Kartellrecht vorschwebenden, Wettbewerb unterscheidet sich der Vergabewettbewerb jedoch in zweierlei Hinsicht: Zum einen kann sich das Gesetz nicht – wie in den §§ 1 ff. GWB – darauf beschränken, den bestehenden Wettbewerb vor internen, d. h. von den beteiligten Unternehmen selbst ausgehenden, Beschränkungen zu schützen. Um den unternehmerischen Betätigungsfreiheiten überhaupt Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, muß es vielmehr einen Wettbewerb erst organisieren.169 Diese Aufgabe hat der Gesetzgeber mit der in § 97 I GWB ausgesprochenen und in § 101 GWB i. V. m. der VgV und den Verdingungsordnungen konkretisierten Verpflichtung zur Beschaffung „im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren“ gleichsam delegiert auf die einzelnen öffentlichen Auftraggeber, die mit jeder öffentlichen Ausschreibung einen temporären Markt für die jeweils nachgefragte(n) Leistung(en) eröffnen170. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung, der es allein um die Frage des Ob von Ausschreibungspflichten geht, von den genannten Dimensionen der Wettbewerbsfreiheit vor allem die erste – das Marktzutrittsrecht – relevant ist. Zum zweiten erfaßt der vergaberechtliche Wettbewerbsschutz nicht unterschiedslos Anbieter und Nachfrager, sondern verengt die Perspektive auf die Disziplinierung der Nachfragemacht der öffentlichen Auftraggeber zugunsten der anbietenden Unternehmen. Vergabe- bzw. Ausschreibungswettbewerb ist also stets als ein organisierter Angebotswettbewerb zu begreifen. 2. Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung a) Europäischer Gerichtshof Der EuGH hatte bisher erst in zwei Entscheidungen Gelegenheit, sich mit der hier zu untersuchenden Problematik in bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich der EG-Vergaberichtlinien zu beschäftigen. aa) Urteil vom 18. 11. 1999 in der Rechtssache „Teckal / Viano“171 Dem ersten Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ohne vorausgegangenes Ausschreibungsverfahren übertrug die italienische Gemeinde Viano der Azienda Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg Rn. 27. Vgl. Mestmäcker, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Einl. Rn. 30. Diesen Aspekt übersieht Schauenburg (NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 9 ff.) in seiner vergleichenden Betrachtung zwischen (Kartell-), Vergabe- und (allgemeinem) Kartellrecht. 170 Vgl. BGH, WuW / E DE-R 349 (350); Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 1 Rn. 125; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (240). 171 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8139 ff.). 168 169
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Gas-Acqua Consorziale di Reggio Emilia (AGAC), einem aus insgesamt 45 Gemeinden einschließlich ihrer selbst bestehenden Konsortium mit eigener Rechtspersönlichkeit, für einen Zeitraum von einem Jahr den Betrieb der Heizungsanlagen in bestimmten gemeindeeigenen Gebäuden. Die AGAC verpflichtete sich zur Sicherstellung des Funktionierens, zur Wartung und Instandsetzung der betreffenden Heizungsanlagen sowie zur Lieferung von Brennstoffen. Die Gemeinde Viano verpflichtete sich zur Zahlung einer Vergütung von 122 Millionen Lire, von denen 86 Millionen auf die Brennstofflieferungen und 36 Millionen auf die Betriebs- und Wartungskosten entfielen. Dagegen erhob das private Unternehmen Teckal Srl, welches für Privatpersonen und öffentliche Einrichtungen Dienstleistungen im Heizungssektor einschließlich der Belieferung mit Heizöl und der Wartung von Ölund Gasheizungen erbringt, Klage vor einem italienischen Gericht und machte geltend, die Gemeinde Viano hätte die im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge einhalten müssen. Das Gericht hatte Zweifel hinsichtlich der Anwendbarkeit der DKR oder LKR und ersuchte den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 177 EGV a. F. (Art. 234 EG n. F.), Art. 6 DKR unter diesem Gesichtspunkt auszulegen. Der EuGH legte die Vorlagefrage dahingehend aus, ob die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über die Vergabe öffentlicher Aufträge anwendbar seien, wenn eine Gebietskörperschaft die Lieferung von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen einem Konsortium überträgt, dem sie selbst angehört.172 Aufgrund des den Wert der Dienstleistungen übersteigenden Warenwertes stellte der Gerichtshof auf die LKR ab und stellte fest, daß es für das Vorliegen eines öffentlichen Lieferauftrags gem. Art. 1 lit. a LKR grundsätzlich genüge, „daß der Vertrag zwischen einer Gebietskörperschaft und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person geschlossen wurde“. Etwas anderes könne nur dann gelten, „wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben“. Deshalb antwortete er auf das Vorabentscheidungsersuchen, daß die LKR anwendbar sei, „wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtigt, mit einer Einrichtung, die sich formal von ihm unterscheidet und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitzt, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren zu schließen, wobei unerheblich ist, ob diese Einrichtung selbst ein öffentlicher Auftraggeber ist“.173
172 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8151 f.), Rn. 35. 173 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154 f.), Rn. 49 – 51.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
bb) Urteil vom 07. 12. 2000 in der Rechtssache „ARGE Gewässerschutz“174 Im zweiten Fall hatten die in mittelbarer Bundesverwaltung zuständigen Ämter der österreichischen Landesregierungen Aufträge über die Entnahme und Analyse von Wasserproben aus österreichischen Seen und Flüssen ausgeschrieben, auf die sich neben der ARGE Gewässerschutz, einer Arbeitsgemeinschaft privater Ziviltechniker und Unternehmen, auch mehrere öffentliche Unternehmen, darunter das Österreichische Forschungszentrum Seibersdorf GmbH und das Österreichische Forschungs- und Prüfungszentrum Arsenal GmbH, beworben hatten. Gegen die Zulassung dieser Unternehmen zum Vergabeverfahren wandte sich die ARGE mit der Begründung, daß jene Unternehmen hohe staatliche Subventionszahlungen erhielten. Das im Nachprüfungsverfahren mit dem Fall befaßte österreichische Bundesvergabeamt legte dem EuGH daraufhin im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 177 EGV a. F. (Art. 234 EG n. F.) vier Fragen vor. Davon bezogen sich die ersten drei auf die Vereinbarkeit der Zulassung von Subventionsempfängern zum Vergabeverfahren mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung, dem Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV a. F. (Art. 12 EG n. F.) und der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 59 EGV a. F. (Art. 49 EG n. F.). Die im Falle eines Zuwiderlaufens eintretende Folge, daß jedwede staatliche Einrichtung, die als ausgegliederter Rechtsträger über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt, von der Leistungserbringung ausgeschlossen wäre, hielt das Bundesvergabeamt für zu weitreichend. Deshalb formulierte es die vierte Frage dahingehend, ob ein öffentlicher Auftraggeber ohne ein Vergabeverfahren nach der DKR Leistungsverträge mit Einrichtungen abschließen dürfe, die sich ausschließlich oder zumindest überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand befinden und ihre Leistungen ausschließlich oder zumindest überwiegend an den öffentlichen Auftraggeber oder andere Einrichtungen des Staates erbringen. Weil der EuGH einen Verstoß gegen die in den ersten drei Fragen genannten Bestimmungen verneinte, bestand im konkreten Fall kein Anlaß zur Beantwortung der vierten Frage. Dennoch wies der Gerichtshof, ohne die Frage ausdrücklich zu beantworten, in einem obiter dictum darauf hin, daß er in seinem Urteil in der Rechtssache „Teckal / Viano“ eine ähnliche Frage in bezug auf die LKR geprüft hatte, und wiederholte die darauf gegebene Antwort.175
174 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11066 ff.). 175 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11080), Rn. 39 f.
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB
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b) Der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 12. 06. 2001176 Seit dem 12. 06. 2001 existiert schließlich auch eine höchstrichterliche Entscheidung zu der analogen Fragestellung im Rahmen des § 99 GWB. Der BGH hatte – aufgrund einer sog. Divergenzvorlage gem. § 124 II GWB – folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Der Freistaat Thüringen bot Maßnahmen der Berufsvorbereitung und Fortbildung an, die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert werden. Mit den im Rahmen der sog. technischen Hilfe anfallenden Dienstleistungen, die er bisher an verschiedene private und öffentliche Unternehmen vergeben hatte, wollte er nach dem Auslaufen dieser Verträge ausschließlich die GFAW, eine zu 100 % in seinem Eigentum befindliche GmbH, betrauen. Mit Bescheid vom 14. 12. 2000 belieh der Freistaat die GFAW mit bestimmten hoheitlichen Befugnissen auf dem Gebiet des Zuwendungsverfahrens. Sodann schloß er am 22. 12. 2000 mit ihr eine als öffentlich-rechtlichen Vertrag bezeichnete Vereinbarung, in der die im Rahmen der Beleihung zu erfüllenden Aufgaben konkretisiert und die damit zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Vertragspartner geregelt wurden. Eine erneute Ausschreibung hatte nicht stattgefunden. Dagegen wandte sich eines der bisher in die technische Hilfe involvierten privaten Unternehmen und beantragte, dem Freistaat zu verbieten, die betreffenden Dienstleistungen außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben. Der BGH verneinte die Anwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB auf die Vereinbarung vom 22. 12. 2000, indem er sie als „In-house-Geschäft“ einordnete, „bei dem die Dienstleistung von einer Stelle erbracht wird, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen ist“: Wenn der öffentliche Auftraggeber alleiniger Anteilseigner des Beauftragten sei, er über diesen eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübe und der Beauftragte seine Tätigkeit im wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichte, komme es nicht zu einem öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 I GWB.177 Dabei bekannte er sich ausdrücklich zur Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils in der Rechtssache „Teckal / Viano“178, und zwar auch im Hinblick auf die DKR.179 Unter Hinweis auf die mit dieser Entscheidung vorliegende „gesicherte Rechtsprechung des EuGH“ verneinte der BGH zugleich eine Vorlagepflicht gem. Art. 234 III EG.180 Ebenso ausdrücklich wies er darauf hin, daß der vorliegende Fall keine Veranlassung zu einer abschließenden Abgrenzung derjenigen Geschäfte gebe, die als sog. „In-house-Geschäfte“ nicht zur Beachtung der §§ 97 ff. GWB zwingen.181
176 177 178 179 180 181
BGH, Beschl. v. 12. 06. 2001 – X ZB 10 / 01, DVBl. 2001, 1607 ff. BGH, DVBl. 2001, 1607 unter III. 2. b) aa). Siehe oben Dritter Teil, A. IV. 2. a) aa). BGH, DVBl. 2001, 1607 (1608) unter III. 2. b) aa). BGH, DVBl. 2001, 1607 (1609) unter IV. BGH, DVBl. 2001, 1607 (1608) unter III. 2. d).
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c) Vorläufige Bewertung und methodische Einordnung Vergleicht man die drei zitierten Entscheidungen miteinander, so ist zunächst festzustellen, daß sich die zugrunde liegenden Fallgestaltungen in wesentlichen Punkten unterscheiden. Die Unterschiede betreffen zum einen den Prüfungsgegenstand: Während im „Teckal / Viano“-Urteil die Leistungsbeziehungen zwischen einer Gebietskörperschaft und einer gemischt-öffentlichen Organisation zu beurteilen waren, beziehen sich die beiden Folgeentscheidungen auf die Leistungsbeziehungen zwischen Gebietskörperschaften und verwaltungseigenen sowie gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen. Insofern besteht in zweierlei Hinsicht Erläuterungsbedarf: Zum einen deutet der Sachverhalt des „Teckal / Viano“-Urteils darauf hin, daß es sich bei der als „besonderer Betrieb (azienda speziale)“ organisierten AGAC um eine öffentlich-rechtliche Organisationsform, also gerade keine Privatisierung, handelte.182 Da Art. 1 lit. a LKR aber nur an das Zustandekommen eines bestimmten Rechtsgeschäfts, nicht aber an die Rechtsnatur des Geschäftspartners anknüpft, kann es im Ergebnis keine Rolle spielen, ob das italienische Recht das Konsortium dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuordnet. Ähnlich unklar verhält sich die Sachverhaltsbeschreibung im Fall „ARGE Gewässerschutz“ zu der Frage, ob es sich bei den mitbietenden „Dienstleistungserbringern des öffentlichen Sektors“ bzw. „halböffentlichen Bietern“183 um publizistische und / oder gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen handelte. Dem Vorbringen der ARGE ist zu entnehmen, daß der Bieter Arsenal GmbH eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der Republik Österreich war, während der Bieter Seibersdorf GmbH zu 49,5 % im Eigentum privater Unternehmen stand.184 Zumal sich auch die Formulierung der vierten Vorlagefrage („Einrichtungen [ . . . ], die sich ausschließlich oder zumindest überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand befinden“) ausdrücklich auf beide Fallgruppen bezieht,185 kann die – auf das „Teckal / Viano“-Urteil verweisende – Antwort des EuGH dahin gedeutet werden, daß die dort aufgestellten Grundsätze in personaler Hinsicht einen generellen Geltungsanspruch erheben.
182 Art. 23 des italienischen Gesetzes Nr. 142 vom 08. 06. 1990 über die Organisation der Autonomie der Gebietskörperschaften (GURI Nr. 135 vom 12. 06. 1990), der von einem „Unternehmen zur Durchführung der Politik der Gebietskörperschaft“ mit einem von der Gebietskörperschaft beigesteuerten „Dotationskapital“ spricht (zit. nach EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98, Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia, Slg. 1999, I-8121, 8145, Rn. 10), erinnert vielmehr an die deutsche Rechtsfigur der Anstalt des öffentlichen Rechts (dazu siehe oben Zweiter Teil B. II. 1.). 183 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11072), Rn. 12 f. 184 Vgl. GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11051), Rn. 60. 185 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11073), Rn. 16.
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Des weiteren beziehen sich alle drei Entscheidungen auf einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab: Während der EuGH im „Teckal / Viano“-Urteil über den Anwendungsbereich der LKR zu entscheiden hatte, spielten sich die Fälle „ARGE Gewässerschutz“ und „GFAW“ im Regelungsbereich der DKR ab, welche der BGH indes nur mittelbar – d. h. über eine richtlinienkonforme Auslegung des § 99 I, IV GWB – zur Anwendung bringen konnte. Einzig zur BKR fehlt in diesem Zusammenhang bisher eine höchstrichterliche Äußerung. Um so erstaunlicher ist angesichts der aufgezeigten Unterschiede in den tatsächlichen und rechtlichen Ausgangspunkten die Übereinstimmung in den Ergebnissen: Diese haben die drei Beschlußorgane allerdings nicht unabhängig voneinander entwickelt, sondern in einem für die Bildung einer „ständigen Rechtsprechung“ typischen konsekutiven Prozeß. In diesem kommt dem „Teckal / Viano“-Urteil unangefochten die Rolle einer Leitentscheidung zu, auf die die beiden Folgeentscheidungen in einer Art „Verstärkereffekt“ zurückwirken, indem sie die dort aufgestellten Grundsätze bestätigen, auf weitere Fallgestaltungen übertragen und somit schrittweise verallgemeinern. Diese Verallgemeinerung betrifft insbesondere den Prüfungsmaßstab: Das vom BGH für die Gleichbehandlung von LKR und DKR vorgetragene Argument, beide setzten einen Vertrag zwischen öffentlichem Auftraggeber und Auftragnehmer voraus,186 gilt in analoger Weise für Art. 1 lit. a BKR. Weil die tragenden Entscheidungsgründe jeweils an dieses Tatbestandsmerkmal anknüpfen, kann davon ausgegangen werden, daß sie grundsätzlich Geltung für alle öffentlichen Aufträge – ohne Ansehung des Auftragsgegenstandes – beanspruchen.187 Für das deutsche Recht wird diese Einschätzung dadurch bestätigt, daß § 99 I GWB die öffentlichen Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge im Sinne von LKR, BKR und DKR unter dem einheitlichen Tatbestand des „öffentlichen Auftrags“ zusammenführt – eine Regelungstechnik, der inzwischen auch das Gemeinschaftsrecht in Art. 1 II lit. a VKR gefolgt ist. Am Beginn der Analyse der Grundsätze des „Teckal / Viano“-Urteils steht die Erkenntnis, daß der EuGH den Anwendungsbereich der DKR offenbar als RegelAusnahme-Verhältnis interpretiert:188 Indem er betont, daß für die Bejahung eines „entgeltlichen Vertrags“ (und damit eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags) „grundsätzlich“ das Vorliegen eines Vertrags zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einer rechtlich von ihm verschiedenen Person „genügt“, bestätigt er als Regel das hier im Wege der grammatischen Auslegung gefundene Ergebnis. Von dieser Regel erkennt er unter den folgenden zwei Voraussetzungen eine Ausnahme 186 BGH, DVBl. 2001, 1607 (1608) unter III 2 b aa. Vgl. Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 60, der im übrigen zutreffend darauf hinweist, daß das Fehlen eines dem Art. 6 DKR vergleichbaren expliziten Ausnahmetatbestands (dazu siehe unten Dritter Teil B. I.) in der LKR keinen e-contrario-Schluß in bezug auf die vorgelagerte Prüfung des Vertragstatbestands erlaubt. 187 Ebenso Byok, NJW 2001, 2295 (2299); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 60. Jedenfalls in bezug auf Liefer- und Dienstleistungsaufträge auch OLG Brandenburg, ZfBR 2003, 620 (621); OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 (228); Ortlieb, WuW 2003, 146 (151). 188 Vgl. B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (405).
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
an: Erstens muß der öffentliche Auftraggeber über seinen Vertragspartner eine Kontrolle ausüben wie über seine eigenen Dienststellen. Zweitens muß der Vertragspartner seine Tätigkeit im wesentlichen für den oder die öffentlichen Auftraggeber verrichten, die seine Anteile innehaben. Aus der Verknüpfung beider Voraussetzungen mit den Worten „und [ . . . ] zugleich“ folgt, daß diese nicht alternativ, sondern kumulativ vorliegen müssen. Aus der Einleitung mit den Worten: „etwas anderes kann nur dann gelten“ folgt weiter, daß es sich um abschließende Voraussetzungen handelt, die keinen Raum für die Begründung weiterer impliziter Ausnahmetatbestände lassen. Nicht unproblematisch erscheint demgegenüber die Einordnung der abschließenden Antwort auf die Vorabentscheidungsersuchen, in welcher der EuGH für die Anwendbarkeit der DKR ausschließlich das Kriterium der „eigenen Entscheidungsgewalt“ des Vertragspartners anführt189. Da er durch den Gebrauch der Konjunktion „deshalb“ eine kausale Verknüpfung mit den oben genannten Grundsätzen herstellt, kann es sich dabei kaum um ein neues, sei es alternativ oder kumulativ über die genannten Voraussetzungen hinausgehendes, Kriterium handeln. Die Formulierung drückt vielmehr nur die erste der bereits genannten Voraussetzungen unter umgekehrtem Vorzeichen aus: denn eine „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“ durch den Auftraggeber und eine „eigene Entscheidungsgewalt“ des Vertragspartners schließen sich gegenseitig aus.190 Für den scheinbaren Widerspruch, daß der EuGH auf eine vergleichbare Wiederholung der zweiten Voraussetzung verzichtet, gibt es zwei ineinandergreifende Erklärungen: Mit der positiven Formulierung der Antwort auf die Frage nach der Anwendbarkeit der DKR mutieren beide Kriterien von kumulativen (ausnahmebegründenden) zu alternativen (ausnahmeversagenden) Voraussetzungen. Aus diesem Grunde kann die Herausstellung der ersten Voraussetzung dieser auch kein gegenüber der zweiten Voraussetzung gesteigertes Gewicht verleihen. Vielmehr ist aus dem Bezug zur Vorlagefrage zu schließen, daß der EuGH im Ausgangsfall vorwiegend oder ausschließlich die erste Voraussetzung für problematisch hielt. Die größten Defizite der beiden EuGH-Entscheidungen liegen nicht nur in dem schon von Generalanwalt Léger bedauerten Mangel an Genauigkeit,191 sondern zu189 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154), Rn. 51. 190 Vgl. Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (461), der dem Urteil zutreffend entnimmt, daß „eigene Entscheidungsgewalt“ nur dann zu verneinen ist, wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche Einrichtung eine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausübt. Die Gegenmeinung von Dreher, NZBau 2004, 14 (17), wonach das Kontrollkriterium nur der Illustration des Sachverhalts diene, ist bereits durch den 2. Leitsatz des Urteils widerlegt (vgl. EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98, Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia, Slg. 1999, I-8121, 8122). 191 GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11050), Rn. 55. Kritisch auch Gröning, ZIP 2001, 497 (501), der dem EuGH eine „nur rudimentäre Aufarbeitung“ des der „Teckal / Viano“-Entscheidung zugrundeliegenden Falles attestiert, und U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (614), die rechtssicher zu beurteilende Kriterien vermissen.
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gleich darin, daß sie jegliche methodische Begründung ihres Auslegungsergebnisses vermissen lassen. Indessen folgt das erste Defizit beinahe zwangsläufig aus dem Charakter des Vorabentscheidungsverfahrens, in dem der EuGH nur auf eine zwar im konkreten Fall entscheidungserhebliche, aber in der Formulierung abstrakte Auslegungsfrage antworten, nicht aber dem vorlegenden Gericht die Würdigung des Einzelfalls abnehmen darf. Das zweite Defizit entspricht der eher pragmatisch orientierten Rechtstradition des EuGH, darf aber nicht dahingehend mißverstanden werden, daß seine Rechtsprechung einer dogmatisch-methodischen Fundierung entbehrte oder gar nicht bedürfte. Vor diesem Hintergrund beklagt Marx zu Recht die mitunter „merkwürdig formalistisch und positivistisch“ anmutende Rezeption in der deutschen Rechtsprechung und Literatur: Da Urteilsbegründungen (auch des EuGH) nicht wie fest geltende Rechtssätze behandelt werden können, führt allein die freischwebende „Auslegung“ höchstrichterlicher Formulierungen nicht weiter.192 Diese Erkenntnis bestätigt zumindest ansatzweise die „Fortschreibung“ der „Teckal / Viano“-Grundsätze durch den BGH. Dessen – im Anschluß an Generalanwalt Alber erhobenes und von der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur geteiltes – Postulat einer funktionellen Betrachtungsweise193 darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es letztlich immer um die Anwendung teleologischer Auslegungskriterien auf § 99 I GWB geht.194
3. Das Kriterium der funktionalen Personenidentität Ausgangspunkt einer teleologischen Reduktion ist die Feststellung eines Wertungswiderspruchs.195 Diese Funktion erfüllt – auch ohne explizite Benennung – die erste der beiden von der Rechtsprechung genannten Voraussetzungen, welche auf einem wertenden Vergleich zwischen den Leistungsbeziehungen zu publizistischen Privatrechtsvereinigungen und solchen zu rechtlich unselbständigen Verwaltungseinheiten beruht: Soweit beide Situationen wertungsmäßig vergleichbar sind, stellte es einen Wertungswiderspruch dar, wenn der erste Fall eine Ausschrei192 Vgl. Marx, NZBau 2002, 311 (314), unter Hinweis auf die mitunter rasch wechselnden Argumentationen in Urteilsbegründungen des EuGH. 193 GA Alber, Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 9 (RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219, 5234, Rn. 52; BGH, DVBl. 2001, 1607 (1608); BayObLG, NZBau 2002, 397 (399). Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 95; Byok, NJW 2001, 2295 (2298); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 86; ders., NZBau 2002, 245 (248); Eilmansberger, JBl 2001, 562 (563); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 60; Jaeger, NZBau 2001, 6 (8, 10); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1052); Kulartz, NZBau 2001, 173 (177); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 3; Marx, NZBau 2002, 311 (314); Opitz, ZVgR 2000, 97 (103, 105); Ortlieb, WuW 2003, 146 (148). Ähnlich Otting, VergabeR 2002, 11 (12) („materieller Begriff“). 194 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 26 f.; ders., in: Oldiges (Hrsg.), Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 33 (40); ders., NZBau 2001, 360 (362); ders., NZBau 2002, 245 (252); Reidt, ZVgR 2000, 289 (291). 195 Siehe oben Dritter Teil A. IV. am Anfang.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
bungspflicht auslöste, während der zweite Fall als staatliche Eigenleistung ausschreibungsfrei bliebe.196 Da diese Ausschreibungsfreiheit auf der – im ersten Fall nicht gegebenen – rechtlichen Personenidentität zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer beruht, ist die den Wertungswiderspruch begründende Vergleichbarkeit nur gegeben, wenn die betreffende publizistische Privatrechtsvereinigung – ungeachtet ihrer rechtlichen Personenverschiedenheit – bei wertender Betrachtung mit dem Auftraggeber personenidentisch ist197. Denselben Zusammenhang drücken die Generalanwälte Cosmas und Léger mit der Formulierung aus, der Vertragspartner müsse „tatsächlich Dritter“ bzw. „tatsächlich selbständig“ sein,198 und der BGH mit der Feststellung, daß „der Sache nach kein anderer“ mit der Erbringung der Leistung beauftragt, sondern diese „von einer Stelle erbracht wird, die [ . . . ] dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen ist“199. Unter dieser Voraussetzung kann man die betreffenden Leistungsbeziehungen im Einklang mit dem inzwischen gängigen vergaberechtlichen Sprachgebrauch als „Inhouse-Geschäfte“ (im weiteren Sinne) bezeichnen:200 Diese Vokabel beschreibt 196 Dazu siehe oben Dritter Teil A. I. 2. Vgl. auch GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11050), Rn. 59, nach dem Aufträge, die ein öffentlicher Auftraggeber an von ihm kontrollierte Wirtschaftsteilnehmer erteilt, „nicht anders behandelt [werden], als wenn er sie einfach innerhalb seiner eigenen Behörde delegiert hätte“. 197 Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 9; Schröder, NJW 2002, 1831 (1834) („substantiell identisch“); Eilmansberger, JBl 2001, 562 (563); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 30 („Identität in materiell-vergaberechtlicher Hinsicht“). 198 GA Cosmas, Schlußanträge v. 01. 07. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8134), Rn. 53; GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11048 f.), Rn. 49, 54. 199 BGH, DVBl. 2001, 1607 (1607). Ebenso jetzt BayObLG, NZBau 2002, 397 (399). 200 Statt vieler BGH, DVBl. 2001, 1607; OLG Brandenburg, NZBau 2003, 229 (231); VK Lüneburg, NZBau 2002, 295 (296); Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 94 ff.; Dreher, NZBau 2004, 14; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 55; Faber, DVBl. 2001, 248 (249 f.); Gröning, ZIP 2001, 497 (500 ff.); Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 3 f.; Möschel, WuW 1997, 120 (124); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 111. GA Alber (Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 98, RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a., Slg. 1999, I-5219, 5234, Rn. 52), GA Léger (Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99, ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Slg. 2000, I-11037, 11049, Rn. 50) und Eilmansberger (JBl 2001, 562, 563 ff.) sprechen von „In-houseDienst“, W. Bayer / Franke / Opitz (EU-Vergaberecht, Rn. 107), Holoubek (VVDStRL 60, 2000, 513, 577), Leinemann (Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 68) und Opitz (ZVgR 2000, 97, 105) von „(Quasi-)Inhouse-Vergabe“, Müller-Wrede (in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 37) von „In-House-Betrieb“, die Bundesregierung (Antwort auf die Große Anfrage der Abgeordneten Kossendey, Breuer, Adam u. a. v. 28. 11. 2000, BT-Drs. 14 / 4799, S. 10) von „In-house-Lösung“, das BayObLG (NZBau 2002, 397, 399), das OLG Düsseldorf (NZBau 2004, 343, 345) und Reidt (ZfBR 2003, 602, 604) von „Eigengeschäft“. Zum Begriff des eigentlichen „In-house-Geschäfts“ (im engeren Sinne) siehe oben Dritter Teil A. I. 2.
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den vorliegenden Sachverhalt zwar formalrechtlich unzutreffend,201 ist aber in einem weiteren, funktionalen Sinne durchaus berechtigt. Einen geeigneten Indikator für das damit umschriebene Kriterium der funktionalen Personenidentität zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer liefert die Vergleichbarkeit der Ingerenzbefugnisse des Verwaltungsträgers gegenüber unselbständigen Verwaltungseinheiten auf der einen Seite [dazu unter a)] und publizistischen Privatrechtsvereinigungen auf der anderen Seite [dazu unter b)]. Nichts anderes meint der EuGH mit dem Erfordernis einer „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“202, dessen sprachliche Ungenauigkeit die hier verwendete Terminologie zu bereinigen versucht: Soll der in der „Teckal / Viano“-Entscheidung entwikkelte Ausnahmetatbestand nicht völlig leerlaufen, kann jene Formulierung einerseits nicht im Sinne einer identischen, sondern lediglich im Sinne einer vergleichbaren Kontrolle gemeint sein.203 Andererseits gebieten schon Gründe der Rechtssicherheit, daß in diesen Vergleich nicht schon faktische Kontrollmöglichkeiten, sondern von vornherein nur rechtlich fundierte Ingerenzbefugnisse einbezogen werden;204 anderenfalls wäre die vom EuGH geforderte Vergleichbarkeit im Ergebnis auch kaum mehr zu begründen.
a) Ingerenzbefugnisse gegenüber unselbständigen Verwaltungseinheiten Das moderne Staatswesen grundgesetzlicher Prägung findet sein tragendes Strukturprinzip im sog. Hierarchieprinzip als allgemeine Grundlage von Ingerenzbefugnissen im Bereich der öffentlichen Verwaltung.205 Konkret werden diese durch das System der verwaltungsrechtlichen Aufsicht vermittelt, welches von öf201 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 27; ders., NZBau 2001, 360 (361); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 221; Masing, ZfBR 2002, 450 (452); Opitz, ZVgR 2000, 97 (105). 202 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154), Rn. 50. Auf dasselbe Kriterium stellt auch GA Alber (Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 98, RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a., Slg. 1999, I-5219, 5234, Rn. 52) ab, wenn er den „Einfluß der öffentlichen Verwaltung auf die Gesellschaft“ als entscheidend für die Einordnung als „In-house-Dienst“ ansieht. 203 BayObLG, NZBau 2002, 397 (399); OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 (228); Faber, DVBl. 2001, 248 (253 f.); B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (405); U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (615); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1052); Krohn, VergabeR 2003, 403 (410); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 225. Diese Interpretation wird zum einen durch die englische, französische und italienische Fassung des Entscheidungstexts bestätigt, wo statt „wie“ die Vokabeln „similar“, „analogue“ und „analogo“ verwendet werden. Zum anderen kann der Grad der Weisungsgebundenheit einer Dienststelle von einer publizistischen Privatrechtsvereinigung auch bei größter Abhängigkeit von der öffentlichen Hand nicht erreicht werden (vgl. Faber, a. a. O.). 204 Dreher, NZBau 2001, 360 (363); ders., NZBau 2002, 245 (253); Masing, ZfBR 2002, 450 (453). A. A. (ohne nähere Begründung) B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (405). 205 Vgl. Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 96.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
fentlich-rechtlichen Weisungsbefugnissen der jeweils übergeordneten Stelle und entsprechenden Gehorsamspflichten aller ihr nachgeordneten Stellen geprägt ist.206 Nach dem Gegenstand der Aufsicht unterscheidet man verschiedene Aufsichtsformen: Zunächst unterliegt jeder Organwalter gegenüber seinem jeweiligen Vorgesetzten der Dienstaufsicht im Hinblick auf die innere Ordnung, die allgemeine Geschäftsführung und die Personalangelegenheiten des Verwaltungsträgers.207 Daran ändert auch die „Ausgliederung“ in graduell verselbständigte Verwaltungseinheiten 208 nichts: So ist z. B. auch die Werkleitung eines kommunalen Eigenbetriebs uneingeschränkt der Dienstaufsicht des Bürgermeisters unterworfen.209 Daneben steht die Rechts- und Fachaufsicht, die sich auf die recht- und zweckmäßige Erledigung der Verwaltungsaufgaben bezieht und die Weisungsbefugnis der übergeordneten Behörde durch ein Substitutions- und ggf. Selbsteintrittsrecht absichert.210 Die Gehorsamspflicht des einzelnen Organwalters geht so weit, daß er auch rechtswidrigen Weisungen, soweit sie ihn nicht in seinen persönlichen Rechten betreffen, grundsätzlich Folge zu leisten hat. Seine Bedenken kann (und muß) er lediglich im Wege der Remonstration gegenüber seinem Vorgesetzten, nicht aber im Wege einer verwaltungsgerichtlichen Klage geltend machen.211 Die verwaltungsrechtliche Aufsicht ermöglicht mithin eine sehr weitgehende Koordination und Vereinheitlichung der Verwaltungstätigkeit sowie eine nahezu lückenlose Kontrolle jeder einzelnen Verwaltungseinheit, was eine „eigene Entscheidungsgewalt“ im Sinne der ersten Voraussetzung des „Teckal / Viano“-Urteils212 rechtlich und faktisch ausschließt.
b) Ingerenzbefugnisse gegenüber publizistischen Privatrechtsvereinigungen aa) Rechtsgrundlagen Die Rechtsgrundlagen für Ingerenzbefugnisse staatlicher Verwaltungsträger gegenüber publizistischen Privatrechtsvereinigungen sind zunächst in deren eigenem 206 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22 Rn. 31. Der Begriff „Stelle“ umfaßt hier sowohl Verwaltungsorgane und Behörden im organisatorischen Sinne als auch deren interne Organisationseinheiten einschließlich der einzelnen Organ- bzw. Amtswalter (zur Terminologie vgl. Maurer, a. a. O., § 21 Rn. 19 ff.). 207 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22 Rn. 32. 208 Dazu siehe oben Zweiter Teil B. II. 2. 209 Siehe z. B. § 6 EigenbetriebsVO NRW. Vgl. Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Union, S. 153. 210 Vgl. B. Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 875 f.; Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 52 Rn. 42; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22 Rn. 32. 211 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22 Rn. 34. 212 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98, Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia, Slg. 1999, I-8121 (8154), Rn. 51.
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Organisationsrecht, also im privaten Gesellschaftsrecht, zu suchen. Darüber hinaus ist fraglich, ob auch öffentlich-rechtliche Vorschriften, etwa des Kommunalrechts oder des Beamtenrechts, eigenständige und möglicherweise weitergehende Einwirkungsrechte begründen können. Soweit es sich dabei um landesrechtliche Vorschriften handelt, ist diese Frage schon deshalb zu verneinen, weil das Gesellschaftsrecht als konkurrierende Bundesgesetzgebung i. S. d. Art. 74 Nr. 11 GG entgegenstehende landesrechtliche Regelungen nach der Kollisionsregel des Art. 31 GG verdrängt. Damit laufen die in den Gemeindeordnungen der Länder verankerten Weisungsbefugnisse gegenüber kommunalen Eigen- und Beteiligungsgesellschaften bzw. deren Geschäftsführungs- und Kontrollorganen im Ergebnis leer.213 Nichts anderes gilt, soweit Funktionen in publizistischen Privatrechtsvereinigungen von Beamten übernommen werden, für die beamtenrechtlichen Gehorsamspflichten, deren Subsidiarität gegenüber kollidierendem Gesellschaftsrecht die Beamtengesetze – trotz bundesrechtlicher Regelung in den §§ 37 S. 2 BRRG, 55 S. 2 BBG – selbst anerkennen.214 Ähnliche Wirkungen könnten sich allenfalls aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ergeben: So ist unter dem Stichwort „Verwaltungsgesellschaftsrecht“ die These entwickelt worden, daß die öffentliche Hand unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform unmittelbar aus dem in Art. 20 II 1 GG verankerten Demokratieprinzip zu einem bestimmten Mindestmaß an Einflußnahme verpflichtet und berechtigt sei.215 Richtig an dieser Auffassung ist lediglich die Prämisse, daß die öffentliche Hand ihre verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Bindungen nicht durch eine „Flucht ins Privatrecht“ abstreifen kann. Im übrigen beruht sie auf einem zirkulären und damit schon logisch fehlerhaften Schluß von der Verpflichtung auf die Berechtigung:216 Unabhängig von den im einzelnen streitigen Anforderungen an die demokratische Legitimation217 läßt sich daraus keine Rechtfertigung 213 Siehe nur § 113 I 2 GO NRW. Durch die „salvatorischen Klausel“ in § 113 I 4 GO NRW („soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist“) erkennt der Landesgesetzgeber den Vorrang des Gesellschaftsrechts ausdrücklich an. Ebenso Faber, DVBl. 2001, 248 (254); Keßler, GmbHR 2000, 71 (72); T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 158; Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 101 f.; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 107 f. Vgl. auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 136 f.; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 202 f.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 234 f. 214 Gem. §§ 37 S. 3 BRRG, 55 S. 2, 2. Hs. BBG (ebenso z. B. § 58 S. 2, 2. Hs. LBG NRW) gilt die Gehorsamspflicht nicht für „Beamte, die nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind“. Vgl. Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 112 Fn. 409 m. w. N. 215 Vgl. v. Danwitz, AöR 120 (1995), 595 (622 ff.); Kraft, Das Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 252 ff.; Ossenbühl, ZGR 1996, 504 (512 ff.); Stober, NJW 1984, 449 (455). 216 Vgl. T. Koch (Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 160), der zu Recht darauf hinweist, daß die geforderte „verfassungskonforme Interpretation“ an einen Sachverhalt anknüpft, der durch dieselbe erst legitimiert werden soll.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
für eine systemwidrige Umgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Ordnung zu Lasten von Mitgesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern ableiten. Vielmehr hat die öffentliche Hand auf die – immerhin freiwillige – Inanspruchnahme der Privatrechtsform respektive bestimmter Gesellschaftsformen zu verzichten, soweit die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten dadurch gefährdet wird.218 Sonderrechte bestehen nur in den engen Grenzen der §§ 394 f. AktG und §§ 53 f. HGrG, welche sich lediglich auf die Berichtspflichten von Aufsichtsratsmitgliedern sowie Prüfungs- und Informationsrechte der Gebietskörperschaften beziehen.219 Weil im übrigen auch für öffentlich-rechtliche Anteilseigner uneingeschränkt (und im Ergebnis ausschließlich) die allgemeinen Regeln gelten,220 kann sich die folgende Darstellung auf eine Analyse der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung beschränken. Davon zu trennen ist die Frage nach der verwaltungsinternen Zuständigkeitsverteilung für die Ausübung der gesellschaftsrechtlichen Ingerenzbefugnisse, die sich selbstverständlich nach dem staatlichen bzw. kommunalen Organisationsrecht richtet,221 aber keinen Einfluß auf das „Außenverhältnis“ zur publizistischen Privatrechtsvereinigung hat. Im Unterschied zu Verwaltungsträgern sind Privatrechtsvereinigungen nicht hierarchisch, sondern organschaftlich verfaßt. Das Gesellschaftsrecht verteilt die
217 Dazu siehe nur BVerfG, DVBl. 1995, 1291 (1292 ff.); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. I, § 22 Rn. 14 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 124 ff.; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 222 ff.; Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 55 ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 135 ff. 218 Vgl. Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 201; Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 20; Ehlers, DVBl. 1997, 137 (139); Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 27; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 160, 224; Ossenbühl, ZGR 1996, 504 (511 f.); Raiser, ZGR 1996, 458 (462); Spannowsky, ZGR 1996, 400 (423 f.). 219 BGHZ 69, 334 (340); Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 23 f.; Hüffer, AktG, § 394 Rn. 2; Kropff, in: Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff (Hrsg.), AktG, Bd. VI, Vor §§ 394, 395 Rn. 14. 220 Vgl. im Ergebnis auch Bayer, in: Kropff / Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 1, § 15 Rn. 42; ders., in: ders. / Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 27; Endler, NZBau 2002, 125 (131); Habersack, ZGR 1996, 544 (555 f.); T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 157; Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 29, 95; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 234 f.; R. Schmidt, ZGR 1996, 345 (350 f.); Spannowsky, ZGR 1996, 400 (423). In gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen [dazu siehe unten Vierter Teil A. I. 1. a)] ist dies auch eine Folge des (in § 53a AktG kodifizierten, aber nach allg. M. für alle Gesellschaftsformen geltenden) gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. 221 Probleme bereitet häufig die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Organen einer Gemeinde: Die Vertretung der Gemeinde in den Organen der GmbH obliegt grundsätzlich dem Bürgermeister (vgl. § 63 I GO NRW), der bei Geschäften außerhalb der laufenden Verwaltung allerdings die Zustimmung des Gemeinderats einholen muß (vgl. § 41 GO NRW).
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Funktionen insofern zwischen einem Anteilseignerorgan (Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung), einem Geschäftsführungsorgan (Geschäftsführer bzw. Vorstand) und ggf. einem Kontrollorgan (Aufsichtsrat). Weil deren Kompetenzen unter anderem von den jeweiligen Beteiligungsverhältnissen abhängen, wird im folgenden von vornherein zwischen verwaltungseigenen (dazu unter bb) und gemischtöffentlichen (dazu unter cc) Privatrechtsvereinigungen differenziert, bevor schließlich auf die besonderen Konstellationen in publizistischen Konzernen (dazu unter dd) eingegangen wird.
bb) Erste Fallgruppe: Verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen Die Ingerenzbefugnisse eines Verwaltungsträgers leiten sich in erster Linie aus seiner Mitgliedschaft im Anteilseignerorgan ab, dessen Funktion er in dem besonderen Fall der verwaltungseigenen Privatrechtsvereinigung allerdings allein ausübt.222 Bei der Analyse der dem Anteilseignerorgan gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen zustehenden Kompetenzen ergibt sich in Abhängigkeit von der gewählten Rechtsform ein durchaus heterogenes Bild. (1) Das Recht der GmbH (& Co. KG) Das GmbHG verleiht der Gesellschafterversammlung schon dadurch eine starke Stellung, daß es Umfang und Ausübung der Gesellschafterrechte weitgehend zu ihrer eigenen Disposition im Gesellschaftsvertrag stellt (§ 45 I i. V. m. § 53 I GmbHG: sog. Grundsatz der Satzungsfreiheit223). Aber auch ohne präzisierende Vertragsbestimmungen unterliegen wichtige Entscheidungsbereiche der Alleinzuständigkeit der Gesellschafter (§ 45 II i. V. m. § 46 GmbHG), darunter insbesondere die Bestellung, Abberufung und Überwachung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5, 6 GmbHG). Deren originäre Kompetenz wiederum umfaßt – abgesehen von der Vertretung der GmbH nach außen (§ 35 I GmbHG) und einigen im Interesse des Gläubigerschutzes zwingend angeordneten Pflichten224 – zumindest die laufende Geschäftsführung der Gesellschaft.225 Selbst wenn man diese Kompetenz – entgegen der herrschenden Meinung – grundsätzlich auch auf ungewöhnliche, über
222 Vgl. zur Identität von Alleingesellschafter und Gesellschafterversammlung in der GmbH Emmerich, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 1 Rn. 51; Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 1 Rn. 54; Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 48 Rn. 63. 223 U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 20. 224 Siehe z. B. §§ 30, 33, 41 I, 42a I, 49, 64 I, 78 GmbHG; § 264 I HGB; § 34 AO. Vgl. dazu Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 5; Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 37 Rn. 15; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 32 Rn. 1. 225 Allg. M.: Vgl. nur U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 11; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 37 Rn. 6.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
das „Tagesgeschäft“ hinausgehende Maßnahmen einschließlich der Festlegung der „Unternehmenspolitik“ erstreckt,226 haben die Geschäftsführer in jedem Fall die Schranken des § 37 I GmbHG zu beachten, aus dem sich in zweierlei Hinsicht Machtverschiebungen zugunsten der Gesellschafter ergeben: Zum einen können sowohl durch Gesellschaftsvertrag als auch durch Gesellschafterbeschluß generelle Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung begründet werden.227 Darüber hinaus sind die Geschäftsführer verpflichtet, auch konkrete Einzelweisungen der Gesellschafter zu befolgen, welche sowohl negativ-verbietender als auch positiv-gebietender Art sein können.228 Für die teilweise geäußerte Annahme eines weisungsfreien Kernbereichs eigenverantwortlicher Geschäftsführung229 bieten weder Wortlaut noch Systematik des GmbHG einen Anhaltspunkt.230 Im Gegenteil unterstreicht § 37 I GmbHG das strukturbildende Kennzeichen der GmbH, daß die Gesellschafter selbst das unternehmerische Initiativ- und Entscheidungszentrum bilden und infolgedessen grundsätzlich jede Gesellschaftsangelegenheit einschließlich aller Geschäftsführungsfragen an sich ziehen können.231 Folglich kann die Weisungsdichte einen solchen Umfang annehmen, daß die Geschäftsführer auf die Funktion eines Exekutivorgans beschränkt und dem Erscheinungsbild eines leitenden Angestellten angenähert werden, während die Gesellschafter die Unternehmensleitung faktisch selbst in die Hand nehmen.232 Zwar steht das Weisungsrecht gem. § 37 I GmbHG unter der Prämisse, daß es entweder im Gesell226 So Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 37 Rn. 11; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 37 Rn. 6a ff. A. A. z. B. BGH, WM 1991, 635 (637); OLG Frankfurt a. M., GmbHR 1989, 254 (255); Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 55 ff.; Lutter / Hommelhoff, GmbHGG, § 37 Rn. 8 ff.; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 10, 12 ff. 227 Vgl. Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 16; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 20, 30; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 37 Rn. 7, 10. 228 Ganz h. M.: Vgl. nur BFH, GmbHR 1997, 374 f.; OLG Düsseldorf, ZIP 1984, 1476 (1478); Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 1, 17 f.; Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 37 Rn. 19, § 46 Rn. 118; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 30; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 37 Rn. 10. Grundsätzlich a.A. lediglich H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 336. 229 Vgl. H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 336; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 37 Rn. 9, 11. 230 Vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1984, 1476 (1478); Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 66 f.; Konzen, NJW 1989, 2977 (2979); Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 12; Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 37 Rn. 16; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 38. 231 Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 37 Rn. 19 f., § 46 Rn. 117. A. A. offenbar Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 4. 232 Konzen, NJW 1989, 2977 (2978 f.); Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 37 Rn. 19. Einschränkend Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 1, 14, 18a (Erforderlichkeit einer Satzungsänderung).
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schaftsvertrag festgelegt ist oder durch einen Beschluß der Gesellschafterversammlung nach Maßgabe der §§ 47, 48 GmbHG ausgeübt wird. Weil das Beschlußerfordernis aber allein dazu dient, Minderheitsgesellschaftern den Weg zu einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage analog §§ 241 ff. AktG233 zu eröffnen, kann es im hier vorliegenden Fall einer sog. Einpersonen-GmbH zugunsten einer unmittelbaren Weisungskompetenz des Alleingesellschafters entfallen.234 Die Bestellung eines separaten Kontrollorgans unterliegt, soweit keine Mitbestimmungspflicht besteht,235 gem. § 52 I GmbHG ebenfalls dem Grundsatz der Satzungsfreiheit. Wenn der Gesellschaftsvertrag einen fakultativen Aufsichtsrat vorsieht, wird die Leitungsmacht der Gesellschafterversammlung dadurch jedenfalls nicht eingeschränkt: Sofern diese (als satzungsgebendes Organ) dem Aufsichtsrat keine direkten und ggf. vorrangigen Weisungsbefugnisse überträgt,236 ist dessen Einfluß in Geschäftsführungsfragen auf die Ausübung von Zustimmungsvorbehalten zu bestimmten Geschäften beschränkt (§ 52 I GmbHG i. V. m. § 111 IV 2 AktG). Weil der Aufsichtsrat aufgrund seiner Funktion als Kontrollorgan zwar den Geschäftsführern übergeordnet ist, nicht aber einem diesem nach der GmbHVerfassung seinerseits übergeordneten Organ, spricht zudem vieles dafür, im Konfliktfall einen Vorrang entgegenstehender Weisungen der Gesellschafter anzunehmen. Eine vom Aufsichtsrat verweigerte Zustimmung kann daher (entgegen § 111 IV 3, 4 AktG) auch ohne ein entsprechendes Verlangen der Geschäftsführung durch einfachen Gesellschafterbeschluß ersetzt werden.237 Zu bezweifeln ist allerdings, ob die Bestellung eines fakultativen Aufsichtsrats dem Verwaltungsträger 233 Dazu Lutter / Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 1; Raiser, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., Anh. § 47 Rn. 3. Kritisch Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, Anh. § 47 Rn. 2. 234 Konzen, NJW 1989, 2977 (2979). Vgl. BGH, WM 1968, 1329; WM 1969, 158 (159); OVG Nordrhein-Westfalen, Gemeindehaushalt 1983, 286 (287); Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2562); Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 52; Keßler, GmbHR 2000, 71 (73); Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 59 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 40 III, S. 1253; ders., in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, II. Bd., § 48 Rn. 75; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 100 f.; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 46 Rn. 5; § 48 Rn. 30. 235 Dazu siehe unten Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (4). 236 Zur Zulässigkeit einer solchen Kompetenzübertragung siehe BGHZ 43, 261 (264); Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2563); Konzen, NJW 1989, 297 (2980); Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 10; Raiser, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 52 Rn. 109; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 32, II. Bd., § 52 Rn. 94; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 37 Rn. 15, § 52 Rn. 64. 237 Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 74; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 10; Raiser, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 52 Rn. 111; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 101; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, II. Bd., § 52 Rn. 82; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 37 Rn. 15, § 52 Rn. 65.
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ein zusätzliches Steuerungspotential vermitteln kann;238 denn die Aufsichtsratsmitglieder dürfen ihrerseits keiner Weisungsbindung unterworfen werden, sondern sind ausschließlich auf das Unternehmensinteresse verpflichtet.239 Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, gibt das GmbH-Recht dem Verwaltungsträger nichtsdestotrotz Ingerenzbefugnisse an die Hand, die den Instrumenten der verwaltungsrechtlichen Aufsicht ebenbürtig sind und die Führungsorganisation einer GmbH im praktischen Ergebnis den Strukturen des kommunalen Eigenbetriebsrechts annähern können.240 Komplizierter ist die Rechtslage, wenn die verwaltungseigene Privatrechtsvereinigung als GmbH & Co. KG organisiert ist. Dabei kann es sich entweder um eine personengleiche GmbH & Co. KG handeln, bei der der Kommanditist zugleich Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH ist, oder um eine wechselseitig beteiligte GmbH & Co. KG, bei der die Geschäftsanteile an der KomplementärGmbH sämtlich der KG gehören (vgl. § 172 VI 1 HGB: sog. Einheitsgesellschaft)241. Während der als Kommanditist auftretende Verwaltungsträger im ersten Fall ohne weiteres weisungsbefugt gegenüber den GmbH-Geschäftsführern ist, führen im zweiten Fall die gesetzlichen Vertretungsregeln (genauer: das wechselseitige Zusammenspiel der §§ 161 II, 125 HGB und § 35 I GmbHG) zu einer faktischen Aufhebung der Kompetenzgrenzen zwischen Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung der GmbH.242 Deshalb besteht im Ergebnis Einigkeit darüber, daß sich deren Willensbildung ausnahmsweise durch die Kommanditisten vollziehen muß.243 Umstritten ist lediglich, ob das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung schon kraft Gesetzes auf die Kommanditisten übergeht244 oder ob 238 Darauf zielen aber kommunalrechtliche Bestimmungen ab, die die Gründung von Unternehmen in privater Rechtsform nur gestatten, „wenn die Gemeinde einen angemessenen Einfluß, insbesondere in einem Überwachungsorgan, erhält“ (z. B. § 108 I 1 Nr. 6 GO NRW). Auf den Zustimmungsvorbehalt zugunsten eines Aufsichtsrats hat auch der BGH (DVBl. 2001, 1607, 1608) bei der Prüfung des Kriteriums der „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“ abgestellt. Dem zustimmend U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (620); zurückhaltender OVG Schleswig-Holstein, AbfallPrax 1999, 28 (30). 239 Keßler, GmbHR 2000, 71 (76 f.); U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 52 Rn. 232; Schön, ZGR 1996, 429 (449 f.). Vgl. für die AG die Nachweise in Fn. 257 f. A. A. für die Einmann-GmbH Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2564 ff.). 240 Vgl. Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rn. 393, der die GmbH als „Organisationsform zwischen Eigenbetrieb einerseits und AG andererseits“ angesiedelt sieht. Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2562), meint sogar, der Geschäftsführer einer GmbH könne in einer stärkeren Abhängigkeit als der Werksleiter eines Eigenbetriebs gehalten werden. 241 Dazu siehe Esch, BB 1991, 1129 (1130); Fleck, in: Bierich / Hommelhoff / Kropff (Hrsg.), Festschrift für Semler, S. 115 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 42 Rn. 14; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II, S. 1636 f. 242 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II, S. 1637. 243 Mertens, in: Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., 2. Bd., § 13 Anh. I Rn. 17. 244 So Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 44 Rn. 5; wohl auch Konzen, NJW 1989, 2977 (2982); Mertens, in: Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., 2. Bd., § 13 Anh. I Rn. 17. Einschränkend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 II, S. 1637; ders., in: Scholz (Begr.), Kom-
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es dazu einer rechtsgeschäftlichen Ausübungsvollmacht im Gesellschaftsvertrag der KG bedarf245. Daneben bietet auch die GmbH-Satzung die Möglichkeit, das der KG zustehende Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern auf die Kommanditisten zu übertragen.246 Im Ergebnis besteht somit zwischen einem Verwaltungsträger und einer verwaltungseigenen GmbH oder GmbH & Co. KG, deren Alleingesellschafter bzw. (vertretungs- oder weisungsberechtigter) Kommanditist er ist, grundsätzlich funktionale Personenidentität. 247 (2) Das Recht der Aktiengesellschaft Gem. § 118 I AktG üben die Aktionäre ihre mitgliedschaftlichen Rechte in der Hauptversammlung aus. Da die AG-Verfassung von dem Grundgedanken einer Machtbalance zwischen den Organen getragen ist,248 sind die Rechte der Hauptversammlung wesentlich schwächer als die der Gesellschafterversammlung einer GmbH ausgestaltet. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur auf Verlangen des Vorstands entscheiden (§§ 119 II, 111 IV 3 AktG), der die Gesellschaft gem. § 76 I AktG unter eigener Verantwortung, d. h. unabhängig von Weisungen anderer Gesellschaftsorgane,249 leitet. Diese Leitungsmacht weist das Gesetz dem Vorstand gem. § 23 V 1 AktG grundsätzlich zwingend und unveräußerlich zu: Außerhalb des Konzernrechts250 kann nicht einmal der Vorstand selbst sich ihrer rechtsgeschäftlich begeben, sei es im eigenen Namen (z. B. im Anstellungsvertrag) oder durch schuldrechtliche Vereinbarungen namens der AG (z. B. sog. Betriebsführungs- oder Konzessionsverträge).251 Lediglich für strukturmentar zum GmbHG, II. Bd., Anh. § 45 Rn. 59 (ergänzende Vertragsauslegung jedenfalls im Fall des § 47 IV GmbHG). 245 So Esch, BB 1991, 1129 (1131 f.); K. Schmidt, GmbHR 1984, 272 (278 f.). Einschränkend Fleck, in: Bierich / Hommelhoff / Kropff (Hrsg.), Festschrift für Semler, S. 115 (131 ff.), der mit Blick auf § 170 HGB lediglich die Übertragung einzelner Kompetenzen sowie Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Kommanditisten für zulässig hält. 246 Fleck, in: Bierich / Hommelhoff / Kropff (Hrsg.), Festschrift für Semler, S. 115 (136); Vgl. BGHZ 75, 321 (326). 247 Vgl. (zum Kriterium der „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“ in bezug auf die GmbH) BGH, DVBl. 2001, 1607 (1608); OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 343 (345); M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41 (42); Eilmansberger, JBl 2001, 562 (564); Endler, NZBau 2002, 125 (131); Faber, DVBl. 2001, 248 (254); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (462); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053). 248 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 4. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 V, S. 866, spricht insofern von einem „Modell der Gewaltenteilung im Großunternehmen“. 249 Allg. M.: Siehe nur Hefermehl, in: Geßler / Hefermehl / Eckardt / Kropff (Hrsg.), AktG, Bd. II, § 76 Rn. 12; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 10; Mertens, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 2, § 76 Rn. 42; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 1. 250 Dazu siehe unten Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (3). 251 Vgl. Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 223 f.; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 202; Koppen-
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ändernde Maßnahmen, deren Realisierung einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsstellung der Aktionäre darstellen würde, nimmt die Rechtsprechung – gegen erhebliche Widerstände im Schrifttum – eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung an.252 Im übrigen beschränken sich deren Kompetenzen auf die ex-post-Kontrolle der Geschäftsführung (§ 119 I Nr. 3, 4, 7 AktG), Fragen der Kapitalausstattung (§ 119 I Nr. 2, 6 AktG) und andere Grundlagenentscheidungen (z. B. § 119 I Nr. 5, 8 AktG). Fraglich ist, ob ein als Alleinaktionär auftretender Verwaltungsträger das beschriebene Defizit an unmittelbarer und aktueller Eigentümerkontrolle auf andere Weise kompensieren kann. Zu denken ist insofern zunächst an den in jeder AG obligatorischen Aufsichtsrat, dessen Mitglieder, soweit sie nicht nach Mitbestimmungsgrundsätzen von der Arbeitnehmervertretung zu wählen sind,253 von der Hauptversammlung gewählt oder von einzelnen Aktionären entsandt werden (§§ 101 I, II, 119 I Nr. 1 AktG). Zwar können auch dem Aufsichtsrat nicht unmittelbar Geschäftsführungsmaßnahmen übertragen werden (§ 111 IV 1 AktG); doch ist er auf zweierlei Weise in der Lage, mittelbar auf die Unternehmensleitung einzuwirken: Zum einen besitzt er gem. § 84 AktG die Personalhoheit über den Vorstand, die ihn unter anderem zur Abberufung eines Vorstandsmitglieds bei Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung ermächtigt (§ 84 III 2 AktG). Zum anderen kann der Aufsichtsrat gem. § 111 IV 2 AktG bestimmte Arten von Geschäften, nach herrschender Meinung darüber hinaus auch wichtige Einzelgeschäfte,254 an seine Zustimmung binden, womit er Vorstandsaktivitäten zwar nach Art eines Vetorechts verhindern, nicht aber positiv durchsetzen kann.255 Damit hat der Aufsichtsrat neben nachträglichen auch präventive Kontrollbefugnisse, aber wiederum keine aktuellen Einflußmöglichkeiten.256 Als Instrument einer effektiven Eigentümerkontrolle taugt er um so weniger, als auch die Aufsichtsratsmitglieder gem. § 116 i. V. m. § 93 I 1 AktG
steiner, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 6, § 292 Rn. 68; Mertens, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 2, § 76 Rn. 45 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 12; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 118 f. Die Begriffe „Betriebsführungsvertrag“ und „Konzessionsvertrag“ werden hier freilich in einem anderen Sinne gebraucht als im Zusammenhang mit der funktionalen Privatisierung [dazu siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) bb) und cc)]. 252 So BGHZ 83, 122 (131) für den Fall der Ausgliederung wesentlicher Betriebsteile. A. A. etwa Koppensteiner, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 6, Vorb. § 291 Rn. 21; Mertens, a. a. O., § 76 Rn. 51; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 V, S. 871 ff. 253 Dazu siehe unten Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (4). 254 Geßler, in: ders. / Hefermehl / Eckardt / Kropff (Hrsg.), AktG, Bd. II, § 111 Rn. 65; Mertens, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, § 111 Rn. 65. A. A. Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 7, 9. 255 Vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 11. 256 Janson, Rechtsformen öffentlicher Unternehmen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 144; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 109. Vgl. auch Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 107, 123.
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ausschließlich auf das Wohl der Gesellschaft verpflichtet und nicht an Weisungen der Hauptversammlung oder des Mehrheits- bzw. Alleinaktionärs gebunden sind.257 Davon macht das Gesetz auch für entsandte Aufsichtsratsmitglieder keine Ausnahme.258 Anderenfalls würde ihre Funktion faktisch auf die eines Vertreters des Verwaltungsträgers, von dem sie bestellt wurden, reduziert. Dies ließe sich schwerlich damit vereinbaren, daß § 100 I 1 AktG die Aufsichtsratsmitgliedschaft ausschließlich natürlichen Personen vorbehält, von denen § 111 V AktG zudem die höchstpersönliche Mandatswahrnehmung verlangt.259 Einen Weg zum Ausgleich des Kontrolldefizits könnte ferner die den Aktionären zustehende Satzungshoheit eröffnen. Insbesondere hat ein Verwaltungsträger als Gründer i. S. d. §§ 23 I, II, 28 AktG die Möglichkeit, durch eine präzise Formulierung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands (§ 23 III Nr. 2 AktG) den Handlungsspielraum von Vorstand und Aufsichtsrat einzugrenzen.260 Mit seiner satzungsändernden Dreiviertel-Mehrheit in der Hauptversammlung (§§ 119 I Nr. 5, 179 AktG) kann er den Unternehmensgegenstand theoretisch permanent den jeweiligen Bedürfnissen anpassen. Da die Dispositionsfreiheit der Aktionäre aber durch die zwingend vorgegebene Organisationsverfassung der AG begrenzt wird (§ 23 V 1 AktG), darf sich auch die Satzung nicht über das Organisationsprinzip des § 76 I AktG hinwegsetzen und die eigenverantwortliche Leitungsmacht des Vorstands im Ergebnis aushöhlen.261 Eine in Einzelfragen der Geschäftsführung eingreifende Umschreibung des Unternehmensgegenstands ist damit ebenso unzulässig wie eine satzungsmäßige Weisungsbefugnis der Hauptversammlung oder einzelner Aktionäre gegenüber dem Vorstand oder Aufsichtsrat. Mithin ermöglicht auch die „Hintertür“ der Satzungshoheit keine der verwaltungsrechtlichen Aufsicht im Ergebnis auch nur annähernd vergleichbaren Ingerenzbefugnisse. Die dominante Stellung des Vorstands hat daher unweigerlich zur Konsequenz, daß eine funktionale Perso257 BGHZ 36, 296 (306); Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 206 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 136 f.; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 206; Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 69; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 162; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 236; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 102, 108; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 III, S. 833. Im Ergebnis a.A. offenbar Engellandt (Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 139), der die Wirkung der „personellen Repräsentation“ der Anteilseigner im Aufsichtsrat aus den genannten Gründen jedoch überschätzt. 258 Ganz h. M. So ausdrücklich BGHZ 36, 296 (306). Vgl. die Nachweise in Fn. 257. 259 Vgl. Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 208 f.; Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 71. 260 Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 139. 261 Vgl. Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 139; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 156; Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeinden auf ihre Eigengesellschaften, S. 61, 63; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV, S. 838 f.
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nenidentität zwischen einer AG und ihrem Alleingesellschafter-Verwaltungsträger grundsätzlich zu verneinen ist.262 Der bloße Erfahrungssatz, daß sich die Mitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand den Wünschen eines Mehrheits- oder gar Alleinaktionärs in der Regel nicht verschließen werden,263 ist mangels rechtlicher Fundierung nicht geeignet, diesen Befund zu erschüttern. (3) Konzernrechtliche Implikationen (a) Erweiterte Ingerenzbefugnisse im AG-Vertragskonzern Weitergehende Steuerungsmöglichkeiten gegenüber einer AG könnten sich allenfalls aus der Anwendung konzernrechtlicher Grundsätze ergeben. Gem. § 291 I 1 AktG kann eine AG durch Abschluß eines sog. Beherrschungsvertrags, der zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der Eintragung ins Handelsregister bedarf (§§ 293 I, 294 II AktG), die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellen. Rechtsfolge eines Beherrschungsvertrags ist gem. § 308 I AktG ein umfassendes Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gegenüber dem Vorstand der abhängigen AG, das sich auf den gesamten Kompetenzbereich des Vorstands und damit den Gesamtbereich der Geschäftsführung der AG bezieht.264 § 308 I 2 AktG legitimiert sogar für die AG nachteilige Weisungen, sofern sie nur den Belangen des herrschenden Unternehmens dienen und die geforderte Maßnahme nicht unverhältnismäßig oder existenzgefährdend ist.265 Ein Beherrschungsvertrag führt somit zu einer organisationsrechtlichen Überlagerung der eigenverantwortlichen Leitungsmacht des Vorstands (§ 76 I AktG) durch die Konzernleitungsmacht des herrschenden Unternehmens (§ 308 I 262 Plastisch sieht Cronauge (Kommunale Unternehmen, Rn. 358) die AG „eine nicht zu unterschätzende Wegstrecke vom kommunalen Zentrum ,Rat‘ entfernt“. Vgl. (zum Kriterium der „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“) M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41 (42); Eilmansberger, JBl 2001, 562 (565 f.); Endler, NZBau 2002, 125 (131); Faber, DVBl. 2001, 248 (254); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (465); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1052); Wilke, ZfBR 2004, 141 (147). A. A. wohl GA Alber, Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 9 (RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219 (5234 f.), Rn. 52 f., der im Verhältnis zu einer SpA (Aktiengesellschaft nach italienischem Recht) das Vorliegen eines „In-house-Dienstes“ für möglich hält. 263 Vgl. Eilmansberger, JBl 2001, 562 (566); Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (158); T. Koch (Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 165), dem es indes um eine Begründung für die Bindung einer AG an das „Sonderrecht der öffentlichen Hand“ geht. 264 Hüffer, AktG, § 308 Rn. 1, 12. Vgl. Altmeppen, in: Kropff / Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 8, § 308 Rn. 14, 84, 86; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 54 Rn. 33. 265 Ganz h. M. Siehe nur OLG Düsseldorf, AG 1990, 490 (492); Emmerich, in: ders. / Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 308 Rn. 48 ff.; Hüffer, AktG, § 308 Rn. 17, 19 m. w. N.; Koppensteiner, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 6, § 308 Rn. 30, 32 ff.
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AktG).266 Aus Sicht eines Verwaltungsträgers ist er ein wirksames, aber zugleich das einzige Instrument267 zur Begründung unmittelbarer und aktueller Ingerenzbefugnisse gegenüber verwaltungseigenen AGen, die denen eines GmbH-Alleingesellschafters vergleichbar sind.268 Die Anwendbarkeit des Konzernrechts auf die öffentliche Hand war lange Zeit umstritten, wird aber seit der „VEBA / Gelsenberg“-Entscheidung des BGH269 kaum mehr in Frage gestellt.270 Die Entscheidung hängt davon ab, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Gebietskörperschaften als Unternehmen i. S. d. §§ 15 ff. AktG qualifiziert werden können. Auch im Konzernrecht hat sich eine teleologische Interpretation des Unternehmensbegriffs durchgesetzt, die darauf abstellt, ob der betreffende Gesellschafter neben seiner Beteiligung an der AG noch anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindungen unterliegt, welche die Sorge begründen, er könne seinen Einfluß auf die AG in einer für diese nachteiligen Weise ausüben.271 Im Falle der öffentlichen Hand besteht ein derartiger „Konzernkonflikt“ nicht nur, wenn ein Verwaltungsträger mehrere Privatrechtsvereinigungen gleichzeitig beherrscht, sondern auch im Verhältnis zu öffentlich-rechtlich organisierten Wirtschaftseinheiten, wie z. B. Regie- oder Eigenbetrieben und Anstalten des öffentlichen Rechts.272 Insbesondere aber besteht die Gefahr, daß ökonomische Interessen der AG, ihrer Gläubiger und ggf. der privaten Mitgesellschafter auf dem Altar der öffentlich-rechtlichen Bindungen und politischen Ziele der Trägerkörperschaft geopfert werden. Weil somit die Konfliktlinie nicht (nur) zwischen divergie266 Vgl. Altmeppen, in: Kropff / Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 8, § 308, Rn. 33; Hüffer, AktG, § 308 Rn. 7; Koppensteiner, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 6, § 291 Rn. 12, § 308 Rn. 9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 III, S. 952. 267 Eine vergleichbare Konzernleitungsmacht vermittelt lediglich § 323 I AktG, der jedoch die Eingliederung der AG in eine weitere AG voraussetzt und daher im Verhältnis zwischen verwaltungseigener AG und dem Verwaltungsträger selbst nicht in Betracht kommt. Auch wenn – in einem mehrstufigen verwaltungseigenen AG-Konzern – die Hauptversammlung der Enkel-AG gem. § 319 I AktG die Eingliederung in die Tochter-AG beschließt, könnte ein (mittelbares) Weisungsrecht des Mutter-Verwaltungsträgers wiederum nur durch Abschluß eines Beherrschungsvertrags mit der Tochter-AG begründet werden. 268 Vgl. auch Eilmansberger, JBl 2001, 562 (566); Faber, DVBl. 2001, 248 (254); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (465 f.); Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 9, die das Kriterium der „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“ durch einen Beherrschungsvertrag erfüllt sehen. 269 BGHZ 69, 334 ff. 270 Vgl. nur Bayer, in: Kropff / Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 1, § 15 Rn. 38; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 13 (jeweils mit m. w. N.). 271 Ganz h. M. Vgl. nur BGHZ 69, 334 (337); 135, 107 (113); OLG Düsseldorf, AG 1995, 85 (86); OLG Hamm, AG 2001, 146 (147); Bayer, in: Kropff / Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 1, § 15 Rn. 13; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 8; Koppensteiner, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 1, § 15 Rn. 19. 272 Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 41; Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 74 f.; M. Schneider, Die Gebietskörperschaft als Konzernspitze, S. 125 f. m. w. N.
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renden wirtschaftlichen Interessen, sondern vor allem (auch) zwischen wirtschaftlichen und öffentlichen Interessen verläuft, ist es gerechtfertigt, die öffentliche Hand bereits dann als Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne anzusehen, wenn sie lediglich ein Privatrechtssubjekt beherrscht.273 An dieser Beurteilung ändert sich auch dadurch nichts, daß ein Verwaltungsträger – wie in der hier zunächst untersuchten Fallgruppe – sämtliche Anteile an der abhängigen AG innehat und somit Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen parallel laufen: Denn auch ohne die Betroffenheit von Minderheitsaktionären besteht der die Anwendung des Konzernrechts rechtfertigende Interessenkonflikt jedenfalls unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes fort.274 (b) Grenzen der Ingerenzausübung im AG-Vertragskonzern Die Kehrseite des konzernrechtlichen Weisungsrechts ist die in § 302 I AktG normierte Pflicht des herrschenden Unternehmens zum Verlustausgleich bei der Tochter-AG. Diese Bestimmung könnte jedoch mit den haftungsrechtlichen Anforderungen des öffentlichen Haushalts- und Kommunalrechts kollidieren. Die unterschiedlichen Tatbestandsformulierungen erschweren eine einheitliche Beurteilung: Die von § 65 I Nr. 2 BHO / LHOen geforderte Begrenzung der „Einzahlungsverpflichtung“ steht einer konzernrechtlichen Verlustübernahme ebensowenig entgegen275 wie diejenigen kommunalrechtlichen Bestimmungen, die die Gemeinden lediglich zur Wahl einer haftungsbegrenzenden „Rechtsform“ verpflichten276. Die Reichweite anderer Klauseln, wonach die Haftung der Gemeinden auf einen bestimmten bzw. der Leistungsfähigkeit der Gemeinde angemessenen Betrag begrenzt sein muß,277 ist umstritten: Einige Autoren folgern daraus die Unzulässig273 Ganz h. M. seit BGHZ 135, 107 (113 f.): Siehe nur OLG Celle, AG 2001, 474 (476); Bayer, in: Kropff / Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 1, § 15 Rn. 39 ff.; Emmerich, in: ders. / Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 15 Rn. 29. Vgl. zuvor schon Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 141; ders., DVBl. 1997, 137 (139 f.); Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 41; Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 74; Koppensteiner, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 1, § 15 Rn. 40 ff., 52; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 173 f.; Paschke, ZHR 152 (1988), 263 (269); Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 236; Raiser, ZGR 1996, 458 (464 f.). 274 Bayer, in: Kropff / Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 1, § 15 Rn. 45; Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 75; Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 96. Einschränkend, aber jedenfalls für die Zulässigkeit von Beherrschungsverträgen, Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 142 f. 275 Hohrmann, Der Staat als Konzernunternehmer, S. 86 ff.; Paschke, ZHR 152 (1988), 263 (274); Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 132. 276 Z. B. §§ 109 I Nr. 2 GO Nds, 108 I 1 Nr. 3 GO NRW, 87 I 1 Nr. 4 GO RP. Wie hier Ehlers, DVBl. 1997, 137 (140).
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keit von Beherrschungsverträgen zwischen Gemeinden und ihren Eigen- und Beteiligungsgesellschaften. 278 Die Gegenauffassung argumentiert im Sinne einer teleologischen Reduktion: Weil die Gemeindeordnungen nicht jede unbegrenzte Haftung, sondern nur unkalkulierbare und unbeherrschbare finanzielle Risiken verhindern wollten, dürften die Gemeinden um so größere Haftungsrisiken eingehen, je stärker sie auf die betreffenden Gesellschaften Einfluß nehmen können.279 Hiernach ist der Abschluß eines Beherrschungsvertrags zulässig, weil die Verlustausgleichspflicht gem. § 302 I AktG gleichsam durch das Weisungsrecht des § 308 I 1 AktG kompensiert wird. Für dieses Ergebnis spricht eine Parallelwertung zu der ebenfalls unbeschränkten Gewährträgerhaftung für Kommunalunternehmen, die in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben werden (z. B. § 114a V GO NRW, § 6 S. 1 SpkG NRW).280 Dies gilt um so mehr, als die öffentlich-rechtlichen Ingerenzbefugnisse dort sogar hinter den konzernrechtlichen zurückbleiben.281 Eine im Wege der Auslegung nur schwer überwindbare Hürde stellen hingegen solche Bestimmungen dar, die den Gemeinden ausdrücklich untersagen, sich zur Übernahme von Verlusten in unbegrenzter Höhe zu verpflichten (z. B. § 108 I 1 Nr. 5 GO NRW).282 Zwar erscheint es in sich widersprüchlich, die Gemeinden einerseits zu einer verstärkten Einflußnahme auf ihre Privatrechtsvereinigungen anzuhalten (vgl. z. B. §§ 108 I 1 Nr. 6 und 7, 113 I GO NRW) und ihnen andererseits die Nutzung des dazu besonders geeigneten Instruments des Beherrschungsvertrags zu versagen.283 Doch ist damit letztlich ein normativer Zielkonflikt angesprochen, dessen Lösung nicht im Wege der Rechtsanwendung möglich ist, sondern den Landesgesetzgebern als rechtspolitische Herausforderung verbleibt. In 277 Z. B. Art. 92 I 1 Nr. 3 BayGO; §§ 103 I Nr. 4 GO BW; 122 I 1 Nr. 2 GO Hess, 102 I 1 Nr. 2 GO SH. 278 Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 229; Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 42; Paschke, ZHR 152 (1988), 263 (275 ff.). 279 Ehlers, DVBl. 1997, 137 (140); Habersack, ZGR 1996, 544 (558); T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 176 f.; Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 136 ff.; Raiser, ZGR 1996, 458 (474); R. Schmidt, ZGR 1996, 345 (361). 280 Vgl. Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 137; Raiser, ZGR 1996, 458 (474). 281 Vgl. T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 177. Siehe z. B. §§ 114a VI 1 GO NRW, 19 I SpkG NRW, wonach der Vorstand die Anstalt bzw. Sparkasse – nach dem Vorbild der Verfassung einer nicht konzernierten AG (§ 76 I AktG) – in eigener Verantwortung leitet. 282 Vgl. Hüffer, AktG, § 15 Rn. 13a. Weiter Ehlers, DVBl. 1997, 137 (140), der hier ebenfalls eine teleologische Reduktion für angezeigt hält, weil die betreffenden Klauseln nur (rein) rechtsgeschäftliche Abreden über eine Nachschußpflicht untersagten. 283 Vgl. Hohrmann, Der Staat als Konzernunternehmer, S. 87 ff.; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 13a; Raiser, ZGR 1996, 458 (474).
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der Praxis entschärft sich die Problematik dadurch, daß die Gemeindeordnungen die Gründung von AGen (bzw. eine Beteiligung daran) ohnehin nur subsidiär gestatten, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut in einer anderen Rechtsform (sprich: GmbH) erfüllt werden kann (z. B. § 108 III GO NRW). Im übrigen lassen sich die genannten Schwierigkeiten durch eine mehrstufige Konzernierung umgehen, indem sämtliche Aktien bei einer verwaltungseigenen GmbH als Mutter- oder Holdinggesellschaft „geparkt“ werden, welche ihrerseits einen Beherrschungsvertrag mit der (den) Tochter-AG(en) abschließt: In diesem Fall kann der Verwaltungsträger die Geschäftsführung der AG dadurch steuern, daß er die GmbH-Geschäftsführer zur Ausübung der Befugnisse aus § 308 I AktG anweist.284 Während es Bund und Ländern somit uneingeschränkt möglich ist, durch den Abschluß von Beherrschungsverträgen i. S. d. § 291 I 1 AktG eine funktionale Personenidentität mit ihren verwaltungseigenen AGen herzustellen, sind die Gemeinden dazu nur unter den genannten Einschränkungen in der Lage. (c) Möglichkeiten und Grenzen im sog. faktischen Konzern Nicht zuletzt aufgrund der die Haftung betreffenden Unwägbarkeiten haben Beherrschungsverträge in der kommunalen Praxis bisher keine Verbreitung gefunden.285 Indessen begründet bereits die Stellung eines Verwaltungsträgers als Alleinaktionär die Abhängigkeit der AG (§ 17 II AktG) und damit den Tatbestand des sog. faktischen Konzerns (§ 18 I 3 AktG). Dies gibt Anlaß zu der Frage, ob einem dergestalt herrschenden Verwaltungsträger auch ohne Abschluß eines Beherrschungsvertrags spezifisch konzernrechtliche Ingerenzbefugnisse zustehen. Weil die §§ 311 ff. AktG im Falle der einfachen Abhängigkeit nur die Verantwortlichkeit, nicht aber die Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens regeln,286 ist dem Gesetz allenfalls eine begrenzte Legitimation faktischer Konzernleitungsmacht zu entnehmen287: § 311 AktG beschränkt sich insofern auf die Hinnahme einer faktisch ohnehin vorhandenen Einflußnahme (einschließlich nachteiliger Weisungen) und die Regelung der daran anknüpfenden Rechtsfolgen (insbesondere der Pflicht zum Nachteilsausgleich).288 Daraus folgt im Umkehrschluß, daß das 284 Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 140 f. Vgl. Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 122 ff., 128, 136. Allgemein und näher zur Rechtslage in publizistischen Konzernen siehe unten Dritter Teil A. IV. 3. b) dd). 285 So die Einschätzung bei Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 229; Ehlers, DVBl. 1997, 137 (140); Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 76; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 177. 286 Vgl. nur die unterschiedliche Formulierung der Abschnittsüberschriften vor § 308 AktG einerseits und § 311 AktG andererseits. 287 Vgl. Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 76; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 178 Fn. 170; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 IV, S. 960 f.
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herrschende Unternehmen ohne Abschluß eines Beherrschungsvertrags keine rechtlich fundierte Leitungsmacht, namentlich kein Weisungsrecht, beanspruchen kann.289 Vielmehr verbleibt es bei dem in § 76 I AktG niedergelegten Grundsatz der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand. Dieser ist – nach Maßgabe seiner Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse – zwar berechtigt, aber in keinem Fall verpflichtet, die Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen.290 Mithin ergeben sich aus dem Recht der faktischen Konzerne allenfalls eine erhöhte Chance zur faktischen Durchsetzung öffentlicher Interessen, aber keine weitergehenden Ingerenzbefugnisse gegenüber der AG.291 Umgekehrt könnte die Kollision zwischen Konzern- und Kommunalrecht zu Steuerungsverlusten im Verhältnis zwischen Gemeinden und verwaltungseigenen GmbH führen, deren Beherrschung nicht gem. § 291 I 1 AktG vertraglich abgesichert ist (und abgesichert zu werden braucht). Die an einen faktischen GmbHKonzern zu knüpfenden Rechtsfolgen zählen zwar noch immer zu den umstrittensten Problemen des Gesellschaftsrechts; doch hat der BGH in langjähriger Rechtsprechung eine ausdifferenzierte Kasuistik entwickelt, aus der sich die folgenden Grundsätze ableiten lassen: Im sog. einfachen faktischen Konzern trifft den Gesellschafter einer Einpersonen-GmbH im Interesse des Gläubigerschutzes eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft. Verletzt er diese, indem er in schädigender Weise Einfluß auf die GmbH nimmt, macht er sich ihr gegenüber schadensersatzpflichtig.292 Nicht zuletzt weil der Haftungsmaßstab maßgeblich vom Gesellschaftszweck abhängt und somit von der Gemeinde durch entsprechende Satzungs288 T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 178; Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 168. 289 Endler, NZBau 2002, 125 (131); Hüffer, AktG, § 311 Rn. 8, 48; Kropff, in: ders. / Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 8, § 311 Rn. 281; Koppensteiner, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 6, § 311 Rn. 90. 290 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 143 f.; ders., DVBl. 1997, 137 (140); Endler, NZBau 2002, 125 (131); Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S. 77; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 178; Koppensteiner, in: Zöllner (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 6, § 311 Rn. 90; Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 169; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 53 Rn. 10. 291 Vgl. Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 229 f.; Endler, NZBau 2002, 125 (132); T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 178; Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 169; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 121 f. Fn. 471. 292 Heute h. M. Vgl. nur BGHZ 115, 187 (197 f.); Emmerich, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., Anhang Konzernrecht Rn. 90; Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 47 ff. m. w. N.; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 14; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 40 III, S. 1254 f.; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, Konzernrecht Rn. 9.
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gestaltung steuerbar ist,293 erwächst ihr daraus kein unbeherrschbares und deshalb kommunalrechtswidriges Haftungsrisiko. Überschreitet die Gemeinde durch eine dauernde und umfassende Ausübung ihrer Ingerenzbefugnisse die Grenze zum sog. qualifizierten faktischen Konzern294, hatte dies nach bisheriger Rechtsprechung zur Folge, daß sich die Treuepflicht in analoger Anwendung der §§ 302, 303 AktG zu einer unbeschränkten Verlustausgleichspflicht gegenüber der GmbH sowie zu einer konzernspezifischen Durchgriffshaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern verdichtet.295 Nach der oben vertretenen Auslegung steht jedenfalls eine Verlustausgleichspflicht den Haftungsbegrenzungsklauseln der meisten Gemeindeordnungen nicht entgegen. Ob Verlustübernahmeverbote nach dem Muster von § 108 I 1 Nr. 5 GO NRW anwendbar sind, erscheint zumindest zweifelhaft, weil sie einen konkreten Verpflichtungstatbestand voraussetzen, den nur ein Beherrschungsvertrag erfüllt. Aber auch die Rechtsfigur der Durchgriffshaftung ist nicht geeignet, die von allen Gemeindeordnungen zumindest rechtsformbezogen geforderte Haftungsbegrenzung zu unterlaufen: Weil der Haftungstatbestand nach der neueren Rechtsprechung nicht schon an einen bloßen Organisationszustand anknüpft, sondern einen durch nachhaltige Beeinträchtigung der Eigeninteressen der abhängigen GmbH bewirkten Mißbrauch der herrschenden Gesellschafterstellung voraussetzt,296 müssen die Gemeinden den betreffenden Gesellschaften lediglich ein Mindestmaß an organisatorischer und finanzieller Selbständigkeit belassen.297 Solange sie durch Ausübung des GmbH-rechtlichen Einzelweisungsrechts sicherstellen können, daß die jeweils verfolgten öffentlichen Zwecke jederzeit erfüllt werden, resultiert daraus im Ergebnis kein Steuerungsverlust, der die funktionale Personenidentität zwischen Gemeinde und verwaltungseigener GmbH in Frage stellt.
293 Vgl. Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 50; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391 (419). Im übrigen sind die Gemeinden kommunalrechtlich ohnehin zu einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung verpflichtet (siehe z. B. § 109 I 2, II GO NRW). 294 Zu den im einzelnen streitig gebliebenen Anforderungen an den Nachweis einer qualifizierten faktischen Konzernherrschaft vgl. nur BGHZ 95, 330 (344); 115, 187 (193); T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 181 ff.; Paschke, ZHR 152 (1988), 263 (281 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III, S. 1224 ff. 295 Vgl. BGHZ 95, 330 (345 ff.); 107, 7 (15 ff.); 115, 187 (192 f.); 122, 123 (126 ff.). 296 BGHZ 122, 123 (130 f.). Noch enger BGHZ 149, 10 (16); BGH, NJW 2002, 1803 (1805); NJW 2002, 3024 (3025): Haftung wegen „bestands- bzw. existenzvernichtenden Eingriffs“ in das Gesellschaftsvermögen. Ausführlich zum Ganzen Altmeppen, NJW 2002, 321 ff.; ders., ZIP 2002, 1553 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, 3577 ff.; Ulmer, ZIP 2001, 2021 ff.; ders., JZ 2002, 1049 ff.; Wilhelm, NJW 2003, 175 ff. 297 So die zutreffende Einschätzung von Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 44.
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(4) Mitbestimmungsrechtliche Implikationen Schließlich wird die Führungsorganisation von (größeren) AGen und GmbH durch die Regelungen über die unternehmerische Arbeitnehmermitbestimmung modifiziert, welche auch auf Unternehmen der öffentlichen Hand uneingeschränkt Anwendung finden.298 Mit der herrschenden Meinung ist im übrigen davon auszugehen, daß das Demokratieprinzip gem. Art. 20 II 1 GG einer staatlichen Beteiligung an mitbestimmten Privatrechtsvereinigungen nicht entgegensteht.299 Dabei ist sowohl hinsichtlich des anzuwendenden Mitbestimmungsregimes als auch hinsichtlich der Rechtsform des mitbestimmten Unternehmens zu differenzieren: GmbH und AGen, die in der Regel zwischen 500 und 2000 Arbeitnehmer beschäftigen, sowie vor dem 10. 08. 1994 in das Handelsregister eingetragene AGen mit weniger als 500 Arbeitnehmern unterliegen der sog. „drittelparitätischen“ Mitbestimmung nach dem DrittelbG300. Diese wirkt sich allein in der Zusammensetzung des – gem. § 1 I Nr. 3 S. 2 DrittelbG nunmehr auch für die GmbH obligatorischen – Aufsichtsrats aus, der gem. § 4 I DrittelbG zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen muß. Die für die Begründung funktionaler Personenidentität als wesentlich angesehenen Weisungsrechte aus § 37 I GmbHG bzw. § 308 I AktG stellt das DrittelbG ebensowenig in Frage wie zuvor das BetrVG 1952.301 Daher beschränkt sich die Aufsichtsratskompetenz in Geschäftsführungsfragen auch unter Geltung des DrittelbG auf die Ausübung von Zustimmungsvorbehalten. Weil der Aufsichtsrat gem. (§ 1 I Nr. 3 S. 2 DrittelbG i. V. m.) § 108 AktG stets mit einfacher Mehrheit beschließt, ist es in Einpersonengesellschaften grundsätzlich unwahrscheinlich, daß seine Willensbildung von den Arbeitnehmervertretern dominiert wird. Das setzt freilich eine geschlossene Stimmabgabe der Vertreter des Anteilseigners voraus, die in publizistischen Privatrechtsvereinigungen wegen der üblichen Mandatsverteilung nach parteipolitischem Proporz keineswegs selbstverständlich ist.302 Allerdings kann der Verwaltungsträger eine Zustimmungsverwei298 Allg. M.: Siehe nur Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 146; Zöllner, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, II. Bd., § 52 Rn. 86. Ausnahmen gelten lediglich für sog. Tendenzunternehmen (§§ 1 II DrittelbG, 1 IV MitbestG). 299 Ehlers, DVBl. 1997, 137 (144); Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 136, 141; Schenke, JZ 1991, 581 (588). Das – in bezug auf die Mitbestimmung in öffentlich-rechtlichen Organisationen (Urwahl von Mitgliedern des Sparkassenverwaltungsrats) ergangene – Urteil des VerfGH Nordrhein-Westfalen, JZ 1987, 242 (245), steht dem nicht entgegen. 300 Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz – DrittelbG) v. 18. 05. 2004, BGBl. 2004 I, S. 974, welches zum 01. 07. 2004 an die Stelle der bis dahin fortgeltenden §§ 76 – 87a des BetrVG 1952 (Betriebsverfassungsgesetz 1952 v. 11. 10. 1952, BGBl. 1952 I, S. 681) getreten ist. 301 Vgl. zum BetrVG 1952 Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 67, 75; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 35 Rn. 9; ders., in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 52 Rn. 233; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 40, II. Bd., § 52 Rn. 80. 302 Vgl. Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 213; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 149; ders., DVBl. 1997, 137 (144).
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
gerung ohne weiteres überwinden: sofern er die betreffende Maßnahme im AGVertragskonzern gem. § 308 I AktG angewiesen hatte, durch bloße Wiederholung der Weisung (§ 308 III 2, 1. Hs. AktG), im übrigen durch Beschluß der Hauptbzw. Gesellschafterversammlung gem. (§ 1 I Nr. 3 S. 2 DrittelbG i. V. m.) § 111 IV 3 AktG303. Im Ergebnis kann sich der Aufsichtsrat somit in keiner der nach den vorangegangenen Ausführungen in Betracht kommenden gesellschaftsrechtlichen Konstellationen gegen den Verwaltungsträger durchsetzen. Insofern ist die Rechtslage im Ergebnis identisch mit der Rechtslage in mitbestimmungsfreien Gesellschaften.304 Für Kapitalgesellschaften mit mehr als 2000 Arbeitnehmern gilt das MitbestG305, welches in mehrfacher Hinsicht über das DrittelbG hinausgeht: Zum einen ist der Aufsichtsrat paritätisch je zur Hälfte aus Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu besetzen (§ 7 I MitbestG). Die daraus resultierende Erschwernis beim Einholen einer Zustimmung gem. § 111 IV 2 AktG wird – jedenfalls in Einpersonengesellschaften – bereits durch das Zweitstimmrecht des von der Anteilseignerbank zu bestimmenden Aufsichtsratsvorsitzenden entschärft (§ 29 II 1 MitbestG). Zum anderen wird nunmehr auch in der GmbH die Personalhoheit über die Geschäftsführer von den Gesellschaftern auf den (gem. § 6 I MitbestG obligatorischen) Aufsichtsrat verlagert (§ 31 MitbestG i. V. m. § 84 AktG). Umstritten ist, ob bzw. inwieweit die Mitbestimmungsverfassung auch das Weisungsrecht der Gesellschafter in Geschäftsführungsfragen einzuschränken vermag.306 Dagegen spricht, daß das MitbestG „auf der Grundlage des geltenden Gesellschaftsrechts“ aufbaut307 und den Arbeitnehmern folglich keine direkte Beteiligung an einzelnen Entscheidungen, sondern nur indirekten Einfluß über die Auswahl der Führungsspitze zugesteht.308 Daß es an der Geschäftsführungskompetenz der Gesellschafter nichts ändern will, belegt zudem die fehlende Bezugnahme in § 25 I 1 Nr. 2 MitbestG auf § 119 II AktG.309 Weil die Geschäftsführer gegenüber den Gesell303 Daß dieser Beschluß gem. § 111 IV 4 AktG einer qualifizierten (Dreiviertel-)Mehrheit bedarf, ist in Einpersonengesellschaften ohne Bedeutung. Auch der Streit darüber, ob diese Regelung über die Verweisung in § 1 I Nr. 3 S. 2 DrittelbG auch in mitbestimmungspflichtigen GmbH Anwendung findet (vgl. zu § 77 I 2 BetrVG 1952 Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rn. 29 m. w. N.), kann deshalb an dieser Stelle dahinstehen. 304 Vgl. zum BetrVG 1952 Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 219 f.; Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 76; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 35 Rn. 10. 305 Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz – MitbestG) v. 04. 05. 1976, BGBl. 1976 I, S. 1153. 306 Dazu siehe nur Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 67 ff. m. w. N. 307 Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines MitbestG, BR-Drs. 200 / 74, S. 1. 308 Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 70; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 42.
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schaftern also lediglich personell, nicht aber inhaltlich unabhängig gestellt werden, bleibt es bei der GmbH-rechtlichen Weisungsgebundenheit.310 Dies gilt gleichermaßen für den gem. § 33 MitbestG als gleichberechtigtes Mitglied der Geschäftsführung zu bestellenden Arbeitsdirektor, dessen Sonderrechte nur im Rahmen der dem Geschäftsführungsorgan als solchem zustehenden Kompetenzen bestehen.311 Wenn die Geschäftsführer durch das Auseinanderfallen von personeller und inhaltlicher Legitimation gewissermaßen in die Rolle von „Dienern zweier Herren“ geraten,312 befinden sie sich damit in einer vergleichbaren Situation wie der Vorstand einer abhängigen AG im Vertragskonzern. In beiden Fällen sichert das jeweils fortbestehende Weisungsrecht dem Verwaltungsträger hinreichende Ingerenzbefugnisse.313 Mithin hat auch das MitbestG keinen Einfluß auf die Beurteilung der funktionalen Personenidentität. (5) Teilergebnis In bezug auf verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen läßt sich somit festhalten, daß das Kriterium der funktionalen Personenidentität mit dem Alleingesellschafter-Verwaltungsträger immer dann erfüllt ist, wenn die Privatrechtsvereinigung als GmbH oder GmbH & Co. KG organisiert ist. Grundsätzlich keine funktionale Personenidentität besteht hingegen im Verhältnis zu einer AG, es sei denn, diese ist durch Abschluß eines Beherrschungsvertrags mit dem Verwaltungsträger in einen Vertragskonzern eingebunden.
309 U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 42. Vgl. Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 68 f. 310 Ganz h. M.: Vgl. nur BVerfGE 50, 290 (346); BGHZ 89, 48 (57); Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 37 Rn. 21; Raiser, MitbestG, § 25 Rn. 88; ders., Recht der Kapitalgesellschaften, § 35 Rn. 13; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 42; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 52 Rn. 183. Einschränkend Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 70. 311 Raiser, MitbestG, § 33 Rn. 28. Vgl. Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 37 Rn. 21; U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 48. Einschränkend Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 69 f. 312 Raiser, MitbestG, § 25 Rn. 93. 313 Vgl. im Ergebnis Ehlers, DVBl. 1997, 137 (145); Engellandt, Die Einflußnahme der Kommunen auf ihre Kapitalgesellschaften über das Anteilseignerorgan, S. 78; T. Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, S. 169. A. A. Büchner, Die rechtliche Gestaltung kommunaler öffentlicher Unternehmen, S. 221 f. Zweifelnd auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 150. Zur Rechtslage im Vertragskonzern siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (3) (a).
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cc) Zweite Fallgruppe: Gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen Sobald an einer Privatrechtsvereinigung auch nur ein weiterer Verwaltungsträger beteiligt ist, verkompliziert sich die Problematik. Erstaunlicherweise hat ausgerechnet diese Fallgruppe, die immerhin der Leitentscheidung des EuGH zugrunde liegt,314 in der rechtswissenschaftlichen Diskussion bisher kaum Aufmerksamkeit erfahren.315 Weil der Staat in gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen nicht mehr allein durch einen einzigen Verwaltungsträger „repräsentiert“ wird, stellt sich zunächst die Frage nach dem Bezugssubjekt der funktionalen Personenidentität. (1) Zurechenbarkeit zur staatlichen Organisation insgesamt Aus einer öffentlich-rechtlichen, am Dualismus zwischen Staat und Privaten orientierten Perspektive scheint es nahezuliegen, insofern allein auf den Gesamtorganismus „Staat“ als Inbegriff aller Verwaltungstätigkeit abzustellen. Auf dieser Linie argumentiert Generalanwalt Alber, wenn er in seinen Schlußanträgen zur Rechtssache „RI.SAN. / Ischia“ mit Blick auf Art. 1 lit. a DKR eine Differenzierung zwischen den an der Privatrechtsvereinigung beteiligten öffentlichen Stellen – in diesem Fall der Gemeinde Ischia und dem italienischen Staat – als „zu formalistischen Ansatz“ ablehnt und statt dessen darauf abstellt, daß die gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigung sich insgesamt „unter der Kontrolle öffentlicher Stellen“ befinde.316 Diese Position mag man damit zu rechtfertigen versuchen, daß die Regelung staatsinterner Leistungsbeziehungen ohne jede Beteiligung privater Wirtschaftssubjekte außerhalb des – auf die externe Leistungsbeschaffung am Markt gerichteten – Normzwecks der EG-Vergaberichtlinien respektive des Kartellvergaberechts liege. Eine solche Argumentation setzte jedoch eine Gleichsetzung von „extern“ mit außerstaatlich, von „Markt“ mit privaten Anbietern voraus und müßte konsequenterweise sämtliche Leistungsbeziehungen zwischen staatlichen Stellen privilegieren:317 Ließe man für das Kriterium der funktionalen Personen314 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 ff. [dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 2. a) aa)]. 315 Stellungnahmen hierzu finden sich – soweit ersichtlich – nur bei Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 103; Eilmansberger, JBl 2001, 562 (565); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (238); Gröning, ZIP 2001, 497 (501 f.); U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (615, 620); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053 f.), und Marx, NZBau 2002, 311 (314). 316 GA Alber, Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 9 (RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219 (5235), Rn. 53. Zustimmend Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (238). In diesem Sinne wohl auch Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 11. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang der – wohl auf die Beteiligungsverhältnisse bezogene – Ausdruck der „finanziellen Verflechtung“ (GA Alber, a. a. O., Rn. 54). 317 So U. Jasper, F.A.Z. v. 26. 05. 2004, S. 25; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 3; ders., in: Müller-Wrede (Hrsg.), VOL / A,
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identität genügen, daß der Vertragspartner in irgendeiner Weise unter staatlicher Kontrolle steht, könnte ein Verwaltungsträger, z. B. eine Gemeinde, nicht nur publizistische Privatrechtsvereinigungen, an denen er selbst beteiligt ist, sondern auch andere Verwaltungsträger, z. B. (den Regie- oder Eigenbetrieb) eine(r) andere(n) Gemeinde318, sowie letztlich sämtliche publizistischen Privatrechtsvereinigungen freihändig beauftragen. Marx hält Verträge dieser Art generell für immun gegen das Kartellvergaberecht, weil es sich dabei um staatsorganisationsrechtliche Vorgänge handele, welche der Regulierung durch die EU grundsätzlich entzogen seien319 (weil das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten – ungeachtet ihrer internen Organisation – als staatliche Einheit adressiert). Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Hinweis auf die begrenzte EGKompetenz jedenfalls nicht gegenüber den hier auszulegenden §§ 97 ff. GWB verfängt, die als Richtlinienumsetzungsrecht ausschließlich Bestandteil der nationalen Rechtsordnung sind. Im übrigen ist das moderne Staatswesen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Art. 20 I und 28 II GG – keineswegs als „monolithischer Block“ zu begreifen, sondern existiert in unterschiedlichen organisatorischen Erscheinungsformen, die sowohl mit dem Bürger als auch untereinander in eigenständige Rechtsbeziehungen treten.320 Schließlich liefern konkrete systematische und teleologische Erwägungen den Beweis, daß das oben entwickelte Ergebnis nicht im Sinne des Gesetzes ist: Zum einen liefe es wiederum auf eine generelle Privilegierung von Leistungsbeziehungen zwischen öffentlichen Auftraggebern hinaus. Dies verbietet bekanntlich schon das argumentum e contrario § 100 II lit. g GWB, der insofern von einer grundsätzlichen Ausschreibungspflicht ausgeht.321 Dementsprechend dürfen sich – in den durch Verfassungs-, Kommunal- und Wett§ 10 VgV Rn. 3; ders., NZBau 2002, 311 (314); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 5b; wohl auch Michaels, NZBau 2004, 27 (30), der meint, die EG-Vergaberichtlinien entfalteten erst dann ihre marktliberalisierende Wirkung, „wenn die Erfüllung einer Aufgabe den Staatsorganismus verläßt“. Vgl. (für einen Ausschluß der Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Stellen sowie der interkommunalen Zusammenarbeit vom Anwendungsbereich der EG-Vergaberichtlinien) Ausschuß der Regionen, Stellungnahme zum Grünbuch „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft“ v. 12. 06. 1997, CdR 81 / 97, VergabeR 5 / 1997, 45 (46). 318 Hierzu OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 398 (399 f.), das eine interkommunale Vereinbarung gem. § 23 I, 2. Alt., II 2 GkG NRW über die entgeltliche Sammlung und Beförderung von Altpapier zutreffend als Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 99 I, IV GWB eingeordnet hat. 319 Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 3; ders., in: Müller-Wrede (Hrsg.), VOL / A, § 10 VgV Rn. 3; ders., NZBau 2002, 311 (314). 320 Vgl. nur Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften durch ihre Gebietskörperschaften, S. 97 f. Widersprüchlich insofern Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 3; ders., NZBau 2002, 311 (314): Kein Vertrag im Sinne des Vergaberechts liege vor, „wenn der öffentliche Auftraggeber innerhalb der staatlichen Organisation von einer anderen staatlichen Organisation Leistungen entgegennimmt“ (Hervorhebungen des Verfassers). 321 Dazu siehe oben Dritter Teil A. II. 1. b) aa). 11*
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bewerbsrecht vorgezeichneten Grenzen – grundsätzlich auch Verwaltungseinrichtungen und öffentliche Unternehmen als Bieter an einem Vergabeverfahren beteiligen.322 Dieser Grundsatz wird auch durch die Ausnahmeregelungen in § 8 Nr. 6 VOB / A und § 7 Nr. 6 VOL / A nicht in Frage gestellt: Zwar sind danach bestimmte öffentliche Einrichtungen (bei Bauleistungen auch „Betriebe der öffentlichen Hand und Verwaltungen“) zum Wettbewerb mit gewerblichen Unternehmen nicht zuzulassen; doch finden die genannten Vorschriften nach überwiegender Auffassung jedenfalls keine (analoge) Anwendung auf publizistische Privatrechtsvereinigungen.323 Im übrigen können jene, gem. § 97 VI GWB i. V. m. §§ 4 I, 6 VgV im Verordnungsrang geltenden, Bestimmungen die Auslegung übergeordneten Gesetzes- und Richtlinienrechts zwar präzisieren, nicht aber präjudizieren; nach dessen Voraussetzungen bestimmt sich daher auch die – von §§ 7 Nr. 6 VOL / A, 8 Nr. 6 VOB / A wohl nicht ausgeschlossene324 – Zulässigkeit einer freihändigen Vergabe. Zum anderen wäre das von den EG-Vergaberichtlinien verfolgte Ziel einer Öffnung der nationalen Beschaffungsmärkte325 ernsthaft in Frage gestellt, wenn staatliche Stellen die Möglichkeit hätten, bestimmte Marktsegmente unter sich aufzuteilen und somit gegenüber der Privatwirtschaft abzuschotten. Mithin ist die staatliche Organisation als solche kein geeignetes Bezugssubjekt für die funktionale Personenidentität. 326
322 Vgl. Art. 1 lit. c DKR (= Art. 1 VIII 1 VKR); EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11076 f.), Rn. 25 ff.; OLG Düsseldorf, NVwZ 2000, 714 ff.; NZBau 2002, 626 ff.; VK Brandenburg, Behörden Spiegel 6 / 2004, S. 24 (Zusammenfassung); Antweiler, VergabeR 2001, 259 ff. (270); Byok, NJW 2004, 198 (200); DStGB Dokumentation No. 18, Stadt und Gemeinde 6 / 2001, Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“, S. 12; Ehlers, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 61; Horn, NVwZ 2001, 647 (648); Kämper / Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (381 ff.); Krämer, VergabeR 4 / 1997, 31 ff.; Schröder, NZBau 2003, 596 (599 ff.). Zu Unrecht a.A. (in bezug auf Anstalten des öffentlichen Rechts) OLG Celle, NZBau 2002, 400 (402). 323 Franke / Grünhagen, in: Franke / Kemper / Zanner / Grünhagen, VOB-Kommentar, § 8 Rn. 100; Glahs / Külpmann, VergabeR 2002, 555 (559 f.); Leimkühler, VergabeR 2001, 353 (356); Rusam, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, A § 8 Rn. 70; Zdzieblo, in: Daub / Eberstein, Kommentar zur VOL / A, § 7 Rn. 74. Vgl. OLG Düsseldorf, NVwZ 2000, 714 (716). Differenzierend Schranner, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 8 VOB / A Rn. 26. Problematisch bleibt die Einordnung unselbständiger Regie- und Eigenbetriebe sowie selbständiger Kommunalunternehmen in Anstaltsform. 324 Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOL / A, § 7 Rn. 58; Rusam, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, A § 8 Rn. 68; Zdzieblo, in: Daub / Eberstein, Kommentar zur VOL / A, § 7 Rn. 75. 325 Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 1. 326 Weitergehende Spielräume ergeben sich entgegen U. Jasper (F.A.Z. v. 26. 05. 2004, S. 25) auch nicht aus dem EuGH-Urteil v. 18. 11. 1999 (Rs. C-107 / 98, Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia, Slg. 1999, I-8121, 8139 ff.); vgl. unten Fn. 364. Damit ist freilich noch nichts über die Behandlung des der Rechtssache „RI.SAN. / Ischia“ (Slg. 1999, I-5219 ff.) zugrundeliegenden Sachverhalts im Ergebnis gesagt, da die Annahme eines „Inhouse-Dienstes“ (im weiteren Sinne) aufgrund der Anteilsmehrheit der als öffentlicher
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(2) Zurechenbarkeit zum jeweiligen öffentlichen Auftraggeber Vielmehr kommt es auch bei gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen auf die Zurechenbarkeit zu demjenigen Verwaltungsträger an, der in der jeweils zu untersuchenden Leistungsbeziehung als öffentlicher Auftraggeber fungiert.327 Bei der Beantwortung der Frage, welche Anforderungen an eine so verstandene funktionale Personenidentität zu stellen sind, gehen die folgenden Ausführungen zunächst von der GmbH als der aus Anteilseignersicht am leichtesten steuerbaren Privatrechtsform aus. (a) Das Kriterium der „positiven Beherrschung“ Nach dem bisherigen Stand der Untersuchung bemißt sich die funktionale Personenidentität nach den gesellschaftsrechtlichen Ingerenzbefugnissen. Deren entscheidendes Instrument, das Weisungsrecht aus § 37 I GmbHG, kann in mehrgliedrigen GmbH nur von der Gesamtheit der Gesellschafter ausgeübt werden, deren Willensbildung sich nach Maßgabe der §§ 47 I, 48 I GmbHG grundsätzlich durch Mehrheitsbeschluß in der Gesellschafterversammlung vollzieht. Da sich die Anzahl der Stimmrechte gem. § 47 II GmbHG grundsätzlich nach dem Anteil am Stammkapital richtet, lassen sich die Ingerenzbefugnisse eines einzelnen Anteilseigners nicht ohne Rücksicht auf seine jeweilige Beteiligungsquote bestimmen. Jedenfalls bei sehr geringen Beteiligungsquoten ist man intuitiv geneigt, eine funktionale Personenidentität auszuschließen. So folgert etwa Generalanwalt Cosmas in seinen Schlußanträgen zur Rechtssache „Teckal / Viano“ aus der Tatsache, daß sich das Beteiligungsverhältnis der Gemeinde Viano in bezug auf Stimmrecht und Ergebnisbeteiligung im AGAC-Konsortium auf gerade einmal 0,9 % belief, es könne „kaum die Auffassung vertreten werden, daß die Gemeinde Viano eine Kontrolle über das Konsortium ausübt, die der entspricht, die eine Einrichtung über eine interne Stelle ausübt“.328 Einen Schritt weiter geht Generalanwalt Léger, der in seinen Schlußanträgen zur Rechtssache „ARGE Gewässerschutz“ die Anwendbarkeit der DKR bejaht, wenn der Vertragspartner „überwiegend im Eigentum anderer Körperschaften als derjenigen steht, aus denen sich der öffentliche Auftraggeber zusammensetzt“. 329 Teile des Schrifttums verallgemeinern diese Argumenta-
Auftraggeber auftretenden Gemeinde Ischia auch bei einer weniger großzügigen Sichtweise nicht ausgeschlossen ist [dazu siehe sogleich unter Dritter Teil A. IV. 3. b) cc) (2)]. 327 Vgl. GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11052), Rn. 65 ff., der die Beauftragung einer im Eigentum der Republik Österreich stehenden Privatrechtsvereinigung durch die österreichischen Bundesländer grundsätzlich der DKR unterstellt. 328 GA Cosmas, Schlußanträge v. 01. 07. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8136), Rn. 61. 329 GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11056), Rn. 93. Entgegen
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tion und halten die Annahme eines „In-house-Geschäfts“ (im weiteren Sinne) bereits deshalb für zweifelhaft, weil in der Regel keiner der beteiligten Verwaltungsträger die Gesellschaft für sich allein kontrolliere.330 Mindestvoraussetzung zur Annahme funktionaler Personenidentität ist danach grundsätzlich die absolute Mehrheit des Stammkapitals, also eine Beteiligungsquote von über 50 %: Nur in diesem Fall kann ein Verwaltungsträger, ohne auf die Stimmen von Mitgesellschaftern angewiesen zu sein, einen Gesellschafterbeschluß herbeiführen, durch den die Geschäftsführung zu einem bestimmten Verhalten angewiesen wird.331 Diese Situation läßt sich untechnisch (weil nicht im konzernrechtlichen Sinne) als „positive Beherrschung“ kennzeichnen. Die geschilderte Auffassung geht davon aus, daß der Auftraggeber nicht nur Bezugssubjekt der funktionalen Personenidentität, sondern zugleich ausschließliches Zurechnungssubjekt der gesellschaftsrechtlichen Ingerenzbefugnisse sein muß. Was in verwaltungseigenen Privatrechtsvereinigungen in der Natur der Sache liegt, stößt in gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen auf Zweifel. Diese gründen sich dogmatisch darauf, daß gemischt-öffentliche Gesellschaften regelmäßig von gleichgerichteten Interessen der beteiligten Verwaltungsträger getragen sind, die sich in der gesellschaftsrechtlichen Kooperation zu einem – über den konstituierenden „gemeinsamen Zweck“ i. S. d. § 705 BGB hinausgehenden – einheitlichen Gemeinschaftswillen verbinden.332 Am deutlichsten wird dieser Zusammenhang, wenn sich gleichgeordnete Verwaltungsträger, z. B. kommunale Gebietskörperschaften, zur gemeinsamen Erfüllung von inhaltlich übereinstimmenden Verwaltungsaufgaben zusammenschließen. Generalanwalt La Pergola interpretiert diese Konstellation in seinen Schlußanträgen zur Rechtssache „BFI Holding“ als eine „Form zwischenorganschaftlicher Delegation, die den Verwaltungsbereich der Gemeinden nicht verläßt“: Ohne die Grenzen dieses Tatbestands auch nur zu skizzieren, behauptet er einen funktionalen Gegensatz zu dem (offenbar als Privatisierungssachverhalt verstandenen) Begriff des öffentlichen Auftrags.333 Ein auch hierzulande verbreitetes Beispiel bieten gemischt-öffentliche Entsorgungsgesellschaften, die von mehreren Gemeinden (in ihrer Eigenschaft als entsorgungspflichtige Körperschaften i. S. d. § 15 KrW- / AbfG) gegründet und mit Dienstleistungen der Sammlung, Beseitigung und Verwertung der in den Gemeindegebieten anfallenden Abfälle beauftragt werden.334 Vergleichbare Kooperationen werden auch in dieser Formulierung spricht nach dem Sachverhalt einiges dafür, daß statt eines – aus mehreren Körperschaften „zusammengesetzten“ – öffentlichen Auftraggebers, jede dieser Körperschaften als selbständiger öffentlicher Auftraggeber aufgetreten ist. 330 Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 103; Faber, DVBl. 2001, 248 (254). 331 Vgl. Eilmansberger, JBl 2001, 562 (565). 332 Vgl. Gröning, ZIP 2001, 497 (501); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053); Krohn, VergabeR 2003, 403 (411); in bezug auf öffentlich-rechtliche Zweckverbände auch BayObLG, NZBau 2002, 397 (399). 333 GA La Pergola, Schlußanträge v. 19. 02. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem und Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, I-6821 (6839 f.), Rn. 36, 38.
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anderen Bereichen der sog. Daseinsvorsorge praktiziert, etwa in der Energieversorgung oder im öffentlichen Personennahverkehr („gemischt-öffentliche Stadtwerke“). Weil sich die Beteiligungsquote in aller Regel nach dem (prognostizierten) Auftragsvolumen und damit letztlich nach der Größe der jeweiligen Gemeinde richtet, ist nur bei signifikanten Größenunterschieden damit zu rechnen, daß überhaupt ein Gesellschafter mehr als 50 % der Geschäftsanteile auf sich vereinigt. Die Wahrscheinlichkeit einer einseitigen Dominanz wird um so geringer, je mehr Verwaltungsträger sich beteiligen; bei vergleichbar strukturierten Gebietskörperschaften dürfte es nicht selten zu paritätischen bzw. identischen Beteiligungsquoten kommen. In einer solchen Situation hätte eine generelle Ausschreibungspflicht weitreichende Folgen für alle Beteiligten: Erhielte auch nur hinsichtlich eines Teils der zu vergebenden Aufträge ein drittes Unternehmen den Zuschlag, würde die gemischtöffentliche Gesellschaft nicht nur zu einem „Investitionsgrab“ für den betroffenen Verwaltungsträger, sondern infolge mangelnder Auslastung möglicherweise sogar in ihrem Bestand gefährdet.335 Da somit schon die Gesellschaftsgründung für die beteiligten Körperschaften ein nur schwer kalkulierbares Risiko beinhaltete, avancierte das Vergaberecht zu einem nachhaltigen Kooperationshindernis. Im folgenden soll daher nach Möglichkeiten gesucht werden, die beschriebenen Friktionen im Wege der Auslegung angemessen zu berücksichtigen. (b) Das Kriterium der „faktischen Beherrschung“ Ausgehend von dem Fallbeispiel einer gemischt-öffentlichen EntsorgungsGmbH mit drittelparitätischer Beteiligung dreier Städte entwickelt Gröning eine grundsätzliche Kritik am Konzept der „positiven Beherrschung“: Daß eine Stadt in der Gesellschafterversammlung in irgendwelchen Fragen überstimmt werden kann, habe „eigentlich keinerlei Relevanz für die vergaberechtlich allein interessierende Grundentscheidung, die Abfallbeseitigung gemeinschaftlich durch die gemeinsam gegründete Gesellschaft durchführen zu lassen“. Folglich hält er es für wenig überzeugend, „die abstrakte Möglichkeit des Überstimmtwerdens in künftigen Geschäftsvorfällen als juristischen ,Aufhänger‘ dafür zu nehmen, die gesamte Konstruktion anfänglich zu Fall zu bringen“ (Hervorhebungen des Verfassers).336 334 Dabei handelt es sich technisch um eine sog. Drittbeauftragung i. S. d. § 16 I KrW- / AbfG [dazu siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) bb)]. 335 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ 1995, 1238 (1240); Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (190); Eilmansberger, JBl 2001, 562 (563); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053); Wiesemann, NWVBl. 1998, 257 (258). A. A. Müller-Wrede, VergabeR 5 / 1997, 29 (31), weil das Gelingen des Privatisierungsvorgangs aufgrund der kostenlosen Kapitalausstattung nicht von der Zusage flankierender Aufträge abhänge. Dabei unterstellt er freilich eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit in privaten Drittmärkten (a. a. O., 30). 336 Gröning, ZIP 2001, 497 (501 f.). Den Topos der „hypothetischen Möglichkeit des Überstimmtwerdens“ verwenden auch Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1054).
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Diese Argumentation kann im Sinne einer zeitlichen, gegenständlichen oder inhaltlichen Modifikation der vergaberechtlichen Prüfung gedeutet werden: Die Forderung nach einer zeitlichen Verengung stünde nur scheinbar in einem Gegensatz zu der hier vertretenen Methode: Auch diese fragt nicht nach künftigen hypothetischen, sondern nach gegenwärtigen realen Ingerenzbefugnissen. Allein die Forderung nach einer gegenständlichen Verengung auf die konkret anstehende Auftragsvergabe, genauer: den Einfluß auf die Entscheidung über die Annahme des Auftrags,337 kann schon deshalb keine abweichenden Ergebnisse hervorbringen, weil es sich dabei um eine gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme handelt, die den allgemeinen Ingerenzmechanismen unterliegt.338 Damit läuft Grönings Ansatz im Kern auf eine inhaltliche Modifikation hinaus: An die Stelle der Prüfung, ob der öffentliche Auftraggeber die gesellschaftsrechtlichen Ingerenzbefugnisse besitzt, um sich gegenüber seinen Mitgesellschaftern durchzusetzen, tritt die Prognose, ob in der „wirtschaftlich-sozialen Realität“ 339 der Gesellschaft mit dem Widerstand der Mitgesellschafter zu rechnen ist. Mit anderen Worten tritt an die Stelle einer „positiven Beherrschung“ der Gesellschaft lediglich eine „faktische Beherrschung“ einzelner Geschäftsführungsentscheidungen, die nicht einmal mehr die eingangs aufgestellte Prämisse einer rechtlichen Fundierung der funktionalen Personenidentität erfüllt. Dieses Kriterium erscheint um so widersinniger, als Gröning die Prüfung in gegenständlicher Hinsicht offenbar auf die Frage beschränken möchte, ob konkret damit zu rechnen sei, daß „eine Stadt [ . . . ] als Gesellschafter verhindern [könnte], daß die andere Gemeinde ebenfalls die GmbH [im Fallbeispiel: mit der Abfallbeseitigung in ihrem Gebiet] beauftragt“.340 Unterstellt man den beteiligten Akteuren ein Mindestmaß an Verhaltensrationalität, kann diese Frage auch ohne nähere Analyse der „Interessenlage der Gesellschafter“341 mit einem klaren Nein beantwortet werden: Welche (noch dazu öffentlichen) Interessen sollten es sein, die einen Gesellschafter dazu veranlassen, der Gesellschaft die wirtschaftliche Existenzgrundlage zu entziehen? Eine gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigung ist doch regelmäßig ebenso darauf angelegt wie angewiesen, Aufträge von sämtlichen betei337 Vgl. Eilmansberger, JBl 2001, 562 (564 f.). In bezug auf gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen, aber verallgemeinerungsfähig Gröning, ZIP 2001, 497 (502); Masing, ZfBR 2002, 450 (453 f.); offengelassen von OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 (229). 338 Ebenso im Ergebnis Eilmansberger, JBl 2001, 562 (565), der für die Annahme eines „In-house-Geschäfts“ (im weiteren Sinne) verlangt, „daß die Weisungsbefugnis des Auftraggebers die Möglichkeit einschließt, die Erbringung der fraglichen Leistung anzuordnen“; Reidt, ZfBR 2003, 602 (604), der darauf hinweist, daß auch eine „eigene Dienststelle“ nicht nur punktuell, sondern durchgängig der Kontrolle durch ihren Träger unterliegt. 339 Gröning, ZIP 2001, 497 (501). Diesen Topos verwenden auch Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1054). 340 Gröning, ZIP 2001, 497 (502). 341 Vgl. (in bezug auf gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen, aber verallgemeinerungsfähig) Gröning, ZIP 2001, 497 (502).
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ligten Körperschaften zu erhalten. Weil die Zusammenlegung öffentlicher Ressourcen in einer gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigung – auch und gerade in dem von Gröning gewählten Beispiel der kommunalen Abfallentsorgung – nicht selten durch die mangelnde Auslastung der eigenen Anlagen motiviert ist, stellt sich im Gegenteil eher die Frage nach der Akquisition weiterer, externer Aufträge. Spätestens mit dieser Erkenntnis erweisen sich die von Gröning formulierten Maßstäbe als Scheinkriterien, deren Anwendung im praktischen Ergebnis auf eine generelle und annähernd voraussetzungslose Privilegierung der Leistungsbeziehungen zu gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen hinausläuft, die weder dem Kriterium der funktionalen Personenidentität genügt noch in sonstiger Weise aus der ratio legis des § 99 I GWB zu rechtfertigen ist. (c) Das Kriterium des Gesellschaftszwecks Einen ähnlichen Ausgangspunkt nehmen – schon terminologisch – die Überlegungen von Kleine / Flöther / Bräuer. Auch sie negieren die vergaberechtliche Relevanz der „hypothetischen Möglichkeit des Überstimmtwerdens“, begründen ihre Zweifel aber weniger mit der konkreten Interessenlage im Einzelfall als mit dem generell verbindenden Charakter des Gesellschaftszwecks: Für die Einordnung als „In-house-Geschäft“ (im weiteren Sinne) könne „letztlich nur der Umstand entscheidend sein, daß der Gründungszweck [ . . . ] gemeinschaftlich durch die gemeinsam gegründete Gesellschaft durchzuführen ist, nicht hingegen das gesellschaftsrechtliche Verhältnis der einzelnen Anteile zueinander“.342 Soweit die durch die Beauftragung veranlaßte Tätigkeit mit dem gemeinsamen Gründungszweck übereinstimmt, braucht danach nicht einmal mehr der Tatbestand einer „faktischen Beherrschung“ nachgewiesen zu werden. Damit weisen Kleine / Flöther / Bräuer im Ergebnis auch in Fallkonstellationen, die jenseits der formellen Privatisierung liegen, einen Weg aus der Ausschreibungspflicht: Konsequenterweise konstatieren sie auch für gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen, es spreche „nichts dafür, das geltende Vergaberecht auf Aufträge [ . . . ] anzuwenden, die einen Bezug zum Gesellschaftszweck aufweisen“.343 Unerkannt bleibt dabei offenbar, daß mit einer solchen Argumentation weitere Implikationen für gewöhnliche Bedarfsdeckungsgeschäfte mit ausschließlich privaten Gesellschaften verbunden sind: Sollen diese, sofern der satzungsmäßige Gesellschaftszweck nur präzise genug im Hinblick auf bestimmte öffentliche Aufträge formuliert ist, ebenfalls pauschal dem Kartellvergaberecht entzogen werden? Diese Konsequenz ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn man jenen „Bezug
Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053 f.). Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053). Mit diesem – als eine Art Kontrollüberlegung „getarnten“ – Ergebnis widersprechen sie freilich ihrer eigenen Forderung nach einer „differentialdiagnostischen Betrachtung“ anhand der Beteiligungshöhe (dies., a. a. O.). 342 343
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
zum Gesellschaftszweck“ in dem eingeschränkten Sinne versteht, daß die Gesellschaftsgründung ausschließlich zum Zwecke der Wahrnehmung ganz bestimmter Aufgaben erfolgt sein muß344. Nicht anders verhält es sich nämlich z. B. bei sog. Projekt- oder Konsortialgesellschaften, die von mehreren privaten Unternehmen eigens zum Zwecke der Akquisition eines bestimmten öffentlichen Großauftrags respektive der gemeinsamen Teilnahme an einer konkreten öffentlichen Ausschreibung gegründet werden. Auch die – im Anschluß an eine Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen immer wieder angeführte – Tatsache, daß im Falle der durch ein Ausschreibungsverfahren erzwungenen Beauftragung eines Dritten der Gesellschaftszweck verfehlt und der Gesellschaft somit die Existenzgrundlage entzogen würde,345 betrifft kein Spezifikum gemischt-öffentlicher bzw. gemischtwirtschaftlicher Konstellationen, sondern beschreibt ein Risiko, dem letztlich jede gesellschaftsrechtliche Kooperation mehr oder weniger stark ausgesetzt ist. Das OVG Schleswig-Holstein hat deshalb zu Recht festgestellt, daß mit dem Vergaberecht nicht das Ziel verfolgt werden kann, dem Gründungszweck eines Unternehmens zu genügen.346 Mithin ist auch der Gesellschaftszweck kein geeignetes Kriterium zur Bestimmung der funktionalen Personenidentität im Verhältnis zu gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen. (d) Das Kriterium der „gemeinsamen Beherrschung“ Die These vom „einheitlichen Gemeinschaftswillen“ verleitet indessen dazu, von der Summe der addierten Ingerenzbefugnisse aller Anteilseigner auf die Zurechenbarkeit der gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigung zu jedem einzelnen zu schließen.347 Rechtstechnisch handelt es sich dabei um einen Kunstgriff, der auf einer Entkopplung des Zurechnungssubjekts der Ingerenzbefugnisse vom Bezugssubjekt der funktionalen Personenidentität beruht. Seine Tragfähigkeit hängt vom Grad dieser Entkopplung ab. So läßt sich die funktionale Zurechenbarkeit einer GmbH zu einem Verwaltungsträger nicht allein mit der formalen Tatsache begründen, daß dieser überhaupt an ihr beteiligt ist. Ansonsten läge es in seiner Hand, sich durch die Einlage oder den Erwerb geringfügiger, nicht ingerenzrele344 Vgl. Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (40); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053). 345 OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ 1995, 1238 (1240). Siehe zudem die Nachweise in Fn. 335 und Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (40); Queitsch, UPR 2000, 247 (251); Schink, AbfallPrax 1999, 28 (31). 346 So (in bezug auf § 29 GemHVO SH) OVG Schleswig-Holstein, AbfallPrax 1999, 28 (29). Zustimmend (auch in bezug auf das Kartellvergaberecht) Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (171). 347 Vgl. Dreher, NZBau 2004, 14 (17), der es unter Hinweis auf die Formulierungen des EuGH [dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 2. a) und c)] ausreichen läßt, daß die zu beauftragende Einrichtung im Verhältnis zu allen beteiligten öffentlichen Auftraggebern keine „eigene Entscheidungsgewalt“ besitzt. Ähnlich U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (620); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1054).
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vanter Geschäftsanteile das „In-house“-Privileg zu „erkaufen“ und damit ein Einfallstor für die Umgehung des Kartellvergaberechts durch Mißbrauch gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu öffnen: Läßt sich eine Minimalbeteiligung bei wertender Betrachtung als Scheinbeteiligung überführen, greifen im Ergebnis die gleichen Bedenken, die bereits die Theorie von der Zurechenbarkeit zur gesamtstaatlichen Organisation sowie die Kriterien der „faktischen Beherrschung“ und des Gesellschaftszwecks widerlegt haben.348 Bei der weiteren Suche nach der „kritischen Größe“ eines hinreichenden Zusammenhangs zwischen Ingerenzbefugnissen und funktionaler Personenidentität stößt man auf die Formel der „gemeinsamen Beherrschung“, wobei „Gemeinsamkeit“ nicht die bloße Addition von Einzelbefugnissen meint, sondern deren Zusammenfassung zu einem kollektiven Steuerungsmechanismus voraussetzt. Die Rechtsfigur der „gemeinsamen Beherrschung“ ist dem GWB aus dem Bereich der Fusionskontrolle bekannt. Im Rahmen der „Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen“ bestimmt § 36 II 2 GWB folgendes: „Wirken mehrere Unternehmen derart zusammen, daß sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluß auf ein anderes Unternehmen ausüben können, gilt jedes von ihnen als herrschendes.“ Diese sog. Mehrmütterklausel stellt klar, daß sich die Rechtsfolge der in § 36 II 1 GWB enthaltenen sog. Verbundklausel, wonach verbundene Unternehmen i. S. d. §§ 17 f. AktG als einheitliches Unternehmen i. S. d. §§ 35 ff. GWB anzusehen sind, auch auf das Verhältnis zwischen einem abhängigen und mehreren gemeinsam herrschenden Unternehmen erstreckt.349 Wiederum Gröning ist der – vom BayObLG aufgegriffene – Vorschlag zu verdanken, diesen Rechtsgedanken auch im Kartellvergaberecht fruchtbar zu machen.350 Dies läuft methodisch auf eine analoge Anwendung des § 36 II 2 GWB hinaus und setzt daher die Vergleichbarkeit des dort geregelten Interessenkonflikts voraus.351 Weil § 36 II 2 GWB in seinen Voraussetzungen auf die – im Kartellvergaberecht grundsätzlich unbeachtlichen352 – konzernrechtlichen Tatbestände der Abhängigkeit und Beherrschung verweist, kann es sich dabei nur um eine Rechtsfolgenanalogie handeln.
Siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (1) bis (2) (c). Sofern man die Möglichkeit einer Abhängigkeit von mehreren herrschenden Unternehmen schon im Rahmen des § 17 I AktG anerkennt (so z. B. BGHZ 62, 193, 197 ff.; BAG, DB 1970, 1595 f.), hat § 36 II 2 GWB keinen über § 36 II 1 GWB hinausgehenden Regelungsgehalt (vgl. Mestmäcker / Veelken, in: Immenga / Mestmäcker, Hrsg., GWB, § 36 Rn. 64). 350 Gröning, ZIP 2001, 497 (502). Ebenso im Anschluß BayObLG, NZBau 2002, 397 (399); Krohn, VergabeR 2003, 403 (411). Mißverständlich Dreher, NZBau 2004, 14 (17), der zwar von „gemeinsamer Kontrolle“ spricht, insofern allerdings jede, auch noch so geringfügige, Beteiligung ausreichen läßt (vgl. oben Fn. 347). 351 Für eine analoge Anwendung ausdrücklich Krohn, VergabeR 2003, 403 (411). Zu den Analogievoraussetzungen siehe nur Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202 ff.; Pawlowski, Einführung in die Juristische Methodenlehre, Rn. 165. 352 Siehe oben Dritter Teil A. II. 1. b) bb). 348 349
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Die dogmatische Funktion des § 36 II GWB ist eine doppelte: Einerseits erweitert er den (personellen) Anwendungsbereich der Fusionskontrolle, der sich gem. § 35 I, II GWB nach den Umsatzerlösen der beteiligten Unternehmen richtet. Andererseits modifiziert er den materiellen Maßstab des in § 36 I GWB enthaltenen Untersagungstatbestands, der an die Begründung oder Verstärkung einer, sich nach den addierten Marktanteilen der beteiligten Unternehmen bemessenden, marktbeherrschenden Stellung des Zusammenschlusses anknüpft. Ist eines der gemeinsam herrschenden Unternehmen an einer Fusion beteiligt, sind ihm die Umsätze und Marktanteile des mitbeherrschten Unternehmens ebenso zuzurechnen wie umgekehrt einem an einer Fusion beteiligten abhängigen Unternehmen die Umsätze und Marktanteile aller herrschenden Unternehmen.353 Damit bewirkt § 36 II GWB eine erhebliche Verschärfung des Fusionskontrollregimes zu Lasten der normunterworfenen Unternehmen; der Konflikt zwischen dem privaten Interesse an gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsfreiheit und dem öffentlichen Interesse an einem effektiven Wettbewerb wird klar zugunsten des letzteren entschieden. Eine analoge Anwendung im Kartellvergaberecht bewirkte indes das genaue Gegenteil: Hier soll § 36 II 2 GWB Kriterien für die Annahme des sog. „In-house“-Privilegs zugunsten der normunterworfenen Unternehmen liefern und damit eine Einschränkung des (sachlichen) Anwendungsbereichs der §§ 97 ff. GWB legitimieren. In dem Interessenkonflikt mit der staatlich-kommunalen Organisationsautonomie würde § 36 II 2 GWB gegen einen transparenten Vergabewettbewerb streiten, seiner ursprünglich wettbewerbsfördernden ratio legis also schlicht beraubt. Diese Kontrollüberlegung zeigt, daß sich der im Kartellvergaberecht zu lösende Interessenkonflikt gleichsam unter umgekehrtem Vorzeichen präsentiert als der durch § 36 II 2 GWB geregelte. Eine analoge Anwendung dieser Norm entbehrt daher jeder dogmatischen Grundlage. Die mangelnde Analogiefähigkeit des § 36 II 2 GWB verbietet indessen nicht, aus der dahinterstehenden Idee einer kollektiv-rechtlich begründeten Ingerenz inhaltliche Kriterien zur Bestimmung der funktionalen Personenidentität zu gewinnen. Erforderlich ist dann jedoch eine Definition, die den Besonderheiten des vergaberechtlichen Interessenkonflikts gerecht wird. In § 36 II 2 GWB versteht man unter einem „gemeinsamen beherrschenden Einfluß“ – entsprechend der Formulierung in § 23 I 2, 2. Hs. GWB a. F. – jedes „Zusammenwirken aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise“.354 Die in dieser Formulierung zum Ausdruck kommende Tendenz zu einer extensiven Auslegung entspringt der normerweiternden ratio des § 36 II 2 GWB. Um den Topos der „gemeinsamen Beherrschung“ in normeinschränkender Weise fruchtbar zu machen, bedarf es deshalb eines wesent353 Bechtold, Kartellgesetz, § 36 Rn. 40; Mestmäcker / Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 36 Rn. 72; Ruppelt, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 36 Rn. 73. 354 Mestmäcker / Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 36 Rn. 64; Ruppelt, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 36 Rn. 66.
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lich engeren Begriffsverständnisses: Auszuschließen sind jedenfalls alle Koordinationsmechanismen, die lediglich auf tatsächlichen Umständen beruhen355. Insbesondere kann das Tatbestandsmerkmal der „Gemeinsamkeit“ nicht schon mit dem Vorliegen gleichgerichteter Interessen begründet werden356, welche nach dem Gesagten überhaupt erst den Anlaß für ein Absehen vom Grundsatz der „positiven Beherrschung“ bieten. Auch ausgeglichene Kräfteverhältnisse durch identische oder paritätische Beteiligungsquoten, aufgrund derer die Gesellschafter faktisch auf eine gegenseitige Verständigung angewiesen sind,357 vermitteln noch keine kollektiven Ingerenzbefugnisse. Hierzu bedarf es vielmehr rechtsverbindlicher Vereinbarungen, durch die ein einheitliches Abstimmungs- und Leitungsverhalten der Gesellschafter dauerhaft sichergestellt ist. Am größten ist die Effektivität des gemeinsamen Einflusses, wenn die Gesellschafter ihre Stimmrechtsmacht bündeln, indem sie sich in einem sog. Stimmbindungsvertrag gegenseitig verpflichten, ihr Stimmrecht nur im Einklang mit dem (den) Vertragspartner(n) bzw. entsprechend einer vorherigen gemeinsamen Willensbildung auszuüben.358 Bei näherem Hinsehen bietet jedoch auch diese Konstruktion keine hinreichende Gewähr, daß nicht die Interessen einzelner Anteilseigner ins Hintertreffen geraten können. Stimmbindungsverträge bewirken zwar einen heilsamen Einigungsdruck, können aber weder „Beherrschung“ noch „Gemeinsamkeit“ umfassend garantieren: Soweit keine Einigung erzielt wird, können sie im Gegenteil zu einer partiellen Lähmung der Gesellschafterversammlung und infolgedessen zu einer tendenziellen Stärkung der Geschäftsführung führen. Weil Stimmbindungsverträge grundsätzlich nur schuldrechtlich wirken und somit außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsordnung durchgesetzt werden müssen, berührt andererseits auch ein bindungswidriges Abstimmungsverhalten nicht die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses.359 Folglich muß die Geschäftsführung grundsätz-
355 Vgl. zur Fusionskontrolle BGHZ 74, 359 (367); BGH, WuW / E BGH 1810 (1811); Bechtold, Kartellgesetz, § 36 Rn. 39; Mestmäcker / Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 36 Rn. 65; Ruppelt, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 36 Rn. 66. 356 Vgl. zur Fusionskontrolle BGHZ 74, 359 (367); BGH, WuW / E BGH 1810 (1811); WuW / E BGH 2321 (2323); KG, WuW / E OLG 4075 (4077); WuW / E OLG 4095 (4099); WuW / E OLG 4547 (4552); Mestmäcker / Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 36 Rn. 67. 357 Vgl. zur Fusionskontrolle BGHZ 62, 193 (200); BGH, WuW / E BGH 1608 (1611 f.); WuW / E BGH 2321 (2322 f.); Mestmäcker / Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 36 Rn. 70; Ruppelt, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 36 Rn. 68. 358 Ruppelt, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 36 Rn. 70; M. Schneider, Die Gebietskörperschaft als Konzernspitze, S. 47. Vgl. BGHZ 74, 359 (366); Mestmäcker / Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 36 Rn. 69. Zur rechtlichen Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen siehe nur BGHZ 48, 163 (166 ff.); K. Schmidt, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, II. Bd., § 47 Rn. 39 f. m. w. N.
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lich auch einer bloß mehrheitlich beschlossenen Weisung ohne Rücksicht auf die Verletzung einer Stimmrechtsbindung Folge leisten.360 Aus diesen Gründen bedürfen die Ingerenzbefugnisse jedes einzelnen Verwaltungsträgers einer weiteren, individual-rechtlich zu begründenden Absicherung. (e) Das Kriterium der „negativen Beherrschung“ Nach dem bisher Gesagten muß der öffentliche Auftraggeber einerseits nicht alles selbst entscheiden können („positive Beherrschung“), darf aber andererseits auch nichts ohne oder gegen ihn beschlossen werden können. Weil letzteres durch das Instrument der „gemeinsamen Beherrschung“ nur unzureichend gewährleistet ist, benötigt der öffentliche Auftraggeber darüber hinaus eine sog. Sperrminorität, mit der er die gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigung zumindest „negativ beherrschen“ kann.361 Diese Sperrminorität hat im wesentlichen zwei Funktionen zu erfüllen: Erstens muß sichergestellt sein, daß die Mitgesellschafter den satzungsmäßigen Gesellschaftszweck nicht eigenmächtig abändern können. Da eine Änderung des Gesellschaftsvertrags nach der zwingenden Vorschrift des § 53 II 1 GmbHG eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen voraussetzt,362 benötigt der öffentliche Auftraggeber – vorbehaltlich einer strengeren Satzungsregelung – eine Kapitalbeteiligung in Höhe von mehr als 25 % (einfache Sperrminorität). Zweitens muß sichergestellt sein, daß die Mitgesellschafter den Gesellschaftszweck nicht faktisch unterlaufen oder die Gesellschaft zu sonstigen Maßnahmen veranlassen können, die gegen wesentliche Eigeninteressen des öffentlichen Auftraggebers verstoßen. Dazu bedarf es einer besonderen Regelung im Gesellschaftsvertrag, die alle wichtigen Entscheidungen entweder an die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bindet oder an eine qualifizierte Kapitalmehrheit, die über der Summe der Geschäftsanteile der Mitgesellschafter liegt (qualifizierte Sperrminorität). Inhaltlich muß der Gesellschaftsvertrag einen Katalog zustimmungspflichtiger Beschlußgegenstände aufstellen, der neben sog. Grundlagenentscheidungen (ein359 BGH, NJW 1983, 1910 (1911); Hüffer, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 47 Rn. 79, 83; K. Schmidt, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, II. Bd., § 47 Rn. 53; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 47 Rn. 79. 360 Diese Aspekte übersieht Eilmansberger (JBl 2001, 562, 565) bei seiner Einschätzung, daß durch Stimmbindungsverträge gegebenenfalls sogar das alleinige Durchsetzungsvermögen einer einzelnen Gebietskörperschaft sichergestellt werden könne. 361 Vgl. die „Reservelösung“ von Gröning, ZIP 2001, 497 (502), der die Voraussetzungen der „Teckal / Viano“-Entscheidung „jedenfalls“ in diesem Fall als gegeben betrachtet. A. A. Derher, NZBau 2004, 14 (17), der das Vorliegen einer Sperrminorität ausdrücklich, aber ohne nähere Begründung für verzichtbar hält. 362 Allenfalls kann dieses Mehrheitserfordernis durch die Ausgabe von Geschäftsanteilen ohne Stimmrecht oder die Vereinbarung von Mehr- oder Höchststimmrechten abgeschwächt werden (vgl. Priester, in: Scholz, Begr., Kommentar zum GmbHG, II. Bd., § 53 Rn. 86; Zöllner, in: Baumbach / Hueck, Begr., GmbHG, § 47 Rn. 43).
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schließlich Satzungsänderungen) alle Geschäftsführungsmaßnahmen enthält, die aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers Auswirkungen auf die Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben haben. Dazu zählen Entscheidungen über die Fremdvergabe von Unteraufträgen (z. B. im Rahmen funktionaler Privatisierungen) ebenso wie Entscheidungen über die Annahme von Fremdaufträgen (d. h. über die Aufnahme oder Erweiterung einer wirtschaftlichen Betätigung). Die festzulegende Zustimmungsquote richtet sich nach der jeweiligen Anzahl der Gesellschafter und ihren Beteiligungsquoten: So könnte z. B. bei einer paritätischen Beteiligung zweier Verwaltungsträger eine Zwei-DrittelMehrheit, bei einer drittelparitätischen Beteiligung eine Drei-Viertel-Mehrheit, bei einer viertelparitätischen Beteiligung eine Vier-Fünftel-Mehrheit usw. bestimmt werden.363 Die qualifizierte Sperrminorität läge dann bei 33,4 % bzw. 25,1 % bzw. 20,1 %. Die erforderliche Kapitalquote läßt sich somit nur in Kenntnis der jeweiligen Beteiligungsstruktur bestimmen und kann die einfache Sperrminorität im Einzelfall sowohl über- als auch unterschreiten. Um die Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft nicht insgesamt zu gefährden, dürften sich über § 53 II 1 GmbHG hinausgehende Zustimmungsquoten – und damit qualifizierte Sperrminoritäten unterhalb der einfachen Sperrminorität – jedoch regelmäßig als unpraktikabel erweisen. Insofern hat das Kriterium der „negativen Beherrschung“ praktisch zur Folge, daß im Verhältnis zu Verwaltungsträgern mit sehr geringen Kapitalquoten ggf. trotz bestehender Stimmbindungsverträge keine funktionale Personenidentität mehr besteht. Hiernach wäre z. B. in dem vom EuGH entschiedenen Fall der Gemeinde Viano, die an dem zu beauftragenden Konsortium lediglich in Höhe von 0,9 % beteiligt war, die Annahme eines „In-house-Geschäfts“ (im weiteren Sinne) ausgeschlossen.364 (3) Teilergebnis Angewandt auf die zweite Fallgruppe der formellen Privatisierung, verlangt das Kriterium der funktionalen Personenidentität, daß die gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigung dem jeweiligen öffentlichen Auftraggeber kraft eigener Ingerenzbefugnisse zurechenbar ist. Nach der vorangehenden Analyse ist diese Voraussetzung gegenüber einer gemischt-öffentlichen GmbH nicht nur erfüllt, wenn der öffentliche Auftraggeber die Gesellschaft aufgrund einer eigenen absoluten Kapital- (bzw. Stimmrechts-)Mehrheit positiv „beherrscht“, sondern auch, wenn er sie
Vgl. Gröning, ZIP 2001, 497 (502). Ebenso im Ergebnis GA Cosmas, Schlußanträge v. 01. 07. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Tekkal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8136), Rn. 61. Entgegen der Behauptung von U. Jasper (F.A.Z. v. 26. 05. 2004, S. 25) hat auch der EuGH (Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98, Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia, a. a. O., 8139 ff.) diesen Sachverhalt keineswegs für „vergaberechtsfrei zulässig“ erklärt, sondern lediglich allgemeine Beurteilungsmaßstäbe aufgestellt, aus denen sich – wie dargelegt – deutlich strengere Anforderungen ableiten lassen. 363 364
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aufgrund einer qualifizierten Sperrminorität lediglich negativ, aber zugleich aufgrund eines Stimmbindungsvertrags mit anderen Verwaltungsträgern gemeinsam positiv „beherrscht“. Die Kriterien der gemeinsamen und negativen „Beherrschung“ stellen gleichermaßen hohe Anforderungen an die gesellschaftsrechtliche Gestaltung durch die beteiligten Verwaltungsträger wie an die Sachverhaltsermittlung und -beurteilung in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren. Ihre Komplexität ist unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und Rechtsschutzeffektivität gewiß nicht unproblematisch, ergibt sich jedoch als notwendige Kehrseite aus dem Bestreben um Einzelfallgerechtigkeit durch Berücksichtigung der besonderen Interessenlage innerhalb gemischt-öffentlicher Kooperationen. Zudem werden die rechtspraktischen Nachteile der hier vertretenen Lösung dadurch abgemildert, daß es im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozeßrechts dem Rechtsschutzgegner (hier: dem öffentlichen Auftraggeber) obliegt, die ihm günstigen Tatsachen darzulegen und auch zu beweisen.365 Zur Vermeidung eines zeit-, kosten- und risikointensiven Nachprüfungsverfahrens ist einem öffentlichen Auftraggeber deshalb ohnehin zu raten, die Beauftragung einer gemischt-öffentlichen GmbH, die er nicht „positiv beherrscht“, nur nach Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens nach Maßgabe der §§ 97 ff. GWB zu vollziehen. Noch schwieriger zu bewerkstelligen ist eine funktionale Personenidentität im Verhältnis zu gemischt-öffentlichen AGen: nach den allgemeinen Regeln bedarf es insofern der Bildung eines Vertragskonzerns mit dem öffentlichen Auftraggeber.366 Um die Möglichkeit einander widersprechender Weisungen auszuschließen, kann ein Beherrschungsvertrag nur mit einem der beteiligten Verwaltungsträger geschlossen werden. Wegen der gem. § 293 I 2 AktG erforderlichen Drei-ViertelMehrheit in der Hauptversammlung wird es zum Vertragsschluß nur kommen, wenn jener Verwaltungsträger mindestens 75 % des Stammkapitals hält und die Satzung keine weitergehenden Anforderungen i. S. d. § 293 I 3 AktG enthält. Anderenfalls müßte wiederum der – nach dem Kommunalrecht einiger Bundesländer aus haftungsrechtlichen Gründen ohnehin angezeigte – Umweg einer mehrstufigen Konzernierung unter Zwischenschaltung einer, dem öffentlichen Auftraggeber nach den obigen Grundsätzen zurechenbaren GmbH als Vertragskonzernmutter gegangen werden.367
365 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 79; ders., NZBau 2001, 360 (362); ders., NZBau 2002, 245 (253). Vgl. (zu den EG-Vergaberichtlinien) EuGH, Urt. v. 10. 03. 1987 – Rs. C-199 / 85 (Kommission / Italien), Slg. 1987, 1039 (1059), Rn. 14; Urt. v. 18. 05. 1995 – Rs. C-57 / 94 (Kommission / Italien), Slg. 1995, I-1249 (1271), Rn. 23. 366 Siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (3) (a). 367 Siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (3) (b).
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c) Rechtsverhältnisse in publizistischen Konzernen Der wiederholte Hinweis auf die Möglichkeit einer mehrstufigen Konzernierung gibt schließlich Anlaß zu einem ausführlichen Exkurs in die Fragestellung, ob und ggf. unter welchen Modifikationen das Kriterium der funktionalen Personenidentität auch bei der vergaberechtlichen Beurteilung der Leistungsbeziehungen innerhalb publizistischer Konzerne anwendbar ist.368
aa) Das Verhältnis zwischen Tochtergesellschaft und Enkelgesellschaft Im Verhältnis zwischen Tochter- und Enkelgesellschaft stellt sich die Frage nach dem sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts überhaupt erst nach der Bejahung seines personellen Anwendungsbereichs hinsichtlich der Tochtergesellschaft. Als publizistische Privatrechtsvereinigung ist diese öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB, wenn sie zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen.369 In diesem Fall stellen sich die Leistungsbeziehungen zwischen Tochter- und Enkelgesellschaft regelmäßig als Subdelegation von Leistungen dar (sog. Vergabe auf zweiter Stufe), mit deren Erbringung die Tochtergesellschaft zuvor selbst von ihrer (ihren) Trägerkörperschaft(en) beauftragt worden ist (sog. Vergabe auf erster Stufe). Nach Ansicht von Tomerius ist die Möglichkeit einer vergaberechtlichen Privilegierung „verbraucht“, wenn bereits auf der ersten Stufe keine Ausschreibung stattgefunden hat; eine weitere Befreiung in Form eines „Kettendispenses“ sei vergaberechtlich nicht haltbar.370 Dabei geht er allerdings unzutreffend davon aus, daß eine teleologische Reduktion ihre Rechtfertigung allein in der Freiheit der Verwaltung zur Wahl ihrer Organisationsform finde, welche bereits auf der ersten Stufe abgeschlossen sei.371 Richtigerweise sind beide Vorgänge jedoch getrennt auf das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB zu prüfen: Unabhängig davon, ob die „erste Stufe“ auf einem ausschreibungsfreien „In-house-Geschäft“ (im weiteren Sinne) beruht oder nicht, hat das Vergaberecht bei der Beurteilung der „zweiten Stufe“ nämlich ausschließlich die unmittelbar beteiligten Vertragspartner im Blick, wobei es ggf. auch mehrstufige Ausschreibungsverpflichtungen in Kauf nimmt.372 Das bedeutet zum einen, daß sich das Kriterium der Zur hier verwendeten Terminologie siehe oben Zweiter Teil B. III. 1. d). Dazu siehe oben Erster Teil A. III. Die Auftraggebereigenschaft ist für jedes Konzernunternehmen getrennt zu prüfen und scheidet z. B. aus, wenn die Tochtergesellschaft ausschließlich zu dem Zweck gegründet wurde, die gewerblichen Tätigkeiten der Trägerkörperschaft zu übernehmen (dazu ausführlich Ziekow, NZBau 2004, 181, 184 ff.). 370 Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 302, 308. 371 Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 300, 302. Dazu siehe oben Dritter Teil A. II. 2. 372 Siehe oben Dritter Teil A. II. 1. b) aa). 368 369
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funktionalen Personenidentität im Verhältnis zwischen Tochter- und Enkelgesellschaft unabhängig von seinem Vorliegen im Verhältnis zwischen Verwaltungsträger und Tochtergesellschaft bestimmt. Zum anderen verschiebt sich der Beurteilungsmaßstab insofern, als sich der Ingerenzvergleich nicht mehr auf die verwaltungsrechtlichen Aufsichtsbefugnisse des Verwaltungsträgers gegenüber unselbständigen Verwaltungseinheiten, sondern auf die Steuerungsmöglichkeiten der Tochtergesellschaft gegenüber ihren eigenen gesellschaftsinternen Betriebseinheiten bezieht. Letztere finden ihre Rechtsgrundlagen zwar ausschließlich im Privatrecht, stehen den öffentlich-rechtlichen Ingerenzbefugnissen aber im Ergebnis kaum nach: Soweit nicht individualvertraglich begründet, ergeben sich ähnlich umfassende Weisungsrechte gegenüber der jeweils untergeordneten Führungsebene jedenfalls aus dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht.373 Soweit die Tochtergesellschaft als öffentlicher Auftraggeber gleichsam an die Stelle des Verwaltungsträgers tritt, kann deshalb hinsichtlich der Anforderungen, die an ihre gesellschaftsrechtlichen Ingerenzbefugnisse gegenüber der Enkelgesellschaft zu stellen sind, auf die Ergebnisse der obigen Untersuchung verwiesen werden.
bb) Das Verhältnis zwischen Verwaltungsträger und Enkelgesellschaft Schwieriger ist der Fall zu beurteilen, daß ein Verwaltungsträger eine zweistufige Vergabe vermeiden und unmittelbar Leistungsbeziehungen mit der Enkelgesellschaft eingehen möchte. Diese Situation tritt neben dem bereits erwähnten Fall eines GmbH-AG-Vertragskonzerns374 immer dann ein, wenn die Enkelgesellschaft eine zusätzliche Leistung erbringen soll, die über den Umfang der an die Tochtergesellschaft delegierten Aufgaben hinausgeht. Problematisch ist, daß der Verwaltungsträger gegenüber einer Privatrechtsvereinigung, an der er bloß mittelbar beteiligt ist, grundsätzlich keine unmittelbaren Ingerenzbefugnisse besitzt. Anderweitige Gestaltungen sind möglich, soweit das Gesellschaftsrecht die Übertragung von Weisungsrechten auf gesellschaftsexterne Dritte zuläßt: Während dies im Aktienrecht nur durch Abschluß eines Beherrschungsvertrags erreicht werden kann,375 herrscht im GmbH-Recht Streit darüber, ob bzw. inwieweit eine Kompetenzübertragung auch Gegenstand des Gesellschaftsvertrags und damit der Satzungsautonomie der Gesellschafter sein kann.376 Jedenfalls steht nach allgemeiner Meinung
373 Dazu siehe nur BAG, NZA 1990, 144 (145); DB 1994, 482 f.; LAG Düsseldorf, NZA 1993, 411 (412). 374 Siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (3) (b) und A. IV. 3. b) cc) (3). 375 Zur Anwendbarkeit des Konzernrechts auf die öffentliche Hand und zum Zustandekommen eines Beherrschungsvertrags siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (3) (a). 376 Dafür z. B. Mertens, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., § 37 Rn. 17. Dagegen z. B. OLG Frankfurt a. M., ZIP 1997, 450 (451); U. H. Schneider, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 37 Rn. 33 f. Differenzierend Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 20, 15.
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auch einer GmbH das Instrument des Beherrschungsvertrags in analoger Anwendung der §§ 291 ff. AktG offen.377 Weil derartige Gestaltungen jedoch zu Ingerenzeinbußen auf Seiten der Tochtergesellschaft führen und somit die funktionale Personenidentität auf der „zweiten Stufe“ gefährden, dürften sie in der Praxis kaum Verwendung finden.378 Andererseits schließt das Fehlen eines „Weisungsdurchgriffs“ das Kriterium der funktionalen Personenidentität nicht schlechthin aus, da auch im Rahmen der als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden öffentlich-rechtlichen Dienstaufsicht ggf. nur mittelbare Ingerenzbeziehungen bestehen: Jedenfalls führt das dort geltende Hierarchieprinzip dazu, daß die praktische Umsetzung einer Willensbildung „von oben nach unten“ grundsätzlich nach dem Verfahren der „Weisungskette“ erfolgt.379 Fraglich ist, wie das Kriterium der funktionalen Personenidentität vor diesem Hintergrund zu ermitteln ist. In einem reinen GmbH-Konzern wäre eine Art „mathematisches Verfahren“ denkbar, das den Ingerenzgrad anhand einer Multiplikation der Beteiligungs- bzw. Stimmquoten berechnet. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: Bei einem verwaltungseigenen Konzern, in dem der Verwaltungsträger Alleingesellschafter der Tochtergesellschaft und diese wiederum Alleingesellschafterin der Enkelgesellschaft ist, wäre das Kriterium der funktionalen Personenidentität – bei einem „mathematischen Ingerenzgrad“ von 100 % – zweifellos auch im Verhältnis zwischen Verwaltungsträger und Enkelgesellschaft gegeben. Auch in einem gemischt-öffentlichen Konzern entspräche der „mathematische Ingerenzgrad“ solange der Beteiligungsquote des Verwaltungsträgers an der Tochtergesellschaft, wie diese Alleingesellschafterin der Enkelgesellschaft bleibt. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, daß es durch die Fiktion einer unmittelbaren Beteiligung eine direkte Anwendung der oben erarbeiteten Maßstäbe der funktionalen Personenidentität erlaubt. Seine Schwächen werden offenbar, wenn man das zweite Beispiel dahin abwandelt, daß die Enkelgesellschaft einen weiteren Gesellschafter aufnimmt: Läge z. B. auf beiden „Stufen“ eine Mehrheitsbeteiligung (des Verwaltungsträgers bzw. der Tochtergesellschaft) in Höhe von jeweils 51 % vor, käme der Verwaltungsträger gegenüber der Enkelgesellschaft nur noch auf einen „mathematischen Ingerenzgrad“ in Höhe einer einfachen Sperrminorität von 26 %. Die Voraussetzungen der funktionalen Personenidentität wären zwar auf den einzelnen Stufen, nicht aber im Verhältnis zwischen Verwaltungsträger und Enkelgesellschaft erfüllt. Dieses Beispiel zeigt, daß das angewandte Multiplikationsverfahren nicht nur zu zweifelhaften Ergebnissen führt, sondern auch logisch nicht haltbar ist. Denn die bloße Fiktion einer unmittelbaren Beteiligung erlaubt wiederum 377 BGHZ 103, 1 (4 ff.); 105, 324 (330 f.); 116, 37 (39); Emmerich, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., Anh. Konzernrecht, Rn. 136 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 54 Rn. 11; Ulmer, in: ders. (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., Anh. § 77 Rn. 182 ff.; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, GmbH-KonzernR Rn. 36. 378 Vgl. Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 123; SchmidtJortzig, Kommunalrecht, Rn. 730. 379 Vgl. Michaels, NZBau 2004, 27 (28 f.).
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nur die Fiktion von (tatsächlich nicht bestehenden) unmittelbaren Ingerenzbefugnissen, trifft aber keine Aussage über die (tatsächlich bestehenden) mittelbaren Ingerenzbeziehungen. Richtigerweise ist das Kriterium der funktionalen Personenidentität für alle denkbaren Rechtsformen im Wege eines „juristischen Verfahrens“ zu bestimmen, indem man – analog zur aufsichtsrechtlichen „Weisungskette“ im verwaltungsinternen Bereich – die gesellschaftsrechtliche „Ingerenzkette“ von oben nach unten prüft: Danach ist der Verwaltungsträger mit seiner Enkelgesellschaft funktional personenidentisch, wenn sowohl in seinem Verhältnis zur Tochtergesellschaft als auch in deren Verhältnis zur Enkelgesellschaft hinreichende, d. h. den Tatbestand der funktionalen Personenidentität begründende, Ingerenzbefugnisse bestehen.380 Insoweit kann wiederum auf die Erkenntnisse aus der obigen Untersuchung verwiesen werden. cc) Das Verhältnis zwischen zwei Schwestergesellschaften Sind einem Verwaltungsträger mehrere Tochtergesellschaften oder einer Tochtergesellschaft mehrere Enkelgesellschaften zugeordnet, kann es „konzerninterne“ Leistungsbeziehungen auch im horizontalen Verhältnis zwischen zwei Schwestergesellschaften geben (auf die das Kartellvergaberecht in personaler Hinsicht anwendbar ist, wenn die jeweilige Vergabestelle die Voraussetzungen des § 98 Nr. 2 GWB erfüllt). In diesem Fall versagt die vorstehend beschriebene Methode zur Bestimmung der funktionalen Personenidentität, weil insofern keine „Ingerenzkette“, sondern allenfalls eine von der gemeinsamen Mutterkörperschaft bzw. Muttergesellschaft ausgehende „Ingerenzkaskade“ existiert: Darin kann die eine Tochter nicht etwa mittelbar Einfluß auf die andere nehmen, sondern steht im Gegenteil selbst unter dem Einfluß der Mutter. Dennoch erschiene es im Ergebnis widersprüchlich, das Kriterium der funktionalen Personenidentität im Verhältnis der Schwestergesellschaften untereinander zu verneinen, wenn beide ihrerseits funktional personenidentisch mit der gemeinsamen Konzernmutter sind. In diesem Fall können die Tochtergesellschaften ohnehin keine Geschäftsführungsmaßnahme (einschließlich der zu untersuchenden Vergabeentscheidung) ohne deren Billigung treffen. Rechnet man das Handeln der Vergabestelle insgesamt der Konzernmutter zu, erscheint diese bei funktionaler Betrachtung selbst als „Auftraggeber hinter dem Auftraggeber“, so daß sich die vergaberechtliche Beurteilung an den allgemeinen Regeln orientieren kann. Im Ergebnis wirkt jene vertikale Zurechnung insofern reziprok, als sich zwar nicht die Ingerenzbefugnisse der Konzernmutter, aber doch die daraus folgende funktionale Personenidentität mit der zu beauftragenden Tochtergesellschaft auf die auftraggebende Tochtergesellschaft übertragen läßt. Insoweit ist das Kriterium der funktionalen Personenidentität in einem erweiterten Sinne auch zwischen den Partnern einer horizontalen Konzernleistungsbeziehung zu bejahen.381 380
Vgl. im Ergebnis OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 58 (59 f.); NZBau 2004, 343 (345).
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dd) Einschaltung eines öffentlich-rechtlichen Zweckverbands Eine dem publizistischen Konzern funktional vergleichbare Konstellation besteht im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit, wenn an Stelle einer gemischt-öffentlichen Tochtergesellschaft ein öffentlich-rechtlicher Zweckverband eingeschaltet wird.382 Auch in diesem Fall ist zwischen drei möglichen Rechtsverhältnissen zu differenzieren: Im Verhältnis zwischen Gemeinde und Zweckverband findet keine Auftragsvergabe i. S. d. § 99 I GWB, sondern eine staatsorganisationsrechtliche Zuständigkeitsverlagerung statt: Im Gegensatz zu einer publizistischen Privatrechtsvereinigung erbringt der Zweckverband keine Leistungen für seine Trägerkörperschaft(en), sondern wird im Zeitpunkt seiner Entstehung ipso iure selbst zum alleinigen Träger der ihm nach der Verbandssatzung gestellten Aufgaben.383 Selbst wenn man die Satzungsvereinbarung in einem weiten Sinne als „entgeltlichen Vertrag“ deuten wollte,384 liegt somit jedenfalls keine Beschaffungstätigkeit der Gemeinde i. S. d. § 97 I GWB vor. Dementsprechend fallen nach zutreffender herrschender Meinung sowohl Leistungen aufgrund gesetzlicher Zuständigkeitszuweisungen als auch Leistungen aufgrund von Gründungsstatuten nicht unter die Legaldefinition des § 99 I GWB.385 Der Zweckverband selbst ist – mangels eigener Gebietshoheit386 – zwar keine Gebietskörperschaft i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB, aber jedenfalls öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr. 3 GWB.387 Gründet nun der Zweckverband seinerseits eine privatrechtliche Gesellschaft, rich381 Vgl. im Ergebnis Dreher, NZBau 2004, 14 (18 f.); U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (615). A. A. Ziekow, NZBau 2004, 181 (187), der ohne nähere Begründung ein direktes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den kontrahierenden Schwestergesellschaften verlangt. 382 Dazu siehe oben Zweiter Teil B. II. 1. 383 Siehe z. B. § 6 I GkG NRW („Das Recht und die Pflicht der an einem Zweckverband beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung der Aufgaben, die dem Zweckverband gestellt sind, gehen auf den Zweckverband über.“). Vgl. Oebbecke, Gemeindeverbandsrecht Nordrhein-Westfalen, Rn. 412; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, S. 196; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 394a; Stollmann, DÖV 1999, 183 (185). 384 Insofern käme als „Leistung“ allenfalls die Aufgabenzuweisung an den Zweckverband, als „Gegenleistung“ die Bestimmung der Maßstäbe für die von den Mitgliedern zu erbringenden Beiträge zur Deckung des Finanzbedarfs in Betracht (vgl. z. B. § 9 II 1 GkG NRW). 385 Vgl. nur Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 15; Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 4 Rn. 8; Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 5, 18; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 3; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 12. 386 Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, S. 196; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 393. 387 Bechtold, Kartellgesetz, § 98 Rn. 24; Boesen, Vergaberecht, § 98 Rn. 23, 97; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 98 Rn. 81; Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 36; Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 68; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 98 Rn. 45; Werner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rn. 216, 269. A. A. VK Düsseldorf, ZfBR 2002, 621 (623) (juristische Person des öffentlichen Rechts i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 98 Rn. 18, 112 (Gebietskörperschaft i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB).
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tet sich deren Beauftragung wiederum nach den allgemeinen Regeln über die Leistungsbeziehungen zwischen Verwaltungsträgern und verwaltungseigenen Privatrechtsvereinigungen. Diese Konstruktion ist im vorliegenden Zusammenhang deshalb erwähnenswert, weil sie – aus kommunaler Sicht – gegenüber der Bildung eines gemischt-öffentlichen privatrechtlichen Konzerns den Vorteil hat, daß die anspruchsvolle Prüfung der funktionalen Personenidentität auf der „ersten Stufe“ entfällt (während auf der „zweiten Stufe“ die Voraussetzungen eines „In-house-Geschäfts“ im weiteren Sinne – jedenfalls bei Inanspruchnahme der Rechtsform GmbH – regelmäßig vorliegen). Damit wird auch in Konstellationen, in denen die Kriterien der „gemeinsamen“ und „negativen“ Beherrschung nicht erfüllt sind (etwa bei Beteiligung einer großen Anzahl von Gemeinden), eine formelle Privatisierung ohne öffentliche Ausschreibung möglich.388 Problematisch bleibt hingegen die Situation, daß eine dem Zweckverband angehörende Gebietskörperschaft dessen Tochtergesellschaft mit der Erbringung zusätzlicher Leistungen beauftragen möchte, die außerhalb der dem Zweckverband gestellten Aufgaben liegen (z. B. die Beauftragung der Tochtergesellschaft eines zur Entsorgung bestimmter Abfälle gegründeten Abfallzweckverbands mit der Entsorgung einer weiteren Abfallart389). In diesem Fall wird man die Regeln zur Beurteilung der Leistungsbeziehungen zwischen Verwaltungsträger und Enkelgesellschaft übertragen und eine doppelte funktionale Personenidentität fordern müssen. Im Verhältnis zwischen Zweckverband und Tochtergesellschaft gilt das soeben Gesagte, während es im übrigen einer selbständigen Prüfung der Ingerenzbefugnisse der Gemeinde gegenüber dem Zweckverband bedarf390: Die Verwaltung des Zweckverbands liegt in den Händen der aus Vertretern der Verbandsmitglieder bestehenden Verbandsversammlung und des von der Verbandsversammlung gewählten Verbandsvorstehers (§§ 15, 16 GkG NRW). Da die Kompetenzverteilung zwischen den beiden Organen weitgehend zur Disposition der von den Verbandsmitgliedern beschlossenen Verbandssatzung steht und der Verbandsvorsteher der Dienstaufsicht durch die Verbandsversammlung unterliegt (§ 16 II 3 GkG NRW), kommt es maßgeblich auf die dortige Position der Gemeinde an. Insofern kann man sinngemäß auf die für gemischt-öffentliche GmbH aufgestellten Maßstäbe, also die Kriterien der positiven, gemeinsamen und negativen „Beherr388 Ein aktuelles Beispiel bildet der im Oktober 2002 vom Kommunalverband Ruhrgebiet, den Kreisen Ennepe-Ruhr und Recklinghausen sowie den Städten Bochum, Herne, Remscheid und Wuppertal gegründete Abfallwirtschaftsverband EKOCity (vgl. Satzung v. 05. 11. 2003 i. d. F. der 1. Änderungssatzung v. 17. 11. 2003, ABl. für den Regierungsbezirk Arnsberg 2003, S. 380), dessen gleichnamige Tochter-GmbH ab 2004 exklusiv mit der Abfallbeseitigung in insgesamt 23 Städten beauftragt wurde (vgl. nur die Berichte in der Recklinghäuser Zeitung v. 12. 10. 2002, S. 1, 04. 03. 2003, S. 7, und 06. 03. 2003, S. 7). 389 Dieser Fall liegt einer Entscheidung des BayObLG (NZBau 2002, 397 ff.) zugrunde. 390 Diese erfolgt hier am Beispiel des nordrhein-westfälischen Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 01. 10. 1979 (GkG NRW), dessen Regelungen im wesentlichen mit den entsprechenden Vorschriften in den anderen Bundesländern übereinstimmen.
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schung“, zurückgreifen;391 entscheidend sind deshalb vor allem die Anzahl der Gemeindevertreter in der Verbandsversammlung und die Ausgestaltung der Satzung, die sowohl Mehrstimmrechte als auch vom Gesetz abweichende Zustimmungsquoten bestimmen kann.392 Somit erlaubt das Zweckverbandsrecht zwar eine ähnlich flexible Gestaltung wie das GmbH-Recht, bringt außerhalb der staatsorganisationsrechtlichen Zuständigkeitsverlagerung aber keine vergaberechtliche Erleichterung der interkommunalen Zusammenarbeit.
4. Das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches Die Tatsache, daß die Beauftragung einer funktional mit dem öffentlichen Auftraggeber personenidentischen publizistischen Privatrechtsvereinigung als „Inhouse-Geschäft“ (im weiteren Sinne) bezeichnet werden kann, verleitet dazu, das Kriterium der funktionalen Personenidentität bereits als hinreichende Voraussetzung für eine Befreiung von den vergaberechtlichen Bindungen anzusehen.393 Dafür spricht, daß sich der klassische Typ der formellen Privatisierung auf die organisatorische Ausgliederung einer bis dahin unselbständigen Verwaltungseinheit in ein privates „Rechtskleid“ beschränkt, dessen Beauftragung durch einen „entgeltlichen Vertrag“ dann lediglich die Funktion hat, eine inhaltlich unveränderte Fortsetzung der zuvor öffentlich-rechtlichen Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen. In diesem Fall erschiene es in der Tat widersinnig, der öffentlichen Hand einerseits zu gestatten, sich privatrechtlicher Organisationsformen zu bedienen, und andererseits die daraus fließenden Leistungsbeziehungen dem wettbewerbsrechtlichen Vergaberegime zu unterwerfen.394 Dieser Befund beruht allerdings nicht auf der unveränderten öffentlichen Aufgabenstellung395 (denn diese trifft auch auf sämtliche Formen der funktionalen Privatisierung zu), sondern allein auf einer funktional
Vgl. auch BayObLG, NZBau 2002, 397 (399). Vgl. Oebbecke, Gemeindeverbandsrecht Nordrhein-Westfalen, Rn. 424. Weil Satzungsänderungen gem. § 20 I 1 GkG NRW einer Stimmenmehrheit von mindestens zwei Dritteln bedürfen, liegt die „einfache Sperrminorität“ bei mindestens 33,4 %. 393 So im Ergebnis Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 19 Rn. 3; Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 20, § 100 Rn. 95 ff.; Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (39); Kulartz / Portz, VOL und VOF, Einf., S. 8; Masing, ZfBR 2002, 450 (452 f.); Möschel, WuW 1997, 120 (124); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 30; C. Wagner, VergabeR 2002, 250 (251). Vgl. Ausschuß der Regionen, Stellungnahme zum Grünbuch „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft“ v. 12. 06. 1997, CdR 81 / 97, VergabeR 5 / 1997, 45 (46). 394 Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 95; Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 38; Portz, BWGZ 6 / 2000, 191 (196). 395 Zumindest mißverständlich insofern Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 95; MüllerWrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 38; Portz, BWGZ 6 / 2000, 191 (196). 391 392
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unveränderten Aufgabenwahrnehmung. Er wird deshalb erschüttert, sobald die Privatisierungsfolgen über den funktionalen Innenbereich des Verwaltungsträgers hinausreichen und zu einer Betroffenheit privater Märkte führen.396 Das gleiche Ergebnis folgt aus einer methodisch korrekten Anwendung der teleologischen Auslegungstechnik: Der mit Hilfe des Kriteriums der funktionalen Personenidentität gelungene Nachweis eines Wertungswiderspruchs betrifft zunächst nur die objektive Dimension der teleologischen Auslegung. Unterdessen verbietet die Einbeziehung subjektiv-teleologischer Kriterien eine teleologische Reduktion bzw. einschränkende Auslegung zumindest insoweit, als sie den Zielen des Gesetzgebers zuwiderliefe. In bezug auf § 99 I GWB folgt daraus, daß die durch das Kriterium der funktionalen Personenidentität indizierte Privilegierung entfällt, wenn der Leistungsaustausch zu einem Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit privater Wirtschaftsteilnehmer oder sonst nachteiligen Folgen für den Wettbewerb als Institution führt.397 Dieser Zusammenhang reduziert zugleich den Begriff des „In-house-Geschäfts“ im weiteren Sinne auf eine deskriptive Aussage, die keine bestimmte Rechtsfolge präjudiziert.398 Im folgenden soll näher untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen ein als „In-house-Geschäft“ (im weiteren Sinne) zu beurteilender Leistungsaustausch als „wettbewerbsrelevant“ angesehen werden kann.
a) Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsteilnahme aa) Begründung der Wettbewerbsrelevanz Wettbewerbsrelevanz liegt zum einen dann vor, wenn sich die publizistische Privatrechtsvereinigung nicht auf die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben für ihre Trägerkörperschaft(en) beschränkt, sondern darüber hinaus am allgemeinen Wettbewerb um Aufträge privater Dritter oder anderer öffentlicher Auftraggeber teilnimmt.399 In diesem Fall spricht eine Reihe von Gründen dafür, auch „In-houseGeschäfte“ (im weiteren Sinne) als öffentliche Aufträge i. S. d. § 99 I GWB anzusehen. Zunächst begründet eine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand nach zutreffender und im Vordringen befindlicher Auffassung regelmäßig einen 396 Vgl. Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 57; U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (614); Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (8); Ortlieb, WuW 2003, 146 (153 f.). 397 Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 1. 398 Vgl. auch Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 55, der den Begriff „in-house-Geschäft“ nur als Problembeschreibung versteht, mit der „über den materiellen Gehalt dieses Begriffs aber noch keine Aussage getroffen“ sei. 399 Vgl. Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 60, der die Tätigkeit des Tochterunternehmens für den öffentlichen Auftraggeber als „marktrelevant“ bezeichnet, wenn dieser seinen Wirkungskreis zugleich in private Wirtschaftszweige hinein ausweitet; Holoubek, VVDStRL 60 (2000), 513 (578).
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Eingriff in die durch Art. 12 I GG geschützte Wettbewerbsfreiheit der in den betroffenen Märkten tätigen privaten Unternehmen.400 Wenn die Rechtsordnung – um der Verwirklichung öffentlicher Zwecke willen und in den Grenzen des öffentlichen Haushalts- und kommunalen Wirtschaftsrechts – einen solchen Eingriff für zulässig erklärt, muß der Staat sein diesbezügliches Verhalten zumindest den für alle Wirtschaftsteilnehmer geltenden Regeln unterwerfen (Grundsatz der Gleichbehandlung aller Wettbewerbsteilnehmer). Es wird daher kaum noch bestritten, daß in Ermangelung öffentlich-rechtlicher Sonderregeln das allgemeine Wirtschaftsrecht, insbesondere in Gestalt von GWB und UWG, jedenfalls auf das „Wie“ der wirtschaftlichen Betätigung uneingeschränkt Anwendung findet (vgl. § 130 I GWB).401 Da für das gleichermaßen wettbewerbsregelnde Kartellvergaberecht nichts anderes gelten kann, müssen sich wirtschaftlich tätige publizistische Privatrechtsvereinigungen auch insofern wie jeder andere Wirtschaftsteilnehmer behandeln lassen und dem Ausschreibungswettbewerb um öffentliche Aufträge stellen.402 Aus Gründen der staatlichen Wettbewerbsneutralität gilt dies nicht nur für die Leistungsbeziehungen zu anderen öffentlichen Auftraggebern, sondern auch und erst recht für die Leistungsbeziehungen zu der (den) eigenen Trägerkörperschaft(en).403 Anderenfalls kämen publizistische Privatrechtsvereinigungen in den Genuß eines doppelten Wettbewerbsvorteils gegenüber (potentiellen) Mitbewerbern: Zum einen stünde es im Belieben der öffentlichen Hand, mit naturgemäß geringerem wirtschaftlichem Risiko im Wettbewerb zu agieren und zugleich in beträchtlichem Maße öffentliche Aufträge dem Wettbewerb zu entziehen. Ein derartiges „Herauspicken von Rosinen“ verhielte sich kontraproduktiv zu der wettbewerbsfördernden Intention der §§ 97 ff. GWB.404 Es geht daher nicht an, daß öffentliche Unterneh-
400 Vgl. Cremer, DÖV 2003, 921 (925 ff.); Kluth, Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme, S. 63 ff.; Pielow, NWVBl. 1999, 369 (375 f.); Schink, NVwZ 2002, 129 (138); Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 88 ff.; Tettinger, DVBl. 1999, 679 (686). Von der bislang h. M. wird das Überschreiten der Eingriffsschwelle allerdings an weitere Voraussetzungen geknüpft (vgl. BVerwGE 39, 329, 336 ff.; 71, 183, 193; BVerwG, NJW 1995, 2938, 2939; VerfGH Rheinland-Pfalz, DVBl. 2000, 992, 993; Jarass, DÖV 2002, 489, 492 ff.; Pieroth / Hartmann, DVBl. 2002, 421 (423 ff.); J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250, 1255 f.). Vermittelnd Ehlers, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 41. 401 Vgl. nur Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 Rn. 931; Ehlers, DVBl. 1998, 497 (502); Kluth, Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme, S. 93 ff., 100 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 278 ff., 408 ff. 402 Vgl. GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11053 f.), Rn. 77, 79; Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 39; Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Schreiben v. 13. 02. 2001 – Az. 32.2.-32 571 / 1 / 2 (zit. nach H.-M. Müller, NZBau 2001, 416, 420 Fn. 43); Opitz, ZVgR 2000, 97 (105). 403 Vgl. Holoubek, VVDStRL 60 (2000), 513 (578). 404 Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 39. Ähnlich OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 343 (345), das eine Befreiung vom Vergaberecht insoweit als Diskriminierung im Vergleich zu potentiellen Mitbewerbern deutet.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
men mit privatwirtschaftlichen Unternehmen in Konkurrenz um Aufträge Dritter treten und sich – gleichsam umgekehrt – dieser Konkurrenz ausgerechnet bei der nicht selten besonders lukrativen Akquisition öffentlicher Aufträge entziehen können. Zum anderen bestünde die Gefahr, daß publizistische Privatrechtsvereinigungen ihren daraus resultierenden Wettbewerbsvorsprung zusätzlich vergrößern, indem sie ihre (dem Wettbewerb unterliegenden) wirtschaftlichen Aktivitäten durch (nicht dem Wettbewerb unterliegende, aber zumindest eine gewisse Ressourcenauslastung und Kostendeckung gewährleistende) „In-house“-Geschäfte (im weiteren Sinne) „quersubventionieren“.405 Das gefundene Ergebnis wird schließlich gestützt durch eine institutionelle Betrachtung des Phänomens „Wettbewerb“ innerhalb der marktwirtschaftlichen Ordnung: Deren Prämisse ist die grundsätzliche Offenheit der Märkte. Wenn sich der Staat als Anbieter von Leistungen Zutritt zu einem wettbewerblich organisierten Markt verschafft, muß er den Wettbewerb daher auch in seiner Eigenschaft als Nachfrager von Leistungen zulassen und den übrigen Marktteilnehmern insofern Marktzutritt gewähren (Gedanke der Reziprozität).406 Einige Autoren bestreiten die vergaberechtliche Relevanz der Wettbewerbsteilnahme mit der Begründung, zwischen der wirtschaftlichen Betätigung auf Drittmärkten und den Leistungsbeziehungen zu der (den) eigenen Trägerkörperschaft(en) bestehe kein sachlicher Zusammenhang.407 Dieser Einwand greift allenfalls dann, wenn man die Bedeutung der Wettbewerbsteilnahme auf eine Indizwirkung für das Vorliegen der Selbständigkeit des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber reduziert:408 Insofern erlaubt der Umstand der Wettbewerbsteilnahme in der Tat keine zwingenden Rückschlüsse, weil ein Tätigwerden für Dritte nicht notwendigerweise auf entsprechende Freiräume der publizistischen Privatrechtsvereinigung hinweist.409 Demgegenüber genügt es, daran zu erinnern, daß das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches ein eigenständiges (subjektiv405 Vgl. Eilmansberger, JBl 2001, 562 (567); Masing, ZfBR 2002, 450 (453), die diesem Problem im Ergebnis allerdings nur mit Instrumenten des allgemeinen Wettbewerbs- und Beihilferechts bzw. des Kommunalrechts begegnen möchten. 406 Eine vergleichbare Erwägung enthält die – von der Europäischen Kommission allerdings nicht übernommene – Abänderung 61 des Europäischen Parlaments zum Kommissionsvorschlag für eine Marktöffnungsverordnung im öffentlichen Personennahverkehr (dazu siehe unten Vierter Teil E. III. 3.), wonach ausschreibungsfreie Eigenleistungen der zuständigen Behörde oder ihrer eigenen Unternehmen (nur) insoweit zulässig sein sollen, wie diese sich nicht am Wettbewerb um gewerbliche Verkehrsleistungen beteiligen (ABl. 2002, C 140 E, S. 262, 274). Dazu vgl. Metz, in: Püttner (Hrsg.), Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 227 (238 f.); Muthesius, Der Nahverkehr 4 / 2001, 6 f. 407 Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 97. Vgl. auch Eilmansberger, JBl 2001, 562 (566 f.); Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (39); Masing, ZfBR 2002, 450 (452). 408 Eilmansberger, JBl 2001, 562 (566). Vgl. auch GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11053), Rn. 73 f.; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 161; Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 39. 409 Eilmansberger, JBl 2001, 562 (566 f.).
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teleologisches) Auslegungskriterium darstellt, welches das (objektiv-teleologische) Kriterium der funktionalen Personenidentität weder verifizieren noch falsifizieren kann. Zuzugeben ist freilich, daß sich die Wettbewerbsrelevanz auf den jeweiligen Leistungsaustausch beziehen muß: Unschädlich wäre insofern etwa die Wettbewerbsteilnahme eines Verwaltungsträgers „durch“ eine andere (öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche) Organisationseinheit als die zu beauftragende publizistische Privatrechtsvereinigung. Demzufolge ist der Tatbestand der Wettbewerbsteilnahme nicht auf den Auftraggeber zu beziehen, sondern muß in Person des Auftragnehmers erfüllt sein. In diesem Fall besteht eine Rückwirkung auf den Leistungsaustausch, weil die „In-house“-Beziehung bei funktionaler Betrachtung nicht mehr nur als Eigenleistung des öffentlichen Auftraggebers, sondern zugleich als Einkauf in demjenigen Markt, in dem die publizistische Privatrechtsvereinigung als werbendes Wirtschaftsunternehmen agiert, begriffen werden kann.410 Schwerer wiegt der Einwand, daß eine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand nicht notwendigerweise eine formelle Privatisierung voraussetzt, sondern auch in unselbständigen Verwaltungseinheiten (insbesondere Eigenbetrieben) ausgeübt werden kann, ohne daß der Anwendungsbereich des § 99 I GWB dadurch auf die internen Leistungsbeziehungen ausgedehnt wird.411 Ein gewisser Wertungswiderspruch ist in diesem Fall zwar nicht zu leugnen, darf aber nicht zu falschen Schlüssen verleiten: Zum einen dürfte eine wirtschaftliche Betätigung durch unselbständige Verwaltungseinheiten in der Praxis eine Ausnahmeerscheinung darstellen, da dies nicht deren originärer Funktion entspricht412 und die diesbezügliche Eignung der Organisationsformen des Regie- und Eigenbetriebs, insbesondere aufgrund ihrer engen Anbindung an den Verwaltungshaushalt, weit hinter derjenigen einer GmbH oder einer öffentlich-rechtlichen Anstalt zurücksteht. Vor diesem Hintergrund liegt es durchaus im Rahmen einer zulässigen Pauschalisierung, daß der europäische wie der deutsche Gesetzgeber diese Konstellation keiner Regelung zugeführt und somit vielleicht zweckwidrig privilegiert haben. Solange daraus nicht die Perplexität der Gesamtregelung folgt, besteht kein Anlaß, jene Privilegierung auf publizistische Privatrechtsvereinigungen auszuweiten. Zum anderen ist es auch methodisch nicht akzeptabel, die Auflösung eines Wertungswiderspruchs mit der Intensivierung einer Zweckverfehlung zu „erkaufen“. Im Gegenteil verlangt nicht zuletzt das gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsprinzip413, daß der zugrunde 410 Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 5; ders., in: Müller-Wrede (Hrsg.), VOL / A, § 10 VgV Rn. 3; ders., NZBau 2002, 311 (315). Vgl. auch die umgekehrte Argumentation bei Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 10; U. Jasper / Welling, Behörden Spiegel 2 / 2003, S. 27. 411 Vgl. Eilmansberger, JBl 2001, 562 (567); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (463); Masing, ZfBR 2002, 450 (453). Zur Einordnung der sog. „In-house-Geschäfte“ im engeren Sinne siehe oben Dritter Teil A. I. 2. 412 Vgl. Dreher, NZBau 2001, 360 (364); ders., NZBau 2002, 245 (252); Opitz, ZVgR 2000, 97 (105). 413 Dazu siehe nur EuGH, Urt. v. 06. 10. 1970 – Rs. 9 / 70 (Franz Grad / Finanzamt Traunstein), Slg. 1970, 825 (838), Rn. 5; Urt. v. 19. 11. 1991 – Rs. C-6 / 90 u. C-9 / 90 (Andrea
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liegende Konflikt zwischen objektiv- und subjektiv-teleologischen Auslegungskriterien zugunsten der letzteren – und damit zugunsten von Marktöffnung und Wettbewerb – entschieden wird. Es ist allein Sache des Gesetzgebers, den verbleibenden Wertungswiderspruch im Einklang mit den gesetzgeberischen Zwecken, d. h. ggf. durch eine Einbeziehung auch wettbewerbsrelevanter „In-house-Geschäfte“ im engeren Sinne, zu beseitigen. In diese Richtung deuten möglicherweise die Aktivitäten der Europäischen Kommission zur „Überprüfung der verschiedenen Modalitäten der Verwaltung lokaler Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten“ auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Vertrags und den Bestimmungen der EG-Vergaberichtlinien, die neben anderen „Verwaltungsformen“ auch die Erbringung von Dienstleistungen durch Regie- und Eigenbetriebe im Sinne des deutschen Kommunalrechts zum Gegenstand haben.414 Umgekehrt entfällt die Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches mit einer publizistischen Privatrechtsvereinigung nicht schon dadurch, daß sich deren Aufgaben- und Betätigungsfeld nicht von dem ihres öffentlichrechtlichen Vorgängers unterscheidet,415 wenn dieselben Ressourcen schon vor ihrer privatrechtlichen Verselbständigung im Rahmen einer wirtschaftlichen Betätigung eingesetzt wurden: Maßgeblich ist nicht ein Vergleich zwischen dem Zustand vor und nach der Privatisierung, sondern allein der Tatbestand einer aktuellen Wettbewerbsteilnahme. Insofern kann eine formelle Privatisierung im Einzelfall durchaus auch ohne die gleichzeitige Ausweitung des unternehmerischen Aktionsradius vergaberechtliche Ausschreibungspflichten mit sich bringen.
bb) Konkretisierung der Wettbewerbsteilnahme Der Begriff der Wettbewerbsteilnahme identifiziert zwar eine Fallgruppe der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches, ist aber seinerseits konkretisieFrancovich u. a. / Italien), Slg. 1991, I-5357 (5414), Rn. 32 f.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 559; ders. / Pieper, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 1, B. I Rn. 19; Oppermann, Europarecht, Rn. 686. 414 Vgl. die Anfrage der Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission an den Ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union vom 11. 07. 2002 (Markt / B / 2 AK D[2002] 544). 415 Zumindest mißverständlich insofern Müller-Wrede, in: ders., (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 39, der die Anwendbarkeit des Vergaberechts unter anderem mit einer wesentlichen Änderung des Betätigungsfelds des privatisierten Unternehmens begründet. Vgl. auch Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 4 f.; ders., in: Müller-Wrede (Hrsg.), VOL / A, § 10 VgV Rn. 3, der dieses Kriterium zwar für die Einordnung als „Eigenleistung“ bzw. „In-House-Geschäft“ heranzieht, diese aber ausdrücklich unter den Vorbehalt einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung am Markt stellt. Unklar Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (40), nach denen ein „kommunales Unternehmen [ . . . ] grundsätzlich nicht dem Vergaberegime [unterliegt], sofern [es] weiterhin kommunale Aufgaben wahrnimmt“.
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rungsbedürftig. Der EuGH nähert sich dem damit umschriebenen Sachverhalt unter umgekehrtem Vorzeichen, wenn er in seinen Ausführungen zur Rechtssache „Teckal / Viano“ die Nichtanwendung der LKR an die (zusätzliche) Voraussetzung knüpft, die zu beauftragende Person müsse „ihre Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichten, die ihre Anteile innehaben“416. Dieser Formulierung ist grundsätzlich zuzustimmen; allerdings enthält sie nicht nur hilfreiche Präzisierungen, sondern ruft zugleich neue Unklarheiten hervor. Die auftretenden Einzelprobleme lassen sich den folgenden drei Problemkomplexen zuordnen, die sowohl die Reichweite der Wettbewerbsteilnahme im Hinblick auf den Empfänger der erbrachten Leistungen und die Bestimmung des relevanten Marktes betreffen als auch die Frage, ob die Wettbewerbsteilnahme einen bestimmten Umfang erreichen muß und wie dieser ggf. zu ermitteln und kontrollieren ist. (1) Empfänger der erbrachten Leistungen Keinen Aufschluß gibt das „Teckal / Viano“-Urteil darüber, ob zu den „Tätigkeiten für die Gebietskörperschaft“ nur solche zählen, die der Eigenversorgung der Verwaltung dienen, oder auch solche, mit denen die publizistische Privatrechtsvereinigung eine der Gebietskörperschaft gegenüber ihren Bürgern obliegende Aufgabe erfüllt. B. Gallwas befürwortet die enge Auslegungsvariante und nimmt dabei in Kauf, daß sämtliche Leistungen der sog. Daseinsvorsorge ausgeklammert bleiben.417 Bei näherer Betrachtung gründen diese Überlegungen auf einer irreführenden Scheinalternative: Weil letztlich jedes Verwaltungshandeln auf den Bürger ausgerichtet ist und nicht nur einem Selbstzweck dient, kann es keinen Unterschied machen, wem gegenüber die Leistung gegenständlich erbracht wird. Dies gilt um so mehr, als der Leistungsadressat in vielen Fällen gar nicht eindeutig bestimmbar ist: Wenn z. B. ein kommunales Energieversorgungsunternehmen Strom an ein städtisches Schwimmbad liefert, handelt es sich formal betrachtet um die Eigenversorgung einer Verwaltungseinrichtung, obwohl die (in Licht, Wärme etc. umgesetzte) Leistung unmittelbar den Benutzern zugute kommt. Demgegenüber macht es nur einen graduellen Unterschied aus, wenn z. B. ein kommunales Verkehrsunternehmen auf Bestellung durch die Gebietskörperschaft Beförderungsleistungen an seine Fahrgäste erbringt.418 Die Grenze zwischen „Eigenversorgung“ und „Aufgabenerfüllung“ kann allenfalls zwischen primären und sekundären Verwaltungs416 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154 f.), Rn. 50. Ebenso BGH, DVBl. 2001, 1607 (1608). 417 B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (406 mit Fn. 41). 418 Vgl. M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41 (42), der insofern „auch dann, wenn ein wesentlicher oder überwiegender Kostendeckungsbeitrag durch Fahrkartenerlöse erzielt wird, von einer Tätigkeit für die Gebietskörperschaft“ ausgeht. Zur vergaberechtlichen Einordnung von Verkehrsverträgen im ÖPNV siehe unten Vierter Teil E. III.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
aufgaben gezogen werden;419 in beiden Fällen handelt es sich aber schon begrifflich um „Tätigkeiten für die Gebietskörperschaft“, bei denen sich die publizistische Privatrechtsvereinigung nicht in den Wettbewerb begibt. Zu weit geht es andererseits, wenn die kommunalen Spitzenverbände gewährleistet wissen wollen, daß „als Tätigkeit für die öffentliche Hand auch die den jeweiligen Einwohnern gegenüber erbrachten Leistungen gelten“ und das Ausschlußkriterium „nur im Falle von Leistungsbeziehungen zu [ . . . ] Nichtgemeindeeinwohnern zum Tragen kommen“ könne.420 Da zwischen Gebietskörperschaft (Staat) und ihren Einwohnern (Gesellschaft) alles andere als Personenidentität besteht, läßt sich eine solche Auslegung schon begrifflich schwer mit der Formulierung des EuGH in Einklang bringen. Teleologisch ist sie nicht zu begründen, weil der Wettbewerb nicht vor den Gemeindegrenzen haltmacht. Die von den kommunalen Spitzenverbänden vorgetragene Begründung, jede andere Auslegung konterkariere das Verständnis der Kommune als Selbstverwaltungskörperschaft, die aufgrund ihres Verfassungsauftrags zur Wahrnehmung aller Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft berechtigt sei, ist insofern mißverständlich, als Gegenstand der kommunalen Selbstverwaltung selbstverständlich nur staatliche Aufgaben, nicht aber bürgerliche Freiheiten sein können. Vor dem weiteren Hintergrund, daß eine wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets ohnehin unüblich, zumal nach herrschender Meinung grundsätzlich unzulässig ist421, erscheint die zitierte Auslegung letztlich als der durchsichtige Versuch, die Ausschlußklausel weitgehend leerlaufen zu lassen. Dieser Einwand trifft erst recht die noch weitergehende Auffassung von Jaeger, der – unter Berufung auf den „öffentlichen Zweck“ von Aufgaben der Daseinsvorsorge – im Ergebnis jede kommunalrechtlich zulässige wirtschaftliche Betätigung durch funktional personenidentische Privatrechtsvereinigungen dem Vergaberechtsregime enziehen will.422 Tatsächlich verläuft das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsteilnahme quer zu den genannten Kategorien: In den Wettbewerb begibt sich z. B. ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, soweit es private Haushalte (innerhalb oder außerhalb des Gemeindegebiets) mit Strom beliefert,423 nicht aber eine kommunale EntsorDazu siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) dd). Positionspapier des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Verbandes kommunaler Unternehmen zur Inhouse-Problematik, S. 4 (Anlage zum Schreiben des Deutschen Städtetages an seine Mitgliedstädte und Landesverbände v. 15. 05. 2001, Az. 73. 02. 60). 421 Ehlers, DVBl. 1998, 497 (504 f.); ders., NWVBl. 2000, 1 (5 ff.); Held, NWVBl. 2000, 201 (202); Jarass, DÖV 2002, 489 (497 f.); Schink, NVwZ 2002, 129 (135 f.); J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1258). A. A. Moraing, WiVerw 1998, 233 (244 ff.); Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 197 ff.; Wieland, in: Henneke (Hrsg.), Optimale Aufgabenerfüllung im Kreisgebiet?, S. 193 (196 ff.). Ausführlich zum Ganzen Ehlers, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 93 ff. 422 So jedenfalls für den kommunalrechtlich privilegierten Bereich der Energieversorgung Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (462 ff.). 419 420
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gungsgesellschaft beim Einsammeln von Abfällen aus privaten Haushalten (innerhalb des Gemeinde- bzw. Kreisgebiets); denn im ersten Fall betätigt die Gemeinde sich seit der Liberalisierung der Energiemärkte durch das EnWG vom 24. 04. 1998424 wirtschaftlich, während sie im zweiten Fall lediglich den Bedarf deckt, den sie zur Erfüllung ihrer Pflichtaufgabe als entsorgungspflichtige Körperschaft i. S. d. § 15 I KrW- / AbfG benötigt425. Bei der Analyse der Geschäftstätigkeit gemischt-öffentlicher Privatrechtsvereinigungen stellt sich als weiteres Problem, daß diese zwangsläufig Leistungen für mehrere öffentliche Auftraggeber erbringen: Bezieht man das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz streng auf den jeweils zu beurteilenden Leistungsaustausch, müßten die Leistungsbeziehungen zu anderen Anteilseignern als dem jeweiligen öffentlichen Auftraggeber bereits als Wettbewerbsteilnahme gewertet werden – mit der Folge, daß die Beauftragung gemischt-öffentlicher Privatrechtsvereinigungen praktisch ausnahmslos den Tatbestand des § 99 I GWB erfüllte. Eine solche Auslegung übersähe jedoch, daß jedenfalls diejenigen Anteilseigner, mit denen die Privatrechtsvereinigung funktional personenidentisch ist, bei wertender Betrachtung nicht als „Dritte“ anzusehen sind; folglich können auch die Leistungsbeziehungen zu ihnen schwerlich als Teilnahme am allgemeinen Wettbewerb gewertet werden. In Anbetracht der Tatsache, daß das Kriterium der funktionalen Personenidentität regelmäßig an das Vorliegen einer „gemeinsamen Beherrschung“ anknüpft,426 erschiene es auch widersprüchlich, die Tür zu einer teleologischen Reduktion zunächst durch die Zulassung einer kollektiven Zurechnung von Ingerenzbefugnissen zu öffnen, um sie sogleich wieder zu schließen, weil die Möglichkeit einer kollektiven Zurechnung von Leistungsbeziehungen ausgeschlossen wäre. Für diese Möglichkeit streiten daher dieselben Argumente, die schon das Kriterium der „gemeinsamen Beherrschung“ legitimiert haben.427 Diesen Zusammenhang hat offenbar 423 Vgl. Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Schreiben v. 13. 02. 2001 – Az. 32.2.-32 571 / 1 / 2 (zit. nach H.-M. Müller, NZBau 2001, 416, 420 Fn. 43). A. A. Heinbuch / Bohne, NVwZ 2004, 177 (178), mit dem weiteren – allerdings zutreffenden – Beispiel der Wasserversorgung der Gemeindebürger, soweit diese nach dem jeweiligen Landesrecht als kommunale Pflichtaufgabe ausgestaltet ist. 424 Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) v. 24. 04. 1998, BGBl. 1998 I, S. 730. 425 Vgl. in bezug auf die Drittbeauftragung gem. § 16 I KrW- / AbfG OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 343, 345. Problematisch erscheint indes die gegenteilige Beurteilung der sog. Pflichtenübertragung gem. § 16 II KrW- / AbfG dahingehend, daß das Entsorgungsunternehmen insoweit nicht mehr für die öffentliche Hand, sondern in Erfüllung eigener Aufgaben für seine privaten Kunden tätig werde und damit seine „In-house-Fähigkeit“ verliere. Abgesehen von dem nicht zweifelsfreien Verständnis der Rechtsnatur des § 16 II KrW- / AbfG (dazu siehe unten Vierter Teil E. I. 1.) verwundert dieses Ergebnis jedenfalls insofern, als das Entsorgungsunternehmen hierbei gerade nicht in Wettbewerb zu anderen Unternehmen tritt und damit der – auch vom OLG Düsseldorf zugrundegelegte (vgl. oben Dritter Teil A. IV. 4. a) aa), Fn. 404) – teleologische Grund für eine Einschränkung des „In-house-Privilegs“ entfällt. 426 Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) cc) (2) (d). 427 Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) cc) (2) (a).
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auch der EuGH erkannt, wenn er die beteiligten Gebietskörperschaften im Plural anspricht und eine „Tätigkeit [ . . . ] für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften [ . . . ], die ihre Anteile innehaben,“ verlangt (Hervorhebung des Verfassers).428 Nach der angeführten Begründung wäre es konsequent, diese Ausnahme auf die mit der Privatrechtsvereinigung funktional personenidentischen Anteilseigner zu beschränken, d. h. auf die Partner einer „gemeinsamen Beherrschung“.429 Allerdings ginge eine solche Auslegung mit dem weiteren Wertungswiderspruch einher, daß eine gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigung, die von einer einzigen Gebietskörperschaft kraft absoluter Anteilsmehrheit „positiv beherrscht“ wird, die Wettbewerbsrelevanz ihres Leistungsaustausches niemals widerlegen könnte, weil das Kriterium der funktionalen Personenidentität gegenüber dem (den) Minderheitsgesellschafter(n) nicht erfüllt ist. Im Ergebnis wird man daher sämtliche Leistungsbeziehungen zu den eigenen Anteilseignern – unabhängig vom Vorliegen einer funktionalen Personenidentität – nicht als Wettbewerbsteilnahme ansehen können.430 Obwohl die Aufträge von Gebietskörperschaften, die lediglich über eine „einfache“ Minderheitsbeteiligung verfügen, grundsätzlich im (Ausschreibungs-)Wettbewerb bedient werden müssen, läßt sich dieses Ergebnis auch teleologisch vertreten, weil die Leistungsbeziehungen zwischen gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen und ihren Trägerkörperschaften nicht als wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand einzustufen sind und damit prinzipiell unterhalb der Schwelle eines Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit privater Wirtschaftsteilnehmer bleiben. Die gleichen Überlegungen gelten schließlich für die Rechtsverhältnisse in publizistischen Konzernen: Auch dort sind die Leistungsbeziehungen zu anderen Konzerngesellschaften nicht als Teilnahme am allgemeinen Wettbewerb anzusehen.431 (2) Bestimmung des relevanten Marktes Während die bisherigen Erörterungen eher den Aspekt der „Teilnahme“ am Wettbewerb betrafen, ist auch der Begriff des „Wettbewerbs“ insofern mehrdeutig, 428 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154 f.), Rn. 50. Ebenso BGH, DVBl. 2001, 1607 (1608); Krohn, VergabeR 2003, 403 (412). 429 In diesem Sinne ist wohl die Europäische Kommission zu verstehen, wenn sie im 24. Erwägungsgrund ihres aktuellen Vorschlags für eine Marktöffnungsverordnung im öffentlichen Personenverkehr von einer „Tätigkeit im wesentlichen für die Kontrollbehörden“ spricht (Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschiffahrtswegen v. 21. 02. 20002, KOM [2002] 107 endg, 2000 / 0212 [COD]). 430 Vgl. Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 11. 431 A. A. ohne nähere Begründung Ziekow, NZBau 2004, 181 (187).
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als er sich sowohl auf eine Tätigkeit unter wettbewerblichen Bedingungen als auch auf eine Tätigkeit in einem bestimmten Markt beziehen kann: Wenn die Wettbewerbsteilnahme der publizistischen Privatrechtsvereinigung in räumlicher oder sachlicher Hinsicht einem anderen Markt zuzuordnen ist als ihr Leistungsaustausch mit der Trägerkörperschaft, ist dessen Wettbewerbsrelevanz möglicherweise auch ein Problem der Marktabgrenzung: Gem. § 101 V 1 GWB verpflichtet die Subsumtion eines Auftrags unter § 99 I GWB den öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich zu einer europaweiten Ausschreibung.432 Fraglich ist, ob diese Rechtsfolge auch dann angemessen ist, wenn die Einordnung als öffentlicher Auftrag allein auf einer wirtschaftlichen Betätigung der publizistischen Privatrechtsvereinigung beruht, die ausschließlich im Inland und gegenüber inländischen Auftraggebern erfolgt. Auf den ersten Blick erscheint es nämlich widersprüchlich, daß schon die Wettbewerbsteilnahme auf dem Inlandsmarkt zur Eröffnung eines gemeinschaftsweiten Marktes für „In-house-Geschäfte“ (im weiteren Sinne) führen soll. Infolgedessen könnte man an eine teleologische Reduktion der genannten Bestimmungen denken, die den räumlichen Umfang der Ausschreibungspflicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Eine derartige Auslegung wäre mit den EG-Vergaberichtlinien allerdings nur vereinbar, wenn die Wettbewerbsteilnahme der publizistischen Privatrechtsvereinigung jeglichen Bezugs zum europäischen Binnenmarkt entbehrte. Zumindest potentiell besteht ein solcher auch ohne eine Grenzüberschreitung der Leistung bzw. ihres Erbringers, weil der nationale Nachfragemarkt gemäß den Grundfreiheiten des EG-Vertrags Anbietern aus allen Mitgliedstaaten offensteht und somit zugleich als europäischer Angebotsmarkt zu begreifen ist. Insofern schützen die EG-Vergaberichtlinien neben dem aktuellen auch den potentiellen grenzüberschreitenden Wettbewerb.433 Bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung kann daher schon die Behauptung einer räumlichen Marktdivergenz nicht aufrechterhalten werden. Nicht zu widerlegen ist hingegen das Bestehen einer sachlichen Divergenz, wenn die publizistische Privatrechtsvereinigung sich in Märkten bzw. Marktsegmenten betätigt, die von dem Auftrag der Trägerkörperschaft nicht betroffen sind. Gegen die Berücksichtigung dieses Einwands spricht indessen schon die Tatsache, daß er ein eher theoretisches Szenario beschreibt, welches der wirtschaftlichen Realität öffentlicher Unternehmen nicht entspricht.434 Sollte es im Einzelfall den-
432 Gem. § 97 VI GWB i. V. m. § 4 I VgV i. V. m. § 17a Nr. 1 VOL / A, § 5 VgV i. V. m. § 9 III VOF bzw. § 6 VgV i. V. m. § 17a Nr. 2 VOB / A ist im Rahmen des offenen Verfahrens die Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der EG zu veröffentlichen. 433 Engel, Gemischtwirtschaftliche Abfallentsorgung, S. 21 f. mit Fn. 43 (mit ergänzendem Hinweis auf Wortlaut und Erwägungsgründe der DKR). 434 So würde sich z. B. eine Entsorgungsgesellschaft nicht in der Energieversorgung, ein Straßenbaubetrieb nicht in der Telekommunikation engagieren usw. Dagegen spricht neben organisatorischen Hindernissen vor allem die wirtschaftliche Erwägung, daß eine „aufgabenfremde“ Wettbewerbsteilnahme nicht zur Erzielung von Synergieeffekten mit der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben geeignet wäre.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
noch eintreten, läßt sich der öffentliche Auftrag zwar nicht mehr funktional als Einkauf am Markt interpretieren. Im übrigen gelten die für die Begründung der Wettbewerbsrelevanz vorgetragenen Argumente jedoch fort; dies betrifft namentlich den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit, den potentiellen Wettbewerbsvorteil durch „Quersubventionierung“ sowie die reziproke Gewährung des Marktzutrittsrechts.435 Insgesamt lassen sich die Erkenntnisse zu den erörterten Fallkonstellationen dahingehend verallgemeinern, daß auf eine Bestimmung des räumlich und sachlich relevanten Bezugsmarktes der Wettbewerbsteilnahme zugunsten eines institutionellen Wettbewerbsverständnisses verzichtet werden kann. (3) Umfang der Wettbewerbsteilnahme Von ungleich größerer Bedeutung ist die Frage, ob die Wettbewerbsteilnahme einen gewissen Umfang voraussetzt, um die Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches zu begründen. Wäre man der Ansicht, daß jede auch noch so geringfügige wirtschaftliche Betätigung zur Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts führt, müßte die publizistische Privatrechtsvereinigung ausschließlich für ihre Trägerkörperschaf(en) tätig sein, um einem Ausschreibungswettbewerb zu entgehen.436 Der EuGH scheint einer großzügigeren Sichtweise zuzuneigen, wenn er verlangt, daß die Privatrechtsvereinigung „ihre Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet [ . . . ]“ (Hervorhebung des Verfassers).437 Wenngleich diese Formulierung eine wichtige Hilfestellung geben kann, ist doch zu bedauern, daß sich die wissenschaftliche Rezeption des Problems bisher weitgehend auf die grammatisch-hermeneutische „Auslegung“ dieser Judikatur beschränkt, statt ihre Begründung und Konkretisierung in der teleologischen Auslegung der zugrundeliegenden Normen zu suchen. Mit keinem der beiden Ansätze ist indessen zu vereinbaren, daß die kommunalen Spitzenverbände das „Wesentlichkeitsmerkmal“ bereits dann als erfüllt ansehen, „wenn das betroffene Unternehmen mindestens mehr als die Hälfte für die beteiligte(n) Kommune(n) [ . . . ] tätig ist“.438 Hätte der EuGH dies ausdrücken wollen, hätte er Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 4. a) aa). In diesem Sinne Bundesregierung, Antwort auf die Große Anfrage der Abgeordneten Kossendey, Breuer, Adam u. a. zur Rationalisierung und Privatisierung der Bundeswehr v. 28. 11. 2000, BT-Drs. 14 / 4799, S. 11; Byok, NJW 2001, 2297 (2299); Holoubek, ÖGZ 12 / 2000, 22, S. 10 f.; Opitz, ZVgR 2000, 97 (105); Portz, BWGZ 6 / 2000, 191 (196); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 111 (weiter hingegen ders., a. a. O., S. 112). 437 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154 f.), Rn. 50. Ebenso BGH, DVBl. 2001, 1607 (1608). 438 Positionspapier des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Verbandes kommunaler Unternehmen zur Inhouse-Problematik, S. 5 (Anlage zum Schreiben des Deutschen Städtetages an seine Mitgliedstädte und Landesverbände v. 15. 05. 2001 – Az. 73. 02. 60). Zu Recht a.A. VK Südbayern, Beschl. v. 23. 10. 2001 – 32 – 09 / 01 (zit. nach Weyand, ZfBR 2002, 395, 397). 435 436
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB
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den aus den Vorschriften zum personellen Anwendungsbereich der EG-Vergaberichtlinien bekannten439 und von ihm selbst in dem genannten Sinne ausgelegten440 Begriff „überwiegend“ benutzt. Zu Recht schließt Dreher aus dieser Gegenüberstellung in Verbindung mit der Tatsache, daß das Kriterium „im wesentlichen“ zur Begründung eines (impliziten) Ausnahmetatbestands dient, auf eine enge Auslegung desselben; folglich müsse die Leistungstätigkeit „nahezu ausschließlich“ auf den öffentlichen Auftraggeber gerichtet sein.441 Diese systematische Argumentation deckt sich mit dem teleologischen Befund: Da der Tatbestand der Wettbewerbsteilnahme als solcher nicht von quantitativen Kriterien abhängt, kann es allenfalls um die Begründung einer Bagatellausnahme gehen. Hiernach muß die wirtschaftliche Betätigung der publizistischen Privatrechtsvereinigung im Verhältnis zu ihrer gesamten Tätigkeit eine so untergeordnete Stellung einnehmen, daß ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb zu vernachlässigen sind.442 Diese Ausnahme beruht auf dem auch im kommunalen Wirtschaftsrecht anerkannten443 Gedanken einer „Annexkompetenz“: Sofern die Existenzberechtigung der Privatrechtsvereinigung allein auf dem Leistungsaustausch mit der (den) Trägerkörperschaft(en) beruht,444 ist ihr die Aufnahme einer wirtschaftlichen 439 Art. 1 lit. b DKR, LKR und BKR fordern übereinstimmend, daß eine Einrichtung des öffentlichen Rechts „überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert“ werden muß (Hervorhebung des Verfassers). Vgl. auch § 98 Nr. 2 GWB (dazu siehe oben Erster Teil A. III.). 440 EuGH, Urt. v. 03. 10. 2000 – Rs. C-380 / 98 (The Queen / H. M. Treasury), Slg. 2000, I-8035 (8073 ff.), Rn. 29 ff., 33 („im Sinne von zu mehr als der Hälfte auszulegen“). 441 Dreher, NZBau 2001, 360 (363 f.). Zustimmend Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (464 f.), der die Quote „unschädlicher“ Fremdleistungen allerdings willkürlich mit 10 % beziffert. Offener Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 5c, der die Grenze bei 10 – 20 % zieht. Ähnlich Dreher, in: Oldiges (Hrsg.), Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 33 (40); ders., NZBau 2002, 245 (253); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 161 („praktischer Alleinvertrieb“); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 12 („nur in Ausnahmefällen“). Unklar OLG Brandenburg, NZBau 2003, 229 (231) („weit überwiegend“); OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 343 (345), das auf einen „nicht ganz unerheblichen Umfang“ des Drittgeschäfts abstellt, welchen es jedenfalls bei einem Umsatzanteil von mehr als 30 % überschritten sieht. A. A. wohl Eilmansberger, JBl 2001, 562 (566), der „im wesentlichen“ für einen „elastischen Begriff“ hält. 442 Vgl. GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11054), Rn. 81; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (238); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 161; Müller-Wrede, in: ders. (Hrsg.), VOF, 1. Aufl., Einleitung Rn. 39. 443 Nach ganz h. M. ist eine gewinnorientierte Wirtschaftstätigkeit nur zulässig, soweit sie lediglich annexweise zur Nutzung sonst brachliegenden Wirtschaftspotentials vorgenommen wird (BVerwGE 82, 29, 34; Ehlers, DVBl. 1998, 497, 500 f.; ders., Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 74; Moraing, WiVerw 1998, 233, 253; Pünder, DVBl. 1997, 1353, 1357 f.; Schink, NVwZ 2002, 129, 134 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 227 ff.; vgl. BVerfGE 61, 82, 107 f.). Weitergehend Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 168 ff.; aus verfassungsrechtlicher Perspektive auch Cremer, DÖV 2003, 921 (922).
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
Betätigung in dem Maße zuzugestehen, wie dies – z. B. durch die Auslastung überschüssiger Kapazitäten – lediglich zu einer effizienteren Wahrnehmung jener Aufgabenstellung beiträgt (und nicht etwa umgekehrt die „In-house-Geschäfte“ zur „Quersubventionierung“ der Wettbewerbsteilnahme dienen). Damit stellt sich die Frage nach den Kriterien, anhand derer sich das Maß an vergaberechtlich unschädlicher Wettbewerbsteilnahme respektive die „Wesentlichkeitsschwelle“ konkretisieren läßt. Eine breite Strömung im Schrifttum plädiert insofern für eine Orientierung an § 10 I VgV.445 Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 I SKR a. F. (= Art. 23 III SKR n. F.) und bestimmt in Konkretisierung des sog. Konzernprivilegs gem. § 100 II lit. i GWB446, daß die vergaberechtlichen Vorschriften (hier: § 7 VgV i. V. m. dem 3. bzw. 4. Abschnitt der VOL / A) nicht für Dienstleistungsaufträge gelten, die ein Sektorenauftraggeber an ein mit ihm verbundenes Unternehmen vergibt, sofern mindestens 80 % des von diesem Unternehmen erzielten Umsatzes im Dienstleistungssektor aus der Erbringung von Dienstleistungen für die mit ihm verbundenen Unternehmen stammen. Danach blieben „Inhouse-Geschäfte“ (im weiteren Sinne) ausschreibungsfrei, solange der Anteil des Fremdgeschäfts am Gesamtumsatz der publizistischen Privatrechtsvereinigung nicht mehr als 20 % beträgt. Richtig ist, daß dieser Regelung letztlich dieselben Erwägungen wie der oben begründeten Bagatellausnahme zugrundeliegen, so daß § 10 I VgV durchaus als spezielle gesetzliche Ausprägung des allgemeinen Kriteriums der Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsteilnahme verstanden werden kann.447 Wegen der insoweit vergleichbaren Interessenlage könnte man an eine analoge Anwendung des § 10 I VgV denken. Indessen vermag auch die Methode 444 Vgl. die parallele Wertung zu § 13 I SKR a. F. bei Arrowsmith, The Law of Public and Utilities Procurement, S. 438; Faber, DVBl. 2001, 248 (255); Ortlieb, WuW 2003, 146 (151). 445 DStGB Dokumentation No. 18, Stadt und Gemeinde 6 / 2001, Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“, S. 18; Endler, NZBau 2002, 125 (132); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 60; Faber, DVBl. 2001, 248 (254 f.); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (238); Höfler, NZBau 2003, 431 (432); U. Jasper / Welling, Behörden Spiegel 2 / 2003, S. 27; U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (621); Jennert, ZKF 2001, 248 (250); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053); Marx, in: Müller-Wrede (Hrsg.), VOL / A, § 10 VgV Rn. 3; ders., NZBau 2002, 311 (315); H.-M. Müller, NZBau 2001, 416 (420 Fn. 43); Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 167. Einschränkend Reidt, ZfBR 2003, 602 (604). Offengelassen von OLG Brandenburg, ZfBR 2003, 620 (621); OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 (229). A. A. Dreher, NZBau 2001, 360 (364); ders., NZBau 2002, 245 (253); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (464); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 12. 446 Dazu siehe bereits oben Dritter Teil A. II. 1. b) bb). 447 Vgl. 32. Erwägungsgrund der SKR a. F., der darauf abstellt, daß die „Haupttätigkeit [des verbundenen Unternehmens] im Dienstleistungssektor nicht darin besteht, seine Dienstleistungen auf dem Markt anzubieten [ . . . ]“. Vgl. auch Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 22; Marx, NZBau 2002, 311 (314 f.); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 111.
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB
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der Analogie nur eine bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts vorgesehene Rechtsfolge auf einen anderen, vergleichbaren Sachverhalt zu übertragen, nicht aber eine selbst in der Bezugsnorm nicht vorgesehene Rechtsfolge neu zu begründen: Weil § 10 I VgV systematisch einen Ausnahmetatbestand darstellt, der das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags logisch voraussetzt, würde seine Implikation in § 99 I GWB streng genommen sogar die Grenzen der Analogie sprengen.448 Ferner ist zu beachten, daß der Ausnahmekatalog des § 100 II GWB nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers abschließend formuliert ist.449 Da § 10 I VgV nur über § 100 II lit. i GWB (i. V. m. § 127 Nr. 3 GWB) Geltung erlangt, spricht die dort sowohl in personeller als auch gegenständlicher Hinsicht vorgenommene Begrenzung (auf Sektorenauftraggeber einerseits und Dienstleistungsaufträge andererseits) bereits gegen die Planwidrigkeit der Regelungslücke.450 Die mangelnde Analogiefähigkeit des § 10 I VgV schließt indes nicht aus, das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen als Indiz gegen die Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches zu werten.451 Klarstellungsbedarf besteht jedoch hinsichtlich des maßgeblichen Beurteilungszeitraums. Die Tatsache, daß § 10 I VgV grundsätzlich auf die letzten drei Jahre abstellt, scheint eine vergangenheitsorientierte Betrachtung nahezulegen. In teleologischer Hinsicht ist dies insofern unzutreffend, zumindest aber mißverständlich, als es bei der Beurteilung der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches (mit dem öffentlichen Auftraggeber) selbstverständlich nur auf den Zeitraum ankommen kann, in dem dieser stattfindet. Maßgeblich ist somit eine zukunftsorientierte Betrachtung über die gesamte Laufzeit des Leistungsvertrags, welche sich regel448 Insofern könnte eine analoge Anwendung des § 10 I VgV (i. V. m. §§ 100 II lit. i, 127 Nr. 3 GWB) allenfalls bei der Prüfung des Vorliegens eines expliziten Ausnahmetatbestands erwogen werden (dazu siehe unten Dritter Teil B. II.). 449 Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 15. Ebenso OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 398 (400); Bechtold, Kartellgesetz, § 100 Rn. 7; Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 39; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 5, 12; ders., DB 1998, 2579 (2587); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 24; Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 404; Jaeger, NZBau 2001, 6 (9); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 100 GWB Rn. 5; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 100 Rn. 12. Vgl. für die entsprechenden Regelungen der EG-Vergaberichtlinien EuGH, Urt. v. 17. 11. 1993 – Rs. C-71 / 92 (Kommission / Spanien), Slg. 1993, I-5923 (5982), Rn. 10; Urt. v. 03. 05. 1994 – Rs. C-328 / 92 (Kommission / Spanien), Slg. 1994, I-1569 (1588), Rn. 12. 450 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 22, der zutreffend bemerkt, daß die Ausweitung des Freistellungsbereichs aufgrund des eindeutigen Wortlauts und des Ausnahmecharakters der Regelung „nur eine Frage de lege ferenda“ sei; Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (464). A. A. U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (621), im Anschluß an Marx, NZBau 2002, 311 (315), der die Regel als Ausnahme für nicht verständlich hält. 451 In diesem Sinne auch Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 60; O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 226.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
mäßig über mehrere Jahre (z. B. bei umfangreichen Bauvorhaben) oder sogar Jahrzehnte (z. B. bei langfristigen Stromlieferungs- oder Entsorgungsverträgen) erstreckt. Daraus ergibt sich ein Prognoseproblem, welches § 10 I VgV nur für neu gegründete Unternehmen beantwortet, die noch keine drei Jahre bestehen: in diesem Fall soll die Ausnahme nur greifen, wenn „zu erwarten“ ist, daß in den ersten drei Jahren des Bestehens mindestens 80 % erreicht werden. Abgesehen davon, daß dieser Zeitraum bei Verträgen mit längerer Laufzeit zu kurz greift,452 ist eine solche Erwartung schon aus Gründen der Rechtssicherheit nur berechtigt, wenn der Gesellschaftszweck im wesentlichen in der Erbringung von „In-house“-Leistungen (im weiteren Sinne) besteht und der Umfang einer möglichen Wettbewerbsteilnahme bereits im Gesellschaftsvertrag auf höchstens 20 % des Gesamtumsatzes beschränkt ist. Ansonsten wäre es eine bloße Frage des Zufalls, zu welchem Zeitpunkt welcher Anteil der Leistungen auf die Trägerkörperschaft(en) und auf den allgemeinen Markt entfällt.453 Die Forderung nach einer satzungsmäßigen Beschränkung gilt konsequenterweise auch für Privatrechtsvereinigungen, die seit drei oder mehr Jahren bestehen; der Rückblick auf die vergangenen drei Jahre kann insofern nur ein Indiz dafür liefern, daß die Gesellschaft ihre satzungsmäßigen Verpflichtungen auch tatsächlich einhält, bildet aber allein keine ausreichende Prognosebasis.
b) Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsausschaltung? Wettbewerbsrelevanz könnte zudem vorliegen, wenn die Beauftragung einer publizistischen Privatrechtsvereinigung zur „Ausschaltung“ eines bereits bestehenden Wettbewerbs um die zu erbringenden Leistungen führt. In diesem Sinne lassen sich die Ausführungen von Kulartz verstehen, der eine vergaberechtliche Privilegierung von „In-house-Geschäften“ (im weiteren Sinne) nur dann für berechtigt hält, „wenn sich die Gesellschaft ausschließlich in einem bisher von der Kommune selbst zuständigkeitshalber wahrgenommenen Aufgabenbereich betätigt“. Wenn sie hingegen (auch) Aufgaben übernehmen soll, die bisher im Wettbewerb von Privaten erbracht worden sind, empfehle es sich, zumindest die neu hinzukommenden Leistungen dem Wettbewerb zu unterwerfen und mithin auszuschreiben.454 Offen 452 Das gilt erst recht für den von Kemper (in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 135) zu § 4 VII VgV a. F. vorgeschlagenen Zeitraum von einem Jahr. 453 Vgl. Dreher, NZBau 2001, 360 (364); Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 4. Für eine satzungsmäßige Beschränkung auch O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 227; Portz, BWGZ 2000, 191 (197); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 111 f. Unklar Kulartz / Portz, VOL und VOF, Einf., S. 9, die lediglich die Ausrichtung auf einen öffentlichen Zweck fordern. 454 Kulartz, VergabeR 2 / 1998, 25 (29); ders. / Niebuhr, NZBau 2000, 5 (8). Vgl. (in bezug auf die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen) Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 43. Ausdrücklich a.A. Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (40).
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bleibt, ob damit nur solche Leistungen gemeint sind, die in der Vergangenheit noch nie in staatlicher Eigenregie, sondern stets und ausschließlich von privaten Unternehmen erbracht worden sind, oder auch solche Leistungen, die der Verwaltungsträger ursprünglich selbst erbracht und nur zuletzt – für einen gewissen Zeitraum – am Markt eingekauft hat. Die erste Variante beschreibt eine originäre Kompetenzverschiebung von der Gesellschaft auf den Staat und damit eine „echte Verstaatlichung“ öffentlicher Aufgaben. Weil sich die Realität in einem chronisch unterfinanzierten Staatswesen jedoch zunehmend in gegenteiliger Richtung entwickelt, dürfte es sich hierbei um ein eher theoretisches Problem handeln. Am ehesten könnte ein „Hinzukommen neuer Leistungen“ noch aus der Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung resultieren, deren vergaberechtliche Implikationen schon durch das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsteilnahme hinreichend berücksichtigt sind. Realistischer erscheint das Szenario der zweiten Variante, die lediglich eine graduelle „Rückverstaatlichung“ durch Rückführung einer funktionalen in eine formelle Privatisierung beinhaltet. Auch in diesem Fall hätte die Beauftragung der publizistischen Privatrechtsvereinigung zur Folge, daß ein in der Vergangenheit bestehender Wettbewerb durch die Nichtwiederholung einer öffentlichen Ausschreibung in Zukunft unterbunden würde. Die „Wettbewerbsrelevanz“ dieses Sachverhalts läßt sich in vergaberechtlicher Hinsicht nur richtig einschätzen, wenn man sich die grundlegenden Unterschiede zu dem vorangehend erörterten Phänomen der Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsteilnahme vor Augen führt: Während dort der Leistungsaustausch mit der (den) Trägerkörperschaft(en) durch die Verbindung mit wirtschaftlichen Tätigkeiten zu Rückwirkungen auf den aktuellen Wettbewerb führt, die auch das „In-house-Geschäft“ (im weiteren Sinne) funktional als Einkauf am Markt erscheinen lassen,455 besteht hier gar kein Wettbewerb mehr, auf den der Leistungsaustausch in irgendeiner Weise rückwirken könnte. Insofern ist es schon logisch nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Wettbewerbsrelevanz des aktuellen Leistungsaustausches danach beurteilen sollte, ob die betreffenden Leistungen in der Vergangenheit im Wettbewerb erbracht wurden oder nicht. Dagegen läßt sich nicht einwenden, das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz müsse erst recht bejaht werden, wenn der Leistungsaustausch nicht nur mit einem Eingriff in den Wettbewerb verbunden ist, sondern sogar die völlige Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs bewirkt. Denn vergaberechtlich liegt hierin lediglich die notwendige Konsequenz der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, seinen Bedarf nicht (mehr) durch Auftragsvergabe nach außen, sondern (wieder) mit eigenen Mitteln zu decken, die nach allgemeiner Meinung weder Regelungsgegenstand der EG-Vergaberichtlinien noch des deutschen Kartellvergaberechts ist.456 Weil die Neutralität des Vergaberechts bezüglich des „Ob“ der Beschaffung die MögSiehe oben Dritter Teil A. IV. 4. a) aa). Siehe oben Dritter Teil A. I. 2. mit Fn. 52. Kämper / Heßhaus (Der Städtetag 5 / 2000, 36, 40) gewähren dem Verwaltungsträger insofern ein „Recht auf Spontaneität“. 455 456
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
lichkeit einschließt, daß diese Entscheidung zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich ausfallen kann, ist eine ein- oder mehrmals erfolgte Ausschreibung nicht geeignet, ein rechtlich geschütztes Vertrauen der Wettbewerbsteilnehmer in die Fortsetzung des dadurch eröffneten Wettbewerbs zu begründen. Unter der Bedingung der funktionalen Personenidentität – und jenseits der Grenze der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches durch Wettbewerbsteilnahme – gilt diese Wertung nicht nur für die Eigenleistungen unselbständiger Verwaltungseinheiten, sondern in gleicher Weise für die Beauftragung verwaltungseigener und gemischtöffentlicher Privatrechtsvereinigungen. Mithin begründet die bloße „Ausschaltung“ eines zuvor bestehenden Wettbewerbs nicht die Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches.
V. Zusammenfassung und Ausblick Die Leistungsbeziehungen zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einer in seinem (Mit-)Eigentum stehenden, rechtlich selbständigen publizistischen Privatrechtsvereinigung erfüllen grundsätzlich den Tatbestand eines öffentlichen Auftrags im Sinne der Legaldefinition des § 99 I GWB. Dieses durch den Wortlaut der Norm indizierte Ergebnis wird durch die Erkenntnisse der systematischen Auslegung bestätigt und durch die Ergebnisse der historisch-genetischen Auslegung jedenfalls nicht widerlegt. Indessen gibt die ratio legis des Kartellvergaberechts Anlaß zu einer teleologischen Reduktion, wenn das zu beauftragende Rechtssubjekt mit dem Auftraggeber funktional personenidentisch und der zu bewirkende Leistungsaustausch nicht wettbewerbsrelevant ist. Das Kriterium der funktionalen Personenidentität verlangt, daß die gesellschaftsrechtlichen Ingerenzbefugnisse des Auftraggebers gegenüber der publizistischen Privatrechtsvereinigung mit den öffentlich-rechtlichen Aufsichtsbefugnissen gegenüber einer unselbständigen Verwaltungseinheit vergleichbar sind. Verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen sind mit ihrem Alleingesellschafter bereits dann funktional personenidentisch, wenn sie als GmbH oder GmbH & Co. KG organisiert sind oder als AG, die durch einen Beherrschungsvertrag konzernrechtlich mit dem Auftraggeber verbunden ist. Gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen sind mit ihrem Auftraggeber-Gesellschafter funktional personenidentisch, wenn dieser sie aufgrund einer eigenen absoluten Kapital- (bzw. Stimmrechts-)Mehrheit „positiv beherrscht“ oder aufgrund einer qualifizierten Sperrminorität lediglich negativ, aber zugleich aufgrund eines Stimmbindungsvertrags mit einem oder mehreren Mitgesellschaftern „gemeinsam beherrscht“. Unter diesen Voraussetzungen kann man die betreffenden Leistungsbeziehungen als „In-house-Geschäfte“ (im weiteren Sinne) bezeichnen. An ihrer Subsumtion unter § 99 I GWB ändert sich nichts, soweit sie zugleich das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches erfüllen. Dieses führt zum Ausschluß einer teleologischen Reduktion, wenn die publizistische Privatrechtsvereinigung über ein zu vernachlässigendes Maß hinaus am allgemeinen
A. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB
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wirtschaftlichen Wettbewerb teilnimmt. Jenes Maß ist regelmäßig überschritten, wenn die publizistische Privatrechtsvereinigung während der Dauer des Leistungsaustausches zu mehr als 20 % für andere Auftraggeber als ihre eigenen Anteilseigner (oder mit diesen funktional personenidentische Rechtspersonen) tätig wird. Steht die Vergabe eines längerfristigen Auftrags an, ist insofern eine Prognose auf der Basis des nach dem Gesellschaftsvertrag zulässigen Fremdgeschäftsumfangs anzustellen. Nur wenn diese Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des § 99 I GWB kumulativ gegeben sind, findet das Kartellvergaberecht auf die Beauftragung einer publizistischen Privatrechtsvereinigung keine Anwendung. In ihrem geänderten Richtlinienvorschlag vom 06. 05. 2002457 hatte die Europäische Kommission auf Anregung des Europäischen Parlaments vorgeschlagen, für diese Fallgruppe einen expliziten Ausnahmetatbestand zu schaffen: Die in Art. 19a Nr. 1 des Vorschlags übernommene Abänderung 40 des Parlaments sah vor, daß „diese Richtlinie [ . . . ] nicht für öffentliche Aufträge [gilt], die ein Auftraggeber an eine von ihm rechtlich getrennte Stelle vergibt, deren Anteile allein dieser Auftraggeber besitzt, sofern diese Stelle gegenüber dem Auftraggeber nicht autonom entscheiden kann, weil dieser über sie eine Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen, [und] diese Stelle ihre Tätigkeit nur für den Auftraggeber verrichtet, der ihre Anteile innehat“ (Hervorhebungen des Verfassers). Obwohl diese Formulierung ersichtlich die Kriterien der „Teckal / Viano“-Entscheidung des EuGH458 aufgreift, stellt sie wesentlich strengere Voraussetzungen auf: Zum einen verlangt sie, daß der Auftraggeber sämtliche Anteile der zu beauftragenden Stelle besitzt, und schließt damit eine Privilegierung der Leistungsbeziehungen zu gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen kategorisch aus. Zum anderen setzt sie voraus, daß die betreffende Stelle ihre Tätigkeit nicht nur „im wesentlichen“, sondern ausschließlich für diesen Auftraggeber verrichtet.459 Allerdings hatte die Kommission zugleich auf die Notwendigkeit hingewiesen, diese Abänderung umzuformulieren, „damit sie allen Aspekten des Urteils genau gerecht wird [und] diese auf den Fall eines Zusammenschlusses von Auftraggebern ausdehnt“. Auffällig ist überdies, daß die Kommission offenbar beabsichtigte, das „In-house-Privileg“ in jedem Fall, auch wenn die beauftragte Stelle ihrerseits ausnahmsweise nicht unter den Auftraggeberbegriff der Richtlinie fällt, durch eine Ausschreibungspflicht auf der sog. zweiten Stufe zu kompensieren.460 Weil die 457 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge v. 06. 05. 2002, ABl. 2002, C 203 E, S. 210. 458 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154 f.), Rn. 50 f. 459 Ortlieb, WuW 2003, 146 (149), vermag hierin eine restriktive Tendenz des Europarechts zu erkennen. Kritisch hierzu Opitz, NZBau 2003, 183 (192). 460 In Art. 19a Nr. 3 des Vorschlags heißt es: „Ist eine solche Stelle kein Auftraggeber, so ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß sie zur
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
inzwischen verabschiedete VKR diese Abänderungen jedoch mit keinem Wort aufgegriffen und die „In-house“-Problematik bewußt keiner ausdrücklichen Regelung zugeführt hat, beanspruchen die vom EuGH im „Teckal / Viano“-Urteil aufgestellten Grundsätze – und mit ihnen die hier erarbeiteten Ergebnisse – auch in Zukunft uneingeschränkt Geltung.461
B. Vorliegen eines expliziten Ausnahmetatbestands Im Falle des Scheiterns einer teleologischen Reduktion des § 99 I GWB ist der sachliche Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts zwar regelmäßig, aber nicht zwangsläufig eröffnet. Diese Rechtsfolge steht vielmehr unter dem Vorbehalt des bereits verschiedentlich erwähnten Ausnahmekatalogs des § 100 II GWB: Nur wenn keiner der dort aufgeführten Tatbestände einschlägig ist, verpflichtet das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags zu einer öffentlichen Ausschreibung nach Maßgabe der §§ 97, 101 GWB.
I. Ausschließlichkeitsrechte (§ 100 II lit. g GWB) Von den Ausnahmetatbeständen des § 100 II GWB hat nur lit. g eine spezifische Bedeutung für Aufträge an publizistische Privatrechtsvereinigungen. Danach gelten die Vorschriften des Vierten Teils des GWB nicht für Aufträge, „die an eine Person vergeben werden, die ihrerseits Auftraggeber nach § 98 Nr. 1, 2 oder 3 ist und ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht zur Erbringung der Leistung hat“.
1. Dienstleistungsauftrag an einen öffentlichen Auftraggeber § 100 II lit. g GWB geht auf Art. 6 DKR (= Art. 18 VKR) und Art. 11 SKR a. F. (= Art. 25 SKR n. F.) zurück, von denen er jedoch insofern abweicht, als er sich dem Wortlaut nach auf alle öffentlichen Aufträge bezieht, während in den genannten Richtlinienbestimmungen nur Dienstleistungsaufträge genannt sind. Obwohl
Deckung ihres eigenen Bedarfs die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vergabevorschriften beachtet.“ Die in Art. 19a Nr. 2 des Vorschlags vorgesehene, inhaltsgleiche Regelung für Stellen, die selbst Auftraggeber sind, ist lediglich deklaratorischer Natur. 461 Vgl. Kullack / Terner, ZfBR 2004, 244 (246); Knauff, EuZW 2004, 141 mit Fn. 13, der zu Recht darauf hinweist, daß aus der Nichtübernahme von Art. 19a des geänderten Kommissionsvorschlags jedenfalls nicht auf die generelle Unzulässigkeit einer „In-house-Vergabe“ ohne Ausschreibung geschlossen werden kann.
B. Vorliegen eines expliziten Ausnahmetatbestands
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für diese Beschränkung keine zwingenden Gründe zu erkennen sind, kann es nach der Gesetzesbegründung als sicher gelten, daß auch der deutsche Gesetzgeber keine weitergehenden Ausnahmen zulassen wollte, es sich insoweit also um ein Redaktionsversehen handelt.462 Weil anderenfalls die Ausweitung eines Ausnahmetatbestands dazu führen würde, daß das GWB hinter den strengeren und insoweit zwingenden Vorgaben der BKR und LKR463 zurückbliebe, ist § 100 II lit. g GWB jedenfalls richtlinienkonform dahingehend auszulegen, daß er nur auf Dienstleistungsaufträge anwendbar ist.464 Eine (gemeinschaftsrechtliche) Erweiterung auf alle öffentlichen Aufträge wäre aus systematischen wie teleologischen Gründen zwar rechtspolitisch zu begrüßen, ist aber auch in den Art. 18 VKR und 25 SKR n. F. nicht vorgesehen. § 100 II lit. g GWB nennt zwei kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen, die in der Person des Auftragnehmers vorliegen müssen. Die erste Voraussetzung betrifft den personellen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts auf der sog. zweiten Stufe und trifft auf publizistische Privatrechtsvereinigungen zu, soweit sie als juristische Personen des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, und von ihrer (ihren) Trägerkörperschaft(en) überwiegend finanziert und beherrscht werden, unter § 98 Nr. 2 GWB zu subsumieren sind. Wie eingangs gezeigt, erfüllen publizistische Privatrechtsvereinigungen regelmäßig die Voraussetzungen des damit umschriebenen funktionalen Auftraggeberbegriffs.465
2. Auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht Erhebliche Unsicherheiten bestehen bei der Auslegung der zweiten, die Marktposition des Auftragnehmers betreffenden, Voraussetzung: Zum einen ist umstritten, ob der Begriff des „ausschließlichen Rechts“ in § 100 II lit. g GWB nur absolute, gegenüber jedermann bestehende Rechte (d. h. im Ergebnis staatliche Mono462 Vgl. Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 15; Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 76; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 163 mit Fn. 936; Portz, BWGZ 2000, 191 (197). 463 Vgl. EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8153), Rn. 43 f. 464 Ganz h. M.: Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 76; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 20; Faber, DVBl. 2001, 248 (255); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 163; Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1051); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 100 GWB Rn. 11; Portz, BWGZ 2000, 191 (197); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 100 Rn. 21; O. Wagner, EuZW 2000, 250 (251); Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 316. Vgl. Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 90; Sura, EuZW 1999, 19 (20); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 100 Rn. 33. A. A. lediglich Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOBKommentar, § 100 GWB Rn. 21. 465 Siehe oben Erster Teil A. III.
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
pole) oder auch relative, nur gegenüber dem jeweiligen Auftraggeber bestehende Rechtspositionen umfaßt.466 Insofern sprechen sowohl grammatische als auch teleologische Erwägungen für eine weite Auslegung: Im Gegensatz zu Art. 1 der Telekommunikationsrichtlinie 467, wonach ausschließliche Rechte i. S. d. Art. 86 I EG schlechthin „die Erbringung einer Dienstleistung oder die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit vorbehalten“ (Hervorhebungen des Verfassers), bezieht sich § 100 II lit. g GWB – in Übereinstimmung mit Art. 6 DKR und Art. 11 SKR a. F. – auf die Erbringung „der“ konkret zur Auftragsvergabe anstehenden Leistung. Der Sinn und Zweck des Ausnahmetatbestands liegt entgegen anderslautender Behauptungen nicht primär in der Vermeidung mehrstufiger Ausschreibungen.468 Vielmehr trägt die Norm der Tatsache Rechnung, daß ein Wettbewerb von vornherein nicht möglich ist, wenn die Dienstleistung aus rechtlichen Gründen nur von einem einzigen Unternehmen erbracht werden kann; in diesem Fall erschöpfte sich das Beharren auf einem wettbewerblich organisierten Vergabeverfahren in einem sinnlosen Formalismus.469 Wenn der öffentliche Auftraggeber nur mit einem einzigen Vertragspartner kontrahieren kann, spielt es keine Rolle, ob dessen Ausschließlichkeitsrecht auch gegenüber anderen Auftraggebern besteht. Meinungsverschiedenheiten bestehen auch hinsichtlich der Rechtsgrundlage des ausschließlichen Rechts. Einigkeit herrscht nur insoweit, als diese veröffentlicht und mit dem primären Gemeinschaftsrecht, insbesondere den Art. 81 ff. EG, vereinbar sein muß.470 Diese – in Art. 6 DKR deklaratorisch genannten – Vorausset-
466 Vgl. einerseits Engel, Gemischtwirtschaftliche Abfallentsorgung, S. 23; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 165 f.; Korbion, VgRÄG, § 100 Rn. 16; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 100 Rn. 21; andererseits Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 78; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 20; Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1051); Opitz, ZVgR 2000, 97 (106); Paschlau, Müll und Abfall 2000, 740 (743); Tucker, Europäisches Vergaberecht 1996, 79 (82). 467 Richtlinie 90 / 388 / EWG der Kommission v. 28. 06. 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, ABl. 1990, L 192, S. 10 (14 f.). 468 So aber Bechtold, Kartellgesetz, § 100 Rn. 12; Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 72; Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 424; U. Jasper, DB 1998, 2151 (2153); Trepte, Public Procurement in the EC, S. 106; Tucker, Europäisches Vergaberecht 1996, 79 (81); Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 316. Zur Begründung der hier vertretenen Auffassung siehe bereits oben Dritter Teil A. II. 1. b) aa). 469 Vgl. Eilmansberger, JBl 2001, 562 (569); Kämper / Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (383); Opitz, ZVgR 2000, 97 (106); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 100 Rn. 21. 470 Bechtold, Kartellgesetz, § 100 Rn. 12; Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 84; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 20; DStGB Dokumentation No. 18, Stadt und Gemeinde 6 / 2001, Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“, S. 17; Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 426; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 100 GWB Rn. 21; MüllerWrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 100 GWB Rn. 11; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 100 Rn. 35. Zweifelnd
B. Vorliegen eines expliziten Ausnahmetatbestands
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zungen finden in der deutschen Umsetzung zwar keine Wiederholung, ergeben sich aber bereits aus allgemeinen Verfassungsgrundsätzen bzw. dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts.471 Aufgrund der Formulierung des § 100 II lit. g GWB, wonach das ausschließliche Recht „auf Gesetz oder Verordnung beruhen“ muß (Hervorhebung des Verfassers), halten es einige Autoren offenbar für ausreichend, daß sich das ausschließliche Recht mittelbar auf ein formelles Gesetz oder eine Verordnung zurückführen läßt. Das hätte zur Folge, daß der öffentliche Auftraggeber regelmäßig selbst über die Gewährung von Ausschließlichkeitsrechten entscheiden könnte, sei es durch Satzung, Verwaltungsvorschrift, Verwaltungsakt oder Vertrag, solange er nur durch Gesetz oder Verordnung zur Inanspruchnahme der jeweiligen Handlungsform ermächtigt ist.472 Eine derart weite Auslegung findet keine Stütze in § 100 II lit. g GWB. Zumindest verkennt sie, daß auch nach dem Gesetzeswortlaut nicht bloß der formelle Rechtsakt der Verleihung, sondern das ausschließliche Recht selbst – materiell – auf Gesetz oder Verordnung beruhen muß. Deshalb genügt es jedenfalls nicht, die satzungsmäßige Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts durch kommunale Gebietskörperschaften auf die allgemeinen Satzungsermächtigungen der Gemeindeordnungen (z. B. § 7 I GO NRW) zurückzuführen.473 Für eine noch engere Auslegung spricht die in § 100 II lit. g GWB anzutreffende Dualität zwischen „Gesetz“ und „Verordnung“: Hätte der Gesetzgeber tatsächlich weitere Verleihungsformen einbeziehen wollen, hätte es keiner ausdrücklichen Erwähnung der „Verordnung“ bedurft, weil Rechtsverordnungen nach Art. 80 I GG ihrerseits auf einem formellen Gesetz „beruhen“ müssen.474 Wollte man den Begriff der „Verordnung“ als überflüssig betrachten, wäre es aber nur konsequent, zugleich die Beschränkung auf formelle „Gesetze“ zugunsten einer weiten, materiellen Auslegung des Gesetzesbegriffs aufzugeben und damit auch Satzungen per se, d. h. ohne Rückbezug auf ihre formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, als hinreichende Rechtsgrundlage anzusehen475. Diese Rechtsfolge legt zwar auch der lediglich Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 34. 471 Vgl. Bechtold, Kartellgesetz, § 100 Rn. 12; Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 85. 472 Vgl. DStGB Dokumentation No. 18, Stadt und Gemeinde 6 / 2001, Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“, S. 17; Erdmann, NdsVBl. 2000, 211 (214); Paschlau, Müll und Abfall 2000, 740 (743); Portz, BWGZ 2000, 191 (197); Sura, EuZW 1999, 19 (20). Noch weiter U. Jasper, DB 1998, 2151 (2153), deren pauschale Forderung nach einer einschränkenden Auslegung im Sinne eines schuldrechtlichen Rechts nicht nur den Gesetzeswortlaut vollständig ignoriert, sondern auch den Ausnahmecharakter des § 100 II lit. g GWB untergräbt (dazu siehe bereits oben Dritter Teil A. II. 1. b) aa) mit Fn. 82). 473 Offengelassen von Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (240). 474 Ebenso Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 82; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (239); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1051). Vgl. auch Kämper / Heßhaus, NWVBl. 2001, 377 (383). 475 In diesem Sinne Budde / Stapper, Der Städtetag 3 / 1999, 141 (142). Dagegen zu Recht Sura, EuZW 1999, 19 (20).
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
Text des Art. 6 DKR nahe, der darauf abstellt, daß Dienstleistungsaufträge „an eine Stelle vergeben werden [ . . . ] aufgrund eines ausschließlichen Rechts derselben, das diese gemäß [ . . . ] Rechts- oder Verwaltungsvorschriften innehat“ (Hervorhebung des Verfassers).476 Doch lassen sich daraus keine Rückschlüsse auf die Auslegung des § 100 II lit. g GWB ziehen: Ohne in eine Auseinandersetzung darüber eintreten zu müssen, wie der Richtliniengeber den Begriff der „Rechtsvorschrift“ versteht, ist nämlich zu berücksichtigen, daß die Gemeinschaftsrichtlinien insoweit lediglich Mindeststandards formulieren, die zu übertreffen dem nationalen Gesetzgeber unbenommen bleibt. Insofern liegt es in seinem Ermessen, den Anwendungsbereich der DKR durch Einengung einer Ausnahmevorschrift zu erweitern.477 Auf den vorliegenden Fall einer überobligatorischen Umsetzung findet der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung keine Anwendung. Mithin sind die Handlungsformen des formellen Gesetzes sowie der Rechtsverordnung als abschließende und unmittelbare Rechtsgrundlagen aufzufassen, welche die Festlegung von Ausschließlichkeitsrechten selbst treffen müssen und nicht einem abgeleiteten Rechtsakt überlassen dürfen.478 Dieses Zwischenergebnis ermöglicht eine partielle Entschärfung der weitergehenden Diskussion über den Zeitpunkt der Rechtsverleihung. Dabei geht es um die Frage, ob das ausschließliche Recht auch zeitgleich und ggf. in demselben Rechtsakt mit der Auftragsvergabe gewährt werden kann. Problematisch wäre diese Position insbesondere, wenn man eine vertragliche Rechtsgrundlage für ausreichend hielte, weil dann der öffentliche Auftraggeber die Anwendung des Vergaberechts einfach dadurch vermeiden könnte, daß er Aufträge in einer bestimmten Form abschlösse.479 Deshalb fordert die überwiegende Meinung, daß die Gewährung des 476 Art. 11 SKR a. F. ist nahezu identisch formuliert, aber im vorliegenden Zusammenhang mit der Privatisierung öffentlicher Aufgaben regelmäßig nicht von Belang, weil die SKR auf öffentliche Aufträge, die von sog. klassischen bzw. funktionalen öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, keine Anwendung findet (siehe oben Erster Teil A. III. mit Fn. 39). 477 Vgl. W. Bayer / Franke / Opitz, EU-Vergaberecht, Rn. 30; Bechtold, Kartellgesetz, Vor § 97 Rn. 22; Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 81; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 77; Faber, DVBl. 2001, 248 (255); Erdmann, NdsVBl. 2000, 211 (214); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (239); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1051); Sura, EuZW 1999, 19 (20). Vgl. allgemein EuGH, Urt. v. 12. 11. 1996 – Rs. C-84 / 94 (Vereinigtes Königreich / Rat), Slg. 1996, I-5755 (5807, 5811), Rn. 42, 56). Zu Unrecht a.A. Budde / Stapper, Der Städtetag 3 / 1999, 141 (142). 478 Ebenso Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 82; Faber, DVBl. 2001, 248 (255); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 15, 64; ders. / Kafka, GewArch 2000, 129 (131); Gröning, ZIP 2001, 497 (500); Jaeger, NZBau 2001, 6 (8); ders., in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (459); Kulartz, NZBau 2001, 173 (177); Opitz, ZVgR 2000, 97 (106); Zacharias, DÖV 2001, 454 (457). 479 Vgl. (in bezug auf Art. 6 DKR) Bezirksgericht Arnhem, Urt. v. 18. 05. 1995 – KT 1994 / 1901 (zit. nach Tucker, Europäisches Vergaberecht, 1996, 79, 81 f.): in diesem Fall würde die DKR „auf signifikante Weise ihrer Bedeutung beraubt“. Zustimmend Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 83; Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (X).
B. Vorliegen eines expliziten Ausnahmetatbestands
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ausschließlichen Rechts zeitlich vor und unabhängig von der Auftragsvergabe erfolgt sein muß.480 Hingegen kann es nach der hier vertretenen Auffassung jedenfalls zu einer unmittelbar durch den Auftrag erfolgenden Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts gar nicht kommen, weil öffentliche Aufträge i. S. d. § 99 GWB nicht durch Gesetz oder Rechtsverordnung erteilt werden können. Das verbleibende Problem einer zeitgleichen oder zumindest zeitnahen Rechtsverleihung in Abhängigkeit von einer konkreten Auftragsvergabe kann indessen auch durch die Forderung nach einer strikten Trennung nicht befriedigend gelöst werden, wenn Vertragsschluß und Gesetz- bzw. Verordnungsgebung in der Hand desselben Trägers von Staatsgewalt liegen. In diesem Fall macht es lediglich einen formalen Unterschied aus, ob die Rechtsnorm, in der das Ausschließlichkeitsrecht begründet wird, vor oder zeitgleich mit der Auftragsvergabe in Kraft tritt.481 Gleichwohl ist der Trennungsthese im Ergebnis zuzustimmen, weil der Wortlaut von § 100 II lit. g GWB und Art. 6 DKR – insoweit übereinstimmend – verlangt, daß der Auftragnehmer das ausschließliche Recht im Zeitpunkt der Auftragsvergabe bereits „(inne)hat“.482 Indessen sind in keinem der von formellen (und funktionalen) Privatisierungssachverhalten betroffenen Aufgabenfelder Vorschriften ersichtlich, die publizistischen (oder gemischtwirtschaftlichen) Privatrechtsvereinigungen Rechtspositionen einräumen, welche die genannten Voraussetzungen erfüllen.483 Für den Bereich der Abfallentsorgung wird teilweise die Auffassung vertreten, mit der Überlassungspflicht gem. § 15 I KrW- / AbfG korrespondiere ein ausschließliches Recht der kommunalen Entsorgungsträger bezüglich der Hausmüllentsorgung, welches an kommunale Privatrechtsvereinigungen „abgetreten“ werden könne.484 Geht 480 OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 398 (399); Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 83; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (240); Gröning, ZIP 2001, 497 (500); Jaeger, NZBau 2001, 6 (9); Jennert, ZKF 2001, 248 (250); Kulartz, VergabeR 2 / 1998, 25 (29); ders., NZBau 2001, 173 (177); Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (157); Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (X). Vgl. Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 33; GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11056), Rn. 91. A. A. Paschlau, Müll und Abfall 2000, 740 (743). 481 Vgl. Eilmansberger, JBl 2001, 562 (569); Opitz, ZVgR 2000, 97 (106); Tucker, Europäisches Vergaberecht 1996, 79 (82). Kritisch auch Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 20. Das dagegen von Boesen (Vergaberecht, § 100 Rn. 83) vorgebrachte Argument einer Mißbrauchsvorbeugung durch erhöhte Transparenz vermag diesen Einwand nicht zu erschüttern. 482 Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 83; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 20; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (240). 483 Vgl. (für den kommunalen Ver- und Entsorgungsbereich) Jennert, ZKF 2001, 248 (250); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 100 Rn. 36. 484 Budde / Stapper, Der Städtetag 3 / 1999, 141 (142); wohl auch Sura, EuZW 1999, 19 (20). Vorsichtiger Tomerius, NVwZ 2000, 727 (733): Ausschließliche Rechte gebe es
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
man mit der inzwischen überwiegenden Meinung davon aus, daß auch im Bereich der Hausmüllentsorgung sowohl eine Drittbeauftragung gem. § 16 I KrW- / AbfG als auch eine Pflichtenübertragung gem. § 16 II KrW- / AbfG möglich sind,485 läßt sich schon die Prämisse nicht aufrechterhalten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf § 16 II KrW- / AbfG, woraus sich im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null sogar ein Übertragungsanspruch privater Dritter ergeben kann486. Besteht danach aber schon kein ausschließliches Recht der entsorgungspflichtigen Körperschaft, kann ein solches auch nicht an eine publizistische Privatrechtsvereinigung übertragen werden.487 Daß § 16 I und II KrW- / AbfG selbst keine ausreichende Rechtsgrundlage für ein Ausschließlichkeitsrecht bilden, ergibt sich nach dem oben Gesagten daraus, daß die Drittbeauftragung bzw. Pflichtenübertragung erst durch privatrechtlichen Vertrag bzw. durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgt.488 Im Bereich der Abwasserbeseitigung steht den gem. § 18a II 1 WHG zuständigen Gebietskörperschaften zwar ein ausschließliches Recht zu, soweit die Landesgesetzgeber noch nicht die Voraussetzungen für eine Pflichtenübertragung nach § 18a IIa WHG geschaffen haben.489 Allerdings sieht auch das Wasserrecht als Rechtsform für eine abweichende Festlegung von Beseitigungspflichten ausschließlich die vertragliche Drittbeauftragung vor (§ 18a II 3 WHG),
„allenfalls noch im Bereich der überlassungspflichtigen Abfälle“ – dies aber auch nur dann, wenn man insoweit eine materielle Pflichtenübertragung auf einen privaten Dritten gem. § 16 II KrW- / AbfG für unzulässig halte. Differenzierend Pauly / Figgen / Hünnekens, Gemischtwirtschaftliche Entsorgungsunternehmen, S. 91, die ein abfallrechtliches Monopol annehmen, das durch die Drittbeauftragung gem. § 16 I KrW- / AbfG jedoch nicht beeinträchtigt (also auch nicht übertragen) werde. Ähnlich BayObLG, NZBau 2002, 397 (400); Gröning, ZIP 2001, 497 (500) unter Verweis auf die gem. § 15 II KrW- / AbfG fortbestehende Entsorgungspflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für Abfälle aus privaten Haushaltungen. 485 Fluck, in: ders. (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Bd. 1, § 15 Rn. 76, § 16 Rn. 124; Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 8, 54; Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann (Hrsg.), KrW- / AbfG, Bd. II, § 15 Rn. 125; Weidemann, DVBl. 1998, 661 (663, 667 f.). A. A. aufgrund von § 15 II KrW- / AbfG z. B. Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 123; Schink, DÖV 1995, 881 (885). 486 Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 15, 64; ders. / Kafka, GewArch 2000, 129 (131); Kahl, DVBl. 1995, 1327 (1330). A. A. Kiefer, NVwZ 2001, 1109 (1112 ff.). 487 Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 15, 64; ders. / Kafka, GewArch 2000, 129 (131). Vgl. auch Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (190); Engel, Gemischtwirtschaftliche Abfallentsorgung, S. 23, der diese Rechtsfolge bereits aus der durch § 3 II 2 AbfG a. F. (entspricht § 16 I KrW- / AbfG) begründeten Wettbewerbsbeziehung zu privaten Dritten ableitet. Unklar Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 304 f. 488 BayObLG, NZBau 2002, 397 (400); Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (190); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 15, 64; ders. / Kafka, GewArch 2000, 129 (131). A. A. Erdmann, NdsVBl. 2000, 211 (214), der einen auf § 16 II KrW- / AbfG gestützten „kommunalen Akt der Beleihung“ für ausreichend hält. 489 Zacharias, DÖV 2001, 454 (457). Dies ist, soweit ersichtlich, bisher erst in BadenWürttenberg und Sachsen geschehen (§§ 45c WG BW, 63 IV SächsWG).
B. Vorliegen eines expliziten Ausnahmetatbestands
209
worin jedenfalls kein „auf Gesetz oder Verordnung beruhendes“ ausschließliches Recht gesehen werden kann.490
II. Sonstige Ausnahmetatbestände des § 100 II GWB Auch die übrigen in § 100 II GWB enthaltenen Ausnahmetatbestände gehen ausnahmslos auf entsprechende Vorlagen in den EG-Vergaberichtlinien zurück. Sie privilegieren bestimmte Auftragstypen, bei denen sich teils aus ihrer Rechtsgrundlage, teils aus ihrem Gegenstand Besonderheiten ergeben, die aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft eine öffentliche Ausschreibung nicht als sinnvoll erscheinen lassen. Dies betrifft Aufträge aufgrund internationaler Abkommen (lit. a bis c), sicherheits- und verteidigungsrelevante Aufträge (lit. d und e), Immobiliengeschäfte (lit. h), bestimmte Rundfunk- und Telekommunikationsdienstleistungen (lit. j und k), Schiedsgerichts- und Schlichtungsleistungen (lit. l), bestimmte Finanzdienstleistungen (lit. m) sowie bestimmte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen (lit. n). Es ist nicht ausgeschlossen, daß im Einzelfall auch in den hier zu untersuchenden Fallkonstellationen der eine oder andere Ausnahmetatbestand zutrifft. Da es sich hierbei jedoch nicht um Spezifika der Leistungsbeziehungen zu publizistischen Privatrechtsvereinigungen handelt, kann auf eine Kommentierung der betreffenden Vorschriften verzichtet werden. Hinzuweisen ist schließlich darauf, daß die vorstehend unerwähnten Tatbestände des § 100 II lit. f und i GWB, die auf die Art. 8, 9 und 13 SKR a. F. (= Art. 23, 26 SKR n. F.) zurückgehen und bestimmte Rechtsbeziehungen innerhalb der sog. Sektorenbereiche privilegieren491, auf Auftragsvergaben durch klassische und funktionale Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 – 3 GWB nur insoweit Anwendung finden, als jene unmittelbar auf den Gebieten der Trinkwasser- oder Energieversorgung oder im Verkehrsbereich tätig sind. Über diese Einschränkung kann sich die Auslegung nicht hinwegsetzen, weil der durch das gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsprinzip492 gesteuerte Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung grundsätzlich eine enge Interpretation von Ausnahmebestimmungen intendiert.493 Einer analogen Anwendung des § 100 II
Zacharias, DÖV 2001, 454 (457). § 100 II lit. f GWB knüpft an den Auftragsgegenstand (Aufträge in demselben Sektor, in dem der Auftraggeber tätig ist, nach Maßgabe des § 127 Nr. 4 GWB i. V. m. § 9 V VgV), § 100 II lit. i GWB an die organisatorische Stellung des Auftragnehmers (mit dem Auftraggeber verbundenes Unternehmen nach Maßgabe des § 127 Nr. 3 GWB i. V. m. § 10 VgV; dazu siehe bereits oben Dritter Teil A. II. 1. b) bb) an. 492 Dazu siehe die Nachweise im Dritten Teil A. IV. 4. a) aa), Fn. 413. 493 Vgl. BKartA (2. VK Bund), ZVgR 1999, 126 (129); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 79 f., § 100 Rn. 12; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 100 Rn. 20. Vgl. zum europäischen Sekundärrecht EuGH, Urt. v. 10. 03. 1987 – Rs. C-199 / 85 (Kommission / Italien), Slg. 1987, 1039 (1059), Rn. 14; Urt. v. 18. 05. 1995 – Rs. C-57 / 94 (Kommission / Ita490 491
14 Hüser
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Dritter Teil: Ausschreibungspflichten bei formeller Privatisierung
lit. f und i GWB auf sonstige Leistungsbeziehungen zwischen Verwaltungsträgern und publizistischen Privatrechtsvereinigungen oder publizistischen Privatrechtsvereinigungen untereinander steht zudem – in historisch-genetischer wie systematischer Hinsicht – der enumerativ-abschließende Charakter des Ausnahmekatalogs des § 100 II GWB entgegen.494
lien), Slg. 1995, I-1249 (1271), Rn. 23; Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 107. 494 Vgl. die insoweit parallele Argumentation gegen eine analoge Anwendung des § 10 I VgV (siehe oben Dritter Teil A. IV. 4. a) bb) (3) mit Fn. 449, 450).
Vierter Teil
Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen unterscheiden sich von publizistischen Privatrechtsvereinigungen dadurch, daß sie sich im Miteigentum materieller Privatrechtssubjekte befinden. Die Aufteilung der Kapitalanteile zwischen staatlichen und privaten Eigentümern gibt Anlaß zu der Frage, ob nicht bereits der zugrundeliegende Rechtserwerb der (des) privaten Anteilseigner(s) einen kartellvergaberechtlich relevanten Vorgang darstellt. Diese Frage geht der Beurteilung der einzelnen Leistungsbeziehungen der gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung zu öffentlichen Auftraggebern zwar chronologisch voraus, läßt sich aber nicht isoliert davon beantworten. In Umkehrung der chronologischen Reihenfolge, aber im Interesse der Übersichtlichkeit und Folgerichtigkeit der Darstellung wendet sich die Untersuchung daher zunächst jener, aus dem Bereich der formellen Privatisierung bereits strukturell vertrauten, Ausgangsproblematik zu.
I. Die einzelnen Leistungsbeziehungen Gegenstand der folgenden Erörterungen sind daher die Leistungsbeziehungen zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und den in seiner Mitinhaberschaft stehenden gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen, sofern die zu erbringenden Leistungen die nach § 100 I GWB i. V. m. § 2 VgV vorausgesetzten Schwellenwerte erreichen.
1. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB Ansatzpunkt für eine kartellvergaberechtliche Ausschreibungspflicht ist wiederum der Begriff des öffentlichen Auftrags gem. § 99 I GWB, dessen Auslegung sich nach den im Dritten Teil entwickelten Kriterien richtet. Wenn danach bereits die Leistungsbeziehungen zu publizistischen Privatrechtsvereinigungen grundsätzlich einen öffentlichen Auftrag darstellen, muß dieses (Zwischen-)Ergebnis erst 14*
212
Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
recht für die Leistungsbeziehungen zu gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen gelten, die dem öffentlichen Auftraggeber ebenfalls als selbständiges Rechtssubjekt gegenübertreten und einen weiteren Schritt auf der „Privatisierungsleiter“ verkörpern. Fraglich ist, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen auch hier eine teleologische Reduktion vorgenommen werden kann. Es wurde bereits hinreichend und in verallgemeinerbarer Weise dogmatisch begründet, daß letzteres nur in Betracht kommt, wenn das zu beauftragende Rechtssubjekt funktional personenidentisch mit dem Auftraggeber ist und der zu bewirkende Leistungsaustausch keine Wettbewerbsrelevanz aufweist.1 Im folgenden wird untersucht, welchen besonderen Maßstäben gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen bei der Prüfung dieser Kriterien unterliegen. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Problematik steht derzeit noch aus, doch hat das OLG Naumburg mit seinem Vorlagebeschluß vom 08. 01. 2003 ein diesbezügliches Verfahren vor dem EuGH in Gang gesetzt.2
a) Das Kriterium der funktionalen Personenidentität aa) Meinungsstand und Vorüberlegungen Hinsichtlich der Frage, ob die Beauftragung einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung einen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 I GWB oder ein unter Umständen ausschreibungsfreies „In-house-Geschäft“ (im weiteren Sinne) darstellt, existiert ein außerordentlich breites Meinungsspektrum. Einigkeit besteht nur insoweit, als jedenfalls eine Minderheitsbeteiligung der öffentlichen Hand nicht ausreicht, um eine einschränkende Auslegung des Begriffs des öffentlichen Auftrags zu rechtfertigen.3 Im Falle einer Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand wird das Vorliegen eines „In-house-Geschäfts“ (im weiteren Sinne) teilweise pauschal mit dem Argument bejaht, der gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung komme nicht die Eigenschaft eines Dritten zu, soweit ein Verwaltungsträger sie nur kraft einer einfachen Kapital- (bzw. Stimmrechts-)Mehrheit beherrSiehe oben Dritter Teil A. IV. OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 ff. Das Vorabentscheidungsverfahren wird beim EuGH als Rs. C-26 / 03 geführt. Im Schrifttum wird zu Recht bezweifelt, ob es dieses Vorlagebeschlusses bedurft hätte und ob die – notwendigerweise abstrakte – Beantwortung der Vorlagefragen durch den EuGH die erwünschte Rechtsklarheit bringen wird (vgl. Höfler, NZBau 2003, 431, 432; Reidt, ZfBR 2003, 602). 3 Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 99; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 56; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 160; Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (40); Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (IX); Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 300; ders., NVwZ 2000, 727 (732); Wilke, ZfBR 2004, 141 (147). Vgl. auch VK Lüneburg, NZBau 2002, 295 (296); H.-M. Müller, NZBau 2001, 416 (420). Einschränkend Portz, BWGZ 2000, 191 (197), der es für möglich und ggf. ausreichend hält, daß „ein beherrschender Einfluß auf andere Weise sichergestellt ist“. 1 2
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
213
sche.4 Nach dieser Auffassung wäre das in der kommunalen Praxis verbreitete Modell einer gemischtwirtschaftlichen GmbH, deren Stammkapital zwischen öffentlichen und privaten Kooperationspartnern im Verhältnis von 51 zu 49 % aufgeteilt wird, zur Annahme einer funktionalen Personenidentität ausreichend. Relativiert wird diese Position zunächst durch den berechtigten Hinweis, daß nominale Mehrheiten jedenfalls nicht durch Einstimmigkeitserfordernisse, Stimmrechtsbindungen oder sonstige (gesellschafts-)vertragliche Bestimmungen „aufgeweicht“ werden dürften.5 Hingegen lehnt Dreher ein Abstellen auf feste Anteilsschwellen prinzipiell ab und fordert eine „Einzelfallprüfung, wie es um die Kontrolle der Gesellschaft durch den öffentlichen Auftraggeber tatsächlich bestellt ist“, unter Beachtung der jeweiligen gesellschaftsvertraglichen Abreden: Maßgeblich sei ein „weit oberhalb der Beherrschung liegender umfassender Einfluß“, der entsprechende Weisungsrechte einschließen müsse, und nur bezogen auf den jeweiligen Einzelfall feststellbar sei.6 An die (gesellschafts-)vertraglichen Ausgestaltungen knüpft auch H.-M. Müller an, erweitert den Blick jedoch zu einer Gesamtschau, die neben der Beteili4 Eilmansberger, JBl 2001, 562 (565); Eschenbruch, in: Kulartz / Niebuhr / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 56; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 160, 171; Kulartz / Portz, VOL und VOF, Einf., S. 9; Marx, NZBau 2002, 311 (315); Möschel, WuW 1997, 120 (124); Müller-Serten, NZBau 2000, 120 (123); Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 300; ders., NVwZ 2000, 727 (732); Zacharias, DÖV 2001, 454 (457). Im Grundsatz auch Gröning, ZIP 2001, 497 (502); Kämper / Heßhaus, Der Städtetag 5 / 2000, 36 (40). Unklar GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11051), Rn. 64. Vgl. auch (zu § 31 I GemHVO NRW) OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ 1995, 1238 (1240). 5 Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 102; Portz, BWGZ 2000, 191 (197); Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (IX). Vgl. BayObLG, NZBau 2002, 397 (400); DStGB Dokumentation No. 18, Stadt und Gemeinde 6 / 2001, Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“, S. 17; Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053); Masing, ZfBR 2002, 450 (453 f.); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 11. 6 Dreher, NZBau 2001, 360 (363); ders., NZBau 2002, 245 (253); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (238). Ähnlich OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 (228); Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (190); U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (619); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 225; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 64; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 11; Ortlieb, WuW 2003, 146 (154); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 5c; Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 167. Vgl. auch GA Léger, Schlußanträge v. 15. 06. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11051), Rn. 63, der darauf abstellt, inwieweit die Kräfteverteilung in den Leitungsorganen nach dem anwendbaren nationalen Recht die wirtschaftlichen Zielsetzungen der Gesellschaft beeinflußt. Vermittelnd Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 19 Rn. 18, nach denen die Kriterien der Beteiligungshöhe und der Einflußnahme in einer „gegenseitigen Abhängigkeit“ stehen; Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Papke, Thomann-Stahl und Rasche v. 16. 07. 2001, LT-Drs. 13 / 1427, S. 1, die den Grundsatz „je höher die Anteilsbeteiligung der Kommune, desto größer deren Einfluß- bzw. Kontrollmöglichkeiten“ postuliert.
214
Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
gungsquote und den rechtlichen wie tatsächlichen Einflußmöglichkeiten auch den materiellen Charakter der Beteiligung des privaten Investors berücksichtigt.7 Diese und ähnliche, von wohlklingenden Formulierungen wie der Forderung nach einer „wertenden“ bzw. „differentialdiagnostischen“ Betrachtung begleiteten8, Stellungnahmen erscheinen in ihrer vermittelnden Ausgewogenheit zunächst unwiderlegbar, sind aber zu unbestimmt, um in der praktischen Anwendung überzeugen zu können. Auf der anderen Seite des Meinungsspektrums steht die Auffassung daß grundsätzlich jede noch so geringfügige Beteiligung privater Gesellschafter zur Anwendbarkeit des (Kartell-)Vergaberechts führe.9 Zur Begründung wird zum einen darauf verwiesen, daß die Rechtsprechung des EuGH insofern keine Grundlage für eine einschränkende Auslegung der EG-Vergaberichtlinien biete, weil die Beauftragung einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung einen qualitativ anderen Sachverhalt darstelle als die der „Teckal / Viano“-Entscheidung10 zugrundeliegende Beauftragung eines gemischt-öffentlichen Konsortiums. Folglich könnten auch die dort aufgestellten Kriterien für die Annahme eines „In-houseGeschäfts“ (im weiteren Sinne) nicht auf die vorliegende Konstellation übertragen werden.11 Diese Erwägung erscheint bei isolierter Betrachtung der „Teckal / Viano“-Entscheidung vertretbar, läßt sich aber jedenfalls nicht mehr aufrechterhalten, seit der EuGH in seinem Urteil vom 07. 12. 2000 in der Rechtssache „ARGE Gewässerschutz“12 dieselben Kriterien auch im Zusammenhang mit gemischtwirt7 Vgl. H.-M. Müller, NZBau 2001, 416 (419 f.): „Ist eine reine Kapitalbeteiligung gewollt oder soll der nicht kommunale Mitgesellschafter Betriebsführungs-, Betreiber- oder Managementleistungen erbringen?“ Insgesamt könne die Beauftragung gemischtwirtschaftlicher Gesellschaften nur unter Befolgung strenger Anforderungen – und im Ergebnis nur in wenigen Ausnahmefällen – dem Vergaberegime entzogen werden. Ähnlich unklar Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 112. 8 Masing, ZfBR 2002, 450 (453); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1053). 9 Burgi, NVwZ 2001, 601 (605); ders., in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 18; Ehlers, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 60; Endler, NZBau 2002, 125 (132); Faber, DVBl. 2001, 248 (256); dies., DVBl. 2003, 761 (766); Kullack, BBauBl 3 / 2001, 56; Pauly / Figgen / Hünnekens, a. a. O., S. 85 f.; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H IV Rn. 115. Vgl. M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41 (42); (abgesehen von „ganz außergewöhnlichen gesellschaftsrechtlichen Konstellationen“) VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (48); (jedenfalls bei einem „derart geringfügigen Übergewicht“ von 51 zu 49 %) BayObLG, NZBau 2002, 397 (400); Jennert, ZKF 2001, 248 (251); im Ergebnis auch Kulartz, NZBau 2001, 173 (177). Vgl. auch (zu § 29 I GemHVO SH) OVG Schleswig-Holstein, AbfallPrax 1999, 28 (29). 10 EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8139 ff.). Dazu siehe ausführlich oben Dritter Teil A. IV. 2. a) aa) und c). 11 Endler, NZBau 2002, 125 (132); Kullack, BBauBl 3 / 2001, 56. Vgl. VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (48); Faber, DVBl. 2001, 248 (256 Fn. 57). 12 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11066 ff.). Dazu siehe ausführlich oben Dritter Teil A. IV. 2. a) bb) und c).
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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schaftlichen Privatrechtsvereinigungen für anwendbar erklärt hat. Sie läßt sich insbesondere nicht mit dem Wortlaut der zweiten Voraussetzung („Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften [ . . . ], die ihre Anteile innehaben“) begründen,13 da diese ausschließlich das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches anspricht und keine Aussage über die Möglichkeit einer funktionalen Personenidentität trifft.14 Für das nationale Kartellvergaberecht wollte schließlich auch der BGH die Anwendung der „Teckal / Viano“-Grundsätze auf die Leistungsbeziehungen zu einer verwaltungseigenen GmbH ausdrücklich nicht als abschließende Abgrenzung verstanden wissen.15 Zum anderen wird argumentiert, daß bei einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, selbst wenn die öffentliche Hand über die Mehrheit der Anteile verfügt, nicht mehr von einer „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ gesprochen werden könne, weil die Gesellschaft von den zumindest de iure zu berücksichtigenden Interessen des privaten Partners mitbestimmt werde und ihr somit „eigene Entscheidungsgewalt“ zukomme.16 Die Vergabekammer Düsseldorf führt insofern aus, daß „gerade in der personalisierten Gesellschaftsform der GmbH neben den geschriebenen auch ungeschriebene Minderheitenrechte, die sich nach Treu und Glauben ergeben, zu beachten“ seien, wozu „insbesondere die Unterlassung jedweden gesellschaftsschädlichen Verhaltens im Sinne der Verminderung der wirtschaftlichen Ertragschance“ gehöre. Demgegenüber seien Angehörige einer Dienststelle mangels eigenen Kapitaleinsatzes und eigener Risikotragung in keiner Weise vergleichbar schutzwürdig.17 Nur unwesentlich großzügiger zeigt sich Jaeger, der die Schwelle einer vergaberechtlich unschädlichen Kapitalbeteiligung Privater mit Blick auf die gesetzlichen „Kontroll- und / oder Sperrrechte“ des Minderheitsgesellschafters zumindest ab einer – in der Realität wohl regelmäßig erreichten – Beteiligungsquote von 10 % überschritten sieht.18
13 So aber VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (48); Faber, DVBl. 2001, 248 (256 Fn. 57), unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-107 / 98 (Teckal Srl / Gemeinde Viano u. AGAC Reggio Emilia), Slg. 1999, I-8121 (8154), Rn. 50. 14 Anderes müßte man allenfalls annehmen, wenn der EuGH verlangt hätte, daß die „Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften“ sämtliche Anteile innehaben. 15 BGH, DVBl. 2001, 1607 (1608) unter III 2 d. Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 2. b). 16 Vgl. (unter Rückgriff auf die Kriterien der oben zitierten EuGH-Rechtsprechung) Faber, DVBl. 2001, 248 (256); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (467); Jennert, ZKF 2001, 248 (251); Wilke, ZfBR 2004, 141 (147). Kritisch dazu Masing, ZfBR 2002, 450 (453); ausführlich Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 4 ff. 17 VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (48). 18 Jaeger, NZBau 2001, 6 (9 f.); ders., in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (467). Ebenso im Anschluß VK Halle, Beschl. v. 27. 05. 2002 – VK Hal 3 / 02 (zit. nach U. Jasper / Welling, Behörden Spiegel 2 / 2003, S. 27); VK Südbayern, Beschl. v. 23. 10. 2001 – 32 – 09 / 01 (zit. nach Weyand, ZfBR 2002, 395, 397); Kulartz, NZBau 2001, 173 (177); unklar Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 167. Vgl. auch BayObLG, NZBau 2002, 397 (400), das allerdings offengelassen hat, „ob dies allein genügt, um ein Eigengeschäft zu verneinen“.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
bb) Sperrwirkung des gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzrechts? Die zuletzt genannte Auffassung beruht auf der These, daß das Gesellschaftsrecht einem Minderheitsgesellschafter Rechtspositionen einräume, die ihm – unabhängig vom Ausmaß seiner Kapitalbeteiligung, jedenfalls aber ab einer Beteiligungsquote von 10 % – eine Einflußnahme auf die Gesellschaft gestatteten, aufgrund derer der Mehrheitsgesellschafter schlechthin keine Ingerenzbefugnisse mehr beanspruchen könne, die denjenigen gegenüber einer unselbständigen Verwaltungseinheit vergleichbar seien. Im Ergebnis entfaltete das gesellschaftsrechtliche Minderheitenschutzrecht danach eine generelle Sperrwirkung in bezug auf das Kriterium der funktionalen Personenidentität. Schauenburg bestreitet diese These unter anderem mit dem Argument, es wäre „zu einem gewissen Grade zweckwidrig“, eine Ausschreibungspflicht ausgerechnet mit Minderheitenschutzrechten zu begründen, weil ein privater Minderheitsgesellschafter gerade daran interessiert sei, daß die Gesellschaft sich im Interesse eines gesicherten Absatzes ihrer Leistungen keiner öffentlichen Ausschreibung stellen muß.19 Dabei stellt er jedoch einen prinzipiell unzulässigen Zweckzusammenhang zwischen Gesellschafts- und Vergaberecht her, der insofern die Grenzen der (teleologischen) Auslegung sprengt, als die vergaberechtlich zu untersuchenden Leistungsbeziehungen der Gesellschaft Gegenstand ihrer rechtlichen Außenbeziehungen sind, während die gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzvorschriften ausschließlich die rechtlichen Innenbeziehungen der innerhalb einer Gesellschaft agierenden Personen und Organe regelt20. Nichtsdestoweniger bedarf die These von der Sperrwirkung des gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzrechts einer kritischen Überprüfung anhand der gesetzlichen Vorgaben. Insofern ist zu unterscheiden zwischen Minderheitsrechten im technischen Sinne und allgemeinen Mitgliedschaftsrechten und pflichten, die lediglich mittelbar dem Minderheitenschutz dienen. (1) Einzelne Minderheits- und Mitgliedschaftsrechte Minderheitsrechte im technischen Sinne sind Rechte, die das Gesetz einer Minderheit als solcher, meist in Form eines bestimmten Anteilsquorums (5 oder 10 % des Stamm- bzw. Grundkapitals der Gesellschaft) gewährt,21 wobei gleichgültig ist, ob die Anteile auf mehrere Gesellschafter bzw. Aktionäre verteilt oder in der Hand eines Gesellschafters bzw. Aktionärs vereinigt sind. Das GmbH-Recht kennt solche Rechte lediglich in zwei Zusammenhängen: Zum einen kann die Minderheit die Einberufung der Gesellschafterversammlung sowie die Ankündigung von Beschlußgegenständen verlangen und ggf. selbst bewirken (§ 50 GmbHG). Zum Vgl. Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 7. Die Notwendigkeit eines Minderheitenschutzes resultiert insofern aus der Notwendigkeit, Legitimationsdefizite der organschaftlichen Leitungsmacht und der Mehrheitsherrschaft zu verhindern oder auszugleichen (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III, S. 467). 21 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III, S. 469. 19 20
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anderen gewährt das Gesetz der Minderheit die Klagebefugnis für eine Auflösungsklage (§ 61 II 2 GmbHG) sowie – im Falle der Auflösung der Gesellschaft – die Antragsbefugnis für eine gerichtliche Bestellung bzw. Abberufung von Liquidatoren (§ 66 II, III 1 GmbHG). Breiter gestreut sind die Minderheitsrechte im Aktienrecht: In der Hauptversammlung hat die Minderheit neben dem Recht, die Einberufung zu verlangen (§ 122 I AktG), Ansprüche auf eine gesonderte Abstimmung über die Entlastung einzelner Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder (§ 120 I 2 AktG) und über die vorrangige Abstimmung über Wahlvorschläge von Aktionären bei der Aufsichtsratswahl (§ 137 AktG). Ferner gewährt ihr das Gesetz die Antragsbefugnis für eine gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern (§§ 142 II, IV, 258 II 3 AktG) bzw. eine gerichtliche Entscheidung über deren Feststellungen (§ 260 I AktG) sowie die Antragsbefugnis für eine gerichtliche Bestellung und Abberufung von Abwicklern (§ 265 III AktG). All diesen Rechten gemeinsam ist ihr ausschließlich formaler, verfahrensmäßiger Charakter: Statt eigener, materieller Entscheidungskompetenzen geben die genannten Normen der Minderheit allenfalls die Möglichkeit, eine Entscheidung des zuständigen Organs (Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung, Gericht) herbeizuführen und daran nach den allgemeinen Regeln (Teilnahme- und Stimmrecht in der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung) teilzuhaben. Namentlich das Recht auf Einberufung der Hauptversammlung trägt den Interessen der Minderheit zwar dadurch Rechnung, daß sie ihre Anliegen der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung präsentieren kann,22 gewährt ihr aber nach herrschender Meinung noch nicht einmal den Anspruch auf eine materielle Beschlußfassung über die angekündigten Gegenstände23 (Sicherung der formalen Chancengleichheit bei der Mitwirkung an der Willensbildung24). Rechtstechnisch weitergehend sind die Rechte auf Verfolgung und Erhaltung von Ersatzansprüchen der AG gegenüber Gründern, Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitgliedern und ggf. den gesetzlichen Vertretern eines herrschenden Unternehmens (§§ 147 I, 50, 93 IV, 309 III AktG). Doch kann damit lediglich die Sanktionierung eines bereits stattgefundenen Fehlverhaltens erzwungen, nicht aber auf aktuelle Entscheidungen eingewirkt werden (Ex-post-Kontrolle der organschaftlichen Leitungsmacht). Jedenfalls hat die Minderheit in keinem Fall die Möglichkeit, ihre strategischen Interessen gegen den Willen des Mehrheitsgesellschafters bzw. des herrschenden Unternehmens durchzusetzen und somit die Zielsetzungen oder die laufende Geschäftsführung der Gesellschaft zu bestimmen. Im Hinblick auf den Wertungsvergleich mit unselbständigen Verwaltungseinheiten läßt sich vielmehr eine Parallele zu den Rechten außenstehender Dritter ziehen: Auch hier hat der Bürger die Möglichkeit, staatliches Verwaltungshandeln durch 22 Koppensteiner, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff (Hrsg.), GmbHG, § 50 Rn. 1; Römermann, in: Michalski (Hrsg.), Kommentar zum GmbHG, Bd. II, § 50 Rn. 2. 23 K. Schmidt, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, II. Bd., § 50 Rn. 4 m. w. N.; Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 50 Rn. 1. A. A. Koppensteiner, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff (Hrsg.), GmbHG, § 50 Rn. 11. 24 Vgl. Westermann, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., Einl. Rn. 64.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Anhörung, Gegenvorstellung oder Aufsichtsbeschwerde zu beeinflussen, ohne daß die Ingerenzbefugnisse der aufsichtführenden Dienststelle – über die ohnehin bestehenden Rechtsbindungen hinaus – beeinträchtigt würden.25 Unter den allgemeinen Mitgliedschaftsrechten, die jedem Gesellschafter gleichermaßen, d. h. ohne Ansehung seiner Kapitalquote als Individualrecht zustehen, kommt vor allem den Informations- und Anfechtungsrechten eine spezifische Minderheitenschutzfunktion zu:26 Gem. §§ 51a I, 51b S. 2 GmbHG bzw. §§ 131 I, 132 II AktG können die Gesellschafter bzw. Aktionäre von den Geschäftsführern bzw. vom Vorstand jederzeit Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen und notfalls gerichtlich einklagen. Die §§ 51a I, 74 III 1 GmbHG ergänzen dieses Auskunftsrecht durch ein Einsichtsrecht in die Bücher und Schriften der GmbH. Auch diese Rechte erfüllen lediglich eine vorbereitende Funktion im Hinblick auf das Teilnahme- und Stimmrecht in der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung, indem sie (insbesondere) den Minderheitsgesellschafter bzw. -aktionär überhaupt erst in die Lage versetzen, seine Interessen konkret zu formulieren und gegenüber den Gesellschaftsorganen und Mitgesellschaftern zu artikulieren (Sicherung der materiellen Chancengleichheit bei der Mitwirkung an der Willensbildung)27. Hinzu tritt die – nach herrschender Meinung im GmbH-Recht analog anzuwendende28 – Befugnis zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 245 Nr. 1 – 3 AktG), welche (insbesondere) dem Minderheitsgesellschafter erlaubt, die von der Mehrheit herbeigeführten Entscheidungen gerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen (Ex-post-Kontrolle der mitgliedschaftlichen Mehrheitsherrschaft). Aktuelle Einwirkungsmöglichkeiten, sei es in Form von eigenen Ingerenzbefugnissen oder auch nur durch Schmälerung fremder Ingerenzbefugnisse, sind wiederum mit keinem dieser Rechte verbunden. (2) Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Ein weiterer Ansatzpunkt für einen indirekten Minderheitenschutz ist die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Dabei handelt es sich um eine allgemeine Verhaltensregel, die den Mehrheitsbefugnissen eine materielle Grenze zieht, indem sie den Gesellschaftern eine umfassende Loyalitäts- und Förderpflicht sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber ihren Mitgesellschaftern auferlegt.29 25 Vgl. OLG Naumburg, NZBau 2003, 224 (228); Schauenburg, NZBau 2001, InternetAufsatz, S. 7. 26 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III, S. 468 f. 27 Vgl. Hüffer, AktG, § 131 Rn. 1; Westermann, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., Einl. Rn. 64. 28 Siehe nur Lutter / Hommelhoff, GmbHG, Anh § 47 Rn. 1; Raiser, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 2. Bd., Anh § 47 Rn. 3. Kritisch Zöllner, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, Anh § 47 Rn. 2. 29 Vgl. Emmerich, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 13 Rn. 36 f.; Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 13 Rn. 22; Hüffer, AktG, § 53a
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Wenngleich der rechtsdogmatische Anknüpfungspunkt der Treuepflicht umstritten ist,30 kann sie heute jedenfalls als richter- bzw. gewohnheitsrechtlich anerkannte und rechtsformübergreifend geltende Generalklausel angesehen werden.31 Danach sind die Gesellschafter verpflichtet, gegenseitige Rücksichtnahme zu üben und einander nicht treuwidrig zu benachteiligen, woraus sich im Einzelfall sowohl Rechtsausübungsschranken als auch Handlungs- und Unterlassungspflichten ergeben können, die sich insbesondere bei der Ausübung des Stimmrechts aktualisieren.32 Inhalt und Reichweite der Treuepflicht bestimmen sich nach einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Rechtsmacht des Gesellschafters, der Realstruktur und des Zwecks der Gesellschaft sowie der Art des ausgeübten Rechts.33 Danach stellt die Treuepflicht um so höhere Anforderungen an das Verhalten eines als Mehrheitsgesellschafter einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung auftretenden Verwaltungsträgers, je mehr Kapitalanteile und damit Stimmrechte er auf sich vereinigt („Korrelation zwischen Rechtsmacht und Verantwortung“)34 und je stärker die Beteiligung der (des) privaten Minderheitsgesellschafter(s) nicht nur als Kapitalanlage, sondern als strategische Partnerschaft konzipiert ist („personalistische Struktur der Gesellschaft“)35. Ein spezifisches Merkmal gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen ist die typischerweise bestehende Gemengelage aus öffentlichen und privaten Interessen: Während der private Investor sein Handeln am betriebswirtschaftlichen Prinzip der Gewinnmaximierung ausrichtet, ist die Verwaltung schon kraft Gesetzes zur VerRn. 14, 17; Michalski, in: ders. (Hrsg.), GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 137, 142 f.; Pentz, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff (Hrsg.), GmbHG, § 13 Rn. 35, 37; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 III, S. 468, § 20 IV, S. 588 f. 30 Genannt werden die §§ 138 I, 242, 705 BGB, der Organisationsvertrag der Gründer sowie das mitgliedschaftliche Gemeinschaftsverhältnis (siehe nur Hüffer, AktG, § 53a Rn. 15; Michalski, in: ders., Hrsg., GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 141; Pentz, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff, Hrsg., GmbHG, § 13 Rn. 36; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV, S. 587 f.). Eingehend dazu z. B. Hennrichs, AcP 195 (1995), 221 (225 ff.). 31 Hüffer, AktG, § 53a Rn. 14 f.; Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (166); Michalski, in: ders. (Hrsg.), GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 141. Siehe nur BGHZ 9, 157 (163); 98, 276 (279); 103, 184 (194 f.); OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083 (1087). 32 Vgl. nur Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 13 Rn. 24; Michalski, in: ders. (Hrsg.), GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 149 ff.; Winter, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 14 Rn. 52, 54 ff. 33 Vgl. nur Emmerich, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 13 Rn. 37; Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 13 Rn. 23 f.; Michalski, in: ders. (Hrsg.), GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 146; Pentz, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff (Hrsg.), GmbHG, § 13 Rn. 40; Winter, in: Scholz (Begr.), a. a. O., § 14 Rn. 53. 34 Vgl. BGHZ 65, 15 (19); 129, 136 (143); Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 13 Rn. 23; Pentz, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff (Hrsg.), GmbHG, § 13 Rn. 36; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV, S. 588. 35 Vgl. BGHZ 9, 157 (163); 103, 184 (195); OLG Düsseldorf, DB 1993, 2474 (2476); Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 13 Rn. 23; Michalski, in: ders. (Hrsg.), GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 146; Raiser, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, 1. Bd., § 14 Rn. 53; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV, S. 592.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
folgung öffentlicher Zwecke verpflichtet (vgl. z. B. §§ 107 I 1 Nr. 1, 109 I 1 GO NRW). Ob diese Situation allerdings zu einer gesteigerten Treuepflichtbindung des Verwaltungsträgers führt, ist aus mehreren Gründen fraglich. Einerseits wird der zugrundeliegende Interessenkonflikt dadurch entschärft, daß sich öffentlicher Zweck und Gewinnmitnahme keineswegs ausschließen. Im Gegenteil sind z. B. die Gemeinden auch beim Betrieb von sog. nichtwirtschaftlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu einer Betriebsführung nach wirtschaftlichen Grundsätzen verpflichtet, mit deren Hilfe ein Ertrag erzielt werden soll, der mindestens einer marktüblichen Verzinsung entspricht (vgl. z. B. §§ 107 II 2, 109 I 2, II GO NRW). Zudem erfolgt die – von Burgi treffend als „Zukauf gesellschaftlicher Handlungsrationalität“ bezeichnete36 – Einbeziehung privater Partner regelmäßig gerade mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerfüllung.37 Andererseits unterwerfen sich auch private Mitgesellschafter zumindest insoweit den öffentlichen Interessen der Verwaltung, als diese Eingang in die Bestimmung des satzungsmäßigen Gesellschaftszwecks gefunden haben. Dies ist grundsätzlich der Fall, da sich anderenfalls z. B. eine Gemeinde gar nicht an der Privatrechtsvereinigung beteiligen dürfte (vgl. z. B. § 108 I 1 Nr. 7 GO NRW).38 Aus Sicht des privaten Partners ist dies der von vornherein einkalkulierte Preis für die spezifischen Vorteile einer gesellschaftsrechtlichen Kooperation mit der öffentlichen Hand.39 Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang, daß der Gesellschaftsvertrag (Satzung) die Reichweite der Treuepflicht insofern begrenzt, als sich ihr Schutz nur auf mitgliedschaftliche, d. h. mit dem gemeinsamen Gesellschaftszweck übereinstimmende, Interessen erstreckt, nicht aber auf private Sonderinteressen der Gesellschafter.40 Schließlich ist zu beachten, daß die Treuepflicht in ihrer Funktion als allgemeine Verhaltensregel keine „Einbahnstraße“ sein kann; folglich ist sie zwar in erster Linie, aber keineswegs ausschließlich ein Instrument des Minderheitenschutzes. Vielmehr ist anerkannt, daß auch den Minderheitsgesellschafter Treuepflichten gegenüber seinen Mitgesellschaftern einschließlich des Mehrheitsgesellschafters treffen.41 Dieser Aspekt ist vorliegend um so bedeutsamer, als der 36 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 381; ders., NVwZ 2001, 601 (602). 37 Angesichts der insoweit bestehenden Interessenkonvergenz überzeugt es nicht, wenn Burgi (NVwZ 2001, 601, 605) aus dem „Zukauf privater Handlungsrationalität“ auf eine „eigene Entscheidungsgewalt“ der gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung schließt. 38 Entgegen dem OLG Naumburg (NZBau 2003, 224, 228) und Schauenburg (NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 5) erscheint daher ein Rekurs auf die ungeschriebene „Geschäftsgrundlage“ der Gesellschaft nicht erforderlich. 39 Vgl. Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 5, der insofern beispielhaft auf einen gesicherten Absatzmarkt für die Leistungen der Gesellschaft verweist. 40 Vgl. BGHZ 65, 15 (19); BGH, NJW 1992, 3167 (3171); Emmerich, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 13 Rn. 38; Hueck / Fastrich, in: Baumbach / Hueck (Begr.), GmbHG, § 13 Rn. 22, 25; Winter, in: Scholz (Begr.), a. a. O., § 14 Rn. 58. 41 BGHZ 129, 136 (142 ff.); Emmerich, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 13 Rn. 38; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221 (240 f.); Hueck / Fastrich, in: Baumbach /
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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private Investor auch bei der Ausübung der oben diskutierten Minderheits- und Mitgliedschaftsrechte Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft und des öffentlich-rechtlichen Kooperationspartners nehmen muß.42 Insgesamt verhält sich somit auch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen neutral zu der Machtverteilung zwischen Mehrheit und Minderheit. Nach alledem bietet das gesellschaftsrechtliche Minderheitenschutzrecht keinen Anhaltspunkt für eine qualitative Beschränkung der Ingerenzbefugnisse des öffentlich-rechtlichen Mehrheitsgesellschafters; eine generelle Sperrwirkung in bezug auf das Kriterium der funktionalen Personenidentiät läßt sich nicht nachweisen.43
cc) Das Kriterium der „qualifizierten positiven Beherrschung“ Damit wird die Diskussion auf die allgemeinen Regeln über die Willensbildung in mehrgliedrigen Privatrechtsvereinigungen zurückgeworfen: Ingerenzbefugnisse, die den Anforderungen der funktionalen Personenidentität genügen, setzen nach den Erkenntnissen des Dritten Teils voraus, daß der Verwaltungsträger befugt ist, dem geschäftsführenden Organ der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Diese Befugnis vermittelt ihm in einer GmbH grundsätzlich bereits die absolute Mehrheit des Stammkapitals (§§ 37 I, 47 I, II GmbHG), während es in einer AG zusätzlich des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags gem. § 291 I 1 AktG bedarf. In beiden Fällen unterliegt die gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung einer (im untechnischen Sinne) „positiven Beherrschung“ durch den Verwaltungsträger.44 Die in gemischt-öffentlichen GmbH zugelassene Ersetzung durch die Kriterien der „gemeinsamen“ und „negativen Beherrschung“ trägt einer besonderen Interessenlage Rechnung,45 die im Falle einer Beteiligung privater Mitgesellschafter nicht mehr gegeben ist: An die Stelle prinzipiell gleichgerichteter öffentlicher Interessen tritt nach den vorstehenden Erörterungen ein zumindest partieller Interessenkonflikt, der durch die statutarische Mitverpflichtung des privaten Partners auf den Hueck (Begr.), GmbHG, § 13 Rn. 23, 25; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 17; Michalski, in: ders. (Hrsg.), GmbHG, Bd. I, § 13 Rn. 144; Pentz, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff (Hrsg.), GmbHG, § 13 Rn. 38; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV, S. 593; Winter, in: Scholz (Begr.), a. a. O., § 14 Rn. 54. 42 Vgl. (zu den Rechten aus § 51a GmbHG) KG, GmbHR 1988, 221 (223); Michalski, in: ders. (Hrsg.), GmbHG Bd. I, § 13 Rn. 152, 161; Winter, in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, I. Bd., § 14 Rn. 54, 57. 43 Vgl. im Ergebnis U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (616 ff.), deren Argument, die Minderheitenrechte seien im Gegenteil Ausdruck der schwachen Stellung des Minderheitsgesellschafters und der Stärke des Mehrheitsgesellschafters, freilich nicht überzeugt, weil die genannten Vorschriften dieses Machtgefälle ja gerade auszugleichen versuchen. 44 Siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) cc) (2) (a) und (3) zur insoweit entsprechenden Rechtslage in gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigungen. 45 Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (2) (a), (d) und (e).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
öffentlichen Zweck zwar entschärft, aber nicht beseitigt werden kann.46 Indessen verbietet dieser Sachverhalt nicht nur eine Übertragung der für gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen vorgesehenen Privilegierung, sondern gibt im Gegenteil Anlaß zu einer weiteren Verschärfung der Maßstäbe für das Kriterium der funktionalen Personenidentität. Eine dauerhaft umfassende Ingerenz ist nur gewährleistet, wenn die Verwaltung jederzeit in der Lage ist, die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft an veränderte tatsächliche oder rechtliche Rahmenbedingungen anzupassen. Diese können sowohl den Inhalt und Umfang der öffentlichen Aufgabe als auch die zu ihrer Wahrnehmung erforderlichen respektive zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel betreffen. Derartige Situationen können allein mit Weisungen an das Geschäftsführungsorgan nicht mehr beherrscht werden, weil sie die Grundlagen der Gesellschaftsordnung und damit den originären Kompetenzbereich der Gesellschafter bzw. Aktionäre berühren. Dies ist namentlich der Fall, wenn eine Änderung des Gesellschaftszwecks (Unternehmensgegenstands) oder der Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft erforderlich ist.47 Da es sich insoweit um konstitutive Satzungsbestandteile handelt (§ 3 I Nr. 2, 3 GmbHG bzw. § 23 III Nr. 2, 3 AktG), bedürfen beide Maßnahmen einer Satzungsänderung, welche grundsätzlich nur mit einer Drei-Viertel-Mehrheit in der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung beschlossen werden kann (§ 53 II 1 GmbHG bzw. § 179 II 1 AktG).48 Das gleiche gilt, wenn die Verwaltung sich zur Auflösung der Gesellschaft gezwungen sehen sollte (§ 60 I Nr. 2 GmbHG bzw. § 262 I Nr. 2, 1. Hs. AktG). Während das GmbH-Recht lediglich eine entsprechend qualifzierte Stimmenmehrheit verlangt, welche z. B. durch die Vereinbarung von Mehr- oder Höchststimmrechten relativiert werden kann,49 beziehen sich die aktienrechtlichen Vorschriften unmittelbar auf das bei der Beschlußfassung vertretene Grundkapital, fordern also eine qualifzierte Kapitalmehrheit.50 Das Mehrheitserfordernis ist im GmbH-Recht mit Ausnahme des Auflösungsbeschlusses zwingend;51 im Aktienrecht steht es lediglich insoweit zur Disposition der Satzung, als eine Herabsetzung bis zur einfachen Stimmenmehrheit (§ 133 I AktG) zwar bei Kapitalerhöhungen (§ 182 I 2 AktG), nicht jedoch bei Dazu siehe oben Vierter Teil A. I. 1. a) bb) (2). Vgl. Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 8, der in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hinweist, daß eine Fremdkapitalfinanzierung der Gesellschaft über Darlehen kein „in jeder Lage gleichwertiger und praktikabler Ersatz für eine Kapitalerhöhung“ ist. 48 Die mit § 179 II 1 AktG inhaltsgleichen Regelungen in § 182 I 1 AktG (Kapitalerhöhung) und § 222 I 1 AktG (Kapitalherabsetzung) kann man insoweit als lex specialis oder aber als bloß deklaratorische Wiederholung auffassen. 49 Dazu siehe die Nachweise im Dritten Teil A. IV. 3. b) cc) (2) (e), Fn. 362. 50 Insoweit kann das Mehrheitserfordernis allenfalls durch die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien nach Maßgabe der §§ 12 I 2, 139 ff. AktG, deren Inhaber schon von der Mitwirkung an der Beschlußfassung ausgeschlossen sind, relativiert werden. 51 Siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) bb) (2) (e) mit Fn. 362. Das übersehen U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (620), wenn sie eine gesellschaftsvertragliche Regelung vorschlagen, nach der für sämtliche Beschlüsse eine Mehrheit von 50,1 % ausreichend ist. 46 47
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Kapitalherabsetzungen (§ 222 I 2 AktG), Änderungen des Unternehmensgegenstands (§ 179 II 2 AktG) und Auflösungsbeschlüssen (§ 262 I Nr. 2, 2. Hs. AktG) zulässig ist. Nach diesen Vorschriften besitzt ein privater Minderheitsgesellschafter, der mehr als 25 % des Stamm- bzw. Grundkapitals auf sich vereinigt, grundsätzlich eine Sperrminorität, mit der er wichtige Entscheidungen blockieren kann. Aufgrund des oben geschilderten Interessenkonflikts sind zahlreiche Situationen denkbar, in denen mit einer Zustimmung der (des) privaten Minderheitsgesellschafter(s) nicht gerechnet werden kann. In einer solchen Konstellation ist die Vergleichbarkeit der Ingerenzbefugnisse mit denjenigen gegenüber einer unselbständigen Verwaltungseinheit, deren Bestand, Zweck und Kapitalausstattung im freien Ermessen der Verwaltung steht, nicht mehr gegeben.52 Nach alledem setzt das Kriterium der funktionalen Personenidentität voraus, daß der öffentliche Auftraggeber die gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung in qualifizierter Weise, d. h. mit einer Kapital- (bzw. Stimmrechts-)Mehrheit in Höhe von mindestens 75 %, „positiv beherrscht“. In einer konzernrechtlich beherrschten AG wird dies in aller Regel der Fall sein, da ansonsten schon der Abschluß eines Beherrschungsvertrags kaum durchsetzbar gewesen wäre (vgl. § 293 I 2 AktG).53 Im übrigen ist es entsprechend den Erkenntnissen des Dritten Teils nicht ausgeschlossen, daß eine „qualifizierte positive Beherrschung“ von mehreren Verwaltungsträgern gemeinsam ausgeübt wird, sofern diese ihr Abstimmungsverhalten in rechtsverbindlicher Weise koordinieren und jeder von ihnen seinerseits zumindest über eine qualifizierte Sperrminorität im Sinne des Kriteriums der „negativen Beherrschung“ verfügt.54
dd) Rechtsverhältnisse in gemischtwirtschaftlichen Konzernen Die vergaberechtliche Beurteilung der Leistungsbeziehungen in gemischtwirtschaftlichen Konzernen erfolgt im Prinzip nach den gleichen Maßstäben wie in publizistischen Konzernen.55 Danach sind Tochter- und Enkelgesellschaft miteinander funktional personenidentisch, wenn die Tochtergesellschaft gegenüber der Enkelgesellschaft vergleichbare Ingerenzbefugnisse wie gegenüber einer unselbständigen Betriebseinheit hat: Einer „qualifizierten positiven Beherrschung“ bedarf es insofern nur, wenn an der Enkelgesellschaft unmittelbar private Dritte beteiligt sind; befindet sie sich hingegen im 100 %-igen Eigentum einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung, genügt es, wenn sie als GmbH organisiert ist oder ein Beherrschungsverhältnis gem. §§ 291 I 1, 308 I AktG besteht. In letzterem Fall 52 Ebenso Schauenburg, NZBau 2001, Internet-Aufsatz, S. 7 f. A. A. (freilich unter fehlerhafter Prämisse; siehe oben Fn. 51) U. Jasper / Pooth, VergabeR 2003, 613 (619). 53 Siehe bereits oben Dritter Teil A. IV. 3. b) cc) (3). 54 Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 3) b) bb) (2) (d) bis (e). Dadurch sind der möglichen Anzahl „qualifiziert positiv herrschender“ Gesellschafter allerdings Grenzen gesetzt. 55 Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. c).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
ist das Kartellvergaberecht freilich nur anwendbar, wenn die gemischtwirtschaftliche Tochtergesellschaft öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB ist, was wiederum regelmäßig voraussetzt, daß sie ihrerseits im zumindest mehrheitlichen Eigentum eines Verwaltungsträgers oder einer von ihm „beherrschten“ Privatrechtsvereinigung steht.56 Ferner sind Verwaltungsträger und Enkelgesellschaft miteinander funktional personenidentisch, wenn sowohl im Verhältnis zwischen Verwaltungsträger und Tochtergesellschaft als auch in deren Verhältnis zur Enkelgesellschaft funktionale Personenidentität besteht. Inwieweit das Kriterium der „qualifizierten positiven Beherrschung“ Anwendung findet, richtet sich danach, ob nur an der Tochtergesellschaft, nur an der Enkelgesellschaft oder aber an beiden private Mitgesellschafter beteiligt sind. Im Verhältnis zweier Schwestergesellschaften untereinander besteht funktionale Personenidentität, wenn beide ihrerseits funktional personenidentisch mit der gemeinsamen Mutterkörperschaft bzw. Muttergesellschaft sind: Ist ein (oder sind beide) Vertragspartner gemischtwirtschaftlich strukturiert, muß er (bzw. müssen sie) von dieser „qualifiziert positiv beherrscht“ werden. Ist schließlich an einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung auf staatlicher Seite ein öffentlich-rechtlicher Zweckverband beteiligt, so beurteilen sich die Leistungsbeziehungen zwischen Zweckverband und Tochtergesellschaft nach dem allgemeinen, das Verhältnis zwischen Verwaltungsträgern und gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen regelnden Maßstab der „qualifizierten positiven Beherrschung“. Möchte eine verbandsangehörige Gebietskörperschaft direkt auf die Leistungen der Gesellschaft zugreifen, kommt es zusätzlich auf ihre Ingerenzbefugnisse gegenüber dem Zweckverband an.
b) Das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches Auch die vergaberechtliche Privilegierung der Leistungsbeziehungen zu gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen steht unter dem Vorbehalt, daß jene sich nicht über ein zu vernachlässigendes Maß hinaus am allgemeinen Wettbewerb um Aufträge Dritter beteiligen (Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsteilnahme). Hinsichtlich Begründung und Konkretisierung dieses Kriteriums kann grundsätzlich auf die im Dritten Teil gemachten Ausführungen verwiesen werden.57 Allein die Frage nach dem Empfänger der erbrachten Leistungen stellt sich aufgrund des Hinzutretens privater Anteilseigner unter einem neuen Aspekt. Die im Kontext der formellen Privatisierung vertretene Auffassung, daß sämtliche Leistungsbeziehungen zu den eigenen Anteilseignern nicht als Wettbewerbsteilnahme anzusehen sind,58 läßt sich nach der dort gegebenen Begründung nicht auf die Leistungsbeziehungen zu privaten Minderheitsgesellschaftern übertragen: Da das Kriterium der „gemeinsamen Beherrschung“ keine Anwendung findet, kann es in 56 57 58
Dazu siehe oben Erster Teil A. III. Siehe oben Dritter Teil A. IV. 4. a). Siehe oben Dritter Teil A. IV. 4. a) bb) (1).
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diesem Verhältnis weder funktionale Personenidentität geben noch zu einem Wertungswiderspruch mit einer positiven Beherrschungssituation kommen. Vor allem aber liegt, wenn eine mit einem Verwaltungsträger funktional personenidentische Privatrechtsvereinigung entgeltlich marktfähige Leistungen für einen privaten Auftraggeber erbringt, eine der öffentlichen Hand zurechenbare wirtschaftliche Betätigung vor. Daran ändert auch der Umstand einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung des Privaten nichts, weil es sich insoweit nicht um eine mitgliedschaftliche Innenrechtsbeziehung, sondern um eine nach allgemeinen Regeln zu beurteilende „Drittbeziehung“ der Gesellschaft handelt. Diese Bewertung steht in voller Übereinstimmung mit der Judikatur des EuGH, der in der Rechtssache „ARGE Gewässerschutz“ die Grundsätze der „Teckal / Viano“-Entscheidung zitiert, ohne ihre zweite Voraussetzung („Tätigkeit im wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften [ . . . ], die ihre Anteile innehaben“; Hervorhebung des Verfassers) auf private Anteilseigner auszuweiten.59 Wie jedes andere Fremdgeschäft sind somit auch eventuelle Leistungsbeziehungen zu privaten Minderheitsgesellschaftern nur insoweit unschädlich, als sie sich im Rahmen der an § 10 I VgV orientierten Bagatellausnahme halten. Praktische Probleme dürften daraus indessen nicht erwachsen, da mit der Gründung einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung eher die Einbringung von Leistungen des privaten Partners bezweckt wird – und nicht umgekehrt.60 Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt nicht nur rechtlich, sondern bereits faktisch grundlegend von der Konstellation einer gemischt-öffentlichen Aufgabenwahrnehmung.
2. Vorliegen eines expliziten Ausnahmetatbestands Ergibt die Anwendung der beiden vorgenannten Kriterien im konkreten Fall, daß die Leistungsbeziehungen zu einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung als öffentlicher Auftrag i. S. d. § 99 I GWB zu qualifizieren sind, bleibt wiederum nur die Prüfung des in § 100 II GWB enthaltenen Ausnahmekatalogs. Auch insofern gelten die im Dritten Teil getroffenen Feststellungen entsprechend.61 Hinzuweisen ist lediglich darauf, daß die von § 100 II lit. g GWB vorausgesetzte Auftraggebereigenschaft gem. § 98 Nr. 2 GWB bei einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung nur dann vorliegen wird, wenn diese sich zumindest mehrheitlich im Eigentum eines Verwaltungsträgers oder einer publizistischen bzw. verwaltungsbeherrschten gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung befindet.62 In Ermangelung eines auf Gesetz oder Verordnung beruhenden 59 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11080), Rn. 40. 60 Daraus ergeben sich freilich Rechtsprobleme eigener Art, auf die an späterer Stelle zurückzukommen ist [siehe unten Vierter Teil A. II. 1. c) cc)]. 61 Siehe oben Dritter Teil B. 62 Dazu siehe oben Erster Teil A III.
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ausschließlichen Rechts der Auftragnehmerin wird es darauf jedoch in den meisten Fällen nicht ankommen. Weil schließlich auch die gegen eine (analoge) Anwendung des § 100 II lit. f und i GWB angeführten Gründe unverändert zutreffen, existiert auch für die vorliegende Fallgruppe kein spezifischer Ausnahmetatbestand.
3. Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß der Tatbestand des öffentlichen Auftrags gem. § 99 I GWB, auch soweit es um die Beurteilung der Leistungsbeziehungen zu gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen geht, einer teleologischen Reduktion zugänglich ist. Dem steht weder die Rechtsprechung des EuGH noch das gesellschaftsrechtliche Minderheitenschutzrecht entgegen; vielmehr sind die Kriterien der funktionalen Personenidentität und der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches prinzipiell auch im Rahmen der funktionalen Privatisierung anwendbar. Abweichend von der im Rahmen der formellen Privatisierung geltenden Rechtslage verlangt das Kriterium der funktionalen Personenidentität hier jedoch, daß der öffentliche Auftraggeber (ggf. mit einem anderen Verwaltungsträger gemeinsam) die gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung in qualifizierter Weise, d. h. mit einer Kapital- (bzw. Stimmrechts-)Mehrheit in Höhe von mindestens 75 %, „positiv beherrscht“. Dies hat insbesondere zur Folge, daß das in der kommunalen Praxis verbreitete „Kooperationsmodell“, nach dem ein privater Investor 49 % des Stammkapitals einer GmbH erwirbt, vorbehaltlich einer stark abweichenden Stimmrechtsverteilung nicht mehr als „In-house-Geschäft“ (im weiteren Sinne) angesehen werden kann. Im Sinne einer Rückausnahme verlangt das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches, daß die gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung nicht über ein zu vernachlässigendes Maß hinaus am allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerb teilnimmt, indem sie zu mehr als 20 % für andere Auftraggeber als an ihr beteiligte Verwaltungsträger (oder mit diesen funktional personenidentische Rechtssubjekte) tätig wird. In allen übrigen Fällen ist, soweit nicht im Einzelfall ein Ausnahmetatbestand gem. § 100 II GWB eingreift, der sachliche Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts eröffnet. Eine noch restriktivere Tendenz lag dem geänderten Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 06. 05. 2002 zugrunde, dessen Artikel 19a Nr. 1 eine vergaberechtliche Privilegierung offenbar nur für die Leistungsbeziehungen zu publizistischen Privatrechtsvereinigungen vorsah.63 Eine solche Beschränkung hätte zwar zu einer erhöhten Rechtssicherheit beigetragen, aus teleologischer Sicht 63 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge v. 06. 05. 2002, ABl. 2002, C 203 E, S. 210. Dazu siehe oben Dritter Teil A. V.
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jedoch über ihr Ziel hinausgeschossen und sich nicht zuletzt über die bisher großzügigere Rechtsprechung des EuGH64 hinweggesetzt. Daher ist es zu begrüßen, daß die inzwischen verabschiedete VKR diesen Artikel nicht aufgegriffen hat und insoweit bewußt keinen Einfluß auf die Rechtslage und ihre weitere Entwicklung nimmt.
II. Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen durch Private Es wurde bereits erwähnt, daß das Kartellvergaberecht möglicherweise schon auf einer früheren Stufe – bei dem Erwerb der Gesellschaftsbeteiligung durch den privaten Investor – eine Rolle spielen kann. Die damit verbundenen Rechtsfragen gehören zu den derzeit am heftigsten diskutierten und umstrittensten Problemen des materiellen Vergaberechts. Da hierzu – im Gegensatz zu den zuvor behandelten Fragestellungen – bislang keine höchstrichterliche Grundsatzentscheidung ergangen ist, besteht in der Praxis weiterhin ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit.
1. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstands Vor einem Einstieg in die rechtliche Bewertung ist es ebenso hilfreich wie notwendig, sich Klarheit über den Untersuchungsgegenstand zu verschaffen; denn die Beteiligung an einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung kann rechtlich auf durchaus unterschiedliche Weise konstruiert werden. Insofern ist zunächst zwischen originärem und derivativem Beteiligungserwerb zu differenzieren: Einerseits kann der private Investor – originär – bereits bei der Entstehung der Privatrechtsvereinigung mitwirken; das zu untersuchende Rechtsgeschäft ist in diesem Fall der Abschluß eines Gesellschaftsvertrags gem. § 705 BGB (i. V. m. §§ 2 ff. GmbHG bzw. §§ 23 ff. AktG) zwischen einem (oder mehreren) öffentlichen Auftraggeber(n) und einem (oder mehreren) Privaten als Gründungsgesellschaftern. Andererseits kann er – derivativ – auch zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Beteiligung an einer bereits bestehenden (zuvor) publizistischen oder gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung erwerben; Untersuchungsgegenstand ist in diesem Fall die in Form eines schuldrechtlichen Kaufvertrags gem. §§ 453 I, 433 I 1 BGB (i. V. m. § 15 GmbHG) erfolgende Anteilsveräußerung durch einen öffentlichen Auftraggeber. Eine dritte Variante stellt die Fusion einer (bestehenden) Tochtergesellschaft des privaten Investors mit einer (bestehenden) publizistischen oder gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung durch Verschmelzungsvertrag gem. § 2 UmwG dar; je nachdem, ob die Verschmelzung im Wege 64 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-94 / 99 (ARGE Gewässerschutz / Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), Slg. 2000, I-11037 (11080), Rn. 40. Dazu siehe oben Vierter Teil A. I. 1. a) aa) sowie Dritter Teil A. IV. 2. a) bb) und c).
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der Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG) oder im Wege der Neugründung (§ 2 Nr. 2 UmwG) erfolgt, handelt es sich dabei um derivativen oder originären Beteiligungserwerb. In allen drei Varianten, die im Ergebnis denselben rechtlichen Erfolg – nämlich eine mitgliedschaftliche Beteiligung des privaten Investors an einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung – bewirken, fungierte eine eventuelle „Ausschreibung der Gesellschafterstellung“ als ein Verfahren zur Auswahl eines geeigneten privaten Mitgesellschafters.
2. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts ist wiederum das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 I GWB, also eines entgeltlichen Vertrags zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen über Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen. Die insofern erforderliche Personenverschiedenheit zwischen den Vertragspartnern65 ist, solange die mit dem Beteiligungserwerb bezweckte gesellschaftsrechtliche Verbindung noch nicht vollzogen ist, sowohl in formaler als auch funktionaler Hinsicht gegeben. Eine generelle Ausschreibungspflicht bei der Auswahl eines privaten Mitgesellschafters wurde, soweit ersichtlich, bisher nur von den obersten Kommunalaufsichtsbehörden in Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen angenommen.66 Allerdings sind diese Positionen nicht ohne weiteres auf das Kartellvergaberecht übertragbar, weil sie sich ausschließlich auf Vorschriften des allgemeinen Kartellrechts (§ 20 I GWB) und des kommunalen Haushaltsrechts stützen. Vielmehr läßt sich die sachliche Reichweite des Kartellvergaberechts auch in dieser Frage nur im Wege der Auslegung des § 99 GWB ermitteln.
a) Grammatische Auslegung Öffentliche Aufträge sind nach der Legaldefinition des § 99 I GWB „entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben“. Gleichgültig, ob der Beteiligungserwerb durch Gesellschaftsgründung, Anteilsveräußerung oder VerschmelDazu siehe ausführlich oben Dritter Teil A. I. 2. und IV. 3. Brandenburgisches Innenministerium, Runderlaß II Nr. 3 / 1996 v. 01. 04. 1996 – Az. II / 4 – 80 – 50 – 00; Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Bekanntmachung v. 15. 09. 1997 – Az. 34.3 – 32579 / 6; Sächsisches Innenministerium, Rundschreiben v. 21. 08. 1995 – Az. 23 – 226 / 97 (jeweils zit. nach Faber, DVBl. 2001, 248, 257 mit Fn. 62); Thüringer Innenministerium, Rundschreiben 01 / 98 an die Landratsämter des Freistaates Thüringen v. 16. 01. 1998 – Az. 34 – 1582 – 001(28), VergabeR 2 / 1998, 46. Ohne nähere Begründung auch Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 19 Rn. 19. Für eine analoge Anwendung der §§ 97 ff. GWB Schubert, WuW 2001, 254 (260). 67 So Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1047). 65 66
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zung erfolgt, liegt ihm in jedem Fall eine vertragliche Willenseinigung zwischen den beteiligten Akteuren zugrunde. Hinsichtlich der übrigen Definitionsmerkmale empfiehlt sich hingegen eine Differenzierung nach der Art des Beteiligungserwerbs.
aa) Veräußerung von Gesellschaftsanteilen Die größte Aufmerksamkeit in der gegenwärtigen Diskussion erfahren die Verträge zur Veräußerung von Gesellschaftsanteilen. Die Veräußerung könnte entweder eine Lieferung oder eine Dienstleistung zum Gegenstand haben. Lieferaufträge sind in § 99 II GWB als „Verträge zur Beschaffung von Waren“ (S. 1), die „auch Nebenleistungen umfassen“ können (S. 2), definiert. Auch wenn man den Begriff der Ware entsprechend der Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 23 ff. EG nicht nur auf bewegliche Sachen i. S. d. § 90 BGB bezieht67, sondern darüber hinaus auf unkörperliche Gegenstände wie z. B. Elektrizität erstreckt,68 erscheint eine Subsumtion des Beteiligungserwerbs, bei dem allenfalls die aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte übergehen (§§ 413, 398 BGB), schon vom Wortlaut her problematisch.69 Gleichwohl bejaht Graf Kerssenbrock – jedenfalls für den Fall der Anteilsveräußerung – den Tatbestand eines Lieferauftrags, weil mit der Gesellschaftsbeteiligung auch die Ausübungsrechte bezüglich des Aktivvermögens der Gesellschaft übertragen würden, welches zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch aus Waren bestehe. Insoweit handele es sich zumindest um „Nebenleistungen“ i. S. d. § 99 II 2 GWB.70 Indessen verzichtet diese Norm gerade nicht auf den Übergang von Waren i. S. d. § 99 II 1 GWB, sondern bestimmt lediglich, daß ein Vertrag nicht dadurch seinen Charakter als Lieferauftrag verliert, daß neben der Lieferung von Waren auch noch andere Leistungen erbracht werden. Nach der Ansicht von Kleine / Flöther / Bräuer kommt die Einordnung als Lieferauftrag allenfalls in Betracht, wenn das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen als Ganzes veräußert wird. Solle dies im Wege der Anteilsveräußerung bewirkt werden, müsse jedoch eine derart qualifizierte Kapitalmehrheit übertragen werden, daß der Erwerber wirtschaftlich betrachtet die Stellung eines nicht in seinen Rechten beschränkten Unternehmers
68 Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 67; Frenz, DÖV 2002, 186 (188); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (457); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 22; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 37. Vgl. zu Art. 23 ff. EG EuGH, Urt. v. 27. 04. 1994 – Rs. C393 / 92 (Gemeente Almelo / Energiebedrijf Ijsselmij NV), Slg. 1994, I-1477 (1516), Rn. 28; Müller-Graff, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EGVertrag, Bd. 1, Art. 30 Rn. 269, 276. 69 Frenz, DÖV 2002, 186 (188); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1047); insoweit auch Graf Kerssenbrock, WuW 2001, 122 (123). 70 Graf Kerssenbrock, WuW 2001, 122 (123).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
einnnehme.71 Ließe sich danach bei wirtschaftlicher Betrachtung das Aktivvermögen der Gesellschaft als Hauptleistungsgegenstand identifizieren, könnte man die Mitgliedschaftsrechte möglicherweise als – einer Warenlieferung untergeordnete – „Nebenleistungen“ ansehen. Zweifel an einer solchen Auslegung ergeben sich bei einem Wortlautvergleich mit der von § 99 II GWB umgesetzten Bestimmung des Art. 1 lit. a LKR, die statt pauschal von „Nebenleistungen“ beispielhaft von „Nebenarbeiten wie dem Verlegen und Anbringen“ spricht. Ohnehin fehlt es an den für eine Veräußerung des Unternehmens als Ganzes geforderten Voraussetzungen jedenfalls dann, wenn sich die öffentliche Hand weiterhin eine Mehrheitsbeteiligung vorbehält. In diesem Fall bliebe nur noch die Einordnung als Dienstleistungsauftrag. Die in § 99 IV GWB enthaltene Legaldefinition, nach der „Verträge über Leistungen, die nicht unter Abs. 2 oder 3 fallen [ . . . ]“, als Dienstleistungsaufträge gelten, wird überwiegend als weit auszulegender Auffangtatbestand verstanden.72 Diese Auslegung ist jedoch insoweit nicht ganz zweifelsfrei, als es nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein kann, sämtliche Verträge, bei denen ein öffentlicher Auftraggeber Vertragspartei ist, als Dienstleistungsaufträge zu qualifzieren.73 Aus diesem Grunde bedarf auch die daraus abgeleitete Folgerung Graf Kerssenbrocks, daß Anteilsveräußerungsverträge „mindestens im Sinne der gesetzlichen Fiktion des § 99 IV GWB als Dienstleistungsauftrag einzustufen“ seien,74 einer kritischen Überprüfung. Bei näherer Analyse beruhen die vorgetragenen Auffassungen auf einem grundlegenden Mißverständnis, dessen Schlüssel bereits im Wortlaut des § 99 GWB zu finden ist: Berücksichtigt man, daß § 99 II-IV GWB nur Konkretisierungen des in § 99 I GWB definierten Grundtatbestands des öffentlichen Auftrags enthält, führt eine isolierte Betrachtung des Auftragsgegenstands nicht weiter. Vielmehr ist die in § 99 I GWB angelegte subjektbezogene Differenzierung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer auch im Rahmen des § 99 II-IV GWB nachzuvollziehen. Der Begriff „Auftrag“ beschreibt eine Beziehung, in der ein Auftragnehmer Leistungen für einen Auftraggeber erbringt bzw. umgekehrt ein Auftraggeber Leistungen von einem Auftragnehmer empfängt. Somit bestimmt die nach § 98 GWB erfolgende 71 Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1047). Zu beachten ist allerdings, daß mit dem Verlust der Verwaltungskontrolle auch eine Überschreitung der Grenze von der funktionalen zur materiellen Privatisierung einhergeht [siehe oben Zweiter Teil A. III. 2. b)]. 72 Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (105); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 80; Graf Kerssenbrock, WuW 2001, 122 (123); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 47 f. Vgl. W. Bayer / Franke / Opitz, EU-Vergaberecht, Rn. 54, 118; Noch, BauR 1998, 941 (945); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 83; Zirbes, VergabeR 2004, 133 (140 f.). 73 So zu Recht Mehlitz, WuW 2001, 569 (571). Für eine engere Auslegung wohl auch Frenz, DÖV 2002, 186 (188): Dienstleistungen seien zwar „Gegenstand der Tätigkeit der Gesellschaft [ . . . ], aber selbst nicht Teil des Übertragungsgeschäfts“. 74 Graf Kerssenbrock, WuW 2001, 122 (123).
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Identifikation (z. B. eines Verwaltungsträgers) als „öffentlicher Auftraggeber“ denselben automatisch zum Empfänger der in § 99 II-IV GWB definierten Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen.75 Von dieser Prämisse gehen auch die EG-Vergaberichtlinien aus, wenn sie den Auftragnehmer in Art. 1 lit. a LKR und DKR (vgl. Art. 1 II lit. a i. V. m. VIII 1 und 2 VKR) als „Lieferanten“ bzw. „Dienstleistungserbringer“ bezeichnen.76 Daß der deutsche Gesetzgeber mit der Einführung des „Unternehmens“ als gemeinsamen Oberbegriffs keine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts gegenüber den EG-Vergaberichtlinien bezweckt hat, ergibt sich nicht nur aus der Gesetzesbegründung,77 sondern spiegelt sich auch in dem in § 99 II GWB enthaltenen Definitionsmerkmal „zur Beschaffung“ wider. Dieses korrespondiert mit der in § 97 I GWB getroffenen Grundentscheidung, daß sämtliche Regelungen des Kartellvergaberechts – entsprechend der traditionellen Funktion des (Haushalts-)Vergaberechts – ausschließlich die Beschaffungstätigkeit öffentlicher Auftraggeber betreffen.78 Beschaffung bildet nicht nur einen Gegenbegriff zur „Eigenproduktion“,79 sondern beschreibt zugleich einen Vorgang, der im Marktgeschehen notwendigerweise auf der Nachfrageseite stattfindet. Hingegen betätigt sich ein öffentlicher Auftraggeber bei der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils gerade als Anbieter desselben. Selbst eine noch so weite Auslegung des Leistungsgegenstands änderte nichts an der Tatsache, daß der öffentliche Auftraggeber insofern als Erbringer und nicht als Empfänger der Leistung aufträte, die Vertragsparteien aus vergaberechtlicher Sicht also gleichsam ihre Rollen vertauschten. Mithin sind Anteilsveräußerungsverträge eindeutig nicht vom Wortlaut des § 99 I GWB erfaßt.80 75 Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 11; Mehlitz, WuW 2001, 569 (570). Instruktiv VÜA Bund, WuW / E VergAB 56 (57), wonach „die Lieferrichtlinie nur Anwendung findet auf Aufträge zur Lieferung an den öffentlichen Auftraggeber und nicht auf Lieferungen durch den Auftraggeber“ (Hervorhebungen des Verfassers). Entgegen Stickler (VergabeR 2002, 49) läßt somit schon der Wortlaut keineswegs offen, „ob allein die Beschaffung durch einen öffentlichen Auftraggeber oder auch durch Dritte von einem öffentlichen Auftraggeber gemeint ist“ (vgl. auch ders., in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 4). 76 Gelen, Müll und Abfall 2001, 582 (586); Stickler, VergabeR 2002, 49. 77 Vgl. Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 15, wonach die Legaldefinitionen der öffentlichen Aufträge auf den Definitionen der EGRichtlinien beruhen und diesen entsprechen. 78 Gelen, Müll und Abfall 2001, 582 (586); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 157; Mehlitz, WuW 2001, 569 (570); Otting, VergabeR 2002, 11 (12); Stickler, VergabeR 2002, 49. Vgl. zum Gegenstand der EG-Vergaberichtlinien W. Bayer / Franke / Opitz, EU-Vergaberecht, Rn. 111. 79 Siehe oben Dritter Teil A. II. 1. a). 80 Jedenfalls im Grundsatz allg. M.: Vgl. nur OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (647); Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 105; Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 18; Byok, NJW 2004, 198 (203); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 4; ders., NZBau 2002, 245 (248); Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780; Ehlers, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 61; Endler, NZBau 2002, 125 (132); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 24, 42; Gelen, Müll und Abfall 2001, 582 (586); Jaeger, in: Büdenbender /
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
bb) Gesellschaftsgründung und Verschmelzung Weniger hilfreich sind die bisher verwendeten Maßstäbe im Falle einer originären Gesellschaftsgründung. Zwar vermittelt der Gesellschaftsvertrag dem privaten Investor im Ergebnis dieselben mitgliedschaftlichen Rechte an der Gesellschaft wie eine Anteilsveräußerung. Da der Gegenstand dieser Rechte – und damit die Rechte selbst – jedoch frühestens mit dem Vertragsschluß entstehen,81 vollzieht sich ihr Erwerb ohne einen der Anteilsveräußerung vergleichbaren Übertragungsakt. Gleichwohl erlaubt die Tatsache, daß der öffentliche Auftraggeber insofern nichts „anzubieten“ hat, keinen Umkehrschluß auf eine Beschaffung i. S. d. § 99 I GWB; denn auch seine eigenen Rechte an der Gesellschaft entstehen ipso iure mit deren Gründung. Gegenstand einer Beschaffung könnten allenfalls die von dem Mitgesellschafter einzubringenden Leistungen sein, insbesondere die gem. § 19 GmbHG bzw. § 36a AktG zu leistende Einlage. Handelt es sich um eine sog. Bareinlage, könnte man insoweit eine Finanzdienstleistung i. S. d. § 99 IV GWB annehmen.82 Weil ein entsprechender Leistungsanspruch jedoch ausschließlich in der Person der Gesellschaft entsteht, käme die Leistung dem öffentlichen Auftraggeber allenfalls mittelbar zugute. Auch soweit sich zusätzliche Leistungspflichten aus der gegenseitigen Zweckförderungspflicht gem. § 705 BGB oder aus individuellen Zusatzvereinbarungen ergeben, kann der öffentliche Auftraggeber nur die Leistung an die Gesellschaft verlangen und tritt nicht selbst als Beschaffungssubjekt in Erscheinung.83 Hinzu kommt, daß den Leistungen des Mitgesellschafters keine unmittelbare Gegenleistung gegenübersteht: Zwar sind mit der Gesellschafterstellung Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (469); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 169; Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1047); Krutisch, NZBau 2003, 650 f.; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 10, 21; Mehlitz, WuW 2001, 569 (570); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 13; Opitz, ZVgR 2000, 97 (106); Otting, VergabeR 2002, 11 (12); Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (VII); Stickler, VergabeR 2002, 49; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 27; Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 221. 81 Die Gesellschaft entsteht als solche erst mit der Eintragung ins Handelsregister (§ 11 I GmbHG bzw. § 41 I 1 AktG). Davor existiert lediglich eine sog. Vor-Gesellschaft. 82 Vgl. Horn, LKV 1996, 81 (83); Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H. IV Rn. 115; Wilke, ZfBR 2004, 141 (146). In diesem Fall könnte allerdings der Ausnahmetatbestand des § 100 II lit. m GWB eingreifen. A. A. wohl Burgi, NVwZ 2001, 601 (605): „schon gar kein ,Auftrag‘ i. S. des § 99 I GWB“. 83 Vgl. im Ergebnis – wenn auch ohne nähere Begründung – Dreher, NZBau 2002, 245 (248); Ehlers, Gutachten E für den 64. Deutschen Juristentag, S. 61; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 170; Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 27; O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 230; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 10, 21; ders., NZBau 2002, 311 (313); Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (VII); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 4, 43; Weihrauch / Meyer-Hofmann, Vergabepraxis, S. 221.
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auch Vermögensrechte verbunden (vgl. §§ 29 GmbHG, 58 IV AktG); doch bieten diese zunächst nicht mehr als eine künftige Gewinnchance, deren Realisierung vom Geschäftserfolg der Gesellschaft abhängt und angesichts der damit einhergehenden Risiken nicht a priori unterstellt werden kann. Unabhängig vom Vorliegen einer Liefer- oder Dienstleistung fehlt es somit auch am Merkmal der Entgeltlichkeit i. S. d. § 99 I GWB.84 Größere Schwierigkeiten bereitet die vergaberechtliche Beurteilung von Verschmelzungsverträgen. Soll die Verschmelzung im Wege der Aufnahme erfolgen (§ 2 Nr. 1 UmwG), sind zwei Konstellationen denkbar: In der ersten überträgt eine bestehende private Gesellschaft (sog. übertragender Rechtsträger) ihr gesamtes Vermögen auf eine bestehende publizistische (oder verwaltungsbeherrschte gemischtwirtschaftliche) Gesellschaft (sog. übernehmender Rechtsträger); im Gegenzug erhalten die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers eine festgelegte Zahl von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers, ggf. zuzüglich einer baren Ausgleichszahlung (§ 15 UmwG).85 Sämtliche Rechtsfolgen bedürfen keines separaten Vollzugsgeschäfts, sondern treten ipso iure mit der konstitutiven Handelsregistereintragung der Verschmelzung ein (§ 20 UmwG). Vertragspartner eines Verschmelzungsvertrags sind – im Unterschied zur Anteilsveräußerung und Gesellschaftsgründung – nicht die Anteilseigner der betroffenen Gesellschaften, sondern die Gesellschaften selbst; die Mitwirkung der beiden Anteilseignerversammlungen beschränkt sich auf einen zustimmenden Verschmelzungsbeschluß (§ 13 UmwG). Vorausgesetzt, der übernehmende Rechtsträger ist seinerseits öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB,86 könnte der Verschmelzungsvertrag einen Lieferauftrag i. S. d. § 99 II GWB über das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers beinhalten. Auch wenn insoweit ein zumindest formales Beschaffungselement nicht zu leugnen ist, bestehen Zweifel, ob der Verschmelzungsvertrag als solcher auch materiell Beschaffungscharakter aufweist: In der Regel dürfte die auf den Beteiligungserwerb gerichtete „Nachfrage“ des Privaten mindestens so groß sein wie die auf den Vermögenserwerb gerichtete „Nachfrage“ der öffentlichen Hand. Falls das erste Element überwiegt, entspricht die Verschmelzung in ihrer wirtschaftlichen Funktion weitgehend einer – mit einer Kapitalerhöhung kombinierten – Anteilsveräußerung. In jedem Fall tritt der öffentliche Auftraggeber nicht allein als Nachfrager auf, sondern bietet zumindest auch selbst etwas an.87 84 Vgl. VK Brandenburg, Beschl. v. 17. 09. 2002 – VK 50 / 02 (zit. nach Weyand, ZfBRSonderbeilage 5 / 2003, 13, 17); Frenz, DÖV 2002, 186 (188); Opitz, ZVgR 2000, 97 (106); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, § 99 Rn. 5. 85 Hierzu siehe Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 6 Rn. 2 ff. 86 Dies ist sowohl bei publizistischen als auch bei verwaltungsbeherrschten gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen regelmäßig der Fall (vgl. oben Erster Teil A. III.). 87 Insoweit zutreffend Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 6 Rn. 13. Nicht einleuchten will vor diesem Hintergrund, warum dies. (a. a. O., Kap. 6 Rn. 26) eine Ausschreibungspflicht zugleich mit dem gegenteiligen Argument ablehnen, die Beteiligung des Privaten sei eine lediglich hinzunehmende Folge der Fusion, während die Beweggründe der
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Nicht minder zweifelhaft erscheint die Vereinbarung eines Entgelts i. S. d. § 99 I GWB; denn die Gegenleistung für die „Lieferung“ des übertragenden Rechtsträgers (in Form von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers bzw. der baren Zuzahlung) fließt nicht an den „Lieferanten“ selbst, sondern an dessen Anteilseigner. Im übrigen kann der übertragende Rechtsträger schon deshalb kein Entgeltempfänger sein, weil er ipso iure mit dem Vollzug der Verschmelzung erlischt (§ 20 I Nr. 2 UmwG). Auch wenn der Wortlaut des § 99 GWB die Einbeziehung von Verträgen zugunsten Dritter nicht schlechthin ausschließt, entspricht ein Vertrag, der auf das Erlöschen des einen Vertragspartners zugunsten einer Gesamtrechtsnachfolge des anderen gerichtet ist, in keiner Weise der – von einer schuldrechtlichen Austauschbeziehung geprägten – Vorstellung, die das Gesetz mit dem Begriff des öffentlichen Auftrags verbindet. Dieser Einwand betrifft erst recht die umgekehrte Konstellation, daß eine publizistische Gesellschaft (als übertragender Rechtsträger) auf eine private oder gemischtwirtschaftliche Gesellschaft (als übernehmenden Rechtsträger) verschmolzen wird:88 Hier läßt sich ein Lieferauftrag schon formal nicht konstruieren, weil die Verschmelzung zum Untergang des öffentlichen Auftraggebers führt. Aber auch aus der Sicht des zustimmenden Verwaltungsträgers liegt keine Beschaffung, sondern eine Vermögensveräußerung vor, für die er selbst eine Gegenleistung (in Form von Gesellschaftsanteilen bzw. einer baren Zuzahlung) vereinnahmt.89 Ebenso deutlich fällt das Urteil aus, wenn die Verschmelzung im Wege der Neugründung erfolgen soll (§ 2 Nr. 2 UmwG). Diese unterscheidet sich von den vorstehenden Konstellationen dadurch, daß nicht nur eine der beteiligten Gesellschaften, sondern beide Vertragspartner ihr gesamtes Vermögen auf einen neuen, von ihnen dadurch gegründeten Rechtsträger übertragen, dessen Gesamtrechtsnachfolge das Erlöschen beider übertragender Rechtsträger bewirkt. Aufgrund des identischen Verpflichtungsumfangs der Vertragspartner ist eine Differenzierung zwischen Leistung („Lieferung“) und Gegenleistung („Entgelt“) schon formal kaum durchführbar. Da beide Vertragspartner in identischer Funktion auftreten, folglich auf keiner Seite der Angebots- oder Nachfragecharakter überwiegen kann, liegt auch materiell kein Beschaffungsgeschäft eines öffentlichen Auftraggebers vor. Wirtschaftlich betrachtet ist diese Form der Verschmelzung ein vereinfachtes Äquivalent zu einer regulären Gesellschaftsgründung (mit anschließender Auflösung der bestehenden Gesellschaften), welches lediglich die rechtstechnischen und steuerrechtlichen Nachteile einer Einzelrechtsnachfolge hinsichtlich der einzubrinöffentlichen Hand (für die Zustimmung zur Verschmelzung) vorrangig die Übernahme des Vermögens der privaten Gesellschaft beträfen. Weil diese Argumentation auf der singulären Situation beruht, daß der private Investor (bzw. seine Tochtergesellschaft) bereits öffentliche (Teil-)Aufträge innehat (vgl. dies., a. a. O., Kap. 6 Rn. 2, 20), bildet sie ohnehin keine geeignete Prämisse für die generelle Einordnung von Verschmelzungsverträgen. 88 Zu einem Sachverhalt siehe z. B. VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 ff. 89 Vgl. Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (VI f.).
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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genden Vermögensgegenstände vermeidet, aber ebensowenig vom Wortlaut des § 99 I GWB erfaßt wird wie der Abschluß eines Gesellschaftsvertrags. cc) Zwischenergebnis Orientiert man sich streng am Wortlaut des Gesetzes, stellen Verträge über den Erwerb einer Gesellschaftsbeteiligung keine öffentlichen Aufträge i. S. d. § 99 GWB dar. Unabhängig von der jeweiligen rechtlichen Konstruktion mangelt es entweder am Beschaffungscharakter oder jedenfalls an der Entgeltlichkeit des zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem privaten Mitgesellschafter vereinbarten Leistungsaustausches. Obwohl der Wortlaut die Grenzen der Auslegung definiert, ist deren Ergebnis stets als Produkt mehrerer Methoden zu begreifen – sei es, daß sie den grammatischen Befund bestätigen, sei es, daß sie in bestimmten Fallkonstellationen Anlaß zu einer analogen Anwendung (bzw. teleologischen Reduktion) der Norm geben.90 b) Systematische Auslegung Nach der Methode der systematischen Auslegung ist zu fragen, ob eine Ausschreibung der Gesellschafterstellung zu Wertungswidersprüchen innerhalb der Rechtsordnung führte. Insoweit wird die Auslegung des § 99 GWB sowohl durch die verfassungsrechtlichen Grundlagen als auch durch die (sonstigen) einfachrechtlichen Rahmenbedingungen der Existenz gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen beeinflußt. aa) Verfassungskonforme Auslegung (Art. 28 II 1, 9 I GG) Die Ausschreibungsfreiheit des Beteiligungserwerbs durch Private könnte sich als Gebot einer verfassungskonformen Auslegung ergeben, wenn das Grundgesetz eine „Freiheit“ zur Bildung gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen enthält, d. h. wenigstens einem der Beteiligten die freie Auswahl seines Mitgesellschafters garantiert. Dogmatische Anknüpfungspunkte könnten insofern die Art. 28 II 1 und 9 I GG bieten. Wenn auf staatlicher Seite eine kommunale Gebietskörperschaft involviert ist, ist der Regelungsbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gem. Art. 28 II 1 GG betroffen. Wie im Dritten Teil bereits ausgeführt, umfaßt die darin eingeschlossene Organisationshoheit auch die Befugnis zur Inanspruchnahme privatrechtlicher Organisationsformen.91 Hierzu hat der Erwerb einer Gesellschaftsbetei90 91
Näheres zu Methodik und Terminologie siehe oben Dritter Teil A. I. 3. Dazu siehe ausführlich oben Dritter Teil A. II. 2. b).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
ligung insofern einen engeren Bezug als die zuvor untersuchten Leistungsbeziehungen, als es nicht nur um die Privatisierungsfolgen, sondern um die Privatisierungsentscheidung selbst geht. Andererseits können der Organisationshoheit schon begrifflich nur solche Maßnahmen zugerechnet werden, die allein der Entscheidung des sich organisierenden Rechtsträgers entspringen. Da die Bildung einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung aber zugleich der Privatautonomie des privaten Mitgesellschafters unterliegt, handelt es sich insoweit nicht um eine kommunale Organisationsentscheidung im engeren Sinne. Zwar geht die herrschende Meinung von einem erweiterten Organisationsbegriff aus, wenn sie den Schutz des Art. 28 II 1 GG auf die sog. Kooperationshoheit erstreckt.92 Weil damit aber nur das Zusammenwirken zweier (oder mehrerer) gleichgeordneter Selbstverwaltungsträger angesprochen wird, bleibt die Kooperationshoheit stets auf beiden Seiten Ausfluß eigener Organisationshoheit und die Bildung einer gemischt-öffentlichen Privatrechtsvereinigung eine kommunale Organisationsentscheidung im weiteren Sinne. Soweit sich die Kooperation hingegen auf Rechtssubjekte erstreckt, die selbst nicht Adressaten des kommunalen Selbstverwaltungsrechts sind, verläßt sie den Schutzbereich des Art. 28 II 1 GG und damit auch der Kooperationshoheit. Ein anderes Verständnis unterliefe die verfassungsrechtliche Trennung zwischen Staat und Gesellschaft und wäre schwerlich mit der systematischen Verankerung des Art. 28 GG als Teil des Staatsorganisationsrechts vereinbar. Selbst wenn man die hier vertretene Schutzbereichsauslegung nicht teilen wollte, könnte ein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht schließlich im Rahmen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts gerechtfertigt werden.93 Gegen eine Ausschreibungspflicht könnte ferner die in Art. 9 I GG grundrechtlich geschützte Vereinigungsfreiheit streiten. Danach haben alle Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Ungeklärt ist, ob sich der Schutzbereich des Art. 9 I GG auch auf die Bildung gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen erstreckt. Nach nahezu allgemeiner Auffassung wird der verfassungsrechtliche Vereinigungsbegriff zutreffend umschrieben durch § 2 I VereinsG: Danach muß sich eine, aus mindestens zwei Personen bestehende,94 „Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen“ haben.95 Diese Merkmale treffen auf gemischtwirtschaftliche PrivatrechtsverSiehe oben Dritter Teil A. II. 2. b) mit Fn. 107. Zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl. oben Dritter Teil A. II. 2. d). 94 H. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 9 Rn. 34; Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 9 Rn. 10; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 3; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 9 Rn. 28; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 59. 95 H. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 9 Rn. 33; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 3; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 9 Rn. 27; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 57. Vgl. im Ergebnis auch Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 9 Rn. 8 ff.; Merten, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. VI, § 144 Rn. 35. 92 93
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einigungen unabhängig davon zu, ob sie Gemeinwohlbelange oder erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgen. Zwar hat das BVerfG mit Blick auf den „personalen Grundzug“ der Vereinigungsfreiheit Zweifel angemeldet, ob ihrem Schutzbereich auch größere Kapitalgesellschaften, zumal mit juristischen Personen als Anteilseignern, unterfallen.96 Aufgrund des insoweit offenen Wortlauts des Art. 9 I GG, der „Vereine und Gesellschaften“ in allgemeiner Form benennt, ohne auch nur andeutungsweise Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Beschränkung zu bieten, ist jedoch mit der ganz herrschenden Lehrmeinung davon auszugehen, daß auch solche Vereinigungen erfaßt sind, bei denen die personale Bindung hinter der kapitalistischen Struktur zurücktritt.97 Eine wesentliche Einschränkung ergibt sich allerdings aus dem Umstand, daß Art. 9 I GG hier in seiner Funktion als individuelles Abwehrrecht gegen (legislative) staatliche Einflußnahmen angesprochen ist:98 Weil ein solches Abwehrrecht gegen den Staat keinen Sinn ergäbe, wenn es zusammen mit dem Staat ausgeübt werden könnte, erfaßt die Vereinigungsfreiheit auf ihrer positiven Gewährleistungsebene weder öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse99 noch privatrechtliche Zusammenschlüsse, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts dominiert werden. Vielmehr muß zumindest die Mehrzahl der Mitglieder ihrerseits grundrechtsberechtigt gem. Art. 9 I GG sein, so daß die Vereinigung ihre Rechtsgrundlage im Bereich der Privatautonomie findet.100 Dies trifft auf „alle Deutschen“ einschließlich inländischer juristischer Personen und Personenvereinigungen des Privatrechts zu,101 nicht jedoch auf juristische Personen des öffentlichen BVerfGE 50, 290 (355 ff.), hat diese Frage aber im Ergebnis offengelassen. Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 9 Rn. 12; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 4; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 9 Rn. 28; Merten, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. VI, § 144 Rn. 39 ff.; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 60. 98 Dazu siehe nur Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 9 Rn. 27; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 9 Rn. 17; Merten, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. VI, § 144 Rn. 5. 99 Vgl. nur BVerfGE 10, 89 (102); 85, 360 (370); Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 5; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 9 Rn. 20; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 66, 73. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit die negative Vereinigungsfreiheit vor Zwangsinkorporationen Privater in öffentlich-rechtliche Verbände schützt. 100 Ebenso Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 55, unter Verweis auf die fehlende „Dominanz des personalen Zusammenschlußelements“. Vgl. auch die parallele Bewertung ausländisch beherrschter Vereinigungen in § 14 I 1 VereinsG (bestätigt durch BVerfG, NVwZ 2000, 1281; zustimmend Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 11). 101 Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 13, 174 (175). Umstritten ist lediglich, ob sich deren Grundrechtsberechtigung unmittelbar aus Art. 9 I GG (Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 11) oder erst i. V. m. Art. 19 III GG (Höfling, in: Sachs, Hrsg., GG, Art. 9 Rn. 33) ergibt. Zu Recht differenzierend zwischen individueller und kollektiver Vereinigungsfreiheit H. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 9 Rn. 31; Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 9 Rn. 11; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 54 f. 96 97
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Rechts und publizistische Privatrechtsvereinigungen, da diese regelmäßig staatliche Kompetenzen wahrnehmen und folglich der Grundrechtsbindung gem. Art. 1 III GG unterliegen.102 Unabhängig davon, wer im Einzelfall Grundrechtsschutz begehrt, unterfallen Rechtsgeschäfte, die auf die Bildung verwaltungsbeherrschter gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen abzielen, somit grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des Art. 9 I GG. In Frage gestellt wird diese Beurteilung allenfalls in der theoretisch denkbaren, aber zumindest ungewöhnlichen Fallkonstellation, daß auf Seiten der öffentlichen Hand eine weitere gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung als Gesellschafterin eingeschaltet wird: Die „Zwitterstellung“ gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen zwischen Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand und Grundrechtsberechtigung der privaten Anteilseigner führt hier zu komplexen grundrechtsdogmatischen Problemen, die an dieser Stelle nicht vertieft werden können.103 Auch wenn man insoweit die Anwendbarkeit des Art. 9 I GG unterstellt, würde sich eine Ausschreibungspflicht aber jedenfalls dann durchsetzen, wenn sie bereits in den EG-Vergaberichtlinien verankert wäre.104 Im Ergebnis stünde der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung einer Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs also nicht entgegen: Ebensowenig wie Art. 28 II 1 GG den kommunalen Gebietskörperschaften eine (ausschreibungs) freie Auswahl privater Mitgesellschafter garantiert, können jene aus Art. 9 I GG einen Anspruch auf einen (wettbewerbs-)freien Beitritt zu einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung herleiten.
bb) Mögliche Zielkonflikte zwischen Gesellschaftsrecht und Vergaberecht Teile des Schrifttums begegnen einer möglichen Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs mit dem grundsätzlichen Einwand, das Recht der öffentlichen Aufträge vertrage sich nicht mit dem „Wesen einer Gesellschaft“: Verglichen mit einer entgeltlichen Auftragsbeziehung sei eine privatrechtliche Gesellschaft durch ein „ungleich engeres Band zwischen der öffentlichen Einrichtung und den privaten Mitgesellschaftern“ geprägt. Während es die Rechtsordnung um der Gleichbehandlung der Anbieter willen hinnehme, daß einem öffentlichen Auftraggeber z. B. ein Lieferant aufgezwungen werde, könne den Teilhabern einer Gesellschaft eine ggf. „ungewollte Zwangsgemeinschaft“ nicht zugemutet werden.105 Soweit diese 102 Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 9 Rn. 12. Vgl. auch Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 55. Zur Grundrechtsbindung publizistischer Privatrechtsvereinigungen siehe nur BGHZ 52, 325 (328); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 246 ff. 103 Dazu siehe die Nachweise im Zweiten Teil B. III. 2. b), Fn. 139. 104 Zur „gemeinschaftsrechtlichen Rechtfertigung“ von Grundrechtseingriffen aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts vgl. oben Dritter Teil A. II. 2. e).
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Einschätzung auf das „Wesen der Gesellschaft“ abstellt, handelt es sich dabei im weitesten Sinne um gesetzessystematische Auslegung: Einer stillschweigenden Gesamtschau gesellschaftsrechtlicher Normen werden Attribute wie „persönliches Vertrauen und Verläßlichkeit“ sowie „Bereitschaft und Fähigkeit zu einer integrativen Zusammenarbeit“ entnommen,106 zu konstitutiven Merkmalen jeder gesellschaftsrechtlichen Verbindung erhoben und in einen Gegensatz zum vergaberechtlichen Begriff des öffentlichen Auftrags gestellt.107 Schlagkraft gewinnt diese Argumentation jedoch erst in Verbindung mit dem eher teleologischen Aspekt, daß das Vergaberecht die Beeinflussung derartiger ideeller, aber auch organisatorischer und strategischer Entscheidungen weder bezwecke noch ein geeignetes Instrumentarium dafür zur Verfügung stelle: Weil die betreffenden Merkmale sich einer objektiven Maßstäben zugänglichen Bewertung weitgehend entzögen, sei schon zu bezweifeln, ob die Gesellschafterstellung überhaupt sinnvoll ausgeschrieben werden könne; folglich müsse die Anwendung des Vergaberechts notwendigerweise versagen.108 Diese Auffassung ist sowohl in ihren faktischen Prämissen als auch in deren rechtlicher Bewertung angreifbar. Abgesehen davon, daß die wirtschaftliche Realität dem postulierten Gesellschaftsideal um so weniger entspricht, je größer der Gesellschafterkreis wird, darf nicht übersehen werden, daß die Verwirklichung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks regelmäßig in mindestens ebenso hohem Maße davon abhängt, daß die Gesellschafter bestimmte objektive Qualitäten wie finanzielle Potenz oder technisches Know-how aufweisen. Zumindest insoweit wird über die Auswahl eines Mitgesellschafters nach den gleichen Kriterien entschieden wie über die Auswahl eines Vertragspartners für Beschaffungsvorhaben.109 Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß sich ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis nur auf ein langfristiges Gesamtleistungsspektrum beziehen kann, für das auch Fragen des Zuschnitts, der Arbeitsweise und der Reputation des privaten Partners eine Rolle spielen.110 Denn in dieser Hinsicht unterscheidet sich ein Gesell105 Engel, Gemischtwirtschaftliche Abfallentsorgung, S. 27 f. Ebenso im Anschluß Frenz, DÖV 2002, 186 (190); Kniesel / Scheerbarth, Der Städtetag 4 / 1998, 340 (344 f.); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 170; Pauly / Figgen / Hünnekens, Gemischtwirtschaftliche Entsorgungsunternehmen, S. 84 f. 106 Hertel / Reckenwald, NZBau 2001, 538 (539). Vgl. Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (189). 107 Siehe nur Frenz, DÖV 2002, 186 (190), nach dem eine Gesellschaftsgründung zu einer „Geschäftsführungs- und Verwaltungsgemeinschaft“ führt, die „wesensverschieden von einer konkreten Auftragsvergabe für eine bestimmte Leistung“ sei. Vgl. auch Hertel / Reckenwald, NZBau 2001, 538 (539), die Gesellschaftsgründungen als bloße „Rechtshandlungen“ betrachten, die nicht dem Austausch von Leistungen dienten. 108 Vgl. Engel, Gemischtwirtschaftliche Abfallentsorgung, S. 28; Hertel / Reckenwald, NZBau 2001, 538 (539); Kniesel / Scheerbarth, Der Städtetag 4 / 1998, 340 (345); Masing, ZfBR 2002, 450 (455); Tomerius, NVwZ 2000, 727 (734). 109 Vgl. OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (646); Otting, VergabeR 2002, 11 (12). 110 Darauf abstellend Frenz, DÖV 2002, 186 (190).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
schaftsverhältnis nicht von langfristigen Dienstleistungsaufträgen, welche nicht selten – etwa im Rahmen von sog. Betriebsführungs- und Betreibermodellen111 – für Laufzeiten von bis zu dreißig Jahren geschlossen werden. Hinzu kommt, daß der Aspekt des persönlichen Vertrauens mit zunehmender Bindungsdauer in den Hintergrund tritt: Dies gilt in gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen um so mehr, als zu dem allgemeinen Risiko eines unternehmerischen Führungswechsels die besondere Möglichkeit eines ggf. mehrfachen Wechsels der politischen Mehrheiten auf Seiten des öffentlichen Anteilseigners kommt. Da eine politische Machtverschiebung nicht selten mit einem ideellen Richtungswechsel einhergeht, wird sie häufig nicht ohne Einfluß auf die personelle Besetzung der betreffenden Gesellschaftsorgane bleiben.112 Wenn der Gesellschaftsvertrag aber gleichsam stillschweigend voraussetzt, daß eine dauerhafte und störungsfreie Zusammenarbeit auch ohne personelle Kontinuität möglich ist, kann sein Abschluß nicht ernsthaft von subjektiven Erwägungen dominiert sein. Fraglich ist darüber hinaus, ob die öffentliche Hand sich überhaupt von derartigen Motiven leiten lassen darf. Der diesbezügliche Einwand, daß der Staat gem. Art. 20 III GG in all seinen Erscheinungsformen an Gesetz und Recht gebunden ist,113 hilft zwar insoweit nicht weiter, als das Gesetz keine anderweitigen Entscheidungskriterien formuliert (insofern auf Vorschriften des Kartellvergaberechts zu verweisen, liefe auf einen unzulässigen Zirkelschluß hinaus). Indessen ist das in § 97 V GWB enthaltene Wirtschaftlichkeitsgebot bereits in den haushaltsrechtlichen Generalklauseln der §§ 6 I HGrG, 7 I 1 BHO und entsprechender landesrechtlicher Bestimmungen (z. B. § 7 I LHO NRW) verankert, die das Verwaltungshandeln allgemein auf die „Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ verpflichten. Diese vertragen sich nicht mit subjektiv motivierten Überlegungen, die an persönliches Vertrauen und zwischenmenschliche Beziehungen der Amtswalter anknüpfen, sondern verlangen generell ein Handeln nach sachlich-rationalen Gesichtspunkten.114 Die offenbar gegenteilige Einschätzung von Frenz, der eine wettbewerbliche Auswahl des privaten Mitgesellschafters mit der Gefahr einer Mißwirtschaft zu Lasten der Steuerzahler und einer Gefährdung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Lasten des Wettbewerbs assoziiert,115 erscheint nach den bisherigen Erfahrungen nicht realistisch und beruht auf einer übertriebenen Skepsis gegenüber dem Wettbewerb. Auch ein Vergleich mit diversen ideellen Dazu siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) bb) und unten Vierter Teil B. VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (49); Faber, DVBl. 2001, 248 (257); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1048). Vgl. auch Otting, VergabeR 2002, 11 (12). 113 Faber, DVBl. 2001, 248 (257); Frenz, DÖV 2002, 186 (190); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1048). 114 Vgl. im Ergebnis Faber, DVBl. 2001, 248 (257); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1048); Otting, VergabeR 2002, 11 (12). 115 Vgl. Frenz, DÖV 2002, 186 (191), der sogar unterstellt, daß private Anbieter, „indem sie im Vergabeverfahren das beste Angebot abgeben“, mutwillig darauf hinarbeiten könnten, „hinterher die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft herabzusetzen“. 111 112
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Fusions- und Übernahmehindernissen in der Privatwirtschaft116 führt in Anbetracht der Gesetzesbindung der öffentlichen Hand in die Irre. Problematisch erscheint allenfalls die Aufnahme weiterer Privater in eine bestehende gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung: Hier könnte das Ergebnis eines Ausschreibungsverfahrens wohl nur insoweit Verbindlichkeit beanspruchen, als das Gesetz (vgl. § 13 UmwG) oder der Gesellschaftsvertrag (vgl. § 15 V GmbHG) nicht die Zustimmung der (des) bereits beteiligten Privatgesellschafter(s) verlangen.117 Im übrigen ist jedoch nicht erkennbar, daß über die Auswahl eines privaten Mitgesellschafters nach Kriterien entschieden werden müßte oder auch nur dürfte, die nicht in einem formalisierten Vergabeverfahren darstellbar wären. Dies gilt um so mehr, als das geltende Vergaberecht durchaus die nötige Flexibilität zur Berücksichtigung personenbezogener Kriterien bietet.118 Genannt seien insofern nur die Zuschlagskriterien der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (§ 97 IV GWB, § 25 Nr. 2 I VOL / A) sowie das von den Vertretern einer Ausschreibungspflicht befürwortete Verhandlungsverfahren nach vorherigem Teilnahmewettbewerb (§ 101 IV GWB, § 3a Nr. 1 IV lit. b und c VOL / A)119. Damit ist freilich nur ausgesagt, daß jedenfalls im Grundsatz keine so weitreichenden Zielkonflikte zwischen Gesellschaftsrecht und Vergaberecht bestehen, daß die Auswahl eines privaten Mitgesellschafters in einem formalisierten Vergabeverfahren schlechthin ausgeschlossen wäre. Ob bzw. inwieweit das Kartellvergaberecht aber eine diesbezügliche Rechtspflicht statuiert, bleibt nach den Erkenntnissen der grammatischen Auslegung weiterhin offen.
c) Teleologische Auslegung aa) Funktionelle Auslegung, Umgehungsverbot, Wettbewerbsrelevanz Es wurde bereits im Kontext der formellen Privatisierung darauf hingewiesen, daß der Begriff des öffentlichen Auftrags bei teleologischer Auslegung in einem funktionellen Sinne zu verstehen ist.120 Daraus wird in Rechtsprechung und LiteraVgl. Frenz, DÖV 2002, 186 (191). Anderenfalls stünde der Zuschlag unter einem entsprechenden Zustimmungsvorbehalt. Entgegen Frenz (DÖV 2002, 186, 190) ist es allerdings unerheblich, daß der bereits beteiligte Investor „sich in der Privatwirtschaft keinen fremden Partner aufzwingen lassen müßte“; denn schon die Bezeichnung verrät, daß „gemischtwirtschaftliche“ Privatrechtsvereinigungen nicht ohne weiteres als Teil der „Privatwirtschaft“ angesehen werden können. 118 Vgl. VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (49); Faber, DVBl. 2001, 248 (257); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1048); Otting, VergabeR 2002, 11 (16). 119 VK Lüneburg, NZBau 2001, 51 (52 f.); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (244); Jaeger, NZBau 2001, 6 (11); Jennert, ZKF 2001, 248 (252); Otting, VergabeR 2002, 11 (16). Vgl. (ohne Anerkennung einer Anwendungspflicht) Wellmann, NZBau 2002, 431 (433). 120 Siehe die Nachweise im Dritten Teil A. IV. 2. c), Fn. 193, sowie VK Brandenburg, Beschl. v. 05. 04. 2001 – 2 VK 18 / 01 (zit. nach Weyand, ZfBR 2002, 395 f.); Eggers / 116 117
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tur zu Recht gefolgert, daß der Tatbestand des § 99 I GWB auch solche Vertragsgestaltungen erfassen müsse, die den Legaldefinitionen des § 99 II-IV GWB zwar nicht exakt entsprechen, aber vergleichbare Grundgehalte mit den dort genannten Vertragstypen aufweisen.121 Folglich komme es für die Einordnung als öffentlicher Auftrag nicht auf die äußere Rechtsform, sondern auf die wirtschaftliche Funktion des Geschäfts an.122 Das hat Bedeutung für die Zuordnung typengemischter und zusammengesetzter, aber auch unbenannter, atypischer und sonstiger Verträge, die der öffentliche Auftraggeber nicht allein durch die Wahl der Vertragsgestaltung den vergaberechtlichen Bindungen entziehen können soll. Darüber hinaus rückt zunehmend der Rechtsgedanke eines Umgehungsverbots in den Blickpunkt.123 Gegenüber diesem Gedanken ist eine gewisse Zurückhaltung angebracht, weil die §§ 97 ff. GWB selbst kein ausdrückliches Umgehungsverbot enthalten.124 Auch in den EG-Vergaberichtlinien sowie im untergesetzlichen nationalen Vergaberecht sind nur vereinzelte Umgehungstatbestände geregelt, die ausschließlich Fragen der Schwellenwertberechnung betreffen (Art. 6 IV BKR, 7 III DKR, 5 III 2, VI LKR = Art. 9 III, VII 2 VKR; §§ 3 II VgV, 1a Nr. 4 VOB / A, 3 II VOF). Teilweise wird aus einer Gesamtschau dieser Vorschriften ein allgemeines Malmendier, NJW 2003, 780 (781); Endler, NZBau 2002, 125 (133); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (470). 121 Vgl. im Anschluß an den VÜA Bund (WuW / E VergAB 1, 4; WuW / E VergAB 38, 40) Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 10; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 30, 53; ders., DB 1998, 2579 (2588); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 87, 91; Graf Kerssenbrock, WuW 2001, 122 (124 f.); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1047); Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (VIII). 122 Byok, NJW 2001, 2295 (2298); Jaeger, NZBau 2001, 6 (8); ders., in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (457). 123 OLG Brandenburg, NVwZ 1999, 1142 (1145); Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 6 Rn. 23; Byok, NJW 1998, 2774 (2777); ders., NJW 2001, 2295 (2298); ders., NJW 2004, 198 (203); Dreher, NZBau 2002, 245 (248); Gelen, Müll und Abfall 2001, 582 (586); Jaeger, NZBau 2001, 6 (10); Jennert, ZKF 2001, 248 (251); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 44. Vgl. VÜA Bund, WuW / E VergAB 1 (4); WuW / E VergAB 38 (40 f.); VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (47); VK Baden-Württemberg, NZBau 2001, 340 (342); H. Berger, ZfBR 2002, 134 (135); Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780 (781); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 91; Krutisch, NZBau 2003, 650 f.; Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 29; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 23; Masing, ZfBR 2002, 450 (454); Otting, VergabeR 2002, 11 (13); Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 56; ders., Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 74; M. J. Werner / Köster, NZBau 2003, 420 (422). Vgl. auch den Aufruf der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen v. 30. 04. 2004, KOM (2004) 327 endg, Rn. 69) zur Vergewisserung, „daß eine solche Kapitalübertragung in Wirklichkeit nicht als Deckmantel für die Übertragung von öffentlichen Aufträgen [ . . . ] dient“. 124 Zu Recht betont von Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 6 Rn. 23; Gelen, Müll und Abfall 2001, 582 (586).
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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vergaberechtliches Umgehungsverbot abgeleitet. 125 Diese Auffassung erhält Nahrung durch eine neuere Entscheidung des EuGH, die unter anderem Ausführungen zu Art. 7 III DKR enthält: Danach darf die Wahl der Berechnungsmethode nicht die Absicht verfolgen, die Anwendung der Richtlinie zu umgehen. Obwohl dieser Artikel unmittelbar nur den Fall der willkürlichen Aufteilung eines Auftrags regelt, hat der EuGH ihn entsprechend seinem „Zweck, Manipulationen zu verhindern“, auch auf die willkürliche Zusammenfassung verschiedener Dienstleistungen in ein- und demselben Auftrag angewendet.126 Dies ist um so bemerkenswerter, als es hierbei nicht um die Berechnung des Schwellenwerts, sondern um die Zuordnung von Dienstleistungen zu den Anhängen I A oder I B der Richtlinie ging (an die Art. 10 DKR unterschiedlich hohe Verfahrensanforderungen knüpft). Die Ausführungen des EuGH deuten darauf hin, daß auch er ein allgemeines vergaberechtliches Umgehungsverbot im Grundsatz anerkennt;127 diese Interpretation der EGVergaberichtlinien wäre nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung auch für das deutsche Kartellvergaberecht verbindlich.128 Dogmatisch läßt sich ein solches Umgehungsverbot auch induktiv erklären, indem man die speziellen Umgehungsverbote lediglich als Konkretisierungen „allgemeiner Umgehungsgrundsätze“ interpretiert.129 Nach zutreffender, wenngleich nicht unbestrittener Auffassung handelt es sich allerdings weniger um ein selbständiges „ungeschriebenes“ Rechtsinstitut als um einen Teilaspekt der (subjektiv-)teleologischen Auslegung:130 Der Sache nach geht es darum, die Rechtsfolgen einer Norm auch auf Sachverhalte zu erstrecken, die zwar nicht den grammatischen Tatbestand der Norm erfüllen, aber gleichwohl nach dem Sinn und Zweck der Regelung von ihr erfaßt sein sollen. In dieser Sicht ist „Gesetzesumgehung“ das Ausnutzen einer planwidrigen Regelungslücke, die ggf. mit Hilfe des Verfahrens der Analogie zu schließen ist.131 Sinn und Zweck des Kartellvergaberechts ist die Implementierung eines fairen Angebotswettbewerbs im öffentlichen Auftragswesen.132 Es wurde bereits an früherer Stelle dargelegt, daß eine teleologische Reduktion des § 99 I GWB ausschei125 So ausdrücklich Gelen, Müll und Abfall 2001, 582 (586). Vgl. auch Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 6 Rn. 23. 126 EuGH, Urt. v. 14. 11. 2002 – Rs. C-411 / 00 (Felix Swoboda GmbH / Österreichische Nationalbank), WuW / E Verg 679 (684), Rn. 56. 127 Vgl. auch schon EuGH, Urt. v. 15. 01. 1998 – Rs. C-44 / 96 (Mannesmann Anlagenbau Austria AG u. a. / Strohal Rotationsdruck GmbH), Slg. 1998, I-73 (119), Rn. 43. 128 Zur richtlinienkonformen Auslegung siehe oben Dritter Teil A. III. 129 Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 83. 130 OLG Hamm, NJW 1983, 2708; Dörner, in: ders. u. a., BGB-Handkommentar, § 134 Rn. 10; Herfermehl, in: Soergel, BGB, Bd. 2, § 134 Rn. 37 m. w. N.; A. A. Mayer-Maly / Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, § 134 Rn. 14, 16. 131 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 83. Ausführlich zum ganzen Teichmann, Die Gesetzesumgehung, S. 50 ff., 78 ff., 89 ff. m. w. N. 132 Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 1.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
det, wenn die betreffende Leistungsbeziehung negative Auswirkungen auf den Wettbewerb hat.133 In Fortführung dieses Gedankens setzt der weitergehende Schritt einer analogen Anwendung des § 99 I GWB voraus, daß der Erwerb einer Gesellschaftsbeteiligung den Wettbewerb in gleicher Weise beeinflußt wie die Vergabe eines öffentlichen Leistungsauftrags an den privaten Anteilserwerber oder die gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung. Nur wenn der Beteiligungserwerb in diesem Sinne „wettbewerbsrelevant“ ist, kann man ihn – auf Basis einer vergleichbaren Interessenlage – zumindest objektiv als „Umgehungsgeschäft“ bezeichnen. Denselben Zusammenhang drückt das in Rechtsprechung und Literatur anzutreffende Kriterium des „beschaffungsrechtlichen Bezugs“ der gesellschaftsrechtlichen Bindung aus:134 eine Formulierung, die zwar verdeutlicht, daß sich der in den §§ 97 ff. GWB thematisierte Vergabewettbewerb stets und ausschließlich auf Beschaffungsvorgänge bezieht,135 aber zugleich den Blick auf den teleologischen Ausgangspunkt der Argumentation verstellt. Nach dem zeitlichen Verhältnis zwischen Beteiligungserwerb und Leistungsbeziehung lassen sich die folgenden beiden Grundkonstellationen unterscheiden.
bb) Wettbewerbsrelevanz durch Partizipation an bestehenden Aufträgen? Erfolgt der Beteiligungserwerb im Wege der Anteilsveräußerung oder der Verschmelzung zur Aufnahme, könnte ihm dadurch Wettbewerbsrelevanz zukommen, daß der neu hinzutretende private Anteilseigner nunmehr an Leistungsaufträgen partizipiert, die der Gesellschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt erteilt worden sind.136 Ob und unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungserwerb in einer solchen Situation unter § 99 I GWB subsumiert werden kann, ist Gegenstand einer kontroversen Debatte.
Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 4. OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (646); VK Brandenburg, Beschl. v. 05. 04. 2001 – 2 VK 18 / 01 (zit. nach Weyand, ZfBR 2002, 395 f.); Beschl. v. 17. 09. 2002 – VK 50 / 02 (zit. nach Weyand, ZfBR-Sonderbeilage 5 / 2003, 13, 17); Byok, NJW 2004, 198 (203); Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 42; Faber, DVBl. 2001, 248 (257); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (242); Otting, VergabeR 2002, 11 (16). Vgl. auch Dreher, NZBau 2002, 245 (247 ff.); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (469); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 10, 29. 135 Dazu siehe oben Dritter Teil A. II. 1. a) und Vierter Teil A. II. 2. a) aa). 136 Dreher (NZBau 2002, 245, 248 ff.) benutzt für diese Fallkonstellation das Bild eines „Gesellschaftsanteils mit eingekapseltem Beschaffungsverhältnis“. 137 VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 ff.; ergänzend Jaeger, NZBau 2001, 6 (8, 10). 133 134
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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(1) Die Kriterien des zeitlichen und subjektiven Zusammenhangs Eine derartige Fallkonstellation hat die Rechtsprechung erstmals im Fall der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft beschäftigt:137 Die Stadt Mülheim an der Ruhr (Stadt M) war zusammen mit der Trienekens AG (T-AG) und einem weiteren Unternehmen (X-GmbH) Anteilseignerin der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft mbH (MEG I). Im Jahre 1999 beschloß die Stadt M eine Neuordnung der kommunalen Abfallentsorgung mit dem Ziel, diese umfassend in die Hände einer Kooperationsgesellschaft zu legen, an der sie selbst zu 51 % und die T-AG zu 49 % beteiligt sein sollten. Die rechtstechnische Umsetzung dieses Konzepts sollte in einem mehrstufigen Verfahren erfolgen: In einem ersten Schritt wollte die Stadt M ihre bisher in unselbständigen Verwaltungseinheiten geführten Entsorgungsbetriebe in eine neu zu gründende verwaltungseigene Privatrechtsvereinigung (MEG II) ausgliedern, um mit dieser diverse Entsorgungs- und sonstige Leistungsverträge mit Laufzeiten zwischen 15 und 20 Jahren abzuschließen. In einem zweiten Schritt sollten 49 % der Anteile an der MEG II an die T-AG veräußert werden, die im Gegenzug (nachdem sie die Anteile der X-AG an der MEG I erworben hatte) der Stadt M so viele Anteile an der MEG I veräußern sollte, daß diese ihre Beteiligung an der MEG I von 25,1 auf 51 % erhöhen konnte. In einem dritten Schritt war schließlich geplant, die MEG II auf die MEG I zu verschmelzen – mit der Folge, daß diese gem. § 20 I Nr. 1 UmwG als Gesamtrechtsnachfolgerin in die zwischen der Stadt M und der MEG II geschlossenen Leistungsverträge eintreten würde. Untersucht man jeden dieser Schritte isoliert auf seine vergaberechtliche Relevanz, gelangt man zwangsläufig zu einer negativen Antwort: Während die Beauftragung der verwaltungseigenen MEG II ein ausschreibungsfreies „In-house-Geschäft“ (im weiteren Sinne) darstellt, handelt es sich bei den anschließenden gesellschaftsrechtlichen Transaktionen nicht um entgeltliche Beschaffungsvorgänge i. S. d. § 99 I GWB. Dieser Beurteilung ist die Vergabekammer Düsseldorf in ihrem Beschluß vom 07. 07. 2000 mit einer Art funktionalen Gesamtbetrachtung des Vertragswerks entgegengetreten: Weil die Beauftragung der MEG II nur ein „gewolltes Durchgangsstadium zur gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft nach Veräußerung von 49 % der Geschäftsanteile an ein privates Unternehmen“ bilde, sei „die beabsichtigte gemischtwirtschaftliche Gesellschaft zu betrachten, wie sie die Verhandlungspartner bereits bedingt bindend verabredet haben“.138 Der Sache nach erfolgt eine zeitliche Vorverlagerung der vergaberechtlichen Prüfung auf den Zeitpunkt nach der Verschmelzung zu einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung – mit dem Ergebnis, daß bereits der anfängliche Leistungsauftrag sein „Inhouse-Privileg“ verliert und gem. §§ 99 I, 101 V 1 GWB öffentlich ausgeschrieben werden muß.139
VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (47). Vgl. VK Düsseldorf, NZBau 2001, 46 (49): „Die beabsichtigte Beauftragung ist somit als öffentlicher Auftrag anzusehen und unterliegt dem Vergaberecht.“ Ebenso Eilmansberger, 138 139
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Diese Entscheidung ist im Schrifttum vielfach dahingehend mißverstanden bzw. umgedeutet worden, daß jedenfalls bei Vorliegen eines engen zeitlichen Zusammenhangs nicht (nur) der Leistungsauftrag, sondern (auch) der Beteiligungserwerb durch den privaten Investor als öffentlicher Auftrag i. S. d. § 99 I GWB anzusehen sei: Bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung sei die ganze Vertragskonstruktion für die Stadt M ein Beschaffungsgeschäft, mit dem sie 49 % der benötigten Dienstleistungen von der T-AG einkaufe; ein solcher Vorgang stehe im Ergebnis einem çontracting out“ gleich, für das die Vergaberegeln unabhängig von einer Aufspaltung in rechtlich selbständige Einzelakte beachtlich seien.140 Jenseits des zitierten Einzelfalls sind wesentliche Fragen nicht oder nur widersprüchlich beantwortet: Ungeklärt ist zum einen, ob sich die daraus folgende Ausschreibungspflicht entweder nur auf die Anteilsveräußerung141, auf den Leistungsauftrag und die Anteilsveräußerung142 oder aber auf den einheitlichen Gesamtvorgang143 beziehen soll. Nicht minder große Unsicherheiten bestehen bei der Bestimmung des zeitlichen Zusammenhangs: Obwohl die Beauftragung zum Zeitpunkt der Anteilsveräußerung mehr als ein Jahr zurücklag, hat die Vergabekammer Baden-Württemberg eine Ausschreibungspflicht bereits deshalb bejaht, weil schon bei der Gründung der verwaltungseigenen Privatrechtsvereinigung Pläne zu einer weitergehenden Privatisierung bestanden hatten.144 Diese Entscheidung offenbart, daß JBl 2001, 562 (572); wohl auch Faber, DVBl. 2001, 248 (257); Jennert, ZKF 2001, 248 (250). Nicht nachvollziehbar ist insofern, weshalb sich die Vergabekammer (a. a. O.) zugleich ausführlich mit der Ausschreibungsfähigkeit der Gesellschafterauswahl beschäftigt. 140 Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780 (781); Jaeger, NZBau 2001, 6 (10); ders., in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (469); Otting, VergabeR 2002, 11 (13); Stickler, VergabeR 2002, 49 (50). Vgl. zuvor schon Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 23; Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 56; ders., Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 74; Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (IX). 141 Berger, ZfBR 2002, 134 (135); Dreher, NZBau 2002, 245 (249); Endler, NZBau 2002, 125 (133); Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (469 ff.); Otting, VergabeR 2002, 11 (13); wohl auch Krutisch, NZBau 2003, 650; Kullack, BBauBl 3 / 2001, 56; dies., in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 29; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 64; Schröder, NJW 2002, 1831 (1832). 142 Stickler, VergabeR 2002, 49 (50); ders., in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 44, der zu Unrecht eine weitgehende Einigkeit über dieses Ergebnis behauptet. Für ein „Wahlrecht“ des Auftraggebers, entweder den Leistungsauftrag oder die Anteilsveräußerung auszuschreiben, wohl Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780 (781). 143 Masing, ZfBR 2002, 450 (454); wohl auch DStGB Dokumentation No. 18, Stadt und Gemeinde 6 / 2001, Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“, S. 16 f.; Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 56; ders., Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 73 f. Für ein Wahlrecht des Auftraggebers, entweder den Leistungsauftrag, die Anteilsveräußerung oder den Gesamtvorgang auszuschreiben, Jennert, ZKF 2001, 248 (251). Unklar Burgi, NVwZ 2001, 601 (604); Jaeger, NZBau 2001, 6 (10). 144 VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 18. 07. 2001 – 1 VK 12 / 01 (zit. nach Otting, VergabeR 2002, 11, 14).
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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sich das Kriterium des zeitlichen Zusammenhangs einer klaren Subsumtion und damit auch den notwendigen Anforderungen an die Rechtssicherheit entzieht: Eine starre Höchstgrenze läßt sich nicht beziffern, während eine Orientierung an der Laufzeit des Leistungsauftrags das Kriterium mit zunehmender Vertragsdauer stärker relativiert und damit weiter verwässert.145 Noch zweifelhafter erscheint indessen der Versuch der Vergabekammer, eine zeitliche Zäsur durch einen gleichsam „überschießenden“ subjektiven Zusammenhang zu kompensieren. Einige Autoren gehen gar so weit, den zeitlichen Zusammenhang auf ein Indiz für die „Umgehungsabsicht“ des öffentlichen Auftraggebers zu reduzieren.146 Wo dieses Indiz – wie im zuletzt genannten Beispiel – versagt, werden potentielle Bieter und Rechtsschutzorgane zunächst mit dem generellen Problem der Ermittlung des „Willens“ einer juristischen Person des öffentlichen Rechts konfrontiert:147 Soweit keine formellen Absichtserklärungen der zuständigen Repräsentativorgane, z. B. Gemeinderats- oder Kreistagsbeschlüsse, existieren, kann insofern nur auf Aktennotizen, Sitzungsprotokolle und sonstige schriftliche oder mündliche Äußerungen einzelner Amts- und Mandatsträger zurückgegriffen werden. Da gerade Privatisierungsentscheidungen regelmäßig aus einer längeren und unübersichtlichen politischen Debatte hervorgehen, wird es in vielen Fällen gar nicht möglich sein, einen anfänglichen Gesamtwillen des öffentlichen Auftraggebers mit der nötigen Eindeutigkeit zu bestimmen. Erschwerend hinzu kommen ggf. mehrdeutige Formulierungen, welche sowohl aus der Suche nach einem mehrheitsfähigen Kompromiß als auch aus dem Bestreben um die Erhaltung politischen Handlungsspielraums hervorgehen können. Zum Ausgleich eines fehlenden zeitlichen Zusammenhangs eignen sich subjektive Kriterien um so weniger, als der Motivationszusammenhang zwischen politischer Absichtsbekundung und rechtstatsächlicher Umsetzung spätestens mit einem zwischenzeitlichen Wechsel der personellen oder politischen Machtverhältnisse durchbrochen wird (Gedanke der Diskontinuität). Aber auch in eindeutigen Fällen, in denen die genannten praktischen Schwierigkeiten nicht bestehen oder zumindest überwindbar sind, kann das Kriterium des subjektiven Zusammenhangs nicht über die sachliche Anwendbarkeit des Kartell145 Vgl. Dreher, NZBau 2002, 245 (249), dessen Beispiel (2 / 3 der Vertragsdauer) allerdings selbst bei geringen Laufzeiten viel zu hoch angesetzt sein dürfte. Abgrenzungsschwierigkeiten kritisiert auch Endler, NZBau 2002, 125 (133). Jaeger (in: Büdenbender / Kühne, Hrsg., Festschrift für Baur, S. 455, 471) erklärt den Zeitabstand zwischen den Abschlüssen des Leistungs- und Anteilsveräußerungsvertrags ausdrücklich für unerheblich. 146 Eilmansberger, JBl 2001, 562 (572); Frenz, DÖV 2002, 186 (192); Marx, Behörden Spiegel 6 / 2000, B XVI (zit. nach Jaeger, NZBau 2001, 6, 11 Fn. 30); Schröder, NJW 2002, 1831 (1832). In abgeschwächter Form klingen subjektive Kriterien auch in der oben zitierten Entscheidung der VK Düsseldorf (NZBau 2001, 46, 47) an, wo die Beauftragung der verwaltungseigenen MEG II als „gewolltes Durchgangsstadium“ zu der „beabsichtigten gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft“ betrachtet wird (Hervorhebungen des Verfassers). 147 Vgl. Jaeger, NZBau 2001, 6 (11); Otting, VergabeR 2002, 11 (14), die es zu Recht ablehnen, den Nachprüfungsinstanzen die „Not der Motivforschung“ aufzuerlegen.
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vergaberechts entscheiden. Dessen Regelungsgegenstand sind öffentliche Aufträge, d. h. von öffentlichen Auftraggebern ausgehende Beschaffungsvorgänge. Ungeachtet aller Abgrenzungsschwierigkeiten handelt es sich dabei in jedem Fall um Rechtsbegriffe, deren Inhalt objektiv bestimmbar sein muß und nicht zur Disposition des Adressaten der Rechtsbindung steht:148 Schon aus Gründen der Rechtssicherheit kann nicht maßgeblich sein, ob der öffentliche Auftraggeber eine Leistung beschaffen möchte, sondern nur, ob er sie tatsächlich beschafft.149 Wollte man den Beschaffungscharakter der Anteilsveräußerung hingegen davon abhängig machen, ob sie im Zeitpunkt der Beauftragung bereits geplant war oder nicht, würden ausgerechnet diejenigen Verwaltungsträger privilegiert, die sich entweder gar keine „Gedanken“ über die zukünftigen Modalitäten der Aufgabenerfüllung machen oder sich zunächst bewußt auf eine formelle Privatisierung beschränken, um sich die Möglichkeit einer späteren funktionalen Privatisierung ohne vergaberechtliche Bindungen offenzuhalten.150 Das darin enthaltene Manipulationspotential verdeutlicht zugleich, daß subjektive Abgrenzungskriterien im Ergebnis nicht geeignet sind, den eingangs beschworenen Umgehungsgefahren wirksam zu begegnen. (2) Anknüpfungspunkte eines objektiv-sachlichen Zusammenhangs Eine wiederum andere Akzentuierung hat das OLG Brandenburg in seinem Beschluß vom 03. 08. 2001 gesetzt.151 Der zugrundeliegende Sachverhalt betraf die Rundfunkversorgung der Stadt E: Die R-GmbH, eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der verwaltungseigenen Stadtwerke E, versorgte auf der Grundlage mehrerer Gestattungsverträge, die sie im Jahre 1994 für einen Zeitraum von 15 Jahren mit der E-GmbH, einer verwaltungseigenen Immobiliengesellschaft der Stadt E, abgeschlossen hatte, die im Eigentum der E-GmbH stehenden Wohneinheiten mit Rundfunk- und Kabelfernsehsignalen. Im Jahre 2000 beschloß die Gesellschafterversammlung der R-GmbH die Ausgabe eines neuen Geschäftsanteils, der sodann von einem privaten Telekommunikationsunternehmen übernommen wurde. Bei der Prüfung, ob der durch den Beteiligungserwerb vermittelte Eintritt des Privaten „in den rechtlichen Wirkungskreis“ der Gestattungsverträge einen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 I GWB darstellt, hebt das OLG Brandenburg allein darauf ab, „ob unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Eintritt des neuen Gesellschafters einer Auftragsneuerteilung gleichkommt“. Davon geht der Vergabesenat aus, wenn die Anteilsveräußerung lediglich der Verhinderung einer Kündigung und anschließenden Neuvergabe des Leistungsauftrags dient:152 148 Vgl. Otting, VergabeR 2002, 11 (14). Ähnlich – unter Hinweis auf die objektiv- rechtliche Gewährleistung von Wettbewerb, Gleichbehandlung und Transparenz – Dreher, NZBau 2002, 245 (249); Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780 (781). 149 Vgl. Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (471). 150 Eggers / Malmendier, NJW 2003, 780 (781); Endler, NZBau 2002, 125 (133). 151 OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 ff.
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„Hätte nämlich die [R-GmbH] aus finanziellen Gründen die Rechte und Pflichten aus den Gestattungsverträgen nicht weiter wahrnehmen können oder wollen und wäre es demzufolge zu einer Beendigung der Verträge gekommen, so hätte die E-GmbH den Auftrag [unter Beachtung der Vorschriften des Kartellvergaberechts] neu vergeben müssen.“153 Mit dieser Begründung verzichtet das OLG Brandenburg vollständig auf das Erfordernis eines zeitlichen oder subjektiven Zusammenhangs und leitet den „beschaffungsrechtlichen Bezug“ der Anteilsveräußerung allein aus einem objektiv-sachlichen Zusammenhang mit der bestehenden Leistungsbeziehung ab.154 Anknüpfungspunkt für einen derartigen Sachzusammenhang könnte zunächst die Identität des Auftragnehmers sein: Durch den Beteiligungserwerb erfährt der Auftragnehmer insofern eine „Identitätsänderung“, als dadurch mittelbar ein weiteres Unternehmen in die Ausführung des öffentlichen Auftrags eingeschaltet wird. Wollte man danach jede bedeutende Änderung im Gesellschafterkreis des Auftragnehmers als fiktive Neuvergabe interpretieren, müßte indessen auch die Veräußerung von Geschäftsanteilen an einem rein privaten Unternehmen zur Anwendbarkeit des Vergaberechts führen.155 Gegenstand einer Ausschreibung könnte mangels Beteiligung eines öffentlichen Auftraggebers aber nicht der Beteiligungserwerb selbst, sondern allenfalls der bereits vergebene Leistungsauftrag sein, sofern er durch die Anteilsveräußerung erneut vergabepflichtig würde. Diese Konsequenz wird jedoch – soweit ersichtlich – nicht gezogen; vielmehr werden sogar vollständige Vertragsübernahmen i. S. d. § 415 BGB grundsätzlich als vergaberechtsneutral angesehen.156 Dieser Auffassung ist schon deshalb zuzustimmen, weil der Zu152 Zustimmend Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 29; Stickler, VergabeR 2002, 49 (50); ders., in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 44. 153 OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (646). Zustimmend. Im Gegensatz zur Vorinstanz (VK Brandenburg, NZBau 2001, 647) verneinte der Senat das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags aber im Ergebnis dennoch, weil die Gestattungsverträge ihrerseits als nicht ausschreibungspflichtige öffentliche Dienstleistungskonzessionen zu qualifizieren seien (NZBau 2001, 645, 646 f.). Dazu siehe ausführlich unten Vierter Teil D. III. 154 Dieser hat freilich insofern eine subjektive Komponente, als die Verhinderung einer Kündigung zugleich den Zweck der Anteilsveräußerung bildet. Entgegen Dreher (NZBau 2002, 245, 249) genügt dies jedoch nicht, um den Gedankengang des OLG Brandenburg zu einem „Kriterium des Veräußerungszwecks“ zu versubjektivieren. 155 Vgl. insoweit Stickler, VergabeR 2002, 49 (50); ders., in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 44. 156 OLG Frankfurt a. M., NZBau 2003, 633 (634); VG Frankfurt a. d. Oder, AbfallPrax 2000, 124 (126); BKartA (1. VK Bund), WuW / E Verg 279 (280); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 17; ders., NZBau 2002, 245 (252); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 8; Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 71; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 4d; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 13. Unklar Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
schlag gem. § 97 V GWB nicht von personalen, sondern primär von ökonomischen Kriterien abhängt. Überdies liefe eine vergaberechtliche Sanktionierung des Eigentümerwechsels nicht nur der wirtschaftlichen Realität des Kapitalmarkts zuwider, sondern zugleich auf ein faktisches Verbot gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen hinaus, welches mit einem empfindlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Eigentumspositionen (Art. 14 I GG) und Freiheitsrechte (Art. 12 I, 2 I GG) verbunden wäre. Scheinbar folgerichtig sucht das OLG Brandenburg den Sachzusammenhang in der Identität des Auftrags und beschränkt die (analoge) Anwendung des § 99 I GWB auf Fälle, in denen es ohne die Anteilsveräußerung tatsächlich zu einer Neuvergabe des Auftrags gekommen wäre. Abgesehen von den praktischen Problemen bei der Beweisführung und -erhebung über einen bloß hypothetischen Sachverhalt betrifft aber auch diese Argumentation kein Spezifikum gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen, sondern müßte gleichermaßen zu einer Berücksichtigung von Anteilsveräußerungen zwischen Privaten führen. Deren vergaberechtliche Sanktionierung wäre den bereits genannten Bedenken jedoch um so stärker ausgesetzt, als im Falle einer finanziellen Krise die Existenz des beauftragten Unternehmens nicht zuletzt von der Vergaberechtsneutralität des Sanierungskonzepts abhängt. Selbst wenn das bestehende Auftragsverhältnis einen wesentlichen Teil des Unternehmenswerts ausmachen sollte,157 ist grundsätzlich kein Bedarf an vergaberechtlichen Konsequenzen einer Anteilsveräußerung zu erkennen, solange die vertragsgemäße Ausführung des Auftrags weiterhin sichergestellt ist. (3) Keine generelle Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs Nachdem sämtliche Bemühungen zur Bestimmung eines zeitlichen, subjektiven oder objektiv-sachlichen Zusammenhangs zwischen Beteiligungserwerb und vorangehender Beauftragung fehlgeschlagen sind, läßt sich die Frage nach einer Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs nur noch generell verneinen oder aber generell bejahen. Die zweite Lösung wurde erstmals von Jaeger dezidiert vertreten und ist im Schrifttum auf ein geteiltes Echo gestoßen.158 Namentlich Dreher pläöffentliche Aufträge und Konzessionen v. 30. 04. 2004, KOM (2004) 327 endg, Rn. 48, wonach jedenfalls ein drittbestimmter Austausch des privaten Partners auf seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht für öffentliche Aufträge geprüft werden müsse. 157 Darauf abstellend Masing, ZfBR 2002, 450 (455). Vgl. auch Opitz, ZVgR 2000, 97 (106), der nur verlangt, daß „die Beauftragung nicht von untergeordneter Bedeutung in bezug auf den Hauptgegenstand, die Anteilsveräußerung, ist“. 158 Jaeger, NZBau 2001, 6 (11); ders., in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (469 ff.). Zustimmend Dreher, NZBau 2002, 245 (248 ff.); Endler, NZBau 2002, 125 (133); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 231 f.; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 64; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 13; Wilke, ZfBR 2004, 141 (146); wohl auch Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 29. Ähnlich zuvor schon Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 106; Opitz, ZVgR 2000, 97 (106). A. A. Burgi, NVwZ 2001, 601 (605); Frenz, DÖV
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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diert für eine grundsätzliche Ausschreibungspflicht von Anteilsveräußerungen mit „eingekapseltem Beschaffungsverhältnis“ nach den „Wertungskriterien der Inhouse-Vergabe“. Danach sei eine Ausschreibung des Beteiligungserwerbs nur dann entbehrlich, wenn eine hypothetische Beauftragung der Gesellschaft erst nach der Anteilsveräußerung in Anwendung der Grundsätze der „In-house-Vergabe“ ausschreibungsfrei wäre.159 Diese Terminologie ist insofern irreführend, als unter diesen Voraussetzungen schon gar kein Beschaffungsverhältnis im vergaberechtlichen Sinne existiert, das in die Anteilsveräußerung „eingekapselt“ sein könnte: Wenn selbst eine Neuvergabe des Leistungsauftrags an die nunmehr gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung nicht den Tatbestand des (teleologisch reduzierten) § 99 I GWB erfüllt, ist eine Umgehung des Vergaberechts logisch ausgeschlossen. Der Verweis auf die „Wertungskriterien der In-house-Vergabe“ ist somit nicht als einschränkende Voraussetzung zu verstehen, sondern gibt lediglich eine der gesamten Diskussion zugrundeliegende Prämisse wieder. So gesehen verkehrt diese Auffassung den allgemein anerkannten Grundsatz der Ausschreibungsfreiheit des Beteiligungserwerbs160 in der Mehrzahl aller Fälle schlichtweg ins Gegenteil. Da auch wettbewerbliche Aspekte den Geltungsbereich des Vergaberechts nicht beliebig ausdehnen können,161 wäre eine derart weitreichende Analogie allenfalls zu rechtfertigen, wenn sie die einzige Möglichkeit zur Herstellung eines wettbewerbskonformen Rechtszustands darstellte. Fraglich ist jedoch bereits ihre Eignung in bezug auf diesen Zweck. Eine wettbewerbliche Auswahl der (des) privaten Mitgesellschafter(s) würde zwar verhindern, daß Private ohne jeglichen Wettbewerb an öffentlichen Aufträgen partizipieren könnten,162 änderte aber nichts an dem vergaberechtlich verpönten Ergebnis, daß die Leistungsbeziehung selbst – jedenfalls, sofern sie ursprünglich auf einem ausschreibungsfreien „In-house-Geschäft“ beruht – dem Vergabewettbewerb entzogen bliebe.163 Fraglich ist, ob dieser Mangel durch ein „Mehr“ an Wettbewerb auf gesellschaftsrechtlicher Ebene kompensiert werden kann: Einerseits könnte es dem Anteilserwerber einen vergaberechtlich unerwünschten Wettbewerbsvorteil bringen, wenn er sich dem Vergabewettbewerb nicht direkt (beim Erwerb der 2002, 186 (192); Gelen, Müll und Abfall 2001, 582 (585 f.); Gröning, ZIP 2001, 497 (503); Masing, ZfBR 2002, 450 (454 f.); Schröder, NJW 2002, 1831 (1832). 159 Dreher, NZBau 2002, 245 (249 f.). Nach der hier verwendeten Terminologie sind damit die Kriterien der funktionalen Personenidentität und der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches angesprochen (dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. und 4.). Weitere „Ausnahmen“ will Dreher (a. a. O., 245, 251 f.) lediglich in den seltenen Fällen des bloßen Durchgangserwerbs, der Sicherheitsabtretung oder Pfändung von Gesellschaftsanteilen sowie bei vernachlässigbaren Auftragswerten oder Restlaufzeiten anerkennen. 160 Dazu siehe ausführlich oben Vierter Teil A. II. 2. a). 161 Gelen, Müll und Abfall 2001, 582 (586); Gröning, ZIP 2001, 497 (503). 162 Vgl. Masing, ZfBR 2002, 450 (454). 163 Eilmansberger, JBl 2001, 562 (572), der eine Ausschreibung der Gesellschafterstellung lediglich aus beihilferechtlichen Gründen für sinnvoll hält (a. a. O., Fn. 84).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Beteiligung), sondern nur indirekt über die gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung und damit in Kooperation mit dem öffentlichen Auftraggeber (bei der Vergabe des Leistungsauftrags) zu stellen bräuchte.164 Verlagerte man die Ausschreibungspflicht auf die Ebene des Beteiligungserwerbs, wäre andererseits jeder Bieter gezwungen, sich zur Leistungserbringung der gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung zu bedienen, statt seine Leistungen mit unter Umständen höheren Gewinnaussichten direkt dem öffentlichen Auftraggeber anbieten zu können.165 Insofern stellt eine durch Beteiligungserwerb ermöglichte Partizipation sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich ein Minus gegenüber einer selbständigen Auftragsakquisition dar. Deshalb spricht vieles dafür, daß der vom Gesetz verlangte Wettbewerb um den öffentlichen Auftrag jedenfalls nicht durch einen Wettbewerb um die Gesellschafterposition substituierbar ist. Da die oben erwähnte Möglichkeit einer kombinierten Ausschreibung von Leistungsauftrag und Beteiligungserwerb allenfalls bei Vorliegen eines sehr engen zeitlichen Zusammenhangs besteht, stellt sich vielmehr die Frage, ob eine nachträgliche Anteilsveräußerung an Private respektive Verschmelzung zu einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung nicht (auch) Auswirkungen auf die bereits bestehenden Leistungsbeziehungen haben muß, die im Zeitpunkt ihrer Entstehung (noch) nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB unterlagen. Damit ist indessen nur ein Teilaspekt des generellen Problems der Rechtsfolgen eines nachträglichen Entfalls privilegierender Umstände angesprochen, das an späterer Stelle vertieft und einer verallgemeinerbaren Lösung zugeführt werden soll.166
cc) Wettbewerbsrelevanz durch zeitgleiche oder spätere Auftragsvergabe? (1) Keine Auftragsvergabe durch Einbringung von Leistungen Wettbewerbsrelevant wäre der Beteiligungserwerb, wenn der zugrundeliegende Anteilsveräußerungs-, Gesellschafts- oder Verschmelzungsvertrag unmittelbar mit der Vergabe eines Leistungsauftrags zusammenfiele, dessen wettbewerblichen Folgen also gleichsam vorwegnähme.167 Dazu müßte der betreffende Vertrag zumindest auch auf die Erbringung einer an sich ausschreibungspflichtigen Leistung gerichtet sein. Insofern wird teilweise auf die vom privaten Anteilserwerber in die 164 Dementsprechend wollen Bell / Rehak (LKV 2001, 185, 189) die Ausschreibungspflicht auf Fälle beschränken, in denen die Gründung der gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung zur Folge hat, daß Außenstehende aufgrund der Vertragsgestaltung faktisch keine Chance haben, ebenfalls um öffentliche Auftrage zu konkurrieren. Solange diese Chance zumindest formal besteht, dürfte dieses Kriterium allerdings kaum justitiabel sein. 165 Vgl. Eilmansberger, JBl 2001, 562 (572). 166 Siehe unten Vierter Teil A. III. 167 Vgl. in diese Richtung, wenn auch unklar Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 106; Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1047 f.).
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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Gesellschaft einzubringenden Leistungen abgehoben,168 die zwar unmittelbar auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhen, sich aber nicht an den öffentlichen Auftraggeber wenden.169 Dieser profitiert von den Leistungen seiner Mitgesellschafter nur mittelbar über diejenigen Leistungen, die er von der gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung als solcher empfängt. Auch wenn es sich dabei faktisch um ein bloßes „Durchreichen“ von Leistungen eines privaten Gesellschafters handeln sollte, können jene Leistungen gleichwohl nicht Gegenstand des Gesellschaftsvertrags sein:170 Wenn die Gesellschaftssatzung einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung eine bestimmte öffentliche Aufgabe stellt, handelt es sich dabei zunächst um eine allgemeine Zweckbeschreibung. Die zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks erforderlichen Leistungen kann die Gesellschaft nicht aus sich heraus erbringen, sondern nur aufgrund einer Ermächtigung des öffentlich-rechtlichen Gesellschafters in seiner Funktion als Aufgabenträger.171 Und eben diese erfolgt regelmäßig in Form eines entgeltlichen privatrechtlichen Vertrags, d. h. – sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion vorliegen172 – in Form eines öffentlichen Auftrags gem. § 99 GWB, der mit dem Beteiligungserwerb allenfalls zeitlich, nicht aber rechtlich zusammenfallen kann. Zwar bleibt es dem öffentlichen Auftraggeber unbenommen, den Privaten zu bestimmten Leistungen auch unmittelbar heranzuziehen; doch tritt dieser dabei nicht in seiner Funktion als Gesellschafter der gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung, sondern aufgrund eines selbständigen öffentlichen Auftrags in Erscheinung. Demgegenüber vertritt Otting – jedenfalls für den Fall der Anteilsveräußerung – die Ansicht, daß die veräußernde Gebietskörperschaft, soweit der gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung bestimmte politische oder soziale Verpflichtungen auferlegt sind, letztlich „nicht marktübliche Extraleistungen“ zur fortgesetzten Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben einkaufe, die sie dem Anteilserwerber über einen Abschlag vom marktüblichen Kaufpreis honoriere.173 AbgeSo Kniesel / Scheerbarth, Der Städtetag 4 / 1998, 340 (344). Siehe oben Vierter Teil A. II. 2. a) bb). Fraglich ist allenfalls, ob die gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung ihrerseits öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB ist und die von ihren Gesellschaftern empfangenen Leistungen öffentlich ausschreiben muß. 170 Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (242). Vgl. auch Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (189); Pauly / Figgen / Hünnekens, Gemischtwirtschaftliche Entsorgungsunternehmen, S. 84, die zu Recht darauf hinweisen, daß „gesellschaftsrechtliche Zusammensetzungen [ . . . ] noch kein Handeln nach außen an den Tag legen“. 171 Wellmann, NZBau 2002, 431. Zu Unrecht a.A. Hertel / Recktenwald, NZBau 2001, 538 (539), die allerdings gerade aus dem Fehlen eines solchen Auftragsverhältnisses die Vergaberechtsneutralität der Gesellschaftsgründung zu begründen versuchen. 172 Dazu siehe oben Vierter Teil A. I. 173 Otting, VergabeR 2002, 11 (15 f.), der insofern von einer „entgeltlichen Indienstnahme“ spricht, ohne jedoch hinsichtlich der Person des „Indienstgenommenen“ klar zwischen der (gemischtwirtschaftlichen) Gesellschaft und dem (privaten) Erwerber zu differenzieren. Zustimmend Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 29. 168 169
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
sehen davon, daß die Vorstellung einer Kaufpreisminderung in tatsächlicher Hinsicht fragwürdig und zumindest nicht verallgemeinerbar ist,174 läßt sich auch dadurch keine engere Verknüpfung zwischen Beteiligungserwerb und Leistungserbringung herstellen: Solange keine unmittelbare rechtliche Leistungsbeziehung zwischen öffentlichem Auftraggeber und Anteilserwerber besteht, kann eine (unterstellte) Kaufpreisminderung – unabhängig von ihrer konkreten wirtschaftlichen Funktion – jedenfalls nicht als „Entgelt“ i. S. d. § 99 I GWB begriffen werden. Irreführend ist es schließlich, die Ausschreibungspflicht einer Anteilsveräußerung mit dem – angeblich auf einen Dienstleistungsauftrag gerichteten – „Schwerpunkt des Vertrags“ zu begründen;175 denn was nicht Inhalt des Vertrags ist, kann unmöglich seinen Schwerpunkt bilden. Eine Übertragung der – für die Zuordnung typengemischter Verträge entwickelten – Schwerpunkttheorie auf das Gesamtvertragswerk ist abzulehnen, weil damit ebensoviel Spielraum eröffnet würde für eine umgekehrte Argumentation mit dem Ziel, sämtliche „privatisierungsbegleitenden Rechtsakte“ dem Wettbewerb zu entziehen.176 (2) Rechtliche Trennung von Beteiligungserwerb und Leistungsauftrag Obwohl der Beteiligungserwerb und die Auftragsvergabe nach dem Gesagten stets voneinander unterscheidbare Rechtsgeschäfte darstellen, plädiert eine Reihe von Autoren dafür, die Rechtsfolgen der §§ 97 ff. GWB auf den Beteiligungserwerb auszudehnen, wenn die Bildung einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung zeitgleich oder zeitnah mit der von vornherein beabsichtigten Erteilung eines Leistungsauftrags erfolgt.177 Ein Musterbeispiel für die damit angesprochenen Fallkonstellationen bildet ein von der Vergabekammer Baden-Württemberg 174 Zum einen fragt sich, wie bei den (von Otting wohl thematisierten) Leistungen der sog. öffentlichen Daseinsvorsorge, die sich gerade dadurch auszeichnen, daß ihr Angebot nicht den freien Marktkräften ausgesetzt ist, überhaupt ein marktgerechter Referenzwert ermittelt werden soll. Zum anderen erscheint es mindestens genauso wahrscheinlich, daß ein privater Investor im Gegenteil sogar zur Zahlung eines „Aufpreises“ bereit ist, um von dem gesicherten „Absatzmarkt“ öffentlicher Daseinsvorsorgeleistungen zu profitieren. 175 So Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1047 f.), unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur Zuordnung typengemischter Verträge (dazu siehe unten Vierter Teil B. II.). 176 Vgl. Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, V (VII). Allgemein zur Zulässigkeit einer temporären Auftragsgarantie siehe unten mit Fn. 189. 177 Dreher, NZBau 2001, 360 (365 f.); ders., NZBau 2002, 245 (248); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 42; Jennert, ZKF 2001, 248 (251); Kleine / Flöther / Bräuer, NVwZ 2002, 1046 (1047 f.); wohl auch Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 27. Unklar Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (189); Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 106; Faber, DVBl. 2001, 248 (257 mit Fn. 65). Im Falle einer Neugründung mit Minderheitsbeteiligung der öffentlichen Hand auch Möschel, WuW 1997, 120 (124). Noch weitergehend Gelen, Müll und Abfall 2001, 582 (584), der eine Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs bereits aus der (widerlegbaren) Vermutung einer späteren Beauftragung ableiten will.
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entschiedener Sachverhalt:178 Im Zuge der Neustrukturierung der Abfallwirtschaft im Landkreis K beschloß der Kreistag die Gründung und Beauftragung zweier privatrechtlicher Gesellschaften: Am 11. 12. 2000 wurden die A-GmbH als 100 %-ige Tochtergesellschaft des Landkreises und die B-GmbH mit 51 %-iger Beteiligung der A-GmbH und 49 %-iger Beteiligung des privaten Entsorgungsunternehmens C gegründet. Am 12. 12. 2000 schloß der Landkreis auf der Grundlage von § 16 KrW- / AbfG einen Entsorgungs- und Betreibervertrag mit der A-GmbH i. G., welche ihrerseits einen Abfuhrvertrag mit der B-GmbH i. G. schloß. Eine öffentliche Ausschreibung fand jeweils nicht statt. In ihrem Beschluß vom 24. 01. 2001 gab die Vergabekammer den Nachprüfungsanträgen zweier konkurrierender privater Entsorgungsunternehmen statt: Weil der Landkreis alle Stufen des Verfahrens beherrsche, bedürfe es einer zusammenfassenden „Würdigung des Gesamtvertragswerks“, wobei die beiden Leistungsverträge als „wirtschaftliche und vergaberechtliche Einheit“ zu betrachten und als solche dem Landkreis zuzurechnen seien. Infolgedessen sei dem Landkreis aufzugeben, diese entweder selbst nach den Vorschriften der VOL / A zu vergeben oder aber darauf hinzuwirken, daß die von ihm beherrschten Gesellschaften ein Ausschreibungsverfahren nach der VOL / A durchführen.179 Im Ergebnis ist dieser Beurteilung insoweit zuzustimmen, als der Abfuhrvertrag zwischen der A-GmbH (als öffentlichem Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB) und der B-GmbH einen ausschreibungspflichtigen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 99 I, IV GWB darstellt.180 Keine Verpflichtung zur Beachtung des Kartellvergaberechts besteht hingegen bezüglich des zwischen dem Landkreis und der A-GmbH geschlossenen Entsorgungs- und Betreibervertrags, da insoweit ein ausschreibungsfreies „In-house-Geschäft“ (im weiteren Sinne) vorliegt.181 So gesehen mag die Zwischenschaltung der A-GmbH vielleicht überflüssig, aber nicht vergaberechtswidrig erscheinen. Einer „zusammenfassenden Würdigung“ bedarf es zu dieser Erkenntnis freilich nicht; und offenbar verfolgt die Vergabekammer damit auch das weitergehende Ansinnen, der A-GmbH nicht (nur) die Ausschreibung des Abfuhrvertrags, sondern (auch) die Ausschreibung der Gesellschaftsbeteiligung an der B-GmbH aufzugeben.182 Die dafür angeführte Begründung, das Vergaberecht VK Baden-Württemberg, NZBau 2001, 340 ff. VK Baden-Württemberg, NZBau 2001, 340 (341 f., 344). Die Einwirkungspflicht kann sich nur auf die Vergabe des Abfuhrvertrags durch die A-GmbH als öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB beziehen (vgl. VK Baden-Württemberg, a. a. O., 342). 180 Vgl. VK Baden-Württemberg, NZBau 2001, 340 (344): „[ . . . ] ist dem Ag. aufzugeben, den Vergabevorgang im Blick auf den von der A-GmbH vorgesehenen Abfuhrvertrag einzustellen und die Dienstleistungen [ . . . ] nach VOL / A zu vergeben“. 181 Dazu siehe oben Vierter Teil A. I. und Dritter Teil A. IV. 182 Vgl. VK Baden-Württemberg, NZBau 2001, 340 (344): „Tatsächlich führt die Ausschreibungsverpflichtung dazu, daß die von dem Ag. festgelegte 49 %-ige Beteiligung an der B-GmbH auf der Grundlage von VOL / A europaweit auszuschreiben ist.“ Ähnlich VK Köln, Beschl. v. 11. 12. 2001 – VK 20 / 01 (zit. nach Weyand, ZfBR 2002, 395, 396). 178 179
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
sei anzuwenden, wenn mit der Gründung von Gesellschaften die Vergabe von Dienstleistungen unmittelbar verbunden werde, so daß die Gründung quasi Mittel zum Zweck der Vergabe sei, steht in Übereinstimmung mit den eingangs zitierten Literaturmeinungen.183 Unbeantwortet bleibt wiederum die Frage nach dem konkreten Ausschreibungsobjekt: Es wurde bereits dargelegt, daß jedenfalls eine Substitution der Ausschreibung des Leistungsauftrags durch eine Ausschreibung des Beteiligungserwerbs nicht zulässig ist.184 Scheinbar konsequent bezieht Dreher die Ausschreibungspflicht auf den „Gesamtvorgang der Suche nach einem Mitgründungsgesellschafter und der beabsichtigten Begründung einer Leistungspflicht“.185 In diesem Fall müßte dem Meistbietenden der Zuschlag für den Gesellschaftsanteil und den Leistungsauftrag wohl mit der Verpflichtung erteilt werden, letzteren sogleich an die gemischtwirtschaftliche Gesellschaft abzutreten. Es soll nicht bestritten werden, daß es sich dabei um ein vergaberechtlich zulässiges und praktikables Vorgehen handelt;186 eine entsprechende Verpflichtung ginge allerdings mit einer ebenso unnötigen wie unverhältnismäßigen Einschränkung vertraglicher Gestaltungsfreiheiten einher. Da die Verpflichtung zur Ausschreibung des Leistungsauftrags grundsätzlich unabhängig von der Organisation der Gesellschaftersuche besteht, eine Umgehung der §§ 97 ff. GWB also nicht zu befürchten ist, ist unter wettbewerblichen Gesichtspunkten kein Bedürfnis für eine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts zu erkennen.187 Weil der Beteiligungserwerb im Hinblick auf die zu beschaffende Leistung nicht „wettbewerbsrelevant“ 183 Siehe oben Fn. 177. Vgl. insbesondere Dreher, NZBau 2001, 360 (365 f.): „[ . . . ] daß die Gesellschaftsbeteiligung des Privaten zusammen mit der beabsichtigten Vergabe des Auftrags eine wirtschaftlich untrennbare Einheit bildet“; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 42: „wenn [ . . . ] die Gesellschaftsgründung also zweckgerichtet auf die Verwirklichung eines Vergabevorgangs geschehen ist“. Ähnlich VK Brandenburg, Beschl. v. 17. 09. 2002 – VK 50 / 02 (zit. nach Weyand, ZfBR-Sonderbeilage 5 / 2003, 13, 17); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 231. 184 Siehe oben Vierter Teil A. II. 2. c) bb) (3). 185 Dreher, NZBau 2002, 245 (248); wohl auch VK Köln, Beschl. v. 11. 12. 2001 – VK 20 / 01 (zit. nach Weyand, ZfBR 2002, 395, 396). Jennert (ZKF 2001, 248, 251) weicht diesem Problem aus, indem er ein Wahlrecht des Auftraggebers annimmt (siehe oben Fn. 143). 186 Vgl. VK Lüneburg, NZBau 2001, 51 (52). Weitergehende Aussagen sind dieser Entscheidung – entgegen vielfach geäußerter Einschätzung (Burgi, NVwZ 2001, 601, 605 Fn. 44; Dreher, NZBau 2001, 360, 366 Fn. 62; Gelen, Müll und Abfall 2001, 582; Jennert, ZKF 2001, 248, 251 Fn. 28; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 27) – nicht zu entnehmen. Vielmehr hat die Vergabekammer ausdrücklich betont, es bedürfe „keiner abschließenden Klärung der Rechtsfrage, ob die Suche nach einem privaten Mitgesellschafter selbst [ . . . ] durch die VOL / A oder Europäisches Gemeinschaftsrecht ausschreibungspflichtig ist und [ . . . ] der Nachprüfung nach dem 4. Teil des GWB unterliegt“ (VK Lüneburg, a. a. O., 52). 187 Ebenso Masing, ZfBR 2002, 450 (454); wohl auch VK Lüneburg, NZBau 2002, 295 (296); zumindest im Grundsatz Faber, DVBl. 2001, 248 (257).
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ist, würde eine analoge Anwendung des § 99 GWB daher über das Ziel der Regelung hinausschießen. Ausdrücklich hinzuzufügen ist, daß diese Auffassung – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 100 II lit. g GWB188 – keinen Raum für eine Freistellung „privatisierungsbegleitender“ Leistungsaufträge läßt; eine temporäre Auftragsgarantie verstieße in ihrer zwar unter Umständen privatisierungsfördernden, aber zugleich wettbewerbsbeschränkenden Wirkung ohnehin gegen den Wortlaut und Geist der §§ 97 ff. GWB.189 Zuzugeben ist ferner, daß das unbedingte Festhalten an der Ausschreibungspflicht des Leistungsauftrags sich unter Umständen auf den zeitlichen Ablauf des Privatisierungsvorgangs auswirkt: Sofern der öffentliche Auftraggeber sich nicht für eine kombinierte Ausschreibung von Beteiligungserwerb und Leistungsauftrag entscheidet, muß eine originäre Gesellschaftsgründung bzw. Verschmelzung zur Neugründung dem Abschluß des Leistungsvertrags wenigstens so weit vorausgehen, daß die gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung zumindest als teilrechtsfähige Vorgesellschaft existiert und sich als solche am Vergabeverfahren beteiligen kann. Im Falle der Anteilsveräußerung oder Verschmelzung zur Aufnahme kann die bestehende Gesellschaft theoretisch bereits vor Vollzug des privaten Beteiligungserwerbs ein Leistungsangebot abgeben und die Aufnahme des neuen Gesellschafters zeitgleich mit der (unterstellten) Zuschlagserteilung realisieren. Allerdings könnten die Wettbewerbschancen des Angebots darunter leiden, daß die mit der funktionalen Privatisierung angestrebte Kapazitätserweiterung zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung steht. Um den daraus resultierenden Wettbewerbsvorteil zu nutzen, dürfte es sich daher auch in diesen Fällen empfehlen, den Beteiligungserwerb vorzuziehen. Dabei wird nicht verkannt, daß das Privatisierungsvorhaben regelmäßig auf die Wahrnehmung eines bestimmten Leistungsspektrums gerichtet ist und sich folglich das gesellschaftsrechtliche Engagement des Privaten als sinnlos erwiese, wenn der Auftrag an einen Dritten vergeben werden müßte.190 Diesem Risiko kann aber z. B. dadurch begegnet werden, daß der Beteiligungserwerb unter der auflösenden Bedingung der Nichterteilung des Zuschlags für bestimmte Leistungsaufträge vereinbart wird. Damit stehen einer konsequenten Anwendung der §§ 97 ff. GWB auf den Leistungsauftrag im Ergebnis auch praktische Schwierigkeiten nicht entgegen.
3. Zusammenfassung Nach alledem bietet das Kartellvergaberecht keine Grundlage für eine Ausschreibungspflicht bei der Auswahl privater Mitgesellschafter: Rechtsgeschäfte, Dazu siehe oben Dritter Teil B. I. A. A. (jedenfalls für den Fall der materiellen Privatisierung) Möschel, WuW 1997, 120 (124). Wie hier Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 24; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 23. 190 Vgl. nur Eilmansberger, JBl 2001, 562 (563). 188 189
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
die auf den – originären oder derivativen – Erwerb von Geschäftsanteilen an einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung gerichtet sind, stellen keine öffentlichen Aufträge i. S. d. Legaldefinition des § 99 GWB dar. In Ermangelung einer vergleichbaren Interessenlage mit den dort geregelten Verträgen zur entgeltlichen Beschaffung von Leistungen kommt auch eine analoge Anwendung der Norm nicht in Betracht. Etwas anderes ergibt sich – entgegen einer im Vordringen befindlichen Auffassung – auch nicht ausnahmsweise aus dem vergaberechtlichen Umgehungsverbot, da in den vermeintlichen Umgehungssachverhalten stets eine gegenüber dem Beteiligungserwerb selbständige vertragliche Leistungsbeziehung existiert, deren Ausschreibung nicht kontralegal durch eine Ausschreibung der Gesellschafterstellung substituiert werden kann. Allein durch eine konsequente Anwendung der §§ 97 ff. GWB auf den vorausgehenden, einhergehenden oder nachfolgenden Leistungsauftrag kann zu jeder Zeit und in jedem Fall sichergestellt werden, daß die Beschaffungstätigkeit öffentlicher Auftraggeber einem transparenten und diskriminierungsfreien Angebotswettbewerb zugänglich gemacht wird.
III. Nachträglicher Entfall privilegierender Umstände Die Problematik des nachträglichen Entfalls privilegierender Umstände trat erstmals im Zusammenhang mit der im vorigen Kapitel erörterten Wettbewerbsrelevanz des Beteiligungserwerbs durch Partizipation an bestehenden Aufträgen in Erscheinung.191 Indessen gehen die nachstehenden Überlegungen insofern über den Untersuchungsgegenstand der funktionalen Privatisierung hinaus, als sie den Versuch darstellen, ein umfassendes Lösungsmodell für alle denkbaren Fälle zu entwickeln, in denen die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des § 99 I GWB, aufgrund derer ein Vertrag über Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen i. S. d. § 99 II-IV GWB zunächst zulässigerweise ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens geschlossen wurde, infolge des Eintritts späterer Umstände nicht mehr gegeben sind. Ihre Erörterung im Zusammenhang mit der Bildung und Beauftragung gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen rechtfertigt sich daraus, daß die durch den Erwerb einer Gesellschaftsbeteiligung vermittelte Partizipation neu hinzutretender privater Gesellschafter an einer bereits bestehenden Leistungsbeziehung mit dem öffentlichen Auftraggeber-Gesellschafter eine zentrale – aber eben nicht die einzige – Fallgruppe dieses Phänomens bildet. Praktische Bedeutung erlangen diese Fälle insbesondere dadurch, daß die Gründe für eine teleologische Reduktion auf Gegebenheiten beruhen, die nur im Idealfall von Dauer sind, tatsächlich aber von den beteiligten Akteuren jederzeit geändert werden können.192 Dies betrifft zum einen das Kriterium der funktionalen 191 192
Siehe oben Vierter Teil A. II. 2. c) bb) (3). Eilmansberger, JBl 2001, 562 (571).
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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Personenidentität, welches durch alle Maßnahmen, die zu einer substantiellen Schmälerung der Ingerenzbefugnisse des öffentlichen Auftraggebers führen, in Frage gestellt werden kann. Neben der Änderung der Beteiligungsverhältnisse durch die Aufnahme von (weiteren) Mitgesellschaftern gehören dazu unter Umständen auch bloße Abänderungen des Gesellschaftsvertrags (z. B. bezüglich der Stimmrechtsverteilung) oder sonstiger ingerenzbegründender Abreden (z. B. Beherrschungs- oder Stimmbindungsverträge). Betroffen ist aber auch das Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches: Die diesbezügliche, anfänglich negative, Prognose kann jederzeit erschüttert werden, wenn die beauftragte Privatrechtsvereinigung durch die spätere Aufnahme oder Ausweitung einer wirtschaftlichen Betätigung beginnt, über ein zu vernachlässigendes Maß hinaus am allgemeinen Wettbewerb teilzunehmen. Im folgenden soll untersucht werden, ob die gleichsam „unbeirrte“ Fortsetzung einer Leistungsbeziehung unter diesen Umständen zulässig ist. Es liegt in der Natur der Sache, daß sich diese Frage nur bei solchen Verträgen stellt, deren Ausführung einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt und die sich im Zeitpunkt des Eintritts der genannten Umstände nicht bereits durch vollständige Leistungserbringung erledigt haben. Was den Vertragsgegenstand betrifft, kann es sich dabei sowohl um Werkverträge über umfangreiche Bauleistungen, um Dauer- oder Sukzessivlieferungsverträge (z. B. im Bereich der Energieversorgung) als auch um langfristige Dienstleistungsverträge (z. B. über Entsorgungs- oder Verkehrsdienstleistungen) handeln.
1. Rechtswidrigkeit der vertraglichen Leistungsbeziehung a) Neubegründung eines öffentlichen Auftragsverhältnisses Auf den ersten Blick ist schwer zu erkennen, inwiefern derartige Leistungsbeziehungen in Konflikt mit dem Vergaberecht geraten sollten. In der Tat werden durch den nachträglichen Entfall privilegierender Umstände weder die Rechtmäßigkeit des Vertragsschlusses als solchen noch die Modalitäten seines Zustandekommens in Frage gestellt. Zwar besteht die Funktion der §§ 97 ff. GWB primär darin, das dem Vertragsschluß vorausgehende Verfahren zur Auswahl eines Vertragspartners nach wettbewerblichen Prinzipien zu organisieren. Dennoch wäre es unter teleologischen Gesichtspunkten verfehlt, die Bedeutung des Kartellvergaberechts auf den Verfahrensaspekt zu reduzieren. § 97 I GWB verweist nämlich immer dann auf den Wettbewerb, wenn ein öffentlicher Auftraggeber Leistungen am Markt beschafft. Der Terminus „Beschaffung“ beschreibt weniger ein punktuelles Ereignis als vielmehr einen Vorgang, der sich ggf. in jedem einzelnen Leistungserfolg von neuem aktualisiert. Diese Einschätzung hat der EuGH in seinem Urteil vom 10. 04. 2003 eindrucksvoll bestätigt: Die Europäische Kommission hatte sich mit einer Vertragsverletzungsklage gem. Art. 226 EG dagegen gewandt, daß zwei niedersächsische Gemeinden langfristige Abwasser- bzw. Müllentsorgungsverträge entgegen den Bestimmungen der DKR ohne Ausschreibung vergeben hatten. Das 17*
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Verteidigungsvorbringen der Bundesrepublik Deutschland, die Vertragsverletzungen hätten in Verstößen gegen Verfahrensvorschriften bestanden, die mit dem nach deutschem Recht grundsätzlich irreversiblen Vertragsschluß alle ihre Wirkungen erschöpft hätten, wies der Gerichtshof zurück: Obwohl die DKR im wesentlichen Verfahrensvorschriften enthalte, sei sie gleichwohl erlassen worden, um die Hemmnisse für den freien Dienstleistungsverkehr zu beseitigen und somit die Interessen der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer zu schützen. Die Beeinträchtigung des freien Dienstleistungsverkehrs aber dauere während der gesamten Dauer der Erfüllung der unter Verstoß gegen die DKR geschlossenen Verträge fort.193 In der Konsequenz dieser Argumentation liegt es, daß der fortdauernde Bezug von Leistungen, um die niemals ein Wettbewerb stattgefunden hat, ab dem Zeitpunkt des Entfalls der privilegierenden Umstände einen rechtswidrigen Wettbewerbszustand darstellt. Fraglich ist, ob sich das Rechtswidrigkeitsurteil auch auf die konkrete vertragliche Leistungsbeziehung erstreckt. Weil sich der in § 101 I GWB konkretisierte Normappell nicht auf Wettbewerbszustände, sondern nur auf „öffentliche Aufträge“ bezieht, muß sich die aktualisierte Leistungsbeziehung unter § 99 I GWB subsumieren lassen: Sicherlich hat der dort verwendete Begriff des „entgeltlichen Vertrags“ in erster Linie die Begründung neuer Verpflichtungen im Blick.194 Zu berücksichtigen ist jedoch, daß mit dem Verlust der funktionalen Personenidentität bzw. der Wettbewerbsneutralität des Leistungsaustausches die vergaberechtlich privilegierte „In-house-Beziehung“ faktisch beendet und gleichsam auf eine „Beschaffung am Markt“ umgestellt wird. Sofern die von diesem Zeitpunkt an noch zu erbringenden Leistungen nach Art und Umfang Gegenstand eines neuen, selbständigen Vertrags sein könnten, der hypothetisch den Tatbestand eines öffentlichen Auftrags erfüllt, trifft dessen Kerngehalt gleichermaßen auf die bestehende Leistungsbeziehung zu. Auch ohne die formale Neuvornahme des zivilrechtlichen Vertragsschlusses läßt sich ihre Fortsetzung somit aus vergaberechtlicher Sicht als Neubegründung eines öffentlichen Auftragsverhältnisses begreifen.195 Diese unter193 EuGH, Urt. v. 10. 04. 2003 – Rs. C-20 / 01 u. C-28 / 01 (Kommission / Deutschland), NVwZ 2003, 1231 (1232 f.), Rn. 31 ff. Im Hinblick hierauf erwägen Bungenberg (in: Storr, Hrsg., Öffentliche Unternehmen im Wettbewerb und Vergaberecht, S. 119, 128) und Wilke (ZfBR 2004, 141, 149) eine nachträgliche Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Aufhebung bzw. Rückabwicklung des Vertrags. Zu den Auswirkungen einer sog. De-factoVergabe auf den Bestand des Leistungsvertrags siehe unten Vierter Teil A. III. 2. b). 194 Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 28; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (241); Prieß, Handbuch des europäischen Ver-gaberechts, S. 66; Kulartz, NZBau 2001, 173 (178); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 9. 195 Vgl. Eilmansberger (JBl 2001, 562, 575). Ähnlich Jaeger, in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (471 f.), der zutreffend feststellt, daß das „Eigengeschäft [ . . . ] nach der Anteilsveräußerung [ . . . ] ein Fremdgeschäft geworden“ ist, daraus aber (nach hier vertretener Auffassung unzutreffend) auf eine Ausschreibungspflicht der Anteilsveräußerung schließt, die er als „Änderungsvertrag“ im funktionalen Sinne interpretiert.
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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liegt denselben vergaberechtlichen Anforderungen wie eine reguläre Auftragsvergabe und damit insbesondere der aus § 97 I i. V. m. § 101 I, V 1 GWB abzuleitenden Pflicht zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens (Ausschreibung), welche durch die schlichte Fortsetzung der bestehenden Leistungsbeziehung akzessorisch verletzt wird. Die vorgetragene Argumentation verkennt nicht, daß das nationale wie europäische Vergaberecht grundsätzlich – jedenfalls im Bereich von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen – auch langfristige und sogar unbefristete Vertragsverhältnisse anerkennt.196 Insbesondere hat der EuGH zu Recht entschieden, daß die EG-Vergaberichtlinien keinen Einfluß auf den Bestand von sog. Altverträgen haben, die noch vor Ablauf der Umsetzungsfristen geschlossen wurden.197 Wenn Prieß daraus a fortiori schließt, daß die Rechtswirksamkeit von Verträgen, die bereits nach Maßgabe der neuen Vergaberegeln ausgeschrieben wurden, nicht angetastet werden dürfe,198 ist damit jedenfalls keine Vorentscheidung über die vorliegende Fallkonstellation getroffen. Denn die hier postulierte Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens schließt die Möglichkeit ein, ihre Erfüllung durch eine Ausschreibung des ursprünglichen Leistungsvertrags zu antizipieren: Die Kriterien der funktionalen Personenidentität und der (fehlenden) Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches gestatten dem Auftraggeber zwar den Verzicht auf eine Ausschreibung, hindern ihn aber nicht daran, die Verfahrensvorschriften der §§ 97 ff. GWB freiwillig anzuwenden. Wenn die publizistische bzw. gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung sich aber bereits im Wettbewerb gegen andere Bieter durchgesetzt hat, besteht aus teleologischen Gründen kein Bedürfnis für eine Wiederholung des Vergabeverfahrens nach Entfall der privilegierenden 196 Das ergibt sich implizit aus den speziellen Regelungen zur Auftragswertberechnung (Art. 7 V, VI DKR, Art. 5 II, III LKR = Art. 9 VI, VII, VIII lit. b VKR; § 3 III, IV VgV). Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 14; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 28; Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 64; ders., DÖV 2002, 186 (193); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (240); Kulartz, NZBau 2001, 173 (178); Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 46 f.; ders., Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 67; Schröder, NJW 2002, 1831 (1833); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 10. 197 EuGH, Urt. v. 24. 09. 1998 – Rs. C-76 / 97 (Walter Tögel / Niederösterreichische Gebietskrankenkasse), Slg. 1998, I-5357 (5407), Rn. 54; Urt. v. 05. 10. 2000 – Rs. C-337 / 98 (Kommission / Frankreich), Slg. 2000, I-8377 (8412), Rn. 38. Ebenso VÜA Bund, ZVgR 1999, 22 f. 198 Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 67. Zu Recht wird daher die Zulässigkeit von unbefristeten Verträgen und ausschreibungsfreien Vertragsverlängerungen und -erweiterungen von der Formulierung der ursprünglichen Ausschreibung abhängig gemacht (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 48; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Hrsg., GWB, § 99 Rn. 15; H.-M. Müller, NZBau 2001, 416 (422); Prieß, a. a. O., S. 67 f.; ders., in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 47 f.; Thieme, in: Langen / Bunte, Hrsg., Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 11).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Umstände. Insoweit ist die Situation vergleichbar mit einer Vertragsübernahme, die ebenfalls keine erneute Ausschreibungspflicht auslöst.199 Im übrigen gehen Rechtsprechung und Literatur inzwischen überwiegend davon aus, daß eine bestehende Vertragsbindung es nicht generell ausschließt, dem öffentlichen Auftraggeber die Verpflichtung zur Durchführung eines Vergabeverfahrens noch nachträglich aufzuerlegen.200 So hat das OLG Düsseldorf mehrfach entschieden, daß sowohl Vertragsverlängerungen als auch Vertragsänderungen in den sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts fallen, wenn sie „in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen bei wertender Betrachtung einer Neuvergabe gleichkommen“.201 Die konkreten Voraussetzungen dieser Hypothese brauchen an dieser Stelle nicht vertieft zu werden; doch ist ihr deutlich zu entnehmen, daß der formale Neuabschluß eines zivilrechtlichen Vertrags nicht als conditio sine qua non für eine Subsumtion unter den Tatbestand des § 99 GWB aufgefaßt werden kann. Vielmehr können unter Umständen bereits die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Sachverhalts dazu führen, daß „de facto ein neues Vertragsverhältnis im vergaberechtlichen Sinne begründet“ wird.202 Versteht man unter wirtschaftlichen Auswirkungen in teleologischer Perspektive vor allem die Auswirkungen auf den Wettbewerb, muß dieses Ergebnis erst recht gelten, wenn es nicht nur um die (in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht) quantitative Verändung einer bestehenden 199 Dazu siehe oben Vierter Teil A. II. 2. c) bb) (2) mit Fn. 156. Mit derselben Begründung lehnen Dreher (NZBau 2002, 245, 252) und Opitz (ZVgR 2000, 97, 106) eine wiederholte Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs ab. 200 In diesem strengen Sinne lediglich VK Arnsberg, Beschl. v. 18. 07. 2000 – VK 2 – 07 / 2000 (zit. nach H.-M. Müller, NZBau 2001, 416, 422 mit Fn. 54). 201 OLG Düsseldorf, NZBau 2001, 696 (700); NZBau 2002, 54 (55); NZBau 2004, 343 (344). Zustimmend BKartA (1. VK Bund), NZBau 2002, 110 (111); Erdl, VergabeR 2001, 213; Hausmann / Krohn, VergabeR 2001, 336 f.; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 53. Ähnlich OLG Jena, ZfBR 2004, 193 (194 f.); OLG Rostock, NZBau 2003, 457 (458); VG Frankfurt a. d. Oder, AbfallPrax 2000, 124 (126); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 15 f.; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 33; Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 62; ders., DÖV 2002, 186 (192); Hailbronner, VergabeR 2001, 327 (328 f.); Kulartz, NZBau 2001, 173 (178 f.); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 14; Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 48 f.; ders., Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 68; Schaffner / Köhler / Glowienka, VergabeR 2003, 281 (285); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, § 99 Rn. 11, 13. Noch weitergehend Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 47; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 8 (die mengenmäßige und zeitliche Vertragserweiterungen grundsätzlich als neuen Auftrag behandeln); Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen v. 30. 04. 2004, KOM (2004) 327 endg, Rn. 49 (wonach „jede inhaltliche Änderung in bezug auf den Vertragsgegenstand selbst dem Abschluß eines neuen Vertrags gleichzusetzen“ sei). 202 Frenz, DÖV 2002, 186 (192), der den Begriff „Vergabe“ im Anschluß an Pauly / Figgen / Hünnekens (Gemischtwirtschaftliche Entsorgungsunternehmen, S. 83) als „Neubegründung eines Auftragsverhältnisses zwischen den Parteien und der Sache nach“ definiert.
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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Leistungsbeziehung, sondern um die qualitative Umstellung von einer (nicht wettbewerbsrelevanten) „In-house-Beziehung“ auf eine (stets wettbewerbsrelevante) Leistungsbeschaffung am Markt geht.203 Mithin ist daran festzuhalten, daß der nachträgliche Entfall privilegierender Umstände den öffentlichen Auftraggeber gem. § 97 I i. V. m. § 101 I, V 1 GWB zur Ausschreibung der noch ausstehenden Leistungen verpflichtet. Sofern eine solche nicht schon im Vorfeld des ursprünglichen Vertragsschlusses stattgefunden hat, ist die fortgesetzte Leistungsbeziehung von diesem Zeitpunkt an vergaberechtswidrig.
b) Berechnung des Auftragswerts (§ 100 I GWB) Selbstverständlich steht die so begründete Ausschreibungspflicht unter dem Vorbehalt, daß auch die in § 100 GWB geregelten weiteren Voraussetzungen des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts gegeben sind: Zum einen muß der Auftragswert die in § 2 VgV festgelegten Schwellenwerte erreichen (§ 100 I GWB), zum anderen darf kein expliziter Ausnahmetatbestand einschlägig sein (§ 100 II GWB). Während sich bei der Prüfung der Ausnahmevoraussetzungen keine Besonderheiten ergeben, bereitet die Berechnung des Auftragswerts Schwierigkeiten: Da sich eine Ausschreibungspflicht nur auf solche Leistungen beziehen kann, die im Zeitpunkt des Entfalls der privilegierenden Umstände noch nicht vollständig abgewickelt sind, dürfen – abweichend von der Schätzregel des § 3 I VgV – auch nur die darauf entfallenden Anteile der vereinbarten Gesamtvergütung in die Auftragswertberechnung einfließen.204 Infolgedessen kann eine kurze Restlaufzeit des Leistungsvertrags unter Umständen dazu führen, daß eine im Zeitpunkt des zivilrechtlichen Vertragsschlusses „der Höhe nach“ bestehende, aber „der Sache nach“ entfallene Ausschreibungspflicht zu einem späteren Zeitpunkt zwar „der Sache nach“ entsteht, aber „der Höhe nach“ entfällt. Soweit die geänderte sachliche Bewertung der Leistungsbeziehung auf die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen zurückgeht, wird die Auffassung vertreten, daß der Auftragswert zusätzlich auf die private Beteiligungsquote am Gesellschaftsvermögen zu reduzieren sei:205 Erwirbt ein Privater beispielsweise 49 % der Geschäftsanteile einer zuvor publizistischen Privatrechtsvereinigung, wären hiernach die auf die Restlaufzeit entfallenden Leistungen nur in Höhe von 49 % auf den Auftragswert anzurechnen. Die Nichteinbeziehung der beim Auftraggeber verbleibenden Beteili203 A. A. wohl Schröder, NJW 2002, 1831 (1833), der es für ausgeschlossen hält, daß der „Wechsel von kommunaler Eigengesellschaft zur gemischtwirtschaftlichen Unternehmung“ eine „den Wettbewerb [ . . . ] beeinflussende Außenwirkung“ erzeugen kann, dabei jedoch verkennt, daß das sog. „In-house-Privileg“ gerade auf deren Abwesenheit beruht. 204 Vgl. Dreher, NZBau 2002, 245 (250); Eilmansberger, JBl 2001, 562 (574). 205 So im Zusammenhang mit der angeblichen Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs VK Baden-Württemberg, NZBau 2001, 340 (341); Jaeger, NZBau 2001, 6 (11); ders., in: Büdenbender / Kühne (Hrsg.), Festschrift für Baur, S. 455 (472).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
gungsquote beruht offenbar auf der Vorstellung, daß die über den Beteiligungserwerb vermittelte Partizipation des privaten Partners an der bestehenden Leistungsbeziehung letztlich eine Beauftragung desselben mit der rechnerisch auf seine Beteiligungsquote entfallenden Leistungsmenge bezwecke.206 Sie verkennt, daß infolge der Anteilsveräußerung lediglich ein privilegierender Umstand (hier: das Kriterium der funktionalen Personenidentität) entfällt und allein hierin die dogmatische Begründung für eine Ausschreibungspflicht liegt. Schuldnerin der gesamten Leistungsmenge (und künftige „Auftragnehmerin“) ist und bleibt die (nunmehr gemischtwirtschaftliche) Gesellschaft als solche. Folglich ist der Auftragswert – auch im Falle einer vorausgehenden Anteilsveräußerung – ohne Rücksicht auf den fiktiven Anteil einzelner Gesellschafter allein anhand der Restlaufzeit des Vertrags zu ermitteln.207
2. Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit a) Keine Ausschreibung des Beteiligungserwerbs Eine Möglichkeit, auf die durch den nachträglichen Entfall privilegierender Umstände ausgelöste Rechtswidrigkeit der Leistungsbeziehung zu reagieren, liegt in der verschiedentlich erhobenen Forderung nach einer Ausschreibung des Beteiligungserwerbs durch Private.208 Abgesehen von ihren unklaren Voraussetzungen und dogmatischen Unzulänglichkeiten hat diese Auffassung den Nachteil, daß sie nur für einen Teil der hier diskutierten Problematik eine Lösung anbietet: Sie beantwortet weder, wie zu verfahren ist, wenn die Voraussetzungen des Kriteriums der funktionalen Personenidentität auf andere Weise als durch Beteiligungserwerb entfallen, noch welche Auswirkungen eine veränderte Beurteilung des Kriteriums der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches haben soll. Da es sich insoweit um gleichwertige Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des § 99 I GWB handelt, weisen die zuletzt genannten Fallkonstellationen in bezug auf die bestehende Leistungsbeziehung keinen geringeren Unrechtsgehalt auf als die nachträgliche Partizipation eines privaten Gesellschafters. Die daraus folgende Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte ist nicht zu rechtfertigen und liefert ein weiteres Argument für die Ablehnung jeglichen Versuchs, den sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts auf den Erwerb von GesellschaftsbeteiVgl. oben Vierter Teil A. II. 2. c) bb) mit Fn. 140. Ebenso schon im Zusammenhang mit der angeblichen Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs Dreher, NZBau 2002, 245 (250 f.); Endler, NZBau 2002, 125 (134). Auch für eine Privilegierung von Sachverhalten, in denen – trotz Erreichens der Schwellenwerte – die Restlaufzeit des Auftrags im Verhältnis zur Gesamtlaufzeit oder der Restwert des Auftrags im Verhältnis zum gesamten Transaktionswert der Anteilsveräußerung vernachlässigbar ist, (dafür Dreher, a. a. O., 245, 251 f.) besteht kein Anlaß (insoweit zutreffend Jaeger, in: Büdenbender / Kühne, Hrsg., Festschrift für Baur, S. 455, 472 f.). 208 Dazu siehe ausführlich oben Vierter Teil A. II. 2. c) bb). 206 207
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ligungen auszuweiten. Abgesehen davon liefe es auf eine allzu großzügige Auslegung der §§ 97 I, 101 GWB hinaus, wenn man dem öffentlichen Auftraggeber im Ergebnis gestatten wollte, seine Pflicht zur Ausschreibung der noch ausstehenden Leistungen dadurch zu „erfüllen“, daß er lediglich einen begleitenden, aber an sich beschaffungsfremden Rechtsakt dem Wettbewerb unterstellt.
b) Beendigung der vertraglichen Leistungsbeziehung Es ist daher zu prüfen, inwieweit die Rechtswidrigkeit der Leistungsbeziehung Rechtsfolgen für den Bestand der Leistungsvertrags zeitigt. Der Weg für eine Ausschreibung der darin vereinbarten Leistungen ist nämlich erst dann eröffnet, wenn der ursprüngliche Leistungsvertrag keine aktuelle Bindungswirkung für die Parteien mehr entfaltet. Zweifellos besteht die Möglichkeit, die Leistungsbeziehung durch den Abschluß eines Aufhebungsvertrags mit Wirkung für die Zukunft zu beenden: Jedenfalls vor Entfall der funktionalen Personenidentität ist der Auftraggeber aufgrund seiner umfassenden Ingerenzbefugnisse auch in der Lage, dem Auftragnehmer einen solchen notfalls zu diktieren; anderenfalls könnte an eine Kündigung aus wichtigem Grund gedacht werden. Nach dem Legalitätsprinzip mag man den Auftraggeber als Normadressaten des Kartellvergaberechts auch für verpflichtet halten, einen rechtswidrigen Vertrag auf diese oder jene Weise zu beenden – eine Verpflichtung, deren Erfüllung der Auftraggeber durch die Aufnahme einer auflösenden Bedingung oder zumindest eines Rücktrittsvorbehalts in den ursprünglichen Leistungsvertrag gleichsam vorwegnehmen könnte.209 Fraglich ist unterdessen, welche Rechtsfolgen das Gesetz vorsieht, wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkommt und auf den Entfall der privilegierenden Umstände – sei es vorsätzlich oder in Verkennung der Rechtslage – nicht reagiert. Ein erster Normbefund scheint einer zwangsweisen Beseitigung der vertraglichen Bindungswirkung entgegenzustehen: Gem. § 114 II 1 GWB kann ein bereits erteilter Zuschlag im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nicht aufgehoben werden. Da das deutsche Vergaberecht daran festhält, daß der (vergaberechtliche) Zuschlag mit dem (zivilrechtlichen) Vertragsschluß zusammenfällt,210 können Verstöße gegen Vergabevorschriften den Bestand eines wirksam geschlossenen Vertrags grundsätzlich nicht erschüttern. Auch in diesem Fall gilt der Grundsatz „pacta sunt servanda“. Hiermit hat der Gesetzgeber die Abwägung zwischen den Prinzipien der Gesetzmäßigkeit 209 Eilmansberger, JBl 2001, 562 (575 mit Fn. 99). Vgl. auch Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 67; Reidt, in: ders. / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 Rn. 22, 29; Rindtorff / Gabriel, VergabeR 2004, 222 (225); Stelkens, NZBau 2003, 654 (655 ff.). Grundsätzlich a.A. H.-M. Müller, NZBau 2001, 416 (422). 210 Dazu siehe oben Erster Teil A. V. mit Fn. 50. Partiell a.A. Schimanek, ZfBR 2002, 39 (43), der nur bei Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens von einem „Zuschlag“ i. S. d. § 114 II 1 GWB sprechen will, das rechtliche Schicksal eines ohne ein solches Verfahren geschlossenen Vertrags aber unberücksichtigt läßt (dagegen zu Recht BKartA, 1. VK Bund, NZBau 2002, 110, 112; Burgi, NZBau 2003, 16, 20 mit Fn. 49).
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und der Rechtssicherheit zwar grundsätzlich zugunsten des letzteren entschieden.211 Voraussetzung ist allerdings in jedem Fall die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags, über die § 114 II 1 GWB selbst keine Aussage trifft: Wie der BGH zutreffend herausgearbeitet hat, wird vielmehr auch hiernach vorausgesetzt, „daß es bei der Vergabe einzuhaltende Regeln darüber gibt, ob und ggf. wann eine [ . . . ] Übereinkunft diese Wirkung hat“.212 Daraus folgt zwingend, daß der Bestandsschutz des § 114 II 1 GWB jedenfalls insoweit zurücktritt, als das Gesetz einen Rechtsverstoß mit der Nichtigkeit des Vertrags sanktioniert.213 aa) Nichtigkeit gem. § 13 S. 6 VgV (analog)? Die einzige ausdrückliche Nichtigkeitsanordnung findet sich in § 13 S. 6 VgV. Diese Vorschrift ist erst nachträglich in die VgV eingefügt worden und verkörpert die Reaktion der Bundesregierung auf eine bis dahin bestehende Lücke im Primärrechtsschutz:214 Aufgrund der Sperrwirkung des § 114 II 1 GWB ist ein unterlegener Bieter zur Prüfung des Vergabeverfahrens auf Fehler in der Angebotswertung und eventuellen Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens darauf angewiesen, das Ergebnis der Angebotswertung rechtzeitig vor der Zuschlagserteilung zu erfahren. Aus diesem Grunde verpflichtet § 13 S. 1 und 2 VgV den Auftraggeber, die unterlegenen Bieter spätestens vierzehn Kalendertage vor dem Vertragsschluß über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots zu informieren. Um dem Auftraggeber eine „Flucht in den Zuschlag“ zu verwehren, ordnet § 13 S. 5 VgV im Falle der Zuwiderhandlung ein Zuschlagsverbot an, dessen Nichtbeachtung § 13 S. 6 VgV mit der Nichtigkeit eines „dennoch abgeschlossenen Vertrags“ sanktioniert. Ein ähnliches Ergebnis hatte zuvor die 1. Vergabekammer des Bundes in ihrem sog. „Münzplättchen II“-Beschluß vom 29. 04. 1999 aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 27a Nr. 1 VOL / A i. V. m. Art. 19 IV und 20 III GG abgeleitet.215 Anlaß für die Einführung einer nichtigkeitsbewehrten VorabinformaVgl. Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1; Wegmann, NZBau 2001, 475 (476). BGH, NZBau 2004, 229 (231). 213 Vgl. Antweiler, DB 2001, 1975 (1976); Byok, in: ders. / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 114 Rn. 746; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 114 Rn. 29; Kus, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 114 Rn. 48; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 114 GWB Rn. 11; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rn. 15; MüllerWrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1; Reidt, in: ders. / Stickler / Glahs, Kommentar zum Vergaberecht, § 114 Rn. 22; Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (169). Ebenso im Ergebnis BGH, NJW 2001, 1492 (1495); BKartA (1. VK Bund), NZBau 2002, 110 (111 f.). Ähnlich J. Braun, NVwZ 2004, 441 (443), der das Wirksamkeitserfordernis bereits auf den Zuschlag bezieht. 214 Vgl. Bundesregierung, Begründung zur VgV, BR-Drs. 455 / 00, S. 18 f. 215 BKartA (1. VK Bund), NJW 2000, 151 (152 ff.). In einer Folgeentscheidung hat die Vergabekammer (BKartA, 1. VK Bund, NZBau 2000, 214, 215) eine entsprechende Informa211 212
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tionspflicht war aber vor allem die sog. „Alcatel Austria“-Entscheidung des EuGH vom 28. 10. 1999: Hierin hatte der Gerichtshof – in bezug auf die insoweit vergleichbare Rechtslage in Österreich – klargestellt, daß sich aus Art. 2 I lit. b RMR die Verpflichtung der Mitgliedstaaten ergebe, die dem Vertragsschluß vorangehende Entscheidung des Auftraggebers zugunsten eines bestimmten Bieters „in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen, in dem der Antragsteller [ . . . ] die Aufhebung der Entscheidung erwirken kann“.216 Trotz eines daraufhin neu entbrannten Streits um die Gemeinschaftsrechtskonformität des deutschen Systems der Einheit von Zuschlag und Vertragsschluß217 ist davon auszugehen, daß mit dem Erlaß des § 13 VgV eine hinreichende Umsetzung der Richtlinienvorgaben gelungen ist; der zunächst geführte Streit um die Verfassungskonformität des § 13 S. 6 VgV dürfte sich mit der Entscheidung des BGH vom 09. 02. 2004 erledigt haben.218 Fraglich ist, ob die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV auch auf den hier vorliegenden Fall einer rechtswidrig unterlassenen (Vertragsbeendigung und anschließenden) Ausschreibung übertragen werden kann – mit der Folge, daß der bestehende Leistungsvertrag ab dem Eintritt der Rechtswidrigkeit ipso iure nichtig wäre. Eine (analoge) Anwendung des § 13 S. 6 VgV wird in Rechtsprechung und Schrifttum namentlich dann befürwortet, wenn eine Ausschreibung von vornherein rechtswidrig unterblieben ist (sog. De-facto-Vergabe):219 Wenn schon ein Fehler innerhalb eines durchgeführten Vergabeverfahrens die Nichtigkeit des Vertrags nach sich zieht, so müsse dies erst recht bei völligem Unterbleiben eines solchen tionspflicht auch auf die Fälle der § 27a Nr. 1 I VOB / A und § 17 IV VOF übertragen. Ausdrücklich a.A. KG, NZBau 2001, 703 (Leitsatz). 216 EuGH, Urt. v. 28. 10. 1999 – Rs. C-81 / 98 (Alcatel Austria AG u. a. / Österreichisches Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr), Slg. 1999, I-7671 (7708 f.), Rn. 43. 217 Dagegen Hausmann, EuZW 1999, 762 (763); Kau, NZBau 2003, 310 (314 f.); Koenig / Haratsch, NJW 2003, 2637 (2641); Martin-Ehlers, EuZW 2000, 101 ff.; Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 194; ders., EuZW 2001, 365 (375); Ulbrich / Waldner, BauR 1999, 1082 (1089 ff.). 218 BGH, NZBau 2004, 229 (230 f.). A. A. im Hinblick auf Art. 80 I 2 GG i. V. m. § 97 VI GWB zuvor OLG Brandenburg, NZBau 2004, 169 f.; Antweiler, DB 2001, 1975 (1979); Delius, ZfBR 2002, 341 f.; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, 509 (511 f.); Hailbronner, NZBau 2002, 474 (478); Kau, NZBau 2003, 310 (311). 219 Für eine direkte Anwendung BKartA (1. VK Bund), WuW / E Verg 833 (835 f.); VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 26. 03. 2002 – 1 VK 7 / 02; VK Münster, Beschl. v. 21. 12. 2001 – VK 22 / 01; VK Sachsen, Beschl. v. 28. 01. 2002 – 1 / SVK 2 – 02 (jeweils zit. nach Burgi, NZBau 2003, 16, 18 Fn. 23); Bär, ZfBR 2001, 375 (379); Burgi, a. a. O., 16 (21); Byok, NJW 2001, 2295 (2301); Dreher, NZBau 2001, 244 (245); Erdl, VergabeR 2001, 213; Hertwig, NZBau 2001, 241 (242); Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 91; Prieß, EuZW 2001, 365 (367); mit Einschränkungen auch OLG Jena, ZfBR 2004, 193 (195 f.); Glahs, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 Rn. 9. Vgl. für den Fall einer unterlassenen Beteiligung am Verhandlungsverfahren OLG Dresden, VergabeR 2002, 142 (144 f.); OLG Düsseldorf, NZBau 2003, 400 (404 ff.); BKartA (1. VK Bund), NZBau 2003, 406. Für eine analoge Anwendung Otting, VergabeR 2002, 11 (18); ders., VergabeR 2002, 146 (147).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Verfahrens gelten. Das darin enthaltene argumentum a minore ad maius mag zwar im Ergebnis überzeugen, läßt sich aber nicht aus § 13 S. 6 VgV ableiten und rechtfertigt folglich auch keine (analoge) Anwendung dieser Norm: Die Nichtigkeitsanordnung kann nicht aus dem systematischen Zusammenhang des § 13 VgV herausgelöst werden, sondern ist zwingend mit dem Zuschlagsverbot und der Pflicht zur Vorabinformation verknüpft.220 Folglich kann sich auch eine Analogie nur auf den gesamten § 13 VgV einschließlich der Informationspflicht beziehen. Da diese nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13 S. 1 VgV ausschließlich gegenüber „Bietern, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“ besteht (Hervorhebungen des Verfassers), setzt § 13 VgV stets ein konkretes, wenngleich nicht notwendig förmliches, Vergabeverfahren voraus, in dem der Auftraggeber die Auswahl zwischen mehreren Anbietern hat.221 Wird ein solches erst gar nicht eingeleitet, weil der Auftraggeber von vornherein nur mit einem einzigen Unternehmen verhandelt, existieren keine Bieter, gegenüber denen eine Informationspflicht überhaupt entstehen, geschweige denn verletzt werden könnte.222 Die alternative Argumentation Burgis, die in § 13 S. 1 und 2 VgV statuierten Pflichten knüpften an die vorausliegende Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens an und seien deshalb akzessorisch verletzt, wenn eine solches überhaupt nicht durchgeführt wird,223 verkennt, daß die Durchführung eines Vergabeverfahrens nach der Konzeption des § 13 VgV eine Tatbestandsvoraussetzung der Informationspflicht ist. Eine analoge Anwendung des § 13 VgV könnte mit einem materiellen Verständnis des Vergabeverfahrens begründet werden.224 Da es sich dabei zunächst um ein Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (5). OLG Celle, Behörden Spiegel 4 / 2004, S. 19 (Zusammenfassung); OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 113 (115); Delius, ZfBR 2002, 341 (343); Dieckmann, NZBau 2001, 481 (482); Gesterkamp, WuW 2001, 665 (669); Glahs, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 Rn. 7; Hailbronner, NZBau 2002, 474 (479); Hertwig, NZBau 2001, 241; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, 479 (480); Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (6); Portz, VergabeR 2002, 211 (217); ders., in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rn. 22. Allerdings kann dies nicht schon darmit begründet werden, daß die VgV insgesamt nur Verfahrensbestimmungen treffe (so unter Berufung auf § 1 VgV Dieckmann, a. a. O.; Gesterkamp, a. a. O.; Hertwig, a. a. O.; Heuvels / Kaiser, a. a. O.; Portz, a. a. O.; Wegmann, NZBau 2001, 475, 478), denn entsprechend der Ermächtigungen in §§ 97 VI, 127 GWB enthält die VgV eine ganze Reihe darüber hinausgehender Bestimmungen (vgl. auch BGH, NZBau 2004, 229, 230; OLG Düsseldorf, NZBau 2003, 400, 404). 222 Vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 113 (115); VK Thüringen, Beschl. v. 28. 03. 2003 (zit. nach Hugenroth, ZfBR-Sonderbeilage 5 / 2004, 3, 7); Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 6 Rn. 64; Delius, ZfBR 2002, 341 (343); Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, 509 (513). Anders mag es sich – unter Zugrundelegung eines schutzzweckorientierten Bieterbegriffs – verhalten, wenn ein Unternehmen bereits sein Interesse angezeigt hat (vgl. OLG Jena, ZfBR 2004, 193, 195 f.) oder in einem früheren Verfahrensstadium zur Angebotsabgabe aufgefordert worden war (vgl. OLG Dresden, VergabeR 2002, 142, 144 f.; OLG Düsseldorf, NZBau 2003, 400, 405; BKartA, 1. VK Bund, NZBau 2003, 406). 223 Burgi, NZBau 2003, 16 (21). Ähnlich Bär, ZfBR 2001, 375 (379); Dreher, NZBau 2001, 244 (245). 220 221
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internes „Verfahren“ im Sinne eines auf eine konkrete Leistungsbeschaffung gerichteten Organisations- und Willensbildungsprozesses handelt, würde die Pflicht zur individuellen Information der am Vergabeverfahren beteiligten Bieter allerdings durch eine allgemeine Informationspflicht gegenüber allen potentiell interessierten Unternehmen ersetzt, die der Auftraggeber nur durch eine öffentliche Bekanntmachung (z. B. im Amtsblatt der EG) vollumfänglich erfüllen könnte.225 Wird eine bereits bestehende Leistungsbeziehung infolge des Entfalls privilegierender Umstände erst im nachhinein ausschreibungspflichtig und ergreift der Auftraggeber keine Schritte in Richtung einer Neuvergabe, bliebe zudem unklar, welcher Sachverhalt überhaupt Gegenstand einer derartigen Bekanntmachung sein sollte.226 Dies zeigt, daß der Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal eines formellen Vergabeverfahrens letztlich auf eine Änderung der angeordneten Rechtsfolge gerichtet ist. Ein solcher Schritt hat mit dem Verfahren der Analogie nichts mehr gemein und läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf eine richtlinienkonforme Auslegung rechtfertigen227. Daß es damit letztlich der Auftraggeber in der Hand hat, durch ein vergaberechtswidriges Verhalten bereits das Entstehen der Informationspflicht zu verhindern,228 ist eine rechtspolitisch fragwürdige, aber im Ergebnis unvermeidbare Folge der dogmatischen Konstruktion des § 13 VgV. Eine (analoge) Anwendung dieser Vorschrift ist daher sowohl im Falle eines anfänglichen als auch im Falle eines nachträglichen Verstoßes gegen die Pflicht zur Durchführung eines formellen Vergabeverfahrens abzulehnen.229 224 BKartA (1. VK Bund), WuW / E Verg 833 (835). Vgl. auch OLG Celle, NZBau 5 / 2004, VII (Leitsatz); Glahs, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 Rn. 9, und die Nachweise im Ersten Teil A. VI., Fn. 55. 225 Hertwig, NZBau 2001, 241 (242). Müller-Wrede / Kaelble (VergabeR 2002, 1, 7) sehen darin zu Recht ein qualitativ anderes, alternatives Mittel der Richtlinienumsetzung, das der Verordnungsgeber in § 13 VgV gerade nicht gewählt habe. Vgl. auch Dieckmann, NZBau 2001, 481 (482); Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, 509 (516 f.); Portz, VergabeR 2002, 211 (217); ders., in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rn. 22. Um diese Rechtsfolge zu vermeiden, wollen das OLG Jena (ZfBR 2004, 193, 195 f.) und Glahs (in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 Rn. 9) nur solche Unternehmen in den Schutzbereich des § 13 VgV einbeziehen, die ihr Interesse an dem konkreten Auftrag vor dem Vertragsschluß ausdrücklich bekundet haben. 226 Eine Bekanntmachung des Namens des künftigen Vertragspartners (vgl. § 13 S. 1 VgV) ergäbe wenig Sinn, da dieser mit dem bisherigen Vertragspartner identisch ist. Gegenstand einer Bekanntmachung müßte wohl die Fortsetzung der bestehenden Leistungsbeziehung trotz des Eintritts eines bestimmten Umstands (z. B. einer Anteilsveräußerung) sein: Damit könnte der Auftraggeber das (schwerwiegendere) Risiko der Nichtigkeit des Vertrags gleichsam gegen das (geringere) Risiko eines Nachprüfungsantrags „eintauschen“. 227 So aber Dreher, NJW-Editorial, Heft 10 / 2004; Hertwig, NZBau 2001, 241 (242). Insoweit wie hier Delius, ZfBR 2002, 341 (343); Dieckmann, NZBau 2001, 481 (482); Lück / Oexle, VergabeR 2004, 302 (306 f.), die zutreffend bemerken, daß eine richtlinienkonforme Auslegung zumindest einen gewissen Auslegungsspielraum voraussetzt, den der Wortlaut des § 13 VgV nicht bietet. 228 Vgl. OLG Dresden, VergabeR 2002, 142 (144); BKartA (1. VK Bund), WuW / E Verg 833 (835 f.); Otting, VergabeR 2002, 146 (147).
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bb) Nichtigkeit gem. §§ 97 I, 101 I GWB i. V. m. § 134 BGB Die Diskussion um die Anwendbarkeit des § 13 S. 6 VgV ist nicht zuletzt deshalb fruchtlos, weil sie den Blick auf das eigentliche Problem verstellt; denn verletzt wird – jedenfalls zuvörderst – die Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens, welche nicht Regelungsgegenstand des § 13 VgV, sondern der §§ 97 I, 101 I GWB ist. Auch hieraus könnte bereits die Nichtigkeit des Leistungsvertrags folgen, wenn diese Bestimmungen ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB beinhalten.230 Als Verbotsgesetz wird jede Rechtsnorm i. S. d. Art. 2 EGBG angesehen, durch die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts wegen seines Inhalts oder wegen der Umstände seines Zustandekommens untersagt wird.231 Freilich kann der Verbotscharakter nicht allein der Wortwahl des Gesetzgebers entnommen werden, sondern muß durch Auslegung der jeweiligen Vorschrift ermittelt werden.232 Der Normappell der §§ 97 I, 101 I GWB ist zwar zunächst auf ein positives Tun gerichtet; doch folgt aus dem Gebot zur Durchführung eines Vergabeverfahrens im logischen Umkehrschluß das Verbot, einen öffentlichen Auftrag auf andere Weise zu vergeben.233 Auch ohne ausdrückliche Erwähnung enthalten diese Vorschriften somit ein Zuschlagsverbot. Dennoch hat die 1. Vergabekammer des Bundes eine Subsumtion des § 97 I GWB unter § 134 BGB abgelehnt, weil das darin enthaltene Verbot jedenfalls nicht „gegen die Vornahme des Rechtsgeschäfts als solches“ gerichtet sei, sondern vielmehr gegen das Verfahren, mit dem der Vertragspartner 229 In bezug auf die erste Fallgruppe im Ergebnis ebenso VK Lüneburg, NZBau 2002, 295; Antweiler, DB 2001, 1975 (1979 f.); Bungenberg, in: Storr (Hrsg.), Öffentliche Unternehmen im Wettbewerb und Vergaberecht, S. 119 (126); Lindenthal, VergabeR 2003, 630 (633 ff.); Putzier, DÖV 2002, 517 (519); Rindtorff / Gabriel, VergabeR 2004, 222 ff.; Rosenkötter, NZBau 2004, 136 (138); Schimanek, ZfBR 2002, 39 (41); Schröder, a. a. O., 1440 (1443); C. Wagner, VergabeR 2002, 250 Fn. 40; O. Wagner / Wiegand, NZBau 2003, 369 (372); Wegmann, NZBau 2001, 475 (478); Wilke, ZfBR 2002, 231 (236); ders., ZfBR 2004, 141 (149). Unklar J. Braun, NVwZ 2004, 441 (444), der allenfalls eine zeitlich beschränkte Berufung auf die – seiner Ansicht nach nicht zwingende – Nichtigkeit zulassen will. 230 Dafür in bezug auf die erste Fallgruppe VK Südbayern, Beschl. v. 08. 10. 2001 (zit. nach BayObLG, VergabeR 2002, 55, 56 – das BayObLG brauchte diese Frage im Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden, weil es schon den sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts verneinte); Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, 479 (480); Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (7); Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (170); vorsichtiger Stolz, VergabeR 2002, 59 (60). Vgl. in bezug auf das österreichische Bundesvergabegesetz Eilmansberger, JBl 2001, 562 (573 f.). 231 BGH, NJW 1983, 2873; OLG Hamburg, NJW 1993, 1335; Dörner, in: ders. u. a., BGB-Handkommentar, § 134 Rn. 3 f.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 134 Rn. 5. 232 Vgl. BGH, NJW 1992, 2021 (2022); Dörner, in: ders. u. a., BGB-Handkommentar, § 134 Rn. 4; Hefermehl, in: Soergel, BGB, Bd. 2, § 134 Rn. 14; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 134 Rn. 2; Mayer-Maly / Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, § 134 Rn. 41, 45. 233 Vgl. insoweit BKartA (1. VK Bund), NZBau 2002, 110 (112); Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, 479 (480); Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (8). A. A. (ohne nähere Begründung) Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 6 Rn. 65.
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ausgewählt wird.234 Diese Argumentation verkennt, daß sich der Verbotsbegriff des § 134 BGB keineswegs auf Vorschriften beschränkt, die sich unmittelbar gegen den Inhalt der rechtsgeschäftlichen Regelung wenden. Die Trennlinie verläuft vielmehr zwischen Vorschriften, die aus Ordnungsgründen lediglich ein tatsächliches Handeln verbieten, und solchen, die unter den gegebenen Umständen den rechtsgeschäftlichen Leistungserfolg als solchen mißbilligen.235 Das entscheidende Auslegungskriterium für diese Abgrenzung liefert der Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift:236 Die Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens beschränkt sich nicht auf die Vorgabe eines bloßen Ordnungsrahmens,237 sondern erfüllt eine „Bewirkungsfunktion“ im Hinblick auf die Postulate von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung. Aufgrund der vergleichsweise schwachen materiellen Programmierung der Vergabeentscheidung durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe leistet das Vergabeverfahren somit einen wichtigen, wenn nicht den entscheidenden, Beitrag für ihre inhaltliche Richtigkeit.238 Als schwerstmöglicher Verfahrensverstoß begründet der vollständige Verzicht auf ein förmliches Vergabeverfahren stets die Unrichtigkeit der Vergabeentscheidung; ein darauf beruhender rechtsgeschäftlicher Leistungserfolg ist nicht nur rechtswidrig, sondern wird von der Rechtsordnung schlechthin mißbilligt.239 Indem § 134 BGB die Nichtigkeit eines verbotswidrig geschlossenen Vertrags unter den zusätzlichen Vorbehalt stellt, daß „sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“, verweist das BGB auch bezüglich der Rechtsfolgen eines Verbotsverstoßes auf die Auslegung des Verbotsgesetzes. Daher ist die Nichtigkeitsfolge nur, aber auch immer dann zu ziehen, wenn sie geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im Hinblick auf den Verbotszweck ist.240 Da die Nichtigkeit des bestehenden Lei234 BKartA (1. VK Bund), NZBau 2002, 110 (112), unter Berufung auf BGH, NJW 1983, 2873. Zustimmend Bungenberg, in: Storr (Hrsg.), Öffentliche Unternehmen im Wettbewerb und Vergaberecht, S. 119 (126); Burgi, NZBau 2003, 16 (20); Portz, VergabeR 2002, 211 (218); ders., in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rn. 27. Ebenso im Ergebnis BGH, NJW 2001, 1492 (1494 f.); OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 113 (114); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 114 Rn. 27, 30. 235 Vgl. Hefermehl, in: Soergel, BGB, Bd. 2, § 134 Rn. 14 ff. 236 BGHZ 78, 263 (265); 88, 240 (242); 93, 264 (267); 118, 182 (188); 131, 385 (389), 139, 387 (391); Hefermehl, in: Soergel, BGB, Bd. 2, § 134 Rn. 14; Mayer-Maly / Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, § 134 Rn. 41 f., 49. 237 Bär, ZfBR 201, 375 (377); Burgi, NZBau 2003, 16 (19 Fn. 32); Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (170); Schimanek, ZfBR 2002, 39 (41). 238 Insoweit zutreffend Burgi, NZBau 2003, 16 (19), der eine Subsumtion des § 97 I GWB unter § 134 BGB aber dennoch mit dem Hinweis auf den Verfahrenscharakter der Norm ablehnt (a. a. O., 20). Vgl. auch die Wertung der Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 13 f. 239 Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (8). 240 Vgl. die parallele Bewertung zu § 879 ABGB (Österreich) bei Eilmansberger, JBl 2001, 562 (573 f.). Vgl. auch BGH, NJW 2001, 818 (819); Dörner, in: ders. u. a., BGB-Handkommentar, § 134 Rn. 8; Hefermehl, in: Soergel, BGB, Bd. 2, § 134 Rn. 29; Heinrichs, in:
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stungsvertrags dem Auftraggeber eine Neuvergabe der betreffenden Leistung unter Beachtung der kartellvergaberechtlichen Verfahrensvorschriften ermöglicht, stellt sie zweifellos einen geeigneten Weg dar, um das mit der Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens verfolgte Ziel einer wettbewerblichen Auswahl des am besten geeigneten Vertragspartners doch noch zu erreichen. Gegen die Erforderlichkeit einer derart scharfen Sanktion könnte sprechen, daß Art. 2 VI 2 RMR den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, die Befugnisse der Nachprüfungsbehörden nach Vertragsschluß auf die Zuerkennung von Schadensersatz zu beschränken.241 Da die RMR lediglich die gemeinschaftsrechtlichen Mindestanforderungen an das Rechtsschutzverfahren festlegt, nicht aber dazu führt, daß ein vergaberechtswidriges Verhalten nach Vertragsschluß in materieller Hinsicht als gemeinschaftsrechtskonform anzusehen ist242, schließt sie weitergehende Konsequenzen des nationalen Zivilrechts keineswegs aus.243 Im Gegenteil wäre die Effektivität der materiellen Vergaberichtlinien erheblich beeinträchtigt, wenn nach nationalem Recht noch nicht einmal sichergestellt wäre, daß überhaupt ein Vergabeverfahren durchgeführt wird, weil es in der Hand des öffentlichen Auftraggebers läge, durch einen rechtswidrigen Vertragsschluß vollendete Tatsachen zu schaffen. In derartigen Konstellationen korrespondiert das gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsprinzip mit dem Gebot zur Wiederherstellung eines gemeinschaftsrechtskonformen Zustands.244 Dies gilt um so mehr, als auch die Effektivität des Rechtsschutzes darunter litte, daß gegen ein solches Verhalten weder primäre noch sekundäre Rechtsbehelfe zur Verfügung stünden: Während die nachträgliche Anfechtung eines bereits erteilten Zuschlags durch § 114 II 1 GWB ausgeschlossen ist, laufen Schadensersatzansprüche nach § 126 GWB oder den Vorschriften des BGB regelmäßig leer, weil ein potentieller Bieter in Unkenntnis der hypothetischen Angebote weiterer Bieter schwerlich beweisen kann, daß der Zuschlag bei Einhaltung der Vergabevorschriften auf sein Angebot erteilt worden wäre.245 Palandt, BGB, § 134 Rn. 7; Mayer-Maly / Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, § 134 Rn. 103. 241 Antweiler, DB 2001, 1975 (1980); Lindenthal, VergabeR 2003, 630 (636); Putzier, DÖV 2002, 517 (519). 242 So ausdrücklich EuGH, Urt. v. 10. 04. 2003 – Rs. C-20 / 01 u. C-28 / 01 (Kommission / Deutschland), NZBau 2003, 393 (394), Rn. 39. 243 Eilmansberger, JBl 2001, 562 (573). 244 Vgl. Bungenberg, in: Storr (Hrsg.), Öffentliche Unternehmen im Wettbewerb und Vergaberecht, S. 119 (128); Eilmansberger, JBl 2001, 562 (573); Hintersteininger, ÖJZ 2000, 621 (634), unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 28. 10. 1999 – Rs. C-328 / 96 (Kommission / Republik Österreich), Slg. 1999, I-7479 (7526), Rn. 79, wo der Gerichtshof – im Anschluß an die Europäische Kommission und GA Alber (Schlußanträge v. 19. 01. 1999 – Rs. C-328 / 96, Kommission / Republik Österreich, a. a. O., 7482, 7499, Rn. 4, 76) – implizit davon ausgeht, daß zumindest im Verhältnis zwischen Mitgliedstaat und Gemeinschaft eine grundsätzliche Pflicht zur Rückabwicklung vergaberechtswidrig vergebener Aufträge besteht. 245 Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 6 Rn. 66 f. Vgl. GA Alber, Schlußanträge v. 19. 01. 1999 – Rs. C-328 / 96 (Kommission / Republik Österreich), Slg. 1999, I-7479 (7501), Rn. 84; Bär, ZfBR 2001, 375 (377); Krist, VergabeR 2001, 436 (437); Schima-
A. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen
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Die Systematik des Kartellvergaberechts, namentlich § 114 II 1 GWB, steht einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 97 I, 101 I GWB nicht entgegen, weil der dort angeordnete Bestandsschutz unter dem Vorbehalt der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Vertrags steht.246 Dabei entspricht es dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, den Mechanismus des § 134 BGB für schwere Vergaberechtsverstöße fruchtbar zu machen.247 Wenngleich sich diese Erwägung ursprünglich nur auf die in den §§ 115 I, 118 I 1, III GWB geregelten Zuschlagsverbote während eines Nachprüfungsverfahrens bezog, indiziert bereits die Einführung eines weiteren nichtigkeitsbewehrten Zuschlagsverbots in § 13 S. 5 VgV, daß die vorgenannten Bestimmungen in bezug auf die Nichtigkeitsfolge keine Exklusivität beanspruchen.248 Vielmehr erweist sich nunmehr das im Zusammenhang mit § 13 S. 6 VgV noch verworfene argumentum a minore ad maius als zutreffend: Wenn der Gesetzgeber bereits die Einhaltung der Informationspflicht (§ 13 S. 5 VgV) sowie die aufschiebende Wirkung eines Nachprüfungsantrags (§ 115 I GWB) innerhalb eines laufenden Vergabeverfahrens mit nichtigkeitsbewehrten Zuschlagsverboten sanktioniert, kann die Erstreckung derselben Rechtsfolge auf § 97 I i. V. m. § 101 I GWB nicht unverhältnismäßig sein. Denn es erschiene wertungswidersprüchlich, wenn die – allen weiteren Verfahrensvorschriften vorausliegende – Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens einen geringeren Schutz erführe als einzelne „Spielregeln“ innerhalb eines solchen Verfahrens.249 Die theoretische Mögnek, ZfBR 2002, 39 (42). Geradezu zynisch erscheint es, wenn Lindenthal (VergabeR 2003, 630, 636) hieraus den gegenteiligen Schluß zieht, daß ein Unternehmen gerade deshalb keines Primärrechtsschutzes bedürfe, weil es mangels (nachweisbaren) Schadens noch nicht einmal sekundären Rechtsschutz beanspruchen könne. 246 Siehe oben Vierter Teil B. III. 2. b) mit Fn. 213. Folglich wäre es ein Zirkelschluß, die Unanwendbarkeit des § 134 BGB mit § 114 II 1 GWB zu begründen (so aber Portz, in: Müller-Wrede, Hrsg., VOF, 2. Aufl., § 13 VgV Rn. 24). 247 Vgl. Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 20. Dies gilt namentlich für die Zuschlagsverbote der §§ 115 I, 118 I 1, III GWB, deren Mißachtung nach ganz h. M. die Nichtigkeit gem. § 134 BGB auslöst (Bechtold, Kartellgesetz, § 115 Rn. 3; Boesen, Vergaberecht, § 115 Rn. 13, § 118 Rn. 15; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, [Hrsg.], GWB, § 115 Rn. 10 ff.; Hunger, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz [Hrsg.], Kommentar zum Vergaberecht, § 118 Rn. 1; Kus, a. a. O., § 115 Rn. 18; MayerMaly / Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, § 134 Rn. 28; Reidt, in: ders. / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 115 Rn. 23; Stickler, a. a. O., § 118 Rn. 17). 248 Vgl. BGH, NZBau 2004, 229 (231); Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (8). A. A. OLG Brandenburg, NZBau 2004, 169 (170); OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 113 (114); Antweiler, DB 2001, 1975 (1976 ff.); Portz, VergabeR 2002, 211 (217 f.); ders., in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rn. 24; Wegmann, NZBau 2001, 475 (478), die eine Umgehung der besonderen Voraussetzungen des § 115 I GWB befürchten. Nach der amtlichen Begründung zu § 13 VgV soll die Nichtigkeit eines ohne Vorabinformation geschlossenen Vertrags bereits aus § 134 BGB folgen (Bundesregierung, Begründung zur VgV, BR-Drs. 455 / 00, S. 19): § 13 S. 6 VgV hätte danach nur deklaratorische Bedeutung. Näher liegt indes eine Spezialität des § 13 S. 6 VgV (vgl. BGH, NZBau 2004, 229, 231; Wegmann, NZBau 2001, 475, 477 Fn. 27). 249 Vgl. Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (8); Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (170). 18 Hüser
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
lichkeit, im Wege eines „vorbeugenden“ Nachprüfungsverfahrens ein Zuschlagsverbot gem. § 115 I GWB zu erwirken,250 vermag das tatsächliche Schutzniveau nicht zu heben, da die potentiellen Antragsteller in Ermangelung einer öffentlichen Bekanntmachungspflicht regelmäßig keine Kenntnis von der bevorstehenden Auftragsvergabe erlangen. Unverhältnismäßig könnte die Anwendung des § 134 BGB allenfalls gegenüber dem rechtswidrig beauftragten Unternehmen sein: Denn die §§ 97 I, 101 I GWB wenden sich ausschließlich an den öffentlichen Auftraggeber, während die daraus gefolgerte Nichtigkeit beide Vertragspartner gleichermaßen trifft. Zivilrechtlich ist anerkannt, daß auch der Verstoß gegen ein einseitiges Verbot zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen kann, wenn die Hinnahme der bestehenden Rechtslage mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre.251 Hier ist zu berücksichtigen, daß die Nichtbeachtung einer Ausschreibungspflicht nach der wettbewerblichen Zielsetzung des Kartellvergaberechts keineswegs ein Internum des Auftraggebers bleibt, sondern zugleich ein wichtiges Allgemeingut betrifft. Hinzu kommt, daß nicht erst durch den Zuschlag oder die Einleitung eines förmlichen Vergabeverfahrens individuelle Rechte Dritter begründet werden, sondern jedem als Bieter in Betracht kommenden Unternehmen gem. § 97 VII i. V. m. § 97 I GWB ein subjektives Recht auf Durchführung eines Vergabeverfahrens zusteht.252 Wenn die Zahl der vom Verbotsgesetz geschützten und vom Verbotsverstoß betroffenen Rechtssubjekte den Adressatenkreis derart übersteigt, kann das verbotene Rechtsgeschäft keinen Bestand haben.253 Dieses Ergebnis wird auch durch Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht in Frage gestellt: Da es hinlänglich bekannt ist, daß öf250 Obwohl die §§ 102 ff. GWB keinen vorbeugenden Rechtsschutz vorsehen, hält die neuere Rechtsprechung einen Nachprüfungsantrag bereits vor Einleitung eines förmlichen Vergabeverfahrens für zulässig, wenn der öffentliche Auftraggeber mit der Vorbereitung eines konkreten Beschaffungsvorhabens begonnen hat (dazu siehe die Nachweise im Ersten Teil A. VI., Fn. 55). 251 BGHZ 37, 258 (262); 65, 368 (370); 78, 263 (271); 131, 385 (389); 139, 387 (392); BGH, NJW 2001, 818 (819); EuZW 2003, 444 (445); Dörner, in: ders. u. a., BGB-Handkommentar, § 134 Rn. 8; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 134 Rn. 9. Noch weitergehend die herrschende Lehre (siehe jeweils m. w. N. Hefermehl, in: Soergel, BGB, Bd. 2, § 134 Rn. 15; Mayer-Maly / Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, § 134 Rn. 48). Dies verkennt Glahs, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 Rn. 12 f. 252 Boesen, Vergaberecht, § 97 Rn. 204; Bär, ZfBR 2001, 375 (377); Burgi, NZBau 2003, 16 (18 f.); Putzier, DÖV 2002, 517 (518); Reidt, ZfBR 2003, 602; Schimanek, ZfBR 2002, 39 f. Vgl. Niebuhr, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 97 Rn. 269. Davon geht auch die Gesetzesbegründung aus, wonach die Verletzung in einem Recht aus § 106 VI (entspricht § 97 VII) GWB „auch darin bestehen [kann], daß die Ausschreibung einer Vergabe rechtswidrig unterblieb“ (Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 17). A. A. wohl Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (2 ff.); Portz, VergabeR 2002, 211 (217). 253 Ebenso im Ergebnis Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, 479 (480); Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (8).
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fentliche Aufträge oberhalb der Schwellenwerte nur in einem förmlichen Verfahren vergeben werden dürfen, ist der vom Auftraggeber verwirklichte Rechtsverstoß in der Regel für beide Vertragsparteien erkennbar. Ungeachtet der zahlreichen Unklarheiten bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts vermag eine irrige Beurteilung der Rechtslage oder gar ein Mangel an Rechtskenntnis insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen.254 Bei Zweifeln über das Bestehen einer Ausschreibungsverpflichtung ist dem öffentlichen Auftraggeber im Interesse einer effektiven Richtlinienumsetzung vielmehr zuzumuten, entweder sicherzugehen und die Vergabevorschriften (vorsorglich) anzuwenden oder aber das Risiko der Nichtigkeit in Kauf zu nehmen.255 Wenn er seinen Vertragspartner über ein nur ihm erkennbares Risiko im unklaren gelassen hat, steht diesem ggf. ein Schadensersatzanspruch aus § 280 I i. V. m. §§ 241 II, 311 II BGB zu.256 Auch im Falle der späteren Neubegründung eines öffentlichen Auftragsverhältnisses dürfen die beauftragte Privatrechtsvereinigung und ihre Gesellschafter nicht auf den rechtlichen Fortbestand der Leistungsbeziehung vertrauen, soweit sie Kenntnis vom Entfall der privilegierenden Umstände haben. Ob die Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens anfänglich oder nachträglich verletzt wird, ist allerdings für den zeitlichen Umfang der Nichtigkeit von Bedeutung: Da ein im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht einschlägiges Verbot lediglich die fortdauernden Wirkungen des Rechtsgeschäfts erfassen kann,257 tritt die Rechtsfolge des § 134 BGB in der zweiten Fallgruppe erst ab dem Zeitpunkt des Entfalls der privilegierenden Umstände ein (Nichtigkeit ex nunc).258 Unabhängig davon, wann 254 Vgl. Eilmansberger, JBl 2001, 562 (574); Hugenroth, ZfBR-Sonderbeilage 5 / 2004, 3 (8); Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, 1 (11); Stelkens, NZBau 2003, 654 (660). A. A. offenbar OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 113 (116); Glahs, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 Rn. 8; Lindenthal, VergabeR 2003, 630 (634). Im übrigen wäre ein etwaiger Vertrauenstatbestand im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung wohl unbeachtlich, weil sich ein Mitgliedstaat gegenüber der Gemeinschaft nicht auf die Folgen seines rechtswidrigen Vorgehens berufen kann, um seine Rechtspflicht zur Richtlinienumsetzung in Frage zu stellen (GA Alber, Schlußanträge v. 19. 01. 1999 – Rs. C-328 / 96, Kommission / Republik Österreich, Slg. 1999, I-7479, 7501, Rn. 83). 255 A. A. OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 113 (116); Dieckmann, NZBau 2001, 481; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, 509 (517 f.); Portz, in: Müller-Wrede (Hrsg.), VOF, 2. Aufl., § 13 VgV Rn. 25; ders., in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rn. 25; Putzier, DÖV 2002, 517 (519), deren Klage über das „Damoklesschwert der Nichtigkeit“ den Aspekt der Rechtssicherheit überbewertet. 256 Sog. culpa in contrahendo. Vgl. Kau, NZBau 2003, 310 (312); Lindenthal, VergabeR 2003, 630 (631 f.); Wegmann, NZBau 2001, 475 (477 Fn. 28). 257 Vgl. (in bezug auf noch nicht bestehende Verbote) Dörner, in: ders. u. a., BGB-Handkommentar, § 134 Rn. 5. Vgl. auch BGHZ 45, 322 (326). 258 Die Reichweite der Nichtigkeit im Falle einer anfänglichen Pflichtverletzung braucht hier nicht entschieden zu werden. Die VK Baden-Württemberg (Beschl. v. 26. 03. 2002, 1 VK 7 / 02, zit. nach Burgi, NZBau 2003, 16, 21 Fn. 65), Burgi (a. a. O., 21), Dreher (NZBau 2001, 244, 245) und Eilmansberger (JBl 2001, 562, 574) halten zumindest bei Dauerschuldverhältnissen auch insofern eine Nichtigkeit ex nunc für ausreichend.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
der Verbotsverstoß festgestellt oder gerügt wird, sind die Vertragsparteien von diesem Zeitpunkt an nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen verpflichtet, verbotswidrig ausgetauschte Leistungen rückabzuwickeln (§§ 812 I 1, 1. Alt., 818 I BGB). Ist eine Herausgabe des Erlangten unmöglich oder unverhältnismäßig (z. B. bei bereits konsumierten Leistungen oder einem bereits errichteten Bauwerk), tritt an ihre Stelle die Verpflichtung zum Wertersatz gem. § 818 II BGB. 3. Zusammenfassung Weil der Entfall von privilegierenden Umständen die Neubegründung eines öffentlichen Auftragsverhältnisses bewirkt, erstreckt sich die in § 97 I i. V. m. § 100 I GWB geregelte Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens auch auf die bereits vereinbarten, aber im Zeitpunkt des Entfalls der privilegierenden Umstände noch nicht ausgeführten Leistungen. Aus der weiteren Prämisse, daß diese Normen ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB darstellen, folgt, daß der bestehende Leistungsvertrag ex nunc nichtig ist. Diese Rechtsfolge entzieht einer fortgesetzten Leistungsbeziehung die Rechtsgrundlage und erzwingt somit ein gesetzestreues Verhalten des öffentlichen Auftraggebers. Auf der Grundlage eines zutreffenden materiellen Verständnisses des Vergabeverfahrens259 haben potentielle Bieter zudem die Möglichkeit, ihr Interesse an einer Ausschreibung im Wege eines Nachprüfungsverfahrens gem. § 104 II 1 GWB durchzusetzen, ohne daß die Vergabekammer durch § 114 II 1 GWB an einer entsprechenden Verpflichtung des Auftraggebers gehindert ist.260 In Anbetracht der teils lückenhaften, teils mehrdeutigen Formulierungen des Gesetzes kann nicht geleugnet werden, daß auch diese Lösung mit dogmatischen Unsicherheiten belastet ist. Ohne die Grenzen der Auslegung in einem höheren Maße zu strapazieren als das bisher diskutierte Alternativmodell einer Ausschreibungspflicht des Beteiligungserwerbs, gelingt ihr jedoch eine ungleich konsequentere Umsetzung der teleologischen Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts. Wenngleich ein klarstellendes Tätigwerden des Gesetzgebers weiterhin wünschenswert ist,261 konnte doch gezeigt werden, daß sich – entgegen dem ersten Anschein – weder der Wortlaut noch die Systematik der §§ 97 ff. GWB in ihrer gegenwärtigen Fassung einer befriedigenden Lösung widersetzen. 259 Siehe oben Vierter Teil A. III. 2. b), Fn. 250. Die fortlaufende Entgegennahme von Leistungen ohne wirksame Rechtsgrundlage stellt die wohl augenfälligste Form einer, den Zugang zum Nachprüfungsverfahren eröffnenden, „Beschaffungsinitiative“ außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens dar (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2003, 55, 59; BKartA, 1. VK Bund, WuW / E Verg 833, 834). 260 Vgl. dazu ausführlich Stelkens, NZBau 2003, 654 (658 ff.). 261 Vgl. Masing, ZfBR 2002, 450 (455), der die hier vertretene Lösung de lege ferenda befürwortet, de lege lata aber für nicht erreichbar hält: „[ . . . ] mag man daran denken, daß vergabefrei erteilte Aufträge automatisch [ . . . ] aufgehoben werden, wenn eine Anteilsveräußerung ohne Vergabeverfahren erfolgt. Dies würde sichern, daß eine Umgehung nicht möglich ist, aber eine Anteilsveräußerung auch nicht in ein hierfür nicht geeignetes Verfahren gepreßt wird.“
B. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungshelfern
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B. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungshelfern I. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB Weitgehend unproblematisch ist die vergaberechtliche Einordnung der Verwaltungshilfe. Das Innenverhältnis zwischen Verwaltungsträger und Verwaltungshelfer ist in aller Regel durch einen privatrechtlichen Vertrag geregelt, der den Verwaltungshelfer zur Erbringung bestimmter Leistungen an den Verwaltungsträger und diesen zur Gewährung einer finanziellen Vergütung an den Verwaltungshelfer verpflichtet. Daß die tatsächliche Leistungshandlung im Außenverhältnis ggf. unmittelbar gegenüber dem Bürger erbracht wird, ist unerheblich, weil der Verwaltungshelfer insoweit lediglich als „Vertreter“ des Verwaltungsträgers agiert, welcher in jedem Fall rechtlicher Empfänger der Leistung bleibt. Sofern dieser – als öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB – nicht nur rechtlich, sondern auch funktional personenverschieden von dem Verwaltungshelfer ist, erfüllt der Vertrag ohne weiteres die Tatbestandsmerkmale eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 I GWB.262 Unter den weiteren Prämissen, daß die Schwellenwerte gem. § 100 I GWB i. V. m. § 2 VgV erreicht sind und nicht im Einzelfall ein expliziter Ausnahmetatbestand gem. § 100 II GWB eingreift263, sind Verwaltungshilfeverträge daher gem. § 97 I i. V. m. § 101 I, V 1 GWB grundsätzlich öffentlich auszuschreiben.
II. Zuordnung typengemischter Leistungsverträge Schwierigkeiten bereitet bei Verwaltungshilfeverträgen nicht selten die Bestimmung des Auftragsgegenstands. Die Zuordnung zu einem der in § 99 II-IV GWB 262 Soweit ersichtlich, allg. M.: Vgl. Burgi, NVwZ 2001, 601 (604); ders., GewArch 2001, 217 (220); ders., in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 33; Dreher, NZBau 2002, 245 (253 f.); Endler, NZBau 2002, 125 f.; O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 69; Müller-Serten, NZBau 2000, 120 (122); Opitz, ZVgR 2000, 97 (106); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 31 f. Speziell zur Drittbeauftragung gem. § 16 I KrW- / AbfG Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (188); Frenz, in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (171); ders. / Kafka, GewArch 2000, 129 (131); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 f.; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 171 f.; Kotzea / Franz, NWVBl. 2000, 369; Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann (Hrsg.), KrW- / AbfG, Bd. II, § 16 Rn. 32 f.; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 45; Willand / v. Bechtolsheim / Jänicke, ZUR 2000, 74 (81); zu Durchführungsverträgen im öffentlichen Rettungsdienst Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 142 f.; ders., NZBau 2000, 272 (276). 263 Dazu siehe oben Dritter Teil B. Wie für zwei prominente Beispiele der Verwaltungshilfe, die Drittbeauftragung gem. § 16 I KrW- / AbfG und § 18a II 3 WHG, bereits nachgewiesen wurde (siehe oben Dritter Teil B. I. 2.), steht dem Verwaltungshelfer allerdings regelmäßig kein Ausschließlichkeitsrecht i. S. d. § 100 II lit. g GWB zu.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
definierten Auftragstypen hat nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung im Hinblick auf die anzuwendende Verdingungsordnung, sondern entscheidet aufgrund der unterschiedlich hohen Schwellenwerte ggf. schon über die sachliche Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts. In der Praxis wird diese Frage vor allem bei der Umsetzung von (indirekten) Betreibermodellen relevant: Während der im Rahmen eines sog. Betriebsführungsmodells beauftragte Verwaltungshelfer nahezu ausschließlich Dienstleistungen i. S. d. § 99 IV GWB erbringt, erstrecken sich sog. Betreibermodelle im engeren Sinne und sog. BOT-Modelle auf ein breites Leistungsspektrum, das sich sowohl aus Bauleistungen (Planung und Ausführung des Anlagenbaus) als auch Dienstleistungen (Finanzierung, Unterhaltung und Betrieb der Anlage) zusammensetzt. Vergaberechtlich ist in diesen Fällen zunächst zu prüfen, ob die Zusammenfassung verschiedener Einzelleistungen in der Hand eines einzigen Auftragnehmers überhaupt zulässig ist. Grenzen ergeben sich zum einen aus dem Transparenzgebot des § 97 I GWB, zum anderen aus § 97 III GWB, wonach mittelständische Interessen vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Fachund Teillose angemessen zu berücksichtigen sind: Da die Zusammenfassung von Leistungen den Bieterkreis in der Regel auf wenige große und erfahrene Marktteilnehmer verengt, bedarf sie in jedem Einzelfall einer besonderen wirtschaftlichen wie technischen Rechtfertigung.264 Bei nicht akzessorischen Leistungen, die ohne wesentliche Nachteile für den Auftraggeber von verschiedenen, ggf. miteinander kooperierenden, Unternehmen erbracht werden können, ist der Auftraggeber grundsätzlich zu einer getrennten Ausschreibung verpflichtet.265 Eine sog. Parallelausschreibung, in der die Bieter alternativ Angebote für verschiedene Formen der Projektrealisierung abgeben können (z. B. nur Bau oder Bau und Betrieb, mit oder ohne Finanzierung),266 ist nur zulässig, wenn sie auf eine ernsthaft beabsichtigte Vergabe gerichtet ist und im Ergebnis nicht auf eine unzulässige Markterkundung hinausläuft.267 Daß das europäische Vergaberecht den Abschluß typengemischter Verträge dennoch im Grundsatz anerkennt, zeigen die Bestimmungen in Art. 2 DKR (= Art. 1 II lit. d S. 2 VKR) und Art. 1 Nr. 4 lit. c SKR a. F. (= Art. 1 II lit. d S. 2 SKR n. F.), die nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung auch für das insoweit 264 Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (9). Dazu ausführlich Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 89, 105 ff., 122; Rusam, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, A § 4 Rn. 18 ff. 265 Vgl. EuGH, Urt. v. 05. 12. 1989 – Rs. C-3 / 88 (Kommission / Italien), Slg. 1989, 4035 (4061), Rn. 19; Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 12; Dreher, DB 1998, 2579 (2588); ders., in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 52; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 94; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 24. 266 Vgl. Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427 (455). Zu den zahlreichen Varianten siehe Christen, VergabeR 2 / 1997, 33 (34); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 108 ff. 267 Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 90, 120 f.
B. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungshelfern
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lückenhafte nationale Kartellvergaberecht verbindlich sind. Ihnen zufolge sind Aufträge, die sowohl Lieferungen als auch Dienstleistungen umfassen, danach einzuordnen, ob der Wert der betreffenden Dienstleistungen oder der Gesamtwert der Waren höher ist (sog. „main value test“). Nicht ausdrücklich geregelt ist das Verhältnis von Bauaufträgen zu anderen Aufträgen. Nach dem 16. Erwägungsgrund zur DKR folgt allerdings aus der BKR, „daß ein Vertrag, um als öffentlicher Bauauftrag eingeordnet zu werden, die hauptsächliche Errichtung eines Bauwerks [ . . . ] zum Inhalt haben muß“, was nicht der Fall sei, „soweit Bauleistungen lediglich von untergeordneter Bedeutung sind“. In Anknüpfung daran hat der EuGH entschieden, daß eine Ausschreibung nicht als öffentlicher Bauauftrag angesehen werden könne, „wenn die [ . . . ] durchzuführenden Bauarbeiten gegenüber dem Hauptgegenstand dieser Ausschreibung von untergeordneter Bedeutung sind“.268 Damit folgen die EG-Vergaberichtlinien zumindest im Grundsatz der aus dem allgemeinen Zivilrecht bekannten Schwerpunkttheorie.269 Offen bleibt, ob der Schwerpunkt eines gemischten Bau- und Dienstleistungsvertrags ebenfalls nach dem sog. „main value test“ zu bestimmen ist. Die genannten Formulierungen deuten eher auf eine Abgrenzung nach dem hauptsächlichen Vertragsgegenstand hin (sog. „main object test“); doch läßt sich auch dieser nicht ohne Rücksicht auf den Wertanteil am Auftragsvolumen bestimmen.270 Indessen wird die Formel von der „untergeordneten Bedeutung“ vielfach im Sinne einer vorrangigen Zuordnung zu § 99 III GWB verstanden: Da die gesetzliche Systematik dem Bauauftrag eine Sonderstellung zuweise, seien Bauleistungen erst dann von untergeordneter Bedeutung, wenn sie weniger als 30 bis 40 % des Gesamtauftragsvolumens ausmachten.271 Begründen mag man diese These zum einen mit der Dauerhaftigkeit von 268 EuGH, Urt. v. 19. 04. 1994 – Rs. C-331 / 92 (Gestión Hotelera Internacional SA / Comunidad Autónoma de Canarias u. a.), Slg. 1994, I-1329 (1351), Rn. 26 (Bau und Betrieb eines Spielkasinos). Grundsätzlich zustimmend OLG Brandenburg, ZVgR 1999, 207 (213). 269 W. Bayer / Franke / Opitz, EU-Vergaberecht, Rn. 117; Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 12; DStGB Dokumentation No. 18, Stadt und Gemeinde 6 / 2001, Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“, S. 7; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 93; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 14, 31; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 39; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 20. Vgl. Dreher, DB 1998, 2579 (2587); ders., in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 51; Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 61; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 25; Thieme / Correll, DVBl. 1999, 884 (890). 270 Vgl. Pietzcker, ZVgR 1999, 24 (32); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 81. Für einen „main object test“ auch Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (9); GA Lenz, Schlußanträge v. 09. 12. 1993 – Rs. C-331 / 92 (Gestión Hotelera Internacional SA / Comunidad Autónoma de Canarias u. a.), Slg. 1994, I-1329 (1340), Rn. 37; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 25. 271 Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 19 Rn. 26 f.; Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 11; Noch, BauR 1998, 941 (941, 949); Opitz, ZVgR 2000, 97 (109); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 39. J.-E. Jasper (Privatisierung und EGVergabe-recht, S. 178) ordnet indirekte Betreibermodelle sogar generell als Bauaufträge bzw.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Bauleistungen,272 zum anderen mit der erstmals vom OLG Brandenburg angestellten Überlegung, daß der Bau einer Anlage die entscheidende Voraussetzung für ihren Betrieb und damit für das Aufgehen des Gesamtkonzepts bilde273. Abgesehen davon, daß die Vorrangthese nicht in der Lage ist, hinreichend präzise Abgrenzungskriterien zu benennen, ergibt sie sich weder zwingend aus dem 16. Erwägungsgrund zur DKR noch aus der daran anknüpfenden EuGH-Rechtsprechung, die mit dem Abstellen auf den hauptsächlichen Gegenstand des Vertrags beide an der Schwerpunkttheorie festhalten.274 Vor diesem Hintergrund ist zu berücksichtigen, daß bei sog. Betreibermodellen im engeren Sinne dem Betrieb im Vergleich zur Erstellung der Anlage nicht nur nach dem Wertverhältnis eine größere Bedeutung zukommt: Zum einen überschreitet die vertragliche Bindungsdauer (von bis zu 30 Jahren) die Bauzeit in der Regel bei weitem; zum anderen stellt der Betrieb komplexer Infrastruktureinrichtungen (z. B. einer Müllverbrennungsanlage) spezifische Anforderungen an die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Betreibers.275 Insofern sind die Bauleistungen zwar Voraussetzung für die nachfolgenden Dienstleistungen, erfüllen gegenüber letzteren aber zugleich eine lediglich „dienende Funktion“. Anders verhält es sich bei sog. BOT-Modellen, bei denen der Bauunternehmer den Betrieb nur für eine kurze Anlaufphase übernimmt, so daß der Schwerpunkt regelmäßig schon nach dem Wertverhältnis auf den Bauleistungen liegt.276 Darüber hinaus kann die Vorrangthese zu einer Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts führen, wenn der Auftrag zwar mit seinem Dienstleistungsanteil den Schwellenwert für Dienstleistungsaufträge (200.000 Euro), insgesamt aber nicht den erheblich höheren Schwellenwert für Bauaufträge (5 Millionen Euro) erreicht: In dieser Konstellation hätte eine einheitliche Zuordnung zu § 99 III GWB zur Folge, daß nicht einmal die bei einer getrennten Vergabe ausschreibungspflichtigen -konzessionen ein. Unklar Dreher, NZBau 2002, 245 (254), nach dem Betreibermodelle „meist [ . . . ] als Bauaufträge auszuschreiben“ seien. A. A. wohl Berrisch, DB 1999, 1797 (1798). 272 Noch, BauR 1998, 941 (949 f.), unter Hinweis auf die schwerwiegenderen Folgen einer fehlerhaft ausgeführten Bauleistung gegenüber einer schlecht erfüllten Dienstleistung. 273 Vgl. OLG Brandenburg, ZVgR 1999, 207 (213), das ein Betreibermodell zum Ausbau und Betrieb des Flughafens Berlin-Schönefeld insgesamt als Bauauftrag einordnete, obwohl die veranschlagte Bausumme (ca. 10 Milliarden DM) nur etwa ein Drittel des Gesamtauftragsvolumens (ca. 26 Milliarden DM) ausmachte. Zustimmend Böckel, LKV 2003, 393 (394); Endler, NZBau 2002, 125 (126); Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 14, 31, der insofern von einer „Kontaminierungstheorie“ spricht. A. A. zu Recht Berrisch, DB 1999, 1797 (1798). 274 Vgl. Berrisch, DB 1999, 1797; Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (9). 275 Vgl. Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (9 f.). Für eine Heranziehung leistungsbezogener Kriterien bei der Schwerpunktermittlung auch Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 23. 276 Vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2001, 106 (107); DStGB Dokumentation No. 18, Stadt und Gemeinde 6 / 2001, Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“, S. 7.
B. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungshelfern
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Dienstleistungen den Vorschriften des Kartellvergaberechts unterlägen.277 Eine derartige Auslegung stünde im Widerspruch zum Effektivitätsprinzip des europäischen Gemeinschaftsrechts und ließe sich nur durch eine Aufspaltung des Gesamtvertrags in seine Einzelleistungen wieder korrigieren278. Die bessere und für den Auftraggeber schonendere Alternative liegt in einer möglichst konsequenten Anwendung des sog. „main value test“ auf alle typengemischten Leistungsverträge.279 Dabei ist es im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen, daß ggf. „untergeordnete“ Bauleistungen, die isoliert betrachtet nicht den Schwellenwert für Bauaufträge erreichen, in die Ausschreibung des Dienstleistungsauftrags einbezogen werden und umgekehrt „untergeordnete“ Dienstleistungen keiner Ausschreibungspflicht unterliegen, obwohl sie isoliert betrachtet den Schwellenwert für Dienstleistungsaufträge erreichen. Eine Ausnahme ist zu erwägen, wenn an sich ausschreibungspflichtige Bauleistungen mit einem schon dem Grunde nach ausschreibungsfreien, aber den Schwerpunkt des Vertrags bildenden Vorgang (z. B. mit einer Anteilsveräußerung oder einer Dienstleistungskonzession280) kombiniert werden. Um eine zweckwidrige Privilegierung der Bauleistungen zu vermeiden, muß der Auftraggeber in diesem Fall entweder die Bauleistungen getrennt oder aber das gesamte Betreibermodell als öffentlichen Bauauftrag ausschreiben.281
277 Diese Konsequenz in Kauf nehmend BayObLG NZBau 2000, 594 (595 f.); Endler, NZBau 2002, 125 (126); Opitz, ZVgR 2000, 97 (109). Dagegen zu Recht Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 25; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 22. 278 Dafür Dreher, DB 1998, 2579 (2588); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 24. 279 Ebenso Arrowsmith, CMLR 2000, 709 (715 f.); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 51; ders., NZBau 2002, 245 (254); Horn, IBR 1999, 398; Nickel / Kopf, ZfBR 2004, 9 (14). 280 Dazu siehe ausführlich unten Vierter Teil D. III. 281 Ebenso Böckel, LKV 2003, 393 (394); Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 14; Neumann / H. Müller, NZBau 2003, 299 (301); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 22. Insofern erweist sich die vom OLG Brandenburg (siehe oben Fn. 273) vorgenommene Einordnung eines Betreibermodells als Bauauftrag im Ergebnis doch als zutreffend, weil für den Betrieb eine (nicht ausschreibungspflichtige) Dienstleistungskonzession erteilt werden sollte. Diesem Ergebnis entspricht es auch, daß der EuGH (Urt. v. 05. 12. 1989 – Rs. C-3 / 88, Kommission / Italien, Slg. 1989, 4035, 4061, Rn. 19) zu einem Zeitpunkt, in dem die DKR noch nicht anzuwenden war, so daß der Auftrag bei Überwiegen des Dienstleistungselements aus dem Anwendungsbereich des EG-Vergaberechts herauszufallen drohte, eine Aufspaltung des Gesamtauftrags erwogen hat (dazu Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 82).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
C. Leistungsbeziehungen zu Beliehenen I. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB 1. Vorliegen eines entgeltlichen Beschaffungsvertrags Bei der vergaberechtlichen Beurteilung von Beleihungsverhältnissen ist streng zwischen dem eigentlichen Beleihungsakt und den vertraglichen Leistungsbeziehungen zu unterscheiden: Der Beleihungsakt als solcher ist vergaberechtlich irrelevant, da er lediglich die Übertragung öffentlich-rechtlicher Befugnisse durch einen originären Verwaltungsträger, aber keinerlei konkrete Leistungsverpflichtung des Beliehenen enthält. Unabhängig davon, ob die Befugnisübertragung in ein Gesetz, einen Verwaltungsakt oder einen Vertrag gekleidet ist, erfüllt sie daher nicht die Tatbestandsmerkmale eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 I GWB.282 Allerdings bildet der Beleihungsakt nur eines von mehreren Elementen des Rechtsverhältnisses zwischen dem „beleihenden“ öffentlichen Auftraggeber (i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB) und dem beliehenen Unternehmen, dessen nähere Ausgestaltung regelmäßig auf der Grundlage eines Vertrags erfolgt, der den Beliehenen zur Erbringung konkreter Dienstleistungen verpflichtet.283 Dabei kann es sich sowohl um einen Beleihungsvertrag im engeren Sinne, der zugleich den eigentlichen Beleihungsakt umfaßt, als auch um einen begleitenden Leistungsvertrag handeln, der lediglich neben eine durch Gesetz oder Verwaltungsakt zu vollziehende Beleihung tritt. Sofern der Auftraggeber dem Beliehenen eine Gegenleistung gewährt,284 hat man es grundsätzlich mit einem entgeltlichen Vertrag zu tun, der alle Merkmale der Legaldefinition des § 99 I GWB erfüllt.285 Da Beliehene dem Bürger im eigenen Namen gegenübertreten, könnte man allerdings am Vorliegen eines Beschaffungsvorgangs i. S. d. § 97 I GWB zweifeln. Maßgeblich ist insofern jedoch nicht das Außenverhältnis zum Bürger, sondern das Innenverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Beliehenen: Anders als etwa im Verhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Zweckverband286 findet hier keine 282 Dreher, NZBau 2002, 245 (255); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 9; Zeiss, DVBl. 2003, 435 (436). In bezug auf eine Beleihung durch Verwaltungsakt auch BGH, DVBl. 2001, 1607; Lange, DÖV 2001, 898 (905). 283 Vgl. oben Zweiter Teil B. III. 2. c) aa) mit Nachweisen in Fn. 156. 284 Sofern der Private an Stelle einer unmittelbaren Vergütung mit der Befugnis zur Gebührenerhebung beliehen wird, könnte es sich um eine (öffentlich-rechtliche) Dienstleistungskonzession handeln, deren vergaberechtliche Behandlung an späterer Stelle zusammenhängend untersucht werden soll (dazu siehe unten Vierter Teil D. III.). 285 Vgl. Burgi, in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, S. 581 (589 f.); Dreher, NZBau 2002, 245 (256); Kämmerer, in: Schünemann / Stober (Hrsg.), Haftungsgrundsätze und Haftungsgrenzen des Sicherheitsgewerbes, S. 71 (89); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 9; Wilke, ZfBR 2004, 141 (142); Zeiss, DVBl. 2003, 435 (436). Offengelassen von OLG Düsseldorf, NZBau 2003, 55 (59 f.). 286 Dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. c) dd).
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staatsorganisationsrechtliche Zuständigkeitsverlagerung statt, die den Beliehenen selbst zum Träger der von ihm wahrzunehmenden Staatsaufgabe machen würde. Nach zutreffender Auffassung bleibt dieser vielmehr ein (mit einzelnen hoheitlichen Kompetenzen ausgestatteter) Privater, der lediglich eine fremde Aufgabe (des öffentlichen Auftraggebers) selbständig wahrnimmt.287 Weil letztlich jedes Verwaltungshandeln auf den Bürger ausgerichtet ist, kommt es für den Beschaffungscharakter einer vertraglichen Ausgliederung nicht darauf an, wem gegenüber der Private seine Leistung erbringt, sondern wessen Aufgabe er damit erfüllt.288 Die gegenteilige Auffassung würde nicht nur Beleihungsverträge, sondern weite Bereiche der sog. öffentlichen Daseinsvorsorge dem Vergabewettbewerb entziehen. Rechtstechnisch ähnelt der einer Beleihung zugrundeliegende Leistungsvertrag einem sog. unechten Vertrag zugunsten Dritter, bei dem der Gläubiger weder tatsächlicher noch rechtlicher Leistungsempfänger, aber alleiniger Forderungsberechtigter ist289. Insofern besteht nur ein gradueller Unterschied zu der in Fällen der Verwaltungshilfe anzutreffenden Situation, daß der Private nur tatsächlich an einen Bürger, aber rechtlich an den Auftraggeber leistet:290 Daß es sich in beiden Fällen um Beschaffungstätigkeit des öffentlichen Auftraggebers handelt, verdeutlicht auch die Kontrollüberlegung, daß die Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung im Falle des Zeitablaufs oder vorzeitigen Scheiterns des Leistungsvertrags automatisch auf den Auftraggeber „zurückfällt“. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion des § 99 I GWB gegeben sind. Dies ist vor allem dann denkbar, wenn man auch publizistische und gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen als mögliche Beleihungssubjekte ansieht; in diesem Fall sind die Kriterien der funktionalen Personenidentität und der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches nach den allgemeinen Regeln zu prüfen.291 Zu weit geht es hingegen, bereits aus der Tatsache, daß Beliehene im deutschen Verwaltungsrecht als Behörden angesehen werden,292 auf eine Ausschreibungsfreiheit nach den Grundsätzen über Vgl. oben Zweiter Teil B. III. 2. c) aa). Vgl. die parallele Wertung bei der Abgrenzung zwischen „Tätigkeiten für die Gebietskörperschaft“ und Wettbewerbsteilnahme [siehe oben Dritter Teil A. IV. 4. a) bb) (1)]. A. A. Prieß, NZBau 2002, 539 (540), der dem Kartellvergaberecht nur „gewerbliche Leistungen, die keine öffentliche Zwecksetzung haben“, unterstellen will, nicht aber solche, die „von der Allgemeinheit in Anspruch genommen werden“ können (dagegen zu Recht Zirbes, VergabeR 2004, 133, 153). Zumindest mißverständlich auch BayObLG, VergabeR 2003, 563 (565), das die Nichtanwendung des Kartellvergaberechts auf Leistungen des Rettungsdienstes damit rechtfertigt, daß dieser nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz als „öffentliche Aufgabe der Daseins- und Gesundheitsvorsorge“ wahrzunehmen ist. 289 Vgl. allgemein Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf v § 328 Rn. 1; Schulze, in: Dörner u. a., BGB-Handkommentar, § 328 Rn. 2. 290 Dazu siehe oben Vierter Teil B. I. 291 Zur Zulässigkeit der Beleihung siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) aa) mit Fn. 159. Zu den Kriterien der teleologische Reduktion siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. und 4. sowie Vierter Teil A. I. 1. 287 288
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
die sog. „In-house-Geschäfte“ zu schließen.293 Schon die Prämisse gilt nur mit der Einschränkung, daß ein Beliehener als eine „Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt“, zwar den funktionellen Behördenbegriff des § 1 IV VwVfG erfüllt, nicht aber im Sinne des organisatorischen Behördenbegriffs in die staatliche Verwaltungshierarchie eingeordnet ist.294 Da selbst die Leistungsbeziehungen zwischen verschiedenen Rechtsträgern innerhalb der staatlichen Organisation grundsätzlich dem Kartellvergaberecht unterliegen,295 vermag allein die funktionelle Zurechnung zur staatlichen Sphäre erst recht keine vergaberechtliche Privilegierung zu rechtfertigen. Daher müssen sich auch die Leistungsbeziehungen zu Beliehenen an den allgemeinen Maßstäben messen lassen: Selbst wenn man das Kriterium der funktionalen Personenidentität nicht prinzipiell mit einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung verknüpft, ist trotz des Bestehens einer Rechts- und ggf. auch Fachaufsicht296 aber kaum ein Beleihungsfall denkbar, in dem der Auftraggeber gegenüber dem Beliehenen so weitgehende Ingerenzbefugnisse wie gegenüber einer unselbständigen Verwaltungseinheit oder einer verwaltungseigenen GmbH hat.297 Mithin bietet eine Beleihung des Vertragspartners keinen Anlaß für eine über den bisher gezeichneten Rahmen hinausgehende teleologische Reduktion des § 99 I GWB.
2. Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Verträge Der zentrale Unterschied zwischen der Beleihung und den weiteren Formen der vertraglichen Ausgliederung besteht darin, daß die Beleihung den Privaten zur Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Befugnisse berechtigt. Weil dadurch ein auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegendes Rechtsverhältnis begründet wird, sind jedenfalls Beleihungsverträge im engeren Sinne als öffentlich-rechtliche Verträge i. S. d. § 54 S. 1 VwVfG zu qualifizieren.298 Dieselbe Zuordnung dürfte in 292 Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 30; ders., in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, S. 581 (593); Dreher, NZBau 2002, 245 (247); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 59. 293 In diesem Sinne Burgi, NZBau 2002, 57 (61). 294 Zu dieser Unterscheidung siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 32 f.; Püttner, in: Tilch / Arloth (Hrsg.), Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 1, S. 603. Vgl. auch oben Zweiter Teil B. III. 2. c) aa). 295 Zur Begründung siehe oben Dritter Teil A. IV. 3. b) cc) (1). 296 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (279); Baumann, Private Luftfahrtverwaltung, S. 49; Bonk, JZ 2000, 435 (437); Burgi, in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, S. 581 (592); Krebs, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. III, § 69 Rn. 43; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 7. 297 Vgl. Dreher, NZBau 2002, 245 (255). 298 Die Rechtsnatur eines Vertrags ist nach ganz h. M. objektiv zu bestimmen und richtet sich nach dem Gegenstand des Vertrags. Siehe nur BVerwGE 22, 138 (140); 92, 56 (58); 97, 331 (335); BGHZ 97, 312 (314); Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 54
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der Regel auch für begleitende Leistungsverträge gelten, da die öffentlich-rechtliche Kompetenzgrundlage zugleich die Rechtsnatur der korrespondierenden Leistungspflichten bestimmt. Ob öffentliche Aufträge gem. § 99 I GWB auch in Form von öffentlich-rechtlichen Verträgen erteilt werden können, ist allerdings umstritten.
a) Grammatische und historisch-genetische Auslegung Der Wortlaut des § 99 I GWB definiert öffentliche Aufträge schlicht als „entgeltliche Verträge“, läßt die Frage nach der Rechtsform also offen, ohne eine Beschränkung auf privatrechtliche Verträge nahezulegen.299 Dennoch gehen die bisher überwiegende Rechtsprechung und Teile der Literatur davon aus, daß öffentlich-rechtliche Verträge nicht in den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts fallen.300 Diese Auffassung stützt sich maßgeblich auf die in der Begründung zum Regierungsentwurf des VgRÄG getroffene Feststellung, daß öffentliche Aufträge nach der Definition der EG-Vergaberichtlinien privatrechtliche Verträge seien: „Andere Grundlagen für die Erbringung einer Leistung, wie z. B. Zuständigkeitszuweisungen an Behörden oder innerhalb von Behörden oder an Durchführungsorganisationen per Gesetz, Gründungsstatut oder öffentlich-rechtlichem Vertrag, fallen grundsätzlich nicht hierunter.“301 Selbst wenn man diese Aussage beim Wort nimmt, folgt daraus nicht zwingend der Ausschluß von Beleihungsverträgen, geschweige denn sämtlicher öffentlich-rechtlicher Verträge, da diese nicht ohne weiteres als „Zuständigkeitszuweisungen“ aufgefaßt werden können. Hinzu kommt, daß die Bundesregierung ausdrücklich keine eigene Wertung, sondern lediglich eine Interpretation der EG-Vergaberichtlinien vornimmt. Damit unterstreicht sie die besondere Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung bei der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts: Da die Richtlinientexte zu dieser Frage ebenso schweigen wie der deutsche Gesetzestext, läßt sich die im Regierungsentwurf geäußerte Einschätzung nur als Folge der EntstehungsRn. 76; Erichsen, in: ders. / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 2; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 9 f. 299 Burgi, NZBau 2002, 57 (60). Vgl. VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (608). 300 OVG Niedersachsen, NdsVBl. 1999, 285; OLG Celle, NZBau 2000, 299 (300); VK Brandenburg, NJOZ 2003, 3136; VK Nordbayern, Beschl. v. 13. 11. 2000 – VK-3194 – 29 / 00; VK Südbayern, Beschl. v. 09. 08. 1999 – 120.3 – 3194.1 – 12 – 07 / 99 (jeweils zit. nach Endler, NZBau 2002, 125, 128 Fn. 34); Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 4 Rn. 8; Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 1; Dreher, DB 1998, 2579 (2587); Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 334 f.; Korbion, VgRÄG, § 99 Rn. 2. Zurückhaltender OLG Naumburg, WuW / E Verg 429 (431). Jedenfalls bei „gemeinschaftsrechtlicher Determinierung als subordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Vertrag“ Prieß, NZBau 2002, 539 (543). Zweifelnd auch Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (7); Pietzcker, ZVgR 1999, 24 (32). Offengelassen von BGH, DVBl. 2001, 107 (109); OLG Düsseldorf, NZBau 2003, 55 (60). 301 Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 15.
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geschichte der DKR erklären, in deren Verlauf der beratende Ausschuß bei der Europäischen Kommission erklärt hatte, daß solche Geschäfte nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfaßt werden könnten, die in Form von „Verwaltungsvereinbarungen“ erbracht würden.302 Für die hier zu untersuchende Frage ist jedoch auch diese Quelle unergiebig, weil ihr unmittelbarer Kontext darauf hindeutet, daß sie sich nur auf staatliche Eigenleistungen im engeren Sinne bezieht.303 Schließlich enthalten auch die geltenden Richtlinientexte keine vergleichbare Einschränkung; namentlich der 8. Erwägungsgrund zur DKR nennt als von der Richtlinie nicht erfaßte Grundlagen für die Dienstleistung nur noch Gesetze und Verordnungen (sowie Arbeitsverträge), nicht etwa bereits die gesetzliche Ermächtigung zur Aufgabendelegation im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrags.304
b) Teleologische Auslegung der EG-Vergaberichtlinien Ob die von der Bundesregierung vorgenommene Richtlinieninterpretation dennoch zutreffend und damit für die Auslegung des § 99 I GWB beachtlich ist, kann nur eine teleologische Analyse der EG-Vergaberichtlinien beantworten. Deren Ziel einer gemeinschaftsweiten Koordinierung des öffentlichen Auftragswesens305 wäre bei einer Differenzierung nach der Rechtsnatur des Auftrags nicht zu erreichen, weil die Zuordnung des öffentlichen Auftragswesens in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt ist:306 So hätte eine Beschränkung der Vergaberichtlinien auf privatrechtliche Verträge zur Folge, daß beispielsweise in Frankreich und Griechenland, wo Beschaffungsverträge nahezu ausschließlich auf öffentlich-rechtlicher Grundlage geschlossen werden, die Richtlinienbestimmungen weitgehend leerliefen, während sie in Großbritannien, dessen Rechtsordnung das Institut des öffentlich-rechtlichen Vertrags fremd ist, uneingeschränkt zur Anwendung gelangten.307 In Deutschland wird das öffentliche Beschaffungswesen zwar 302 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Beratender Ausschuß für die Öffnung des öffentlichen Auftragswesens, Öffentliches Auftragswesen im Dienstleistungsbereich: Anwendungsbereich einer EG-Richtlinie, Rn. 13, BR-Drs. 146 / 89, S. 41. 303 Ebenso Dreher, NZBau 2002, 245 (255). Dazu siehe oben Dritter Teil A. I. 2. 304 Althaus, NZBau 2000, 277 (278). Vgl. die parallele Wertung zu § 100 II lit. g GWB (siehe oben Dritter Teil B. I. 2.). A. A. wohl OLG Celle, NZBau 2000, 299 (300). 305 Vgl. die Titel der Richtlinien („Koordinierung der Verfahren“), den 2. Erwägungsgrund zur BKR, den 3. Erwägungsgrund zur DKR und den 5. Erwägungsgrund zur LKR. 306 Endler, NZBau 2002, 125 (128). Vgl. O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 61; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 6; Opitz, ZVgR 2000, 97 (104); Pietzcker, NZBau 2003, 661 (664); Reidt, in: ders. / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Vorb. zu §§ 97 – 101 Rn. 14. Zu den unterschiedlich verfaßten nationalen Vergaberechtssystemen siehe Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H IV Rn. 7 ff.; Skouris, EuR 1998, 111 (121). 307 Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 24; Burgi, NZBau 2002, 57 (60); Dreher, NZBau 2002, 245 (255); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 61; Neumann / H. Müller, NZBau 2003, 299 (300); Pieper, DVBl. 2000, 160 (164).
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traditionell dem Bereich der sog. fiskalischen Hilfsgeschäfte zugerechnet, bei denen der Staat sich der für jedermann geltenden Privatrechtsordnung unterwirft.308 Da das europäische Gemeinschaftsrecht seine praktische Wirksamkeit aber nur entfalten kann, wenn es in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewendet wird, tritt das nationale Vorverständnis zugunsten einer autonomen, gemeinschaftsrechtlichen Auslegung zurück.309 Würde der gemeinschaftsrechtliche Begriff des öffentlichen Auftrags sich auf privatrechtliche Verträge beschränken oder dem nationalen Recht eine derartige Beschränkung gestatten, wäre eine einheitliche Anwendung der Vergabevorschriften nicht mehr sichergestellt. Einen Ausweg könnte dann allenfalls die vollständige Harmonisierung der nationalen Vergabesysteme weisen, worauf die bestehenden Vergaberichtlinien aber gerade verzichten. Vielmehr wahrt das Gemeinschaftsrecht grundsätzlich Neutralität gegenüber der in den Mitgliedstaaten unterschiedlich gezogenen Trennungslinie zwischen privatem und öffentlichem Recht.310 Schließlich spricht auch der konkrete Schutzzweck des europäischen Vergaberechts gegen eine rechtsformabhängige Differenzierung; denn die Wettbewerbsrelevanz einer Leistungsbeziehung kann nicht nach der vornehmlich öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Prägung der Leistung, sondern nur nach ihrer Funktion beurteilt werden:311 Sofern ein Vertrag im Innenverhältnis auf die entgeltliche Beschaffung wettbewerbsfähiger Marktleistungen gerichtet ist, handelt es sich unabhängig von der Rechtsform um einen öffentlichen Auftrag i. S. d. Art. 1 lit. a BKR, DKR und LKR (= Art. 1 II VKR). Daß mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zugleich spezifische öffentliche Interessen verfolgt werden, namentlich Beleihungsverträge im Außenverhältnis auf die Ausübung „öffentlicher Gewalt“ gerichtet sein können, schließt sich tatbestandlich nicht aus.312 Im Gegenteil hat der Vgl. die Nachweise im Ersten Teil A. V., Fn. 52. Müller-Wrede, in: Jagenburg (Hrsg.), Festschrift für Mantscheff, S. 429 (439). Vgl. im Ergebnis Burgi, NZBau 2002, 57 (60); Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 142. 310 Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 24; Dreher, NZBau 2002, 245 (255); Skouris, EuR 1998, 111 (112). Vgl. OLG Koblenz, NZBau 2001, 283 (285); DStGB Dokumentation No. 18, Stadt und Gemeinde 6 / 2001, Verlagsbeilage „Stadt und Gemeinde INTERAKTIV“, S. 18. In diesem Sinne ist auch die Formel zu verstehen, dem europäischen Gemeinschaftsrecht sei die Differenzierung zwischen öffentlichem und privatem Recht unbekannt (Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 65; Thieme, in: Langen / Bunte, [Hrsg.], Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 3). 311 Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 6; ders., NZBau 2002, 311 (312). Vgl. Althaus, NZBau 2000, 277 (279); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 21 f., die zu Recht darauf hinweisen, daß öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verträgen prinzipiell die gleiche „Beschaffungsintensität in bezug auf private Märkte“ zukommen kann. Ebenso im Ergebnis Antweiler, NZBau 2003, 93 (96). 312 Vgl. Endler, NZBau 2002, 125 (129); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 62; Opitz, ZVgR 2000, 97 (104); Pieper, DVBl. 2000, 160 (164); Reidt, in: ders. / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Vorb. zu §§ 97 – 101 Rn. 16. Insoweit a.A. OLG Naumburg, WuW / E Verg 429 (431); VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (608); Bechtold, Kartellgesetz, § 99 308 309
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
EuGH in seinem Urteil vom 12. 07. 2001 die Tatsache, daß ein Vertrag „dem öffentlichen Recht unterliegt und die Ausübung hoheitlicher Gewalt einschließt“, sogar als Indiz für das Vorliegen einer Vertragsbeziehung i. S. d. Art. 1 lit. a BKR gewertet.313 Damit erweist sich das in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachte Richtlinienverständnis als klare Fehlinterpretation, die allein keine einschränkende Auslegung des in § 99 I GWB verwendeten Auftragsbegriffs erlaubt.
c) Systematische Auslegung des nationalen Rechts In Frage zu stellen wäre dieses Ergebnis allenfalls, wenn die Anwendung des Kartellvergaberechts auf öffentlich-rechtliche Verträge sich nicht in die Systematik der nationalen Rechtsordnung einfügte: Nach der traditionellen Mehrheitsmeinung zum allgemeinen Kartellrecht finden die Vorschriften des GWB grundsätzlich keine Anwendung auf das öffentlich-rechtliche Handeln des Staates.314 Dahinter steht die teleologische Überlegung, daß der Staat, wenn er in der ihm eigenen Handlungsform des Hoheitsakts auftritt, nicht zu Wettbewerbszwecken handelt. Diese Beurteilung trifft auf öffentlich-rechtliche Verträge aber nur insoweit zu, als es sich um unmittelbar verwaltungsaktersetzende Verträge i. S. d. Wortlauts von § 54 S. 2 VwVfG handelt. Begibt sich der Staat – wie bei der Beschaffung von Marktleistungen – auf die Ebene der Gleichordnung mit seinem Vertragspartner, können Wettbewerbsbeziehungen auch dann bestehen, wenn die Leistungsbeziehung öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist.315 Hinzu kommt, daß das KartellvergabeRn. 1; Byok, NJW 2001, 2295 (2298); Kulartz, NZBau 2001, 173 (176); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 5; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 49; Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 65, die apodiktisch einen Gegensatz zwischen der Beschaffung von Marktleistungen und der Ausübung öffentlicher Gewalt behaupten. Unklar Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 25 f., der zwischen „mittelbarer“ und „unmittelbarer“ Erfüllung hoheitlicher Aufgaben differenziert. 313 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5462), Rn. 73 – ohne nähere Begründung, aber unter Hinweis darauf, daß „in mehreren Mitgliedstaaten [ . . . ] ein Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen ein verwaltungsrechtlicher Vertrag [ist], der als solcher dem öffentlichen Recht unterliegt“. 314 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, 2. Aufl., § 98 I Rn. 5; Jungbluth, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 130 I Rn. 8; Odersky, in: Badura / Scholz (Hrsg.), Festschrift für Lerche, S. 949 (951 f.). 315 Vgl. Dreher, NZBau 2002, 245 (255); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 5; Schulte, NZBau 2000, 272 (275). Die h. M. geht insoweit von einer Doppelqualifikation ein- und derselben Maßnahme als öffentlich- und zugleich privatrechtlich aus (dazu siehe die Nachweise im Ersten Teil B. II. 2., Fn. 79). Überzeugender erscheint es, das GWB entweder analog oder als Bestandteil des beiden Rechtskreisen gemeinsamen Rechts zur Anwendung zu bringen (dazu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 364; ders., in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, Hrsg., VwGO, § 40 Rn. 286 f.; ders., JZ 1990, 1089, 1098). Beide Erwägungen gelten unabhängig davon, ob man öffentlich-rechtliche Beschaffungsverträge als koordinationsrechtlich (Kulartz, NZBau 2001, 173, 176; Schulte,
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recht innerhalb des GWB ohnehin einen Fremdkörper bildet, weil es nicht nur die Wettbewerbsbeziehungen zwischen Privaten regelt, sondern zumindest auch auf die Begrenzung staatlicher Nachfragemacht zielt. So gesehen ist nicht die Einbeziehung bestimmter Handlungsmodalitäten des Staates (z. B. öffentlich-rechtlicher Verträge), sondern umgekehrt die Erstreckung auf private Normadressaten (z. B. Sektorenauftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 4 GWB) begründungsbedürftig.316 Wenig aussagekräftig ist in diesem Zusammenhang auch die Verweisungsnorm des § 62 S. 2 VwVfG, in der ausdrücklich nur die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB, nicht aber des GWB angeordnet wird. Aus ihrer systematischen Stellung ergibt sich, daß diese Vorschrift sich lediglich auf die verwaltungsverfahrensrechtlichen Voraussetzungen und Fehlerfolgen bezieht, aber keine Sperrwirkung gegenüber anderen Rechtsgebieten entfaltet: Die speziellen Fehlerfolgen des Kartellvergaberechts, insbesondere die auf § 134 BGB verweisenden Zuschlagsverbote des GWB und der VgV, fügen sich reibungslos in die Systematik der §§ 54 ff. VwVfG ein, weil § 59 I VwVfG die bürgerlich-rechtlichen Nichtigkeitsgründe ausdrücklich implementiert. Soweit die den Vertragsgegenstand determinierenden öffentlich-rechtlichen Fachgesetze besondere Anforderungen an die Auswahl des Vertragspartners enthalten, handelt es sich entweder um bloße Konkretisierungen der Eignungskriterien des § 97 IV, 1. Hs. GWB oder aber um „andere oder weitergehende Anforderungen [ . . . ] durch Bundes- oder Landesgesetz“ i. S. d. § 97 IV, 2. Hs. GWB, die sich ihrerseits – im Rahmen der allgemeinen gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Grenzen – in die Systematik des Kartellvergaberechts einfügen.317 Mithin ergeben sich weder im Verhältnis zu den §§ 54 ff. VwVfG noch zu öffentlich-rechtlichen Fachgesetzen systematische Brüche, die eine Anwendung der §§ 97 ff. GWB auf öffentlich-rechtliche Verträge ausschließen würden.
3. Teilergebnis Der Tatbestand des öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 I GWB schließt – bei Vorliegen seiner sonstigen Voraussetzungen (Entgeltlichkeit und Beschaffungscharakter) – sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Verträge ein.318 Die NZBau 2000, 272, 275) oder subordinationsrechtlich (Burgi, NZBau 2002, 57, 58 mit Fn. 14; Zeiss, DVBl. 2003, 435, 436) einordnet (zu dieser Unterscheidung siehe nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 12 f.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 54 Rn. 19, 22). 316 Vgl. Burgi, NZBau 2002, 57 (60 f.), dessen These vom Kartellvergaberecht als „Sonderrecht des Staats“ insofern unabhängig von der umstrittenen Zuordnung des Vergaberechts zum privaten oder öffentlichen Recht zutrifft. 317 Burgi, NZBau 2002, 57 (61). Vgl. (speziell zu § 13 I 2 RettG NRW) Schulte, NZBau 2000, 273 (276). Zu den Anforderungen an die Zulässigkeit sog. vergabefremder Kriterien siehe die Nachweise im Ersten Teil A. V., Fn. 47. 19 Hüser
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gegenteilige Auffassung in der Gesetzesbegründung beruht auf einer Fehlinterpretation der EG-Vergaberichtlinien und muß einer zutreffenden richtlinienkonformen Auslegung weichen. Vorbehaltlich der nachfolgend zu prüfenden Ausnahmetatbestände fallen damit auch Beleihungsverträge, in denen sich Beliehene gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber verpflichten, gegen Entgelt konkrete Leistungen zu erbringen, in den sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts. Die öffentlich-rechtliche Befugnisübertragung ist davon freilich nur erfaßt, soweit sie unmittelbar Gegenstand des Leistungsvertrags und nicht einem separaten (nicht notwendig vertraglichen) Beleihungsakt vorbehalten ist; anderenfalls beschränkt sich die vergaberechtliche Prüfung auf den begleitenden Leistungsvertrag.
II. Vorliegen eines Ausnahmetatbestands 1. Explizite Ausnahmetatbestände gem. § 100 II GWB Beleihungsverträge können im Einzelfall unter den Ausnahmetatbestand des § 100 II lit. d GWB fallen, wenn ihre Ausführung nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordert (2. Variante) oder wenn der Schutz wesentlicher Interessen der Sicherheit des Staates eine Ausnahme gebietet (3. Variante). Die 2. Variante verlangt, daß sich unmittelbar aus dem der Beleihung zugrundeliegenden Fachgesetz oder einer darauf beruhenden Verwaltungsvorschrift besondere Sicherheitsanforderungen an die Tätigkeit des Beliehenen ergeben, für deren Erfüllung ein primär wettbewerblichen Prinzipien verpflichtetes Vergabeverfahren keine hinreichende Gewähr bietet. Die 3. Variante ermöglicht eine vergaberechtliche Privilegierung zwar ohne fachgesetzliche Grundlage, aber nur unter noch engeren materiellen Voraussetzungen: Der Begriff der „wesentlichen Interessen der Sicherheit des Staates“ ist identisch mit dem in § 100 II lit. e GWB aufgegriffenen Begriff der „wesentlichen Sicherheitsinteressen“ i. S. d. Art. 296 I EG. Dieser kann sowohl außen- als auch innenpolitische Sicherheitsinteressen betreffen, wird aber enger ausgelegt als der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ i. S. d. Art. 30, 46 I EG und umfaßt insbesondere nicht die Bereiche der polizeilichen, wirtschaftlichen und sozialen Sicher318 Inzwischen h. M.: Im Ergebnis auch BayObLG, VergabeR 2003, 563 (564 f.); OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 398 (399); OLG Koblenz, NZBau 2001, 283 (285); VK BadenWürttemberg, ZfBR 2003, 81 (jedenfalls für koordinationsrechtliche Verträge); Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 250; Byok, NJW 1998, 2774 (2777); Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 7; Graef, VergabeR 2004, 166 (169); Kämmerer, in: Schünemann / Stober (Hrsg.), Haftungsgrundsätze und Haftungsgrenzen des Sicherheitsgewerbes, S. 71 (89); Koenig / Haratsch, NJW 2003, 2637 (2639); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 5; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 49; Müller-Wrede, VergabeR 2001, 390 (391 f.); Noch, VergabeR 2003, 566; Thieme / Schlüter, NVwZ 2004, 162 (164); Ullrich, ZVgR 2000, 85 (87); Wilke, ZfBR 2004, 141; Zeiss, DVBl. 2003, 435 (437).
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heit.319 Ein Bezug zur „Sicherheit des Staates“ wird jedenfalls nicht schon durch die Zuordnung zum öffentlichen Recht hergestellt, sondern kann regelmäßig nur in höchst sensiblen, vorwiegend militärischen Bereichen angenommen werden,320 in denen bereits die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer funktionalen Privatisierung fragwürdig ist. Dem entspricht es, daß derzeit keine Beleihungsfälle bekannt sind, die den Anwendungsbereich des § 100 II lit. d 3.Var. GWB berühren. In Betracht kommt ferner der Ausnahmetatbestand des § 100 II lit. g GWB, sofern ein Beliehener seinerseits Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 – 3 GWB ist und ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes Ausschließlichkeitsrecht innehat.321 Im Gegensatz zu den bisher behandelten Fallgruppen liegt der Schwerpunkt der Prüfung hier bereits auf dem ersten Tatbestandsmerkmal; denn durch die Beleihung mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen wird ein Privater zwar zur „Behörde“ im funktionellen verwaltungsrechtlichen Sinne,322 aber noch nicht zum öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB. Die diesbezüglichen Voraussetzungen werden regelmäßig nur bei publizistischen und gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen vorliegen, deren (als möglich unterstellte) Beleihung vorrangig auf die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des § 99 I GWB zu überprüfen ist. Das zweite Tatbestandsmerkmal dürfte indessen nur erfüllt sein, wenn die Beleihung unmittelbar durch Gesetz oder Rechtsverordnung erfolgt ist und die ausschließliche Wirkung der darin übertragenen Hoheitsbefugnisse die in einem begleitenden Leistungsvertrag (als Anknüpfungspunkt des § 99 GWB) geregelten Dienstleistungen einschließt. Auch für diesen Ausnahmetatbestand sind derzeit jedoch keine Anwendungsfälle aus dem Bereich der Beleihung ersichtlich.323
2. Impliziter Ausnahmetatbestand gem. Art. 55, 45 EG Weil es sich bei den im Rahmen von Beleihungsverhältnissen zu erbringenden Leistungen typischerweise um Dienstleistungen handelt, die zumindest potentiell dem Anwendungsbereich der Art. 49 ff. EG unterfallen, könnte schließlich die primärrechtliche Bereichsausnahme gem. Art. 55 i. V. m. Art. 45 I EG unmittelbar anwendbar sein: Danach findet das Kapitel über den freien Dienstleistungsverkehr keine Anwendung „auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeit319 Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 53; O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 80. Dazu siehe Hummer, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Das Recht der europäischen Union, Altband II, Art. 223 EGV Rn. 5. 320 Insofern steht § 100 II lit. d GWB in einem engen Zusammenhang zu § 100 II lit. e GWB, der ausschließlich Auftragsvergaben im Verteidigungssektor betrifft. 321 Dazu siehe ausführlich oben Dritter Teil B. 322 Siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) aa) und Vierter Teil C. I. 1. 323 Dies betrifft namentlich die z. T. als Beleihung angesehene Pflichtenübertragung gem. § 16 II KrW- / AbfG und § 18a IIa WHG (siehe oben Dritter Teil B. I. 2.). Zur typologischen Einordnung und vergaberechtlichen Beurteilung siehe unten Vierter Teil E. I. 1.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
weise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind“. Zwar enthalten weder die §§ 97 ff. GWB noch die EG-Vergaberichtlinien explizit einen vergleichbaren Ausnahmetatbestand. Allerdings ist nach dem gescheiterten Versuch einer Ausklammerung sämtlicher öffentlich-rechtlicher Verträge davon auszugehen, daß der deutsche Gesetzgeber insofern jedenfalls keine strengere Regelung als die EGVergaberichtlinien treffen wollte.324 Diese wiederum dürfen schon aus Kompetenzgründen nicht über den Anwendungsbereich derjenigen Vorschriften des EG-Vertrags hinausgehen, auf deren Grundlage sie ergangen sind. Da die DKR sich maßgeblich auf die Koordinierungskompetenz gem. Art. 66 i. V. m. Art. 57 II EGV a. F. (= Art. 55 i. V. m. Art. 47 II EG n. F.) stützt, kann sie eine Ausschreibungspflicht nicht in Bereichen vorschreiben, in denen schon keine Dienstleistungsfreiheit besteht.325 Folgerichtig stellt der 15. Erwägungsgrund ausdrücklich fest, daß die Richtlinie „der Anwendung insbesondere der Art. 55, 56 und 66 des Vertrages [= Art. 45, 46 und 55 EG n. F.] nicht entgegensteht“. Auch der EuGH hat bei der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinien bereits auf die genannten Artikel zurückgegriffen.326 Dies bedeutet, daß im Ergebnis weder die EG-Vergaberichtlinien noch das deutsche Kartellvergaberecht eine Ausschreibung verlangen, wenn Beliehene im Rahmen der ihnen übertragenen Dienstleistungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt i. S. d. Art. 55 i. V. m. Art. 45 I EG ermächtigt sind.327 In Abgrenzung zu Art. 39 IV EG beschränkt sich Art. 45 I EG nicht auf „Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung“, sondern bezieht sich vor allem auf diejenigen Bereiche, in denen die Ausübung von Staatsfunktionen auf Private 324 Vgl. Burgi, NZBau 2002, 57 (62). A. A. unter Hinweis auf das verfassungsrechtliche Prinzip der Bestenauslese O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 65 ff.; unter Hinweis auf den weiteren und insoweit zumindest nicht gemeinschaftsrechtswidrigen (vgl. oben Dritter Teil B. I. 2. mit Nachweisen in Fn. 477) Wortlaut des § 99 I GWB Reidt, in: ders. / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Vorb. zu §§ 97 – 101 Rn. 17 mit Fn. 2. 325 Dreher, NZBau 2002, 245 (256). Vgl. auch Althaus, NZBau 2000, 277 (278); Burgi, NZBau 2002, 57 (61); Hailbronner, in: Ipsen (Hrsg.), Öffentliches Auftragswesen im Umbruch, S. 19 (24); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 54; Opitz, ZVgR 2000, 97 (104 mit Fn. 76). 326 EuGH, Urt. v. 05. 12. 1989 – Rs. C-3 / 88 (Kommission / Italien), Slg. 1989, 4035 (4060), Rn. 12 ff.; Vgl. EuGH, Urt. v. 09. 09. 1999 – Rs. C-108 / 98 (Ri.SAN Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219 (5245 f.), Rn. 19 f., wo der Gerichtshof zwar einem inländischen Unternehmen die Berufung auf Art. 55 des EG-Vertrags (= Art. 45 EG n. F.) mangels grenzüberschreitenden Bezugs versagt (a. a. O., Rn. 21 ff.), aber ausdrücklich keine Entscheidung über die Anwendbarkeit der DKR getroffen hat (a. a. O., Rn. 16 f.). 327 Dreher, NZBau 2002, 245 (256); Graef, VergabeR 2004, 166 (173); Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 9; Neumann / H. Müller, NZBau 2003, 299 (300). Vgl. auch Burgi, GewArch 2001, 217 (220 Fn. 25). Endler (NZBau 2002, 125, 129), Opitz (ZVgR 2000, 97, 105) und Rautenberg (ZfBR 2002, 238, 240) befürworten insofern eine europarechtskonforme Reduktion des Auftragsbegriffs gem. § 99 I GWB. Der gemeinschaftsrechtlichen Systematik dürfte es eher entsprechen, die Art. 55, 45 EG als gleichsam impliziten Ausnahmetatbestand unmittelbar anzuwenden.
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übertragen wird.328 Diese Möglichkeit eröffnet im deutschen Recht unter anderem das Rechtsinstitut der Beleihung. Da sich eine supranationale „europäische Gewalt“ bisher allenfalls in Teilbereichen entwickelt hat, ist unklar, ob und inwieweit der Begriff der „öffentlichen Gewalt“ nach gemeinschaftsrechtlichen und / oder nach nationalrechtlichen Maßstäben auszulegen ist:329 Der EuGH billigt den Mitgliedstaaten einerseits einen Beurteilungsspielraum zu, welche Aufgaben sie dem Bereich der öffentlichen Gewalt zuordnen, hat aber andererseits gemeinschaftsrechtliche Grenzen postuliert, die verhindern sollen, „daß der Vertrag durch einseitige Maßnahmen der Mitgliedstaaten seiner Wirksamkeit beraubt wird“.330 Entsprechend dem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmevorschriften vertritt der Gerichtshof insofern die Auffassung, daß sich der Anwendungsbereich des Art. 45 I EG auf Tätigkeiten beschränkt, die eine „unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt“ einschließen,331 und daß sich die Tragweite der Vorschrift auf das beschränkt, was zur Wahrung der jeweils geschützten Interessen „unbedingt erforderlich“ ist.332 Die genannten Formeln ermöglichen zwar keine exakte Subsumtion, verdeutlichen aber, daß es nicht auf die rechtsförmliche Einordnung, sondern auf den materiellen Charakter der ausgeübten Tätigkeit ankommt: Ebensowenig wie „öffentliche Gewalt“ notwendig in Formen des öffentlichen Rechts ausgeübt werden muß, kann die Frage, ob „öffentliche Gewalt“ ausgeübt wird, daher mit dem bloßen Hinweis auf den öffentlich-rechtlichen Charakter der betreffenden Tätigkeit bejaht 328 Hailbronner, in: ders. / Klein / Magiera / Müller-Graff (Hrsg.), Handkommentar zum EUV / EGV, Art. 55 Rn. 1 f.; Schlag, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 45 EGV Rn. 3; Troberg, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EGVertrag, Bd. 1, Art. 55 Rn. 1. 329 Vgl. Burgi, JuS 1996, 958 (959 f.); Schlag, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 45 EGV Rn. 4; Troberg, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 1, Art. 55 Rn. 12. 330 EuGH, Urt. v. 21. 06. 1974 – Rs. C-2 / 74 (Jean Reyners / Belgien), Slg. 1974, 631 (655), Rn. 48 / 50; Urt. v. 15. 03. 1988 – Rs. C-147 / 86 (Kommission / Griechenland), Slg. 1988, 1637 (1654), Rn. 8. Vgl. dazu Hailbronner, in: ders. / Klein / Magiera / Müller-Graff (Hrsg.), Handkommentar zum EUV / EGV, Art. 55 Rn. 5; Schlag, in: Schwarze (Hrsg.), EUKommentar, Art. 45 EGV Rn. 5; Troberg, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 1, Art. 55 Rn. 12. 331 EuGH, Urt. v. 21. 06. 1974 – Rs. C-2 / 74 (Jean Reyners / Belgien), Slg. 1974, 631 (655), Rn. 54 / 55; Urt. v. 05. 12. 1989 – Rs. C-3 / 88 (Kommission / Italien), Slg. 1989, I-4035 (4060), Rn. 13; Urt. v. 13. 07. 1993 – Rs. C-42 / 92 (Adrianus Thijssen / Controledienst voor de Verzekeringen), Slg. 1993, I-4047 (4069), Rn. 8; Urt. v. 29. 10. 1998 – Rs. C-114 / 97 (Kommission / Spanien), Slg. 1998, I-6717 (6742), Rn. 35. 332 EuGH, Urt. v. 15. 03. 1988 – Rs. C-147 / 86 (Kommission / Griechenland), Slg. 1988, 1637 (1654), Rn. 7; Urt. v. 29. 10. 1998 – Rs. C-114 / 97 (Kommission / Spanien), Slg. 1998, I-6717 (6742), Rn. 34. Das entspricht dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. EuGH, Urt. v. 05. 12. 1989 – Rs. C-3 / 88, Kommission / Italien, Slg. 1989, I-4035, 4060, Rn. 15; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 13).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
werden.333 Den strengen Vorgaben der Rechtsprechung dürften vielmehr nur solche Tätigkeiten genügen, die (zumindest vorübergehend) mit der Ausübung von Zwangsbefugnissen verbunden sind, kraft derer der Beliehene unmittelbar regelnd in den Rechtskreis von Bürgern eingreifen kann.334 Art. 45 I EG liegt somit ein deutlich engeres Verständnis zugrunde als dem deutschen Begriff der Beleihung, welcher sich gegenüber anderen Formen der funktionalen Privatisierung allein durch die Ermächtigung zur Inanspruchnahme öffentlich-rechtlicher Handlungsformen auszeichnet. Weil damit keineswegs notwendig auch Zwangsbefugnisse verbunden sind, ist einer Gleichsetzung von Beleihung und „Ausübung öffentlicher Gewalt“ entgegenzutreten.335 Insbesondere im Bereich der Leistungsverwaltung gibt es Beleihungsverhältnisse (z. B. die Beleihung mit Zuwendungsbefugnissen gem. § 44 III BHO336), die nach der hier vertretenen Auffassung nicht unter die 333 Bröhmer, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), Kommentar des EUV / EGV, Art. 45 Rn. 4; O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 55 f.; Ullrich, ZVgR 2000, 85 (91); Wölker, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 1, Art. 48 Rn. 116. Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – Rs. C-55 / 96 (Job Centre coop. arl), Slg. 1997, I-7119 (7147), Rn. 22, wo der Gerichtshof im Rahmen des Art. 86 EGV a. F. (= Art. 82 EG n. F.) klargestellt hat, daß Arbeitsvermittlung, die in Deutschland größtenteils öffentlich-rechtlich organisiert ist, nicht gänzlich als Ausübung hoheitlicher Gewalt verstanden werden kann. Ausdrücklich gegen die Anwendbarkeit von Art. 55 EGV a. F. (= Art. 45 EG n. F.) insofern GA Jacobs, Schlußanträge vom 15. 01. 1991 – Rs. C-41 / 90 (Klaus Höfner u. Fritz Elser / Macrotron GmbH), Slg. 1991, I-1979 (2000), Rn. 22 f. A. A. ohne nähere Begründung OLG Celle, NZBau 2000, 299 (300); Hailbronner, in: ders. / Klein / Magiera / Müller-Graff (Hrsg.), Handkommentar zum EUV / EGV, Art. 55 Rn. 4. 334 Dreher, NZBau 2002, 245 (256 f.); Reidt, in: ders. / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Vorb. zu §§ 97 – 101 Rn. 17. Vgl. Burgi, NZBau 2002, 57 (61); Endler, NZBau 2002, 125 (129); Graef, VergabeR 2004, 166 (173); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 56 f.; Opitz, ZVgR 2000, 97 (105); v. Wilmowsky, ZHR 155 (1991), 545 (549). Ähnlich VK Baden-Württemberg, ZfBR 2003, 81; Althaus, NZBau 2000, 277 (278); Grüb, Europäische Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für Private mit hoheitlichen Befugnissen, S. 141; Troberg, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EGVertrag, Bd. 1, Art. 55 Rn. 2; die auf das Vorliegen eines echten Subordinationsverhältnisses abstellen. Zu weitgehend aber Dreher (a. a. O., 257), soweit er nur die Ausübung „unmittelbaren Zwangs“ i. S. d. § 2 I UZwG gelten läßt. 335 Ebenso Dreher, NZBau 2002, 245 (256 f.); Grüb, Europäische Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für Private mit hoheitlichen Befugnissen, S. 145 f.; O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 55 f., 65; Reidt, in: ders. / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Vorb. zu §§ 97 – 101 Rn. 17; Troberg, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU- / EG-Vertrag, Bd. 1, Art. 55 Rn. 5. Vgl. EuGH, Urt. v. 15. 03. 1988 – Rs. C-147 / 86 (Kommission / Griechenland), Slg. 1988, 1637 (1654), Rn. 6 ff., wo der Gerichtshof die Anwendbarkeit des Art. 55 EGV a. F. (= Art. 45 EG n. F.) trotz Vorliegens eines öffentlich-rechtlichen Beleihungsakts verneint hat. A. A. Burgi, JuS 1996, 958 (962); ders., NZBau 2002, 57 (61 f. mit Fn. 55); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 65; Rautenberg, ZfBR 2002, 238 (240). Offener noch Burgi, in: Geis / Lorenz (Hrsg.), Festschrift für Maurer, S. 581 (589 f. mit Fn. 59). Unklar Graef, VergabeR 2004, 166 (173). 336 Vgl. z. B. den Beleihungsvertrag zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Firma „efp“ bzgl. des Projektmanagements („nationale Stützungsstruktur“) für das EU-Beschäftigungsprogramm „EQUAL“ (insofern wie hier Dreher, NZBau 2002, 245, 254, 257; weitere Nachweise siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) aa), Fn. 153).
D. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungssubstituten
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Vorbehaltsklausel des Art. 55 i. V. m. Art. 45 I EG fallen. Auch in Beleihungsfällen ist somit für jeden Einzelfall gesondert zu ermitteln, ob diese Vorschriften eine Befreiung von den kartellvergaberechtlichen Bindungen gestatten.
III. Zusammenfassung Entgegen einer verbreiteten Meinung unterliegen die vertraglichen Leistungsbeziehungen zwischen öffentlichen Auftraggebern und Beliehenen dem Kartellvergaberecht in gleicher Weise wie alle übrigen entgeltlichen Beschaffungsverträge: Weder hindert die Tatsache, daß Beleihungsverträge nach Form und Inhalt dem öffentlichen Recht angehören, das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB, noch enthalten das nationale und / oder europäische Vergaberecht einen allgemeinen Vorbehalt zugunsten der Erfüllung „hoheitlicher“ Aufgaben. Ausnahmen sind lediglich in den engen Grenzen des § 100 II GWB und der Art. 55, 45 EG anzuerkennen, die allenfalls in wenigen Einzelfällen zum Tragen kommen und daher keine generelle Aussage über die vergaberechtliche Relevanz der Beleihung erlauben.
D. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungssubstituten I. Vorliegen eines entgeltlichen Beschaffungsvertrags Die Leistungsbeziehungen zwischen Verwaltungsträgern und Verwaltungssubstituten werden gewöhnlich in sog. Konzessionsverträgen geregelt. Mit diesem Begriff kann in einem vorläufigen Sinne jede Vereinbarung bezeichnet werden, durch die eine Partei (Konzessionär) berechtigt und verpflichtet wird, bestimmte Aufgaben, die der Verantwortung der anderen Partei (Konzessionsgeber) obliegen, im eigenen Namen wahrzunehmen und die zu diesem Zweck erbrachten Leistungen wirtschaftlich zu nutzen.337 Eine zusammenfassende Untersuchung aller Konzessionsverträge ist im Hinblick auf das Vergaberecht nur eingeschränkt möglich, weil dieses nach dem Konzessionsgegenstand zwischen Baukonzessionen (für die Art. 3 BKR = Art. 56 ff. VKR, § 98 Nr. 6 GWB und §§ 32, 32a VOB / A spezielle Regeln aufstellen) und Dienstleistungskonzessionen (die – mit Ausnahme der neuen VKR – in keinem Regelwerk ausdrückliche Erwähnung finden) differenziert. Voraussetzung für eine Qualifikation als öffentlicher Auftrag i. S. d. § 99 GWB ist aber in jedem Fall, daß es sich um einen entgeltlichen Beschaffungsvorgang eines öffentlichen Auftraggebers handelt. Unproblematisch ist insofern, daß ein Verwaltungsträ337 Die einzelnen Begriffsmerkmale werden am Beispiel der Dienstleistungskonzession noch ausführlich erläutert (siehe unten Vierter Teil D. III. 2.).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
ger auch in seiner Eigenschaft als Konzessionsgeber öffentlicher Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 GWB ist. Allerdings könnten sich Zweifel am Beschaffungscharakter von Konzessionsverträgen ergeben, weil dem Verwaltungssubstituten (Konzessionär) das Recht zur wirtschaftlichen Nutzung seiner eigenen Leistungen eingeräumt wird. Im Rahmen eines (direkten) Betreibermodells wird ihm dazu regelmäßig der Besitz oder sogar das Eigentum an sächlichen Mitteln des Auftraggebers (z. B. einem Grundstück oder Gebäude) eingeräumt, mit deren Hilfe er der vertraglich vereinbarten Tätigkeit nachgehen kann. Insofern könnte man den Auftraggeber als Anbieter von Rechten statt als Nachfrager von Leistungen ansehen, so daß die Konzessionsvergabe eher als Verwertungshandlung denn als Beschaffungsgeschäft des Auftraggebers erschiene.338 Eine solche Betrachtung wäre jedoch zu sehr dem tradierten Konzessionsbegriff des deutschen Verwaltungsrechts verhaftet, wonach eine Konzession lediglich zur Ausübung einer Tätigkeit berechtigt, für die sich der Staat ein Verleihungsrecht vorbehalten hat.339 Demgegenüber liegt der hier verwendeten Terminologie eine europarechtlich beeinflußte, primär ökonomische Sichtweise zugrunde,340 in der das Nutzungsrecht als Gegenleistung des Auftraggebers für die vom Konzessionär zu erbringenden Leistungen erscheint,341 welche den hauptsächlichen Gegenstand des Vertrags bilden: Aus Sicht des Auftraggebers ist nicht die Berechtigung des Konzessionärs zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, sondern dessen Verpflichtung zur Durchführung der dahinterstehenden Aufgaben entscheidend. Insofern handelt es sich wie bei den bisher untersuchten Formen der vertraglichen Ausgliederung um ein Beschaffungsgeschäft des öffentlichen Auftraggebers. Ebensowenig wie in Fällen der Beleihung spielt es eine Rolle, daß der Konzessionär eine Verwaltungsaufgabe unmittelbar im eigenen Namen wahrnimmt und nicht nur die für den Verwaltungsvollzug erforderlichen Mittel bereitstellt.342 Lediglich wenn ein „Konzessionsvertrag“ eine ausschließliche Berechti338 So OLG Düsseldorf, WuW / E Verg 350 (351); NZBau 2002, 634 (635); VÜA Bayern, ZVgR 1998, 584 (586); VK Südbayern, Beschl. v. 07. 11. 2001 – 39 – 10 / 01 (zit. nach Weyand, ZfBR 2002, 395, 396); Gröning, NZBau 2001, 123; ders., VergabeR 2002, 24 (26); Kulartz, NZBau 2001, 173 (178). 339 Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung, S. 102; Opitz, ZVgR 2000, 97 (102); Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 4. Hierauf verweist auch die häufig anzutreffende Bezeichnung als „Gestattungsvertrag“ (siehe nur BayObLG, NZBau 2002, 233; VÜA Bayern, ZVgR 1998, 584, 586; OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645). 340 Vgl. Burgi, NVwZ 2001, 601 (603); Opitz, ZVgR 2000, 97 (101). Insoweit wird der Anregung Schmidt-Aßmanns (in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Hrsg., Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 7, 32) gefolgt, den Konzessionsbegriff „für Privatisierungsvorgänge dogmatisch zu relativieren“. 341 Vgl. insoweit die Legaldefinitionen der Baukonzession in Art. 1 lit. d BKR (= 1 III VKR), § 98 Nr. 6 GWB, § 6 S. 2 VgV und § 32 Nr. 1 VOB / A. Zur Dienstleistungskonzession vgl. EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10789), Rn. 43, und nunmehr die Legaldefinition in Art. 1 IV VKR (siehe unten Vierter Teil D. III. 2. c) am Ende).
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gung des Privaten vorsieht oder dessen Tätigkeit keinerlei funktionalen Bezug zu einer Verwaltungsaufgabe aufweist, fehlt es am Beschaffungscharakter: Zweifelhaft erscheint daher z. B. die vom OLG Naumburg vorgenommene Einordnung eines Vertrags über die Durchführung eines gem. § 69 I GewO festgesetzten Wochenmarktes als „entgeltlichen Leistungsauftrag“ der Gemeinde.343 Umgekehrt hätte in einem von der Vergabekammer Baden-Württemberg entschiedenen Fall, in dem die Verpachtung einer Flughafengastronomie mit der Verpflichtung zum Ausbau und Betrieb verknüpft worden war,344 die Annahme eines Beschaffungsvertrags nahegelegen. Fraglich ist unterdessen, ob Konzessionsverträge entgeltlich im Sinne der Legaldefinition des § 99 I GWB sind. Wenn nämlich die Gegenleistung des Auftraggebers ausschließlich in der Gewährung eines Nutzungsrechts besteht, fließt von seiner Seite weder Geld noch eine unmittelbar geldwerte Vergütung. Vielmehr muß sich der Konzessionär die Vergütung für seine Leistungen, z. B. durch die Erhebung von Benutzungsentgelten von den betroffenen Bürgern, gleichsam selbst „verdienen“.345 Jene Benutzungsentgelte besitzen zwar die Eigenschaft einer monetären Vergütung, doch können sie nicht unmittelbar dem Auftraggeber zugerechnet werden. Nach dem hier vertretenen und bereits an früherer Stelle begründeten weiten Entgeltbegriff erfaßt § 99 I GWB freilich jede Art von zweiseitig verpflichtenden Verträgen, die zumindest auch eigennützigen Charakter zugunsten des Schuldners der Hauptleistung haben.346 Eigennützig verhält sich der Konzessionär jedenfalls, soweit ihm das Nutzungsrecht ermöglicht, aus seinen Leistungen einen über die bloße Selbstkostendeckung hinausgehenden wirtschaftlichen Vorteil zu ziehen. Dieser Vorteil ist dem Auftraggeber aber insofern zurechenbar, als er seinerseits auf einen entsprechenden Vorteil durch eigene Nutzung verzichtet. Folg342 Vgl. oben Vierter Teil C. I. 1. A. A. Ullrich, ZVgR 2000, 85 (92 ff.), der hierin einen „Wesensunterschied“ zwischen öffentlichem Auftrag und Konzession erkennen will, den er als Anknüpfungspunkt für eine vergaberechtliche Sonderbehandlung identifiziert. 343 OLG Naumburg, WuW / E Verg 558 (560). Zwar ist der Veranstalter gem. § 69 II GewO zur Durchführung des Wochenmarktes verpflichtet; doch handelt er dabei nicht in Erfüllung einer staatlichen Aufgabe, sondern geht lediglich einer unter staatlicher Aufsicht stehenden Wirtschaftstätigkeit nach (vgl. insoweit Zirbes, VergabeR 2002, 311, 313). 344 VK Baden-Württemberg, NZBau 2001, 406 ff. Die Vergabekammer sah hierin ausschließlich eine Verwertung von Eigentumsrechten des Flughafenbetreibers. 345 Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 27b, der Konzessionen deshalb nicht als entgeltliche Verträge ansieht. Ebenso im Ergebnis OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (647); Burgi, NVwZ 2001, 601 (604); ders., DVBl. 2003, 949 (952, 955); GA Fennelly, Schlußanträge v. 18. 05. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10759), Rn. 24; Koenig, EuZW 2003, 289; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 13; Schulte, Rettungsdienst durch Private, S. 143; ders., NZBau 2000, 272 (276); Schwenker / Heinze, VergabeR 2001, 96 (103); Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 5, 51; M. J. Werner / Köster, NZBau 2003, 420 (421); wohl auch Noch, VergabeR 2003, 566 (567). 346 Siehe oben Dritter Teil A. I. 2.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
lich hat sich in der neueren Judikatur zu Recht die Auffassung durchgesetzt, daß das Nutzungsrecht selbst als „Entgelt“ des Auftraggebers anzusehen ist.347 Damit erfüllen Konzessionsverträge ohne Rücksicht auf den Konzessionsgegenstand die allgemeinen Kriterien eines entgeltlichen Beschaffungsvertrags. Der naheliegende Schluß auf das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB bedarf jedoch einer Überprüfung anhand weiterer, gesetzessystematischer wie historischgenetischer, Auslegungskriterien, welche nunmehr eine Trennung zwischen Bauund Dienstleistungskonzessionen erforderlich machen.
II. Vergabe von Baukonzessionen Die Beurteilung der Vergabe von Baukonzessionen hat der Gesetzgeber nur teilweise erleichtert, indem er die Legaldefinition der Baukonzession aus Art. 1 lit. d BKR (= Art. 1 III VKR) in § 98 Nr. 6 GWB übernommen hat: Danach handelt es sich um einen „Vertrag über die Erbringung von Bauleistungen [ . . . ], bei dem die Gegenleistung für die Bauarbeiten statt in einer Vergütung in dem Recht auf Nutzung der baulichen Anlage, ggf. zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht“. Diese Definition bestätigt zwar im Ansatz die oben dargelegte Auslegung als entgeltliches Beschaffungsgeschäft, trifft aber unmittelbar keine Aussage über die vergaberechtliche Behandlung des Konzessionsvertrags selbst. Vielmehr beschränkt sich der Regelungsgehalt des § 98 Nr. 6 GWB darauf, private Baukonzessionäre ihrerseits zu öffentlichen Auftraggebern zu erklären. Verfehlt wäre es indessen, von der somit ausdrücklich geregelten Ausschreibungspflicht der Drittvergabe (sog. zweite Stufe) e contrario auf die Unanwendbarkeit des Kartellvergaberechts auf die Konzessionsvergabe (sog. erste Stufe) zu schließen: Denn Art. 3 I BKR verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber ausdrücklich auch beim Abschluß von Baukonzessionsverträgen zur Einhaltung der in Art. 11 und 15 BKR enthaltenen Bekanntmachungsvorschriften (= Art. 58, 59 VKR). Daß diese Bestimmung in der Bundesrepublik Deutschland lediglich untergesetzlich in § 6 S. 1 VgV i. V. m. §§ 32 Nr. 2, 32a Nr. 1 VOB / A umgesetzt worden ist, läßt sich nur dadurch erklä347 Vgl. BayObLG, NZBau 2002, 233 (234); OLG Düsseldorf, WuW / E Verg 350 (351); OLG Koblenz, NZBau 2001, 283 (284); OLG Naumburg, WuW / E Verg 558 (560); VG Neustadt a. d. Weinstraße, NZBau 2002, 237 (239); BKartA (2. VK Bund), WuW / E Verg 354 (355); VK Baden-Württemberg, ZfBR 2003, 81. Ebenso Graef, VergabeR 2004, 166 (174); Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 339; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 115 f.; Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 6. Implizit auch EuGH, Urt. v. 10. 11. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, I-6824 (6860), Rn. 25: Der Begriff der öffentlichen Dienstleistungskonzession brauche nicht ausgelegt zu werden, „da [ . . . ] die ARA als Entgelt ausschließlich einen Preis, nicht aber das Recht zur Gebührenerhebung erhält“ (Hervorhebung des Verfassers). Mit noch weiterem Ansatz Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 8; Graef, a. a. O., 166 (174), nach deren Meinung das Entgelt nicht einmal direkt vom öffentlichen Auftraggeber stammen müsse.
D. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungssubstituten
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ren, daß der Gesetzgeber es als selbstverständlich vorausgesetzt hat, daß auch die Vergabe einer Baukonzession grundsätzlich dem Kartellvergaberecht unterliegt und als „entgeltlicher Vertrag“ von § 99 I GWB umfaßt wird.348 Schließlich entspricht allein dieses Ergebnis einer richtlinienkonformen Auslegung im Hinblick auf Art. 3 I BKR.349 Ungeklärt bleibt das Verhältnis der Baukonzesion zum Begriff des Bauauftrags i. S. d. § 99 III GWB. Während Baukonzessionen dort keine Erwähnung finden, ergibt der übrige Normbefund ein widersprüchliches Bild: Während Art. 1 lit. d BKR (= Art. 1 III VKR) und § 6 S. 1 VgV offenbar zwischen Bauaufträgen und Baukonzessionen differenzieren,350 heißt es in § 6 S. 2 VgV und § 32 Nr. 1 VOB / A übereinstimmend: „Baukonzessionen sind Bauaufträge [ . . . ]“. Gegen eine Subsumtion von Baukonzessionen unter § 99 III GWB spricht systematisch wie teleologisch, daß dann auch die Vergabe von Baukonzessionen durch Sektorenauftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 4 GWB als öffentlicher Bauauftrag erfaßt wäre, obwohl weder die SKR noch § 7 II Nr. 2 VgV i. V. m. dem 4. Abschnitt der VOB / A entsprechende Regeln enthalten.351 Dennoch geht – im Anschluß an ein Urteil des OLG Brandenburg – die ganz überwiegende Auffassung davon aus, daß § 99 III GWB richtlinienkonform dahingehend auszulegen sei, daß der Begriff des Bauauftrags auch Baukonzessionen einschließt.352 Da die auf Baukonzessionen konkret anzuwendenden Vergabevorschriften sich unmißverständlich aus den §§ 97, 101 GWB i. V. m. §§ 6 S. 1 VgV, 32 Nr. 2, 32a Nr. 1 VOB / A ergeben, ist es letztlich 348 Schwenker / Heinze, VergabeR 2001, 96 (103); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 28. Die Gesetzesmaterialien selbst geben über die diesbezüglichen Motive des Gesetzgebers keinen Aufschluß. 349 Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 98 Rn. 124, § 99 Rn. 8. 350 Gem. Art. 1 lit. d BKR (= Art. 1 III VKR) gelten öffentliche Baukonzessionen als „Verträge, die von den unter Buchstabe a) genannten Verträgen [d. h. öffentlichen Bauaufträgen] nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Arbeiten [ . . . ] in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks [ . . . ] besteht“; § 6 S. 1 VgV stellt „Bauaufträge und Baukonzessionen“ ausdrücklich nebeneinander (Hervorhebungen des Verfassers). Opitz (ZVgR 2000, 97, 109) plädiert deshalb insofern für eine unmittelbare Anwendung der BKR. 351 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 98 Rn. 124. Für die Vergaberechtsfreiheit der Konzessionvergabe durch Sektorenauftraggeber auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 15. 352 OLG Brandenburg, NVwZ 1999, 1142 (1145); BayObLG, NZBau 2002, 233 (235); Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 4 Rn. 13; Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 7; Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 33; Endler, NZBau 2002, 125 (126); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 76; Höfler, WuW 2000, 136 (140); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 114 f.; Korbion, VgRÄG, § 99 Rn. 7; Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (8); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 38; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 20; Schwenker / Heinze, VergabeR 2001, 96 (103); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 28; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommenntar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 45. A. A. wohl Berrisch, DB 1999, 1797.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
nur von akademischer Relevanz, ob Baukonzessionen schon unter den Begriff des Bauauftrags i. S. d. § 99 III GWB oder – als gleichsam unbenannter Typ des öffentlichen Auftrags – „nur“ unter die Generalklausel des § 99 I GWB zu subsumieren sind. Im Ergebnis besteht jedenfalls kein Zweifel daran, daß die Vergabe von Baukonzessionen – wenn auch eingeschränkt – dem sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts unterliegt.
III. Vergabe von Dienstleistungskonzessionen 1. Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB? a) Gesetzessystematische Vorüberlegungen Ungleich größere Probleme bereitet dem Kartellvergaberecht die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen. Das diesbezügliche Schweigen sowohl des GWB als auch der bisherigen EG-Vergaberichtlinien kann gesetzessystematisch auf verschiedene Weisen interpretiert werden: Einerseits könnte man aus einem Vergleich mit der expliziten Regelung für Baukonzessionen e contrario schließen, daß die Vergabe sonstiger Konzessionen dem Kartellvergaberecht schlechthin nicht unterliegt.353 Berücksichtigt man unterdessen, daß Art. 3 I BKR bzw. §§ 6 S. 1 VgV, 32 Nr. 2, 32a Nr. 1 VOB / A die Vergabe von Baukonzessionen unter vereinfachten Bedingungen zulassen, ließe sich aus denselben Vorschriften andererseits – wiederum in einem Umkehrschluß – folgern, daß alle übrigen Konzessionen nach den allgemeinen, für alle öffentlichen Aufträge geltenden Regeln vergeben werden müssen. In diesem Falle läge die Funktion der genannten Vorschriften nicht in der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des Vergaberechts für Baukonzessionen, sondern lediglich in einer verfahrensrechtlichen Privilegierung derselben. Für die zweite Sichtweise spricht, daß es sich in beiden Fällen um einen entgeltlichen Beschaffungsvertrag handelt354 und daß die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts nach der systematischen Konzeption des § 99 GWB, zumal angesichts des Auffangcharakters des § 99 IV GWB,355 nicht vom Gegenstand des Vertrags abhängt. Der aus dieser Gemengelage resultierenden Unsicherheit hat der EuGH, zumindest was die Auslegung der EG-Vergaberichtlinien betrifft, in seinen Entscheidungen in den Rechtssachen „Telaustria“356 und „Die Deutsche Bibliothek“357 ein vorläufiges Ende bereitet. Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 340. Siehe oben Vierter Teil D. I. 355 Dazu siehe oben Vierter Teil A. II. 2. a) aa) mit Fn. 72. 356 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10770 ff.). 357 EuGH, Beschl. v. 30. 05. 2002 – Rs. C-358 / 00 (Buchhändler-Vereinigung GmbH / Saur Verlag GmbH & Co. KG u. Die Deutsche Bibliothek), EuZW 2003, 159 f. 353 354
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b) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Dem am 07. 12. 2000 ergangenen „Telaustria“-Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Telekom Austria AG, eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der Republik Österreich, übertrug die Herstellung und Herausgabe eines Telefonverzeichnisses an die Herold Business Data AG, eine gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung, die zu 26 % der Telekom Austria AG und im übrigen einem privaten Unternehmen gehörte. Da der hierzu geschlossene Vertrag der Firma Herold anstelle eines direkten Entgelts gestattete, ihre Leistungen kommerziell zu verwerten, hatte das im Wege eines Nachprüfungsantrags der privaten Konkurrenten Telaustria Verlags GmbH und Telefonadress GmbH eingeschaltete Bundesvergabeamt Zweifel in bezug auf die Anwendbarkeit der DKR und SKR a. F. Der EuGH bejahte zunächst die Auftraggebereigenschaft der Telekom Austria AG und sah angesichts ihrer Minderheitsbeteiligung an Herold zu Recht keinen Anlaß, das Vorliegen eines „In-house-Geschäfts“ (im weiteren Sinne) zu erwägen358. Die entscheidende Frage, ob Dienstleistungskonzessionen in den Anwendungsbereich der genannten Richtlinien fallen, prüfte der Gerichtshof ausschließlich anhand der Entstehungsgeschichte derselben:359 Sowohl in ihrem geänderten Vorschlag für eine SKR vom 18. 07. 1989 als auch in ihren Vorschlägen für eine DKR vom 13. 12. 1990 und 28. 08. 1991 hatte sich die Europäische Kommission ursprünglich dafür ausgesprochen, „öffentliche Dienstleistungskonzessionen“ in den Anwendungsbereich der Richtlinien einzubeziehen und einer den Vorschriften für Baukonzessionen entsprechenden Regelung zuzuführen.360 Namentlich die beabsichtigte Aufnahme in die DKR rechtfertigte sie mit der überzeugenden Erwägung, um „kohärente Vergabeverfahren einzuführen“, müßten „öffentliche Dienstleistungskonzessionen von dieser Richtlinie in der gleichen Weise erfaßt werden wie öffentliche Baukonzessionen von der Richtlinie 71 / 305 / EWG“. Dennoch wies der Rat die Kommissionsvorschläge insoweit zurück und strich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sämtliche Bezugnahmen auf Dienstleistungskonzessionen, weil anderenfalls aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Übertragung von Befugnissen bei der Verwaltung öffentlicher Dienstleistungen eine große Unausgewogenheit hinsichtlich der Zugangsmöglichkeiten zu diesen Konzessionsverträgen entstehen würde.361 Vor diesem Hintergrund verDazu siehe ausführlich oben Vierter Teil A. I. EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10790 ff.), Rn. 45 – 51. 360 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Art. 4 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Rates betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor v. 18. 07. 1989, ABl. 1989, C 264, S. 22; Art. 12 des Vorschlags v. 13. 12. 1990 und Art. 4 des geänderten Vorschlags v. 28. 08. 1991 für eine Richtlinie des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, ABl. 1991, C 23, S. 1, und C 250, S. 4. 361 Rat der Europäischen Gemeinschaften, Begründung im gemeinsamen Standpunkt des Rates zum geänderten Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über die 358 359
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
zichtete die Kommission in ihrem zum Erlaß der SKR a. F. führenden Änderungsvorschlag vom 27. 09. 1991 darauf, erneut die Aufnahme von Dienstleistungskonzessionen in den Richtlinientext zu fordern.362 Dem stellte der EuGH die Entwicklung des Anwendungsbereichs der Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge gegenüber: Während in Art. 3 I der Richtlinie 71 / 305 / EWG Konzessionsverträge ausdrücklich ausgenommen waren, erwähnt Art. 1 lit. d der am selben Tag wie die SKR a. F. erlassenen Richtlinie 93 / 37 / EWG, der heutigen BKR, nunmehr ebenso ausdrücklich die öffentliche Baukonzession. Aus diesen Zusammenhängen schloß der Gerichtshof, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber beschlossen habe, öffentliche Dienstleistungskonzessionen nicht in den Anwendungsbereich der SKR einzubeziehen: „Anderenfalls hätte er dies wie beim Erlaß der Richtlinie 93 / 37 ausdrücklich getan.“ Folglich würden solche Verträge nicht vom Begriff der „entgeltlichen schriftlichen Verträge“ in Art. 1 Nr. 4 SKR a. F. erfaßt, sondern seien „beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie [ . . . ] ausgenommen“.363 Wenngleich sich diese Aussage aufgrund der Umstände des Einzelfalls nur auf die Auslegung der SKR bezieht, ist die diesbezügliche Argumentation des Gerichtshofs nach seinen Ausführungen über die Entstehungsgeschichte der DKR ohne weiteres auf den insoweit identischen Auftragsbegriff in Art. 1 lit. a DKR übertragbar. Diese Einschätzung hat der EuGH in seinem Beschluß vom 30. 05. 2002 in der Rechtssache „Die Deutsche Bibliothek“ nunmehr ausdrücklich bestätigt.364 Wieder ging es um die Herausgabe von Verlagserzeugnissen; mangels spezifischen Sektorenbezugs war diese jedoch anhand der DKR zu prüfen: Die Deutsche Bibliothek, eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts, hatte in einem nicht offenen Verfahren einen Vertrag über die Vervielfältigung und Verbreitung der Deutschen Nationalbibliographie ausgeschrieben, welcher vorsah, daß das ausgewählte Unternehmen die Bibliographie aufgrund eines ausschließlichen Rechts auf Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge v. 25. 02. 1992, Dokument Nr. 4444 / 92 ADD 1, Nr. 6. Vgl. Begründung im gemeinsamen Standpunkt des Rates zum geänderten Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor v. 22. 03. 1990, Dokument Nr. 5250 / 90 ADD 1, Nr. 10 (jeweils zitiert nach EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-324 / 98, Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG, Slg. 2000, I-10745, 10791, Rn. 48, 50). 362 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 90 / 531 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor v. 27. 09. 1991, ABl. 1991, C 337, S. 1. 363 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10792 f.), Rn. 52 – 58. 364 EuGH, Beschl. v. 30. 05. 2002 – Rs. C-358 / 00 (Buchhändler-Vereinigung GmbH / Saur Verlag GmbH & Co. KG u. Die Deutsche Bibliothek), EuZW 2003, 159 (160), Rn. 28 f.
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eigene Rechnung vertreiben und an die Deutsche Bibliothek für jedes verkaufte Exemplar eine Vergütung auf Basis des Verlagserlöses zahlen sollte. Da Art. 8 DKR hinsichtlich des Dienstleistungsgegenstands auf den Anhang I A der Richtlinie verweist, dessen Kategorie 15 ausdrücklich das „Verlegen und Drucken gegen Vergütung oder auf vertraglicher Grundlage“ (Hervorhebung des Verfassers) benennt, lag für das vorlegende OLG Düsseldorf der Schluß nahe, „daß Konzessionen – selbst wenn sie im allgemeinen nicht unter die DKR fallen sollten – jedenfalls dann dem Vergaberecht unterliegen, wenn sie das ,Verlegen und Drucken‘ zum Gegenstand haben“.365 Erstaunlicherweise ging der Gerichtshof auf diesen offenkundigen Widerspruch zwischen Entstehungsgeschichte und Text der DKR nicht weiter ein, sondern gelangte nach einem ausführlichen Zitat seines inzwischen ergangenen „Telaustria“-Urteils zu dem Ergebnis, „daß ein Konzessionsvertrag über öffentliche Verlagsdienstleistungen beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts vom Anwendungsbereich der Richtlinie 92 / 50 / EWG [DKR] ausgenommen ist, obwohl er seinem spezifischen Gegenstand nach vom Anhang I A dieser Richtlinie [ . . . ] erfaßt wird“.366 Beide Entscheidungen bestätigen im Ergebnis die bereits zuvor herrschende, nicht zuletzt auch von der Europäischen Kommission vertretene Auslegung367. Gleichwohl hat es sich der EuGH nicht nehmen lassen, in einem obiter dictum darauf hinzuwiesen, daß öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen „die Grundregeln des EG-Vertrags im allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im besonderen“ zu beachten hätten. Dieses schließe insbesondere eine Verpflichtung zur Transpa365 OLG Düsseldorf, WuW / E Verg 350 (354). Vgl. als Vorinstanz BKartA (2. VK Bund), WuW / E Verg 354 (355), wonach „die Aufnahme dieses Vertragstypus in den Katalog des Anhangs I A der Richtlinie [ . . . ] und damit dessen Beschreibung als Dienstleistung [es] verbietet [ . . . ], den Vertrag als Dienstleistungskonzession zu typisieren [ . . . ]“. Zustimmend Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 8. Ebenso in bezug auf Verkehrsdienstleistungen Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (161). 366 EuGH, Beschl. v. 30. 05. 2002 – Rs. C-358 / 00 (Buchhändler-Vereinigung GmbH / Saur Verlag GmbH & Co. KG u. Die Deutsche Bibliothek), EuZW 2003, 159 (160), Rn. 30. 367 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11. 03. 1998, KOM (98) 143 endg, BT-Drs. 13 / 11160, S. 18; Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 7 Fn. 15; OLG Koblenz, NZBau 2001, 283 (284); VÜA Bayern, ZVgR 1998, 584 (586); GA Alber, Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 98 (RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219 (5233), Rn. 49; Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 34; GA Fennelly, Schlußanträge v. 18. 05. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10757 ff.), Rn. 21 ff.; B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (408); Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (241); Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 340; Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (9); GA La Pergola, Schlußanträge v. 19. 02. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, 6821 (6834), Rn. 26; Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß (Hrsg.), Das Recht der Auftragsvergabe, S. 81; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 51.
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renz ein, kraft derer der Auftraggeber zugunsten potentieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen müsse, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden.368 Eine Ausschreibungsverpflichtung im engeren, vergaberechtlichen Sinne ist damit freilich nicht verbunden.369
c) Bewertung und Konsequenzen für das Kartellvergaberecht Am Beispiel der Rechtssache „Die Deutsche Bibliothek“ wird deutlich, daß die im „Telaustria“-Urteil vorgegebene Auslegung des Auftragsbegriffs der DKR und SKR innerhalb des Systems der bisherigen EG-Vergaberichtlinien nicht ganz widerspruchsfrei ist. Da Dienstleistungskonzessionen in der Regel einen entgeltlichen Beschaffungsvertrag darstellen, ist die daraus resultierende Ungleichbehandlung von Bau- und Dienstleistungskonzessionen auch teleologisch kaum zu rechtfertigen. Dennoch erweist sich die herrschende Meinung im Ergebnis als zutreffend, weil die Richtlinien kein Vergabeverfahren bereitstellen, das eine Gleichbehandlung ermöglichen würde. Bezöge man den Tatbestand des „öffentlichen Dienstleistungsauftrags“ gem. Art. 1 lit. a DKR auch auf Dienstleistungskonzessionen, unterläge deren Vergabe automatisch den strengeren Anforderungen der Art. 11, 12 DKR und erforderte somit ein erheblich komplexeres Verfahren als die Vergabe einer Baukonzession.370 Um den darin liegenden Wertungswiderspruch aufzulösen, bedürfte es einer teleologischen Reduktion der genannten Vorschriften, die in der Sache auf eine analoge Anwendung des Art. 3 I i. V. m. Art. 11, 15 BKR hinausliefe. Dies wiederum wäre methodisch kaum zu rechtfertigen, weil die vorstehend nachgezeichnete Entstehungsgeschichte der DKR beweist, daß insofern gerade keine planwidrige Regelungslücke besteht.371 Schließlich erfährt das historisch-genetische Auslegungsergebnis eine nachträgliche Bestätigung durch die neueren Entwicklungen in der europäischen Gesetzgebung. Noch bei der Vorstellung ihres „Legislativpakets“ im Jahre 1998 hatte die Europäische Kommission die
368 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10794), Rn. 60 – 62, unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999 – Rs. C-275 / 98 (Unitron Scandinavia A / S u. a. / Ministeriet for Fødevarer, Landbrug og Fiskeri), Slg. 1999, I-8291 (8316), Rn. 31. Dazu zuvor schon ausführlich Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 9 ff. 369 Ebenso Burgi, DVBl. 2003, 949 (955). Siehe auch oben Erster Teil B. II. 1. 370 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 7 Fn. 15; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 121; Koenig, EuZW 2003, 289; Noack, ZVgR 2000, 189 (191); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 85. 371 Vgl. OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (647); Ullrich, ZVgR 2000, 85 (94).
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Schaffung eines Rechtsrahmens für Dienstleistungskonzessionen für „unbedingt erforderlich“ erachtet und einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinien angekündigt, „um alle Formen von Konzessionen zu erfassen“:372 Es solle gewährleistet werden, „daß die Auswahl des Partners nach einem Aufruf zum Wettbewerb auf Gemeinschaftsebene mittels vorheriger Bekanntmachung und unter Einhaltung eines Mindestmaßes an Verfahrensvorschriften erfolgt“, was praktisch auf eine Angleichung auf dem Niveau der BKR hinausgelaufen wäre. Um so bemerkenswerter ist es, daß bei Erlaß der VKR – wegen der fortbestehenden Widerstände auf Seiten einiger Mitgliedstaaten – abermals auf eine Umsetzung dieses Vorhabens verzichtet wurde und Dienstleistungskonzessionen gem. Art. 17 VKR sogar ausdrücklich vom Anwendungsbereich der neuen Richtlinie ausgenommen sind. Damit bleibt alle berechtigte Kritik an der systemwidrigen Privilegierung von Dienstleistungskonzessionen bis auf weiteres in den rechtspolitischen Raum verwiesen. Mit dieser Erkenntnis ist freilich noch keine definitive Entscheidung gegen die Anwendbarkeit des nationalen Kartellvergaberechts getroffen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß es den Mitgliedstaaten grundsätzlich unbenommen ist, die Anforderungen der EG-Vergaberichtlinien zu übertreffen und die nationalen Beschaffungsmärkte in einem noch weiteren Umfang für den Wettbewerb zu öffnen.373 Allerdings setzt dies voraus, daß sich ein dahingehender Wille des nationalen Gesetzgebers am Gesetzestext oder zumindest an dessen Entstehungsgeschichte festmachen läßt: Da § 99 GWB weder Dienstleistungs- noch Baukonzessionen erwähnt, mag die Vermutung naheliegen, daß der Gesetzgeber nicht nur letztere, sondern Konzessionsverträge allgemein als „öffentliche Aufträge“ i. S. d. § 99 I GWB angesehen hat.374 Weil andererseits die VOL / A, auf die § 97 VI GWB über § 4 I 1 VgV verweist, bis heute keine speziellen Vorschriften über die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen enthält, wäre in diesem Fall auch das deutsche Vergaberecht einem Wertungswiderspruch ausgesetzt, der nur durch eine systemfremde Analogie zu den §§ 32 Nr. 2, 32a Nr. 1 VOB / A375 behoben werden könnte. Hätte der deutsche Gesetzgeber von der ambivalenten Gemeinschaftsrechtslage abweichen wollen, wäre ferner die Entstehungsgeschichte der DKR An372 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ v. 11. 03. 1998, KOM (98) 143 endg, BT-Drs. 13 / 11160, S. 15, 18 f. Vgl. auch Grünbuch „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union – Überlegungen für die Zukunft“ v. 27. 11. 1996, KOM (96) 583 endg, BR-Drs. 50 / 97, S. 22, und den Prüfauftrag in: Leistungen der Daseinsvorsorge, Bericht für den Europäischen Rat in Laeken v. 17. 10. 2001, KOM (2001) 598 endg, Rn. 39. 373 Vgl. oben Dritter Teil B. I. 2. mit Nachweisen in Fn. 477. 374 Vgl. in bezug auf Baukonzessionen oben Vierter Teil D. II. mit Fn. 348. 375 Dafür Noack, ZVgR 2000, 189 (190 f.); aufgrund des vom EuGH entwickelten primärrechtlichen Transparenzgebots auch Gröning, NZBau 2001, 123 (124); ders., VergabeR 2002, 24 (30); bei Konzessionen für Bodendienste auf Flughäfen, die vor Inkrafttreten der Richtlinie 96 / 67 / EG (Richtlinie des Rates v. 15. 10. 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft, ABl. 1996, L 272, S. 36) erteilt wurden, auch Höfler, ZVgR 1998, 587.
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laß genug für die Aufnahme einer klarstellenden Regelung in das GWB gewesen. Tatsächlich bekennt sich die Gesetzesbegründung aber allein zur „vollständigen Umsetzung der EG-Richtlinien“ 376 und läßt jeglichen Anhaltspunkt für eine Einbeziehung von Dienstleistungskonzessionen vermissen.377 Infolgedessen ist mit der ganz herrschenden Meinung davon auszugehen, daß die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen den sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts nicht berührt, obwohl sie die wesentlichen Begriffsmerkmale eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 I GWB erfüllt.378
2. Begriffsmerkmale der Dienstleistungskonzession Die praktische Tragweite dieser legislativen Weichenstellung hängt von der exakten Abgrenzung des Begriffs der Dienstleistungskonzession ab. Diese ist zuvörderst nach Maßgabe der EG-Vergaberichtlinien vorzunehmen; denn der Anwendungsbereich des § 99 GWB kann bei richtlinienkonformer Auslegung nur soweit eingeschränkt werden, wie die gemeinschaftsrechtliche Definition der Dienstleistungskonzession reicht.379 Eine Analyse der in Rechtsprechung und Literatur genannten Begriffsmerkmale kann zudem Anhaltspunkte für eine etwaige teleologische Rechtfertigung der vergaberechtlichen Privilegierung von Dienstleistungskonzessionen bieten.
a) Nutzungsrecht und Risikoverteilung Einen geeigneten Ausgangspunkt bildete bislang allein die in Art. 1 lit. d BKR (= Art. 1 III VKR) und § 98 Nr. 6 GWB enthaltene Legaldefinition der Baukonzession, weil sie die einzige mit legislativer Autorität versehene Konzessionsdefinition darstellte.380 Daran anknüpfend ist ein wesentliches Merkmal aller KonzesBundesregierung, Begründung zum Entwurf eines VgRÄG, BT-Drs. 13 / 9340, S. 12. Vgl. BayObLG, NZBau 2002, 233 (235). 378 Vgl. im Ergebnis auch OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (646 f.); Bechtold, Kartellgesetz, § 99 Rn. 8; Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 34; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 98 Rn. 140, § 99 Rn. 47; Endler, NZBau 2002, 125 (126); Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 16; Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 340; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 122; Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 54; Müller-Wrede, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 99 GWB Rn. 23; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, § 99 Rn. 51; Ullrich, ZVgR 2000, 85 (94). 379 Vgl. Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 16; Kulartz / Niebuhr, NZBau 2000, 6 (9). 380 GA Fennelly, Schlußanträge v. 18. 05. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10760), Rn. 30. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich 376 377
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sionsverträge darin zu erblicken, daß die Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers nicht (ausschließlich) in einer Vergütung, sondern (zumindest auch) in dem Recht besteht, die eigene Leistung zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten.381 Konsequenterweise definiert Art. 1 IV VKR Dienstleistungskonzessionen nunmehr als „Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht“. In ihrer Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht hat die Europäische Kommission diesen Gedanken dahingehend ausgeführt, daß „der Unternehmer die mit der Dienstleistung verbundenen Risiken trägt [ . . . ], indem er seine Vergütung [ . . . ] über den Benutzer erhält“ (Hervorhebung des Verfassers).382 In der Tat übt der Konzessionär sein Nutzungsrecht regelmäßig dadurch aus, daß er die Empfänger der Leistung zur Kasse bittet (z. B. indem ein Verkehrsunternehmen Beförderungsentgelte von seinen Fahrgästen erhebt). Die Formulierung der Kommission ist allerdings insofern mißverständlich, als auch andere Verwertungsformen denkbar sind, die nicht mit einer unmittelbaren Nutzerfinanzierung einhergehen. Solche Konstellationen haben die Rechtsprechung etwa im Zusammenhang mit werbefinanzierten Informationssystemen beschäftigt: Die betreffenden Verträge verpflichKonzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 8, wonach „Konzessionsverträge im allgemeinen unabhängig von ihrem Gegenstand dieselben Charakteristika auf[weisen]“; Gröning, VergabeR 2002, 24 (25); Höfler, ZVgR 1998, 587. Burgi (DVBl. 2003, 949, 951) bezeichnet die Baukonzession gar als „Unterfall“ der Dienstleistungskonzession (freilich in einem weiteren, „das Vergaberecht transzendierenden“ Sinne). 381 Vgl. BayObLG, NZBau 2002, 233 (234); OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (647); OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 634 (635); OLG Koblenz, NZBau 2001, 283 (284); OLG Naumburg, WuW / E Verg 558 (560); VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (608); Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 32; Byok, NJW 2004, 198 (202); Enzian, DVBl. 2002, 235 (236); B. Gallwas, GewArch 2000, 401 (407); Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 339; Höfler, ZVgR 1998, 587; ders., WuW 2000, 136 (141); Kulartz, NZBau 2001, 173 (178); O. Kunert, Vergaberecht und öffentliches Recht, S. 59; Stapenhorst, VergabeR 3 / 1997, Beilage „Vergabe Special: Outsourcing“, X; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 27a, 33; Thieme / Schlüter, NVwZ 2004, 162 (164). 382 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 8. Ähnlich GA La Pergola, Schlußanträge v. 19. 02. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, 6821 (6834), Rn. 26; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 99 GWB Rn. 13; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 27a; Tucker, Europäisches Vergaberecht 1996, 79 (81). Vgl. auch die Definition der „öffentlichen Dienstleistungskonzession“ in Art. 3 lit. i des Vorschlags der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen v. 21. 02. 2002, KOM (2002) 107 endg, 2000 / 0212 (COD), wonach „der größte Teil der Einnahmen [ . . . ] von den Fahrgästen“ stammt. 20*
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teten private Unternehmen zur Installation und zum Betrieb von Informationsmedien auf öffentlichen Verkehrsflächen bzw. in Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs und gestatteten ihnen im Gegenzug, einen Teil davon für Werbezwecke an Dritte zu vermieten. Zu Recht hat das BayObLG angenommen, daß die Inkongruenz von Benutzer und Zahlungspflichtigem unschädlich für die Einordnung als Dienstleistungskonzession sei.383 Davon geht implizit auch der EuGH aus, der sich in der Rechtssache „Telaustria“ nicht an der Annahme einer Dienstleistungskonzession gehindert sah, obwohl die Erträge aus der Herausgabe von Telefonverzeichnissen, die in der Regel unentgeltlich an ihre Nutzer abgegeben werden, nicht aus Verkaufserlösen, sondern aus Werbeeinnahmen stammen.384 Entscheidend ist vielmehr, daß das mit der Dienstleistung verbundene wirtschaftliche Risiko im wesentlichen beim Konzessionär liegt.385 Nach diesem Kriterium bestimmt sich zugleich, inwieweit der Konzessionsvertrag neben dem Nutzungsrecht auch Elemente einer direkten Vergütung respektive sonstiger Zuschüsse des Auftraggebers enthalten darf, ohne die Grenze zu einem ausschreibungspflichtigen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 99 I, IV GWB zu überschreiten.386 Selbst für 383 BayObLG, NZBau 2002, 233 (235), in bezug auf ein Fahrgastinformationssystem. Ebenso im Ergebnis OLG Koblenz, NZBau 2001, 283 (284); VG Neustadt a. d. Weinstraße, NZBau 2002, 237 (238), in bezug auf ein Stadtinformationssystem; Graef, VergabeR 2004, 166 (174). A. A. offenbar OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 343 (344). 384 Vgl. EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 ff. Diesen Aspekt übersieht Ullrich (ZVgR 2000, 85, 96), wenn er diesen Vertragsgegenstand mangels finanzieller Inanspruchnahme der Nutzer für „nicht konzessionsfähig“ hält. 385 BayObLG, NZBau 2002, 233 (234 f.); OLG Düsseldorf, WuW / E Verg 350 (351); NZBau 2002, 634 (635); VK Baden-Württemberg, ZfBR 2003, 81; VK Düsseldorf, ZfBR 2002, 621 (623); VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (608); Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 8; GA Alber, Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 98 (RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219 (5233), Rn. 50; Böckel, LKV 2003, 393 (395); Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 32; Byok, NJW 2004, 198 (202); Enzian, DVBl. 2002, 235 (236); GA Fennelly, Schlußanträge v. 18. 05. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10761), Rn. 30; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (241); Kulartz, NZBau 2001, 173 (178); GA La Pergola, Schlußanträge v. 19. 02. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, 6821 (6835), Rn. 26; Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 80; ders., NZBau 2002, 539 (545); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 27a; Thieme / Schlüter, NVwZ 2004, 162 (164); Zirbes, VergabeR 2004, 133 (154). 386 Dasselbe gilt in analoger Weise auch für Baukonzessionen. Zur Konkretisierung im Einzelfall vgl. OLG Schleswig-Holstein, ZVgR 1999, 249 (252); Endler, NZBau 2002, 125 (127 f.); Höfler, WuW 2000, 136 (139 f.); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 29. A. A. einerseits Burgbacher (TranspR 1999, 1, 5), der „teilentgeltliche“ Verträge stets für Dienstleistungskonzessionen hält; andererseits Schaaffkamp / D. Bayer (WiVerw 2001, 148, 162) und J. Werner (Nach der Regionalisierung – Der Nahverkehr im Wettbewerb, S. 192 f.), die „teilentgeltliche“ Verträge stets als öffentliche Dienstleistungsaufträge ansehen.
D. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungssubstituten
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den Fall, daß sich der Konzessionär ausschließlich aus Zahlungen des Auftraggebers refinanziert, dürfte diese Grenze noch nicht überschritten sein, wenn die Höhe der Vergütung im wesentlichen vom Ausmaß der Nutzung der Dienstleistung durch Dritte abhängt387 und die Nutzer keinem öffentlich-rechtlichen Anschluß- und Benutzungszwang unterliegen388. Das Abstellen auf die wirtschaftliche Risikoverteilung hat unterdessen zur Konsequenz, daß der vergaberechtliche Begriff der Dienstleistungskonzession nicht völlig deckungsgleich mit der Rechtsfigur der Verwaltungssubstitution ist: Einerseits erfaßt er unter Umständen auch Fälle, die privatisierungstypologisch als Beleihung oder Verwaltungshilfe (im Sinne des Submissionssystems) einzuordnen sind;389 andererseits erfüllen nicht alle Fälle einer Dienstleistungen betreffenden Verwaltungssubstitution begriffsnotwendig die Merkmale einer Dienstleistungskonzession im vergaberechtlichen Sinne390. Darüber hinaus bietet die Risikoverteilung einen ersten Anhaltspunkt für eine teleologische Begründung der vergaberechtlichen Privilegierung: Soweit der öffentliche Auftraggeber nämlich vom wirtschaftlichen Risiko der Aufgabenerfüllung befreit ist, ist ein organisierter Wettbewerb im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Haushalte nicht erforderlich. Freilich handelt es sich hierbei um eine rein haushaltsrechtliche Argumentation, die die wettbewerbspolitischen Belange des europäischen Vergaberechts ignoriert.391
b) Leistungsempfänger und Allgemeininteresse Einen engeren Begriff der Dienstleistungskonzession haben die Generalanwälte beim EuGH La Pergola und Alber vertreten. Ihnen zufolge kommt es zusätzlich darauf an, daß „Empfänger der Dienstleistung ein Dritter ist, der außerhalb der 387 Vgl. (in bezug auf Baukonzessionen) Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZ-Beilage III 7 / 2000, S. 7 Fn. 13 („fiktive Maut“); Enderle, Behörden Spiegel 5 / 2003, S. 24; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 119 f.; Neumann / H. Müller, NZBau 2003, 299 (301). 388 Vgl. Böckel, LKV 2003, 393 (395); Ullrich, ZVgR 2000, 85 (95), die zutreffend darauf hinweisen, daß den Konzessionär in diesem Fall kein nennenswertes wirtschaftliches Risiko trifft. Im Hinblick hierauf vermutet Jennert (NVwZ 2004, 425, 430), daß etwa in der Wasserversorgung zahlreiche derzeit als Konzessionsverträge bezeichnete Rechtsverhältnisse in Wahrheit ausschreibungspflichtige Dienstleistungsaufträge seien. 389 Vgl. einerseits die Beleihung mit dem Recht zur Erhebung öffentlich-rechtlicher Benutzungsgebühren; andererseits z. B. das sog. A-Modell zum Ausbau von Bundesautobahnen (dazu siehe oben Zweiter Teil B. III. 2. c) cc), Fn. 180), das mangels außenrechtlicher Beziehungen des privaten Autobahnbetreibers zu den Autobahnbenutzern wohl nicht die Grenzen der Verwaltungshilfe, sprich: des Submissionssystems, verläßt. 390 Vgl. z. B. Verträge über gemeinwirtschaftliche Verkehrsdienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr [dazu siehe unten Vierter Teil E. III. 2. b)]. 391 Kritisch insofern auch Enzian, DVBl. 2002, 235 (237), die die Risikoübernahme durch den Privaten als Beleg für die Marktgängigkeit der Leistung interpretiert.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Vertragsbeziehung steht,“ und daß die „Dienstleistung im allgemeinen Interesse liegt“.392 Das erste Kriterium ist zwar sachlich zutreffend, soweit es lediglich auf den tatsächlichen Leistungsaustausch abstellt, hat aber keine eigenständige Bedeutung, weil dem Privaten anderenfalls schon keine eigenverantwortliche Nutzung der Dienstleistung möglich ist.393 Das zweite Kriterium dagegen ist nebulös und kann auf verschiedene Weisen gedeutet werden: Denkbar ist einerseits, daß die gewählte Formulierung auf der von der Kommission im Vorfeld der DKR vorgeschlagenen Legaldefinition der „öffentlichen Dienstleistungskonzession“ beruht, wonach „der Auftraggeber die Ausführung einer Tätigkeit zugunsten der Öffentlichkeit [ . . . ] einer anderen Stelle seiner Wahl überträgt“ (Hervorhebung des Verfassers).394 Der Bedeutungsgehalt jenes Merkmals erschöpft sich jedoch in dem bereits mit dem ersten Kriterium ausgedrückten Umstand, daß die Leistungsempfänger Dritte sind, die typischerweise der allgemeinen Öffentlichkeit angehören.395 Andererseits könnte mit der Bezugnahme auf das „allgemeine Interesse“ auch eine qualitative Einschränkung nach der Art der Dienstleistung verbunden sein, wie sie z. B. der Begriff der im „Allgemeininteresse liegenden Aufgaben“ in Art. 1 lit. b BKR, DKR und LKR (= Art. 1 IX 2 lit. a VKR) sowie § 98 Nr. 2 GWB impliziert.396 In diesem Sinne hat das OLG Brandenburg ein „öffentliches Interesse“ an der Dienstleistung ausdrücklich damit begründet, daß der Konzessionsgeber eine derjenigen Aufgaben übertragen habe, die ihn nach seinem Gründungszweck zum öffentlichen Auftraggeber gem. § 98 Nr. 2 GWB machen.397
392 GA La Pergola, Schlußanträge v. 19. 02. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, 6821 (6834), Rn. 26. Vgl. im Anschluß GA Alber, Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 98 (RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219 (5233), Rn. 50. 393 Vgl. GA Fennelly, Schlußanträge v. 18. 05. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10762), Rn. 33. 394 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Art. 1 lit. h des Vorschlags v. 13. 12. 1990 und des geänderten Vorschlags v. 28. 08. 1991 für eine Richtlinie des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, ABl. 1991, C 23, S. 1, und C 250, S. 4. 395 GA Fennelly, Schlußanträge v. 18. 05. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10763), Rn. 35. Vgl. auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Begründung zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge v. 06. 12. 1990, Rn. 72, BR-Drs. 13 / 91, S. 29. 396 In diesem Sinne wohl GA Alber, Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 98 (RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219 (5233), Rn. 51, soweit er darauf abstellt, daß die betreffende Dienstleistung aus Gründen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit erforderlich sei. Vgl. auch OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (647); OLG Naumburg, WuW / E Verg 558 (560); VG Neustadt a. d. Weinstraße, NZBau 2002, 237 (238 f.); VK Baden-Württemberg, NZBau 2001, 406 (407); Böckel, LKV 2003, 393 (396). Zur Auslegung des § 98 Nr. 2 GWB siehe oben Erster Teil A. III. 397 OLG Brandenburg, NZBau 2001, 645 (647), in bezug auf die Installation eines Breitbandkabelanschlusses durch eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft.
D. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungssubstituten
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Zu welchen Verwicklungen diese Ansicht führen kann, läßt sich exemplarisch an einem Beschluß des VG Neustadt a. d. Weinstraße betreffend die Ausschreibung eines privaten Stadtmöbilierungs- und Stadtinformationssystems nachvollziehen:398 Nach dem Ausschreibungstext sollte sich das beauftragte Unternehmen verpflichteten, bestimmte Werbemedien und verschiedenes Stadtmobiliar auf eigene Kosten zu errichten und selbständig zu unterhalten; im Gegenzug versprach die Stadt, ihm das Recht auf Außenwerbung auf den zu errichtenden Werbemedien zu überlassen. Das VG verneinte die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs aufgrund der abdrängenden Sonderzuweisung der §§ 104 II 1, 116 III GWB, indem es den streitgegenständlichen Vertrag insgesamt als öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 GWB einstufte: Bezüglich der Werbemedien scheide eine Dienstleistungskonzession aus, weil es sich insoweit um einen Lieferauftrag i. S. d. § 99 II GWB und zudem um eine fiskalische Tätigkeit der Stadt handele, die nicht der Erfüllung einer im Allgemeininteresse gelegenen Aufgabe diene. Bezüglich des Stadtmobiliars liege zwar eine im Allgemeininteresse liegende Dienstleistung, aber dennoch keine vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzession vor, weil die Einnahmen aus der Nutzung der Werbemedien auf einer fiskalischen Tätigkeit der Stadt beruhten.399 Damit spaltet das Gericht einen typengemischten Vertrag in einen „fiskalischen“ und einen im Allgemeininteresse liegenden Teil auf und läßt den Tatbestand einer Dienstleistungskonzession daran scheitern, daß das als Gegenleistung gewährte Nutzungsrecht sich allein auf den „fiskalischen“ Teil bezieht. In der Konsequenz dieser Aufspaltung hätte es freilich den Dienstleistungsvertrag über das Stadtmobiliar erst recht als unentgeltlich ansehen und die vergaberechtliche Prüfung auf den Lieferauftrag über die Werbemedien beschränken müssen. Richtigerweise ist der ausgeschriebene Vertrag als einheitlicher Konzessionsvertrag mit zwei Konzessionsobjekten und einer auf beide bezogenen Nutzung durch den Konzessionär zu beurteilen: Sofern das Nutzungsrecht als Entgelt für das gesamte Leistungspaket bemessen ist, kann es keine Rolle spielen, aus welchem Konzessionsobjekt der wirtschaftliche Nutzen resultiert.400 Letztlich umgeht die Vorgehensweise des VG das eigentliche Problem einer qualitativen Bewertung des Gesamtvertrags im Hinblick auf seinen Beitrag zum Allgemeininteresse. Da eine gemeinschaftsrechtliche Definition dieses Begriffs nicht existiert, bliebe die diesbezügliche Zuordnung weitgehend den nationalen Gerichten überlassen – mit der Folge, daß die Ausnahme für Dienstleistungskonzessionen in den Mitgliedstaaten unterschiedlich weit interpretiert würde. Ein solcher Zustand liefe einer effektiven und einheitlichen Anwendung der DKR zuwi398 VG Neustadt a. d. Weinstraße, NZBau 2002, 237. Die Entscheidung betrifft denselben Fall wie der bereits zitierte Beschluß des OLG Koblenz, NZBau 2001, 283: Nachdem das OLG das Verfahren zunächst bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Telaustria“ ausgesetzt und schließlich die Antragstellerin zur Rücknahme ihres Nachprüfungsantrags bewegt hatte, stellte diese einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung beim VG. 399 VG Neustadt a. d. Weinstraße, NZBau 2002, 237 (239). 400 Ebenso Gröning, VergabeR 2002, 24 (28 f.).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
der und kann daher nicht im Sinne des Gemeinschaftsgesetzgebers liegen.401 Darüber hinaus würde eine Beschränkung auf „Dienstleistungen im allgemeinen Interesse“ zu einem Wertungswiderspruch zwischen dem personellen und dem sachlichen Anwendungsbereich des (Kartell-)Vergaberechts führen: Wenn Art. 1 lit. b DKR (= Art. 1 IX 2 lit. a VKR) und § 98 Nr. 2 GWB bestimmen, daß die Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben (i. V. m. weiteren Tatbestandsmerkmalen) den personellen Anwendungsbereich eröffnet, erscheint es geradezu widersinnig, dasselbe Merkmal als Anknüpfungspunkt für einen Ausschluß des sachlichen Anwendungsbereichs zu nehmen.402 Wenngleich nach deutschem Rechtsverständnis an den meisten Dienstleistungen, die von staatlichen Stellen nachgefragt werden, durchaus ein allgemeines, öffentliches Interesse besteht (bzw. aus verfassungsrechtlichen Gründen sogar bestehen muß), handelt es sich dabei nicht um ein notwendiges Merkmal einer Dienstleistungskonzession.403 Von einem entsprechend weiten Begriffsverständnis scheint auch der EuGH auszugehen, wenn er ausdrücklich auf eine Übernahme der von der Kommission ursprünglich vorgeschlagenen Legaldefinition verzichtet und sodann schlicht nach der Art der Gegenleistung differenziert.404
c) Aufgabenverantwortung des Auftraggebers Zutreffend ist schließlich die Feststellung, daß dem Konzessionär Mitverantwortung in bezug auf eine originär dem öffentlichen Auftraggeber obliegende Aufgabe übertragen wird.405 Im Gegensatz zu dem vorgenannten Kriterium ist damit aber 401 Vgl. GA Fennelly, Schlußanträge v. 18. 05. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10763 f.), Rn. 36; Böckel, LKV 2003, 393 (396). 402 Vgl. Gröning, VergabeR 2002, 24 (26). 403 Vgl. GA Fennelly, Schlußanträge v. 18. 05. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10763), Rn. 35. 404 EuGH, Urt. v. 07. 12. 2000 – Rs. C-324 / 98 (Telaustria Verlags GmbH u. Telefonadress GmbH / Telekom Austria AG), Slg. 2000, I-10745 (10789), Rn. 42 f. Zu einem weiten Begriff der Dienstleistungskonzession tendieren generell auch BayObLG, NZBau 2002, 233 (234); OLG Koblenz, NZBau 2001, 283 (284). 405 Vgl. BayObLG, NZBau 2002, 233 (234); VG Neustadt a. d. Weinstraße, NZBau 2002, 237 (238); OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 343 (344); Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Art. 1 lit. h des Vorschlags v. 13. 12. 1990 und des geänderten Vorschlags v. 28. 08. 1991 für eine Richtlinie des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, ABl. 1991, C 23, S. 1, und C 250, S. 4; Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht v. 12. 04. 2000, NVwZBeilage III 7 / 2000, S. 8 f.; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (241); Gröning, NZBau 2001, 123; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 27a. Vgl. auch GA Alber, Schlußanträge v. 18. 03. 1999 – Rs. C-108 / 98 (RI.SAN. Srl / Commune di Ischia u. a.), Slg. 1999, I-5219 (5233), Rn. 50; GA La Pergola, Schlußanträge v. 19. 02. 1998 – Rs. C-360 / 96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente Rheden / BFI Holding BV), Slg. 1998, 6821 (6834), Rn. 26, soweit sie das Kriterium des „Allgemeininteresses“ dahin konkretisieren, daß die Dienstlei-
D. Leistungsbeziehungen zu Verwaltungssubstituten
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keine materielle, sondern lediglich eine formale Charakterisierung der Dienstleistung verbunden. Das VG Neustadt a. d. Weinstraße sieht in diesem Umstand gar die eigentliche Rechtfertigung dafür, „einen öffentlichen Auftraggeber, selbst wenn er am Markt als Nachfrager einer Dienstleistung auftritt, ausnahmsweise nicht den strengen Regeln des Vergaberechts zu unterstellen“. Wegen der Personengebundenheit des Konzessionsauftrags erfordere schon die Auswahl eines vertrauenswürdigen Partners ein flexibleres Verfahrensrecht.406 Diese These ist schon deshalb nicht plausibel, weil das Vergaberecht (z. B. durch das Instrument einer beschränkten Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb gem. §§ 3a Nr. 1 I 1, 3 Nr. 3 lit. a VOL / A) durchaus die nötige Flexibilität bietet, um eine zuverlässige Aufgabenerfüllung auch auf lange Sicht zu gewährleisten.407 Entscheidend aber ist, daß der Verantwortungsaspekt letztlich nichts weiter als den funktionalen Bezug der Dienstleistung zu einer Verwaltungsaufgabe und damit den Beschaffungscharakter des Konzessionsvertrags ausdrückt.408 Eine dahingehende Einschränkung des Begriffs der Dienstleistungskonzession bleibt im Ergebnis folgenlos, weil die Anwendung des Vergaberechts anderenfalls schon am Fehlen eines Beschaffungsvertrags scheitert. Zur Abgrenzung des ungeschriebenen Ausnahmetatbestands der Dienstleistungskonzession gegenüber öffentlichen Aufträgen i. S. d. § 99 GWB genügt es daher, diese – in sachlicher Übereinstimmung mit der neuen Legaldefinition in Art. 1 IV VKR409 – als entgeltlichen Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen zur Beschaffung von Dienstleistungen zu definieren, bei dem das Unternehmen das wirtschaftliche Risiko trägt, weil die Gegenleistung des Auftraggebers nicht (ausschließlich) in einer Vergütung, sondern (zumindest auch) in dem Recht zur wirtschaftlichen Nutzung der Dienstleistungen besteht. Danach sind Dienstleistungskonzessionen einerseits von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen durch die Art der Gegenleistung und die daraus resultierende stung „institutionell einer öffentlichen Einrichtung“ bzw. „grundsätzlich einer öffentlichen Stelle“ obliegt. A. A. wohl Opitz, NZBau 2003, 252 (255). 406 VG Neustadt a. d. Weinstraße, NZBau 2002, 237 (238). Praktische Schwierigkeiten bei der wettbewerblichen Auswahl des Konzessionärs beklagt auch Opitz, ZVgR 2000, 97 (109). Verfehlt ist jedenfalls die Argumentation von Zirbes (VergabeR 2002, 311, 312 f.), der zusätzlich verlangt, daß die Dienstleistung dem Auftraggeber originär durch Gesetz oder Verordnung zugewiesen ist, und insoweit aus dem 8. Erwägungsgrund der DKR eine Privilegierung der Konzessionsvergabe herleitet (ebenso ohne Begründung Gröning, NZBau 2001, 123), obwohl diese allenfalls aufgrund von Gesetzen oder Verordnungen erfolgt. 407 Vgl. Gröning, VergabeR 2002, 24 (26). Bei aller z. T. unvermeidbaren „Personengebundenheit“ hat der öffentliche Auftraggeber nur hieran ein legitimes Interesse. 408 Dazu siehe oben Vierter Teil D. I. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Begründung zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge v. 06. 12. 1990, Rn. 73, BR-Drs. 13 / 91, S. 29, die aus der originären Zuständigkeit des Auftraggebers zutreffend folgert, „daß Dienstleistungskonzessionen nicht nur eine Dienstleistung an die Öffentlichkeit, sondern gleichzeitig auch an den öffentlichen Auftraggeber umfassen“. 409 Siehe oben Vierter Teil D. III. 2. a).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Risikoverteilung, andererseits von Baukonzessionen durch den – ggf. nach der Schwerpunkttheorie zu ermittelnden410 – Gegenstand der Leistung zu unterscheiden.
IV. Zusammenfassung Die Leistungsbeziehungen zwischen Verwaltungsträgern und Verwaltungssubstituten entziehen sich einer einheitlichen vergaberechtlichen Beurteilung: Beruhen sie auf einem Baukonzessionsvertrag, handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 I GWB, dessen Vergabe zwar nicht öffentlich ausgeschrieben, aber – vorbehaltlich eines expliziten Ausnahmetatbestands gem. § 100 II GWB – europaweit bekannt gemacht werden muß und insoweit der Nachprüfung durch die Vergabekammern unterliegt. Beruhen sie auf einem echten Dienstleistungskonzessionsvertrag, handelt es sich um einen entgeltlichen Beschaffungsvorgang eines öffentlichen Auftraggebers, der de lege lata nicht als öffentlicher Auftrag i. S. d. § 99 I GWB anzusehen ist und somit weder von den Verfahrensvorschriften noch vom Rechtsschutzsystem des Kartellvergaberechts erfaßt wird. Aufgrund der funktionalen Gleichgerichtetheit beider Konzessionsarten – sie unterscheiden sich von (sonstigen) öffentlichen Bau- bzw. Dienstleistungsaufträgen nur durch die Art der Gegenleistung und voneinander nur durch den Gegenstand der Leistung – erscheint diese Differenzierung rechtspolitisch höchst fragwürdig. Der hierdurch eröffnete Freiraum bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist zwar insofern begrenzt, als das vom EuGH aus Art. 12 I EG abgeleitete Transparenzgebot411 zur Folge hat, daß zwischen der vollständigen Anwendung des Kartellvergaberechts einerseits und seiner Nichtanwendung unter Berücksichtigung des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots andererseits nur ein schmaler Grat liegt.412 Weil dieser Grat in der Praxis nur schwer zu lokalisieren ist, wird die rechtspolitische Kritik dadurch jedoch keineswegs entschärft, sondern vielmehr um den zusätzlichen Aspekt eines eklatanten Mangels an Rechtssicherheit angereichert.413 Eine folgerichtige Gleichbehandlung von Bau- und Dienstleistungskonzessionen innerhalb des Vergaberechtsregimes wird zwar seit langem gefordert, zeichnet sich aber auch nach den jüngsten Reformen auf europäischer Ebene nicht ab.
Dazu siehe oben Vierter Teil B. II. Siehe oben Vierter Teil D. III. 1. b) mit Fn. 368. 412 Mader, EWS 2000, 79 (80). Dies spiegelt nicht zuletzt der Vorschlag Grönings (NZBau 2001, 123, 124; VergabeR 2002, 24, 30), zur Erfüllung des primärrechtlichen Transparenzgebots die Veröffentlichungsvorschriften des § 32a Nr. 1 VOB / A analog anzuwenden. Aus den oben genannten Gründen kann dem nur im Sinne einer fakultativen Empfehlung, nicht aber im Sinne einer Anwendungspflicht gefolgt werden. 413 Vgl. Koenig, EuZW 2003, 289, der dem Europäischen Rat eine „Verweigerungshaltung“ vowirft, die das „vergabespezifische Bedürfnis nach Rechtssicherheit“ verkenne. 410 411
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung Abschließend sollen die in den vorangegangenen Kapiteln zunächst abstrakt entwickelten Lösungsmuster in drei spezifischen Fallgruppen der funktionalen Privatisierung erprobt und konkretisiert werden. Eine gesonderte Erörterung dieser Fallgruppen ist erforderlich, weil jede von ihnen durch fachgesetzliche Regelungen determiniert ist, die zum Teil bereits die Einordnung in die Privatisierungstypologie erschweren und bei der Subsumtion unter die Rechtsbegriffe des Kartellvergaberechts besondere Beachtung verlangen.
I. Die sog. Pflichtenübertragung Eine erste Fallgruppe bildet die sog. Pflichtenübertragung im Bereich der Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung: Gem. § 16 II 1 KrW- / AbfG kann die zuständige Behörde die Pflichten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ganz oder teilweise auf einen Dritten übertragen. Gem. § 18a IIa 1 WHG können die Länder regeln, unter welchen Voraussetzungen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ihre Abwasserbeseitigungspflicht auf einen Dritten übertragen kann.
1. Einordnung in die Privatisierungstypologie Eine vergaberechtliche Beurteilung wird bereits dadurch erschwert, daß die Einordnung der Pflichtenübertragung in die Privatisierungstypologie unklar ist. Die bislang herrschende Meinung, daß es sich hierbei um eine Beleihung handele,414 wird neuerdings bestritten: Brüning und Frenz bezeichnen die Pflichtenübertragung als einen Fall der Verwaltungssubstitution415, Burgi und Gnittke / Siederer ordnen sie als (Dienstleistungs-)Konzession ein416. Tatsächlich deuten die insoweit offenen Gesetzesformulierungen sowie die – insbesondere nach § 18a IIa WHG vorhandenen – Ausgestaltungsspielräume der Landesgesetzgeber darauf hin, daß 414 Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (187); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 111 f.; Fluck, in: ders. (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Bd. 1, § 16 Rn. 123; Kahl, DVBl. 1995, 1327 (1329); Kniesel / Scheerbarth, Der Städtetag 1998, 340 (342); Kulartz, VergabeR 1998, 25 (30); Kummer / Giesberts, NVwZ 1996, 1166 (1168 ff.); Queitsch, UPR 2000, 247 (252); Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann (Hrsg.), KrW- / AbfG, Bd. II, § 16 Rn. 63; ders., DÖV 1995, 881 (885); Wiesemann, NWVBl. 1998, 257. Ebenso ohne Begründung OLG Düsseldorf, NZBau 2004, 343 (345). 415 Brüning, SächVBl. 1998, 201 (202); Frenz, KrW / -AbfG, § 16 Rn. 18; ders., in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (146). 416 Burgi, NVwZ 2001, 601 (603), der insofern jedoch – entgegen der hier vertretenen Auffassung – von Aufgabenprivatisierung spricht; Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (241).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
es mehrere Möglichkeiten einer rechtstechnischen Umsetzung der Pflichtenübertragung gibt. Die Einordnung hängt zunächst davon ab, ob der Dritte im Außenverhältnis in eine selbständige Rechtsbeziehung zum Bürger treten soll. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um eine Variante der Verwaltungshilfe, die sich von der sog. Drittbeauftragung gem. § 16 I KrW- / AbfG bzw. § 18a II 3 WHG nur durch den Grad der Selbständigkeit des Dritten unterscheidet.417 Ist eine selbständige Außenrechtsbeziehung vorgesehen, liegt jedenfalls insoweit eine Beleihung vor, als das Landesrecht (z. B. § 9 IV LAbfG NRW) dem Dritten die Befugnis zur Erhebung öffentlich-rechtlicher Gebühren verleiht.418 Im übrigen hängt die weitere Beurteilung davon ab, ob der Dritte sich im Außenverhältnis öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bedienen kann: Selbst wenn man unterstellt, daß die öffentlichrechtlichen Betretungsrechte gem. § 14 KrW- / AbfG nicht gleichsam als Annex der öffentlich-rechtlichen Entsorgungspflichten auf den Dritten übergehen,419 scheitert eine Beleihung nicht schon daran, daß § 16 II 1 KrW- / AbfG nur die Übertragung von Pflichten, nicht aber von (Hoheits-)Rechten vorsieht.420 Da für eine Beleihung vielmehr bereits die Übertragung schlicht hoheitlicher Zuständigkeiten zur Wahrnehmung im eigenen Namen genügt,421 stellt § 16 II 1 KrW- / AbfG insofern durchaus eine geeignete Ermächtigungsgrundlage dar. Andererseits steht die Norm (ebenso wie § 18a IIa 1 WHG) auch solchen Gestaltungsformen
417 In diesem Sinne wohl Frenz, KrW / -AbfG, § 16 Rn. 8, 19; ders., in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (144 f.), der davon ausgeht, daß die Überlassungspflicht gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern entgegen § 13 II KrW- / AbfG im Außenverhältnis fortbesteht, mithin eine „Verantwortungssubstitution nur im Innenverhältnis“ erfolgt. Ähnlich Bree, Die Privatisierng der Abfallentsorgung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, S. 138 ff.; Peine, in: R. Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT, Bd. 2, § 13 Rn. 160; Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 128 f.; Weidemann, DVBl. 1998, 661 (667). 418 Anderenfalls ist er dazu nicht berechtigt, weil weder das KrW- / AbfG bzw. WHG noch die Kommunalabgabengesetze der Länder eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage enthalten (vgl. Kiefer, NVwZ 2001, 1109, 1111; Queitsch, UPR 2000, 247, 252). A. A. (ohne nähere Begründung) Kummer / Giesberts, NVwZ 1996, 1166 (1168, 1169). 419 Dagegen spricht ein Umkehrschluß aus § 17 VI 2 (ggf. i. V. m. § 18 II 2) KrW- / AbfG, der eine entsprechende Geltung des § 14 KrW- / AbfG ausdrücklich anordnet (so Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 18; ders., in: Ziekow, [Hrsg.], Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137, 144). A. A. Fluck, in: ders. (Hrsg.), Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Bd. 1, § 16 Rn. 123; Kiefer, NVwZ 2001, 1109 (1111). 420 So aber Brüning, SächsVBl. 1998, 201 (202); Frenz, KrW / -AbfG, § 16 Rn. 8, 19; ders., in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (143 f., 146 ff.); Weidemann, DVBl. 1998, 661 (665). Vgl. auch Burgi, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 54 Rn. 27, der in Ermangelung einer gesetzlichen Befugnisübertragung von einer „faktischen, rechtswidrigen Beleihung“ spricht. 421 Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann (Hrsg.), KrW- / AbfG, Bd. II, § 16 Rn. 63. Vgl. allgemein Stelkens / Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 231; Steiner, NJW 1994, 3150 Fn. 12; Wahl, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 260 (286); Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 Rn. 6.
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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nicht entgegen, in denen das Benutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet ist, d. h. der entsorgungspflichtige Dritte seine Leistungen an die Abfallbesitzer (bzw. Anschlußnehmer) auf privatrechtlicher Grundlage und gegen ein privatrechtliches Entgelt erbringt.422 In diesem Fall handelt es sich um eine Variante der Verwaltungssubstitution. 2. Vergaberechtliche Beurteilung Da die einschlägigen Bundesgesetze nur das „Ob“, nicht aber das „Wie“ der Pflichtenübertragung regeln, ist davon auszugehen, daß sie sowohl durch einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt als auch durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgen kann.423 Während das Handlungsinstrument des Verwaltungsakts nach dem eindeutigen Wortlaut des § 99 GWB von vornherein ausgeklammert werden kann, sind öffentlich-rechtliche Verträge unbeschadet ihrer Rechtsform potentiell vergaberechtsrelevant.424 Unterdessen gehen Wasser- und Abfallrecht insoweit getrennte Wege, als § 18a IIa 1 WHG den öffentlich-rechtlichen Körperschaften erlaubt, ihre Abwasserbeseitigungspflicht zu übertragen, während nach § 16 II 1 KrW- / AbfG die (nach Landesrecht) zuständige (Aufsichts-)Behörde mit Zustimmung der Entsorgungsträger deren Pflichten übertragen kann. Als öffentlicher Auftraggeber (i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB) kommt jedoch ausschließlich der jeweilige Aufgabenträger, d. h. die abwasserbeseitigungs- bzw. entsorgungspflichtige Körperschaft selbst in Betracht, die sich von einer Pflichtenstellung entlastet und insoweit Fremdleistungen (i. S. d. § 99 IV GWB) von dem damit belasteten Dritten beschafft425. Dagegen ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Dritten und der „zuständigen Behörde“ i. S. d. § 16 II 1 KrW- / AbfG vergaberechtlich selbst dann unerheblich, wenn die Behörde mit dem Dritten einen Vertrag abschließt, weil insoweit jedenfalls kein Beschaffungsgeschäft vorliegt.426 Somit unterliegt die abfallrechtliche Pflichtenübertragung als solche nicht dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts. 422 Vgl. Weidemann, DVBl. 1998, 661 (666, 669); Zacharias, DÖV 2001, 454 (460); wohl auch Kiefer, NVwZ 2001, 1109 (1111). 423 Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (190); Bree, Die Privatisierung der Abfallentsorgung nach dem KrW- / AbfG, S. 133; Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 15; ders. / Kafka, GewArch 2000, 129 (131); Peine, in: R. Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, § 13 Rn. 158. Zu eng Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 14; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 174; Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, S. 111; Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann (Hrsg.), KrW- / AbfG, Bd. II, § 16 Rn. 78, die stets von einem Verwaltungsakt ausgehen. 424 Dazu siehe ausführlich oben Vierter Teil C. I. 2. 425 Dies übersieht J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 173 f., wenn er behauptet, es fehle an einer „Beschaffungstätigkeit“ eines öffentlichen Auftraggebers. 426 Dies übersieht offenbar Schink (in: Jarass / Ruchay / Weidemann, Hrsg., KrW- / AbfG, Bd. II, § 16 Rn. 78), wenn er anführt, daß die (unterstellte) Vergabe eines Auftrags unabhängig von der Zustimmung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers erfolgen müßte.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Obwohl § 16 II 1 KrW- / AbfG von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger lediglich eine Zustimmung zu der behördlichen Pflichtenübertragung verlangt,427 dürfte es diesem freilich nicht verwehrt sein, die Modalitäten der Pflichterfüllung in einem begleitenden Leistungsvertrag mit dem Dritten zu konkretisieren. Soweit nicht bereits durch Landesrecht (z. B. § 9 IV LAbfG NRW) vorgezeichnet, gehört dazu auch die Ausgestaltung der Außenrechtsbeziehungen: Wenn der Dritte danach (oder nach einem unmittelbar pflichtenübertragenden Vertrag auf der Grundlage des § 18a IIa WHG) – sei es als Beliehener oder Verwaltungssubstitut – unter Übernahme des wirtschaftlichen Risikos der Pflichtenübertragung zur Erhebung von Benutzungsentgelten von den betroffenen Bürgern berechtigt ist, handelt es sich um eine vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts ausgenommene Dienstleistungskonzession.428 Wenn die Pflichtenübertragung jedoch als entgeltliche Verwaltungshilfe ausgestaltet ist429 oder das wirtschaftliche Risiko des Dritten infolge eines Anschluß- und Benutzungszwangs entfällt430, könnte ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 99 I, IV GWB vorliegen. Aus teleologischer Sicht erscheint die Anwendung des Kartellvergaberechts durchaus geboten, da die wettbewerblichen Auswirkungen der Pflichtenübertragung mindestens denjenigen einer Drittbeauftragung i. S. d. § 16 I KrW- / AbfG entsprechen.431 Von einer regulären Verwaltungshilfe unterscheidet sich die Pflichtenübertragung gem. § 16 II 1 KrW- / AbfG aber dadurch, daß sie nur auf Antrag des Dritten erfolgen kann, die rechtliche Initiative mithin nicht vom öffentlichen Auftraggeber, sondern vom potentiellen Auftragnehmer ausgeht. Bereits aus diesem Grunde wird die Pflichtenübertragung überwiegend als „ausschreibungsfeindlich“ angesehen,432 wobei nicht ganz klar wird, ob sich dieses Verdikt gegen die 427 Die Zustimmung stellt für sich betrachtet keine Auftragsvergabe dar, da sie sich nicht auf ein etwaiges Vertragsangebots des Dritten, sondern auf die Entscheidung der zuständigen Behörde bezieht (ebenso im Ergebnis Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236, 241). 428 Ebenso im Ergebnis, wenn auch ohne nähere Begründung, Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (241). Dazu siehe ausführlich oben Vierter Teil D. III. 429 Dies dürfte z. B. in Nordrhein-Westfalen aufgrund der gesetzlichen Beleihung mit dem Recht zur Gebührenerhebung gem. § 9 IV LAbfG NRW augeschlossen sein. 430 In diesem Fall fehlt es an einem konstitutiven Merkmal einer Dienstleistungskonzession im vergaberechtlichen Sinne (vgl. oben Vierter Teil D. III. 2. a) mit Fn. 388). 431 Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann (Hrsg.), KrW- / AbfG, Bd. II, § 16 Rn. 78. Vgl. auch Enzian, DVBl. 2002, 235 (237); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 68; ders., in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (171); ders. / Kafka, GewArch 2000, 129 (132). 432 Kommission der niedersächsischen Landesregierung zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen, AK 20, Abfallwirtschaftliche Empfehlungen zur zukünftigen Wahrnehmung von Entsorgungsaufgaben durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, Bericht v. 09. 04. 1997, S. 18 (zit.: nach Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann, [Hrsg.], KrW- / AbfG, Bd. II, § 16 Rn. 78 Fn. 1); Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 68; ders., in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (171); ders. / Kafka, GewArch 2000, 129 (132); Schink, a. a. O., § 16 Rn. 78. Gegen eine Ausschreibungspflicht auch J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 173 f.; Paschlau, Müll und Abfall
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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tatsächliche Möglichkeit oder die verwaltungsrechtliche Zulässigkeit eines förmlichen Vergabeverfahrens richtet. Aus tatsächlichen Gründen ist der Entsorgungsträger nicht gehindert, einen Entsorgungsvertrag auf Basis einer Pflichtenübertragung öffentlich auszuschreiben und den geeignetsten Bieter sodann zur Antragstellung bei der zuständigen Behörde aufzufordern.433 Das Verfahren müßte lediglich insofern modifiziert werden, als der Zuschlag entweder erst nach erfolgter Pflichtenübertragung oder unter der aufschiebenden Bedingung derselben erteilt werden könnte. Die von der zuständigen Behörde zu prüfenden fachgesetzlichen Anforderungen an den Dritten gem. § 16 II 1 KrW- / AbfG bzw. § 18a IIa 2 WHG können als „andere oder weitergehende Anforderungen“ i. S. d. § 97 IV, 2. Hs. GWB auch der Zuschlagsentscheidung zugrundegelegt werden. Kommt es dennoch zu einer (rechtmäßigen) Versagung der Pflichtenübertragung durch die zuständige Behörde, kann der Entsorgungsträger die Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 lit. b bzw. d VOL / A aufheben.434 Selbst wenn man das Antragserfordernis als verwaltungsrechtliche Voraussetzung für die Aufnahme von Vertragsverhandlungen interpretiert, müßte der Entsorgungsträger lediglich den Eingang des ersten Antrags abwarten, um sodann das beschriebene Verfahren einzuleiten.435 Die im Schrifttum angeregte Beschränkung auf nicht offene Vergabeverfahren i. S. d. § 101 III GWB436 mag unter den im Einzelfall zu prüfenden Voraussetzungen der §§ 3a Nr. 1 I 1, 3 Nr. 3 VOL / A möglich sein, erscheint aber aus tatsächlichen Gründen nicht zwingend. Rechtlich könnte gegen die Anwendung des Kartellvergaberechts sprechen, daß die Entscheidung über die Pflichtenübertragung im Ermessen der zuständigen Behörde (bzw. der abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft) liegt. Müßte der Entscheidung ein förmliches Vergabeverfahren vorangehen, wäre dieses Ermessen sowohl hinsichtlich des „Ob“ (Entschließungsermessen) als auch hinsichtlich des „Wie“ (Auswahlermessen) der Pflichtenübertragung eingeschränkt.437 Indessen gibt es kein „freies“, sondern nur rechtlich gesteuertes Ermessen; diese Steuerung übernehmen im Falle der Pflichtenübertragung insbesondere die in § 16 II 1, 2. Hs. KrW- / AbfG und § 18a IIa 2 WHG normierten Voraussetzungskataloge, welche eine Berücksichtigung der Vergaberegeln jedoch keineswegs ausschließen: Zum einen sind die Kriterien der Fachkunde und Zuverlässigkeit i. S. d. § 16 II 1 Nr. 1 2000, 740 (744); Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 312; ders., NVwZ 2000, 727 (731 Fn. 28). Vorsichtiger Gnittke / Siederer, ZVgR 2000, 236 (241); Zacharias, DÖV 2001, 454 (461). 433 Vgl. Frenz, KrW- / AbfG, § 16 Rn. 68; ders., in: Ziekow (Hrsg.), Wirtschaft und Verwaltung vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 137 (171 f.); ders. / Kafka, GewArch 2000, 129 (132). 434 Vgl. Zacharias, DÖV 2001, 454 (461), in bezug auf die (in § 16 II KrW- / AbfG und § 18a IIa WHG allerdings nicht vorgesehene) Zustimmung anderer Behörden. 435 So Zacharias, DÖV 2001, 454 (461). 436 Bell / Rehak, LKV 2001, 185 (188). 437 Vgl. Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann (Hrsg.), KrW- / AbfG, Bd. II, § 16 Rn. 78; Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung, S. 312 f.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
KrW- / AbfG bzw. § 18a IIa 2 Nr. 1 WHG sogar teilidentisch mit den Vergabekriterien des § 97 IV GWB. Zum anderen ist der Wettbewerb im öffentlichen Beschaffungswesen als ein „öffentliches Interesse“ i. S. d. § 16 II 1 Nr. 3 KrW- / AbfG bzw. § 18a IIa 2 Nr. 3 WHG anzuerkennen, dessen Verletzung von der zuständigen Behörde (bzw. von der abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft) zu prüfen ist und einer Pflichtenübertragung auch verwaltungsrechtlich entgegensteht.438 Soweit die Pflichtenübertragung einen entgeltlichen Beschaffungsvertrag darstellt, verlangt schon der Grundsatz der effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts eine entsprechende Auslegung der genannten Vorschriften und können nicht umgekehrt Besonderheiten des nationalen Verwaltungsrechts die Umsetzung der EGVergaberichtlinien unterlaufen.439
3. Zusammenfassung Mithin ist das Kartellvergaberecht im Regelungsbereich der §§ 16 II KrW- / AbfG und 18a IIa WHG nur unter den engen Voraussetzungen anwendbar, daß die Pflichtenübertragung mit einem entgeltlichen Vertrag mit der originär verantwortlichen öffentlich-rechtlichen Körperschaft einhergeht (anderenfalls handelt es sich nicht um einen Beschaffungsvorgang) und die Finanzierungsverantwortung in der Hand der öffentlich-rechtlichen Körperschaft verbleibt (anderenfalls liegt eine Dienstleistungskonzession vor). Insoweit stehen der (Verpflichtung zur) Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung weder das Antragserfordernis noch das Ermessen der zuständigen Behörde entgegen. Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht aus § 100 II lit. g GWB ableiten, da die §§ 16 II KrW- / AbfG, 18a IIa WHG, wie an anderer Stelle bereits dargelegt wurde,440 keine Grundlage für die Begründung respektive Übertragung eines „ausschließlichen Rechts“ bieten.
II. Städtebauliche Verträge Eine gesonderte Betrachtung verlangt auch der Komplex der städtebaulichen Verträge. Dabei handelt es sich um ein ergänzendes Instrument der städtebaulichen 438 Insoweit zutreffend, wenngleich im Widerspruch zu der vorangehenden Argumentation gegen die Anwendbarkeit des Vergaberechts, Schink, in: Jarass / Ruchay / Weidemann (Hrsg.), KrW- / AbfG, Bd. II, § 16 Rn. 79. A. A. Paschlau, Müll und Abfall 2000, 740 (744), nach dem die Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde nicht durch ein vom Bedarfsträger präjudiziertes Ausschreibungsergebnis vorweggenommen werden könne. 439 In diesem Sinne wohl auch Enzian, DVBl. 2002, 235 (237), die die verwaltungsrechtliche Argumentation gegen eine Ausschreibungspflicht nicht gelten läßt, weil damit von einem Ist-Zustand auf die rechtliche Zulässigkeit geschlossen werde. Zum gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsprinzip siehe die Nachweise im Dritten Teil A. IV. 4. a) aa), Fn. 413. 440 Siehe oben Dritter Teil B. I. 2. am Ende.
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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Steuerung, das die Ziele der Bauleitplanung im Wege der Kooperation zwischen öffentlichen Planungsinstanzen und privaten Bauherren umzusetzen sucht. In „echten“ städtebaulichen Verträgen verpflichten sich letztere im Interesse einer zügigeren Umsetzung eigener Bauvorhaben, bestimmte öffentliche Einrichtungen, die mit ihrem Bauvorhaben als Erschließungs- oder Folgelast zusammenhängen, auf eigene Rechnung herzustellen. Da sie hierbei zwar im eigenen Namen, aber ohne Inanspruchnahme öffentlich-rechtlicher Kompetenzen, also ausschließlich privatrechtlich, tätig werden,441 läßt sich ihr Verhalten als funktionale Privatisierung in Form der Verwaltungssubstitution begreifen. In der vergaberechtlichen Praxis haben städtebauliche Verträge – nicht zuletzt, weil sie überwiegend als öffentlichrechtliche Verträge i. S. d. § 54 VwVfG eingeordnet werden442 – lange Zeit ein Schattendasein geführt. Dies hat sich seit der Entscheidung des EuGH vom 12. 07. 2001 in der Rechtssache „Milano e Lodi“443 schlagartig geändert.
1. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Milano e Lodi“ a) Sachverhalt und Entscheidungsgründe Der vom EuGH zu beurteilende Sachverhalt betraf einen Erschließungsvertrag zwischen der Stadt Mailand auf der einen Seite und den Unternehmen Pirelli SpA und Milano Centrale Servizi SpA (MCS) auf der anderen Seite. Im Rahmen ihres städtebaulichen Projekts „Scala 2001“ plante die Stadt Mailand die Restaurierung des historischen Teatro alla Scala sowie den Neubau eines Theaters im sog. Bicocca-Viertel, in dem der Theaterbetrieb des Teatro alla Scala während der Dauer der Restaurierung fortgeführt werden sollte. Zur selben Zeit wurde im BicoccaViertel ein unter anderem von Pirelli getragenes Großbauvorhaben, das sog. „Bicocca-Projekt“, verwirklicht, in dessen Rahmen ein früheres Industriegebiet neu gestaltet und ausgedehnte Gebäudekomplexe umgebaut wurden. Beide Projekte wurden in dem Erschließungsvertrag dergestalt verbunden, daß sich Pirelli zur Übernahme der Kosten für die Planung und Durchführung der Scala-Restaurierung und des Theaterneubaus verpflichtete, während MCS als deren Beauftragte auf einem an die Stadt Mailand kostenlos zu übereignenden Grundstück das Teatro alla Bicocca als „sekundäre Erschließungsanlage“ errichten und die hierfür aufzuwendenden Baukosten von den für das „Bicocca-Projekt“ anfallenden Erschließungsbeiträgen abziehen sollte. Auf eine Klage der Architektenkammer der Provinzen Mailand und Lodi legte ein italienisches Gericht dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 234 EG die Frage vor, ob nationale und regioSiehe nur Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 278 m. w. N. Dazu siehe nur Oerder, BauR 1998, 22 ff.; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 269 ff. 443 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5435 ff.). 441 442
21 Hüser
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
nale Rechtsvorschriften, wonach ein Bauherr Erschließungsanlagen selbst erstellen und die Kosten hierfür ganz oder teilweise vom geschuldeten Erschließungsbeitrag abziehen darf, gegen die BKR verstoßen. Der mit den Schlußanträgen befaßte Generalanwalt Léger verneinte diese Frage, weil bei teleologischer Auslegung gleich mehrere Tatbestandsmerkmale eines öffentlichen Bauauftrags i. S. d. Art. 1 lit. a BKR nicht erfüllt seien: Erstens handele es sich nicht um ein Rechtsverhältnis vertraglicher Art, weil die Erschließungsarbeiten nach italienischem Städtebaurecht zwingend vom Eigentümer des Baugrundstücks zu erbringen seien und der öffentliche Auftraggeber somit keine Möglichkeit zur Auswahl seines Vertragspartners habe. Zweitens fehle es an der Beteiligung eines Unternehmers, da der Grundstückseigentümer die Bauarbeiten nicht selbst durchführe, sondern seinerseits einen Unternehmer damit beauftrage. Drittens handele es sich nicht um ein entgeltliches Rechtsverhältnis, weil die Erschließungsanlagen nicht vom öffentlichen Auftraggeber, sondern vom Bauträger auf eigene Kosten finanziert würden. Nach deren Vollendung steige vielmehr das Vermögen der Gemeinde in dem Maße, in dem sich das Vermögen des Bauträgers verringere.444 Dem engen Ansatz des Generalanwalts trat der Gerichtshof unter dem Leitmotiv der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie entgegen: Dem vertraglichen Charakter der Rechtsbeziehung stehe weder entgegen, daß die Gemeindeverwaltung ihren Vertragspartner nicht wählen kann, noch daß der Erschließungsvertrag dem öffentlichen Recht unterliegt.445 Zur Einstufung des Vertragspartners als Unternehmer genüge, daß er die Ausführung der Leistung veranlassen kann und hierfür die erforderlichen Garantien bietet.446 Was das Merkmal der Entgeltlichkeit betrifft, lasse der im italienischen Städtebaurecht verwendete Ausdruck „abziehen“ den Schluß zu, „daß die Gemeindeverwaltung mit der Erlaubnis einer unmittelbaren Erstellung der Erschließungsanlagen darauf verzichtet, den als Beitrag [ . . . ] geschuldeten Geldbetrag einzuziehen“. Die dagegen gerichteten Einwände beträfen die Auslegung des italienischen Städtebaurechts und unterlägen der Beurteilung durch das vorlegende Gericht. Dessen Feststellung, daß der Bauherr keine unentgeltliche Leistung erbringe, da er in gleicher Höhe eine gegenüber der Gemeinde bestehende Schuld begleiche, sei jedoch geeignet, die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten.447 Demnach sei anzunehmen, daß ein entgeltlicher 444 GA Léger, Schlußanträge v. 07. 12. 2000 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5427 ff.), Rn. 68 ff. 445 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5461 f.), Rn. 71, 73. Zur Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Verträge siehe ausführlich oben Vierter Teil C. I. 2. 446 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5466), Rn. 90. 447 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5464 f.), Rn. 81 ff.
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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Vertrag vorliegt, und um auf die Vorlagefrage zu antworten, daß die BKR nationalen städtebaulichen Vorschriften dieser Art entgegensteht448. b) Vorläufige Bewertung Ohne weiteres zu folgen ist dem EuGH in seiner Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Vertrag“ und „Unternehmer“: Da die unmittelbare Erstellung von Erschließungsanlagen nach italienischem Städtebaurecht als Alternative zur Zahlung eines Erschließungsbeitrags an die Gemeinde konzipiert ist, kommt als Partner eines Erschließungsvertrags tatsächlich nur der beitragspflichtige Grundstückseigentümer in Betracht. Insofern stellt sich zwar die Frage nach der praktischen Umsetzbarkeit des vergaberechtlichen Wettbewerbspostulats; doch handelt es sich dabei um eine Frage der Rechtsfolge, d. h. der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens, welche keine Vorentscheidung über das tatbestandliche Vorliegen eines öffentlichen Auftrags zu treffen vermag.449 Daß der Vertragspartner eines Erschließungsvertrags die Bauleistung nicht notwendig mit eigenen Mitteln erbringen muß, um als Unternehmer i. S. d. Art. 1 lit. a BKR angesehen zu werden, ergibt sich unmittelbar aus dem Normtext, der ausdrücklich auch Verträge über die (Planung und) Ausführung einer „Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen“ in den Begriff des öffentlichen Bauauftrags einbezieht. Der neuralgische Punkt liegt vielmehr beim Merkmal der Entgeltlichkeit: In dieser Hinsicht beruht die Entscheidung des EuGH auf der Prämisse, daß der Erschließungsunternehmer von einer bereits bestehenden Beitragsschuld gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber befreit wird. Insoweit steht der Verringerung des Passivvermögens beim Beitragsschuldner unmittelbar eine Verringerung des Aktivvermögens beim Beitragsgläubiger gegenüber, welche sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Gegenleistung für die vom Beitragsschuldner erbrachten Bauleistungen verstehen läßt. Im Kontext des italienischen Städtebaurechts ist eine dahingehende Sachverhaltsinterpretation gut vertretbar, weil der Erschließungsbeitrag bereits mit der Erteilung der Baugenehmigung fällig wird und die Gemeinde sich mit dem Erschließungsvertrag verpflichtet, die unmittelbare Erstellung der Erschließungsanlagen gleichsam „an Erfüllungs statt“ anzunehmen.450 Indirekt bestätigt der Gerichtshof somit die hier vertretene weite Auslegung des Entgeltlichkeitsbegriffs im Sinne eines beliebigen zweiseitig verpflichtenden Vertrags mit eigennützigem Charakter zugunsten des Schuldners der Hauptleistung451. In der 448 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5469), Rn. 103. 449 A. A. wohl Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 30; Quaas, in: Schrödter (Begr.), BauGB, § 12 Rn. 52 f.; Wilke, ZfBR 2002, 231 (232). Im Ergebnis wie hier Busch, VergabeR 2003, 622 (624). Zur Umsetzung der Ausschreibungspflicht siehe unten Vierter Teil E. II. 3. 450 Vgl. Rautenberg, ZfBR 2002, 238 (241); Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (156). A. A. mit gleichermaßen vertretbaren Argumenten Antweiler, NZBau 2003, 93 (97). 451 Siehe oben Dritter Teil A. I. 2.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
beschriebenen Konstellation kann die Wertung des EuGH auch im Ergebnis überzeugen: Bei wirtschaftlicher Betrachtung macht es nämlich keinen Unterschied, ob der öffentliche Auftraggeber zuerst den Beitrag vereinnahmt und den Privaten sodann beauftragt und aus den vereinnahmten Beitragsmitteln vergütet (insofern liegt unbestreitbar ein öffentlicher Bauauftrag i. S. d. Art. 1 lit. a BKR bzw. § 99 I, III GWB vor) oder ob der Private seine Beitragsschuld von vornherein durch Naturalherstellung begleicht.452 Da die Erschließung von Baugrundstücken den Gemeinden als staatliche Aufgabe zugewiesen ist (sog. Erschließungslast), handelt es sich in beiden Fällen auch um Beschaffungsvorgänge der Gemeinde. Aufgrund ihrer Vorprägung durch die Besonderheiten des italienischen Städtebaurechts dürfen die Wertungen der „Milano e Lodi“-Entscheidung jedoch nicht vorschnell verallgemeinert werden.453 Ob bzw. inwieweit sie auch auf städtebauliche Verträge in anderen Mitgliedstaaten übertragbar sind, kann vielmehr erst nach einer genauen Analyse des jeweiligen nationalen Regelungszusammenhangs beantwortet werden.
2. Städtebauliche Verträge nach deutschem Recht Unter dem Begriff der städtebaulichen Verträge werden in Deutschland unterschiedliche Vertragstypen zusammengefaßt, die im folgenden getrennt daraufhin untersucht werden, ob sie die Tatbestandsmerkmale eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 I GWB erfüllen. Wenngleich im Anschluß an die im Kontext der Beleihung angestellten Überlegungen vorausgesetzt wird, daß allein die öffentlichrechtliche Einordnung der meisten städtebaulichen Verträge einer Subsumtion unter den Begriff des öffentlichen Auftrags nicht entgegensteht,454 wäre es verfrüht, hieraus bereits auf eine generelle Ausschreibungspflicht städtebaulicher Verträge zu schließen455.
Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (156 f.). Vgl. Antweiler, NZBau 2003, 93 (96 f.); Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (108 f.); Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (156). Zu weitgehend daher Meißner, ZfIR 2001, 674 f.; Müller-Wrede, VergabeR 2001, 390 (391); Schwenker, IBR 2001, 555. 454 Dazu siehe ausführlich oben Vierter Teil C. I. 2. 455 So aber Meißner, ZfIR 2001, 674 f. Vgl. in bezug auf § 124 BauGB Boesen, Vergaberecht, § 99 Rn. 30; Byok, NJW 1998, 2774 (2777); Müller-Wrede, in: Jagenburg (Hrsg.), Festschrift für Mantscheff, S. 429 (432); zumindest für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens nach § 101 IV GWB Reidt, in: ders. / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Vorb. zu §§ 97 – 101 Rn. 16; in bezug auf § 11 BauGB Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 21. 452 453
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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a) Erschließungsverträge aa) „Echte“ Erschließungsverträge (§ 124 BauGB) Der vom EuGH entschiedenen Konstellation entspricht im deutschen Recht am ehesten der sog. „echte“ Erschließungsvertrag gem. § 124 BauGB. Hiernach kann eine Gemeinde die Durchführung der ihr gem. § 123 I BauGB obliegenden Erschließung durch (öffentlich-rechtlichen) Vertrag auf einen Dritten übertragen. Unproblematisch ist insofern die Eigenschaft der Gemeinde als öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 GWB sowie die Qualifikation der jeweiligen Erschließungsmaßnahme als Bauleistung i. S. d. § 99 III GWB. Zweifel am vertraglichen Charakter dieses Instruments können in der Regel nicht aufkommen, da § 124 BauGB keine Beschränkung auf den Eigentümer des zu erschließenden Baugrundstücks enthält, so daß ein Wettbewerb um die Bestellung zum Erschließungsunternehmer grundsätzlich möglich ist.456 Gem. § 124 II 2 BauGB kann sich der Dritte gegenüber der Gemeinde verpflichten, die Erschließungskosten ganz oder teilweise zu tragen. Übernimmt er sie nur teilweise, dürfte die Kostenbeteiligung der Gemeinde als Entgelt i. S. d. § 99 I GWB anzusehen sein;457 der in § 100 I GWB i. V. m. § 2 Nr. 4 VgV genannte Schwellenwert bezieht sich dann allein auf diesen Anteil (§ 3 I VgV). Da der Erschließungsvertrag aus kommunaler Sicht ein probates Mittel zur Abwälzung des 10 %-igen Eigenanteils gem. § 129 I 3 BauGB darstellt, sieht die Vertragspraxis allerdings regelmäßig eine vollständige Kostenübernahme durch den Dritten vor.458 In diesem Fall ist nach den Eigentumsverhältnissen zu differenzieren: Ist der Dritte nicht zugleich Grundstückseigentümer, kann ein Entgelt jedenfalls nicht in einer Beitragsbefreiung nach dem Muster der „Milano e Lodi“-Entscheidung liegen: Zwar kennt auch das deutsche Städtebaurecht das Instrument des Erschließungsbeitrags (§ 127 I BauGB), doch trifft die Beitragspflicht in personeller Hinsicht lediglich den Eigentümer des Grundstücks oder den an seiner Stelle dinglich Berechtigten (§ 134 I BauGB). Sofern der Dritte mit dem Grundstückseigentümer identisch ist, profitiert er von dem Erschließungsvertrag zwar insofern, als er im Ergebnis keinen Erschließungsbeitrag zu zahlen braucht. Doch liegt der Grund dafür nicht in einer wie auch immer gearteten Verrechnungsmöglichkeit mit einer bestehenden Beitragsschuld, sondern darin, daß mangels eines beitragsfähigen Aufwands der Gemeinde bzw. infolge einer „anderweitigen Deckung“ i. S. d. § 127 I BauGB in sachlicher Hinsicht erst gar keine Beitragspflicht entsteht459. 456 Quaas, in: Schrödter (Begr.), BauGB, § 12 Rn. 53. Anders verhält es sich faktisch, wenn der Eigentümer des Baugrundstücks zugleich Eigentümer der für die Erschließungsanlagen vorgesehenen Flächen ist (Wilke, ZfBR 2002, 231, 232). 457 A. A. wohl Antweiler, NZBau 2003, 93 (97), der das Merkmal der Entgeltlichkeit nur bei Vereinbarung einer zusätzlichen Leistungsvergütung bejaht; im Falle der Identiät von Eigentümer und Erschließungsträger auch Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (108). 458 Antweiler, NZBau 2003, 93 (97).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Gleichwohl will die Vergabekammer Baden-Württemberg ein Entgelt darin sehen, daß die Gemeinde auf eine eigene Erschließung verzichte und damit das Nichtentstehen der Beitragsschuld bewirke.460 Diese Auffassung geht erklärtermaßen über die Vorgaben des EuGH hinaus und verkehrt die beitragsrechtlichen Zusammenhänge: Gem. §§ 127 I, 133 II BauGB ist die Entstehung der Beitragspflicht die gesetzlich zwingende Rechtsfolge eines beitragsfähigen Aufwands. Durch die Entscheidung zwischen Selbstvornahme und Übertragung der Erschließung kann die Gemeinde zwar über das Entstehen oder Nichtentstehen dieses Aufwands, nicht aber der daran geknüpften Beitragspflicht disponieren. Folglich kann der tatbestandliche Ausschluß der Beitragspflicht nicht als Gegenleistung der Gemeinde betrachtet werden.461 Zwar entsteht dem Grundstückseigentümer möglicherweise ein darüber hinausgehender Vermögensvorteil, wenn es ihm gelingt, so kostengünstig zu arbeiten, daß die Kosten der Selbsterstellung den fiktiven Erschließungsbeitrag unterschreiten. Dieser Vermögensvorteil wird jedoch von ihm selbst erwirtschaftet und läßt sich ebenfalls nicht der Gemeinde zurechnen. Auch ansonsten handelt ein Erschließungsunternehmer nicht aus altruistischen Motiven: Befinden sich die zu erschließenden Grundstücke in seinem Eigentum, erfährt er bereits durch die Verbesserung der baurechtlichen Nutzbarkeit und die damit verbundene Erhöhung des Verkehrswerts einen wirtschaftlichen Vorteil.462 Infolgedessen kann er seine Aufwendungen durch den Verkauf der erschlossenen Grundstücke refinanzieren, indem er die Erschließungsaufwendungen zuzüglich eines Gewinnaufschlags in die Kalkulation der Verkaufspreise einbezieht.463 Auch hierin kann jedoch schwerlich ein Entgelt der Gemeinde gesehen werden; denn die genannten Vorteile fließen nicht aus dem Erschließungsvertrag als solchem, sondern resultieren aus der wirtschaftlichen Verwertung bereits bestehender Eigentumsrechte.464 Wenn einzelne Autoren aufgrund der Möglichkeit zur Weitergabe der Erschließungskosten zumindest den Tatbestand einer Baukonzession verwirk459 BVerwGE 70, 247 (257 f.); VGH Baden-Württemberg, NJW 1986, 2452; OVG Saarland, DÖV 1989, 861 (863); VK Baden-Württemberg, ZfBR 2003, 81 (82); Antweiler, NZBau 2003, 93 (97); Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (108); Busch, VergabeR 2003, 622 (623); Dombert, BauR 1999, 588 (590); Rautenberg, ZfBR 2002, 238 (241); Rodegra, NVwZ 1997, 633 (635); Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (157). 460 VK Baden-Württemberg, ZfBR 2003, 81 (82). Ähnlich Meißner, ZfIR 2001, 674 (675): die Gegenleistung bestehe darin, daß der Vorhabenträger den Erschließungsbeitrag erspart. 461 Ebenso im Ergebnis Antweiler, NZBau 2003, 93 (97); Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (108); Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (157). 462 Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (157). 463 Vgl. Antweiler, NZBau 2003, 93; Dombert, BauR 1999, 588 (589); Meißner, ZfIR 2001, 674 (675); Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 278 f.; Wilke, ZfBR 2002, 231 (232). 464 Ebenso im Ergebnis Wilke, ZfBR 2002, 231 (232); ders., ZfBR 2004, 141 (144). A. A. Busch, VergabeR 2003, 622 (628); Meißner, ZfIR 2001, 674 (675); Pieper, DVBl. 2000, 160 (165), der allerdings von der unrealistischen Annahme ausgeht, daß der Erschließungsunternehmer die „Grundstücke als Gegenleistung erhält“.
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licht sehen,465 überspannen sie den Begriff des – vom Gesetz als Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers interpretierten – „Rechts auf Nutzung der baulichen Anlage“ i. S. d. §§ 98 Nr. 6 GWB, 6 S. 2 VgV, 32 Nr. 1 VOB / A: Weder bezieht sich die Nutzung unmittelbar auf die erstellten Erschließungsanlagen (sondern auf die erschlossenen Baugrundstücke), noch gewährt die Gemeinde dem Erschließungsunternehmer ein diesbezügliches „Recht“ (sondern eine bloß faktische Chance).466 Ein solches könnte allenfalls aus dem Zusammenhang entnommen werden, daß eine gesicherte Erschließung Voraussetzung für die Zulässigkeit von Vorhaben und damit für die Erteilung einer Baugenehmigung ist (vgl. §§ 30 I, 34 I 1, 35 I BauGB); insofern bestünde die Gegenleistung der Gemeinde in der Schaffung eines „Baurechts“. Eine derartige Betrachtung mag zwar dem wirtschaftlichen Hintergrund vieler städtebaulicher Verträge nahekommen, steht aber in einem elementaren Widerspruch zu dem rechtsstaatlichen Verbot eines „Ausverkaufs von Hoheitsrechten“: Die Erteilung der Baugenehmigung ist eine gebundene Entscheidung, die allein unter dem Vorbehalt des Entgegenstehens öffentlich-rechtlicher Vorschriften steht (vgl. z. B. § 75 I 1 BauO NRW) und nicht von einer Gegenleistung abhängig gemacht werden darf. Im Umkehrschluß bestimmt § 11 II 2 BauGB für städtebauliche Verträge, daß die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung unzulässig ist, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hätte. Deshalb kann die baurechtliche Nutzbarkeit von Grundstücken (und die damit verbundene Bodenwertsteigerung) zwar Kalkulationsgrundlage des Vertrags, nicht aber Gegenstand einer vertraglichen Leistungsverpflichtung sein.467 Anders verhält es sich, wenn die zu erschließenden Grundstücke sich im Eigentum Dritter befinden (sog. Fremdanliegergrundstücke). Da dem Erschließungsunternehmer keinerlei gesetzliche Erstattungsansprüche zustehen, kann er die Refinanzierung seiner Erschließungsaufwendungen nur durch den Abschluß privatrechtlicher Vereinbarungen mit den Grundstückseigentümern sicherstellen.468 Danach kann der Erschließungsunternehmer ggf. zwar eine Art „Gegenleistung“ für die geleisteten Erschließungsmaßnahmen beanspruchen; doch ist diese dem öffentlichen Auftraggeber schon deshalb nicht zurechenbar, weil sie von privaten Dritten 465 Busch, VergabeR 2003, 622 (626). Widersprüchlich Rautenberg, ZfBR 2002, 238 (241), der einerseits von einer Baukonzession ausgeht, andererseits aber das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession verneint (sofern städtebauliche Verträge ausschließlich Planungsleistungen zum Gegenstand haben), weil es an der Kausalität zwischen der übernommenen Leistung und dem Eintritt des wirtschaftlichen Erfolgs fehle. 466 Ebenso im Ergebnis Birk, Die städtebaulichen Verträge nach dem BauGB 98, Rn. 189; Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (108); Wilke, ZfBR 2004, 141 (144). 467 Vgl. Busch, VergabeR 2003, 622 (628); (in bezug auf § 11 BauGB) Oerder, BauR 1998, 22 (29); Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (157). Diese Konstellation wird auch als „hinkender Austauschvertrag“ bezeichnet (dazu siehe nur Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 141 f., 474 ff. m. w. N.). 468 Vgl. OVG Saarland, DÖV 1989, 861 (862 f.); Antweiler, NZBau 2003, 93 (97); Dombert, BauR 1999, 588 (589); Rodegra, NVwZ 1997, 633 (636).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
stammt und nicht Gegenstand des Erschließungsvertrags ist.469 Somit spielt es im Ergebnis keine Rolle, ob der Erschließungsunternehmer Eigentümer der zu erschließenden Grundstücke ist oder nicht: In beiden Fällen unterliegen „echte“ Erschließungsverträge dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts nur, wenn sie ausnahmsweise eine Kostenbeteiligung der Gemeinde vorsehen.470
bb) „Unechte“ Erschließungsverträge Wenn sich bereits im Vorfeld abzeichnet, daß der Erschließungsunternehmer aus dem Grundstücksverkauf bzw. von den Grundstückseigentümern keine ausreichenden Deckungsbeiträge für seine Erschließungsaufwendungen erwirtschaften kann, wird er zum Abschluß eines „echten“ Erschließungsvertrags mit vollständiger Kostenübernahme nicht bereit sein. Um die Vorteile einer privaten Erschließung dennoch zu nutzen, behilft sich die Praxis, indem sie den Erschließungsvertrag durch eine Kostenabrede „modifiziert“:471 Darin wird dem Erschließungsunternehmer ein Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gemeinde eingeräumt, mit dem er künftige Beitragsansprüche der Gemeinde ablösen oder verrechnen kann; hinsichtlich der Fremdanliegergrundstücke verpflichtet sich die Gemeinde zur Auskehr der bei den Eigentümern vereinnahmten Erschließungsbeiträge. Diese – als Vorfinanzierungs- oder „unechter Erschließungsvertrag“ bezeichnete 472 – Konstellation hat mit dem „echten“ Erschließungsvertrag i. S. d. § 124 BauGB nicht mehr viel gemein, da die Kosten des Erschließungsunternehmers vollständig durch die Gemeinde aufgefangen (und zumindest in Höhe des gemeindlichen Eigenanteils gem. § 129 I 3 BauGB auch endgültig von ihr getragen) werden.473 Die Verrechnung des als Gegenleistung für die Erschließungsarbeiten vereinbarten Aufwendungsersat-
469 Ebenso im Ergebnis Antweiler, NZBau 2003, 93 (97); Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (108). A. A. Busch, VergabeR 2003, 622 (628). 470 Gegen die Anwendung des Kartellvergaberechts auch Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 335; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 5a. 471 Vgl. BVerwG, DVBl. 1996, 1057 (1061): „durch Kostenabrede modifzierter Erschließungsvertrag“. Zu der folgenden Konstellation siehe auch Dombert, BauR 1999, 588 (591 f.); Rodegra, NVwZ 1997, 633 (636 f.); Wilke, ZfBR 2002, 231 (233). 472 Busch, VergabeR 2003, 622 (623); Müller-Wrede, in: Jagenburg (Hrsg.), Festschrift für Mantscheff, S. 429 (432); Rodegra, NVwZ 1997, 633 (634); Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 280; Wilke, ZfBR 2002, 231 (233); Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (157). 473 Vgl. Rodegra, NVwZ 1997, 633 (634 f.); Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 280; Wilke, ZfBR 2002, 231 (233). Insofern ist es zumindest mißverständlich, wenn das BVerwG (DVBl. 1996, 1057, 1061) von einem „modifizierten Erschließungsvertrag“ spricht, der – soweit es in Betracht komme – den Regeln des § 124 BauGB unterliege. Burmeister / Heilshorn (BWGZ 2002, 104, 108), Busch (VergabeR 2003, 622, 623), Müller-Wrede (in: Jagenburg, Hrsg., Festschrift für Mantscheff, S. 429, 432) und Wilke (a. a. O., 233) sehen hierin einen Werkvertrag (mit Fälligkeitsabrede), Rodegra (a. a. O., 635) einen Darlehensvertrag.
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zes mit künftigen Beitragsansprüchen der Gemeinde hindert nach der eingangs erörterten Rechtsprechung des EuGH nicht die Entgeltlichkeit des Vertrags.474 Damit erfüllen „unechte Erschließungsverträge“ grundsätzlich alle Tatbestandsmerkmale eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 I GWB.475
b) Sonstige städtebauliche Verträge (§§ 11, 12 BauGB) Jenseits der in § 124 BauGB getroffenen Spezialregelung für Erschließungsverträge ermächtigt § 11 I 1 BauGB die Gemeinden grundsätzlich auch zum Abschluß von Verträgen über sonstige städtebauliche Maßnahmen. § 11 I 2 BauGB nennt insofern beispielhaft Baureifmachungsverträge (Nr. 1), Planverwirklichungsverträge (Nr. 2) und Folgekostenverträge (Nr. 3). Hinzu tritt der Durchführungsvertrag zum Vorhaben- und Erschließungsplan gem. § 12 I 1 BauGB. Letzterer ist vergaberechtlich zumindest insoweit irrelevant, als er ausschließlich auf die Realisierung des vom Vertragspartner geplanten Bauvorhabens gerichtet ist und damit nicht Beschaffungszwecken der Gemeinde dient. Denn die bloße Tatsache, daß die Gemeinde an dem Vorhaben ein städtebauliches Interesse hat, rechtfertigt noch nicht die Annahme eines Beschaffungsvorgangs i. S. d. § 99 I GWB.476 Soweit der Durchführungsvertrag auch die Erstellung von Erschließungsanlagen für die Gemeinde umfaßt, unterscheidet er sich hingegen nicht von einem Erschließungsvertrag gem. § 124 BauGB, der nur im Falle einer Kostenbeteiligung der Gemeinde als öffentlicher Auftrag i. S. d. § 99 I BauGB angesehen werden kann.477 Eine differenzierte Betrachtung erfordern die in § 11 I 2 BauGB aufgeführten Verträge: Für reine Folgekostenverträge i. S. d. § 11 I 2 Nr. 3 BauGB ist eine Ausschreibungspflicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Vertragspartner keine eigenen Bau- oder Dienstleistungen erbringt, sondern lediglich die Kosten für bestimmte infrastrukturelle Maßnahmen der Gemeinde übernimmt.478 Im übrigen gelten die Überlegungen zum „echten“ Erschließungsvertrag (der auch als Spezial474 Vgl. EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5464 f.), Rn. 81 ff. Dazu siehe ausführlich oben Vierter Teil E. II. 1. 475 Ebenso im Ergebnis Burmeister / Heilshorn, BWGZ 2002, 104 (107 f.); Busch, VergabeR 2003, 622 (625); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 5a; Wilke, ZfBR 2002, 231 (234); ders., ZfBR 2004, 141 (145); Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (157). 476 BayObLG, NZBau 2002, 108 (109). Zustimmend Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 6 Rn. 50 ff.; Wilke, ZfBR 2004, 141 (145). A. A. offenbar Meißner, ZfIR 2001, 674 (675); unklar Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 5a. 477 Siehe oben Vierter Teil E. II. 2. a) aa). 478 Quaas, in: Schrödter (Begr.), BauGB, § 12 Rn. 51. Zu Unrecht a.A. Rautenberg, ZfBR 2002, 238 (241), „da der wirtschaftliche Vorteil zur zeit- und marktgerechten Entwicklung der Grundstücke so groß ist, daß die Finanzierung der zugesagten Leistung im Ergebnis eine rentierliche Investition darstellt“.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
fall des § 11 I 2 Nr. 1 BauGB angesehen werden kann) entsprechend:479 Da die Aufwendungen für Baureifmachung und Planverwirklichung von vornherein nicht beitragsfähig sind, scheidet eine Verrechnung nach der vom EuGH angewandten Methode aus. Soweit die Gemeinde dem Grundstückseigentümer im Gegenzug für städtebaulich relevante Leistungen die Aufstellung einer Bauleitplanung in Aussicht stellt, kann diese zwar die wirtschaftliche Geschäftsgrundlage des Vertrags ausmachen, aber gleichwohl nicht Gegenstand einer vertraglichen Verpflichtung sein (§ 2 III BauGB). Damit scheitert eine Subsumtion unter den Begriff des öffentlichen Auftrags wiederum am Merkmal der Entgeltlichkeit.480
3. Umsetzung der Ausschreibungspflicht In Fällen, in denen ein städtebaulicher Vertrag dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts unterfällt, obwohl er von vornherein nur mit dem Eigentümer bestimmter Grundstücke geschlossen werden kann, stellt sich die Frage nach der praktischen Umsetzung der Ausschreibungspflicht. Legt man die Ergebnisse der vorangehenden Untersuchung zugrunde, ist in Deutschland nur die seltene Konstellation eines Durchführungsvertrags gem. § 12 I 1 BauGB über Erschließungsmaßnahmen mit Kostenbeteiligung der Gemeinde betroffen. In allen übrigen Fällen kommt entweder das Kartellvergaberecht nicht zur Anwendung, oder der öffentliche Auftraggeber hat die Wahl zwischen mehreren Vertragspartnern (und damit die Möglichkeit zu einer öffentlichen Ausschreibung). Vor demselben Problem stand auch der EuGH bei der Beurteilung von Erschließungsverträgen nach italienischem Städtebaurecht. Er löste es pragmatisch, indem er den öffentlichen Auftraggeber von der zwingenden Verpflichtung entband, das in der Richtlinie vorgesehene Verfahren selbst durchzuführen: Denn „die praktische Wirksamkeit der Richtlinie wäre auch dann gewahrt, wenn nach nationalem Recht die Gemeindeverwaltung den Bauträger [ . . . ] dazu verpflichten könnte, für die Erstellung der fraglichen Anlagen die in der Richtlinie festgelegten Verfahren anzuwenden, um so die Verpflichtungen der Gemeindeverwaltung [ . . . ] zu erfüllen“.481 Eine derartige „Delegation von Ausschreibungspflichten“ sieht jedenfalls das deutsche Kartellvergaberecht nicht vor:482 Nach dessen Systematik können vergaberechtliche Pflichten ausschließlich „öffentliche Auftraggeber“ treffen. Dazu siehe ausführlich oben Vierter Teil E. II. 2. a) aa). Wie hier Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (157 f.); im Ergebnis auch Quaas, in: Schrödter (Begr.), BauGB, § 12 Rn. 52. A. A. Meißner, ZfIR 2001, 674 (675). 481 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5468), Rn. 100. Zustimmend Rautenberg, ZfBR 2002, 238 (242); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 99 Rn. 5a; grundsätzlich auch Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (158). 482 Insoweit zutreffend Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (158). Vgl. auch Wilke, ZfBR 2004, 141 (147), der mit Recht daran zweifelt, ob eine vertraglich delegierte Ausschreibungspflicht einem Nachprüfungsverfahren zugänglich ist. 479 480
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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Insofern führt der Hinweis des EuGH, daß Art. 3 IV BKR (= Art. 63 VKR) für öffentliche Bauvorhaben, die Gegenstand einer Konzession sind, eine Anwendung der Richtlinie „durch andere Personen als den öffentlichen Auftraggeber“ ausdrücklich vorsehe (Hervorhebung des Verfassers),483 in die Irre: Zum einen sieht § 98 Nr. 6 GWB Baukonzessionäre selbst als öffentliche Auftraggeber an. Zum anderen ist der Hinweis unergiebig, soweit städtebauliche Verträge keine Baukonzessionen i. S. d. Art. 1 lit. d BKR, sondern „reguläre“ öffentliche Bauaufträge über die „Erbringung einer Bauleistung durch Dritte“ i. S. d. Art. 1 lit. a BKR darstellen (wovon der EuGH in der Rechtssache „Milano e Lodi“ offenbar selbst ausgeht). In diesen Fällen ist eine Ausschreibungsverpflichtung des privaten Bauträgers nur vorgesehen, wenn er entweder von einem (klassischen) öffentlichen Auftraggeber beherrscht wird (Art. 1 lit. b BKR bzw. § 98 Nr. 2 GWB) oder wenn bestimmte Bauvorhaben zu mehr als 50 % von einem (klassischen oder funktionalen) öffentlichen Auftraggeber finanziert werden (Art. 2 I BKR bzw. § 98 Nr. 5 GWB). Umgekehrt stieße eine analoge Anwendung des Art. 3 IV BKR auch gemeinschaftsrechtlich auf Bedenken, weil darin lediglich die Einhaltung der Bekanntmachungsvorschriften der Art. 11 und 15 BKR (= Art. 58, 59 VKR) verlangt wird: Die praktische Wirksamkeit der Richtlinie wäre jedoch beschädigt, wenn ein öffentlicher Auftraggeber sich von der Anwendung eines möglicherweise strengeren Vergaberegimes dadurch befreien könnte, daß ein Dritter bestimmte Bekanntmachungsvorschriften einhält.484 Ferner würde das vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragte Leistungspaket zumindest in dem Umfang dem Wettbewerb und Rechtsschutz entzogen, in dem der private Bauträger Teile davon selbst erbringt.485 Indessen hätte der vom EuGH entschiedene Fall systemkonform über eine analoge Anwendung des Art. 7 III lit. b BKR (= Art. 31 Nr. 1 lit. b VKR) gelöst werden können: Danach dürfen Bauaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung vergeben werden, wenn die Arbeiten aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Unternehmen ausgeführt werden können. Selbst wenn man das Eigentum nicht als „Ausschließlichkeitsrecht“ anerkennt, liegt es nahe, diese Vorschrift analog auf andere Fälle anzuwenden, in denen aus Rechtsgründen nur eine bestimmte Person als Vertragspartner in Frage kommt.486 Jedenfalls steht die vorliegende Situation einem Ausschließlichkeitsrecht i. S. d. Art. 7 III lit. b BKR näher als einer Baukonzession i. S. d. Art. 3 IV BKR. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, wenn der EuGH keine 483 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5468), Rn. 100. 484 Vgl. Opitz, NZBau 2003, 252 (256). 485 Vgl. Würfel / Butt, NVwZ 2003, 153 (158), die eine „Weitergabe der Ausschreibungspflicht“ unter den Vorbehalt stellen, daß die zugrundeliegenden Leistungen „deckungsgleich“ sind. Eschenbruch (in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Hrsg., Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 140), spricht insofern von einer „überschießenden Beschaffung“ auf erster Stufe. 486 Ebenso Opitz, NZBau 2003, 252 (256).
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Anhaltspunkte dafür zu entdecken vermag, „daß die unmittelbare Erstellung einer Erschließungsanlage unter den im italienischen Städtebaurecht festgelegten Voraussetzungen unter einen der Fälle des Art. 7 III der Richtlinie fallen könnte“487. Übertragen auf den Fall des § 12 I 1 BauGB bedeutet die hier vorgeschlagene Lösung, daß die Gemeinde einen entgeltlichen Durchführungsvertrag über Erschließungsmaßnahmen nur nach einem Verhandlungsverfahren analog § 3a Nr. 5 lit. c VOB / A abschließen darf. Hingegen ist der private Vorhabenträger bei der Weitervergabe von Aufträgen an Dritte nur dann zur Anwendung von Vergabevorschriften verpflichtet, wenn die vereinbarte Kostenbeteiligung der Gemeinde 50 % übersteigt: In diesem Fall ist er gem. § 98 Nr. 5 GWB selbst öffentlicher Auftraggeber und somit gem. § 101 I, V 1 GWB grundsätzlich zu einer öffentlichen Ausschreibung von Bau-, Dienst- und Lieferleistungen verpflichtet.
4. Zusammenfassung Es konnte gezeigt werden, daß sich die Auswirkungen der „Milano e Lodi“-Entscheidung des EuGH auf das deutsche Städtebaurecht in Grenzen halten. Gleichwohl bietet es dem Kartellvergaberecht diverse „Einbruchstellen“, die bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden müssen: Während sich „echte“ städtebauliche Verträge in der Regel dadurch auszeichnen, daß die Leistung des privaten Vertragspartners unentgeltlich und damit nicht aufgrund eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 I GWB erfolgt, unterliegen sog. Vorfinanzierungs- oder „unechte Erschließungsverträge“, bei denen der Vertragspartner lediglich in Vorleistung tritt, uneingeschränkt den Vorschriften des Kartellvergaberechts. „Echte“ Erschließungsverträge gem. § 124 BauGB bilden nur dann einen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 I GWB, wenn sie eine Kostenbeteiligung der Gemeinde vorsehen, welche die Schwellenwerte gem. § 100 I GWB i. V. m. § 2 VgV erreicht. Dasselbe gilt für Erschließungsleistungen im Rahmen eines Durchführungsvertrags zu einem Vorhaben- und Erschließungsplan gem. § 12 I 1 BauGB. Die Tatsache, daß ein Vertragsschluß insoweit nur mit dem jeweiligen Vorhabenträger möglich ist, hindert weder die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der §§ 97 ff. GWB (insbesondere begründet das Grundeigentum kein „ausschließliches Recht“ i. S. d. § 100 II lit. g GWB), noch ändert sie deren Verpflichtungsadressaten. Folglich kann die Gemeinde ihre kartellvergaberechtlichen Pflichten auch nicht auf den Vertragspartner „delegieren“, sondern ist selbst zur Durchführung eines – allerdings stark vereinfachten – Vergabeverfahrens verpflichtet.
487 EuGH, Urt. v. 12. 07. 2001 – Rs. C-399 / 98 (Ordine degli Architetti delle Province di Milano e Lodi u. a. / Comune di Milano), Slg. 2001, I-5409 (5469), Rn. 102.
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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III. Öffentlicher Personennahverkehr Einer gesonderten Erörterung bedürfen schließlich die im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erbrachten Verkehrsdienstleistungen. In Deutschland wurden mit dem Inkrafttreten des Regionalisierungsgesetzes (RegG)488 im Jahre 1994 die Funktionen der Bestellung und Erstellung des ÖPNV voneinander getrennt. Die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung der Bevölkerung ist hiernach eine den Ländern zugewiesene Aufgabe der Daseinsvorsorge, wobei die Länder weitgehend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, die Bestellerfunktion auf Zweckverbände und kommunale Gebietskörperschaften (Kreise und kreisfreie Städte) zu übertragen489. Die landesrechtliche Zuständigkeitsverteilung richtet sich ebenso wie das bundesrechtliche materielle Regelungsregime danach, ob es sich um Schienenpersonennahverkehr durch Eisenbahnen (SPNV) nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG)490 oder um öffentlichen Straßenpersonennahverkehr durch Straßenbahnen, Obusse oder Kraftfahrzeuge (ÖSPV) nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG)491 handelt. Für den gesamten ÖPNV gilt zudem als unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht die VO (EWG) Nr. 1191 / 69492, welche die Beseitigung von Wettbewerbsverfälschungen zum Ziel hat, die sich daraus ergeben, daß die Mitgliedstaaten den Verkehrsunternehmen sog. „Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes“ auferlegen493. Damit sind Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflichten gemeint, die die Verkehrsunternehmen von sich aus nicht übernehmen würden (Art. 2 I, II). Die VO (EWG) Nr. 1191 / 69 erlaubt den Mitgliedstaaten die Beibehaltung derartiger Verpflichtungen durch einseitige Auferlegung (Art. 1 V) oder vertragliche Vereinbarung (Art. 1 IV), sofern sie den Verkehrsunternehmen die daraus entstehenden Belastungen ausgleichen (Art. 6 II)und dabei diejenige Lösung wählen, welche die geringsten Kosten für die Allgemeinheit mit sich bringt (Art. 3 I). Ein bestimmtes Verfahren zur Auswahl geeigneter Verkehrsunternehmen schreibt die VO (EWG) Nr. 1191 / 69 indessen nicht vor.494 488 Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz – RegG), verkündet als Art. 4 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz – ENeuOG) v. 27. 12. 1993, BGBl. I 1993, S. 2378, 2395. 489 Eine Übersicht über die Regionalisierungs- bzw. ÖPNV-Gesetze der Länder bietet etwa Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), 131 (137 f. Fn. 47 ff.). 490 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) v. 27. 12. 1993, BGBl. I 1993, S. 2378, 2396. 491 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) i. d. F. der Bekanntmachung v. 08. 08. 1990, BGBl. I 1990, S. 1690. 492 Verordnung (EWG) Nr. 1191 / 69 des Rates v. 26. 06. 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs, ABl. 1969, L 156, S. 1 i. d. F. der Verordnung (EWG) Nr. 1893 / 91 des Rates v. 20. 06. 1991, ABl. 1991, L 169, S. 1. 493 Vgl. den 1. Erwägungsgrund der VO (EWG) Nr. 1191 / 69. 494 Vgl. Bund-Länder-Fachausschuß Straßenpersonenverkehr, Bericht zu den Konsequenzen der „Altmark“-Entscheidung des EuGH für die Finanzierungs- und Ausschreibungspraxis im ÖPNV / SPNV in Deutschland v. 18. 02. 2004, Der Nahverkehr, Beilage 5 / 2004, S. 13;
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Aus Sicht der hier vertretenen Privatisierungstypologie stellt die Bestellung privater oder gemischtwirtschaftlicher Verkehrsunternehmen, die mit ihren Fahrgästen im eigenen Namen privatrechtliche Beförderungsverträge abschließen, einen Fall der funktionalen Privatisierung in Form der Verwaltungssubstitution dar.
1. Ausschreibungspflichten nach dem AEG und PBefG? Konkretere Vorgaben über die Auswahl der zu bestellenden Verkehrsunternehmen enthält das im AEG und im PBefG niedergelegte Sondergewerberecht, wobei der Gesetzgeber für die Bereiche SPNV und ÖSPV unterschiedliche Wege beschritten hat: Gem. § 15 II AEG „kann“ die zuständige Behörde gemeinwirtschaftliche Leistungen, die aufgrund einer Vereinbarung nach der VO (EWG) 1191 / 69 erbracht werden sollen, ausschreiben. Das bedeutet, daß die Durchführung einer Ausschreibung im SPNV lediglich in das pflichtgemäße Ermessen des Aufgabenträgers gestellt, aber gerade nicht zwingend vorgeschrieben ist.495 Einen Schritt weiter geht § 13a I 1, II PBefG, der die Erteilung der nach § 2 I PBefG erforderlichen Linienverkehrsgenehmigung – entsprechend Art. 3 I VO (EWG) 1191 / 69 – unter die Voraussetzung stellt, daß diejenige Lösung gewählt worden ist, die die geringsten Kosten für die Allgemeinheit mit sich bringt. Gem. § 1 II 1 der in § 13a I 3 PBefG in bezug genommenen Rechtsverordnung (sog. Geringste-Kosten-Verordnung – GKV)496 führt der Aufgabenträger den Nachweis der „geringsten Kosten“ in der Regel dadurch, daß er die Leistung unter Anwendung des 1. Abschnitts der VOL / A im Wettbewerb vergibt.497 Da § 3 Nr. 2 VOL / A grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung verlangt, besteht insoweit eine indirekte Ausschreibungspflicht (die dem Kartellvergaberecht allerdings insofern nachsteht, als § 17 I VOL / A lediglich eine nationale Bekanntmachung verlangt498). Zu beachten ist jeFranzius, NJW 2003, 3029 (3030); Recker, Behörden Spiegel 1 / 2004, S. 21; Thieme / Schlüter, NVwZ 2004, 162. A. A. wohl Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 376 f.; unklar Baumeister, NZBau 2003, 550 (551 f.). 495 Umstritten ist insofern, ob sich der Aufgabenträger mit der positiven Betätigung seines Entschließungsermessens automatisch dem Vergaberechtsregime der §§ 97 ff. GWB unterwirft (so OLG Brandenburg, NZBau 2003, 688, 693; OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 634, 635; OLG Koblenz, NZBau 2002, 699, 703; VK Düsseldorf, ZfBR 2002, 621, 623; VK Schleswig-Holstein, NZBau 2003, 695, 696), oder ob ihm auch ein Auswahlermessen hinsichtlich der Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens zusteht (so Prieß, NZBau 2002, 539, 542). Dazu siehe unten Vierter Teil E. III. 2. a), Fn. 512. 496 Verordnung zur Anwendung von § 13a Abs. 1 Satz 3 des Personenbeförderungsgesetzes v. 15. 12. 1995, BGBl. I 1995, S. 1705. 497 Eine Auferlegung gem. Art. 1 V VO (EWG) 1191 / 69 ist gem. § 1 III GKV nur zulässig, wenn ein Ausschreibungsverfahren ausnahmsweise „nicht sachgerecht“ ist. 498 A. A. J. Werner, VergabeR 3 / 1998, 32 (34 mit Fn. 66), der den Verweis auf die VOL / A – entgegen dem Wortlaut des § 1 II 1 GKV – dynamisch auslegt und oberhalb der Schwellenwerte der DKR auf den – bei Erlaß der GKV noch nicht in Kraft getretenen – 2. Abschnitt der VOL / A bezieht, der in § 17a eine europaweite Bekanntmachung vorsieht.
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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doch, daß auch § 13a PBefG ausschließlich für „gemeinwirtschaftliche“ Verkehrsleistungen gilt, welche gem. § 8 IV 3 PBefG durch eine Negativabgrenzung gegenüber den in § 8 IV 2 PBefG legaldefinierten „eigenwirtschaftlichen“ Verkehrsleistungen bestimmt werden.499 Somit richtet sich das Bestehen einer gewerberechtlichen Ausschreibungspflicht im Ergebnis nach der – gemeinschaftsrechtlich fragwürdigen und deshalb höchst umstrittenen – Reichweite des Begriffs der Eigenwirtschaftlichkeit i. S. d. § 8 IV 2 PBefG.500
2. Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts Es stellt sich daher die Frage, ob sich unabhängig von den gewerberechtlichen Regelungen des AEG und PBefG bereits aus dem Kartellvergaberecht eine Pflicht zur – europaweit bekanntzumachenden – Ausschreibung von Verkehrsverträgen ergibt. Dessen personeller Anwendungsbereich ist eröffnet, da die Aufgabenträger in aller Regel öffentliche Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 GWB (Länder und kommunale Gebietskörperschaften) oder § 98 Nr. 3 GWB (Zweckverbände)501 sind. Soweit sich mehrere Aufgabenträger zu Aufgabenträgerverbünden oder Bestellerorganisationen in privater Rechtsform zusammenschließen, dürften die Voraussetzungen des funktionalen Auftraggeberbegriffs gem. § 98 Nr. 2 GWB gegeben 499 Insoweit hat die Bundesrepublik Deutschland implizit von der in Art. 1 I 2 VO (EWG) Nr. 1191 / 69 eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Leistungen im Stadt-, Vorortund Regionalverkehr teilweise vom Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 1191 / 69 auszunehmen (EuGH, Urt. v. 24. 07. 2003 – Rs. C-280 / 00, Altmark Trans GmbH u. Regierungspräsidium Magdeburg / Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH, EuZW 2003, 496, 499, Rn. 57; Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), 293, 309). Aufgrund der unklaren Abgrenzung zwischen Eigen- und Gemeinwirtschaftlichkeit (dazu siehe unten Fn. 500) hat der EuGH allerdings Zweifel angemeldet, ob dieses Vorgehen im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit zulässig ist (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 58 ff.). Dazu ausführlich Wachinger, WiVerw 2004, 27 (33 ff.). 500 Eigenwirtschaftlich sind gem. § 8 IV 2 PBefG „Verkehrsleistungen, deren Aufwand gedeckt wird durch Beförderungserlöse, Erträge aus gesetzlichen Ausgleichs- und Erstattungsregelungen im Tarif- und Fahrplanbereich sowie sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne“. Umstritten ist, ob auch gemeinschaftsrechtlich unzulässige Beihilfen (wie z. B. pauschale Verlustübernahmen oder sog. Quersubventionen im kommunalen Querverbund) als „Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne“ angesehen werden können. Bejahend BVerwG, DVBl. 2000, 1617 (1618 f.); Heinze, DÖV 1996, 977 (979); Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), 131 (143). Verneinend OVG Sachsen-Anhalt, TransportR 1999, 27 ff., und die h. M. im Schrifttum (Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 239 f.; dies., ZUR 1998, 215, 216 f.; Baumeister, LKV 1999, 12, 13 f.; Burgbacher, TranspR 1999, 1, 3; Hoffmann-Klein / Noch, DÖV 2002, 422, 423 f.; Kulartz, NZBau 2001, 173, 174; S. Meyer, DVBl. 1999, 1409, 1410; Roth, NVwZ 2001, 616, 618 f.; Zuck, DÖV 1994, 941, 943 ff.). Ausführlich zum Ganzen Wachinger, WiVerw 2004, 27 (40 ff.). 501 A. A. insoweit VK Düsseldorf, ZfBR 2002, 621 (623), die Zweckverbände als öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB ansieht und § 98 Nr. 3 GWB lediglich als subsidiären Auffangtatbestand interpretiert.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
sein.502 Die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs setzt voraus, daß keine verdrängende Sonderregelung existiert (dazu unter a), daß der Schwellenwert gem. § 100 I GWB i. V. m. § 2 Nr. 1 VgV erreicht ist (was in aller Regel der Fall ist), daß ein öffentlicher Auftrag i. S. d. § 99 GWB vorliegt (dazu unter b) und kein Ausnahmetatbestand gem. § 100 II GWB gegeben ist (dazu unter c).
a) Keine Sperrwirkung der §§ 15 II AEG, 13a PBefG Die Anwendung der §§ 97 ff. GWB wäre von vornherein ausgeschlossen, wenn das oben erläuterte Sondergewerberecht den Abschluß von Verkehrsverträgen im ÖPNV abschließend regelte. Diese Auffassung wird vom OLG Brandenburg und in Teilen der Literatur namentlich für § 15 II AEG vertreten: Weil diese Norm mehr Tatbestandsmerkmale enthalte als die §§ 97 ff. GWB, die sich – im Gegensatz zu § 15 II AEG – nicht spezifisch mit der Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch Eisenbahnverkehrsunternehmen befaßten, handele es sich insoweit um eine vorrangige lex specialis. Dieses Ergebnis folge zudem aus den Verweisen in § 15 I 1, II AEG auf die VO (EWG) Nr. 1191 / 69, welche die Verträge zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung „als Teil einer der Daseinsvorsorge dienenden Sonderrechtsordnung“ dem Anwendungsbereich der EG-Vergaberichtlinien entziehe.503 Folglich sei auch der sachliche Anwendungsbereich der Vorschriften des 4. Teils des GWB nicht eröffnet, denn das VgRÄG habe allein der Umsetzung der EG-Vergaberichtlinien gedient und nicht den Zweck verfolgt, das Vergaberegime auf Bereiche auszudehnen, die bislang von ihm ausgenommen waren.504 Träfe diese Argumentation zu, müßte sie konsequenterweise auch auf § 13a PBefG übertragen werden, der ebenfalls Teil der durch die VO (EWG) Nr. 1191 / 69 aufgestellten „Sonderrechtsordnung“ für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen ist.505 In der Folge wäre der Bereich des ÖPNV vollständig von der Anwendung des Kartellvergaberechts suspendiert. Dazu ausführlich Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (155 f.). Prieß, NZBau 2002, 539 f. Entgegen Recker (Behörden Spiegel 1 / 2004, S. 21) folgt ein derartiger Vorrang der VO (EWG) Nr. 1191 / 69 gegenüber der DKR jedenfalls nicht aus dem Urteil des EuGH v. 24. 07. 2003 – Rs. C-280 / 00 (Altmark Trans GmbH u. Regierungspräsidium Magdeburg / Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH). 504 OLG Brandenburg, NZBau 2003, 688 (691), im Anschluß an VK Brandenburg, NJOZ 2003, 3136. Zustimmend Kulartz, Behörden Spiegel 10 / 2003, S. 20; mit der Maßgabe, daß SPNV-Verträge den §§ 97 ff. GWB zwar nicht generell entzogen seien, diese Vorschriften durch § 15 II AEG aber dahin relativiert würden, daß der Auftraggeber die Vergabeart frei wählen könne, auch Pietzcker, NZBau 2003, 661 (662). 505 Vgl. Bund-Länder-Fachausschuß Straßenpersonenverkehr, Bericht zu den Konsequenzen der „Altmark“-Entscheidung des EuGH für die Finanzierungs- und Ausschreibungspraxis im ÖPNV / SPNV in Deutschland v. 18. 02. 2004, Der Nahverkehr, Beilage 5 / 2004, S. 6, mit dem Argument, daß anderenfalls der – im Zuge der Neuregelung des Vergaberechts durch das VgRÄG nicht angepaßte – § 1 II GKV seinen eigenständigen Regelungsgehalt verlieren würde. Die vermeintlich dahinterstehende Auffassung des Verordnungsgebers, daß ÖSPV– 502 503
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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Dieser Auffassung sind verschiedene Vergabekammern – mit Billigung des OLG Düsseldorf – zu Recht entgegengetreten: Zum einen stellt der am 01. 01. 1999 in Kraft getretene Vierte Teil des GWB gegenüber dem am 01. 01. 1994 in Kraft getretenen § 15 AEG eine lex posterior dar, für die nach den allgemeinen Regeln über Normenkollisionen ebenfalls eine Vorrangvermutung spricht.506 Zum anderen lassen sich auch die §§ 97 ff. GWB insofern als leges speciales auffassen, als sie mehr Begriffsmerkmale zu den Anwendungsvoraussetzungen der Vergabevorschriften enthalten und insoweit ihrerseits eine umfassende und abschließende Regelung treffen.507 Schließlich überzeugt auch der Verweis auf die VO (EWG) Nr. 1191 / 69 nicht: Einerseits schreibt diese gerade kein bestimmtes Verfahren zur Auswahl geeigneter Verkehrsunternehmen vor;508 andererseits steht sie der Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens zur Ermittlung der „geringsten Kosten für die Allgemeinheit“ keineswegs entgegen, was nicht zuletzt die Umsetzung dieser Vorgabe in § 13a I 3 PBefG i. V. m. § 1 II 1 GKV belegt.509 Über ihr Verhältnis zur (am 24. 07. 1992 in Kraft getretenen) DKR enthält die (zuletzt am 20. 06. 1991 geänderte) VO (EWG) Nr. 1191 / 69 naturgemäß keine Aussage. Da die DKR ihrerseits keine generelle Ausnahme zugunsten des ÖPNV vorsieht, sondern die Kategorien „Landverkehr“ und „Eisenbahnen“ in den Anhängen I A und I B vielmehr ausdrücklich einbezieht, können etwaige Normenkollisionen auf Gemeinschaftsrechtsebene nur zugunsten der DKR gelöst werden.510 Überträgt man diese Feststellung nach dem Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung auf Verträge von der DKR und den §§ 97 ff. GWB nicht umfaßt seien, wäre für deren Auslegung freilich in keiner Weise verbindlich. 506 Vgl. VK Düsseldorf, ZfBR 2002, 621 (623); VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (606); Bremer / Wünschmann, WiVerw 2004, 51 (57 Fn. 25); Marx, Der Nahverkehr 3 / 2003, 28 (29); Thieme / Schlüter, NVwZ 2004, 162 (163); in einem obiter dictum auch OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 634 (635). Daß das AEG seitdem mehrfach geändert wurde, steht einer Anwendung der lex-posterior-Regel nicht entgegen, da der Gesetzgeber insoweit weder positive noch negative Aussagen in bezug auf § 15 II AEG getroffen hat (a.A. unter Berufung auf ein Gesetz zur Umsetzung von EG-Umweltschutzrichtlinien Prieß, NZBau 2002, 539, 542). 507 Vgl. VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (606). 508 Deshalb trifft auch die von Prieß (NZBau 2002, 539, 540 mit Fn. 9) gezogene Parallele zur Richtlinie 96 / 67 / EG (Richtlinie des Rates v. 15. 10. 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft, ABl. 1996, L 272, S. 36) nicht zu, welche zu den (übrigen) EG-Vergaberichtlinien nur deshalb in einem sachlichen Ausschließlichkeitsverhältnis steht, weil sie eine spezielle Rechtsgrundlage für weitergehende Ausschreibungspflichten bildet (VÜA Bayern, ZVgR 1998, 584, 586). 509 Vgl. Zirbes, VergabeR 2004, 133 (150 f., 152). 510 Diesen Vorrang der EG-Vergaberichtlinien beabsichtigt die Europäische Kommission in Zukunft ausdrücklich klarzustellen (Art. 2 I, II des geänderten Vorschlags der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschiffahrtswegen v. 21. 02. 2002, KOM (2002) 107 endg, 2000 / 0212 (COD); dazu siehe unten Vierter Teil E. III. 3.). 22 Hüser
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
die nationale Rechtsordnung, ist daher im Zweifel von einem Vorrang der §§ 97 ff. GWB auszugehen.511 Bei genauerer Betrachtung muß ferner hinterfragt werden, ob sich im Verhältnis zwischen Vergaberecht und Verkehrsgewerberecht überhaupt ein echtes Kollisionsproblem stellt: Nach derzeitiger Rechtslage haben beide Normkomplexe nämlich ganz unterschiedliche Regelungsbereiche zum Gegenstand: Die EG-Vergaberichtlinien und der 4. Teil des GWB regeln das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die VO (EWG) Nr. 1191 / 69 i. V. m. § 15 AEG und §§ 8 IV, 13a PBefG die Bedingungen der Übertragung „gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen“ auf Verkehrsunternehmen. Soweit die Vereinbarung derartiger Verpflichtungen mit der Vergabe eines öffentlichen Auftrags einhergeht (was im folgenden näher untersucht wird), überschneiden sich diese Regelungsbereiche mit der Folge, daß beide Normkomplexe nebeneinander Anwendung finden: Ebenso wie die gewerberechtlichen Anforderungen als fachgesetzliche Vergabekriterien i. S. d. § 97 IV GWB auch im Vergaberecht Berücksichtigung finden können, lassen die §§ 15 AEG und 13a PBefG Raum für die Anwendung vergaberechtlicher Verfahren. Insofern läßt sich bereits im Wege der Auslegung eine praktische Konkordanz herstellen, indem man den §§ 15 II AEG und 13a I PBefG lediglich Mindestanforderungen entnimmt, die ggf. durch die weitergehenden Erfordernisse der §§ 97 ff. GWB verschärft werden. Bei der Anwendung des § 15 II AEG hat dies zur Folge, daß eine kartellvergaberechtlich begründete Ausschreibungspflicht das diesbezügliche Ermessen des Aufgabenträgers auf Null reduzieren würde.512 Dieser Auffassung hat sich nunmehr inzidenter auch die Bundesregierung angeschlossen, indem sie – in Reaktion auf die zitierten Entscheidungen von der Anwendbarkeit des § 4 I VgV ausgehend – Aufträge über SPNV-Leistungen in § 4 III VgV einer befristeten Sonderregelung zugeführt hat.513 511 Ebenso im Ergebnis – wenn auch mit weniger klarer Begründung – OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 634 (635); VK Düsseldorf, ZfBR 2002, 621 (623); VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (606 f.); VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30. 04. 2002 – VK 6 / 02 (zit. nach Schaffner / Köhler, Der Nahverkehr 12 / 2003, 35, 36); VK Sachsen, Beschl. v. 16. 05. 2003 – 1 / SVK / 035 – 03 (zit. nach Bremer / Wünschmann, WiVerw 2004, 51, 52 Fn. 6); Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 150; Bremer / Wünschmann, a. a. O., 51 (54 ff.); Schaffner / Köhler / Glowienka, VergabeR 2003, 281 (283); Theobald / Kafka, NZBau 2002, 603 (605); Thieme / Schlüter, NVwZ 2004, 162 f. 512 Ebenso D. Bayer / Manka, Der Nahverkehr 3 / 1998, 8 (10 f.); Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (165 Fn. 94); Theobald / Kafka, NZBau 2002, 603 (605). Vgl. VK Düsseldorf, ZfBR 2002, 621 (623); in bezug auf beihilferechtliche Vorgaben auch Zirbes, VergabeR 2004, 133 (153). Im Hinblick auf die in Fn. 495 aufgeworfene Frage nach einer etwaigen Selbstbindung des Aufgabenträgers an die §§ 97 ff. GWB spricht indes nichts dagegen, daß § 15 II AEG im übrigen auch ein Auswahlermessen hinsichtlich der Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens gewährt: Denn die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts hängt ausschließlich vom Vorliegen seiner gesetzlich normierten Anwendungsvoraussetzungen ab und kann im übrigen nicht durch die freiwillige Entscheidung eines Auftraggebers herbeigeführt werden (ebenso in bezug auf die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens OLG Stuttgart, NZBau 2003, 340; vgl. auch Schaffner / Köhler, Der Nahverkehr 12 / 2003, 35, 37).
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b) Vorliegen eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 GWB Grundvoraussetzung des § 99 I GWB ist, daß es sich um einen entgeltlichen Beschaffungsvertrag handelt.514 Um den Beschaffungscharakter einer Vereinbarung beurteilen zu können, muß man sich zunächst Klarheit über ihren Gegenstand verschaffen. Gegenstand eines Verkehrsvertrags ist weder die gewerberechtliche Linienverkehrsgenehmigung – diese ist lediglich Voraussetzung für die Durchführung der Vereinbarung –515 noch die Bewilligung einer Subvention516: Während Subventionen sich gerade dadurch auszeichnen, daß ihnen keine einklagbare Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht, verpflichtet der Verkehrsvertrag das Verkehrsunternehmen dazu, bestimmte Beförderungsleistungen in vorgegebener Quantität und Qualität zu erbringen (vgl. für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen Art. 14 II lit. a VO (EWG) Nr. 1191 / 69).517 Da das Verkehrsunternehmen insoweit eine dem öffentlichen Auftraggeber zugewiesene Aufgabe erfüllt, dienen Verkehrsverträge – unabhängig davon, daß der tatsächliche Leistungsaustausch zwischen dem Verkehrsunternehmen und seinen Fahrgästen erfolgt – einer Leistungsbeschaffung durch den öffentlichen Auftraggeber.518 Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich auch um entgeltliche Verträge, da dem Verkehrsunternehmen als Gegenleistung zumindest das Recht zur Erhebung von Beförderungsentgelten von den Fahrgästen, ggf. zuzüglich einer fest vereinbarten Vergütung eingeräumt wird (vgl. für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen Art. 14 II lit. b VO (EWG) Nr. 1191 / 69).519 Auch soweit die Höhe der 513 Vgl. Otting, DVBl. 2003, 1023 (1024 f.); Thieme / Schlüter, NVwZ 2004, 162 (163); Zirbes, VergabeR 2004, 133 (145). Dazu siehe unten Vierter Teil E. III. 2. d). 514 Siehe oben Vierter Teil C. I. 1. und D. I. 515 Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 147 f.; Kulartz, NZBau 2001, 173 (175); J. Werner, Nach der Regionalisierung – Der Nahverkehr im Wettbewerb, S. 192; ders., VergabeR 3 / 1998, 32 (33). 516 A. A. wohl Bund-Länder-Fachausschuß Straßenpersonenverkehr, Bericht zu den Konsequenzen der „Altmark“-Entscheidung des EuGH für die Finanzierungs- und Ausschreibungspraxis im ÖPNV / SPNV in Deutschland v. 18. 02. 2004, Der Nahverkehr, Beilage 5 / 2004, S. 5; Prieß, NZBau 2002, 539 (543 f.), der Verkehrsverträge im Bereich des SPNV als „gemischte Konzessions- / Zuschußverträge“ einordnet. 517 VK Düsseldorf, Beschl. v. 03. 03. 2000 – VK-1 / 00 (zit. nach M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41 Fn. 2); M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41; Kulartz, NZBau 2001, 173 (175 f.). Im Ergebnis auch Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (157). Vermittelnd Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 147, nach der sich die Qualifizierung als Beihilfevertrag und Dienstleistungsauftrag nicht ausschließen. 518 Vgl. oben Vierter Teil C. I. 1. mit Fn. 288. A. A. Kulartz, Behörden Spiegel 10 / 2003, S. 20; Prieß, NZBau 2002, 539 (540), weil es nicht um den „Einkauf von Beförderungsdienstleistungen für öffentliche Bedienstete“, sondern um die „Unterstützung vorhandener Verkehrsbedingungen“ bzw. die „Aufrechterhaltung und Vorhaltung einer Versorgungsstruktur“ gehe. Mißverständlich auch Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148, soweit sie ausführen, daß Verkehrsverträge nicht der Bedarfsdeckung durch die öffentliche Hand, sondern der Versorgung der Bürger dienten.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Vergütung sich nach der Zahl der gefahrenen Kilometer oder der beförderten Fahrgäste richtet, handelt es sich um eine Gegenleistung für die erbrachten Verkehrsdienste.520 Schließlich steht einer Qualifikation als öffentlicher Auftrag i. S. d. § 99 I GWB nicht entgegen, daß Verkehrsverträge teilweise als öffentlich-rechtliche Verträge i. S. d. § 54 VwVfG angesehen werden.521 Inhaltlich sind die in Rede stehenden Verkehrsleistungen in Anhang I A (Landverkehr) bzw. I B (Eisenbahnen) der DKR und VOL / A aufgeführt und damit eindeutig auf Dienstleistungen i. S. d. § 99 IV GWB gerichtet. Somit erfüllen Verkehrsverträge grundsätzlich alle Voraussetzungen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags i. S. d. § 99 I, IV GWB.522 Je nach Ausgestaltung der Entgeltstruktur könnte es sich allerdings um eine – von § 99 GWB nicht erfaßte – Dienstleistungskonzession523 handeln. Da Verkehrsverträge die Verkehrsunternehmen ausnahmslos zur Erhebung von Beförderungsentgelten berechtigen, erfüllen sie die Definition der Dienstleistungskonzession zwar insoweit, als die Gegenleistung des Auftraggebers nicht (ausschließlich) in einer Vergütung, sondern (zumindest auch) in dem Recht zur wirtschaftlichen Nutzung der Dienstleistungen besteht.524 Entscheidend ist jedoch, ob diese Entgeltstruktur dazu führt, daß das mit der Dienstleistung verbundene wirtschaftliche Risiko im wesentlichen beim Aufgabenträger verbleibt (dann handelt es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag) oder aber auf das Verkehrsunternehmen abgewälzt wird (nur dann ist eine Dienstleistungskonzession anzunehmen).525 Letzteres trifft jedenfalls dann zu, wenn der Verkehrsvertrag keinen über die Beförderungsentgelte hinausgehenden Zuwendungsbedarf anerkennt, also einen im 519 Vgl. Kulartz, NZBau 2001, 173 (176). Im Ergebnis auch Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 147; Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (157). A. A. Prieß, NZBau 2002, 539 (544); für eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen J. Werner, VergabeR 3 / 1998, 32 (33). Zur Auslegung des Entgeltlichkeitsbegriffs siehe oben Vierter Teil D. I. 520 Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 4 VgV Rn. 9; A. A. Prieß, NZBau 2002, 539 (544), der insoweit „lediglich einen Deckungsbeitrag zum Ausgleich der Mindereinnahmen“ aus dem Betrieb des ÖPNV annimmt. 521 VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (608). A. A. Prieß, NZBau 2002, 539 (543). Ob diese Einordnung (siehe Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 144 f.; Kulartz, NZBau 2001, 173, 176; ders., Behörden Spiegel 10 / 2003, S. 20; Prieß, a. a. O., 542 f.) zutrifft, kann dahinstehen, da § 99 I GWB nach der hier vertretenen Auffassung auch öffentlich-rechtliche Verträge einbezieht (dazu siehe oben Vierter Teil C. I. 2.). 522 So im Ergebnis auch M. Berger, Der Nahverkehr 10 / 2001, 50 (52 f.); Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 247 ff., 377; Hösch, GewArch 2001, 223 (225 f.); S. Meyer, DVBl. 1999, 1409 (1411); Schaffner / Köhler / Glowienka, VergabeR 2003, 281 (283); J. Werner, Nach der Regionalisierung – Der Nahverkehr im Wettbewerb, S. 192 f.; Zeiss, ZfBR 2003, 749 (751). 523 Dazu siehe ausführlich oben Vierter Teil D. III. 524 Insoweit zutreffend Prieß, NZBau 2002, 539 (545). 525 Siehe oben Vierter Teil D. III. 2. a). Diese Frage kann unabhängig von den – für die Anwendung des Kartellvergaberechts nicht maßgeblichen – Kategorien der Eigenwirtschaftlichkeit und Gemeinwirtschaftlichkeit i. S. d. § 8 IV PBefG beantwortet werden.
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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engeren Sinne eigenwirtschaftlichen Verkehrsbetrieb vorsieht.526 In diesem Fall finden die §§ 97 ff. GWB keine Anwendung, obwohl die Dienstleistungen der Kategorien „Landverkehr“ und „Eisenbahnen“ in den Anhängen I A und I B der DKR ausdrücklich aufgeführt sind.527 Derartige Verträge dürften in der gegenwärtigen Praxis allerdings nicht zu finden sein, weil öffentlicher Personennahverkehr in der geforderten Qualität und Quantität nicht kostendeckend, geschweige denn gewinnbringend betrieben werden kann.528 Regelmäßig sichern die Aufgabenträger den Verkehrsunternehmen deshalb öffentliche Zuschüsse zu, die zumindest einen kostendeckenden Betrieb, ggf. einschließlich eines gewissen Mindestgewinns, gewährleisten. Derartige, im weiteren Sinne gemeinwirtschaftliche, Verkehrsverträge bewirken, daß das wirtschaftliche Risiko der Dienstleistung ganz überwiegend vom Auftraggeber getragen wird, und sind daher nicht mehr als Dienstleistungskonzessionen anzusehen.529 Zu bezweifeln ist hingegen, daß die Abgrenzung zwischen Dienstleistungsauftrag und -konzession parallel zu derjenigen zwischen sog. Brutto- und Nettoverträgen verläuft, da es sich hierbei zunächst um eine rein formale Unterscheidung handelt, die die tatsächliche Risikostruktur nicht notwendig widerspiegelt.530 526 Vgl. Kulartz, NZBau 2001, 173 (181); Otting, DVBl. 2003, 1023 (1025); Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 4 VgV Rn. 9; J. Werner, Nach der Regionalisierung – Der Nahverkehr im Wettbewerb, S. 192; ders., VergabeR 3 / 1998, 32 (33). 527 Vgl. EuGH, Beschl. v. 30. 05. 2002 – Rs. C-358 / 00 (Buchhändler-Vereinigung GmbH / Saur Verlag GmbH & Co. KG u. Die Deutsche Bibliothek), EuZW 2003, 159 (160), Rn. 30 [dazu siehe oben Vierter Teil D. III. 1. b)]. A. A. Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (161). 528 Von dem in Deutschland im Bereich des ÖPNV erzielten Jahresumsatz in Höhe von ca. 20 Milliarden Euro stammen nur 45 % aus Fahrgeldeinnahmen und 55 % aus staatlichen Hilfen (Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), 131 f.). Allein der SPNV muß mit ca. 8 Euro pro gefahrenen Zugkilometer, d. h. insgesamt mit über 4,6 Milliarden Euro im Jahr, bezuschußt werden (Schaffner / Köhler / Glowienka, VergabeR 2003, 281). Vgl. auch Bundesregierung, Bericht 1996 über die Entwicklung der Kostenunterdeckung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), BT-Drs. 13 / 7552; Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 58 ff. 529 OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 634 (635); VK Düsseldorf, ZfBR 2002, 621 (623); VK Magdeburg, WuW / E Verg 604 (608). Ebenso im Ergebnis M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41; Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 247 f.; Kulartz, NZBau 2001, 173 (178); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 56; Marx, Der Nahverkehr 3 / 2003, 28 (29); Otting, DVBl. 2003, 1023 (1026); Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (160); Thieme / Schlüter, NVwZ 2004, 162 (164); J. Werner, VergabeR 3 / 1998, 32 (33); Zirbes, VergabeR 2004, 133 (154). A. A. (auf der Grundlage eines zu weiten Konzessionsbegriffs) Burgbacher, TranspR 1999, 1 (5); Prieß, NZBau 2002, 539 (545). 530 Im Ergebnis wie hier Metz, in: Püttner (Hrsg.), Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 227 (233); Otting, DVBl. 2003, 1023 (1026); Thieme / Schlüter, NVwZ 2004, 162 (164). A. A. Kulartz, Behörden Spiegel 10 / 2003, S. 20; Prieß, NZBau 2002, 539 (545 f.); wohl auch Zirbes, VergabeR 2004, 133 (155). Während Bruttoverträge eine feste Gesamtvergütung unter Einschluß der dem Aufgabenträger zustehenden Beförderungsentgelte vorsehen, tritt bei Nettoverträgen eine zusätzliche Vergütung neben das Recht zur Erhebung von Beförderungsentgelten (vgl. zu dieser Unterscheidung nur J. Werner, Nach der Regionalisierung – Der Nahverkehr im Wettbewerb, S. 214 ff.). Je nachdem, wonach sich die zusätzliche Vergü-
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
Indessen dürften in nicht wenigen Fällen die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion des § 99 I GWB nach den Grundsätzen über „In-house-Geschäfte“ (im weiteren Sinne) erfüllt sein.531 Jedenfalls im Bereich des ÖSPV stellt der öffentliche Personennahverkehr nämlich ein traditionelles Betätigungsfeld der Kommunalwirtschaft dar. Sofern die betreffenden Gebietskörperschaften zugleich als Aufgabenträger i. S. d. RegG fungieren, besteht im Verhältnis zu einem kommunalen Verkehrsbetrieb auch bei privatrechtlicher Organisationsform regelmäßig funktionale Personenidentität. Zu beachten ist jedoch, daß eine vergaberechtliche Privilegierung unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches nicht über einen Bestandsschutz hinausgeht, d. h. nur insoweit in Betracht kommt, als sich kommunale Verkehrsbetriebe nicht in größerem Umfang zugleich um gebietsfremde Verkehrsaufträge anderer Auftraggeber bemühen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des § 99 I GWB auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß die VO (EWG) Nr. 1191 / 69 und die §§ 15 AEG, 13a PBefG den ÖPNV einer begrenzten Marktöffnung unterwerfen und der öffentlichen Hand keine Möglichkeit bieten, sich die Durchführung der Verkehrsleistungen selbst vorzubehalten.532 Da die beiden Normkomplexe verschiedene Regelungsbereiche betreffen, vermag der Tatbestand eines „In-house-Geschäfts“ den Aufgabenträger zwar nicht von der Einhaltung des Marktzugangsverfahrens gem. § 13a I PBefG, wohl aber von der Beachtung der §§ 97 ff. GWB befreien.533
c) Vorliegen eines Ausnahmetatbestands gem. § 100 II GWB Läßt sich ein Verkehrsvertrag weder als Dienstleistungskonzession noch als „Inhouse-Geschäft“ qualifizieren, bietet schließlich auch der Ausnahmekatalog des § 100 II GWB keine Grundlage, um von der Anwendung des Kartellvergaberechts abzusehen. § 100 II lit. g GWB ist schon deshalb nicht einschlägig, weil die gewerberechtlichen Vorschriften anbieterneutral formuliert sind und somit keine ausschließlichen Rechte an Verkehrsunternehmen verleihen, die ihrerseits öffentliche tung bemißt, kann eine umfassende Risikoabwälzung auf den Aufgabenträger auch durch einen Nettovertrag erreicht werden. 531 Vgl. Bund-Länder-Fachausschuß Straßenpersonenverkehr, Bericht zu den Konsequenzen der „Altmark“-Entscheidung des EuGH für die Finanzierungs- und Ausschreibungspraxis im ÖPNV / SPNV in Deutschland v. 18. 02. 2004, Der Nahverkehr, Beilage 5 / 2004, S. 6; M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41 (42); Kulartz, NZBau 2001, 173 (177 f.). Dazu siehe ausführlich oben Dritter Teil A. IV. und Vierter Teil A. I. 532 So aber Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (158 f.), die eine ausschreibungsfreie „In-house-Vergabe“ insofern als objektive Marktzugangssperre interpretieren. 533 Dem Verfahren nach § 13a I PBefG kommt insoweit die Funktion einer Mindeststandards setzenden Auffangregelung zu. Vgl. – in bezug auf § 100 II lit. i GWB (dazu siehe sogleich) – Hösch, GewArch 2001, 223 (226), der dieses Ergebnis allerdings unzutreffend mit einer lex-specialis-Stellung des § 13a PBefG begründet.
E. Sonderfälle der funktionalen Privatisierung
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Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 – 3 GWB sind.534 Ein anderer Eindruck könnte allenfalls aufgrund der im ÖSPV geltenden Genehmigungspflicht entstehen, doch genügt die durch eine Verkehrsgenehmigung nach § 13a PBefG begründete Ausschließlichkeitsstellung in zweierlei Hinsicht nicht den Anforderungen des § 100 II lit. g GWB535: Zum einen beruht sie nicht unmittelbar auf Gesetz oder Verordnung, sondern lediglich auf einem abgeleiteten Verwaltungsakt; zum anderen geht die Genehmigung der Auftragsvergabe nicht zeitlich voraus, sondern setzt gem. § 13a I 1, II PBefG ihrerseits eine zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit abgeschlossene Vereinbarung voraus.536 Von den übrigen Ausnahmetatbeständen kommt lediglich das sog. Konzernprivileg gem. § 100 II lit. i GWB i. V. m. §§ 127 Nr. 3 GWB, 10 I VgV in Betracht,537 welches jedoch voraussetzt, daß der öffentliche Auftraggeber seinerseits auf dem Gebiet des Verkehrs „tätig“ ist. Da diese Voraussetzung nicht schon durch die gesetzliche Aufgabenzuweisung erfüllt wird, kommt § 100 II lit. i GWB nicht schon im Verhältnis zwischen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen, sondern allenfalls insoweit zum Tragen, als Verkehrsunternehmen, die ihrerseits öffentliche Auftraggeber (insbesondere nach § 98 Nr. 4 GWB) sind, Unteraufträge an verbundene Unternehmen i. S. d. § 10 II VgV vergeben (sog. Vergabe auf zweiter Stufe).
d) Das anzuwendende Vergabeverfahren (§§ 4 I, III VgV) Soweit das Kartellvergaberecht Anwendung findet, sind Verträge über Verkehrsdienstleistungen gem. §§ 101 V 1, 97 VI GWB i. V. m. § 4 I VgV i. V. m. §§ 1a Nr. 2, 3 Nr. 2, 3a I VOL / A grundsätzlich öffentlich auszuschreiben. Bis zum 30. 11. 2002 war zwischen Auftragsvergaben im ÖSPV und solchen im SPNV im wesentlichen nur insoweit zu differenzieren, als erstere – als sog. prioritäre Dienstleistungen i. S. d. Anhangs I A der VOL / A – europaweit auszuschreiben waren (§ 1a Nr. 2 I i. V. m. § 17a VOL / A), während letztere – als sog. nichtprioritäre Dienstleistungen i. S. d. Anhangs I B der VOL / A – lediglich national ausgeschrieben und erst im nachhinein europaweit bekanntgemacht werden mußten (§ 1a Nr. 2 II i. V. m. §§ 17, 28a VOL / A). Damit sah das deutsche Vergaberecht für Verkehrsdienstleistungen im Bereich des SPNV eine strengere Regelung vor als die DKR, 534 Vgl. Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb, S. 255, der (a. a. O., S. 256) allerdings unzutreffend von der Anwendbarkeit des § 100 II lit. g GWB auf „In-house-Geschäfte“ im weiteren Sinne [dazu siehe oben Vierter Teil E. III. 2. b)] ausgeht. 535 Dazu siehe ausführlich oben Dritter Teil B. I. 2. 536 Schaaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (157 f.). Im Ergebnis auch Kulartz, NZBau 2001, 173 (177); J. Werner, VergabeR 3 / 1998, 32 f., die es allenfalls für denkbar halten, daß ein öffentlicher Auftraggeber unter Inanspruchnahme des § 100 II lit. g GWB bereits die „Bestellerfunktion“ auf einen anderen öffentlichen Auftraggeber überträgt. 537 Die weitere Ausnahmeoption gem. § 100 II lit. f GWB ist in § 127 Nr. 4 GWB i. V. m. § 9 V VgV nur für die Sektoren Trinkwasser- und Energieversorgung, nicht aber für den Verkehrssektor umgesetzt worden.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
die hinsichtlich nichtprioritärer Dienstleistungen i. S. d. Anhangs I B auf eine Ausschreibungspflicht ganz verzichtet und neben der Beachtung des allgemeinen Diskriminierungsverbots (Art. 3 II DKR = Art. 2 VKR) lediglich eine Ex-post-Publizität verlangt (Art. 9, 16 DKR = Art. 21, 35 IV VKR). Nachdem mehrere Vergabekammern entschieden hatten, daß sich diese Rechtslage nicht unter Berufung auf § 15 II AEG aushebeln läßt,538 entschloß sich die Bundesregierung, die zunächst überobligatorische Umsetzung der DKR für den Bereich des SPNV mit Wirkung vom 01. 12. 2002 zurückzunehmen: Gem. § 4 III VgV können „Aufträge, deren Gegenstand Personennahverkehrsleistungen der Kategorie Eisenbahnen sind“, bis zum 31. 12. 2014 unter bestimmten Voraussetzungen freihändig vergeben werden, wenn mittelfristig ein stufenweiser Übergang zum Wettbewerb stattfindet.539 Entgegen der Auffassung des OLG Brandenburg steht der Verbindlichkeit dieser Regelung nicht entgegen, daß eine Erweiterung des Regelungsbereichs des Vergaberechts nur durch den formellen Gesetzgeber erfolgen kann540; denn nach der hier vertretenen Auffassung betrifft die Vorschrift nicht den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts, sondern lediglich das in seinem Rahmen anzuwendende Vergabeverfahren. Da § 4 I VgV durch § 4 III VgV nur ergänzt wird, sind die Aufgabenträger aber weiterhin zur Beachtung der übrigen, auch für freihändige Vergabeverfahren geltenden Vorschriften, insbesondere zu einer europaweiten Ex-postBekanntmachung gem. § 28a VOL / A verpflichtet.541 Im übrigen bleibt es ihnen unbenommen, von der Möglichkeit zur freihändigen Vergabe keinen Gebrauch zu machen und das wirtschaftlichste Ergebnis freiwillig in einem Ausschreibungswettbewerb zu suchen.
Dazu siehe oben Vierter Teil E. III. 2. a). Kurzfristige Verträge über einzelne Linien dürfen einmalig freihändig vergeben werden (§ 4 III Nr. 1 VgV). Längerfristige Verträge (und kurzfristige Verträge über eine Mehrzahl von Linien) dürfen nur dann freihändig vergeben werden, wenn ein wesentlicher Teil der vereinbarten Leistungen während der Vertragslaufzeit ausläuft und anschließend im Wettbewerb vergeben wird (§ 4 III Nr. 2 VgV). Dazu ausführlich Köhler, NZBau 2003, 31 f.; Otting, DVBl. 2003, 1023 (1026 ff.); Prieß / Pukall, VergabeR 2003, 11 ff.; Stickler, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 4 VgV Rn. 5 ff.; M. J. Werner / Köster, NVwZ 2003, 572 f. 540 So OLG Brandenburg, NZBau 2003, 688 (693); zustimmend Kulartz, Behörden Spiegel 10 / 2003, S. 20; Pietzcker, NZBau 2003, 661 (622); Zirbes, VergabeR 2004, 133 (158). Noch weitergehende, auch gemeinschaftsrechtliche, Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 4 III VgV erhebt Zeiss, Der Nahverkehr 3 / 2003, 25 ff. 541 Otting, DVBl. 2003, 1023 (1025). Vgl. M. J. Werner / Köster, NVwZ 2003, 572 f., die unter Berufung auf das Transparenzprinzip des § 97 I GWB aber auch bei freihändiger Vergabe nach § 4 III VgV eine europaweite Bekanntmachung verlangen; dies dürfte mit Blick auf Art. 9, 16 DKR nur im Sinne der Ex-post-Publizität gem. § 4 I VgV i. V. m. §§ 1a Nr. 2 II, 28a VOL / A zu bejahen sein. A. A. offenbar Prieß / Pukall, VergabeR 2003, 11 (16), die aus der Formulierung „ohne sonstige Voraussetzungen“ in § 4 III Nr. 1 und Nr. 2 S. 1 VgV ableiten, daß überhaupt keine verfahrensrechtlichen Anforderungen zu beachten seien. 538 539
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3. Zusammenfassung und Ausblick Es konnte gezeigt werden, daß die Bestellung von Verkehrsunternehmen im ÖPNV, soweit sie auf vertraglicher Grundlage und nicht im Wege eines sog. Inhouse-Geschäfts erfolgt, dem sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts unterliegt. Nach derzeitiger Rechtslage sind die §§ 97 ff. GWB selbständig neben den fachgesetzlichen Regelungen in §§ 15 AEG, 13a PBefG i. V. m. der VO (EWG) Nr. 1191 / 69 anwendbar. Der hiernach – im Bereich des ÖSPV uneingeschränkt – geltende Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung dürfte in Zukunft eine grundlegende Änderung der bisher üblichen Vergabepraxis erfordern. Lediglich im Bereich des SPNV ermöglicht § 4 III VgV die vorübergehende Aufrechterhaltung eines gewissen Bestandsschutzes zugunsten bewährter Verkehrsunternehmen.542 Weitergehende Anforderungen können sich insoweit aus dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot ergeben, dem die Europäische Kommission – analog zu den Grundsätzen über die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen543 – eine Verpflichtung zur Durchführung transparenter und diskriminierungsfreier Vergabeverfahren im SPNV entnimmt.544 Nicht zuletzt im Hinblick darauf empfiehlt sich den Aufgabenträgern, die Option des § 4 III VgV mit Vorsicht zu genießen. Unterdessen arbeitet die Europäische Kommission seit mehreren Jahren an einer weitergehenden Öffnung der Verkehrsmärkte für das Konzept des sog. „kontrollierten Wettbewerbs“. Seit dem 21. 02. 2002 liegt die geänderte Fassung eines Vorschlags für eine Marktöffnungsverordnung im ÖPNV (im folgenden: VO-V) vor, die zur Ablösung der VO (EWG) Nr. 1191 / 69 bestimmt ist.545 Hiernach soll der „öffentliche Dienstleistungsauftrag“ als zwingende Form für die Auszahlung jeglichen finanziellen Ausgleichs für die Erfüllung von Anforderungen des öffentlichen Dienstes sowie für die Gewährung sämtlicher ausschließlicher Rechte (Art. 5 542 Hiervon dürfte vor allem die DB Regio AG, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, profitieren, die im SPNV derzeit einen Marktanteil von über 90 % hat (vgl. Schaffner / Köhler / Glowienka, VergabeR 2003, 281, 286; Trautner / Dittmar, VergabeR 2002, 343, 347; M. J. Werner / Köster, NVwZ 2003, 572, 573; Zirbes, VergabeR 2004, 133, 135). 543 Siehe oben Vierter Teil D. III. 1. b) mit Fn. 368. 544 Schreiben der Generaldirektion Binnenmarkt an die Bundesrepublik Deutschland vom Februar 2004 (zit. nach U. Jasper, F.A.Z. v. 10. 03. 2004, S. 27): Hierin hat die Kommission – unter ausdrücklicher Ablehnung der Rechtsansicht des OLG Brandenburg (siehe oben Vierter Teil E. III. 2. a) mit Fn. 504) – die Vergabe von Beförderungsaufträgen in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen als gemeinschaftsrechtswidrig beanstandet und die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens angedroht. 545 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen v. 21. 02. 2002, KOM (2002) 107 endg, 2000 / 0212 (COD). Dazu siehe Metz, in: Püttner (Hrsg.), Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 227 ff.; Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), 293 (309 ff.); aus ökonomischer Sicht D. Meyer, ZögU 2001, 53 ff.
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Vierter Teil: Ausschreibungspflichten bei funktionaler Privatisierung
VO-V) und die öffentliche Ausschreibung als Regelform der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags (Art. 6 I lit. a VO-V) vorgeschrieben werden. Die Einführung einer selbständigen verkehrsrechtlichen Ausschreibungspflicht erfordert eine Abgrenzung zum Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts, die der Verordnungsvorschlag insoweit zugunsten der Vergaberichtlinien entscheidet, als diese ein Ausschreibungsverfahren vorschreiben (Art. 2 I, II VO-V). Hingegen soll die Vergabe aller übrigen öffentlichen Dienstleistungsaufträge uneingeschränkt den Bestimmungen der Marktöffnungsverordnung unterliegen (Art. 2 III VO-V). Aus den Begriffsbestimmungen des Verordnungsvorschlags ergibt sich indes, daß dieser den Begriff des „öffentlichen Dienstleistungsauftrags“ in einem weiteren Sinne als die EG-Vergaberichtlinien (und das GWB) versteht und insbesondere auch öffentliche Dienstleistungskonzessionen (Art. 2 III, 3 lit. i VO-V) und „In-house-Geschäfte“ im engeren (!) wie im weiteren Sinne (vgl. Art. 3 lit. e, j VO-V)546 einbezieht. Somit wirkt die geplante Marktöffnungsverordnung trotz des Anwendungsvorrangs des Vergaberechts im Ergebnis als pflichterweiternde Auffangregelung, die lediglich durch eine Reihe eng begrenzter Ausnahmetatbestände relativiert wird (Art. 7, 7bVO-V)547.
546 Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau der Legaldefinitionen des „öffentlichen Dienstleistungsauftrags“ gem. Art. 3 lit. j VO-V („rechtlich durchsetzbare Vereinbarung zwischen einer zuständigen Behörde und einem Betreiber über die Erfüllung von Anforderungen des öffentlichen Dienstes“) und des „Betreibers“ gem. Art. 3 lit. e VO-V („ein privat- oder öffentlich-rechtliches Unternehmen, das öffentlichen Personenverkehr durchführt, oder der Teil einer öffentlichen Verwaltung, der öffentlichen Personenverkehr durchführt“) (Hervorhebungen des Verfassers). Vgl. auch ausdrücklich den 22. und 24. Erwägungsgrund. Nach der – von der Europäischen Kommission nicht übernommenen – Abänderung 61 des Europäischen Parlaments sollten ausschreibungsfreie Eigenleistungen der zuständigen Behörde oder ihrer eigenen Unternehmen noch insoweit zulässig sein, als diese sich nicht am Wettbewerb um gewerbliche Verkehrsleistungen beteiligen, sog. Reziprozität (ABl. 2002, C 140 E, S. 262, 274). Dies entspräche weitgehend dem Kriterium der Wettbewerbsrelevanz durch Wettbewerbsteilnahme im Rahmen der teleologischen Reduktion des § 99 I GWB [dazu siehe oben Dritter Teil A. IV. 4. a) aa) und oben Vierter Teil E. III. 2. b)]. 547 Eine sog. Direktvergabe ist einmalig zulässig, wenn Sicherheitsstandards für den Schienenverkehr nicht anders gewährleistet werden können (Art. 7 Nr. 1 VO-V), bei „In-house-Geschäften“ (im engeren wie im weiteren Sinne) über Metro- und Stadtbahnverkehrsdienste, sofern dies zu einer effizienteren Nutzung öffentlicher Mittel oder öffentlich finanzierter Wirtschaftsgüter führt (Art. 7 Nr. 2, 3 VO-V), wenn der geschätzte Auftragswert unter 1 Million Euro liegt (Art. 7 Nr. 4 VO-V), oder als „Notfallmaßnahme“ für längstens ein Jahr (Art. 7b VO-V). Für Direktvergaben nach Art. 7 VO-V schreibt Art. 7a VO-V als Schutzmaßnahme für potentielle Konkurrenten eine Ex-ante-Bekanntmachung mit Angebotsoption vor.
Fünfter Teil
Ausschreibungspflichten bei materieller Privatisierung A. Das Fehlen eines Beschaffungsvorgangs Im Laufe der Untersuchung ist immer wieder deutlich geworden, daß der Schlüssel für die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts auf Privatisierungsvorgänge häufig in dem in § 97 I GWB enthaltenen Tatbestandsmerkmal der „Beschaffung“ liegt. In den bislang diskutierten Privatisierungsmodellen kommt es zu ausschreibungspflichtigen Beschaffungsvorgängen, weil und soweit die öffentliche Hand ihrer fortbestehenden Aufgabenverantwortung nachkommt und Privatrechtssubjekte lediglich zur Erbringung von (mehr oder weniger umfassenden) Teilbeiträgen zur Erfüllung einer staatlichen Aufgabe auffordert. Überführt sie die Erfüllung der betreffenden Aufgabe im Zuge einer materiellen Privatisierung vollständig in die Verantwortung privater Kräfte, bleibt für staatliche Beschaffungsvorgänge nur mehr insoweit Raum, als diese Kräfte wiederum zur Erbringung von Teilbeiträgen zur Erfüllung einer anderen, in staatlicher Verantwortung verbliebenen Aufgabe herangezogen werden. Dabei handelt es sich um Bedarfsdeckungsgeschäfte oder funktionale Privatisierungen, die wiederum ausschreibungspflichtig sein können, aber nicht mehr den Vorgang der materiellen Privatisierung betreffen. Letztlich ist es also die Zuordnung der Aufgabenverantwortung, die über den Beschaffungscharakter eines Privatisierungsvorgangs und damit über die sachliche Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts entscheidet.1 In bezug auf die zweite Form der materiellen Privatisierung, die Inpflichtnahme Privater, schlägt sich der mangelnde Beschaffungscharakter ersichtlich im Fehlen weiterer Tatbestandsmerkmale eines öffentlichen Auftrags i. S. d. § 99 I GWB nieder, da sie weder aufgrund eines Vertrags noch gegen ein Entgelt des „inpflichtnehmenden“ Staatsorgans erfolgt. Die „klassische“ Form der materiellen Privatisierung, die materielle Vermögensprivatisierung, bedient sich desselben Instruments wie die funktionale Privatisierung durch Umwandlung publizistischer in gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen, nämlich der Übertragung staatlichen Eigentums auf Private durch zivilrechtlichen Vertrag. Die in jenem Zusammenhang genannten Gründe für die Ablehnung eines Beschaffungsgeschäfts im 1
Vgl. Endler, NZBau 2002, 125 (134).
348
Fünfter Teil: Ausschreibungspflichten bei materieller Privatisierung
Sinne von § 97 I GWB2 gelten daher nicht nur für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, sondern gleichermaßen für die Veräußerung aller sonstigen beweglichen wie unbeweglichen Vermögensgegenstände: Da der öffentliche Auftraggeber insoweit nicht als Nachfrager, sondern im Gegenteil als Anbieter von Leistungen auftritt, stellen reine Veräußerungsgeschäfte unter keinen Umständen einen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 GWB dar. Mithin sind materielle Privatisierungen als solche dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts entzogen.3 Die gegenteilige Auffassung wurde – soweit ersichtlich – bisher nur von Enzian vertreten: Weil die Aufgabe selbst und nicht nur ihre Erledigung übertragen werde, stelle die materielle Privatisierung qualitativ ein Mehr gegenüber den Formen der formellen und funktionalen Privatisierung dar; daher sollten auch hier die vergaberechtlichen Vorschriften angewendet werden, denn auf Bieterseite bestehe ein Wettbewerb um die Übernahme dieser Aufgaben.4 Dieser Irrtum erklärt sich höchstwahrscheinlich daraus, daß im konkreten Kontext allein die Einbeziehung von (Dienstleistungs-)Konzessionen thematisiert wird, welche Enzian unzutreffend der materiellen statt der funktionalen Privatisierung zuordnet. In bezug auf „echte“ materielle Privatisierungen jedenfalls wäre es aus den oben genannten Gründen verfehlt, allein vom Bestehen eines Wettbewerbs auf das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags rückzuschließen. Damit bleibt es bei der Unanwendbarkeit des Kartellvergaberechts auf sämtliche Vorgänge der materiellen Privatisierung.
B. Abgrenzungsprobleme bei Vermögensprivatisierungen Indessen ist die Übertragung staatlichen Eigentums häufig in weitere Umstände eingebettet, die sowohl die Einordnung als materielle Privatisierung als auch den vergaberechtlichen Status in Frage stellen. Neben der bereits umfassend erörterten Siehe oben Vierter Teil A. II. 2. a) aa) mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 80. Ebenso Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 99 Rn. 24; ders., NZBau 2002, 245 (246); Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkommentar zur VOB, § 99 Rn. 26; Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Das Recht der Auftragsvergabe, S. 53; ders., Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 72; Seidel, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, H IV Rn. 113; Thieme, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 99 Rn. 29. 4 Enzian, DVBl. 2002, 235 (237). Vgl. auch Kulartz, VergabeR 1998, 25 (29); Müller-Serten, NZBau 2000, 120 (122), die materielle Privatisierungen ebenfalls für grundsätzlich ausschreibungspflichtig halten, damit aber offenbar Sachverhalte der – als solche nicht benannten – funktionalen Privatisierung meinen (so benennt Kulartz, a. a. O., 29, als „typischen Fall“ der „materiellen Privatisierung“ ausgerechnet die – eindeutig als Verwaltungshilfe zu identifizierende – Drittbeauftragung gem. § 16 I KrW- / AbfG). 2 3
B. Abgrenzungsprobleme bei Vermögensprivatisierungen
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Problematik der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an publizistischen und gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen5 betrifft dies zum einen die Investorenauswahl bei der Veräußerung staatlicher Immobilien, zum anderen die sog. „Sale-and-lease-back“-Geschäfte.
I. Investorenauswahlverfahren Bei der Veräußerung eines Grundstücks wird ein Verwaltungsträger in vielen Fällen nicht nur an der Erzielung eines möglichst hohen Kaufpreises, sondern zugleich daran interessiert sein, auf die künftige Nutzung durch den Erwerber Einfluß zu nehmen. Sofern er dabei nur allgemeine Ziele der Stadtentwicklung (insbesondere infrastrukturelle und städtebauliche Ziele) verfolgt, handelt er nicht zu Beschaffungszwecken, so daß die Auswahl eines geeigneten Investors ohne Beachtung der §§ 97 ff. GWB erfolgen kann (sog. beschränktes Investorenauswahlverfahren).6 Selbst wenn der Verwaltungsträger den „Zuschlag“ für das Grundstück davon abhängig macht, daß der Investor sich verpflichtet, ein bestimmtes Projekt (z. B. ein Fußballstadion oder ein Großkino) zu realisieren oder den Architekten des von ihm vorgelegten Entwurfs mit der weiteren Planung zu beauftragen, handelt der Investor grundsätzlich für eigene, private Zwecke. Insoweit führt die Grundstücksveräußerung weder zu einer Auftragsvergabe durch den Verwaltungsträger noch zu einer Auftragsvergabe durch den Investor für den Verwaltungsträger.7 Allerdings kann die Schwelle zu einem ausschreibungspflichtigen Beschaffungsvorgang i. S. d. § 99 GWB überschritten werden, wenn der Verwaltungsträger sich ein „privates“ Bauvorhaben dergestalt zu eigen macht, daß er das Baugeschehen durch detaillierte Vorgaben über Planung und / oder Ausführung in entscheidender Weise inhaltlich beinflußt und dem Investor durch öffentliche Zuschüsse das wirtschaftliche Risiko abnimmt.8 In diesem Fall verbirgt der Grundstückskaufvertrag eine entgeltliche „Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen“ i. S. d. § 99 III, 3. Var. GWB, welche gem. § 101 I, V 1 GWB grundsätzlich öffentlich auszuschreiben ist.
Dazu siehe ausführlich oben Vierter Teil A. II. Vgl. die parallele Bewertung städtebaulicher Verträge gem. § 12 I BauGB (siehe oben Vierter Teil E. II. 2. b) mit Fn. 476). Ebenso im Ergebnis Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 19 Rn. 49 ff.; Schwenker / Heinze, VergabeR 2001, 96 (97 f.). 7 Vgl. VÜA Niedersachsen, ZVgR 1998, 407 (408); IBR 1998, 417; Schwenker / Heinze, VergabeR 2001, 96 (98). 8 Vgl. Ax / Schneider / Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 19 Rn. 53; Schwenker / Heinze, VergabeR 2001, 96 (99 f.). 5 6
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Fünfter Teil: Ausschreibungspflichten bei materieller Privatisierung
II. „Sale-and-lease-back“-Geschäfte Der besondere Reiz von „Sale-and-lease-back“-Geschäften liegt darin, daß sie dem Staat das Einstreichen von „Privatisierungserlösen“ ermöglichen, ohne sich aus einer staatlichen Aufgabe zurückziehen zu müssen. Hierbei veräußert ein Verwaltungsträger einen ursprünglich in seinem Eigentum stehenden Gegenstand an einen Privaten, um ihn von diesem sogleich wieder zurückzumieten. Während der Veräußerungserlös sofort dem Verwaltungshaushalt zufließt und anderweitig investiert oder zur Schuldentilgung verwendet werden kann, ermöglicht der Leasingvertrag die langfristige Weiternutzung des Gegenstands zu den bisherigen Zwecken. Da sich die Leasingraten auf einen längeren Zeitraum verteilen, gewinnt der Verwaltungsträger zumindest einen Zeitvorteil.9 Bei formaler Betrachtung unterliegt allenfalls die zweite Transaktion dem Kartellvergaberecht: Während reine Veräußerungsgeschäfte nach dem oben Gesagten nicht einmal Beschaffungscharakter besitzen, sind Leasingverträge über vorhandene Gegenstände grundsätzlich als Lieferaufträge i. S. d. § 99 II GWB anzusehen. Sofern der Private darüber hinaus weitere Leistungen (z. B. Renovierung, Wartung und Instandhaltung) erbringen soll, können zudem Elemente eines Bau- oder Dienstleistungsauftrags vorliegen. Obwohl die Verknüpfung mit der Eigentumsübertragung den öffentlichen Auftraggeber nicht von der Ausschreibung des Leasingvertrags suspendiert, wird es im Schrifttum als problematisch angesehen, daß die Vergaberegeln in vielen Fällen dennoch nicht zum Zuge kommen, weil sich die Transaktion entweder auf Grundstücke und / oder Gebäude bezieht, die gem. § 100 II lit. h GWB explizit vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts ausgenommen sind, oder weil zur Erfüllung der betreffenden Verwaltungsaufgaben ausschließlich der veräußerte Gegenstand in Betracht kommt, so daß zumindest das Verfahren der öffentlichen Ausschreibung nicht praktikabel sei.10 Außerdem wird kritisiert, daß die Aufspaltung von „Sale-and-lease-back“-Geschäften in zwei getrennte Transaktionen nicht die primäre Finanzierungsfunktion des Gesamtgeschäfts berücksichtige. Aus diesen Gründen wird vorgeschlagen, die formal getrennten Rechtsvorgänge als wirtschaftliche Einheit zu betrachten und als Finanzdienstleistung i. S. d. § 99 IV GWB insgesamt dem Vergaberegime zu unterstellen.11 Diese Argumentation 9 Vgl. nur Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß (Hrsg.), Das Recht der Auftragsvergabe, S. 55; ders., Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 73; Nickel / Kopf, ZfBR 2004, 9 (11); näher Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 42 f. 10 Vgl. Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß (Hrsg.), Das Recht der Auftragsvergabe, S. 55; ders., Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 73. 11 Boesen, Vergaberecht, § 100 Rn. 110; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 62; T. Müller, in: Daub / Eberstein, Kommentar zur VOL / A, § 1a Rn. 165; Opitz, ZVgR 2000, 97 (108); Prieß, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß (Hrsg.), Das Recht der Auftragsvergabe, S. 55; ders., Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 73. Ebenso im Ergebnis, wenn auch ohne Begründung, Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 99 Rn. 131; Kullack, in: Heiermann / Riedl / Rusam, Handkom-
B. Abgrenzungsprobleme bei Vermögensprivatisierungen
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gleicht strukturell der Begründung, die bereits für eine Ausschreibung des mit einer Auftragsvergabe verbundenen Erwerbs von Gesellschaftsbeteiligungen vorgetragen wurde.12 Wenngleich sich wenigstens diejenigen Probleme, die dort aus dem Drei-Personen-Verhältnis zwischen öffentlichem Auftraggeber, gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigung und privatem Anteilserwerber resultieren, im Falle eines einfachen „Sale-and-lease-back“-Geschäfts nicht stellen, erscheint eine gewisse Skepsis gegenüber der ökonomischen Uminterpretation juristischer Vertragsgestaltungen auch hier angebracht. Zudem erscheint es zweifelhaft, ob eine Interpretation des „Sale-and-leaseback“-Geschäfts als Finanzdienstleistung i. S. d. § 99 IV GWB überhaupt zu einem wettbewerbsfreundlicheren Ergebnis führt: „Wirtschaftlicher“ Gegenstand des Auftrags wäre dann die Gewährung eines – mit dem Veräußerungserlös ausgezahlten und durch die Leasingraten zu tilgenden – Darlehens an den öffentlichen Auftraggeber. Insofern könnte aber der Ausnahmetatbestand des § 100 II lit. m GWB eingreifen, wonach das Kartellvergaberecht nicht für Aufträge „über finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit Ausgabe, Verkauf, Ankauf oder Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten“ gilt. Ob mit „anderen Finanzinstrumenten“ auch die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand gemeint ist, ist in der Literatur umstritten:13 Dafür spricht, daß der auf die inhaltsgleiche Regelung des Art. 1 lit. a vii DKR bezogene 13. Erwägungsgrund der DKR auch die „öffentliche Kreditpolitik“ ausdrücklich nicht zu den finanziellen Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie zählt und Art. 16 lit. d VKR dies für „Geschäfte, die der Geld- oder Kapitalbeschaffung der öffentlichen Auftraggeber dienen,“ nunmehr ausdrücklich klarstellt. Somit könnte eine wirtschaftliche Interpretation von „Saleand-lease-back“-Geschäften zu dem paradoxen Ergebnis führen, daß auch Leasingverträge über bewegliche Gegenstände, die nicht der Ausnahmeregelung des § 100 II lit. h GWB unterfallen, aus dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts hinausfallen. Jedenfalls insoweit erscheint eine formale Betrachtung als Kombination zwischen (ausschreibungsfreier) Veräußerung und (ausschreibungspflichtigem) Leasingvertrag im Ergebnis vorzugswürdig. mentar zur VOB, § 99 Rn. 50; Trautner / Helming, FLF 2000, 250 (260); Wilke, ZfBR 2004, 141 (147). 12 Siehe oben Vierter Teil A. II. 2. c) cc). Vgl. insbesondere die Argumentation der VK Baden-Württemberg, NZBau 2001, 340 (341 f., 344). 13 Dafür Bechtold, Kartellgesetz, § 100 Rn. 18; Fabry / Meininger, Behörden Spiegel 12 / 2002, S. 18 f.; Hailbronner, in: Byok / Jaeger (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 436; Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß (Hrsg.), Beck’scher VOB-Kommentar, § 100 GWB Rn. 33. Ebenso zu § 1a VOL / A T. Müller, in: Daub / Eberstein (Hrsg.), Kommentar zur VOL / A, § 1a Rn. 113. Vgl. VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 30. 11. 2001 – 1 VK 40 / 01 (zit. nach Weyand, ZfBR 2002, 395, 396), die sogar einen Arrangeurvertrag im Rahmen einer sog. US-Cross-Border-Lease-Transaktion unter § 100 II lit. m GWB subsumiert hat. Dagegen Dreher, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 100 Rn. 26; Eschenbruch, in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, § 100 Rn. 40; Heegemann, VergabeR 1996, 38 (39).
Zusammenfassung der Ergebnisse Privatisierung ist die staatlich veranlaßte Verlagerung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben von staatlichen Institutionen auf Rechtssubjekte des privaten Rechts. Sämtliche Erscheinungsformen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben lassen sich auf die folgenden drei Grundformen zurückführen. Die formelle Privatisierung ist Ausdruck der Formenwahlfreiheit der Verwaltung: Ein oder mehrere Verwaltungsträger bedienen sich zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben einer privatrechtlichen Organisationsform, indem sie eine publizistische Privatrechtsvereinigung gründen und mit der Aufgabenwahrnehmung beauftragen. Nach der Zahl der beteiligten Verwaltungsträger lassen sich verwaltungseigene und gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen unterscheiden. Publizistische Privatrechtsvereinigungen können ihrerseits Eigentümer von weiteren Privatrechtsvereinigungen sein, mit denen sie einen publizistischen Konzern bilden. Bei der funktionalen Privatisierung wird die Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe zumindest teilweise auf „echte“ Private übertragen. Sie vollzieht sich entweder durch die Bildung und Beauftragung gemischtwirtschaftlicher Privatrechtsvereinigungen oder in Form der vertraglichen Ausgliederung (sog. çontracting out“). Letztere ist eine Sammelbezeichnung für das „staatsförmige Privathandeln“ nach Beleihung, das „staatsanteilige Privathandeln“ in Form der Verwaltungshilfe (sog. Submissionssystem) und das „staatsersetzende Privathandeln“ in Form der Verwaltungssubstitution (sog. Konzessionssystem); zu ihrer Realisierung kommen diverse Spielarten des sog. Betreibermodells in Betracht. Bei der materiellen Privatisierung werden öffentliche Aufgaben vollständig in den privaten Sektor verlagert, was sowohl durch die Übertragung staatlichen Eigentums auf Private als auch durch die Inpflichtnahme Privater geschehen kann. Die Legaldefinition des öffentlichen Auftrags in § 99 I GWB umfaßt jeden zweiseitig verpflichtenden Vertrag über die Beschaffung wirtschaftlich werthaltiger Leistungen zwischen zwei verschiedenen Rechtssubjekten. Die hieraus grundsätzlich folgende Ausschreibungspflicht bezüglich der Leistungsbeziehungen zu publizistischen und gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigungen, an denen der öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, verstößt nicht gegen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 II 1 GG. Gleichwohl ist aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 99 I GWB eine Ausnahme vom sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts für sog. „In-house-Geschäfte“ im weiteren Sinne anzuerkennen, die kumulativ voraussetzt, daß das zu beauftragende Rechtssubjekt mit dem Auftraggeber funktional personenidentisch und der zu bewirkende Leistungsaustausch nicht wettbewerbsrelevant
Zusammenfassung der Ergebnisse
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ist: Verwaltungseigene Privatrechtsvereinigungen sind mit ihrem Alleingesellschafter bereits dann funktional personenidentisch, wenn sie als GmbH oder GmbH & Co. KG organisiert sind oder als AG, die durch einen Beherrschungsvertrag konzernrechtlich mit dem Auftraggeber verbunden ist. Gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigungen sind mit ihrem Auftraggeber-Gesellschafter funktional personenidentisch, wenn dieser sie zumindest aufgrund einer qualifizierten Sperrminorität „negativ beherrscht“ und zugleich aufgrund eines Stimmbindungsvertrags mit einem oder mehreren Mitgesellschaftern „gemeinsam beherrscht“. Hingegen sind gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigungen nur dann funktional personenidentisch mit einem öffentlichen Auftraggeber, wenn sie von diesem (ggf. mit einem anderen Verwaltungsträger gemeinsam) in qualifizierter Weise, d. h. mit einer Kapital- (bzw. Stimmrechts-)Mehrheit in Höhe von mindestens 75 %, „positiv beherrscht“ werden. Nach dem Kriterium der Wettbewerbsrelevanz des Leistungsaustausches ist eine teleologische Reduktion in jedem Fall ausgeschlossen, wenn die zu beauftragende Privatrechtsvereinigung, gemessen an ihrer Gesamttätigkeit, zu mehr als 20 % für andere Auftraggeber als an ihr beteiligte Verwaltungsträger (oder mit diesen funktional personenidentische Rechtspersonen) tätig wird. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, führt auch der Ausnahmetatbestand des § 100 II lit. g GWB in aller Regel nicht zur Befreiung von der Ausschreibungspflicht: Dieser ist nur auf Dienstleistungsaufträge anwendbar und setzt voraus, daß die zu beauftragende Privatrechtsvereinigung ihrerseits öffentlicher Auftraggeber und zugleich Inhaberin eines zumindest relativen Ausschließlichkeitsrechts ist, das ihr vor der Auftragsvergabe unmittelbar durch formelles Gesetz oder Rechtsverordnung verliehen wurde. Weder direkt noch analog anwendbar ist das Kartellvergaberecht auf die Auswahl privater Mitgesellschafter: Rechtsgeschäfte, die auf die Gründung oder den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung gerichtet sind, stellen niemals öffentliche Aufträge i. S. d. § 99 I GWB dar. Vielmehr beschränkt sich die Ausschreibungspflicht stets auf die der gemischtwirtschaftlichen Privatrechtsvereinigung als solcher erteilten Leistungsaufträge – gleichgültig, ob sie dem Beteiligungserwerb nachfolgen, mit ihm einhergehen oder ihm vorausgehen. Nach der hier vertretenen Auffassung findet das Kartellvergaberecht auch Anwendung, wenn vormals privilegierende Umstände (z. B. die Voraussetzungen eines ausschreibungsfreien „In-house-Geschäfts“ im weiteren Sinne) nachträglich (z. B. durch die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an Private) entfallen: In diesem Fall erstreckt sich die Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens aus §§ 97 I, 101 I GWB auch auf die bereits vereinbarten, aber im Zeitpunkt des Entfalls der privilegierenden Umstände noch nicht ausgeführten Leistungen; insoweit ist der bestehende Leistungsvertrag gem. § 134 BGB nichtig. Die kartellvergaberechtliche Ausschreibungspflicht gilt grundsätzlich auch für die vertraglichen Leistungsbeziehungen, die öffentliche Auftraggeber zu Verwaltungshelfern und Beliehenen unterhalten: Insofern ist unerheblich, ob der jeweilige 23 Hüser
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Zusammenfassung der Ergebnisse
Leistungsvertrag dem privaten oder dem öffentlichen Recht angehört. Ausnahmen sind lediglich in den engen Grenzen des § 100 II GWB und der Art. 55, 45 EG anzuerkennen, die allenfalls in wenigen Einzelfällen zum Tragen kommen. Bei der Beurteilung der Leistungsbeziehungen zu Verwaltungssubstituten ist zwischen Bau- und Dienstleistungskonzessionen zu differenzieren: In beiden Fällen liegt ein entgeltlicher Beschaffungsvertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen vor, der sich von einem herkömmlichen Bauoder Dienstleistungsauftrag nur dadurch unterscheidet, daß die Gegenleistung des Auftraggebers nicht (ausschließlich) in einer Vergütung, sondern (zumindest auch) in dem Recht zur wirtschaftlichen Nutzung der Leistungen besteht und das diesbezügliche Risiko vom Konzessionär getragen wird. Gleichwohl fällt de lege lata ausschließlich die Vergabe von Baukonzessionen, nicht aber die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen in den sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts. Letztere müssen lediglich einem allgemeinen Transparenzgebot genügen, das der EuGH unmittelbar aus Art. 12 I EG ableitet. Die Zuordnung typengemischter Verträge im Rahmen sog. Betreibermodelle richtet sich in allen Fällen nach dem wertmäßigen Schwerpunkt der Leistungsbeziehung. Bei der rechtlichen Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen im Rahmen einer Pfichtenübertragung gem. § 16 II KrW- / AbfG oder § 18a IIa WHG stehen unbeschadet einer landesrechtlichen Konkretisierung alle drei Formen der vertraglichen Ausgliederung zur Verfügung. Obwohl eine Ausschreibungsverpflichtung weder am verwaltungsrechtlichen Antragserfordernis noch am Ermessen der zuständigen Behörde scheitert, gelangen die §§ 97 ff. GWB nur zur Anwendung, soweit ein entgeltlicher Vertrag mit der originär verantwortlichen öffentlich-rechtlichen Körperschaft unter Aufrechterhaltung der staatlichen Finanzierungsverantwortung geschlossen wird. Die Voraussetzungen für ein Ausschließlichkeitsrecht i. S. d. § 100 II lit. g GWB liegen nicht vor. Städtebauliche Verträge unterliegen nur teilweise dem Kartellvergaberecht: Während sog. Vorfinanzierungs- oder „unechte Erschließungsverträge“ hiernach grundsätzlich öffentlich auszuschreiben sind, stellen „echte“ Erschließungsverträge gem. § 124 BauGB sowie Erschließungsleistungen im Rahmen eines Durchführungsvertrags gem. § 12 I 1 BauGB nur dann einen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 99 I GWB dar, wenn sie eine Kostenbeteiligung der Gemeinde vorsehen, die die Schwellenwerte gem. § 100 I GWB i. V. m. § 2 VgV erreicht. Insoweit kann die Gemeinde ihre kartellvergaberechtlichen Auftraggeberpflichten nicht auf den Erschließungsunternehmer „delegieren“, sondern ist selbst zur Durchführung eines Vergabeverfahrens verpflichtet. Auch Verträge über Verkehrsdienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr unterliegen grundsätzlich dem sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts: Nach derzeitiger Rechtslage sind die §§ 97 ff. GWB selbständig neben den fachgesetzlichen Regelungen in §§ 15 AEG, 13a PBefG i. V. m. der VO (EWG) Nr. 1191 / 69 anwendbar. Allerdings gestattet § 97 VI GWB i. V. m. § 4 III
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VgV im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs unter bestimmten Voraussetzungen eine freihändige Vergabe. Hingegen sind materielle Privatisierungen dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts insgesamt entzogen, weil es infolge des Übergangs der Aufgabenverantwortung auf Private nicht mehr zu Beschaffungsvorgängen seitens eines öffentlichen Auftraggebers kommt. Abgrenzungsprobleme gegenüber öffentlichen Aufträgen i. S. d. § 99 GWB stellen sich im Zusammenhang mit der Übertragung staatlichen Eigentums bei Investorenauswahlverfahren und sog. „Sale-and-leaseback“-Geschäften.
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Sachwortverzeichnis Abfallentsorgung 47, 86, 166, 167 ff., 182, 191, 207 f., 215 ff. Abwasserbeseitigung 208 f., 215 ff. Aktiengesellschaft 149 ff., 176, 217 f. – Aufsichtsrat 150 f., 159 f. – Hauptversammlung 149 f. – Vorstand 149 Analogie 112, 171 f., 196 f., 243 f., 268 f. Anschluß- und Benutzungszwang 309, 318 Anstalt öffentlichen Rechts 64 f. Aufgabenverantwortung 74, 93, 347 Aufsicht 141 f., 179, 182, 218 Auftragsgarantie 257 Auftragswert 263 Ausgliederung, vertragliche 79 f. Auslegung 99 – funktionelle 139, 241 – gemeinschaftsrechtskonforme 124 f., 193, 337 – grammatische 99, 228 ff., 285 – historisch-genetische 124 f., 285 f., 301 f. – richtlinienkonforme 123, 124, 137, 203, 243, 269, 278 f., 285, 290, 299, 306 – systematische 112, 235, 288 f., 300 – teleologische 129, 184, 241 ff., 286 ff. – verfassungskonforme 112, 118, 235 Ausschließliches Recht 203 ff., 291, 320, 331, 332, 342 f. Ausschreibung 26, 38, 246, 261, 334 Baurecht 320 ff., 327, 329 Beamtenrecht 143 Bedarfsdeckungsgeschäft 90, 347 Beherrschung – „faktische“ 167 f. – „gemeinsame“ 170 ff., 223 – „negative“ 174 f., 223 – „positive“ 165 f. – „qualifizierte positive“ 221 ff.
Beherrschungsvertrag 152 f., 155 f., 176, 178 f., 221, 223 Beihilferecht 48 ff. Beleihung 65, 282 ff., 316 Beleihungsvertrag 82, 282 Beschaffung 113, 181, 231, 282 f., 287, 296 f., 317, 324, 339, 347 f., 349 Betreibermodelle – Betriebsführungsmodell 86 f., 240, 278 – BOT-Modell 87, 278, 280 – direkte 89 f., 296 – indirekte 86 ff., 240, 278, 280 „contracting out“ siehe Ausgliederung Daseinsvorsorge 46, 167, 189 f., 220, 333, 336 De-facto-Vergabe 267 ff. Deregulierung 55 Direktionsrecht 178 Diskriminierungsverbot 45, 46, 303, 314, 345 Drittbeauftragung 86, 208, 316, 318 Effektivitätsprinzip 187, 209 Eigenbetrieb 67, 108, 187 f. Eigengesellschaft siehe verwaltungseigene Privatrechtsvereinigung Eigenleistung siehe „In-house-Geschäft“ im engeren Sinne Einpersonengesellschaft 70, 147, 160 Energieversorgung 189, 90 f. Entgelt 109 ff., 233, 234, 254, 297 f., 307, 322 ff., 325 ff., 339 f. Ermessen 319, 334, 338 Erschließungsbeitrag 321 ff., 325 f. Erschließungsvertrag siehe städtebauliche Verträge
Sachwortverzeichnis
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Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz 82, 90 Funktionale Personenidentität 139 ff., 200, 212 ff., 226, 258 f.
Leasingvertrag 350 f. Legislativpaket 31, 201 f., 226 f., 304 f., 351 Liberalisierung 55 Linienverkehrsgenehmigung 334, 339, 343
Gemischt-öffentliche Privatrechtsvereinigung 71 f.,162 ff., 191 f. Gemischtwirtschaftliche Privatrechtsvereinigung 75 ff., 211 ff. Gesellschaftsrecht 144 ff., 216 ff. Gesellschaftsvertrag 174 f., 198, 227, 232 f. Gesellschaftszweck 169 f., 198, 220, 253 GmbH 145 ff., 165, 174, 216 ff. – Aufsichtsrat 147 f., 159 f. – Geschäftsführer 145 f. – Gesellschafterversammlung 145 f. GmbH & Co. KG 148 f. Grundfreiheiten 46 Grundrechte 44 f., 236 ff., 250
Mandat, öffentlich-rechtliches 85 Minderheitenschutz 216 ff. Mitbestimmungsrecht 159 ff.
Haushaltsrecht 30, 32, 42 f., 154, 228, 240 Informationspflicht 266 ff. Ingerenzbefugnisse 141 ff. Ingerenzgebot 65 „In-house-Geschäft“ – im engeren Sinne 108, 188, 346 – im weiteren Sinne 135, 140, 200, 245, 251, 255, 260, 284, 342, 346 Inpflichtnahme Privater 95 ff., 347 Investorenauswahlverfahren 349 Kartellrecht 46 f., 102 ff., 171 f., 185, 228 Kartellvergaberecht 29, 32 Kaskadenprinzip 32 Kommunalrecht 155 f., 158, 219 f. Konzern 105 f., 117 – faktischer 156 – gemischtwirtschaftlicher 77, 223 f. – publizistischer 73, 156, 177 ff., 192 – Vertragskonzern 152 ff., 176 Konzernprivileg 117, 343 Konzernrecht 152 ff. Konzession 89, 295 ff. – Baukonzession 298 ff., 326 f., 331 – Dienstleistungskonzession 300 ff., 318, 320, 340 f., 346, 348
Nichtigkeit (von Verträgen) 266 ff. Öffentliche Aufgaben 58 f. Öffentliche Gewalt 287, 292 ff. Öffentlicher Auftrag 98 ff., 211 ff., 228 ff., 277, 282, 295, 324 ff., 339 ff., 347 f. – Bauauftrag 299 f., 322 ff. – Dienstleistungsauftrag 230, 232, 318, 340, 345 f., 350 f. – Lieferauftrag 229 f., 233, 350 Öffentlicher Auftraggeber 34 ff., 177, 181, 203, 224, 225, 291, 295 f., 317, 325, 331, 335, 343 Öffentlicher Personennahverkehr 333 ff. – Bruttovertrag vs. Nettovertrag 341 – Eigenwirtschaftlichkeit vs. Gemeinwirtschaftlichkeit 335, 341 Öffentlich-rechtlicher Vertrag 82, 135, 284 ff., 317, 321, 324, 340 Organisationshoheit 118, 119 f. Outsourcing 54 f. Pflichtenübertragung 208, 215 ff. Privatisierung 56 ff., 62, 68 ff. – Aufgabenprivatisierung 92 – Finanzierungsprivatisierung 91 – formelle 68 ff., 98 ff. – funktionale 73 ff. – materielle 92 ff., 347 ff. – Vermögensprivatisierung 58, 94 f., 347 ff. Public Private Partnership 52 ff. Publizistische Privatrechtsvereinigung 70, 98 ff. Rechtsschutz 40 ff., 272 Regiebetrieb 66 f., 108, 187 f. Rundfunkversorgung 248
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Sachwortverzeichnis
„Sale-and-lease-back“-Geschäft 350 f. Satzungsänderung 174, 222 f. Schienenpersonennahverkehr siehe Öffentlicher Personennahverkehr Schwellenwert 37, 98, 280, 325 Schwerpunkttheorie 254, 279, 314 Selbstverwaltungsrecht 118 ff., 235 f. Sperrminorität 174, 223 Staatsaufgaben 59 f., 89, 93, 96 f. Städtebauliche Verträge 320 ff. – Durchführungsvertrag 329 – „Echter“ Erschließungsvertrag 325 ff. – Folgekostenvertrag 329 f. – „Unechter Erschließungsvertrag“ 328 f. Stimmbindungsvertrag 173 Submissionssystem 85 f., 309 Subvention 339 Teleologische Reduktion 112, 129, 139, 155, 177, 184, 193, 200, 212, 226, 282 f., 342 Treuepflicht 218 ff. Typengemischte Verträge 277 ff. Umgehungsverbot 34, 171, 242 f., 244, 247, 251, 256, 258 Unternehmen – Begriff 99 ff., 153, 231 – öffentliche 100 – verbundene 117 Unternehmer 322 f. Veräußerung – von Gesellschaftsanteilen 227, 229 ff., 244 ff., 348 – von Immobilien 49, 349 – von Vermögenswerten 45, 47, 49, 348, 350
Verdingungsordnungen 33, 38, 42 f., 164, 242, 332, 334, 343 f. Vereinigungsfreiheit 236 ff. Vergaberecht 25, 29 f. Vergaberichtlinien 30 f., 101, 125, 133, 137, 202 f., 209, 231, 242 f., 261, 272, 278 f., 285 ff., 292, 298 ff., 322 f., 331, 336 f., 343 f. Vergabeverfahren 38 ff., 241, 268 f., 319, 330 ff., 343 f. Vergabeverordnung 32 f., 34, 196 f., 266 ff. Verkehrsverträge siehe Öffentlicher Personennahverkehr Verschmelzung 227 f., 233 ff. Vertrag 107 ff., 322 f., 325 Vertragsänderung 262 Vertragsübernahme 249, 262 Vertragsverlängerung 262 Verwaltungsakt 282, 317 Verwaltungsaufgaben 60 Verwaltungseigene Privatrechtsvereinigung 70 f., 145 ff. Verwaltungsgesellschaftsrecht 143 Verwaltungshilfe 83 ff., 277 ff., 316 Verwaltungssubstitution 88 ff., 295 ff., 317, 321, 334 Verwaltungsverantwortung 74 f., 89 Weisungsrechte 142, 146 f., 152, 155, 221 Wettbewerb 131, 192 f. Wettbewerbsfreiheit 131, 184 f., 192 Wettbewerbsrecht 47 f., 185 Wettbewerbsrelevanz 184 ff., 200 f., 224 f., 226, 244, 252, 259 Wirtschaftliche Betätigung 185 ff., 192, 225 Zuschlag 39, 265, 319 Zweckverband 64, 181 ff., 224